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German Pages 489 Year 2013
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 244
Kapitalschutz ohne Kapital Die Haftung der Gesellschafter am Beispiel der englischen Private Limited Company und der Europäischen Privatgesellschaft (EPG/SPE) bei IFRS-Bilanzierung
Von
Jan Christoph Mosch
Duncker & Humblot · Berlin
JAN CHRISTOPH MOSCH
Kapitalschutz ohne Kapital
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 244
Kapitalschutz ohne Kapital Die Haftung der Gesellschafter am Beispiel der englischen Private Limited Company und der Europäischen Privatgesellschaft (EPG/SPE) bei IFRS-Bilanzierung
Von
Jan Christoph Mosch
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie zumal meinem Vater Dr. jur. Wolfgang Mosch meinem Großvater Dr. jur. Günter Mosch meinem Urgroßvater Dr. jur. Paul Mosch meinem Ur-Urgroßvater Ass. jur. Bruno Mosch
Vorwort Möge der Bessere gewinnen – bereits der Konjunktiv drückt aus, daß jeder Wettbewerb anfällig für Wettbewerbsverzerrungen ist. Der Wettbewerb der Rechtsordnungen bildet hiervon keine Ausnahme; auch die innereuropäische Rechtsangleichung als sein Ergebnis erfolgt nicht bar sachfremder Einflüsse. Die etwa im Rahmen der Fiskalpolitik feststellbare europarechtliche „race for the bottom“ unter Aufgabe deutscher Errungenschaften treiben (auch) nationale Egoismen und manifeste Partikularinteressen an. Sie könnten zukünftig das kontinentaleuropäische Kapitalschutz- und Bilanzrecht stärker noch durchdringen: Einerseits reden angloamerikanisch geprägte Rechtsanwender der Übernahme der entsprechenden Kapitalschutzkonzepte, insbesondere einem „Solvenztest“, das Wort. Andererseits treibt mit dem International Accounting Standards Board eine – nahezu ausschließlich mit (ehemaligen) Angestellten von Banken, Industrieunternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften besetzte – privatwirtschaftliche Einrichtung die Ausbreitung der angloamerikanisch verwurzelten International Financial Reporting Standards (IFRS) auch in den Einzelabschlüssen voran. Ersteres erscheint wegen der – auch anhand kurzlebiger europäischer Auslandsgesellschaften erkennbaren – Defizite des Kapitalschutzes zumal der englischen Private Limited Company (Limited) überaus fraglich. Im Hinblick auf Letzteres läßt die sogenannte Finanzkrise die Schwierigkeiten der Zeitwertbilanzierung nach IFRS hervortreten: Ein Rechnungslegungsregelwerk, das es etwa der Commerzbank AG im Geschäftsjahr 2011 ermöglichte, dem in ihrem Einzelabschluß gemäß HGB ermittelten Verlust von 3,619 Mrd. A im IFRS-Konzernabschluß (ohne entsprechende anderweitige Erträge im Konsolidierungskreis) einen Gewinn von 0,638 Mrd. A gegenüberzustellen, begegnet einer Vielzahl von Fragen. Diese Arbeit möchte am Beispiel der Limited und der zukünftigen EPG/SPE, der sogenannten Europa-GmbH, einen Beitrag zu Antworten an der Schnittstelle von Kapitalschutz-, Bilanz-, Insolvenz- und internationalem Privatrecht leisten. Meinem verehrten Doktorvater Prof. Dr. Haimo Schack, LL.M., danke ich herzlich für die vorbildliche Betreuung meines Themas. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich ihm dafür, daß er in Vorlesungen, bei Seminaren und Exkursionen stets den Blick für den Unterschied von Recht und Gerechtigkeit geschärft und die Freude an einer eigenen (juristischen) Meinung gestärkt hat. Herrn Prof.
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Vorwort
Dr. Joachim Jickeli danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich zudem Herrn Dr. Andreas Rittstieg für die Förderung der Promotion. Ein ganz besonders herzlicher Dank gebührt meinen Eltern Ingrid und Dr. Wolfgang Mosch für ihre humorvolle Herzlichkeit und ihre unentwegte Unterstützung. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich geworden. Danken möchte ich außerdem meinen Geschwistern und meinen Freunden für ihren Rückhalt. Meiner Eva danke ich dafür, daß es sie gibt. Hamburg, im Oktober 2012
Jan Christoph Mosch
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung – Gegenstand und Ziel der Arbeit
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Teil 2 Kapitalschutz bei der Private Limited Company
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A. Wesensmerkmale der Private Limited Company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einheit der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsbeschränkung auf juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung des (gebundenen) Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mezzanine-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Primäre präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsanteile und Nennkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschüttbarer Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bisherige Darstellungen im deutschen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erster Summand: Ergebnis des letzten Abschlußzeitraums i. S. d. Ausschüttungsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ergebnis der Rechnungslegung der Limited als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 33 33 33 34 35 36 36 36 39 41 44 44 46 46 47 48 55 57 57
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Inhaltsverzeichnis (a) Einschlägige Rechnungslegungswerke . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ergebnis der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ermittlung der Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) „Realisierte“ Erträge nach IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) „Realisierte“ Erträge nach UK GAAP . . . . . . . . . . . . . . . (f) Aufwendungen nach IFRS und UK GAAP . . . . . . . . . . . (g) Ergebnis der Rechnungslegung durch Verrechnung . . . . (2) Modifizierung des Ergebnisses der Rechnungslegung durch den Companies Act 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Modifizierung des Ergebnisses nach dem Companies Act 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lösung der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Problem der Lösung der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Exkurs: Rechtslage bei Public Limited Companies und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zweiter Summand: Gewinn- oder Verlustvortrag . . . . . . . . . . . . . . ee) Dritter Summand: Entnahme aus Gewinnrücklage . . . . . . . . . . . . ff) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschüttungen (im engeren Sinne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Offene Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verdeckte „Ausschüttungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Offene Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verdeckte Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verdeckter Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ausnahmen für Gesellschaftervergütungen und Konzernumlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ausnahmen für Sachausschüttungen . . . . . . . . . . . . . (dd) Weitere Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen einer verbotenen Ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Haftung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Exkurs: Haftung des Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konkurrenzverhältnis und Gesamtschuldner-Innenausgleich (4) Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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dd) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwerb zurücknehmbarer Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rückerwerb aus ungebundenem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rückerwerb aus gebundenem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Nichterfüllung der Verpflichtung zum Rückerwerb . . . . . . . . bb) Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc)„Financial assistance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ordentliche Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vereinfachte Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Herkömmliches Verfahren der Kapitalherabsetzung . . . . . . . bb) Außerordentliche Kapitalherabsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Andere präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berufsverbot für Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Primäres reaktives Kapitalschutzinstrument: wrongful trading . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschlägiges Krisenreaktionsverfahren eröffnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nicht hinreichende Krisenreaktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschlägige Krisenreaktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts . . . . . . . . (3) Abgrenzung beider Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überschuldung bei Einleitung des Krisenreaktionsverfahrens . . . . . . . aa) Begriff der Überschuldung im Sinne des s. 214 IA 1986 . . . . . . . bb) Wertansätze in der Überschuldungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschafter als Normadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 139 139 141 141 142 143 143 145 150 151 156 156 159 163 163 167 167
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Inhaltsverzeichnis bb) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kenntnis oder Kennenmüssen der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Hinweise auf den Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts . . . . . . . . (1) Keine klare gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine ausweglose Lage erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine vorherige werbende Tätigkeit notwendig . . . . . . . . . . . (4) Weiter Entscheidungsspielraum der Gerichte . . . . . . . . . . . . . (a) Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Weitere Anhaltspunkte für die finanzielle Lage . . . . . . . (d) Anhaltspunkte anderer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlende „vernünftige“ Aussicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zulässigkeit von Hilfsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Präklusion des Vortrags des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . (3) Reichweite des Beibringungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prozeßführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglichkeiten der Einflußnahme durch Gläubiger . . . . . . . . . . . . cc) Zustimmung Dritter, zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Keine Haftungsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Einwendung gemäß s. 214 (3) IA 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fiktion der Kenntnis des maßgeblichen Zeitpunkts . . . . . . . . (2) „Jeder“ Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderliche vernünftige Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Billigkeitsentscheidung des Gerichts gemäß s. 1157 CA 2006 . . cc) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Ausgleichszahlung nach Ermessen . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruchsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anspruchsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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171 172 173 175 175 175 177 179 179 181 182 184 185 186 186 188 189 189 191 192 193 194 194 195 195 196 196 198 202 203 204 205 205 205 206 206 210
Inhaltsverzeichnis (1) Keine klare gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausgangspunkt der Anspruchsbemessung nach der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verringerung des Reinvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Berechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Hinzugetretene Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Gesichtspunkte der Anspruchsbemessung . . . . . . . . . (4) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Exkurs: Ausgangswert der Anspruchsbemessung nach s. 214 IA 1986 und „Quotenschaden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anspruchserfüllung, Verteilung, zeitliche Schranken . . . . . . . . . . b) Weitere Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere reaktive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) S. 238 IA 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) S. 423 IA 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) S. 239 IA 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Gründe für die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen . . . . . e) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Fraudulent trading“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „West Mercia doctrine“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 210 211 211 214 216 218 221 223 225 227 228 229 230 233 233 233 233 235 236 236 238 239 239 241 242 242 244 245 246
D. Ergebnis zum Kapitalschutz bei der Private Limited Company . . . . . . . . . . . 246
Teil 3 Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schaffung der Europäischen Privatgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253 253 253 253 254
14
Inhaltsverzeichnis 3. Ziel der Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 352 I 1 AEUV (Art. 308 EGV a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen des Kommissionsentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen nach Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . d) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Notwendigkeit der Schaffung der Rechtsform der EPG? . . . . . . . bb) Notwendigkeit der Ermöglichung der Neugründung einer EPG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Notwendigkeit der vereinfachten Sitzverlegung? . . . . . . . . . . . . . . dd) Notwendigkeit der Zulassung der Gründung bei rein nationalen Sachverhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Geeignetheit des EPG-VO-E? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderverweisungen auf das nationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rangordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berufenes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelverweisungen und Bereichsverweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Allgemeinverweisung auf Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einfache Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufsichts- oder Beirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sitzverlegung, Auflösung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256 257 257 258 259 260 260 260 262 263 264 267 268 269 269 270 271 271 272 272 273 274 278 278 278 279 279 280 283 283 287 288 289 290 291
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Kapitalisierungsmöglichkeiten der EPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
Inhaltsverzeichnis 2. Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mezzanine-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Primäre präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur des Eigenkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nennwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verbot des öffentlichen Angebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mindestnennkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelung des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Originäre Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Erfüllbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Erfüllung und Nachweis der Erfüllung . . . . . . . . . . . (dd) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Forderung des (sogenannten) Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Surrogate der Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Differenzhaftung bei Sacheinlageverpflichtung . . . . . . . . . . . (a) Regelung des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . (c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausfallhaftung der Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Regelung des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . .
15 297 297 298 298 299 299 299 299 299 299 300 301 302 303 303 304 304 305 305 305 306 306 306 307 309 310 312 313 313 316 317 318 318 318 320 320 322 322 323
16
Inhaltsverzeichnis (c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Ausgestaltung der Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . (1) Kaduzierung von Geschäftsanteilen bei verzögerter Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wiederaufleben der Einlageverpflichtung im Wege der Vorbelastungshaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschüttungshöchstbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bilanzbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßgebliche bilanzielle Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . (a) Rechnungslegung der EPG als Ausgangspunkt . . . . . . . . (b) Teilweise eigenständiger Begriff des Ergebnisses im Sinne der Ausschüttungsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verbot der Einlagenrückgewähr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . (c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Satzungsmäßige Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Solvenzbezogenes Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Solvenzerklärung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Verfahrensbezogenes Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Inhaltliches Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Betriebswirtschaftlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . (ff) Bisherige Gesetzgebungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . (b) Solvenzerklärung im Sinne des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . (aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwingende Übernahme der Jahresfrist des Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E? . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschüttungen (im engeren Sinne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff der Ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323 324 324 325 326 327 329 329 330 330 330 330 333 334 335 335 338 339 339 340 341 341 341 341 342 343 344 346 348 351 351 351 353 355 355 359 359
Inhaltsverzeichnis (1) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Forderung des Europäisches Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorschlag der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Solvenzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesellschafterbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorschlag der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Solvenzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Mangelnde Solvenzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Mangelhafte Solvenzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Mangelnde oder mangelhafte Bereitstellung der Solvenzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesellschafterbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Überschreitung des Höchstbetrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . (1) Haftung des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kommissionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Forderung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . (2) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Haftung des Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Höchstbetrag der Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bilanzbezogenes Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Solvenzbezogenes Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kapitalherabsetzungsbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eintritt der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . (2) Pflicht zu weiterer Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geltung von Art. 22 und Rückverweisung auf Art. 24 EPGVO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 359 360 362 363 363 363 364 366 366 366 366 366 367 367 369 369 370 371 371 371 372 372 372 373 374 374 374 374 377 378 378 379 379 380 381 382 383 383
18
Inhaltsverzeichnis bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufnahme in das Gesellschafterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die mit den Anteilen verbundenen Rechte (3) Bilanzielle Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Handhabung der eigenen Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Halten und Veräußerung eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einziehung eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Andere präventive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Regelungen in EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publizitätsvorschriften der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Amtsunfähigkeitsvorschriften der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385 385 385 387 388 388 388 390 390 390 391
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungen des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beispielhaft: Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffshaftung auf die deutsche EPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Unechte) Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs . . a) Anwendbarkeit kraft Sonderverweisung des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit kraft Allgemeinverweisung des EPG-VO-E . . . . . . . . 2. (Echte) Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung . . . . . . . . . . .
392 392
D. Folgerungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschränkung des EPG-VO-E auf Rahmenregeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Punktuelle Änderungen des EPG-VO-E und Ergänzung der Kapitalrichtlinie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergänzung der Kapitalschutzregeln des EPG-VO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalaufbringungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Werthaltigkeitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sacheinlagefähigkeit von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schuldübernahme durch die EPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalerhaltungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abkopplung der Ausschüttungsbemessung von der Rechnungslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Solvenzerklärung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschärfung der Abschlußprüferhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesetzliche Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rückzahlungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
399 399
395 395 395 398 398
400 402 402 404 404 404 404 405 406 407 410 410 412 413 414 416
Inhaltsverzeichnis f) Exkurs: Pflicht der Geschäftsleiter zur ständigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzbezogener gesellschaftsrechtlicher Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . a) Haftung aufgrund „wrongful trading“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Insolvenzrechtlicher Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzanfechtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzantragsverschleppungshaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 418 419 419 420 421 421 422
Teil 4 Zusammenfassende Thesen
424
Anhang: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. Abs. AcP ADHGB AEUV a. F. AG(s)
andere(r) Ansicht Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft(en); Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AktG Aktiengesetz apdo. apartado (Absatz) arg. argumentum Art., Artt. Artikel Austr. J. Corp. Law Australian Journal of Corporate Law BB Der Betriebsberater (Zeitschrift) BC Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling B.C.C. Butterworth’s Company Law Cases (Entscheidungssammlung) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof B.J.I.B. & F.L. Butterworths Journal of International Banking & Financial Law BR Bundesrat BT Bundestag B.T.R. British Tax Review (Zeitschrift) Buchst. Buchstabe BV Besloten Vennootschap (niederländische GmbH) C.A. Court of Appeal (englisches Gericht) CA [Jahr] englischer Companies Act des jeweiligen Jahres Ch. D. Chancery Division (englischer Gerichtszweig) Co.L.N. Company Law Newsletter (Zeitschrift) Comp. Law. Company Lawyer (Zeitschrift) Constr. L.J. Construction Law Journal DB Der Betrieb (Zeitschrift) d.h. das heißt DK Der Konzern (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis DNotZ DrittelbG Drs. DStR DZWir EBLR EBOR ECFR EG EGBGB EGV EPG EPG-VO-E EStG EU EuGH EuInsVO EuR EuZW EWG EWIV EWS f. FamFG ff. Fn. FRS ggf. GmbHG GmbH(s) GmbHR GoB GuV Harv. Law Rev. HGB H.L. Hrsg. Hs. IA 1986
21
Deutsche Notar-Zeitschrift Drittelbeteiligungsgesetz Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht European Business Law Review European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften i. d. F. bis 30.11.2009 Europäische Privatgesellschaft Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft Einkommensteuergesetz Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Insolvenzverordnung Europarecht (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) und der/die folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der/die folgenden Fußnote(n) Financial Reporting Standards gegebenenfalls Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesellschaft(en) mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Gewinn- und Verlustrechnung Harvard Law Review Handelsgesetzbuch House of Lords (englisches Gericht) Herausgeber Halbsatz englischer Insolvency Act
22 IAS IASB I.C.C.L.R. i. d. F. IFRS I.L. & P. InsO Insolv. L. Int. Insolv. Rev. Int’l Rev. L. & Econ. IO IPRax IRZ i. e. S. Ins. Int. i. S. d. i. S. v. i.V. m. i. w. S. J.B.L. J. Corp. Law J.I.B.L.R. JuS JZ KG KGaA KStG LC Legislative Entschließung LF Limited L.M.C.L.Q. L.Q.R. MDR Mod. Law Rev. MoMiG
Abkürzungsverzeichnis International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Company and Commercial Law Review in der Fassung International Financial Reporting Standards Insolvency Law and Practice (Zeitschrift) Insolvenzordnung Insolvency Lawyer (Zeitschrift) International Insolvency Review International Review of Law and Economics österreichische Insolvenzordnung (Bundesgesetz über das Insolvenzverfahren) Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im engeren Sinne Insolvency Intelligence (Zeitschrift) im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Journal of Business Law Journal of Corporation Law Journal of International Banking Law and Regulation Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Körperschaftsteuergesetz Ley Concursal (Ley 22/2003, de 9 de julio) (spanische Insolvenzordnung) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2009 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft Legge Fallimentare (Regio Decreto 16 marzo 1942, n. 267) (italienische Insolvenzordnung) Private Limited Company (englische GmbH) Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly (Zeitschrift) Law Quarterly Review Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Modern Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen
Abkürzungsverzeichnis m.w. N. n. F. NJW No. Nr. NZG NZI oHG O.J.L.S. OLG para. PrALR RabelsZ Reg-E RGBl. RGZ RIW RL Rn. RNotZ Rs. Rspr. S. s(s). S. à r. l. S.A.S. SCE SE SE-VO S.L. Slg. S.L.N.E. SSRN u. a. UG vgl. VO WM WPg Yale L.J.
23
mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Number Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung offene Handelsgesellschaft Oxford Journal of Legal Studies Oberlandesgericht paragraph (Absatz) Preußisches Allgemeines Landrecht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalenWirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie(n) Randnummer(n) Rheinische Notar-Zeitschrift Rechtssache Rechtsprechung Seite(n); Satz, Sätze section(s) (Paragraph, Paragraphen) Société à responsabilité limitée (französische GmbH) Société par actions simplifiée (französische Klein-GmbH) Societas Cooperativa Europaea (Europäische Genossenschaft) Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) Verordnung des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (2157/2001/EG Sociedad de Responsabilidad Limitada (spanische GmbH) Sammlung Sociedad Limitada Nueva Empresa (spanische Klein-GmbH) Social Sciences Research Network und andere; unter anderem Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) vergleiche Verordnung Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Yale Law Journal
24 z. B. ZeuS ZGR ZHR ZIP ZPO ZRP
Abkürzungsverzeichnis zum Beispiel Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik
Teil 1
Einleitung – Gegenstand und Ziel der Arbeit Die Arbeit untersucht überraschende Ähnlichkeiten zwischen der zukünftigen Europäischen Privatgesellschaft (EPG/SPE)1 – der „Europa-GmbH“ – und der im Rechtsverkehr in Mißkredit geratenen2 englischen Private Limited Company. Dargestellt wird die Haftung des Gesellschafters der jeweiligen Rechtsform gegenüber Gläubigern der Gesellschaft in und außerhalb der Krise. Denn eine unter bestimmten Umständen unbeschränkte, persönliche Haftung des Gesellschafters ist bei Rechtsformen mit einer Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen, wie bei Limited und EPG, ein wesentliches Element des Gläubigerschutzes3. Zudem hat die Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung – als Haftung der die Rechtsform bestimmenden Personen – im Fall der Fremdorganschaft bei der Rechtsformwahl ein größeres Gewicht als etwa die Haftung der Geschäftsführer. Die Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung ist daher auch ein wesentliches Kriterium für den Erfolg einer Rechtsform. Eine gemeinsame Betrachtung der Limited und der EPG ist zunächst deshalb erkenntnisreich, weil beide Rechtsformen ein Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag aufweisen4. Zudem kann der Ausschüttungsbemessung mit den IFRS bei Limited und EPG das gleiche Rechnungslegungsregelwerk zugrundezulegen sein5. Die beiden Rechtsformen ähneln sich auch sonst frappierend, wie gezeigt werden wird. Zur Gesellschafterhaftung bei der Limited liegen zwar verschiedene deutschsprachige Monographien vor6. Diese berücksichtigen jedoch regelmäßig englische Originalquellen nicht hinreichend7. Vor allem aber vernachlässigt der bisherige Forschungsstand wesentliche systematische Zusammenhänge. Zu kurz kommen insbesondere die Verknüpfungen der Haftung des Gesellschafters mit (i) der Preisgabe des Vorsichtsprinzips im Wege der „Internationalisierung“ der Rechnungslegung durch die IFRS, (ii) den lückenhaften jeweiligen Kapitalschutzregimes sowie (iii) den unzureichenden jeweils anwendbaren insolvenzrechtlichen
1 2 3 4 5 6 7
Auch als Societas Privata Europaea bezeichnet. Vgl. Tebben, in: Michalski, § 7 Rn. 3. Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, Einl. Rn. 32 (zur GmbH). Dazu siehe den Text bei Fn. 113 ff. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2 und 630 ff. in Teil 3. Siehe Otte, Buchmann, Jansen, jeweils passim. Vgl. Otte, S. 78 ff.; Buchmann, S. 44 f.; Jansen, S. 75 ff.
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Teil 1: Einleitung – Gegenstand und Ziel der Arbeit
Bestimmungen8. Zur EPG in Gestalt des EPG-VO-E sind jüngst zwei deutschsprachige Monographien zum Gläubigerschutz im Allgemeinen erschienen, welche auch die Kapitalschutzregeln darstellen, die Rechnungslegungsvorschriften9 und die anwendbaren insolvenzrechtlichen Regelungen10 jedoch nur knapp behandeln. Indes drohen im Spannungsfeld aller drei Regelungsbereiche sowohl bei der Limited als auch bei der EPG Schutzlücken und eine unausgewogene Bevorteilung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Bei den in Folge der Rechtsprechung des EuGH11 (nach wie vor) europaweit12 in nennenswerter Zahl13 anzutreffenden Limiteds mit einem vom Satzungssitz abweichenden ausländischen Verwaltungssitz, sogenannten Auslandsgesellschaften, verschärft sich diese Erscheinung noch durch die schwierige internationalprivatrechtliche Qualifikation der Schutzinstrumente des nationalen Rechts. Das gilt stärker noch für die EPG, auf die – abhängig von der Qualifikation der jeweiligen Norm – in erheblichem Umfang das Recht desjenigen Mitgliedstaats zur Anwendung kommen soll, in dem die EPG ihren eingetragenen Sitz hat14. In dieser Arbeit werden die Schutzinstrumente im Hinblick auf die Haftung des Gesellschafters präventive und reaktive Kapitalschutzinstrumente unterschieden: Präventive Kapitalschutzinstrumente wirken vor allem außerhalb der Krise der Gesellschaft (Beispiel: Ausschüttungsregeln), reaktive Kapitalschutzinstrumente nur in der Krise (Beispiel: Insolvenzantragsverschleppungshaftung i. w. S.). Bei der Darstellung der präventiven Kapitalschutzinstrumente werden die einschlägigen Rechnungslegungsregelwerke einbezogen, welche die Reichweite bilanzieller Kapitalerhaltungsregeln naturgemäß maßgeblich bestimmen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Verdrängung des Vorsichtsprinzips durch die Zeitwert-Bewertung der IFRS15. Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung 8
Das gilt – entgegen ihrem Titel – jedenfalls im Hinblick auf das Insolvenzrecht auch für die Arbeit Röhrichts, siehe dort S. 229 ff., 259 f. 9 Vgl. Pfennig, S. 118 ff. Zu früheren Überlegungen zu einer EPG vgl. Fröhlich, passim (zur Frage des Kapitalersatzrechts). 10 Vgl. Maschke, S. 261 ff. 11 EuGH, Urteil vom 09.03.1999, Rs. C-212/97 („Centros“), NJW 1999, 2027; Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00 („Überseering“), NJW 2002, 3614; Urteil vom 30.09. 2003, Rs. C-167/01 („Inspire Art“), NJW 2003, 3331. 12 Und sogar weltweit: Becht/C. Mayer/Wagner, S. 27, nennen für die USA eine Zahl von 15.100 (mutmaßlichen) Auslandsgesellschaften. 13 Im Jahr 2008 gingen Schätzungen von einem Bestand von allein 40.000 Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland aus (Sueddeutsche.de, 26.06.2008, http://www. sueddeutsche.de/wirtschaft/181/302177/text/; Manager-Magazin.de, 26.06.2008, http:// www.managermagazin.de/unternehmen/mittelstand/0,2828,562274,00.html). 14 Siehe den Text bei Fn. 140 ff. in Teil 3. 15 Auch (euphemistisch) als „fair-value“-Bewertung bezeichnet, siehe den Text bei Fn. 318 ff. in Teil 2.
Teil 1: Einleitung – Gegenstand und Ziel der Arbeit
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der präventiven Kapitalschutzinstrumente liegt bei dem sogenannten Solvenztest, dessen Einführung im Schrifttum rechtsformübergreifend vorgeschlagen wird, um bilanzielle Kapitalerhaltungsregeln zu ersetzen16. Dessen Einführung fordert für EPGs mit einem Nennkapital von weniger als 8.000 A auch das Europäische Parlament17. Bei der Darstellung der reaktiven Kapitalschutzinstrumente liegt ein Schwerpunkt bei dem auf die Limited anwendbaren Haftungsinstitut des „wrongful trading“. Die Einführung dieser Sanierungsverschleppungshaftung18 wird im Schrifttum für die EPG und sogar für die GmbH gefordert19. Die Rechtslage bei der GmbH findet in dieser Arbeit Erwähnung, soweit dies dem Verständnis der Regelungen betreffend Limited und EPG dienlich erscheint. (Dabei wird die GmbH in Gestalt der „UG (haftungsbeschränkt)“ 20 nicht gesondert berücksichtigt, da diese nur vorübergehend ein unter dem für die GmbH geltenden Mindestkapital liegendes Nennkapital aufweisen soll 21 und für die UG zudem die im Schrifttum bereits erschöpfend behandelten Regelungen des GmbHG unmittelbar gelten22.) Übergreifendes Ziel der Arbeit ist die Untersuchung, wie bei Kapitalgesellschaften ohne ein vorgeschriebenes Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbe-
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Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 313: Ersatz der §§ 30, 31 GmbHG. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2009 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, Abänderung 33 (Dokument Nr. P6_TA(2009)0094, zugänglich unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-20090094+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE). 18 Siehe den Text bei Fn. 1350 f. in Teil 2. 19 So für die EPG Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925, 933; für die GmbH Wachendorf, passim; rechtsformübergreifend „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 93 f. 20 Die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ ist völlig mißraten: 1. Beschränkt ist bei der UG nicht die Haftung der Gesellschaft, die selbstverständlich unbeschränkt haftet. Daß die aus dem Jahr 1892 stammende Bezeichnung der echten GmbH ebenso ungenau, mittlerweile aber allgemein üblich ist, dient kaum als Rechtfertigung. 2. Bei der UG ist vielmehr die Haftung des Gesellschafters auf seine Einlage beschränkt; dies ist aber auch bei jedem Kommanditisten, GmbH-Gesellschafter, Aktionär oder Genossen der Fall, so daß insoweit keine begriffsbildende Besonderheit der UG vorliegt. 3. Die Eigenschaft, Unternehmer (im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs) zu sein, ist ebenfalls keine Besonderheit des Inhabers einer UG, sondern etwa auch bei jedem Einzelkaufmann, oHG-Gesellschafter oder Gesellschafter-Geschäftsführer einer echten GmbH anzutreffen. 4. Der Begriff des Unternehmers ist im Hinblick auf den juristischen Sprachgebrauch zu § 14 BGB unglücklich gewählt; vor dem Hintergrund der Abgrenzungsschwierigkeiten bei Organmitgliedern und Existenzgründern (siehe dazu Micklitz, in Rebmann/Säcker/Rixecker, § 13 Rn. 49 ff.) könnten „Unternehmer“, die Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sind, in Erscheinung treten. 21 Ziel ist die Erhöhung des Nennkapitals auf den für die GmbH geltenden Mindestbetrag von 25.000 A (§ 5 I GmbHG), wozu Gewinne der UG kraft Gesetzes zu thesaurieren sind (§ 5a III, V GmbHG). 22 § 5a GmbHG. 17
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Teil 1: Einleitung – Gegenstand und Ziel der Arbeit
trag23 – insbesondere bei der zukünftigen EPG – gläubigergefährdende Vermögensverschiebungen an die Gesellschafter verhindert werden können. Dazu soll – über den bisherigen Forschungsstand hinausgehend – die Effektivität des Gläubigerschutzes vor dem Hintergrund der einschlägigen internationalen Rechnungslegungsregeln, insbesondere des diesen unbekannten Vorsichtsprinzips, beurteilt werden. Ferner soll untersucht werden, inwieweit Schutzdefizite durch insolvenzrechtliche Bestimmungen ausgeglichen werden können. Im Rahmen der übergreifenden Fragestellung soll eine (Neu-)Bewertung der Kapitalschutzinstrumente der Limited vorgenommen werden, deren Darstellung im deutschen Schrifttum bislang unzureichend erscheint24. Gleiches gilt für die Kapitalschutzinstrumente des EPG-VO-E. Zusätzlich soll das Zusammenspiel des EPG-VO-E mit den – je nach ihrer internationalprivatrechtlichen Qualifikation anwendbaren, den EPG-VO-E ergänzenden – unterschiedlichen reaktiven Kapitalschutzinstrumenten der Rechte der Mitgliedstaaten untersucht werden. Daran anknüpfend sollen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Kapitalschutzregimes der Limited und der EPG aufgezeigt und vor dem Hintergrund der Rechtslage bei der Limited ggf. Empfehlungen zur Verbesserung des Kapitalschutzes der EPG i. d. F. des EPG-VO-E im weiteren Gesetzgebungsverfahren unterbreitet werden. Dazu erfolgt zunächst eine Darstellung der präventiven und der reaktiven Kapitalschutzinstrumente der englischen Limited (Teil 2). Diese ergänzt eine Darstellung der präventiven Kapitalschutzinstrumente des EPG-VO-E, erweitert um eine Darstellung daneben eingreifender reaktiver Kapitalschutzinstrumente des jeweiligen nationalen Rechts (Teil 3). Darauf gründend schließen sich Empfehlungen zur Gestaltung des Kapitalschutzes der EPG de lege ferenda an. Die Ergebnisse der Arbeit werden sodann in Thesen zusammengefaßt (Teil 4).
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Zu diesem Begriff siehe den Text bei Fn. 113 ff. in Teil 2. Vgl. nochmals Otte, Buchmann und Jansen, jeweils passim; siehe näher den Text bei Fn. 195 ff. in Teil 2. 24
Teil 2
Kapitalschutz bei der Private Limited Company A. Wesensmerkmale der Private Limited Company I. Einheit der Kapitalgesellschaft In England und Wales1 gilt heute das sogenannte Prinzip der Einheit der Kapitalgesellschaft2. Nachdem der Joint Stock Companies Act 1844 bereits zu viktorianischen Zeiten eine Frühform der Aktiengesellschaft geschaffen hatte3, entstand die Private Limited Company als kleine Kapitalgesellschaft erst mit dem Companies (Consolidation) Act 19084 und damit knapp 20 Jahre nach Schaffung der deutschen GmbH5. Heute bestimmen sich die Rechtsverhältnisse sowohl der Public Limited Company – entsprechend der deutschen AG – als auch der Private Limited Company – entsprechend der deutschen GmbH – nach dem CA 20066. Auf diese einheitliche Rechtsquelle geht der Begriff der Einheit der Kapitalgesellschaft zurück7. Entscheidender Unterschied zwischen den beiden Ausprägungen der einheitlichen englischen Kapitalgesellschaft ist heute8 das für die Private Limited Company geltende Verbot, Anteile (shares) oder Anleihen (debentures) öffentlich zu begeben9.
1 Gegenstand dieser Arbeit ist das englische Recht, welches unmittelbar lediglich für England und Wales, nicht aber für Schottland, Nordirland, die Isle of Man oder die Kanalinseln gilt; vgl. von Bernstorff, S. 1. Wenn im Folgenden von englischem Recht die Rede ist, ist dasjenige von England und Wales gemeint. 2 Arg. e s. 4 (1) CA 2006: „A ,private company‘ is any company that is not a public company.“ Vgl. auch Fleischer, in: Fleischer/Goette, Einl. Rn. 214 und Michalsky, DStR 1991, 1660. 3 Davies, in: Davies, para. 1-2, S. 5. 4 Davies, in: Davies, para. 1-10, S. 15 f. 5 Das GmbHG stammt vom 20.04.1892 (RGBl. S. 477). 6 Vgl. s. 4 (1) CA 2006. 7 Vgl. Fleischer, in: Fleischer/Goette, Einl. Rn. 214 und Davies, in: Davies, para. 19 f., S. 13 ff. 8 Zu den früheren Unterschieden vgl. Davies, in: Davies, para. 1-10, S. 15. 9 Vgl. s. 755 (1), (5) CA 2006. Weitere Sonderregeln für Private Limited Companies finden sich in ss. 641 (1) (a), 831 und s. 838 (2)–(6) CA 2006.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
II. Haftungsbeschränkung auf juristische Person Die Limited10 ist als juristische Person11 selbst Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten12. Eine Vorgesellschaft ist dem englischen Recht unbekannt, so daß vor Entstehung der Limited allein die Gesellschafter berechtigt und verpflichtet werden können13. Mit Entstehung der Gesellschaft tritt bei der bei weitem häufigsten Erscheinungsform einer Limited, der company limited by shares14, eine Haftungsbeschränkung des Gesellschafters auf den noch nicht erbrachten Teil seiner Einlage ein15. Mit Entstehung der Limited haftet den Gesellschaftsgläubigern also grundsätzlich nur noch das Gesellschaftsvermögen16. Die für die Haftungsbeschränkung vorausgesetzte Entstehung der Limited als juristischer Person setzt regelmäßig17 die Registrierung der erforderlichen Gründungsdokumente18 durch den registrar of companies im companies register19
10 Die folgenden Ausführungen treffen wegen des Grundsatzes der Einheit der Kapitalgesellschaften (siehe den Text bei Fn. 1 ff. in Teil 2) weitgehend auch auf die Public Limited Company zu. Diese ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Im Folgenden wird daher auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Rechtsformen nur dann eingegangen, wenn es dem Verständnis der Private Limited Company dient. 11 S. 16 (2), (3) CA 2006. 12 Ss. 39 ff. CA 2006. 13 Birds, in: Boyle/Birds, 4.19, S. 110 f., 4.6, S. 92; Bourne, 3.5, S. 35. Bei Public Limited Companies greift bei rechtsgeschäftlichem Handeln vor Ausstellung des sogenannten trading certificate, das ein hinreichendes Nennkapital der Gesellschaft bescheinigt (s. 767 (2) CA 2006), eine Schadensersatzhaftung der Geschäftsleiter ein, ss. 767 (3), (4), 761 CA 2006. 14 Mayson/French/Ryan, 2.3.1, S. 47. Die weiteren Erscheinungsformen der Private Limited Company in Gestalt der company limited by guarantee (s. 3 (3) CA 2006) – welche vor allem für nicht auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten eingesetzt wird (Davies, in: Davies, para. 1-5, S. 8 f.) – oder der seltenen (Davies, in: Davies, para. 113, S. 18) unlimited company (s. 3 (4) CA 2006) sollen hier nicht betrachtet werden. 15 S. 3 (2), (1) CA 2006. 16 Hicks, in: Hicks/Goo, 3.3 ff., S. 102 ff. 17 Zu Ausnahmen siehe den Text bei Fn. 23 ff. in Teil 2. 18 Siehe s. 9 CA 2006. 19 Für England und Wales einerseits sowie Schottland andererseits sind unterschiedliche companies registrars (s. 1060 (1) Companies Act 2006) mit Sitz in Cardiff bzw. Edinburgh zuständig, die getrennte companies register – vergleichbar dem deutschen Handelsregister – verwalten. Diese beiden companies registrars sind der gleichen Behörde, dem Companies House, zugeordnet (vgl. Christ, S. 34 mit Fn. 35 und die Netzseite des Companies House unter http://www.companieshouse.gov.uk/about/functionsHistory.shtml). – Für Nordirland war bislang das dortige Department of Enterprise, Trade and Investment als weiterer companies registrar (vgl. s. 1060 (1) Companies Act 2006) für die Verwaltung des dritten regionalen Registers verantwortlich. Mit der schrittweisen Inkraftsetzung des Companies Act 2006 (Fn. 33 in Teil 2) ist zum 01.10.2009 auch das nordirische Register in die Zuständigkeit des Companies House überführt worden; vgl. die Netzseite des Department of Enterprise, Trade and Investment unter http://www.detini.gov.uk/cgi-bin/get_builder_page?page=3612&site=7 %20
A. Wesensmerkmale der Private Limited Company
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voraus. Entgegen einer anderen Ansicht20 entsteht die Limited nicht erst mit der nachfolgenden Ausstellung des certificate of incorporation durch den registrar21. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der ss. 16 (1)–(3), 14 CA 2006, der sich insoweit von s. 13 (3), (4) CA 1985 unterscheidet. Zudem begründet nach der Systematik des englischen Rechts das certificate of incorporation die unwiderlegliche Vermutung (conclusive evidence) der zuvor erfolgten wirksamen Registrierung22. Diese Vermutungswirkung wäre sinnentleert, wenn erst die Ausstellung des certificate of incorporation der für die Entstehung der Limited maßgebliche Zeitpunkt wäre23. Dies ist einzig dann der Fall, wenn entweder gar keine Registrierung erfolgte oder aber die Registrierungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Dann heilt die Ausstellung des certificate of incorporation diese Fehler24; dem englischen Recht ist auch die Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft unbekannt25.
III. Organisation Die Geschäfte der Limited leitet wenigstens ein director26; sind mehrere Geschäftsleiter bestellt, bilden diese gemeinsam das board of directors27. Auch juristische Personen können zum director bestellt werden28. Die Geschäftsleiter vertreten die Gesellschaft im Rechtsverkehr29. Die überkommene ultra-vires-Lehre, vermöge derer die Vertretungsmacht der Geschäftsleitung durch den Unternehmensgegenstand begrenzt wurde, ist durch den CA 2006 faktisch aufgegeben
&parent=206&prevpage=. Für die Kanalinseln besteht ein weiteres gesondertes Register (Meyding/Bödeker, BB 2006, 1009, 1009 f.). 20 So aber Griffin, 1.5, S. 12; Just, Rn. 35; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rn. 22 (dieser noch zum alten Recht). 21 Die praktischen Folgen dieser Unterscheidung sind allerdings überschaubar, da die Ausstellung des certificate of incorporation der Registrierung gewöhnlich unmittelbar nachfolgt, siehe die Vorgabe in s. 15 (1) CA 2006. 22 S. 15 (4) CA 2006. 23 Treffend Dine/Koutsias, 2.8 a. E., S. 18: „Thus, the company’s existence as such is unchallengeable from the date of the issue of the certificate of incorporation.“ [Hervorh. von mir] 24 Heinz, in: Heinz, § 8 Rn. 4. 25 Luke, S. 23. 26 S. 154 (1) CA 2006. Im folgenden wird der Begriff des directors mit „Geschäftsleiter“ übersetzt, da der für die GmbH gebrauchte Begriff des Geschäftsführers zu eng wäre: Der director ist Leitungsorgan(mitglied) sowohl der Private Limited Company als Entsprechung der deutschen GmbH, als auch der Public Limited Company als Entsprechung der deutschen AG. 27 Heinz, in: Heinz, § 6 Rn. 2. 28 Arg. e s. 155 (1) CA 2006. 29 Vgl. Sch. 1 para. 4 (1) The Companies (Model Articles) Regulations 2008 (SI 2008 No. 3229).
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
worden30. Eine Eingrenzung des Unternehmensgegenstands kann zwar noch in den articles of association erfolgen31; diese hat fortan jedoch keine Außenwirkung mehr32. Seit Inkrafttreten einer entsprechenden Neuregelung durch den CA 200633 bedarf die Limited neben der Geschäftsleitung nicht mehr zwingend eines company secretary34. Bei ihm handelte es sich um ein mit internen Verwaltungstätigkeiten befaßtes besonderes Organ, vergleichbar einem Urkundsbeamten35. – Die Gesellschafter nehmen über schriftliche36 oder in Gesellschafterversammlungen37 gefaßte Beschlüsse Einfluß. Ihnen steht kraft Gesetzes im Einzelfall kein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung zu38; ein solches kann jedoch im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden39.
30 Dazu Dine/Koutsias, para. 4.5, S. 49, para. 2.9, S. 19; Torwegge, GmbHR 2006, 919, 921. 31 S. 30 (1) CA 2006. 32 Goo, in: Hicks/Goo, 6.1.4, S. 168. Zu dem verbleibenden Nutzen einer fakultativen Bestimmung siehe Bourne, 5.6, S. 62. 33 Vgl. 270 (1) CA 2006, der zum 06.04.2008 in Kraft getreten ist, mit s. 283 (1) CA 1985. Zum Inkrafttreten der einzelnen Regelungen des Companies Act 2006 siehe A. Meyer, RIW 2007, 645 ff. und die Hinweise des Department for Business Enterprise and Regulatory Reform (BERR), Companies Act 2006 – Table Of Commencement Dates, zugänglich unter http://www.berr.gov.uk/files/file48793.pdf. Diese stellen ausweislich des dort unter www.berr.gov.uk/whatwedo/businesslaw/co-act-2006/index.html gegebenen Hinweises nunmehr den endgültigen Stand dar. – Die Inkraftsetzung des Companies Act 2006 erfolgt nicht, wie es in Deutschland üblich wäre, durch ein eigenes Einführungsgesetz, das übersichtlich und rechtssicher das Inkrafttreten sämtlicher Normen eines Gesetzes regelmäßig zu ein und demselben Zeitpunkt bestimmt. Vielmehr setzt der britische Wirtschaftsminister (Secretary of State) im Wege der delegated legislation den Zeitpunkt des Inkrafttretens einzelner Bestimmungen verbindlich erst nach und nach durch Commencement Orders fest, s. 1300 (2) CA 2006. Es kommt auch vor, daß Gesetzesregelungen nie in Kraft gesetzt werden (siehe Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.16., S. 178). – Die Regelungen des Companies Act 2006 sind infolgedessen zu nicht weniger als 11 verschiedenen Zeitpunkten in Kraft getreten: zwischen dem 01.01.2007 und dem 01.10.2009. 34 S. 270 (1) CA 2006 gegenüber s. 283 CA 1985. Für Public Limited Companies ist dagegen weiterhin ein secretary vonnöten, s. 271 CA 2006. 35 Langhein, NZG 2001, 1123, 1126. 36 Ss. 288 ff., 281 ff. CA 2006. 37 Ss. 301 ff., 281 ff. CA 2006. 38 Eine bei der GmbH denkbare Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aufgrund einer diese schädigende Weisung (vgl. Lergon, RNotZ 2003, 214, 237) kommt damit nicht ohne weiteres in Betracht. 39 Vgl. die Mustersatzung in den The Companies (Model Articles) Regulations 2008 (SI 2008 No. 3229), dort Sch. 1 para. 4 (1), im Folgenden als Mustersatzung bezeichnet.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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B. Präventive Kapitalschutzinstrumente I. Bedeutung des (gebundenen) Eigenkapitals Neben der Bereitstellung von Eigenkapital sind der Limited weitere Finanzierungsquellen zugänglich. Diese sollen hier kurz dargestellt werden, um die Bedeutung des Eigenkapitals bei der Limited ermessen zu können. Die Finanzierungsquellen können mit den in der Betriebswirtschaftslehre üblichen Begriffen40 in die Innenfinanzierung (unter 1.) und die Außenfinanzierung (unter 2.) unterschieden werden. 1. Innenfinanzierung Die wichtigste Form der Innenfinanzierung ist die offene Selbstfinanzierung durch Verwendung von Gewinnrücklagen41. Eine weitere Erscheinungsform der offenen Selbstfinanzierung ist die Finanzierung aus den Gegenwerten von Abschreibungen und Rückstellungen42. Deren Finanzierungswirkung beruht darauf, daß hierdurch Umsatzerlöse in der Limited verbleiben, da sie in Höhe des Gegenwerts der Abschreibungen oder Rückstellungen – der als Aufwand zu verbuchen ist – einer Ausschüttung entzogen werden43. Die Innenfinanzierung in Gestalt der verdeckten Selbstfinanzierung durch Auflösung stiller Reserven44 spielt bei der Limited dagegen eine geringere Rolle, da die einschlägigen Rechnungslegungsregeln der Entstehung stiller Reserven entgegenwirken45. Im Vergleich der Finanzierungsmöglichkeiten bevorzugen englische Unternehmensinhaber die Innenfinanzierung, gefolgt von der Außenfinanzierung in der Form der Fremdfinanzierung46. 2. Außenfinanzierung a) Fremdfinanzierung Bei der Außenfinanzierung im Wege der Fremdfinanzierung wird zwischen kurzfristiger, mittelfristiger und langfristiger Fremdfinanzierung unterschieden – 40
Siehe dazu Schneeloch, S. 33 f. Vgl. Shearman, GmbHR 1992, 147, 151, die allerdings in sich widersprüchlich von „Gewinnrückstellungen“ [Hervorh. von mir] spricht. Gemeint sein dürften Gewinnrücklagen, die der Innenfinanzierung im Wege der offenen Selbstfinanzierung zuzuordnen sind (siehe Wöhe/Döring, S. 712). 42 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 3 a, S. 522, rechtsformübergreifend. 43 Vgl. Schneeloch, S. 33, rechtsformübergreifend. 44 Schneeloch, S. 33, rechtsformübergreifend. 45 Siehe den Text bei Fn. 524 in Teil 2. 46 Cosh/Cumming/Hughes, S. 31, 1. 41
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
indes ohne feste Abgrenzungen47. Eine wichtige Rolle spielt bei der Limited die Fremdfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen48. Dies ist insbesondere dadurch begründet, daß dem englischen Recht, anders als dem (unlängst geänderten) deutschen Recht49, besondere Regeln für Gesellschafterdarlehen fremd sind50. Fälle materieller Unterkapitalisierung, also einer für die Art und Weise ihres Geschäftsbetriebs unzureichenden Ausstattung der Gesellschaft mit Eigenkapital51, können in der Krise der Limited auch durch die Rechtsfigur des wrongful trading52 nicht erfaßt werden53. Die Fremdfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen bietet – wie auch die nach der Gründungsphase häufiger anzutreffende Finanzierung durch Darlehen Dritter – außerdem steuerliche Vorteile für die Limited, da Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben von den Erträgen der Gesellschaft abgesetzt werden können54. Eine der deutschen Zinsschranke55 vergleichbare Regelung kennt das englische Recht nicht56. b) Mezzanine-Kapital Eine Mischform der Außenfinanzierung durch Fremd- und durch Eigenfinanzierung stellt auch bei der Limited das sogenannte Mezzanine-Kapital dar. Das Wort „Mezzanine“ stammt aus dem Italienischen und steht für eine Zwischenetage57. Die Überlassung von Mezzanine-Kapital ist schuldrechtlich ausgestaltet und kennt vielfältige Formen; eine allgemeine Begriffsbestimmung besteht weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der Rechtswissenschaft. Wesentliche Merk47
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 3 b, S. 522, rechtsformübergreifend. Vgl. Wainman, S. 5. 49 Zwar können Gesellschafterdarlehen nach Abschaffung der Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Darlehens durch § 30 I 3 GmbHG n. F. keinem Rückzahlungsverbot entsprechend den sogenannten Rechtsprechungsregeln zu §§ 30, 31 GmbHG a. F. mehr unterfallen. Allerdings können in der Insolvenz der Gesellschaft nun sämtliche Gesellschafterdarlehen unabhängig von dem Zeitpunkt ihrer Gewährung nur noch nachrangig zurückgezahlt werden, § 39 I Nr. 5 InsO n. F. Damit einher geht die erweiterte Anfechtungsmöglichkeit des § 135 I Nr. 2 InsO n. F. Zu Einzelheiten sowie den steuerlichen Auswirkungen der neuen Regelungen siehe Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289 ff. 50 Fleischer, DStR 2000, 1015, 1017; Wachter, GmbHR 2004, 88, 92; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1344; unzutreffend Schumann, DB 2004, 743, 748, der von einer „geringen Bedeutung“ eines Eigenkapitalersatzrechts spricht. 51 Siehe Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rn. 6, zur GmbH. 52 Dazu siehe ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 53 Siehe den Text bei Fn. 1270 ff. in Teil 2. 54 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.2, S. 204. 55 Siehe § 4h EStG, § 8a KStG i.V. m. § 4h EStG, § 15 S. 1 Nr. 3 KStG sowie §§ 4 II, 20 IX, 24 VI i.V. m. 20 IX UmwStG. 56 Vgl. Köhler, DStR 2007, 597, 601. 57 Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688. 48
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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male des Mezzanine-Kapitals sind jedenfalls die Nachrangigkeit des Kapitalgebers gegenüber anderen Gläubigern in der Insolvenz bei seinem Vorrang gegenüber Gesellschaftern, die zeitliche Befristung der Kapitalüberlassung (in der Regel fünf bis zehn Jahre), eine vergleichsweise geringe Besicherung des Rückzahlungsanspruchs sowie das Fehlen von Stimm- oder sonstigen Mitgliedschaftsrechten seitens des Kapitalgebers58. Dessen Renditeerwartungen sind demgemäß höher als bei typischen Fremdfinanzierungsgestaltungen59. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung bezweckt die Aufnahme von Mezzanine-Kapital, Lücken zwischen Eigen- und Fremdkapital zu schließen, insbesondere einer vergleichsweise geringen Eigenkapitalquote zu begegnen60: Aus der Nachrangigkeit des Mezzanine-Kapitals kann sich eine für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens vorteilhafte Einordnung des MezzanineKapitals als (wirtschaftliches) Eigenkapital ergeben61. Aus bilanzieller Sicht vereint Mezzanine-Kapital je nach seiner schuldrechtlichen Gestaltung eher eigenkapitaltypische Eigenschaften (equity mezzanine) – hierhin rechnen Genußrechte, die stille Gesellschaft sowie Wandel- und Optionsanleihen – oder eher fremdkapitaltypische Eigenschaften (debt mezzanine), etwa Gesellschafter- und (sonstige) Nachrangdarlehen62. c) Eigenfinanzierung Die Außenfinanzierung durch Eigenfinanzierung63 in Gestalt der Bereitstellung von Eigenkapital hat für die Limited – insbesondere für kleinere Unternehmen – eher geringe Bedeutung64. Das gilt für die Finanzierung bei der Gründung der Gesellschaft wie im weiteren Verlauf ihrer Geschäftstätigkeit65; es wird als Teil der englischen Kultur verstanden66. Das Eigenkapital dient demgemäß in erster Linie der Zuordnung von Herrschaftsrechten zu den Gesellschaftern, während die Aufbringung des betriebsnotwendigen Kapitals überwiegend auf anderen Wegen erfolgt67. Allerdings gibt es auch eigenkapitalstarke Limiteds68. Vor allem aber kann ein Verstoß gegen die Kapitalschutzregeln der Limited unabhängig von 58
Gündel/Hirdes, BC 2005, 205, 206. Vgl. Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688. 60 Vgl. Gündel/Hirdes, BC 2005, 205, 206. 61 Schmeisser/Clausen, DStR 2008, 688, 688 f. 62 Gündel/Hirdes, BC 2005, 205, 206. 63 Zu diesem Begriff siehe Wöhe/Döring, S. 659 ff. 64 Cosh/Cumming/Hughes, S. 31, 1; Clarke, in: Boyle/Birds, 7.11, S. 218; Thole, S. 248. 65 Pennington, Small Private Companies, S. 14, 16. 66 Vgl. Finch, S. 74. 67 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.2, S. 204. 68 Vgl. Buchmann, S. 44. 59
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
der Höhe des gebundenen Eigenkapitals eine Haftung ihrer Gesellschafter auslösen69. Aus diesen Gründen sind diese Kapitalschutzinstrumente hier ausführlich darzustellen.
II. Primäre präventive Kapitalschutzinstrumente 1. Kapitalaufbringung a) Struktur des Eigenkapitals Der Nennbetrag des Eigenkapitals einer Limited wird als nominal capital bezeichnet. Dieses entspricht seit Inkrafttreten der entsprechenden Bestimmungen des CA 200670 für ab dem 01.10.2009 gegründete Gesellschaften dem issued share capital nach Ausgabe sämtlicher (gegenwärtig) zu begebender Geschäftsanteile71. Zuvor wurde der Begriff des nominal capital gleichbedeutend mit dem registered oder authorised share capital verwendet72, welches das englische Recht traditionell vom issued share capital unterschied73. Das für vor dem 01.10.2009 gegründete Limiteds fortbestehende, aber durch Gesellschafterbeschluß auflösbare74 authorised share capital 75 beziffert den möglichen Höchstbetrag des Nennkapitals nach etwaigen zukünftigen Kapitalerhöhungen76. Das englische Recht sah also ein Nennkapital mit flexibler Obergrenze vor, ähnlich dem genehmigten Kapital der Aktiengesellschaft77 und nun 69
Dazu siehe sogleich den Text bei Fn. 176 ff. in Teil 2. Vgl. ss. 542 ff. CA 2006. 71 Siehe dazu näher den Text bei Fn. 89 ff. in Teil 2. 72 Dine/Koutsias, 2.1 a. E., S. 12. 73 Walmsley, S. 48; Morse, Companies Act 2006, s. 542, S. 440. 74 Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.3., S. 166. 75 Mißverständlich Dine/Koutsias, 2.1, S. 12, die im Zusammenhang mit der Neuregistrierung einer Limited unter dem Companies Act 2006 noch von einem authorised capital sprechen. 76 Einprägsam Galley, in: Steinfeld u. a., Rn. 7.03: „a company had to have an authorized share capital which acted as a ceiling on the amount of shares which a company might issue“. 77 Vgl. §§ 202 ff. AktG. § 202 I AktG sieht indes eine zeitliche Begrenzung der Ermächtigung der Geschäftsleitung zur Kapitalerhöhung auf höchstens fünf Jahre vor. Widersprüchlich Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 80 f.: „,genehmigtes Kapital‘ (authorised capital genannt) [. . .] wie bei deutschen Aktiengesellschaften“ (Rn. 80) einerseits, „[das authorised capital] darf nicht mit dem ,genehmigten Kapital‘ verwechselt werden“ (Rn. 81) andererseits. Unzutreffend ist ferner die Behauptung, bei dem authorised capital gebe es, anders als bei genehmigtem Kapital, keine „umfangmäßige[n] Schranken“ der Kapitalerhöhung (Rn. 81); im einen wie im anderen Fall ist der Höchstbetrag der Kapitalerhöhung statutarisch festgelegt. Richtigerweise ist (wegen der Beschränkung durch § 202 III 1 AktG) im englischen Recht lediglich eine Kapitalerhöhung in verhältnismäßig größerem Umfang möglich. 70
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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auch der GmbH78. Das authorised share capital hatte jedoch kaum praktische Bedeutung und wurde zumeist willkürlich hoch festgelegt79. Die bislang erforderliche Festsetzung des authorised share capital in der Gründungserklärung der Gesellschafter, dem memorandum of association80, und das recht umständliche Verfahren zur Erhöhung des authorised share capital 81 sind nun ersatzlos entfallen82. Das memorandum, das seit 185683 zusammen mit dem Gesellschaftsvertrag (articles of association) das Statut der Limited gebildet hatte84, hat damit – nach Erkenntnis der Unzeitgemäßheit dieser Zweiteilung85 – seine Bedeutung nahezu vollständig eingebüßt86. Eine weitere Vereinfachung folgt daraus, daß in absehbarer Zeit das memorandum und sämtliche anderen für die Eintragung der Limited erforderlichen Dokumente87 „online“ übermittelt werden können88. 78
Vgl. § 55a GmbHG i. d. F. des MoMiG. Sealy/Worthington, S. 373: „This figure had very little practical significance [. . .] Indeed, companies typically plucked large figures out of the air for autorised capital [. . .].“ 80 S. 2 (5) (a) CA 1985; das memorandum mußte darüber hinaus auch die weiteren Angaben gemäß s. 2 (1) und (3) CA 1985 enthalten. 81 Vgl. ss. 121 ff. CA 1985. 82 Ss. 10 (1), (2) (b), (d), 9 (4) (a) CA 2006. So auch für Public Limited Companies; das bei diesen weiterhin erforderliche authorised minimum (ss. 761 (1), (2) CA 2006, zuvor ss. 101 (1), 118 CA 1985) ist nicht mit dem authorised share capital zu verwechseln, sondern der Mindestbetrag des späteren issued share capital (dazu siehe sogleich den Text bei Fn. 89 ff. in Teil 2). Das authorised minimum beträgt 50.000 £ oder deren Entsprechung in Euro, s. 763 (1) CA 2006. Entgegen der mißverständlichen Regelung in s. 761 (3) CA 2006 muß auf das issued share capital regelmäßig mindestens ein Viertel eingezahlt worden sein (s. 586 (1) CA 2006, mit einer Ausnahme in s. 586 (2) CA 2006), damit der Public Limited Company die Aufnahme des Geschäftsbetriebs gestattet ist, s. 761 (1) CA 2006. 83 Boyle, in: Boyle/Birds, 1.3.2, S. 5. 84 Das memorandum ist für alle Inkorporationen ab dem 01.10.2009 (zum Inkrafttreten des CA 2006 siehe Fn. 33 in Teil 2) nicht mehr Teil des Gesellschaftsstatuts (ss. 17, 9 (1) i.V. m. (5) (b) CA 2006). Dieses bildet nunmehr nur noch der Gesellschaftsvertrag, ergänzt durch die in s. 29 (1) CA 2006 bezeichneten Gesellschafterbeschlüsse. Für am 01.10.2009 bereits inkorporierte Gesellschaften gelten in deren memorandum getroffene Bestimmungen als solche ihrer articles, s. 28 CA 2006. 85 Alcock, in: Alcock/Birds/Gale, 3.2, S. 23. 86 Das memorandum muß für Gründungen ab dem 01.10.2009 nur noch die in s. 8 (1) CA 2006 vorgesehene Erklärung enthalten, daß die Unterzeichner eine Limited gründen und mindestens einen Geschäftsanteil übernehmen. Ein Unternehmensgegenstand ist, entgegen der bisherigen s. 2 (1) (c) CA 1985, überhaupt nicht mehr – auch nicht in Form des bislang üblichen Nullums „to carry on business as a general commercial company“ (s. 3A CA 1985) – anzugeben. Unterbleibt eine Bestimmung, gilt der Unternehmensgegenstand als nicht beschränkt, s. 30 (1) CA 2006. Selbst wenn die Satzung einen Unternehmensgegenstand enthält, bedingt dieser nicht die Unwirksamkeit eines außerhalb des Unternehmensgegenstands vorgenommenen Rechtsgeschäfts, s. 39 (1) CA 2006. Die faktisch bereits durch den Companies Act 1989 erfolgte (Sealy/Worthington, S. 422) Aufgabe der ultra-vires-Lehre wurde durch den Companies Act 2006 damit endgültig vollzogen. 79
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Dagegen ist das seit dem 01.10.2009 allein erhebliche issued share capital der Limited derjenige Teil des nominal share capital, für das im Rahmen der Kapitalaufbringung89 oder Kapitalerhöhung bereits Geschäftsanteile gegen Übernahme einer Einlageverpflichtung durch den Gesellschafter90 beziehungsweise die Gesellschafter ausgegeben wurden91. Mit Abschluß der Kapitalmaßnahme erreicht das issued share capital nach neuem Recht stets die Höhe des nominal share capital, sofern die Gesellschaft kein Aufgeld (premium) verlangt92. Zuvor blieb das issued share capital in aller Regel weit hinter dem nominal oder authorised share capital zurück93. Daher war die unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes maßgebliche Größe bereits vor Abschaffung des authorised share capital allein das issued share capital als Haftsumme94. Die Summe der darauf bereits einzuzahlenden Einlagen95 bildet das called-up share capital96, während der auf die Einlagen geleistete Gesamtbetrag das paidup share capital darstellt97. Im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen, nicht aber der Gründung einer Limited98, tritt weiterhin der Begriff des allotted share capital auf. Dabei handelt es sich um den Teil des Nennkapitals, auf dessen Übernahme der potentielle Gesellschafter bereits ein unbedingtes Recht erworben hat99.
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Zu diesen siehe s. 9 CA 2006. Morse, Companies Act 2006, s. 9, S. 63. 89 Im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung wird anstelle des issued share capital auch von subscribed share capital gesprochen; Sealy/Worthington, S. 373. 90 Die Einpersonen-Gesellschaft war für die Limited bereits vor Inkrafttreten des Companies Act 2006 anerkannt, s. 1 (3A) CA 1985. Seit dem 01.10.2009 (zum Inkrafttreten des CA 2006 siehe Fn. 33 in Teil 2) können auch Public Limited Companies durch lediglich einen Gesellschafter gegründet werden, s. 7 (1) CA 2006. Mitte des 19. Jahrhunderts waren noch wenigstens 25 Gesellschafter vonnöten (Boyle, in: Boyle/ Birds, 1.3.2, S. 5). 91 Ein Geschäftsanteil, der naturgemäß stets zum nominal capital zählt, wird erst dann auch Teil des issued capital, wenn der potentielle Gesellschafter in das Register der Gesellschafter (s. 113 CA 2006) eingetragen wurde, vgl. Sealy/Worthington, S. 372. 92 Dazu siehe den Text bei Fn. 121 ff. in Teil 2. 93 Siehe den Text bei Fn. 79 in Teil 2. 94 Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 4, 7 (zum CA 1985). 95 Zur Fälligkeit der Einlageverpflichtung siehe den Text bei Fn. 128 ff. in Teil 2. 96 S. 547 CA 2006. 97 Vgl. s. 547 (a) CA 2006. 98 Siehe s. 559 CA 2006. Die Unterzeichner des memorandums werden vielmehr mit Inkorporation der Limited ohne weiteres Anteilseigner, s. 16 (5), (2) CA 2006. 99 Vgl. s. 558 CA 2006 und Galley, in: Steinfeld u. a., Rn. 7.05. Die „Legaldefinition“ in s. 546 (1) (b) CA 2006 ist dagegen nicht sonderlich hilfreich: „References in the Companies Acts to ,allotted share capital‘ are to shares of a company that have been allotted“. Zum Verfahren im Einzelnen siehe ss. 549 ff. CA 2006. 88
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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b) Geschäftsanteile und Nennkapital Das Nennkapital der Limited unterteilt sich in Geschäftsanteile (shares)100. Eine begriffliche Unterscheidung entsprechend dem Geschäftsanteil bei der kleinen und der Aktie bei der großen Kapitalgesellschaft, wie sie das deutsche Recht vornimmt101, kennt das englische Recht wegen des Grundsatzes der Einheit der Kapitalgesellschaft102 nicht. Dieser Grundsatz wirkt sich vielfältig aus. So sind etwa auch bei der Limited als kleiner Kapitalgesellschaft – anders als im deutschen Recht103 – Geschäftsanteile verschiedener Gattungen zulässig104. Diese können im Gesellschaftsvertrag, aber auch in dem Vertrag über die Übernahme der Geschäftsanteile (terms of allotment) geschaffen werden105. Dabei bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten106. Möglich ist beispielsweise auch die Ausgabe stimmrechtsloser Anteile, die bei Liquidation und Dividendenverteilung bevorzugt behandelt werden (preference shares)107; die Begebung von Anteilen, die bei Ausschüttungen allen anderen Anteilen nachgeordnet sind (deferred shares)108; die Schaffung von Anteilen, die auf Verlangen des Gesellschafters oder der Gesellschaft von der Gesellschaft zurückerworben werden (redeemable shares)109. Eine Private Limited Company bedarf mindestens eines Geschäftsanteils110. Im Falle mehrerer Geschäftsanteile sind diese – wie nun auch im Recht der GmbH111 – grundsätzlich fortlaufend zu nummerieren112. Jeder Geschäftsanteil muß auf wenigstens den kleinsten umlaufenden Bruchteil einer Einheit113 einer 100
S. 10 (1), (2) CA 2006. § 14 S. 1 GmbHG einerseits, § 1 II AktG andererseits. 102 Siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 2. 103 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 14 Rn. 4. Die mit der Einrichtung unterschiedlicher Gattungen von Geschäftsanteilen verfolgten wirtschaftlichen Ziele, etwa der Ausschluß des Stimmrechts eines bestimmten Gesellschafters, lassen sich im Recht der GmbH jedoch weitgehend durch gesellschaftsvertragliche Regelungen erreichen, vgl. Wicke, § 14 Rn. 5. 104 Ss. 630 ff. CA 2006. Zu möglichen Ausgestaltungen der unterschiedlichen Gattungen Hicks, in: Hicks/Goo, 9.3, S. 275 f. Verschiedene Gattungen sind bei Private Limited Companies allerdings seltener als bei Public Limited Companies anzutreffen; vgl. Shearman, GmbHR 1992, 149, 151. 105 Davies, in: Davies, para. 23-6, S. 821, 23-8, S. 823. 106 Anschaulich Davies, in: Davies, para. 23-9, S. 820: „By permutations [. . .] the number of possible classes is limited only by the total number of shares“. 107 Heinz, in: Heinz, § 5 Rn. 2. 108 Rehm, in: Eidenmüller, Rn. 36 (zum CA 1985). 109 Siehe den Text bei Fn. 750 ff. in Teil 2. 110 Ss. 8 (1) (b), 7 (1) CA 2006. 111 Vgl. § 40 I 1 a. E. GmbHG n. F. 112 S. 543 (1) CA 2006, mit Ausnahmen in s. 543 (2) CA 2006 für voll eingezahlte Geschäftsanteile. 113 Pennington, Small Private Companies, S. 14; Van Duzer, Rn. 9.7 a. E.; Davies, in: Davies, para. 11-6, S. 265. 101
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
beliebigen an einem Devisenmarkt gehandelten114 Währung lauten115. Damit kann eine Limited etwa mit einem Nennkapital von insgesamt 0,01 rumänischen Leu oder iranischen Rial errichtet werden. Ausscheiden dürfte immerhin die Festlegung eines Nennkapitals in Höhe von 0,01 Simbabwe-Dollar, da diese Währung seit April 2009 zumindest vorübergehend selbst in Simbabwe nicht mehr umläuft116. Die im deutschen Schrifttum vielfach geäußerte Behauptung, das Recht der Limited kenne kein Mindestkapital117, trifft damit rechtstechnisch nicht zu118. Bei einer „Kapitalgesellschaft“ ohne Kapital handelte es sich – entgegen anderen119 – offensichtlich um eine contradictio in adiecto. Zutreffend erscheint es daher, vom Erfordernis eines Mindestkapitals ohne (über den kleinsten umlaufenden Bruchteil einer Währungseinheit) erhöhten Mindestbetrag zu sprechen120. Häufig geben Limiteds Geschäftsanteile gegen Zahlung eines den Nominalwert übersteigenden Betrags aus (premium shares)121. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nominalwert aller Geschäftsanteile und den erhaltenen Einzahlungen – das gesamte Aufgeld – ist, wie in Deutschland122, in der Bilanz gesondert zu erfassen (share premium account)123. Es wird bei der Limited wie das eingezahlte Nennkapital behandelt124. Die Ausgabe von Geschäftsanteilen für eine Gegenleistung, die den Nominalwert der Anteile nicht erreicht, die sogenannte Un114
Arg. e s. 622 (2), (3) CA 2006. S. 542 (1), (3) CA 2006. Dagegen sind bei Public Limited Companies – bei Gründung der Gesellschaft (Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.15, S. 177, 7.3., S. 167) – lediglich die Währungen Pfund und Euro zulässig, s. 765 (1) CA 2006. Die Public Limited Company erfordert ein Mindestkapital von 50.000 £, s. 763 (1) (a) bzw. in Höhe des jeweils vorgegebenen Äquivalents in Euro, s. 763 (1) (b), (2), (3). 116 Siehe die Meldung bei Spiegel Online vom 12.04.2009, zugänglich unter http:// www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,618704,00.html. 117 Etwa Christ, S. 122; Buchmann, S. 44; S. Mayer, S. 52; Fleischer, in: Lutter, Auslandsgesellschaften, C II 1 a, S. 57; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rn. 35; Spahlinger/ Wegen, Rn. 1378, 1128; Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 3; Just, § Rn. 40; Römermann, in: Römermann, N Rn. 6; J. Tebben/T. Tebben, DB 2007, 2355; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100; Michalsky, DStR 1991, 1660; Micheler, ZGR 2004, 324, 325; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1343. 118 Prägnant Bourne, 7.1, S. 88: „Where a company is limited by shares, the capital of the company is divided into shares. These are units of a given amount defining a shareholder’s proportionate interest in the company“. Zumindest mißverständlich dagegen Lutter, in: Lutter, Legal Capital, S. 6: „Without question it is possible to envisage a Public Limited Company without a compulsory minimum capital.“ 119 Unsinnig etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5a Rn. 4: „Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital“. 120 Dies gilt ähnlich für die „UG (haftungsbeschränkt)“, bei der das Mindestkapital ebenfalls keinen erhöhten Mindestbetrag umfaßt: Das Eigenkapital der „UG (haftungsbeschränkt)“ muß auf wenigstens 1 A lauten, arg. e § 5a I i.V. m. § 5 I, II S. 1 GmbHG. 121 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.15, S. 226. 122 §§ 272 II Nr. 1, 266 III HGB. 123 S. 610 (1) CA 2006, Ausnahmen in ss. 611 ff. CA 2006. 115
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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terpari-Emission, ist (formal) unzulässig125. Dieses Verbot gilt allerdings für Wandelanleihen nur eingeschränkt126 und wird bei Sacheinlagen letztlich nicht überprüft127. c) Einlageverpflichtung Eine Leistung auf die Einlageverpflichtung128 des oder der Gesellschafter ist, anders als im GmbH-Recht129, für Limiteds keine Registrierungs- und damit130 auch nicht Entstehungsvoraussetzung131. Die Gesellschafter einer Limited haben zur Erlangung der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen132 ihre Einlagen noch nicht einmal anteilig zu erbringen133. Vielmehr können die Gesellschafter die Einlageleistung auch erst zu einem oder verschiedenen späteren, im Gesellschaftsvertrag oder in einem gesonderten Vertrag über die Übernahme der Geschäftsanteile bestimmten Zeitpunkt vorsehen134. Der Gesellschaftsvertrag kann die Einlageleistung auch von ihrer Einforderung durch die Geschäftsleitung (call)135 abhängig machen136. Allerdings erbringen die Gesellschafter die Einlage in der Praxis oft bereits bei Ausgabe der Geschäftsanteile137. Der Anspruch der Limited gegen ihre Gesellschafter auf Leistung der noch offenen Einlage ist, wie im deutschen Recht138, ein gewöhnlicher schuldrecht-
124 S. 610 (4) CA 2006: „as if the share premium account were part of the paid up capital“. Zu den sich daraus für die Kapitalerhaltung ergebenden Unterschieden siehe den Text bei Fn. 525 ff. in Teil 2. 125 S. 580 (1) CA 2006. 126 Vgl. Sealy/Worthington, S. 384. 127 Siehe den Text bei Fn. 149 ff. in Teil 2. 128 Monographisch dazu Bürger, S. 111 ff., 135 ff., 181 ff., 215 ff., 249 ff. 129 Hier muß bis zur Eintragung insgesamt wenigstens die Hälfte der Einlagen geleistet worden sein, § 7 II 1, 2 i.V. m. § 5 I GmbHG. 130 Siehe den Text bei Fn. 17 ff. in Teil 2. 131 Arg. e ss. 3 (2), 10 (2) (d), (4) (b) CA 2006. 132 Siehe den Text bei Fn. 14 ff. in Teil 2. 133 Vgl. s. 586 (1) CA 2006, der für die Einräumung des Rechts auf Zuteilung eines Geschäftsanteils (allottment) an einer Public Limited Company eine Einlageleistung in Höhe von wenigstens einem Viertel des Nominalwerts des Geschäftsanteils verlangt. Siehe auch Dine/Koutsias, 2.1, S. 12. 134 Vgl. s. 547 (b) CA 2006. 135 Daher called-up share capital, siehe den Text bei Fn. 96 in Teil 2. 136 Mayson/French/Ryan, 6.4.2.2, S. 170. Ungenau, weil zu pauschal Just, Rn. 223 („Die Zahlung auf die Anteile hat erst nach Aufforderung durch die Direktoren zu erfolgen“) und Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 10 („Das noch ausstehende Kapital [. . .] kann jederzeit von der Gesellschaft angefordert werden“). 137 Vgl. Davies, in: Davies, para. 11-13, S. 274; Clarke, in: Boyle/Birds, 8.9, S. 275 f. 138 Ulmer, in: Hachenburg, § 19 Rn. 6.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
licher Anspruch139. Erfüllungsort ist im Zweifel der Verwaltungssitz der Limited140. Der Einlageanspruch ist entgegen einer anderslautenden Ansicht unbedingt141, wird jedoch – sofern in den articles of association nicht anders geregelt142 – ähnlich wie im GmbH-Recht143 erst mit seiner Einforderung durch die Geschäftsleitung fällig. Dies folgt aus s. 80 IA 1986144 sowie daraus, daß der Einlageanspruch bereits vor Einforderung erfüllbar ist: Aus der insoweit § 813 II BGB vergleichbaren s. 547 (a) CA 2006 ergibt sich, daß auch ohne Einforderung geleistete Einlagen als eingezahlt gelten. Der Anspruch auf die (noch offene) Einlage wird gewöhnlich durch ein Pfandrecht (lien) der Gesellschaft an den betroffenen Geschäftsanteilen gesichert145. Einlagen können als Geld- oder Sacheinlagen (consideration in kind) erbracht werden146. Sacheinlagen sind in England überaus häufig147. Auch Dienstleistungen – etwa des Gesellschafter-Geschäftsführers – sind einlagefähig148. Die Bewertung der Sacheinlagen erfolgt jeweils durch die Geschäftsleitung. Eine Überprüfung der Bewertung erfolgt vor Inkorporation der Gesellschaft nicht149. Für Limiteds besteht, anders als für die GmbH150, noch nicht einmal die Pflicht, die vorgenommene Bewertung zu begründen151. Auch nach Inkorporation sind die 139
S. 33 CA 2006. Vgl. Schack, Erfüllungsort, Rn. 287. 141 Im Sinne eines Bedingungseintritts Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 10: „Durch diese Aufforderung der Gesellschaft entsteht dann die Einlageverpflichtung“. 142 Vgl. s. 547 (b) CA 2006. 143 Hier ist für die Fälligkeit neben einer Aufforderung durch die Geschäftsleitung auch ein Gesellschafterbeschluß erforderlich; beides ist jedoch entbehrlich, wenn die Fälligkeit bereits im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rn. 8. 144 Diese Norm unterscheidet zwischen Entstehung des Anspruchs („debt [. . .] accruing due“) und dessen Fälligkeit („payable“). 145 Clarke, in: Boyle/Birds, 8.11, S. 277. Die Kaduzierung (§ 21 GmbHG) kennt das Recht der Limited nicht. 146 S. 582 (1) CA 2006. 147 Davies, in: Davies, para. 11-13, S. 275: „very frequent“. 148 Hicks, in: Hicks/Goo, 10.2.1, S. 291. 149 Vgl. auch ss. 9 ff. CA 2006, die die Einreichung prüfbarer Unterlagen betreffend die Sacheinlage bei dem registrar of companies nicht als Voraussetzung der Inkorporation bestimmen. 150 § 5 IV 2 GmbHG. Der danach erforderliche Sachgründungsbericht muß alle für die Beurteilung der Angemessenheit der Sacheinlage wesentlichen Angaben enthalten, ist schriftlich zu verfassen und bedarf der persönlichen Unterzeichnung durch alle Gründer (Wicke, § 5 Rn. 18). Ihm sind Unterlagen darüber, daß der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht, beizufügen (§ 8 I Nr. 5). Der Sachgründungsbericht wird vor Eintragung durch das Registergericht geprüft (vgl. § 9c I 2 GmbHG). 151 Arg. e 593 (1) CA 2006, der eine Begründung – dann immerhin in Form einer unabhängigen Bewertung gemäß ss. 596, 1150 ff. – nur für Public Limited Companies vorsieht. Betreffend Private Limited Companies reichlich naiv Sealy/Worthington, 140
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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englischen Gerichte mit einer eigenen Bewertung einer Sacheinlage sehr zurückhaltend und folgen in aller Regel derjenigen der Geschäftsleitung152. Ausnahmen gelten nur bei Hinweisen auf eine bewußte Überbewertung153 oder, unabhängig von einem subjektiven Moment, bei einer krassen Überbewertung154. Dann kann sich eine Haftung des Gesellschafters nach Common Law ergeben; das Gesetzesrecht regelt dagegen lediglich den praktisch bedeutungslosen Fall der offenen Unterpari-Emission155. Erkennt ein Gericht ausnahmsweise auf eine bewußte oder krasse Überbewertung der Sacheinlage, gilt diese als nicht geleistet. Der Gesellschafter haftet dann – anders als nach dem GmbH-Recht156 – auf die volle Einlage in bar157. Diese Fälle sind jedoch äußerst selten, weshalb das Verbot der Unterpari-Emission in England durch Sacheinlagen im Ergebnis unschwer umgangen werden kann158. Ein Aufrechnungsverbot kennt das englische Recht hinsichtlich der Einlageverpflichtung – anders als grundsätzlich das Recht der GmbH159 – nicht160. Wird die Limited vor Erfüllung sämtlicher Einlageansprüche liquidiert oder fällt sie in die Insolvenz, haben die Gesellschafter ihre offenen Einlagen in dem Abwicklungsverfahren161 insoweit zu erbringen, wie dies zur Deckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erforderlich ist162.
S. 387: „The common law leaves this problem to be settled by the business judgement and integrity of the directors“. 152 Park Business Interiors v Park [1990] B.C.C. 914, 919 („If, however, there is a valid contract bona fide entered into, the court will not, in general, investigate the adequacy of the consideration . . .“); vgl. bereits Re Wragg Ltd [1897] 1 Ch. 796, 813 f., ChD; Mayson/French/Ryan, 6.5.4, S. 174; Clarke, in: Boyle/Birds, 7.13, S. 221. 153 Park Business Interiors v Park [1990] B.C.C. 914, 919 („merely colourable or manifestly inadequate“); Hong Kong & China Co Ltd v Glen [1914] Ch. 527, 539. 154 Re White Star Line [1938] Ch. 458, 476. 155 Also den Fall, daß die Gesellschafter für eine Sacheinlage offen einen geringeren Wert als denjenigen der übernommenen Geschäftsanteile ansetzen. Nur in diesem Fall begründet s. 580 (2) CA 2006 eine Differenzhaftung; vgl. Davies, in: Davies, para. 1110, S. 272. 156 § 9 I GmbHG. 157 Re White Star Line [1938] Ch. 458, 479; Hong Kong & China Co Ltd v Glen [1914] Ch. 527, 540 f. 158 Hicks, in: Hicks/Goo, 10.2.1, S. 291; Davies, in: Davies, para. 11-13, S. 275. 159 § 19 II 2 GmbHG. 160 S. 583 (3) (c) CA 2006. 161 Das englische Recht unterscheidet, anders als das deutsche Recht (§§ 60 ff. GmbHG einerseits, §§ 1 ff. InsO andererseits), nicht strikt zwischen Liquidations- und Insolvenzverfahren, vgl. s. 73 (1) IA 1986. Dazu siehe noch den Text bei Fn. 982 f. in Teil 2. 162 S. 74 (1), (2) (d) IA 1986.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
d) Kapitalerhöhung Für die Erhöhung des Nennkapitals der Limited gelten – anders als im Recht der GmbH163 – keine Sonderregeln. S. 617 (2) (a) CA 2006 verweist insoweit auf die Bestimmungen zur Kapitalaufbringung164. e) Beurteilung Die Abschaffung der Größe des für den Gläubigerschutz bedeutungslosen und irreführenden authorised share capital durch die jüngste Reform des englischen Kapitalgesellschaftsrechts ist zu begrüßen. Aus Sicht der Gesellschafter vorteilhaft ist die Möglichkeit, Geschäftsanteile verschiedener Gattungen zu schaffen. Dies erleichtert eine unterschiedliche Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte, da es hierfür nicht des – in der deutschen Praxis gebräuchlichen – Umwegs über Einzelfallregelungen im Gesellschaftsvertrag oder Gesellschaftervereinbarungen bedarf. Aus Sicht der zukünftigen Gesellschafter vorteilhaft ist auch das Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag, das noch nicht einmal 1 £ erreichen muß, sondern sogar auf einen Bruchteil einer beliebigen umlaufenden Währung lauten kann. Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes allerdings höchst bedenklich. Selbst wenn auch im Hinblick auf die Limited gegen ein starres Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag im Ansatz zu Recht eingewandt wird, daß es die sehr unterschiedlichen Risiken unterschiedlicher Unternehmungen nicht abbildet und daher regelmäßig zu hoch oder zu niedrig erscheinen muß165, zeigen insbesondere die dynamischen Anforderungen an das Eigenkapital der Banken, daß dieses Problem nicht unlösbar erscheint166. In jedem Fall bleibt einem Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag die Funktion eines Sicherheitspolsters. Es stellt durchaus einen Unterschied dar, ob die Limited – wie im Fall eines Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag zulässig – jederzeit praktisch ihr gesamtes Reinvermögen an ihre Gesellschafter ausschütten kann, oder aber ob, bilanziell betrachtet, Vermögenswerte im Gegenwert beispielsweise einiger tausend Pfund Sterling in der Gesellschaft verbleiben müssen. Ein solches Sicherheitspolster wäre – mehr noch, als es dies bei der GmbH ist – gerade bei der Limited sinnvoll: Dieser ist es gestattet, nach den Maßstäben des HGB nicht realisierte, das heißt nicht nachhaltige Erträge für Ausschüttungen zu verwenden167. 163
Siehe §§ 56 ff. GmbHG. „The company may increase its share capital by allotting new shares in accordance with this Part“; damit wird allgemein Part 17 betreffend „A Company’s Share Capital“ in Bezug genommen. Zu den Kapitalaufbringungsregeln siehe den Text bei Fn. 100 ff. in Teil 2. 165 Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 263; zum deutschen Recht etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 4 a, S. 523. 166 Das räumt auch Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 263, ein. 164
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Solche „Erträge“ können etwa durch eine Marktpreiserhöhung für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens der Limited entstehen, ohne daß auch nur ein Vermögensgegenstand veräußert wurde; fällt dann der Marktpreis nach der Ausschüttung, führt dies spiegelbildlich zu Aufwendungen – allerdings ohne daß die Ausschüttung hierdurch rechtswidrig würde und vom Gesellschafter zu erstatten wäre168. In diesem Fall sind durch die Ausschüttung also Vermögenswerte abgeflossen, die der Gesellschaft gar nicht zugeflossen sind und auch nicht mit hinreichender Sicherheit zufließen werden. Einen solchen Vermögensentzug kann die Limited eher überleben, wenn nicht praktisch ihr gesamtes (vermeintliches) Reinvermögen ausgeschüttet werden kann. Damit dient ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag dem Gläubigerschutz, auch wenn es selbstverständlich nicht gewährleisten kann, daß der Limited jederzeit Vermögenswerte in einer mindestens dem Nennkapital entsprechenden Höhe zur Verfügung stehen169. Daß gegen die Sinnhaftigkeit einer bilanziellen Ausschüttungssperre als solcher ihre mangelhafte Umsetzung in Gestalt der unzureichenden Kapitalerhaltungsregeln des englischen Rechts vorgebracht wird170, die tatsächlich ohne weiteres etwa durch die Gewährung überhöhter Geschäftsführergehälter ausgehebelt werden können171, erscheint befremdlich. Ebenfalls um ein Scheinargument handelt es sich bei dem weiteren Einwand, daß die Einlageverpflichtung auch im Falle eines Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag ja durch Leistung einer Sacheinlage erfüllt werden könne, der Gegenstand einer Sacheinlage jedoch möglicherweise einem Wertverzehr unterliege und dann keinen Beitrag zum Gläubigerschutz leiste172: Denn der Gegenstand einer Sacheinlage wird selbstverständlich als Vermögenswert bilanziert, dessen Wertverzehr durch Abschreibungen abgebildet wird, die als Aufwand zu einer Verringerung des ausschüttbaren Gewinns der Limited führen – was durchaus dem Gläubigerschutz dienlich ist. Eine weitere wichtige Funktion eines Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag ist schließlich seine Wirkung als Seriositätsschwelle173; es soll sicherstellen, daß neuerrichtete Kapitalgesellschaften ein seriöses Geschäftsmodell aufweisen, worauf der Einsatz nicht unerheblicher eigener Mittel durch die Gründer hindeutet174. Das Recht der Limited erfüllt mangels Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag keine dieser Funktionen. 167
Siehe den Text bei Fn. 310 ff. in Teil 2. Vgl. den Text bei Fn. 674 in Teil 2. 169 Vgl. die Kritik bei Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 264; zum deutschen Recht etwa Hirte, Rn. 5.23 f. 170 So Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 264. 171 Siehe den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 2. 172 So aber Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 264. 173 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 4 a, S. 523, zum deutschen Recht. 174 Hennrichs, NZG 2009, 921, 922, zum deutschen Recht. 168
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Selbst ein von den Gesellschaftern vereinbartes Nennkapital über dem Mindestbetrag hat als solches keine gesicherte gläubigerschützende Wirkung. Die spätere Durchsetzbarkeit des Einlageanspruchs gegen die Gesellschafter ist mitunter fraglich, und das Recht der Limited kennt keinen Grundsatz effektiver Kapitalaufbringung im Zuge der Gründung. Die Einlageverpflichtungen müssen vor Inkorporation der Gesellschaft nicht einmal anteilig erfüllt worden sein. Eine weitere Schwächung des Gläubigerschutzes ist in den englischen Vorschriften betreffend Sacheinlagen zu sehen. Einerseits sind auch Dienstleistungen – die sich bereits begrifflich nicht als Sacheinlage (consideration in kind) fassen lassen – einlagefähig. Andererseits erfolgt die Bewertung der Sacheinlagen allein durch die Geschäftsleitung, die ihre Bewertung noch nicht einmal begründen muß. Eine Überprüfung der Bewertung erfolgt vor Inkorporation in keiner Weise. Der frei erfundenen Bewertung von Sacheinlagen ist damit Tür und Tor geöffnet. Dieser wird auch nach Inkorporation nicht wirksam begegnet, da die Rechtsprechung mit einer abweichenden Bewertung sehr zurückhaltend ist. Deswegen kommt es bei der Limited nur äußerst selten zu einer Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft wegen einer Überbewertung von Sacheinlagen. Das Verbot der Unterpari-Emission ist in England mithin praktisch bedeutungslos. Mithin können die Kapitalaufbringungsregeln ohne weiteres umgangen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung nach einer Abschaffung des festen Nennkapitals175 um so unverständlicher. Insgesamt ist festzustellen, daß bereits die libertären Vorschriften über die Kapitalaufbringung die Wirksamkeit der Kapitalschutzregeln der Limited erheblich beschränken. 2. Kapitalerhaltung a) Überblick Das Konzept der Kapitalerhaltung hat in England eine über hundertjährige Geschichte176. Es besteht dort fast so lange wie in Deutschland177: Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich in England einschlägiges Fallrecht her-
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So etwa Davies, in: Davies, para. 11-5, S. 263 ff. Unzutreffend Lutter, in: Lutter, Legal Capital, S. V: „Fixed legal capital is not a traditional ingredient of English and Irish company law and had to be incorporated into their legal systems (only for Public Limited Companies) according to the Second Company Law Directive of 1976“ (Hervorh. von mir). Unzutreffend auch Maschke, S. 46, der pauschal behauptet, „im angelsächsischen Rechtsraum ist der Gläubigerschutz der Privatinitiative überlassen“. 177 Entgegen Davies/Rickford, ECFR 2008, 239, 263 mit Fn. 98, ist das Konzept des Kapitalschutzes keineswegs „about 50 years older in the UK than [in] Germany“. Bereits das ADHGB regelte in Artt. 216, 217 in seiner Fassung vom 5.6.1869 das Verbot der Einlagenrückgewähr. Die für die GmbH insofern maßgeblichen Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG waren schon in der Fassung des GmbHG vom 20.4.1892 enthalten. 176
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aus178. Die Kapitalerhaltungsvorschriften wurden dann allerdings überwiegend erst mit der (überschießenden)179 Umsetzung der Kapitalrichtlinie durch die Companies Acts der Jahre 1980 und 1981 positiviert180. Das überkommene Fallrecht gilt daneben teilweise fort181. Durch den CA 2006 erfolgten jüngst Lockerungen der Kapitalerhaltungsregeln182, die jedoch hinter früheren Reformerwägungen zurückblieben183. Heute umfassen die Kapitalerhaltungsregeln der Limited184 Bestimmungen zur Begrenzung von Ausschüttungen im engeren Sinne (unten c)) sowie Einschränkungen für Ausschüttungen im weiteren Sinne, wozu der Erwerb eigener Anteile (unten d)) und Kapitalherabsetzungen (unten e)) zählen. Zentrale Größe der Kapitalerhaltungsregeln ist der ausschüttbare Gewinn (distributable profit). b) Ausschüttbarer Gewinn Anhand des ausschüttbaren Gewinns ermittelt sich (offensichtlich) zunächst die Rechtmäßigkeit von Ausschüttungen der Limited185. Daneben ist der ausschüttbare Gewinn auch der Prüfung der Gesetzlichkeit des Erwerbs eigener Anteile zugrundezulegen186. Umgekehrt kann sich eine Kapitalherabsetzung auf die Höhe des ausschüttbaren Gewinns auswirken187. Für eine Beurteilung der Effek178 Siehe etwa Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] 21 Ch. D. 519, 533 f.; Trevor v Whitworth [1887] L.R. 12 App. Cas. 409, 438 ff.; Re George Newman and Co [1895] 1 Ch. 674, 683 ff. 179 Die Richtlinie wurde zunächst insoweit überschießend umgesetzt, als neben den von der Kapitalrichtlinie allein erfaßten Public Limited Companies (siehe Art. 1 I der Kapitalrichtlinie) auch Private Limited Companies den Regelungen unterfallen, die den ganz überwiegenden Teil der englischen Kapitalgesellschaften darstellen (Davies, in: Davies, para. 1-10, S. 15). Dies ist eine Folge des englischen Grundsatzes der Einheit der Kapitalgesellschaften (siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 2). Weitergehend wurde die Kapitalrichtlinie auch für Public Limited Companies teilweise überschießend umgesetzt, etwa hinsichtlich der für Aufgelder eingreifenden Ausschüttungssperre (vgl. Art. 15 I, III der Kapitalrichtlinie einerseits und s. 610 (4), (2), (3) CA 2006 sowie den Text bei Fn. 121 ff., 514 f. in Teil 2 andererseits). In England ist polemisch von einer „,gold-plated‘ implementation“ die Rede (siehe Rickford, (2004) 4 EBLR, 919, 922). 180 Hannigan, S. 616 f.; Dine, 9, S. 119. 181 Vgl. s. 851 (1) CA 2006 betreffend Ausschüttungen sowie allgemein Sealy/Worthington, S. 390 f.: „Much of the case law was superseded as a result“ (Hervorh. von mir). 182 Siehe den Text bei Fn. 635 ff. in Teil 2. 183 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.11, S. 219. 184 Auf Unterschiede zu Public Limited Companies wird hier nur eingegangen, wo dies sinvoll erscheint. Die teilweise abweichenden Regeln für besondere Private Limited Companies in der Form einer investment company gemäß s. 833 CA 2006 (etwa s. 832 CA 2006) oder in Gestalt einer insurance company gemäß s. 1165 CA 2006 (etwa s. 843 CA 2006) sollen nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein. 185 S. 830 (1) CA 2006. 186 S. 736 CA 2006, die auf s. 830 CA 2006 verweist. 187 S. 654 (2) CA 2006.
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tivität der Kapitalerhaltungsregeln der Private Limited Company ist mithin entscheidend, auf welche Weise der ausschüttbare Gewinn ermittelt wird. Hierbei handelt es sich um eines der ältesten und schwierigsten Probleme des englischen Gesellschaftsrechts188, das zudem in den letzten Jahren veränderten Rahmenbedingungen durch weitreichende Änderungen der Rechnungslegungregeln der Limited unterworfen wurde189. Die Verknüpfung von gesellschaftsrechtlichen Regelungen und Rechnungslegungsvorschriften wird im englischen Schrifttum oftmals nicht herausgearbeitet 190 oder nur oberflächlich dargestellt191. Im deutschen Schrifttum zur Limited wird insoweit häufig lediglich der Gesetzestext des Companies Act wiedergeben192; gelegentlich gelingt nicht einmal dies193. Ausführlichere Beschreibungen stellen wiederum die zugrundeliegenden Mechanismen der Gewinnermittlung anhand der Rechnungslegung nicht nachvollziehbar dar194 oder sind schlicht unzutreffend: aa) Bisherige Darstellungen im deutschen Schrifttum Darstellungen von Ebert/Levedag, Otte sowie Kußmaul/Ruiner Der ausschüttbare Gewinn reicht mitnichten so weit, wie „die kumulierten realisierten Gewinne aus dem operativen Geschäft, die realisierten Veräußerungsgewinne des Wirtschaftsjahres und etwaige Gewinnvorträge die kumulierten realisierten Verluste“ übersteigen195. An dieser Formel ist zunächst – offensichtlich – falsch, daß sie ein und denselben Gewinnvortrag bei der Gewinnermittlung zwei188 Siehe bereits Yamey, (1941) 4 MLR 273, 273: „The main problem relating to company dividends is the establishment of satisfactory criteria for the determination of the size of the dividend fund“. 189 Siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 190 Vgl. etwa Davies, in: Davies, para. 12-2 f., S. 287 ff.; Dine, 9.5, S. 122 f.; Birds, in: Boyle/Birds, 7.21.2, S. 253 f.; Sealy/Worthington, S. 416; Ferran, S. 245; Renshall, (1980) 1 Comp. Law. 194 ff. (zum CA 1985). 191 Vgl. etwa Lowry, in: Dignam/Lowry, para. 7.13, S. 117; Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3.1, S. 292 f.; Mayson/French/Ryan, 10.5.3 f., S. 286 f. 192 Vgl. etwa Fleischer, in: Lutter, Auslandsgesellschaften, C II 1 b, S. 59; ders., in: Legal Capital, S. 100 f.; ders., DStR 2000, 1015, 1016; v. Rummel, S. 33; Höfling, S. 153; Christ, S. 126; Thole, S. 262; Kallmeyer, DB 2004, 636, 637 (alle zum CA 1985). 193 Siehe Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 116 (zum CA 1985), die unzutreffenderweise von einem „konsolidierten“ statt von dem kumulierten Gewinn sprechen; siehe noch den Text bei Fn. 237 ff. in Teil 2. 194 Jansen, S. 73 ff.; Cleary, S. 47 f. (jeweils zum CA 1985). 195 So aber Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1343 (zum CA 1985); Kußmaul/ Ruiner, IStR 2007, 696, 697. Letztere ordnen zudem die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns dogmatisch unzutreffend als Ausfluß „strenge[r] öffentlich-rechtliche[r] Aufsichts- und Offenlegungspflichten“ (a. a. O.) ein. Diese stehen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vielmehr selbständig gegenüber. Otte, S. 87, gibt die genannte Bestimmung des ausschüttbaren Gewinns wortgleich ohne Quellenangabe wieder.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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fach berücksichtigt. Der kumulierte Gewinn enthält schon nach seinem Wortsinn auch einen etwaigen Gewinnvortrag196. Zweitens trifft nicht zu, daß nur „Gewinne aus dem operativen Geschäft“ ausschüttbar sind. Diesen Begriff erläutern die Verfasser gar nicht erst. Sie könnten damit einen positiven Gesamtbetrag aus operating income und other operating income197 im Sinne der Rechnungslegungsregeln der UK GAAP meinen, einem der für die Limited zulässigen Rechnungslegungswerke198; dieser Saldo ist mit dem Betriebsergebnis der GmbH nach HGB vergleichbar199. Allerdings kann auch eine Limited Gewinne aufgrund einer ganzen Reihe weiterer Ertragsquellen erzielen200. Diese fließen selbstverständlich in den ausschüttbaren Gewinn ein, 196
Siehe dazu den Text bei Fn. 494 ff. in Teil 2. Das ist der Saldo der Posten 1–6 des Formats 1; der Posten 1–8 des Formats 2; der Posten B 1, 2 und A 1–3 des Formats 3 beziehungsweise der Posten B 1–4 und A 1– 3, 5 des Formats 4 des Schedule 1 Part 1 Section B der Small Companies and Groups (Accounts and Directors’ Report) Regulations 2008 (SI 2008 No. 409), im Folgenden Small Companies Accounts Regulations. Dieser gleicht Schedule 8, Section B zum Companies Act 1985 insoweit. Die für die Bilanzierung der Limited ebenfalls zulässigen IFRS (siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2) kennen keine vergleichbare Posten, vgl. IAS 1.81. 198 Zu den UK GAAP siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. Nach UK GAAP bilanzierende Limiteds haben die Wahl zwischen vier verschiedenen Gliederungen der GuV – und damit zwischen zweien mehr als GmbHs (vgl. § 275 II, III HGB) –, siehe para. 3 (1) Small Companies Accounts Regulations. In Anbetracht der erheblichen Zahl an Limiteds, die als small companies i. S. d. ss. 382 ff. CA 2006 gelten (Umsatz bis 5,6 Mio. £, Bilanzsumme bis 2,8 Mio. £, bis 50 Angestellte) werden die entsprechenden Gliederungen der Large and Medium-sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulations 2008 (SI 2008 No. 410) hier nicht berücksichtigt. Diese folgen ähnlichen Mustern. 199 Dieses setzt sich bei Anwendung des in Deutschland gebräuchlichen Gesamtkostenverfahrens aus den Posten gemäß § 275 II Nr. 1–8 HGB zusammen, bei Heranziehung des aus dem angloamerikanischen Rechtsraum stammenden Umsatzkostenverfahren aus den Posten gemäß § 275 III Nr. 1–7 HGB. 200 Dabei handelt es sich um Erträge aus Beteiligungen an verbundenen Unternehmen (income from shares in group undertakings), aus maßgeblichen Unternehmensbeteiligungen ohne Möglichkeit der Einflußnahme (income from participating interests), aus sonstigen Vermögensanlagen (income from other fixed asset investments) sowie aus Zinszahlungen und Ähnlichem (other interest receivable and similar income), abzüglich hierauf entfallender Abschreibungen (amounts written off investments) und Kapitalaufwendungen (interest payable and similar charges), siehe die Posten 7–10 und 11, 12 in Format 1, 9–12 und 13, 14 in Format 2, B 3–6 und A 4, 5 in Format 3, B 5–8 und A 6, 7 in Format 4 der in der vorletzten Fußnote genannten Regelungen. Diese Posten ähneln den Bestandteilen des Finanzergebnisses nach HGB, das bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens aus den Posten gemäß § 275 II Nr. 9–13 HGB, bei Nutzung des Umsatzkostenverfahren aus den Posten gemäß § 275 III Nr. 8–12 HGB besteht. – Ferner sind auch etwaige außerordentliche Erträge (extraordinary income) abzüglich etwaiger außerordentlicher Aufwendungen (extraordinary charges) zu berücksichtigen, siehe die Posten 15 und 16 in Format 1; 17 und 18 in Format 2; B 8 und A 8 in Format 3; B 10 und A 10 in Format 4 der in der vorletzten Fußnote genannten Regelungen. Ein Beispiel hierfür ist die Veräußerung ganzer Unternehmensteile (vgl. Financial Reporting Standard (FRS) 3, para. 6, zugänglich unter http://www.frc.org.uk). Der Saldo der letzt197
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eine Beschränkung auf bestimmte Ertragsquellen wäre unsinnig. Demgemäß enthält s. 830 (2) CA 2006201 auch keine derartige Einschränkung; s. 853 (2) (b) CA 2006202 regelt im Gegenteil, daß in den ausschüttbaren Gewinn etwa auch Erträge aus dem Abgang von Anlagevermögen eingehen. Außerdem ergibt ein Gegenschluß zu s. 832 CA 2006203, der Beschränkungen bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns für bestimmte Public Limited Companies enthält, daß eine Beschränkung für Limiteds nicht besteht. Drittens berücksichtigen die Verfasser keinerlei Ertragsteuern. Die Limited hat auf Gewinne insbesondere Körperschaftsteuer (corporation tax) abzuführen204. Bei dem von den Verfassern wohl zugrundegelegten Gesamtbetrag aus operating income und other operating income handelt es sich um einen bloßen Vorsteuerwert205. Ferner trifft in den weiteren Ausführungen Ottes nicht zu, daß „der Gewinn aus dem Verkauf oder der Neubewertung des Anlagevermögens . . . gleichfalls ausgeschüttet werden [durfte], sofern dadurch das eingezahlte Kapital (paid-up capital) erhöht wurde.“ 206 Das eingezahlte Kapital kann sich allein durch Verkauf oder Neubewertung nicht vermehren. Gemeint sein dürfte hier nicht die Erhöhung des eingezahlten Kapitals, sondern des Eigenkapitals im weiteren Sinne als Reinvermögen der Limited. Auch trifft in dieser Allgemeinheit spätestens seit 2003 nicht mehr zu207, „daß keine Gewinne aus schwebenden Geschäften ausgeschüttet werden dürfen [und] Buchgewinne aus Neubewertungen . . . bei einer Ausschüttung nicht zur Verfügung [stehen]“ 208. Darstellungen von Rehm sowie Buchmann Es trifft nicht zu, daß es „anders als bei der p.l.c. . . . bei der Ltd. umgekehrt jedoch nicht verboten [ist], Zahlungen zu leisten, wenn das Vermögen der Gesellgenannten Posten ist dem außerordentlichen Ergebnis nach HGB vergleichbar, das sich bei Verwendung des Gesamtkostenverfahrens aus den Posten gemäß § 275 II Nr. 15, 16 HGB, bei Rückgriff auf das Umsatzkostenverfahren aus den Posten gemäß § 275 III Nr. 14–15 HGB bildet. 201 Zuvor s. 263 (3) CA 1985. 202 Zuvor s. 280 (3) CA 1985. 203 Zuvor s. 265 (1) CA 1985. 204 Vgl. s. 6 Income and Corporation Taxes Act 1988. Daneben kann Zinsabschlagsteuer (withholding tax) anfallen, Heinz, in: Heinz, § 16 Rn. 1 f. Nicht zu den Ertragssteuern zählen Umsatzsteuer (value added tax) und Grundsteuer (business rates), welchen die Limited ebenfalls unterliegt, ebd. 205 Die zu entrichtenden Steuern werden in der Gewinn- und Verlustrechnung der Limited gesondert erfaßt; vgl. Posten 13 in Format 1; 15 in Format 2; A 6 in Format 3; A 8 in Format 4 der in Fn. 198 genannten Regelungen. 206 Otte, S. 86. 207 Siehe den Text bei Fn. 451 ff. in Teil 2. 208 So aber Otte, S. 87.
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schaft das Nennkapital nicht übersteigt“ 209. Übersteigt das Vermögen der Limited ihr Nennkapital nicht, sind Aktiva und Passiva notwendig entweder gerade ausgeglichen, so daß jede Auszahlung zur Überschuldung führen würde, oder die Gesellschaft ist bereits überschuldet. Nach Darstellung der Verfasser stünde in diesem Fall dennoch ein ausschüttbarer „Gewinn“ zur Verfügung, es wären also Ausschüttungen aus dem Nennkapital der Limited zulässig. Dies war ausweislich der einschlägigen, über 125 Jahre alten Leitentscheidung selbst im englischen Recht nie der Fall: „a payment of dividends out of capital is contrary to the constitution of the company, and is incapable of ratification“ 210. Vorübergehend konnten allenfalls tatsächlich vorhandene Gewinne ausgeschüttet werden, ohne Verluste des Nennkapitals in einem Vorjahr auszugleichen211; indes ist auch dies seit mittlerweile rund 30 Jahren unzulässig212. Weiter ist unzutreffend, daß „das englische Recht strikter [ist] als das deutsche GmbH-Recht, weil nach diesem Rücklagen auch ohne aktuellen Gewinn aufgelöst werden dürfen, solange das Nennkapital nicht angegriffen wird“ 213. Nach Ansicht der Verfasser sollen Rücklagen im englischen Recht „ohne aktuellen Gewinn“ also nicht aufgelöst werden können. Dies ist nicht richtig. Gewöhnliche Rücklagen, die freiwillig aus einbehaltenen Gewinnen gebildet wurden (revenue reserves), können selbstverständlich jederzeit ausgeschüttet werden. Solche Rücklagen haben seit jeher gerade die Funktion, in Jahren ohne oder mit geringem Gewinn Ausschüttungen zu ermöglichen214. Auch kraft Gesetzes zu bildende Rücklagen sind auflösbar215. Sie können dann nicht für eine Barausschüttung, jedoch für eine Sachausschüttung junger Anteile216 eingesetzt werden, die zuvor durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, d.h. aus diesen Rücklagen, geschaffen wurden217. Möglicherweise wollen die Verfasser zum 209 So aber Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rn. 39 a. E. und nahezu wortgleich Buchmann, S. 46, jeweils im Zusammenhang mit der Bestimmung des ausschüttungsfähigen Gewinns. 210 Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] L.R. 21 Ch. D. 519, 536 (C.A.). 211 Verner v General and Commercial Investment Trust [1894] 2 Ch. 239, 264 f. (CA). Zu dieser Entscheidung treffend Yamey, (1941) 4 MLR 273, 280: „The bottom had been knocked out of the creditors’ safeguard contained in the earlier version of the law“. 212 Siehe den Text bei Fn. 494 ff. in Teil 2. 213 Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rn. 39; fast wortgleich Buchmann, S. 46; so sinngemäß auch Kallmeyer, DB 2004, 636, 637; vgl. auch Mellert/Verführt, S. 107. 214 Vgl. Wood/Sangster, 9.2, S. 140 f. 215 So die redenomination reserve (s. 628 (1), (2) CA 2006) und die capital redemption reserve (s. 733 (1)–(5) CA 2006). Zu letzterer siehe noch den Text bei Rn. 809 ff. 216 Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine Sachausschüttung. Allerdings unterwirft das englische Recht gemäß s. 829 (2) (a) CA 2006 die Ausgabe von Gratisaktien nicht den allgemeinen Ausschüttungsregeln. Stattdessen bestehen Sonderregeln, siehe den Text bei Fn. 509, 563 in Teil 2. 217 Siehe ss. 610 (3), (4), 628 (2), (3) und s. 733 (5), (6) CA 2006.
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Ausdruck bringen, daß bei der Limited stille, also nicht bilanzierte Rücklagen (auch als stille Reserven bezeichnet)218 grundsätzlich vor ihrer mit einer entsprechenden Ertragsbuchung verbundenen Aktivierung nicht ausgeschüttet werden dürfen219. Darstellung von Jansen Ebensowenig gilt bei der Limited „ein Gewinn als realisiert, sobald eine Zahlung an die Gesellschaft fällig ist“ 220. Insoweit ist es zunächst vorzugswürdig, statt von „Gewinnrealisierung“ von Ertragsrealisierung zu sprechen221. Wie Jansen zudem zur Fälligkeit des Anspruchs als Voraussetzung der Ertragsrealisierung kommt, ist nicht nachvollziehbar. Sie ist bei Rechnungslegung nach IFRS222 oder UK GAAP 223 (und auch gemäß HGB)224 weder erforderlich, noch hinreichend. Zudem können sich Erträge nach den Grundregeln der Buchführung 218
Vgl. Wöhe/Döring, S. 842. Vgl. den Text bei Fn. 256 ff. in Teil 2. Siehe aber die Ausnahme im Text bei Fn. 635 ff. in Teil 2. 220 So aber Jansen, S. 75. 221 Der Begriff der „Gewinnrealisierung“ erscheint ungenau (von „Gewinnrealisierung“ sprechen aber etwa auch Bitz/Schneeloch/Wittstock, S. 227; Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 43). Im Folgenden ist der Begriff „Ertragsrealisierung“ vorzuziehen (so auch Hahn/Wilkens, S. 47). Denn die Frage der Realisierung betrifft allein die Ermittlung des zutreffenden Zeitpunkts der Verbuchung des (Brutto-)Ertrags vor Aufwendungen. Damit wird unmittelbar lediglich der Minuend der Differenz aus Erträgen und Aufwendungen von dem Realisationsprinzip erfaßt, nicht aber der Subtrahend oder der Wert der Differenz als solcher, dieser entsprechend dem (Netto-)Gewinn. Zwar wird im betriebswirtschaftlichen Schrifttum darüber hinausgehend vertreten, das Realisationsprinzip sei zum Zweck einer periodengerechten Aufwandserfassung auch für den Zeitpunkt der Aufwandsbuchung heranzuziehen. Danach sollen Aufwendungen grundsätzlich (erst) gleichzeitig mit denjenigen Erträgen zu erfassen sein, denen sie konkret zuzurechnen sind. Aufwendungen werden also (noch) nicht verbucht, wenn sie Erträge erst in Zukunft ermöglichen („Alimentationsprinzip“, Moxter, S. 304 ff.; Ballwieser, in: K. Schmidt, § 243 Rn. 26). Dies wird jedoch mit Recht abgelehnt (siehe BFH NZG 2003, 94, 96; Kessler, DStR 1996, 1430, 1437 f.): Die Beschränkung des Realisationsprinzips auf die Ertragsbuchung erscheint vorzugswürdig, da die ansonsten erforderliche genaue Zuordnung eines bestimmten Aufwands zu bestimmten Erträgen erhebliche Schwierigkeiten bereitet und die Informationsfunktion des Abschlusses auf diese Weise eher beeinträchtigt als fördert. 222 Siehe s. 397 CA 2006 i.V. m. IAS 18.14 ff. im Hinblick auf Erträge aus Warenverkäufen, IAS 18.20 ff. für Erträge aus der Erbringung von Dienstleistungen, IAS 18.29 ff. hinsichtlich Zins- und ähnlichen Erträgen, IAS 11.22 ff. betreffend Erträge aus Fertigungsaufträgen, IAS 39.55 ff. in Bezug auf Erträge aus Finanzinstrumenten, IAS 17.40 zu Erträgen aus Leasingverträgen. Siehe näher den Text bei Fn. 310 ff. in Teil 2. 223 Siehe s. 396 (2) CA 2006 i.V. m. Foreword to Accounting Standards, para. 13 (zugänglich unter http://www.frc.org.uk) i.V. m. FRS 18.28 f. Siehe näher den Text bei Fn. 366 ff. in Teil 2. 224 Siehe Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 44 ff. Zu weiteren Konzeptionen des Realisierungsprinzips des HGB, die etwa auf den Übergang der Preisgefahr oder des „wirtschaftlichen Eigentums“ abstellen, vgl. Euler, S. 81 ff. 219
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nicht nur aufgrund von Zahlungsansprüchen der Limited realisieren, sondern auf vielfältige andere Weise, etwa aufgrund der Auflösung einer Rückstellung oder durch eine Zuschreibung auf einen Vermögensgegenstand. Unsinnig ist auch die Behauptung, „unrealisierter Gewinn . . . beruht nur auf Schätzungen oder entsteht durch eine Neubewertung des Betriebsvermögens“ 225. Dies verkennt eine häufige Erscheinungsform eines unrealisierten Ertrags, nämlich einen solchen aus einem schwebenden Geschäft226. Offensichtlich zirkelschlüssig ist die Behauptung, „ein Verlust realisiert sich, sobald die Gesellschaft einen Aufwand zu tragen hat“ 227. Ebenso zirkelschlüssig erscheint die Einlassung, ein Verlust „realisiere“ 228 sich, „sobald die Gesellschaft angefallene und quantifizierbare Verpflichtungen treffen“ 229. Das Problem der Aufwandsrealisierung betrifft gerade die Frage, wann eine Verpflichtung „anfällt“ und „quantifizierbar“ ist. Unzutreffend ist ferner die Behauptung, „Rückstellungen werden . . . immer als realisierte Verluste behandelt“ 230. Aus s. 841 (2), (3) CA 2006231 folgt, daß etwa Rückstellungen für Wertverluste des Anlagevermögens (revaluation provisions) keine realisierten Verluste darstellen. Darstellung von Zessel Verfehlt ist es weiter, bei der Bestimmung des ausschüttbaren Gewinns die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu berücksichtigen232 und diese auch noch danach zu bestimmen, ob das Nennkapital durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt ist („ist . . . zu prüfen, daß die Ausschüttung die Solvenz der Gesellschaft nicht beeinträchtigt, das Vermögen also nicht die gebundene Kapitalsumme (issued share capital) unterschreitet“)233. Zahlungsfähigkeit bedeutet allgemein, daß ein Zahlungspflichtiger über hinreichende liquide Mittel verfügt oder sich diese beschaffen kann, um sämtliche Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit zu erfüllen234. Hierüber sagen bilanzielle Größen wie „Vermögen“ oder „gebundene 225
So aber Jansen, S. 76. Vgl. den Text bei Fn. 310 ff. in Teil 2. 227 Siehe Jansen, S. 75. 228 Anstelle des Begriffs der „Verlustrealisierung“ wäre treffender von „Aufwandsrealisierung“ zu sprechen, vgl. Fn. 221 zum Begriff der „Gewinnrealisierung“. Allerdings ist die Ausdehnung des Realisationsprinzip auf Aufwandsbuchungen abzulehnen, vgl. Fn. 221. 229 So aber Jansen, S. 75. 230 Jansen, S. 75. 231 Zuvor s. 275 (1), (1A) CA 1985. 232 Vgl. Fn. 703 f. in Teil 3. 233 So aber Zessel, S. 226. 234 Vormbaum/Rautenberg, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 1355 f. 226
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Kapitalsumme“ nichts aus. Ein Unternehmen kann trotz bilanzieller Überschuldung zahlungsfähig, trotz Vorhandenseins ungebundenen Eigenkapitals zahlungsunfähig sein. Wenn der Verfasser ausdrücken möchte, daß Gewinne nur dann ausschüttbar sind, wenn neben der Zahlungsfähigkeit auch eine zumindest ausgeglichene Bilanz der Limited gewahrt bleibt, wäre dies nach seiner eigenen Einlassung nicht der Fall. Dafür muß das Vermögen der Gesellschaft nach den elementaren Grundlagen der Bilanzkunde neben dem Nennkapital (issued share capital) auch sämtliche Verbindlichkeiten decken. Falsch ist es ferner, „die gebundene Kapitalsumme“ mit dem Nennkapital (issued share capital) gleichzusetzen. Über dieses hinaus bestehen weitere Bindungen des Eigenkapitals der Limited. Dies gilt einerseits für die gesetzlichen Rücklagen235, die nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden dürfen. Andererseits trifft dies für eine Neubewertungsrücklage (revaluation reserve) zu, die für bestimmte unrealisierte Gewinne gebildet wird und nicht ausgeschüttet werden darf 236. Darstellung von Kasolowsky/Schall Schließlich handelt es sich bei dem ausschüttbaren Gewinn der Limited regelmäßig auch nicht um einen „konsolidierten Bilanzgewinn“ 237. Als konsolidiert wird gemeinhin nicht ein einzelner Posten eines Einzelabschlusses wie der Bilanzgewinn bezeichnet, sondern nur der – durch Zusammenfassung der Einzelposten der Einzelabschlüsse zu bildende238 – Jahresabschluß einer Konzernmutter239. Der Konzernjahresabschluß ist Grundlage der Ausschüttungsbemessung allein der Konzernmutter240. Die Verfasser meinen vermutlich einen kumulierten Gewinn241. Es trifft nicht zu, daß sich „an diesen Grundsätzen [der Gewinnrealisierung] auch im neuen Companies Act [scil.: 2006] nichts [ändert], und zwar trotz der grundsätzlich eröffneten Option für IFRS-Bilanzierung.“ Die Bilanzierung der
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Ss. 610, 628 und s. 733 CA 2006. Vgl. s. 734 (3) (b) CA 2006. 237 So jedoch Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 116 (zum CA 1985). 238 Siehe ss. 404 f. CA 2006 für die Bilanzierung nach UK GAAP und IAS 27.9, 27.12 ff., 27.22 ff. für die Bilanzierung gemäß IFRS. 239 Siehe Hahn/Wilkens, S. 14; Wöhe/Döring, S. 1018 f.; Busse von Colbe, ebd. Sp. 1145 f.; Chmielewicz, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 1790; Küting, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 2273 f. 240 Holgate, p. 160. 241 Vgl. Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 117, wo der Begriff „konsolidiert“ im Hinblick auf den Konzernjahresabschluß gebraucht wird: „Die Geschäftsführer einer Limited müssen anhand der relevanten Bilanz (nicht der konsolidierten Bilanz) entscheiden, ob die notwendigen Gewinne realisiert wurden“. 236
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Limited nach IFRS hat weitreichende Auswirkungen auf die Frage der Realisation von Erträgen242. Weiter „verbirgt sich hinter der komplizierte[n] Formulierung der s. 263 (3) CA 1985“ 243 (jetzt s. 830 (2) CA 2006) mitnichten „letztenendes das Vorsichtsprinzip“ 244. Ein dem deutschen Vorsichtsprinzip245 entsprechender Grundsatz gilt für die Gewinnermittlung der Limited längst nicht mehr246. Ein dort lediglich noch vorzufindender Vorsichtsgedanke hat für die Gewinnermittlung der Limited keine maßgebliche Bedeutung247. Ferner stellt der Vorsichtsgedanke einen (untergeordneten) Rechnungslegungsgrundsatz dar248; s. 263 (3) CA 1985 (jetzt s. 830 (2) CA 2006) enthält jedoch keine Rechnungslegungsgrundsätze; der Companies Act nimmt solche vielmehr gerade in Bezug249. Das Gesellschaftsrecht der Limited muß insoweit notwendig neutral ausgestaltet sein, da Limiteds die Gewinnermittlung nach unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards gestattet ist250. bb) Grundlagen Von grundsätzlicher – und im deutschen Schrifttum häufig übersehener251 – Bedeutung für das Verständnis der Regelungen zur Ermittlung des ausschüttba242
Siehe den Text bei Fn. 310 ff. in Teil 2. Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 116. 244 So aber Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 116. 245 Siehe § 252 I Nr. 4 HGB. 246 Siehe für die Gewinnermittlung nach IFRS para. 27 des Rahmenkonzepts (Framework) der IFRS. Für die Gewinnermittlung nach IFRS galt dies schon immer, da diese statt allgemeiner Prinzipien kasuistische Einzelregelungen bevorzugen (Mock, S. 237 mit Fn. 1085). – Hinsichtlich der Gewinnermittlung nach UK GAAP siehe para. 3.18 ff. des Statement of Principles for Financial Reporting (SPFR) des Accounting Standards Board und para. 28 f. Financial Reporting Standard (FRS) 18. – Die angloamerikanischen Regelwerke werden im Folgenden, wie üblich, abgekürzt zitiert entsprechend der Syntax [Regelwerk] [Standard].[Absatz], also etwa „FRS 18.28 ff.“ – Innerhalb der UK GAAP hat sich in den letzten 15 Jahren ein weitreichender Bedeutungsverlust des Vorsichtsprinzips vollzogen (Holgate, S. 36). Hierzu siehe noch den Text bei Fn. 380 ff. in Teil 2. 247 Siehe den Text bei Fn. 328 ff. in Teil 2. 248 Siehe den Text bei Fn. 325 ff. in Teil 2. 249 Dies ergibt sich unzweideutig aus der dynamischen Blankettverweisung des s. 853 (4) CA 2006 (zuvor s. 262 (3) CA 1985): „References to „realised profits“ and „realised losses“, in relation to a company’s accounts, are to such profits or losses of the company as fall to be treated as realised in accordance with principles generally accepted at the time when the accounts are prepared, with respect to the determination for accounting purposes of realised profits or losses.“ Der Companies Act 2006 enthält lediglich einige wenige Einzelregelungen zur Rechnungslegung (vgl. ss. 836, 841 ff. CA 2006, siehe den Text bei Fn. 414 ff. in Teil 2). 250 Siehe sogleich den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 251 Vgl. Zessel, S. 223 f.; Buchmann, S. 46 f.; Höfling, S. 152 ff.; Christ, S. 125 f.; v. Rummel, S. 32 f. 243
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
ren Gewinns der Limited sind die einschlägigen europarechtlichen Vorgaben. Der ausschüttbare Gewinn bestimmt sich bei der kleinen und der großen englischen Kapitalgesellschaft, anders als in Deutschland252, einheitlich253; auch dies ist Ausfluß des Grundsatzes der Einheit der Kapitalgesellschaft254. Infolgedessen wirkt sich insbesondere die Kapitalrichtlinie auch auf Private Limited Companies aus, obwohl sie nur Public Limited Companies erfaßt255. Die einschlägige Vorschrift in Art. 15 I lit. c) der Kapitalrichtlinie lautet: „Der Betrag einer Ausschüttung . . . darf den Betrag des Ergebnisses des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres, zuzüglich des Gewinnvortrags und der Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen, jedoch vermindert um die Verluste aus früheren Geschäftsjahren sowie um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rücklagen eingestellt worden sind, nicht überschreiten.“
Der Companies Act 2006 bestimmt demgemäß nahezu wortgleich als ausschüttbaren Gewinn einer Private Limited Company256 den nach den maßgeblichen Rechnungslegungsgrundsätzen unter Berücksichtigung der – wenigen – Sonderregeln des Companies Act 2006257 ermittelten (positiven) Unterschiedsbetrag zwischen den realisierten und kumulierten, noch nicht ausgeschütteten, für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendeten oder in eine Rücklage für zurücknehmbare eigene Anteile258 eingestellten Gewinnen259 und den kumulierten realisierten Verlusten, welche nicht durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Kapitalherabsetzung260 ausgeglichen wurden261 (earned surplus test). Mithin ist der ausschüttbare Gewinn ein noch nicht für andere Zwecke verwendeter positiver Saldo aus dem Ergebnis im Sinne der Ausschüttungsbemessung aus dem letzten Abschlußzeitraum („realisierter Gewinn“, „realisierter Verlust“, dazu sogleich cc)) und eines etwaigen Gewinnvortrags („kumulierte Gewinne“) sowie etwaiger Entnahmen aus Gewinnrücklagen („Gewinne“, zu beidem unten dd)) abzüglich eines etwaigen Verlustvortrags262 („kumulierte Verluste“, dazu unten ee)).
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Siehe §§ 29 ff. GmbHG einerseits und §§ 57 III, 58 AktG andererseits. Abgesehen von gewissen Abweichungen, wie sie sich etwa in s. 831 (1) (4) (c) CA 2006 zeigen, siehe dazu Fn. 422 in Teil 2. 254 Siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 1. 255 Art. 1 I der Kapitalrichtlinie. 256 Auf die Sonderregelungen für Private Limited Companies in der Form einer investment company i. S. d. s. 832 ff. CA 2006 soll hier nicht eingegangen werden. 257 Ss. 836, 841 ff. CA 2006 siehe dazu den Text bei Fn. 414 ff. in Teil 2. 258 Siehe dazu den Text bei Fn. 750 ff. in Teil 2. 259 S. 853 (3) i.V. m. s. 830 (2) CA 2006. 260 Siehe dazu den Text bei Fn. 866 ff. in Teil 2. 261 S. 830 (2) CA 2006, zuvor s. 263 (3) CA 1985. 262 Selbstredend kann entweder ein Gewinn- oder ein Verlustvertrag bestehen, nicht jedoch beides zugleich. 253
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cc) Erster Summand: Ergebnis des letzten Abschlußzeitraums i. S. d. Ausschüttungsbemessung An die Stelle gesetzlicher Vorgaben für die Ermittlung des Ergebnisses des letzten Abschlußzeitraums im Sinne der Ausschüttungsbemessung treten zunächst die zulässigen Rechnungslegungswerke263, die – anders als bei der GmbH264 – maßgeblich von privaten Vereinigungen bestimmt werden265. Wegen der entscheidenden Bedeutung der Rechnungslegung der Limited für die Ausschüttungsbemessung ist es für das Verständnis der Ausschüttungsregeln der Limited unverzichtbar – anders als dies in weiten Teilen des Schrifttums geschieht266 – Grundsätzliches zur Ermittlung des Ergebnisses anhand der einschlägigen Rechnungslegungswerke auszuführen (dazu unten 1.). Dieses Ergebnis wird sodann für die Ausschüttungsbemessung modifiziert durch die bereits erwähnten wenigen Sonderregeln des Companies Act 2006 (unten 2.). Auch dieses Ergebnis entspricht aber regelmäßig noch nicht dem Ergebnis im Sinne der Ausschüttungsbemessung267. Das unter Berücksichtigung der Sonderregeln des Companies Act 2006 ermittelte Ergebnis wird für die Ausschüttungsbemessung schließlich durch umfangreiche Leitfäden privater Wirtschaftsprüfervereinigungen überlagert. Das Recht der Limited kennt damit – anders als das Recht der GmbH – ein gegenüber dem Ergebnis der Rechnungslegung eigenständiges Ergebnis im Sinne der Ausschüttungsbemessung (unter 3.). (1) Ergebnis der Rechnungslegung der Limited als Ausgangspunkt (a) Einschlägige Rechnungslegungswerke Zulässig ist für die Limited zunächst die Rechnungslegung nach United Kingdom Generally Accepted Accounting Principles (UK GAAP). Daneben ist – anders als für die GmbH268 – auch für den Einzelabschluß die Rechnungslegung 263
Vgl. s. 853 (4) CA 2006. Deren Ergebnis des letzten Abschlußzeitraums im Sinne der Ausschüttungsbemessung bestimmt sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, die maßgeblich durch das HGB und die Rechtsprechung geprägt sind; vgl. Roth, in: Roth/ Altmeppen, § 29 Rn. 8. 265 Dazu siehe sogleich den Text bei Fn. 273 ff. in Teil 2. 266 Siehe Zessel, S. 223 f.; Buchmann, S. 46 f.; Höfling, S. 152 ff.; Christ, S. 125 f.; v. Rummel, S. 32 f. Vgl. aber die knappen Darstellungen bei Ferran, S. 247 ff., sowie Röhricht, S. 151 ff. 267 Siehe Holgate, S. 160, 163, 171. 268 Diese muß stets (auch) nach HGB bilanzieren. Trotz teilweiser Einführung der Pflicht bzw. der Möglichkeit zur Bilanzierung nach IFRS auch für deutsche Unternehmen durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des „Europäischen Parlaments“ und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. 2002, Nr. L 243, S. 1) sowie das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) 264
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gemäß International Financial Reporting Standards (IFRS) gestattet269. Hat sich die Limited einmal für die IFRS entschieden, darf sie sogar nur unter besonderen Umständen zur Rechnungslegung nach UK GAAP zurückkehren270. Die UK GAAP setzen sich aus einem Bündel unterschiedlicher Rechtsquellen zusammen. Dazu rechnen einzelne Vorschriften des Companies Act 2006271 und bestimmte Verordnungen des Wirtschaftsministeriums272. Diese werden (erst) seit 1986 durch verbindliche Regelungen einer privaten Wirtschaftsprüfervereinigung ergänzt273. Heute ist insoweit der Accounting Standards Board (ASB)274 zuständig, der die umfangreichen Statements of Standards Accounting Practice (SSAP) bzw. die (jüngeren) Financial Reporting Standards (FRS) und das Statement of Principles for Financial Reporting (SPFR) entwickelt und veröffentlicht275. Die Rechnungslegung nach IFRS gründet ausschließlich auf Normen, die der private International Accounting Standards Board (IASB)276 erläßt und die von vom 04.12.2004 (§ 315a II, III HGB) zum 01.01.2005 ist auf Ebene des Einzelunternehmens immer (auch) ein HGB-Abschluß zu erstellen. Die genannten Vorschriften betreffen ausweislich ihres Wortlauts nur Konzernabschlüsse. 269 S. 395 (1) CA 2006. Unzutreffend daher Rödding, in: Lüdike/Sistermann, § 3 Rn. 82 a. E.: „Erfordernis der Bilanzierung nach UK-GAAP“. 270 S. 395 (3), (4) CA 2006. 271 Etwa s. 396 CA 2006. 272 Hierbei handelt es sich um die Small Companies Accounts Regulations sowie The Large and Medium-sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulations 2008 (SI 2008 No. 410), im Folgenden Large Companies Accounts Regulations. Früher waren diese Regelungen als Anhang (Schedule) des Companies Act 1985 geregelt. Sch. 8 para. 10 Small Companies Accounts Regulations verweist nun zur Bestimmung der realisierten Gewinne zirkelschlüssig auf s. 853 (4) CA 2006 zurück. Damit wird der Inhalt des s. 853 (4) CA 2006 wiederholt, daß nämlich nicht näher bestimmte Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung insoweit maßgeblich sind. 273 Siehe Holgate, S. 9 f. und die Netzseite des ICAEW (Institute of Chartered Accountants in England and Wales) unter http://www.icaew.com. – Zu den früheren Freiheiten der englischen Rechnungslegung im Zusammenhang mit der Ausschüttungsbemessung einprägsam bereits 1899 Dawson, Accountant 1899, S. 892: „questions [of accountancy] have been reduced to a financial ,go-as-you-please‘ with an undecipherable minimum of principle“, zitiert nach Yamey, (1941) 4 MLR 273, 281. 274 Das ASB mit Sitz in London ist der gemäß s. 464 (1) CA 2006 i.V. m. para. 2 The Accounting Standards (Prescribed Body) Regulations 2005 (SI 2005 No. 697) für den Erlaß der UK GAAP berufene Ausschuß. Er besteht aus zwei hauptamtlichen und bis zu neun nebenamtlichen Fachleuten für Fragen der Rechnungslegung aus Wirtschaftsprüfungen und sonstigen Unternehmen (siehe die Netzseite des ASB, zugänglich unter http://www.frc.org.uk/asb/about/board.cfm). Dieser Ausschuß wird von dem Financial Reporting Council (FRC), einer von der britischen Regierung unabhängigen Einrichtung mit Aufgaben auf dem Gebiet der Rechnungslegung und der „Corporate Governance“ (siehe Financial Reporting Council – Regulatory Strategy, December 2004, S. 5, zugänglich unter http://www.frc.org.uk/images/uploaded/documents/RegulatoryStrate gy(final)1.pdf), berufen. 275 Vgl. Holgate, S. 9. SSAP, FRS und SPFR werden von dem Accounting Standards Board (ASB) herausgegeben. Daneben regeln Urgent Issues Task Force Abstracts (UITF) wichtige aktuelle Einzelfragen der Rechnungslegung.
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ihm nur gegen Entgelt erhältlich sind277. Die älteren Standards werden als International Accounting Standards (IAS)278, die jüngeren als International Financial Reporting Standards (IFRS) bezeichnet. Die IFRS des IASB werden im Wege eines rechtsstaatlich bedenklichen Verfahrens279 durch EU-Verordnungen in geltendes Europarecht überführt280. Die Standards werden ergänzt durch das Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements (Rahmenkonzept)281, das für die EG-IFRS jedoch nicht verbindlich ist und allenfalls als subsidiäre Auslegungshilfe dienen kann282. Einzelfragen der Rechnungslegung 276 Das IASB mit Sitz in London ist der maßgebliche Ausschuß der supranationalen International Accounting Standards Committee Foundation (IASC Foundation), die auch die Mitglieder des Ausschusses beruft. Dieser erarbeitet mit den IFRS international einheitliche Rechnungslegungsstandards. Der Ausschuß besteht aus 13 Fachleuten für Rechnungslegung, von denen eine Mehrheit von sieben aus Großbritannien oder den USA, drei aus ASEAN-Staaten und zwei aus Frankreich stammen; Deutschland verfügt über kein Mitglied im IASB (siehe IASB and IASC Foundation – Who We Are and What We Do, S. 2 ff., zugänglich unter http://www.iasb.org/NR/rdonlyres/0A5A767C-E7DE49E5-8B12-499F62F8870C/0/WhoWeAre_Final12508.pdf). 277 Das IASB verlangt etwa für den jährlichen Zugriff über seine Netzseiten mindestens £ 200 (siehe https://buy.iasb.org/TIMSSeCommerce/Timssnet/Publications/TNT_ Publications.cfm). 278 Die IAS hatte das vormalige International Accounting Standards Committee (IASC) entwickelt; sie wurden später durch das IASB übernommen. 279 Es handelt sich dabei um das „Komitologie-Verfahren“, in dessen Rahmen die Mitgliedstaaten am Erlaß von Durchführungsbestimmungen beteiligt werden (zum Verfahren siehe Schloh, in: Dauses, A. II. Rn. 299 ff.). Dieses Verfahren ist intransparent und weist keine hinreichenden Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments auf; siehe Schoo, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 251 Rn. 58 f.; Wichard, in: Calliess/ Ruffert, Art. 202 Rn. 18; vgl. auch Jacqué, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 202 Rn. 41 ff. 280 Etwa die Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 03.11.2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 des „Europäischen Parlaments“ und des Rates im Hinblick auf International Accounting Standard (IAS) 39 und International Financial Reporting Standard (IFRS) 7. Im Folgenden wird die letzte konsolidierte Fassung als IFRS-Verordnung bezeichnet. Mit IFRS sind im Folgenden, sofern nicht anders gekennzeichnet, die IFRS in Gestalt dieser Verordnung gemeint. 281 Vgl. Wood/Sangster, 11.3, S. 160 f. 282 Das Rahmenkonzept hat als Veröffentlichung des IASB als einer nichtstaatlichen Einrichtung als solches keinerlei Bindungswirkung, ebensowenig wie die IFRS. Letzterer Verbindlichkeit im Bereich der EU wurde aber durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 vom 19.07.2002 angeordnet. Weder diese Verordnung, noch die einschlägige Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 vom 29.09.2003, die Verordnung (EG) Nr. 707/2004 vom 06.04.2004, die Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 03.11.2008, noch die Verordnung (EG) Nr. 70/2009 vom 23.01.2009 ordnen die Geltung des Rahmenkonzepts an. Die übernommenen Standards verweisen lediglich auf das Rahmenkonzept (siehe IAS 1.12 f. 1.17 f., 1.21 f., 1.26, 1.80, 8.6, 8.11 f., Präambel IAS 11, Präambel IAS 18, IAS 34.31, 34.33, IFRS 6.10). – Die EU-Kommission hält denn in einer Stellungnahme auch selbst fest, daß das Rahmenkonzept nicht in EU-Recht übernommen wurde (Comments concerning certain Articles of the Regulation (EC) No 1606/2002 of the European Par-
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werden von sogenannten Interpretationen des Standing Interpretations Committee (SIC) und des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) behandelt. (b) Ergebnis der Rechnungslegung Maßgebliches Ergebnis der Rechnungslegung ist stets dasjenige des letzten Abschlußzeitraums. Damit ist regelmäßig das in dem letzten Jahresabschluß ausgewiesene Ergebnis zugrundezulegen283. Ausnahmsweise kann ein Zwischenoder ein Pro-Forma-Abschluß herangezogen werden284. Bei Anwendung der UK GAAP setzt sich das maßgebliche Ergebnis des Abschlusses zusammen aus dem Teilergebnis der GuV (income statement) sowie dem Teilergebnis einer gesonderten Aufstellung sonstiger Vermögenszuwächse (statement of total recognised gains and losses); hierin werden etwa bestimmte Zuschreibungen erfaßt285. Bilanziert die Limited nach IFRS, ist neben dem Ergebnis der GuV ebenfalls dasjenige einer vergleichbaren gesonderten Aufstellung (statement of changes in equity) zu berücksichtigen286. Bei diesen Aufstellungen handelt es sich um der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungspraxis fremde287 Besonderheiten der UK GAAP und der IFRS288. Die größte Bedeutung für liament and of the Council of 19 July 2002 on the application of international accounting standards and the Fourth Council Directive 78/660/EEC of 25 July 1978 and the Seventh Council Directive 83/349/EEC of 13 June 1983 on accounting, S. 6). Dennoch soll ausweislich dieser Veröffentlichung auch das Rahmenkonzept bei der Rechnungslegung nach EU-IFRS berücksichtigt werden müssen (ebd.). Dies erscheint unzutreffend, zumal auch die Stellungnahme der EU-Kommission nicht bindend ist (vgl. ebd., S. 3, para. 4). Im Übrigen stammt das Rahmenkonzept aus dem Jahr 1989, ist in vielerlei Hinsicht überholt, harmoniert mit den IFRS nicht immer und wird daher zur Zeit überarbeitet; siehe Bohl/Mangliers, in: Bohl/Riese/Schlüter, § 2 Rn. 1. – Daß die EU „das Rahmenkonzept nicht formell übernommen“ hat, erkennen auch Schöllhorn/Müller, DStR 2004, 1623, 1624. Deren Schluß, das Rahmenkonzept bilde dennoch „verbindliches EU-Recht“, erscheint daher befremdlich. 283 S. 836 (1) CA 2006. 284 S. 836 (2) (a), (b) CA 2006. Diese dienen der Ermöglichung einer unterjährigen Gewinnausschüttung, die durch die Zahlen des letzten Jahresabschlusses nicht gedeckt wäre, oder einer Ausschüttung vor Fertigstellung des ersten Abschlusses der Limited nach ihrer Gründung. Auch ein Zwischen- und ein Pro-Forma-Abschluß müssen nach den für gewöhnliche Abschlüsse geltenden Grundsätzen erstellt werden, vgl. ss. 838 (1), 839 (1) CA 2006. 285 Siehe FRS 3.13, 3.8, 3.27 sowie FRS 3, Summary (f). 286 IAS 1.8 (c), 1.96 ff. Vgl. Wood/Sangster, S. 207 ff., 160, insoweit noch nicht auf dem Stand der IFRS-Verordnung. 287 Achleitner/Kleekämper, Wpg 1997, 117, 119. 288 Hintergrund ist jeweils, daß die angloamerikanisch geprägten Rechnungslegungswerke – anders als das HGB – auch nicht erfolgswirksam in der GuV, sondern erfolgsneutral unmittelbar im Eigenkapital der Gesellschaft zu verbuchende „Erträge“ kennen. Dabei handelt es sich etwa um bestimmte Arten von Zuschreibungen; siehe für die UK GAAP allgemein FRS 3.13 sowie für die IFRS beispielhaft etwa IAS 39.55 (b) betref-
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die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns hat jedoch die GuV, in welcher die die Ausschüttungsbemessung regelmäßig maßgeblich bestimmenden gewöhnlichen Erträge darzustellen sind289. Einzelne Erträge dürfen in der GuV der Limited grundsätzlich nicht mit einzelnen Aufwendungen verrechnet werden, sondern sind gesondert auszuweisen290. Die GuV weist einen Gewinn aus, wenn die gesamten Erträge (income, revenue, gains)291 die gesamten Aufwendungen (costs, charges, expenses)292 übersteigen293. Im umgekehrten Fall entsteht ein Verlust. Von einem sich aus der GuV ergebenden Gewinn sind die darauf entfallenden Ertragssteuern294 abzuziehen295. Die UK GAAP und IFRS weisen – anders als die früher für die Limited geltenden Rechnungslegungsgrundsätze296 – Besonderheiten weniger im Zusamfend für die Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte (available-for-sale financial assets). Hierdurch soll sich die Aussagekraft des Abschlusses erhöhen, da die Lage des Unternehmens auf diese Weise leichter zu erkennen sei (vgl. Achleitner/Kleekämper, Wpg 1997, 117, 119 f.). – Ob dies zutrifft und mit vertretbarem Aufwand verbunden ist, erscheint fraglich. Für die Erstellung der gesonderten Aufstellungen gelten in den angloamerikanisch geprägten Rechnungslegungswerken umfangreiche Sonderregelungen, siehe betreffend die UK GAAP FRS 3.27 und für die IFRS insbesondere IAS 1.8 (b), (c), 1.96 bis 1.101. Zur Komplizierung trägt bei, daß die IFRS ihren eigenen Ansatz etwa in IAS 40.35 durchbrechen, der eine Verbuchung von Zuschreibungen auf langfristig gehaltenes Grundeigentum nicht in dem statement of changes in equity, sondern in der GuV vorsieht. – Holgate, S. 164, spricht im Hinblick auf die nach UK GAAP erforderliche zusätzliche Aufstellung sonstiger betrieblicher Erträge von einer „UK innovation“. Treffender erscheint indes der Begriff der „UK complication“. Diese Erkenntnis hat hinsichtlich der IFRS nunmehr offenbar auch das IASB ereilt, das zusammen mit dem US-amerikanischen FASB an der Zusammenführung des statement of changes in equity mit der GuV arbeitet. Die Zusammenlegung beider Aufstellungen dürfte allerdings zur Folge haben, daß bloße Bucherträge der Limited zukünftig in noch größerem Maße direkt in der GuV ausgewiesen werden. 289 Vgl. Holgate, S. 165. 290 Siehe für den Abschluß gemäß UK GAAP Sch. 1 para. 8 Small Companies Accounts Regulations; für den IFRS-Abschluß IAS 1.84. Die IFRS sehen Ausnahmen von dieser Regel vor, siehe IAS 1.32 ff. 291 Die Begrifflichkeit wird in der Rechnungslegungspraxis und den verschiedenen Regelwerken leider nicht einheitlich gehandhabt, vgl. etwa SPFR 4.40. 292 Vgl. die vorige Fn. 293 Unzutreffend Mock, S. 149, der bezogen auf die IFRS meint, der Gewinn werde „durch eine Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten ermittelt“. Auf diese Weise läßt sich das Reinvermögen einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt, nicht jedoch ein Gewinn als Zunahme des Reinvermögens feststellen. Dies ist nur durch den Vergleich des Reinvermögens zweier aufeinander folgender Rechnungslegungszeiträume, also der Gegenüberstellung zweier Gegenüberstellungen von Vermögen und Verbindlichkeiten, möglich. 294 Insbesondere die Körperschaftsteuer, siehe den Text bei Fn. 204 in Teil 2. 295 Vgl. IAS 12.58 für die IFRS und Sch. 1 para. 6 Small Companies Accounts Regulations für die UK GAAP. 296 Mitte des vorletzten Jahrhunderts wurde noch in erster Linie die Frage erörtert, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen zu erfassen sind, siehe Yamey, (1941) 4 MLR 273 f.
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menhang mit der Erfassung von Aufwendungen, als vielmehr bei der Berücksichtigung von Erträgen auf. Daher soll letzteres den Schwerpunkt der folgenden Darstellung bilden. (c) Ermittlung der Erträge In der GuV sind sämtliche Erträge des Unternehmens zu berücksichtigen297. Der Gesamtbetrag der Erträge ist betriebswirtschaftlich gesehen der Bruttozufluß wirtschaftlicher Vorteile während einer Rechnungslegungsperiode, welche nicht in Einlagen der Gesellschafter bestehen298; die UK GAAP definieren Erträge entsprechend299. Die IFRS in der Form der maßgeblichen EU-Verordnung bestimmen den Ertragsbegriff ebenfalls nach der genannten betriebswirtschaftlichen Definition300. Ein Ertrag darf in dem GuV der Limited erst erfaßt werden, wenn er „realisiert“ ist301. Damit wird eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintritts des Ertrags bezeichnet302. Dieses Erfordernis besteht in England erst seit Umsetzung der Bilanzrichtlinie 303 durch eine Änderung des Companies Act im Jahre 1980304, welche das vorher geltende Fallrecht305 ersetzte. Damit näherte England sich dem im deutschen Recht 1884 erreichten Stand an306, ohne jedoch das Realisationsprinzip des HGB zu übernehmen307. 297 Für den Abschluß nach UK GAAP siehe para. 14 Small Companies Accounts Regulations und FRS 3.13, 3.20. Für den Abschluß nach IFRS siehe IAS 1.78. Das Gesetz stellt klar, daß Erträge in diesem Sinne auch solche aus dem Abgang von Anlagevermögen (capital) sind, s. 853 (2) (b) CA 2006. 298 Egger, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 88. 299 SPFR 4.39: „Gains are increases in ownership interest not resulting from contributions from owners“. 300 Siehe IAS 18.7. Vgl. auch F.70 (a). 301 Dies folgt aus dem in s. 830 (2) CA 2006 gebrauchten Ausdruck „realised profits“. Zu Besonderheiten der Ertragsrealisierung bei Sachausschüttungen siehe den Text bei Fn. 635 ff. in Teil 2. 302 Zu den Umständen, unter denen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit angenommen wird, vgl. den Text bei Fn. 310 ff., 366 ff. in Teil 2. 303 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. 1978, Nr. L 222, S. 11 ff. 304 Dine/Koutsias, 9.5, S. 122. Es handelt sich um die bereits angesprochene, später in s. 263 (3) CA 1985 sowie nun in s. 830 (2) CA 2006 zu findende Formulierung „realised profits“. 305 Siehe Dimbula Valley (Ceylon) Tea Co Ltd v Laurie [1961] Ch. 353, 372 f. Hiernach gingen ausweislich der damals geltenden Rechnungslegungsgrundsätze unrealisierte Erträge, etwa aus der Neubewertung von Gegenständen des Anlagevermögens, ebenfalls in die GuV ein. 306 Das Realisationsprinzip wurde in Deutschland für AG und KGaA im Jahr 1884 durch Artt. 239b, 185a, 31 HGB eingeführt. Es fand als Gewinnverteilungsschranke der Kapitalgesellschaft (Moxter, BB 1984, 1780, 1781) mit dem Ziel, „eine trügerische Hö-
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Was unter einem im Sinne der GuV „realisierten“ Ertrag zu verstehen ist, bestimmt sich anhand der in England als solche betrachteten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung im Zeitpunkt der Aufstellung des für die Gewinnermittlung maßgeblichen Abschlusses308. Damit sind die Regelungen des gewählten Rechnungslegungswerks maßgeblich309. Die Ermittlung der „realisierten“ Erträge vollzieht sich nach UK GAAP und IFRS unterschiedlich. (d) „Realisierte“ Erträge nach IFRS Die IFRS enthalten einige allgemeine Grundsätze betreffend die Ermittlung „realisierter“ Erträge310. In der Praxis wichtiger ist die Vielzahl willkürlich erscheinender311 kasuistischer Regelungen, die je nach präsumtiver Ertragsquelle unterschiedliche Voraussetzungen für die Ertragsrealisierung enthalten. Diese fallweise Differenzierung ist neben der stark angloamerikanischen Prägung des IASB312 der Zielrichtung der IFRS geschuldet: In weitreichendem Unterschied zur Rechnungslegung nach HGB, die mehrere Bilanzierungsziele verfolgt313, hat der IFRS-Abschluß ausschließlich eine Informationsaufgabe314. herbewertung hintanzuhalten“ (RGZ 43, 122, 127 v. 16.03.1899), auch auf die 1897 geschaffene Rechtsform der GmbH Anwendung (vgl. RGZ 43, 122, 126 f., wonach das Realisationsprinzip „trotz dem Mangel einer gesetzlichen Bestimmung“ auch auf Genossenschaften anzuwenden ist). – Mit der Einführung des Realisationsprinzips sollte „verhindert werden [. . .], daß [. . .] ein zwar nominell vorhandener, thatsächlich aber noch nicht durch Verkauf der betreffenden Vermögensstücke verwirklichter Gewinn zur Vertheilung gelangt“, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 5. Legislaturperiode, 4. Session 1884, S. 303 (zugänglich über http://mdz1.bib-bvb.de/ cocoon/reichstag/PDF_084_0296). – Das Realisationsprinzip in Gestalt des Niederstwertprinzips fand sich – als dispositives Recht für die Bestimmung des Gewinnanspruchs des Gesellschafters einer Handelsgesellschaft – im Übrigen bereits in §§ 644, 642 des 2. Teils des 8. Titels des PrALR vom 05.02.1794 (zugänglich etwa über http:// www.smixx.de/ra/Links_F-R/PrALR/PrALR_II_8.pdf). 307 Das heutige Realisationsprinzip folgt aus § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB. Es stellt einen Ausfluß des Vorsichtsprinzips dar, welches in den für die Limited zugelassenen Rechnungslegungsstandards keine unmittelbare Entsprechung findet; siehe den Text bei Fn. 325 ff., 368 ff. in Teil 2. 308 S. 853 (4) CA 2006. 309 Das Gesetz regelt die Frage der Ertragsrealisierung nicht, vgl. ss. 841 (2), 844 CA 2006, die lediglich einzelne Fälle realisierter Aufwendungen bestimmen. 310 Siehe IAS 18.7, 18.18, 18.22 und 18.34. 311 Mock, S. 143. 312 Siehe Fn. 276 in Teil 2. 313 Der HGB-Abschluß zielt in erster Linie auf die vorsichtige Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns (Ausschüttungsbemessungsaufgabe) und richtet sich demgemäß zuvörderst an gegenwärtige Gesellschafter und Gläubiger (Schmid, DStR 2005, 80, 81). Der HGB-Abschluß verfolgt darüber hinaus weitere Ziele in Gestalt der (Gesamt-) Gewinnermittlungs-, der Gläubigerschutz-, der Rechenschafts- sowie der Informationsaufgabe (Winkeljohann/Schellhorn, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 264 Rn. 35). Die Gewinnermittlungsaufgabe dient über das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 I,
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Diese wird dahin konkretisiert, daß der Abschluß einem ausgedehnten Nutzerkreis umfangreiche aktuelle Informationen als Hilfsmittel für wirtschaftliche Entscheidungen bereitstellen möge (decision usefulness)315. Das soll durch eine den „tatsächlichen Verhältnissen“ entsprechende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Zahlungsströme (cashflows) des Unternehmens geschehen316. Eine derartige Darstellung im Sinne einer „fair presentation“ oder „true and fair view“, die mittlerweile teilweise auch für die Rechnungslegung nach HGB zu berücksichtigen ist317, wollen die IFRS vor allem durch zwei Ansätze erreichen. Einerseits findet das für die Ertragsrealisierung nach HGB (noch)318 maßgebliche und dort gegenüber anderen Bewertungsgrundsätzen vorrangige319 Vorsichtsprinzip in seiner Ausprägung als Realisationsprinzip320 in den IFRS keine Ia EStG) der Ermittlung der Steuerschuld; bei Bilanzierung nach IFRS ist dagegen stets eine gesonderte Steuerbilanz aufzustellen (Bohl/Mangliers, in: Bohl/Riese/Schlüter, § 2 Rn. 6). Insgesamt bezweckt der Abschluß nach HGB schwerpunktmäßig den Gläubigerschutz durch Erhaltung des Kapitals der Gesellschaft (Winkeljohann/Schellhorn, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 264 Rn. 35). 314 Siehe IAS 1.7. 315 IAS 1.7. Zu den für mögliche zukünftige Anleger wichtigen Informationen zählt entgegen Mock, S. 150, selbstverständlich auch die Offenlegung des nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln ausschüttbaren Gewinns. Es erscheint lebensfremd, in Anbetracht der in den letzten Jahren zu verzeichnenden Zunahme von Unternehmensbeteiligungen durch sehr kurzfristig denkende und stark renditeorientierte – vor allem angloamerikanische – Anleger anzunehmen, daß diese lediglich Wert auf die Vermittlung des in der GuV ausgewiesenen Gewinns, der nicht dem ausschüttbaren Gewinn entsprechen muß (siehe den Text bei Fn. 430 ff. in Teil 2), legten. Insoweit werden die IFRS letztlich noch nicht einmal ihrer Informationsaufgabe gerecht. Dies verkennt Mock, S. 150. 316 IAS 1.13, ergänzt durch IAS 1.17. 317 Diese Zielsetzung verfolgt nach Umsetzung des Art. 2 III der Bilanzrichtlinie im Jahr 1985 gemäß § 264 II 1 HGB auch der HGB-Abschluß. Sie ist hier nach zutreffender Ansicht jedoch gegenüber den deutschen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, insbesondere dem Vorsichtsprinzip, nachrangig (Morck, in: Koller/Roth/Morck, § 264 Rn. 7; Schöllhorn/Müller, DStR 2004, 1623, 1627; Winkeljohann/Schellhorn, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 264 Rn. 31 m.w. N.; a. A. Reiner, in: K. Schmidt, § 264 Rn. 55). Ungenau Redeker, S. 92 mit Fn. 587, der im Zusammenhang mit der Bewertung von Vermögensgegenständen ohne Einschränkung meint, der Begriff einer „true and fair view“ sei „in das deutsche Bilanzrecht übernommen“ worden, und dabei auf § 289 HGB verweist, der sich ausschließlich mit dem Lagebericht befaßt – der gar nicht Teil der Bilanz ist (§ 264 I 1 HGB). 318 Zu der mit dem BilMoG durch § 253 I 3 Reg-E HGB zunächst beabsichtigten Lockerung des Vorsichtsprinzips durch die teilweise Einführung des „fair-value-accounting“ bei der Bewertung zu Handelszwecken erworbener Finanzinstrumente, denen der Zeitwert beigelegt werden soll, mit treffender Kritik Jessen/Haaker, DStR 2009, 499, 500 ff., 505. Die Bewertung zum Zeitwert ist später dann nur für bestimmte Rückstellungen eingeführt worden, § 253 I 3 HGB n. F. 319 Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 252 Rn. 25; Winnefeld, Rn. 240. 320 Siehe § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB; zur Reichweite des Vorsichtsprinzips Ballwieser, in: K. Schmidt, § 243 Rn. 14, 19 f.
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Entsprechung321. Die mit dem Realisationsprinzip einhergehende tendenziell spätere Verbuchung von Erträgen und deren tendenziell niedrigere Bewertung322 soll einem „true and fair view“ entgegenstehen323. Nach IFRS gelten demgemäß in erheblichem Maße Erträge als „realisiert“, die dies bei Rechnungslegung nach HGB (noch) nicht wären324. Die bei Rechnungslegung nach IFRS anzuwendende prudence325 kann im Rahmen der kasuistischen Regelungen der IFRS nur lükkenschließend zur Anwendung kommen326. Ihre Anwendung ist etwa auch dem Grundsatz der Periodenabgrenzung untergeordnet327. Die prudence stellt damit, anders als das Vorsichtsprinzip des HGB328, keinen zentralen Bewertungsgrundsatz dar. Es erscheint daher unzutreffend, im Hinblick auf die IFRS lediglich von einer geringeren Bedeutung des „Vorsichtsprinzips“ zu sprechen329; treffender ist es, insoweit lediglich von einem Vorsichtsgedanken auszugehen330. Andererseits unterscheiden die IFRS etwa bei der Frage der Ertragsrealisierung umständlich nach verschiedenen Ertragsquellen. So ist im typischen Fall eines Warenverkaufs ein Ertrag realisiert, wenn die Preisgefahr übergegangen ist und der Verkäufer sich der Herrschaftsmacht über den Kaufgegenstand begeben hat, der Ertrag meßbar und der Zufluß wirtschaftlicher Vorteile wahrscheinlich ist331. Weitere Sonderregeln gelten etwa für Erträge aus Dienstleistungen332, Versicherungsverträgen333, Leasinggeschäften334 oder aus Unternehmensbeteiligungen335. Ferner sehen die IFRS besondere Bestimmungen für die Realisierung von Erträgen aus Zuschreibungen336 auf Vermögensgegenstände vor. 321 Deutlich Achleitner, WPg 1997, 117, 121 f.: „Für die Anwendung des Vorsichtsprinzips im Sinne des kontinental-europäischen Verständnisses bleibt . . . kein Raum“. 322 Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 43 ff., 29, 32. 323 Vgl. F.37 S. 4. 324 Winnefeld, Rn. 240. 325 Siehe IAS 8.10 (b) (iv) sowie F.37. 326 IAS 8.10: „[i]n the absence of a standard“. 327 Achleitner, WPg 1997, 117, 121 f. 328 Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 30. 329 So aber Bohl/Mangliers, in: Bohl/Riese/Schlüter, § 2 Rn. 18; wohl auch Winnefeld, Rn. 240. 330 Vgl. Holgate, 36: „The work of the . . . IASB over the last ten to fifteeen years has gradually chipped away at the role of prudence“; vgl. auch KPMG, Feasibility Study, S. 373; „accounting under [. . .] IFRS is moving away from the concept of realisation as a recognition test“. 331 IAS 18.14 ff. 332 IAS 18.20 ff. 333 IFRS 4.34 (c), 4.35 (c). 334 IAS 17.43 f. 335 IAS 28.11 ff. 336 Der im deutschen Schrifttum in gleichem Zusammenhang verwendete Begriff der Wertaufholung paßt für die IFRS nicht. Dort ist eine Zuschreibung eben nicht auf die
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Diese bilanziellen Zuschreibungen haben in den IFRS eine im Vergleich zur HGB-Rechnungslegung der GmbH, welche Zuschreibungen nur zum Ausgleich vorheriger außerplanmäßiger Abschreibungen und nur bis zur Höhe der (ggf. planmäßig abgeschriebenen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten erlaubt337, wesentlich größere Bedeutung. Denn die IFRS gestatten es, Zuschreibungen auf Vermögensgegenstände über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus vorzunehmen338. Außerdem kann dies bei einer Vielzahl von Vermögensgegenständen unabhängig von vorherigen außerplanmäßigen Abschreibungen erfolgen339. Die IFRS verlangen im Rahmen des „marking to market“ oder „fair value-accounting“ 340 teilweise gar den Ansatz des gegenwärtigen, möglicherweise über den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegenden Marktwerts341 in der Bilanz. So sind342 finanzielle Vermögenswerte343 grundsätzlich344 bei Erst- und Folgebewertung zu Marktpreisen anzusetzen345. Tiere und Pflanzen – für die die IFRS einen eigenen Standard bereitstellen – sind bei Erst- und Folgebewertung stets zu Marktpreisen anzusetzen346. Gegenstände des materiellen Anlagevermögens347 können nach ihrer erstmaligen Erfassung mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten348 zu Marktpreisen bewertet werden349, ebenso Gegenstände des immateriellen Anlagevermögens, soweit für diese ein Markt besteht350, und „als Fi-
Aufholung einer vorherigen außerplanmäßigen Abschreibung bis zur Obergrenze der (planmäßig abgeschriebenen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten beschränkt, sondern kann bei zahlreichen Arten von Vermögensgegenständen darüber hinausreichen (siehe sogleich den Text bei Fn. 337 ff. in Teil 2). 337 Im HGB-Abschluß dürfen Vermögensgegenstände „höchstens“ mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden, § 253 I 1 HGB. Zuschreibungen kommen damit bei der GmbH nur zum Ausgleich vorher erfolgter außerplanmäßiger Abschreibungen in Betracht, siehe §§ 280 I 1, 253 II 3, III, 254 S. 1 HGB. 338 Siehe allgemein IAS 1.109, 119. 339 So bei finanziellen Vermögenswerten, die zu Handelszwecken gehalten werden, vgl. den Text bei Fn. 342 ff. in Teil 2. 340 Diese Begriffe werden gleichbedeutend gebraucht. 341 Der „fair value“ entspricht regelmäßig dem Marktwert, vgl. IAS 16.32 und IAS 39.48A, ggf. abzüglich etwaiger Abschreibungen vgl. IAS 16.31. 342 Ein Wahlrecht besteht insoweit, anders als nach UK GAAP (siehe den Text bei Fn. 386 in Teil 2), nicht, siehe IAS 39.46. 343 Zur Begriffsbestimmung siehe IAS 39.9. 344 Ausgenommen sind die in IAS 39.46 (a) und (b) genannten Arten finanzieller Vermögenswerte. 345 IAS 39.43, 39.46. 346 IAS 41.12. 347 Siehe die Begriffsbestimmung in IAS 16.16 f. 348 IAS 16.15. 349 IAS 16.29, 16.31 ff. Der Ansatz der Anschaffungs- oder Herstellungskosten kann auch beibehalten werden, IAS 16.29 f.
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nanzinvestition gehaltene Immobilien“ 351. Es ist mit einer weiteren Ausdehnung des Kreises der dem „fair value-accounting“ unterliegenden Vermögensgegenstände zu rechnen352. Mit einem durch Zuschreibung erhöhten Wertansatz in der Bilanz geht, wie stets im Rahmen einer doppelten Buchführung, eine entsprechende Gegenbuchung einher. Bei finanziellen Vermögenswerten erfolgt diese grundsätzlich353 – ohne tatsächliche Veräußerung des Vermögenswerts – in Gestalt einer ergebniswirksamen Verbuchung eines „realisierten“ Ertrags in der GuV354 (das Gleiche gilt für Tiere und Pflanzen355). Eine ebensolche Ertragsbuchung ist für materielle Gegenstände des Anlagevermögens vorzunehmen, soweit hier die Zuschreibung vorherige aufwandswirksame Abschreibungen ausgleicht356; weder Zuschreibung, noch Ertragsbuchung werden durch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt357. Entsprechend werden Zuschreibungen auf immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens gehandhabt358. Das gilt auch für selbst erstellte immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens, die – wie nun auch nach den Vorschriften des HGB359 – unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ansatzfähig sind360. Desgleichen sind Zuschreibungen auf „als Finanzinvestition gehaltene Immobilien“ als „realisierter“ Ertrag in der GuV zu berücksichtigen361. Bei 350 Erstbewertung stets mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, IAS 38.24, Folgebewertung zu Marktpreisen möglich, 38.72 ff. 351 IAS 40.20, 40.30, 40.33 ff.; Begriffsbestimmung in IAS 40.5. 352 Vgl. Wawrzinek, in: Bohl/Riese/Schlüter, § 2 Rn. 69: „Paradigmenwechsel [. . .], der jedoch bisher nur teilweise umgesetzt worden ist“. 353 Ausnahmen in IAS 39.55 (b) und IAS 39.56 f. 354 IAS 39.55 (a). 355 IAS 41.26. 356 IAS 16.39. Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine Eigenkapitalbuchung in eine Neubewertungsrücklage, IAS 16.39. 357 Siehe soeben den Text bei Fn. 337 ff. in Teil 2. 358 IAS 38.85. 359 Siehe §§ 248 II, 253 I, 255 IIa HGB i. d. F. des BilMoG; dazu kritisch Moxter, DB 2008, 1514, 1515 ff.; Haaker, DStR 2008, 1750, 1750 ff. Zu beachten ist jedoch die aus dem Ansatz folgende Ausschüttungssperre gemäß § 268 VIII HGB. Zuvor verbot § 248 II HGB jegliche bilanzielle Erfassung selbst erstellter immateriellen Gegenstände des Anlagevermögens. – In zweifacher Hinsicht zumindest mißverständlich Mock, S. 122, der betreffend die IFRS einerseits paradox von „selbst erstellte[n] erworbene[n] immaterielle[n] Vermögensgegenstände[n]“ spricht [Hervorh. von mir] und andererseits das bis zum BilMoG geltende Aktivierungsverbot des § 248 II HGB a. F. (dazu Mindermann/Brösel, in: Petersen/Zwirner, Teil III VI. 1. [zitiert nach „Beck Online“, dort ohne Seitenangabe]) unzutreffend wiedergibt, indem er es nicht auf immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens beschränkt („generelles Verbot der Aktivierung“, ebd.). Für Gegenstände des Umlaufvermögens galt das Aktivierungsverbot nach § 248 II HGB a. F. ausweislich seines Wortlauts nicht; es bestand sogar ein Aktivierungsgebot (siehe Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 248 Rn. 10). 360 Siehe IAS 38.51 ff. 361 IAS 40.35.
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„zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerten“ 362 ist dagegen eine ergebnisunwirksame Eigenkapitalbuchung in der Eigenkapitalveränderungsrechnung vorzunehmen363. Die genannten Einzelregelungen der IFRS zur Ertragsrealisierung sind ausnahmsweise nicht anzuwenden, wenn dies nach dem freien Ermessen der Geschäftsleitung nicht zu einem „true and fair view“ führte. In diesem Fall ist statt dessen eine Darstellung des wirtschaftlichen Vorgangs im Abschluß zu wählen, die nach Ansicht der Geschäftsleitung einen „true and fair view“ ermöglicht („true and fair override“)364. Eine derartige Abweichung ist offenzulegen und zu begründen365. (e) „Realisierte“ Erträge nach UK GAAP Die UK GAAP unterscheiden für die Ertragsrealisierung ebenfalls – in teils widersprüchlicher Weise366 – nach einer Vielzahl verschiedener Ertragsquellen. Sie betonen die Informationsaufgabe des Abschlusses stark, etwa indem sie ebenfalls eine „true and fair view“ des Abschlusses verlangen367, ohne jedoch die Ausschüttungsbemessungsfunktion vollständig zu verdrängen. Allgemein sind gemäß Sch. 1 para. 13 (a) Small Companies Accounts Regulations nur realisierte Erträge in der Gewinn- und Verlustrechnung zu berücksichtigen. Nach FRS 18.28 f. gilt ein Ertrag als realisiert, wenn dem Bilanzierenden eine Gegenleistung entweder bereits in Form von Zahlungsmitteln oder anderen Vermögenswerten (etwa einer Forderung) zugeflossen ist, die in Zahlungsmittel eines mit hinreichender Sicherheit bestimmbaren Werts umgesetzt werden können. Nach Sch. 1 para. 13 Small Companies Accounts Regulations ist bei der Feststellung dieser Voraussetzungen „vorsichtig“ vorzugehen („on a prudent basis“). Dies bedeutet jedoch auch für die UK GAAP nicht die Geltung eines dem deutschen Recht vergleichbaren Vorsichtsprinzips: Von der verzögerten Ertragsbuchung in Verbindung mit der Antizipation von Aufwendungen368 haben sich die
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Siehe näher die Begriffsbestimmung in IAS 39.9. IAS 39.55 (b). Die ergebniswirksame Berücksichtigung in der GuV erfolgt hier erst bei Veräußerung, IAS 39.56. 364 IAS 1.17. 365 IAS 1.18 ff. 366 „No common basis of revenue recognition exists in contemporary financial accounting for all types of exchange transaction; different (and sometimes inconsistent) rules exist for different circumstances“, Wilson/Davies/Curtis/Wilkinson-Riddle, S. 176. 367 Siehe s. 396 (2) CA 2006 und FRS 18, Summary, para. b. 368 Dieses waren die früheren Bestandteile der prudence, siehe Wilson/Davies/Curtis/Wilkinson-Riddle, S. 170. 363
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UK GAAP in den letzten rund fünfzehn Jahren vielmehr weit entfernt369. Nachdem der frühere Standard Statements of Standard Accounting Practice 2 noch Ähnlichkeiten mit dem Vorsichtsprinzip des HGB aufwies370, trat mit der Veröffentlichung des Standards FRS 18 im Jahr 2000 ein weitreichender Bedeutungsverlust der prudence ein371. Bei den Voraussetzungen, unter denen Abschlüsse den Grundsatz der Zuverlässigkeit – einen der vier wesentlichen Grundsätze (auch)372 der UK GAAP373 – erfüllen, wird prudence an letzter Stelle genannt374. Sie stellt keinen bei der Rechnungslegung stets zu beachtenden Grundsatz dar, sondern ist nur noch in Fällen der „Unsicherheit“ zu berücksichtigen375. Wann ein möglicher Rechnungslegungsposten als unsicher gilt, regelt der Standard nicht376. Auch unter angenommenen unsicheren Umständen hat nicht etwa die Verbuchung eines Ertrags zu unterbleiben; FRS 18 verlangt lediglich stärkere Hinweise auf den Eintritt eines Ertrags („more confirmatory evidence“)377. Den erforderlichen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Zielen der „Neutralität“ und der prudence regelt der Standard nicht. Er wird dem Bilanzierenden überlassen378, womit der Ausgang der Abwägung oftmals vorgezeichnet sein dürfte. Wie im Rahmen der IFRS ist daher auch für die UK GAAP statt von einem Vorsichtsprinzip treffender von einem Vorsichtsgedanken zu sprechen379. Die genannten Regelungen des FRS 18 stehen in Zusammenhang mit der fortdauernden Entwicklung hin zu einer Angleichung der UK GAAP an die IFRS380. In deren Verlauf wurde auch die Regelung der Ertragsrealisierung dem Ansatz der IFRS angepaßt, indem als Ziel der GuV nunmehr kraft Gesetzes eine „true
369 Vgl. erneut Holgate, S. 36: „The work of the UK ASB [. . .] over the last ten to fifteeen years has gradually chipped away at the role of prudence“ sowie KPMG, Feasibility Study, S. 373; „accounting under . . . UK GAAP . . . is moving away from the concept of realisation as a recognition test“. 370 SSAP 2.14 (d) lautete: „Revenue and profits are not anticipated, but are recognised by inclusion in the profit and loss account only when realised in the form either of cash or of other assets the ultimate cash realisation of which can be assessed with reasonable certainty; provision is made for all known liabilities (expenses and losses) whether the amount of these is known with certainty or is a best estimate in the light of the information available.“ 371 Zu FRS 18 anschaulich Hole, 2 B.T.R. (2003), 77, 88: „moving prudence to the periphery“. Deutlicher noch Wilson/Davies/Curtis/Wilkinson-Riddle, S. 172: „FRS 18 . . . eliminates SSAP2’s definition of prudence“. 372 Die IFRS regeln dieselben Grundsätze in F.24. 373 FRS 18.30. 374 FRS 18.35 (e). 375 FRS 18.38. 376 Vgl. FRS 18.37 f. 377 FRS 18.37. 378 FRS 18.43. 379 Siehe den Text bei Fn. 328 ff. in Teil 2. 380 Zu dieser Entwicklung siehe Holgate, S. 14 ff.
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and fair view of the profit or loss“ gilt381. Die Angleichung zeigt sich auch darin, daß die UK GAAP – wie die IFRS – mittlerweile einzelne Sonderregelungen für die Ertragsrealisierung bei bestimmten Ertragsquellen enthalten. Für Finanzanlagen wurden 2004 und 2005 die entsprechenden IAS und IFRS schlicht als FRS in die UK GAAP übernommen382. Die Geschäftsleitung darf jedoch dann, wenn die Anwendung einer gesetzlichen oder untergesetzlichen383 Regelung betreffend die Ertragsrealisierung nicht zu einer „true and fair view“ führen würde – wann immer das sein mag –, die jeweilige Regelung (wie nach IFRS384) bei der Rechnungslegung nicht anwenden385. Anders als nach IFRS sind Finanzanlagen unter UK GAAP nicht zwingend zu ihrem „fair value“ anzusetzen386. Erfolgt dies aber, so ist für die Realisierung eines Ertrags aus Finanzanlagen der Zufluß einer Gegenleistung nach UK GAAP so wenig wie nach IFRS387 erforderlich. Vielmehr hat eine nach UK GAAP bilanzierende Limited dann ebenfalls bereits bloß buchmäßige Wertzuwächse als „realisierte“ Erträge in der Rechnungslegung zu berücksichtigen388. Ebenso können als Investition gehaltene Grundstücke sowie Tiere und Pflanzen behandelt werden389. 381 So ausdrücklich s. 226A (2) CA 1985, der (erst) durch The Companies Act 1985 (International Accounting Standards and Other Accounting Amendments) Regulations 2004 (SI 2004 No. 2947) zum 12.11.2004 eingefügt wurde. Diese Regelung findet sich nun in s. 396 (2) (b) CA 2006 wieder. Davies, in: Davies, para. 21-13, S. 725, sah in dem Erfordernis einer „true and fair view“ auch schon vor deren gesetzlichen Regelung einen „traditional British approach“. Indes bestanden die hier dargestellten Unterschiede zwischen der „true and fair view“ britischer Prägung und derjenigen der IFRS; eine Angleichung erfolgte erst nach und nach. 382 FRS 25 und FRS 26 übernehmen IAS 32 ganz und IAS 39 teilweise, FRS 29 übernimmt IFRS 7. Außerdem übernimmt FRS 20 IFRS 2, FRS 21 IAS 10, FRS 22 IAS 33, FRS 23 IAS 21 und FRS 24 IAS 29. Für die nächsten Jahre wird eine nahezu vollständige Angleichung der FRS an die IFRS erwartet (Holgate, S. 14). 383 Insbesondere die einschlägigen Statutory Instruments wie die Small Companies Accounts Regulations (siehe den Text bei Fn. 272 in Teil 2). 384 Siehe den Text bei Fn. 364 in Teil 2. 385 S. 396 (4) i.V. m. s. 396 (5) CA 2006: „If in special circumstances compliance with any of those provisions is inconsistent with the requirement to give a true and fair view, the directors must depart from that provision to the extent necessary to give a true and fair view. Particulars of any such departure, the reasons for it and its effect must be given in a note to the accounts.“ 386 Siehe Sch. 1 para. 36 (1) Small Companies Accounts Regulations: „may be included at fair value“; zu den IFRS siehe den Text bei Fn. 342 ff. in Teil 2. 387 Siehe zu den IFRS den Text bei Fn. 269 ff. in Teil 2. 388 Sch. 1, para. 40 (2) Small Companies Accounts Regulations, der dabei ausdrücklich auf den Vorsichtsgedanken des Sch. 1 para. 13 verweist. Dieser hat jedoch lediglich eine sehr eingeschränkte Bedeutung (vgl. Fn. 371). Ausnahmsweise nicht als realisierte Erträge in der GuV zu berücksichtigen, sondern in eine besondere Rücklage einzustellen, sind Wertzuwächse in den Fällen des Sch. 1, para. 40 (3) Small Companies Accounts Regulations. 389 Sch. 1, para. 39 (1), (2) Small Companies Accounts Regulations.
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(f) Aufwendungen nach IFRS und UK GAAP Bei der Erfassung von Aufwendungen sind die Unterschiede zwischen IFRS und UK GAAP geringer ausgeprägt. In der jeweiligen GuV sind ebenfalls sämtliche Aufwendungen390 des Unternehmens zu berücksichtigen391. Deren Gesamtbetrag entspricht betriebswirtschaftlich dem Gesamtbetrag des bewerteten Verbrauchs von Einsatzgütern während einer Rechnungslegungsperiode, soweit dieser Ausgaben hervorruft392. In den UK GAAP werden Aufwendungen entsprechend dieser Begriffsbestimmung definiert393. Die einzelnen Standards der IFRS bestimmen den Begriff der Aufwendung dagegen nicht allgemein. Er wird lediglich im IFRS-Rahmenkonzept, das für die auf dem Gebiet der EU maßgeblichen IFRS nicht verbindlich ist394, als Abnahme des wirtschaftlichen Nutzens im Abschlußzeitraum in Form einer Verminderung von Vermögenswerten oder einer Erhöhung von Schulden bestimmt, die zu einer Abnahme des Eigenkapitals führen, sofern die Abnahme nicht auf eine Ausschüttung an die Anteileigner zurückzuführen ist395. Ein Aufwand ist dann in die GuV einzustellen, wenn er „realisiert“ ist396. Auch hier wird mit dem Zusatz „realisiert“ lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Aufwands vorausgesetzt, ohne daß dies die Geltung eines dem Realisationsprinzip des HGB vergleichbaren Grundsatzes bedeutete397. Wann eine hinreichende Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, bestimmt sich grundsätzlich398 analog der soeben für Erträge dargestellten Regeln. Aufwendun390 Obschon die Mehrzahl von „Aufwand“ (als Gegenstück eines Ertrags) richtigerweise „Aufwände“ lautet, ist in der Betriebswirtschaftslehre insoweit allgemein von „Aufwendungen“ die Rede, vgl. etwa Egger, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 87. 391 Allgemein s. 830 (2) CA 2006. Für die UK GAAP siehe ergänzend para. 14 Small Companies Accounts Regulations sowie FRS 3.13, 3.20; für die IFRS siehe ergänzend IAS 1.78. Auch wenn s. 830 (2) CA 2006 von „losses“ spricht, ist in diesem Zusammenhang richtigerweise von Aufwand zu sprechen. „Verlust“ bezeichnet keine einzelnen Buchungsposten, sondern das negative Ergebnis der Differenz aus Erträgen und Aufwendungen, vgl. Fn. 221 in Teil 2 zu den Begriffen des Gewinns und des Ertrags. 392 Egger, in: Chmielewicz/Schweitzer, Sp. 88. 393 SPFR 4.39: „Losses are decreases in ownership interest not resulting from distributions to owners“. 394 Siehe den Text bei Fn. 282 in Teil 2. 395 F.70 (b), worauf IAS 1.13 verweist; IAS 1.91 f. enthalten Beispiele, aber keine Begriffsbestimmung. 396 „Realised losses“, s. 830 (2) CA 2006 und ergänzend IFRS 7.20 (b), 7.28, 19.7, IFRS 4.30; für die UK GAAP Sch. 8 para. 10 Small Companies Accounts Regulation. – „Losses“ ist nicht mit „Verlusten“, sondern mit „Aufwendungen“ zu übersetzen, vgl. den Text bei Fn. 221 in Teil 2. Ungenau Winnefeld, Rn. 220, der von „Verlusten“ statt von Aufwendungen spricht. 397 Vgl. bereits Fn. 310 ff., 366 ff. in Teil 2 zu den Erträgen. Dies gilt schon deshalb, weil das Realisationsprinzip des HGB nach zutreffender Ansicht lediglich für Erträge, nicht aber für Aufwendungen gilt (siehe Fn. 221 in Teil 2). 398 Zu Ausnahmen siehe den Text bei Fn. 408 ff. in Teil 2.
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gen müssen also – anders als bei der nach HGB bilanzierenden GmbH399 – regelmäßig nicht bereits bei einer gegenüber Erträgen geringeren Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts und auch nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt als die Erträge berücksichtigt werden. Damit gilt auch der Imparitätsgrundsatz als weiterer Ausfluß des Vorsichtsprinzips400 für die Rechnungslegung der Limited nicht401. Weil aber nach UK GAAP und IFRS wegen der grundsätzlich analogen Behandlung von Erträgen und Aufwendungen eben auch Aufwendungen tendenziell früher zu erfassen sind als nach HGB, führt dies zu keiner weiteren Vorverlagerung der Gewinnentstehung, als sie bereits durch die tendenziell frühere Ertragsbuchung ausgelöst wird. Entsprechend der grundsätzlich analogen Behandlung von Erträgen und Aufwendungen haben Veränderungen des Zeitwerts von Vermögensgegenständen der Limited auch für die Aufwandserfassung eine erhebliche Bedeutung. Für die IFRS ergibt sich dies wiederum aus zahlreichen Sondernormen402. Die UK GAAP weisen dagegen auch bezüglich der Aufwendungen (bislang) eine geringere Regelungsdichte auf 403. FRS 18 enthält keine Bestimmungen über die Verbuchung von Aufwendungen; dagegen gilt das – durch FRS 18 weitreichend eingeschränkte404 – allgemeine Erfordernis der prudence des Sch. 1 para. 13 Small Companies Accounts Regulations auch für die Aufwandserfassung („any item“). In der Praxis können Wertveränderungen bei Rechnungslegung nach IFRS und UK GAAP auch höhere Aufwendungen bedingen als bei Rechnungslegung nach HGB. So löst etwa auch ein voraussichtlich nicht dauerhafter Wertverlust von materiellen und immateriellen Gegenständen des Anlagevermögens – anders als nach HGB405 – nach IFRS406 und UK GAAP407 zwingend eine Aufwandsbuchung in Höhe des Unterschiedsbetrags aus. 399
Vgl. § 252 I Nr. 4 Hs. 1 HGB. Siehe Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 34 ff. 401 Betreffend die UK GAAP siehe Arden/Eccles, para. 10.10, S. 51; im Hinblick auf die IFRS siehe Winnefeld, Rn. 240. Ohne Differenzierung Mock, S. 116, der sich pauschal auf das Vorsichtsprinzip bezieht. 402 Siehe etwa für finanzielle Vermögenswerte die bereits genannten IAS 39.55 (a); für Tiere und Pflanzen IAS 41.26, IAS 41.28; für materielle Gegenstände des Anlagevermögens IAS 16.40; für immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens IAS 38.85, für „als Finanzinvestition gehaltene Immobilien“ IAS 40.35, für „zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte“ schließlich IAS 39.55 (b). 403 Siehe etwa die bereits genannten FRS 25, FRS 26 und FRS 29, die zukünftig um weitere, einzelne IFRS übernehmende Standards ergänzt werden dürften. 404 Siehe den Text bei Fn. 371 ff. in Teil 2. 405 Siehe § 253 II 3 Hs. 1 HGB. 406 IAS 16.40 bzw. IAS 38.86, und zwar jeweils in dem das eine etwaige Neubewertungsrücklage aus vorherigen Wertzuwächsen (IAS 16.39 bzw. IAS 38.85) übersteigenden Maß. 407 FRS 15.65. 400
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Ausnahmsweise sind Aufwendungen der Limited nach IFRS – ohne erkennbares Konzept – gegenüber Erträgen imparitätisch zu behandeln: Für passive latente Steuern408 (deferred tax liabilities)409 sind stets Rückstellungen zu bilden410, die naturgemäß mit einer Aufwandsbuchung einhergehen; aktive latente Steuern rechtfertigen die Einbuchung einer Forderung und damit eines Ertrags dagegen nur nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer zukünftigen Verrechnungsmöglichkeit411. Ferner bestimmen die IFRS, daß drohende Verluste aus Fertigungsaufträgen, hier ohne Bildung einer Rückstellung, sogleich aufwandswirksam zu verbuchen sind, während Erträge erst nach Fortschritt der Fertigung berücksichtigt werden dürfen412. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Ertragsrealisierung dennoch derjenigen nach HGB413 vorgelagert ist. (g) Ergebnis der Rechnungslegung durch Verrechnung Durch Verrechnung sämtlicher nach den soeben dargestellten Maßgaben ermittelten Erträge und Aufwendungen in der GuV der Limited ergibt sich das Ergebnis im Sinne der Rechnungslegung. (2) Modifizierung des Ergebnisses der Rechnungslegung durch den Companies Act 2006 Der Companies Act 2006 enthält einige wenige Sonderregeln, die das Ergebnis der Rechnungslegung für die Ausschüttungsbemessung modifizieren. Nach s. 841 408 Zum Begriff der latenten Steuern vgl. allgemein § 274 I 1, 2 HGB: „Bestehen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen, so ist eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern (§ 266 III E.) in der Bilanz anzusetzen. Eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerentlastung kann als aktive latente Steuern (§ 266 II D.) in der Bilanz angesetzt werden.“ 409 Wolkige Begriffsbestimmung in IAS 12.5: „Deferred tax liabilities are the amounts of income taxes payable in future periods in respect of taxable temporary differences“, „Deferred tax assets are the amounts of income taxes recoverable in future periods“. Prägnanter § 274 I 1, 2 HGB, wonach ein Ansatz passiver latenter Steuern dann erforderlich ist, wenn zwischen den bilanziellen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Unterschiedsbeträge bestehen, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen und insgesamt zu einer Steuerbelastung führen werden. Bei einer sich insgesamt ergebende Steuerentlastung ist von aktiven latenten Steuern die Rede. 410 IAS 12.15 ff. 411 IAS 12.24 ff. 412 IAS 11.22, 11.36. 413 Der zutreffende Zeitpunkt der Verbuchung ist umstritten. Überzeugend erscheint wegen § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB ein Ausschluß der Ertragsrealisierung nach Fertigungsfortschritt und ein Abstellen (erst) auf den endgültigen Wegfall des Liefer- und Leistungsrisikos, Ballwieser, in K. Schmidt, § 252 Rn. 77 ff. m.w. N.
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CA 2006 sind für die Ausschüttungsbemessung auch Aufwendungen aufgrund der Bildung bestimmter Rückstellungen zu berücksichtigen414. Bei Bilanzierung nach UK GAAP sind dies lediglich Rückstellungen für Abschreibungen415 und für ungewisse Verbindlichkeiten416. Bei Rechnungslegung gemäß IFRS löst die Bildung von Rückstellungen dagegen grundsätzlich eine zu berücksichtigende Aufwandsbuchung aus417. Hierdurch sind auch Rückstellungen erfaßt, die nach IFRS für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (mit einer fragwürdigen Rückausnahme für Finanzinstrumente418) erforderlich werden419. Weder nach UK GAAP noch nach IFRS liegt aber ein bei der Ausschüttungsbemessung zu berücksichtigender Aufwand vor, wenn die Limited eine Rückstellung deshalb bildet, weil sich im Rahmen der regelmäßig erforderlichen allgemeinen Neubewertung des Anlagevermögens420 ein Wertverlust eines Vermögensgegenstands gezeigt hat (revaluation provision)421. Dahinter steht der Gedanke, daß sich derartige buchmäßige Wertverluste regelmäßig nicht (zeitnah) durch die Veräußerung zu einem dem niedrigeren Wert entsprechenden Preis auf das Ergebnis auswirken, da Gegenstände des Anlagevermögens regelmäßig länger als beispielsweise Gegenstände des Umlaufvermögens im Unternehmen verbleiben422. 414 S. 841 (2) CA 2006. Diese Aufwendungen werden dort als „unrealisiert“ bezeichnet und sodann wie „realisierte“ behandelt („are treated as realised losses“). In der Sache macht dies keinen Unterschied. Überdies erscheint eine Aufspaltung in „unrealisierte“ und „realisierte“ Aufwendungen unergiebig und kann zu Mißverständnissen führen, da in Deutschland gemeinhin nur von realisierten Erträgen gesprochen wird (siehe Fn. 221 in Teil 2). 415 Sch. 7, para. 1 (1), 5 Small Companies Accounts Regulations i.V. m. s. 841 (2) (a) CA 2006. 416 Sch. 7, para. 2, 5 Small Companies Accounts Regulations i.V. m. s. 841 (2) (a) CA 2006. 417 S. 841 (2) (b) CA 2006. 418 IAS 37.2. 419 IAS 37.66 ff. 420 IAS 16.31, für die IFRS, FRS 15.43 für die UK GAAP. 421 S. 841 (2), (3) CA 2006. 422 Dennoch ist dies anders bei der Public Limited Company, die auch derartige „unrealisierte“ Aufwendungen (zu dieser Begrifflichkeit siehe nochmals Fn. 221 in Teil 2) bei der Ausschüttungsbemessung zu berücksichtigen hat. Dies ergibt sich aus s. 831 (4) (c) CA 2006 i.V. m. s. 841 (2), (3) CA 2006, die die sogenannte „net assets restriction“ bei der Ausschüttungsbemessung von Public Limited Companies enthalten. Unzutreffend Röhricht, S. 147: Daraus, daß s. 831 (4) CA 2006 bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns neben den „realisierten Verlusten“ – richtig: Aufwendungen – auch „unrealisierte“ Aufwendungen einbezieht, folgt für die Bemessung des Ausschüttungsbetrags mitnichten, „daß sämtliche im Jahresabschluss erfassten Aufwendungen den ausschüttbaren Gewinn mindern“. Solche Aufwendungen sind offensichtlich bereits „realisiert“, sonst wären sie eben nicht im „Jahresabschluß“, d.h. der GuV, erfaßt. S. 831 (4) CA 2006 schließt vielmehr gerade auch noch nicht in der der GuV verbuchte Aufwendungen ein, etwa aus (noch) nicht berücksichtigten Abschreibungen auf Vermö-
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Weiter ist s. 844 CA 2006 zu beachten, der die Berücksichtigung von Entwicklungskosten als Aufwand im Sinne der Ausschüttungsbemessung regelt. Entwicklungskosten sind grundsätzlich dann als Aufwand in diesem Sinne zu behandeln, wenn sie in der Bilanz der Limited aktiviert, also als immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens ausgewiesen werden423. Wann dies der Fall ist, richtet sich wiederum nach dem zugrundeliegenden Rechnungslegungwerk424. Eine derartige Verpflichtung kann nach IFRS wie nach UK GAAP bestehen425; nach HGB besteht für Entwicklungskosten neuerdings ein entsprechendes Aktivierungswahlrecht426. Die weiteren Bestimmungen des Companies Act 2006 in Part 23 über Ausschüttungen sind hier nicht von Bedeutung427. (3) Weitere Modifizierung des Ergebnisses nach dem Companies Act 2006 (a) Problem Nach dem Gesetz soll der aufgrund des gewählten Rechnungslegungswerks sowie der ergänzenden Bestimmungen des Companies Act 2006 ermittelte „realisierte“ Gewinn demjenigen im Sinne der Ausschüttungsbemessung entsprechen: Der Companies Act 2006 bestimmt in ss. 830 (2), 836 (1) (a), daß für die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns „realised“ „profits . . . as stated in the relevant gensgegenstände des Anlagevermögens bei einer (noch) nicht voraussichtlich dauernden Wertminderung (vgl. im deutschen Recht § 253 III 3 HGB). 423 S. 844 (1) CA 2006 mit Ausnahmen in s. 844 (2), (3) CA 2006. 424 „Where development costs are shown or included as an asset in a company’s accounts“, s. 844 (1) CA 2006. 425 IAS 38.21, 38.57 ff. für die IFRS, SSAP 13.23 ff. für die UK GAAP; zum Begriff siehe IAS 38.8, SSAP 13.21 für die UK GAAP). Diese sollen sich von den Forschungskosten abgrenzen lassen (zum Begriff siehe IAS 38.8 für die IFRS, SSAP 13.21 für die UK GAAP), die nicht aktivierbar sind, IAS 38.54 ff. für die IFRS, SSAP 13.24 für die UK GAAP. Vgl. demgegenüber § 255 IIa 4 HGB, der eine Aktivierung verbietet, wenn Forschungs- und Entwicklungskosten nicht sicher voneinander unterschieden werden können. 426 §§ 248 II 1, 253 I 1, 255 IIa 1, 2 HGB i. d. F. d. BilMoG. Nach Streichung des § 269 HGB a. F. durch das BilMoG können Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs auch nicht mehr als Bilanzierungshilfe in der Bilanz angesetzt werden. Unzutreffend unter Verkennung des Unterschiedes zwischen Vermögenswert und Bilanzierungshilfe Wulf/Klein/Azaiz, DStR 2005, 299, 300, die zu § 268 HGB a. F. von einer „nach HGB mögliche[n] Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs“ sprechen; eine Aktivierung solcher Aufwendungen war jedoch seit jeher ausgeschlossen, da sie gerade nicht bilanzierungsfähig waren, siehe § 269, 1 HGB a. F. 427 Es handelt sich dabei um die ss. 837–840 CA 2006, die regeln, welche Abschlüsse zugrundezulegen sind, ss. 842 f. CA 2006 zu Einzelfragen der Gewinnermittlung, die Übergangsregelungen der ss. 848–852 CA 2006 sowie einzelne Begriffsbestimmungen in s. 853 CA 2006.
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accounts“ heranzuziehen sind. Maßgeblich ist gemäß s. 836 (2) CA 2006 regelmäßig der letzte der jährlich zu erstellenden428 Abschlüsse der Limited429. Tatsächlich hat sich mittlerweile ein eigenständiger Begriff des Ergebnisses im Sinne der Ausschüttungsbemessung herausgebildet. Das in s. 830 (2) CA 2006 in bezug genommene, durch die Sonderregeln des Companies Act 2006 modifizierte Ergebnis der Rechnungslegung der Limited stimmt heutzutage regelmäßig nicht mehr mit dem der Ausschüttungsbemessung zugrundezulegenden Ergebnis überein430. Die gesetzlichen Regelungen sind faktisch überholt, die anwendbaren Rechnungslegungswerke harmonieren nicht mehr mit dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungskonzept der Limited431. Die ausweislich der GuV der Limited „realisierten“ Gewinne bilden nur noch den Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierten“ Gewinne. Dies ist bedingt durch die bereits angesprochene Entwicklung in den letzten rund 15 Jahren432. Früher legten das englische Fallrecht433 und später auch die UK GAAP – damals insoweit ähnlich dem HGB – bei der Ermittlung des (grundsätzlich434) für die Ausschüttungsbemessung maßgeblichen „realisierten“ Gewinns der Limited im Abschlußzeitraum starkes Gewicht auf das Vorsichtsprinzip; der „realisierte“ Gewinn wurde sehr zurückhaltend ermittelt435. Hierdurch wurde der Gefahr von 428
S. 394 CA 2006. Siehe bereits den Text bei Fn. 283 f.: Zur Ermöglichung einer unterjährigen Gewinnausschüttung, die durch die Zahlen des letzten Jahresabschlusses nicht gerechtfertigt wäre, oder einer Ausschüttung vor Erstellung des ersten Abschlusses der Limited kann ausnahmsweise ein Zwischenabschluß bzw. ein Pro-Forma-Abschluß herangezogen werden, s. 836 (2) (a), (b) CA 2006. Auch diese müssen nach den für gewöhnliche Abschlüsse geltenden Grundsätzen erstellt werden, vgl. ss. 838 (1), 839 (1) CA 2006. 430 Holgate, S. 160, 163, 171. 431 Treffend Ferran, S. 248: „At a fundamental level, there is a deepening divergence between the underlying aims of accounting regulation, which are to provide financial statements that provide information that is useful to investment decisions, and the distribution rules, which are concerned with capital maintenance and creditor protection.“ 432 Siehe den Text bei Fn. 368 ff. in Teil 2. 433 Sehr deutlich Ammonia Soda Co Ltd v Chamberlain [1918] 1 Ch. 266, 277, C.A.: „Directors would no doubt not be justified in ascribing to a fixed asset a value which is the result of purely temporary fluctuations. It is . . . [an illegal] thing to treat an unrealized increase in value of a fixed asset as profit and to pay dividends out of it as profits . . .“. 434 Zu der Berücksichtigung von Gewinn- und Verlustvorträgen sowie Rücklagen siehe den Text bei Fn. 499 ff., 503 ff. in Teil 2. 435 1980 hieß es noch: „In all those circumstances that are not specifically covered by the Act [scil.: Companies Act 1980], the determination of whether a profit or loss is realised or unrealised must be made in the light of best accounting practice. This means that only profits made at the balance sheet date should be included in the financial statements. They should not be anticipated and, therefore, in accordance with the prudence concept, they should be included in the financial statements only when they are earned and ascertained. Profits should be recognised by being included in the profit 429
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Ausschüttungen zulasten der Substanz der Limited bereits auf der Ebene der GuV begegnet. Deren Ergebnis konnte so bis 2003436 unmittelbar für die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns herangezogen werden437; die UK GAAP verfügten allenfalls bis zu diesem Zeitpunkt über eine echte Ausschüttungsbemessungsfunktion. Infolge der Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips in Form des Realisationsprinzips438 im Zuge der zunehmenden Gewichtung der Informationsaufgabe durch die einschlägigen Rechnungslegungswerke ist dies mittlerweile nicht mehr der Fall. Die UK GAAP haben bestenfalls noch eine eingeschränkte Ausschüttungsbemessungsfunktion439. Die 2005 als weiteres Regelwerk für die Limited zugelassenen IFRS440 wiesen von vornherein keine Ausschüttungsbemessungsfunktion auf 441. Zentrale Ursache hierfür ist die Maßgeblichkeit des Zeitwerts („fair value“) bei der Bewertung zahlreicher Arten von Vermögensgegenständen. Diese kann aufgrund bloßer Wertzuwächse der betroffenen Vermögensgegenstände zu umfangreichen, im Sinne der GuV „realisierten“ Erträgen führen, ohne daß der Limited jemals Vermögenswerte in Höhe der „Wertzuwächse“ zufließen müssen442, die nach dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungskonzept der Limited ausgeschüttet werden dürften. (b) Lösung der Praxis Zur Überbrückung dieses Widerspruchs zwischen dem Wunsch des Gesetzgebers und der Wirklichkeit der Rechnungslegung geben private Wirtschaftsprüfer-
and loss account. Therefore, they will be available for distribution only when realised in the form either of cash or of other assets, the ultimate cash realisation of which can be assessed with reasonable certainty.“ [Hervorh. von mir.], Arden/Eccles, para. 10.13, S. 52. 436 Dies dürfte sich mit der Veröffentlichung des Leitfadens Tech 7/03 des ICAEW Anfang 2003 geändert haben, siehe den Text bei Fn. 446 ff. in Teil 2. 437 „A profit which is required by statements of standard accounting practice to be recognised in the profit and loss account should normally be treated as a realised profit, unless the SSAP specifically indicates that it should be treated as unrealised.“, TR 481 (siehe den Text bei Fn. 451), para. 10, zitiert nach ICAEW, A Proposal to Alleviate Problems with Distributable Profits Through Amendments to the Fourth Company Law Directive, zugänglich unter http://www.icaew.com/index.cfm/route/163060/icaew_ga/ Technical_and_Business_Topics/Thought_leadership/Market_Foundations/An_interim_ proposal_possible_amendments_to_the_fourth_company_law_directive__Papers_from_ ICAEW_Capital_Maintenance_Roundtable__ICAEW/pdf, S. 3. 438 Siehe nochmals den Text bei Fn. 368 ff. in Teil 2. 439 Vgl. Wilson/Davies/Curtis/Wilkinson-Riddle, S. 171; KPMG, Feasibility Study, S. 373. 440 Wood/Sangster, S. 160. 441 Vgl. Bohl/Mangliers, in: Bohl/Riese/Schlüter, § 2 Rn. 6. 442 Siehe den Text bei Fn. 340 ff. in Teil 2.
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vereinigungen443 besondere Leitfäden (technical releases) heraus444. Diese dienen ausschließlich der Bestimmung der im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierten“ Erträge sowie der Aufwendungen. Sie sollen von der Geschäftsleitung der Limited hierbei stets heranzuziehen sein445. Zu nennen sind vor allem446 Leitfäden der Jahre 2003 (Tech 7/03)447, 2007 (Tech 2/07)448 sowie 2008 (Tech 1/08)449, die gleichermaßen für die Rechnungslegung UK GAAP wie seit 2005 auch für die nach IFRS gelten450. Diese Leitfäden bestimmen einen eigenständigen Begriff des Gewinns im Sinne der Ausschüttungsbemessung. Bereits der Leitfaden von 2003 enthielt folgenreiche Änderungen der zuvor geltenden, zwischenzeitlich durch die Entwicklung der Rechnungslegungswerke überholten Leitfäden des Jahres 1982451 und 1983452. So konnten bereits seit 2003 – entgegen einer anderen Ansicht im Schrifttum453 – bloße Bucherträge
443 Es handelt sich dabei insbesondere um das Institute of Chartered Accountants of England and Wales (ICAEW), das sich selbst auf seiner Netzseite (http://www.icaew. com) für „a world leader of the accountancy and finance profession“ hält, und das Institute of Chartered Accountants of Scotland (ICAS). 444 Die Leitfäden sind zugänglich über die Netzseite des ICAEW unter http://www. icaew.com und werden als „Tech“ abgekürzt. 445 Tech 1/08, para. 2.27. 446 Weitere insofern maßgebliche Leitfäden stellen Tech 50/04 und Tech 64/04 dar. 447 Tech 7/03, Guidance on the Determination of Realised Profits and Losses in the Context of Distributions under the Companies Act 1985. Dieser Leitfaden konsolidierte sämtliche einschlägigen Regeln zum Stichtag 31.12.2002, Tech 7/03, para. 3. Er umfaßt 25 Seiten. 448 Tech 2/07, Distributable Profits: Implications of Recent Accounting Changes. Dieser Leitfaden galt seit dem 01.08.2007. Er enthielt Ergänzungen, jedoch nicht alle einschlägigen Regeln, siehe Tech 2/07, para. 2.5. Er hat bereits einen Umfang von 92 Seiten. 449 Tech 1/08, Guidance on the Determination of Realised Profits and Losses in the Context of Distributions under the Companies Act 1985. Dieser Leitfaden wurde im Februar 2008 veröffentlicht und enthält sämtliche einschlägigen Regeln zum Stichtag 01.08.2007, Tech 1/08, para. 1.2. Er berücksichtigt die Regelungen des Companies Act 2006 zu Ausschüttungen (ss. 829 ff.) noch nicht, soll aber für diese mangels wesentlicher Änderungen gleichermaßen gelten (vgl. Tech 1/08, para. 1.6). Tech 1/08 umfaßt 129 Seiten. 450 Tech 1/08 betrifft von vornherein die Rechnungslegung nach UK GAAP und IFRS (Tech 1/08, para. 1.9, 3.4). Der Leitfaden bezieht sich unverständlicherweise nicht auf die trotz Insellage auch für britische Unternehmen allein maßgeblichen EU-IFRS (vgl. Art. 3 (1), (2) Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19.07.2002), sondern auf die ursprünglichen IFRS des IASB. Hieraus sollen sich aber keine Unterschiede ergeben, Tech 1/08, para. 1.10. – Tech 7/03 galt in seiner ursprünglichen Fassung nur für die Bilanzierung nach UK GAAP, vgl. para. 10 f. Tech 7/03. Der auf die Bilanzierung nach IFRS erweiterte Anwendungsbereich ergab sich aus para. 2.1, 2.6 und 3.8 Tech 2/07; der letztgenannte Absatz ersetzte para. 11 Tech 7/03. 451 Damals noch „TR“ abgekürzt, TR 481 und TR 482, vgl. Tech 7/03, para. 1, 3. 452 SSAP 20, siehe Tech 7/03, para. 34.
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(„Buchgewinne“)454 als „realisierte“ Erträge im Sinne der Ausschüttungsbemessung berücksichtigt werden. Die Geschäftsleiter hatten lediglich zu prüfen, ob die Ausschüttung eines so ermittelten Gewinns die gegenwärtige Zahlungsfähigkeit der Limited gefährdete455. Selbst ein so volatiler Buchertrag wie ein Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert einer auf eine ausländische Währung lautenden Forderung und deren infolge einer Wechselkursschwankung höherem „fair value“ war ausschüttungsfähig, und zwar sogar unabhängig von der Fälligkeit der Forderung456. Banken war ferner gestattet, Wertzuwächse übertragbarer Wertpapiere als „realisierte“ Erträge zu verbuchen457. Dies betraf auch Unternehmen in der Rechtsform der Private Limited Company, da ein Rechtsformzwang für Banken in England – wie in Deutschland458 – nicht besteht459. Das galt auch für Tochtergesellschaften von Banken sowie für andere Finanzintermediäre, soweit dies – nach Ansicht der bilanzierenden Gesellschaft – erforderlich war, um eine „true and fair view“ ihrer Vermögenslage zu ermöglichen460. Ob diese Sonderregeln für übertragbare Wertpapiere daneben für weitere Arten von Unternehmen galten, war unter Geltung des Leitfadens von 2003 nicht abschließend geklärt461. Der Leitfaden von 2007 regelte sodann weitere wichtige Änderungen462. Er erweiterte die genannten Möglichkeiten, nach dem „true and fair view“-Ansatz in der GuV der Limited berücksichtigte Bucherträge auch als „realisierte“ Erträge im Sinne der Ausschüttungsbemessung zu behandeln, erheblich463. Einerseits war dies seither unzweideutig für Unternehmen aller Art zulässig464. Ande-
453 Otte, S. 78, meint, „Buchgewinne aus Neubewertungen (unrealised profits) stehen bei einer Ausschüttung nicht zur Verfügung“. Nach Buchmann, S. 46, soll ein „nicht realisierter Gewinn (Buchgewinn)“ nicht ausgeschüttet werden dürfen. 454 Treffender als der Begriff „Buchgewinn“ erschient der des Buchertrags, vgl. bereits Fn. 221 in Teil 2. 455 Tech 7/03, para. 9. Diese Selbstverständlichkeit wird auch als „solvency test“ bezeichnet; vgl. dazu noch ausführlich den Text bei Fn. 691 ff. in Teil 3. 456 Tech 7/03, para. 34. 457 Tech 7/03, para. 35. 458 Lediglich ein Einzelkaufmann darf kein Kreditinstitut betreiben; § 2b I KWG spricht insoweit schief von der „Rechtsform des Einzelkaufmanns“. 459 Vgl. ss. 5 (2), 2 (1) HSBC Investment Banking Act 2002. Die HSBC Republic Bank (UK) Limited ist, anders als ihre Rechtsvorgängerin, in der Rechtsform der Private Limited Company organisiert. 460 Tech 7/03, para. 36 ff. Es handelt sich hier also um einen Anwendungsfall des „true-and-fair-override“ (siehe den Text bei Rn. 364, 383 ff.), der damals in s. 226 (5) CA 1985 geregelt war. 461 Holgate, S. 171. 462 Siehe etwa Tech 2/07, para. 1.3, 2.5, 3.8. 463 Dies wird (euphemisierend) als Berücksichtigung einer „evolution of accounting practice“ bezeichnet, Tech 2/07, para. 3.4. 464 Siehe para. 35 ff. Tech 7/03 einerseits, para. 35 ff. Tech 7/03 in der Fassung des para. 3.17 Tech 2/07 andererseits. Vgl. ergänzend para. 3.1, 3.4 Tech 2/07.
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rerseits dehnte der Leitfaden 2007 den Kreis der Vermögensgegenstände, bei denen Werterhöhungen einen „realisierten“ Ertrag im Sinne Ausschüttungsbemessung darstellen sollen, deutlich aus. Die Beschränkung auf Forderungen in ausländischen Währungen und übertragbare Wertpapiere entfiel; statt dessen kamen seither grundsätzlich465 sämtliche Vermögensgegenstände in Betracht, die erfolgswirksam zum Zeitwert zu verbuchen sind466. Zusätzlich zu dem Ausweis eines „realisierten“ Ertrags stellte der Leitfaden von 2007 die allgemeine Voraussetzung auf, daß der fragliche Vermögensgegenstand leicht in Zahlungsmittel umgesetzt („readily convertible to cash“) werden kann467. Das soll allerdings schon dann der Fall sein, wenn sich ein Marktpreis für den Vermögensgegenstand ermitteln läßt468 und das Unternehmen nicht von vornherein daran gehindert ist, den Vermögensgegenstand zu veräußern, etwa weil es ansonsten seine Geschäftstätigkeit erheblich einschränken müßte469. Der Leitfaden aus dem Jahr 2008 konsolidiert im Wesentlichen lediglich die vorangehenden Änderungen in einem Regelwerk und gibt ergänzende Erläuterungen, ohne inhaltliche Neuerungen zu enthalten470. Er ersetzte mit seiner Veröffentlichung im Februar 2008 alle vorangehenden Leitfäden und ist seither allein verbindlich471. Der Leitfaden erörtert die Frage, wann ein Ertrag der Limited im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisiert“ ist, auf nicht weniger als 129 Seiten der Größe DIN A4. Dieser Leitfaden wird in England als mit dem Companies Act vereinbar betrachtet472, sein Inhalt wird als „de facto rules“ in der Praxis anerkannt473. 465 Es werden jedoch nach wie vor nicht alle im Sinne der GuV realisierten Erträge auch als im Sinne der Ausschüttungsbemessung realisiert behandelt. Nicht dazu zählen etwa Bucherträge aus Zuschreibungen auf investment property i. S. d. IAS 40.5; siehe Tech 2/07, para. 3.7 und 3.17, der einen entsprechenden para. 40F in den insoweit fortgeltenden Leitfaden Tech 7/03 einfügt. 466 Vgl. Tech 2/07, para. 3.3 f. Zu den gemäß IFRS und UK GAAP mit ihrem Zeitwert anzusetzenden Vermögensgegenständen siehe den Text bei Fn. 342 ff., 382 ff. in Teil 2. 467 Tech 2/07, para. 3.8, der Tech 7/03, para. 10 entsprechend ändert. Diese Regelung findet sich nunmehr in Tech 1/08, para. 3.3 468 Auf die Liquidität des Marktes kommt es (unmittelbar) nicht mehr an, Tech 2/07, para. 3.13 f., die Tech 7/03, para. 18 entsprechend ändern. Diese spielt nur noch mittelbar eine Rolle, indem sie die Voraussetzung der Ermittlung eines Marktpreises darstellt. 469 Tech 2/07, para. 3.16, welcher Tech 7/03, para. 19 dementsprechend ändert. 470 Siehe Tech 1/08, para. 1.1, 1.3. Dieser Leitfaden kodifiziert nunmehr sämtliche einschlägigen Regeln zum Stichtag 01.08.2007, ebd., para. 1.5 471 Tech 1/08, para. 1.1. 472 Siehe Tech 1/08, para. 1.7, 1.1, unter Hinweis auf die Prüfung von Tech 2/07 vor dem Hintergrund des Companies Act 1985 durch nicht genannte anwaltliche Berater des ICAEW. Tech 1/08 weist gegenüber Tech 2/07 keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen auf. 473 „Such guidance is regarded as authoritative“, KPMG, Feasibility Study, S. 373; vgl. auch Holgate, S. 166; jeweils zu Tech 7/03, der Tech 1/08 inhaltlich im wesentli-
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Infolge der Unterschiede zwischen den im Sinne der GuV und den im Sinne der Leitfäden „realisierten“ Erträgen hat die Geschäftsleitung der Limited strenggenommen474 zunächst jede einzelne Ertragsbuchung der GuV daraufhin zu untersuchen, ob der verbuchte Ertrag auch als im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisiert“ erscheint, und ggf. weitere Nachforschungen anzustellen475. Dies betrifft einerseits alle Erträge der GuV im engeren Sinne, andererseits sämtliche Erträge der zusätzlichen Aufstellung sonstiger betrieblicher Erträge476. Umgekehrt können auch Buchungen außerhalb der GuV im Sinne des Leitfadens von 2008 „realisierte“ Erträge darstellen. Dieser Fall tritt etwa ein, wenn die Limited eine Leistung eines Gesellschafters erhält, die nicht der Erfüllung einer Einlageverbindlichkeit dient und für die keine unmittelbare Gegenleistung der Gesellschaft erfolgt477, etwa eine Zuzahlung in die Rücklagen. Die GuV der Limited enthält also einerseits auch im Sinne der Ausschüttungsbemessung nicht „realisierte“ Erträge, andererseits nicht alle möglicherweise als im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisiert“ auszuweisenden Erträge. Welche Erträge die Geschäftsleitung für im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisiert“ hält, muß diese weder bei Erstellung der GuV in dieser kennzeichnen478, noch bei der späteren Prüfung der GuV anhand des geltenden Leitfadens in irgendeiner Weise für Außenstehende nachvollziehbar festhalten. Es wird lediglich empfohlen, für die eigene Prüfung der GuV anhand des Leitfadens nicht näher bestimmte hinreichende Aufzeichnungen zu erstellen479; eine Vorgabe, diese zur Überprüfung durch Dritte aufzubewahren, findet sich im Leitfaden nicht. Die Ermittlung der im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierten“ Erträge durch die Geschäftsleitung der Limited ist demnach außerordentlich intransparent und von außen kaum nachvollziehbar. Auch die Eignung des Abschlusses zur Erfüllung seiner Informationsaufgabe wird hierdurch erheblich geschwächt480. Hinsichtlich der bei der Ausschüttungsbemessung zu berücksichtigenden Aufwendungen weicht der Leitfaden von 2008 nicht von der GuV der Limited ab. chen entspricht, und jeweils ohne Hinweis auf den Widerspruch zu den Bestimmungen des Companies Act. 474 Es steht zu bezweifeln, daß dies in der Praxis derart gründlich gehandhabt wird. 475 Tech 1/08, para. 2.16, 2.14. Kein Widerspruch dazu findet sich in Tech 1/08, para. 3.2: „The determination of a company’s profits available for distribution is derived [scil.: zu verstehen im Sinne von „ableiten“, nicht „herrühren“] from what is recorded in its accounts which are relevant for this purpose“. 476 Tech 1/08, para. 3.2. 477 Tech 1/08, para. 3.14 (c). Zur Vorläufernorm des Tech 2/07, para. 28 (c) siehe Holgate, S. 170. 478 Tech 1/08, para. 2.25, 2.27. 479 Tech 1/08, para. 2.16. 480 Zum Interesse des Abschlußadressaten an der Darstellung gerade der ausschüttbaren Gewinne siehe Fn. 315 in Teil 2.
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Der Leitfaden verweist lediglich darauf, daß Aufwendungen regelmäßig bei der Ausschüttungsbemessung zu berücksichtigen sind481 und nennt hierfür einige Beispiele482. Nach der Untersuchung der GuV anhand des Leitfadens von 2008 sind die sich aufgrund dessen ergebenden Erträge und Aufwendungen zu verrechnen. Auch dieses Ergebnis entspricht allerdings noch nicht endgültig dem ausschüttbaren Gewinn. Nach dem Leitfaden soll („should“) die Geschäftsleitung das Ergebnis abschließend erneut unter besonderer Würdigung der aus bloßen Wertschwankungen fließenden „realisierten“ Erträge überprüfen. Dabei soll sie feststellen, ob deren Einbeziehung „vorsichtig“ wäre483. Verpflichtend ist diese abschließende Prüfung nicht; indes verdeutlicht sie die Problematik. (c) Problem der Lösung der Praxis Die Heranziehung der Leitfäden zur Ermittlung der „realisierten“ Gewinne der Limited erscheint äußerst fragwürdig. Sie ist dem Umstand geschuldet, daß die gesetzlich vorgesehene Ausschüttungsbemessung anhand der der Rechnungslegung entnommenen „realisierten“ Erträge zunehmend schwierig erscheint, weil das Vorsichtsprinzip in Form des Realisationsprinzips im Zuge der jüngeren Veränderungen der UK GAAP und der IFRS zurückgedrängt wurde484. Die Rechnungslegung der Limited hat ihre Ausschüttungsbemessungsfunktion durch die starke Gewichtung der Informationsaufgabe des Abschlusses mittlerweile nahezu vollständig verloren. Die in der Praxis verwendeten Leitfäden vermögen dies nicht auszugleichen, sie haben mit zuletzt 129 Seiten, die allein die Frage der Gewinnrealisation betreffen, mittlerweile einen kaum mehr zu handhabenden Umfang erreicht. Zudem bedarf strenggenommen jede einzelne Ertragsbuchung der GuV der Überprüfung auf ihre „Realisierung“ anhand des jeweils gültigen Leitfadens. Überdies werden die Leitfäden als alleinverbindlich betrachtet, obgleich sie von privaten Wirtschaftsprüfervereinigungen herausgegeben werden, die in keiner Weise demokratisch legitimiert und eher Partikularinteressen als dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Die Anerkennung der Leitfäden als maßgebliche Regelwerke zur Ermittlung des im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierten“ Gewinns dürfte aus einem weiteren Grund geltendem Recht widersprechen. Aufgrund des durch den Leitfaden aufgestellten zusätzlichen Erfordernisses der Umsetzbarkeit in Zahlungsmittel steht sie zunächst der in ss. 830 (2), 836 (1) (a) CA 2006 angeord481
Tech 1/08, para. 3.10. Tech 1/08, para. 3.15 ff. 483 „Directors should consider, . . . whether it is prudent to distribute profits arising from changes in the fair values . . ., even though they may otherwise be realised profits in accordance with this guidance“, Tech 1/08, para. 2.4. 484 Vgl. KPMG, Feasibility Study, S. 373. 482
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neten unmittelbaren Maßgeblichkeit des jeweiligen Abschlusses der Limited entgegen. Der im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierte“ Gewinn folgt nach diesen Bestimmungen ausschließlich aus dem maßgeblichen Abschluß der Limited485, so daß allein dieser letztgültig zwischen im Sinne der Ausschüttungsbemessung „realisierten“ und nicht „realisierten“ Erträgen zu unterscheiden hat. Das wird von dem ICAEW als Herausgeber der Leitfäden ohne Begründung geleugnet486. Daß sich der Herausgeber der Leitfäden von der gesetzlichen Regelung gelöst hat, wird auch an anderer Stelle deutlich. Während der Leitfaden des Jahres 2003 hinsichtlich der Frage der „Realisierung“ eines Ertrags noch ausdrücklich an das Gesetz anknüpfte, ist seit dem Leitfaden des Jahres 2007 nur noch das gewählte Rechnungslegungswerk und das in dem Leitfaden enthaltene zusätzliche Erfordernis der Umsetzbarkeit in Zahlungsmittel maßgeblich487. Damit sollen in England rechtlich unverbindliche Empfehlungen einer privaten Vereinigung geltendes Gesetzesrecht überlagern. (d) Exkurs: Rechtslage bei Public Limited Companies und Europarecht Das wirft für Public Limited Companies die Frage auf, ob diese Lage mit europarechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Die für Public Limited Companies geltende Kapitalrichtlinie 488 gestattet ausschließlich die Ausschüttung „realisierter“ Gewinne. Dies ergibt sich aus Art. 15 (1) (c) der Kapitalrichtlinie, der auf „Gewinne“ abstellt, bei denen es sich ausweislich der Art. 31 (1) (c) (aa) und Art. 33 (2) (c) der 4. Richtlinie um „realisierte“ Gewinne handeln muß, die gemäß Art. 31 (1) (c) der Bilanzrichtlinie „vorsichtig“ zu ermitteln sind. Hierunter ist das Vorsichtsprinzip im herkömmlichen Sinne zu verstehen489. Das folgt daraus, 485 S. 836 (1) CA 2006: „profits [. . .] as stated in the relevant accounts“; siehe den Text bei Fn. 283 ff. in Teil 2. 486 Tech 1/08, para. 2.25: „There is no requirement under law or accounting standards for financial statements to distinguish between realised profits and unrealised profits or between distributable profits and non-distributable profits.“ 487 Siehe Tech 7/03 para. 10 einerseits („in accordance with law“), Tech 7/03 para. 10 in der Fassung von Tech 2/07 para. 3.10, andererseits („in accordance with the fair value measurement guidance in the relevant accounting standards“); ebenso Tech 7/ 03 para. 16 (c), und Tech 7/03 para. 16 (c) in der Fassung von Tech 2/07 para. 3.8. Eine Gesetzesänderung erfolgte zwischen Veröffentlichung der beiden Leitfäden nicht; der heutige s. 853 (4) CA 2006 entspricht dem 2003 geltenden s. 262 (3) CA 1985. Die Änderung des Tech 7/03 para. 10 durch Tech 2/07 para. 3.10 bestätigt Tech 1/08 para. 3.3, die des Tech 7/03 para. 16 (c) durch Tech 2/07 para. 3.8 bestätigt Tech 1/08, para. 3.9. 488 Siehe Art. 1 I der Kapitalrichtlinie. 489 So zutreffend Ferran, ECFR 2006, 178, 209 f.; offen Santella/Turrini, (2008) 3 EBOR 427, 442; dagegen nicht überzeugend Rickford, (2006) 1 EBOR, 135, 150 f., der trotz des eindeutigen Wortlauts meint, die genannten Richtlinien setzten keine „realisierten“ Gewinne voraus, und demgemäß von einer überschießenden Umsetzung in das englische Recht ausgeht.
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daß die Kapitalrichtlinie vom 13.12.1976 datiert, einem Zeitpunkt, als auch in England noch das Vorsichtsprinzip galt490. Ss. 830 (2), 836 (1) (a) CA 2006 verweisen nun für die Gewinnermittlung (auch) der Public Limited Company auf die GuV. Der sich hieraus ergebende Gewinn enthält jedoch, wie gezeigt, bei Rechnungslegung nach UK GAAP und nach IFRS auch Erträge, die nach dem Vorsichtsprinzip nicht als „realisiert“ gelten können. Diese sollen aus dem in der GuV ausgewiesenen Gewinn anhand des Leitfadens Tech 1/08 herausgefiltert werden. Der Leitfaden entspricht jedoch nicht den Erfordernissen, den der „effet utile“ des Art. 4 III 3 EUV an die Umsetzung einer Richtlinie stellt. Der Leitfaden ist nicht rechtsverbindlich, sondern wird von den Beteiligten lediglich als verbindlich anerkannt. Zusätzlich erscheint zweifelhaft, ob das Kriterium der bloßen Umsetzbarkeit in Zahlungsmittel zur Bestimmung einer „realisierten“ Ertrags491 sowie der der Geschäftsleitung verbleibende Ermessensspielraum492 mit dem Erfordernis des „effet utile“ gemäß Art. 4 III EUV in Übereinstimung zu bringen sind. Im Ergebnis verstoßen ss. 830 (2), 836 (1) (a) CA 2006 gegen Art. 15 (1) (c) der Kapitalrichtlinie i.V. m. Artt. 31 (1) (c), 33 (2) (c) der 4. Richtlinie. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob dieses Problem für Public Limited Companies, die nach IFRS bilanzieren, entfallen ist. Dies läßt die Kommission in einem „Kommentar“ verlauten. Danach sollen diejenigen Regelungen der 4. Richtlinie und die zu ihrer Umsetzung ergangenen mitgliedstaatlichen Regelungen nicht mehr gelten, soweit diese mit den durch die unmittelbar geltende IFRS-Verordnung eingeführten Rechnungslegungsregeln der IFRS nicht vereinbar sind493. In jedem Fall besteht für nicht nach IFRS, sondern nach UK GAAP bilanzierende Public Limited Companies die Europarechtswidrigkeit der Praxis der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns fort. dd) Zweiter Summand: Gewinn- oder Verlustvortrag494 Dem auf die dargestellte Weise für den letzten Abschlußzeitraum ermittelten Ergebnis der Limited im Sinne der Ausschüttungsbemessung – sei es ein Gewinn oder ein Verlust – ist ein etwaiger Gewinnvortrag hinzuzurechnen. Ein etwaiger 490 Siehe zu den UK GAAP noch im Jahr 1980 Arden/Eccles, para. 10.13, S. 52: „In accordance with the prudence concept“. 491 Tech 1/08, para. 3.3. 492 Tech 1/08, para. 2.4. 493 Comments concerning certain Articles of the Regulation (EC) No 1606/2002 of the European Parliament and of the Council of 19 July 2002 on the application of international accounting standards and the Fourth Council Directive 78/660/EEC of 25 July 1978 and the Seventh Council Directive 83/349/EEC of 13 June 1983 on accounting, S. 10 f. 494 Liegt ein Verlustvortrag vor, handelt es sich um einen Summanden mit negativem Vorzeichen.
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Verlustvortrag ist in Abzug zu bringen. Dies ergibt sich aus s. 830 (2) CA 2006, der von kumulierten Gewinnen (accumulated profits) oder kumulierten Verlusten (accumulated losses) spricht. Gewinnvortrag ist der Gesamtbetrag der Gewinne im Sinne der GuV der vorangegangenen Rechnungslegungsjahre, der nicht zur Verlustdeckung erforderlich gewesen und – etwa für Ausschüttungen oder eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln – nicht verwendet worden ist495. Dieser Gesamtbetrag einbehaltener Gewinne496 wird bilanziell durch einen dem Eigenkapital zugeordneten Passivposten dargestellt497. Dagegen weist ein Verlustvortrag den Gesamtbetrag der Verluste im Sinne der GuV der vorangegangenen Rechnungslegungszeiträume aus, der zwischenzeitlich nicht durch Gewinne, sei es aus dem letzten Abschlußzeitraum, aus Gewinnvorträgen oder aus Gewinnrücklagen498, oder eine Kapitalherabsetzung ausgeglichen wurde. Dieser Gesamtbetrag aufgelaufener Verluste wird bilanziell ebenfalls durch einen dem Eigenkapital zugeordneten Passivposten dargestellt, der allerdings ein negatives Vorzeichen aufweist499. Die Berücksichtigung eines Verlustvortrags bei der Auschüttungsbemessung stellt für das englische Kapitalerhaltungsrecht keine Selbstverständlichkeit dar. Sie wurde ausweislich des früher einschlägigen Fallrechts für nicht notwendig erachtet500; Ausschüttungen durften früher selbst dann erfolgen, wenn das Gesellschaftsvermögen durch Verluste unter den Betrag des Nennkapitals herabgesunken war501. Die Berücksichtigung von Verlustvorträgen wurde – erzwungen durch Art. 15 I lit. c der Kapitalrichtlinie – erst mit dem Companies Act 1980 eingeführt502. ee) Dritter Summand: Entnahme aus Gewinnrücklage Hinzuzurechnen ist dem für den letzten Abschlußzeitraum ermittelten Gewinn oder Verlust im Sinne der Ausschüttungsbemessung ferner der einer Gewinnrücklage (revenue reserve) entnommene Betrag. Dies folgt aus s. 853 (2) (a) CA 2006, der als Gewinn im Sinne der Ausschüttungsregeln der ss. 829 ff. CA 2006 495 496 497
Davies, in: Davies, para. 12-2 f., S. 287. Insoweit ist auch von thesaurierten Gewinnen die Rede. Vgl. etwa Format 1 K. IV. Sch. 1 Part 1 s. B Small Companies Accounts Regula-
tions. 498
Zu diesen siehe sogleich den Text bei Fn. 503 ff. in Teil 2. Wood/Sangster, 9.3, S. 141. 500 Ammonia Soda Co Ltd v Chamberlain [1918] 1 Ch. 266, 271, 276 f., C.A.; Lee v Neuchatel Asphalte Co [1889] 41 Ch. D. 1, 18, C.A. 501 Verner v General and Commercial Investment Trust [1894] 2 Ch. 239, 264 f., C.A.; Ammonia Soda Co Ltd v Chamberlain [1918] 1 Ch. 266, 271, 276 f., C.A. 502 Siehe s. 263 (3) CA 1985 sowie dessen Vorläufernorm aus dem Jahr 1980, vgl. Sealy/Worthington, S. 416. Die Richtlinienumsetzung erfolgte überschießend, da die Neuregelung neben Public Limited Companies auch Private Limited Companies einschloß, siehe Fn. 179 in Teil 2. 499
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einen „profit . . . of any description . . . made at any time“ bestimmt, sowie im Gegenschluß zu s. 836 (1) (c) CA 2006503. Eine Gewinnrücklage entsteht, wenn die Geschäftsleitung der Limited einen Gewinn des letzten Abschlußzeitraums, einen Gewinnvortrag aus dem vorigen Abschlußzeitraum – oder jeweils Teile hiervon – einbehält und in einen dem Eigenkapital zugeordneten besonderen Passivposten umbucht504. Dies kann auch ohne ausdrückliche statutarische Ermächtigung der Geschäftsleitung geschehen505. Sie kann dabei bestimmten Zwecken zugedachte506 Gewinnrücklagen – etwa zum Ausgleich von Währungsschwankungen – oder freie Gewinnrücklagen (general reserves) bilden507. Freie Gewinnrücklagen stehen, ihrer Bezeichnung entsprechend, für sämtliche Zwecke zur Verfügung. Sie können – entgegen einer anderen Ansicht508 – zunächst der Erhöhung des Ergebnisses im Sinne der Ausschüttungsbemessung zur Ermöglichung einer (höheren) Ausschüttung dienen. Daneben können freie Gewinnrücklagen insbesondere auch durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (bonus oder capitalisation issue) in gebundenes Eigenkapital umgewandelt werden509. Um eine freie Gewinnrücklage zur Erhöhung des Ergebnisses zu verwenden, ist diese zunächst mit entsprechender Zweckbestimmung buchmäßig aufzulösen, während ein Gewinnvortrag den Gewinn des Abschlußzeitraums ohne weiteres erhöht. Daraus ergibt sich, daß es sich bei einem Gewinnvortrag um einen Sonderfall einer Gewinnrücklage handelt510, der über einen engeren Verwendungsbereich verfügt. Aufgrund der erheblichen Bedeutung der Eigenfinanzierung durch Innenfinanzierung bei Limiteds511 sind Gewinnrücklagen häufig anzutreffen. Neben den Gewinnrücklagen kennt die Rechnungslegung der Limited eine weitere Gattung von Rücklagen, die gesellschaftsrechtlich gebundenen Rücklagen (capital reserves), welche scharf von den Gewinnrücklagen abzugrenzen sind. Von diesen unterscheiden sich die gesellschaftsrechtlich gebundenen Rücklagen insbesondere dadurch, daß sie nicht für die Erhöhung des Ergebnisses im 503 Darin werden „undistributable reserves“ ausdrücklich genannt, woraus folgt, daß Rücklagen im Regelfall ausschüttbar sind. 504 Vgl. Wood/Sangster, 9.1, S. 140. Beispielhaft etwa Format 1 K. IV. Sch. 1 Part 1 s. B Small Companies Accounts Regulations. 505 Birds, in: Boyle/Birds, 7.22, S. 256. 506 Die Zweckwidmung ist hier eine ausschließlich gesellschaftsinterne. Die Geschäftsleitung kann die Zweckwidmung durch schlichte Umbuchung jederzeit wieder aufheben. 507 Wood/Sangster, 9.2, S. 140. 508 Kallmeyer, DB 2007, 2755, hält dies unzutreffenderweise zwar bei der GmbH, nicht aber bei der Limited für möglich. 509 Dazu Davies, in: Davies, para. 11-8, S. 281 f. 510 Wood/Sangster, 9.2, S. 141; zur HGB-Bilanz vgl. Oechsler, in: MK AktG, § 229 Rn. 42. 511 Siehe den Text bei Fn. 41 in Teil 2.
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Sinne der Ausschüttungsbemessung verwendet werden dürfen512. Die Bezeichnung capital reserve bildet dabei den Oberbegriff und ist nicht zu verwechseln mit dem aus dem deutschen Recht bekannten Unterfall einer gesellschaftsrechtlich gebundenen Rücklage, der Kapitalrücklage der AG513. Deren wichtigstem Fall, der Kapitalrücklage aus einem bei der Aktienausgabe eingenommenen Aufgeld514, entspricht im englischen Recht – auch bei der Limited als kleiner Kapitalgesellschaft – der share premium account515. Außerdem zählen zu den gebundenen Rücklagen die capital redemption reserve516 und die revaluation reserve517. ff) Beurteilung Die Ausschüttungsbemessung folgt bei der Limited im Vergleich zur GmbH einem umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnis. Bei der GmbH dürfen Ausschüttungen im Gegenwert des gesamten Reinvermögens518 der GmbH erfolgen, so lange ihr Nennkapital hierdurch nicht geschmälert wird519. Bei der Limited ist eine Ausschüttung dagegen unzulässig, es sei denn, die Gesellschaft weist einen ausschüttbaren Gewinn aus, der Ähnlichkeiten mit dem Bilanzgewinn der AG520 aufweist. Mit dem ausschüttbaren Gewinn knüpft das Gesellschaftsrecht der Limited an eine dynamische, zeitraumbezogene Größe der GuV an. Das GmbHRecht stellt dagegen mit dem aus der Bilanz ersichtlichen Reinvermögen abzüg512
Wood/Sangster, 9.4, S. 141. § 150 III, IV AktG i.V. m. § 272 II Nr. 1–3 HGB. 514 § 272 II Nr. 1 HGB. 515 Siehe bereits den Text bei Fn. 121 ff. in Teil 2: Der share premium account wird nicht aus einbehaltenen Gewinnen, sondern aus einem bei Anteilsausgabe vereinnahmten Aufgeld gebildet (s. 610 (1) CA 2006). Daß diese Rücklage nicht zur Ermöglichung einer (höheren) Barausschüttung eingesetzt werden kann (s. 610 (4), (2), (3) CA 2006), ist folgerichtig. Der share premium account ist, anders als eine Gewinnrücklage, betriebswirtschaftlich nicht der Innenfinanzierung, sondern der Außenfinanzierung durch Eigenfinanzierung zuzuordnen (dazu siehe den Text bei Fn. 63 ff. in Teil 2). 516 Siehe den Text bei Fn. 791 f. in Teil 2. 517 Siehe Wood/Sangster, 9.5, S. 142. 518 Im Sinne des Überschusses des Werts der Vermögensgegenstände der GmbH über den Wert ihrer Verbindlichkeiten (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 1 d, S. 1135). Das Reinvermögen umfaßt das gesamte Eigenkapital der GmbH, also sowohl das gebundene, als auch das ungebundene Eigenkapital. 519 § 30 I 1 GmbHG; vgl. Wicke, § 30 Rn. 4 f. Seit Inkrafttreten des MoMiG zum 01.11.2008 ist der zuvor sehr umstrittene Fall von Leistungen unter einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 AktG gesetzlich geregelt, etwa im Rahmen des im Konzern üblichen „Cash pooling“ (§ 30 I 2 GmbHG, dazu Westermann, DZWir 2008, 485, 490). Eine Ausnahme besteht ferner für die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 30 I 3 GmbHG, dazu Körber/Kliebisch, JuS 2008, 1041, 1045). 520 § 57 III AktG; siehe dazu noch den Text bei Fn. 525 ff. 513
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lich des Nennkapitals auf eine statische, zeitpunktbezogene Größe ab. Dieser Unterschied der Ausschüttungsregeln ist dem Grundsatz der Einheit der Kapitalgesellschaften521 geschuldet. Aus diesem Grund kommt der Gesetzgeber nicht umhin, auch bei der Limited grundsätzlich die Vorgaben der Kapitalrichtlinie zu berücksichtigen, die allein die Ausschüttung realisierter Gewinne gestatten522. Auf den ersten Blick könnte man deshalb zu der Annahme neigen, daß für die Limited strengere Regeln zur Ausschüttungsbemessung als für die GmbH gälten, wie dies denn auch häufig behauptet wird523. Indes traf diese Annahme bereits vor Inkrafttreten der maßgeblichen Regelungen des Companies Act 2006 nicht zu und erscheint nun noch fernliegender (vgl. s. 845 CA 2006). Sie verkennt das Zusammenwirken der Gewinnermittlungsregeln des Companies Acts mit den einschlägigen Rechnungslegungswerken. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der bei der GmbH ausschüttbare Betrag des Reinvermögens abzüglich des Nennkapitals nichts anderes darstellt als den seit Entstehung der GmbH entstandenen Vermögenszuwachs. Bei ihrer Entstehung verfügt eine GmbH idealtypischerweise – die Übernahme von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten der Vor-GmbH vernachlässigt – über ein Reinvermögen lediglich in Höhe des Nennkapitals. Eine Ausschüttung ist nicht zulässig, da der Unterschiedsbetrag zwischen Reinvermögen und Nennkapital Null beträgt. Erwirtschaftet die GmbH nun in ihrem ersten Geschäftsjahr einen Überschuß, so erhöht sich das Reinvermögen um dessen Betrag. Eine Ausschüttung ist dann in Höhe des Jahresüberschusses zulässig, da dieser notwendig dem Unterschiedsbetrag zwischen Reinvermögen und Nennkapital entspricht. Wird keine Ausschüttung vorgenommen, sondern der Jahresüberschuß als Gewinnvortrag oder sonstige Gewinnrücklage einbehalten, und endet auch das zweite Geschäftsjahr mit einem Jahresüberschuß, entspricht nun der Gesamtbetrag der Jahresüberschüsse dem Unterschiedsbetrag zwischen Reinvermögen und Nennkapital. Eine Ausschüttung ist jetzt in Höhe des Gesamtbetrags der Jahresüberschüsse statthaft. Kommt es erneut zu keiner Ausschüttung und endet das dritte Geschäftsjahr mit einem Verlust, dann verringert sich der Unterschiedsbetrag zwischen Reinvermögen und Nennkapital um den Betrag des Verlusts; ausschüttbar ist nur noch ein verbleibender positiver Saldo. Ein etwaiger negativer Saldo ist als Verlustvortrag in kommenden Geschäftsjahren zunächst auszuglei521
Siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 2. Art. 15 (1) (c) der Kapitalrichtlinie i.V. m. Artt. 31 (1) (c) (aa), Art. 33 (2) (c), Art. 31 (1) (c) der Jahresabschlußrichtlinie. 523 Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6: „Wenig bekannt ist in Deutschland, daß die Vermögensbindung bei der Ltd. deutlich stärker ist als bei der deutschen GmbH“. Unzutreffend auch Kallmeyer, DB 2004, 636, 637: „wesentlich stärkere Vermögensbindung“; ders., DB 2007, 2755, 2757: „Diese [deutsche] Regelung ist wesentlich liberaler als die der englischen Limited“; vgl. auch Kasolowsky/Schall, § 4 Rn. 114 a. E.: „ganz anders als bei der deutschen GmbH“. 522
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chen, bevor ein verbleibender Überschuß ausgeschüttet werden darf. Diese Ausführungen zeigen für die GmbH die Verknüpfung der dynamischen Größe des Gewinns im Sinne der GuV mit der der Bilanz zu entnehmenden statischen Größe des Reinvermögens abzüglich des Nennkapitals. Der gleiche Zusammenhang besteht auch bei der Limited. Auch der von ihr während eines Geschäftsjahrs geschaffene Vermögenszuwachs erhöht das Reinvermögen und damit den für eine Ausschüttung verfügbaren Betrag. Die Gewinnermittlungsregeln der Limited knüpfen, ebenso wie diejenigen der GmbH, nicht allein an die GuV, sondern letztlich an die Bilanz der Limited an524. Damit können bei beiden Rechtsformen unter gleichen Voraussetzungen grundsätzlich Ausschüttungen in gleicher Höhe vorgenommen werden. Unterschiede können erst entstehen vor dem Hintergrund des bereits erwähnten umgekehrten RegelAusnahme-Verhältnisses dergestalt, daß ein Vermögenszuwachs bei der Limited in Form des ausschüttbaren Gewinns (der dem Bilanzgewinn des HGB ähnelt) gesondert festgestellt werden muß, während bei der GmbH umgekehrt jeder Vermögenszuwachs – unabhängig von seiner Erfassung in Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz – ausschüttbar ist, solange nur das Stammkapital nicht geschmälert wird. Dieses umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis kann unter sonst gleichen Voraussetzungen aber nur dann zu niedrigeren Ausschüttungshöchstbeträgen bei der Limited führen, wenn Vermögenszuwächse aufgrund der für diese geltenden Regelungen in der GuV nicht zu berücksichtigen sind, der Bilanzgewinn also entsprechend geringer ausfällt. Dies gilt unter sonst gleichen Umständen unabhängig von der Behandlung des Vermögenszuwachses in der Rechnungslegung der GmbH, da hier ja nicht der Bilanzgewinn, sondern umgekehrt das verbleibende Stammkapital maßgeblich ist – ein Vermögenszuwachs für seine Ausschüttbarkeit also, anders als bei der Limited, nicht in der GuV aufscheinen muß. Der Fall, daß Vermögenszuwächse der Limited in erheblichem Maße nicht auch buchmäßig erfaßt werden, also nennenswerte stille Reserven entstehen, ist aber kaum denkbar: Wegen des „fair value“-Ansatzes führen Wertsteigerungen regelmäßig zu entsprechenden erfolgswirksamen Ertragsbuchungen. Es ist gerade erklärtes Ziel der IFRS, die Bildung stiller Reserven zu verhindern. Das umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Ermittlung des Ausschüttungshöchstbetrags führt mithin letztlich nicht zu einer im Vergleich zur GmbH strengeren Kapitalbindung der Limited. Der zweite wesentliche Unterschied bei der Ermittlung des Ausschüttungshöchstbetrags dürfte jedenfalls in der Praxis keine strengere Kapitalbindung der 524 Treffend Davies, in: Davies, para. 12-3, S. 289: „The profit and loss account records the company’s financial success (or lack of it) over a period of a year, the balance sheet its assets and liabilities at the end of the year. However, the two are clearly interrelated over time“.
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Limited zur Folge haben. Zwar ist ein bei Begebung der Anteile etwa von der Gesellschaft vereinnahmtes Aufgeld nur bei der GmbH ausschüttbar525, nicht aber bei der Limited526; dies stellt auch den wesentlichen Unterschied bei der Ausschüttungsbemessung von GmbH und AG dar527. Allerdings verringert sich der ausschüttbare Gewinn der Limited im Vergleich zur GmbH unter sonst gleichen Umständen selbstverständlich nur, wenn der Limited bei Ausgabe der Anteile ein Aufgeld zugeflossen ist. Das dürfte in der Praxis gerade wegen dieser Bindung des Aufgelds – insbesondere bei kleineren Limiteds mit wenigen Gesellschaftern – eher selten anzutreffen sein, zumal diese der Limited auf anderem, einfacherem Wege auch ungebundenes Eigenkapital zur Verfügung stellen können: Dies ist möglich im Wege einer sonstigen Zuzahlung in das Eigenkapital ohne Gewährung weiterer Anteile528, wie sie auch von der GmbH bekannt ist529. Keineswegs ist das Kapitalerhaltungsrecht der Limited in dem Sinne strenger, daß der ausschüttbare Betrag bei einer Limited unter den gleichen Rahmenbedingungen stets geringer als bei einer GmbH ausfiele. Der ausschüttbare Betrag kann und wird sich häufig – je nach den Umständen des Einzelfalls – bei einer Limited vielmehr (deutlich) größer als bei einer GmbH ausnehmen530. Denn mit dem Ergebnis der Limited im Sinne der Ausschüttungsbemessung kann eine dafür wesentliche Größe gegenüber dem Jahresüberschuß der GmbH erheblich nach oben abweichen. Das Ergebnis der Limited im Sinne der Ausschüttungsbemessung kann einerseits deshalb höher ausfallen, weil hierfür nach der Rechnungslegung der Limited in erheblichem Maß bloße Bucherträge zu berücksichtigen sind531: Erträge werden nach den für die Limited einschlägigen UK GAAP und IFRS tendenziell
525 Ein – in der Kapitalreserve zu verbuchendes – Aufgeld ist hier ausschüttbar; vgl. Kropff, in: Goette/Habersack, Band 5b, § 272 HGB Rn. 56. 526 Ein – in den share premium account einzustellendes – Aufgeld ist hier nicht ausschüttbar, s. 610 CA 2006. 527 § 57 III AktG stellt für die Ausschüttungsbemessung (positiv abgegrenzt) auf den Bilanzgewinn ab. Damit ist nach zutreffender Ansicht nichts anderes als das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 57 I 1 AktG gemeint (siehe etwa Bayer, in: MK AktG, § 57 Rn. 131; Hüffer, § 57 Rn. 22; anders Henze, NZG 2005, 115, 120 f.), der sachlich § 30 I 1 GmbHG entspricht. Materielle Unterschiede bei der Ausschüttungsbemessung von GmbH und AG ergeben sich allein aus § 150 III, IV AktG, der die bei der AG zu bildende gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage von einer Barausschüttung ausnimmt; eine Sachausschüttung junger Aktien ist unter den Voraussetzungen des § 150 IV 1 Nr. 3 AktG zulässig. Die weiteren Unterschiede zwischen GmbH und AG sind lediglich prozeduraler Natur; vgl. Wilhelm, Rn. 416. 528 Vgl. Kellar v Williams 2004 WL 1372340, para. 3; Ferran, S. 123. 529 § 272 II Nr. 4 i.V. m. § 266 III A. II. HGB. 530 So im Hinblick auf die Rechnungslegung nach IFRS und den GoB allgemein Maschke, S. 114. 531 Zu den folgenden Ausführungen siehe den Text bei Fn. 318 ff., 368 ff. in Teil 2.
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früher erfaßt532, da für die Ertragsbuchung eine geringere Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Zuflusses wirtschaftlicher Vorteile ausreicht; das Vorsichtsprinzip in Gestalt des Realisationsprinzips deutscher Prägung ist diesen Rechnungslegungswerken unbekannt. Zudem können umfangreichere Erträge aus Zuschreibungen entstehen, da diese bei zahlreichen Arten von Vermögensgegenständen nicht auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt sind; auch das Niederstwertprinzip findet in UK GAAP und IFRS keine Anwendung. Dies ist dem „true and fair view“-Ansatz dieser Rechnungslegungswerke geschuldet, der die Informationsaufgabe des Abschlusses stark zu betonen sucht533. Andererseits kann der ausschüttungsfähige Gewinn der Limited deshalb höher liegen, weil diese zur Ausschüttungsbemessung Aufwendungen in geringerem Maße als die GmbH zu berücksichtigen haben kann. So muß eine nach UK GAAP bilanzierende Limited, anders als eine GmbH, Aufwendungen nicht für die Bildung jeder Art von Rückstellung berücksichtigen, sondern nur für die in s. 841 (2) (a) CA 2006 genannten534. Damit müssen insbesondere Aufwendungen aufgrund von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht berücksichtigt werden. Dabei wirken sich die verschiedenen Rechnungslegungsvorschriften bei GmbH und Limited je nach den Umständen des Einzelfalles in unterschiedlichem Maße aus. Abhängig von der Zusammensetzung ihrer Vermögenswerte und ihrer Ertragsstruktur sowie dem wirtschaftlichen Umfeld wird eine Limited ein Ergebnis ausweisen, das mehr oder weniger stark von dem Ergebnis desselben Unternehmens in der Rechtsform der GmbH abweicht. Die Unterschiede werden dabei um so größer sein, je mehr mit dem Zeitwert zu bilanzierende Vermögensgegenstände die Limited innehat und je größer der Anteil ihrer Erträge aus Zuschreibungen wegen Wertveränderungen ist. Die Unterschiede wachsen ferner, je stärker die Marktpreise der zum Zeitwert zu bilanzierenden Vermögensgegenstände zu- oder abnehmen. Neben einem höheren kann ein Unternehmen in der Rechtsform der Limited auch einen niedrigeren ausschüttungsfähigen Gewinn als dasselbe Unternehmen in der Rechtsform der GmbH aufweisen, etwa in Zeiten fallender Marktpreise für Vermögensgegenstände, deren Wertveränderungen ergebniswirksam berücksichtigt werden. 532
Vgl. auch Schöllhorn/Müller, DStR 2004, 1666. Ob die IFRS die Informationsaufgabe tatsächlich in dem ihnen zugeschriebenen Maße erfüllen, erscheint sehr fraglich (dazu unter dem sprechenden Titel „IFRS – Irre Führendes Rechnungslegungs-System“ Schildbach, IRZ 2007, 9 ff., 91 ff.). Überdies ist zweifelhaft, ob die Adressaten des IFRS-Abschlusses – gerade in Anbetracht der Finanzkrise – tatsächlich in dem durch die IFRS unterstellten Maß Wert auf den Ausweis auch nicht nachhaltiger Erträge aus Wertschwankungen legen. Auch ist keineswegs gewiß, ob ein etwa bestehendes derartiges Informationsbedürfnis nicht – ohne Aufgabe der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Abschlusses – durch entsprechende Angaben im Anhang erfüllt werden kann. 534 Siehe den Text bei Fn. 415 f. in Teil 2. 533
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Weiter haben die Rechnungslegungsvorschriften der Limited erhebliche Kostennachteile535. Jede Gesellschaft muß jährlich drei unterschiedliche Jahresabschlüsse erstellen. Zunächst ist für Informationszwecke zwingend ein Abschluß nach UK GAAP oder IFRS zu erstellen. Die Abschlußerstellung ist aufgrund des Umfangs dieser Regelwerke, der Vielzahl kasuistischer Regelungen und der Häufigkeit von Änderungen der Regelwerke deutlich aufwendiger als die Rechnungslegung nach HGB536. Dieser ist mangels Geltung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes lediglich der Ausgangspunkt für einen weiteren Jahresabschluß für die Zwecke der Ertragsbesteuerung537. Weil – aufgrund der Bewertung anhand des „fair value“ – weder der Abschluß nach UK GAAP noch der nach IFRS eine Ausschüttungsbemessungsfunktion aufweist538, ist eine umständliche gesonderte Ermittlung des Ausschüttungshöchstbetrags in einer eigenen GuV erforderlich. Dazu ist anhand umfangreicher Leitfäden eines privaten Interessenverbands (deren Bindungswirkung zweifelhaft ist) zu ermitteln, welche Erträge als „realisiert“ im Sinne der Ausschüttungsbemessung gelten. Diese Leitfäden eröffnen der Geschäftsleitung umfangreiche Ermessensspielräume bei der Beurteilung, ob einzelne Erträge „realisiert“ sind. Hier bestehen erhebliche Mißbrauchsgefahren – gerade, wenn die Geschäftsleitung, wie (auch) in angloamerikanischen Unternehmen üblich, selbst in nennenswertem Maß gewinnabhängige Vergütungsbestandteile bezieht. Wie real diese Gefahren bei einer Bilanzierung unter Zugrundelegung des „fair value“ sind, zeigt der Fall des deutschen Anlagenbauers Voith539. Dieser ist gezwungen, seine Jahresabschlüsse 2008 und 2009 nachzubessern, weil die US-amerikanische Tochtergesellschaft Voith Hydro Inc. mit Sitz in York, Pennsylvania – welche nach US GAAP540 bilanziert, die bei Fertigungsaufträgen ebenfalls auf den „fair value“ abstellen541 – systematisch (noch) nicht entstandene Erträge verbucht hatte. Offenbar wurden Lieferanten im Zusammenhang mit dem Bau von Wasserkraftwerken angewiesen, Rechnungen bereits vor Leistungserbringung zu stellen. Wegen der für die IFRS geltenden Er535
So allgemein zu den IFRS auch Pfennig, S. 121. Kahle/Dahlke, DStR 2007, 313, 317, zu den IFRS. 537 Holgate, S. 110 f. 538 Deutlich Tech 1/08, para. 2.27: „It may be thought helpful to users of financial statements if there is an indication of which reserves are distributable but, as noted above, there is no legal requirement to do so. In some cases, there may be practical difficulties with providing such an analysis. For example, there may be uncertainties about whether certain profits are realised or unrealised.“ 539 Siehe die Meldung der FAZ, Nr. 274 vom 24.11.2010, S. 14. 540 United States Generally Accepted Accounting Principles; diese werden von dem Financial Accounting Standard Board (FASB) herausgegeben, einem US-amerikanischen Arbeitsgremium mit einer komplexen Struktur verschiedener Gremien, die von diversen Interessengruppen finanziert und kontrolliert werden (Winnefeld, Rn. 301). Zu den US GAAP näher Winnefeld, Rn. 300 ff. 541 Ballwieser, in: K. Schmidt, § 253 Rn. 119. 536
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tragserfassung nach dem Fertigstellungsgrad (percentage of completion-Methode)542, der wiederum anhand der bisher angefallenen Kosten im Verhältnis zu den geschätzten Gesamtkosten (cost-to-cost-Methode) ermittelt werden können soll543, wuchs auf diese Weise angeblich das Anlagevermögen der Voith Hydro Inc. Weil der Betrag der vermeintlichen Zunahme des Anlagevermögens (Baufortschritt bei den Wasserkraftwerken) über544 dem Betrag der tatsächlichen Abnahme des Umlaufvermögens (Liquidität für die Begleichung der Rechnungen)545 lag, lagen die fiktiven Erträge über den realen Aufwendungen, was sich gewinnerhöhend auswirkte. Zu beachten ist ferner, daß die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns durch die Geschäftsleitung im Verborgenen stattfindet und von Außenstehenden nicht nachvollzogen werden kann. Wie dies mit einer „true and fair view“ auf die wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Übereinstimmung zu bringen sein soll, ist nicht erkennbar. Gerade der ausschüttbare Gewinn – nicht allein die im Jahresabschluß ausgewiesenen Gewinne – findet regelmäßig das besondere Interesse möglicher Investoren als Adressaten der Abschlüsse546. Außerdem erschwert die im Hinblick auf die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns vollständig fehlende Transparenz die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Ausschüttungen durch Gläubiger und (Minderheits-)Gesellschafter gravierend. Wegen der entscheidenden Bedeutung der Größe des ausschüttbaren Gewinns der Limited für die Kapitalschutzregeln begrenzt dies alles ihre Effektivität – nicht erst die Effizienz – ganz erheblich. c) Ausschüttungen (im engeren Sinne) aa) Überblick Als Ausschüttung (distribution) gilt im englischen Gesetzesrecht gemäß s. 829 (1) CA 2006 grundsätzlich jede Form der Zuwendung547 von Bestandteilen des Vermögens der Limited an einen Gesellschafter548. Diesem Begriff der Ausschüt542
IAS 11.22 als einschlägige Regelung der IFRS. IAS 11.30 (a) als einschlägige Regelung der IFRS. 544 Der Wertzuwachs durch den Baufortschritt – insbesondere unter Berücksichtigung der langfristigen Nutzungsmöglichkeiten der Wasserkraftwerke – dürfte höher als die für den Baufortschritt aufgewendeten Rechnungsbeträge gelegen haben, weil sich der Bau der Wasserkraftwerke sonst betriebswirtschaftlich nicht lohnte und deshalb unterblieben wäre. 545 Bzw. der Zunahme an Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung, soweit die Rechnungen noch nicht bezahlt waren, was den gleichen bilanziellen Effekt hat. 546 Siehe Fn. 315. 547 Der Begriff der Zuwendung wird hier im Sinne einer unentgeltlichen Verschaffung verstanden. 548 Vgl. s. 829 (1) CA 2006. Die gesellschaftsrechtliche Begriffsbestimmung ist damit sehr weit, Armour, 63 MLR (2000), 355, 366. – Die steuerrechtliche Definition 543
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tung im weiteren Sinne könnten damit auch Vermögenszuflüsse im Rahmen des Erwerbs eigener Anteile und der der Kapitalherabsetzung unterfallen549. Jene besonderen Erscheinungsformen unterstellt das Gesetz jedoch eigenen Regeln550; die von der allgemeinen Regel des s. 829 (1) IA 1986 erfaßten Vorgänge sollen hier als Ausschüttungen im engeren Sinne bezeichnet werden. Das Fallrecht (case law oder Common Law i. e. S.) legt den gleichen Ausschüttungsbegriff wie das Gesetzesrecht zugrunde551. Das Nebeneinander der Rechtsquellen sowie das inkohärente Fallrecht552 führen in England (auch) insoweit zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Handhabung von Ausschüttungen553. Problematisch erscheint insbesondere die Beantwortung der Frage, welchen Bestimmungen verdeckte „Ausschüttungen“ – besser: verdeckte Vermögensübertragungen554 – unterliegen. Eine überzeugende Darstellung der Ausschüttungsregeln findet sich in s. 209 Income and Corporation Taxes Act 1988. Sie weicht von der gesellschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung erheblich ab. 549 Zumindest ungenau Röhricht, S. 144, die meint, s. 829 para. 2 CA 2006 „stellt klar“, daß Vermögenszuflüsse im Rahmen des Erwerbs eigener Anteile und der Kapitalherabsetzung nicht unter den Ausschüttungsbegriff fallen. Das ist in Anbetracht des weiten Ausschüttungsbegriffs gerade nicht klar. 550 S. 829 (2) IA 1986: „The following are not distributions for the purposes of this Part“; zu den Sonderregeln siehe den Text bei Fn. 746 ff., 866 ff. in Teil 2. Daneben stellt s. 829 (2) (d) CA 2006 (tatsächlich) klar, daß die Verteilung von Liquidationserlösen nicht den allgemeinen Ausschüttungsregeln unterfällt – was selbstverständlich ist, ansonsten könnte wegen des Verbots der Ausschüttung gebundenen Kapitals (vgl. den Text bei Fn. 498 ff. in Teil 2) nie eine vollständige Abwicklung der Gesellschaft erfolgen. 551 Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 290, 292. Zur Anwendbarkeit des Fallrechts siehe den Text bei Fn. 604 ff. in Teil 2. 552 Siehe die Kritik bei Morse, Companies Act 2006, s. 845, S. 633; Sealy/Worthington, S. 422, 425; Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.22, S. 185. Treffend Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 44: „Von einer gesicherten oder einheitlichen Rechtsprechung kann nicht gesprochen werden“. 553 Deutlich Davies, in: Davies, para. 12-11, S. 302: „the distribution rules may not do much good“. 554 Der Begriff der „verdeckten Gewinnausschüttung“ (vgl. etwa Roth, in: Roth/Altmeppen, § 29 Rn. 60 ff.; Wicke § 29 Rn. 22) ist für die Beschreibung des gesellschaftsrechtlichen Phänomens – unabhängig von der betroffenen Rechtsordnung – in mehrfacher Hinsicht ungenau: 1. Der Sache nach geht es um den Entzug von Vermögenswerten unabhängig von einem etwa gegebenen Gewinn. 2. Bei der „verdeckten Gewinnausschüttung“ handelt es sich um einen originär steuerrechtlichen Begriff (vgl. bereits RFHE 34, 228, 234 vom 31.03.1933), der erst wesentlich später Eingang in den Sprachgebrauch im Gesellschaftsrecht fand (vgl. BGH NJW 1976, 191 vom 05.06. 1975). 3. Unter einer „verdeckten Gewinnausschüttung“ wird im deutschen Gesellschafts- und Steuerrecht nach wie vor Unterschiedliches verstanden; sogar innerhalb des Steuerrechts zieht die Rechtsprechung verschiedene Begriffsbestimmungen heran (siehe Rengers, in: Heuermann, § 8 KStG Rn. 226 a. E., 235 f.). Ähnliches gilt für das englische Recht; auch dort wird nicht immer genau zwischen dem gesellschaftsrechtlichen und dem steuerlichen Phänomen unterschieden (vgl. die Entscheidung Ridge Securities Ltd v IRC [1964] 1 W.L.R. 479, 492, 495, Ch. D.; ungenau auch Ferran, S. 261 f. mit Fn. 152). Vor diesem Hintergrund erscheint der Begriff der verdeckten Vermögensübertragung vorzugswürdig (vgl. Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6). Vgl. auch Spitaler/Niemann,
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unter Berücksichtigung der Änderungen durch den Companies Act 2006 findet sich, soweit ersichtlich, bislang weder im deutschen555 noch im englischen Schrifttum556. Dies dürfte der erheblichen Bedeutung der Ausschüttungsregeln nicht gerecht werden: Der weite Ausschüttungsbegriff erfaßt zahlreiche Vorgänge des Geschäftslebens. Unabhängig von ihrer Kapitalausstattung sind sämtliche Limiteds von den Ausschüttungsregeln betroffen. Zudem kehrt die Aufgabe der Ausschüttungsbemessung grundsätzlich mit jedem Geschäftsjahr wieder. Vor allem aber stellen die Ausschüttungsregeln ein zentrales Instrument des Gläubigerschutzes dar. Demgemäß sollen die Ausschüttungsregeln hier umfassend dargestellt werden. Dazu wird zunächst zwischen (offenen) Ausschüttungen und verdeckten Vermögensübertragungen, die jeweils erlaubt oder verboten557 sein können, unterschieden. (1) Offene Ausschüttungen Offen ist eine Ausschüttung, wenn sie von der Gesellschaft als solche bezeichnet wird558. Eine erlaubte offene Ausschüttung erfolgt typischerweise als Dividendenzahlung559 (dividend payment)560 unter Einhaltung der für AusschüttunRn. 9 f., die von „verdeckter Vermögensverlagerung“ sprechen; vgl. auch Zacher, DStR 1994, 138, der mit abweichender Begründung den Begriff der „verdeckten Ausschüttung“ vorschlägt; zu eng aber Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 30 Rn. 73, der den Ausdruck der „verdeckten Auszahlung von Kapital“ gebraucht, der Vorgänge ohne Austausch von Zahlungsmitteln nicht zu erfassen vermag. 555 Vgl. Röhricht, S. 143 ff., 175 ff., Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 114 ff.; Fleischer, in: Lutter, Legal Capital, S. 100 ff.; ders., in: Lutter, Auslandsgesellschaften, C II 1 a, S. 58 ff.; ders., DStR 2000, 1015, 1016; Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 40 ff.; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rn. 40; Christ, S. 126; Buchmann, S. 46; KollMöllenhoff, S. 166 ff.; Nienhaus, S. 64 ff.; Bezzenberger, S. 263 ff.; Micheler, ZGR 2004, 432, 328; Kallmeyer, DB 2004, 636, 637; Ebert/Levedag GmbHR 2003, 1337, 1343 f. (alle zum CA 1985); Just, Rn. 338 ff. 556 Vgl. Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21, S. 251 ff.; Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3, S. 292 ff.; Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 289 ff.; Mayson/French/Ryan, 10.5, S. 284 ff.; Dine/Koutsias, 9.2 ff., S. 120 ff. Dagegen gibt Doran, 12 Comp. Law. (1991), 169 ff. einen guten Überblick, der jedoch sehr umfangreich ist und naturgemäß die Neuerungen des Companies Act 2006 nicht berücksichtigt. Eine vergleichsweise kompakte und aktuelle Darstellung findet sich bei Sealy/Worthington, S. 415 ff., 422 ff., die jedoch unsystematisch erscheint. 557 Gegen die Unterscheidung in „verbotene“ und „erlaubte“ Ausschüttungen auf Tatbestandsseite und für eine Differenzierung auf Rechtsfolgenseite im deutschen Recht aber Zacher, DStR 1994, 138, 140 f. 558 Vgl. Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 40. 559 Anders als in Deutschland wird wegen des Grundsatzes der Einheit der Kapitalgesellschaften (siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 2) auch bei der Limited als kleiner Kapitalgesellschaft von einer „Dividende“ gesprochen. Strenggenommen ist dieser Begriff hier so ungenau wie bei der Public Limited Company (und der AG): Hier wie dort wird immer dann, wenn das Kapital der Gesellschaft in mehr als einen Anteil zerlegt
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gen geltenden Vorschriften561. Sie erfolgt regelmäßig durch Zahlung einer Bardividende562, kann aber auch durch Auskehrung einer Sachdividende563 geschehen564. – Als verbotene offene Ausschüttung tritt typischerweise die Ausreichung einer als solcher bezeichneten Bar- oder Sachdividende unter Verletzung der hierfür vorgesehenen Regelungen565 auf. (2) Verdeckte „Ausschüttungen“ Verdeckt ist eine „Ausschüttung“ bzw. Vermögensübertragung566, wenn sie nicht als solche bezeichnet wird567. Eine verdeckte Vermögensübertragung stellt sich als Unterfall einer Ausschüttung dar568. Hierfür spricht bereits der weite Ausschüttungsbegriff 569. Indes ist die dogmatische Einordnung verdeckter Vermögensübertragungen in England bis heute nicht abschließend geklärt570. Zweifel an der Subsumtion unter den Ausschüttungsbegriff bestehen nach wie vor im Schrifttum571; die Rechtsprechung vermochte bislang keine stringente dogmatische Einordnung aufzuzeigen572. Das erklärt sich auch daraus, daß verdeckten ist, nicht der Dividend (der gesamte für die Ausschüttung vorgesehene Gewinn), sondern der anhand seiner Teilung durch den Divisor (Anzahl der gewinnbezugsberechtigten Anteile) ermittelte Wert des Quotienten an den einzelnen Gesellschafter ausgeschüttet. 560 Vgl. Mayson/French/Ryan, 10.5.2 a. E., S. 286. 561 Zu diesen siehe den Text bei Fn. 251 ff. in Teil 2. 562 So schon Wood v Odessa Waterworks Co [1889] 42 Ch. D. 636, 642. 563 Obwohl sich die Ausgabe von Gratisaktien (bonus shares) als Sachdividende darstellt, unterliegt sie nicht den Regelungen betreffend Ausschüttungen, s. 829 (2) (a) CA 2006. Dies ermöglicht Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln unter Kapitalisierung ansonsten nicht ausschüttbarer, da nicht realisierter Gewinne (Clarke, in: Boyle/ Birds, 7.23, S. 257; vgl. auch bereits den Text bei Fn. 509 in Teil 2). 564 Vgl. ss. 845 f.; dies erfordert allerdings eine entsprechende Regelung in den articles of association (siehe Wood v Odessa Waterworks Co [1889] 42 Ch. D. 636, 642 f.; Sealy/Worthington, S. 421). Eine solche ist etwa in Artt. 35 f. der amtlichen Mustersatzung für Limiteds (The Companies (Model Articles) Regulations 2008 (SI 2008/3229) enthalten. Diese kommt zur Anwendung, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht und die Geltung der Mustersatzung nicht ausdrücklich ausschließt, s. 20 (1) CA 2006. 565 Zu diesen siehe den Text bei Fn. 587 ff. in Teil 2. 566 Siehe den Text bei Fn. 554 in Teil 2. 567 Heinz, in: Heinz, § 11 Rn. 40. 568 Vgl. Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21.2, S. 254; 7.11, S. 218; Bryant, in: Hannigan/ Prentice, 7.22, S. 185; Mayson/French/Ryan, 10.5.2, S. 286, 10.5.5, S. 287. 569 Zu diesem siehe den Text bei Fn. 547 ff. in Teil 2. 570 Bödecker, S. 59; Jansen, S. 118. 571 Dagegen tendenziell Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 290 mit Fn. 23; offen Sealy/Worthington, S. 422. 572 Siehe etwa die Entscheidungen MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 49 und Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 253 f.
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Vermögensübertragungen in Großbritannien bislang weit weniger Aufmerksamkeit als in Deutschland gewidmet wird573. Dies wiederum dürfte begründet sein durch die traditionell sehr liberale englische Haltung gegenüber unternehmerischen Entscheidungen (auch) im Hinblick auf Ausschüttungen574. Wie das GmbH-Recht575 kennt auch das Recht der Limited – entgegen einer anderen Ansicht576 – auch erlaubte verdeckte Vermögensübertragungen577. Deren häufigste Erscheinungsform ist eine überhöhte Vergütung für die Dienstleistung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, die im Umfang des Unterschiedsbetrags zwischen Vergütung und Gegenwert der Dienstleitung eine verdeckte Vermögensübertragung darstellt578. Überhöhte Vergütungen für GesellschafterGeschäftsführer treten aus steuerlichen Gründen579 häufig bei inhabergeführten Limiteds auf 580. Sie können, anders als im GmbH-Recht581, im englischen Ge-
573 „[O]rigin and principles of disguised distributions are to be understood as a product of German legal and institutional thinking“, Fleischer, ECFR Special Volume 1, S. 94, 95. 574 Siehe Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 253 f. 575 OLG Düsseldorf ZIP 1989, 1458, 1459; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rn. 71; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 29 Rn. 61; a. A. Lutter/Hommelhoff, § 29 Rn. 48 f. wegen Verstoßes gegen die Zuständigkeitsordnung und die Gefahr der Ungleichbehandlung der Gesellschafter. Anders ist dies wegen §§ 57 III, 58 V AktG von vornherein bei der AG. 576 Unzutreffenderweise verneint Christ, S. 126, die Zulässigkeit jeder verdeckten Vermögensübertragung. In zweifacher Hinsicht mißverständlich Micheler, ZGR 2004, 324, 329, die betreffend einen Fall einer verdeckten Vermögensübertragung von „grundsätzlich unzulässige[r] Einlagenrückgewähr“ spricht, aber offensichtlich die in diesem Einzelfall unzulässige verdeckte Vermögensübertragung meint. – Vgl. auch Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6 mit Fn. 57, der an einem Verbot verdeckter Vermögensübertragungen jedenfalls zweifelt. 577 Siehe Morse et al., para. 8.911, wo von „disguised improper return of capital“ (Hervorh. von mir) gesprochen wird, woraus folgt, daß es auch zu erlaubten verdeckten Vermögensübertragungen kommen kann. 578 Buchmann, S. 46; Christ, S. 126. 579 Ausschüttungen der Limited werden (ebenfalls) grundsätzlich sowohl auf der Ebene der Gesellschaft, als auch der des Gesellschafters besteuert. Die Gesellschaft unterliegt der Körperschaftssteuer (corporation tax gemäß ss. 6 ff., 337 ff. Income and Corporation Taxes Act 1988), der Gesellschafter der Einkommenssteuer (income tax gemäß ss. 1 ff., 256 ff. Income and Corporation Taxes Act 1988). Bei Ausschüttungen an in England unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen greift ein unübersichtliches und kompliziertes Teilanrechnungsverfahren ein, in dessen Rahmen der Gesellschafter eine Steuergutschrift (tax credit) in Höhe der auf die Ausschüttung entfallenden Körperschaftssteuerschuld erhält. Diese mildert die wirtschaftlich nachteiligen Auswirkungen der zweifachen Besteuerung, kann sie jedoch nicht vollständig ausgleichen, Johnen, in: Römermann, Teil G Rn. 50. 580 Thole, S. 263. Deutlich Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3.1, S. 293: „In private companies, for tax reasons, dividends on shares are rarely paid and it is common practice for the major shareholders to take their income as salary or director’s fees [. . .]“.
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sellschaftsrecht zulässig sein, ebenso wie überhöhte Konzernumlagen582, die in Deutschland ebenfalls insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht genügen müssen583. Gestattet sein kann auch die Veräußerung von Vermögensgegenständen einer Limited an ihren Gesellschafter, wenn anstelle eines höheren Marktwerts lediglich der Buchwert des Vermögensgegenstands vergütet wird584. Derartige Geschäfte stellen in Höhe des Unterschiedsbetrags der beiden Werte verdeckte Vermögensübertragungen dar585. Als verbotene verdeckte Vermögensübertragungen (dressed-up oder disguised return of capital) lassen sich schließlich alle anderen Formen verdeckter Vermögensübertragungen bezeichnen586. bb) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (1) Offene Ausschüttungen Offene Ausschüttungen dürfen nur aus einem ausschüttbaren Gewinn erfolgen587, der gemäß dem dargestellten Verfahren588 ermittelt wurde. Zwingende Voraussetzung einer Ausschüttung ist ein aktueller Abschluß, der unter Zugrundelegung eines der zwei für Limiteds anwendbaren Rechnungslegungswerke ordnungsgemäß errichtet wurde589. Es ist regelmäßig der letzte Jahresabschluß heranzuziehen590. Der Abschluß muß grundsätzlich geprüft591, im Falle eines quali581 Hier erfolgt stets eine Überprüfung unter den Gesichtspunkten des Kapitalschutzes (BGH NJW 1992, 2894, 2896; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 30 Rn. 74 f.) und der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht (BGH NJW 1990, 2625, 2625; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rn. 183); siehe auch Spitaler/Niemann, Rn. 9, 312, 315. 582 Mayson/French/Ryan, 10.1, S. 275; Sealy/Worthington, S. 422; siehe näher den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 2. 583 Siehe BGH NJW 1976, 191, 191 („ITT“). 584 Siehe den Text bei Fn. 635 ff. in Teil 2. 585 Dies folgt aus dem mittlerweile in s. 829 (1) CA 2006 gesetzlich geregelten weiten Ausschüttungsbegriff (siehe den Text bei Fn. 547 ff. in Teil 2). Unergiebig ist insoweit entgegen Ferran, S. 261 f. mit Fn. 152, die Entscheidung Ridge Securities Ltd v IRC [1964] 1 W.L.R. 479, 479 ff., Ch. D. Diese befaßt sich mit steuerlichen Fragen verdeckter Gewinnausschüttungen, insbesondere der steuerlichen Berücksichtigung von „Verlusten“ aus konzerninternen Transaktionen. Die Bezugnahme auf das Gesellschaftsrecht auf S. 496 f. des Urteils betrifft keine verdeckte Vermögensübertragung. 586 Vgl. Sealy/Worthington, S. 422, 417. 587 S. 830 (1) CA 2006. Auf die Sonderregeln für „Investment Companies“ (s. 832 ff. CA 2006) soll hier nicht eingegangen werden. 588 Siehe den Text bei Fn. 251 ff. in Teil 2. 589 Ss. 836 (1), 837 (2) CA 2006. 590 S. 836 (2) CA 2006; ausnahmsweise kann auf einen Zwischenabschluß oder die Eröffnungsbilanz zurückgegriffen werden, S. 836 (2) (a), (b) CA 2006, siehe bereits den Text bei Fn. 284. 591 S. 837 (3) CA 2006.
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fizierten Prüfberichts müssen die Anmerkungen des Abschlußprüfers den Gesellschaftern vorgelegt worden sein592. Auf die Einhaltung dieser Regeln können die Gesellschafter nicht wirksam verzichten593. Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Ausschüttung besteht keine zwingende Kompetenzverteilung594. Regelmäßig sieht der Gesellschaftsvertrag vor, daß die Geschäftsleitung eine entsprechende Empfehlung ausspricht, worüber dann die Gesellschafterversammlung entscheidet595. Die Gesellschafterversammlung darf in diesem Fall grundsätzlich keine über die Empfehlung der Geschäftsleitung hinausgehende Ausschüttung beschließen596. Bestehen ausnahmsweise keinerlei gesellschaftsvertragliche Regelungen597, dann obliegt es allein der Gesellschafterversammlung, die Höhe der Ausschüttung zu bestimmen598. Der Gesellschaftsvertrag kann strengere Regelungen für die Festlegung der Höhe der Ausschüttungen enthalten599. Dabei ist insbesondere an die Verpflichtung zur Bildung satzungsmäßiger Rücklagen zu denken. Zu beachten ist, daß die Limited gerade im Zeitpunkt der Empfehlung der Geschäftsleitung600 über einen hinreichenden ausschüttbaren Gewinn verfügen muß601. Das ist dann nicht der Fall, wenn ein in dem maßgeblichen Abschluß ausgewiesener ausschüttbarer Gewinn zwischenzeitlich durch Verluste aufgezehrt wurde602. (2) Verdeckte Ausschüttungen Weniger übersichtlich sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verdeckter Ausschüttungen. Klärungsbedürftig ist zunächst, welche Vorschriften auf diese anzuwenden sind (dazu unten (a)). Die Prüfung der Rechtmäßigkeit verdeckter Ausschüttungen erschweren zudem verschiedene Ausnahmetatbestände (unten (b)). 592
Ss. 837 (4), 423 CA 2006. Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 456 f., C.A.; Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 102, C.A. 594 Morse u. a., para. 9.706. 595 Siehe Art. 30 (2), (1) der Mustersatzung. 596 Ebd., Art. 30 (2) sent. 2. 597 Dies ist nur dann der Fall, wenn die Satzung keine anderen Bestimmungen trifft und auch die Geltung der Mustersatzung ausdrücklich ausschließt, s. 20 (1) CA 2006. 598 Davies, in: Davies, para. 12-1, S. 285 f. 599 S. 852 CA 2006. 600 Sieht der Gesellschaftsvertrag keine Empfehlung der Geschäftsleitung vor, dürfte auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Gesellschafterversammlung abzustellen sein. 601 Vgl. Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 295 f., der jedenfalls einen Verstoß gegen das Fallrecht für möglich hält und offenläßt, ob eine solche Zahlung auch ss. 829 CA 2006 ff. zuwiderliefe. 602 Im umgekehrten Fall, wenn also hinreichende Gewinne erst unterjährig entstehen, können diese durch Aufstellung eines Zwischenabschlusses festgestellt und sodann ausgeschüttet werden, vgl. s. 836 (2) (a) CA 2006. 593
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(a) Anwendbare Vorschriften Die gesetzlichen Regelungen betreffend Ausschüttungen wurden (erst) mit dem Companies Act 1980 eingeführt; Hintergrund war die erforderliche Umsetzung der Kapitalrichtlinie 603. Damit stellte sich die wichtige Frage des Verhältnisses zwischen den gesetzlichen Regelungen und dem Fallrecht604, nach dem allein sich die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verdeckter Vermögensübertragungen zuvor bestimmt hatten605. Auf eine gesetzliche Regelung der Anwendbarkeit hatte der Gesetzgeber allerdings verzichtet. Damit erschien es möglich, daß das Gesetzesrecht verdeckte Vermögensübertragungen nicht erfaßt606, das Fallrecht gerade ersetzt607 oder aber neben dem Fallrecht anwendbar ist608. Gegen eine Ausnahme verdeckter Vermögensübertragungen von den gesetzlichen Regelungen spricht der sehr umfassende Wortlaut der mit dem Companies Act 1985 in s. 263 (2) eingeführten Begriffsbestimmung609 – „,distribution‘ means every description of distribution of a company’s assets to its members, whether in cash or otherwise“ 610. In systematischer Hinsicht ist zudem ein Umkehrschluß aus s. 263 (2) (a)–(d) CA 1985 erkenntnisreich; diese Norm ordnet nur bestimmte, einzeln aufgezählte Vorgänge nicht als Ausschüttung ein. – Einer Verdrängung des Fallrechts ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber die neuen Bestimmungen in dem Bewußtsein traf, daß das überkommene Fallrecht aufgrund seiner erheblichen Schutzlücken611 nicht immer angemessene Lösungen bieten konnte612. Vor diesem Hintergrund hätte es nahegelegen, eine etwaige 603
Ferran, S. 242. Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 290: „this raises a fundamental issue, namely the relationship between the common law and the statutory rules on distributions“. 605 Vgl. etwa Dimbula Valley (Ceylon) Tea Co Ltd v Laurie [1961] Ch. 354, 372 ff.; Ammonia Soda Co Ltd v Chamberlain [1918] 1 Ch. 266, 290 ff.; Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] 21 Ch. D. 519, 533 ff. 606 So Nienhaus, S. 66 (zum CA 1985); Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 116 meinen (zum CA 1985) ohne jeden Nachweis, auf verdeckte Vermögensübertragungen würden „überwiegend . . . nur die Regeln des common law angewendet“. An jeglichen allgemeinen Regeln für verdeckte Vermögensübertragungen zweifelt Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6 mit Fn. 57. 607 So Fleischer, DStR 2000, 1015, 1016: „Der Gesetzgeber hat diese Regel des common law im Jahre 1980 aufgenommen, seinerseits verschärft und in sec. 263 CA 1985 in Gesetzesform gegossen. Das solchermaßen festgeschriebene Verbot der Einlagenrückgewähr erstreckt sich auch auf verdeckte Gewinnausschüttungen; vgl. auch ders., in: Lutter, Auslandsgesellschaften, C II 1 b, S. 59 (zum CA 1985). 608 So MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 54; Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 292, 290; Clarke, in: Boyle/Birds, 7.11, S. 218; Ferran, S. 242; wohl auch Jansen, S. 125; offen Koll-Möllenhoff, S. 167 f. 609 Vgl. Sealy/Worthington, S. 415, zur insoweit wortgleichen s. 829 (1) CA 2006: „Defined exceptionally widely“. 610 Die entsprechende Regelung im CA 2006, s. 829 (1), ist nahezu wortgleich. 611 Sehr deutlich Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21, S. 251 mit Fn. 288: „The commonlaw rule was notoriously out of touch with good commercial and accounting practice.“ 604
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Spezialität der gesetzlichen Regelungen anzuordnen. Dies geschah jedoch nicht613. Es wäre auch der gesetzgeberischen Absicht der Lückenschließung zuwidergelaufen, da das Gesetzesrecht ebenfalls nicht sämtliche Fallgruppen erfaßt614. Folglich galt das Fallrecht nach 1980 neben dem Gesetzesrecht fort. Nachdem zwischenzeitlich eine – aus Gründen der Rechtsklarheit begrüßenswerte – vollständige Ersetzung der Regeln des Fallrechts durch das Gesetzesrecht erwogen wurde615, bestätigen dieses Ergebnis nun zwei zum 06.04.2008 in Kraft getretene616, durch den Companies Act 2006 neugeschaffene617 Normen: S. 845 (1) CA 2006 erfaßt mit „distribution[s] consisting of . . . the sale, transfer, or other disposition of a non-cash asset“ gerade typische Fälle verdeckter Ausschüttungen618. Zudem ordnet s. 851 (1) CA 2006 nun ausdrücklich die Geltung des Fallrechts neben dem Gesetzesrecht an. (b) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verdeckter Ausschüttungen (aa) Grundsatz Grundsätzlich bestimmt sich demnach auch die Rechtmäßigkeit verdeckter Vermögensübertragungen nach den für offene Ausschüttungen geltenden, allgemeinen Kapitalerhaltungsregeln des Gesetzes- und Fallrechts619. Demzufolge setzen verdeckte Vermögensübertragungen unter anderem regelmäßig ebenfalls einen ausschüttbaren Gewinn voraus. (bb) Ausnahmen für Gesellschaftervergütungen und Konzernumlagen Gelockerte Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gelten jedoch für verdeckte Vermögensübertragungen in Gestalt überhöhter Vergütungen eines Gesellschafter612
Sealy/Worthington, S. 415 f., 425. Die mit dem Companies Act 2006 eingeführte s. 851 ist ohne Vorgänger; vgl. Morse, Companies Act 2006, s. 851, S. 637. 614 So ging die Rechtsprechung in einschlägigen, nach 1980 bzw. 1985 entschiedenen Fällen über die gesetzlichen Regelungen hinweg und bildete stattdessen das Fallrecht fort; vgl. Re Halt Garage (1964) [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/ Worthington, S. 253 f.; Aveling Barford Ltd v Perion Ltd [1989] 5 B.C.C. 677, 682 f.; Barclays Bank v British and Commonwealth Holdings Plc [1995] B.C.C. 1059, 1078 ff., C.A. 615 Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 290 mit Fn. 24. 616 Companies Act 2006 – Table Of Commencement Dates (Fn. 33 in Teil 2), S. 3. 617 Morse, Companies Act 2006, s. 845, S. 633; s. 851, S. 637. 618 Vgl. Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.22, S. 185: „The Act removes any doubt that a sale, transfer or other disposition of a non-cash asset can be characterised as a distribution“ [Hervorh. von mir]. 619 Siehe den Text bei Fn. 587 ff. in Teil 2. 613
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Geschäftsleiters und in Form überhöhter Konzernumlagen. Als „Vergütung“ bezeichnete Zahlungen an einen Gesellschafter-Geschäftsleiter, die den Gegenwert seiner Dienstleitungen übersteigen, unterfallen den Kapitalerhaltungsregeln der Limited nicht620. Für derartige überhöhte Vergütungen bedarf es daher – entgegen einem Mißverständnis im Schrifttum621 – keines ausschüttungsfähigen Gewinns, solange es sich nur um „genuine payments of remuneration“ handelt622. Dies soll nach der Rechtsprechung bereits dann der Fall sein, wenn der Gesellschafter irgendeine, noch so geringfügige Leistung gegenüber der Gesellschaft erbringt623. Ausreichen soll selbst die bloße Absicht des Gesellschafters, der Gesellschaft Dienste zu erbringen624. Als Vergütung für Dienstleistungen sollen auch Zahlungen anzusehen sein, die offensichtlich keinerlei Zusammenhang zwischen der Leistung des Gesellschafters und der Gegenleistung der Gesellschaft aufweisen, etwa weil sich die Gegenleistung allein nach den Beteiligungsverhältnissen bestimmt625. In Fällen erlaubter verdeckter Vermögensübertragungen kommt allenfalls – bei späterer Insolvenz der Gesellschaft – eine Anfechtung gemäß s. 238 IA 1986 („transactions at an undervalue“) oder eine Haftung gemäß s. 214 IA 1986 („wrongful trading“) in Betracht626. Beide Normen greifen aufgrund ihrer engen Voraussetzungen jedoch selten ein627. 620 MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 49; Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 253 („there is no presumtion that directors’ remuneration is payable only out of divisible profits“); Mayson/French/Ryan, 10.1, S. 275; Sealy/Worthington, S. 252. 621 Unzutreffend Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 114 (zum CA 1985): „Verboten ist [. . .] jede versteckte Ausschüttung, die den Bilanzgewinn übersteigt [. . .], seien es überhöhte Geschäftsführergehälter oder sales at an undervalue [. . .]“. 622 Sealy/Worthington, S. 252, 422; Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 254. 623 Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/ Worthington, S. 254: „I do not think that it can be said that a director of a company cannot be rewarded as such merely because he is not active in the company’s business. The mere holding of office involves responsibility even in the absence of any substantial activity [. . .] I can see nothing [. . .] to disentitle the company, if the shareholders so resolve, from paying a reward attributable to the mere holding of the office of a director, for being, as it were, a name on the notepaper and attending such meetings or signing such documents as are from time to time required“ [Hervorh. von mir]; siehe auch Dine/Koutsias, 9.2, S. 120. 624 MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 49: „It is true that . . . there would be payments out of the assets of the company to shareholders or former shareholders [. . .]; but that is not enough, in my view, to justify the conclusion that those payments were not intended as a reward for past and future services.“ [Hervorh. von mir]. 625 MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 49. 626 Daneben kann sich eine Anfechtbareit aus s. 423 IA 1986 (siehe den Text bei Fn. 1692 ff. in Teil 2) oder s. 239 IA 1986 (siehe den Text bei Fn. 1723 ff. in Teil 2) ergeben. Ferner kann gegen den verantwortlichen Geschäftsleiter ein Berufsverbot verhängt werden (disqualification order nach dem Company Directors Disqualification Act 1986; siehe den Text bei Fn. 913 ff. in Teil 2). In krassen Ausnahmefällen kommt eine
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Den Kapitalerhaltungsregeln der Limited unterfallen damit lediglich Zahlungen, die keine „genuine payments of remuneration“ (mehr) darstellen. Hierfür muß ein offensichtliches, krasses Mißverhältnis vorliegen628. In Anbetracht der soeben dargelegten äußerst weiten Auslegung des Begriffs der Gegenleistung dürften insoweit allein Fälle fehlender Diensterbringung bei fehlender entsprechender Absicht verbleiben629. Liegen diese engen Voraussetzungen nicht vor, dann können erlaubte verdeckte Vermögensübertragungen auch zu Lasten des gebundenen Kapitals der Limited erfolgen630. Die gleichen Grundsätze gelten auch für (überhöhte) Konzernumlagen631. Diese erstaunlich einseitigen Regelungen dürften ein Ausfluß des grundsätzlich liberalen englischen Gesellschaftsrechts sein, das der Autonomie der Gesellschafter zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger (auch) insoweit einen erheblichen Stellenwert einräumt632. Zudem dürfte eine Neigung der Rechtsprechung bestehen, die – aus dem deutschen Recht bekannten633 – umfangreichen und schwierigen Erwägungen zur Angemessenheit der Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers tunlichst zu vermeiden. Schließlich ist erneut darauf zu verweisen, daß verdeckten Vermögensverlagerungen im englischen Recht bislang nur eine geringe Aufmerksamkeit zuteil wird634.
Strafbarkeit wegen „theft of the company’s property“ (vgl. R v Gomez [1992] 3 WLR 1067, HL) in Betracht. 627 Zu ss. 238 IA 1986 siehe den Text bei Fn. 1666 ff. in Teil 2; zu s. 214 IA 1986 siehe ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 628 Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D. zitiert nach Sealy/Worthington, S. 254: „In this case . . . the sums paid . . . were so out of proportion to any possible value to [the director’s] holding of office that the court is entitled to treat them as not being genuine payments of remuneration at all but as dressed-up dividends out of capital.“ [Hervorh. von mir]. So auch Davies, in: Davies, para. 12-4, S. 290 mit Fn. 23; Mayson/French/Ryan, 10.1, S. 275. 629 So verhielt sich der Sachverhalt in der Entscheidung Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 253 f.: Hier bezog eine dauerhaft schwer erkrankte Gesellschafter-Geschäftsführerin ihr Gehalt weiter, ohne daß sie die Absicht hatte – bzw. realistischerweise haben konnte –, ihre Geschäftsleitertätigkeit zukünftig wieder auszuüben. 630 Siehe erneut MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 49: „It is true that . . . there would be payments out of the assets of the company to shareholders or former shareholders . . .; but that is not enough, in my view, to justify the conclusion that those payments were not intended as a reward for past and future services“ (vgl. bereits Fn. 624 in Teil 2). 631 Sealy/Worthington, S. 422; Mayson/French/Ryan, 10.1, S. 275. 632 Siehe etwa Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/Worthington, S. 253: „human beings [scil.: the shareholders] [can be assumed] to be rational“; „[The creditors] have to accept the shareholder’s assessment of the scale of the remuneration“; siehe auch Sealy/Worthington, S. 252 und bereits Fn. 574. 633 Die Monographie von Spitaler/Niemann zur Angemessenheit der Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers im deutschen Recht umfaßt gut 200 Seiten und hat immerhin die 7. Auflage erreicht. 634 Siehe den Text bei Fn. 573 in Teil 2.
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(cc) Ausnahmen für Sachausschüttungen Ferner gelten seit Inkrafttreten der ss. 829–853 Companies Act 2006 zum 06.04.2008635 gemäß s. 845 CA 2006 gelockerte Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für verdeckte Vermögensübertragungen in Gestalt von Sachausschüttungen. Diese Regeln betreffen zunächst die Ermittlung des Gegenwerts einer Ausschüttung. Sobald eine Limited über einen ausschüttbaren Gewinn in beliebiger Höhe verfügt, also etwa 0,01 £636, ist für den Gegenwert einer Sachausschüttung nur der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert des Transaktionsgegenstands und einer (etwaigen) niedrigeren Gegenleistung des Gesellschafters anzusetzen637 – nicht aber der Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert und der Gegenleistung. Erbringt der Gesellschafter keinerlei Gegenleistung, wird als Wert der Ausschüttung also der Buchwert, bei einer dem Buchwert wenigstens entsprechenden Gegenleistung ein Wert von Null fingiert638. Das gilt auch bei einem den Buchwert wesentlich übersteigenden Verkehrswert des Transaktionsgegenstands. Daraus folgt, daß der tatsächliche Wert einer Sachausschüttung, anders als bei einer Barausschüttung, nicht in voller Höhe von einem ausschüttbaren Gewinn gedeckt sein muß. Es genügt vielmehr, wenn ein solcher in Höhe des fingierten niedrigeren Gegenwerts der Ausschüttung besteht. Dies erleichtert den Gesellschaftern die Hebung stiller Reserven und stellt eine weitreichende Ausnahme zu den allgemeinen Regelungen betreffend Ausschüttungen dar. (dd) Weitere Ausnahmen Zusätzlich greifen bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns zwei weitere Sonderregelungen ein. Einerseits gilt der ausschüttbare Gewinn gemäß s. 845 (3), (1) (a) CA 2006 als um einen den Buchwert etwa übersteigenden Betrag einer vereinbarten Gegenleistung des Gesellschafters erhöht639. Dies ist dann bedeutsam, wenn die Limited ansonsten nicht über einen hinreichenden ausschüttbaren Gewinn verfügte. Letzterer erhöht sich dann zum einen, ohne daß es der vorherigen – mitunter etwa wegen der erforderlichen Einbeziehung eines Gutachters umständlichen – Ermittlung des (tatsächlichen)640 Verkehrswerts des Transaktionsgegenstands bedürfte. 635
Companies Act 2006 – Table Of Commencement Dates (Fn. 33), S. 3. Nur dann findet s. 845 CA 2006 Anwendung, siehe s. 845 (1) (a) CA 2006. Der ausschüttbare Gewinn braucht für die Anwendung der s. 845 CA 2006 keinen bestimmten Betrag zu erreichen; Van Duzer, 10.65 a. E., S. 203. 637 S. 845 (2) CA 2006. Diese Regelungen gelten gemäß s. 851 (2) (a) CA 2006 auch für die auf Ausschüttungen bezogenen Rechtsinstitute des Fallrechts, um der gesetzlichen Regelung widersprechende Ergebnisse zu vermeiden. 638 Vgl. s. 845 (2) (a) CA 2006. 639 S. 845 (3), (1) (a) CA 2006; vgl. den Text bei Fn. 637 ff. 636
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Andererseits ist der Verkehrswert des Transaktionsgegenstands nicht erst buchmäßig durch eine Zuschreibung auf dem entsprechenden Bestandskonto, der Verbuchung eines entsprechenden Ertrags auf dem entsprechenden Erfolgskonto und der anschließenden Erstellung eines Zwischenabschlusses (interim account) zu erfassen; all dies wäre nach den allgemeinen Regeln erforderlich641. Stattdessen stellt s. 845 (3), (1) (a) CA 2006 für den ausschüttbaren Gewinn schlicht auf den den Buchwert übersteigenden Betrag der vereinbarten Gegenleistung ab. Hierin liegt indes keine echte Ausnahme vom Erfordernis „realisierter“ Gewinne642. Denn der den Buchwert übersteigende Betrag der – bereits schuldrechtlich bindend vereinbarten – Gegenleistung wäre grundsätzlich ohnehin als Ertrag auf dem entsprechenden Erfolgskonto zu verbuchen643. Daher handelt es sich bei s. 845 (3), (1) (a) CA 2006 um eine bloße Verfahrenserleichterung, die es allerdings gestattet, die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Sachausschüttung zum Buchwert sehr kurzfristig und auch erst unmittelbar vor der beabsichtigten Ausschüttung zu schaffen644. Andererseits wird gemäß s. 846 CA 2006645 bei Sachausschüttungen ausnahmsweise eine durch Zuschreibung auf dem entsprechenden Bestandskonto buchmäßig – insoweit anders als gemäß s. 845 CA 2006 – bereits erfaßte Wertsteigerung des Transaktionsgegenstands wie ein realisierter Gewinn behandelt, ohne daß hier – anders als gemäß s. 845 CA 2006 – eine den Buchwert übersteigende Gegenleistungspflicht des Gesellschafters die Verbuchung eines Ertrags 640 Eine zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vereinbarte Gegenleistung entspricht nicht notwendig dem Marktpreis. 641 Ss. 836 (2) (a), 838 (1), 836 (1) CA 2006; siehe bereits den Text bei Fn. 283 ff. 642 Dazu siehe den Text bei Fn. 301 ff. in Teil 2. 643 Siehe s. 853 (4) CA 2006 i.V. m. FRS 18.28 f. Treffend an sich Dine/Koutsias, 9.5, S. 122: „income from the sale of goods or supply of services must generally be recorded at the time of sale or supply rather than when the money is actually received . . .“, an gleicher Stelle allerdings widersprüchlich – „Realisation means turning an asset into cash“ [Hervorh. von mir]. 644 Dazu genügt es nach den bisherigen Ausführungen, eine Gegenleistung des Gesellschafters in Höhe etwaiger Verlustvorträge und eines etwaigen unterjährigen Verlusts zuzüglich 0,01 £ zuzüglich des Buchwerts des Transaktionsgegenstands vertraglich zu vereinbaren, ohne daß es des recht umständlichen Verfahrens der Neubewertung bedürfte. – Auch bei der GmbH können im Rahmen einer – analog § 58 V AktG bei entsprechender Satzungsermächtigung zulässigen (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rn. 55) – Sachausschüttung stille Reserven ohne vorherige Neubewertung gehoben werden. Im Zeitpunkt der Erfüllung des Gewinnanspruchs des Gesellschafters durch Ausschüttung eines Vermögensgegenstands gilt ein Ertrag in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Buchwert und Zeitwert des Vermögensgegenstands als realisiert (Winkeljohann/Geißler, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 252 Rn. 49). 645 Diese Regelung ist nicht neu. Sie war zuvor in s. 276 CA 1985 enthalten, wurde nun aber der gänzlich neuen s. 845 CA 2006 redaktionell angepaßt. Die Geltung der s. 846 wird in s. 851 (2) (b) CA 2006 auch für das Fallrecht angeordnet. Mißverständlich im Hinblick auf s. 846 CA 2006 Davies, in: Davies, para. 12-3, S. 289: „unrealised profits are not distributable in any event under the general rule“ (Hervorh. von mir).
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auf dem entsprechenden Erfolgskonto rechtfertigte. Es handelt sich hierbei also um die Fiktion der Gewinnrealisierung und damit um eine echte Ausnahme vom Erfordernis realisierter Gewinne. Der solchermaßen fingierte Erlös erhöht sodann den ausschüttbaren Gewinn646. Dies führt allerdings materiell zu keinem anderen Ergebnis als nach s. 845 CA 2006. Die Vorschriften ermöglichen es, Vermögensgegenstände der Gesellschaft für den gleichen Wert647 an Gesellschafter zu übertragen. Das geschieht im Fall der s. 845 (3), (1) (a) ohne Zuschreibung, bei s. 846 CA 2006 nach durchgeführter Zuschreibung. Bei einem Vorgehen nach s. 846 hat der Gesellschafter zwar an sich den um die Zuschreibung erhöhten neuen Buchwert als Gegenleistung an die Gesellschaft zu entrichten. Aus der Zuschreibung fließt jedoch ein um deren Betrag erhöhter ausschüttbarer Gewinn, so daß es wirtschaftlich betrachtet letztlich keiner Gegenleistung des Gesellschafters bedarf. Diese Sonderregeln sollen steuersparende konzerninterne Transaktionen zu Buchwerten vereinfachen und rechtlich absichern; ihre Rechtmäßigkeit wurde nach Urteilen aus den Jahren 1989648 und 2000649 teilweise in Zweifel gezogen650. Liegen bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen der Limited an einen Gesellschafter zu einem Preis, der den Verkehrswert des Vermögensgegenstands nicht erreicht, die Voraussetzungen der ss. 845 f. CA 2006 nicht vor (und besteht auch kein ausschüttbarer Gewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags), so liegt eine verbotene verdeckte Vermögensübertragung vor651.
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S. 853 (2) (b) CA 2006. Bei wirtschaftlicher Betrachtung, siehe sogleich. 648 Vgl. Aveling Barford Ltd v Perion Ltd [1989] 5 B.C.C. 677 ff., insbesondere S. 683. Dieses Urteil betraf allerdings gar keine Ausschüttung, da die Empfängerin des in diesem Fall unter Buchwert veräußerten Grundstücks nicht Gesellschafterin der Aveling Barford Ltd war (ebd., S. 678). Vielmehr handelte es sich bei der Empfängerin um eine weitere Gesellschaft, die Perion Ltd., die von einem Gesellschafter der Aveling Barford Ltd. kontrolliert wurde. Dennoch soll es sich nach dem Urteil bei diesem Sachverhalt um eine Ausschüttung gehandelt haben; daß die Empfängerin nicht Gesellschafterin war, soll irrelevant gewesen sein, ohne daß das Gericht dies begründet hätte (ebd., S. 683). Auch dieses Urteil zeigt die Inkohärenz des Fallrechts betreffend Ausschüttungen und die dogmatischen Schwächen der englischen Rechtsprechung. 649 Vgl. Clydebank Football Club Ltd v Steedman [2002] S.L. T. 109, 119 f. 650 Morse, Companies Act 2006, s. 845, S. 633; Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.22, S. 185. 651 Vgl. Aveling Barford Ltd v Perion Ltd [1989] 5 B.C.C. 677, 683. Die dort für dieses Ergebnis bemühte ultra-vires-Doktrin, welche die Vertretungsmacht der Geschäftsleiter beschränkt, kommt zur Begründung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Vermögensübertragung zwar nicht mehr in Betracht: Diese Doktrin dürfte nach ihrer aus Gründen der Rechtssicherheit begrüßenswerten endgültigen Verbannung aus der Rechtsgeschäftslehre durch den Companies Act 2006 (siehe ss. 30, 39 CA 2006 und bereits den Text bei Fn. 30 ff. in Teil 2) entgegen einer anderen Ansicht (Ferran, S. 186 f.) auch im Bereich des Kapitalschutzes nicht mehr anwendbar sein. Jedenfalls bleiben derartige Geschäfte unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Kapitaler647
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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cc) Rechtsfolgen einer verbotenen Ausschüttung (1) Haftung des Gesellschafters (a) Gesetzesrecht Eine Ausschüttung (bzw. Vermögensübertragung), die gegen die dargestellten Regeln des Companies Act 2006 verstößt652, verpflichtet den Gesellschafter einer Limited – anders als den einer GmbH653 – noch nicht zur Erstattung der Ausschüttung an die Gesellschaft. Erforderlich ist zusätzlich, daß der Gesellschafter im Zeitpunkt der Ausschüttung bösgläubig ist. Hierfür trägt die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast (legal burden of proof); wie nach dem in Deutschland geltenden Günstigkeitsprinzip654 hat auch im englischen Recht der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen655. Die Bösgläubigkeit hat sich nach einer jüngeren Entscheidung auf die die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände zu beziehen, nicht aber auch auf die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung als solche656 – „ignorance of the law is no defence“ 657. Bösgläubigkeit begründet zunächst die Kenntnis dieser Umstände658. Daneben reichen nach dem Gesetz auch „reasonable grounds for believing“ aus659. Wie dieses Erfordernis zu verstehen ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt660. In Betracht kommt einerseits, daß es für die haltungsregeln rechtswidrig (Twigg-Flesner, in: Boyle/Birds, 6.2.4, S. 164 f., 6.3, S. 165; Sealy/Worthington, S. 422). 652 Die Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung kann sich aus einem beliebigen Verstoß gegen die Regelungen von Part 23 des Companies Act 2006, das heißt der ss. 829–853, ergeben, s. 847 (1) CA 2006. Insoweit kommt etwa in Betracht, daß es (entgegen s. 830 (2) CA 2006) an einem hinreichenden ausschüttbaren Gewinn oder (entgegen ss. 836 ff. CA 2006) bereits an einem ordnungsgemäßen Abschluß fehlt. 653 Aus § 31 II GmbHG folgt, daß es auf eine subjektive Beziehung des Gesellschafters zur Rechtswidrigkeit der Ausschüttung grundsätzlich nicht ankommt. Eine – durch den Gesellschafter darzulegende und zu beweisende – Gutgläubigkeit steht einem Rückzahlungsanspruch vielmehr nur dann entgegen, wenn die Ausschüttung nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. 654 Vgl. etwa Foerste, in: Musielak, § 286 ZPO Rn. 35. 655 Bunge, § 68 IV 4, S. 144. 656 It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 627 ff. Zuvor wurde zumeist vertreten, daß die Kenntnis der die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände nicht genügt, Ferran, S. 257. – Ist bei der GmbH die Ausschüttung nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, und kann sich der Gesellschafter daher möglicherweise mit seiner Gutgläubigkeit verteidigen, galt seit jeher, daß diese bereits bei Bösgläubigkeit hinsichtlich der die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände ausgeschlossen ist, siehe Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rn. 18. 657 Mayson/French/Ryan, 10.5.9, S. 289. 658 S. 847 (2) CA 2006. 659 S. 847 (2) CA 2006. 660 Vgl. das Votum Richterin Ardens in It’s a Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 630, 636, C.A. (constructive knowledge ausreichend) mit dem obiter dictum
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Bösgläubigkeit des empfangenden Gesellschafters genügt, wenn dieser die die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände bei sorgfältigem Handeln bemerkt hätte (constructive knowledge), ähnlich dem Kennenmüssen des deutschen Rechts661. Andererseits könnte vorauszusetzen sein, daß sich der Gesellschafter dieser Feststellung bewußt verschlossen haben muß (turned a blind eye)662. Für die letztgenannte Möglichkeit spricht der englische Wortlaut von Art. 16 der Kapitalrichtlinie („could not in view of the circumstances have been unaware“), deren Umsetzung s. 847 (2) CA 2006663 dient. Allerdings ist dessen Wortlaut – „reasonable grounds for believing“ – deutlich weiter gefaßt als der Text der Richtlinie. Es ist damit von einer – zulässigen – überschießenden Umsetzung der Richtlinie auszugehen. Folglich ist bereits ein constructive knowledge als ausreichend zu betrachten664. Selbst wenn man voraussetzen wollte, daß der Gesellschafter sich der Kenntnis der die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände bewußt verschlossen haben muß, ist zu berücksichtigen, daß dieses regelmäßig nur bei kleinen Limiteds zu beweisen sein wird. Die Reichweite der Haftung der Gesellschafter ist im einen wie im anderen Fall sehr begrenzt665. Rechtsfolge bei Vorliegen dieser engen Voraussetzungen ist ein schuldrechtlicher Anspruch (personal claim) der Gesellschaft gegen den Gesellschafter. Dieser führt in dessen Insolvenz (insolvency)666 bzw. Privatinsolvenz (bankruptcy)667 in aller Regel nur zu einer quotalen Befriedigung der Gesellschaft668. Der Rückzahlungsanspruch ist der Höhe nach beschränkt, wenn die Ausschüttung nur teilweise rechtswidrig war – etwa weil aufgrund eines ordnungsgemäßen Abschlusses nach ordnungsgemäßem Verfahren ein überhöhter Betrag ausgeschüttet wurde669.
von Richter Chadwick in dieser Sache, [2006] B.C.C. 626, 637 (constructive knowledge nicht ausreichend). 661 § 122 II BGB. 662 Vgl. den Wortlaut des durch s. 847 CA 2006 umgesetzten Art. 16 der Kapitalrichtlinie: Das nationale Recht muß eine Haftung vorsehen, wenn der Gesellschafter hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Ausschüttung „could not in view of the circumstances have been unaware“. 663 Zuvor s. 277 (1) CA 1985. 664 So auch It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 636; so tendenziell auch Davies, in: Davies, para. 12-8, S. 297 mit Fn. 61. 665 Sealy/Worthington, S. 418: „its [the distribution rules’] usefulness may be rather limited“; Davies, para. 12-8, S. 297 f. mit Fn. 65; bezeichnend Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 457, wo das Gericht letztlich von der Kenntnis als Geschäftsführer auf die Kenntnis als Gesellschafter schließt. 666 Die Insolvenz juristischer Personen wird als insolvency bezeichnet und ist in den ss. 1 ff. IA 1986 geregelt. 667 Die Regelungen betreffend bankruptcy, die Insolvenz natürlicher Personen, finden sich in ss. 252 ff. IA 1986. 668 Vgl. Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3.2, S. 295. 669 Vgl. Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 187.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Eine in Zahlungsmitteln erhaltene Ausschüttung ist in Zahlungsmitteln zurückzugewähren670, für eine Sachausschüttung ist Wertersatz zu leisten671. (b) Fallrecht Weiter kann sich aus dem Fallrecht ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Erstattung einer rechtswidrigen Ausschüttung ergeben. Dieser Anspruch setzt ebenfalls voraus, daß der Gesellschafter bei Empfang der Ausschüttung bösgläubig war. Der Anspruch tritt bei einem Verstoß gegen Regeln des Companies Act 2006 neben die Haftung aus s. 846 CA 2006672. Verstößt die Ausschüttung nicht gegen gesetzliche, wohl aber gegen gesellschaftsvertragliche Bestimmungen, so folgt eine Haftung des Gesellschafters allein aus dem Fallrecht673. Das gleiche gilt, wenn eine Ausschüttung von Gewinnen erfolgt, die ausweislich des letzten Abschlusses gerechtfertigt war, jedoch durch einen zwischen Erstellung des Abschlusses und der Ausschüttung eingetretenen Verlust unzulässig wurde674. Insoweit reicht die Haftung nach Fallrecht also weiter als diejenige nach dem Gesetz. Der Anspruch der Gesellschaft gründet nach der Rechtsprechung auf der Rechtsfigur des constructive trust675. Hierbei handelt es sich um eine Art fingierter Treuhänderschaft des Empfängers eines Vermögensgegenstands, die diesen zur Herausgabe verpflichtet676. Eine solche fingierte Treuhänderschaft bemühen die englischen Gerichte – vergleichbar § 242 BGB in Deutschland – regelmäßig zur Lückenfüllung677. Eine allgemeingültige Begriffsbestimmung des construc-
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S. 847 (2) (a) CA 2006. S. 847 (2) (b) CA 2006. 672 Das Konkurrenzverhältnis von Gesetzes- und Fallrecht ist insoweit ausdrücklich in s. 847 (3) CA 2006 geregelt. 673 Vgl. It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 630; Ferran, S. 258. 674 Siehe Fn. 284 in Teil 2. Ein weiterer Unterschied liegt darin, daß sich der Gesellschafter nach dem Fallrecht damit verteidigen kann, daß er auf fehlerhaften Rat eines Dritten gehandelt habe: It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 630. 675 It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 629 f.; Allied Carpets Plc v Nethercott [2001] B.C.C. 81, 87, QB; Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 458, C.A.; Rolled Steel Products (Holdings) Ltd v British Steel Corporation [1986] Ch. 246, 298, 303 f.; so auch bereits Moxham v Grant [1900] 1 Q.B. 88, 92, C.A. Unklar aber Zessel, S. 226. 676 Zum constructive trust instruktiv JJ Harrison (Properties) Ltd v Harrison [2002] B.C.C. 729, 751 ff. Zur Abgrenzung des constructive trust von einer gewöhnlichen, rechtsgeschäftlichen Treuhänderschaft siehe Allied Carpets Plc v Nethercott [2001] B.C.C. 81, 88 f. Zum constructive trust ausführlich M. Bachner, S. 12 ff. 677 Deutlich der Court of Appeal: „so as not to restrict the court by technicalities in deciding what the justice of a particular case may demand“, Carl Zeiss Stiftung v Herbert Smith & Co (No. 2) [1969] Ch. 276, 300, C.A. Vgl. auch v. Bernstorff, S. 163 f., 169. 671
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
tive trust gibt es nicht678; die Abgrenzung erfolgt vielmehr anhand verschiedener Fallgruppen679. Eine davon ist diejenige des knowing receipt680. Diese Fallgruppe wird zur Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr rechtswidriger Ausschüttungen in modifizierter Form angewendet681. Die Haftung des Gesellschafters wird dabei auf die Annahme gestützt, daß dieser als Empfänger einer von der Geschäftsleitung veranlaßten rechtswidrigen Ausschüttung zum Teilnehmer der hierin liegenden Verletzung der Treuepflicht (fiduciary duty) des Geschäftsleiters wird682. Als weiterer Erklärungsansatz für den Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft wurde in Bezug auf die rechtswidrige Ausschüttung teilweise auch auf eine nicht von der Vertretungsmacht des Geschäftsleiters umfaßte Zahlung abgestellt (ultra vires payment)683. Die Haftung des Gesellschafters nach dem Fallrecht setzt – wie die Haftung gemäß s. 847 CA 2006684 – zusätzlich voraus, daß der Gesellschafter im Zeitpunkt der Ausschüttung bösgläubig ist. Auch hier ist Anknüpfungspunkt die die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung begründende Sachlage, nicht aber die Rechtswidrigkeit als solche685. Insoweit ist aufgrund der wiederum inkohärenten einschlägigen Rechtsprechung allerdings völlig unklar, ob ein constructive knowledge des Gesellschafters genügt686 oder ob positive Kenntnis der die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen nötig ist687. Um die Haftung in der Praxis nicht leerlaufen zu lassen, spricht vieles für die erste Aussicht.
678 Carl Zeiss Stiftung v Herbert Smith & Co (No. 2) [1969] Ch. 276, 300, C.A.: „English law provides no clear and all-embracing definition of a constructive trust. Its boundaries have been left perhaps deliberately vague“. 679 M. Bachner, S. 12. Es werden dabei mindestens sechs übergeordnete Fallgruppen unterschieden, vgl. M. Bachner, S. 17 ff., 37 ff., 58 ff., 85 ff., 115 ff., 142 ff. 680 Siehe M. Bachner, S. 49 ff. 681 Vgl. It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 630: „an adaption of the law of constructive trusteeship“. Ungenau Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 115, die pauschal von einem constructive trust sprechen. 682 Vgl. Aveling Barford v Perion [1989] 5 B.C.C. 677, 681. Zum Konkurrenzverhältnis und einem Gesamtschuldner-Innenausgleich siehe den Text bei Fn. 721 ff. in Teil 2. 683 Allied Carpets Plc v Nethercott [2001] B.C.C. 81, 85 f., 89, QBD; Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 456, C.A. Dieser Erklärungsansatz dürfte nun durch ss. 30, 39 C.A. überholt sein, siehe bereits Fn. 651. 684 Siehe den Text bei Fn. 656 in Teil 2. 685 It’s A Wrap (UK) Ltd (in liq) v Gula [2006] B.C.C. 626, 630; Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 457 f., C.A. 686 So Aveling Barford v Perion [1989] 5 B.C.C. 677, 681; Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 451 a. E., C.A.; Rolled Steel Products (Holdings) Ltd v British Steel Corporation [1986] Ch. 246, 272, 298, 304 f., 306 f., C.A.; Belmont Finance Corp v Williams Furniture Ltd (No. 2) [1980] 1 All E.R. 393, 405, C.A. So wohl auch It’s A Wrap (UK) Ltd v Gula [2006] B.C.C. 626, 629 f. 687 So Bank of Credit and Commerce International (Overseas) Ltd v. Akindele [2001] Ch. 437, 455, C.A.: „The recipient’s state of knowledge must be such as to make it unconscionable [sic!] for him to retain the benefit of the receipt“; Allied Carpets Group
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Ebenfalls ungeklärt ist688, ob Rechtsfolge einer auf Fallrecht gründenden Haftung des Gesellschafters ein schuldrechtlicher (personal claim)689 oder – insoweit über den gesetzlichen Anspruch hinausgehend690 – ein dinglicher Anspruch (proprietary claim)691 der Gesellschaft ist. Nur im letztgenannten Fall wäre die Gesellschaft bei Insolvenz des Gesellschafters nicht auf die Quote beschränkt, da ein dinglicher Anspruch der Gesellschaft im Insolvenzfall eine weiterreichende – dem deutschen Aussonderungsrecht692 vergleichbare – Rechtsposition gewährt693. Gegen die Annahme eines dinglichen Anspruchs läßt sich vorbringen, daß die jüngst durch den Companies Act 2006 bestätigte gesetzliche Regelung nach allgemeiner Ansicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch vorsieht694 und der Gesetzgeber eine weiterreichende Haftung nach Fallrecht damit möglicherweise ausschließen wollte. Für die Gewährung eines dinglichen Anspruchs spricht entscheidend jedoch ein systematisches Argument. Der Gesetzgeber hat in s. 847 (3) CA 2006 einen Vorbehalt für eine schärfere, über die gesetzlichen Bestimmungen hinausreichende Haftung des Gesellschafters nach dem Fallrecht vorgesehen. Dieser Vorbehalt hätte keine echte Bedeutung, wenn die Haftung nach Fallrecht auf Rechtsfolgenseite nicht weiterreichte als die nach dem CA 2006. Der Vorbehalt würde nur in den zwei eher unbedeutenden Fällen eines Verstoßes allein gegen gesellschaftsvertragliche Regelungen sowie eines Verlustes nach Aufstellung des Abschlusses zum Tragen kommen695.
plc v. Nethercott [2001] B.C.C. 81, 90: „knowing receipt“; zweifelnd Davies, in: Davies, para. 12-8, S. 298; offen Ferran, S. 257. 688 Siehe Sealy/Worthington, S. 418; Davies, in: Davies, para. 12-8 a. E., S. 298. Prägnant das House of Lords in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v Islington London Borough Council [1996] A.C. 669, 685, HL: „Ever since the law of restitution began, about the middle of this century, to be studied in depth, the role of equitable proprietary claims in the law of restitution has been found to be a matter of great difficulty“. Dies übersehen Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 115. 689 Dies stellt die Entscheidung Westdeutsche Landesbank Girozentrale v Islington London Borough Council [1996] A.C. 669, 690, HL, allgemein für Fälle kraft Gesetzes entstehender Treuhandverhältnisse fest. 690 Dazu siehe den Text bei Fn. 666 ff. in Teil 2. 691 So Allied Carpets Plc v Nethercott [2001] B.C.C. 81, 82, 89 („When the company claims repayment of the unlawfully distributed dividends it is simply reclaiming its property“); Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3.2, S. 295; v. Bernstorff, S. 163 a. E.; so auch Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 115, mit einem Blindzitat der Entscheidung Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 447 ff., C.A., die insoweit unergiebig ist. 692 § 47 InsO. 693 Vgl. Totty/Moss, H14-01; Westdeutsche Landesbank Girozentrale v Islington London Borough Council [1996] A.C. 669, 684, HL. 694 Siehe den Text bei Fn. 665 ff. in Teil 2. 695 Siehe den Text bei Fn. 673 f. in Teil 2. Darüber hinaus wäre das Fallrecht nur für die Haftung gesellschaftsfremder Dritter als constructive trustee von Bedeutung. Auf die Haftung Dritter zielt s. 847 (3) CA 2006 ausweislich seines Wortlauts aber gerade
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Wegen des Erfordernisses der Bösgläubigkeit des Gesellschafters696 und der dargestellten erheblichen Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Auslegung ihrer Tatbestandsmerkmale bleibt auch die Haftung nach dem Fallrecht von geringer praktischer Bedeutung. (2) Exkurs: Haftung des Geschäftsleiters Ein Anspruch der Gläubiger der Gesellschaft gegen den Geschäftsleiter auf Ersatzleistung für eine verbotene Ausschüttung besteht nach dem Companies Act 2006 nicht697. Entgegen einem entsprechenden Vorschlag aus dem Schrifttum698 wurden im Rahmen der Gesellschaftsrechtsnovelle keine selbständigen Geschäftsleiterpflichten gegenüber Gläubigern geregelt. Auch das Fallrecht kennt keine allgemeine Verpflichtung des Geschäftsleiters gegenüber Gläubigern der Limited, für verbotene Ausschüttungen Ersatz zu leisten; dies kommt allenfalls in der Krise in Betracht699. Ein Anspruch der Gesellschaft gegen einen Geschäftsleiter wegen einer verbotenen Ausschüttung ist im Gesetz nicht vorgesehen, kann sich aber aus dem Fallrecht ergeben. In den einschlägigen Entscheidungen wird diese Haftung mit einer Verletzung der Treuepflichten (fiduciary duties) des Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft begründet, die in der Veranlassung einer rechtswidrigen Ausschüttung liege700. Die dem Fallrecht entstammenden Treuepflichten des Geschäftsleiters wurden mit dem Companies Act 2006 in Grundzügen erstmals gesetzlich geregelt701, ohne eigene Rechtsfolgen vorzusehen; das Gesetz verweist insoweit auf die nach dem Fallrecht geltenden Rechtsfolgen702. Vorausgesetzt für eine auf das Fallrecht gestützte Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft ist objektiv, daß er eine rechtswidrige Ausschüttung nicht. – Da es sich bei Zahlungen an gesellschaftsfremde Dritte nicht um Ausschüttungen handelt, werden diese hier nicht behandelt. 696 Vgl. Davies, para. 12-8, S. 297 f. mit Fn. 65. 697 Sealy/Worthington, S. 423. 698 Siehe Keay, (2003) 24 Comp. Law., 300, 305 f., der eine gesetzliche Regelung für „appropriate, and arguably fairer“ hält (ebd., 306). 699 Und zwar wegen „wrongful trading“ gemäß s. 214 IA 1986 (i.V. m. s. 172 (3) CA 2006); siehe dazu ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. Inwieweit das Fallrecht solche Pflichten in Gestalt einer sogenannten West Mercia Doctrine bestimmt, ist unklar; siehe den Text bei Fn. 1776 in Teil 2. 700 Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 189; Precision Dippings Ltd v Precision Dippings Marketing Ltd [1986] Ch. 447, 450, C.A.; vgl. bereits Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] 21 Ch. D. 518, 523 ff. 701 Eine unmittelbare Umsetzung der aus dem Fallrecht bekannten fiduciary duties findet sich im Gesetz nicht, jedoch entsprechen ihnen ss. 171, 174 CA 2006 weitgehend (Ferran, S. 255 f.). 702 S. 178 (1) CA 2006.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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an einen Gesellschafter veranlaßt hat703. In subjektiver Hinsicht muß der Geschäftsleiter positive Kenntnis haben704. Diese bezieht sich hier, anders als bei der Haftung des Gesellschafters705, auf die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung706. Hat der Geschäftsleiter keine Kenntnis, kann sich eine Haftung – insoweit vergleichbar dem Kennenmüssen des deutschen Rechts707 – aufgrund eines fahrlässigen Verstoßes gegen die nunmehr in s. 174 CA 2006 geregelten Sorgfaltspflichten des Geschäftsleiters ergeben708. Diese Pflichten bestehen grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft709; gegenüber Gläubigern entstehen solche allenfalls im Vorfeld der Insolvenz der Limited, wobei dies im einzelnen ungeklärt ist710. Ebenfalls ungeklärt ist, inwieweit einen Gesellschafter, der als sogenannter Schattengeschäftsleiter der Gesellschaft erscheint711, die Pflichten eines gewöhnlichen Geschäftsleiters treffen712. In der Rechtsfolge ist der Geschäftsleiter zum Ersatz des Werts der rechtswidrigen Ausschüttung verpflichtet. Ein etwaiger weitergehender Schaden der Gesellschaft ist dagegen nicht ersatzfähig713. Der Geschäftsleiter haftet der Gesellschaft, anders als ein Gesellschafter714, auf Rückzahlung des Gesamtbetrags der Ausschüttung auch dann, wenn die Ausschüttung nur teilweise rechtswidrig war715. In diesem Fall kann der Geschäftsleiter lediglich das Gericht ersuchen, ihn aus Billigkeitsgründen trotz an sich bestehender Haftung ganz oder teilweise
703 Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 104 f., C.A.; Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] 21 Ch. D. 518, 534; Re National Funds Assurance Co (1878–1879) 10 Ch. D. 118, 128. Dieser Gesellschafter kann auch der Geschäftsleiter selbst sein; vgl. Allied Carpets Group plc v. Nethercott [2001] B.C.C. 81, 86, QB. 704 Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 105, CA: „deliberately“. 705 Dort sind Bezugspunkt die die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen, siehe den Text bei Fn. 656, 685 in Teil 2. 706 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21.4, S. 256. 707 § 122 II BGB. 708 Vgl. Clarke, in: Boyle/Birds, 16.7, S. 622 ff.; 7.21.4, S. 256; Mayson/French/ Ryan, 10.5.9, S. 289. 709 Siehe ss. 171 ff. CA 2006. 710 Siehe den Text bei Fn. 1776 ff. in Teil 2. 711 Zu dieser Rechtsfigur siehe näher den Text bei Fn. 1189 ff. in Teil 2. 712 Siehe Davies, in: Davies, para. 16-8, S. 483 ff. 713 Mayson/French/Ryan, 10.5.9, S. 289; Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 104 f.; mißverständlich aber Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 189: „I can see no defence to ISL’s claim to recover compensation from Mr and Mrs Burns in the full amount of the loss which their breach of duty has caused to ISL, namely the full £ 1.9m. That is money which either is or may be needed by ISL to meet its liabilities.“ Dieser Entscheidung lag eine Dividendenzahlung zugrunde, die alleine eine Höhe von 1.900.000 Mio. £ erreichte. 714 Siehe den Text bei Fn. 669 in Teil 2. 715 Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 189 f.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
hiervon zu befreien716. Die Zustimmung der Gesellschafter zu einer durch die Geschäftsleitung vorgenommenen rechtswidrigen Ausschüttung entläßt Geschäftsleiter dagegen – ähnlich der Regelung des § 43 III 3 GmbHG717 – unter keinen Umständen aus der Haftung718. Die Rückzahlungspflicht besteht nicht nur, soweit dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, sondern auch bei Solvenz der Limited719, insoweit strenger als die Haftung gemäß § 43 III 3 GmbHG720. (3) Konkurrenzverhältnis und Gesamtschuldner-Innenausgleich Vor dem Hintergrund der dargestellten Ansprüche der Gesellschaft bei rechtwidrigen Ausschüttungen treten die Fragen des Konkurrenzverhältnisses der Ansprüche sowie eines etwaigen Innenausgleichs unter verschiedenen Schuldnern hervor, welche im Schrifttum häufig noch nicht einmal angesprochen werden721. Haften der Limited sowohl ein Gesellschafter als auch der Geschäftsleiter, so ist der Anspruch gegen den Geschäftsleiter nicht etwa subsidiär. Dieser hat der Gesellschaft Ersatz zu leisten, wenn er von ihr oder ihrem Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird722 – obwohl nicht ihr Geschäftsleiter, sondern der (bösgläubige) Gesellschafter einen Vermögensvorteil durch die Ausschüttung erlangt hat. Dies kann eine absonderliche Folge haben: Leistet der Geschäftsleiter an die Gesellschaft, so befreit er hierdurch auch den Gesellschafter von dessen Verbind-
716 Gemäß s. 1157 CA 2006 (zuvor geregelt in s. 727 CA 1985); siehe etwa Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 189 ff.; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 47 f.; Re D’Jan of London Ltd [1993] B.C.C. 646, 649. 717 Die Verpflichtung der Geschäftsführer besteht in diesem Fall bei der GmbH allerdings nur, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. 718 Aveling Barford Ltd v Perion Ltd [1989] 5 B.C.C. 677, 682 f., Ch. D.; Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s case [1882] 21 Ch. D. 518, 531, 536. 719 Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 103. 720 Hier besteht keine Verpflichtung der Geschäftsführer, soweit der Ersatz nicht zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. Fn. 717 in Teil 2) und die Gesellschafter zugestimmt haben. 721 Siehe etwa Hicks, in: Hicks/Goo, 10.3.2, S. 294 ff.; Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21.4, S. 255 f.; Fleischer, in: Lutter, Auslandsgesellschaften, C II 1 b, S. 59 f.; Mellert/Verführt, II Rn. 63; Kasolowsky/Schall, in: Hirte/Bücker, § 4 Rn. 118, 115; Röhricht, S. 180 f.; vgl. auch Sealy/Worthington, S. 418 ff., die auf S. 420 lediglich kurz den Fall der Personenidentität ansprechen; Mayson/French/Ryan, 10.5.8, S. 288 ff., die auf S. 289 f. die wesentliche Entscheidung (Bairstow v Queens Moat Houses plc, siehe die folgenden Fußnoten) übergehen. 722 Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 104 f., C.A.; Moxham v Grant [1900] 1 Q.B. 88, 91 ff., C.A.
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lichkeit723. Es besteht also eine dem GmbH-Recht, wo eine Gesamtschuld724 von Geschäftsleiter und Gesellschafter angenommen wird725, vergleichbare Lage. Liegen nun die entsprechenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vor, könnte erneut eine – dieses Mal rechtmäßige – Ausschüttung an die Gesellschafter der Limited vorgenommen werden726. Die Gesellschafter dürften daneben aber, trotz eigener Bösgläubigkeit, auch die erste Ausschüttung behalten; dieses Gegenargument wird auch als windfall objection bezeichnet727. Ob dann zur Vermeidung dieses – offensichtlich absurden – Ergebnisses im Innenverhältnis ein Regreßanspruch der Geschäftsführer gegen die Gesellschafter besteht, ist, anders als im GmbH-Recht728, für die Limited völlig unklar729. (4) Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten Gegenüber einer bevorstehenden rechtswidrigen Ausschüttung steht jedem Gesellschafter ein Unterlassungsanspruch zu730. Dagegen sind Gläubiger grundsätzlich nicht in der Lage, eine rechtswidrige Ausschüttung zu verhindern; sie sind statt dessen auf die Insolvenzantragstellung beschränkt731. Dies steht im Widerspruch zu denjenigen gesetzlichen Regelungen, die Gläubigern einen Anspruch zubilligen, den Erwerb eigener Anteile732 und eine Kapitalherabsetzung733 im Vorwege zu verhindern. Bei Insolvenz der Gesellschaft können Ansprüche der Ge-
723 Moxham v Grant [1900] 1 Q.B. 88, 93, C.A.: „that payment has operated in relief of the shareholders“. 724 Vgl. § 422 I 1 BGB. 725 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 112; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 43 Rn. 49; Geßler, GmbHR 2003, 394, 400. 726 Davies, in: Davies, para. 12-9, S. 298 f. mit Fn. 73; vgl. auch Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 103 f., C.A. 727 Vgl. Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 104, C.A. Der Ausdruck bezieht sich auf den Begriff windfall profits, also Zufallsgewinne. 728 Hier besteht in der Regel ein Regreßanspruch in Höhe der gesamten Ausschüttung; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 49. 729 Bewußt offengelassen in Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91, 104, C.A.; offen letztlich auch Mayson/French/Ryan, 10.5.9, S. 289 f.; dafür noch Moxham v Grant [1900] 1 Q.B. 88, 92 ff., C.A. und Re National Funds Assurance Co (1878–1879) 10 Ch. D. 118, 119; die letztgenannte Entscheidung wurde in Bairstow v Queens Moat Houses plc [2002] B.C.C. 91 ff. anscheinend übersehen. 730 Hoole v Great Western Railway Co (1867–68) L.R. 3 Ch. App. 262, 272, 277, C.A.; Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21.4, S. 256. 731 Mills v Northern Railway of Buenos Ayres Co (1869–70) L.R. 5 Ch. App. 621, 632, C.A.; Mayson/French/Ryan, 10.5.2, S. 285. Anders ist dies nur bei Gefährdung einer dinglichen Sicherheit, Clarke, in: Boyle/Birds, 7.21.4, S. 256. 732 S. 721 (1) (b) CA 2006. Siehe dazu sogleich den Text bei Fn. 745 ff. in Teil 2. 733 Ss. 645 (2), 646 (1), 648 (2) CA 2006. Siehe dazu sogleich den Text bei Fn. 866 ff. in Teil 2.
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sellschaft aus den einschlägigen insolvenzrechtlichen Bestimmungen folgen734. Strafrechtliche Sanktionen für verbotene Ausschüttungen bestehen nicht735. dd) Beurteilung Auf Tatbestandsseite sind die Ausschüttungsregeln der Limited gegenüber denen der GmbH nur insoweit strenger, als es für die Ausschüttungsbemessung, anders als bei der GmbH736, stets der positiven Feststellung eines ausschüttbaren Gewinns bedarf. Im übrigen sind die für die Limited geltenden Bestimmungen sehr viel freizügiger. Die einschlägigen Regeln für die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns führen dazu, daß eine Limited in größerem Umfang als eine GmbH bloße Buchgewinne als Erträge berücksichtigen kann. Eine Limited weist damit unter gleichen Umständen im Vergleich zu einer GmbH tendenziell einen größeren ausschüttbaren Gewinn auf. Außerdem bietet die Zahlung überhöhter Gehälter an Gesellschafter-Geschäftsführer oder überhöhter Konzernumlagen einfache Möglichkeiten zur Umgehung der Ausschüttungsregeln. Keine weitere materielle Aufweichung der Ausschüttungsregeln stellt dagegen die durch den Companies Act 2006 ausdrücklich gestattete Veräußerung von Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter zu Buchwerten dar, da es sich dabei lediglich um Verfahrenserleichterungen handelt. Auf der Rechtsfolgenseite erschwert zunächst die Vielzahl ungeklärter – wichtiger – Rechtsfragen die Rückerlangung verbotener Ausschüttungen durch die Gesellschaft erheblich. Die für eine Verpflichtung des Gesellschafters zur Rückgewähr einer verbotenen Ausschüttung, anders als bei der GmbH, stets vorausgesetzte Bösgläubigkeit schränkt die Effektivität der Ausschüttungsregeln weiter ein. Selbst ein bloßes constructive knowledge des Gesellschafters wird sich meist nur bei Gesellschafter-Geschäftsführern oder kleinen Limiteds nachweisen lassen. Die Haftung des Geschäftsleiters, die im englischen Recht hinsichtlich der objektiven Voraussetzungen weiter reicht – insbesondere mangels eines (gesicherten) Gesamtschuldner-Innenausgleichs mit dem ebenfalls haftenden Gesellschafter –, wird durch die hier ebenso erforderliche Bösgläubigkeit gleichfalls einge734 Durch Insolvenzanfechtung gemäß ss. 238 ff. IA 1986 (siehe den Text bei Fn. 1666 ff. in Teil 2); durch Anordnungen des Gerichts gemäß ss. 423 ff. (siehe den Text bei Fn. 1692 ff. in Teil 2); aufgrund von Pflichtverstößen gemäß ss. 213 f. IA 1986 (siehe den Text bei Fn. 1771 ff. und 951 ff. in Teil 2). 735 Vgl. Sealy/Worthington, S. 418. 736 Hier kann über den im Jahresabschluß ausgewiesenen Gewinn hinaus auch das übrige freie Vermögen ausgezahlt werden (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 6), etwa stille Reserven der Gesellschaft. Ähnlich wie bei der Limited aber die Rechtslage bei der AG: § 57 III AktG stellt (i.V. m. § 158 I 1 Nr. 5 AktG) auf den „Bilanzgewinn“ ab.
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schränkt737. Weil sich diese bei einem den Geschäften der Limited näherstehenden Geschäftsleiter jedoch leichter als bei einem Gesellschafter beweisen läßt, haftet ein Geschäftsleiter, anders als im GmbH-Recht, letztlich schärfer als ein Gesellschafter. Für diese Risikoverteilung findet sich im Schrifttum die Begründung, daß es für den Geschäftsleiter ja unschwer möglich sei, die Vorschriften betreffend Ausschüttungen einzuhalten, da sich die Höhe zulässiger Ausschüttungen ohne weiteres aus dem Abschluß ergebe738. Dieser Erklärungsversuch vermag nicht zu überzeugen, weil sich die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns überaus komplex gestaltet739. Das Abstellen auf einen Zeitwert – dessen Ermittlung je nach Vermögensgegenstand mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann – bedingt Unschärfen, die der Geschäftsleiter oftmals im Sinne eines möglichst hohen Ausschüttungsbetrags zugunsten der Gesellschafter zu nutzen gehalten sein dürfte. Die schärfere Haftung des Geschäftsleiters erscheint auch deshalb wertungswidersprüchlich, weil (in erster Linie)740 der Gesellschafter Nutznießer einer rechtswidrigen Ausschüttung ist741. Daß die Risikoverlagerung auf den Geschäftsleiter von den Beteiligten selbst als unangemessen erkannt wird, ist daraus zu ersehen, daß die Risikoverlagerung in der Praxis nicht selten durch sogenannte D&O-Versicherungen der Geschäftsleiter gegen die Inanspruchnahme aufgrund von Pflichtverletzungen (überwiegend)742 neutralisiert wird, in dem die Gesellschaft die Versicherungsprämien übernimmt. In der Zusammenschau ihrer Defizite auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite ist festzustellen, daß die Ausschüttungsregeln der Limited lediglich in sehr geringem Umfang zum Gläubigerschutz beizutragen vermögen. Einem wirksamen Gläubigerschutz steht damit – entgegen anderer Ansicht743 – nicht in erster Linie entgegen, daß Limiteds mangels eines Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag häufig ein sehr niedriges Nennkapital aufweisen, sondern vielmehr die Ausgestaltung der Ausschüttungsregeln. Ebenso trifft die pauschale Behauptung
737 Anders Röhricht, S. 181, die in der Geschäftsleiterhaftung ohne nähere Begründung ein „wirksames Mittel zur Durchsetzung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes“ erkennt. 738 Davies, in: Davies, para. 12-9, S. 299. 739 Siehe den Text bei Fn. 251 ff. in Teil 2. 740 Auch der Geschäftsleiter kann einen Vorteil aus einer überhöhten Ausschüttung ziehen, soweit hierdurch eine etwaige ergebnisabhängige Vergütung höher ausfällt. 741 Insoweit treffend Davies, in: Davies, para. 12-9, S. 299: „The upshot of these rules is that directors who make improper distributions are more likely to be held liable to compensate the company than the shareholders who receive them are likely to be to restore them to the company.“ 742 Ein vollständiger Ausgleich dürfte indes kaum erfolgen, da die Übernahme der Prämien durch die Gesellschaft in der Praxis häufig als Teil der aus verschiedenen Bestandteilen bestehenden Vergütung des Geschäftsleiters behandelt wird und sich hierdurch der Baranteil der Vergütung tendenziell verringert. 743 So ohne nähere Begründung Shearman, GmbHR 1992, 147, 151.
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nicht zu, Mindestkapitalerfordernisse seien im Hinblick auf den Gläubigerschutz – unabhängig von ihrer Ausgestaltung – ineffizient744. d) Erwerb eigener Anteile Einer Private Limited Company ist der Erwerb eigener Anteile, anders als einer GmbH745 grundsätzlich untersagt746. Bei einem Verstoß drohen den Verantwortlichen gar bis zu zwei Jahre Haft747. Dieses Verbot ist ein bis in das 19. Jahrhundert zurückreichender748 zentraler Grundsatz des englischen Kapitalerhaltungsrechts749. Heute wird das grundsätzliche Verbot vielfach durchbrochen. So können Limiteds gerade für den Rückkauf durch die Gesellschaft vorgesehene zurücknehmbare Anteile (redeemable shares) begeben (dazu unter 1). Auch der Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (unten 2). Schließlich gehört in diesen Zusammenhang die Unterstützung eines Dritten bei dessen Anteilserwerb im Wege der financial assisstance durch die Gesellschaft (siehe unten 3). Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die vorgenannten Ausnahmen gleichen sich (dazu unten 4). aa) Erwerb zurücknehmbarer Anteile (1) Überblick Die Sonderform der zurücknehmbaren Anteile750 gewährt eine von vornherein nur für eine begrenzte Zeit vorgesehene Gesellschafterstellung751. Eine solche ist dem Recht der GmbH fremd752, allerdings bei (deutschen) Investmentaktiengesellschaften i. S. d. § 96 InvG zulässig753. Weitergehend sprechen sich Teile des Schrifttums754 sowie die „Regierungskommission Corporate Governance Kodex“ für eine Einführung zurücknehmbarer Aktien bei der gewöhnlichen AG 744
So aber etwa Dähnert, (2009) 1 Comp. Law., 3, 8 mit Fn. 64. Hier ist der Erwerb voll eingezahlter eigener Geschäftsanteile grundsätzlich gestattet, sofern er nicht gegen die insoweit speziellere Kapitalerhaltungsregel des § 30 I GmbHG verstößt oder eine satzungsmäßig gebundene Rücklage schmälert, § 33 I, II 1 GmbHG. Einen Sonderfall regelt § 33 III GmbHG. 746 S. 658 (1) CA 2006. 747 S. 658 (3) CA 2006. 748 Siehe bereits Trevor v Whitworth (1887) 12 App Cas 409, 437 f., HL. 749 Davies, in: Davies, para. 13-17, S. 316. 750 Auch als „rückerwerbbare“ Anteile bezeichnet, vgl. Brammer, passim; Heeg-Stelldinger, passim. 751 Ss. 684 ff. CA 2006. 752 Vgl. Fleischer, NZG 2004, 1129, 1133. 753 § 105 II InvG. 754 Heeg-Stelldinger, passim; Brammer, passim. 745
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aus755. Gegenüber dem Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile756 hat der Erwerb zurücknehmbarer Anteile bei Limiteds eine größere Bedeutung: Einerseits spielen die regelmäßig mit dem Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile verfolgten Ziele bei Limiteds eine im Vergleich zu Public Limited Companies geringere757 oder gar keine758 Rolle. Andererseits stellen zurücknehmbare Anteile wegen des der Limited verbotenen öffentlichen Angebots von Anteilen eine häufig genutzte Finanzierungsmöglichkeit dar759. Zurücknehmbare Anteile gewähren je nach ihrer Ausgestaltung entweder das (Options-)Recht, den Rückerwerb der Anteile durch die Gesellschaft durch rechtsgeschäftliche Erklärung herbeizuführen, oder sie begründen einen Anspruch auf Rückübertragung760. Diese Rechtsposition kann der Gesellschaft oder dem Gesellschafter zustehen761. Der Rückerwerb kann aber auch ohne weiteres nach Ablauf einer bestimmten Zeit erfolgen762. Als auf Veranlassung der Gesellschaft zurücknehmbare Anteile sind vor allem Geschäftsanteile ausgestaltet, die mit Vorzugsrechten einhergehen763. Solche Anteile berechtigen typischerweise zu höheren Gewinnausschüttungen als gewöhnliche Anteile. Entfallen die Gründe für die Gewährung höherer Ausschüttungen – steigt etwa die Bonität des Unternehmens oder sinkt das Zinsniveau im Allgemeinen –, so kann sich die Gesellschaft nach dem von ihr ausgelösten Rückerwerb der Anteile günstiger refinanzieren. Auf Veranlassung des Gesellschafters zurücknehmbare Anteile treten häufig bei Limiteds in Erscheinung. Denn ihre Anteile dürfen nicht öffentlich angeboten 755 So Baums, Rn. 235 f., bereits im Jahr 2001, trotz der vorhandenen Regelungen zur Einziehung (§ 237 III–V AktG) und der Möglichkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung etwa eines Wiederkaufsrechts (§ 456 I BGB) oder eines – in der Praxis verbreiteten (Stoppel, JZ 2007, 218 ff., 230) – Wiederverkaufsrechts. Derartige (häufig vorschnelle) Übernahmen fremder Rechtsregeln werden auch als legal transplants bezeichnet (vgl. Fleischer, NZG 2004, 1129 f.). Dieser Begriff ist ehrlicher, als er es zu sein beabsichtigt: Er umschreibt die Ausschaltung eines natürlichen Subsystems eines Organismus, der die Einpflanzung eines Fremdkörpers folgt, welcher nur durch eine künstliche Unterdrückung der natürlichen Abwehrreaktion des Organismus (vorübergehend) überdauern kann. Kritisch auch Teubner, (1998) 61 Mod. L. Rev. 11, 12, 32, der treffend von legal irritants spricht, die „rarely a convergence of the participating legal orders, but rather the creation of new cleavages in the interrelation of operationally closed social discourses“ bedingen. 756 Siehe den Text bei Fn. 823 ff. in Teil 2. 757 Etwa die Abwehr eines feindlichen Übernahmeversuchs; einen solchen dürfte die Geschäftsleitung der Limited im Vorfeld – mangels eines öffentlichen Übernahmeangebots – kaum bemerken. 758 Etwa die Kursstützung; Anteile von Limiteds dürfen nicht öffentlich angeboten werden, s. 755 (1), (5) CA 2006. 759 Siehe näher den Text bei Fn. 764 ff. in Teil 2. 760 „Shares that are to be redeemed or are liable to be redeemed“, s. 684 (1) CA 2006. 761 S. 684 (1) CA 2006. 762 Mayson/French/Ryan, 10.3.1, S. 281. 763 Vgl. bereits s. 58 CA 1948.
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werden764; einem nach Zulassung erlaubten Handel an dem nur erfahrenen Anlegern zugänglichen Alternative Investment Market765 – einem Marktsegment der London Stock Exchange für den Handel von Anteilen an Unternehmen jeder in- und ausländischen Rechtsform766 – sowie einem außerbörslichen Handel fehlt es oftmals an Liquidität. Eine Limited kann daher zusätzliche Investoren gewinnen, wenn sie diesen das Recht einräumt, Anteile auf deren Wunsch zurückzunehmen767. (2) Verfahren Die Ausgabe zurücknehmbarer Anteile bedarf für Limiteds seit Inkrafttreten der einschlägigen Vorschrift des Companies Act 2006 zum 01.10.2009768 keiner Satzungsermächtigung mehr769. Die Satzung kann umgekehrt aber die Ausgabe zurücknehmbarer Anteile untersagen oder beschränken770. Die nähere Ausgestaltung der mit den Anteilen verbundenen Rechte und Pflichten kann, ebenfalls seit dem 01.10.2009, der Geschäftsleitung übertragen werden771. Die festgelegten Bedingungen sind zum Companies Register einzureichen772. Es können allerdings keine zurücknehmbaren Anteile zu einem Zeitpunkt ausgegeben werden, in dem keine gewöhnlichen, nicht zurücknehmbare Anteile ausgegeben sind773. Zu764
S. 755 (1), (5) CA 2006. Siehe bereits Fn. 758 in Teil 2. Arg. e s. 724 (2) (b), (1) (c) CA 2006. 766 Die London Stock Exchange rühmt den Alternative Investment Market (AIM) auf ihrer Netzseite (http://www.londonstockexchange.com/companies-and-advisors/aim/forcompanies/companies.htm) wie folgt: „When the London Stock Exchange created AIM, the objective was to offer smaller companies from any country and any industry sector the opportunity to raise capital on a market with a pragmatic approach to regulation. . . . To join AIM, companies are not required to have a particular financial track record or trading history. AIM’s balanced regulatory regime was designed specifically for smaller growing companies, offering opportunities to both companies and investors“. Vor dem Hintergrund dieser liberalen Haltung nimmt es nicht wunder, daß vor allem Anteile bedingt seriös erscheinender afrikanischer Rohstoffunternehmen in diesem Marktsegment gehandelt werden (siehe die Liste der gehandelten Unternehmen, zugänglich unter http://www.londonstockexchange.com/exchange/companies-and-advi sors/aim/for-companies/information-search/aim-company-search-download-all.html). 767 Vgl. Ferran, S. 203 f. 768 Companies Act 2006 – Table Of Commencement Dates (Fn. 33 in Teil 2), S. 2. 769 Arg. e s. 684 (3) CA 2006. Dennoch enthält Art. 22 (2) der The Companies (Model Articles) Regulations 2008 (No. 3229), der Mustersatzung für Private Limited Companies, zur Klarstellung eine solche Ermächtigung. 770 S. 684 (2) CA 2006. 771 S. 685 CA 2006; zuvor war dies zumindest unklar (Ferran, S. 227), wenn nicht unzulässig (so Morse u. a., para. 6.803). Fehlt eine Ermächtigung, sind die Regelungen zur Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag zu treffen, s. 685 (4) CA 2006. 772 Gemäß s. 685 (3) (b), (4) CA 2006 entweder als Teil der articles of association (s. 18 CA 2006 oder des statement of capital (vgl. s. 10 CA 2006). 773 S. 684 (4) CA 2006. 765
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dem darf die Gesellschaft nur vollständig einbezahlte zurücknehmbare Anteile zurückerwerben774 und selbstverständlich selbst keine zurücknehmbaren Anteile zeichnen775, um das Erlöschen des Einlageanspruchs im Wege der Konfusion auszuschließen. Der Rückerwerb der Anteile durch die Gesellschaft ist, je nach Ausgestaltung, entweder aufschiebend bedingt durch die Geltendmachung des Optionsrechts der Gesellschaft bzw. des Gesellschafters, oder er tritt ein mit Erfüllung des Anspruchs auf Rückübertragung776. Mit ihrem Rückerwerb erlöschen die Anteile777. Ob die Gegenleistung der Gesellschaft stets in Geld zu erfolgen hat, ist unklar778, dürfte in Anbetracht des Wortlauts „payable“ in s. 686 (2) sowie „paid for“ in s. 686 (3) CA 2006 aber zu bejahen sein. Die Gesellschaft hat eine mit der Erbringung der Gegenleistung einhergehende Veränderung der Zusammensetzung ihres Eigenkapitals779 binnen eines Monats dem Companies Register anzuzeigen780; ein Verstoß hiergegen ist strafbewehrt781. Die Gesellschaft muß ihre Gegenleistung seit einer ebenfalls zum 01.10.2009 in Kraft getretenen Neuregelung durch den Companies Act 2006 nicht mehr zwingend sogleich beim Rückerwerb der Anteile erbringen782. (3) Rückerwerb aus ungebundenem Kapital Die Gegenleistung der Limited darf grundsätzlich nur aus ungebundenem Kapital erfolgen783; für einen Rückerwerb aus gebundenem Kapital gelten Sonderregeln784. Das bedeutet, daß die erforderlichen Mittel grundsätzlich aus Erlösen
774
S. 686 (1) CA 2006. Vgl. s. 684 (1) CA 2006: „A limited company having a share capital may issue shares that are to be redeemed [. . .]“ (Hervorh. von mir). 776 Vgl. s. 684 (1) CA 2006. 777 S. 688 (a) CA 2006. Das Halten erworbener eigener Anteile ist nur bei sogenannten treasury shares möglich, die jedoch keine zurücknehmbaren Anteile sein können (arg. e s. 724 (1) (a), der zwar auf Kapitel 4, nicht aber auf Kapitel 3 – welches die Regelungen zu zurücknehmbaren Anteilen enthält – des 18. Teils des Companies Act 2006 verweist). Vgl. auch s. 706 CA 2006. 778 In einem obiter dictum dafür BDG Roof-Bond v Douglas Ltd [2000] B.C.C. 770, 778 f., Ch. D.; dagegen Bryant, in: Hannigan/Prentice, 7.16., S. 179; offen Morse u. a., para. 6.804. 779 Dazu siehe näher sogleich den Text bei Fn. 788 ff. in Teil 2. 780 Und zwar nach Maßgabe der Companies (Share and Share Capital) Order 2009 (SI 2009/388). 781 S. 689 CA 2006. 782 S. 686 (2), (3) CA 2006. Dies ermöglicht der Sache nach eine Umwandlung von Eigen- in Fremdkapital durch die Gesellschaft. 783 Arg. e s. 687 (1), (2) CA 2006. 784 Siehe den Text bei Fn. 799 ff. in Teil 2. 775
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einer zum Zweck des Rückerwerbs erfolgten Ausgabe junger Anteile785 oder aus einem ausschüttbaren Gewinn stammen müssen786. Der ausschüttbare Gewinn ist nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln787. Im Hinblick auf die Kapitalerhaltung ist zu unterscheiden nach der Finanzierung des Nennwerts der zurückzuerwerbenden Anteile und danach, ob die Gesellschaft bei der Rücknahme der Anteile einen Zuschlag auf deren Nennwert, gewissermaßen ein umgekehrtes Aufgeld, gewährt. Fließen die Mittel für die Gegenleistung der Gesellschaft in Gänze aus der Ausgabe junger Anteile zum Nennwert und entrichtet auch die Gesellschaft für die zurücknehmbaren Anteile keinen Zuschlag auf den Nennwert, so ändert sich weder die Höhe des Nennkapitals noch die des Eigenkapitals insgesamt. Das Nennkapital verringert sich zwar um den gesamten Nennwert aller zurückerworbenen Anteile788. Jedoch erhöht sich das Nennkapital zugleich um den Gesamtbetrag der Nennwerte der jungen Anteile, der dann (mindestens)789 dem gesamten Nennwert der zurückerworbenen Anteile entspricht. Werden zur Finanzierung der Gegenleistung der Gesellschaft allerdings junge Anteile mit einem unter dem gesamten Nennwert der zurückgenommenen Anteile liegenden Gesamtbetrag der Nennwerte begeben, so verringert sich die Höhe des Nennkapitals790. Dies tritt auch dann ein, wenn der Ausgabeerlös nur wegen eines auf die jungen Anteile zu entrichtenden Aufgelds die gesamte Gegenleistung abdeckt. In beiden Fällen ist die Limited zu einer Gegenbuchung verpflichtet: Sie hat den Betrag, um den sich das Nennkapital verringert, in eine Sonderrücklage einzustellen (capital redemption reserve)791. Diese ist nicht ausschüttbar und kann allein zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eingesetzt werden792. Soweit – an Stelle von Mitteln aus der Begebung junger Anteile – der Gesamtbetrag des Nennwerts der zurückzuerwerbenden Anteile durch ausschüttbare Gewinne aufgebracht wird, verringert sich ebenfalls die Höhe des Nennkapitals. Denn in diesem Umfang bleibt der hinzutretende Gesamtbetrag der Nennwerte aller jungen Anteile notwendig hinter dem gesamten Nennwert der zurückerworbenen Anteile, um den sich das vorherige Nennkapital verringert793, zurück. 785
S. 687 (2) (b) CA 2006. S. 687 (2) (a) CA 2006. 787 Ss. 736, 830 CA 2006; siehe den Text bei Fn. 251 ff. in Teil 2. 788 S. 688 (b) CA 2006. 789 Bei einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung liegt er darüber. 790 S. 688 (b) CA 2006. 791 S. 733 (3), (1) CA 2006. 792 S. 733 (5), (6) CA 2006. 793 S. 688 (b) CA 2006: „. . . is diminished accordingly by the nominal value of the shares redeemed“ [Hervorh. von mir]. 786
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Auch in diesem Fall hat eine Gegenbuchung zugunsten einer capital redemption reserve zu erfolgen794. Liegt die vereinbarte Gegenleistung über dem gesamten Nennwert der zurückzuerwerbenden Anteile, gewährt die Gesellschaft also ihren Gesellschaftern bei Rückerwerb ein (umgekehrtes) Aufgeld auf den Nennwert, so ist dieses grundsätzlich795 aus einem ausschüttbaren Gewinn aufzubringen796. Ausnahmsweise kann hierbei auch die weitere gebundene Sonderrücklage des share premium account aufgelöst werden, in der ein Aufgeld aus einer Ausgabe der zurückzuerwerbenden Anteile oder der jungen Anteile zu verbuchen ist797. Beide Finanzierungsarten wirken sich als solche798 nicht auf das Nennkapital aus. Wie in den voranstehenden Fällen ändert sich auch der Gesamtbetrag des gebundenen Kapitals – das heißt der des Nennkapitals zuzüglich etwaiger gebundener Rücklagen – nicht, sondern allenfalls dessen Zusammensetzung. Die Wirkung einer Kapitalherabsetzung tritt nicht ein. (4) Rückerwerb aus gebundenem Kapital Unter wesentlich engeren Voraussetzungen ist einer Limited auch ein Anteilsrückerwerb zulasten des gebundenen Kapitals gestattet799; denn in diesem Fall erfolgt der Sache nach eine Kapitalherabsetzung. Ein solches Vorgehen kommt nur in Betracht, soweit ein verfügbarer Gewinn800 und etwaige Erlöse aus der Ausgabe junger Anteile für die Gegenleistung der Gesellschaft nicht hinreichen801. Es bedarf hierfür zunächst einer Erklärung der Geschäftsleiter, die u. a. – ähnlich der Solvenzerklärung bei der vereinfachten gewöhnlichen Kapitalherabsetzung802 – bestätigen müssen, daß die Gesellschaft ihrer Ansicht nach auch nach 794
S. 733 (2) (a), (1) CA 2006. Zu Ausnahmen siehe den Text bei Fn. 799 ff. in Teil 2. 796 S. 687 (3) CA 2006. 797 S. 687 (4), (5) CA 2006. Dazu siehe sogleich den Text bei Fn. 810 ff. in Teil 2 im Zusammenhang mit dem Anteilsrückerwerb aus gebundenem Kapital. Zur Bindung des Aufgeldes siehe jeweils den Text bei Fn. 525 ff. in Teil 2. 798 Anders aber, wenn daneben auch die Mittel zur Rückzahlung des Nennwerts der Anteile aus ausschüttbaren Gewinnen – und damit nicht aus der Ausgabe junger Anteile – herrühren, siehe den Text bei Fn. 793 f. in Teil 2. 799 Ss. 709 ff., 687 (1) CA 2006. Unzulässig ist dies bei Public Limited Companies, arg. e contrario s. 709 (1) CA 2006. 800 Im Zusammenhang mit dem Erwerb aus gebundenem Kapital spricht das Gesetz von einem available profit. Dieser bestimmt sich wie der distributable profit grundsätzlich ebenfalls nach s. 830 CA 2006, siehe s. 711 (1) CA 2006. Für die Ermittlung des available profit kommt gemäß s. 711 (2) CA 2006 anstelle der ss. 836–842 jedoch s. 712 CA 2006 zur Anwendung. 801 S. 710 (1) CA 2006. 802 Siehe den Text bei Fn. 873 ff. in Teil 2. 795
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
dem Rückerwerb zu Lasten des Nennkapitals zahlungsfähig sein und dies während eines Jahres auch bleiben wird803. Der Erklärung ist ein Bericht der Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft beizufügen, aus dem folgt, daß ihnen die Erklärung der Geschäftsleiter schlüssig erscheint804. Innerhalb einer Woche nach Abgabe der Erklärung der Geschäftsleiter ist ein Gesellschafterbeschluß mit Dreiviertelmehrheit herbeizuführen805. Sodann muß innerhalb einer weiteren Woche eine Mitteilung über den beabsichtigten Rückerwerb zulasten des Nennkapitals veröffentlicht werden806. Den Gesellschafterbeschluß können die Gesellschaftsgläubiger innerhalb von fünf Wochen gerichtlich anfechten; das Gericht kann seine Vollziehung aussetzen807. Die Gegenleistung für die Anteile kann demgemäß frühestens fünf Wochen nach dem Gesellschafterbeschluß erbracht werden; sie muß spätestens sieben Wochen danach erfolgen808. Soweit für den Rückerwerb anteilig auch ausschüttbare Gewinne eingesetzt werden, ist der Gegenwert wiederum in eine spezielle Rücklage (capital redemption reserve) einzustellen809. Ein Sonderfall kann im Zusammenhang mit einem bei der Begebung junger Anteile durch die Gesellschaft eingenommenen Aufgeld auftreten. Dieses kann im Umfang eines bereits bei Ausgabe der nun zurückzuerwerbenden Anteile vereinnahmten Aufgelds oder bis zur gegenwärtigen Höhe der gesamten Kapitalrücklage der Gesellschaft (die in erster Linie aus Aufgeldern besteht) für den Rückerwerb eingesetzt werden, je nachdem welcher Wert niedriger ist810. Die Kapitalrücklage, bei der es sich ebenfalls um gebundenes Kapital handelt811, ist gemäß s. 687 (5) CA 2006 sodann folgerichtig (anteilig) aufzulösen. Bei den Beratungen zur Vorläufernorm des s. 687 (5) CA 2006 ging man allerdings davon aus, daß diese Vorgehensweise nur dann gestattet sein sollte, wenn die mit der (anteiligen) Auflösung der Kapitalrücklage einhergehende Verringe803
Siehe näher s. 714 CA 2006. S. 714 (6) CA 2006. 805 Ss. 716 (1), (2), 283 (1), (2) CA 2006. Zum Verfahren näher ss. 717 f., 716 (3) CA 2006. 806 Ss. 719, einerseits im amtlichen Anzeiger (Gazette), andererseits in einer überregionalen Zeitung oder – kaum praktikabel – durch Mitteilung an jeden einzelnen Gläubiger. Zugleich ist die Erklärung der Geschäftsleiter mit dem Bericht der Prüfer bei dem Companies Register einzureichen. 807 S. 721 CA 2006. Anfechtungsberechtigt sind auch Gesellschafter, die gegen den Beschluß gestimmt haben. 808 S. 723 (1) CA 2006. 809 S. 734 (2), (4) CA 2006. 810 S. 687 (4) CA 2006. 811 Außer in diesem Fall darf die Kapitalrücklage nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (s. 610 (3) CA 2006) oder für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgabe der Aktien (s. 610 (2) CA 2006) aufgelöst werden (arg. e contr. s. 610 (2) CA 2006), vorbehaltlich der Ausnahmen im Konzernverbund gemäß ss. 611 f., 614 CA 2006. 804
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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rung des gebundenen Kapitals – etwa durch eine gleichzeitige Kapitalerhöhung – ausgeglichen würde; insoweit müßte etwa s. 733 (3) CA 2006, der die Bildung der capital redemption reserve regelt, eine entsprechende Bestimmung treffen, was jedoch nicht der Fall ist812. Im Zusammenhang mit der Gewährung eines Aufgelds für junge Anteile im Rahmen eines Anteilsrückerwerbs kann eine Zahlung aus dem gebundenen Kapital der Limited mithin auch ohne die soeben dargestellten strengen Voraussetzungen erfolgen. Hierin liegt der Sache nach eine Kapitalherabsetzung unter Umgehung aller hierfür einschlägigen Vorschriften813. (5) Nichterfüllung der Verpflichtung zum Rückerwerb Erfüllt die Gesellschaft eine Verpflichtung zum Anteilsrückerwerb nicht, so können Erfüllungsansprüche gegen die werbende Gesellschaft nur insoweit gerichtlich geltend gemacht werden, als diese über einen ausschüttbaren Gewinn verfügt814. Der Gesellschafter kann also nicht etwa die Ausgabe junger Aktien zur Finanzierung des Rückerwerbs seiner Anteile erzwingen oder eine Zahlung aus dem gebundenen Kapital herbeiführen. Überdies sind Schadensersatzansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aufgrund der Nichterfüllung des Vertrags über Begebung und Rückerwerb der Anteile ausgeschlossen815. Dies gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsverhältnissen, etwa aus einem selbständigen Garantievertrag, oder gegen Dritte816. Wird die Gesellschaft abgewickelt, so können die bis zum Tag der Verfahrenseröffnung fällig gewordenen Erfüllungsansprüche im Abwicklungsverfahren auch unabhängig von einem ausschüttbaren Gewinn817 geltend gemacht werden818. Dies gilt jedoch nur, wenn die Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Fälligkeit und Verfahrenseröffnung über einen hinreichenden ausschüttbaren Gewinn verfügte819. Ferner sind die Erfüllungsansprüche nachrangig820. Wird das 812
Vgl. Mayson/French/Ryan, 10.3.3, S. 282. Außer den Regelungen des Anteilsrückerwerbs kommen auch die Bestimmungen zur Kapitalherabsetzung nicht zur Anwendung; zu diesen siehe den Text bei Fn. 866 ff. in Teil 2. 814 S. 735 (3) CA 2006. 815 S. 735 (2) CA 2006. 816 Barclays Bank v British and Commonwealth Holdings Plc [1996] 1 WLR 1, 8, 11 ff. 817 Ein solcher kann im Rahmen eines gewöhnlichen Abwicklungsverfahrens (d.h. Liquidationsverfahrens), das auf Beschluß der Gesellschafter eingeleitet wird, ohne weiteres auftreten. Er erscheint aber auch im Rahmen eines der bei der Limited statthaften insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren (zu diesen siehe den Text bei Fn. 980 ff. in Teil 2) nicht von vornherein ausgeschlossen; ein Überschuß der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten ist insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit der Limited ohne gleichzeitige Überschuldung denkbar. 818 S. 735 (4) CA 2006. 819 S. 735 (5) CA 2006. 820 S. 735 (5) CA 2006. 813
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Abwicklungsverfahren innerhalb eines Jahres nach der Solvenzerklärung der Geschäftsleiter eingeleitet, so hat jeder (ehemalige) Gesellschafter aus dem gebundenen Kapital für seine Anteile erhaltene Zahlungen zu erstatten, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist821. Neben ihm haften die Geschäftsleiter, die die Erklärung abgegeben haben, gesamtschuldnerisch822. bb) Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile Als weitere Ausnahme vom Verbot des Erwerbs eigener Anteile ist einer Limited unter bestimmten Bedingungen seit 1981823 – das deutsche Recht kennt diese Möglichkeit seit Ende des 19. Jahrhunderts824 – auch der Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile ausdrücklich gestattet. Dieser ist, wie bereits erwähnt, für Limiteds verglichen mit dem Erwerb rückerwerbbarer Anteile von geringerer Bedeutung. Die mit dem Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile regelmäßig verfolgten Ziele spielen für Limiteds eine weniger wichtige oder keine Rolle. Im wesentlichen kommt als Ziel nur die Ausschüttung überflüssiger Liquidität825 in Betracht. Dagegen wird die von anderen Unternehmen mit dem Erwerb mitunter bezweckte Abwehr einer feindlichen Übernahme oder die erleichterte Schaffung von Programmen zur Mitarbeiterbeteiligung826 bei Limiteds selten angestrebt. Dies liegt an der mangels öffentlicher Handelbarkeit827 wesentlich geringeren Verfügbarkeit der Anteile. Das durch andere Unternehmen mit dem Erwerb eigener Anteile etwa verfolgte Ziel der Stützung des Börsenkurses828 spielt aus dem gleichen Grund bei Limiteds keine Rolle. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für den Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile bestimmen sich nach ss. 690–708 CA 2006. Sie weisen weitreichende Übereinstimmungen mit den Regeln für den Erwerb zurücknehmbarer Anteile829 821
S. 76 (1)–(3) IA 1986. S. 76 (3) IA 1986. 823 Und zwar für Private wie für Public Limited Companies, siehe Clarke, in: Boyle/ Birds, 7.17, S. 229. In Großbritannien bemerkte man erst in den 1970er Jahren, daß andere Rechtsordnungen insoweit fortschrittlicher waren, Hicks, in: Hicks/Goo, 10.4.2, S. 296. 824 In Deutschland wurde das 1870 in Art. 215 III ADHGB eingeführte absolute Verbot für die AG bereits 1884 durch Art. 215d III ADHGB wieder gelockert, siehe Oechsler, in: MK AktG, § 71 Rn. 26 ff. 825 Lee/Suh, S. 20 (zum Erwerb eigener Anteile durch Unternehmen aus Deutschland, Großbritannien, Australien, Kanada, Japan, den USA und Frankreich). 826 Vgl. Ramsay/Lamba, S. 3 f. (zum Erwerb eigener Anteile durch australische Unternehmen). 827 S. 755 (1), (5) CA 2006. 828 Vgl. Ferran, S. 208. 829 Siehe den Text bei Fn. 745 ff. in Teil 2. 822
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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auf. So kann die Gesellschaft ebenfalls nur vollständig einbezahlte Geschäftsanteile erwerben830. Ein Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile scheidet aus, wenn infolgedessen außer der Gesellschaft niemand mehr gewöhnliche Anteile hielte831. Für die Gegenleistung der Gesellschaft dürfen wiederum grundsätzlich nur ausschüttbare Gewinne oder die Erlöse aus einer Ausgabe junger Anteile verwendet werden832. Allerdings genügt für den Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile keine allgemeine Satzungsermächtigung, die der Geschäftsleitung die Festlegung der Bedingungen des Anteilserwerbs überträgt. Es bedarf vielmehr stets eines mit Dreiviertelmehrheit getroffenen Gesellschafterbeschlusses833. Abweichend von den Regelungen zu zurücknehmbaren Anteilen muss die Limited zudem den gesamten Kaufpreis zwingend bereits bei Anteilserwerb entrichten834. Der Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile ist auch gestattet, wenn dieser unentgeltlich835 oder im Wege der Einziehung wegen nicht geleisteter Einlagen836 erfolgt. Ferner ist der Erwerb zur Umsetzung eines in den Fällen des s. 659 (2) (b) CA 2006 ergangenen Gerichtsbeschlusses837 sowie anläßlich einer ordnungsgemäßen Kapitalherabsetzung zulässig838. Grundsätzlich erlöschen auch gewöhnliche eigene Anteile mit ihrem Erwerb, das Nennkapital der Limited verringert sich entsprechend839. Anders als rückerwerbbare eigene Anteile können gewöhnliche eigene Anteile jedoch unter bestimmten Voraussetzungen als treasury shares von der Gesellschaft gehalten werden. Dies setzt voraus, daß der Erwerb 830 S. 691 (1) CA 2006. Dies folgt insoweit aus dem Wortlaut („purchase“), der eine Zeichnung gerade nicht umfaßt, Re VGM Holdings Ltd [1942] Ch. 235, 236 f. (C.A.). 831 S. 690 (2) CA 2006. 832 S. 692 (1), (2) CA 2006. 833 Ss. 694 (1), (2), 693 (1) (a), (2) CA 2006. Zu den Verfahrenserfordernissen siehe ss. 695 ff. CA 2006. 834 S. 691 (2) CA 2006. Die insofern nahezu wortgleichen Vorläufernormen des CA 1985 werden in der jüngeren Rechtsprechung kritisiert, da sie der Gesellschaft den Anteilsrückerwerb erschwerten: „The operation of s. 162 (2) and s. 159 (3) [CA 1985] in the present context is rather crude and is capable of producing unfairness by disrupting an apparently sensible and appropriate transaction“ (Kinlan v. Crimmin [2007] B.C.C. 106, Rn. 49). Allerdings sollen diese Regelungen gerade die Erfüllung der Voraussetzungen von s. 692 (2), (3) CA 2006 (ss. 162 (2), 160 (1), (2) CA 1985) absichern, wonach der Erwerb eigener Anteile grundsätzlich nur aus ausschüttbaren Gewinnen finanziert werden darf. Sie bezwecken damit (auch) den Schutz des verkaufswilligen Gesellschafters (Ferran, S. 217), nicht (nur) der Gesellschaft. 835 S. 659 (1) CA 2006. 836 S. 659 (2) (c) CA 2006. 837 Es handelt sich dabei um die hier nicht näher darzustellenden Sonderfälle der ss. 98, 721 (6), 759 und 994 ff. CA 2006. 838 S. 659 (2) (a) CA 2006. Zur Kapitalherabsetzung siehe den Text bei Fn. 866 ff. in Teil 2. 839 S. 706 (b) CA 2006.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
aus einem ausschüttbaren Gewinn und unter Beachtung der Verfahrensvorschriften erfolgte840 und die Anteile auf dem „Alternative Investment Market“ 841 oder einem anderen regulierten Markt zulässigerweise handelbar sind842. cc) „Financial assistance“ Der Begriff der financial assistance umschreibt die Unterstützung eines Dritten bei dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch die zu erwerbende Kapitalgesellschaft843. Erfaßt ist die direkte oder indirekte Unterstützung vor, bei und nach dem Anteilskauf 844. Beispiele sind etwa die (spätere) Besicherung einer Darlehensverbindlichkeit des Erwerbers, die dieser zur Ermöglichung des Anteilserwerbs eingegangen ist, durch Vermögenswerte der Gesellschaft845 sowie die Rückführung einer solchen Darlehensverbindlichkeit durch später ausgeschüttete Gewinne der Gesellschaft846. Ein solche Vorgehensweise ist häufig bei weitgehend fremdfinanzierten Unternehmensübernahmen (leveraged buyouts) zu beobachten847, die seit den 1980er Jahren in Großbritannien stark zugenommen haben848. Im Jahr 2004 betrug der Gesamtbetrag der dort für weitgehend fremdfinanzierte Unternehmensübernahmen ausgereichten Darlehen bereits 9,8 Mrd. £849. Unabhängig von dem sehr zweifelhaften volkswirtschaftlichen Nutzen in hohem Maße fremdfinanzierter Geschäfte850 – man bedenke die zuletzt im Zuge der sogenannten Finanzkrise zutagegetretenen erheblichen Refinanzierungsschwierigkeiten eigenkapitalschwacher Unternehmenskäufer und anschließende Insolvenzen erworbener Unternehmen, verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen851 – birgt die Gewährung finanzieller Unterstützung erhebliche Miß840
S. 724 (1) (a), (b) CA 2006. Dazu siehe den Text bei Fn. 765 f. in Teil 2. 842 S. 724 (2) (b), (d), (1) (c) CA 2006. Stattdessen kommen auch die weiteren Möglichkeiten gemäß s. 724 (2) (a), (c), (1) (c) CA 2006 in Betracht. 843 Vgl. ss. 677 (1), 678 (1) CA 2006. 844 Siehe s. 678 (1), (3) CA 2006 (ss. 151 (1), (2) CA 1985). 845 Vgl. s. 677 (1) (b) (i) CA 2006 (ss. 152 (1) (a) (ii) CA 1985). 846 Micheler, in: Davies, para. 31-1, S. 1136. 847 Vgl. Singhal, (2008) 29 Comp. Law., 355, 355. In den USA waren in den 1980er Jahren Fremdkapitalquoten von rund 90% verbreitet; seit den 1990er Jahren bewegen sich diese eher im Bereich von etwa 70%, ebd., S. 355 mit Fn. 5. 848 Doran, (1991) 12 Comp. Law., 169, 169. 849 Wollaston, (2005) 18 Insolv. Int., 145, 146. 850 Einen solchen behauptet (noch) etwa Easterbrook, (1991) 11 Int’l Rev. L. & Econ. 183, 184 ff. Siehe dagegen die etwa bei Singhal, (2008) 29 Comp. Law., 355, 355 genannten Gesichtspunkte. 851 Etwa bei dem deutschen Automobilzulieferer „Acument“, der (unter vormals anderer Firma) seit 1843 besteht, 2006 von dem Finanzinvestor „Platinum Equity“ über841
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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brauchsgefahren852. So kann sie auf die Umgehung des soeben dargestellten Verbots des Erwerbs eigener Anteile hinauslaufen. Aus diesem Grund werden die Regelungen betreffend die finanzielle Unterstützung zumeist den Kapitalerhaltungsregeln zugeordnet853. Limiteds war die Gewährung finanzieller Unterstützung – während das GmbH-Recht kein solches Verbot kennt854 – seit 1929 grundsätzlich untersagt855. Sie war nur unter engen Voraussetzungen, insbesondere der Verfügbarkeit hinreichender ausschüttbarer Gewinne, gestattet856. Die Handhabung dieses Verbots samt seiner Ausnahmen war allerdings seit jeher von zahlreichen Unsicherheiten geprägt857. Infolgedessen ist das Verbot der financial assistance für Limiteds858 mit dem Companies Act 2006 zum 01.10.2008 abgeschafft worden859. Auf eine nähere Darstellung kann hier verzichtet werden860.
nommen wurde und im August 2008 Insolvenz anmeldete, was über 400 Arbeitsplätze kostete (Der Spiegel 51/2009, S. 80 f.). 852 Bereits in dem Abschlußbericht einer Reformkommission, des sogenannten Greene Committee, aus dem Jahr 1926 heißt es: „[financial assistance] appears . . . to offend against the spirit if not the letter of the law which prohibits a company from trafficking in its own shares and the practice is open to the gravest of abuses . . .“; zitiert nach Proctor, (2007) 28 Comp. Law., 3, 3 mit Fn. 3. 853 Proctor, (2007) 28 Comp. Law. 3, 3. Dafür spricht auch ihre systematische Stellung: Die Regelungen zur financial assistance finden sich in Part 18 – Acquisition by Limited Company of its own Shares (ss. 658–737) des Companies Act 2006. Deutlicher noch zuvor im Companies Act 1985, wo sich die entsprechenden Regelungen in Part V – Share Capital, its Increase, Maintenance and Reduction (ss. 117–197) fanden. Allerdings tritt bei Gewährung finanzieller Unterstützung nicht zwingend eine Schmälerung des Nennkapitals der unterstützenden Gesellschaft und noch nicht einmal eine Verringerung ihrer Vermögenswerte ein, siehe die Beispiele bei Davies, in: Davies, para. 13-26, S. 342. 854 Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517, 518; dort in Fn. 12 allerdings mit einer unzutreffenden Verkürzung des Begriffs der financial assistance (vgl. den Text bei Fn. 844 ff. in Teil 2) auf die Aufnahme von Fremdkapital durch einen Gesellschafter. – Verboten ist eine financial assistance bei der AG, § 71a AktG. 855 S. 45 C.A.1929 und später s. 151 (1), (2) CA 1985. 856 Ss. 153, 155 CA 1985. 857 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.11, S. 218: „Many uncertainties surrounding the operation of these provisions, however, continued to cause difficulties in practice“; ähnlich Singhal, (2008) 29 Comp. Law., 355, 357. 858 Es besteht für Public Limited Companies fort, s. 678 CA 2006. Dies hat den Hintergrund, daß Art. 23 I der Kapitalrichtlinie angesichts seines Wortlauts der Abschaffung auch für Public Limited Companies im Wege steht (so auch Proctor, (2007) 28 Comp. Law. 3, 5). Anders und mit überzogener Kritik („the then British Government unwisely insisted“) Davies, in: Davies, in: Davies, para. 13-26, S. 341. 859 Arg. e s. 678 (1) CA 2006. 860 Zur Abschaffung des Verbots für Private Limited Companies näher unter dem eindrucksvollen Titel „Financial assistance for the acquisition of shares in private companies: finally laying the dead to rest“ Ereira, (2008) 23 B.J.I.B. & F.L., 289 f. Zu der früher erforderlichen Ermittlung eines hinreichenden ausschüttbaren Gewinns Reynolds, (1986) 7 Comp. Law. 105, 105 ff.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
dd) Fehlerfolgen Verstößt eine Limited beim Erwerb eigener Anteile gegen die oben dargestellten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, so ist das (einheitliche)861 Erwerbsgeschäft nichtig862. Zudem begeht jeder für den Verstoß Verantwortliche officer eine Straftat, die mit bis zu zwei Jahren Haft und/oder Geldstrafe geahndet werden kann863. Als officer gilt dabei jeder Geschäftsleiter oder sonstige leitende Angestellter sowie jeder secretary864. Verantwortlich für den Verstoß ist jeder der Genannten, der den Verstoß selbst begeht, diesen anordnet, gestattet oder jedenfalls nicht alle zu dessen Vermeidung erforderlichen Schritte ergreift865. e) Kapitalherabsetzung aa) Ordentliche Kapitalherabsetzung (1) Überblick Obzwar die Limited kein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag aufweist, sind die Normen betreffend die ordentliche Kapitalherabsetzung nicht ohne praktische Bedeutung. Denn die Regeln über die Kapitalherabsetzung finden, anders als bei der GmbH866, auch auf eine etwaige Kapitalrücklage867, in der ein Aufgeld verbucht wird, sowie auf die speziellen Rücklagen in den Fällen der s. 628 (3) und s. 733 (6) CA 2006 Anwendung. Allerdings stellt sich die Frage einer Kapitalherabsetzung für die Gesellschafter einer Limited – anders als die Frage einer Ausschüttung – nicht regelmäßig wiederkehrend, sondern allenfalls ausnahmsweise. Aus diesem Grund soll hier eine knappere Darstellung genügen. Für eine Kapitalherabsetzung kommen verschiedene Gründe in Betracht, die eine unterschiedliche Umsetzung bedingen. Bedarf die Gesellschaft keiner zusätzlichen Eigenfinanzierungsmittel, so kommt eine Kapitalherabsetzung insbesondere durch den teilweisen oder vollständigen Erlaß noch nicht erfüllter Ein-
861 Das englische Recht kennt kein Abstraktionsprinzip, siehe etwa Fetsch, RNotZ 2007, 532, 537. 862 S. 658 (2) (b) CA 2006. 863 S. 658 (2) (a), (3) CA 2006. Rechtspolitisch und rechtssoziologisch interessant erscheint, daß bei einer Verurteilung im – dem deutschen Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) vergleichbaren – summarischen Verfahren (ss. 9 ff. Magistrates’ Courts Act 1980) in England eine Strafe von bis zu einem Jahr droht, in Schottland hingegen nur eine Strafe von bis zu sechs Monaten (s. 658 (3) (b) CA 2006). 864 S. 1121 (2) (a), (1) CA 2006. 865 S. 1121 (3), (1) CA 2006. 866 §§ 58 II, 5 I GmbHG. 867 S. 610 (4) CA 2006.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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lageansprüche der Gesellschaft in Betracht868. Verfügt die Limited über einen Überschuß der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten, der ihre Finanzierungsbedürfnisse übersteigt – das heißt über ein unter dem Gesichtspunkt eines effizienten Kapitaleinsatzes letztlich zu hohes Reinvermögen (oder sind jedenfalls die Gesellschafter dieser Ansicht) –, so kann ein entsprechender Teil des paid-up share capital annulliert (cancelled) werden, um diesen Teil des Nennkapitals aus der Ausschüttungssperre869 zu lösen und an die Gesellschafter zurückzahlen870. Zudem kommt der gegenteilige Fall in Betracht, wenn nämlich dem Gesamtbetrag von gebundenem Kapital und Verbindlichkeiten keine Vermögenswerte mehr gegenüberstehen, also eine Unterbilanz vorliegt. Hier kommt – im Zuge von Sanierungsbemühungen – ebenfalls die Annullierung eines entsprechenden Teils des paid-up share capital in Frage871. Dies hat nichts mit einer Insolvenzantragspflicht zu tun, schon weil das englische Recht eine solche nicht kennt872. Vielmehr kann die Limited nach erfolgreichen Sanierungsbemühungen aufgrund der solchermaßen herabgesetzten Ausschüttungssperre früher wieder zu Ausschüttungen übergehen. (2) Vereinfachte Kapitalherabsetzung Die Herabsetzung des gebundenen Kapitals kann bei Limiteds873 seit Inkrafttreten der neuen Regelung des Companies Act 2006874 zum 01.10.2008875 einfacher vorgenommen werden876. Es bedarf nur noch einer sogenannten Solvenzerklärung (statement of solvency) der Geschäftsleiter, dem ein Gesellschafterbeschluß nachfolgt. In der Gestattung dieser „relatively informal metho[d]“ 877 liegt eine der wesentlichen Neuerungen des Companies Act 2006. In der Solvenzerklärung erklären die Geschäftsleiter der Limited schlicht, daß nach ihrem Dafürhalten keine Gründe ersichtlich sind, wegen derer die Gesellschaft nach der Kapitalherabsetzung nicht in der Lage sein könnte, sämtliche derzeit fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen, und daß dies auch für die während des auf die Kapitalherabsetzung folgenden Jahres fällig werdenden Verbindlichkeiten 868
S. 641 (4) (a) CA 2006. Siehe den Text bei Fn. 251 ff. in Teil 2. 870 S. 641 (4) (b) (ii) CA 2006. 871 S. 641 (4) (b) (i) CA 2006. 872 Siehe den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 873 Dies gilt wegen Art. 32 der Kapitalrichtlinie nicht für Public Limited Companies. 874 S. 641 (1) (a) CA 2006. 875 Companies Act 2006 – Table Of Commencement Dates (Fn. 33 in Teil 2), S. 2. 876 Die neuen Bestimmungen finden sich in den ss. 617 (2) (b), 641 ff. Zum bisherigen Verfahren gemäß ss. 645 ff. CA 2006 siehe den Text bei Fn. 895 ff. in Teil 2. 877 Ferran, S. 192. 869
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
gelte878. Es sind dabei sämtliche Verbindlichkeiten der Limted einzubeziehen, auch zukünftige Verbindlichkeiten (prospective liabilities) und Eventualverbindlichkeiten (contingent liabilities)879. Die Solvenzerklärung darf höchstens 15 Tage vor dem Tag des Gesellschafterbeschlusses abgegeben worden sein880. Sie muß den Gesellschaftern vor dem Kapitalherabsetzungsbeschluß in einer bestimmten Art und Weise zugänglich gemacht werden881. Innerhalb von 15 Tagen nach dem Kapitalherabsetzungsbeschluß ist dieser beim Companies House einzureichen882. Beizufügen ist die Solvenzerklärung, eine Erklärung der Geschäftsleiter, sämtliche Verfahrensvorschriften befolgt zu haben, sowie eine Erklärung über die neue Zusammensetzung des Eigenkapitals883. Gesellschaftsgläubigern, die eine Schlechterstellung durch die Kapitalherabsetzung fürchten, ist – anders als bei der GmbH884 – nicht Sicherheit zu leisten885. Die Nichtbefolgung der Vorschriften führt auch nicht zur Unwirksamkeit des Kapitalherabsetzungsbeschlusses886; es können lediglich Geldstrafen verhängt werden887. Die Kapitalherabsetzung wird also grundsätzlich mit ihrer Eintragung im Companies Register wirksam888. In dem Fall, daß die Geschäftsleiter eine Solvenzerklärung zum Companies Register einreichen, ohne nachvollziehbare Gründe für die darin erklärte Solvenz der Gesellschaft zu haben, können die Geschäftsleiter mit Haft von bis zu zwei Jahren bestraft werden889. Die zivilrechtlichen Folgen einer fehlerhaften Solvenzerklärung sind dagegen ungeklärt890. Das Gesetz regelt solche in keiner Weise.
878 S. 643 (1) CA 2006. Ist allerdings innerhalb des der Erklärung folgenden Jahres die Liquidierung der Gesellschaft beabsichtigt, erstreckt sich der Zeitraum auf ein Jahr ab deren Beginn, s. 643 (1) (b) (i) CA 2006. Er kann in diesem Fall also bis zu zwei Jahre betragen. 879 S. 643 (2) CA 2006 „. . . all of the company’s liabilities (including any contingent or prospective liabilities).“. Bei Eventualverbindlichkeiten liegt die Wahrscheinlichkeit der Auslösung einer Verpflichtung, anders als bei Rückstellungen, unter 50%, siehe IAS 37.12 ff., 37.23 für die Rechnungslegung nach IFRS und FRS 12.2 ff. für diejenige nach UK GAAP. 880 S. 642 (1) (a) CA 2006. 881 S. 642 (2), (3) CA 2006. 882 Ss. 29 f. CA 2006. 883 S. 644 (1), (2), (5) CA 2006. 884 § 58 I Nr. 2 GmbHG. 885 S. 646 (4), (5) CA 2006 findet in diesem Verfahren keine Anwendung, arg. s. 645 (2), (4) CA 2006. 886 Ss. 642 (4), 644 (6) CA 2006. 887 S. 644 (5) ff. CA 2006. 888 S. 644 (4), (3), (1) CA 2006. 889 S. 643 (4), (5) CA 2006, mit ebenfalls örtlich unterschiedlichem Strafrahmen (vgl. Fn. 863 in Teil 2). 890 Davies, in: Davies, para. 13-6, S. 315.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Hier greifen wohl die allgemeinen Regeln des Fallrechts ein891. Danach dürfte insbesondere die Kapitalherabsetzung ausnahmsweise unwirksam892 sein. Die Gesellschafter dürften zur Erstattung einer nach der unwirksamen Kapitalherabsetzung erfolgten rechtswidrigen Ausschüttung893, die Geschäftsleiter zur Ersatzleistung894 verpflichtet sein. (3) Herkömmliches Verfahren der Kapitalherabsetzung Das herkömmliche Verfahren der Kapitalherabsetzung durch einen mit Dreiviertelmehrheit gefaßten Gesellschafterbeschluß895 und dessen zwingender gerichtlicher Bestätigung896 dürfte für Limiteds897 wegen des deutlich größeren Aufwands898 zukünftig nur noch in zwei Sonderfällen zum Tragen kommen. Dabei handelt es sich zum einen um die Herabsetzung des Nennkapitals, wenn nach der Herabsetzung nur noch zurücknehmbare Anteile ausgegeben sein würden. Hier kommt die Kapitalherabsetzung einer aufschiebend bedingten Elimination des Nennkapitals der Gesellschaft gleich. In diesem Fall hat das Gericht den Gesellschafterbeschluß zur Kapitalherabsetzung zu bestätigen899. Gleiches gilt bei der Elimination des Nennkapitals für eine logische Sekunde, wie sie – auch bei der GmbH900 – zulässigerweise bei einer Rekapitalisierung anläßlich einer Unternehmenssanierung auftreten kann, bevor das Nennkapital sogleich wieder erhöht wird901.
891
Ferran, S. 199. Vgl. MacPherson v European Strategic Bureau Ltd [2002] B.C.C. 39, 54 f. 893 Vgl. Re Halt Garage (1964) Ltd [1982] 3 All ER 1016, Ch. D., zitiert nach Sealy/ Worthington, S. 254, und den Text bei Fn. 652 ff. in Teil 2. 894 Vgl. Aveling Barford v Perion [1989] 5 B.C.C. 677, 681, und den Text bei Fn. 697 ff. in Teil 2. 895 Notwendig ist eine special resolution, die zumindest eine Mehrheit von 3/4 der anwesenden stimmberechtigten Gesellschafter erfordert, ss. 641 (1), 283 (1), (4) CA 2006, bei schriftlicher Beschlußfassung 3/4 aller Stimmrechte, ss. 641 (1), 283 (1), (2) CA 2006. 896 S. 641 (1) (b) CA 2006. 897 Anders bei Public Limited Companies, für die wegen der Vorgaben der Kapitalrichtlinie weiterhin nur dieses Verfahren statthaft ist, arg. e contrario s. 642 (1) CA 2006. 898 So ist zusätzlich eine Liste aller Gläubiger zu erstellen, die in diesem Verfahren sämtlich über ein Widerspruchsrecht verfügen, s. 646 CA 2006. Bei einem Widerspruch hat die Gesellschaft in diesem Verfahren die Verbindlichkeit vor der Kapitalherabsetzung zu erfüllen oder Sicherheit zu leisten, s. 648 (2) (b) CA 2006. Das gerichtliche Verfahren nimmt zudem eine gewisse Zeit in Anspruch. 899 S. 641 (2) CA 2006. 900 Siehe § 58a IV GmbHG bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung. Für die ordentliche Kapitalherabsetzung ist die Zulässigkeit umstritten; siehe etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rn. 4 m.w. N. 901 Vgl. Re MB Group plc. [1989] B.C.C. 684, 689 f. 892
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
bb) Außerordentliche Kapitalherabsetzungen Außerordentliche Kapitalherabsetzungen können bei Limiteds902 in eher seltenen Sonderfällen auftreten. Der Companies Act 2006 gestattet seit Inkrafttreten der ss. 622 ff. CA 2006 zum 01.10.2009, daß eine Limited, die eine Umstellung der Währung beschließt, auf die ihr Nennkapital lautet, zur Vermeidung ungerader Beträge den Nominalwert ihrer Geschäftsanteile auf eine gerade Zahl abrunden darf. Der Unterschiedsbetrag ist in eine spezielle Rücklage einzustellen903, die nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden darf 904. Schließlich sehen verschiedene Sonderregeln des Companies Act 2006 vor, daß eine außerordentliche Kapitalherabsetzung aufgrund einer gerichtlichen Anordnung erfolgen kann905. f) Beurteilung Das Recht der Limited weist umfangreiche Kapitalerhaltungsregeln auf, deren praktische Handhabung erhebliche Schwierigkeiten bereitet906. Die Kapitalerhaltungsvorschriften werden unter Effizienzgesichtspunkten sogar grundsätzlich in Frage gestellt907. Die Vorschriften betreffend die Kapitalerhaltung sind für den Gläubigerschutz tatsächlich ohne praktische Bedeutung908. Dies wird mit dem bei der Limited zulässigen Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag begründet909. Allerdings dürfte dieser Gesichtspunkt nicht entscheidend sein. Unzurei902 Bei Public Limited Companies ist zusätzlich s. 662 CA zu beachten. Nach dieser Norm müssen wegen Zahlungsverzugs eingezogene Geschäftsanteile innerhalb von drei Jahren entweder veräußert oder annulliert werden; die in Letzterem liegende außerordentliche Kapitalherabsetzung gestattet s. 662 (2) (a) CA 2006 ausdrücklich. 903 S. 628 (1) CA 2006. 904 S. 628 (2) CA 2006. 905 Etwa ss. 98 (5), 759 (5) CA 2006. 906 Etwa Mayson/French/Ryan, 10.1, S. 274 f.: „The controls are somewhat complicated . . . The great problem is to distinguish between a legal distribution of profits and an illegal return of capital, and the problem is made worse by the wide variety of ways in which assets may be moved from a company to its members.“ 907 Armour, 63 MLR (2000), 355, 377 f.; Rickford (Hg.), (2004) 4 EBLR, 919, 921, 947. 908 In einem Arbeitspapier entwaffnend ehrlich das damalige Department of Trade and Industry (DTI) – seit 2007 Department for Business Enterprise and Regulatory Reform (BERR), seit 2009 das Department for Business, Innovation and Skills –: „Capital maintenance is largely irrelevant to the vast majority of private companies and their creditors.“ (DTI Company Law Reform White Paper, zugänglich unter http://www. berr.gov.uk/files/file13958.pdf, S. 41). 909 Clarke, in: Boyle/Birds, 7.11, S. 218: „The fact that share capital may play a very small role in a company’s financing means that these rules often have less significance than their volume and complexity would otherwise suggest. The artificialty of these rules is compounded by the fact that there is no minimum share capital for private companies.“
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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chend sind nicht die geringe Kapitalisierung, sondern die Kapitalschutzregeln der Limited. Insbesondere ist die Beschränkung des ausschüttbaren Gewinns auf eine dem Bilanzgewinn des deutschen Rechts vergleichbare Größe, die unzutreffenderweise als Beleg für vermeintlich strengere Kapitalerhaltungsregeln der Limited gegenüber der GmbH angeführt wird910, im Hinblick auf den Gläubigerschutz vernachlässigbar: Zunächst können aufgrund der einschlägigen Rechnungslegungsregelwerke, die dem (euphemistisch) als „true and fair view“ bezeichneten Ansatz verhaftet sind, in erheblichem Umfang auch noch nicht realisierte Erträge die Ausschüttungen erhöhen. Selbst, wenn sich später herausstellt, daß sich die bereits verbuchten Erträge niemals realisieren werden, soll eine Rückforderung einer darauf gründenden Gewinnausschüttung von den Gesellschaftern der Limited ausscheiden. Dies ist indessen weder gesetzlich geregelt, noch dem Fallrecht zu entnehmen; als verbindlich wird insoweit vielmehr ein Leitfaden einer privaten Wirtschaftsprüfervereinigung betrachtet. Weiter ermöglicht die im CA 2006 geregelte Ausnahme für Sachausschüttungen nun kraft Gesetzes, daß (trotz der ihnen grundsätzlich entgegenwirkenden Rechnungslegungswerke entstandene)911 stille Reserven einfacher vom Gesellschafts- in das Gesellschaftervermögen überführt werden können. Diese sehr liberalen Ausschüttungsregeln können auch noch unschwer umgangen werden. Dies ist bereits dadurch möglich, daß Gesellschafter-Geschäftsführern überhöhte Bezüge oder Muttergesellschaften überhöhte Konzernumlagen gewährt werden. Eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit solcher Zahlungen findet letztlich nicht statt; vielmehr werden selbst Zahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer hingenommen, die keinerlei Zusammenhang mit einer Gegenleistung des Gesellschafters aufweisen, sondern allein an dessen Beteiligungsquote anknüpfen. Erscheint eine Ausschüttung dennoch einmal als rechtswidrig, sind auch die Rechtsfolgen sehr liberal. Der Gesellschafter ist nicht bereits aufgrund der Rechtswidrigkeit der erhaltenen Ausschüttung zu ihrem Ersatz verpflichtet. Vielmehr muß er stets eine bestimmte subjektive Beziehung zur Rechtswidrigkeit der Ausschüttung aufweisen. Welcher Art diese subjektive Beziehung sein muss, ist bis heute ungeklärt. Vor dem Hintergrund dieser Ineffektivität der Kapitalerhaltungsregeln der Limited stellt sich die Frage einer Ineffizienz strenggenommen nicht mehr. Die Ansicht, Kapitalerhaltungsregeln seien als solche – unabhängig von ihrer Ausgestaltung – ineffizient912, ist damit zurückzuweisen. Dies gilt auch deshalb, weil zuverlässige empirische Daten über die volkswirtschaftlichen Kosten der unterschiedlichen nationalen Kapitalschutzregimes nicht ersichtlich sind. Das Gleiche 910 911 912
Etwa Just, BC 2006, 25, 27. Siehe den Text bei Fn. 524 in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 744 in Teil 2.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
gilt für die volkswirtschaftlichen Kosten alternativer rechtsgeschäftlicher Gläubigerschutzsysteme, die durchaus deutlich höher liegen könnten.
III. Andere präventive Kapitalschutzinstrumente Neben den Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften kennt das Recht der Limited weitere präventive Kapitalschutzinstrumente. 1. Berufsverbot für Geschäftsleiter Zu diesen präventiven Kapitalschutzinstrumenten zählt zunächst die Verhängung eines Berufsverbots gegenüber einem (ehemaligen) Geschäftsleiter der Limited. Zwar knüpft dieses an ein vorangehendes Fehlverhalten an913; ein Berufsverbot wirkt damit auch reaktiv. Erstes Ziel der Vorschriften zur Verhängung eines Berufsverbots ist jedoch der Schutz des Rechtsverkehrs vor einer zukünftigen Tätigkeit der betreffenden Person als Geschäftsleiter914, weshalb der Gesichtspunkt der Prävention bei einem Berufsverbot überwiegt. Die einschlägigen Regelungen finden sich in einem eigenen Gesetz, dem Companies Directors Disqualification Act 1986 (CDDA 1986). Das Berufsverbot wird kraft gerichtlicher disqualification order verhängt. Dadurch wird dem (ehemaligen) Geschäftsleiter untersagt, das Amt eines Geschäftsleiters zu bekleiden915. Ein solches amtsbezogenes Berufsverbot kann auch ohne Verurteilung des Geschäftsleiters wegen einer Straftat ausgesprochen werden916, was eine Besonderheit des englischen Rechts darstellt917. Auch gegenüber dem Gesellschafter einer Limited als Schattengeschäftsleiter 918 kann ein Berufsverbot ergehen919. Das Berufverbot kann für bis zu 15 Jahre920 verhängt werden. Gründe für ein Berufsverbot sind etwa die Beteiligung an einem „wrongful trading“ 921 vor Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens hinsichtlich einer Limited922, die nach Eröffnung eines Krisenreaktionsverfahrens erkannte Unfähig913
Siehe den Text bei Fn. 921 ff. in Teil 2. Just, Rn. 188. 915 S. 1 (1) (a) CDDA 1986. 916 S. 1 (4) Companies Directors Disqualification Act 1986. 917 Die Übertragung dieser Regeln auf die GmbH schlägt Steffek, ZRP 2007, 228, 230, vor. 918 S. 251 IA 1986; zum Schattengeschäftsleiter siehe den Text bei Fn. 1189 ff. in Teil 2. 919 Etwa in den Fällen der ss. 6, 7, 10 CDDA 1986, siehe ss. 6 (3C) CDDA 1986, s. 10 (1) CDDA 1986 i.V. m. s. 214 (7) IA 1986. 920 Vgl. ss. 4 (3), 6 (4), 10 (2) CDDA 1986. 921 Siehe dazu ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 922 S. 10 (2) CDDA 1986; zum „wrongful trading“ siehe ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 914
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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keit des Geschäftsleiters923 und beharrliche Verstöße gegen Publizitätsvorschriften924. 2. Publizität Bei den Vorschriften zur Publizität der Limited – insbesondere ihrer Rechnungslegungspublizität – handelt es sich um ein weiteres präventives Kapitalschutzinstrument. Der informationelle Schutz durch Publizität hat im englischen Recht einen hohen Stellenwert („forewarned is forearmed“)925. Die Rechnungslegungspublizität krankt allerdings von vornherein an der durch die Zeitwertbilanzierung geschmälerten Aussagekraft der Rechnungslegung der Limited926. Als Vorbedingung jeder Publizität muß die Limited eine ordnungsgemäße Buchführung aufweisen927. Zum Ende des Geschäftsjahrs der Gesellschaft928 hat die Geschäftsleitung daraus den Einzelabschluß der Limited abzuleiten929. Nur Muttergesellschaften, die nicht als kleine Gesellschaft im Sinne des Companies Act 2006 gelten930, müssen zusätzlich einen Konzernabschluß anfertigen931. Der Jahresabschluß der Gesellschaft ist anhand der Rechnungslegungsregelwerke der UK GAAP oder IFRS zu erstellen932. Nach den UK GAAP muß der Abschluß eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung umfassen933. Die IFRS schreiben als Bestandteile des Jahresabschlusses eine Bilanz, eine GuV, eine Eigenkapitalveränderungsrechnung, eine Kapitalflussrechnung und einen Anhang vor934. Der Detaillierungsgrad der Rechnungslegung unterscheidet sich je nach der Größe der Limited. Kleine Gesellschaften im Sinne des Companies Act 2006 müssen gemäß UK GAAP wie IFRS lediglich vereinfachte Abschlüsse erstellen935. Die Abschlüsse müssen (nur) drei Jahre aufbewahrt werden936. 923
S. 6 (1) CDDA 1986. S. 3 (1) CDDA 1986. 925 Davies, in: Davies, para. 21-1, S. 711. 926 Siehe etwa den Text bei Fn. 910 in Teil 2. 927 Ss. 386 ff. CA 2006. 928 Dazu siehe ss. 390 ff. CA 2006. 929 S. 394 CA 2006. 930 Als kleine Gesellschaft gelten alle Limiteds, die wenigstens zwei der drei Kriterien Umsatz bis einschließlich £ 6,5 Mio., Bilanzsumme bis einschließlich £ 3,26 Mio. und Mitarbeiterzahl bis einschließlich 50 erfüllen, s. 382 (1), (3) CA 2006. 931 S. 399 CA 2006. 932 Siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 933 S. 396 (1) CA 2006. 934 IAS 1.8, 1.2. 935 Siehe die besondere Verordnung Small Companies and Groups (Accounts and Directors’ Report) Regulations (SI 2008 No. 409), dort insbesondere Sch. 1. Diese Verordnung betrifft sowohl die nach UK GAAP, als auch die nach IFRS bilanzierenden Unternehmen, ss. 4 ff., 9 ff. 936 S. 388 (4) (a) CA 2006. 924
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Die Geschäftsleitung hat zusätzlich einen gesonderten Bericht (director’s report) aufzustellen937. Darin ist insbesondere der Geschäftsgang des abgelaufenen Geschäftsjahres samt der ihm innewohnenden Risiken darzustellen938 und ggf. die Versicherung anzugeben, daß die Geschäftsleitung den Abschlußprüfern939 alle für die Prüfung erforderlichen Angaben zur Verfügung gestellt hat940. Der Jahresabschluß und der Bericht der Geschäftsleitung der Limited sind grundsätzlich durch einen hinreichend qualifizierten Wirtschaftsprüfer941 zu prüfen942. Dies gilt nicht für kleine Gesellschaften943, Limiteds ohne laufenden Geschäftsbetrieb944 und unter öffentlich-rechtlicher Aufsicht stehende Gesellschaften945. Der Jahresabschluß, der Bericht der Geschäftsleitung und ein etwaiger Prüfbericht sind zum Register einzureichen946; bei kleinen Limited bedarf es nur der Einreichung der Bilanz947. Regelmäßig zum Jahrestag der Inkorporation der Gesellschaft ist dem Register zusätzlich ein jährliches Dokument (annual return) zugänglich zu machen, das einerseits Angaben aus dem letzten Abschluß zusammenfaßt948, andererseits weitere Informationen – etwa über die Gesellschafter und ihren Anteilsbesitz949 – enthält. Während Publizität in den Anfängen des englischen Gesellschaftsrechts als ausreichendes Mittel des Gläubigerschutzes galt, wurde sie in den letzten Jahrzehnten durch weitere Instrumente ergänzt950. Dabei handelt es sich insbesondere um reaktive Kapitalschutzinstrumente.
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente Als wesentlicher Bestandteil des Gläubigerschutzes treten heute neben das dargestellte präventiv wirkende Kapitalschutzsystem der Limited reaktive Instrumente, die erst nach einer Schmälerung der Haftungsmasse der Gesellschaft eingreifen. 937
S. 415 CA 2006. S. 417 CA 2006. 939 Sofern die Limited nicht von der Prüfungspflicht ausgenommen ist (s. 418 (1) CA2006), siehe den Text bei Fn. 943 ff. in Teil 2. 940 S. 418 CA 2006. 941 Zu den Anforderungen siehe Davies, in: Davies, para. 22-15, S. 774. 942 S. 475 (1) CA 2006. 943 S. 477 CA 2006. 944 S. 480 CA 2006. 945 S. 482 CA 2006. 946 Ss. 445 (1), (2), 441 (1) CA. 947 Ss. 444 (1) (a), 441 (1) CA. 948 Davies, in: Davies, para. 21-37, S. 752. 949 Ss. 856, 856A CA 2006. 950 Vgl. Davies, in: Davies, para. 21-1, S. 711 f. 938
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente
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I. Primäres reaktives Kapitalschutzinstrument: wrongful trading 1. Überblick Bei dem Rechtsinstitut des wrongful trading handelt es sich um einen besonderen Haftungstatbestand, der den Geschäftsleiter (director) einer Limited und den Gesellschafter – als Schattengeschäftsleiter – treffen kann. Die Haftung für wrongful trading geht zurück auf die 1981 geäußerte Empfehlung einer Kommission zur Reform des englischen Insolvenzrechts, das sogenannte Cork Committee951, welche der Gesetzgeber mit Schaffung des IA 1986 weitgehend umgesetzt hat952. Der neue Haftungstatbestand sollte die bereits zuvor geltende Haftung für fraudulent trading ergänzen, welche eine Betrugsabsicht erfordert und demgemäß mit erheblichen Beweisschwierigkeiten einhergeht953. Die Schaffung von s. 214 IA 1986 wurde als „radical departure from the existing law“ bezeichnet und mit großen Hoffnungen aufgenommen954. Die Norm hat ferner den Gesetzgeber bei der Formulierung der durch den Companies Act 2006 in das Gesetz aufgenommenen Geschäftsleiterpflichten maßgeblich beeinflußt955. S. 214 IA 1986 soll den Adressatenkreis dazu veranlassen, die den Gesellschaftsgläubigern drohenden Forderungsausfälle zu verringern, sobald die insolvenzbedingte Liquidation der Limited nicht mehr vermeidbar erscheint956. Dies hat den Hintergrund, daß bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes957 weder den Geschäftsleiter, noch den Gesellschafter einer Limited eine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags trifft; der Geschäftsleiter ist lediglich antragsbefugt958. Eine Haftung kann nach, aber auch schon vor dem Eintritt eines Insolvenzgrundes ausgelöst werden959. Der Begriff des „wrongful trading“ ist gesetzlich nicht definiert. Er tritt allein in der Überschrift von s. 214 IA 1986 in Erscheinung, ohne daß dies eine rechtliche Bedeutung hätte960. Der Ausdruck „wrongful trading“ ist
951
Cork, para. 1775 ff., S. 398 ff. Finch, (1992) 55 M.L.R. 179, 193. 953 Vgl. Davies, in: Davies, para. 9-6, S. 217. 954 Cook, (1999) 3 Insolv. L. 99. 955 Davies, in: Davies, para. 16-12, S. 490; para. 9-10, S. 221. 956 Hicks/Cooke, (1993) 7 J.B.L. 338, 341; Totty/Moss, B1-32. 957 Zu den Insolvenzgründen siehe den Text bei Fn. 1018 ff. in Teil 2. 958 S. 124 (1) IA 1986. Zusätzlich zum Geschäftsleiter sind Gesellschafter („contributories“), Gläubiger, ein Liquidator (s. 124 (1) IA 1986) und der „Secretary of State“ (s. 124 (4), 124A IA 1986) antragsbefugt. 959 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 178 f., 184 f., 187 f.; siehe den Text bei Fn. 1261 ff. in Teil 2. 960 Totty/Moss, B1-32. 952
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
zudem mißverständlich, da eine Haftung kein positives Handeln voraussetzt961 – entgegen dem durch den Gebrauch des gerund in „trading“ erweckten Eindruck. Voraussetzungen und Rechtsfolgen sind in s. 214 IA 1986 geregelt: (1) Subject to subsection (3) below, if in the course of the winding up of a company it appears that subsection (2) of this section applies in relation to a person who is or has been a director of the company, the court, on the application of the liquidator, may declare that that person is to be liable to make such contribution (if any) to the company’s assets as the court thinks proper. (2) This subsection applies in relation to a person if – (a) the company has gone into insolvent liquidation, (b) at some time before the commencement of the winding up of the company, that person knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation, and (c) that person was a director of the company at that time; but the court shall not make a declaration under this section in any case where the time mentioned in paragraph (b) above was before 28th April 1986. (3) The court shall not make a declaration under this section with respect to any person if it is satisfied that after the condition specified in subsection (2) (b) was first satisfied in relation to him that person took every step with a view to minimising the potential loss to the company’s creditors as (assuming him to have known that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into solvent liquidation) he ought to have taken. (4) For the purposes of subsections (2) and (3), the facts which a director of a company ought to know or ascertain, the conclusions which he ought to reach and the steps which he ought to take are those which would be known or ascertained, or reached or taken, by a reasonably diligent person having both – (a) the general knowledge, skill and experience that may reasonably be expected of a person carrying out the same functions as are carried out by that director in relation to the company, and (b) the general knowledge, skill and experience that that director has. (5) The reference in subsection (4) to the functions carried out in relation to a company by a director of the company includes any functions which he does not carry out but which have been entrusted to him. (6) For the purposes of this section a company goes into insolvent liquidation if it goes into liquidation at a time when its assets are insufficient for the payment of its debts and other liabilities and the expenses of the winding up. (7) In this section „director“ includes a shadow director. (8) This section is without prejudice to section 213.
961 Sealy/Worthington, S. 665; Goode, in: Goode, para. 12-26, S. 531; siehe den Text bei Fn. 1264 ff. in Teil 2.
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente
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2. Voraussetzungen a) Einschlägiges Krisenreaktionsverfahren eröffnet Erste Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs aus s. 214 IA 1986 ist, daß aufgrund einer finanziellen Krise der Gesellschaft ein einschlägiges Krisenreaktionsverfahren eingeleitet wurde962. Eine Haftung aus s. 214 IA 1986 scheidet von vornherein aus, wenn eine Limited schlicht aus dem Register gelöscht wurde (struck off the register)963, ohne daß ein einschlägiges Krisenreaktionsverfahren voranging. Eine solche Löschung erfolgt gerade dann, wenn die Gesellschaft vermögenslos ist und die Einleitung eines Krisenreaktionsverfahrens deshalb nicht zweckmäßig erscheint964. Das englische Recht kennt, wie auch das deutsche965, eine Mehrzahl von Krisenreaktionsverfahren. In England sind seit Einführung des IA 1986966 insgesamt sechs967 verschiedene Krisenreaktionsverfahren zu unterscheiden.
962 Vgl. s. 214 (2) (a), (6) IA 1986. Zu den einschlägigen Krisenreaktionsverfahren siehe den Text bei Fn. 980 ff. in Teil 2. 963 Zu Verfahren und Voraussetzungen siehe ss. 1000 ff. CA 2006. 964 Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 321. Nach englischem Verständnis folgt die Auflösung der Gesellschaft einem Abwicklungsverfahren nach (Triebel/Hodgson/Kellenter/ Müller, Rn. 777), während die GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§ 60 I Nr. 4 Hs. 1 GmbH) und danach abgewickelt (§§ 11 ff. InsO) wird. 965 Hier stehen neben dem Regelinsolvenzverfahren die übertragende Sanierung (vgl. § 260 III InsO), das Verfahren des Insolvenzplans unter Leitung des Insolvenzverwalters (§§ 217 ff. InsO) und das Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) zur Verfügung. Im Schrifttum wird teilweise eine Inflexibilität sowie eine Sanierungsfeindlichkeit des deutschen Rechts behauptet (vgl. etwa Windsor/Müller-Seils/ Burg, NZI 2007, 7, 11 f.). Allerdings wird etwa das Insolvenzplanverfahren vor allem aufgrund fehlender Kenntnisse der Verfahrensbeteiligten selten genutzt (Uhlenbruck/ Vallender, NZI 2009, 1, 4 f.). Die Kritik erscheint daher jedenfalls überzogen, wenn nicht verfehlt (vgl. selbst aus englischer Sicht Griffiths/Hellmig, NZI 2008, 418, 420; aus deutscher Sicht Vallender, NZI 2007, 129, 135 ff.; D. Andres/Grund, NZI 2007, 137, 138). Dennoch plant der deutsche Gesetzgeber weitreichende Reformen zur Schaffung einer „Insolvenzkultur“, die angloamerikanische Vorstellungen nachahmt und „eine Kultur der zweiten Chance“ schaffen soll (vgl. die Rede der Bundesministerin der Justiz Leutheusser-Schnarrenberger beim 7. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein am 17. März 2010 in Berlin, Manuskript zugänglich unter http://www.bmj.de/SharedDocs/Reden/DE/2010/20100 317_7er_Deutscher_Insolvenzrechtstag.html). 966 Zuvor gab es in England lediglich die zwei Krisenreaktionsverfahren des creditors voluntary winding up und des compulsory winding up, siehe Dennis, S. 117. 967 Vallender, NZI 2007, 129, 133, meint, auch bei dem Verfahren des members voluntary winding up handele es sich um ein „Insolvenzverfahren“. Dieses Verfahren stellt jedoch das gewöhnliche Verfahren zur Abwicklung der solventen Gesellschaft dar, vergleichbar dem Liquidationsverfahren der GmbH (§§ 66 ff. GmbHG). Zumindest mißverständlich insoweit auch Dennis, S. 499.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
aa) Nicht hinreichende Krisenreaktionsverfahren Eine Haftung aus s. 214 IA 1986 nicht begründen können die vier in erster Linie auf die Sanierung der Limited gerichteten968 Verfahren969. Zu nennen sind hier das Vergleichsverfahren zur Erzielung eines company voluntary arrangement970 sowie das zwar seltener angewandte, entgegen einer anderen Ansicht aber durchaus praxisrelevante971 Vergleichsverfahren zur Herbeiführung eines scheme of arrangement972. Eine wichtige Rolle spielt aufgrund seiner Flexibilität973 und seiner Schnelligkeit974 seit einer Gesetzesänderung zum 15.09.2003 vor allem das Verfahren der administration procedure975. Ferner besteht das Verfahren der receivership976. Hierbei handelt es sich allerdings letztlich nicht um ein kollektives Krisenreaktionsverfahren, sondern um ein Zwangsverwaltungsverfahren zugunsten eines einzelnen Gläubigers977, das zudem nach der genannten Gesetzesänderung stark an Bedeutung verloren hat978. Diese Verfahren sind hier nicht näher darzustellen979. 968 Siehe etwa die in para. 3 (1) Sch. B1 IA 1986 bestimmten Ziele der administration procedure. 969 Sealy/Milman, S. 234; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 259; Griffin, Personal Liability, S. 78. 970 Ss. 1 ff. IA 1986 i.V. m. Sch. A1 IA 1986; Dennis, S. 93 ff. 971 Wachendorf, S. 77 mit Fn. 335, meint – ohne Begründung –, dieses Verfahren habe sich in der Praxis „als ungeeignet erwiesen“. Demgegenüber stellt Goode, para. 126, S. 28 fest: „[. . .] s. 425 [scil.: CA 1985] continues to be used in a number of cases“. 972 Siehe s. 895 ff. CA 2006, zuvor s. 425 ff. CA 1985. Hierzu ausführlich etwa Finch, S. 479 ff. 973 Vgl. Sealy/Hooley, S. 1214. 974 Vgl. Dennis, S. 118. 975 Siehe s. 8 IA 1986 i.V. m. Sch. B1 IA 1986. Die bei Wachendorf, S. 79 (Veröffentlichung in 2008) insoweit in Bezug genommenen ss. 9–27 IA 1986 bestehen bereits seit 2003 nicht mehr. Fehlerhaft auch Redeker, S. 153 mit Fn. 1012, der meint, bei dem Verfahren der administration procedure handele es sich um ein „Liquidationsverfahren“. Zum Verfahren der administration ausführlich etwa Finch, S. 363 ff. sowie Dennis, S. 117 ff. und noch den Text bei Fn. 1094 ff. in Teil 2. 976 Siehe ss. 28 ff. IA 1986. Zu dieser Verfahrensart ausführlich etwa Finch, S. 327 ff. 977 Vgl. s. 29 (2) IA 1986. 978 Insbesondere dadurch, daß der Inhaber einer floating charge, eines in England häufig eingesetzten besonderen Sicherungsmittels (dazu siehe den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2), nunmehr grundsätzlich keinen Zwangsverwalter (administrative receiver) mehr bestellen kann (siehe s. 72A ff. IA 1986 i.V. m. para. 1 ff. Sch. 2A IA 1986), sondern stattdessen auf die Einleitung einer administration procedure angewiesen ist (vgl. Sch. B1, para. 14 IA 1986). Der Inhaber des Sicherungmittels der fixed charge kann dagegen weiterhin einen (ordinary) receiver bestellen, arg. e contrario s. 72A i.V. m. ss. 28 ff. IA 1986. 979 Einen guten Überblick geben Dennis, S. 92 ff. und Sealy/Hooley, S. 1214 ff. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Brown, S. 545 ff., 617 ff., 29 ff. Zu den verschiedenen Verfahrensarten aus deutscher Sicht siehe ausführlich Starnecker, S. 57 ff.; Perker, S. 16 ff.; Florian, S. 113 ff.; Lange, S. 25 ff.
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bb) Einschlägige Krisenreaktionsverfahren Eine Haftung aus s. 214 IA 1986 kommt allein in Betracht, wenn zuvor ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren eingeleitet wurde („the company has gone into insolvent liquidation“)980. Das ist entweder das Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung eines Insolvenzverwalters (creditors voluntary winding up) gemäß ss. 97 ff. IA 1986 (dazu unten (1)) oder das Abwicklungsverfahren unter Mitwirkung eines vom Gericht beaufsichtigten Insolvenzverwalters (winding up by the court oder auch compulsory winding up)981 nach ss. 177 ff. IA 1986 (unten (2)). (1) Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters Bei dem Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters handelt es sich letztlich um ein besonderes Liquidationsverfahren; das englische Recht unterscheidet, anders als das GmbH-Recht982, nicht scharf zwischen Liquidations- und Insolvenzverfahren983. Entgegen seiner mißverständlichen Benennung wird dieses Verfahren nicht durch Gesellschaftsgläubiger, sondern durch den Auflösungsbeschluß der Gesellschafterversammlung eingeleitet984. Voraussetzung ist, daß sich zuvor985 keine Mehrheit der Geschäftsleiter986 gefunden hat, die eine Solvenzerklärung – ähnlich derjenigen, die bei einer Kapitalherabsetzung erforderlich ist987 – abgegeben hätte988. Eine solche Solvenzerklärung (statutory declaration of solvency) enthält die Versicherung, daß die Gesellschaft ausweislich gründlicher Prüfung durch die Geschäftsleitung imstande sein wird, innerhalb von bis zu 12 Monaten ab Beginn des Verfahrens, das ist ab dem Auflösungsbeschluß989, sämtliche Gesellschaftsschulden einschließlich Zinsen990 zu tilgen991. 980
S. 214 (2) (a) IA 1986. Die Bezeichung als compulsory winding up ist irreführend, da dieses Verfahren auch auf Antrag der Gesellschaft eingeleitet werden kann (s. 124 (1) IA 1986). 982 Vgl. §§ 60 ff. GmbHG einerseits, §§ 11 ff. InsO anderseits. 983 Siehe etwa die für beide Verfahrensarten geltenden ss. 84 ff. IA 1986. 984 S. 84 (1) (c) IA 1986. Die in s. 84 (1) (a), (b) IA 1986 genannten Gründe führen zum gewöhnlichen, nicht durch die Insolvenzreife der Gesellschaft ausgelösten Abwicklungsverfahren des members voluntary winding up, das für eine Haftung aus s. 214 IA 1986 ohne Bedeutung ist. 985 S. 89 (2) (a) IA 1986. 986 S. 89 (1) IA 1986. 987 Siehe den Text bei Fn. 877 ff. in Teil 2. 988 S. 90 IA 1986. 989 Siehe s. 86 IA 1986. 990 In Höhe des vertraglich vereinbarten oder des gesetzlichen Zinssatzes, je nachdem, welcher höher ist, siehe ss. 189 (4), 251, 89 (1) IA 1986. 981
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Liegt bei Fassung des Auflösungsbeschlusses keine Solvenzerklärung vor und kommt es demgemäß zu einem creditors voluntary winding up, bedeutet dies – entgegen einer anderen Ansicht992 – nicht notwendig, daß bereits die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung der Gesellschaft eingetreten ist. Möglich ist vielmehr auch, daß eine Überschuldung oder/und Zahlungsunfähigkeit erst innerhalb der nächsten 12 Monate zu erwarten ist/sind. Damit bedarf es für die Einleitung eines creditors voluntary winding up – ähnlich dem deutschen Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit993 – im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung weder der Zahlungsunfähigkeit, noch der Überschuldung der Limited. Tatsächlich werden die Gesellschafter die Abwicklung der Gesellschaft aber zumeist erst bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft einleiten994, so daß die gläubigerschützende Wirkung der bereits zuvor statthaften Verfahrenseinleitung in der Praxis gering sein dürfte. Im Verfahren des creditors voluntary winding up können die Gläubiger Einfluß auf das Verfahren nehmen, was letztlich die Bezeichnung erklärt. Insbesondere können die Gläubiger den Insolvenzverwalter bestimmen995. Als solcher kommt allerdings ein Gläubiger selbst nicht in Betracht; es muß sich bei dem Insolvenzverwalter vielmehr stets um einen insolvency practitioner handeln996. Dies sollen unabhängige997 Fachleute mit Erfahrung im Bereich der Unternehmenssanierung sein998. Die Gläubiger sind überdies vermittels regelmäßiger Gläubigerversammlungen am Verfahren zu beteiligen999. Das Verfahren des creditors voluntary winding up ist in Deutschland ohne Parallele. 991 Ss. 89 (1), 90 IA 1986. Die Solvenzerklärung ist zum Register einzureichen, s. 89 (3) IA 1986. Die Abgabe einer Solvenzerklärung, die bei vernünftiger Betrachtung durch die Sachlage nicht gerechtfertigt war, kann mit Geldstrafe oder Haft belegt werden, s. 89 (4) IA 1986. Insoweit gilt (im Strafrecht!) die Vermutungsregel des s. 89 (5) IA 1986, wonach die Abgabe einer Solvenzerklärung als nicht durch die Sachlage gerechtfertigt gilt, wenn innerhalb von fünf Wochen nach ihrer Abgabe der Erklärung ein Abwicklungsverfahren eingeleitet wird und die Gläubiger der Limited nicht vollständig befriedigt werden können. 992 So Redeker, S. 89. 993 § 18 I, II InsO. 994 Dies legen empirische Daten aus Deutschland nahe, die auf England übertragbar sein dürften. In Deutschland wurden 2007 bei insgesamt 29.160 eröffneten Unternehmensinsolvenzverfahren 28.951, entsprechend 99,28%, wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eröffnet; dagegen lediglich 209 ausschließlich wegen drohender Zahlungsunfähigkeit – entsprechend 0,72%. Vgl. Angele, in: Wirtschaft und Statistik 4/ 2008, 302, 306. 995 S. 100 (2) IA 1986. Bei dem gewöhnlichen Abwicklungsverfahren bestimmen allein die Gesellschafter den Liquidator, s. 91 (1) IA 1986. 996 Ss. 230 (3), 389 (1), 388 (1) IA 1986. 997 Snowden, in: Lightman/Moss/Anderson/Fletcher/Snowden, para. 7-001 f., S. 196. 998 Zu den Voraussetzungen, die ein insolvency practitioner im Einzelnen erfüllen muß, siehe ss. 390 ff. IA 1986 sowie die Insolvency Practitioners Regulations 1990 (SI 1990/439) und die Insolvency Practitioners Regulations 2005 (SI 2005/524).
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Scharf vom Verfahren des creditors voluntary winding up zu trennen ist das gewöhnliche, nicht durch die Insolvenz der Gesellschaft ausgelöste Abwicklungsverfahren des members voluntary winding up. Dieses setzt zwingend eine Solvenzerklärung der Geschäftsleiter voraus1000. Es handelt sich damit nicht um ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren im Sinne des s. 214 (2) (a) IA 1986, so daß dieses Verfahren keine Haftung aus s. 214 IA 1986 nach sich ziehen kann1001. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen beiden Verfahrensarten liegt darin, daß die Gesellschaftsgläubiger – entgegen einer anderen Ansicht1002 – an einem members voluntary winding up in keiner Weise beteiligt sind1003. Das members voluntary winding up ähnelt letztlich dem durch Beschluß der Gesellschafter eingeleiteten Liquidationsverfahren der GmbH1004. Ein Verfahren des members voluntary winding up kann in ein creditors voluntary winding up übergehen. Dies geschieht, wenn der Liquidator im erstgenannten Verfahren die Ansicht gewinnt, daß die Gesellschaft trotz vorheriger Solvenzerklärung der Geschäftsleitung nicht in der Lage sein wird, sämtliche Verbindlichkeiten nebst Zinsen rechtzeitig zu begleichen1005. In diesem Fall ist er verpflichtet, eine Gläubigerversammlung einzuberufen1006. Mit dem Tag der Versammlung gilt die Solvenzerklärung als nicht abgegeben1007, wodurch das Verfahren ohne weiteres zu einem creditors voluntary winding up wird1008. (2) Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts Das unter Aufsicht des Gerichts stattfindende insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren des winding up by the court findet auf Antrag eines Gläubigers, der
999
Ss. 98 (1) (a), 105 f. IA 1986. S. 90 IA 1986. 1001 Redeker, S. 189, 193, 88 f., meint, auch im Verfahren des members voluntary winding up könnten „Klage[n] nach sec. 214 IA 1986 erhoben“ werden, widerspricht sich indes auf S. 89 f. selbst. 1002 Buchmann, S. 75, meint, der Einfluß der Gläubiger sei bei einem creditors voluntary winding up gegenüber einem members voluntary winding up „gesteiger[t]“. Auf das letztgenannte Verfahren haben Gläubiger jedoch keinen Einfluß, siehe ss. 91 ff. IA 1986. Die von Buchmann bemühten ss. 86, 90 IA 1986 stützen seine Behauptung nicht. 1003 Eine Ausnahme gilt seit 2003 lediglich für Gläubiger, die über das Sicherungsmittel der floating charge verfügen (dazu siehe den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2), s. 84 (2A), (2B) IA 1986. 1004 § 60 I Nr. 2 i.V. m. §§ 61 ff. GmbHG. 1005 Ss. 95 (1), 89 (1) IA 1986. 1006 S. 95 (2) (a) IA 1986; zu dem einzuhaltenden Verfahren siehe s. 95 (2) (b)–(d) IA 1986. 1007 Ss. 96 (a), 89 (1) IA 1986. 1008 S. 90 IA 1986. 1000
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Gesellschaft, eines Geschäftsleiters oder des Rechtspflegers statt1009. Auch kann ein bereits eingeleitetes creditors voluntary winding up in das gerichtliche Abwicklungsverfahren überführt werden1010. Bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung durch das Gericht kann es einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen1011, dessen Befugnisse – wie in Deutschland1012 – das Gericht bestimmt1013. Vorläufiger Insolvenzverwalter wird üblicherweise1014 der örtlich zuständige official receiver, ein Amtswalter des dem Innenministerium unterstehenden Insolvency Service1015. Das Gericht hat das Verfahren grundsätzlich1016 zu eröffnen, wenn ein Eröffnungsgrund vorliegt1017. Eröffnungsgründe sind in der Praxis zumeist1018 Überschuldung (balance sheet insolvency)1019 oder Zahlungsunfähigkeit (cash flow oder commercial insolvency)1020 der Gesellschaft. Die weiteren Verfahrenseröffnungsgründe1021 spielen in der Praxis keine Rolle1022. Für eine Haftung aus s. 214 IA 1986 ist nur der (modifizierte) Eröffnungsgrund der Überschuldung von Bedeutung1023, so daß hier allein darauf einzugehen ist. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung liegt vor, wenn der Wert der Vermögensgegenstände der Limited sowohl bei Antragstellung, als auch im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung des Gerichts über die Verfahrenseröffnung1024 nicht wenigstens den Betrag der Verbindlichkeiten der Gesellschaft er-
1009 S. 124 (1) IA 1986. Zur den Einzelheiten der Antragstellung siehe rr. 4.7 ff. Insolvency Rules 1986. 1010 Vgl. s. 116 IA 1986. 1011 S. 135 (1), (2) IA 1986 i.V. m. r. 4.25 ff. Insolvency Rules 1986. 1012 § 21 I 1 Nr. 1 i.V. m. § 22 I, II InsO. 1013 S. 135 (4), (5) IA 1986. 1014 Davies, in: Davies, para. A-3, S. 1220. 1015 Siehe s. 399 f. IA 1986. 1016 Es besteht jedoch ein Ermessensspielraum des Gerichts, vgl. ss. 122 (1), 125 (1) IA 1986 („may“). Das Verfahren ist etwa dann nicht zu eröffnen, wenn es für Gläubiger keinen Vorteil erbringen könnte; siehe schon Re Greenwood & Co. [1900] 2 Q.B. 306, 307; Re London Suburban Bank (1870–1871) 6 Ch. App. 641, 642. 1017 Re Camburn Petroleum Products Ltd [1980] 1 W.L.R. 86, 93; Re London Suburban Bank (1870–1871) 6 Ch. App. 641, 643. 1018 Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 122 IA 1986, S. 151. Daneben kann, etwa bei drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, auch das Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts durch einen Gesellschafterbeschluß eingeleitet werden, s. 122 (1) (a) IA 1986. Von dieser Möglichkeit wird allerdings schon wegen der höheren Kosten kaum Gebrauch gemacht, sondern stattdessen regelmäßig das Verfahren der voluntary liquidation gewählt, siehe dies., s. 122 IA 1986, S. 150. 1019 Ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 1986. 1020 Ss. 123 (1), 122 (1) (f) IA 1986. 1021 S. 122 (1) (a), (d), (fa), (g) IA 1986. 1022 Bailey/Groves, para. 14.38, S. 560, para. 14.31, S. 557 f. 1023 Vgl. s. 214 (6) IA 1986; siehe den Text bei Fn. 1109 ff. in Teil 2. 1024 Doyle/Keay, s. 123, S. 130; vgl. auch Bailey/Groves, para. 14.51, S. 565.
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reicht1025. Schon wegen des Abstellens auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung kann zur Prüfung einer Überschuldung nicht die Bilanz des letzten Jahresabschlusses der Limited herangezogen werden. Vielmehr ist – wie bei der GmbH, dort indes mit anderem Inhalt1026 – eine gesonderte Überschuldungsbilanz zu erstellen. Die Überschuldungsbilanz unterscheidet sich auch in ihrer Zusammensetzung von der gewöhnlichen Bilanz. So sind auf der Passivseite der Bilanz zusätzlich bestimmte zukünftige Verbindlichkeiten (prospective liabilities) anzusetzen1027. Hierbei handelt es sich um einen besonderen insolvenzrechtlichen Begriff, der in den Regelwerken der Rechnungslegung nicht auftaucht. Darunter sind diejenigen Verbindlichkeiten zu subsumieren, die mit Gewißheit zukünftig fällig werden; dazu zählen einerseits Verbindlichkeiten, deren Fälligkeit bereits feststeht, aber auch solche, deren Fälligkeit sich anhand eines zukünftigen Ereignisses ermitteln läßt1028. Anders als im gewöhnlichen Jahresabschluß1029 sind in die Überschuldungsbilanz auch Eventualverbindlichkeiten einzustellen1030. Zukünftige oder bedingte Vermögenswerte sind nach der überwiegenden Ansicht in der Überschuldungsbilanz dagegen nicht in Ansatz zu bringen1031. Hierin liegt eine durch das Gesetz – nicht vermöge der einschlägigigen Rechnungslegungsstandards – angeordnete ausnahmsweise Anwendung des (in Deutschland grundsätzlich geltenden)1032 Imparitätsprinzips. Dieses Ansatzverbot wird im Schrifttum zunächst für zukünftige Vermögensgegenstände (prospective as-
1025
S. 123 (2) IA 1986. Vgl. Leithaus, in: Andres/Leithaus, § 19 Rn. 5 ff. Auch die Überschuldungsbilanz der GmbH weicht erheblich von ihrer gewöhnlichen Bilanz ab. So sind in der Überschuldungsbilanz etwa zusätzlich stille Reserven und bestimmte selbstgeschaffene Vermögenswerte anzusetzen (vgl. Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Kap. 17 Rn. 36 ff.) Dies gilt in weiterreichendem Umfang als nun nach dem BilMoG in der HGB-Bilanz gestattet (§§ 248 II, 253 I, 255 IIa HGB n. F., vgl. dazu den Text bei Fn. 359 in Teil 2). 1027 S. 123 (2) IA 1986. 1028 Stonegate Securities Ltd v Gregory [1980] Ch. 576, 579, C.A. Vgl. bereits Re British Equitable Bond and Mortgage Corp Ltd [1901] 1 Ch. 574, 576. Beispiel: Fälligkeit des restlichen Werklohns innerhalb von zwei Woche nach Abnahme des Werks. 1029 Siehe dazu IAS 37.27 (für die Rechnungslegung nach IFRS) sowie FRS 12.27 (für die Rechnungslegung nach UK GAAP). 1030 S. 123 (2) IA 1986. Zum Begriff siehe erneut (vgl. Fn. 879 in Teil 2) IAS 37.12 ff., 23 für die Rechnungslegung nach IFRS und FRS 12.2 ff. für diejenige nach UK GAAP. Unklar Brown, para. 1.9, S. 4, der meint, die in Gesetz und Rechnungslegung verwendeten Begriffe „könnten“ sich unterscheiden. 1031 Byblos Bank SAL v Al-Khudhairy [1986] 2 B.C.C. 99.549, 99.562 ff., CA; Doyle/Keay, s. 123, S. 133; Keay/Walton, para. 2.1.4, S. 20; Bailey/Groves, para. 14.51, S. 565, para. 17.20, S. 700. 1032 Vgl. § 252 I Nr. 4 HGB; zur Reichweite des Imparitätsprinzips etwa Wohlgemuth, in: Niemann/Sradj/Wohlgemuth, Rn. 540 ff. 1026
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sets)1033 bezweifelt1034. Nach einer weiteren Ansicht sollen auf der Aktivseite spiegelbildlich zusätzlich die aufgrund der Erfüllung einer bedingten Verbindlichkeiten im Gegenzug zufließenden bedingten Vermögensgegenstände (contingent assets)1035 zu berücksichtigen sein, um insgesamt nur den Nettowert der bedingten Verbindlichkeit abzubilden1036. Beide Ansichten überzeugen in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts von s. 123 (2) IA 1986 nicht. Diese Vorschrift erwähnt zukünftige und bedingte Verbindlichkeiten, nicht aber zukünftige oder bedingte Vermögensgegenstände. Auch in den den IA 1986 ergänzenden Insolvency Rules 1986 findet sich insoweit keine Bezugnahme auf zukünftige oder bedingte Vermögensgegenstände1037. – Unstreitig nicht in der Überschuldungsbilanz darzustellen sind der Gesellschaft bloß spekulativ, das heißt ohne rechtlichen Anknüpfungspunkt in der Gegenwart zufließende Vermögenswerte1038. Dazu zählt etwa eine lediglich in Aussicht gestellte Finanzhilfe der Gesellschafter1039. In der anläßlich der Prüfung des Eröffnungsgrunds zu erstellenden Überschuldungsbilanz hat das Gericht die Vermögensgegenstände der Gesellschaft – insoweit unstreitig – entweder mit Zerschlagungs- oder mit Fortführungswerten zu bewerten. Maßgeblich ist hierbei, ob das Gericht bei Erstellung der Überschuldungsbilanz, also ex ante, von der Zerschlagung oder der Fortführung der Limited ausgeht1040. Das Gericht kann sich bei der Aufstellung der Überschuldungsbilanz sachverständiger Hilfe bedienen1041. 1033 Auch hierbei handelt sich um einen rechtlich geprägten Begriff, der sich in dieser Form nicht in den Regelwerken der Rechnungslegung findet. 1034 Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 123 IA 1986, S. 156. 1035 Zum Begriff siehe IAS 37.10 für die Rechnungslegung nach IFRS und FRS 12.2 für diejenige nach UK GAAP. 1036 Goode, para. 4-36, S. 113, der das Beispiel einer (bedingten) Verbindlichkeit der bilanzierenden Gesellschaft aus einer Bürgschaft nennt. Werde die Bürgschaft gezogen und sei die gesicherte Forderung zusätzlich durch einen Dritten besichert, gehe die Sicherheit zusammen mit der Forderung gegen den Schuldner auf den Bürgen, die bilanzierende Gesellschaft, über. Der Wert der zusätzlichen Sicherheit würde nach dieser Ansicht in der Überschuldungsbilanz als bedingter Vermögensgegenstand ausgewiesen. – In mehrfacher Hinsicht falsch Redeker, S. 93, der Goode (S. 87 der Vorauflage von 1997) dahin mißversteht, daß „auf der Aktivseite . . . dem Wert der Bürgschaftsforderung [richtig: der aus der Bürgschaft möglicherweise erwachsenden Verbindlichkeit] dann aber auch der Wert einer Sicherheit [richtig: ein Regreßanspruch des Bürgen gegen einen Dritten] gegenübergestellt werden [kann], die dem Gläubiger am Gesellschaftsvermögen [richtig: an einem Vermögensgegenstand des Dritten] bestellt wurde.“ 1037 Vgl. r. 13.12 (3), (4) Insovency Rules 1986. 1038 Doyle/Keay, s. 123, S. 133; Keay/Walton, para. 2.1.4, S. 20; Bailey/Groves, para. 14.51, S. 565, para. 17.20, S. 700; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 123 IA 1986, S. 156. 1039 Byblos Bank SAL v Al-Khudhairy [1986] 2 B.C.C. 99.549, 99.561 f., C.A. 1040 Goode, para. 4-37, S. 113 f.; Jones, (1993) 5 I.L.&P., 133, 135. 1041 Bailey/Groves, para. 14.52, S. 566. Dies ergibt sich indes nicht aus der dort als Beleg angeführten Entscheidung Re London and Manchester Industrial Association (1875–1876) 1 Ch. D. 466, 472.
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Ergibt sich bei der Überschuldungsprüfung, daß die Aktiva der Limited in Höhe ihres gesamten Werts dinglich belastet1042, die Verfahrenskosten also nicht gedeckt sind, steht dies formal der Verfahrenseröffnung nicht entgegen1043. Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft selbst ohne dingliche Belastung noch nicht einmal über hinreichende Vermögenswerte verfügt, um daraus die Verfahrenskosten zu begleichen – insoweit anders als grundsätzlich im Fall der Massearmut im deutschen Recht1044. Dennoch wird in der Praxis ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts nicht eingeleitet, wenn die Vermögensgegenstände der Gesellschaft nach überschlägiger1045 Prüfung die Verfahrenskosten nicht decken würden1046. Statt dessen kommt es in diesem Fall zur bloßen Löschung der Gesellschaft aus dem Register, wodurch eine Haftung nach s. 214 IA 1986 von vornherein ausscheidet1047. – Weitere Voraussetzung der Verfahrenseröffnung ist ein Kostenvorschuß des Antragstellers. Eines Vorschusses bedarf es, anders als in Deutschland1048, auch unabhängig von einer Massearmut1049. Mit Eröffnung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens unter Aufsicht des Gerichts wird der official receiver automatisch zum Insolvenzverwalter. Er übt dieses Amt aus, solange kein anderer Insolvenzverwalter bestellt ist1050. Der official receiver kann auf eigene Initiative durch eine von der Gläubigerversammlung1051 oder seinem oberstem Dienstherrn, dem Innenminister1052, bestimmten gewöhnlichen Insolvenzverwalter ersetzt werden1053. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn kein gesteigertes Interesse der Gläubiger oder der Öffentlichkeit an der Tätigkeit der Amtsperson des official receiver be1042 Etwa mit einer (konkretisierten) floating charge, einem besonderen Sicherungsmittel, das sich auf das Vermögen der Limited bezieht; siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. 1043 S. 125 (1) IA 1986. Bei Massearmut kann das Verfahren allerdings in das vereinfachte Verfahren der early dissolution gemäß s. 202 (2) IA 1986 überführt werden. 1044 § 26 I 1 InsO. 1045 Vgl. Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 321. 1046 Bailey/Groves, para. 14.7, S. 546. 1047 Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 321. Siehe dazu noch den Text bei Fn. 1071 ff. in Teil 2. 1048 Hier ist ein Kostenvorschuß für die Verfahrenseröffnung nur bei Massearmut erforderlich, arg. e contrario § 26 I 2 InsO. Vgl. auch Uhlenbruck, in: Gottwald, § 4 Rn. 18, 21. 1049 R. 4.7 (2) Insolvency Rules 1986. Dieser beträgt derzeit 905 £, vgl. S. 6 der Veröffentlichung des DTI „Dealing With Debt – How to wind up a company that owes you money“, zugänglich unter http://www.insolvency.gov.uk/pdfs/guidanceleafletspdf/how towindupacompany.pdf. 1050 S. 136 (1)–(3) IA 1986 i.V. m. r. 4.100 ff. Insolvency Rules 1986. 1051 Ss. 139, 136 (4) IA 1986. 1052 S. 137 (1) IA 1986. 1053 Zum Verfahren siehe r. 4.108 ff. Insolvency Rules 1986.
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steht1054. Bei dem neuen Insolvenzverwalter muß es sich wiederum1055 um einen insolvency practitioner handeln1056. Oftmals bleibt jedoch der official receiver während des gesamten Verfahrens Insolvenzverwalter1057. Er hat als solcher die Pflicht, die Ursachen des Scheiterns des Unternehmens zu untersuchen1058, um später etwaige Maßnahmen gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter der Limited einleiten und insbesondere eine Klage aus s. 214 IA 1986 anstrengen zu können. (3) Abgrenzung beider Verfahrensarten Das Verfahren unter Aufsicht des Gerichts unterscheidet sich von dem unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters durch eine stärkere öffentliche Kontrolle1059. Im Verfahren unter Aufsicht des Gerichts erscheint der Insolvenzverwalter als dessen ausführendes Organ1060 und ist, wie erwähnt, als official receiver häufig selbst Amtsperson. Er ist strikt zu Unparteilichkeit und zu fairem Verhalten verpflichtet1061. Das Gericht verfügt zudem über umfangreichere Befugnisse als der Insolvenzverwalter im Verfahren unter dessen alleiniger Verantwortung. So kann das Gericht bereits vor Verfahrenseröffnung sachdienliche Anordnungen aller Art treffen1062. Nach Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens kann das Gericht etwa Gläubiger von der Verteilung des Gesellschaftsvermögens ausschließen, die ihre Forderungen nicht bis zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt nachgewiesen haben1063. Es kann ferner Schuldner dazu verpflichten, Forderungen der Gesellschaft nicht durch Zahlung an den Insolvenzverwalter, sondern durch Zahlung auf ein Treuhandkonto zu erfüllen1064. Die Entscheidung 1054
Vgl. Doyle/Keay, s. 137, S. 165. Siehe den Text bei Fn. 996 ff. in Teil 2 zum Verfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters. 1056 Ss. 389 (1), 388 (1) IA 1986. Der official receiver muß dagegen nicht die Qualifikation eines insolvency practitioners aufweisen (ss. 389 (2), (1), 388 (1) IA 1986), wird aufgrund seiner Tätigkeit als spezialisierte Amtsperson jedoch in der Regel über vergleichbare Fertigkeiten verfügen. 1057 Davies, in: Davies, para. A-3, S. 1220. 1058 S. 132 (1) IA 1986. 1059 Morse, para. 15.007: „The principal differences between the voluntary and compulsory modes of winding-up are ultimately attributable to the fact that a compulsory winding-up is initiated by means of a court order, and is thus subject to more exacting, and more closely-applied, judicial and administrative control.“ 1060 Re T.H. Knitwear (Wholesale) Ltd [1988] Ch. 275, 289. 1061 Re Contract Corp, Gooch’s Case (1872) L.R. 7 Ch. ApS. 207, 213: „The official liquidator, as the officer of the Court, is bound to see that in this free fight everybody has a fair field and no favour, and to act strictly in the interests of truth and justice, and none other“. 1062 S. 125 (1) IA 1986: „any order that it thinks fit“. 1063 S. 153 (1) IA 1986. 1064 S. 153 (2) IA 1986. 1055
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über die Verwendung dieser Mittel unterliegt allein dem Gericht1065. Es kann zudem nach Verfahrenseröffnung erfolgte Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen, die – wie in Deutschland1066 – grundsätzlich unwirksam sind, für wirksam erklären1067. Gleiches gilt für die Übertragung von Geschäftsanteilen1068. Das gerichtliche Verfahren wird in der Krise der Limited typischerweise von vornherein eingeleitet, wenn ein unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters durchgeführtes Verfahren nicht erfolgversprechend ist – etwa wenn der Verdacht eines mißbräuchlichen Verhaltens der Geschäftsleitung besteht1069. Zu Überleitung eines Verfahrens unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters in eines unter Aufsicht des Gerichts kommt es regelmäßig dann, wenn das bisherige Verfahren nicht ordnungsgemäß verlaufen ist1070. In diesen Fällen erweisen sich die gegenüber der Handhabe des alleinverantwortlichen Insolvenzverwalters weitergehenden Möglichkeiten des Gerichts als sinnvoll. Insgesamt ähnelt das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts dem deutschen Insolvenzverfahren. cc) Beurteilung Die Voraussetzung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens in s. 214 (2) (a) IA 19861071 führt zunächst zum Ausschluß einer Haftung in all den Fällen, in denen eine Limited ohne vorangegangenes Krisenreaktionsverfahren aus dem Register gelöscht wird. Dabei handelt es sich mit 206.200 Gesellschaften etwa im Zeitraum von April 2007 bis März 20081072 um eine überaus große Zahl. Demgegenüber nimmt sich die Zahl der für eine Haftung aus s. 214 IA 1986 hinreichenden insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren mit 13.561 in diesem Zeitraum1073 gering aus.
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S. 151 IA 1986. § 81 InsO. 1067 S. 127 (1) IA 1986. 1068 S. 127 (1) IA 1986. 1069 Vgl. Morse, para. 15.010. 1070 Goode, para. 5-06, S. 126. 1071 Anders als Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 321, meint, steht dann bereits diese Voraussetzung einer Haftung aus s. 214 IA 1986 entgegen. Auf den Umstand, daß ohne ein Verfahren die Prüfung und Geltendmachung etwaiger Ansprüche durch den Insolvenzverwalter entfällt, kommt es nicht mehr an. Demgegenüber entfällt eine Haftung nicht wegen der nachträglichen Löschung der Gesellschaft, da eine zuvor begründete Haftung auch nach ihrer Löschung fortbesteht, s. 1000 (7) (a) CA 2006. 1072 Statistical Tables on Companies Registration Activities 2007–08 (im Folgenden: Statistical Tables 2007–2008), zugänglich unter http://www.companieshouse.gov.uk/ about/companiesRegActivities 2007_2008.pdf, Table C 1, S. 14. 1073 Statistical Tables 2007–2008 (Fn. 1072 in Teil 2), Table C 2, S. 15. 1066
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Zudem begrenzt s. 214 (2) (a) IA 1986 den Anwendungsbereich der Haftung wegen „wrongful trading“ zusätzlich auf einen kleinen Teil der in England zur Verfügung stehenden Krisenreaktionsverfahren. Eine Haftung aus s. 214 IA 1986 scheidet von vornherein aus, wenn es zu einem Sanierungsverfahren zur Erzielung eines company voluntary arrangement oder scheme of arrangement oder zu einer administrative receivership oder administration procedure gekommen ist. Zwar kann etwa im letztgenannten Verfahren der administrator darauf hinwirken, daß das Verfahren in ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren überführt wird1074. Dazu kommt es allerdings nur selten1075. Das nimmt nicht Wunder, da der administrator durch entsprechende Bemühungen regelmäßig den Verlust seines Amtes und der entsprechenden Gebühreneinnahmen einleitet1076. Der Erfolg derartiger Bemühungen hängt zudem von der Entscheidung des Gerichts ab1077. Überdies ist der Übergang in ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren mit Zeitverlust verbunden und kostenintensiv1078. Der Ausschluß einer Haftung nach s. 214 IA 1986 bei Einleitung eines der genannten vier Sanierungsverfahren wird damit begründet, daß die eingeleitete Unternehmenssanierung nicht durch Klagen gegen Mitglieder der Geschäftsleitung gefährdet werden soll1079. Dieser Ausschluß steht indessen den Erwägungen der Reformkommission entgegen1080; er wird teilweise auch im Schrifttum kritisiert, wenngleich zumeist ohne nähere Begründung1081. Die Herausnahme der vier erwähnten Sanierungsverfahren ist in der Tat nicht nachvollziehbar: Die Sanierungsmöglichkeiten eines Unternehmens werden durch Haftungsklagen nach s. 214 IA 1986 allenfalls unerheblich beeinträchtigt. Sie richten sich nicht gegen das Unternehmen, sondern gegen einen (Schatten-) Geschäftsleiter im Zeitpunkt des behaupteten Fehlverhaltens. Auf s. 214 IA 1986 gestützte Haftungsverfahren werden zudem regelmäßig erst nach Abschluß des Krisenreaktionsverfahrens oder jedenfalls erst einige Zeit nach dessen Einleitung 1074
Vgl. s. 79 (2) (a) IA 1986; ss. 82 (1) (a), (3) (a), 124A IA 1986. Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 259: „some administrations are ended in favour of insolvent liquidations [Hervorh. von mir.]“. 1076 Bei einem Übergang in das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters werden die Gläubiger zumeist, wie vorgesehen (siehe den Text bei Fn. 995 ff. in Teil 2), eine andere Person für das Amt des Insolvenzverwalters benennen. 1077 S. 82 (3) IA 1986. 1078 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 82. 1079 In diesem Sinne gibt Griffin, Personal Liability, S. 78, die Überlegungen des Gesetzgebers wieder, die schließlich ihren Niederschlag in s. 214 IA 1986 gefunden haben. 1080 Cork, para. 1792, S. 401: „where the company is in liquidation or receivership, or where an administrator has been appointed“. 1081 Vgl. Parry, para. 18-09, S. 258; Griffin, Personal Liability, S. 78 f.; siehe aber Keay, S. 82 f., der die Kritik mit dem Hinweis auf abweichende Regelungen in anderen Rechtsordnungen begründet. 1075
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eröffnet, zumal sich ein möglicherweise haftungsbegründendes Fehlverhalten der Geschäftsleitung zuvor kaum ermessen läßt, so daß es auch deshalb kaum zu Interferenzen kommen kann. Ferner werden Geschäftsleiter, die sich dem Vorwurf gläubigerschädigenden Verhaltens ausgesetzt sehen, im Zeitpunkt der Klagerhebung ohnehin häufig nicht mehr im Unternehmen tätig sein. In der Praxis bedeutet die Begrenzung auf lediglich zwei der insgesamt sechs im Fall der Unternehmenskrise zur Verfügung stehenden Verfahrensarten eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von s. 214 IA 1986. Im Jahr 2008 kam es insgesamt zu 15.5351082 insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren1083 und zu 6.274 für eine Haftung wegen „wrongful trading“ nicht hinreichenden anderen Krisenreaktionsverfahren1084. Die Zahl derjenigen Verfahren, die eine Haftung aus s. 214 IA 1986 nach sich ziehen können, läge also um über 40% höher1085, wenn alle Verfahrensarten einbezogen würden. Dies zeigt, daß gerade die ungesicherten Gläubiger, die durch s. 214 IA 1986 geschützt werden sollten,1086 häufig leer auszugehen drohen1087. So droht im Verfahren einer administrative receivership, dessen Einleitung der Inhaber des besonderen Sicherungsmittels der floating charge1088 veranlaßt hat, die Verwertung wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens1089 zugunsten des Siche1082 Insolvency Service, Company Liquidations in England and Wales, zugänglich unter http://www.insolvency.gov.uk/otherinformation/statistics/historicdata/CompanyLiqui dations.xls. 1083 D.h. Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts (winding up by the court bzw. compulsory winding up oder liquidation) und solche unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters (creditiors voluntary winding up). Siehe Insolvency Service, Company Liquidations in England and Wales, zugänglich unter http://www.insol vency.gov.uk/otherinformation/statistics/historicdata/CompanyLiquidations.xls. 1084 Also die Verfahren des company voluntary arrangement, scheme of arrangement, administrative receivership oder der administration procedure. Betreffend das scheme of arrangement liegen keine Daten vor, so daß die Gesamtzahl noch höher liegen dürfte. Siehe Insolvency Service, Receiverships, Administrations and Company Voluntary Arrangements in England and Wales Registered at Companies House, zugänglich unter http://www.insolvency.gov.uk/otherinformation/statistics/historicdata/CompanyAdminis tration.xls. 1085 Es ist anzunehmen, daß sich die Werte ähnlich verhalten, wenn man die in den genannten Zahlen enthaltenen Verfahren herausnimmt, die Unternehmen einer anderen Rechtsform als der der Limited betreffen. Eine Unterscheidung ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich. 1086 Cook, (1999) 3 Insolv. L. 99, 100. 1087 Treffend Wheeler, (1993) 5 J. B. L., 256, 269: „The real problem for unsecured creditors appears to be in finding a way to ensure that realisation of assets does not occur completely outside the winding-up.“. 1088 Siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. 1089 Überhaupt erst im Jahr 2003 wurde mit s. 176A IA 1986 eine Regelung eingeführt, die ungesicherten Gläubigern bei der Verteilung einen Teil (prescribed part) des Gesellschaftsvermögens trotz dessen Belastung mit einer floating charge (siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2) sichert. Dabei handelt es sich um lediglich 20% des
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rungsnehmers. Dann fällt ein ungesicherter Gläubiger im Verfahren der administrative receivership (teilweise) aus. Es kann aufgrund dieses Verfahrens aber zu keiner Haftung aus s. 214 IA 1986 kommen, die den Ausfall des ungesicherten Gläubigers mindern könnte. Nach der Verteilung des Gesellschaftsvermögens und dem Abschluß des Verfahrens der administrative receivership wird ein von s. 214 IA 1986 vorausgesetztes insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren mangels Masse1090 regelmäßig nicht mehr eingeleitet 1091. Überdies führt die Beschränkung auf insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren zu zufälligen Ergebnissen. Die haftungsrechtlichen Folgen ein und desselben Fehlverhaltens hängen davon ab, welches Krisenreaktionsverfahren später eingeleitet wird. So weisen etwa das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters und die adminstration procedure weitgehend übereinstimmende Voraussetzungen auf 1092. Sie werden denn auch als funktional austauschbar betrachtet1093. Diese sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte erscheint grob unbillig. Bedenklicher noch ist es, daß die Umgehung eines für eine Haftung aus s. 214 IA 1986 hinreichenden Verfahrens oft nicht vom Zufall abhängt, sondern planmäßig erfolgt. In den letzten Jahren rieten Sanierungsberater Gesellschaftsgläubigern häufig dazu, keinen Antrag auf Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zu stellen, sondern statt dessen eine administration procedure einzuleiten1094. Obschon dieses Verfahren ineffektiv und damit ineffizient ist, wenn keine Sanierungsaussichten für die Gesellschaft bestehen1095, kam es zu zahlreichen verdeckten Abwicklungsverfahren („liquidations in disguise“)1096 im Gewand einer administration procedure. Das betraf sogar Fälle, in denen selbst das über die Verfahrenseröffnung entscheidende Gericht erkannt hatte, daß
Reinvermögens der Gesellschaft; nur die ersten 10,000 werden zu 50% für die ungesicherten Gläubiger zurückgehalten. Insgesamt gebühren diesen höchstens 600,000 (s. 3 The Insolvency Act 1986 (Prescribed Part) Order 2003 (SI 2003 No. 2097) i.V. m. s. 176A (8) IA 1986). 1090 Siehe den Text bei Fn. 1045 f. in Teil 2. 1091 Vgl. Griffin, Personal Liability, S. 78 f. 1092 Siehe einerseits den Text bei Fn. 980 ff. in Teil 2 zu den Voraussetzungen der beiden insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren, andererseits para. 11 Sch. B1 IA 1986 betreffend die administration procedure. 1093 Vgl. Re GHE Realisations [2006] W.L.R. 287, 290 f.; Re Ballast Plc [2005] W.L.R. 1928, 1934. 1094 So in anderem Zusammenhang Venton, (2006) 6 I. L. & P., 205, 207. Die administration procedure kann u. a. durch Gläubiger der Gesellschaft eingeleitet werden, para. 12 (1) (c) Sch. B1 IA 1986. 1095 Vgl. Venton, (2006) 6 I. L. & P., 205, 207 mit Fn. 56. 1096 Begriff von Frisby, S. 74: „cases which [. . .] would almost certainly have been carried out as a liquidation“.
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keine echten Sanierungsaussichten bestanden1097. Dies hat den Hintergrund, daß es seit dem Jahr 2004 gewisse Schwierigkeiten bereitet, einen Insolvenzverwalter zu finden, der ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren zu übernehmen bereit ist1098. Denn die Kosten des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens und damit auch die Gebühren und Auslagen des Insolvenzverwalters sollten ausweislich einer Entscheidung des House of Lords aus dem Jahr 2004 gegenüber Ansprüchen des Inhabers einer floating charge1099 nur nachrangig zu befriedigen sein1100. Wenn ein solches Sicherungsmittel bestellt ist und das Vermögen der Gesellschaft voraussichtlich vollständig zur Befriedigung des gesicherten Gläubigers aufgebraucht würde, droht der Insolvenzverwalter leer auszugehen. Demgegenüber ist für das Verfahren der administration procedure ein Vorrang der Gebühren und Auslagen des Verwalters eindeutig geregelt1101. Ob sich diese Situation durch eine zum 06.04.2008 in Kraft getretene Überarbeitung der einschlägigen Regeln verbessert, erscheint fraglich. Denn am Vorrang der floating charge ändert sich nichts, es wird lediglich eine abweichende Übereinkunft zwischen Insolvenzverwalter und gesichertem Gläubiger sowie eine gerichtliche Anordnung des Vorrangs der Verfahrenskosten ermöglicht1102. Geradezu grotesk erscheint, daß die Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens – obschon ansonsten sämtliche Voraussetzungen vorliegen – letztlich die von einer Haftung aus s. 214 IA 1986 bedrohten (Schatten-)Geschäftsleiter selbst verhindern können. Dazu müssen sie zunächst einen eigenen Antrag auf Einleitung etwa einer administration procedure1103 stellen. Dann wird das Gericht einen – beispielsweise von einem ungesicherten Gläubiger eingereichten – Antrag auf Durchführung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts zurückweisen1104, wenn es der Ansicht ist, daß eine administration procedure gegenüber einem Abwicklungsverfahren vorzugswürdig erscheint1105. Das wird wegen der starken Betonung des Sanierungsgedankens im englischen Recht und der Ausrichtung der administration procedure hierauf 1106 oft der Fall sein. Auch spielt hier wiederum die bei der administration 1097
Re Logitext UK Ltd [2004] EWHC 2899, para. 25 ff., Ch. D. Ausweislich der Ergebnisse einer Umfrage des Insolvency Service (zugänglich unter http://www.insolvency.gov.uk/insolvencyprofessionandlegislation/policychange/ LeylandDAFquestionnaireresults.doc, dort S. 3) gilt das vor allem für die großen Insolvenzverwalter: „the vast majority indicating that they had taken fewer cases“. 1099 Siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. 1100 Buchler v Talbot [2004] 2 A.C. 298, 308 ff., HL. 1101 Siehe para. 99 (3) (b) i.V. m. para. 70 Sch. B1 IA 1986. 1102 R. 4.218 (2) (b), 4.218A ff. Insolvency Rules 1986 i. d. F. der The Insolvency (Amendment) Rules 2008 (SI 2008 No. 737). 1103 Antragsberechtigung gemäß para. 22 (2) Sch. B1 IA 1986. 1104 Siehe para. 40 (1) (a) Sch. B1 IA 1986. 1105 Para. 11 (b), 3 (1) Sch. B1 IA 1986. 1106 Dennis, 3.3.1, S. 117. 1098
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procedure vorteilhaftere Kostenregelung eine Rolle. Diese Umgehungsmöglichkeit untergräbt offensichtlich die durch s. 214 IA 1986 bezweckte Verhaltenssteuerung; hierin liegt ein – auf der Hand liegender – krasser Fehlanreiz1107. Schließlich gefährdet die Beschränkung des s. 214 IA 1986 auf insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren in Anbetracht der faktischen Austauschbarkeit verschiedener Krisenreaktionsverfahren paradoxerweise gerade die Sanierung offensichtlich überlebensfähiger Unternehmen. Zur Anreicherung der freien Masse, insbesondere bei der Belastung des Gesellschaftsvermögens mit einer floating charge, werden die oftmals zahlreichen ungesicherten Gläubiger nach Kräften auf die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens – anstelle eines der in erster Linie auf die Sanierung ausgerichteten Krisenreaktionsverfahren – drängen, wenn sie ein „wrongful trading“ der Geschäftsleiter vermuten1108. b) Überschuldung bei Einleitung des Krisenreaktionsverfahrens aa) Begriff der Überschuldung im Sinne des s. 214 IA 1986 Eine Haftung setzt weiter voraus, daß die Limited im Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens (auch) im Sinne des s. 214 IA 1986 überschuldet war. Das ist der Fall, wenn ihre Vermögenswerte ihre Verbindlichkeiten und die Kosten des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens nicht decken1109. Ein Gleichlauf zwischen dieser Voraussetzung einer Haftung nach s. 214 IA 1986 und den Eröffnungsgründen eines einschlägigen insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens1110 besteht – anders als grundsätzlich bei der deutschen Insolvenzantragsverschleppungshaftung1111 – nicht: Für ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters ist eine Überschuldung der Gesellschaft bei Einleitung dieses Verfahrens nicht erforderlich1112. Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit1113 ist als solcher – entgegen einer anderen Ansicht1114 – für eine Haftung aus s. 214 IA 1986 ebensowenig hinreichend1115 wie die verschiedenen weiteren Verfahrenseröffnungsgründe1116. 1107
Parry, para. 18-10, S. 258, spricht insoweit von einem „perverse incentive“. Keay, S. 82; Parry, para. 18-10, S. 258. 1109 Ss. 214 (2) (a), (6) IA 1986. 1110 Dazu siehe den Text bei Fn. 980 ff. in Teil 2. 1111 Indes ist auch bei der Insolvenzantragsverschleppungshaftung der GmbH kein vollständiger Gleichlauf anzutreffen. Hier ist bei einem Antrag des Schuldners auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund (§ 18 I InsO); eine Haftung können jedoch nur die Eröffnungsgründe der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit (§§ 17 I, 19 I InsO) auslösen, § 15a I 1 InsO. 1112 Siehe den Text bei Fn. 985 ff. in Teil 2. 1113 I.S.d. ss. 123 (1), 122 (1) (f) IA 1986. 1108
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Der Grund für diese Einschränkungen liegt in der s. 214 IA 1986 zugrundeliegenden Annahme, daß die Gesellschaftsgläubiger durch das einem „wrongful trading“ nachfolgende insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren nur dann einen Nachteil erlitten, wenn das Gesellschaftsvermögen bei Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens die Verbindlichkeiten nicht zu decken vermochte1117. Die Überschuldung im Sinne von s. 214 (6) IA 1986 ist vor diesem Hintergrund scharf von dem soeben dargestellten Eröffnungsgrund der Überschuldung in ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 1986 abzugrenzen1118. Dies gilt zunächst für den Zeitpunkt der Prüfung. Während die Überschuldung in ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 1986 bereits im Eröffnungsstadium des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens unter Aufsicht des Gerichts zu untersuchen ist, ist eine Überschuldung im Sinne von s. 214 (6) IA 1986 erst in einem der Verfahrenseröffnung folgenden1119 Haftungsprozeß zu prüfen. Auch die bei der Prüfung einer Überschuldung für die Sach- und Rechtslage zugrundezulegenden Zeitpunkte weichen voneinander ab. Für die Überschuldung in ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 1986 ist insoweit sowohl auf die Antragstellung als auch auf die letzte mündliche Verhandlung über die Verfahrenseröffnung abzustellen1120. Der für die Überschuldung im Sinne von s. 214 (6) IA 1986 maßgebliche Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens1121 weicht jeweils davon ab: Im Verfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters gilt als solcher die Fassung des Auflösungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung; im Verfahren unter Aufsicht des Gerichts ist der Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses entscheidend1122. Zudem stellt die Überschuldung im Sinne von s. 214 IA 1986 auch inhaltlich einen eigenen Begriff dar1123, der nur für Zwecke dieser Vorschrift einheitlich
1114 Schuberth, S. 191, meint, auch ein Abwicklungsverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit sei insoweit hinreichend. 1115 Siehe nochmals s. 214 (6) IA 1986. 1116 S. 122 (1) (a), (d), (fa), (g) IA 1986. 1117 Bailey/Groves, para. 17.20, S. 699; Snaith, para. 21.11, S. 678. Zum Gehalt dieser Annahme siehe näher Fn. 1170 ff. in Teil 2. 1118 Ungenau daher Haug, S. 186 f.; Wachendorf, S. 86. 1119 S. 214 (2) (a) IA 1986: „This subsection applies in relation to a person if the company has gone into insolvent liquidation“ [Hervorh. von mir]. 1120 Siehe den Text bei Fn. 1024 f. in Teil 2. 1121 „A company goes into insolvent liquidation if it goes into liquidation at a time when its assets are insufficient“, s. 214 (6) IA 1986. Davon zu unterscheiden ist der Zeitpunkt des Beginns der Abwicklung im Sinne der ss. 86, 129 IA 1986. Verfehlt meint Redeker, S. 89 f., es sei auf die Stellung des Insolvenzantrags abzustellen. 1122 S. 247 (2) i.V. m. s. 214 (6) IA 1986. 1123 Brown, para. 1.9, S. 4 mit Fn. 17; Morse, para. 15.599.28 mit Fn. 1: „technical expression“, „special definition“.
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auszulegen ist1124. Bereits der Wortlaut von s. 214 (6) IA 1986 stimmt nicht mit dem für das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts geltenden Eröffnungsgrund der Überschuldung in ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 19861125 überein. So sind gemäß s. 214 (6), abweichend von ss. 123 (2), 122 (1) (f) IA 1986, ausdrücklich zusätzlich die Kosten des insolvenzbedingten Liquidationsverfahrens zu berücksichtigen1126. Schon deshalb1127 entspricht dieser Überschuldungsbegriff auch nicht demjenigen des § 19 II InsO1128. Bereits wegen dieser Unterschiede ist zur Feststellung einer etwaigen Überschuldung im Sine des s. 214 IA 1986 – entgegen einer anderen Ansicht1129 – eine (weitere)1130 Überschuldungsbilanz aufzustellen. Dabei sind unter Beachtung der vorgenannten Besonderheiten die einschlägigen Rechnungslegungswerke zugrundezulegen, ohne daß insoweit Sonderregeln eingreifen1131. Insbesondere sind in der Überschuldungsbilanz keine etwaigen stillen Reserven aufzudecken, zumal die in Deutschland hierunter fallenden Bilanzposten bei Bilanzierung nach IFRS, wie nach UK GAAP bereits im gewöhnlichen Jahresabschluß erscheinen1132.
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„For the purposes of this section“, s. 214 (6) IA 1986. Siehe dazu den Text bei Fn. 1024 ff. in Teil 2. 1126 Zu der Vorgehensweise bei der Berücksichtigung der Kosten vgl. Official Receiver v Moore, Re Gower Enterprises Ltd [1995] B.C.C. 293, 299 ff., Ch. D. (zum insoweit gleichlautenden s. 6 (2) (a) Company Directors Disqualification Act 1986). 1127 Daneben führen die unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards zwar nicht in der Methode, aber im Ergebnis zu erheblichen Unterschieden. So wird eine nach IFRS (Gleiches gilt grundsätzlich auch bei Anwendung der UK GAAP) bilanzierende Limited – aufgrund der „fair-value“-Bewertung – in Zeiten steigender Marktpreise grundsätzlich später überschuldet sein als eine nach HGB bilanzierende GmbH. In Zeiten fallender Marktpreise verhält sich dies grundsätzlich entgegengesetzt. 1128 Entgegen Redeker, S. 90, sind hier die Verfahrenskosten, die eine erhebliche Höhe erreichen können, bei der Ermittlung der Überschuldung gerade nicht zu berücksichtigen. Erforderlich ist ein Vergleich der präsumtiven Insolvenzmasse mit den Verbindlichkeiten der präsumtiven Insolvenzgläubiger (vgl. Bußhard, in: Braun, § 19 Rn. 6). Zu diesen zählen ausweislich § 57 InsO nur die persönlichen Gläubiger des Schuldners. Die Verfahrenskosten, das heißt insbesondere die Gerichtskosten und die Gebühren und Auslagen des Insolvenzverwalters (§ 54 InsO), werden erst nach der Feststellung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes – etwa der Überschuldung gemäß § 19 InsO – berücksichtigt, und zwar bei der Prüfung, ob die Masse zumindest die Verfahrenskosten deckt, § 26 I 1 InsO. 1129 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 185 mit Fn. 61 und Redeker, S. 91, meinen, es bedürfe zur Beurteilung einer Überschuldung im Sinne des s. 214 IA 1986 keiner besonderen Überschuldungsbilanz. 1130 Zusätzlich zu derjenigen, die der Entscheidung des Gerichts über die Verfahrenseröffnung zugrundezulegen ist, siehe den Text bei Fn. 1024 ff. in Teil 2. 1131 Vgl. Jones, (1993) 5 I.L.&P., 133, 136, 134 f. 1132 Für die Rechnungslegung nach IFRS vgl. IAS 8.10, 1.13. Ausdrücklich findet sich das Verbot der Bildung stiller Reserven in f.37 S. 4; das „Framework“ gilt jedoch für nach EU-IFRS bilanzierende Unternehmen nicht (siehe den Text bei Fn. 282 in Teil 2). Für die Bilanzierung nach UK GAAP siehe s. 393 (1) CA 2006, FRS 18.38, 18.14. 1125
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Neben den genannten Unterschieden bestehen auch gewisse Übereinstimmungen zwischen den beiden Überschuldungsbegriffen in ss. 123 (2), 122 (1) (f) einerseits und s. 214 IA 1986 andererseits. Auf der Passivseite der Bilanz sind – anders als in der gewöhnlichen Jahresbilanz – wiederum auch bestimmte zukünftige Verbindlichkeiten sowie Eventualverbindlichkeiten einzustellen1133. Dagegen sind auf der Aktivseite weder zukünftige, noch bedingte Vermögenswerte zu berücksichtigen1134. Überschuldung liegt jeweils vor, wenn der Wert des Gesellschaftsvermögens niedriger als der Betrag der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft liegt1135. bb) Wertansätze in der Überschuldungsbilanz Ein zusätzlicher Grund für die Notwendigkeit einer weiteren Überschuldungsbilanz für Zwecke des s. 214 IA 1986 liegt darin, daß die Frage des Ansatzes von Fortführungs- oder Zerschlagungswerten erneut zu prüfen und möglicherweise abweichend zu beantworten ist1136. Es kommen auch hier Zerschlagungs- (break up-) oder Fortführungswerte (going concern values) in Betracht1137 – womit ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Prüfung der Überschuldung einer GmbH1138 erwachsen. Die Unterscheidung zwischen Zerschlagungs- und Fortführungswerten ist von erheblicher Bedeutung, da Zerschlagungswerte regelmäßig (deutlich) niedriger als Fortführungswerte liegen1139. Damit kann der Ansatz von Fortführungswerten einer Überschuldung entgegenstehen, die bei Ansatz von Zerschlagungswerten gegeben wäre. Bei einem ungerechtfertigten Ansatz von Fortfüh1133 R. 13.12 (1), (3) Insolvency Rules 1986; diese Regelung übersehen offenbar Sealy/Milman (s. 214 IA 1986, S. 236), die ohne Hinweis darauf feststellen, daß keine Regelung betreffend zukünftige und bedingte Verbindlichkeiten bestehe. R. 13.12 (1), (3) Insolvency Rules 1986 übersehen ebenfalls Wachendorf, S. 87, und Redeker, S. 92 f., die meinen, es herrsche im Schrifttum Einigkeit über die Einbeziehung solcher Verbindlichkeiten – was bei einer ausdrücklichen Normierung im Wege der secondary legislation nicht überrascht. Nichts hierzu findet sich bei Haug, S. 178 f.; S. Mayer, S. 58 f.; Benndorf, S. 77. Näher zum Ganzen Goode, para. 4-39 f., S. 116; para. 12-25, S. 531. Siehe bereits den Text bei Fn. 1027 ff. in Teil 2. 1134 Siehe den Text bei Fn. 1031 ff. in Teil 2. Ungenau Wachendorf, S. 85, die die Begriffe der zukünftigen und bedingten Vermögenswerte weder definiert, noch diese voneinander unterscheidet. 1135 Vgl. s. 123 (2) mit s. 214 (6) IA 1986. 1136 Siehe bereits den Text bei Fn. 1026 ff. in Teil 2. Grob falsch Redeker, S. 91: „Der Bestand der Aktiva und Passiva kann im Insolvenzfall direkt aus der Handelsbilanz abgelesen werden“, zumal die „Handelsbilanz“ auf den Schluß des Geschäftsjahres erstellt wird, die Überschuldungsbilanz aber auf den Zeitpunkt der Eröffnung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens. 1137 Vgl. Jones, (1993) 5 I. L. & P., 133, 136; vgl. auch Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128. 1138 Dazu siehe Drukarczyk/Schüler, in: Kirchhof/Lwowski/Stürner, § 19 Rn. 42 ff. 1139 Goode, para. 4-06, S. 88.
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rungswerten schiede eine Haftung aus s. 214 IA 1986 zu Unrecht von vornherein aus, was einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleichkäme. Trotz der zentralen Bedeutung dieser Frage gibt das Gesetz hinsichtlich des Wertansatzes – anders als die deutsche InsO1140 – keinerlei Hinweise. Auch einschlägige Entscheidungen liegen, soweit ersichtlich, bislang nicht vor. Das englische Schrifttum übergeht diese Frage regelmäßig1141; die Darstellungen deutscher Autoren sind wenig hilfreich1142. Diejenigen Autoren, die sich insoweit äußern, sind sich uneins: Nach einer Ansicht sollen bei der Ermittlung einer Überschuldung im Sinne von s. 214 IA 1986 stets Zerschlagungswerte anzusetzen sein. Denn die Limited befinde sich ja bereits in der „Insolvenz“ 1143. – Diese Begründung trägt offensichtlich nicht. Die Zerschlagung der Gesellschaft ist zwingende Folge weder allein ihrer „Insolvenz“ noch der Einleitung des Verfahrens der insolvenzbedingten Abwicklung. Vielmehr kann das Unternehmen in beiden Fällen selbstverständlich nach wie vor als Ganzes veräußert werden. Wann immer ein möglicher Unternehmenskäufer einen vertretbaren Preis bietet, wird der Abwickler das Unternehmen vorzugsweise als Ganzes veräußern, da aufgrund der höheren Fortführungswerte ein höherer Erlös zur Verteilung an die Gläubiger erzielt werden wird1144. Der undifferenzierte Ansatz von Zerschlagungswerten entspricht zudem nicht den Vorschriften der einschlägigen Rechnungslegungswerke der UK GAAP und der IFRS. Bei der Bilanzierung sind grundsätzlich Fortführungswerte zugrundezulegen. Dies gilt ohne weiteres außerhalb eines insolvenzbedingten Liquidationsverfahrens1145. Besondere Regeln für den Wertansatz in einem insolvenzbedingten Liquidationsverfahren enthalten die Rechnungslegungswerke 1140
Vgl. § 19 II 2 InsO. Keinerlei Ausführungen finden sich insoweit etwa bei Bailey/Groves, para. 17.20, S. 699 f.; Fletcher, para. 27-017, S. 707 mit Fn. 35; Cheffins, 11. 3., S. 542 f.; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260; Snaith, para. 21.10 f., S. 678; Hicks, in: Hicks/Goo, 20.12, S. 629 ff.; Keay/Walton, para. 43.2, S. 588; Griffin, Personal Liability, 4.2 f., S. 61 ff.; Birds, in: Boyle/Birds, 15.19.2, S. 597 ff.; Morse, para. 15.599.28 mit Fn.1; Dennis, 11.2.6, S. 376 ff.; Mayson/French/Ryan, 20.12.1, S. 680; Davies, in: Davies, para. 9-7, S. 218; Hannigan, S. 844 mit Fn. 35; Pennington, Corporate Insolvency Law, S. 259; Tolmie, S. 359. 1142 Buchmann, S. 55 ff., weist erst gar nicht auf das Erfordernis der Überschuldung bei Verfahrenseinleitung hin. Wachendorf, S. 85 ff., legt hinsichtlich der Wertansätze eine Wahlmöglichkeit nach Belieben nahe. S. Mayer, S. 58 f., und Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 182 f., schweigen zu den Wertansätzen gänzlich. Haug, S. 179, übersieht, daß diese Frage umstritten ist. 1143 So Benndorf, S. 77, die Goode insoweit unzutreffend zitiert. 1144 Vgl. Totty/Moss, B1-32 mit Fn. 11. 1145 Für die Rechnungslegung nach UK GAAP siehe para. 11 Sch. 1 Small Companies Accounts Regulations und FRS 18.21; für die Rechnungslegung nach IFRS siehe IAS 1.23 („When preparing financial statements, management shall make an assessment of an entity’s ability to continue as a going concern. Financial statements shall be prepared on a going concern basis unless management either intends to liquidate the entity or to cease trading, or has no realistic alternative but to do so.“). 1141
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nicht. Diese erfassen lediglich allgemein den Fall, daß die Liquidation oder die Einstellung des Geschäftsbetriebs – gleich, aus welchem Grund – beabsichtigt ist, unvermeidbar erscheint1146 oder bereits eingeleitet wurde1147. In diesen Fällen besteht ein Ermessensspielraum, wie die Frage des Wertansatzes entschieden wird; eine Regel, daß stets Zerschlagungswerte anzusetzen wären, läßt sich daraus nicht ableiten1148. Sie stünde auch in Widerspruch zu den in England geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen: Der pauschale Ansatz von Zerschlagungswerten führte oftmals zum Ausweis eines zu niedrigen Bestands an Aktiven und liefe dadurch dem in der englischen Rechnungslegung bestehenden Erfordernis eines „true and fair view“ 1149 zuwider. Eine andere Meinung geht davon aus, daß stets auf Fortführungswerte abzustellen sei. Dafür spreche, daß sich der Begriff der insolvent liquidation auch in s. 214 (2) (b) IA 1986 finde. Diese Norm billige dem präsumtiven Haftungsadressaten ein unternehmerisches Ermessen bei der Beurteilung der Frage zu, ob die Limited wegen Überschuldung in ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren eintreten werde. Dieses Ermessen führe dazu, daß im Rahmen der gemäß s. 214 (2) (b) erforderlichen Betrachtung stets Fortführungswerte zugrundezulegen seien. Dies gelte für den gesamten s. 214 IA 1986 und damit auch für s. 214 (2) (a) IA 19861150. – Auch das überzeugt nicht. Die Argumentation ist bereits im Ansatz verfehlt. Im Rahmen von s. 214 (2) (b) IA 1986 sind nicht stets Fortführungswerte anzusetzen1151. Denn auch ein unternehmerisches Ermessen rechtfertigt es nicht, ausnahmslos die für den präsumtiven Haftungsadressaten günstigere, weil einer Überschuldung entgegenwirkende Bewertungsgrundlage zu wählen. Selbst wenn man ein solches Recht auf Willkür mit der genannten Ansicht unterstellt, trägt deren Begründung nicht. Denn obschon der Begriff der insolvent liquidation in s. 214 (6) IA 1986 einheitlich bestimmt ist, kommen bei s. 214 (2) (b) und (2) (a) IA 1986 unterschiedliche Wertansätze in Betracht. Das folgt bereits aus dem Wortlaut. S. 214 (2) (b) IA 1986 ist prospektiv formuliert („would avoid going into“), weshalb eine Betrachtung ex ante vorzunehmen ist1152. S. 214 (2) (a) IA 1986 dagegen ist retrospektiv gefaßt 1146
FRS 18.21 (UK GAAP) und IAS 1.23 (IFRS). FRS 18.21 (UK GAAP). 1148 Besonders deutlich FRS 18.21 (UK GAAP): „in which circumstances the entity may, if appropriate, prepare its financial statements on a basis other than that of a going concern“ [Hervorh. von mir]; vgl. auch IAS 1.24 (IFRS). 1149 FRS 18.1 (a), 18.14 (UK GAAP); IAS 1.13 (IFRS). Siehe dazu bereits den Text bei Fn. 314 ff. in Teil 2. 1150 „The reference to ,going into insolvent liquidation‘ in relation to the making of business judgements in s. 214 (2) (b) surely indicates that the question of solvency is to be assessed on the basis of going concern assumptions for all the purposes of the present section“, Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 236. 1151 Siehe den Text bei Fn. 1294 f. in Teil 2. 1152 Siehe noch den Text bei Fn. 1238 f. in Teil 2. 1147
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(„has gone“), weshalb hier eine Betrachtung ex post zugrundezulegen ist1153. Weiter unterscheidet sich auch der Zweck der beiden Regelungen. Vermittels s. 214 (2) (b) IA 1986 soll die subjektive Vorwerfbarkeit des Handelns des präsumtiven Haftungsadressatens ermittelt werden, während s. 214 (2) (a) IA 1986 vermöge einer objektiven Betrachtung eine Haftung aus s. 214 IA 1986 in denjenigen Fällen eingreifen lassen soll, in denen den Gläubigern aufgrund der insolvenzbedingten Abwicklung wegen Überschuldung ein Ausfall droht1154. Gerade dieser Zweck würde bei der pauschalen Zugrundelegung von Fortführungswerten verfehlt. Im Rahmen eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens tritt eine Zerschlagung des Unternehmens weit häufiger auf als die Veräußerung des gesamten Unternehmens1155. Würde dennoch stets auf Fortführungswerte abgestellt, so spiegelte dies in vielen Fällen nicht den durch die folgende Zerschlagung des Unternehmens erzielbaren niedrigeren Erlös wieder. Trotz drohender Ausfälle der Gläubiger scheiterten dann zahlreiche Haftungsverfahren nach s. 214 IA 1986 bereits daran, daß bei der Prüfung von s. 214 (2) (a) IA 1986 für die Überschuldungsbilanz pauschal Fortführungswerte angesetzt wurden. Nach einer dritten Meinung richtet sich die Beantwortung dieser Frage nach den Umständen des Einzelfalles1156. Ob die Limited im Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens überschuldet war, beurteile sich ex post im Haftungsprozeß aus s. 214 IA 19861157. Je nachdem, ob die Gesellschaft im Verlaufe des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zerschlagen oder als Ganzes veräußert wurde, seien im späteren Haftungsprozeß die entsprechenden Wertansätze bei der Ermittlung der Überschuldung im Sinne des s. 214 IA 1986 zu wählen. – Dieser Ansatz erscheint vorzugswürdig. Für ihn spricht zunächst der Wortlaut von s. 214 (2) (a) IA 1986. Dieser ist, wie bereits festgestellt, retrospektiv gefaßt („has gone into insolvent liquidation“). Damit liegt es nahe, die Frage, ob eine „insolvent liquidation“ gegeben ist – deren Beantwortung maßgeblich von den Wertansätzen abhängt –, im Lichte aller bislang gewonnenen Erkenntnisse zu beurteilen, nicht aber pauschal Zerschlagungs- oder Fortführungswerten anzusetzen. Eine solche differenzierende Betrachtung würde auch in besonderer Weise dem Zweck von s. 214 (2) (a) IA 1986 gerecht, ein Haftungsverfahren gerade dann zu ermöglichen, wenn das Vermögen der Limited nicht zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger ausreicht1158. Denn das tatsächlich zur Verteilung verfügbare Vermögen läßt sich nur ex post zutreffend ermitteln, indem – je nach der späteren Entwicklung – entweder Zerschlagungs- oder Fort1153 1154 1155 1156 1157 1158
Vgl. den Text bei Fn. 1157 f. in Teil 2. Siehe ss. 214 (2) (a), (6) IA 1986 und den Text bei Fn. 956 ff. in Teil 2. Vgl. Totty/Moss, para. B1-32 mit Fn. 11. Goode, para. 12-25, S. 531, para. 4-37, S. 113 f., para. 4-13, S. 93. Goode, para. 12-25, S. 531. Siehe erneut ss. 214 (2) (a), (6) IA 1986 und den Text bei Fn. 956 ff. in Teil 2.
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führungswerte zugrundegelegt werden. Auch die weiteren Unzulänglichkeiten der beiden anderen Ansichten vermeidet dieser Ansatz. cc) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Überschuldung der Gesellschaft bei Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens trägt der Insolvenzverwalter1159. Von Bedeutung ist dies insbesondere im Fall eines non liquet hinsichtlich der zutreffenden Wertansätze1160, wenn das erforderliche Beweismaß für die Überschuldung im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund dessen nicht erreicht wird. Dies kann, anders als bei der GmbH1161, insbesondere dann auftreten, wenn der Insolvenzverwalter darlegt, daß eine Überschuldung deshalb vorliege, weil für das Vermögen der Limited mangels positiver Fortführungsprognose nur Zerschlagungswerte anzusetzen seien – und der Haftungsadressat diese Darlegung sodann erschüttert. Ferner kann ein non liquet insbesondere dann auftreten, wenn nach den anwendbaren Rechnungslegungswerken1162 für einzelne Vermögensgegenstände unterschiedliche Wertansätze vertretbar sind, von denen nicht jeder zu einer Überschuldung der Gesellschaft führt1163. Dies ist nicht selten der Fall, weil die einschlägigen Rechnungslegungswerke bei der Bewertung von Vermögensgegenständen erhebliche Spielräume gewähren – gerade bei der Ermittlung des grundsätzlich maßgeblichen1164 „fair value“ eines Vermögensgegenstands. Bewegen sich die Wertansätze innerhalb dieses Spielraums und stehen sie in der Summe einer Überschuldung entgegen, verliert der insoweit darlegungsund beweisbelastete Insolvenzverwalter eine Klage nach s. 214 IA 1986. dd) Beurteilung Die Beschränkung einer möglichen Haftung auf den Fall der (i. d. S. s. 214 IA 1986 qualifizierten) Überschuldung der Gesellschaft unter Ausscheidung sämtlicher anderen Insolvenzgründe durch s. 214 (2) (a), (6) IA 1986 zeigt, daß es sich bei s. 214 IA 1986 nicht um einen Tatbestand der Insolvenzantragsverschleppung im engeren Sinne handelt. Andere Vorstellungen hatte noch die Reformkommission, die, wenngleich ohne Begründung, weitergehend1165 die Einbe1159
Goode, (1989) J.B.L., 436, 438; ders., para. 4-35, S. 112. Vgl. Andrews, para. 15-009, S. 466. 1161 Hier trägt der Haftungsadressat, d. h. der Geschäftsführer, die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose, siehe BGH DStR 2011, 130, 131. 1162 Zu diesen siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 1163 Vgl. Goode, (1989) J.B.L., 436, 439. 1164 Siehe den Text bei Fn. 314 ff. in Teil 2. 1165 Die Einbeziehung der anderen, besonderen Insolvenzgründe der heutigen s. 122 (1) (a), (d), (fa), (g) IA 1986 wurde dagegen nicht angeregt. 1160
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ziehung des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit forderte1166. Dagegen findet sich im heutigen Schrifttum allenfalls sehr leise Kritik an der Beschränkung auf die qualifizierte Überschuldung1167. Die gesetzliche Einschränkung geht darauf zurück, daß eine Haftung aus s. 214 IA 1986 nur eintreten soll, wenn die Gesellschaftsgläubiger im Rahmen des einem „wrongful trading“ folgenden insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens einen Nachteil erlitten haben1168; insoweit wird also eine Frage bereits auf der Tatbestandsseite untersucht, die im Rahmen der (echten) deutschen Insolvenzantragsverschleppungshaftung erst auf der Rechtsfolgenseite zu prüfen ist. Nach Ansicht des englischen Schrifttums erlitten die Gläubiger keinen Nachteil, wenn zwar Zahlungsunfähigkeit vorliege, das Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens jedoch die Verbindlichkeiten decke1169. Ob ein durch s. 214 IA 1986 ausgleichsfähiger Nachteil eingetreten ist, soll sich durch eine auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bezogene bilanzielle Betrachtung feststellen lassen. Zur Überprüfung dieser Annahme ist bereits an dieser Stelle kurz auf den nach s. 214 IA 1986 ausgleichsfähigen Ausfall der Gesellschaftsgläubiger einzugehen1170. S. 214 IA 1986 dient dem Ausgleich von Nachteilen, die Gläubigern aufgrund des „wrongful trading“, das heißt infolge der verzögerten Einleitung gläubigerschützender Maßnahmen in der Unternehmenskrise, entstanden sind1171. Nachteile, die Gläubigern durch etwaige, der Herbeiführung der Krise vorangegangene unternehmerische Fehlentscheidungen erwachsen, sollen dagegen nicht ausgleichsfähig sein1172. Damit tragen die Gläubiger, wie im deutschen Recht, nach s. 214 IA 1986 das Insolvenzeintrittsrisiko. Das Insolvenzverlustrisiko ist den Gläubigern nur in dem Umfang zugewiesen, wie es sich vor dem „wrongful trading“ darstellte; ein infolge des „wrongful trading“ gesteigertes Insolvenzverlustrisiko, entweder in Gestalt eines erhöhten Verteilungsrisikos oder in Form eines gestiegenen Verwertungsrisikos, ordnet s. 214 IA 1986 den Gesellschaftsgläubigern nicht zu. Verwirklicht sich ein erhöhtes Insolvenzverlustrisiko, etwa
1166
Siehe Cork, para. 1781, S. 399, para. 1784, S. 400. Ohne jede Kritik etwa Griffin, Personal Liability, S. 63; Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 235; Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 236; Goode, para. 4-06, S. 89, para. 1235, S. 535; Keay/Walton, para. 43.2, S. 588; Fletcher, para. 27-017, S. 707; vorsichtig Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 86: „Proceedings in other jurisdictions are not so limited“; Bailey/Groves, para. 17.20, S. 699 f.: „all the creditors would presumably be paid“ [Hervorh. von mir]. 1168 Siehe ss. 214 (2) (a), (6) IA 1986 und den Text bei Fn. 956 ff. in Teil 2. 1169 Siehe den Text bei Fn. 1117 in Teil 2. 1170 Zum Umfang eines Anspruchs aus s. 214 IA 1986 siehe ausführlich den Text bei Fn. 1507 ff. in Teil 2. 1171 Vgl. Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 121 f. 1172 Finch, (1992) 55 M.L.R. 179, 193; Keay, S. 76. 1167
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durch zwischenzeitlich angestiegenene Verbindlichkeiten (Verwirklichung des Verteilungsrisikos) oder niedrigere Erlöse aufgrund einer verzögerten Veräußerung von Vermögensgegenständen der Limited (Verwirklichung des Verwertungsrisikos), soll der dadurch entstandene Nachteil also nach s. 214 IA 1986 ausgleichsfähig sein. Die Verwirklichung des Verteilungsrisikos läßt sich durch den Rückgriff auf Überschuldungsbilanzen ermitteln. Diese sind einerseits bezogen auf denjenigen Zeitpunkt, ab dem von einem „wrongful trading“ auszugehen ist, andererseits bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung zu erstellen1173. Hat im Vergleich der beiden Bilanzen das (meist bereits negative) Reinvermögen der Limited durch Hinzutreten weiterer Gläubiger abgenommen, so ist das Verteilungsrisiko gewachsen. Dagegen ist eine verwirklichte Erhöhung des Verwertungsrisikos anhand der beiden letztgenannten Überschuldungsbilanzen nicht zu erkennen. Diese spiegeln eben nicht den an dieser Stelle maßgeblichen tatsächlichen Erlös aus der Verwertung der bilanzierten Vermögensgegenstände wieder. Das ist zunächst Folge des zeitlich (deutlich) vor der Verwertung der einzelnen Vermögensgegenstände liegenden Bezugspunkts auch der auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung zu erstellenden zweiten Überschuldungsbilanz1174. Es folgt aber auch daraus, daß die Überschuldungsbilanzen – ganz anders die Rechtslage in Deutschland1175 – grundsätzlich anhand der allgemeinen Bilanzierungsregeln der 1173
Siehe den Text bei Fn. 1511 ff. in Teil 2. Es werden regelmäßig nicht sämtliche Vermögensgegenstände der Gesellschaft bei Verfahrenseinleitung veräußert werden. Dem können bereits die Gefahr der nachteiligen Preisbeeinflussung durch ein Überangebot gleichartiger Gegenstände (Beispiel: Verwertung eines großen Lagerbestands) sowie Schwierigkeiten bei der Verwertung (Beispiel: begrenzte Kapazitäten des Insolvenzverwalters, geringe Nachfrage) entgegenstehen. So kann sich das Abwicklungsverfahren gerade bei größeren Limiteds zumindest einige Monate, wenn nicht Jahre hinziehen. Damit wird zwischen der Bewertung eines Vermögensgegenstands in der Überschuldungsbilanz und seiner Veräußerung oftmals ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen. In diesem Zeitraum aber kann sich der Wert einzelner Vermögensgegenstände allein kraft Zeitablaufs verringern (Beispiel: Vorräte modischer Bekleidung). Zudem ist es möglich, daß sich die in der Überschuldungsbilanz zugrundegelegten „fair values“, die grundsätzlich den jeweiligen Marktpreisen entsprechen sollen, aufgrund von Marktveränderungen in der Abwicklung nicht erlösen lassen (Beispiel: Preisverfall aufgrund Preiskampfs durch neuen Anbieter). Im ungünstigsten Fall sind in der Überschuldungsbilanz als werthaltig dargestellte Vermögensgegenstände überhaupt nicht veräußerbar, etwa weil der dafür bei Erstellung der Überschuldungsbilanz noch bestehende Markt zwischenzeitlich zusammengebrochen ist und sich kein Erwerber findet (Beispiel: forderungsbesicherte Wertpapiere im Rahmen der sogenannten Finanzkrise). 1175 Hier stellt sich die Frage eines Nachteils der Gläubiger, wie gesagt, erst auf Rechtsfolgenseite, und zwar bei der Prüfung des Umfangs eines möglichen Schadensersatzanspruchs aus § 15a I 1 InsO i.V. m. § 823 II anhand der §§ 249 ff. BGB. Der ersatzfähige Schaden entspricht dem Unterschied zwischen der fiktiven und der tatsächlichen Insolvenzquote, d. h. der in der Zeit der Insolvenzverschleppung eingetretenen Entwertung der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger wegen Masseschmälerung (Haas, in: Gottwald, § 92 Rn. 76 f.). Diese Masseschmälerung ist nicht anhand der au1174
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Limited aufzustellen sind1176. Dies hat zur Folge, daß die Bilanz selbst im Zeitpunkt ihrer Erstellung jedenfalls nicht ohne weiteres auf den tatsächlichen Verwertungserlös und damit das verteilungsfähige Vermögen der Gesellschaft schließen läßt: Die bilanzierten Aktiva der Gesellschaft können erheblich über dem tatsächlichen Verwertungserlös liegen. Denn in der Bilanz sind auch Vermögensgegenstände anzusetzen, die lediglich im wirtschaftlichen Eigentum der Limited stehen und damit in deren Insolvenz überhaupt nicht verwertbar sind1177. Zudem gewähren die einschlägigen Rechnungslegungswerke, wie bereits erwähnt, erhebliche Spielräume bei der Bewertung, insbesondere aufgrund des Abstellens auf den sogenannten „fair value“ 1178. Dies zeigt, daß sich durch die Inbezugnahme einer qualifizierten Überschuldung im (weit) vor Abschluß des Abwicklungsverfahrens liegenden Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und durch die Heranziehung der gewöhnlichen Rechnungslegungsvorschriften nicht ermitteln läßt, ob Gesellschaftsgläubiger infolge des einem „wrongful trading“ nachfolgenden insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens einen Ausfall erleiden. Auch ein wegen Zahlungsunfähigkeit eingeleitetes Insolvenzverfahren kann zu einem Unterdeckung führen, ohne daß im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zugleich eine qualifizierte Überschuldung bestand; gerade ungesicherte Gläubiger können mit Ihren Forderungen auch bei bloßer Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (teilweise) ausfallen. Im Ergebnis ist das Tatbestandsmerkmal der qualifizierten Überschuldung im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung mißraten. Es wirkt als Nadelöhr, das in vielen Fällen eine Haftung trotz eingetretenen Nachteils der Gläubiger von vornherein ausschließt1179. Vorzugswürdig erscheint es daher, de lege ferenda – wie in ßerhalb der Insolvenz geltenden Bilanzierungsregeln zu ermitteln. Es kommt vielmehr allein darauf an, inwieweit Vermögensgegenstände effektiv zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen, BGH NJW 1997, 3021, 3022. 1176 Siehe den Text bei Fn. 1131 f. in Teil 2. 1177 Siehe für die Bilanzierung nach UK GAAP etwa SSAP 21.32; für die Rechnungslegung nach IFRS siehe etwa IAS 17.20 ff. Nach diesen Regelungen ist das Leasinggut bei einem Finanzierungsleasing grundsätzlich beim Leasingnehmer anzusetzen, obwohl dieser rechtlich nicht Eigentümer ist. 1178 Siehe den Text bei Fn. 340 ff. in Teil 2. 1179 Umgekehrt ist es ebenfalls denkbar, daß die Gläubiger trotz bei Verfahrenseinleitung bestehender Überschuldung der Limited keinen Nachteil durch die verzögerte insolvenzbedingte Abwicklung der Gesellschaft erleiden. Das ist der Fall, wenn sich ein über den Buchwerten bei Verfahrenseinleitung liegender Abwicklungserlös ergibt. Auch dies zeigt die Untauglichkeit dieses Tatbestandsmerkmals (anders aber Snaith, para. 21.11, S. 678, der das Abstellen auf die Verfahrenseinleitung als Vereinfachung zur Vermeidung einer vermeintlichen „circularity“ begrüßt). Als Beispiele für einen höheren Abwicklungserlös mögen dienen, daß es dem Abwickler später gelingt, ein Patent, eine Lizenz oder eine Marke zu einem den Buchwert erheblich übersteigenden Preis zu veräußern; von der Limited gehaltene Wertpapiere mögen bis zur Abwicklung im Kurs gestiegen sein; es mag sich ein strategischer Investor gefunden haben, der das Unternehmen als Ganzes oder ein Tochterunternehmen zu einem deutlich über dem
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Deutschland1180 – allein auf Rechtsfolgenseite unmittelbar auf den tatsächlichen Nachteil abzustellen, wie er sich für die Gesellschaftsgläubiger erst nach Abschluß der Abwicklung bestimmen läßt. Dies ist auch praktisch umsetzbar, da ein Haftungsverfahren nach s. 214 IA 1986 regelmäßig erst einige Zeit nach Beendigung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens eingeleitet werden dürfte. Der Nachteil der Gesellschaftsgläubiger wird regelmäßig der Verschlechterung der Insolvenzquote infolge des „wrongful trading“ entsprechen. c) Gesellschafter als Normadressat aa) Voraussetzungen Typischer1181 Adressat einer Haftung wegen wrongful trading ist der ordnungsgemäß bestellte1182 Geschäftsleiter1183 einer Limited, unabhängig von seiner Bezeichnung im Unternehmen1184. Auch ein nicht ordnungsgemäß bestellter Geschäftsleiter kann als faktischer Geschäftsleiter (de facto director) gemäß s. 214 IA 1986 haften1185. Die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsleiters einer Limited ähnelt dem aus dem GmbH-Recht bekannten faktischen Geschäftsführer, stimmt mit diesem jedoch nicht überein.1186. Neben dem Auftreten nach außen wie ein Geschäftsführer trotz fehlender wirksamer Bestellung1187 ist im englischen Recht zusätzlich erforderlich, daß der faktische Geschäftsleiter bewußt als Geschäftsleiter nach außen auftritt und von der Gesellschaft als Geschäftsleiter ausgegeben wird1188. Selbstverständlich kann auch ein Gesellschafter, der Geschäftsleiter oder faktischer Geschäftsleiter einer Limited ist, als solcher wegen wrongful trading haften. Einer hier interessierenden Verantwortlichkeit des Gesellschafters als solchem kommt die Haftung des Schattengeschäftsleiters (shadow director) aus s. 214 IA
Substanzwert liegenden Preis zu erwerben sich bereitfindet. In all diesen Fällen wäre die Tatbestandsvoraussetzung des s. 214 (2) (a), (6) IA 1986 ebenfalls erfüllt. 1180 Siehe den Text bei Fn. 1600 ff. in Teil 2. 1181 Vgl. die im Gesetz für die ss. 212–217 IA 1986 verwendete Überschrift „Penalisation of directors and officers“. 1182 Die Bestellung vollzieht sich nach ss. 154 ff. CA 2006. 1183 S. 214 (1), (2) (c) IA 1986. 1184 S. 251 IA 1986. 1185 Goode, para. 12-27, S. 532. 1186 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 189, 208 f. 1187 So zum deutschen Recht bereits BGH NJW 1988, 1789, 1790. 1188 Re Hydrodan [sic] (Corby) Ltd [1994] B.C.C. 161, 163, Ch. D.: „A de facto director is a person who assumes to act as a director. He is held out as a director by the company, and claims and purports to be a director, although never actually or validly appointed as such.“; vgl. ergänzend ebd., S. 162: „Those who . . . exercise the powers and discharge the functions of a director“.
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19861189 nahe. Die Rechtsfigur des Schattengeschäftsleiters, die streng von dem faktischen Geschäftsführer unterschieden werden muß1190, ist dem englischen Recht (in anderem Zusammenhang) bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt1191. Sie soll die Umgehung der für Geschäftsleiter geltenden Regeln verhindern1192. Ein Schattengeschäftsleiter tritt, anders als ein (faktischer) Geschäftsleiter, nicht als Geschäftsleiter nach außen auf und wird von der Gesellschaft auch nicht als solcher ausgegeben; er hält sich regelmäßig1193 im Hintergrund1194. Erforderlich ist, daß die Geschäftsleitung gewöhnt ist, Anweisungen des Schattengeschäftsleiters zu befolgen1195. Eine Anweisung in diesem Sinne kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen; ihr Vorliegen ist anhand aller Umstände des Einzelfalles nach einem rein objektiven Maßstab zu ermitteln1196. Selbst Ratschläge des Schattengeschäftsleiters können Anweisungen in diesem Sinne darstellen1197. Die Anweisungen können sich auch auf einen bestimmten Bereich der unternehmerischen Tätigkeit beschränken1198. Es ist ferner hinreichend, daß nicht alle, wohl aber eine Mehrheit der Geschäftsleiter nach den Anweisungen des präsumtiven Schattengeschäftsleiters handelt1199. Seit einer Ände-
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Vgl. s. 214 (2) (c), (7) IA 1986. Entgegen Benndorf, S. 77, und Römermann, NJW 2006, 2065, 2067, die den Schattengeschäftsleiter mit dem faktischen Geschäftsleiter gleichsetzen. 1191 Vgl. bereits s. 3 Companies (Particulars as to Directors) Act 1917. Ungenau daher Wachendorf, S. 36. 1192 Hicks, (1993) 4 Comp. Law. 55, 58. Es trifft entgegen Wachendorf, S. 36 mit Fn. 118, nicht zu, daß „die Figur des Schattengeschäftsführers ursprünglich auf den Fall ab[zielte], in dem ein mit Berufsverbot . . . belegter director seine Ehefrau zum Schein“ als Geschäftsleiter vorschob. Bei dieser Konstellation handelt es sich ausweislich des bei Hicks, (1993) 4 Comp. Law. 55, 58 mit Fn. 27 zitierten „example given informally by Millett J at the Wilde Sapte seminar on insolvency law“ lediglich um einen didaktisch zugespitzten Beispielsfall. 1193 Zwingend erforderlich ist das Handeln im Verborgenen jedoch nicht, Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 355, CA. 1194 Re Hydrodan [sic] (Corby) Ltd [1994] B.C.C. 161, 163, Ch. D. Lyrisch ebd.: „He lurks in the shadows, sheltering behind others who, he claims, are the only directors of the company to the exclusion of himself.“ 1195 S. 251 IA 1986: „,shadow director‘, in relation to a company, means a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act“. Professionelle Berater sind dabei ausgeschlossen, s. 251 IA 1986 a. E. Als solche Berater kommen etwa Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer in Frage, Goode, para. 12-31, S. 533. 1196 Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 354, C.A. 1197 Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 354, C.A. 1198 Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2002] EWHC 2200, para. 25, Ch. D.; Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 354, C.A. 1199 Lord (Liquidator of Rosshill Properties Ltd) v Sinai Securities Ltd [2004] B.C.C. 986, 988, Ch. D. 1190
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rung der Rechtsprechung im Jahr 20011200 ist es nicht mehr erforderlich, daß sich die Geschäftsleitung der Limited dem Schattengeschäftsleiter vollständig unterordnet oder sich jegliches Entscheidungsspielraums begibt1201. Wann die Geschäftsleitung „gewohnt“ ist, nach den Anweisungen des Schattengeschäftsleiters zu handeln, ist dagegen nach wie vor ungeklärt. Entschieden ist bislang lediglich, daß hierfür ein einzelnes Ereignis nicht ausreicht, die fortdauernde Befolgung von Anweisungen aber nicht erforderlich ist1202. Als Schattengeschäftsleiter einer Limited kommt in der Praxis vor allem auch1203 ein Gesellschafter in Betracht1204. Dabei kann es sich um eine natürliche Person1205, aber auch um eine juristische Person handeln, insbesondere um ein höherstufiges Konzernunternehmen der Limited1206; der Wortlaut des s. 214 IA 1986 steht dem nicht entgegen1207. Dies erscheint vor dem Hintergrund folgerichtig, daß juristische Personen – anders als im deutschen Recht1208 – auch als gewöhnlicher Geschäftsleiter einer Limited auftreten können1209. Auch im Hinblick auf Gesellschafter als mögliche Schattengeschäftsleiter ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, wann Geschäftsleiter „gewöhnt“ sind, gemäß den Anweisungen des Gesellschafters zu handeln. Im Schrifttum wird vertreten, daß die Vorgabe von Richtlinien für das Geschäft des (Tochter-)Unternehmens allein noch nicht die Eigenschaft als Schattengeschäftsleiter zur Folge hat1210. Es wird insoweit teilweise für erforderlich gehalten, daß sich der Gesellschafter regelmäßig in das Tagesgeschäft der Limited einmischt1211. Dagegen ist mit einem Erstrecht-Schluß aus einer jüngeren Entscheidung zu argumentieren, derzufolge dies 1200
Zur früheren Rechtsprechung siehe Fleischer, AG 1999, 350, 356 ff. Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 342, C.A. 1202 Secretary of State for Trade and Industry v Becker [2002] EWHC 2200, para. 43, Ch. D.; Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch. 340, 354, C.A. 1203 Ferner kommen etwa die Limited finanzierende Banken (Re A Company (No. 005009 of 1987) [1988] B.C.C. 424, 431) und Unternehmenssanierer (Re Tasbian Ltd (No.3) [1992] B.C.C. 358, 364) in Frage, trotz der erwähnten Ausnahme des s. 251 IA 1986 für professionelle Berater („but so that a person is not deemed a shadow director by reason only that the directors act on advice given by him in a professional capacity“ [Hervorh. von mir]). 1204 Hicks, (1993) 4 Comp. Law. 55, 59. 1205 Vgl. Goode, para. 12-28, S. 532. 1206 Re Hydrodan [sic] (Corby) Ltd [1994] B.C.C. 161, 164, Ch. D.; Pennington, Corporate Insolvency Law, S. 260. 1207 Siehe para. 1 Sch. 1 Interpretation Act 1978: „,Person‘ includes a body of persons corporate or unincorporate“. 1208 § 6 II 1 GmbHG. 1209 Mit dem Companies Act 2006 wurde das Erfordernis geschaffen, daß mindestens ein Geschäftsleiter eine natürliche Person zu sein hat, siehe s. 155 (1) CA 2006 im Vergleich zu s. 289 (1) (b) i.V. m. ss. 282 ff. CA 1985. 1210 Davies, in: Davies, para. 9-8, S. 219. 1211 Tolmie, S. 360; Goode, para. 12-28, S. 532. 1201
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selbst für die Einordnung als faktischer Geschäftsleiter nicht erforderlich ist1212. Ein gesellschaftsvertraglich verankertes Weisungsrecht des Gesellschafters ist als solches nicht hinreichend, zumal bereits die amtliche Mustersatzung der Limited ein solches vorsieht1213. Insgesamt ist die Rechtsprechung bei der Einordnung eines Gesellschafters als Schattengeschäftsführer bislang eher zurückhaltend gewesen1214, wovon auch zukünftig auszugehen sein dürfte1215. In zeitlicher Hinsicht muß der Gesellschafter zu einem Zeitpunkt Schattengeschäftsleiter gewesen sein, zu dem die ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung – das zentrale Tatbestandsmerkmal des s. 214 IA 19861216 – zumindest erkennbar war1217. Insbesondere steht es einer Haftung nicht entgegen, wenn die Eigenschaft als Schattengeschäftsleiter vor Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens endet, etwa nachdem die Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung erkennbar wurde1218 und sich der Gesellschafter daraufhin zurückzieht. Nicht entscheidend1219 ist also der Zeitpunkt bestimmter Handlungen oder Unterlassungen, zu denen der Schattengeschäftsleiter infolge der drohenden insolvenzbedingten Abwicklung verpflichtet war1220. Auch Schattengeschäftsleiter einer nichtenglischen Gesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt in England können nach Auffassung der englischen Rechtsprechung aus s. 214 IA 1986 haften1221. Dem liegt eine unausgesprochene1222 Qua1212 Secretary of State for Trade and Industry v Hollier [2007] B.C.C. 11, 25, Ch. D. Diese Entscheidung übersieht Wachendorf, S. 44 f. 1213 Sch. 1 para. 3, 4 The Companies (Model Articles) Regulations 2008 (SI 2008 No. 3229). Ein gesetzliches Weisungsrecht besteht bei der Limited nicht (Heinz, in: Heinz, § 6 Rn. 5), anders als bei der GmbH (Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rn. 17, vgl. auch § 46 Nr. 6 GmbHG). 1214 Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 89. 1215 Vgl. Davies, in: Davies, para. 9-8, S. 220. 1216 Siehe dazu sogleich den Text bei Fn. 1227 ff. in Teil 2. 1217 Das folgt bereits aus dem Gesetz, siehe s. 214 (2) (b) („at some time before the commencement of the winding up of the company, that person knew or ought to have concluded that there was no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation“) und s. 214 (2) (c) IA 1986 („that person was a director at that time“). In diesem Sinne auch Morse, para. 15.599.29. 1218 Vgl. Pritchard, in: Omar, S. 32. 1219 Unzutreffend stellt S. Mayer, S. 62, in diesem Zusammenhang auf einen „Zeitpunkt während des ,wrongful trading‘“ ab. Unklar insoweit Benndorf, S. 76 ff. und Wachendorf, S. 29 ff. Ungenau auch Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 188, die meinen, s. 214 verlange, „daß der in Anspruch Genommene innerhalb des [gesamten?] Zeitraums, in dem die Unabwendbarkeit der insolvenzbedingten Liquidation absehbar war, Geschäftsleiter (director) der Gesellschaft war.“ [Hervorh. von mir]. 1220 Vgl. s. 214 (3) IA 1986; siehe dazu den Text bei Fn. 1401 ff. in Teil 2. 1221 Re Howard Holdings Ltd [1998] B.C.C. 549, 552 f. („The winding-up order having been made, there can be no doubt that the court has jurisdiction to make declarations against foreign directors of foreign companies pursuant to s. 214 of that Act [scil.:
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lifikation der Haftung wegen „wrongful trading“ als insolvenzrechtliches und nicht als gesellschaftsrechtliches Institut zugrunde; nur bei einer insolvenzrechtlichen Qualifikation beruft die EuInsVO das Recht des Sitzstaats1223. Damit sind auch Gesellschafter einer deutschen GmbH mit Tätigkeitsschwerpunkt1224 in England als Schattengeschäftsleiter von einer Haftung aus s. 214 IA 1986 bedroht. Die Beweislast für die Eigenschaft als Schattengeschäftsleiter im maßgeblichen Zeitpunkt liegt wiederum bei dem Anspruchsteller1225. bb) Beurteilung Die Erstreckung des s. 214 IA 1986 auf Schattengeschäftsleiter ermöglicht es, neben ordentlichen und faktischen Geschäftsleitern weitere Personen in die Haftung zu nehmen, die kraft ihres Einflusses auf die Limited im Vorfeld der Insolvenz Gläubiger schädigen können. Das sind insbesondere beherrschende Gesellschafter, die der Geschäftsleitung ausdrückliche oder schlüssige Weisungen erteilen, die dem rechtzeitigen Ergreifen von Maßnahmen im Interesse der Gesellschaftsgläubiger entgegenwirken. Hierbei ist insbesondere auch an Weisungen von Konzernobergesellschaften zu denken. Dieser Ansatz der s. 214 IA 1986 erscheint begrüßenswert, zumal er Lücken bei der Verhaltenshaftung von Gesellschaftern für Handlungen im Vorfeld der Insolvenz – wie sie im deutschen Recht bestehen1226 – verringert. d) Kenntnis oder Kennenmüssen der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung Zentrale Haftungsvoraussetzung ist gemäß s. 214 (2) (b) IA 1986, daß der Haftungsadressat zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Beginn des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens1227 erkannt hat oder jedenfalls hätte erkennen müsIA 1986] in an appropriate case.“); Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 234; Dennis, 11.2.6, S. 376. 1222 Ausdrücklich als insolvenzrechtlich qualifizieren s. 214 IA 1986 aus österreichisch-italienischer Sicht Enriques/Gelter, (2006) 1 EBOR, 417, 450. 1223 Siehe Artt. 4 I, 3 I EuInsVO (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 v. 29.05.2000). 1224 „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ oder „center of main interests“ (COMI), vgl. Art. 3 I EuInsVO, allerdings ohne jede Bestimmung dieses Begriffs (zu Recht kritisch Schack, IZVR, Rn. 1160 mit Fn. 1). 1225 Goode, para. 12-25, S. 531. 1226 Im deutschen Recht kommt eine Haftung des Gesellschafters im wesentlichen nur bei Führungslosigkeit der Gesellschaft in Betracht (§ 823 II GB i.V. m. § 15a III, I InsO). Die daneben denkbare Haftung aus § 826 BGB greift aufgrund der hohen subjektiven Anforderungen selten ein; im Einzelnen ist vieles unklar. Siehe etwa Wagner, in: MK BGB, § 826 Rn. 116 ff. 1227 „At some time before the commencement of the winding up“.
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sen1228, daß für die Limited „keine vernünftige Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung“ 1229 bestand. Diese im Gesetz gebrauchte Wendung ist allerdings irreführend; es sollte stattdessen von einer ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung gesprochen werden1230. Der maßgebliche Zeitpunkt wird auch als „moment of truth“ bezeichnet1231. Seine Bestimmung, ebenfalls unter den Namen „sunshine test“ 1232 oder „silver lining test“ 1233 bekannt, stellt das Kernproblem der Begründung einer Haftung aus s. 214 IA 1986 dar1234. aa) Ausgangspunkt der Prüfung Gemäß s. 214 (2) (b) IA 1986 ist es nicht hinreichend, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt (objektiv) für die Gesellschaft ohne Sanierungsmaßnahmen keine Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung bestand; es ist zusätzlich erforderlich, daß der Haftungsadressat dies (subjektiv) zumindest hätte erkennen müssen. Es handelt sich damit um ein gemischt objektiv-subjektives Tatbestandsmerkmal, dessen objektive und subjektive Momente nur gemeinsam geprüft werden können. Fraglich erscheint zunächst, aus welchem Blickwinkel zu untersuchen ist, ob der Haftungsadressat den maßgeblichen Zeitpunkt erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können. Das Gesetz enthält auch diesbezüglich keine klaren Maßgaben; die Rechtsprechung ist ebenfalls nicht eindeutig1235. Im Schrifttum finden sich unterschiedliche Standpunkte. 1228 „Knew or ought to have concluded“. Auch in diesem Zusammenhang (siehe bereits den Text bei Fn. 661 in Teil 2 betreffend rechtswidrige Ausschüttungen) wird von constructive knowledge gesprochen (Morse, para. 15.599.30), ähnlich dem Kennenmüssen des deutschen Rechts gemäß § 122 II BGB. 1229 „No reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation“. Unzutreffend Schuberth, S. 191, der glaubt, es dürfe keine vernünftige Aussicht bestanden haben, die Insolvenz der Gesellschaft zu vermeiden. Eine Insolvenz im Sinne der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit ist für die Auslösung einer Haftung aus s. 214 IA 1986 allein nicht hinreichend. Das ergibt sich eindeutig bereits aus dem Wortlaut des s. 214 (2) (b) IA 1986 („that the company would avoid going into insolvent liquidation“ [Hervorh. von mir]). 1230 Siehe den Text bei Fn. 1261 ff. in Teil 2. 1231 So etwa Cheffins, 11. 3., S. 542; Morse, para. 15.599.30. 1232 Vgl. Mayson/French/Ryan, 20.12.3, S. 681. 1233 Vgl. Cork, para. 1782, S. 399. 1234 „[G]reatest interpretational problems“, Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 207; „This may be an extremely difficult task“, Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13; Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 91, 104; Keay, (2006) 9 Insolv. Int. 132, 132; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 183. 1235 Dies gilt insbesondere für die insoweit häufig zitierte Entscheidung Re Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 54: „I should keep in mind, as it seems to me on the facts of this case, the following. First, there is always the danger of hindsight, the danger of assuming that what has in fact happened was always bound to happen and was apparent. [Hervorh. von mir]“. Diesem Urteil ist keine klare Aussage über den im
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Nach einer Ansicht hat die Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals retrospektiv zu geschehen1236. Das Gericht soll also im Haftungsverfahren unter Zugrundelegung aller mittlerweile bekannten Tatsachen ex post bestimmen, ob die ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlende Überlebensaussicht zumindest erkennbar war. Dagegen spricht der Wortlaut von s. 214 (2) (b) IA 1986 („at some time . . . that person knew . . . that there was no reasonable prospect“ 1237). Dieser läßt gerade nicht darauf schließen, daß die Sicht eines allwissenden Betrachters zugrundezulegen sein soll. – Nach einer anderen Meinung ist maßgeblich, wie sich die Lage aus der Sicht des Haftungsadressaten dargestellt habe; es solle eine Betrachtung ex ante erfolgen1238. Hierfür streitet neben dem bereits erwähnten Wortlaut auch die historische Auslegung. Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich Rücksicht auf die Besonderheiten der Entscheidungsfindung in der Unternehmenskrise nehmen1239. Diese Ansicht erscheint demnach vorzugswürdig. Damit hat sich das Gericht im Haftungsverfahren in die Lage hineinzuversetzen, wie sie sich für den Haftungsadressaten darstellte. bb) Sorgfaltsmaßstab Welchen Sorgfaltsmaßstab das Gericht dabei bezüglich der Erkennbarkeit des maßgeblichen Zeitpunkts zugrundezulegen hat, regelt das Gesetz vergleichsweise ausführlich1240. Es knüpft in s. 214 (4) IA 1986 an einen gemischt objektiv-subAllgemeinen richtigen Blickwinkel bei der Prüfung des s. 214 (2) (b) IA 1986 zu entnehmen. Die Entscheidung stützt sich einerseits auf die Besonderheiten des Einzelfalles. Sie weist andererseits lediglich auf die mit der Prüfung verbundenen Schwierigkeiten hin, ohne abschließend festzustellen, wie diesen Schwierigkeiten zu begegnen sei. 1236 Griffin, Personal Liability, S. 65; widersprüchlich Wachendorf, S. 56 und S. 57. 1237 Hervorh. von mir. 1238 Totty/Moss, para. B1-32: „it is necessary to go back to the point of time at which the director (against whom the application is made) ought to have concluded that there was no longer a reasonable prospect of the company avoiding insolvent liquidation.“; Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13: „what was apparent at that time“; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 96, 93; Griffin, Personal Liability, 4.4., S. 68; Pritchard, in: Omar, S. 32. 1239 Im Gesetzgebungsverfahren wurde am 18.07.1985 im House of Commons geäußert: „Concern was also expressed in Committee about the danger of the courts applying a negligence test and making unreasonable requirements of directors who had had to make difficult decisions on uncertain questions as a matter of business judgment . . . I am sure that . . . the courts are accustomed to putting themselves in the shoes of decision makers at the time, faced with all the difficulties, the need for quick decisions and decisions which have to be made in the heat of the moment . . .“ [Hervorh. von mir], siehe Hansard, Commons Sittings, vol. 83, c. 568, zugänglich unter http://hans ard.millbanksystems.com/commons/1985/jul/18/responsibility-for-companys-wrongful. 1240 Siehe s. 214 (4) IA 1986. Nicht nachvollziehbar Schuberth, S. 197, der meint, „welche Anforderungen hier im einzelnen an die Direktoren gestellt werden, ist bisher weitgehend ungeklärt“. Bezeichnenderweise widerspricht sich ders. sogleich auf S. 198, wenn er meint, daß „sich die von den Direktoren verlangten Standards letztlich wohl
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jektiven Maßstab an1241, der wegen seiner vergleichsweise klaren Regelung erhebliche Bedeutung auch für die Bestimmung der allgemeinen Sorgfaltspflichten von Geschäftsleitern erlangt hat1242. Ausschlaggebend sind einerseits die Tatsachenkenntnis und die Schlußfolgerungen, die von einer durchschnittlich sorgfältigen Person mit demselben Aufgabenbereich in demselben Unternehmen erwartet werden können1243. Es sind alle Erkenntnisse zu berücksichtigen, die einer sorgfältigen Person mit den Aufgaben des präsumtiven Haftungsadressatens zugänglich gewesen wären, unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall war1244. Von Bedeutung ist insoweit beispielsweise der Grad der Einbindung des Haftungsadressaten in das Unternehmen, etwa als executive director, als non-executive director oder ohne eine Bestellung zum director als shadow director1245. Bei einem amtierenden director ist der übertragene Aufgabenbereich entscheidend, nicht sein tatsächlicher Tätigkeitsbereich1246, auch wenn er seine Aufgaben – etwa im Falle der teilweisen Delegation – nicht vollumfänglich selbst wahrnimmt1247. Die Anforderungen an den präsumtiven Haftungsadressaten unterscheiden sich auch je nach der Größe der Limited, wobei sie bei einem größeren Unternehmen naturgemäß höher liegen1248. Andererseits sind besondere Fähigkeiten des in Anspruch Genommenen bei der Bestimmung der Erkenntnismöglichkeiten zusätzlich zu berücksichtigen1249. Eine besondere Nachlässigkeit oder Unfähigkeit des in Anspruch Genommenen vermag sich umgekehrt nicht zu dessen Gunsten auszuwirken1250. Soweit die ohne große Probleme aus den gesetzlichen und außergesetzlichen Verhaltenspflichten entwickeln lassen“. 1241 Vgl. s. 214 (4) (a) mit s. 214 (4) (b) IA 1986. Dieser gemischt objektiv-subjektive Maßstab ist nicht mit dem gemischt objektiv-subjektiven Tatbestandsmerkmal zu verwechseln, auf das sich der Sorgfaltsmaßstab bezieht. 1242 Vgl. Lexi Holdings v Luqman [2008] EWHC 1639 (Ch), para. 35 ff.; Mayson/ French/Ryan, 20.12.3, S. 681; Birds, in: Boyle/Birds, 16.7, S. 622. Einschränkend aber Arsalidou, (2001) 1 Comp. Law. 19, 21 f., die eine lediglich begrenzte Auswirkung der s. 214 IA 1986 annimmt. 1243 S. 214 (4) (a) IA 1986. Anschaulich Norman v Theodore Goddard [1992] B.C.C. 14, 15, Ch. D.: „A director who undertakes the management of the company’s properties is expected to have reasonable skill in property management, but not in offshore tax avoidance.“ 1244 Doyle/Keay, s. 214, S. 234. 1245 Birds, in: Boyle/Birds, para. 15.19.2, S. 598; Goode, para. 12-37, S. 537; Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 55; Singer v. Beckett, Re Continental Assurance Company of London plc [2001] 2001 WL 720239, para. 286, Ch. D. 1246 S. 214 (5) IA 1986. 1247 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 89. 1248 Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 5 B.C.C. 569, 594 f.; Totty/Moss, para. A1-06; Pennington, Corporate Insolvency Law, S. 261. 1249 Vgl. s. 214 (4) (b) IA 1986; siehe das „and“ am Ende von s. 214 (4) (a) IA 1986. 1250 Re DKG Contractors Ld [1990] B.C.C. 903, 912; Birds, in: Boyle/Birds, 15.19.2, S. 598.
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vorgenannten Maßstäbe auf einen Schattengeschäftsleiter übertragbar sind, gelten sie auch für diesen1251. cc) Hinweise auf den Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts (1) Keine klare gesetzliche Regelung Das Gesetz enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, welche Tatsachen eine ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung begründen. Geregelt ist allein, daß unter insolvenzbedingtem Abwicklungsverfahren das Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters1252 oder dasjenige unter Aufsicht des Gerichts1253 zu verstehen ist, sofern die Gesellschaft bei Verfahrensbeginn überschuldet war1254. Das Fehlen näherer gesetzlicher Bestimmungen ist einer hartnäckigen Verweigerungshaltung der damaligen Regierung Thatcher geschuldet1255. Es steht sowohl dem Ansinnen der Reformkommission1256 als auch wiederholten nachdrücklichen Forderungen im Gesetzgebungsverfahren1257 entgegen und wird im Schrifttum durchweg harsch kritisiert1258. (2) Keine ausweglose Lage erforderlich Die schließlich in das Gesetz eingefügte Rumpfregelung in s. 214 (2) (b) IA 1986 ist nicht nur unvollständig, sondern auch mißverständlich. Ihr Wortlaut („no reasonable prospect that the company would avoid going into insolvent liquidation“) legt nahe, daß der maßgebliche Zeitpunkt erst eintreten kann, wenn nur noch die insolvenzbedingte Abwicklung der Limited in Betracht kommt, weil keinerlei Sanierungsaussichten mehr bestehen. 1251
Arg. e s. 214 (7) IA 1986. Ss. 84 ff. IA 1986. 1253 Ss. 177 ff. IA 1986. 1254 S. 214 (6) IA 1986. Siehe dazu den Text bei Fn. 1109 ff. in Teil 2. 1255 „The Government steadfastly resisted every attempt to include any statutory definition of wrongful trading. Various proposed provisions were tabled . . ., but all such amendments were defeated“, Morse, para. 15.599.27. 1256 Cork, para. 1781 ff., S. 399; para. 1806, S. 404 ff. 1257 Hansard, Commons Sittings, 18 July 1985, vol. 83, cc. 560 ff., zugänglich unter http://hansard.millbanksystems.com/sittings/1985/jul/18; Hansard, Lords Sittings, 21 March 1985, vol. 461, cc. 746 ff., zugänglich unter http://hansard.millbanksystems.com/ sittings/1985/mar/21. 1258 Vgl. Cheffins, 11. 3., S. 542: „the phrase is very difficult to define with precision“; Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 207 (insoweit unzutreffend zitiert bei Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93 mit Fn. 18): „the phrase, at the very least, is elusive“; Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13: „the section is singularly imprecise“; Milman/Durrant, para. 12-46, S. 232: „somewhat obtuse terms“; zurückhaltender Campbell, (1994) 1 I.C.C.L.R. 16, 19: „the Act provides little assistance“. 1252
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Indes kann der maßgebliche Zeitpunkt auch wesentlich früher liegen. Es ist nicht vorausgesetzt, daß überhaupt keine Aussicht auf Sanierung der Gesellschaft mehr besteht. Dies folgt aus der Zusammenschau von s. 214 (2) (b), (3)1259 und (4) IA 1986. Danach ist es Pflicht des Haftungsadressaten, nach Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts alle Schritte zu ergreifen, um mögliche Verluste der Gesellschaftsgläubiger zu minimieren1260. Von einer Pflicht gerade zur Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens ist nicht die Rede. Der Ausdruck „alle Schritte“ läßt gerade darauf schließen, daß ausweislich der gesetzlichen Konzeption nach Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts noch verschiedene Handlungsmöglichkeiten des Haftungsadressaten bestehen, nicht aber allein die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens. Das aber ist nur der Fall, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt noch Sanierungsmöglichkeiten bestehen; andernfalls wäre die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens der einzig richtige Schritt zur geforderten Minimierung der Verluste der Gläubiger. Für den Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts ist noch nicht einmal notwendig, daß bereits ein Insolvenzgrund vorliegt1261. Entgegen einem grundlegenden Mißverständnis im Schrifttum1262 ist hinreichend, daß für die Gesellschaft bei unge1259
Zu s. 214 (3) IA 1986 siehe den Text bei Fn. 1385 in Teil 2. S. 214 (3) IA 1986: „that after the condition specified in subsection (2) (b) was first satisfied in relation to him that person took every step with a view to minimising the potential loss to the company’s creditors as . . . he ought to have taken.“ S. 214 (4): „the steps which he ought to take“ [Hervorh. von mir]. 1261 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93; Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 317. 1262 Bachner, [2004] 5 EBOR, 293, 301, meint, „The logic of the interplay between subsection (2) (b) and subsection (3) is not easy to identify. If the directors embark on a rescue attempt that, ex ante, can be judged as promising according to the standard of a reasonable director laid down in subsection (4), it is arguable that the company has not even crossed the threshold of subsection (2) (b) of there being no reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation, proof of which lies with the liquidator, so that the directors would not need to invoke the defence in subsection (3)“. Diese Ausführungen verkennen die Systematik der s. 214 IA 1986. Stünde, wie Bachner meint, die bloße Möglichkeit der Umsetzung einer aussichtsreichen Sanierungsmaßnahme dem Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts gemäß s. 214 (2) (b) IA 1986 entgegen, dann könnte es nie zu einer Haftung nach s. 214 IA 1986 kommen. Denn auch dann, wenn die Haftungsadressaten die mögliche Sanierungsmaßnahme nicht ergriffen, das Geschäft fortführten und die Limited schließlich insolvenzbedingt abgewickelt würde, fehlte es nach dems. an der Haftungsvoraussetzung des Eintritts des maßgeblichen Zeitpunkts vor Beginn des Abwicklungsverfahrens. Überdies wäre s. 214 (3) IA 1986 gänzlich überflüssig, wenn man wie ders. die Verpflichtung zur Umsetzung aller vernünftigen Schritte, die einen Schaden der Gläubiger zu minimieren vermögen, bereits in s. 214 (2) (b) IA 1986 hineinliest. Ferner verkennt ders., daß die Unterscheidung zwischen s. 214 (2) (b) und (3) IA 1986 eine unterschiedliche Beweislastverteilung ermöglicht (siehe einerseits den Text bei Fn. 1159 ff. in Teil 2, andererseits bei Fn. 1440 ff. in Teil 2), die wichtiger Teil des Haftungskonzepts des s. 214 IA 1986 ist („the crunch of the section is to shift the burden of proof on to the director“, Hicks (1993) 3 Comp. Law. 55, 58). 1260
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hindertem Fortgang der Entwicklung – wenn also der Haftungsadressat keine Sanierungsmaßnahmen ergreift – die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens nicht mehr vermieden werden könnte1263. Vor diesem Hintergrund sollte bezogen auf s. 214 (2) (b) IA 1986, wie bereits festgestellt, nicht von einer fehlenden Aussicht, daß sich die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens (überhaupt) vermeiden lassen würde, gesprochen werden – wie es im Gesetz heißt –, sondern besser von einer ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung die Rede sein. (3) Keine vorherige werbende Tätigkeit notwendig Unklar ist s. 214 (2) (b) IA 1986 unter einem weiteren Gesichtspunkt. Die Gesetzesüberschrift „wrongful trading“ legt nahe, daß der Zeitpunkt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung erst eintreten kann, nachdem die Limited bereits werbend tätig gewesen ist. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht setzt der maßgebliche Zeitpunkt in der Tat eine vorangehende werbende Tätigkeit der Gesellschaft voraus1264. Dafür läßt sich anführen, daß seit einer Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2004 auch Gesetzesüberschriften zur Auslegung der jeweiligen Norm herangezogen werden können1265. Dagegen spricht allerdings, daß Gesetzesüberschriften als Auslegungshilfe lediglich von vergleichsweise geringem Gewicht sind1266; außer in der Überschrift findet sich in s. 214 IA 1986 keinerlei Hinweis auf ein Erfordernis einer werbenden Tätigkeit der Gesellschaft zur Begründung einer Haftung. Nach einer anderen, in der Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums vertretenen Meinung bedeutet es hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts kei-
1263 Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 337 („when the shareholders’ equity in the company has been reduced to an exiguous level and there is no hope of replacing it through the company’s established trading policies“; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93 („the phrase reasonable prospect is elusive. It is difficult for directors in many situations, leaving aside those cases where their company . . . cannot possibly recover, . . . to gaze into the future and determine whether insolvent liquidation is the company’s lot. Much is likely to turn on what the directors are doing“; Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 208 („What would seem unacceptable is for directors to continue trading . . . when clearly their company is in irreversible decline and no plans for restoring the company into profitability are in the offing.“). (Hervorh. von mir). 1264 Snaith, para. 21.05, S. 676: „liability for negligent behaviour which involves the continuation of corporate trading“. 1265 R v Montila [2004] UKHL 50, para. 35 ff., HL, unter Aufgabe von Chandler v Director of Public Prosecutions [1964] A.C. 763, 789, HL. 1266 Siehe R v Montila [2004] UKHL 50, para. 34, HL.
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nen Unterschied, ob die Gesellschaft ihr dereinst ausreichendes Kapital1267 im Zuge werbender Tätigkeit aufgebraucht hat oder aber von vornherein über keine hinreichende Kapitalausstattung verfügte und gar nicht erst werbend tätig geworden ist1268. Darauf deutet zunächst der Wortlaut des gesamten s. 214 IA 1986 hin, der, abgesehen von der Gesetzesüberschrift, insoweit keinerlei Einschränkungen enthält. Auch die historische Auslegung spricht für diese Ansicht. Bereits die Reformkommission wollte gerade auch derartige Fälle durch s. 214 IA 1986 erfassen1269. Diese Ansicht erscheint mithin vorzugswürdig. Damit kann der maßgebliche Zeitpunkt auch bereits mit Inkorporation der Gesellschaft zusammenfallen. Den Haftungsadressaten kann so von vornherein die Pflicht treffen, für eine ausreichende Kapitalausstattung der Limited zu sorgen. Letzteres folgt aus s. 214 (3) IA 19861270, der dazu verpflichtet, einen (zukünftigen) Gläubigern drohenden Schaden zu minimieren. Dabei ist der Haftungsadressat jedoch nicht dazu verpflichtet, Eigenkapital einzusetzen; auch eine nach Umfang und Fristigkeit hinreichende Fremdkapitalfinanzierung genügt insoweit1271. Eine der in Deutschland erwogenen Haftung aufgrund materieller Unterkapitalisierung1272 vergleichbare Verantwortlichkeit, die bei einer unzureichenden Eigenkapitalausstattung eingreift, vermag s. 214 IA 1986 also nicht zu begründen.
1267 Zur Frage der Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital siehe den Text bei Fn. 1271 f. in Teil 2. 1268 Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 127: „I have felt some doubt whether a reasonably prudent director would have allowed the company to commence trading at all. It had no capital base. Its only assets were purchased by bank borrowing or acquired by hire purchase. And its working capital was contributed by a loan . . . The company was doomed to end in an insolvent winding up from the moment it started to trade.“ [Hervorh. von mir]. Die Haftung aus s. 214 IA 1986 scheiterte in dieser Entscheidung an einem anderen Tatbestandsmerkmal. Re Cubelock Ltd [2001] B.C.C. 523, 524, 529 (wo die erstgenannte Entscheidung übergangen wird): „it would be irresponsible for the directors to allow a new trading company to start business if it did not have a reasonable amount of capital available to it“. Ferner Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 208; vgl. auch Bailey/Groves, para. 17.21, S. 700. 1269 Cork, para. 1785, S. 400. 1270 Dazu siehe den Text bei Fn. 1385 ff. in Teil 2. 1271 Re Cubelock Ltd [2001] B.C.C. 523, 524: „It was not objectionable that the company’s capital was mostly provided by way of loan. It was very common for the promoters of a new company to fund it predominantly by way of loan rather than by way of equity“; Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 208. 1272 Für solche Fälle besteht in Deutschland nach dem BGH kein spezielles gesellschafts- oder insolvenzrechtliches Haftungsinstitut (BGH NJW 2008, 2437, 2438 ff.). Derartige Fälle könnten nach Ansicht des Gerichts allenfalls von § 826 BGB erfaßt werden, was das Gericht ausdrücklich offengelassen hat (BGH NJW 2008, 2437, 2440). Zum Streitstand vgl. Wagner, in: MK BGB, § 826 Rn. 122 ff. m.w. N.
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(4) Weiter Entscheidungsspielraum der Gerichte In diesem sehr vagen Rahmen verfügen die Gerichte über einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Ermittlung des Zeitpunkts der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung1273. Allerdings vermochte die Rechtsprechung bislang keine allgemeingültigen Kriterien zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts zu entwickeln1274. Auch im Schrifttum ist es bislang nicht gelungen, brauchbare allgemeine Kriterien zu gewinnen1275. Vielmehr wird zur Ermittlung der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung stets auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt1276: (a) Überschuldung Ein erster Gesichtspunkt bei der Prüfung einer ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung ist eine Überschuldung der Limited. Eine Überschuldung i. S. v. s. 214 (2) (b) IA 1986 ist nach der Rechtsprechung zur Begründung einer ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung weder erforderlich1277, noch hinreichend1278. Das soll selbst dann gelten, wenn die Überschuldung der Limited bereits jahrelang bestand1279. Deshalb hat die Überschuldung in s. 214 (2) (b) IA 1986 – entgegen einer anderen Ansicht1280 – keine maßgebliche Bedeutung für die Annahme einer ohne Sanierungsmaßnahmen 1273
Morse, para. 15.599.27: „wide discretionary powers“. Dies stellen auch Totty/Moss, para. A1-06, fest. 1275 Vgl. aber Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 350, die versuchen, insoweit finanzmathematische Verfahren nutzbar zu machen. Siehe dazu noch den Text bei Fn. 1314 f. in Teil 2. 1276 Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 208 („every case will depend on its own facts“); Hicks, (1993) 1 Comp. Law., 16, 17. 1277 Siehe den Text bei Fn. 1261 in Teil 2. 1278 Re Cubelock Ltd [2001] B.C.C. 523, 524, 540; Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd (1999) B.C.C. 26, 52 f.; Re Produce Marketing Consortium (No. 2) [1989] 5 B.C.C. 569, 595 f.; Totty/Moss, para. A1-06. 1279 Jeweils rund drei Jahre: Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 26, 53; rund fünf Jahre: Re Produce Marketing Consortium (No. 2) [1989] 5 B.C.C. 569, 569, 595 f. 1280 Siehe Spindler, JZ 2006, 839, 846, unter Bezugnahme auf s. 214 (6) IA 1986. Diese Vorschrift mißversteht er offenbar dahin, daß sie einen Maßstab für den „moment of truth“ im Sinne des s. 214 (2) (b) bilde. Tatsächlich regelt s. 214 (6) IA 1986 ausweislich seines an sich eindeutigen Wortlauts jedoch, daß eine Haftung aus „wrongful trading“ nur dann in Betracht kommt, wenn die Gesellschaft bei der dem „moment of truth“ (deutlich) nachfolgenden Einleitung der „insolvent liquidation“ qualifiziert überschuldet war. Dies hat den Hintergrund, daß nur dann ein durch s. 214 IA 1986 auszugleichender Nachteil der Gläubiger eintreten können soll; siehe bereits den Text bei Fn. 1117, 956 in Teil 2. Vgl. auch Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 318 f. 1274
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fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung. Bei der Überschuldung i. S. d. s. 214 (2) (b) IA 1986 handelt es sich vielmehr lediglich um einen einzelnen, in die Gesamtbetrachtung einzustellenden Gesichtspunkt1281. Zur Prüfung der Überschuldung haben die (Schatten-)Geschäftsleiter der Gesellschaft – entgegen einer anderen Ansicht1282 – wiederum eine gesonderte Überschuldungsbilanz zu erstellen1283. Diese unterscheidet sich sowohl von der dargestellten Überschuldungsbilanz zur Prüfung des Verfahrenseröffnungsgrundes im Sinne der ss. 122 (1) (f), 123 (2) IA 1986, als auch von der erläuterten Überschuldungsbilanz, die der Prüfung dient, ob ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren im Sinne von s. 214 (2) (a), (6) IA 1986 vorliegt. Während im Vergleich zur Überschuldungsbilanz im Sinne von ss. 122 (1) (f), 123 (2) IA 1986 erhebliche Abweichungen auftreten1284, hat die diejenige im Sinne des s. 214 (2) (b) IA 1986 mit der Überschuldungsbilanz im Sinne des s. 214 (2) (a), (6) IA 1986 jedenfalls die Ansatzvorschriften gemein. Das folgt aus s. 214 (6) IA 1986, der ausweislich seines Wortlauts neben s. 214 (2) (a) auch für s. 214 (2) (b) IA 1986 gilt. Damit sind wiederum zukünftige und bedingte Verbindlichkeiten sowie – entgegen einer anderen Ansicht1285 – unzweifelhaft auch die Verfahrenskosten zu berücksichtigen1286; wie sich diese allerdings im Vorwege bestimmen lassen sollen, bleibt eine weitere Unklarheit von s. 214 IA 19861287. Ein wichtiger Unterschied bei der Aufstellung der beiden letztgenannten Überschuldungsbilanzen ergibt sich daraus, daß für Zwecke des s. 214 (2) (b) – anders als bei s. 214 (2) (a) IA 19861288 – nicht entscheidend ist, wie die Lage der Gesellschaft 1281
Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 207. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 185 mit Fn. 61 und Redeker, S. 91 meinen, es bedürfte überhaupt keiner Überschuldungsbilanz. 1283 So im Ergebnis, indes ohne Begründung, auch Jones, (1993) 5 I. L. & P., 133, 136 („what the basis of valuation of the balance sheet should be when a director is considering the prospect of insolvent liquidation“). Siehe auch Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128: „total failure to ensure that proper records were kept and that proper cash flow calculations and net worth calculations were made, to ascertain the precise extent of the company’s net liabilities at the end of 1986 or the extent to which the net liabilities were increased by the continuance of the company’s trading after the end of 1986.“ [Hervorh. von mir]. Daraus folgt, daß der Beklagte zu dem entscheidenen Zeitpunkt Ende 1986 eine Überschuldungsbilanz hätte erstellen müssen. 1284 Siehe bereits den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 2 zu den Unterschieden zwischen den Überschuldungsbilanzen im Sinne der s. 214 (2) (a), (6) IA 1986 und ss. 122 (1) (f), 123 (2) IA 1986. 1285 Redeker, S. 93, meint, dies sei „zweifelhaft“. Dem steht der eindeutige Wortlaut des s. 214 (6) IA 1986 entgegen. Ders. zitiert außerdem die zur Stützung seiner Ansicht wiedergegebene Jones, (1993) 5 I. L. & P. 133, 136 falsch. Diese weist darauf hin, daß die Art und Weise der Ermittlung der für Verfahrenskosten erforderlichen Abschläge unklar ist. 1286 S. 214 (6) IA 1986: „and the expenses of the winding up“. 1287 Jones, (1993) 5 I. L. & P. 133, 136: „It is not clear how a director would calculate these expenses and no guidance is given in the legislation“. 1282
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in Kenntnis der nachfolgenden Ereignisse rückblickend erscheinen mußte. Vielmehr ist bei der Untersuchung einer Überschuldung für Zwecke des s. 214 (2) (b) IA 1986 eine Betrachtung ex ante zugrundezulegen, da die Überschuldung ja Indiz für das Kennen bzw. Kennenmüssen der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung durch den Haftungsadressdaten ist. Fraglich ist, welche Bewertungsvorschriften dabei anzuwenden sind. Es kommen hier wiederum1289 Fortführungs- und Zerschlagungswerte in Betracht. Auch insoweit sind weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung eindeutige Maßgaben zu entnehmen. Das Schrifttum übergeht diese Frage zumeist1290; die Autoren, die sich mit dieser Frage befassen, schlagen unterschiedliche Lösungen vor. Nach einer Ansicht sollen auch hier stets Fortführungswerte anzusetzen sein1291. Dagegen sprechen die bereits zu s. 214 (2) (a) IA 1986 dargestellten Bedenken1292: Diese Herangehensweise wirkt der Feststellung einer Überschuldung bei Unternehmen entgegen, für die keinerlei Aussicht auf Fortführung besteht. Das läuft dem Zweck von s. 214 IA 19861293 zuwider, weil trotz Ausfalls der Gesellschaftsgläubiger die ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung zu verneinen ist, wodurch eine Haftung ausscheidet. Vorzugswürdig ist daher eine differenzierende Betrachtung, die dem (Schatten-)Geschäftsleiter je nach den Umständen des Einzelfalles aufgibt, eine Überschuldungsbilanz unter Zugrundelegung von Fortführungs- oder Zerschlagungswerten zu errichten1294. Dabei kann es erforderlich sein, unter der Berücksichtigung der sich ändernden Lage der Gesellschaft von einer Fortführungs- zu einer Zerschlagungsbetrachtung und zurück zu wechseln1295. (b) Zahlungsunfähigkeit Ein weiterer Gesichtspunkt für eine ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung ist die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von s. 214 (2) (b) IA 1986. Auch diese ist als solche nicht 1288
Vgl. den Text bei Fn. 1157 f. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 1040 und 1136 ff. in Teil 2. 1290 Vgl. etwa Keay/Walton, 43.4, S. 590 f.; Bailey/Groves, para. 17.24 ff., S. 701 ff.; Hannigan, S. 844 ff. 1291 Sealy/Milman, s. 214, S. 236. 1292 Siehe den Text bei Fn. 1150 ff. in Teil 2. 1293 Vgl. den Text bei Fn. 956 in Teil 2. 1294 So ausdrücklich Jones, (1993) 5 I. L. & P., 133, 136; auch Totty/Moss, para. B132 mit Fn. 11: „[the balance sheet] not containing going-concern assumptions if these are not borne out by the likelihood of a reasonably quick disposal of the business or relevant parts of it“. 1295 Jones, (1993) 5 I. L. & P. 133, 136. 1289
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hinreichend1296, selbst dann nicht, wenn sich die Zahlungsunfähigkeit bereits über Monate hinzieht1297. Die Rechtsprechung mißt der Zahlungsunfähigkeit bei der Prüfung einer fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung immerhin ein größeres Gewicht als der Überschuldung der Gesellschaft zu1298. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in s. 214 (2) (b) IA 1986 entspricht nicht dem Verfahrenseröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gemäß ss. 122 (1) (f), 123 (1) IA 1986. Der Verfahrenseröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft nach Überzeugung des Gerichts nicht in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen1299. Weiter besteht Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne, wenn eine Zwangsvollstreckung zumindest teilweise erfolglos war1300. Schließlich liegt der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die Gesellschaft eine fällige, unbestrittene1301 Forderung in Höhe von mehr als 750 £ nicht innerhalb von drei Wochen erfüllt oder hinreichend Sicherheit geleistet hat, nachdem ein Gläubiger in einer bestimmten Form Zahlung verlangt hat1302. Die Zahlungsunfähigkeit in s. 214 IA 1986 wird dagegen auf Grundlage der im Geschäftsverkehr geduldeten Zahlungsfristen („commercial reality“) bestimmt. Zahlungsunfähigkeit im Sinne von s. 214 IA 1986 ist erst gegeben, wenn die Limited Zahlungen nicht mehr innerhalb eines Zeitraumes leistet, der für ihre Gläubiger noch hinnehmbar ist1303. (c) Weitere Anhaltspunkte für die finanzielle Lage Als wichtige weitere Erkenntnisquellen, die auf eine ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung hindeuten können, kommen die Buchführung und die Rechnungslegung der Limited in Betracht. Entscheidend ist insoweit nicht, welches Bild diese tatsächlich vermittelt haben, sondern welche Schlüsse eine in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften erfolgende Rechnungslegung1304 sowie die ihr zugrunde1296 Siehe Re The Rod Gunner Organisation Ltd [2004] B.C.C. 684, 696; Re Purpoint Ltd [1991] BCLC 491, 498; Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 904, 912; Totty/Moss, para. A1-06; Hicks, (1993) 1 Comp. Law., 16, 17. 1297 Sechs Monate: Re The Rod Gunner Organisation Ltd [2004] B.C.C. 684, 696; zwei Monate: Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 904, 912. 1298 Vgl. Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 319 f. 1299 S. 123 (1) (e) IA 1986. 1300 S. 123 (1) (b) IA 1986. 1301 Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 315. 1302 S. 123 (1) (a) IA 1986. 1303 „Within time-scales acceptable to their creditors“, Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 319. 1304 Hierfür gelten ss. 393 ff. CA 2006 i.V. m. den Rechnungslegungsvorschriften der IFRS bzw. UK GAAP, siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2.
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liegende Buchführung1305 ermöglicht hätten1306. Es reicht also nicht aus, allein die Jahresabschlüsse zu betrachten1307; erforderlich ist vielmehr, eine aussagekräftige laufende Buchhaltung vorzuhalten und zu beobachten1308. Die Rechnungslegung kann offensichtlich auf eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung hindeuten, wenn der Abschlußprüfer auf eine – auch bereits vor Eintritt einer Überschuldung1309 – problematische finanzielle Lage der Gesellschaft hinweist1310. Aus der Buchführung kann sich eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung beispielsweise aus einer laufend aktualisierten Überschuldungsbilanz ergeben1311. Gleiches gilt für einen aus der laufenden Buchhaltung ersichtlichen erheblichen Umsatzeinbruch1312. Anhaltspunkt kann auch eine nachteilige Beurteilung der finanziellen Lage der Gesellschaft durch einen ausgewiesenen Sanierungsberater sein; verfügt der Haftungsadressat nicht über hinreichende eigene Fähigkeiten, kann er verpflichtet sein, den Rat solcher Fachleute einzuholen1313. Diese mögen dazu etwa auf finanzmathematische Verfahren zurückgreifen, die dazu beitragen können, das Scheitern eines Unternehmens vorherzusagen. Zu derartigen Verfahren zählt etwa die Diskriminanzanalyse verschiedener Unternehmenskennzahlen1314, wie etwa des Verhältnisses etwaiger Gewinnrücklagen zu den Aktiva oder des Vorsteuergewinns zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten1315.
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Insoweit einschlägig sind ss. 380 ff. CA 2006. Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] 5 B.C.C. 569, 570, 595; Doyle/Keay, s. 214, S. 234. 1307 Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 340. 1308 S. 386 (2) (b) CA 2006: „records that are sufficient to disclose with reasonable accuracy, at any time, the financial position of the company at that time“; s. 386 (3) (a) CA 2006: „[a]ccounting records must, in particular, contain entries from day to day of all sums of money received and expended by the company and the matters in respect of which the receipt and expenditure takes place“ [Hervorh. von mir]. 1309 Siehe den Text bei Fn. 1261 ff. in Teil 2. 1310 Vgl. Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 53. 1311 In der Krise kann eine Pflicht zur regelmäßigen Erstellung einer solchen erwachsen, Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 912; vgl. auch Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 340 ff. 1312 Re The Rod Gunner Organisation Ltd [2004] B.C.C. 684, 686; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] 5 B.C.C. 569, 595. 1313 Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 107; Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 341, 350. 1314 Hierbei handelt es sich um ein statistisches Verfahren, das der Einordnung bestimmter Variablenausprägungen (hier: Unternehmenskennzahlen) in Objektgruppen (hier: gegebene oder fehlende Überlebensaussicht) anhand einer Diskriminanzfunktion (hier: ermittelt aus Erfahrungswerten betreffend eine gegebene oder fehlende Überlebensaussicht bei bestimmten Unternehmenskennzahlen) dient. Näher zur Diskriminanzanalyse etwa Pepels, in: Weigert/Pepels, S. 143. 1315 Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 344 f. Allerdings betrachten dies., S. 350, diese Methoden nur als ein Element der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts und räumen ein, daß derartige Verfahren nicht stets zur Verfügung stehen. 1306
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(d) Anhaltspunkte anderer Art Gerade auch Entwicklungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen spielen eine Rolle bei der Beurteilung, ob ohne Sanierungsmaßnahmen eine Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung fehlt. Dazu zählen beispielsweise der Verlust wichtiger Mitarbeiter, Lieferanten oder Abnehmer; der drohende Ausfall mit erheblichen Forderungen gegen Abnehmer; die Aufkündigung eines Lieferantenkredits1316 oder ein Lieferstopp wegen Zahlungsverzugs1317 sowie die Verringerung des Kreditrahmens durch die Hausbank der Limited oder ein Entzug der Unterstützung durch die Muttergesellschaft1318. Umgekehrt rechtfertigt ein bloßes Stillhalten von Geschäftspartnern nicht ohne weiteres die Annahme, daß etwa eine Bank auch weiterhin die Kreditlinie der Limited aufrechterhalten, eine Muttergesellschaft weiterhin Liquidität bereitstellen oder ein langjähriger Lieferant weiterhin fällige Forderungen stunden werde1319. Ferner spielen (selbstverständlich) die Nichterfüllung eigener Verbindlichkeiten1320, ein zunehmender Druck durch Gläubiger1321 und erfolglose Vollstrekkungsversuche gegen die Limited1322 sowie das endgültige Scheitern von Verhandlungen mit einem möglichen Investor1323 eine wichtige Rolle. Weitere Gesichtspunkte bei der Prüfung einer Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung sind Entwicklungen außerhalb des Unternehmens, wie ein erhöhter Wettbewerbsdruck, verschärfte Gesetzesbestimmungen1324 oder eine Rezession1325. Schließlich soll auch die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen sein, mit der bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes mit dem Antrag eines Gläubigers auf Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zu rechnen ist1326. 1316
Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 339, 348 f. Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 912. 1318 Griffin, Personal Liability, S. 66. 1319 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] 5 B.C.C. 569, 596. Anderer Ansicht aber Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13, die – lebensfremd und möglicherweise ihrem Beruf der Rechtsberaterin von Geschäftsleitungsmitgliedern (siehe Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12 mit Fn. 1) geschuldet – meint, „the withdrawal of support by the bank or the holding company often comes without any warning from the financier and as a complete surprise to the directors and no reasonable director would, in the circumstances, have anticipated that event“. 1320 Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 348. 1321 Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 912. 1322 Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 904. 1323 Re The Rod Gunner Organisation Ltd [2004] B.C.C. 684, 686. 1324 Cooke/Hicks, (1993) 7 J.B.L. 338, 349. 1325 Bailey/Groves, para. 17.28, S. 703. 1326 „In the eyes of the British courts, if the company is cash flow solvent, it will normally be safe to proceed on the basis that no creditor is likely to want or to be in a 1317
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dd) Fehlende „vernünftige“ Aussicht Hat nach diesen Maßstäben die Gesellschaft eine Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung, so stellt sich die Frage, ob diese Aussicht noch „vernünftig“ („reasonable“) im Sinne von s. 214 (2) (b) IA 1986 erscheint. Die Reformkommission wollte dieses Tatbestandsmerkmal bei Einführung der Haftung wegen „wrongful trading“ objektiv unter Bezugnahme auf den gewöhnlichen, vernünftigen Geschäftsleiter bestimmen1327. Indes hat lediglich der Begriff „vernünftig“ Eingang in den Gesetzestext gefunden; daneben finden sich keinerlei Hinweise auf den zugrundezulegenden Beurteilungsmaßstab. Das offene Tatbestandsmerkmal „vernünftig“ wird unterschiedlich ausgelegt. Die Rechtsprechung versteht den Begriff äußerst weit. So wurde etwa entschieden, daß eine „vernünftige“ Aussicht, die insolvenzbedingte Abwicklung der Limited vermeiden zu können, erst dann ausscheide, wenn dies offensichtlich und unvermeidlich unmöglich sei1328. Einer „vernünftigen“ Aussicht stehe es erst entgegen, wenn der Haftungsadressat seine Augen vor der Wirklichkeit verschließe1329. Dieses Verständnis befürwortet teilweise auch das Schrifttum1330. Es ist jedoch mit dem Wortlaut von s. 214 (2) (b) IA 1986 nicht zu vereinbaren. Der Begriff „vernünftig“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch mit den Begriffen „rational, angemessen, logisch“ gleichgesetzt. Die genannte Auslegung überdehnt diese Bedeutung. In anderen Teilen des Schrifttums wird denn auch auf einen wesentlich engeren Begriff „vernünftigen“ Handelns abgestellt. Ein solches scheide bereits dann aus, wenn die insolvenzbedingte Abwicklung ernsthaft drohe1331. Für diese Betrachtungsweise streitet die Systematik von. s. 214 (2) (b) IA 1986: Das Wort „vernünftig“ hätte keinerlei eigene Bedeutung, wenn jeder Fall, in dem nur irgendeine Aussicht der Vermeidung der insolvenzbedingten Liquidation besteht, position to put the company into liquidation, and so the company can be said to have still a reasonable prospect of avoiding insolvent liquidation.“, Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 319 f. 1327 Cork, para. 1783, S. 400. 1328 Official Receiver v. Doshi [2001] WL 172017, para. 79, Ch. D.: „obvious and inevitable“. Singer v. Beckett, Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, para. 106, Ch. D.: „obvious . . . that there was no way out“. 1329 Singer v. Beckett, Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, para. 106, Ch. D. 1330 Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13: Die Situation müsse „intrinsically irreversible“ sein. 1331 Vgl. Wainman, 1.5, S. 4: „could not rationally expect“; Totty/Moss, para. A1-06: „a 10 per cent prospect of avoiding insolvent liquidation must be regarded as being unreasonable“; Morse, para. 15.599.30: „after the time when it was known, or ought to have been realised, by the director that an insolvent liquidation was inevitable or, at least, that it was a reasonable probability“; Fletcher, (1995) 2 Insolv. Int. 14, 15: „not merely a fanciful prospect“.
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bereits als „vernünftig“ gälte. Die historische Auslegung spricht jedenfalls nicht dagegen. Mit dem Erfordernis der ernsthaft drohenden insolvenzbedingten Abwicklung wird auch der Absicht des Gesetzgebers genügt, die Schwierigkeiten unternehmerischer Entscheidungen in der Krise zu berücksichtigen1332. Mithin erscheint diese Ansicht vorzugswürdig. In der Praxis ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Rechtsprechung einen für den Handlungsadressaten wesentlich großzügigeren Maßstab anlegt. ee) Darlegungs- und Beweislast Der Insolvenzverwalter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Haftungsadressat zu einem bestimmten Zeitpunkt die fehlende vernünftige Aussicht der Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung erkannt hat oder hätte erkennen müssen1333. An den Nachweis dieses Tatbestandsmerkmals stellen die Gerichte hohe Anforderungen, sie neigen regelmäßig einer Entscheidung zugunsten des Haftungsadressaten1334. Der Insolvenzverwalter hat bereits in der Klagschrift jedenfalls einen Zeitpunkt zu benennen und darzulegen, daß zu diesem Zeitpunkt Kenntnis oder Kennenmüssen des Haftungsadressaten vorgelegen habe1335. Im Zusammenhang mit der Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters sind – was im Schrifttum regelmäßig übersehen wird1336 – entscheidende Fragen bis heute ungeklärt: (1) Zulässigkeit von Hilfsbegründungen Umstritten ist zunächst, ob der Insolvenzverwalter auf die Darlegung gerade eines Zeitpunktes beschränkt ist, zu dem seitens des Haftungsadressaten Kennt1332 „Difficult decisions on uncertain questions as a matter of business judgment“, Hansard, Commons Sittings, vol. 83, c. 568; siehe bereits Fn. 1239 in Teil 2. 1333 Keay, (2006) 9 Insolv. Int. 132, 132; Griffin, Personal Liability, S. 65; Goode, para. 12-35, S. 534; Bailey/Groves, para. 17.26, S. 702; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260. Anders Wachendorf, S. 57, die meint, es sei „festzustellen, ob der director tatsächlich belegen kann, daß eine vernünftige Aussicht bestanden hat, die Gesellschaft aus der Krise zu befreien“, um sich dann auf S. 58 zu widersprechen, indem sie dem Insolvenzverwalter die Beweislast zuordnet. 1334 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 97; T. Bachner, ECFR 2006, Special Volume 1, 427, 447. 1335 Vgl. Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260 („to apply on the basis“); Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93 („pleaded in the claim“). 1336 Die im folgenden dargestellte Problematik übergehen etwa Goode, para. 12-35, S. 534 f.; Milman/Durrant, para. 12-37 ff., S. 228 ff.; Mayson/French/Ryan, 20.12 ff., S. 680 ff.; Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 91; Mayer, S. 59, 62; Wachendorf, S. 58 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 183 ff. Birds, in: Boyle/Birds, 15.19.2, S. 603, betont zwar „the vital importance of the time element“, ohne sich jedoch mit Folgen für die Darlegungslast zu befassen. Benndorf, S. 76 ff., und Buchmann, S. 55 ff., schweigen zur Darlegungs- und Beweislast vollständig.
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nis oder Kennenmüssen der fehlenden Aussicht der Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung vorgelegen habe, oder ob er mehrere Zeitpunkte alternativ behaupten darf. Hier geht es also um die – in Deutschland unproblematische1337 – Zulässigkeit einer Hilfsbegründung des Klägers in tatsächlicher Hinsicht. Nach einer Meinung ist eine solche Vorgehensweise des Insolvenzverwalters unzulässig; dieser müsse sich von vornherein unwiderruflich auf einen Zeitpunkt festlegen1338. Gelange das Gericht zu der Auffassung, daß dieser Zeitpunkt nicht zutreffe, sei die gesamte Klage abzuweisen; das gelte jedenfalls für Verfahren mit umfangreichem Prozeßstoff 1339. Dagegen spricht, daß es die erheblichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Zeitpunkts der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung1340 unmöglich erscheinen lassen, daß der Insolvenzverwalter von vornherein dasjenige Datum herausgreift, von dem später auch das Gericht überzeugt sein wird. Das gilt – an sich offensichtlich – gerade für umfangreiche Verfahren. Die Schwierigkeiten des Insolvenzverwalters werden zusätzlich dadurch erhöht, daß dieser bei der Ausarbeitung der Klage keinen gleichermaßen weitreichenden Zugang zu Beweismitteln wie später das Gericht hat. Die Nennung des entscheidenden Datums würde auf diese Weise letztlich zu einem Glücksspiel. Eine andere Ansicht läßt es deshalb zu, daß der Insolvenzverwalter die Klage von vornherein auf verschiedene Zeitpunkte stützt1341. Dem ist in Anbetracht der genannten Schwierigkeiten zu folgen, allerdings unter der Einschränkung, daß der Insolvenzverwalter vor der mündlichen Verhandlung nicht unbillig viele Daten benennen darf 1342. Denn sonst droht eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des präsumtiven Haftungsadressaten; dies kann einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens1343 bedeuten. Eine nennenswerte Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten dürfte bei der Darlegung von bis zu 1337
Eine Hilfsbegründung ist hier stets zulässig, Schellhammer, Rn. 1279, 1249. Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 234; Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13; widersprüchlich Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93 („need to decide on a point of time“ einerseits, „the dates pleaded“ andererseits). In diese Richtung, aber letztlich offenlassend auch Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, Annex B, para. G3. 1339 Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, Annex B, para. G3. 1340 Siehe den Text bei Fn. 1252 ff. in Teil 2. 1341 Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 235; Bailey/Groves, para. 17.24, S. 701; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260; Keay, (2006) 9 Insolv. Int. 132, 134; vgl. auch Re Sherbourne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 42, wo beide vom Insolvenzverwalter ursprünglich genannten Daten in der Subsumtion des Gerichts berücksichtigt werden. 1342 Vgl. Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260. Die Benennung einer Zeitspanne durch den Insolvenzverwalter dürfte dagegen nicht in Betracht kommen, da s. 214 (2) (b), (c) und (3) IA 1986 auf einen Zeitpunkt abstellen. 1343 Art. 6 I 1 EMRK. 1338
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fünf verschiedenen Zeitpunkten kaum zu befürchten sein. Der Beklagte hat bis zur mündlichen Verhandlung Zeit, mit Hilfe eines rechtlichen Beraters seinen Vortrag vorzubereiten, wonach er zu keinem der Zeitpunkte Kenntnis von der fehlenden Aussicht der Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung hatte oder diese kennen mußte. (2) Präklusion des Vortrags des Insolvenzverwalters Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter seine vor der mündlichen Verhandlung in zeitlicher Hinsicht getroffene Festlegung hinsichtlich der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung im weiteren Verlauf des Verfahrens noch ändern kann. Dabei geht es der Sache nach um die Präklusion neuen Vortrags. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum ist jede Änderung des dargelegten Zeitpunkts ab Beginn der mündlichen Verhandlung unzulässig1344. Dagegen einzuwenden sind die bereits erwähnten erheblichen Schwierigkeiten, die sich dem Insolvenzverwalter bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts stellen. Nach insbesondere in der Rechtsprechung vertretener Ansicht ist eine Veränderung des Zeitpunkts auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung statthaft, sofern sich die Verschiebung auf einen kleinen Zeitraum bezieht und die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen ist1345. Diese Betrachtungsweise ist unter der Voraussetzung vorzugswürdig, daß der Insolvenzverwalter die Zeitpunkte nicht wiederholt verschieben darf. In Anbetracht des regelmäßig über einen langen Zeitraum andauernden Niedergangs eines schlußendlich abgewickelten Unternehmens kommen häufig zahlreiche Zeitpunkte in Betracht, zu denen die Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung entfallen sein mag. Der Haftungsadressat darf nun aber nicht gezwungen sein, sich gegen wiederholt wechselnde Tatsachenbehauptungen des Insolvenzverwalters verteidigen und sich dadurch möglicherweise in Widerspruch zu vorherigen Aussagen setzen zu müssen. Das gebietet wiederum der Grundsatz des fairen Verfahrens. 1344 Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 234; Keay, (2006) 9 Insolv. Int. 132, 134; Simmons, (2001) 1 Insolv. Int. 12, 13; Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 235. In diese Richtung auch – letztlich aber offenlassend – Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, Annex B, para. G3. 1345 Re Brian D. Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 50, 52 („it would be unduly technical to hold that [the liquidator] was limited by his pleading to 13 June 1994 with absolute rigidity“, „at or shortly after 13 June 1994“, „at or about 13 June 1994“); Re Sherbourne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 42 („after the evidence had been heard“). Diese Entscheidung wird teilweise (siehe Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 235; Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 234; richtig aber Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 93 f.) fälschlich als Beleg für einen Ausschluß des Vortrags alternativer Daten bereits vor der Beweisaufnahme angeführt, was nicht zutrifft. Für eine Differenzierung der Zulässigkeit nach dem Zeitpunkt der Änderung des Vortrags auch Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 260.
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(3) Reichweite des Beibringungsgrundsatzes Nicht abschließend geklärt ist schließlich, ob das Gericht in seiner Entscheidung ausschließlich die von dem Insolvenzverwalter behaupteten Zeitpunkte – bzw. in deren Nähe liegende Daten – berücksichtigen darf. Denkbar ist auch, daß das Gericht den Zeitpunkt des Eintritts der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung selbst frei bestimmen kann. Damit ist letztlich die Reichweite des auch im englischen Zivilprozeßrecht grundsätzlich geltenden Beibringungsgrundsatzes1346 angesprochen. Nach einer Meinung ist eine selbständige Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts durch das Gericht allenfalls in einfacheren Verfahren mit überschaubarem Prozeßstoff möglich1347. Gegen diese Ansicht spricht, daß sich eine solche Unterscheidung sachlich nicht rechtfertigen läßt, sondern allein mit einer Unlust englischer Gerichte erklärbar ist, den zeitlichen Ablauf der Unternehmenskrise detailliert aufzuarbeiten1348. Nach einer anderen Auffassung kann stets auch das Gericht einen Zeitpunkt selbständig festlegen, und zwar selbst wenn dieser erheblich – gar mehrere Monate – von dem vom Insolvenzverwalter dargelegten Datum abweicht1349. Diese Ansicht verringert die enormen Schwierigkeiten des Insolvenzverwalters, den entscheidenden Zeitpunkt zu bestimmen. Die Möglichkeiten des Beklagten, sich gegen die Klage zu verteidigen, werden hierdurch nicht eingeschränkt, wenn das Gericht rechtzeitig einen entsprechenden Hinweis gibt. Hierzu ist es nach englischem Zivilprozeßrecht ohnehin verpflichtet1350. ff) Beurteilung Aufgrund der Inbezugnahme der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung anstelle der Insolvenz1346
Bunge, S. 109. Siehe erneut Re Continental Assurance Company of London plc [2001] WL 720239, Annex B, para. G2 f. 1348 Vgl. Birds, in: Boyle/Birds, 15.19.2, S. 603: „the impact of the section [scil.: s. 214 IA 1986] may be determined by the willingness or unwillingness of the court, with hindsight, to trace a company’s affairs backwards in time from an insolvent liquidation to the first warning signs“. 1349 Rubin v Gunner [2004] B.C.C. 684, 685, 696: Der Liquidator zog den September 1998 heran, das Gericht griff auf den 15. Oktober 1998 zurück. Official Receiver v Doshi [2001] WL 172017, para. 76, 98: Der Liquidator stellte auf den Februar 1992 ab, das Gericht entschied sich für November 1992. Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 121, 124, 128: Der Liquidator ging von Mai 1987 aus, das Gericht nahm den 01. Januar 1987 an. Re DKG Contractors Ltd [1990] B.C.C. 903, 912: Der Liquidator nannte Ende Juli 1988 als maßgeblichen Zeitpunkt, das Gericht legte sich jedoch auf den 31. (sic!) April 1988 fest. 1350 Vgl. r. 1.1 (2) (d) Civil Procedure Rules. 1347
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gründe durch s. 214 (2) (b) IA 1986 handelt sich bei s. 214 IA 1986 konzeptionell um eine Sanierungsverschleppungshaftung, nicht aber um eine echte Insolvenzantragsverschleppungshaftung. S. 214 IA 1986 kann damit theoretisch früher verhaltenssteuernd wirken als die deutsche Insolvenzantragsverschleppungshaftung1351. Praktisch setzt die Verhaltenssteuerung durch s. 214 IA 1986 indes regelmäßig erst deutlich später ein als die der Insolvenzantragsverschleppungshaftung. Das wird mittlerweile selbst im englischen Schrifttum eingeräumt1352. Die Gerichte sind bei der Annahme der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung regelmäßig äußerst zurückhaltend. Selbst eine jahrelange Überschuldung oder eine monatelange Zahlungsunfähigkeit sollen insoweit nicht ohne weiteres ausreichen. Dies ist vor allem durch das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung bedingt. Dieses Tatbestandsmerkmal mit erheblichem Beurteilungsspielraum bereitet in der Subsumtion größte Schwierigkeiten. Es ist – im Gegensatz zu den vergleichsweise klar definierten deutschen Insolvenzgründen der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit1353 – völlig unbestimmt. Einen abschließenden Katalog derjenigen Tatsachen, die eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung zur Folge haben, besteht nicht. Diese kann durch eine Vielzahl von Gesichtspunkten begründet sein, muß es aber nicht. Auch läßt sich, abgesehen von der stärker gewichteten Zahlungsunfähigkeit, keine Rangfolge der verschiedenen denkbaren Gesichtspunkte ausmachen. Eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung läßt sich selbst mit aufwendigen finanzmathematischen Verfahren nicht sicher ermitteln. Außerdem ist es bedenklich, eine derart komplexe Entscheidung den entscheidenden Richtern zu überlassen. Diese sind zumeist – anders als viele deutsche Insolvenzrichter – keine Fachleute für Unternehmenssanierungen; ihnen wird oftmals auch der erforderliche ausgeprägte wirtschaftliche Sachverstand fehlen1354. 1351
§ 15a I, III InsO i.V. m. § 823 II BGB. Das – insbesondere im Vergleich zu dem oftmals anglophilen deutschen Schrifttum – sonst so sendungsbewußt ist: Siehe Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 320: „the claim to earlier operation of the German provision can be considered to be made out“. 1353 Zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung einer Überschuldung nach dem durch das FMStG (vorübergehend) geänderten Überschuldungsbegriff des deutschen Rechts siehe Uhlenbruck/Hirte/Vallender, § 19 Rn. 13; zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit vgl. Uhlenbruck/Hirte/Vallender, § 17 Rn. 4 f. 1354 Deutlich Hicks, (1993) 1 Comp. Law. 16, 17: „the directors [should] have predicted insolvent liquidation at a particular time. If the judge’s hunch is that they should have done, then an order may be made. The courts thus seem to take a robust amateur’s approach to what is a complex question of commercial judgment.“ Ähnlich Cheffins, 11. 3., S. 543: „judges have little contact with the business world. As a result, they may well not have the expertise required to ascertain whether managerial conduct is within the bounds of suitable business practice.“ 1352
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Das räumt die Rechtsprechung selbst freimütig ein1355. Ein äußerst problematischer Gesichtspunkt ist auch die fehlende räumliche und zeitliche Nähe der entscheidenden Richter. Das Gericht muß zur Bestimmung des Kennens oder Kennenmüssens des maßgeblichen Zeitpunkts ex post ermitteln, wie sich die Lage ex ante für den Haftungsadressaten darstellte. Es mag vermessen erscheinen, Jahre später als außenstehender Dritter darüber zu entscheiden, ob der in der entscheidenden Zeit im Unternehmen tätige Haftungsadressat die fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung erkennen mußte. Diese Gesichtspunkte dürften ihren Teil dazu beitragen, daß die englischen Gerichte dazu neigen, den Haftungsadressaten zu schonen1356. Ineffektiv erscheint die Regelung des s. 214 (2) (b) IA 1986 auch aufgrund ihrer Beweislastverteilung. Dem Insolvenzverwalter wird es regelmäßig äußerst schwer fallen, in einem Haftungsprozeß oft Jahre zurückliegende Tatsachen zu ermitteln, darzulegen und zu beweisen, um eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung zu begründen. Dies gilt umso mehr, als er dabei wesentlich auf die interne Dokumentation der Limited angewiesen ist, die dem Insolvenzverwalter oft nicht (mehr) vollständig zugänglich sein wird. Warum der englische Gesetzgeber nicht wenigstens insoweit eine Beweislastumkehr vorgesehen hat, erscheint nicht nachvollziehbar. Zu diesen Schwierigkeiten treten ungeklärte Fragen betreffend die Handhabung der Darlegungs- und Beweislast im Einzelnen. e) Antrag des Insolvenzverwalters Regelungen zu Form und Inhalt des Antrags, den präsumtiven Haftungsadressaten wegen „wrongful trading“ zu verurteilen, sowie zum gerichtlichen Verfahren finden sich in rr. 7.1 ff. Insolvency Rules 1986. Zuständig ist bei einem vorangegangenen insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren unter Aufsicht des Gerichts das Insolvenzgericht, bei einem insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters ein Gericht, das im Falle eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens unter Aufsicht des Gerichts zuständig gewesen wäre1357. 1355 „Whether [the struggling company] could or could not have been sold [i. e. in avoiding an insolvent liquidation] is not a question of law on which I could impose my own views. Nor is it a matter on which I have any experience“, Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 271. 1356 Vgl. Re Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 54: „I should keep in mind, as it seems to me on the facts of this case, the following. First, there is always the danger of hindsight, the danger of assuming that what has in fact happened was always bound to happen and was apparent.“; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 97; T. Bachner, ECFR 2006, Special Volume 1, 427, 447. 1357 Morse, para. 15.599.28. Zuständig ist bei einem eingezahlten Kapital der betroffenen Limited bis einschließlich 120.000 £ derjenige county court, in dessen Amtsbezirk sich der Sitz der betroffenen Limited befindet, darüber der High Court. Dieser ist stets als weiteres Gericht zuständig, vgl. s. 117 IA 1986.
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aa) Prozeßführungsbefugnis Ein Anspruch aus s. 214 IA 1986 stellt einen sogenannten office holder claim dar1358. Prozeßführungsbefugt ist allein der Insolvenzverwalter1359. Nicht prozeßführungsbefugt sind demgemäß die Gesellschaftsgläubiger1360. Das fehlende Antragsrecht widerspricht der Empfehlung der Reformkommission1361. Die Beschränkung des Antragsrechts wurde im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens damit begründet, daß es sich beim Liquidator stets um einen Fachmann in Gestalt eines insolvency practitioner handele, was sicherstelle, daß in allen geeigneten Fällen ein Antrag erfolge1362. Die Gläubiger verfügten regelmäßig ohnehin über keinen hinreichenden Einblick in das Unternehmen, um Hinweisen auf ein „wrongful trading“ mit einem Antrag aus s. 214 IA 1986 nachgehen zu können1363. Jedenfalls sei ein Antragsrecht der Gesellschaftsgläubiger auszuschließen, da sonst einzelne Gläubiger den Haftungsadressaten mit der Möglichkeit der Antragstellung unter Druck setzen könnten, um eine für sie vorteilhafte außergerichtliche Einigung zu erzielen; zumindest setze bei einem eigenen Antragsrecht ein unwillkommener Wettlauf der Gläubiger ein, den Haftungsadressaten rechtzeitig vor dessen Privatinsolvenz in Anspruch zu nehmen1364. Der Ausschluß der Prozeßführungsbefugnis der Gläubiger wird im Schrifttum (nur) vereinzelt kritisiert1365. 1358 Vgl. Goode, (1989) J.B.L., 436. Zum Begriff des office holders siehe s. 233 (1) IA 1986. 1359 S. 214 (1) IA 1986; zur Aktivlegitimation siehe den Text bei Fn. 1473 ff. in Teil 2. 1360 Griffin, Personal Liability, S. 78; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 259; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 81 f. 1361 Siehe para. (2) der Musterregelung bei Cork, abgedruckt unter para. 1806, S. 404. 1362 Vgl. Snaith, para. 21.24, S. 685. 1363 „In our view[,] any money recovered should become part of the general assets available to creditors distributed pari passu among them all. It is also for this reason that we consider that only the liquidator should be capable of making applications for declarations of personal liability, as he will be the only person in a position to decide whether there is prima facie evidence of wrongful trading.“, Beratung des House of Lords am 21.03.1985, Hansard, Lords Sittings, vol. 461, cc. 743 f., zugänglich unter http://hansard.millbanksystems.com/lords/1985/mar/21/insolvency-bill-hl. 1364 „In any event, even if a creditor did have sufficient information to allow him to pursue his claim, we consider that it would be undesirable because directors could be placed under pressure to settle out of court to avoid legal costs; and even if that did not happen, there would inevitably be a scramble by creditors to pursue their claims before the directors’ assets were dissipated.“, Beratung des House of Lords am 21.03.1985, Hansard, Lords Sittings, vol. 461, cc. 743 f., zugänglich unter http://hansard.millbank systems.com/lords/1985/mar/21/insolvency-bill-hl. – Dazu siehe noch den Text bei Fn. 1380 in Teil 2. 1365 Siehe Griffin, Personal Liability, S. 79. Die Begründung seiner Kritik kann indes nicht überzeugen. Er meint, es erscheine unbillig, daß selbst ein Großgläubiger dann, wenn ihm kein eigenes Antragsrecht zukomme, auf die Insolvenzquote beschränkt sei.
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bb) Möglichkeiten der Einflußnahme durch Gläubiger Vor dem Hintergrund des fehlenden Antragsrechts der Gläubiger drängt sich die Frage auf, ob diese den Insolvenzverwalter zur Stellung eines Antrags gemäß s. 214 IA 1986 zwingen können. Auch diese Frage ist umstritten1366. Eine Ansicht geht davon aus, daß den Gläubigern insoweit jede Möglichkeit der Einflußnahme auf den Insolvenzverwalter fehle1367. Dafür spricht die historische Auslegung; das Oberhaus hat sich im Gesetzgebungsverfahren dafür ausgesprochen, Gläubigern lediglich die Möglichkeit zuzubilligen, den Insolvenzverwalter argumentativ von der Antragstellung zu überzeugen1368. Dagegen ist einzuwenden, daß der Insolvenzverwalter diesbezüglich oft zögerlich sein wird, da er das erhebliche Kostenrisiko eines Haftungsverfahrens scheuen wird1369. Ein Teil des Schrifttums spricht sich denn auch dafür aus, Gläubigern unter Rückgriff auf die allgemeinen Rechtsbehelfe des Insolvenzverfahrens gemäß s. 112 IA 1986 und s. 168 (5) IA 19861370 zu ermöglichen, den Insolvenzverwalter durch gerichtliche Entscheidung zur Antragstellung zu zwingen1371. Hierfür streitet, daß der Insolvenzverwalter die Erfolgsaussichten eines Verfahrens gemäß s. 214 IA 1986 zwar grundsätzlich besser als einzelne Gläubiger wird beurteilen können, jedoch vor Fehleinschätzungen ebenfalls nicht gefeit ist. Auch wird der Insolvenzverwalter häufig übermäßig vorsichtig handeln, um die Masse nicht durch die Kosten eines erfolglosen Haftungsverfahrens zu schmälern1372. Dies betrifft jedoch nicht die Frage der Antragsbefugnis, sondern diejenige des Verteilungsmaßstabs einer nach s. 214 IA 1986 erfolgten Ausgleichszahlung. Der Sache nach argumentiert Griffin gegen den in r. 4.181 Insolvency Rules 1986 geregelten Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der ranggleichen Gläubiger, der auch für Zahlungen gemäß s. 214 IA 1986 gilt (siehe den Text bei Fn. 1624 f. in Teil 2). 1366 Übersehen etwa von Redeker, S. 161; S. Mayer, S. 64. 1367 So Griffin, Personal Liability, S. 79 mit Fn. 55 – insoweit falsch zitiert bei Wachendorf, S. 55 mit Fn. 225. 1368 „In our view the proper course for a creditor, if he thinks there has been wrongful trading, is to persuade the liquidator to make the application.“ [Hervorh. von mir], Beratung des House of Lords am 21.03.1985, Hansard, Lords Sittings, vol. 461, c. 743, zugänglich unter http://hansard.millbanksystems.com/lords/1985/mar/21/insolvencybill-hl. 1369 Zu den Schwierigkeiten der Prozeßfinanzierung siehe den Text bei Fn. 1641 ff. in Teil 2. 1370 Im insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters bzw. unter Aufsicht des Gerichts. 1371 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 82 f.; Cheffins, 11. 3., S. 545 mit Fn. 274, der allerdings statt auf s. 168 (5) IA 1986 unzutreffenderweise auf den Rechtsbehelf gemäß s. 167 (3) IA 1986 abstellt, der insoweit unstatthaft ist, siehe s. 167 (1), (2) IA 1986. 1372 „The liquidator will naturally be cautious about using the company’s assets available for unsecured creditors to pursue 214 claims, and is likely to pursue only the clearest cases.“, Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 326.
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Ferner sind Konfliktlagen innerhalb der Gläubigergesamtheit denkbar, bei denen die – etwa durch eine floating charge1373 – gesicherten Großgläubiger auf den Insolvenzverwalter einwirken, kein Haftungsverfahren einzuleiten: Diese Gläubiger könnten der Ansicht sein, daß die ihnen durch ein Haftungsverfahren möglicherweise erwachsenden Vorteile in keinem vertretbaren Verhältnis zu den sie im Falle eines erfolglosen Verfahrens treffenden Kostennachteilen stehen. Diese Umstände erfordern die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung der Entscheidung des Insolvenzverwalters durch das Gericht. Eine solche Überprüfung vermag auch zu gewährleisten, daß die Masse in aussichtlosen Fällen nicht durch fruchtlos aufgewandte Verfahrenskosten geschmälert wird. Die letztgenannte Ansicht ist daher vorzugswürdig. cc) Zustimmung Dritter, zeitliche Grenzen Der Antrag des Insolvenzverwalters bedarf zu seiner Wirksamkeit schließlich noch der Zustimmung Dritter1374. Sowohl im Verfahren unter alleiniger Verantwortung des Insolvenzverwalters als auch im gerichtlichen Verfahren ist die Einwilligung des Gläubigerausschusses oder des zuständigen Gerichts einzuholen1375. Der Antrag kann, entgegen dem mißverständlichen Wortlaut von s. 214 (1) IA 19861376, nicht nur während des Insolvenzverfahrens, sondern auch nach dessen Abschluß gestellt werden1377. Die Erfolgsaussichten des Antrags werden in zeitlicher Hinsicht lediglich durch die Verjährung des Anspruchs begrenzt1378. dd) Beurteilung Die Beschränkung der Prozeßführungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter vermag nicht zu überzeugen. Sie dürfte eine erhebliche Einschränkung der Zahl der Haftungsverfahren gemäß s. 214 IA 1986 bedingen. Der Insolvenzverwalter wird vor dem Hintergrund des Kostenrisikos in allen nicht völlig eindeutigen Fällen – schon aus Sorge um die eigenen Gebühren – von der Einleitung eines Haftungsverfahrens absehen1379. Außerdem ist der Insolvenzverwalter insoweit, wie gesagt, von der Zustimmung des Gläubigerausschusses abhängig. Wegen der bereits erwähnten widerstreitenden Interessen insbesondere gesicherter Großgläubi1373
Siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. Dieses Erfordernis übersehen Buchmann, S. 59 f., Redeker, S. 160 f.; Habersack/ Verse, ZHR 168 (2004), 174, 195 f. 1375 Ss. 165 (2) (b), 166 i.V. m. Sch. 4 para. 3A IA 1986 bzw. s. 167 (1) (a) i.V. m. Sch. 4 para. 3A IA 1986. 1376 „if in the course of the winding up it appears“. 1377 Vgl. Totty/Moss, B1-32 mit Fn. 2. 1378 Siehe den Text bei Fn. 1626 f. in Teil 2. 1379 Vgl. erneut Davies, (2006) 7 EBOR, 301, 326. 1374
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ger und ungesicherter Kleingläubiger wird der Gläubigerausschuß seine Zustimmung aber oft verweigern. Unverständlich erscheint vor diesem Hintergrund, daß selbst ein Gläubiger, der gewillt ist, das gesamte Kostenrisiko eines Verfahrens nach s. 214 IA 1986 zu übernehmen, am fehlenden eigenen Antragsrecht scheitert. So lange eine etwaige Ausgleichszahlung anteilig allen Gläubiger zugute kommt, besteht auch die vom Gesetzgeber angenommene Gefahr von Interferenzen zwischen etwaigen parallelen Verfahren oder die Gefahr eines Wettlaufs der Gläubiger1380 nicht. Der Ausschluß eines Antragsrechts der Gesellschaftsgläubiger ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil Gläubigern bereits unter Geltung des s. 332 CA 1948, einer Vorläufernorm zu s. 214 IA 1986, die Einleitung eines Haftungsverfahrens möglich war1381. Zudem können die funktional vergleichbaren Haftungsverfahren in zahlreichen anderen Staaten des angloamerikanischen Rechtskreises – etwa in Irland, Neuseeland, Singapur und Südafrika – sehr wohl durch Gläubiger eingeleitet werden1382. Schwer begreiflich ist auch, daß aus staatlichen Stellen – wie etwa der in England mit ähnlichen Aufgaben bereits betraute Secretary of State1383 – kein Verfahren nach s. 214 IA 1986 herbeiführen können. Dies steht in Widerspruch zu entsprechenden Regelungen etwa in Australien und Irland1384. Eine (subsidiäre) Prozeßführungsbefugnis beispielsweise des Secretary of State würde es ermöglichen, bei einer Verweigerungshaltung des Insolvenzverwalters jedenfalls bei einem öffentlichen Interesse an der Inanspruchnahme des Haftungsadressaten ein Verfahren gemäß s. 214 IA 1986 einzuleiten. f) Keine Haftungsbefreiung Liegen die dargestellten Voraussetzungen vor, so haftet der Geschäftsleiter grundsätzlich nach s. 214 IA 1986. Es kommt jedoch eine Haftungsbefreiung gemäß s. 214 (3) IA 1986 (dazu unten (aa)) und nach s. 1157 CA 2006 (unten (bb)) in Betracht. aa) Keine Einwendung gemäß s. 214 (3) IA 1986 Der Haftungsadressat kann sich entlasten, wenn die Voraussetzungen von s. 214 (3) IA 1986 vorliegen. Dafür ist erforderlich, daß er seit dem Zeitpunkt der 1380
Siehe den Text bei Fn. 1364 in Teil 2. Siehe etwa Re Cyona Distributors Ltd [1967] Ch. 889, 898 f. 1382 Vgl. Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 81. 1383 Dieser kann etwa Verfahren zur Verhängung eines Berufsverbots wegen „wrongful trading“ einleiten, s. 16 (2) i.V. m. s. 10 Company Directors Disqualification Act 1986. 1384 Vgl. Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 126. 1381
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Kenntnis oder des Kennenmüssens (dazu unten (1)) der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung „jeden“ Schritt unternommen hat („took every step“, dazu unten (2)), den er unternehmen mußte, um mögliche Schäden der Gesellschaftsgläubiger zu minimieren (unten (3))1385, und der Darlegungs- und Beweislast genügt (unter (4)). (1) Fiktion der Kenntnis des maßgeblichen Zeitpunkts Hat der Haftungsadressat den Zeitpunkt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung nicht erkannt, hätte er ihn aber erkennen müssen1386, so wird für die Zwecke des s. 214 (3) IA 1986 unterstellt, daß er diesen Zeitpunkt erkannt hat1387. Dadurch wird demjenigen, der sich der Wirklichkeit verschließt, die Verteidigung verwehrt, er sei aufgrund fehlender Wahrnehmung der schwierigen Lage der Gesellschaft untätig geblieben1388. Im Fall des bloßen Kennenmüssens kommt eine Verteidigung nach dieser Vorschrift allerdings von vornherein kaum in Betracht: Wer keine positive Kenntnis vom Entfallen der Aussicht unveränderter Unternehmensfortführung hatte, wird sein Verhalten auch nicht darauf ausgerichtet haben1389. (2) „Jeder“ Schritt Das Merkmal „jeder“ Schritt in s. 213 (3) ist gemäß s. 214 (4) IA 1986 dahin zu verstehen, daß diejenigen Handlungen erforderlich sind, die eine sorgfältige Person in der konkreten Stellung des Haftungsadressaten unter Berücksichtigung seiner Sonderfähigkeiten unternommen hätte1390. Ob der Haftungsadressat für eine erfolgreiche Entlastung tatsächlich „jeden“ Schritt ergreifen muß, ist umstritten1391. Teilweise wird vorausgesetzt, der Haftungsadressat müsse in der Tat jeden Schritt unternehmen, um den den Gläubigern drohenden Schaden zu minimieren1392. Dafür spricht die historische Auslegung; im Gesetzgebungsverfahren wurde der Vorschlag, eine Beschränkung auf jeden „vernünftigen“ Schritt in den 1385
S. 214 (3) IA 1986. Vgl. s. 214 (2) (b) IA 1986. 1387 S. 214 (3) IA 1986: „assuming him to have known“. 1388 Snaith, para. 21.22, S. 684. 1389 So auch Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 92; Snaith, para. 21.22, S. 684. 1390 Es handelt sich also um den gleichen Maßstab wie denjenigen bei der Frage des Kennenmüssens der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung; siehe dazu den Text bei Fn. 1240 ff. in Teil 2. 1391 Dies übersehen Haug, S. 193 mit Fn. 644 und Redeker, S. 149 f. mit Fn. 993. 1392 Butcher, S. 259; Sealy, para. 608, S. 47; Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 235; Prentice (1990) 10 O.J.L.S., 265, 268. 1386
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Gesetzestext einzufügen, abgelehnt1393. Gegen eine solche Betrachtung ist jedoch einzuwenden, daß sie eine kaum lösbare Pflichtenkollision zur Folge hätte: Jedenfalls einen gewöhnlichen Geschäftsleiter trifft eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft1394; dies gilt möglicherweise auch für den Schattengeschäftsleiter1395. Diese Treuepflicht wird mit Eintritt der fehlenden Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung dadurch eingeschränkt, daß die Geschäftsleiter nunmehr die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft in Bedacht zu nehmen haben1396, sie wird jedoch nicht vollständig verdrängt1397. Ein Geschäftsleiter kann daher nicht – ohne jede Rücksicht auf die fortbestehende Treubindung zur Gesellschaft – zur Vornahme jeder Handlung zur Minimierung eines Schadens der Gläubiger gezwungen sein. Wäre wirklich jeder Schritt erforderlich, müßte dies letztlich bedeuten, daß der Haftungsadressat sogar eigene Mittel zur Befriedigung von Gesellschaftsgläubigern einzusetzen hätte; dies wäre indes offensichtlich unsinnig und liefe dem Wesen der Limited als juristischer Person zuwider. Überwiegend wird im Schrifttum denn auch angenommen, daß der Haftungsadressat nur dazu verpflichtet sei, jeden vernünftigen Schritt zu unternehmen, um mögliche Schäden der Gesellschaftsgläubiger zu minimieren1398. Dafür sprechen zunächst die vorstehenden Erwägungen. Zudem ist als systematisches Argument 1393
Vgl. Sealy, para. 608, S. 47. S. 172 (1) CA 2006. Diese Pflicht war vor Einführung des Companies Act 2006 dem Fallrecht zu entnehmen. Siehe dazu und zum Umfang der Pflicht im Einzelnen etwa Ladiges/Pegel, DStR 2007, 2069, 2071 f. 1395 Es ist unklar, ob die in s. 172 (1) CA 2006 geregelte Treuepflicht über s. 172 (5) CA 2006 auch für Schattengeschäftsleiter gilt. Die letztgenannte Norm stellt hinsichtlich des Ausmaßes Pflichten von Schattengeschäftsleitern wolkig auf das Fallrecht ab (kritisch auch Prentice/Payne, [2006] 10 L.Q.R. 558, 562: „Delphic and unsatisfactory“). Insoweit wurde – vor Einführung des CA 2006 – entschieden, daß nicht sämtliche einen gewöhnlichen Geschäftsleiter treffenden Pflichten ohne weiteres auch für einen Schattengeschäftsleiter gelten (Ultraframe (UK) Ltd v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch), para. 1284). Diese Entscheidung wird im Schrifttum als ungenügend erachtet und allenfalls als ein Schritt zur Klärung der Reichweite der Pflichten eines Schattengeschäftsleiters angesehen (Prentice/Payne, [2006] 10 L.Q.R., 558, 562 f.). 1396 Das ergibt sich aus s. 172 (3) CA 2006. Dieser nimmt mit dem Wort „enactment“ einerseits s. 214 (3) IA 1986 in Bezug. Andererseits verweist diese Regelung durch den Ausdruck „rule of law“ auf das Fallrecht in Gestalt der sogenannten West Mercia Doctrine; dazu siehe den Text bei Fn. 1776 ff. in Teil 2. 1397 Siehe s. 172 (3) CA 2006: „The duty imposed by this section has effect subject to any enactment or rule of law requiring directors, in certain circumstances, to consider or act in the interests of creditors of the company. [Hervorh. von mir]“ Vgl. auch das amtliche Dokument Companies Act 2006 – Explanatory Notes, zugänglich unter http://www.opsi.gov.uk/acts/en2006/ukpgaen_20060046_en.pdf, para. 332: „It has been suggested that the duty to promote the success of the company may also be modified by an obligation to have regard to the interests of creditors as the company nears insolvency. Subsection (3) will leave the law to develop in this area.“ [Hervorh. von mir]. 1398 Pennington, Directors’ Personal Liability, 10.13, S. 193; Milman/Durrant, para. 12-40, S. 229; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 113 f.; Dennis, S. 376; Griffin, Personal Liability, S. 74; Goode, para. 12-37, S. 536. 1394
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anzuführen, daß bei einem Erfordernis, „jeden“ Schritt umzusetzen, letztlich kein Anwendungsbereich für die Entlastungsmöglichkeit durch s. 214 (3) IA 1986 verbliebe1399. Die historische Auslegung steht dieser Betrachtungsweise nicht entgegen. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde geäußert, daß die Gerichte s. 214 (3) IA 1986 auch ohne Einfügung des Wortes „vernünftig“ in diesem Sinne auslegen würden1400. Die zweite Ansicht ist deshalb vorzugswürdig. (3) Erforderliche vernünftige Schritte Welche Handlungen notwendig gewesen wären, um dem Erfordernis des Ergreifens jedes vernünftigen Schritts zur Minimierung eines Nachteils der Gläubiger gemäß s. 214 (3) IA 1986 zu genügen, hat das Gericht im Haftungsverfahren ex ante zu bestimmen1401. Hinsichtlich der erforderlichen Handlungen gibt das Gesetz wiederum keine Anhaltspunkte1402. Der Rechtsprechung ist ebenfalls keine Hilfestellung zu entnehmen; eine Haftungsbefreiung über s. 214 (3) IA 1986 wurde – soweit ersichtlich – lediglich in einem Urteil kurz angesprochen, das Vorliegen der Voraussetzungen dabei in dürren Worten abgelehnt1403. Im Schrifttum geht man davon aus, das sich nicht allgemein angeben läßt, welche Handlungen zu einer Haftungsbefreiung führen1404. Vielmehr wird eine Vielzahl hierfür im Einzelfall möglicherweise erforderlicher Maßnahmen genannt. Grundlegende Voraussetzung einer Entlastung ist stets, daß sich der Haftungsadressat jederzeit hinreichend über die gegenwärtige Lage der Gesellschaft informiert hat1405. Dazu gehört insbesondere die Kenntnis der aktuellen Zahlen der Finanzbuchhaltung1406. Unter anderem anhand dieser Zahlen sind die Ursachen der Krise zu ermitteln1407. Der Haftungsadressat muß die leitenden Mitarbeiter
1399
Griffin, Personal Liability, S. 74; Keay, Company Directors’ Responsibilities,
S. 113. 1400
Siehe Sealy, para. 608, S. 47. Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 120, 112; vgl. auch Griffin, Personal Liability, S. 74. Vgl. den Text bei Fn. 1238 f. in Teil 2 zu der Parallele bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Kenntnis oder des Kennenmüssens der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung. 1402 Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 235: „The phrase ,every step‘ is not defined in any shape or form and one cannot really ascertain what is meant by the phrase from the surrounding provisions.“. 1403 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 596. Vgl. auch Hicks (1993) 3 Comp. Law. 55, 58: „It will have to be seen what the courts will expect of individual directors in establishing their defence.“ 1404 Keay/Walton, 43.5, S. 591; Milman/Durrant, para. 12-40, S. 229. 1405 Hicks, (1993) 3 Comp. Law. 55, 58. 1406 Bailey/Groves, para. 17.29, S. 703 f. 1407 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 119. 1401
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dazu veranlassen, die sich als sinnvoll darstellenden Schritte zu ergreifen1408. Dazu können Restrukturierungs-1409 und Kostensenkungsmaßnahmen zählen1410; insoweit ist auch Bedacht zu nehmen auf in Anbetracht der Krise möglicherweise überhöhte Gehälter der Geschäftsleitung1411. Häufig wird es für eine Haftungsbefreiung gemäß s. 214 (3) IA 1986 zusätzlich erforderlich sein, frühzeitig ausgewiesene Sanierungsberater zu beauftragen1412. Erklärt sich ein Gesellschafter als Schattengeschäftsleiter gegenüber Gläubigern bereit, die Limited zur Sanierung finanziell zu unterstützen, dann stellt sich die bislang ungeklärte Frage1413, ob eine solche Zusage rechtlich verbindlich sein muß, um s. 214 (3) IA 1986 zu genügen. Ein typischer Fall ist etwa eine (stets bindende1414) Garantieerklärung (letter of guarantee) auf der einen Seite und eine Patronatserklärung (letter of comfort) eines höherstufigen Konzernunternehmens auf der anderen Seite1415. Eine Patronatserklärung kann – wie im deutschen Recht1416 – eine rechtliche Verpflichtung begründen; sie ist grundsätzlich jedoch rechtlich unverbindlich1417. Nach einer Ansicht genügen allein rechtlich verbindliche Zusagen mit Sicherheit den Erfordernissen des s. 214 (3) IA 19861418. Dagegen ist einzuwenden, daß ein Erfordernis rechtlich verpflichtender Zusagen Fehlanreize setzen kann; der Haftungsadressat, der eine rechtlich verbindliche Zusage scheut (aber zur Abgabe einer unverbindlichen Patronatserklärung bereit wäre), wird trotz bestehender Sanierungsmöglichkeiten die Einleitung eines in1408 Vgl. im Hinblick auf einen ordentlichen Geschäftsleiter Hicks, (1993) 3 Comp. Law. 55, 58. 1409 Dennis, S. 376. 1410 Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261. 1411 Vgl. Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 124 f., wo die fortgesetzte Zahlung hoher Gehälter an den Gesellschafter-Geschäftsleiter (ebd., S. 122) kritisiert wird. Insoweit kann s. 214 IA 1986 eine Haftung für die – außerhalb der Krise gestattete (siehe den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 2) – Zahlung überhöhter Gehälter an Gesellschafter-Geschäftsleiter begründen. 1412 Milman/Durrant, para. 12-40, S. 230: „conventional wisdom“. 1413 Prentice, (1990) 10 O.J.L.S. 265, 268 f.; ders. (1987) 1 L.Q.R. 11, 12 f. 1414 Associated British Ports v Ferryways NV [2009] 1 C.L.C. 350, 351, 354; Davis/ Joyce, (2009) 1 Constr. L.J. 24, 27. 1415 Prentice, (1990) 10 O.J.L.S. 265, 269. 1416 Zu den Erscheinungsformen rechtlich unverbindlicher Patronatserklärungen im deutschen Recht grundlegend W. Mosch, S. 43 ff.; zu den Erscheinungsformen rechtlich verbindlicher, auf finanzielle Unterstützung gerichteter Patronatserklärungen siehe ders., S. 117 ff. Zur Kündbarkeit einer rechtlich verbindlichen Patronatserklärung in der Krise BGH ZIP 2010, 2092 ff. 1417 Associated British Ports v Ferryways NV [2009] 1 C.L.C. 350, 351, 358; Davis/ Joyce, (2009) 1 Constr. L.J. 24, 25; Prentice, (1989) 7 L.Q.R. 346, 348. 1418 Prentice, (1990) 10 O.J.L.S. 265, 269 (der – anders als hier vertreten – für s. 214 (3) IA 1986 von der Erforderlichkeit nicht nur jedes vernünftigen Schrittes, sondern „jedes“ Schrittes ausgeht, um eine Haftungsbefreiung zu bejahen). Offen noch ders., (1987) 1 L.Q.R. 11, 12.
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solvenzbedingten Abwicklungsverfahrens vorziehen1419. Dies gereicht den Gläubigern der Gesellschaft zum Nachteil, zumal auch eine unverbindliche Zusage finanzieller Unterstützung – etwa eines höherstufigen Konzernunternehmens1420 – geeignet sein kann, das Vertrauen der Geschäftspartner in die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft zu stärken und damit einem Nachteil der Gläubiger entgegenzuwirken. Zur Minimierung eines drohenden Nachteils der Gläubiger wird es oft unerläßlich sein, diese über die Lage der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen1421 und die Bemühungen zur Verringerung des Nachteils der Gläubiger, so weit wie möglich, mit diesen abzustimmen1422. Diese Schritte allein genügen jedoch den Anforderungen des s. 214 (3) IA 1986 nicht1423. Notwendig kann etwa auch gerade die Fortführung des Geschäftsbetriebs mit verringertem Geschäftsumfang sein1424. Auch diese Maßnahme reicht jedoch nicht ohne weiteres aus, da auch in diesem Fall weiterhin Gemeinkosten anfallen, die den Ausfall der Gläubiger erhöhen können1425. Es besteht jedoch kein allgemeines Verbot, weitere Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen1426. Die schlichte Einstellung des Geschäftsbetriebs ist in der Regel nicht zielführend, weil damit kein Moratorium verbunden ist und so die Gefahr der Aushöhlung der Substanz der Limited durch Einzelzwangsvollstreckungen droht1427. Eine erforderliche Maßnahme kann auch die Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens unverzüglich nach dem maßgeblichen Zeitpunkt darstellen1428, vergleichbar der Insolvenzantragstellung im deutschen Recht1429. Diese Vorgehensweise führt jedoch – entgegen einem Mißverständnis im Schrifttum1430 – keinesfalls zwingend zu einer Haftungsbefreiung1431. Eine derart frühe 1419
Vgl. Prentice, (1987) 1 L.Q.R. 11, 13. Sinngemäß etwa des Inhalts „Wir beabsichtigen, eine Abwicklung unserer Tochtergesellschaft nicht zuzulassen“, siehe W. Mosch, S. 53 („unverbindliche Beruhigungserklärung“). 1421 Bailey/Groves, para. 17.29, S. 703. 1422 Griffin, Personal Liability, S. 75. 1423 Schuberth, S. 198 f., glaubt, eine Haftung der Geschäftsleiter scheide bereits dann aus, wenn diese die Gesellschaftsgläubiger informiert und einbezogen haben. 1424 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 107. 1425 Vgl. Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 214. 1426 Dennis, 11.2.6, S. 376. 1427 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 117 f. 1428 Davies, in: Davies, para. 9-11, S. 222. 1429 § 15a I InsO. 1430 Vgl. Bachner, [2004] 5 EBOR, 293, 300: „[the directors] can ensure the company’s immediate winding up, which will automatically exonerate them from any liability for wrongful trading (see the statutory test: ,before the commencement of the winding up‘)“ [Hervorh. von mir]; ders., in: Lutter, Legal Capital, 427, 448: „the point in time when the director ought to have filed for insolvency“; dagegen widersprüchlich 1420
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Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens kann einen Nachteil der Gläubiger gerade auch vertiefen oder gar erst entstehen lassen1432, etwa wenn eine Veräußerung des Unternehmens im Ganzen noch möglich erscheint. Anstelle der im Rahmen der Abwicklung zu erzielenden Zerschlagungswerte könnten zugunsten der Gläubiger so die höheren Fortführungswerte vereinnahmt werden1433. In diesen Fällen genügt den Anforderungen von s. 214 (3) IA 1986 nur die (vorübergehende) Fortführung des Geschäftsbetriebs, etwa im Rahmen einer administration procedure1434. Die danach erforderlichen Maßnahmen sind so früh wie möglich zu ergreifen1435. Denkbar ist schließlich der Sonderfall eines Unvermögens des Haftungsadressaten, wenn es diesem aus tatsächlichen Gründen gar nicht möglich ist, jeden vernünftigen Schritt zur Verringerung eines Schadens der Gläubiger zu ergreifen. Das kommt etwa bei Ortsabwesenheit oder Erkrankung nach Eintritt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht in Betracht. Gesetz1436 und Rechtsprechung1437 sind auch diesbezüglich unergiebig. Insoweit ist davon ausders., 446: „it is of particular importance to stress that the concept of wrongful trading does not rely on any duty of the directors to present a petition to the court for the opening of insolvency proceedings“ [Hervorh. von mir]; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197: „daß die Geschäftsleiter nicht schon im moment of truth die Liquidation eingeleitet haben.“ [Hervorh. von mir]. 1431 Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 116. Insbesondere geht das von Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 300, vorgebrachte Wortlautargument (siehe Text bei Fn. 1425 in Teil 2) ins Leere. Er meint offenbar, daß eine Haftung immer dann ausscheiden müsse, wenn das Erkennen der ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung mit dem Beginn des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zusammenfällt. Das trägt schon deshalb nicht, weil eine solche Koinzidenz gar nicht denkbar ist. Der maßgebliche Zeitpunkt muß zumindest eine logische Sekunde vor dem Verfahrensbeginn liegen, da das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren ansonsten gar nicht auf Veranlassung des Haftungsadressaten eingeleitet worden sein könnte. Praktisch liegen zwischen beiden Zeitpunkten zumindest mehrere Tage. Denn der Verfahrensbeginn setzt einen entsprechenden Gesellschafterbeschluß bzw. eine Gerichtsentscheidung voraus (siehe Text bei Fn. 984 ff. und 1009 ff. in Teil 2), der bzw. die erst herbeigeführt werden muß. 1432 Davies, in: Davies, para. 9-11, S. 222; Goode, para. 12-26, S. 532, para. 12-39, S. 538; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261. 1433 Totty/Moss, para. B1-32; Davies, in: Davies, para. 9-11, S. 222. 1434 Milman/Durrant, para. 12-40, S. 229 f.; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 116; Totty/Moss, para. B1-32. 1435 Snaith, para. 21.23, S. 685. 1436 Vgl. s. 214 (3) IA. 1437 Mit der hiesigen Fragestellung nicht zu verwechseln ist der Fall Re Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 40 ff. Dort verneinte der Richter auch vor dem Hintergrund der durch den Tod eines der Beklagten beschnittenen Verteidigungsmöglichkeiten, daß dieser Beklagte die ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung hätte erkennen müssen (ebd., S. 53 f.).
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zugehen, daß eine Abwesenheit den Haftungsadressaten nicht von den zur Entlastung gemäß s. 214 (3) IA 1986 erforderlichen Maßnahmen zu befreien vermag. Selbst im kaum denkbaren Falle einer entschuldbaren Abwesenheit erscheint es möglich, anhand der zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel entsprechende Maßnahmen zu ergreifen1438. Ob bei Krankheit des Haftungsadressaten dessen Entlastung anzunehmen ist, entscheidet sich anhand der Umstände des Einzelfalls1439. (4) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des s. 214 (3) IA 1986 ist ebenfalls umstritten1440. Nach einer Ansicht obliegt die (negative) Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Insolvenzverwalter1441. Dagegen spricht, daß eine Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters völlig unpraktikabel wäre. Dieser wäre – ohne genauen Einblick in die Entwicklung der Krise der Gesellschaft – genötigt, in einem oftmals Jahre nach dem Eintritt der Unternehmenskrise anhängigen Verfahren die ex ante zur Minimierung des Schadens der Gesellschaftsgläubiger erforderlichen, aber versäumten Schritte und deren Nichteinhaltung vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen. Nach anderer Ansicht ist der Haftungsadressat darlegungs- und beweisbelastet1442. Dafür spricht der aus der Systematik der ersten drei Absätze des s. 214 IA 1986 zu ersehende Charakter von s. 214 (3) IA 1986 als Einwendung in Zusammenschau mit dem auch im englischen Recht für die Darlegungs- und Beweislast geltenden Günstigkeitsprinzip1443. Der zweiten Ansicht ist mithin zuzustimmen. Aus der damit (nur) im Rahmen von s. 214 (3) IA 1986 geltenden Darlegungs- und Beweislast des Haftungsadressaten folgt praktisch, daß dieser
Der Beklagte verstarb jedoch erst nach Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens (vgl. ebd., S. 40), so daß ihm eine Verteidigung gemäß s. 214 (3) IA 1986 möglich gewesen wäre. 1438 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 120. 1439 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 120. 1440 Diesen Streit übergehen Haug, S. 194 mit Fn. 622, Wachendorf, S. 90 mit Fn. 413 sowie Redeker, S. 151. Schuberth, S. 198, meint, die Beweislast liege „nach einhelliger Ansicht bei den betroffenen Direktoren“. 1441 So, ohne nähere Begründung und Nachweis, Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 235; die dort im Zusammenhang erwähnte Entscheidung Re Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40 ff. ist insoweit unergiebig. 1442 So, indes ohne nähere Begründung, Doyle, [1992] 5 Comp. Law., 96; Groves/ Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261; Snaith, para. 21.22, S. 684; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 111, 85; Goode, para. 12-36, S. 535; Dennis, 11.2.6, S. 376; wohl auch Loose/Griffiths/Impey, para. 7.57, S. 320 mit Fn. 92; unklar Bachner, [2004] 5 EBOR, 293, 301. 1443 Dazu v. Bernstorff, S. 182.
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sämtliche von ihm zur Minimierung eines Schadens der Gläubiger ergriffenen Maßnahmen tunlichst sorgfältig dokumentieren sollte1444. bb) Billigkeitsentscheidung des Gerichts gemäß s. 1157 CA 2006 Fraglich erscheint, ob das Gericht in einem Haftungsprozess trotz Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale der s. 214 IA 1986 eine Haftungsbefreiung kraft Billigkeit gemäß s. 1157 CA 20061445 anordnen kann. Eine solche Billigkeitsentscheidung ist bei Verstößen gewöhnlicher Geschäftsleiter gegen ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft möglich1446. Sie könnte bei bestimmten Sachverhalten1447 auch in Verfahren des s. 214 IA 1986 in Betracht kommen1448. Eine eindeutige Regelung enthalten weder s. 214 IA 1986 noch s. 1157 CA 2006. Der Wortlaut von s. 1157 CA 2006 deutet darauf hin, daß diese Regelung nur für Verstöße gegen die Pflichten eines Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft gilt. S. 1157 (1) CA 2006 erstreckt sich auf „proceedings for negligence, default, breach of duty or breach of trust“. In der sachlich mit s. 1157 (1) CA 2006 zusammenhängenden s. 232 (1) CA 2006 ist noch deutlicher von „proceedings for negligence, default, breach of duty or breach of trust in relation to the company“ die Rede. Ein Verfahren aufgrund „wrongful trading“ gemäß s. 214 IA 1986, das (in erster Linie)1449 einen Nachteil der Gläubiger der Gesellschaft ausgleichen soll1450, läßt sich hierunter nicht ohne weiteres subsumieren. Ferner bezieht sich s. 1157 (1) (a) CA 2006 auf einen „officer“ der Gesellschaft. Dieser Begriff ist in s. 1121 (2) (a) CA 2006 zwar als „any director, manager or secretary“ bestimmt, wovon vermöge s. 251 (1) CA 2006 auch Schattengeschäftsleiter erfaßt sind. Diese Definition des „officer“ gilt ausweislich s. 1121 (1) CA 2006 aber ausdrücklich nur für Verstöße gegen Regelungen des CA 2006 – nicht auch des IA 1986.
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Vgl. Hicks, (1993) 3 Comp. Law. 55, 58. Diese Regelung entspricht der vormaligen s. 727 CA 1985. 1446 Siehe s. 1157 (1) CA 2006. 1447 Siehe etwa das Beispiel bei Bradgate/Howells, (1990) 5 J.B.L. 249, 253. 1448 Offen, indes tendenziell dagegen Hicks, (1993) 1 Comp. Law., 16, 17 f.; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 121 ff. 1449 Daneben kann ein „wrongful trading“ aber auch die Gesamtheit der Gesellschafter schädigen. Das kommt etwa in Betracht, wenn die Limited bei Eintritt der ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung noch einen Überschuß der Vermögensgegenstände über die Verbindlichkeiten (d.h. ein positives Reinvermögen) aufwies; dies ist möglich, da für den maßgeblichen Zeitpunkt eine Überschuldung nicht vorausgesetzt ist. Wird dieser Überschuß im Zuge des „wrongful trading“ aufgezehrt, erleiden (auch) alle Gesellschafter einen Nachteil. 1450 Siehe den Text bei Fn. 951, 1117 ff. in Teil 2. 1445
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In systematischer Hinsicht gilt es zu beachten, daß s. 1157 CA 2006 für die Gewährung einer Haftungsbefreiung einen rein subjektiven Maßstab zugrundelegt. Eine Haftungsbefreiung kommt in Betracht, wenn der Haftungsadressat trotz Pflichtverletzung ehrlich und vernünftig handelte („honestly and reasonably“). Dagegen stellt s. 214 IA 1986, wie aus subs. (3) folgt, für die Gewährung einer Haftungsbefreiung auf einen gemischt objektiv-subjektiven Sorgfaltsmaßstab ab1451. S. 214 IA 1986 verlangt dabei, unabhängig von der subjektiven Vorwerfbarkeit des Handelns des Haftungsadressaten, stets die Einhaltung eines objektiven Mindeststandards. Dieser objektive Mindeststandard würde durch eine Anwendbarkeit des s. 1157 CA 2006 ausgehebelt1452. Zudem bedarf es dieser Vorschrift auch zur Ermöglichung einer Haftungsbefreiung in besonderen Einzelfällen nicht, da eine Haftung ohne weiteres auf Rechtsfolgenseite ausgeschlossen werden kann1453. S. 1157 IA 2006 ist in Haftungsverfahren gemäß s. 214 IA 1986 mithin nicht anwendbar1454. cc) Beurteilung Die Regelung der s. 214 (3) IA 1986 verdeutlicht, daß es sich bei der Haftung aufgrund „wrongful trading“ um eine Sanierungsverschleppungshaftung handelt: S. 214 (3) IA 1986 erlegt dem Haftungsadressaten die Verpflichtung auf, nach Eintritt des maßgeblichen Zeitpunkts sämtliche zur Minimierung eines Schadens der Gläubiger erforderlichen vernünftigen Schritte zu ergreifen, widrigenfalls er haftbar wird. Dabei bietet s. 214 (3) IA 1986 dem Haftungsadressaten durch das Abstellen auf die aus seiner Sicht ex ante erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich eine faire Möglichkeit, einer Haftung aus s. 214 IA 1986 zu entgehen. In der Praxis bewirkt das Fehlen jeglicher Hinweise auf die im Sinne von s. 214 (3) IA 1986 gebotenen Handlungen in Gesetz und Rechtsprechung jedoch, daß der Haftungsadressat nie sicher weiß, welche Schritte er ergreifen soll und ob er bereits alle tunlichen Maßnahmen ergriffen hat1455. Das betrifft gerade auch die Frage, ob anstelle von Sanierungsmaßnahmen ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren einzuleiten ist – und wenn ja, wann1456. Insoweit dient die Anknüpfung der deut1451
Siehe den Text bei Fn. 1390, 1240 ff. in Teil 2. Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 1), Halls v David [1989] 1 W.L.R. 745, 750 f. 1453 Bradgate/Howells, (1990) 5 J.B.L. 249, 253 f. Zu den Rechtsfolgen des s. 214 IA 1986 siehe den Text bei Fn. 1462 ff. in Teil 2. 1454 So im Ergebnis auch Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 28; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 1), Halls v David [1989] 1 W.L.R. 745, 751; Butcher, S. 261; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 262; Goode, para. 12-38, p. 538; Bradgate/Howells, (1990) 5 J.B.L. 249, 253 f.; Keay/Walton, 43.5, S. 592; Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 215. 1455 Doyle/Keay, S. 235. 1456 Siehe den Text bei Fn. 1428 in Teil 2. 1452
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schen Insolvenzantragsverschleppungshaftung an die wesentlich genauer bestimmte Insolvenzreife der GmbH1457 auch dem Haftungsadressaten. In England erfährt der Haftungsadressat letztlich im Haftungsverfahren, ob er sich „richtig“ verhalten hat – und das regelmäßig erst Jahre später und von einem Richter, der den entscheidenden Zeitraum nicht im Unternehmen erlebt hat und zudem regelmäßig über keinen einschlägigen Sachverstand verfügt („amateur’s approach“)1458. Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten erscheint es nicht verwunderlich, daß s. 214 (3) IA 1986 keine praktische Bedeutung hat. Diese Einwendung wurde, wie bereits festgestellt, soweit ersichtlich bislang nur in einem einzigen Urteil kurz angesprochen1459 und griff bislang in keiner Entscheidung durch1460. Statt dessen ließen die Gerichte bei Sachverhalten, bei denen an sich ein Haftungsausschluß nach s. 214 (3) IA 1986 näher lag, eine Haftung wiederholt bereits an einer vermeintlich fehlenden Erkennbarkeit der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht i. S. d. s. 214 (2) (b) IA 1986 scheitern1461. Dies zeigt, daß auch die Rechtsprechung s. 214 (3) IA 1986 für schwer zu handhaben hält. 3. Rechtsfolgen a) Verpflichtung zur Ausgleichszahlung nach Ermessen aa) Anspruchsentstehung Das Vorliegen der dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen des s. 214 IA 1986 eröffnet auf der Rechtsfolgenseite einen Ermessensspielraum des Gerichts1462. Es kann den Beklagten im Wege einer contribution order zu einer Ausgleichszahlung1463 verurteilen; es muß dies jedoch nicht tun1464. Die Anspruchs1457
Vgl. § 15a I InsO i.V. m. § 823 II BGB. Siehe Fn. 1354 in Teil 2. 1459 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 596. 1460 Vgl. Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 194. 1461 Siehe etwa Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 270 ff.; Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 54 f.; so, indes ohne jeden Nachweis, auch Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 301. 1462 S. 214 (1) IA 1986: „if [. . . it appears that subsection (2) of this section applies in relation to a person who is or has been a director of the company, the court, on the application of the liquidator, may declare that that person is to be liable“; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 597; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 123. 1463 Dieser Begriff vermeidet das Wort „Schadensersatz“, da s. 214 IA keinen Schadensersatz gewährt; siehe zum Anspruchsumfang den Text bei Fn. 1510 ff. in Teil 2. 1464 Re Farmizer (Products) Ltd., Moore & Anor v Gadd & Anor. [1997] B.C.C. 655, 662 f., C.A. („the court has a discretion whether to make a declaration at all, even if it appears to the court that subs. (2) of s. 214 applies“); Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 101: „The court may in fact refrain from ordering any contribution.“ 1458
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entstehung ist damit bedingt durch ein entsprechendes Urteil1465. Die gerichtliche Entscheidung ähnelt nach deutschen Maßstäben also nicht einem Leistungs-, sondern einem Gestaltungsurteil. Von einer Verurteilung kann das Gericht insbesondere im Hinblick auf eine geringe Schuld1466 oder lautere Beweggründe des Haftungsadressaten absehen1467. In der Regel wird ihn das Gericht jedoch zu einer Zahlung verpflichten1468. bb) Anspruchsschuldner Schuldner des Anspruchs kann nicht nur ein einzelner (Schatten-)Geschäftsleiter, sondern auch eine Personenmehrheit sein. Werden mehrere Personen in einem Haftungsprozeß verurteilt, haften diese nicht ohne weiteres gesamtschuldnerisch1469. Die Anordnung einer Gesamtschuld (joint and several liability) steht vielmehr ebenfalls im Ermessen des Gerichts; sie muß im Urteil ausdrücklich angeordnet werden1470. Das Gericht kann eine gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit auch auf einen Teil der Urteilssumme beschränken1471. Im Umfang einer ausgesprochenen gesamtschuldnerischen Haftung kann das Gericht zugleich die Haftungsquoten im Innenverhältnis bestimmen1472. cc) Anspruchsgläubiger Wer Gläubiger eines Anspruchs ist, erschließt sich nicht ohne weiteres. Das Gesetz spricht von einer „contribution to the company’s assets“ 1473. Damit scheiden jedenfalls einzelne Gesellschaftsgläubiger als Anspruchsinhaber aus1474. Ausweislich des Wortlauts kommen als Anspruchsgläubiger statt dessen einerseits 1465 Vgl. Loose/Griffiths/Impey, para. 7.60, S. 321: „Even when the liquidator has made out his case, he is not absolutely entitled to a contribution order.“. 1466 Finch, S. 702 f. 1467 Bradgate/Howells, (1990) 5 J.B.L. 249, 253. 1468 Milman/Durrant, para. 12-49, S. 233; Loose/Griffiths/Impey, para. 7.60, S. 321. 1469 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 385. Verfehlt Wachendorf, S. 96 mit Fn. 452; den dort genannten Entscheidungen ist eine gesamtschuldnerische Haftung ex lege gerade nicht zu entnehmen. 1470 Siehe Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 387; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 57; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 103. 1471 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 387 („discretion to order that they be jointly and severally liable for the whole or a part of whatever sum the court thinks fit“); Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 57 („pro tanto“). 1472 Siehe Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 598. 1473 S. 214 (1) IA 1986. 1474 So im Ergebnis auch Re Oasis Merchandising Services Ltd [1995] B.C.C. 911, 918, Ch. D.; Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 129; Keay/Walton, 43.6, S. 593.
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die Gesellschaft, andererseits der Insolvenzverwalter in Betracht; dieser macht eine Haftung s. 214 IA 1986 nicht als Vertreter der Gesellschaft, sondern als Treuhänder der Gläubigergesamtheit geltend1475. Die Frage der Anspruchsinhaberschaft ist von erheblicher Bedeutung: Wäre Gläubiger die Limited, so könnte der Anspruch von zuvor bestehenden Sicherungsrechten einzelner Gesellschaftsgläubiger am Vermögen der Gesellschaft erfaßt werden. Das wäre bei einer Gläubigerstellung des Insolvenzverwalters von vornherein nicht der Fall. Die Lösung dieser Problematik bestimmt also die Höhe des für die Verteilung einer geleisteten Ausgleichszahlung an ungesicherte Gläubiger1476 zur Verfügung stehenden Betrags. Davon scharf zu unterscheiden ist die Frage, nach welchen Maßgaben die Verteilung des verfügbaren Betrags zu erfolgen hat1477. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, wer Gläubiger eines Anspruchs aus s. 214 IA 1986 ist1478. Nach einer Meinung ist Gläubiger eines Ausgleichsanspruchs die Gesellschaft1479. Dafür läßt sich der Wortlaut von s. 214 (1) IA 1986 ins Feld führen. Er gleicht der Verfahrensvorschrift der s. 212 (3) (b) IA 1986, welche die gleichzeitige Verhandlung der Verletzung verschiedenartiger Geschäftsleiterpflichten ermöglicht1480. Inhaberin der in einem solchen Sammelverfahren geltend zu machenden Ansprüche ist die Gesellschaft1481. Bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist die Schmälerung des Reinvermögens gerade der Gesellschaft heranzuziehen1482, was ebenfalls für deren Gläubigerstellung der Gesellschaft spricht. Dieser Betrachtungsweise ist allerdings entgegenzuhalten, daß eine unterschiedliche Behandlung von s. 214 und s. 212 IA 1986 – trotz gleichem Wortlaut – dadurch gerechtfertigt sein kann, daß ein Anspruch aus s. 214 IA 1986 ein zuvor eröffnetes Insolvenzverfahren voraussetzt, während Ansprüche im Sammelverfahren der s. 212 IA 19861483 unabhän1475 Finch, S. 535; Goode, para. 6-30, S. 165. Dies betrifft jedoch nur die Haftung aus s. 214 IA 1986, da der Insolvenzverwalter im Allgemeinen nicht Treuhänder der Gläubiger ist, ders., 5-02, S. 120 f. 1476 Dazu zählen in diesem Sinne auch gesicherte Gläubiger, soweit sie mit ihrer Forderung trotz Verwertung der Sicherheit ausfallen. 1477 Siehe den Text bei Fn. 1615 ff. in Teil 2. 1478 Das Problem wird im deutschen Schrifttum übersehen. Vgl. Haug, S. 195; Redeker, S. 161 f.; Schall, ZIP 2005, 965, 967. 1479 So ohne Begründung Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 598; ausführlich Chan Ho, (2007) 3 I.L. & P. 70, 71 ff.; ders., (2005) 9 J.I.B.L.R. 426, 431. 1480 S. 212 IA 1986 stellt keine Anspruchsgrundlage dar, Totty/Moss, para. B1-31; Davies, in: Davies, para. 17-2 a. E., S. 607. 1481 Finch, S. 559. 1482 Chan Ho (2005) 9 J.I.B.L.R., 426, 431. Siehe dazu den Text bei Fn. 1510 ff. in Teil 2. 1483 Siehe soeben den Text bei Fn. 1480 f. in Teil 2.
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gig von einem Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können1484. Auch die Berechnung des Anspruchsumfangs anhand der Schmälerung des Reinvermögens der Gesellschaft spricht nicht zwingend für die Gläubigerstellung der Gesellschaft, zumal eine derartige Bestimmung des Anspruchsumfangs schlicht den Vorteil der Praktikabilität aufweist1485. Nach der Gegenansicht ist Anspruchsinhaber nicht die Gesellschaft, sondern der Insolvenzverwalter als Treuhänder der ungesicherten Gesellschaftsgläubiger1486. Dafür streitet der Normzweck von s. 214 IA 1986: Diese Bestimmung soll gesicherte und ungesicherte Gläubiger gleichermaßen schützen1487. Wäre Gläubigerin die Limited, bedeutete dies eine Bevorteilung gesicherter Gläubiger. Denn das in Erfüllung des Anspruchs an die Gesellschaft Geleistete würde von einer an dem Gesellschaftsvermögen bestehenden Sicherheit in Form einer floating charge erfaßt. Bei der floating charge handelt es sich um eine englische Besonderheit, die trotz ihrer Wurzeln im 19. Jahrhundert1488, einer noch immer fehlenden gesetzlichen Regelung, zahlreicher ungeklärter Probleme1489 und deutlicher Kritik aus dem Schrifttum1490 in der Praxis noch immer verbreitet ist1491. Eine floating charge bedarf für ihre Entstehung keiner besonderen Form; sie kann insbeson1484
Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 218. Vgl. Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 106. 1486 Vgl. Re Oasis Merchandising Services Ltd [1998] Ch. 170, 186, C.A.; Oditah, (1990) L.M.C.L.Q. 205, 219 f.; Griffin, Personal Liability, S. 82; Sealy/Worthington, S. 673; Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 234; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 262; Dennis, 11.2.6, S. 377. Vgl. auch Re M.C. Bacon Ltd [1991] Ch. 127, 137 (zu s. 239 IA 1986): „It was thus established long before 1986 that any sum recovered from a creditor who has been wrongly preferred enures for the benefit of the general body of creditors, not for the benefit of the company or the holder of a floating charge. It does not become part of the company’s assets but is received by the liquidator impressed with a trust in favour of those creditors amongst whom he has to distribute the assets of the company“. Siehe ferner (zu der Vorläufernorm zu s. 239 IA 1986) Re Yagerphone Ltd [1935] Ch. 392, 396. 1487 Hicks, (1993) 1 Comp. Law., 16, 19: „compensatory element intended for the ordinary creditors“. 1488 Siehe bereits Re Panama New Zealand and Australian Royal Mail Co (1869– 1870) L.R. 5 Ch. App. 318, 322, allerdings noch ohne Verwendung des Begriffs floating charge. Dieser Begriff und seine klassische Definition finden sich dann in Re Yorkshire Woolcombers Association, Ltd [1903] Ch. 284, 294 f. Zur floating charge aus deutscher Sicht umfassend ter Meulen, S. 21 ff. 1489 Etwa die Abgrenzung einer floating charge zu einer fixed charge, Atherton/Mokal (2005) 1 Comp. Law., 10, 14 ff. oder die Abgrenzung zu einem trust, Snowden, in: Lightman/Moss/Anderson/Fletcher/Snowden, para. 3-004, S. 45 f. 1490 Siehe Sevenoaks, (2009) 1 I.C.C.L.R. 17, 19 ff., insbesondere S. 22: „On the international table, the United Kingdom lags behind in the race to possess desirable security devices to suit the needs of 21st-century financing.“ 1491 Vgl. Finch, (2008) 8 J.B.L. 756, 768 f., die jedoch zugleich von einer künftig abnehmenden Bedeutung der floating charge ausgeht. 1485
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dere mündlich bestellt werden1492. Sie erstreckt sich meist auf gegenwärtige wie zukünftige Vermögensgegenstände der Gesellschaft1493. Dabei kann sie eine bestimmte Klasse von Vermögensgegenständen erfassen oder sich, wie im Regelfall, auf alle Vermögensgegenstände der Gesellschaft erstrecken1494. Die floating charge beläßt dem Sicherungsgeber allerdings, anders als eine fixed charge, neben dem Eigentum auch die Verfügungsbefugnis über das Sicherungsgut1495; bei der insoweit fehlenden Kontrolle des Sicherungsnehmers handelt es sich um das wesentliche Abgrenzungsmerkmal1496. Erst mit Konkretisierung (crystallization) der floating charge auf bestimmte Vermögensgegenstände erlischt die Verfügungsbefugnis des Sicherungsgebers. Die floating charge setzt sich an diesen Vermögensgegenständen sodann als fixed charge fort und gewährt dem Sicherungsnehmer insoweit – vorbehaltlich entgegenstehender insolvenzrechtlicher Regelungen – ein vorrangiges Verwertungsrecht in der Insolvenz des Sicherungsgebers1497. Der Eintritt der Konkretisierung auf bestimmte Vermögensgegenstände hängt in erster Linie von der Sicherungsabrede ab1498. Regelmäßig tritt die Konkretisierung mit Eröffnung des Abwicklungsverfahrens ein1499. Die Bestellung einer floating charge ähnelt demzufolge – entgegen einem Mißverständnis im Schrifttum1500 – einer teils vorweggenommenen, insgesamt aufschiebend 1492 Sealy/Hooley, S. 1132; Davies, in: Davies, para. 32-6, S. 1163. S. 53 (1) (c) Law of Property Act 1925 ist nicht anwendbar. 1493 Siehe Ferran, S. 368. 1494 Finch, S. 91 f. 1495 Davies, in: Davies, para. 32-5, S. 1163. 1496 Snowden, in: Lightman/Moss/Anderson/Fletcher/Snowden, para. 3-014, S. 50 f. Zu weiteren Unterschieden siehe ausführlich Sealy/Hooley, S. 1135 f. 1497 Ferran, S. 369 f. 1498 Snowden, in: Lightman/Moss/Anderson/Fletcher/Snowden, para. 3-077, S. 81 f. 1499 Daneben genügt etwa auch die Einstellung des Geschäftsbetriebs oder die Bestellung eines administrators oder receivers in den bereits erwähnten, nicht auf Liquidation gerichteten Verfahren, Finch, S. 92; Sealy/Hooley, S. 1137, dort auch zu anderen Auslösern der Konkretisierung. 1500 Hier heißt es zur Einordnung dieses „dogmatisch nur schwer erfaßbare[n] Rechtsinstitut[s]“ (Perker, S. 58) in das deutsche Recht, es handele sich dabei um „eine Art Unternehmenshypothek“ (Florian, S. 114; Wachendorf, S. 78), die „sich mit einem unmittelbaren dinglichen Anwartschaftsrecht an gegenwärtigen und zukünftigen Unternehmensgegenständen sowie sonstigem Vermögen“ vergleichen lasse (Wachendorf, S. 78; ähnlich Perker, S. 57), welches „jedoch zunächst noch nicht durchsetzbar ist“ (Perker, S. 57). Der Vergleich von Hypothek und Anwartschaftsrecht geht fehl. Während die Hypothek ein Verwertungsrecht gewährt (§ 1147 BGB), ist die Anwartschaft auf den Erwerb eines wirtschaftlich nutzbaren (Voll-)Rechts gerichtet. Mit einer Hypothek läßt sich allein Grundstückseigentum oder ein grundstücksgleiches Recht belasten (§ 1113 I BGB, § 11 ErbbauVO; haften können dagegen auch die in §§ 1120 ff. BGB genannten Gegenstände), ein Anwartschaftsrecht kann dagegen auch Fahrnis oder Rechte erfassen. Überdies kann es ein „Anwartschaftsrecht an . . . zukünftigen Unternehmensgegenständen“ nicht geben. Insoweit fehlt es an der Bestimmtheit und ohne weiteres auch an der Bestimmbarkeit des vermeintlichen Gegenstands des Anwartschaftsrechts. Im übrigen können „nicht durchsetzbar“ nur Ansprüche sein; ein nicht durch-
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bedingten Einigung über die Bestellung eines (besitzlosen) Pfandrechts an denjenigen Sachen und Rechten der Gesellschaft, die im Zeitpunkt des Bedingungseintritts, etwa der Eröffnung des Abwicklungsverfahrens, die vereinbarten Abgrenzungskriterien erfüllen. Ein derartiges Rechtsgeschäft wäre im deutschen Recht wegen der Unzulässigkeit eines besitzlosen Pfandrechts an Sachen1501 und ggf. wegen Übersicherung1502 unwirksam. Eine der Reichweite der floating charge vergleichbare Besicherung könnte hier – vorbehaltlich einer Übersicherung – allenfalls durch eine (vorweggenommene) Sicherungsübereignung sämtlicher Sachen und eine (vorweggenommene) Sicherungsabtretung1503 sämtlicher Forderungen und Rechte der Gesellschaft erzielt werden. Schließlich streitet gegen eine Gläubigerstellung der Gesellschaft auch die historische Auslegung. Bereits die Reformkommission forderte, daß die Ausgleichszahlung nicht ohne weiteres von einer floating charge erfaßt werden solle1504. Diese Auffassung wird neuerdings gestützt durch eine Änderung der Insolvency Rules 1986, die zum 06.04.2008 in Kraft getreten ist1505. Darin wird in anderem Zusammenhang geregelt, daß zu den Vermögensgegenständen, die der Befriedigung ungesicherter Gläubiger dienen, auch Beträge zählen, die der Insolvenzverwalter einzuklagen berechtigt ist1506. Hierzu dürfte auch die Ausgleichszahlung gemäß s. 214 IA 1986 gehören. Die letztgenannte Ansicht ist daher vorzuziehen. Anspruchinhaber ist mithin der Insolvenzverwalter als Treuhänder der ungesicherten Gesellschaftsgläubiger. dd) Anspruchsumfang (1) Keine klare gesetzliche Regelung S. 214 IA 1986 enthält auch hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs keine konkreten Vorgaben („such contribution . . . as the court thinks proper“)1507. Das Gericht verfügt insoweit über ein uneingeschränktes Ermessen1508. Allerdings verpflichtet s. 214 (3) IA 1986, wie bereits festgestellt, den Haftungsadressaten setzbares Recht ist keines. Treffender, allerdings tautologisch die Umschreibung bei Lange, S. 16: „in den Wirkungen schwebend aufgeschobene Belastung“. 1501 § 1205 BGB. 1502 Als Fallgruppe des § 138 I BGB. 1503 Das rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrecht an Rechten hat heutzutage, außer in Nr. 14 der AGB der Banken, keine praktische Bedeutung mehr und ist im Rechtsverkehr durch die Sicherungsabtretung ersetzt worden, Bassenge, in: Palandt, Einf. vor § 1273 ff. BGB, Rn. 2. 1504 Siehe para. (4) der Musterregelung bei Cork, abgedruckt unter para. 1806, S. 405. 1505 Siehe The Insolvency (Amendment) Rules 2008 (SI 2008 No. 737). 1506 R. 4.218 (2) (a) (i) Insolvency Rules 1986 i. d. F. der The Insolvency (Amendment) Rules 2008 (SI 2008 No. 737). 1507 S. 214 (1) IA 1986.
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dazu, den den Gläubigern drohenden Schaden („potential loss to the company’s creditors“) zu minimieren. Zudem stellt s. 214 (6) IA 1986 auf einen Ausfall der Gläubiger ab („when its assets are insufficient for the payment of its debts“). Damit liegt es nahe, die Anspruchsbemessung – wie in Deutschland1509 – am den Gesellschaftsgläubigern entstandenen Schaden auszurichten. (2) Ausgangspunkt der Anspruchsbemessung nach der Rechtsprechung (a) Verringerung des Reinvermögens Demgegenüber zieht die Rechtsprechung zur Bemessung des Anspruchs – entgegen einem Mißverständnis im Schrifttum1510 – in einem ersten Schritt grundsätzlich1511 den Betrag heran, um den sich die Netto-Unterbilanz der Gesellschaft infolge des „wrongful trading“ erhöht hat („increase in net deficiency“, „IND“)1512. Die Netto-Unterbilanz entspricht gerade nicht dem Gesellschaftsvermögen im Sinne des Gesamtbetrags der Aktiva1513. Es berechnet sich als Unterschiedsbetrag zwischen dem Gesellschaftsvermögen und den (echten) Verbindlichkeiten der Gesellschaft, das heißt den Passiva abzüglich des Eigenkapitals1514. Daraus folgt, daß das englische Recht – anders als das deutsche1515 – 1508 Re Farmizer (Products) Ltd., Moore & Anor v Gadd & Anor. [1997] B.C.C. 655, 662 et. seq.; „unfettered discretion“, Morse, para. 15.599.30; „complete discretion“, Keay/Walton, 43.6, S. 593. 1509 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 62, 68. 1510 Vielfach falsch Redeker, S. 155: „(net deficiency test). Der Geschäftsleiter hat folglich einen Betrag in die Masse zu leisten, der die Schulden deckt, die das Unternehmen in der Phase der Insolvenzverschleppung noch eingegangen ist.“ Denn: 1. Die Verringerung des Reinvermögens stellt lediglich den Ausgangswert für die Anspruchsbemessung dar. 2. S. 214 IA 1986 betrifft nicht stets Fälle der Insolvenzverschleppung; die (verfrühte) Insolvenzantragstellung kann gerade haftungsbegründend sein (siehe den Text bei Fn. 1428 ff. in Teil 2). 3. Der Betrag der zusätzlichen Verbindlichkeiten entspricht gerade nicht der Schmälerung des Reinvermögens (siehe den Text bei Fn. 1540 ff. und 1510 ff. in Teil 2). Insoweit widerspricht sich ders. auf S. 155 f., wenn er dort nun auf die „Differenz zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten“ und den „Nettofehlbetrag“ abstellt. 1511 Zu Ausnahmen siehe den Text bei Fn. 1540 ff., 1552 ff. in Teil 2. 1512 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 89, 297, 306; siehe zuvor bereits Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128: „the company’s net liabilities at the end of 1986 or the extent to which the net liabilities were increased by the continuance of the company’s trading after the end of 1986.“ [Hervorh. von mir]. „Net liabilities“ bezeichnet dabei offensichtlich das (unter Umständen negative) Reinvermögen der Gesellschaft. Unzutreffend daher Redeker, S. 155, der meint, „zu dem Problem der Berechnung des Betrags, um den sich das Gesellschaftsvermögen infolge des wrongful trading verringert hat, hat das Gericht erstmals in Re Continental Assurance plc. Stellung genommen.“ 1513 Unzutreffend Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197. 1514 Unzutreffend Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 311, der doziert, es sei die „arithmetical difference between total assets and total liabilities of the company“ zugrunde-
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nicht nach „Altgläubigern“ und „Neugläubigern“ 1516 unterscheidet; es ist ohne Belang, ob ein Gläubiger vor oder nach dem Zeitpunkt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht der Limited Kredit gewährt hat1517, etwa indem er in Vorleistung getreten ist1518. Eine Erhöhung der Netto-Unterbilanz ist nur unter zwei Voraussetzungen zu berücksichtigen: Erstens muß ihre Erhöhung – entgegen Mißverständnissen im Schrifttum1519 – kausal mit der Sanierungsverschleppung durch den Haftungsadressaten verknüpft sein1520. Fraglich ist allerdings, ob eine nicht kausal auf das zulegen. Der Wert dieser Differenz ist stets Null. Denn bilanziell zählt zu den „total liabilities“ der Gesellschaft auch ihr – auf der Passivseite berücksichtigtes – Eigenkapital, das ihrem Reinvermögen entspricht (vgl. den Text bei Fn. 518 in Teil 2). Überdies benennt ders. die der Bemessung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten zugrundezulegenden Zeitpunkte nicht. 1515 Hier erhalten „Altgläubiger“ nur den sogenannten Quotenschaden ersetzt, „Neugläubiger“ den vollen (Vertrauens-)Schaden, gemindert um die Insolvenzquote, BGH NJW 1994, 2220, 2222 f. 1516 Die Verwendung der Begriffe „Neugläubiger“ und „Altgläubiger“ in Bezug auf das englische Recht ist problematisch, siehe den Text bei Fn. 1597 ff. in Teil 2. 1517 Zur Maßgeblichkeit der Kreditgewährung anstelle der Anspruchsentstehung im deutschen Recht siehe OLG Nürnberg, Hinweisbeschluß v. 12.08.2008, Az. 4 U 1031/ 08, BeckRS 2009 08490; OLG Celle NZG 2002, 730, 732; Bayer/Lieder, WM 2006, 1, 2 mit Fn. 27; Haas, DStR 2003, 423, 427 – ohne Hinweis auf die abweichende eigene (?) Ansicht in ders., NZG 1999, 373, 375. 1518 Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128; Hicks, (1993) 1 Comp. Law. 16, 17; Prentice (1990) 10 O.J.L.S. 265, 273; Pennington, Corporate Insolvency Law, S. 262; Totty/Moss, para. B1-32. Für eine Bevorzugung von „Neugläubigern“ de lege ferenda aber Hicks, (1993) 1 Comp. Law. 16, 17 mit Fn. 12, ohne allerdings auf die deutsche Rechtslage hinzuweisen; insoweit falsch zitiert bei Wachendorf, S. 102 mit Fn. 489. 1519 Haug, S. 198, glaubt, es sei keine Kausalität erforderlich, und begründet dies mit einem Satz in der von dem Court of Appeal getroffenen Entscheidung Cohen v Selby [2002] B.C.C. 82, 88, CA, bei dem es sich jedoch um ein bloßes obiter dictum handelt, das zusätzlich noch offen formuliert ist („I am content to assume (without so deciding) that, on an application under s. 214 of the Insolvency Act 1986, it may not be necessary to establish a causal link between the wrongful trading and any particular loss . . . this is not an application under s. 214 of the Act; and, on the facts alleged, it could not have been brought under that section.“. – Dieses Urteil versteht auch Redeker, S. 156, falsch, der darauf bezogen (indes ohne Seitenangabe) meint, der Court of Appeal bestreite ein Kausalitätserfordernis. – Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 311 mißversteht die Entscheidung Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239 („He, too, declined to say whether he had to import principles of causation into section 214 IA 1986“), die in para. 77 sowie Annex B, para. 5, 11, sehr wohl ausdrücklich eine Kausalität voraussetzt. – Unverständlich dagegen die Kritik bei Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 233, an der Entscheidung Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 197, da die Wendung „as a result of the continuation of trading“ sehr wohl das Kausalitätserfordernis ausdrückt. Dies. zielen möglicherweise auf das in dieser Entscheidung nicht angesprochene weitere Erfordernis der objektiven Zurechenbarkeit (siehe den Text bei Fn. 1525, 1568 in Teil 2). 1520 So mit wechselnden Formulierungen Re Marini Ltd [2004] B.C.C. 172, 197: „The only proper question, in my judgment, must be whether, on a net basis, it is shown that the company is worse off as a result of the continuation of trading.“; Continental
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„wrongful trading“ des Haftungsadressaten zurückzuführende Verringerung der Netto-Unterbilanz („unexpected windfall“) zum Vorteil des Schuldners berücksichtigt werden kann. Diese selten behandelte Frage soll dahin zu beantworten sein, daß eine solche zufällige Verbesserung der Lage der Gesellschaft – ebensowenig wie eine zufällige Verschlechterung – keine Berücksichtigung finden könne1521; diese Betrachtungsweise ähnelt dem aus dem deutschen Schadensersatzrecht bekannten Ausschluß der Vorteilsanrechnung nach dem Rechtsgedanken des § 843 IV BGB. Gegen diese Meinung spricht allerdings, daß der Nachteil der Gläubiger, den s. 214 IA 1986 zu minimieren beabsichtigt1522, auch durch derartige Zufallserträge verringert wird. Eine Nichtberücksichtigung einer (zufälligen) Besserung der Lage der Limited erscheint auch aufgrund des Charakters von s. 214 IA 1986 als Billigkeitshaftung1523 unangemessen. Demgemäß erscheint es vorzugswürdig, auch eine zufällige Verringerung der Netto-Unterbilanz der Limited in Ansatz zu bringen. Zweitens ist nach den allgemeinen Grundsätzen des englischen Rechts1524 erforderlich, daß die Vermögenseinbuße der Sanierungsverschleppung auch objektiv zurechenbar ist1525. So ist eine Verringerung des Reinvermögens eines BauAssurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 77: „to have caused the loss (the increase in net deficiency)“, vgl. auch Annex B, para. 5, 11; Morphitis v Bernasconi [2003] Ch. 552, 557, 578 zum fraudulent trading gemäß s. 213 IA 1986, was erst recht für ein wrongful trading nach s. 214 IA 1986 gelten muß: „There must, as it seems to me, be some nexus between (i) the loss which has been caused to the company’s creditors generally by the carrying on of the business . . . and (ii) the contribution“; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597: „Prima facie the appropriate amount that a director is declared to be liable to contribute is the amount by which the company’s assets can be discerned to have been depleted by the director’s conduct which caused the discretion under sec. 214(1) to arise.“; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56: „I am not satisfied that the full extent of the worsening of the position of the company is to be attributed to the continued trading of the company. This is applying a ,but for‘ test of causation.“; Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128: „the extent to which the net liabilities were increased by the continuance of the company’s trading . . . the only solution . . . is to quantify the loss caused by the continuation of trading“ [Hervorh. von mir]. Siehe ferner Doyle/Keay, s. 214 IA 1986, S. 235; Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261; Sealy/ Milman, s. 214 IA 1986, S. 233. 1521 Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 233; in diese Richtung betreffend die Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft aufgrund einer Verletzung von Regeln des Fallrechts bereits West Mercia Safetywear Ltd v Dodd [1988] 4 B.C.C. 30, 33. 1522 Siehe nochmals s. 214 (3) und (6) IA 1986. 1523 Siehe den Text bei Fn. 1571, 1633 in Teil 2. 1524 Vgl. South Australia Asset Management Corporation v York Montague Ltd, [1997] A.C. 191, 213, HL. 1525 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 378 ff.; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56. Vgl. auch Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 100: „attributable to the wrongful action(s)“. Widersprüchlich aber S. 101, wo ders. lediglich von einer „causal connection“ spricht. Vgl. auch Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 233, deren Ausführungen insoweit
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unternehmens, die unabhängig von der Sanierungverschleppung aufgrund außerordentlich schlechter Witterungsverhältnisse eingetreten ist, nicht in Ansatz zu bringen1526. (b) Berechnungsmethode Dazu, wie sich eine etwaige Erhöhung der Netto-Unterbilanz berechnet, finden sich in Rechtsprechung und Schrifttum allenfalls wolkige Ausführungen1527. Die Berechnung ist umständlich; sie vollzieht sich letztlich in sechs Schritten: Zunächst ist eine Stichtagsbilanz bezogen auf den Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens1528 zu erstellen. Hierfür ist also – entgegen anderer Ansicht1529 – nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung abzustellen; das folgt bereits daraus, daß dem Haftungsadressaten ansonsten das Verwertungsrisiko, d.h. das Risiko von Wertminderungen der Vermögensgegenstände während des Abwicklungsverfahrens, entsprechend dem Risiko der Abwicklung als solcher – aufgebürdet würde, während s. 214 IA 1986 ihm nur das durch die Verschleppung hinreichender Krisenreaktionsmaßnahmen gesteigerte Insolvenzverlustrisiko zuweist1530. Diese Bilanz ist nun um nicht kausal oder jedenfalls nicht objektiv zurechenbare Wertminderungen von Vermögensgegenständen und solche Erhöhungen der Verbindlichkeiten im engeren Sinne – Passiva ohne Eigenkapital – zu bereinigen. In einem dritten Schritt ist das Reinvermögen der Limited bei Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zu ermitteln, indem der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten im engeren Sinne – ohne Eigenkapitalposten – vom Gesamtbetrag der Vermögenswerte abgezogen wird. Das Reinvermögen ist zu diesem Zeitpunkt notwendig
nur dann einen Sinn ergeben, wenn dies. implizit zusätzlich die objektive Zurechenbarkeit der Vermögenseinbuße voraussetzen. 1526 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56. 1527 Marini Ltd v Dickenson [2004] B.C.C. 172, 197: „whether, on a net basis, it is shown that the company is worse off as a result of the continuation of trading“; Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, Annex B, para. 7: „with reference to the IND between a liquidation which commenced on 19th July 1991 and the actual liquidation which commenced on 27th March 1992“; vgl. auch Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128: „the extent to which the net liabilities were increased by the continuance of the company’s trading after the end of 1986“. Unklar etwa auch Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261; Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 311. 1528 Also der Zeitpunkt des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses bzw. des gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses, siehe den Text bei Fn. 982 ff. in Teil 2. 1529 Ferran, S. 40: „at the date of actual liquidation [Hervorh. von mir]“, die sich indes auf derselben Seite mit dem Abstellen auf „the date at which trading did in fact cease“ widerspricht. Allerdings ist auch dieser Zeitpunkt nicht notwendig der der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens. 1530 Siehe den Text bei Fn. 1171 ff. in Teil 2.
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kleiner als Null, da sonst keine Überschuldung im Sinne des s. 214 (6) IA 19861531 vorläge. Sodann ist eine weitere Stichtagbilanz bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht zu errichten. Anhand dieser ist in einem fünften Schritt wiederum das Reinvermögen der Gesellschaft zu bestimmen, das hier größer oder kleiner als Null sein kann1532. Schließlich ist das zunächst ermittelte Reinvermögen zum Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens von demjenigen zum maßgeblichen Zeitpunkt abzuziehen1533. Ist das Ergebnis kleiner als Null, entspricht die Erhöhung der Netto-Unterbilanz dem Betrag des Ergebnisses. Ist das Ergebnis größer oder gleich Null, liegt keine Erhöhung der Netto-Unterbilanz vor. Die Stichtagsbilanzen sind grundsätzlich unter Heranziehung der einschlägigen Rechnungslegungswerke1534 zu erstellen1535. Der auf den Zeitpunkt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht zu erstellenden Stichtagsbilanz sind entweder Fortführungs- oder Zerschlagungswerte zugrundezulegen. Dies muß an dieser Stelle ex post bestimmt werden – anders als bei der Prüfung einer Überschuldung für Zwecke des s. 214 (2) (b) IA 1986, wo eine Betrachtung ex ante zu erfolgen hat1536 –, um die tatsächlich eingetretene Verringerung des Reinvermögens ermessen zu können. Je nach den Umständen ist für die Anspruchsbemessung also ein anderer Wertansatz zu wählen als für die Bilanz, die zur Ermittlung des Eintritts des maßgeblichen Zeitpunkts zu errichten ist. Die auf den Zeitpunkt der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens bezogene Stichtagsbilanz hat demgegenüber, wie für Zwecke des s. 214 (6) IA 19861537, die ex post zutreffenden Wertansätze zu enthalten. In Abweichung von den einschlägigen Rechnungslegungsstandards sind in beiden Bilanzen als Verbindlichkeiten auch die Kosten des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zu berücksichtigen. Die Kosten sind jeweils ex post zu ermitteln – insoweit anders als bei der für Zwecke der Ermittlung des Eintritts des maßgeblichen Zeitpunkts i. S. d. s. 214 (2) (b) IA 1986 zu errichtenden Bi1531
Dazu siehe den Text bei Fn. 1109 ff. in Teil 2. Ist das Reinvermögen positiv, besteht noch keine Überschuldung; dies ist unschädlich, da eine Überschuldung der Limited für den Eintritt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht nicht vorausgesetzt ist (siehe den Text bei Fn. 1277 ff. in Teil 2). Ist das Reinvermögen negativ, liegt bereits Überschuldung vor. 1533 Selbstverständlich kann auch umgekehrt gerechnet werden; die hiesige Vorgehensweise hat allerdings den Vorteil der größeren Anschaulichkeit, da der Wert der Differenz im Falle eines net deficit ein negatives Vorzeichen aufweist. 1534 Siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 1535 Vgl. Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261: „on a balance sheet basis“. 1536 Siehe den Text bei Fn. 1237 ff. in Teil 2. 1537 Vgl. den Text bei Fn. 1119 ff. in Teil 2. 1532
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lanz1538. Die Berücksichtigung der Kosten und der andere Ausgangspunkt ihrer Bemessung sind für die zutreffende Ermittlung des Betrags der Erhöhung der Netto-Unterbilanz erforderlich: So können sich etwa die Gebühren des Insolvenzverwalters nach dem tatsächlichen Verwertungserlös für die Vermögensgegenstände richten1539 und daher ex post höher oder niedriger liegen, was sich auf den Betrag der Erhöhung der Netto-Unterbilanz auswirkt. (c) Hinzugetretene Verbindlichkeiten Das englische Recht kennt noch einen alternativen Ausgangspunkt für die Anspruchsbemessung, was im deutschen Schrifttum regelmäßig übersehen wird1540. Dabei handelt es sich um den Gesamtbetrag der nach Eintritt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht hinzugetretenen (und bis zur Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens nicht erfüllten) Verbindlichkeiten der Gesellschaft1541. Dieser läßt sich etwa anhand der Höhe und der Daten der Entstehung der im insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren angemeldeten Forderungen der Gläubiger ermitteln. Inwieweit die Anspruchsbemessung auf dieser Größe gründen kann, ist völlig unklar. Diesbezüglich finden sich in Rechtsprechung und Schrifttum nicht weniger als fünf verschiedene Ansätze. Nach einer ersten Ansicht bildet diese bei der Anspruchsbemessung regelmäßig den Ausgangswert1542. Eine zweite Meinung geht davon aus, daß sowohl der Gesamtbetrag der zusätzlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft als auch die Verminderung ihres Reinvermögens gleichermaßen der Anspruchsbemessung zugrundegelegt werden könnten, da dies keinen Unterschied zur Folge habe1543. Nach einer dritten Betrachtungsweise sind beide Werte zu berechnen und sodann der höhere Wert heranzuziehen1544. Nach einer vierten Meinung ist der Anspruchsbemessung ausschließlich die Verringerung des Reinvermögens der Gesellschaft zugrundezulegen1545. Schließlich wird ebenfalls ver1538
Vgl. allgemein zu den Wertansätzen den Text bei Fn. 1237 ff. in Teil 2. R. 4.127 (2) (a) Insolvency Rules 1986: „as a percentage of the value of the assets which are realised or distributed“. 1540 Siehe Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 99 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197 f.; Redeker, S. 155 f.; Wachendorf, S. 94 ff. 1541 Vgl. Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128. 1542 Morse, para. 15.599.29: „In principle . . . the liabilities incurred from that time onwards should form the basis of the court’s calculation of the quantum of contribution“ [Hervorh. von mir]. In diese Richtung auch Wainman, 1.5, S. 4. Welches die Ausnahmen von der Regel sein sollen, wird jeweils nicht dargestellt. 1543 So Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261 f.; so letztlich auch Bailey/Groves, para. 17.34, S. 706: „it will avail directors little“. 1544 Pennington, Directors’ Personal Liability, S. 195. 1545 Marini Ltd v Dickenson [2004] B.C.C. 172, 197: „the other alternatives are plainly unsustainable. The only proper question, in my judgment, must be whether, on a 1539
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treten, daß auf den Gesamtbetrag der zusätzlichen Verbindlichkeiten nur dann zurückgegriffen werden könne, wenn die Erstellung von Stichtagsbilanzen zur Bestimmung der Minderung des Reinvermögens mangels ordnungsgemäßer Buchführung bei der betroffenen Limited nicht möglich sei1546. Den ersten beiden Ansichten ist entgegenzuhalten, daß sich eine Bemessung des Ausgangswerts allein anhand der nach dem maßgeblichen Zeitpunkt hinzugetretenen Verbindlichkeiten noch weiter vom Wortlaut des s. 214 (3) und (6) IA 1986 entfernt. Den dort in Bezug genommenen Nachteil der Gläubiger spiegelt die Erhöhung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft noch schwächer wider als die Verringerung des Reinvermögens: Der den ungesicherten Gläubigern durch das „wrongful trading“ entstandene Nachteil entspricht im wesentlichen ihrem Ausfall. Eine wichtige Einflußgröße auf den Ausfall wird bei der Zugrundelegung der Zunahme der Verbindlichkeiten allerdings völlig ausgeblendet: Auf den bei der Verteilung auf den einzelnen Gläubiger entfallenden Betrag wirkt (selbstverständlich) nicht nur die Entwicklung der Verbindlichkeiten ein, sondern auch die Entwicklung des Gesellschaftsvermögens1547. Als Beispiel mag der der schwierigen Lage der Gesellschaft geschuldete Verkauf von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens unter Buchwert zwecks Beschaffung dringend benötigter Liquidität dienen. Bei der Berechnung anhand der Erhöhung der Verbindlichkeiten fällt der dem Anspruchsumfang zugrundegelegte Betrag regelmäßig (deutlich) geringer aus, als wenn auf die Minderung des Reinvermögens abgestellt würde. Zum gleichen Ergebnis führt diese Berechnungsweise nur, wenn sich die Aktiva der Gesellschaft während des „wrongful trading“ überhaupt nicht verändert haben, was nur selten der Fall sein dürfte. Der Rückgriff auf die hinzugetretenen, nicht erfüllten Verbindlichkeiten anstelle der Zugrundelegung der Verringerung des Reinvermögens führt also regelmäßig nicht zu gleichwertigen Ergebnissen1548 und ist für Gesellschaftsgläubiger erst recht nicht vorteilhaft1549. net basis, it is shown that the company is worse off as a result of the continuation of trading [Hervorh. von mir.]“. 1546 Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128. 1547 In diese Richtung zu s. 213 IA 1986 Morphitis v Bernasconi [2003] Ch. 552, 578: „An obvious case for contribution would be where the carrying on of the business with fraudulent intent had led to the misapplication, or misappropriation, of the company’s assets. In such a case the appropriate order might be that those knowingly party to such misapplication or misappropriation contribute an amount equal to the value of assets misapplied or misappropriated.“ [Hervorh. von mir]. Zu s. 214 IA 1986 Tolmie, S. 359: „Liability may result either from continuing to incur liability or by dissipating assets“. In diese Richtung auch Sealy/Milman, s. 214, S. 234: „there may be wrongful trading even though the company does not incur further debts [. . .]“ und Groves/Arden/ Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261: „the first inquiry will be to determine how much the net liabilities of the company have increased [. . .] [Hervorh. von mir]“. 1548 Siehe erneut Groves/Arden/Calland/Kalfon, s. 214 IA 1986, S. 261 f.; Bailey/ Groves, para. 17.34, S. 706.
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Gegen die dritte Meinung ist einzuwenden, daß sie den Haftungsadressaten unbillig benachteiligt. Denn der Ausfall der Gläubiger muß nicht mit den nach dem maßgeblichen Zeitpunkt hinzugetretenen, nicht erfüllten Verbindlichkeiten zunehmen. Möglich ist auch, daß dem Anstieg der Verbindlichkeiten ein Zuwachs des Gesellschaftsvermögens gegenübersteht, der der Erhöhung der Verbindlichkeiten entspricht oder diese gar übertrifft. Das ist denkbar, wenn die Limited im maßgeblichen Zeitpunkt überschuldet war und die Überschuldung im Zuge von Sanierungsbemühungen, die letztlich aber nicht ausreichten, vermindert wurde. In diesem Fall verringert sich der Ausfall der Gläubiger. Die Bemessung einer Ausgleichszahlung des Haftungsadressaten anhand der Zunahme der Verbindlichkeiten erscheint dann als Geschenk an die Gläubiger. Der vierten Ansicht ist entgegenzuhalten, daß es nicht immer möglich sein wird, den Ausgangswert der Anspruchsbemessung anhand der Verringerung des Reinvermögens zu bestimmen. Teilweise wird die hierfür notwendige ordnungsgemäße Buchführung gerade in kriselnden Gesellschaften vernachlässigt werden1550. In solchen Fällen bedarf es einer weiteren Möglichkeit, den Ausgangswert zu ermitteln, etwa indem man sich auf Auskünfte der Gläubiger der Gesellschaft stützt. Gegen die fünfte Meinung spricht schließlich, daß ein Abstellen auf die Erhöhung der Verbindlichkeiten zu einem Wertungswiderspruch führen kann. Liegt der Gesamtbetrag der hinzugetretenen Verbindlichkeiten etwa unter der Abnahme des Reinvermögens, so wird im Ergebnis derjenige Haftungsadressat mit einer im Ausgangspunkt geringeren Haftungssumme belohnt, der als Schattengeschäftsleiter – nach dessen Anweisungen die ordentlichen Geschäftsleiter ex definitione zu handeln gewöhnt sind1551 – nicht in der Lage war, für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen – oder der entsprechende Unterlagen gar rechtzeitig hat vernichten lassen oder selbst vernichtet hat. Dennoch ist die differenzierende fünfte Ansicht vorzuziehen. Sie ermöglicht grundsätzlich die Bestimmung von Ausgangswerten, die dem konkreten Nachteil der Gläubiger deutlich näherkommen als ein Abstellen auf den Zuwachs der Verbindlichkeiten. Ausnahmsweise gestattet sie in Fällen unzureichender Buchführung bei der betroffenen Limited mit der hilfsweise heranzuziehenden Zunahme der Verbindlichkeiten zumindest überhaupt die Ermittlung eines jedenfalls nicht völlig willkürlichen Ausgangswerts. (3) Weitere Gesichtspunkte der Anspruchsbemessung Eine auf die dargestellte Weise errechnete Verringerung des Reinvermögens der Limited stellt lediglich den Ausgangspunkt der Bemessung des Anspruchs 1549 1550 1551
So aber Griffin, Personal Liability, S. 83 mit Fn. 71. So in der Entscheidung Re Purpoint Ltd [1991] B.C.C. 121, 128. Siehe den Text bei Fn. 1195 ff. in Teil 2.
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aus s. 214 IA 1986 dar. Der Ausgangswert kann aufgrund des weiten Ermessens des Gerichts noch verändert werden1552. Hierbei sind die weiteren Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen1553. Klärungsbedürftig erscheint zunächst, ob der Ausgangswert unter Berücksichtigung dieser Umstände lediglich vermindert, oder aber auch erhöht werden kann. Im Schrifttum wird die Antwort meist von der teils bejahten1554, teils verneinten1555 Frage abhängig gemacht, ob s. 214 IA 1986 neben dem Zweck des Ausgleichs auch den der Bestrafung des Haftungsadressaten verfolgt1556; nur in diesem Fall könne der Ausgangswert erhöht werden1557. Diese Annahme ist schon deswegen unzutreffend, weil nicht jede Erhöhung des Anspruchsumfangs über den Ausgangswert hinaus als Bestrafung wirkt. Denn der Ausgangswert umfaßt regelmäßig weder sämtliche der Gesellschaft, noch sämtliche ihren Gläubigern durch das „wrongful trading“ entstandenen Nachteile; er liegt vielmehr regelmäßig darunter1558. Die Beantwortung der Frage nach dem Zweck des s. 214 1552 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 77: „the loss (the increase in net deficiency) which is the foundation of the relief claimed by the liquidators“, vgl. auch Annex B, para. 5; Morphitis v Bernasconi [2003] Ch. 552, 557, 578 zum fraudulent trading gemäß s. 213 IA 1986, was erst recht für ein wrongful trading nach s. 214 IA 1986 gelten muß: „There must, as it seems to me, be some nexus between (i) the loss which has been caused to the company’s creditors generally by the carrying on of the business . . . and (ii) the contribution“; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597: „Prima facie the appropriate amount that a director is declared to be liable to contribute is the amount by which the company’s assets can be discerned to have been depleted . . .“; Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 233; Finch, S. 702 f.; Ferran, S. 40. 1553 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56 f.; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597 f., Ch. D. 1554 Re Oasis Merchandising Services Ltd [1998] Ch. 170, 186, CA: „litigation with a public or penal element“; vgl. auch Re Sherborne Associates Ltd [1995] B.C.C. 40, 54, wo eine Verurteilung gemäß s. 214 IA 1986 unter anderem mit dem Hinweis „the three non-executive directors were responsible men, two of them at least with considerable achievements, who were applying themselves to the problem: whatever else it did not go by default“ verworfen wurde; zumindest für ein anteiliges pönales Element auch Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 597, Ch. D.: „primarily compensatory rather than penal“. 1555 So nun ausdrücklich Morphitis v Bernasconi [2003] Ch. 552, 557, 578 f. zum fraudulent trading gemäß s. 213 IA 1986; dies muß erst recht für das wrongful trading nach s. 214 IA 1986 gelten, das kein betrügerisches Handeln voraussetzt. Implizit dagegen bereits die Entscheidung Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 297, worin das Gericht die Obergrenze der Haftung ohne Behandlung der Frage eines strafenden Zwecks des s. 214 IA 1986 auf den Ausgangswert begrenzt. Gegen einen strafenden Zweck auch Dennis, 11.6.2, S. 377; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 102; offen Ferran, S. 40; Finch, S. 701, 702 f. 1556 Diesen Streit übersieht Haug, S. 197. 1557 Vgl. Goode, para. 12-45, S. 543 f.; Davies, in: Davies, para. 9-9., S. 221; Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 310 f.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197 f.; unklar Hirt, (2004) 1 ECFR 71, 99 f. 1558 Siehe den Text bei Fn. 1572 ff. in Teil 2.
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IA 1986 ist insoweit also unergiebig. Allerdings stellt der Ausgangswert nach vorzugswürdiger Ansicht der Rechtsprechung, die auch in Teilen des Schrifttums auf Zustimmung gestoßen ist, unabhängig davon die Höchstgrenze der Anspruchsbemessung dar1559. Es kommt damit allein eine Verringerung des Ausgangswerts in Betracht1560. Bei einer Herabsetzung des Ausgangsbetrags kann (erneut)1561 ein vergleichsweise niedriger Grad der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Haftungsadressaten berücksichtigt werden – wenn etwa der Zeitpunkt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht nicht ohne weiteres erkennbar war1562. Auch ist wiederum1563 die Berücksichtigung eines vergleichsweise geringen Verschuldens möglich; insoweit von Bedeutung ist insbesondere, ob der Haftungsadressat fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat1564. Nicht zugunsten des Haftungsadressaten kann demgegenüber das bloße Fehlen einer betrügerischen Absicht berücksichtigt werden1565. Allgemein gilt dies nach einer jüngeren Entscheidung für alle anderen moralischen Gesichtspunkte, wie die Ehrlichkeit des Haftungsadressatens gegenüber Gläubigern und dem Insolvenzverwalter1566. Bei der Frage der Verringerung des Ausgangsbetrags ist weder (erneut) eine zweifelhafte Kausalität des „wrongful trading“ für eine Verringerung des Reinvermögens1567 noch eine fehlende objektive Zurechenbarkeit des „wrongful trading“ zu einer Schmälerung des Reinvermögens1568 einzubeziehen. Beides ist allein bei der Bestimmung des 1559 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 297; so im Ergebnis auch Davies, in: Davies, para. 9-9., S. 221; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 102; Griffin, Personal Liability, S. 83. Indes ergibt sich dies mitnichten aus den bei Wachendorf, S. 94 mit Fn. 439 f., hierfür wörtlich zitierten Textstellen der Entscheidung Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597, Ch. D. 1560 Verfehlt Haug, S. 198. 1561 Diese Gesichtspunkte können bereits auf Tatbestandsseite einer Haftung entgegenstehen, vgl. den Text bei Fn. 1243 in Teil 2. 1562 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56 f.; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 598. 1563 Vgl. schon den Text bei Fn. 1243 in Teil 2. 1564 Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56; Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 598; Griffin, Personal Liability, S. 83 f. 1565 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597. 1566 Morphitis v Bernasconi [2003] Ch. 552, 557, 578 f. zum fraudulent trading gemäß s. 213 IA 1986, was erst recht für einen Anspruch aus s. 214 IA 1986 gelten muß; Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 57 zu s. 214 IA 1986. Anders zu Ungunsten des Haftungsadressaten noch Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 597 f. Anders Mayer, S. 66 und Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 314, jeweils ohne Nachweise aus der Rechtsprechung. 1567 Anders aber Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 56. 1568 Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 197 f.; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 102, der damit die Frage der objektiven Zurechenbarkeit unzulässigerweise sowohl bei der Ermittlung des Ausgangswerts, als auch bei der Frage der Absenkung dieses Werts heranzieht (siehe ders., S. 100).
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Ausgangswerts zu berücksichtigen1569, um dem Haftungsadressaten durch derartige Unwägbarkeiten nicht unbilligerweise zweifach zu bevorteilen. (4) Beurteilung Bei der Haftung aus s. 214 IA 1986 handelt es sich um einen Ausgleichsanspruch eigener Art. Insbesondere handelt es sich bei der Haftung wegen „wrongful trading“ nicht um einen Schadensersatzanspruch1570. Die Haftung dient zwar ebenfalls dem Ausgleich einer Vermögensminderung; sie weist aufgrund des weiten Ermessens des Gerichts auf der Rechtsfolgenseite, das nicht – wie in § 287 ZPO – auf Schwierigkeiten bei der Schadensfeststellung beschränkt ist, eher Ähnlichkeiten mit der Billigkeitshaftung des deutschen bürgerlichen Rechts1571 auf. Indes spiegelt bereits der anhand einer der beiden Vorgehensweisen1572 berechnete Ausgangswert der Bemessung des Anspruches nach s. 214 IA 1986 – entgegen auch dem Sprachgebrauch in den einschlägigen Entscheidungen („loss“)1573 – überhaupt keinen entstandenen Schaden wider. Der Ausgangswert entspricht weder dem der Gesellschaft noch dem den Gläubigern durch das „wrongful trading“ entstandenen Schaden. Der Schaden der Gesellschaft im Sinne der auch im englischen Recht geltenden Differenzhypothese1574 liegt häufig höher als der beschriebene Ausgangswert. In ihm ist ein der Gesellschaft entstandener Zinsschaden nicht enthalten. Ein solcher tritt dann auf, wenn nach dem maßgeblichen Zeitpunkt noch zuvor verzinslich angelegte1575 Zahlungsmittel der Gesellschaft abgeflossen sind1576, obgleich im maßgeblichen Zeitpunkt bereits ein mit einem Moratorium verbun1569
Vgl. den Text bei Fn. 1519 ff. in Teil 2. Falsch daher Schuberth, S. 199, Wachendorf, S. 94 ff. und Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 195. 1571 § 829 BGB: „hat . . . den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert“. 1572 Also dem Abstellen auf die Verringerung des Reinvermögens oder die Erhöhung der Verbindlichkeiten nach dem maßgeblichen Zeitpunkt, siehe den Text bei Fn. 1510 bzw. 1540 in Teil 2. 1573 Siehe die in Fn. 1552 in Teil 2 genannten Urteile, die auf einen „loss“ Bezug nehmen. Eingeschlossen ist auch die Entscheidung Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, para. 77 – „the loss (the increase in net deficiency)“ –, obgleich dort an anderer Stelle zutreffend differenziert wird (ebd., Annex B, para. 8 ff.). Siehe auch Sealy/Milman, s. 214 IA 1986, S. 233 („however“). 1574 Vgl. National Guild of Removers & Storers Limited v Christopher Silveria [2010] WL 4503317, para. 12 f., 16. 1575 Etwa auf einem Tagesgeldkonto. 1576 Als Beispiele mögen dienen die Entrichtung von Leasingraten oder die Überweisung von Geschäftsführergehältern nach Eintritt der ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung. 1570
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denes Krisenreaktionsverfahren1577 hätte eingeleitet werden müssen. Wäre dies geschehen, dann hätte die Gesellschaft von diesem Zeitpunkt bis zur späteren (anteiligen) Erfüllung der Forderung noch Zinsen vereinnahmt – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Zahlungsmitteln um Eigen- oder Fremdkapital handelte –, so daß der Zinsschaden auch kausal mit dem „wrongful trading“ verknüpft ist. Der Schaden aus Sicht der Gesellschaft ist regelmäßig auch dann höher als der Ausgangswert, wenn man für den Ausgangswert (notgedrungen) statt auf die Verminderung des Reinvermögens auf den Gesamtbetrag der nach dem maßgeblichen Zeitpunkt hinzugetretenen offenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft abstellt; dieser Betrag fällt regelmäßig (deutlich) geringer aus als der Betrag der Verringerung des Reinvermögens1578. Auch der den Gesellschaftsgläubigern – das heißt Alt- wie Neugläubigern1579 – entstandene Schaden wird durch den Ausgangswert nicht abgebildet1580. Ihr Schaden liegt regelmäßig höher als der beschriebene Ausgangswert. Dies ist immer dann der Fall, wenn zwischen dem Zeitpunkt der ohne Krisenreaktionsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung und dem Ende des „wrongful trading“ irgendeine bevorzugte Befriedigung eines Gläubigers erfolgte1581. Der Schaden der Gläubigergesamtheit erhöht sich hierdurch, weil sich die Aktiva als Haftungsmasse verringern. Zugleich verändert sich aber das Reinvermögen des Unternehmens nicht, da eine Bilanzverkürzung stattfindet; neben den Aktiva verringern sich die Passiva in gleichem Maße. Diese Mittelabflüsse werden demgemäß nicht von s. 214 IA 1986 erfaßt; sie können dem Gesellschaftsvermögen – anders als in Deutschland1582 – allenfalls durch Insolvenzanfechtung wieder zugeführt werden1583. Eine solche Anfechtung gemäß s. 239 IA 1986 (preferences) setzt u. a. die Absicht der Bevorzugung des Gläubigers1584 voraus. Diese Absicht wird im Falle der Befriedigung einer der
1577
Etwa das Verfahren der administration oder ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren; siehe den Text bei Fn. 968 ff. in Teil 2. 1578 Siehe den Text bei Fn. 1540 in Teil 2. 1579 Siehe näher den Text bei Fn. 1594 ff. in Teil 2. 1580 Das sieht auch die Rechtsprechung ein, vgl. Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, Annex B, para. 8, 12; allerdings ohne näher zu begründen, warum sie statt auf den Schaden der Gläubiger auf die Verringerung des Reinvermögens der Gesellschaft abstellt. 1581 Vgl. Bachner, (2004) 5 EBOR, 293, 313. 1582 Vgl. die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 GmbHG. 1583 Continental Assurance Co of London Plc, Singer v Beckett [2001] WL 720239, Annex B, para. 6. So der Sache nach auch Re Brian D Pierson (Contractors) Ltd [1999] B.C.C. 26, 58, wo die Richterin die Beklagte Mrs. Pierson allerdings widersprüchlicherweise zu einer Ausgleichzahlung nach s. 214 IA 1986 i. H. v. 50.000 £ verurteilte, von denen ausdrücklich 10.000 £ als in Erfüllung der daneben (!) bestehenden Haftung aus s. 239 IA 1986 i. H. v. 10.000 £ geleistet gelten sollten. 1584 S. 239 (5), (4) (b) IA 1986.
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Gesellschaft nahestehenden Person – etwa eines Geschäftsleiters1585 – vermutet, nicht aber im Hinblick auf Dritte1586. Vor allem1587 wegen der daraus folgenden Beweisschwierigkeiten spielt die Insolvenzanfechtung gemäß s. 239 IA 1986 gegenüber Dritten praktisch keine Rolle1588. Die Effizienz der Anfechtungsregeln ist jedenfalls im Hinblick auf Dritte als gering zu bezeichnen1589. Insgesamt erscheint die Heranziehung der Verringerung des Reinvermögens der Gesellschaft als Grundlage der Bestimmung des Anspruchsumfangs verfehlt. Sie ist nicht mit dem Wortlaut von s. 214 IA 1986 zu vereinbaren. Aus s. 214 (3) und (6) IA 1986 folgt, daß die Vorschrift einen Nachteil der Gläubiger ausgleichen soll. Daß s. 214 IA 1986 einen Nachteil der Gläubiger auszugleichen bezweckt, erhellt auch aus der historischen Auslegung dieser Vorschrift1590. Es wäre mithin einzig folgerichtig, den von sämtlichen Gläubigern erlittenen Nachteil – wie im übrigen auch in Deutschland1591 – der Anspruchsbemessung zugrundezulegen. Diesem Nachteil entspricht die herangezogene Schmälerung des Reinvermögens der Gesellschaft indes regelmäßig nicht. Das gilt um so mehr, als der Betrag der Minderung des Reinvermögens durch das Gericht unter Berücksichtigung der aufgezählten weiteren Gesichtspunkte1592 noch herabgesetzt werden kann. Gerade auch diese Unwägbarkeit auf Rechtsfolgenseite stellt für den Insolvenzverwalter ein erhebliches Risiko dar, das ihn von der klageweisen Geltendmachung eines Anspruchs aus s. 214 IA 1986 abhalten kann1593. (5) Exkurs: Ausgangswert der Anspruchsbemessung nach s. 214 IA 1986 und „Quotenschaden“ Im deutschen Schrifttum werden häufig undifferenzierte Vergleiche zwischen dem Ausgangswert der Anspruchsbemessung nach s. 214 IA 1986 und dem Haftungsumfang gemäß § 15a I InsO1594 i.V. m. § 823 II BGB bemüht1595, für den 1585
Van Dijk, (2008) 17 Int. Insolv. Rev. 123, 129. Arg. e s. 239 (6), (5) IA 1986. 1587 Die Anfechtung gegenüber Dritten kann ferner nur erfolgen, wenn die bevorzugte Befriedigung innerhalb von sechs Monaten vor der erstmaligen Einleitung eines Krisenreaktionsverfahrens erfolgte, s. 240 (1) (b), (3) IA 1986. 1588 Es sind lediglich drei veröffentlichte Entscheidungen ersichtlich (Mistral Finance Ltd [2001] B.C.C. 27, 33 f.; Agriplant Services Ltd [1997] B.C.C. 842, 850 ff.; Living Images Ltd [1996] B.C.C. 112, 126 ff.). 1589 Vgl. Van Dijk, (2008) 17 Int. Insolv. Rev., 123, 136, 140 f. Zu s. 239 IA 1986 siehe näher den Text bei Fn. 1723 ff. in Teil 2. 1590 Cork, para. 1781, S. 399: „[the respondent] may be made personally liable for the debts of the company“. 1591 Siehe Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rn. 62, 68. 1592 Siehe den Text bei Fn. 1552 ff. in Teil 2. 1593 Finch, S. 792 f. 1594 Vor Inkrafttreten des MoMiG § 64 I GmbHG. 1586
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die Rechtsprechung bekanntlich zwischen Alt- und Neugläubigern unterscheidet1596. Auch wenn ein Vergleich des deutschen und des englischen Rechts nicht Schwerpunkt dieser Darstellung ist1597, soll hierauf kurz eingegangen werden, da die angestrengten Vergleiche des Anspruchsumfangs überaus problematisch sind. Das englische Recht unterscheidet zur Bestimmung des Anspruchsumfangs nicht nach dem Zeitpunkt der erfolgten Vorleistung und damit nicht zwischen Alt- und Neugläubigern. Diese Unterscheidung ist in das englische Recht auch nicht sinnvoll übertragbar: Der Eintritt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung ist nicht mit dem – in Deutschland entscheidenden1598 – Eintritt der materiellen Insolvenz der Gesellschaft gleichzusetzen; die materielle Insolvenz der Limited tritt regelmäßig (deutlich) vor dem maßgeblichen Zeitpunkt ein1599. Demgemäß rechnet ein nicht unerheblicher Teil der im deutschen Recht als solche eingeordneten „Neugläubiger“ im englischen Recht zu den „Altgläubigern“. Allerdings kann umgekehrt der maßgebliche Zeitpunkt auch bereits vor der materiellen Insolvenz der Limited liegen1600. In diesem Fall sind „Altgläubiger“ des deutschen Rechts „Neugläubiger“ im englischen Recht. Jeder undifferenzierte Vergleich ist auch deshalb schief, weil sich die der Unterscheidung in Alt- und Neugläubiger im GmbH-Recht zugrundeliegende Wertung im englischen Recht nicht wiederfindet. Zweck der deutschen Insolvenzantragspflicht ist es, insolvente Gesellschaften aus dem Geschäftsverkehr zu ziehen1601. Deshalb ist innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der (fortbestehenden) Insolvenzreife Antrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens zu stellen1602. Wird dieser Antrag nicht gestellt, ist der „Vertrauensschaden“ der „Neugläubiger“ zu ersetzen1603. Dagegen soll die Haftung aus s. 214 IA 1986 bei Verschleppung zielführender Sanierungsmaßnahmen eingreifen1604. Demgemäß erwächst dem Haftungsadressaten, wie gezeigt, bei Eintritt der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht bei der Limited gerade keine Insolvenzantragspflicht um jeden Preis. Er ist nur dazu verpflichtet, alle vernünftigen
1595 Siehe Bachner, ECFR 2006, Special Volume 1, 427, 448; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 210 f., 197, 195 mit Fn. 124; Haug, S. 197 f.; Wachendorf, S. 101 f.; Mayer, S. 66. 1596 Siehe den Text bei Fn. 1515 in Teil 2. 1597 Hierzu ausführlich Bachner, S. 183 ff. 1598 §§ 16 ff. InsO. 1599 Siehe den Text bei Fn. 1277 ff. in Teil 2. 1600 Siehe den Text bei Fn. 1261 ff., 1309 ff. in Teil 2. 1601 BGH NJW 1994, 2220, 2223. 1602 § 15a I 1, III InsO. 1603 BGH NJW 1994, 2220, 2224 a. E. 1604 Vgl. den Text bei Fn. 1263 in Teil 2.
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Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, die einen Schaden der Gläubigergesamtheit minimieren. Im Zuge dessen kann es im englischen Recht gerade einzig richtig sein, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und dabei auch neue Verbindlichkeiten zu begründen1605, um etwa eine Veräußerung des Unternehmens als Ganzes zu begünstigen. Schließlich wird der Gesamtbetrag der Quotenschäden im deutschen Recht anhand bereinigter Bilanzen errechnet. Hierfür ist das für die Verteilung verfügbare Vermögen zu ermitteln1606. Dazu sind die Aktiva um mit Aussonderungs- und Absonderungsrechten behaftete Vermögensgegenstände, die Passiva um die korrespondierenden Verbindlichkeiten zu bereinigen, soweit diese durch den Wert dieser Vermögensgegenstände gedeckt werden1607. Dagegen greift man in England zur Ermittlung der Zunahme der Netto-Unterbilanz schlicht auf nach den gewöhnlichen Rechnungslegungsstandards erstellte Stichtagsbilanzen zurück1608. ee) Anspruchserfüllung, Verteilung, zeitliche Schranken Die Erfüllung des Ausgleichsanspruches ist einerseits durch Zahlungsmittel möglich1609. Daneben kann sich der Insolvenzverwalter an Erfüllungs Statt etwa auch Sachen übereignen lassen1610. Die Erfüllung kann nur durch Leistung an den Insolvenzverwalter als Treuhänder der nicht gesicherten Gläubiger1611 erfolgen. Eine Leistung in die „Masse“ befreit den Haftungsadressaten gerade nicht1612. Diese entspricht dem Gesellschaftsvermögen; Anspruchsgläubiger ist aber gerade nicht die Gesellschaft1613. Mit Erfüllung des Ausgleichsanspruches entsteht neben dem Gesellschaftsvermögen ein zweiter, gesonderter Haftungsfonds, den der Insolvenzverwalter treuhänderisch für die nicht durch eine floating charge gesicherten Gläubiger verwaltet1614. Deshalb können für die Verteilung einer geleisteten Ausgleichszahlung die Regeln, die für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bei insolvenzbedingter 1605
So ausdrücklich Dennis, 11.2.6, S. 376. BGH NJW 1998, 2667, 2670. 1607 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, § 64 Rn. 95. Dieser Schritt ist im englischen Recht nicht erforderlich, da dieser ohne Einfluß auf das dort maßgebliche Reinvermögen ist, weil eine Bilanzverkürzung stattfindet. 1608 Siehe den Text bei Fn. 1535 in Teil 2. 1609 Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 104. 1610 Re Farmizer (Products) Ltd., Moore & Anor v Gadd & Anor. [1997] B.C.C. 655, 662, CA. 1611 Siehe den Text bei Fn. 1475 ff. in Teil 2. 1612 So verfehlt Redeker, S. 161. 1613 Siehe den Text bei Fn. 1504 ff. in Teil 2. 1614 Ayerst v C & K (Construction) Ltd [1976] A.C. 167, 176 f.; Re Yagerphone Ltd [1935] Ch. 392, 396, Ch. D. 1606
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Liquidation gelten1615 – entgegen anderer Ansicht1616 – nicht unmittelbar zur Anwendung kommen. Die allgemeinen Regeln sind vielmehr analog anzuwenden. Ob aus dem gesonderten Haftungsfonds an erster Rangstelle (soweit sie nicht bereits durch die Verteilung des primären Haftungsfonds in Gestalt des Gesellschaftsvermögens gedeckt sind1617) die Kosten des Haftungsprozesses einschließlich der Gebühren des Insolvenzverwalters (sowie die unter Umständen noch nicht aus dem primären Haftungsfonds beglichenen Kosten des Insolvenzverfahrens) zu berichtigen sind, ist unklar. Insoweit ist – trotz einer Änderung der einschlägigen Kostenregelung im Jahr 20021618 – fraglich, ob diese Kosten überhaupt aus dem gesonderten Haftungsfonds zu begleichen oder gar nicht ersatzfähig sind1619. Jedenfalls an nächster Rangstelle sind bestimmte bevorzugte Forderungen1620, gefolgt von Forderungen bestimmter Pfandgläubiger1621 zu bedienen. Hiernach sind die Forderungen der ungesicherten Gläubiger sowie der gesicherten Gläubiger, die trotz Verwertung teilweise ausfallen, zu berücksichtigen1622. Im letzten 1615 S. 107 IA 1986 für das Verfahren des creditors voluntary winding up und r. 4.181 Insolvency Rules 1986 für dasjenige des winding up by the court. 1616 Siehe Haug, S. 195 mit Fn. 658. 1617 Vgl. Gregorian/Butler, (2004), 4 I.L. & P. 151, 153. 1618 R. 4.218 (2) (a) (ii) Insolvency Rules 1986. Bis 2001 war es selbst in der Rechtsprechung umstritten, ob der Insolvenzverwalter seine Kosten für ein Haftungsverfahren nach s. 214 IA 1986, ob erfolgreich oder erfolglos, aus der Masse ersetzt erhalte: Dagegen Re MC Bacon [1991] Ch. 127, 135 f., Ch. D.; dafür (zu einem Verfahren nach s. 239 IA 1986) Re Exchange Travel (Holdings) Ltd (No 3) [1997] B.C.C. 784, 799 f.), CA. Im Jahr 2001 entschied dann der Court of Appeal zu Lasten des Insolvenzverwalters, daß die Kosten selbst eines erfolgreichen Haftungsverfahrens nicht aus der Masse ersatzfähig seien (Lewis v Commissioners of Inland Revenue, Re Floor Fourteen Ltd [2002] B.C.C. 198, 206 f., CA). Davon zu unterscheiden ist die sich nach wie vor stellende Frage, ob die Kosten eines Haftungsverfahrens bei Masseunzulänglichkeit aus dem gesonderten Haftungsfonds, der durch Leistung der ausgeurteilten Ausgleichszahlung nach s. 214 IA 1986 entsteht, beglichen werden können; siehe den Text bei Fn. 1645 in Teil 2. 1619 Zweifelnd Gregorian/Butler, (2004), 4 I.L. & P. 151, 153. Zu anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten siehe Fn. 1648 ff. in Teil 2. 1620 S. 175 IA 1986; diese umfassen heute nur noch Pensionsverpflichtungen und bestimmte Forderungen von Arbeitnehmern (ss. 386 f. IA 1986 i.V. m. para. 8 ff. Sch. 6 IA 1986), nachdem der Vorrang für Steuer-, Zoll- und Sozialversicherungsverbindlichkeiten zum 15.09.2003 aufgehoben wurde, siehe Art. 4 Enterprise Act 2002 (Commencement No 4 and Transitional Provisions and Savings) Order 2003, SI 2003/2093). 1621 S. 176 (3) IA 1986. 1622 Sealy/Milman, s. 107, S. 138 f., r. 4.180-4.183 Insolvency Rules 1986, S. 912. – Die dinglich gesicherten Gläubiger können sich vorab aus ihrer an dem Gesellschaftsvermögen bestellten Sicherheit befriedigen. Sie rechnen aber insoweit zu den ungesicherten Gläubigern, wie sie bei der Verwertung der Sicherheit mit ihrer Forderung etwa ausgefallen sind (Davies, in: Davies, para. A-9, S. 1227). – Da für den Inhaber einer floating charge nicht das gesamte sonstige Gesellschaftsvermögen zur Verteilung zur Verfügung steht und sich die floating charge auch nicht auf die Ausgleichszahlung erstreckt (siehe den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2), können auch diese Sicherungsnehmer
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Rang finden sich Forderungen der Gesellschafter1623. Innerhalb jeder Ordnung1624 ist jeder Gläubiger gleich zu behandeln (pari passu principle)1625. Das bedeutet, daß jeder Gläubiger nach Maßgabe des Verhältnisses seiner Forderung zum Gesamtbetrag der Forderungen seiner Ordnung (anteilig) aus der Ausgleichszahlung befriedigt wird. Eine Haftung aus s. 214 IA 1986 kann nur innerhalb von sechs Jahren ab Eröffnung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens geltend gemacht werden1626. Als Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gilt wiederum der Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung bzw. derjenige des gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses1627; hiervon ist der Zeitpunkt des Beginns der Abwicklung im Sinne der ss. 86, 129 IA 1986 zu unterscheiden. b) Weitere Rechtsfolgen Neben einer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung kommen weitere Rechtsfolgen in Betracht. Zunächst kann das Gericht den Haftungsadressaten nach freiem Ermessen zu einer Zinszahlung verurteilen1628. In der Rechtsprechung werden Zinsen ab dem Tag der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens zugesprochen1629. Der Haftungsadressat hat die Kosten des Haftungsverfahrens zu tragen1630. Zur Sicherung der Ansprüche gegen ihn kommt die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch das Gericht in Betracht, etwa die Pfän-
mit einem Teil ihrer Forderung ausfallen. Insoweit sind auch diese Gläubiger als ungesicherte Gläubiger anzusehen (Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 104; Davies, para. A-9, S. 1227). – Zumindest mißverständlich vor diesem Hintergrund die Behauptung Mayers, S. 67, die Ausgleichszahlung würde von dem Insolvenzverwalter für „gesicherte wie ungesicherte“ Gläubiger „verwaltet“. 1623 Ss. 74 (2) (f), 107 IA 1986. Ist ein Gesellschafter Schuldner des Ausgleichsanspruchs aus s. 214 IA 1986, dürfte seine Forderung regelmäßig gemäß s. 215 (4) IA 1986 durch das Gericht den Forderungen aller anderen Gesellschafter subordiniert werden. 1624 Goode, para. 7-05, S. 178. Dieses Verständnis des pari passu principle wird auch als weak oder multi-layered pari passu principle bezeichnet, Finch, S. 599 mit Fn. 2. 1625 Siehe s. 107 IA 1986 für das Verfahren des creditors voluntary winding up und Sealy/Milman, rr. 4.180-4.183 Insolvency Rules 1986, S. 912 für das Verfahren des winding up by the court. 1626 Ss. 9 (1), 39 Limitation Act 1980 sind anwendbar, Re Farmizer (Products) Ltd., Moore & Anor v Gadd & Anor. [1997] B.C.C. 655, 662, CA; Totty/Moss, B1-32; Sealy/ Milman, s. 214 IA 1986, S. 234; Pennington, Corporate Insolvency Law, S. 262. 1627 S. 247 (2) IA 1986. 1628 Re Produce Marketing Consortium Ltd (No 2) [1989] B.C.C. 569, 598, Ch. D.; Keay, Company Directors’ Responsibilities, S. 104. 1629 „[. . .] from the date of the commencement of the winding up (without rests)“, Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 598, Ch. D. 1630 Vgl. Re Produce Marketing Consortium Ltd (No. 2) [1989] B.C.C. 569, 598.
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dung von Ansprüchen des Haftungsadressaten gegen die Gesellschaft1631. Neben einer Verurteilung zur Zahlung kann das Gericht auch den Rangrücktritt eines Teils oder der gesamten Forderungen des Haftungsadressaten gegen die Gesellschaft anordnen1632. Schließlich kommt auch eine einschneidende öffentlichrechtliche Rechtsfolge in Betracht. Das Gericht kann dem Haftungsadressaten für bis zu 15 Jahre eine Tätigkeit als Geschäftsleiter einer Limited untersagen (disqualification order)1633. c) Beurteilung Auch auf der Rechtsfolgenseite stellt sich s. 214 IA 1986 als praktisch kaum handhabbare Haftungsnorm dar. Für alle Beteiligten besteht zunächst erhebliche Rechtsunsicherheit. Dies liegt nicht zuletzt an dem extrem weiten Ermessen des Gerichts bei der Bemessung der Ausgleichszahlung. Hierbei ist von einem Verzicht auf die Verurteilung zu einer Ausgleichszahlung trotz Vorliegens sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen bis hin zur Verhängung eines Betrags, der sogar über den Nachteil der Gesellschaftsgläubiger hinausgeht, alles möglich. Weiter ist noch nicht einmal eine Herangehensweise bei der Bemessung des Ausgangswerts der Bestimung einer Ausgleichszahlung allgemein anerkannt. Insoweit wird einerseits auf die Erhöhung der Verbindlichkeiten der Limited ab dem Zeitpunkt des Entfalls der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht abgestellt; andererseits wird die Erhöhung der Netto-Unterbilanz der Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt zugrundegelegt. Beide Methoden sind aufwendig, ihre Ergebnisse dennoch nur vorläufig: Das Gericht kann und wird bei der Bestimmung der Anspruchshöhe zusätzlich noch (sachfremde) Gesichtspunkte wie den Grad des Verschuldens des Haftungsadressaten berücksichtigen. Insgesamt erscheint die Haftung gemäß s. 214 IA 1986 deshalb nicht als Schadensersatz-, sondern als Billigkeitshaftung. Die Ausgleichszahlung fließt in einen vom Gesellschaftsvermögen gesonderten Haftungsfonds des Insolvenzverwalters. Damit handelt es sich bei der Haftung aus s. 214 IA 1986 auch nicht um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft1634. Insbesondere ist Rechtsfolge einer Verurteilung nicht die Verpflichtung zu einer „weitere[n] Einlag[e]“ 1635. Diese Behauptung ist schon deshalb falsch, weil die Haftung aus s. 214 IA 1986 gerade auch Geschäftsleiter als solche treffen kann1636, die also mangels Gesellschafterstellung nie eine Einlage 1631
S. 215 (2) IA 1986. S. 215 (4) IA 1986. 1633 Ss. 10, 1 Company Directors Disqualification Act 1986. Siehe bereits den Text bei Fn. 913 ff. in Teil 2. 1634 So aber, ohne Begründung, Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 211. 1635 Entgegen Mayer, S. 65. 1636 Siehe den Text bei Fn. 1181 ff. in Teil 2. 1632
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geleistet haben. Zudem kann eine Einlageverpflichtung nur durch Gesellschaftsvertrag1637 und später durch Gesellschafterbeschluß1638, nicht aber durch Urteil begründet werden1639. Die Möglichkeit der Verurteilung des Haftungsadressaten zur Zahlung von Zinsen ab dem Tag der Einleitung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens ist einerseits inkonsequent. Der Gesellschaft kann bereits zuvor ein Zinsschaden entstehen – etwa ab dem Zeitpunkt der Zahlung an einen Dritten, die bei rechtmäßigem Verhalten des Haftungsadressaten nicht mehr erfolgt wäre. Andererseits ist eine Verurteilung zur Verzinsung des Ausgleichbetrags vor Urteilsfällung dogmatisch kaum begründbar: Der Ausgleichsanspruch ist als Billigkeitshaftung in Entstehung und Höhe bedingt durch das Urteil1640. 4. Verfahrenskosten Die Kostentragung bei Verfahren zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus s. 214 IA 1986 weist zahlreiche Besonderheiten auf. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der Insolvenzverwalter solche Ansprüche nicht im Namen der Gesellschaft, sondern im eigenen Namen geltend macht; s. 214 IA 1986 gewährt einen sogenannten office holder claim1641. Als Partei des Haftungsprozesses trifft den Insolvenzverwalter das Kostenrisiko damit grundsätzlich persönlich. Nach einer Neuregelung der einschlägigen Verordnung im Jahr 2002 ist immerhin geklärt, daß der Insolvenzverwalter – entgegen einer vorherigen Entscheidung des Court of Appeal1642 – Anspruch auf Ersatz der Kosten des Haftungsprozesses aus der Masse hat, einschließlich seiner Gebühren und Auslagen1643. Zudem steht nach einer Gesetzesänderung des Jahres 2006 fest, daß die Kosten des Haftungsprozesses vor den Forderungen vorrangiger und durch eine floating charge gesicherter Gläubiger aus der Masse zu befriedigen sind, nachdem das House of Lords dies zuvor in einem fragwürdigen Urteil abgelehnt hatte1644. Ob der Insolvenzverwalter allerdings bei Masseunzulänglichkeit für die Kostenerstattung auch auf den durch eine Ausgleichszahlung nach s. 214 IA 1986 gebildeten gesonderten Haftungsfonds zugreifen kann, ist, wie erwähnt, weiterhin un-
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Betreffend die erstmalige Kapitalaufbringung. Bei einer Kapitalerhöhung. 1639 Vgl. Davies, in: Davies, para. 11-13, S. 274 f. 1640 Siehe den Text bei Fn. 1462 ff. in Teil 2. 1641 Siehe den Text bei Fn. 1473 ff. in Teil 2. 1642 Lewis v Commissioners of Inland Revenue, Re Floor Fourteen Ltd [2002] B.C.C. 198, 206 f., CA; siehe bereits Fn. 1618. 1643 R. 4.218 (2) (a) (ii) Insolvency Rules 1986; siehe bereits Fn. 1618. 1644 Buchler v Talbot [2004] 2 A.C. 298, 308 ff., HL. 1638
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
klar1645. Ebenfalls unsicher ist, ob der Insolvenzverwalter zumindest mit einer gesonderten Kostengrundentscheidung zu Lasten des Verfahrensgegners rechnen kann. Die Möglichkeit einer solchen Entscheidung, die im Ermessen des Gerichts steht, ist allenfalls grundsätzlich anerkannt1646; Voraussetzungen und Reichweite sind unklar, so daß auf diese Möglichkeit kein Verlaß ist1647. Zur kostenmäßigen Absicherung des Insolvenzverwalters bieten sich Vereinbarungen über die Prozeßfinanzierung mit Gesellschaftsgläubigern an, vermöge derer diese dem Insolvenzverwalter Mittel zur Verfügung stellen und dafür aus einer etwaigen Ausgleichszahlung bevorzugt befriedigt werden1648. Ob solche allerdings wirksam geschlossen werden können, ist vor dem Hintergrund eines 130 Jahre alten Urteils1649 noch immer ungeklärt1650. Dagegen ist durch eine jüngere Entscheidung geklärt, daß zur Finanzierung von Haftungsverfahren gemäß s. 214 IA 1986 geschlossene Vereinbarungen mit Dritten, etwa ausgewiesenen Prozeßfinanzierern, unter dem Gesichtspunkt der champerty1651 unwirksam sind1652. Neben diesen Schwierigkeiten, seine Gebühren und Auslagen ersetzt zu erhalten, treffen den Insolvenzverwalter nach einer jüngeren Entscheidung des Court of Appeal1653 weitere Risiken. Aufgrund der unsicheren Reichweite der r. 4.220 (2) Insolvency Rules 1986 droht dem Insolvenzverwalter, persönlich für die Kosten der Gegners eines Verfahrens gemäß s. 214 IA 1986 haftbar gemacht zu werden1654. Im Ergebnis bestehen folglich nach wie vor ganz erhebliche Kostenrisiken des Insolvenzverwalters1655. 5. Beurteilung Die Haftung aus s. 214 IA tritt funktional an die Stelle der im Recht der Limited fehlenden Insolvenzantragspflicht. Die Haftung aufgrund „wrongful tra1645
Zweifelnd Gregorian/Butler, (2004) 4 I.L. & P. 151, 153, siehe bereits Fn. 1619. Vgl. In re Silver Valley Mines (1882) L.R. 21 Ch. D. 381, 387 f., CA. 1647 „[T]he basis for this jurisdiction and its boundaries are far from clear“ und „Obviously, a prudent liquidator would never be content to rely upon this discretionary power as a source of his right to re-imbursement of his own litigation expenses.“, Gregorian/Butler, 4 I.L. & P., (2004), 151, 153. 1648 Gregorian/Butler, 4 I.L. & P., (2004), 151, 154 ff. 1649 In re Silver Valley Mines (1882) L.R. 21 Ch. D. 381, 385 f., CA. 1650 Gregorian/Butler, 4 I.L. & P., (2004), 151, 156. 1651 Champerty meint die Einmischung einer unbeteiligten Partei in einen Rechtsstreit, um an dessen Früchten teilzuhaben (Curzon, S. 260, 61). Siehe Re Oasis Merchandising Services Ltd [1998] Ch. 170, 174, CA: „maintenance of a plaintiff bringing an action in consideration of a share in the fruits of the action“. 1652 Re Oasis Merchandising Services Ltd [1998] Ch. 170, 186 f., CA. 1653 Re MT Realisations [2003] B.C.C. 415, 415 ff., CA. 1654 Darauf weisen Gregorian/Butler, 4 I.L. & P., (2004), 151, 154, 157, hin. 1655 Schall, ZIP 2005, 965, 968 behauptet ein „mittlerweile beseitigte[s] Kostenrisiko des Liquidators“. 1646
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ding“ in s. 214 IA 1986 hat von vornherein einen vergleichsweise begrenzten Anwendungsbereich. Sie kommt allein nach Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens in Betracht. Wird die Limited Gegenstand eines der zahlreichen anderen Krisenreaktionsverfahren, welche das englische Recht – anders als das deutsche Recht – kennt, kommt eine Haftung nicht in Betracht. Das gilt etwa für das verbreitete Sanierungsverfahren der administration procedure. Dies höhlt den aus Sicht des Gläubigerschutzes begrüßenswerten Ansatz von s. 214 IA 1986 aus, neben (faktischen) Geschäftsleitern auch Gesellschafter – als Schattengeschäftsleiter – in die Haftung nehmen zu können. Auf der Tatbestandsseite weist s. 214 IA 1986 große Unwägbarkeiten auf, womit eine erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht. Zahlreiche Auslegungsfragen sind auch nach rund 25 Jahren noch nicht abschließend geklärt. Das gilt bereits für den persönlichen Anwendungsbereich, da der Begriff des Schattengeschäftsleiters nicht klar umrissen ist. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist unklar. Der Begriff der „insolvent liquidation“ in s. 214 (6) IA 1986 setzt neben der Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens voraus, daß die Limited im Zeitpunkt seiner Einleitung qualifiziert überschuldet war. Welche Wertansätze in der Überschuldungsbilanz zugrundezulegen sind, ist sehr streitig. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des zentralen Tatbestandsmerkmals des Eintritts der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht gemäß s. 214 (2) (b) IA 1986. Insoweit fehlt es bereits an eindeutigen Maßstäben. Ob und wann dieser Zeitpunkt eingetreten ist, muß das Gericht zudem ohne erschöpfende Tatsachenkenntnis mitunter Jahre später ermitteln, und das auch noch ex ante aus Sicht des Haftungsadressaten. Überdies dürfte den Richtern regelmäßig die hierfür erforderliche Sachkenntnis auf den Gebieten der Unternehmensführung und Unternehmenssanierung fehlen. Auch für die Prüfung der Einwendung des Haftungsadressaten nach s. 214 (3) IA 1986 fehlt es an allgemeinen Vorgaben. Wann dieser alle im Einzelfall erforderlichen Schritte zur Verringerung eines den Gesellschaftsgläubigern drohenden Schadens unternommen hat, läßt sich zudem Jahre später kaum zutreffend beurteilen. Auf der Rechtsfolgenseite fördert das extrem weite Ermessen des Gerichts die Rechtsunsicherheit. Trotz Vorliegens sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen muß dieses keine Verurteilung aussprechen. Andererseits richtet s. 214 IA 1986 die Höhe der Ausgleichszahlung auch nicht am Schaden der Gesellschaftsgläubiger aus. Die in der Rechtsprechung für die Anspruchsbemessung teilweise herangezogene Größe der Erhöhung der Netto-Unterbilanz der Gesellschaft entspricht in der Regel nicht dem Schaden der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger; dies gilt insbesondere, wenn, wie häufig, Großgläubiger durch eine floating charge gesichert sind. Schließlich beschränkt s. 214 IA 1986 die Höhe des Ausgleichsanspruchs auch nicht auf den Schaden der Gesellschaftsgläubiger, so daß teilweise eine pönalisierende Höhe der Ausgleichszahlung für zulässig erachtet wird.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Zur Rechtsunsicherheit trägt bei, daß – soweit ersichtlich – zu s. 214 IA 1986 bislang keine Berufungsentscheidung veröffentlicht wurde, welche die zentralen Unwägbarkeiten dieses Haftungstatbestands geklärt hätte. Die einzige Entscheidung des Court of Appeal zu s. 214 IA 1986 befaßt sich lediglich mit der Anspruchsverjährung und Erfüllungssurrogaten1656. Auch unabhängig von den zahlreichen Unwägbarkeiten erscheint s. 214 IA 1986 als eine in der Praxis kaum zu handhabende Haftungsnorm. So erfordert die Subsumtion die Erstellung gleich einer ganzen Reihe auf unterschiedliche Zeitpunkte bezogener Überschuldungsbilanzen, die auch noch jeweils unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften unterliegen1657. Gerade auch die erheblichen Schwierigkeiten der Finanzierung eines Haftungsprozesses und das Risiko einer persönlichen Haftung für die Verfahrenskosten führen zu einer gering ausgeprägten Neigung der Insolvenzverwalter, solche Haftungsverfahren anzustrengen. Dem Insolvenzverwalter wird gar empfohlen, einen an sich s. 214 IA 1986 zuzuordnenden Sachverhalt statt im eigenen Namen doch lieber als Vertreter der Gesellschaft unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten durch den Geschäftsleiter im Verfahren der misfeasance gemäß s. 212 IA 19861658 zu verfolgen, da hierbei die Aussichten auf Kostenerstattung besser erscheinen1659. Es nimmt daher nicht wunder, daß die Zahl der veröffentlichten Urteile zu einer Haftung aus „wrongful trading“ äußerst gering ist. Dabei handelt es sich, soweit dies der führenden Fallrechtsdatenbank „Westlaw“ zu entnehmen ist, seit Einführung von s. 214 IA 1986 vor 25 Jahren insgesamt um nicht mehr als 14 Entscheidungen – und zwar sowohl stattgebende als auch abweisende1660. Es ist davon auszugehen, daß diese niedrige Zahl veröffentlichter Entscheidungen im wesentlichen der tatsächlichen Zahl der zu s. 214 IA 1986 ergangenen Urteile entspricht: Richter und Rechtsanwälte dürften aufgrund der geringen Zahl zuvor bekanntgewordener einschlägiger Entscheidungen dazu neigen, jedes Urteil zu s. 214 IA 1986 bei den maßgeblichen Zeitschriften einzureichen, die solche Urteile regelmäßig auch veröffentlichen dürften. Mithin läßt sich aus der Zahl der veröffentlichten Entscheidungen ableiten, daß bis 2010 jährlich durchschnittlich lediglich 0,58 Urteile zu „wrongful trading“ gefällt wurden. Damit wurde rechnerisch gerade einmal in 0,04 ‰ der rund 14.696 insolvenzbedingten Abwicklungs-
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Re Farmizer (Products) Ltd., Moore & Anor v Gadd & Anor. [1997] B.C.C. 655,
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Siehe den Text bei Fn. 1118 ff., 1282 ff., 1510 ff. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 1481 f. in Teil 2. 1659 Gregorian/Butler, (2004), 4 I.L. & P. 151, 153. 1660 Suche nach „wrongful trading“ in der Kategorie „cases“ unter www.westlaw. co.uk, Abruf am 22.09.2010. 1658
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verfahren des Jahres 20081661 ein Verfahren nach s. 214 IA 1986 abgeschlossen. Die Rechtsfigur des „wrongful trading“ spielt folglich in der gerichtlichen Praxis keine Rolle. Abwegig erscheint es, diesen Umstand mit der ausgeprägten Abschreckungswirkung zu erklären, die s. 214 IA 1986 auf die Normadressaten entfalte1662. Wie eine in der Gerichtspraxis so gut wie nie angewandte Haftungsnorm eine Verhaltenssteuerung bewirken soll, erschließt sich nicht, zumal in den fünf Jahren vor 2008 auch kein einziges Berufsverbot wegen „wrongful trading“ ausgesprochen wurde1663. Die vielmehr empirisch belegte Ineffektivität des Haftungstatbestands der s. 214 IA 19861664 ist im Ergebnis vor allem der fehlenden Bestimmbarkeit des entscheidenden Tatbestandsmerkmals der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht, der Rechtsunsicherheit bei weiteren Tatbestandsmerkmalen der s. 214 IA 1986, dem extremen Ermessensspielraum der Gerichte auf Rechtsfolgenseite sowie den Kostenrisiken des Insolvenzverwalters bei der Geltendamchung einer auf s. 214 IA 1986 gestützten Haftung geschuldet.
II. Andere reaktive Kapitalschutzinstrumente 1. Insolvenzanfechtung Das englische Recht sieht verschiedene Tatbestände der Insolvenzanfechtung (transaction avoidance) vor, deren allgemeine in s. 238, s. 423 und s. 239 IA 19861665 hier kurz dargestellt werden sollen. a) S. 238 IA 1986 aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen S. 238 IA 1986 (transactions at an undervalue) gewährt ein Anfechtungsrecht im Hinblick auf Geschäfte der Limited, bei denen die der Gesellschaft zufließende Gegenleistung unter dem Wert ihrer Leistung liegt1666. Der Begriff des 1661 5.882 compulsory liquidations und 8.767 creditors voluntary liquidations im Jahr 2008, vgl. Statistical Tables 2007–2008 (Fn. Ref313557342;), S. 15. 1662 So ohne Begründung Schall, ZIP 2005, 965, 967. 1663 Statistical Tables 2007–2008 (Fn. 1072), S. 17. 1664 Vgl. Finch, S. 702; Davies, in: Davies, para. 9-11, S. 223 f.; Bachner, S. 227, 222 ff. 1665 Daneben bestehen Sonderregeln, wonach bestimmte Kreditgeschäfte (s. 244 IA 1986) und bestimmte Sicherungsbestellungen (s. 245 IA 1986) angefochten werden können. 1666 S. 238 (2) i.V. m. (4) (b) IA 1986: „if the company enters into a transaction with that person for a consideration the value of which, in money or money’s worth, is significantly less than the value, in money or money’s worth, of the consideration provided
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Geschäfts (transaction) ist weit zu verstehen1667; darunter fallen nicht allein Rechtsgeschäfte1668. Kein tatbestandsmäßiges Geschäft soll allerdings die Bestellung von Sicherheiten zugunsten von Gesellschaftsgläubigern sein1669. Ein Anfechtungsrecht besteht nicht bei jedem Wertunterschied, sondern nur bei einer erheblich geringeren („significantly less“) Gegenleistung der anderen Partei1670, so daß hier vom Erfordernis eines äquivalenzgestörten Geschäfts gesprochen werden kann. Das Anfechtungsrecht setzt voraus, daß betreffend die Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren oder ein Verfahren der administration procedure eröffnet worden ist1671. Es steht ausschließlich dem Insolvenzverwalter bzw. administrator zu1672. Das äquivalenzgestörte Geschäft muß innerhalb von sechs Monaten vor der Verfahrenseinleitung1673 vorgenommen worden sein1674; bei der Gesellschaft nahestehenden Personen beträgt die Frist zwei Jahre1675. Zudem muß die Gesellschaft im Zeitpunkt der Vornahme des äquivalenzgestörten Geschäfts entweder bereits zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen oder dieser Zustand infolge des fraglichen Geschäfts eingetreten sein1676. Hierfür ist grundsätzlich der Insolvenzverwalter beweispflichtig1677. Nur bei Geschäften mit verbundenen Personen, etwa Mehrheitsgesellschaftern1678 oder (Schatten-) Geschäftsleitern1679, wird die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (widerleglich) vermutet1680. Schließlich steht dem Empfänger der Leistung der Gesellschaft die Einwendung offen, daß die Gesellschaft das äquivalenzgestörte Geschäft in gutem Glauben mit dem Zweck abgeschlossen hat, ihren Geschäftsbetrieb fortzuführen, und daß vernünftige Gründe für die Annahme vorlagen, daß das fragliche Geschäft der Gesellschaft nutzen werde1681. by the company.“ Das gilt erst recht bei Geschäften ohne jede Gegenleistung, wie s. 238 (4) (a) IA 1986 überflüssigerweise vorsieht. 1667 S. 436 IA 1986: „,transaction‘ includes a gift, agreement or arrangement, and references to entering into a transaction shall be construed accordingly.“ 1668 Totty/Moss, para. H4-10. 1669 Menzies v National Bank of Kuwait SAK [1994] B.C.C. 119, 128 f., CA; Re M C Bacon Ltd (No. 1) [1990] B.C.C. 78, 92, Ch. D. 1670 S. 238 (4) IA 1986. 1671 S. 238 (1) IA 1986. 1672 S. 238 (2), (1) IA 1986. 1673 „[O]nset of insolvency“ i. S. d. s. 240 (3) IA 1986. 1674 Ss. 240 (1) (b), (3), 238 (2) IA 1986. 1675 Ss. 240 (1) (a), (3), 238 (2) IA 1986. 1676 Ss. 240 (2), 123 (1), (2) IA 1986. 1677 S. 240 (2) IA 1986. 1678 S. 435 (1), (7), (10) (b) i.V. m. s. 249 (b) IA 1986. 1679 S. 249 (a) IA 1986; vgl. Van Dijk, (2008) 17 Int. Insolv. Rev., 123, 129. Weitere Fälle, etwa Familienangehörige, finden sich in s. 435 i.V. m. s. 249 (b) IA 1986. 1680 Ss. 240 (2), 238 (2) IA 1986. 1681 S. 238 (5) IA 1986.
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Auf Rechtsfolgenseite kann das Gericht die nach seinem Ermessen erforderlichen Anordnungen treffen, um die vor der anfechtbaren Rechtshandlung bestehende Rechtslage wiederherzustellen1682. Das Gesetz zählt zahlreiche Beispiele möglicher Anordnungen auf 1683. bb) Beurteilung Der Anwendungsbereich des Anfechtungstatbestands der s. 238 IA 1986 ist dadurch beschränkt, daß hinsichtlich der Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren oder ein administration procedere eröffnet worden sein muß1684. Wird dagegen – aus welchen Gründen auch immer – eines der anderen Krisenreaktionsverfahren des englischen Rechts eröffnet, kommt eine Insolvenzanfechtung gemäß s. 238 IA 1986 von vornherein nicht in Betracht. Eine weitreichende Einschränkung erfährt die Vorschrift auch dadurch, daß ein tatbestandsmäßiges Geschäft, bei dem die der Gesellschaft zufließende Gegenleistung unter dem Wert ihrer Leistung liegt, im Falle der Bestellung einer Sicherheit zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers1685 nach der Rechtsprechung von vornherein nicht vorliegen können soll: Tatbestandmäßig sollen nur in Zahlungsmitteln meßbare Leistungen der Gesellschaft sein1686. Die Reichweite von s. 238 IA 1986 wird auch dadurch beschränkt, daß bei der Beurteilung, ob der Gesellschaft lediglich eine erheblich geringwertigere Gegenleistung zugeflossen ist, häufig Bewertungsschwierigkeiten auftreten1687. Dem – grundsätzlich beweispflichtigen – Amtswalter1688 dürfte zudem der Beweis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft im Zeitpunkt des fraglichen Geschäfts regelmäßig schwerfallen, zumal er den Beweis oftmals Jahre später führen muss, ohne mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitpunkt persönlich vertraut zu sein1689. Gleiches gilt, wenn 1682
S. 238 (3) IA 1986. S. 241 IA 1986. 1684 Vgl. Milman, (2010) 275 Co. L.N., 1, 4. 1685 Anders aber bei der Bestellung einer Sicherheit durch die Gesellschaft zugunsten eines Dritten, Totty/Moss, para. H4-10. 1686 Re M C Bacon Ltd (No. 1), [1990] B.C.C. 78, 92, Ch. D. Insoweit komme allein eine Anfechtung unter den engeren Voraussetzungen von s. 239 IA 1986 in Betracht, ebd., S. 89 ff. Kritisch hierzu in einem obiter dictum aber der Court of Appeal in Hill v Spread Trustee Co Ltd [2007] Bus. L.R. 1213, 1247, C.A. (zu s. 423 IA 1986, welche die gleiche Begriffsbestimmung eines äquivalenzgestörten Geschäfts aufweist, siehe sogleich den Text bei Fn. 1693 f. in Teil 2). 1687 Totty/Moss, para. H4-10. 1688 D. h. dem office holder, hier entweder also der administrator oder liquidator. 1689 S. 235 IA 1986 räumt dem Amtswalter zwar Auskunftsansprüche gegenüber Mitarbeitern der betroffenen Gesellschaft ein, deren Erfüllung gemäß s. 236 IA 1986 dadurch befördert werden kann, daß das Gericht Mitarbeiter vorlädt. Das bloße Bestehen dieser Möglichkeiten besagt indes nicht das geringste darüber, inwieweit ein Amtswal1683
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nahestehende Personen Empfänger der Leistung der Gesellschaft waren und es diesen gelingt, die zunächst zugunsten des Insolvenzverwalters wirkende Vermutung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft zu erschüttern1690. Zusätzlich bestehen für den Amtswalter erhebliche Schwierigkeiten, den Anfechtungsprozeß zu finanzieren1691. b) S. 423 IA 1986 aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen Auch aufgrund von s. 423 IA 1986 (transactions defrauding creditors) können äquivalenzgestörte Geschäfte anfechtbar sein. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Anfechtungstatbestand, der Geschäfte juristischer wie natürlicher Personen betreffen kann1692. Die Begriffsbestimmung des äquivalenzgestörten Geschäfts1693 gleicht derjenigen in s. 238 IA 1986 und ist ebenso auszulegen1694. Damit ist die Bestellung von Sicherheiten zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers von s. 423 IA 1986 ebensowenig erfaßt1695, was indes bestritten wird1696. Im Unterschied zu s. 238 IA 1986 ist nicht erforderlich, daß die Limited im Zeitpunkt des Abschlusses des äquivalenzgestörten Geschäfts zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen ist1697. Hinsichtlich der Gesellschaft muß auch kein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren oder ein Verfahren der administration procedure eröffnet worden sein1698. Anfechtungsberechtigt ist jeder durch das äquivalenzgestörte Geschäft Benachteiligte 1699, insbesondere also Gesellschaftsgläubiger1700; wurde hinsichtlich der Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abter hierdurch in der täglichen Praxis tatsächlich verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen vermag. Dies übersieht Finch, S. 564 f., die letztlich das Bestehen des Auskunftsanspruchs mit einem für ein Anfechtungsverfahren ergiebigen Erkenntnisgewinn ineinssetzt. 1690 Vgl. Totty/Moss, para. H4-08 (zu dem Anfechtungstatbestand gemäß s. 239 IA 1986; dazu siehe den Text bei Fn. 1723 ff. in Teil 2). 1691 Vgl. Finch, S. 560 ff. 1692 In Re Shilena Hosiery Co. Ltd. [1980] Ch. 219, 225 zur Vorläufernorm s. 172 Law of Property Act 1925. 1693 S. 423 (1) (a), (c) IA 1986; daneben regelt s. 423 (1) (b) IA 1986 einen nur für natürliche Personen geltenden Sonderfall. 1694 Menzies v National Bank of Kuwait SAK [1994] B.C.C. 119, 128 f., CA. 1695 Menzies v National Bank of Kuwait SAK [1994] B.C.C. 119, 128 f., CA; siehe bereits den Text bei Fn. 1669 in Teil 2. 1696 Stubbs, 2 Ins. Int. (2008), 17, 21, meint ohne nähere Begründung, daß die Bestellung von Sicherheiten „in some circumstances“ ein äquivalenzgestörtes Geschäft darstellen könne. 1697 Vgl. ss. 423 f. IA 1986. 1698 Arg. e s. 424 (1) (c) IA 1986. 1699 S. 424 (1) (c), 423 (5) IA 1986. 1700 Siehe Menzies v National Bank of Kuwait SAK [1994] B.C.C. 119, 126, CA.
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wicklungsverfahren oder ein administration procedure eröffnet, so bedarf die Anfechtung durch einen Benachteiligten der Zulassung durch das Gericht1701. Der Amtswalter ist in einem insolvenzbedingten Abwicklungsverfahren oder einer administration procedure stets anfechtungsberechtigt1702. Das äquivalenzgestörte Geschäft muß nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sein1703. Allerdings erlischt das Anfechtungsrecht des Gläubigers nach Ablauf einer Frist, die der Verjährungsfrist desjenigen Anspruchs entspricht, der das Anfechtungsrecht begründet1704; ein Zahlungsanspruch verjährt regelmäßig nach sechs Jahren1705. Die Frist beginnt für den Amtswalter mit der Eröffnung des insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens oder der administration procedure1706. Für den Gläubiger ist die Entstehung des Anspruchs oder die Vornahme des äquivalenzgestörten Geschäfts maßgeblich, je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt1707. Allerdings wirkt die Anfechtung durch einen Gläubiger auch zugunsten eines anderen Gläubigers, wenn dieser sein Anfechtungsrecht nicht rechtzeitig wahrnimmt1708. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, daß derjenige, der für die Gesellschaft handelt1709, bei Vornahme des äquivalenzgestörten Geschäfts die Absicht hat, einen (potentiellen) Gläubiger zu benachteiligen („purpose of . . . prejudicing the interests“)1710. Die Absicht muß nicht allein handlungsleitend, jedoch wesentliches („substantial“) Motiv für die Vornahme des äquivalenzgestörten Geschäfts gewesen sein1711. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit des eigenen Handelns ist 1701
„[L]eave of the court“, s. 424 (1) (a) IA 1986. S. 424 (1) (a) IA 1986. 1703 Finch, S. 578. 1704 Hill v Spread Trustee Co Ltd (2007) Bus. L.R. 1213, 1248. Vgl. die Parallele zur Präklusion des Rücktrittsrechts im Gleichlauf mit der Verjährung des Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 218 I BGB. Anders noch The Law Society v Naomi Myrtle Southall, [2001] WL 1535431, para. 6, C.A. („Nothing is said in these sections as to any limitation period applying to a claim under section 423, nor have we heard any argument that there is any limitation period applicable.“). 1705 S. 9 (1) Limitation Act 1980. 1706 Brougham, (2006), 19 Ins. Int. 135, 136. 1707 Brougham, (2006), 19 Ins. Int. 135, 136. 1708 Das ergibt sich bereits aus s. 424 (2) IA 1986, was Brougham, (2006), 19 Ins. Int. 135, 136, übersieht („it is submitted that“). Bei s. 424 (2) IA 1986 handelt es sich insoweit um eine „class action“, Dora v Simper [2000] 2 B.C.L.C. 561, 565 f. 1709 Vgl. Totty/Moss, para. H4-08 (zu s. 239 IA 1986). 1710 S. 423 (3) IA 1986. 1711 Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] B.C.C. 943, 951, CA. Dies war zuvor nicht obergerichtlich geklärt; vgl. Royscott Spa Leasing Ltd v Lovett [1995] B.C.C. 502, 507, C.A. (offengelassen); Kubiangha v Ekpenyong [2002] WL 2029122, para. 12, Ch. D. („substantial purpose“); Re Brabon [2000] B.C.C. 1171, 1199 f., Ch. D. (offengelassen); Chohan v Saggar & Anor [1992] B.C.C. 306, 321 ff., Ch. D. („dominant purpose“). 1702
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nicht erforderlich1712. Die Benachteiligungsabsicht hat der Anfechtende darzulegen und zu beweisen1713. Auf der Rechtsfolgenseite kann das Gericht jede ihm geeignet erscheinende Bestimmung treffen, um die Benachteiligung durch das äquivalenzgestörte Geschäft rückgängig zu machen1714, insbesondere Verfügungen1715 oder Zahlungen1716 anordnen. bb) Beurteilung S. 423 setzt, anders als s. 238 IA 1986, nicht voraus, daß hinsichtlich der Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren oder ein Verfahren der administration procedure eröffnet wurde. Auch sind nicht allein Geschäfte anfechtbar, die innerhalb eines feststehenden Zeitraums vorgenommen wurden. Deshalb scheint der Anwendungsbereich der s. 423 IA 1986 auf den ersten Blick weiter zu sein als der anderer Anfechtungstatbestände1717. Allerdings treten in der Praxis bei der Prüfung, ob ein äquivalenzgestörtes Geschäft i. S. d. s. 423 IA 1986 vorliegt, Bewertungsschwierigkeiten auf 1718. Zudem besteht Rechtsunsicherheit im Hinblick darauf, ob – und wenn ja, wann – die Bestellung von Sicherheiten ein solches äquivalenzgestörtes Geschäft darstellen kann. Erfolgreiche Anfechtungsverfahren werden auch dadurch erschwert, daß s. 423, anders als s. 238 IA 1986, keinerlei Vermutungsregeln zugunsten des Anfechtenden enthält. Insbesondere der Nachweis der Benachteiligungsabsicht ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden1719. Zudem stellen die Gerichte bei s. 423 IA 1986 allgemein hohe Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags1720. Insoweit wirkt sich zum Nachteil des Anfechtenden aus, daß dieser als zunächst Unbeteiligter von den maßgeblichen Vorgängen keine Kenntnis hat und oft Jahre später entsprechende Nachforschungen anstellen muß. Auch bei Anfechtungsverfahren gemäß s. 423 IA 1986 treten insbesondere für den Insolvenzverwalter erhebliche Finanzierungsschwierigkei1712 Arbuthnot Leasing International Ltd v Havelet Leasing Ltd (No. 2) [1990] B.C.C. 636, 644, Ch. D.; in diesem Fall hatten Rechtsanwälte das äquivalenzgestörte Geschäft geprüft und für unbedenklich gehalten, bevor es ins Werk gesetzt wurde. 1713 Chohan v Saggar & Anor [1992] B.C.C. 306, 323, Ch. D. 1714 S. 423 (2) IA 1986. 1715 S. 425 (1) (a) IA 1986. 1716 S. 425 (1) (d) IA 1986. 1717 Vgl. Milman, (2010) 275 Co. L.N., 1, 3. 1718 Stubbs, (2008), 2 Ins. Int. 17, 19. 1719 „Officeholders seldom have the stomach for a fight in s. 423 cases, because the evidential hurdle of proving the subjective element is a substantial obstacle“, Stubbs, (2008), 2 Ins. Int. 17, 25. 1720 Stubbs, (2008), 2 Ins. Int. 17, 22.
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ten auf 1721. Es verwundert daher nicht, daß zu s. 423 IA 1986 recht wenige veröffentlichte Entscheidungen ersichtlich sind1722. c) S. 239 IA 1986 aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen Gemäß s. 239 IA 1986 (preferences) sind Handlungen der Gesellschaft anfechtbar, die einen ihrer Gläubiger, Bürgen oder Garantiegeber1723 besser stellen, als dieser ohne die fragliche Handlung im Insolvenzfall gestanden hätte1724. Als eine solche Handlung kommt ein beliebiges Tun, aber auch jedes Unterlassen der Limited in Betracht1725; hier ist auch die Bestellung einer Sicherheit zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers erfaßt1726. Die möglicherweise anfechtbare Handlung muß wiederum entweder zu einem Zeitpunkt geschehen sein, als die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen ist, oder dieser Zustand muß durch die fragliche Handlung eingetreten sein1727. Bei Handlungen gegenüber verbundenen Personen, etwa Mehrheitsgesellschaftern1728, wird die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung wiederum widerleglich vermutet1729. Weiter muß die fragliche Handlung innerhalb von sechs Monaten vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sein1730; werden der Gesellschaft nahestehende Personen – etwa ein Geschäftsleiter1731 – begünstigt, beträgt die Frist zwei
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„The officeholder is on the hook for costs“, Stubbs, (2008), 2 Ins. Int. 17, 25. „[R]elative dearth of reported decisions on the section“, Stubbs, (2008), 2 Ins. Int. 17, 25. Anders Milman, (2010) 275 Co. L.N. 1, 3: „[S. 423 IA 1986] has been discussed by the courts in a number of instances recently“, allerdings ohne entprechende Nachweise. 1723 Diese drei Gruppen im Folgenden nur als „Gläubiger“ bezeichnet. 1724 S. 239 (2), (4) IA 1986. 1725 „[If] the company does anything or suffers anything to be done which (in either case) has the effect of putting that person into a position which, in the event of the company going into insolvent liquidation, will be better than the position he would have been in if that thing had not been done“, s. 239 (4) (b) IA 1986. 1726 Totty/Moss, para. H4-04; anders bei s. 238 IA 1986 und bei s. 423 IA 1986, siehe den Text bei Fn. 1669 und 1695 in Teil 2. 1727 Ss. 240 (2), 123 (1), (2) IA 1986 („within the meaning of section 123“). Unzutreffend daher insoweit Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903, 910, Ch. D., wo ohne Begründung die Überschuldung i. S. d. s. 123 (2) IA 1986 ausgenommen wird („The time, however, is a relevant time only if the company was at that time unable to pay its debts within the meaning of sec. 123 of the Act. The test here is not balance sheet solvency, but whether the company was able to meet its debts on a day to day basis as they fell due.“). Vgl. auch Finch, S. 564. 1728 S. 435 (1), (7), (10) (b) i.V. m. s. 249 (b) IA 1986. 1729 Ss. 240 (2), 239 (2) IA 1986. 1730 Ss. 240 (1) (b), (3), 239 (2) IA 1986. 1731 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903, 911, Ch. D. 1722
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Jahre1732. Auch das Anfechtungsrecht gemäß s. 239 IA 1986 erfordert, daß betreffend die Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren oder ein administration procedure eröffnet wurde1733. Das Anfechtungsrecht steht wiederum allein dem Insolvenzverwalter bzw. administrator zu1734. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, daß „die Gesellschaft“ bei der fraglichen Handlung „von dem Wunsch beeinflußt war“ („the company . . . was influenced in deciding to give it by a desire to produce . . . the effect“), den Dritten besserzustellen1735. Abzustellen ist insoweit auf die Geschäftsleitung der Gesellschaft1736. Dieses Tatbestandsmerkmal wird in der Rechtsprechung eng ausgelegt. Erkennt die Geschäftsleitung, daß die Besserstellung des Dritten notwendige Folge ihrer Handlung ist, soll dies nicht genügen1737. Erforderlich soll vielmehr sein, daß es dem Organ zumindest auch1738 darauf ankommt, den Dritten besserzustellen1739. Dies soll nicht der Fall sein, wenn es der Geschäftsleitung bei ihrer Handlung – etwa der Bestellung einer Sicherheit – darum geht, das laufende Geschäft der Gesellschaft aufrechtzuerhalten 1740. Ein für s. 239 IA 1986 hinreichendes subjektives Moment wird immerhin bei eindeutigen Sachverhalten angenommen, etwa wenn Zahlungen der Gesellschaft an den Geschäftsleiter erfolgten1741. In Kategorien des deutschen Strafrechts gedacht reicht für eine Anfechtbarkeit gemäß s. 239 IA 1986 also bedingter Vorsatz und selbst sicheres Wissen nicht aus, es ist Absicht erforderlich; insoweit kann von einer Besserstellungsabsicht gesprochen werden. Diese Absicht wird nur bei der Gesellschaft nahestehenden Personen, etwa einem Geschäftsleiter1742, widerleglich vermutet1743.
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Ss. 240 (1) (a), (3), 239 (2) IA 1986. Ss. 238 (1), 239 (1) IA 1986. 1734 Ss. 238 (1), 239 (2), (1) IA 1986. 1735 S. 239 (5), (4) (b) IA 1986. 1736 Totty/Moss, para. H4-08. 1737 Re M C Bacon Ltd. (No. 1, [1990] B.C.C. 78, 87, Ch. D. 1738 Re Fairway Magazines Ltd. [1992] B.C.C. 924, 929 f., Ch. D. 1739 „Positively wished to improve the creditor’s position“, Re M C Bacon Ltd. (No. 1) [1990] B.C.C. 78, 88, Ch. D. 1740 Re Fairway Magazines Ltd. [1992] B.C.C. 924, 929 f., Ch. D. In diesen Fällen wird eine Haftung des Geschäftsleiters aufgrund von „wrongful trading“ nach s. 214 IA 1986 grundsätzlich in Betracht kommen – und regelmäßig ausscheiden, vgl. den Text bei Fn. 1655 ff. in Teil 2. 1741 Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903, 910, Ch. D. 1742 Vgl. Re DKG Contractors Ltd. [1990] B.C.C. 903, 911, Ch. D. (zur insoweit gleichlautenden s. 240 (1) (a) IA 1986). Vgl. auch Van Dijk, (2008) 17 Int. Insolv. Rev., 123, 129. 1743 Ss. 239 (6), (5) IA 1986. 1733
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bb) Beurteilung S. 239 IA 1986 scheint auf den ersten Blick einen weiteren Anwendungsbereich als s. 238 und s. 423 IA 1986 zu haben, da das Tatbestandsmerkmal der Besserstellung in s. 239 IA 1986 – anders als das der Äquivalenzstörung in s. 238 und s. 423 IA 1986 – auch die Bestellung von Sicherheiten erfaßt. Allerdings bereitet auch der Nachweis, daß eine Besserstellung i. S. v. s. 239 IA 1986 vorliegt, Schwierigkeiten. Dies betrifft in der Praxis etwa Geschäfte zwischen Konzerngesellschaften unmittelbar vor Einleitung eines insolvenzbedingten Abwicklungsverfahrens über eine Konzerngesellschaft1744. Insoweit trägt der Amtswalter die Beweislast1745. Dies gilt auch für die Besserstellungsabsicht1746. Sie ist das Tatbestandsmerkmal, das in der Praxis am schwersten zu beweisen ist1747. Das liegt einerseits an der schuldnerfreundlichen Rechtsprechung, die mit der beschriebenen Besserstellungsabsicht des Schuldners hohe Anforderungen stellt. Außerdem liegt die Beweislast für dieses subjektive Tatbestandsmerkmal (bzw. sein Fehlen) nicht bei dem maßgeblichen Subjekt, sondern seinem Gegenüber, dem Amtswalter. Diese beiden Gesichtspunkte öffnen Schutzbehauptungen der Geschäftsleitung dergestalt, daß die Bevorzugung eines Gläubigers1748 ausschließlich der Fortführung des Geschäftsgangs zu dienen bestimmt war, Tür und Tor. Solche Schutzbehauptungen dürften durch den darlegungs- und beweisbelasteten Amtswalter kaum zu entkräften sein, zumal der Gesellschaft nicht nahestehende (Groß-)Gläubiger, wie etwa Banken, oft gerade bevorzugt werden dürften1749, um Kreditlinien offen zu halten1750 und dadurch die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs zu ermöglichen. Aber auch die bei Bevorzugungen der Gesellschaft nahestehender Gläubiger eingreifende widerlegliche Vermutung hilft dem Amtswalter nicht weiter, wenn sie – wie praktisch häufig – durch Schutzbehauptungen der Geschäftsleitung erschüttert werden kann1751. 1744
Siehe das Beispiel bei Totty/Moss, para. H4-04. Arg. e contrario s. 239 (6) IA 1986. 1746 Arg. e contrario s. 239 (6) IA 1986. 1747 Totty/Moss, para. H4-08. 1748 Oder ein Bürge oder Garantiegeber, s. 239 (4) (a) IA 1986, im folgenden nur als Gläubiger bezeichnet. 1749 Das zeigt sich in England anhand der dort für Banken in der Krise kleiner und mittlerer Unternehmen im Median (nicht: Durchschnitt) außerordentlich hohen Befriedigungsquote von 92% gegenüber lediglich 67% in Deutschland (siehe Davydenko/ Franks, S. 39). 1750 In der Krise kleiner und mittlerer Unternehmen stehen in England ganz überwiegend Überziehungskredite ohne feste Laufzeit und Zinssatz offen, Davydenko/Franks, S. 38. 1751 Vgl. Totty/Moss, para. H4-08: „The usefulness of the presumption should not be overstated. Its effect is merely to reverse the burden of proof. Where, therefore, there is reason to believe that a director or bankrupt can adduce convincing reasons why the 1745
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Die Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft bei Vornahme der fraglichen Handlung – oder jedenfalls hervorgerufen durch diese – hat der Amtswalter ebenfalls zu beweisen1752. Dies wird ihm insbesondere wegen Bewertungsschwierigkeiten und unvollständiger Buchhaltungsunterlagen oft schwerfallen1753. Überdies ist auch im Hinblick auf die anderen Tatbestandsmerkmale von s. 239 IA 1986 zu beachten, daß der Amtswalter diese mitunter Jahre später anhand ihm nur begrenzt zugänglicher Erkenntnisquellen darlegen und beweisen muß. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet auch die Finanzierung eines auf s. 239 IA 1986 gestützten Anfechtungsprozesses1754. d) Weitere Gründe für die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen Ein Sonderfall der Insolvenzanfechtung ist s. 244 IA 1986 (extortionate credit transactions). Diese Norm ermöglicht es dem Amtswalter, wucherische Darlehensgewährungen1755 an die Gesellschaft innerhalb von drei Jahren vor Verfahrenseinleitung gerichtlich für unwirksam erklären zu lassen1756. Unabhängig von einer Rechtsgestaltung durch Urteil sind floating charges – Sicherungsmittel also, die sich auf das gesamte Gesellschaftsvermögen beziehen1757 – gemäß s. 245 IA 1986 (avoidance of certain floating charges) unwirksam, wenn diese innerhalb von einem Jahr, bei nahestehenden Personen innerhalb von zwei Jahren, vor Verfahrenseinleitung begründet wurden1758. e) Beurteilung Eine Hürde für eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung stellt zunächst die grundsätzlich enge Auslegung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale durch die Rechtsprechung dar – insbesondere die unverständliche Ausklammerung der Bestellung von Sicherheiten ohne (echte) Gegenleistung vom Tatbestandsmerkmal des äquivalenzgestörten Geschäfts. Mehr noch stellen den Anfechtenden die ihn preference was given, proceedings should not be issued merely on the basis that it is up to the creditor to rebut the presumption.“ 1752 S. 240 (2) IA 1986. 1753 Finch, S. 564. 1754 Vgl. Finch, S. 560 ff. 1755 Wucher bestimmt der einschlägige s. 244 (3) IA 1986 wie folgt: „For the purposes of this section a transaction is extortionate if, having regard to the risk accepted by the person providing the credit (a) the terms of it are or were such as to require grossly exorbitant payments to be made (whether unconditionally or in certain contingencies) in respect of the provision of the credit, or (b) it otherwise grossly contravened ordinary principles of fair dealing.“ 1756 S. 244 (2), (3) IA 1986. 1757 Siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. 1758 S. 245 (2), (3) IA 1986. Diese Regelungen sind hier nicht näher darzustellen.
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belastenden Beweislastregeln vor erhebliche Probleme. Das betrifft insbesondere die Besserstellungsabsicht in s. 239 IA 1986. Daran ändert auch deren widerlegliche Vermutung nichts. Ihre Reichweite ist einerseits bereits tatbestandlich auf nahestehende Personen begrenzt; andererseits kann der Anfechtungsgegner sie schon durch schlüssige Behauptungen recht einfach erschüttern1759, ohne daß der Anfechtende die für seine dann auflebende Darlegungs- und Beweislast erforderliche Tatsachenkenntnis besäße. Die fehlende Tatsachenkenntnis des außenstehenden Anfechtenden, die mitunter Jahre nach Vornahme des fraglichen Geschäfts auch nicht ohne weiteres durch Nachforschungen ausgeglichen werden kann, stellt auch bei den übrigen Tatbestandsmerkmalen der Anfechtungsnormen eine erhebliche Erschwernis dar – etwa im Hinblick auf die nachzuweisende Insolvenz der Gesellschaft im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts in ss. 238, 239 IA 1986. Die Reichweite der einzelnen Anfechtungstatbestände wird auch dadurch beschränkt, daß das Anfechtungsrecht allein dem Amtswalter zukommt. Gläubiger können lediglich versuchen, den Amtswalter dazu zu bewegen, ein Anfechtungsverfahren anzustrengen. Dazu wird dieser gerade wegen der erheblichen Schwierigkeiten, einen Anfechtungsprozeß zu finanzieren, oftmals nicht bereit sein. Inwieweit sich dies aufgrund des (erst) zum 06.04.20081760 eingeführten Vorrangs der Auslagen- und Gebührenforderung des Insolvenzverwalters gegenüber den durch eine floating charge1761 gesicherten Forderungen von Großgläubigern1762 ändern wird, bleibt abzuwarten1763. Mit einer nennenswerten Steigerung der Zahl der Anfechtungsverfahren ist schon deshalb nicht zu rechnen, weil der Vorrang zugunsten des Insolvenzverwalters bei masselosen Insolvenzen ohne Wirkung bleibt. Insoweit wirkt es sich nachteilig aus, daß dem englischen Recht die Ge-
1759 So etwa in Re Hawkes Hill Publishing Co Ltd, Ward v Perks [2007] B.C.C. 937, 949, zu s. 239 IA 1986: „Ms Perks said in her evidence that her position under the personal guarantee did not enter into consideration. What was important was that the 10 Group were the only buyers and the company had no choice but to accept their terms. Mr Richmond suggested that the cash consideration of £ 20,000 was chosen so as to coincide with the amount of the original loan from the bank. Ms Perks said that this was not so. The 10 Group came up with the figure, which was non-negotiable; and since the 10 Group was the only possible buyer the company accepted it. I accept her evidence.“ [Hervorh. von mir] 1760 S. 1282 (1) CA 2006 i.V. m. para. 3 (v) The Companies Act 2006 (Commencement No. 5, Transitional Provisions and Savings) Order 2007 (No. 3495 (C. 150)). 1761 Siehe dazu den Text bei Fn. 1488 ff. in Teil 2. 1762 S. 176 ZA (sic) IA 1986. 1763 Milman (2010), 275 Co. L.N. 1, 4. Durch die Gesetzesänderung wurde die teleologisch wie systematisch verfehlte Entscheidung des House of Lords in Buchler v Talbot [2004] 2 A.C. 298, 321 f., wonach die Erlöse aus der Verwertung einer floating charge vollen Umfangs dem dadurch gesicherten Gläubiger zukommen sollten, da es sich dabei um eine von dem Gesellschaftsvermögen gesonderte Haftungsmasse handele (vgl. bereits Fn. 1100), teilweise rückgängig gemacht.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
währung von Prozeßkostenhilfe für den Insolvenzverwalter unbekannt ist1764. Auch eine Prozeßfinanzierung durch Dritte ist wegen der restriktiven Haltung englischer Gerichte1765 praktisch nicht möglich1766. Im Ergebnis ist die Effizienz der Anfechtungsregeln insgesamt als gering zu bezeichnen1767. Es erscheint keineswegs übertrieben, Insolvenzanfechtungsverfahren lediglich eine „speculative nature“ zuzumessen1768. Das gegen die allfällige Verschärfung des Anfechtungsrechts1769 vorgebrachte Argument, diese beeinträchtige notwendigerweise den Vertrauensschutz1770, erscheint zynisch – zumal ein fragliches Geschäft de lege lata gerade auch bei Bösgläubigkeit des Begünstigten Bestand haben kann, weil die Anfechtungstatbestände ausschließlich auf subjektive Merkmale des Insolvenzschuldners abstellen. 2. „Fraudulent trading“ Das englische Recht kennt neben dem Tatbestand des „wrongful trading“ auch den des „fraudulent trading“. Dieser ist nicht auf (Schatten-)Geschäftsleiter beschränkt und ist strafrechtlich1771 und zivilrechtlich1772 sanktioniert. Die Voraussetzungen der straf- und der zivilrechtlichen Haftung gleichen sich weitgehend. Beide Tatbestände setzen voraus, daß Geschäfte einer Kapitalgesellschaft mit betrügerischem Vorsatz geführt werden („intent to defraud“). Die zivilrechtliche Haftung setzt zusätzlich voraus, daß über das Vermögen der Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren eröffnet wurde1773. Ein betrügerischer Vorsatz soll nur vorliegen, wenn „actual dishonesty“ und „real moral blame“ zu 1764
Vgl. Finch, S. 562. Re Oasis Merchandising Services Ltd. [1998] Ch. 170, 186, CA. Danach ist der Insolvenzverwalter nicht befugt, die ihm im Falle eines erfolgreichen Verfahrens (in casu eines Verfahrens gemäß s. 214 IA 1986, siehe bereits den Text bei Fn. 1474 in Teil 2) durch das Gericht zuzusprechende Leistung im Voraus auch nur anteilig einem Dritten zu versprechen, da es sich dabei nicht um „the company’s property“ handele, wie die einschlägige Befugnisnorm (para. 6 Sch. 4 IA 1986) voraussetzt. Wie einseitig die Entscheidung ausfällt, zeigt auch, daß selbst die allgemeine Befugnis des Insolvenzverwalters, „to do all such other things as may be necessary for winding up the company’s affairs and distributing its assets“ (para. 13 of Sch. 4 IA 1986), insoweit nicht ausreichen soll. 1766 Finch, S. 556 ff. 1767 Vgl. Van Dijk, (2008) 17 Int. Insolv. Rev. 123, 136, 140 f.; Finch, S. 561 ff.; Bachner, S. 73 ff. 1768 Milman (2010), 275 Co. L.N. 1, 3. 1769 Siehe bereits die Forderungen Keays, (1998), 2 CFILR 198, 198 ff. 1770 Zitiert bei Milman, (2010) 275 Co. L.N. 1, 4: „Their opponents would question the potential damage any enhanced provisions might have on commercial confidence“. 1771 S. 993 CA 2006. 1772 S. 213 IA 1986. 1773 S. 213 (1) IA 1986. 1765
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente
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erkennen sind1774. Der Tatbestand des „fraudulent trading“ hat aufgrund dieser engen subjektiven Voraussetzungen in der Praxis eine sehr geringe Bedeutung1775. 3. „West Mercia doctrine“ Inwieweit das Fallrecht in Gestalt der sogenannten West Mercia Doctrine den (Schatten-)1776 Geschäftsleiter dazu verpflichtet, die Interessen von Gläubigern der Gesellschaft zu berücksichtigen, ist ungeklärt. Während dies nach West Mercia Safetywear Ltd v Dodd 1777 in Rechtsprechung1778 und Schrifttum1779 zunächst in Zweifel gezogen wurde, hat das House of Lords derartige Pflichten jüngst grundsätzlich anerkannt1780. Ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen sind allerdings völlig offen1781. Jedenfalls sollen solche Pflichten nicht gegenüber den Gläubigern, sondern nur gegenüber der Gesellschaft bestehen, die allein sie auch einklagen kann; dies begründet das House of Lords (ausgerechnet) mit dem Ziel des Gläubigerschutzes1782. Bei aus der sogenannten West Mercia Doctrine fließenden Pflichten des Geschäftsleiters handelt es sich damit letztlich nur um einen Ausfluß der allgemeinen Pflicht des (Schatten-)Geschäftsleiters, im Interesse der Limited zu handeln1783. Die Verletzung einer derartigen Pflicht kann im Verfahren der misfeasance nach s. 212 IA 1986 geltend gemacht werden, die keine eigene Anspruchsgrundlage enthält, sondern lediglich ein besonderes Verfahren regelt1784.
1774
Re Patrick Lyon Ltd [1933] Ch. 786, 790. Sealy/Worthington, S. 665. 1776 Es ist (zusätzlich) ungeklärt, inwieweit einen Schattengeschäftsleiter die Pflichten eines gewöhnlichen Geschäftsleiters treffen, siehe den Text bei Fn. 712 in Teil 2. 1777 [1988] 4 B.C.C. 30, 31, 33, CA. 1778 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] 1 W.L.R. 294, 295, 312, QBD. 1779 Grantham, (1991) J.B.L. 1, 18, verneint aus dem Fallrecht abgeleitete selbständige Geschäftsleiterpflichten gegenüber Gläubigern, da diese in Widerspruch zu den Grundsätzen des englischen Gesellschaftsrechts stünden. 1780 „The Court of Appeal [in West Mercia Safetywear Ltd v Dodd ] was therefore also correct in the West Mercia case to hold that directors who know the company to be insolvent owe to the company an enforceable duty to have regard to the interests of the company’s creditors“ (Stone & Rolls Ltd v Moore Stephens [2009] Bus. L.R. 1356, 1433 f., HL). Derartige Pflichten des Geschäftsleiters bejahend bereits zuvor Keay, (2003) 24 Comp. Law., 300, 306. 1781 Finch, S. 684 ff. Dies übergeht Bachner, S. 237 ff. 1782 „[I]t would undermine . . . the protection for creditors in insolvent situations at which company law aims, if a company were not entitled to claim against its directing mind and sole controlling shareholder in such a situation“, Stone & Rolls Ltd v Moore Stephens, [2009] Bus. L.R. 1356, 1433 f., HL. 1783 Ss. 171 ff. i.V. m. s. 170 (5) CA 2006. 1784 Siehe den Text bei Fn. 1480 f. in Teil 2. 1775
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
4. Weitere Regelungen Als weitere Haftungsgrundlage können ss. 217 (1), 216 IA 1986 eingreifen. Diese Normen sehen bei „Phoenix Companies“ – d.h. Gesellschaften, die unter einer Firma tätig sind, die derjenigen einer insolvenzbedingt abgewickelten Gesellschaft zum Verwechseln ähnlich ist1785 – eine persönliche Haftung der (Schatten-)Geschäftsleiter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft vor1786. Daneben kommt eine Strafbarkeit nach den insolvenzbezogenen Straftatbeständen der s. 206 IA 1986 („Fraud, etc. in anticipation of winding up“), s. 208 IA 1986 („Misconduct in course of winding up“), s. 210 IA 1986 („Material omissions from statement relating to company’s affairs“) und s. 211 IA 1986 („False representations to creditors“) auch für Schattengeschäftsleiter in Betracht1787.
D. Ergebnis zum Kapitalschutz bei der Private Limited Company Die Regeln zur Kapitalaufbringung bei der Limited tragen letztlich nichts zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger bei. Die Zulässigkeit eines Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag verhindert – unabhängig von weiteren Funktionen eines erhöhten Mindestkapitals – jedenfalls eine Seriositätskontrolle der Gründer einer Limited und ihres Geschäftsmodells. Gleiches gilt für das fehlende Erfordernis jeder Mindesteinzahlung auf das Nennkapital. Das Fehlen einer unabhängigen Bewertung vereinbarter Sacheinlagen unterminiert die gläubigerschützende Wirkung selbst eines erhöhten Nennkapitals. Das gilt besonders angesichts der Möglichkeit, Dienstleistungen als Sacheinlage zu vereinbaren. Insgesamt kann vor dem Hintergrund des liberalen englischen Rechts bei der Limited kaum mehr von Kapitalaufbringungsregeln gesprochen werden. Die Kapitalerhaltungsvorschriften der Limited setzen nicht an der statischen, zeitpunktbezogenen Größe des Überschusses der Aktiva über die Passiva an. Statt dessen gehen sie von der dynamischen, zeitraumbezogenen Größe des Ergebnisses der GuV aus, das anhand umfangreicher Sonderregeln in einen Gewinn im Sinne der Ausschüttungsbemessung überzuleiten und unter ergänzender Berücksichtigung bilanzieller Größen in den schließlich entscheidenden ausschüttbaren Gewinn umzuformen ist. Diese unterschiedliche Herangehensweise wirkt
1785
S. 216 (2) IA 1986. Vgl. ss. 216 (1), 217 (1) IA 1986. Diese Haftung der Geschäftsleiter wird in England unverständlicherweise als Fall eines „piercing the corporate veil“, also der Durchgriffshaftung, verstanden (vgl. Davies, in: Davies, para. 9-12, S. 224 ff., der diese Erscheinung in dem Kapitel „Statutory Exceptions to Limited Liability“ behandelt). 1787 Ss. 206 (3), 208 (3), 210 (3), 211 (2) IA 1986. 1786
D. Ergebnis zum Kapitalschutz bei der Private Limited Company
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sich als solche allerdings noch nicht auf die Höhe einer möglichen Entnahme aus und ist damit unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes im wesentlichen neutral. Ein zentraler, doch regelmäßig übergangener1788 Gesichtspunkt für die Beurteilung der englischen Kapitalschutzregeln sind indes die Vorschriften der einschlägigen Rechnungslegungswerke. Dies betrifft zunächst die Ermittlung des Ergebnisses der GuV. Denn der darauf aufbauende ausschüttbare Gewinn ist die entscheidende Größe sowohl für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Ausschüttungen und Kapitalherabsetzungen, als auch für den Erwerb eigener Anteile. Bedeutsame Vorschriften der UK GAAP und der IFRS sind diejenigen über die Ertragsbuchung und die Aufwandserfassung. Erträge werden nach diesen Regelwerken tendenziell früher als nach den GoB erfaßt1789, da für die Ertragsbuchung eine geringere Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Zuflusses wirtschaftlicher Vorteile ausreicht – das Vorsichtsprinzip in Gestalt des Realisationsprinzips deutscher Prägung1790 ist diesen Rechnungslegungswerken unbekannt. Überdies können in größerem Maße Erträge aus Zuschreibungen entstehen. Diese sind bei zahlreichen Arten von Vermögensgegenständen nicht auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt: Auch das Niederstwertprinzip des HGB1791 findet in den UK GAAP und den IFRS keine Anwendung. Andererseits liegt der ausschüttungsfähige Gewinn der Limited auch deshalb tendenziell höher, weil nach den UK GAAP und den IFRS in geringerem Maße Aufwendungen zu berücksichtigen sind. So muß eine nach UK GAAP bilanzierende Limited für Zwecke der Ausschüttungsbemessung insbesondere Aufwendungen aufgrund von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften vernachlässigen. Das demnach tendenziell höhere Ergebnis der Limited1792 gleichen auch die bei der Ausschüttungsbemessung anzuwendenden, kaum zu handhabenden umfangreichen Überleitungsregeln jedenfalls nicht vollständig aus. Auch der einschlägige Leitfaden schreibt keine im Sinne des HGB vorsichtige Ertragsbuchung vor. Er gewährt zudem weitreichende Ermessensspielräume. Ferner muß die Entscheidung der Geschäftsleitung, einen 1788
Siehe den Text bei Fn. 190 ff. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 531 ff. in Teil 2. 1790 Vgl. § 252 I Nr. 4 Hs. 2 HGB. 1791 Vgl. § 253 I 1 HGB. 1792 Die Rechnungslegungsvorschriften der UK GAAP und IFRS wirken sich allerdings je nach den Umständen des Einzelfalles in unterschiedlichem Maße auf das Ergebnis aus, insbesondere in Abhängigkeit von der Zusammensetzung ihrer Vermögenswerte und der Ertragsstruktur der Limited sowie dem wirtschaftlichen Umfeld. Maßgeblich ist insoweit, wie hoch der Anteil der mit dem Zeitwert zu bilanzierenden Vermögensgegenstände der Limited und der Anteil ihrer Erträge aus Zuschreibungen wegen Wertveränderungen an den gesamten Erträgen ist. Entscheidend ist ferner, wie stark die Marktpreise der zum Zeitwert zu bilanzierenden Vermögensgegenstände zuoder abnehmen. 1789
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Ertrag nach den Maßgaben des Leitfadens als „realisiert“ zu verbuchen, in keiner Weise begründet oder auch nur dokumentiert werden. Auch die Behandlung stiller Reserven in den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften ist für die Bewertung der englischen Kapitalschutzregeln von Bedeutung. Bei der Limited entstehen stille Reserven einerseits nur in sehr geringem Maße1793. Die UK GAAP wie die IFRS kennen kein (echtes) Vorsichtsprinzip. Sie gestatten Zuschreibungen mangels Geltung des Niederstwertprinzips auch über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus; das Rahmenkonzept der IFRS untersagt die Bildung stiller Reserven sogar ausdrücklich1794. Weist die Bilanz der Limited dennoch stille Reserven aus, so können diese mangels eines Niederstwertprinzips ohne weiteres durch eine ertragswirksame Zuschreibung, welche den ausschüttbaren Gewinn erhöht1795, gehoben werden. Sowohl die tendenziell höheren Ergebnisse als auch die Vermeidung stiller Reserven durch die Vorgaben der UK GAAP und der IFRS haben zur Folge, daß die Gesellschafter der Limited Vermögenswerte in sehr weitreichendem Maße entziehen können. Damit verbleiben in der Gesellschaft weniger Vermögenswerte, die zum Gläubigerschutz als Risikopuffer dienen können. Dies verschärft aus Sicht der Gläubiger das Problem der wegen des Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag ohnehin geringen Kapitalbindung in der Limited. Die Ausschüttungsregeln, der praktisch wichtigste Teil der Kapitalschutzregeln, können aber auch einfach umgangen werden. Aufgrund der verfehlten Wertung des englischen Rechts, daß das Gehalt eines Gesellschafter-Geschäftsführers so lange keine rechtswidrige verdeckte Vermögensübertragung darstellt, wie es nur überhaupt als Gegenleistung für irgendwelche – auch bloß zukünftige – Dienste erscheint, können die Gesellschafter nahezu unbegrenzte Entnahmen über eine Gehaltszahlung vornehmen. Das Gleiche gilt in der Unternehmensgruppe, in der durch überhöhte Konzernumlagen der Kapitalschutz der Tochtergesellschaften faktisch ausgehebelt werden kann. Selbst wenn eine Ausschüttung nach den freizügigen Kapitalschutzregeln des englischen Rechts einmal als rechtswidrig erscheint, besteht für einen Erstattungsanspruch der Gesellschaft eine hohe Hürde. Das Recht der Limited sieht eine Verpflichtung des Gesellschafters zur Erstattung rechtswidriger Ausschüttungen nur vor, wenn bestimmte subjektive Voraussetzungen in seiner Person vorliegen. Insoweit ist zumindest grob fahrlässige Unkenntnis, möglicherweise sogar positive Kenntnis des Gesellschafters von den die Rechtswidrigkeit begründenden Umständen erforderlich.
1793
Siehe bereits den Text bei Fn. 524 in Teil 2. F.37 S. 4. Das Rahmenkozept ist in der EU allerdings nicht rechtsverbindlich; siehe den Text bei Fn. 282 in Teil 2. 1795 Siehe den Text bei Fn. 635 ff. in Teil 2. 1794
D. Ergebnis zum Kapitalschutz bei der Private Limited Company
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Insgesamt vermögen die Kapitalerhaltungsregeln kaum mehr zum Gläubigerschutz beizutragen als die Kapitalaufbringungsregeln der Limited. Auch die für die Limited geltenden Publizitätsvorschriften sind für den Gläubigerschutz nur von begrenztem Nutzen. Zwangsgläubigern der Gesellschaft helfen ohnehin keine Publizitätsvorschriften; Zwangsgläubiger, etwa aus Delikt (tort)1796, suchen sich ihren Schuldner naturgemäß nicht aus. Auch rechtsgeschäftliche Gläubiger der Limited werden durch die Publizitätsvorschriften nur bedingt geschützt. Die kleinen Gesellschaften im Sinne des Companies Act 2006 eingeräumte Möglichkeit, vereinfachte Jahresabschlüsse zu erstellen, begrenzt die Aussagekraft der publizierten Abschlüsse erheblich1797. Die für die Rechnungslegung auch größerer Limiteds heranzuziehenden UK GAAP oder IFRS weisen zur vermeintlichen Stärkung der Informationsaufgabe des Abschlusses in erheblichem Umfang nicht nachhaltige „Gewinne“ aus, was die Beurteilung der tatsächlichen Haftungsmasse der Gesellschaft durch (zukünftige) Gläubiger erschwert. Das reaktive Kapitalerhaltungsinstrument des wrongful trading weist krasse Defizite auf. Der Tatbestand ist äußerst eng gefaßt. Eine Haftung des (Schatten-) Geschäftsleiters kann von vornherein allein nach Einleitung von zwei der sechs verschiedenen Krisenreaktionsverfahren des englischen Rechts eingreifen. Weiter soll eine Haftung nach der Rechtsprechung erst dann in Betracht kommen, wenn ein Überleben der Limited offensichtlich und unvermeidlich unmöglich ist. Zudem sind auch 25 Jahre nach Einführung von s. 214 IA 1986 auf Tatbestands-, wie auf Rechtsfolgenseite selbst grundlegende Fragen noch ungeklärt. So ist schon ungewiß, wie die für eine Haftung vorausgesetzte Überschuldung zu ermitteln ist. Überdies ist unklar, wann das zentrale Tatbestandsmerkmal der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Überlebensaussicht der Limited vorliegt – und selbst, welche Indizien mit welcher Beweiskraft auf sein Vorliegen deuten. Hinsichtlich der Einwendung, alles für eine Schadensminderung getan zu haben, ist unsicher, welche Bemühungen des Haftungsadressatens erforderlich sind. Auf Rechtsfolgenseite ist noch nicht einmal abschließend geklärt, welches der Ausgangspunkt der Anspruchsbemessung ist. Bereits aufgrund dieser Unsicherheiten ist die Haftung für wrongful trading praktisch nicht handhabbar. Zusätzlich bevorteilt die Beweislastverteilung den Haftungsadressaten. Der Insolvenzverwalter hat regelmäßig Jahre zurückliegende Tatsachen zu ermitteln, darzulegen und zu beweisen, um etwa eine fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung zu begründen. Dabei ist er wesentlich auf die interne Do-
1796 Siehe zu den verschiedenen Tatbeständen des tort im Geschäftsverkehr Hazel, 3 (2008), L.Q.R. 641, 642 ff., die zutreffend von einer „muddle of the economic torts“ (S. 674) spricht und nur begrenzte Hoffnung auf Besserung hegt: „The one certainty about the future development of the economic torts is that it is uncertain“ (S. 666). 1797 „[The Companies Act 2006’s] approach in this area is heavily deregulatory“, Davies, in: Davies, para. 21-42, S. 757.
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
kumentation der Limited angewiesen, die häufig nicht (mehr) vollständig zugänglich sein wird. Noch schwieriger dürfte es in der Praxis sein zu beweisen, daß der Haftungsadressat die fehlende Überlebensaussicht bei unterbliebener Sanierung erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Insoweit muß der Insolvenzverwalter, ohne über nähere Kenntnis der damaligen Begebenheiten zu verfügen, ex post darlegen, daß ex ante ein subjektives Merkmal beim Geschäftsleiter vorlag. Außerdem bestehen für den Insolvenzverwalter gravierende Schwierigkeiten bei der Finanzierung eines Haftungsprozesses gemäß s. 214 IA 1986. Dem Insolvenzverwalter droht eine persönliche Kostenhaftung. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß eine Haftung aufgrund wrongful trading in der englischen Rechtspraxis letztlich keine Rolle spielt. Es muß unseriös erscheinen, wenn selbst Apologeten reaktiver, verhaltensbezogener Gläubigerschutzinstrumente (insbesondere des wrongful trading) zwar deren Schwächen erkennen, und dennoch – ohne Begründung – postulieren, daß dieser Ansatz dem gesamten Konzept des Mindestkapitals überlegen sei1798. Die Effizienz der Anfechtungsregeln ist ebenfalls als gering einzuordnen. Die Tatbestände der Insolvenzanfechtung sind bereits auf Tatbestandsseite eng gefaßt und werden von der Rechtsprechung eng ausgelegt. Das gilt insbesondere für das Tatbestandsmerkmal des äquivalenzgestörten Geschäfts, dem die Bestellung von Sicherheiten ohne (echte) Gegenleistung nicht unterfallen soll. Wiederum schränken auch die Beweislastregeln die Reichweite der einschlägigen Normen stark ein. Die Beweislast trifft grundsätzlich den außerhalb der Geschehnisse stehenden Anfechtenden, der Tatsachen – oftmals Jahre nach Vornahme des fraglichen Geschäfts – allenfalls unter Schwierigkeiten ermitteln kann. Dies gilt etwa für die Insolvenz der Gesellschaft gerade im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts bei s. 238 und s. 239 IA 1986 oder für die Besserstellungsabsicht in s. 239 IA 1986. Überdies ist allein der Amtswalter anfechtungsbefugt, nicht aber Gläubiger der Gesellschaft. Schließlich begegnet der Amtswalter (auch) bei der Insolvenzanfechtung erheblichen Finanzierungsproblemen. Das englische Recht kennt keine Prozeßkostenhilfe für den Insolvenzverwalter und untersagt grundsätzlich auch die Prozeßfinanzierung durch Dritte. Die Haftung wegen fraudulent trading gemäß s. 213 IA 1086 ist schon wegen ihrer extrem hohen subjektiven Anforderungen praktisch irrelevant: Erforderlich ist, daß Geschäfte einer Kapitalgesellschaft mit betrügerischem Vorsatz geführt werden, der „actual dishonesty“ und „real moral blame“ erfordert. Die Reich1798 So aber Dähnert, (2009), 2 Comp. Law. 34, 42: „Misuse-based concepts will therefore constitute one of the central pillars in the system of risk distribution between shareholders and creditors, be it wrongful trading, liability for delaying insolvency, under-capitalisation, systematic harming of creditor via asset deprivation, director liability laws and so forth. Arguably, there are still many deficits and uncertainties in these misuse concepts; however, this path is more promising than concepts like minimum capital.“
D. Ergebnis zum Kapitalschutz bei der Private Limited Company
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weite von s. 213 IA 1986 wird zusätzlich dadurch eingeschränkt, daß über das Vermögen der Gesellschaft ein insolvenzbedingtes Abwicklungsverfahren eröffnet worden sein muß. – Die Möglichkeit der Verhängung eines Berufsverbots gegen einen (Schatten-)Geschäftsleiter tritt zwar in der Praxis häufiger auf, weist jedoch nur eine generalpräventive Wirkung für die Zukunft auf und dient damit nur reflexhaft dem Kapitalschutz. Aus Sicht der Gläubiger der Limited ist insgesamt festzustellen, daß die verschiedenen Elemente des Kapitalschutzes jeweils gravierende Schwächen aufweisen. Dies beginnt mit den faktisch wirkungslosen Kapitalaufbringungsregeln und setzt sich mit den Kapitalerhaltensvorschriften fort. Insbesondere die Ausschüttungsregeln der Limited erscheinen – entgegen einem verbreiteten Fehlverständnis1799 – keineswegs strenger als diejenigen der GmbH, sondern als äußerst gesellschafterfreundlich. Dies hat sich durch jüngere Entwicklungen der der Ausschüttungsbemessung der Limited zugrundezulegenden Rechnungslegungswerke noch verstärkt. Die gravierenden Schwächen des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes der Limited werden auch nicht durch andere Schutzinstrumente ausgeglichen. Insbesondere die Rechtsfigur des „wrongful trading“ leistet insoweit aufgrund ihrer vielfältigen Defizite keinen nennenswerten Beitrag. Entsprechendes gilt für die englischen Regeln zur Insolvenzanfechtung. Die Regeln zur Amtsunfähigkeit von Geschäftsleitern vermögen diese Schwächen nicht zu kompensieren. Die erheblichen Schwächen der Kapitalschutzregeln der Limited wirken sich zusätzlich zum Nachteil ihrer Gesellschafter aus. Aufgrund der Defizite des Gläubigerschutzes müssen Gesellschafter der Limited gegenüber Banken für Darlehen empirisch belegbar deutlich häufiger die persönliche Haftung übernehmen, und zwar mindestens 2,5 mal so oft wie in Deutschland1800. Außerdem stellt die im englischen Recht – zumal wegen fehlender gesetzlicher Bestimmungen und oftmals widersprüchlicher Entscheidungen – gerade im Bereich der Ausschüttungsregeln fehlende Rechtssicherheit der Gesellschafter der Limited einen beachtlichen Nachteil dar.
1799
Siehe den Text bei Fn. 523, 910. Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 335. Legt man den Umfang der Besicherung durch Gesellschafter zugrunde, wird der Unterschied noch deutlicher: Im Zeitpunkt des „defaults“ des Schuldners (seines Zahlungsverzugs bei drohendem endgültigen Ausfall in Anlehnung an die Abgrenzung des „Basel II“-Abkommens – „the bank’s loan is more than 90 days past due on a scheduled debt payment, formal insolvency proceedings have been initiated against the borrower, a specific loss provision has been raised by the bank against the exposure, or the bank’s officers have indicated that a material loss was likely, using an internal rating“, Davydenko/Franks, S. 8) dekken in Großbritannien „guarantees“, d. h. persönliche Sicherheiten von Privatpersonen oder Unternehmen, 17,0% des gesamten besicherten Betrags, während dies in Deutschland lediglich 4,4% sind (dies., S. 40). Das ergibt sogar ein Vielfaches von 3,9. 1800
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Teil 2: Kapitalschutz bei der Private Limited Company
Das Kernproblem der englischen Kapitalschutzregeln aus Sicht der Geschäftsleiter einer Limited ist ihre in Teilbereichen vergleichsweise scharfe persönliche Haftung. Dies gilt etwa bei einer Kapitalherabsetzung, vor deren Durchführung die Geschäftsleitung ein statement of solvency abzugeben hat. Die Abgabe einer unzutreffenden derartigen Erklärung ist sogar strafbewehrt. Auch bei rechtswidrigen Ausschüttungen ist die Haftung der Geschäftsleiter im Vergleich zu der der Gesellschafter der Limited deutlich strenger. Dies erscheint wertungswidersprüchlich, denn Nutznießer einer rechtswidrigen Ausschüttung ist der Gesellschafter1801. Die Haftungsverlagerung von Gesellschaftern auf Geschäftsleiter wird auch durch sogenannte „D & O“-Versicherungen nicht ausgeglichen. Zwar werden die Prämien für solche Versicherungen regelmäßig nicht von den jeweiligen Geschäftsleitern, sondern kraft entsprechender dienstvertraglicher Regelung von der Gesellschaft getragen. Damit zahlen allerdings nur auf den ersten Blick die Gesellschafter – mittelbar – für ihre Haftungserleichterung. Denn die Bezüge des Geschäftsleiters lägen tendenziell höher, wenn die Gesellschaft nicht als Teil der Gesamtvergütung des Geschäftsleiters auch die Prämien der „D & O“-Versicherung trüge. Zudem dürften derartige Versicherungen – gerade bei der Limited als kleiner Kapitalgesellschaft1802 – längst nicht bei jeder Gesellschaft anzutreffen sein.
1801 Denkbar erscheint, daß auch die Geschäftsleitung einen Vorteil durch rechtswidrig überhöhte Ausschüttungen hat. Das ist der Fall, wenn die Geschäftsleitung einen erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteil erhält, der sich anhand der Höhe der Ausschüttung bemißt. Zumeist knüpfen erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile allerdings an den Jahresüberschuß an. 1802 Anders mag sich dies bei der Public Limited Company darstellen.
Teil 3
Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft I. Schaffung der Europäischen Privatgesellschaft 1. Begriff Der Begriff der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) geht nicht etwa auf das lateinische Kunstwort der „Societas Privata Europaea (SPE)“, sondern auf die französische Bezeichnung „société fermée européenne“ zurück1. Er dient offensichtlich der Abgrenzung dieser Rechtsform von der Europäischen Gesellschaft oder Societas Europaea (SE). Die Bezeichnung (nur) der EPG als „Privatgesellschaft“ soll durch ihren „geschlossenen Gesellschafterkreis“ gerechtfertigt sein2. Allerdings handelt es sich in beiden Rechtsfällen um juristische Personen des Privatrechts3. Auch ist der Bestand der Gesellschafter der EPG schon in Anbetracht der einfachen Übertragbarkeit ihrer Geschäftsanteile durch bloße Schriftform4 nicht im eigentlichen Sinne geschlossen5. Umgekehrt ist Wesensmerkmal einer SE nicht etwa ein unbegrenzter Gesellschafterkreis. Behelfsbegriffe wie die Europäische Privatgesellschaft sind – wie zahlreiche andere Begriffe des EPGVO-E6 – letztlich dem englischen Rechtskreis geschuldet, der keine eigenständige kleine Kapitalgesellschaft kennt, sondern vom Grundsatz der Einheit der 1 Dieser Begriff wurde bereits 1997 in einer Studie der Handelskammer Paris gebraucht („Propositions pour une société fermée européenne“). Zu dieser Studie siehe noch den Text bei Fn. 20 ff. in Teil 3. 2 Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925, 929. 3 Für die SE siehe Art. 1 I, 3, Art. 2 SE-EPG-VO-E, für die EPG siehe Artt. 1, 3 I EPG-VO-E. 4 Art. 16 II 2 EPG-VO-E. 5 Der Gesellschafterkreis der EPG ist aber auch nicht vollkommen offen, weil ein öffentliches Angebot von Anteilen bei der EPG ausgeschlossen ist, Art. 3 I Buchst. (d) EPG-VO-E; siehe näher den Text bei Fn. 441 ff. in Teil 3. 6 Etwa der in der englischen und französischen Fassung verwendete Begriff der „shares“ bzw. „actions“ (Art. 3 I Buchst. a EPG-VO-E); der Begriff des „director“ bzw. „dirigeant“ (Art. 2 I Buchst. d EPG-VO-E); der Begriff des „general meeting“ bzw. der „assemblée générale“ (Art. 27 III 1 EPG-VO-E); der in der englischen Fassung gebrauchte Begriff des „boards“ (Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 10. Spiegelstrich).
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Kapitalgesellschaft ausgeht7. Die unreflektiert dem englischen Sprachgebrauch entlehnte8 Bezeichnung der EPG als „Privatgesellschaft“ erscheint daher zumindest unglücklich. Der deutsche Sprachgebrauch folgt den Brüsseler Begrifflichkeiten denn auch nicht uneingeschränkt. Die EPG wird hier häufig als „EuropaGmbH“ bezeichnet9; für die SE ist der Begriff der „europäischen Aktiengesellschaft“ geläufig10. Im Folgenden ist trotz dieser Bedenken mit der Begrifflichkeit des EPG-VO-E von „EPG“ die Rede. 2. Ideengeschichte Die Idee einer Europäischen Privatgesellschaft als supranationale Rechtsform11 neben der Europäischen Aktiengesellschaft reicht bis zum Beginn der 1970er Jahre zurück12. Sie blieb in Wissenschaft und Politik zunächst ohne Widerhall13. Die Kommission befaßte sich statt dessen mit Verordnungsentwürfen für einen „Europäischen Verein“ 14 und eine „Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft15, einer exotischen Rechtsform für den Zusammenschluß von Personenvereinigungen wie dem deutschen VVaG16, die es bis heute nicht gibt17. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde die Schaffung der Rechtsform einer EPG im Schrifttum verstärkt erörtert18. Im Folgenden trieb vor allem die französische Seite die Entwicklung der Rechtsform der EPG voran19. Die Industrie- und Handelskammer 7
Siehe den Text bei Fn. 2 ff. in Teil 2. Vgl. die Bezeichnung Private Limited Company. Von einer „Private Company“ spricht in diesem Zusammenhang Behrens, in: Dauses, E. III. Rn. 170. 9 Etwa Teichmann, NJW 2006, 2444, 2449 mit Fn. 67; Dejmek, NZG 2001, 878, 882. 10 Etwa Wendt, in: Spahlinger/Wegen, Rn. 920, 877; Mickel/Bergmann, Stichwort „Aktiengesellschaft, Europäische“. 11 Zur Geschichte der EPG bis 2005 siehe ausführlich Kretschmer, S. 12 ff. 12 Siehe Boucourechliev, Pour une s. a.r.l. européenne, passim. (1973) 13 Krause, in: Krause/Veelken/Vieweg, S. 389 f. 14 ABl. 1992 Nr. C 99, S. 1 ff., 14 ff.; ABl. 1993 Nr. C 236, S. 1 ff., 14 ff. 15 ABl. 1992 Nr. C 99, S. 40 ff., 57 ff.; ABl. 1993 Nr. C 236, S. 40 ff., 56 ff. 16 Vgl. Behrens, in: Dauses, E. III. Rn. 188. 17 Im Jahr 2003 erklärte die Kommission, den jeweiligen Gesetzgebungsvorgang „aktiv unterstützen“ zu wollen, und daß „die Diskussionen über den Vorschlag für einen Europäischen Verein im Rat mit unvermindertem Tempo weitergehen“ (Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, 21.05.2003, KOM(2003) 284 endg., S. 25, im Folgenden „Aktionsplan“); wäre es bei diesem „unverminderten Tempo“ geblieben, wäre wohl in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts mit einem Ergebnis zu rechnen gewesen. Indes hat die Kommission 2005 beide Vorschläge zurückgezogen (Mitteilung der Kommission, Ergebnis der Überprüfung von Vorschlägen, die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befinden, 27.09.2005, Dokument Nr. 52005DC0462). 18 Siehe Kluiver/van Gerven, passim; Hommelhoff, WM 1997, 2101 ff.; Boucourechliev/Hommelhoff, passim; Hommelhoff/Helms, GmbHR 1999, 53 ff. 19 Hommelhoff, FS Doralt, S. 199. 8
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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Paris leistete umfangreiche Vorarbeiten20, indem sie eine Studie über eine „société fermée européenne (SFE)“ fertigstellte21, die Ende 1997 in Paris vorgestellt und der Kommission übergeben wurde22. Die Kommission machte sich diese Anregung jedoch nicht zu eigen. Vielmehr erarbeitete nun eine private Arbeitsgruppe europäischer Rechtswissenschaftler und Praktiker einen auf der Studie gründenden23 ersten Vorschlag des Statuts einer „société privée européenne (SPE)“, der 1999 veröffentlicht wurde24. Auch in den folgenden Jahren blieb die Beförderung der Idee der EPG privater Initiative überlassen25, obschon mittlerweile auch die Wirtschaft nach einer solchen Rechtsform verlangte26. Im Jahr 2003 stellte die Kommission einen „Aktionsplan“ vor, in dem sie die Beauftragung einer Machbarkeitsstudie betreffend die EPG und ggf. die Erarbeitung des Entwurfs eines Statuts der EPG ankündigte27. Die Machbarkeitsstudie wurde Ende 2005 fertiggestellt28; die Kommission blieb untätig. Anfang 2007 forderte dann das Europäische Parlament die Kommission in einer Entschließung förmlich dazu auf, einen Verordnungsentwurf unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben zu erarbeiten29. Am 25.05.2008 legte die Kommission einen Entwurf für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vor30. Das Europäische 20
Wiesner, ZIP 2000, 1792, 1798. Veröffentlicht als „Propositions pour une société fermée européenne“, herausgegeben von Boucourechliev/Urban. 22 Hommelhoff/Helms, GmbHR 1999, 53. 23 Wiesner, ZIP 2000, 1792, 1798. 24 Siehe Boucourechliev/Hommelhoff, passim. 25 Siehe etwa Ehricke, RabelsZ 64 (2000), 497 ff.; Bachmann, ZGR 2001, 351, 370 ff.; Wicke, GmbHR 2006, 356 ff.; Gutsche, passim; Hommelhoff/Helms, passim. 26 Vgl. die bei Hommelhoff, FS Doralt, S. 201 f., wiedergegebene Studie des „Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)“ von 2002, wonach 95% der befragten 75 Unternehmen bei der Gründung neuer ausländischer Tochtergesellschaften auf eine europaweit einheitliche Rechtsform für mittelständische Unternehmen zurückgreifen würden, sofern diese Rechtsform bestimmten Anforderungen genügte. Dabei handelte es sich vor allem um ein Mindestnennkapital von nicht mehr als 25.000 A und weitgehender Satzungsautonomie. 27 „Aktionsplan“, S. 25. Zuvor hatte sich der von der Kommission eingesetzte Ausschuß von Fachleuten grundsätztlich für die Schaffung einer EPG ausgesprochen, siehe den Bericht der„Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, zugänglich unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/ report_de.pdf, S. 129 f. 28 Diese ist über die Netzseiten der Kommission nicht mehr zugänglich. Auf der Seite http://ec.europa.eu/internal_market/company/epc/index_de.htm ist die entsprechende Verknüpfung unterbrochen. 29 Entschließung des „Europäischen Parlaments“ mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 01.02.2007, Dokument Nr. P6_TA(2007)0023. 30 KOM(2008) 396, zugänglich unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ docs/epc/proposal_de.pdf. 21
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Parlament verabschiedete am 10.03.2009 eine Legislative Entschließung mit zahlreichen Änderungsverlangen31. Weder der Verordnungsentwurf der Kommission noch der Entwurf unter Berücksichtigung der Forderungen des Europäischen Parlaments fand bislang die erforderliche Zustimmung sämtlicher EU-Mitgliedstaaten32. Im Verlauf des Jahres 2009 bemühten sich zunächst die tschechische, dann die schwedische Ratspräsidentschaft vergeblich um einen Kompromiß. Die folgende Darstellung gründet auf dem EPG-VO-E und der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments als den nach wie vor einzigen offiziellen legislativen Dokumenten europäischer Institutionen. 3. Ziel der Einführung Während die SE vor allem auf Großunternehmen zugeschnitten ist, soll die EPG insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen als Rechtsform dienen33. Die Einführung dieser Rechtsform ist Teil eines Maßnahmenbündels zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, des sogenannten „Small Business Act“; dessen Ziel ist es, die Geschäftstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen im Binnenmarkt zu erleichtern34. Kleine und mittlere Unternehmen stellen nach ungenannten Quellen der Kommission über 99% aller Unternehmen in der EU; von diesen kleinen und mittleren Unternehmen tätigen jedoch nur 8% grenzüberschreitende Geschäfte, lediglich 5% verfügen über Beteiligungen im Ausland35. Durch die Erleichterung einer grenzüberschreitenden Betätigung im europäischen Binnenmarkt soll sich die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen erhöhen. Kosten für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen, die sich aus dem Erfordernis der Beachtung unterschiedlicher Rechtsordnungen ergeben, sollen gesenkt werden. Insbesondere soll eine EPG in allen Mitgliedstaaten nach den gleichen Vorschriften gegründet werden können. Zugleich soll die Rechtsform der EPG auch größeren Unternehmen Vorteile bieten, etwa durch die Möglichkeit, im Ausland tätige Tochtergesellschaften in der Rechtsform der EPG zu betreiben36.
31 KOM(2008) 369 – C6-0283/2008 – 2008/0130 (CNS), zugänglich über http://eu roparl.europa.eu. 32 Der EPG-VO-E stützt sich auf Art. 308 EGV a. F. (Art. 352 I 1 AEUV), der Einstimmigkeit im Europäischen Rat vorsieht. Dazu siehe ausführlich den Text bei Fn. 37 ff. in Teil 3. 33 Habersack, § 12 Rn. 4 f., § 4 Rn. 19. 34 Siehe die entsprechende Seite der EU-Kommission unter http://ec.europa.eu/enter prise/policies/sme/small-business-act/index_de.htm (Abgerufen am 15.08.2011). 35 Siehe dazu insgesamt die Begründung des EPG-VO-E, S. 2. 36 Vgl. dazu die Begründung des EPG-VO-E, S. 2.
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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II. Rechtsgrundlage 1. Art. 352 I 1AEUV (Art. 308 EGV a. F.) Der EPG-VO-E stützt sich ausdrücklich auf Art. 308 EGV a. F. als Rechtsgrundlage37, die „Flexibilitätsklausel“ 38 des ehemaligen EG-Vertrags. Die Regelung ist jetzt in Art. 352 I 1 AEUV enthalten, der zum 01.12.2009 in Kraft getreten ist. Art. 352 AEUV wird in seiner nichtamtlichen Überschrift treffend als das bezeichnet, was die Regelung des Art. 308 EGV a. F. faktisch seit Jahren gewesen ist39: eine „Kompetenzergänzungsklausel“. Diese Bestimmung vermittelt der EU40 in der verbreiteten äußerst weiten Auslegung41, die keinesfalls als gesichert gelten kann42, jedenfalls faktisch43 die Kompetenz-Kompetenz für Rechtsetzungs-
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Erwägungsgrund 18 zum EPG-VO-E; Begründung des EPG-VO-E, S. 3. Diese Bezeichnung der Regelung sah Art. I-18 des Entwurfs eines „Vertrags über eine Verfassung für Europa“ vor. Daß es sich bei der Bezeichnung als „Flexibilitätsklausel“ letztlich um einen Euphemismus handelt, der „positiv genug erscheint, um die Befürchtungen vor einer verfassungsimmanenten Ausdehnung der EU-Kompetenzen zu zerstreuen“, wird im Schrifttum freimütig eingeräumt; vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EGV Rn. 2, 12. 39 Auf Art. 308 EGV a. F. wurde in jüngerer Vergangenheit etwa die Verordnung zur Errichtung der Europäischen Agentur für Grundrechte gestützt, VO (EG) Nr. 168/2007 vom 15. 2. 2007; ABl. 2007 Nr. L 53, S. 1 ff., siehe Erwägungsgrund 31. Die Wahrung der Grund- und Menschenrechte stellt jedoch kein eigenständiges gemeinschaftsvertragliches Ziel dar, so daß eine Rechtssetzungsbefugnis für diese Verordnung fehlt (Schwartz, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rn. 28; zweifelnd auch Winkler, in: Grabitz/Hilf, Art. 308 EGV Rn. 121). Die Vorgängernorm des Art. 308 EGV a. F., der bis zum 30.04.1999 geltende Art. 253 EGV a. F., wurde seit 1973 wiederholt als vermeintliche Rechtsgrundlage für Maßnahmen in Politikbereichen herangezogen, die im EGV zum Zeitpunkt der jeweiligen Maßnahme überhaupt nicht erwähnt waren; dazu zählen etwa die Entwicklungshilfe- und die Sozialpolitik (Bungenberg, EuR 2000, 879, 884 f.). 40 Die Europäische Union wurde mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 01.12.2009 Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft, Art. 1 III 3 EUV. 41 Für eine enge Auslegung von Art. 308 EGV a. F. vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung Ludwigs, ZeuS 2004, 211, 218, vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips Haratsch/Koenig/Pechstein, Rn. 174, vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips Nicolaysen, S. 278. 42 Die sachlichen Grenzen des Art. 308 EGV a. F. sind trotz seiner enormen Bedeutung für die Verbandskompetenz der EU bislang weitgehend ungeklärt. Der EuGH hat sich bislang nahezu ausschließlich mit Fragen der Organkompetenz befasst; Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EGV Rn. 7. 43 Eine normative Kompetenz-Kompetenz wird im überwiegenden Schrifttum bestritten, siehe etwa Schwartz, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rn. 22; Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EGV Rn. 7; Haratsch/Koenig/Pechstein, Rn. 163; Bungenberg, EuR 2000, 879, 891. Das führt zu merkwürdigen Verrenkungen, um das im europhilen Schrifttum gewünschte Ergebnis „begründen“ zu können: Der (damalige) EGV dehne keine Kompetenzen aus, sondern diene der Wahrnehmung virtuell der Gemeinschaft zugewiesener Kompetenzen („compétences virtuelles“), Dewost in: Bieber/Ress, Dynamik, S. 340. 38
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
akte44. Das wird nun auch in Art. 352 III AEGV deutlich, der das im Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung45 angelegte Regel-Ausnahme-Prinzip vollends auf den Kopf stellt: „Die auf diesem Artikel beruhenden Maßnahmen dürfen keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den Fällen beinhalten, in denen die Verträge eine solche Harmonisierung ausschließen“. a) Voraussetzungen der Rechtsgrundlage Art. 308 EGV a. F. kann nach seinem Wortlaut Rechtsgrundlage einer Vorschrift sein, wenn keine spezielle europarechtliche Rechtsgrundlage besteht und das Tätigwerden der EG „erforderlich erscheint“, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen. Der Wortlaut des Art. 352 I 1 AEUV erweitert die Kompetenzen der jetzigen EU erheblich auf ein Tätigwerden im Rahmen sämtlicher in den Verträgen festgelegter Politikbereiche46. Immerhin bedarf es gemäß Art. 352 I 1 AEUV nun, anders als nach Art. 308 EGV a. F., nicht mehr nur der Anhörung, sondern der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Vorschrift im Sinne des Art. 308 EGV/Art. 352 I 1 AEUV kann jeder Rechtsakt der Kommission und des Europäischen Rats sein47. Die Vorschrift muß für die Zielerreichung geeignet sein48. Bei der Erforderlichkeit im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV handelt es sich um ein vom allgemeinen Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 II EGV bzw. Art. 5 I 2, III EUV zu unterscheidendes eigenes Tatbestandsmerkmal49. Erforderlich in diesem Sinne erscheint eine Vorschrift nach zutreffender Ansicht, wenn sie notwendige Bedingung der Zielerreichung ist50. Die Gegenansicht, die auf einen ganz unscharfen „Maßstab“ abstellen will („Vielmehr erscheint das Tä44 Auf eine durch Art. 352 AEUV drohende „nahezu uferlose Kompetenzausweitung“ und auf eine nicht bestreitbare „Gefahr einer Kompetenzüberdehnung“ weisen auch Haratsch/Koenig/Pechstein, Rn. 174, 163, hin. Eine Befugnis, die Grenzen der der Europäischen Union gesetzten Ziele und der ihnen etwa durch Art. 308 EGV (Art. 352 I 1 AEGV) zugewiesenen Befugnisse autonom zu bestimmen, wird im Schrifttum als formale oder richterliche Kompetenz-Kompetenz anerkannt (Hirsch, NJW 1996, 2457, 2465 f., 2462 mit Fn. 53; Schwartz, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rn. 25 m.w. N.). Damit würde offensichtlich der Bock zum Gärtner. 45 Art. 5 II 1 EUV. 46 Zutreffend Terhechte, EuZW 2009, 724, 727. Dies übersehen Hatje/Kind, NJW 2008, 1761, 1762 a. E., die von einer „eher geringe[n] Ausdehnung des Anwendungsbereichs“ des Art. 308 EGV a. F. sprechen. Zu den Politikbereichen der Europäischen Union siehe Artt. 3, 4, 6 AEUV und Artt. 4, 20 ff. EUV. 47 Schwartz, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rn. 204 ff. Art. 352 I 1 AEUV weist denselben Wortlaut auf. Daß in Art. 352 III AEUV statt von „Vorschriften“ von „Maßnahmen“ die Rede ist, dürfte insoweit keinen Unterschied begründen. 48 Art. 308 a. E. EGV bzw. Art. 352 I 1 a. E. AEUV. 49 Insoweit zutreffend Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 Rn. 58. f. m.w. N. 50 Winkler, in: Grabitz/Hilf, Art. 308 EGV Rn. 84; ähnlich Schwartz, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rn. 39, 36 ff.
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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tigwerden der Gemeinschaft in einem relativen Sinne um so erforderlicher, je größer die Diskrepanz zwischen einem Ziel und seiner Verwirklichung ist und je länger diese Diskrepanz andauert“)51, ist abzulehnen. Mit einer derartigen Aufweichung der Erforderlichkeit würde dieses Tatbestandsmerkmal jeder Bedeutung beraubt. Gerade in Anbetracht der Erweiterung der Ziele, zu deren Verwirklichung eine Vorschrift nunmehr auf Art. 352 AEUV gestützt werden kann, wäre letztlich jede Maßnahme irgendwie „erforderlich“. Das hier verfolgte Ziel ist die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt52. Als hierauf gerichtete Maßnahme hat die Kommission die europaweite Einführung der Rechtsform der EPG durch den Erlaß einer entsprechenden Verordnung gewählt. Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV ist nur dann eine tragfähige Rechtsgrundlage dieser Verordnung, wenn jede einzelne Regelung oder doch der ganz wesentliche Teil der Verordnung53 für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt notwendig und geeignet ist. b) Regelungen des Kommissionsentwurfs Der Entwurf der Kommission enthält verschiedene Regelungen, deren Notwendigkeit (i. e. S.) für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt besonders fraglich erscheint. Insbesondere sieht Art. 5 I Buchst. a EPG-VO-E vor, daß eine EPG nicht nur durch Umwandlung, sondern auch durch Neugründung entstehen kann54. Artt. 35–38 EPG-VOE enthalten umfangreiche Regelungen, welche die Verlegung des eingetragenen Sitzes der EPG dadurch erleichtern sollen, daß sie ein abschließendes Regime bilden55. Zudem sehen Artt. 3 und 5 EPG-VO-E, welche die einzelnen Voraussetzungen der Gründung einer EPG regeln, hierfür keinerlei grenzüberschreitenden Bezug vor. 51
Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 Rn. 44. Siehe den Text bei Fn. 33 ff. in Teil 3. 53 Vgl. Herdegen, Rn. 59: „Die Inanspruchnahme der Kompetenzausweitung nach Art. 308 [EGV a. F.] darf nur dann erfolgen, wenn ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich ist“ [Hervorh. durch mich]. „Tätigwerden“ ist in diesem Zusammenhang der Erlaß der EPG-Verordnung. Daß die gesamte Verordnung oder doch ihr ganz wesentlicher Teil erforderlich, d.h. notwendig und geeignet sein muß, folgt aus der Überlegung, daß der Verordnungsgeber seine – begrenzte – Kompetenz aus Art. 308 EGV a. F. bzw. Art. 352 AEUV ansonsten noch stärker überdehnen könnte, indem er (auch sachlich nicht zusammenhängende) erforderliche und nicht erforderliche Regelungen willkürlich in einer Verordnung regelte, um letztere Regelungen durch erstere zu „rechtfertigen“. 54 Auch als Gründung „ex nihilo“ bezeichnet. Siehe dazu den Text bei Fn. 236 ff. in Teil 3. 55 „Das Verlegungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen für die Verlegung des eingetragenen Sitzes der SE-Verordnung“, Begründung des EPG-VO-E, S. 10 a. E. 52
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
c) Regelungen nach Forderung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament verlangt dagegen einen grenzüberschreitenden Bezug jeder EPG. Dieser soll zwar nicht Voraussetzung der Gründung einer EPG sein, aber zwei Jahre nach ihrer Eintragung vorliegen müssen56. Ob dies der Fall ist, soll gemeinsam von der Kommission und den Mitgliedstaaten überprüft werden57. Ein hinreichender grenzüberschreitender Bezug der EPG sei gegeben, wenn spätestens zwei Jahre nach ihrer Eintragung wenigstens die Absicht besteht, grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen oder in mehr als einem Mitgliedstaat in erheblichem Umfang tätig zu sein58. Gleiches soll gelten, wenn die EPG Niederlassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten aufweist oder als Tochter einer in einem anderen Mitgliedstaat eingetragenen Gesellschaft gegründet wurde59. Fehlt auch zwei Jahre nach der Gründung noch ein solcher grenzüberschreitender Bezug der EPG, „wird sie in die entsprechende nationale Rechtsform umgewandelt“ 60. Eine Änderung der Möglichkeit der Neugründung einer EPG gemäß Art. 5 I Buchst. a EPG-VO-E verlangt das Europäische Parlament nicht61. Betreffend die vereinfachte Sitzverlegung nach Artt. 35 ff. EPG-VO-E fordert das Europäische Parlament lediglich unwesentliche redaktionelle Änderungen62. d) Beurteilung aa) Notwendigkeit der Schaffung der Rechtsform der EPG? Für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt ist schon die Schaffung der Rechtsform der EPG nicht notwendig im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV. Insoweit geht die dem EPG-VO-E zugrundeliegende63, von der Kommission erstellte 41seitige „Folgenabschätzung“ von einer falschen Tatsachengrundlage aus64. Darin heißt es: „SMEs [scil.: kleine und mittlere Unternehmen] expanding in the Single Market have to choose a different company form in each Member State. As a result, they will have to operate under a different internal organisa56
Legislative Entschließung, Abänderung 1 (zu Erwägungsgrund 2a). Legislative Entschließung, Abänderung 1 (zu Erwägungsgrund 2a). 58 Legislative Entschließung, Abänderung 70 (zu Art. 3 I Buchst. ea n. F.). 59 Legislative Entschließung, Abänderung 70 (zu Art. 3 I Buchst. ea n. F.). 60 Legislative Entschließung, Abänderung 21 (zu Art. 9 IIIa S. 3 n. F.). 61 Vgl. Legislative Entschließung, Abänderung 15 ff. 62 Vgl. Legislative Entschließung, Abänderung 56 ff. 63 Begründung des EPG-VO-E, S. 5 f. 64 Darauf weist auch die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 3, hin. 57
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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tion and different articles of association in each Member State“ 65. Die Kommission übergeht dabei augenscheinlich die Zweigniederlassungsrichtlinie, nach deren Umsetzung in nationales Recht Unternehmen bereits seit Jahren Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten gründen können. Zudem verkennt die Kommission die mit der „Centros“-Entscheidung eingeleitete Rechtsprechung des EuGH66. In deren Folge ist es Unternehmen möglich, Tochtergesellschaften nach dem Recht des heimischen Mitgliedstaats zu gründen und anschließend deren Verwaltungssitz in den Mitgliedstaat zu verlegen, in welchem die jeweilige Tochtergesellschaft ihre Tätigkeit entfaltet. Das ist seit Inkrafttreten des MoMiG auch bei einer GmbH möglich67. Daneben kann ein Unternehmen hierfür auch jede andere Rechtsform eines Mitgliedstaats einsetzen. Das gilt insbesondere für die Rechtsform der Limited, die mittlerweile auch außerhalb Englands weit verbreitet ist68. Diese von der Kommission in ihrer „Folgenabschätzung“ – die sich wie eine vom gewünschten Ergebnis her argumentierende Apologie der EPG liest69 – nicht berücksichtigten Möglichkeiten stehen einer Notwendigkeit der Rechtsform der EPG entgegen. Das gilt um so mehr, als die Kommission das angebliche Bedürfnis kleiner und mittelständischer Unternehmen – das heißt solche mit einer Beschäftigtenzahl von unter 250 Mitarbeitern70 – nach einer EPG aus zwei Befragungen ableitet, auf die gerade einmal rund 3571 bzw. rund 37072 Antworten eingingen, welche kleinen und mittelständischen Unternehmen zugeordnet wer65 Commission Staff Working Document accompanying the Proposal for a Council Regulation on the Statute for a European Private Company (SPE) – Impact assessment, COM(2008) 396, SEC(2008) 2099 (im Folgenden Impact Assessment), S. 10. Unzutreffend auch S. 15: „company founders still have to set up and run companies under a different national company form in each Member State“. 66 EuGH, Urteil vom 09.03.1999, Rs. C-212/97 („Centros“), NJW 1999, 2027; Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00 („Überseering“), NJW 2002, 3614; Urteil vom 30.09. 2003, Rs. C-167/01 („Inspire Art“), NJW 2003, 3331. 67 § 4a GmbHG. 68 Siehe Fn. 12 f. 69 Vgl. etwa Impact Assessment, S. 13 ff. Besonders deutlich wird dies etwa, wenn das Papier im Hinblick auf die Entwicklung der Zahl der Auslandsgesellschaften feststellt, „the number of Private Limited Companies from all Member States incorporating in the UK per year increased by 560% after the Centros judgement of the ECJ“ (S. 14), ohne dies im folgenden „Assessment“ als Argument gegen die Notwendigkeit der Einführung einer EPG zu berücksichtigen. 70 Impact Assessment, S. 4 mit Fn. 2, S. 5. 71 „Synthesis of the Comments on the Consultation Document of the Internal Market and Services Directorate-General on a Possible Statute for a European Private Company“, zugänglich unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/epc/consul tation_report.pdf, S. 2. Die übrigen Antworten stammen etwa von Berufsträgern wie Rechtsanwälten und Wirtschafsprüfern. 72 „Antwortstatistiken für Europäische Privatgesellschaft“, zugänglich unter http:// ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/consultations/epc/epc_de.pdf, S. 1.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
den können73. Das ist bei einer Zahl von europaweit rund 23.000.000 derartigen Unternehmen74 überaus unseriös. Zudem sind die Ergebnisse der Befragungen nicht repräsentativ: Es ist mit der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Mühen der Beantwortung der Fragenkataloge im wesentlichen nur diejenigen Unternehmen auf sich nahmen, die tatsächlich ein eigenes Interesse an der Einführung der EPG hatten. Selbst von den Unternehmen, die als Mitglieder des „European Business Test Panel (EBTP)“ zur Teilnahme an der zweiten Befragung verpflichtet waren, beteiligten sich nur rund 14%75. Dadurch dürfte das Ergebnis weiter verfälscht worden sein. Im übrigen spricht auch dieses geringe Interesse an der Befragung zur EPG gegen ein allgemeines Bedürfnis nach dieser Rechtsform. Im übrigen meint „notwendig“ im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV mehr als nur „für interessierte Kreise wünschenswert“. Bleiben Zweifel an der Notwendigkeit einer Regelung auf europäischer Ebene, so liegen die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsnormen nicht vor. Selbstverständlich gilt keine Beweislastumkehr zugunsten einer europäischen Regelung dergestalt, daß ihre fehlende Notwendigkeit darzutun wäre. bb) Notwendigkeit der Ermöglichung der Neugründung einer EPG? Darüber hinaus ist auch die in Art. 5 I Buchst. a EPG-VO-E von der Kommission vorgesehene und vom Europäischen Parlaments hingenommene Möglichkeit der Neugründung von Gesellschaften in der Rechtsform der EPG für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt nicht notwendig gemäß Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV. Der Verordnungsgeber selbst hat diese Frage erst 2001 für die supranationale Rechtsform der SE – die sich auch für kleine und mittlere Unternehmen eignet76 73
Impact Assessment, S. 5. Diese Zahl nennt die Kommission in ihrer Presseerklärung vom 23.05.2008 anläßlich der Vorstellung des EPG-VO-E (Dok. Nr. IP/08/1003, zugänglich unter http://eu ropa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/1003&format=PDF&aged=0& language=DE&guiLanguage=en, S. 1 (abgerufen am 15.08.2011). 75 Am EBTP, das der regelmäßigen Befragung von Unternehmen zu rechtspolitischen Fragen dient, nehmen 3.600 Unternehmen teil (siehe die Netzseite der Kommission unter http://ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/faqs/index_en.htm, dort unter 1. und 8.). Von diesen 3.600 Unternehmen beteiligten sich lediglich 517 an der Befragung zur EPG („European Business Test Panel (EBTP) – European survey on European Private Company“, zugänglich unter http://ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/docs/epc_report_en. pdf, S. 1). 76 Lutter/Kollmorgen/Feldhaus, BB 2005, 2473; Habersack, § 12 Rn. 5. Die Anpassung an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen kann insbesondere durch die Wahl des monistischen Systems mit einem einheitlichen Verwaltungsorgan (Artt. 43 ff. SE-VO) erfolgen. Zur weiteren Satzungsgestaltung einer kleinen oder mittleren SE siehe ausführlich Lutter/Kollmorgen/Feldhaus, BB 2005, S. 2474 ff. 74
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– in diesem Sinne entschieden: Die ebenfalls auf Art. 308 EGV a. F. gestützte SEVO77 gestattet die Neugründung einer SE nicht78 und erschwert den Zugang zur Rechtsform der SE dadurch erheblich79. Dennoch soll die Schaffung der Rechtsform der SE ausweislich der Erwägungsgründe der SE-VO der Verwirklichung des Binnenmarkts dienen80. Im Hinblick auf die EPG geht die Kommission ausdrücklich selbst davon aus, daß eine neugegründete EPG in der ersten Zeit ihres Bestehens regelmäßig ausschließlich im Mitgliedstaat tätig ist, in welchem sie gegründet wurde81. Vor diesem Hintergrund ist es für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt – wenn man die Notwendigkeit der EPG als solcher annimmt – nicht notwendig, die Neugründung einer EPG zuzulassen. Vielmehr erscheint es hinreichend, im Zeitpunkt der Entfaltung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit der Gesellschaft82 eine derivative Gründung durch Umwandlung zuzulassen. Diese könnte durch eine Abspaltung des grenzüberschreitenden Geschäftsbetriebs der nach nationalem Recht gegründeten Ursprungsgesellschaft auf eine dadurch entstehende EPG oder im Wege der in Art. 2 SE-VO geregelten Umwandlungsvorgänge erfolgen. cc) Notwendigkeit der vereinfachten Sitzverlegung? Nicht notwendig im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV sind jedenfalls die formalisierten Regelungen der Artt. 35-38 EPG-VO-E zur vereinfachten Verlegung des eingetragenen Sitzes der EPG: Wenn bereits die – unabhängig vom eingetragenen Sitz der Gesellschaft europaweit geltenden83 – Bestimmungen des EPG-VO-E den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt erleichterten, gälte dies unabhängig von einer Erleichterung der Verlegung des eingetragenen Sitzes der EPG in einen bestimmten Mitgliedstaat; die Artt. 35–38 EPG-VO-E wären nicht notwendig. Erleichterten aber die sonstigen Regelungen des EPG-VO-E den Zugang zum Binnenmarkt nicht, so wären die sonstigen Regelungen des EPG-VO-E nicht notwendig im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV. Etwas anderes gälte nur, wenn gerade das Zusammentreffen der Regelungen über die Sitzverlegungung mit den sonstigen Regeln des EPG-VO-E notwendig wäre, um den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt zu erleichtern. Dies behauptet indes selbst die Kommis-
77 78 79 80 81 82 83
Siehe Erwägungsgrund 28 der SE-VO. Habersack, ZIP 2006, 445, 450. Arg. e contrario Art. 2 I–IV SE-VO. SE-VO, Erwägungsgründe 1, 6 f. Begründung des EPG-VO-E, S. 3. Hierzu siehe sogleich den Text bei Fn. 85 ff. in Teil 3. Art. 4 EPG-VO-E i.V. m. Art. 288 II AEUV.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
sion in der Begründung des EPG-VO-E nicht: „Damit die Unternehmen von sämtlichen Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können, sollte eine SPE ihren Sitz und ihre Hauptniederlassung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben und ihren Sitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlagern können, ohne unbedingt auch die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung verlegen zu müssen“ 84. Dieser Zweck der Artt. 35–38 EPG-VO-E zur vereinfachten Verlegung des eingetragenen Sitzes der EPG geht also weit über die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt hinaus. dd) Notwendigkeit der Zulassung der Gründung bei rein nationalen Sachverhalten? Nicht notwendig für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt sind auch Artt. 3 und 5 EPG-VO-E. Diese Normen lassen es zu, daß die Gründungsgesellschafter nicht aus verschiedenen Mitgliedstaaten stammen und auch nicht vorhaben müssen, grenzüberschreitende Geschäfte aufzunehmen85. Damit steht die Rechtsform der EPG etwa auch dem Inhaber einer Imbißbude in Bottrop mit ausschließlich ortsansässiger Kundschaft zur Verfügung. Mit „Binnenmarkt“ hat dies offensichtlich nichts zu tun. Das gesteht auch die Begründung des EPG-VO-E freimütig ein. Diese geht davon aus, daß neugegründete EPGs „in der Praxis“ erst im Herkunftsstaat ihrer Gründungsgesellschafter und dann in anderen Mitgliedstaaten tätig werden86. Dabei würde natürlich „eine grenzübergreifende Anforderung in der Startphase . . . das Potenzial des Instruments mindern“ 87. Der EPG-VO-E schafft damit eine supranationale Rechtsform ohne Supranationalität. Hierdurch weicht der EPG-VO-E erheblich von dem bisherigen Sekundärrecht ab. Die SE-VO setzt für die Gründung einer SE im Wege der Verschmelzung voraus, daß die beteiligten Gesellschaften mindestens zwei verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen88. Auch die weiteren Möglichkeiten der Gründung einer SE erfordern einen grenzüberschreitenden Bezug89. Entsprechendes gilt für die Europäische Genossenschaft (SCE)90 und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)91. Damit setzt die Gründung sämtlicher bereits einge84
Erwägungsgrund 4 des EPG-VO-E; Hervorh. von mir. So ausdrücklich die Begründung des EPG-VO-E, S. 3. 86 Begründung des EPG-VO-E, S. 3. 87 Begründung des EPG-VO-E, S. 3. 88 Art. 2 I SE-VO. 89 Art. 2 II–V SE-VO. 90 Art. 2 I der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), im Folgenden SCE-VO. 91 Art. 4 II der Verordnung Nr. 85/2137/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl. 1985 Nr. L 199, S. 1 ff., im Folgenden EWIV-VO. 85
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führter europäischer Rechtsformen einen grenzüberschreitenden Bezug voraus. Bereits aus diesem Grund ist eine jüngere Entscheidung des EuGH zur SCE, wonach Art. 308 EGV a. F. taugliche Rechtsgrundlage der SCE-VO-E sei92, für die EPG ohne Bedeutung93. Den Verzicht auf einen grenzüberschreitenden Bezug für die Gründung einer EPG nimmt denn auch die Kommission als inkonsequent wahr, wenn sie in der Begründung des EPG-VO-E ausführt, „mit dem Vorschlag soll der Binnenmarkt . . . zugänglicher gemacht werden . . . Dennoch knüpft der Vorschlag die Gründung einer SPE nicht an eine grenzübergreifende Anforderung“ 94. Diese bewußte Inkonsequenz des EPG-VO-E begründet die Kommission auch damit, daß „eine grenzübergreifende Anforderung . . . leicht umgangen werden und ihre Kontrolle und rechtliche Durchsetzung . . . die Mitgliedstaaten ungebührlich belasten“ könnte95. Warum das beim Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs der EPG, nicht aber bei dem von SE, SCE und EWIV der Fall sein soll – und die Beteiligten dort anscheinend nicht vor unüberwindbare Hürden stellt –, erschließt sich nicht. Im übrigen hängt die Praktikabilität des Erfordernisses eines grenzüberschreitenden Bezugs selbstverständlich ganz von seiner Ausgestaltung ab. Insoweit sind die Forderungen des Europäischen Parlaments völlig untauglich. Auch unter deren Berücksichtigung fehlt es an der Notwendigkeit der Artt. 3, 5 EPG-VO-E. Zwar verlangt das Europäische Parlament einen grenzüberschreitenden Bezug der EPG. Da dieser aber keine Gründungsvoraussetzung sein soll, sondern erst zwei Jahre nach Eintragung der EPG vorliegen muß96, ist auch ein solchermaßen geänderter Art. 3 I der zukünftigen Verordnung nicht notwendig für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt. Zudem sind zwei der im Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments aufgezählten vier Fälle eines grenzüberschreitenden Bezugs schlicht nicht überprüfbar. Ob spätestens zwei Jahre nach Eintragung der EPG die „Absicht“ besteht, entweder grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen oder in mehr als ei92
EuGH, Urteil vom 02.05.2006, Rs. C-436/03, BeckRS 2006, 70356, Rn. 44 ff. Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 152 übersehen diesen wesentlichen Unterschied, wenn sie meinen, die Heranziehung von Art. 308 EGV a. F. als Rechtsgrundlage des EPG-VO-E entspreche neuerer Rechtsprechung des EuGH. Die Autoren widersprechen ihrer Einschätzung indes sogleich, wenn sie wenige Zeilen später feststellen, daß alle supranationalen Rechtsformen, anders als die EPG, einen grenzüberschreitenden Bezug erfordern. 94 Begründung des EPG-VO-E, S. 3; Hervorh. von mir. 95 Begründung des EPG-VO-E, S. 3. 96 Legislative Entschließung, Abänderung 1 (zu Erwägungsgrund 2a). Die in Abänderung 22 (zu Art. 10) angesprochenen Angaben bei der Anmeldung der EPG – die Umschreibung eines auf grenzüberschreitende Geschäfte oder eine Tätigkeit in mehr als einem Mitgliedstaat in erheblichem Umfang gerichteten Unternehmensgegenstand – haben nur zu erfolgen, sofern ein solcher bereits gegeben ist (Artikel 10 II Buchst. ba (sic) n. F.). 93
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
nem Mitgliedstaat in erheblichem Umfang tätig zu sein, läßt sich nicht rechtssicher bestimmen. Dazu trägt auch bei, daß das Europäischen Parlament nicht in der Lage war, den Bezugspunkt dieser „Absicht“ festzulegen. Als solcher kommt wahlweise die Gesellschafterversammlung, ein Gesellschafter, die Geschäftsleitung der EPG, ein Geschäftsleiter oder etwa auch ein leitender Mitarbeiter des Einkaufs oder Vertriebs in Betracht. Weiter erscheint die vom Europäischen Parlament vorgesehene Art und Weise der Überprüfung des grenzüberschreitenden Bezugs lebensfremd. Die nach nationalem Recht zuständigen Register sollen jede Eintragung einer EPG sowie sämtliche späteren Änderungen der Eintragung an ein „europäisches Register“ übermitteln97. Mit einer solchen Verdoppelung der bereits auf nationaler Ebene gespeicherten Daten ist ein enormer bürokratischer Aufwand verbunden. Gleiches gilt für die der Kommission obliegende „Überwachung“ der in diesem „europäischen Register“ gespeicherten Daten98. Zudem dürfte die vorgesehene Mitwirkung der Mitgliedstaaten an der Überprüfung des grenzüberschreitenden Bezugs99 regelmäßig einen Interessenkonflikt dergestalt bedingen, daß die Kommission den grenzüberschreitenden Bezug eher bejahen, der jeweilige Mitgliedstaat eher verneinen dürfte. Schließlich begründet die vom Europäischen Parlament für den Fall des Fehlens eines grenzüberschreitenden Bezugs ersonnene Rechtsfolge der Umwandlung der EPG in die „entsprechende nationale Rechtsform“ 100 unüberwindbare Schwierigkeiten. Dieser Formwechsel soll offenbar ipso iure erfolgen („wird [die EPG] in die entsprechende nationale Rechtsform umgewandelt“ 101). An Regelungen für die Handhabung eines derartigen Zwangsformwechsels fehlt es jedoch im EPG-VO-E. Das Recht der Mitgliedstaaten, das gemäß Art. 39 EPG-VO-E für Umwandlungsvorgänge im Allgemeinen gilt, erfaßt auch nach Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie 102 den Fall eines Zwangsformwechsels nicht. So kennt etwa das UmwG den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform kraft Gesetzes nicht103. Zudem ist in verschiedenen Mitgliedstaaten unklar, welches denn die der EPG entsprechende nationale
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Legislative Entschließung, Abänderung 21 (zu Art. 9 IIIa 1 n. F.). Legislative Entschließung, Abänderung 21 (zu Art. 9 IIIa 2 n. F.). 99 Legislative Entschließung, Abänderung 1 (zu Erwägungsgrund 2a). 100 Legislative Entschließung, Abänderung 21 (zu Art. 9 IIIa 3 n. F.). 101 Legislative Entschließung, Abänderung 21 (zu Art. 9 IIIa 3 n. F.). 102 Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. 2005 Nr. L 310, S. 1 ff.), im Folgenden als Verschmelzungsrichtlinie zitiert. 103 §§ 226, 240 I 1 UmwG setzen für einen Formwechsel einen Gesellschafterbeschluß voraus. Dieser muß auch den neuen Gesellschaftsvertrag enthalten, §§ 218 I, 243 I 1 UmwG. 98
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Rechtsform sein soll104. In Spanien kommen hierfür sowohl die Sociedad de Responsabilidad Limitada (S.L.), als auch die Sociedad Limitada Nueva Empresa (S.L.N.E.) in Frage, in Frankreich die Société à responsabilité limitée (S.à.r.l.) und die Société par actions simplifiée (S.A.S.). In der Praxis ist die Rechtsfolge eines Zwangsformwechsels auch deswegen nicht handhabbar, weil nach den Erfahrungen mit der Vielzahl rein national tätiger Limiteds105 eine erhebliche Zahl von EPGs zu erwarten ist, die auch nach zwei Jahren keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen und damit laufend umgewandelt würden. Dies dürfte die zuständigen Register, Gläubiger und Gesellschafter gleichermaßen überfordern. ee) Geeignetheit des EPG-VO-E? Es erscheint überdies zweifelhaft, ob der EPG-VO-E überhaupt im Sinne des Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV geeignet ist, den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt zu erleichtern. Der EPG-VO-E vereinheitlicht weder die auf die EPG anwendbaren Buchführungs-106 und Rechnungslegungsregeln107 noch die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Arbeitnehmermitbestimmung108, das Steuerrecht109 oder das Insolvenzrecht110. Damit unterliegen gerade solche Bereiche weiterhin dem Recht von 27 Mitgliedstaaten, die für kleine (insbesondere die Buchführungs- und Rechnungslegungsvorschriften) und mittlere Unternehmen (insbesondere die Regeln über die Arbeitnehmermitbestimmung) besonderen Aufwand bedeuten111. Auch ist die Anwendbarkeit und die Reichweite des nationalen Rechts neben dem EPG-VO-E im Einzelnen unklar112, was einen erhöhten laufenden Beratungsaufwand sowie Rechtsunsicherheit zur Folge hat113. Gleiches gilt für den weitgehenden Verzicht auf dispositives Recht im EPG-VO-E114; die stattdessen den Gesellschaftern in Anhang I des EPG-VO-E überantworteten 44 Regelungs104
Dies gilt nicht für Deutschland, da eine Kapitalgesellschaft mit einem Stammkapital von weniger als 25.000 A nur in eine UG (§ 5a I GmbHG), eine Gesellschaft mit einem Stammkapital von wenigstens 25.000 A nur in eine GmbH umgewandelt werden könnte (§ 5a V GmbHG). § 5a V Hs. 2 GmbHG könnte – unabhängig von dem fehlenden Bedürfnis hierfür – keine Anwendung finden, da die Firma als UG mangels vorheriger solcher Firma nicht „beibehalten“ werden kann. 105 Vgl. den Text bei Fn. 11 ff. in Teil 1. 106 Art. 25 II EPG-VO-E. 107 Art. 25 I EPG-VO-E. 108 Art. 34 I EPG-VO-E. 109 Erwägungsgrund 6 des EPG-VO-E; Begründung des EPG-VO-E, S. 7, 2. 110 Art. 40 III EPG-VO-E. 111 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 3. 112 Siehe den Text bei Fn. 205 ff. in Teil 3. 113 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 3, 5. 114 Siehe den Text bei Fn. 205 ff. in Teil 3.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
aufträge werden gerade die Gesellschafter zukünftiger kleiner und mittlerer Unternehmen regelmäßig überfordern115. Das gilt um so mehr, als es – anders als für die GmbH116 – an einer amtlichen Mustersatzung fehlt117. Die nichtamtliche EPG-Mustersatzung umfaßt immerhin 10 DIN-A4-Seiten118; die amtliche Mustersatzung der GmbH kommt bei einem Gründungsgesellschafter mit einer Seite, bei zwei und drei Gründungsgesellschaftern mit zwei DIN-A4-Seiten aus119. Die Überforderung der Gesellschafter wird entweder die Hinzuziehung von Rechtsberatern bei der Gründung, verbunden mit erhöhten Kosten, oder aber Regelungslücken in der Satzung zur Folge haben120. Diese Umstände lassen die Gründung einer EPG im Vergleich zur Errichtung einer Zweigniederlassung im Zielstaat oder dem Rückgriff auf die dort einschlägige Rechtsform kaum als leichter erscheinen. Das Selbstlob der Kommission, die glaubt, der EPG-VO-E sei „auf die spezifischen Bedürfnisse von KMU [scil.: kleinen und mittleren Unternehmen] zugeschnitten“ und „gestatt[e] den Unternehmern, in allen Mitgliedstaaten gemäß den gleichen einfachen und flexiblen Gesellschaftsrechtsvorschriften eine SPE zu gründen“ 121, findet in der Wirklichkeit nur eine schwache Stütze. Wenn der EPG-VO-E „auf eine Senkung der Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ab[zielt], die sich aus den Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ergeben“ 122, ist die Eignung des EPG-VO-E zur Ereichung dieses Ziels sehr fraglich. ff) Ergebnis Artt. 3, 5 und 35 ff. sind in der Fassung des EPG-VO-E und in der des Europäischen Parlaments weder gemäß Art. 308 EGV a. F. für die Erreichung eines Ziels im Rahmen des Gemeinsamen Marktes – insbesondere nicht für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt – noch für die Erreichung der in Art. 352 I 1 AEUV in Bezug genommenen weiteren Ziele notwendig123. Sie erscheinen mithin nicht als erforderlich im Sinne die115
Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 4. § 2 Ia GmbHG i.V. m. der Anlage zum GmbHG. 117 Siehe den Text bei Fn. 169 in Teil 3. 118 Siehe den Text bei Fn. 168 in Teil 3. 119 Vgl. die Anlage zu § 2 Ia GmbHG. 120 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 4. 121 Begründung des EPG-VO-E, S. 2. 122 Begründung des EPG-VO-E, S. 2. 123 Insbesondere nicht für die Politikbereiche der Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln (ausschließliche Zuständigkeit der EU gemäß Art. 3 I Buchst. b AEUV) oder allgemein des Binnenmarkts (mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit der EU gemäß Art. 4 II Buchst. a AEUV) oder des wirtschaftlichen Zusammenhalts (mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit der 116
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ser Vorschriften. Zudem ist die Eignung der Regelungen zur Zielerreichung überaus zweifelhaft. Die zukünftige Verordnung findet in ihrer derzeitigen Fassung in Art. 308 EGV bzw. Art. 352 I 1 AEUV folglich keine Rechtsgrundlage124. 2. Andere Rechtsgrundlagen Andere Rechtsgrundlagen für den EPG-VO-E sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist Art. 50 II Buchst. g AEUV (Art. 44 II Buchst. g EGV a. F.) nicht einschlägig, da dieser gemäß Art. 50 I AEUV (Art. 44 I EGV a. F.) lediglich zum Erlaß von Richtlinien befugt. Zum Erlaß von Verordnungen ermächtigt zwar Art. 114 AEUV (Art. 95 EGV a. F.); diese Vorschrift erfaßt jedoch nur die „Angleichung“ der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten125. Der Erlaß von Regelungen, die das Recht der Mitgliedstaaten ergänzen, ist von dieser Norm nicht gedeckt; das betrifft gerade auch die Einführung europäischer Rechtsformen, die neben das weiterhin anwendbare Recht der Mitgliedstaaten treten126. Art. 292 S. 4 AEUV (Art. 211 EGV a. F.) schließlich eignet sich ebensowenig als Rechtsgrundlage für den EPG-VO-E. Die Empfehlungen der Kommission nach dieser Vorschrift haben gemäß Art. 288 V AEUV (Art. 249 IV EGV a. F.) ausdrücklich keine bindende Wirkung – was indes den (systemisch europhilen) EuGH nicht daran hindert, Empfehlungen als für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts verbindlich zu betrachten127. 3. Zwischenergebnis Der gegenwärtigen Fassung des EPG-VO-E fehlt eine Rechtsgrundlage für die Schaffung der Rechtsform der EPG. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Änderungsverlangens des Europäischen Parlaments. Der EPG-VO-E erfüllt die EU gemäß Art. 4 II Buchst. c f. 1 AEUV). Vgl. ferner Artt. 3, 4, 6 AEUV und Artt. 4, 20 ff. EUV. 124 So im Ergebnis auch Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 900 f. (anders aber dies., DStR 2008, 925, 928 f.); kritisch auch die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 2 ff.; Krejci, Rn. 49; zweifelnd Peters/Wüllrich, DB 2008, 2179, 2180; a. A. Brems/Cannivé, DK 2008, 629, 632 f.; ohne jede Begründung a. A. Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 520 f. 125 Art. 95 I 2 EGV a. F. 126 So zur Europäischen Genossenschaft (SCE) EuGH, Urt. v. 02.05.2006, Rs. C436/03, BeckRS 2006 70356, Rn. 43 ff.; Tietje, in: Grabitz/Hilf, Art. 95 Rn. 52; unklar Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, Art. 95 Rn. 40 f. 127 EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. C-322/88, Slg. 1989, 4407, insbesondere Rn. 18 („Die innerstaatlichen Gerichte sind nämlich verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen.“).
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Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des Art. 352 I 1 AEUV nicht. Insbesondere sind Artt. 35 ff. EPG-VO-E zur vereinfachten Aufspaltung des eingetragenen Sitzes und des Verwaltungssitzes der EPG nicht notwendig im Sinne des Art. 352 I 1 AEUV. In Anbetracht der offiziellen Begründung, durch Artt. 35 ff. EPG-VO-E sollten „Unternehmen von sämtlichen Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können“ 128, entsteht der Eindruck, die Kommission beabsichtige nach der durch den EuGH angestoßenen129 „race for the bottom“ 130 der europäischen Gesellschaftsrechte nun nichts weniger als eine „race for the bottom“ der europäischen Verkehrsrechte. Denn die vereinfachte Sitzspaltung erleichtert außer der Wahl eines (stets neben dem EPG-VO-E anwendbaren131) nationalen Gesellschaftsstatuts mit vergleichsweise gering ausgeformtem Schutz des Rechtsverkehrs auch die Wahl eines – zudem nicht auf das Gesellschaftsstatut abgestimmten – anderen nationalen Insolvenzstatuts mit ebenfalls niedrigem Schutzniveau132. Eine solche Rosinenpickerei ist für die Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zum Binnenmarkt nicht notwendig, sondern stellt eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten derjenigen Unternehmen dar, die eine Sitzspaltung nicht umsetzen können. Die Artt. 35–38 EPG-VO-E in ihrer jetzigen Form müßten daher gestrichen werden. Außerdem sind die bislang vorgesehenen Möglichkeiten der Gründung einer EPG dahin zu begrenzen, daß diese (i) ausschließlich durch Umwandlungsvorgänge (ii) mit einem grenzüberschreitenden Bezug erfolgen kann. Nur ein solcher läßt sich – etwa bei der Gründung einer EPG durch Verschmelzung zweier dem Recht unterschiedlicher Mitgliedstaaten unterliegender Gesellschaften – einfach und rechtssicher feststellen.
III. Rechtsquellen Das auf die EPG anwendbare Recht ergibt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtsquellen. Diese lassen sich in einem ersten Schritt in den EPG-VO-E 128
Erwägungsgrund 4 des EPG-VO-E. Siehe nochmals EuGH, Urteil vom 09.03.1999, Rs. C-212/97 („Centros“), NJW 1999, 2027; Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00 („Überseering“), NJW 2002, 3614; Urteil vom 30.09.2003, Rs. C-167/01 („Inspire Art“), NJW 2003, 3331. 130 Diese treffende Umschreibung, die häufig fälschlicherweise als „race to the bottom“ wiedergegeben wird, geht auf Carey, 4 Yale L.J. 663, 666 (1974), zurück. 131 Neben dem EPG-VO-E kommt das Gesellschaftsrecht des Mitgliedstaats, in dem sich der eingetragene Sitz der EPG befindet, zur Anwendung; siehe sogleich den Text bei Fn. 136 ff., 197 in Teil 3. 132 Der EPG-VO-E verweist in Art. 40 III für das Insolvenzrecht auf die EUInsVO. Diese stellt in Artt. 4 I, 3 I auf den „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ des Schuldners ab („COMI“, siehe bereits den Text bei Fn. 1217 in Teil 2). Dieser „Mittelpunkt“ wird oftmals dem Verwaltungssitz der EPG entsprechen, wodurch letztlich das materielle Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem sich der Verwaltungssitz befindet, zur Anwendung kommt. 129
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selbst, die Satzung der EPG und das Recht des Mitgliedstaats, in welchem sich der eingetragene Sitz der EPG befindet, unterteilen. Diese drei133 Rechtsquellen werden durch verschiedene Verweisungstechniken in Bezug genommen und stehen in einem bestimmten Rangverhältnis zueinander. Vorrangig ist die Verordnung selbst (dazu unten 1.), gefolgt von nationalem Recht kraft Sonderverweisung (2.), der Satzung der EPG (unten 3.), allgemeinen Verweisungen auf das Recht der Mitgliedstaaten (unten 4.) und schließlich einfachen Gesellschafterbeschlüssen (unten 5.). 1. Verordnung Die Rechtsverhältnisse der EPG regeln generell-abstrakt in erster Linie die Bestimmungen des EPG-VO-E134. Die Verordnung des Europäischen Rats soll gemäß Art. 288 II 2 AEUV künftig in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gelten. Der EPG-VO-E gliedert sich in die zehn Kapitel: „Allgemeine Bestimmungen“, „Gründung“, „Anteile“, „Kapital“, „Organisation der SPE“, „Arbeitnehmermitbestimmung“, „Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE“, „Umstrukturierung, Auflösung und Ungültigkeit“, „Zusätzliche Bestimmungen und Übergangsbestimmungen“ sowie „Schlussbestimmungen“. Der EPG-VO-E enthält lediglich 48 Artikel. Er befaßt sich bei weitem nicht mit allen Regelungsgegenständen der neuen Rechtsform135, sondern verweist in zentralen Bereichen ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten. 2. Sonderverweisungen auf das nationale Recht Auf der zweiten Ebene der Rechtsquellen finden sich Sachnormverweisungen136 der EPG-VO-E auf das Recht der Mitgliedstaaten für bestimmt bezeichnete Bereiche137. Diese Verweisungen werden hier als Sonderverweisungen bezeichnet.
133 Anders Bücker, ZHR 173 (2009), 281, 285, der von einer „Zwei-Stufen-Technik“ spricht. 134 Art. 4 I EPG-VO-E. Art. 4 EPG-VO-E ist im Verordnungsenwurf fehlerhaft numeriert; hier wird eine Untergliederung in einen Absatz 1 und einen Absatz 2 vorgenommen. 135 Unzutreffend meint Bücker, ZHR 173 (2009), 281, 285, daß „durch die SPE-Verordnung ein genuin europäisches und nahezu abschließendes gesellschaftsrechtliches Statut geschaffen“ werde – und widerspricht sich sogleich: „In der SPE-Verordnung selbst werden in 48 Artikeln lediglich einige zentrale Eckpunkte . . . geregelt“. 136 Vgl. Rauscher, Rn. 342. 137 Beispielsweise Art. 20 III EPG-VO-E: „Unbeschadet der Absätze 1 und 2 fällt die Verpflichtung der Anteilseigner für das gezahlte Entgelt bzw. die geleistete Sacheinlage unter das anwendbare innerstaatliche Recht“. Zu weiteren Sonderverweisungen siehe den Text bei Fn. 144 ff. in Teil 3.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
a) Rangordnung Das durch Sonderverweisungen berufene Recht der Mitgliedstaaten steht im Rang über der Satzung der EPG, auch soweit diese die Regelungsaufträge des Anhangs I umsetzt. Art. 4 II EPG-VO-E – „ist ein Punkt nicht durch die Artikel oder durch Anhang I dieser Verordnung abgedeckt, so gelten die Rechtsvorschriften, die der Mitgliedstaat, in dem die SPE ihren Sitz hat . . .“ – steht nicht entgegen. Denn diese Norm stellt ihrerseits eine subsidiäre Allgemeinverweisung dar138. Sie erfaßt die Sonderverweisungen des EPG-VO-E gerade nicht: Widrigenfalls könnten die Gesellschafter kraft Satzungsbestimmung die im EPG-VO-E durch Sonderverweisungen ausdrücklich getroffene Anordnung der teilweisen Geltung des Rechts der Mitgliedstaaten unterlaufen. Die Verordnung aber steht im Rang über der Satzung139. b) Berufenes Recht Durch Sonderverweisungen berufen ist das Recht desjenigen Mitgliedstaats, in welchem die EPG ihren eingetragenen Sitz hat140; im Folgenden wird insoweit vom berufenen nationalen Recht gesprochen. Die Maßgeblichkeit des eingetragenen Sitzes folgt aus Art. 4 II EPG-VO-E, wonach die Rechtsvorschriften gelten, die der Mitgliedstaat, in dem die SPE ihren Sitz hat, für Privatgesellschaften mit beschränkter Haftung erlassen hat, einschließlich der Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts . . .“. Unter „Sitz“ ist in diesem Zusammenhang nicht der Verwaltungssitz zu verstehen. Das folgt einerseits aus Art. 7 EPG-VO-E, der die „Hauptverwaltung“ vom „(eingetragenen) Sitz“ unterscheidet. Andererseits ergibt sich dies aus Art. 35 III EPG-VO-E, der Art. 4 II EPG-VO-E bei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung ab dem Zeitpunkt der Eintragung141 der EPG im Register des „Aufnahmemitgliedstaats“ zur Anwendung bringt. Der eingetragene Sitz tritt an die Stelle des – von der deutschen GmbH bekannten142 – Satzungssitzes; der Sitz ist in der Satzung der EPG nicht zwingend anzugeben143. 138
Siehe den Text bei Fn. 196 ff. in Teil 3. Art. 4 I EPG-VO-E und Begründung des EPG-VO-E, S. 6. Vgl. auch Art. 27 IV Unterabs. 1 EPG-VO-E betreffend (satzungsändernde) Gesellschafterbeschlüsse. 140 Vgl. zur Parallele des die internationale Zuständigkeit begründenden „contact“ des „state of incorporation“ im US-amerikanischen Recht Schack, Minimum Contacts, S. 36. 141 Art. 35 III EPG-VO-E spricht von „Registrierung“. Dabei handelt es sich um einen weiteren Übersetzungsfehler, wie der Vergleich mit Art. 37 III a. E., IV 2 und V zeigt. 142 § 4a GmbHG. 143 Arg. e Art. 10 II Buchst. a, g EPG-VO-E, wonach Sitz und Satzung bei der Anmeldung mitzuteilen sind; arg. e contrario Anhang I EPG-VO-E, der keinen entsprechenden Regelungsauftrag für die Satzung vorsieht. Dennoch dürfte der Sitz in der Praxis regelmäßig in der Satzung aufgeführt werden. 139
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c) Einzelverweisungen und Bereichsverweisungen Die Sonderverweisungen des EPG-VO-E lassen sich unterteilen in Einzelverweisungen und Bereichsverweisungen144. Die vierzehn Einzelverweisungen des EPG-VO-E beziehen sich auf konkrete Regelungsgegenstände. Es handelt sich dabei um die Voraussetzungen für die Entstehung der EPG durch Umwandlung145, die Registerpublizität146, die Kapitalaufbringung147, den gutgläubigen Anteilserwerb148, die Einziehung von Anteilen149, Niederlassungen der EPG150, Ausschlußgründe für die Bestellung zum Geschäftsleiter151, Teilbereiche der Geschäftsleiterhaftung152, Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen153, die Beschlußanfechtung154, den Schutz von Minderheitsgesellschaftern155 und das Verhandlungsverfahren betreffend Vereinbarungen über die Mitbestimmung156 bei Sitzverlegungen, sowie bestimmte Auflösungsgründe, das Verfahren der Auflösung157 und schließlich die Nichtigkeitsgründe158. In Anbetracht dieser zahlreichen Einzelverweisungen quer durch originär gesellschaftsrechtliche Regelungsgegenstände erscheint die im Schrifttum geäußerte Einschätzung, der EPG-VO-E verweise „innerhalb [seines] eigenen Regelungs144 Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807 gehen auf die Einzelverweisungen des EPG-VOE überhaupt nicht ein, sondern behaupten, (nur) „Fragen des Arbeitsrechts, des Steuerrechts, der Rechnungslegung und der Insolvenz“ seien „explizit von dem SPE-VO-E ausgenommen“ – was allein einzelne Bereichsverweisungen erfaßt. Zur unzutreffenden Bewertung der Einzelverweisungen durch Hommelhoff/Teichmann siehe den Text bei Fn. 159 f. in Teil 3. 145 Art. 5 II, III EPG-VO-E. 146 Art. 9 I EPG-VO-E, Art. 10 III EPG-VO-E, Art. 11 I EPG-VO-E sowie Art 8 III Buchst. b EPG-VO-E und Art. 27 VII Buchst. b EPG-VO-E, die beide auf die nationalen Regelungen, die zur Umsetzung von Art. 3 V, VI und VII der Publizitätsrichtlinie ergangen sind, verweisen. 147 Art. 20 III EPG-VO-E verweist für die Kapitalaufbringung im wesentlichen auf das Recht der Mitgliedstaaten. Art. 20 enthält in I, II lediglich wenige, grundsätzliche Regelungen. Siehe zur Kapitalaufbringung ausführlich den Text bei Fn. 418 ff. in Teil 3. 148 Art. 16 V 2 EPG-VO-E. 149 Art. 23 VI EPG-VO-E. 150 Art. 13 EPG-VO-E. 151 Art. 30 III, IV EPG-VO-E, auch als Amtsunfähigkeit bezeichnet. 152 Art. 31 V EPG-VO-E. 153 Art. 32 EPG-VO-E verweist auf die nationalen Regelungen, die zur Umsetzung der Richtlinien 78/660/EWG26 und 83/349/EWG ergangen sind. 154 Art. 27 IV Unterabs. 2 EPG-VO-E. 155 Art. 36 VI EPG-VO-E. 156 Art. 38 V. 2 EPG-VO-E. 157 Art. 40 I Buchst. c, II EPG-VO-E. 158 Art. 41 EPG-VO-E verweist auf die nationalen Regelungen, die zur Umsetzung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 68/151/EWG ergangen sind.
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bereichs nur ganz ausnahmsweise“ auf das Recht der Mitgliedstaaten159, wirklichkeitsfern. Ebenso offensichtlich unzutreffend ist vor diesem Hintergrund die Behauptung, die Verweisungen beträfen „zumeist Rechtsfragen, die auf der Grenze zu anderen Rechtsgebieten liegen“ 160. Mit den Verweisungen etwa hinsichtlich der Regelungsgegenstände der Kapitalaufbringung, des gutgläubigen Anteilserwerbs und der Einziehung von Anteilen stützt sich der EPG-VO-E in ganz wesentlichen Kernbereichen des Gesellschaftsrechts auf das Recht der Mitgliedstaaten. Die Bereichsverweisungen des EPG-VO-E beziehen sich dagegen auf ganze Regelungsgebiete. Sie erstrecken sich auf die Buchführungs-161 und Rechnungslegungsvorschriften162, das Umwandlungs-163, Insolvenz-164 und Steuerrecht165 des jeweiligen Mitgliedstaats. 3. Satzung Rechtsquelle dritter Ordnung ist die Satzung der EPG166. Hierfür hat eine von der Kommission eingesetzte „Expertengruppe“ 167 eine Mustersatzung erarbeitet168, die allerdings rechtlich unverbindlich ist169. Die Satzung der EPG muß zwingend Angaben zu allen in Anhang I des EPGVO-E aufgezählten Regelungsgegenständen aufweisen, sofern diese nicht als fakultativ bezeichnet werden, etwa durch die Wendungen „falls vorhanden“ 170, „wenn ja“ 171 und „etwaige“ 172. Machen die Gesellschafter von einer Gestal159
So aber Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 898. So aber Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 898. 161 Art. 25 II 2 EPG-VO-E. 162 Art. 25 I 1 EPG-VO-E. Vgl. auch Art. 42 II 2 S. 2 EPG-VO-E. 163 Art. 39 EPG-VO-E. 164 Art. 40 III EPG-VO-E. 165 Erwägungsgrund 6 des EPG-VO-E. 166 Art. 4 I EPG-VO-E. 167 Die „Advisory Group on Corporate Governance and Company Law“ bestand aus wenigen Wissenschaftlern und zahlreichen Praktikern. Siehe den Beschluß der Kommission vom 28.04.2005 zur Einsetzung einer Gruppe von Nicht-Regierungsexperten für Corporate Governance und Gesellschaftsrecht (2005/380/EG). 168 „Example Provisions for Articles of Association of an SPE, Draft: 23 July 2008“, zugänglich über die private Seite http://www.europeanprivatecompany.eu/legal_texts/ download/MODEL%20ARTICLES%20OF%20ASSOCIATION-I.pdf und http://www. europeanprivatecompany.eu/legal_texts/download/MODEL%20ARTICLES%20OF%20 ASSOCIATION-II.pdf, im Folgenden als „Mustersatzung“ bezeichnet. 169 Dazu siehe näher den Text bei Fn. 192 ff. in Teil 3. 170 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel III – Anteile, 3., 4., 6. Spiegelstrich. 171 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 2., 9. Spiegelstrich; Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich. 172 Anhang I EPG-VO-E Kapitel III – Anteile, 1., 5., 9. Spiegelstrich. 160
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tungsmöglichkeit – etwa dem Erfordernis der unabhängigen Bewertung einer Sacheinlage173 – keinen Gebrauch, so ist dies in der Satzung ausdrücklich festzustellen. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 8 I EPG-VO-E („Eine SPE verfügt über eine Satzung, die zumindest die in Anhang I dieser Verordnung genannten Punkte regelt“) und dem ersten Satz des Anhangs I („Die Satzung einer SPE muss zumindest Folgendes regeln:“). Das ergibt sich aus der deutschen („ob“)174 und insbesondere auch der französischen Fassung des Anhangs I des EPG-VO-E, die für die einzelnen Regelungsgegenstände vorschreibt, „la possibilité ou non“, „l’obligation ou non“ und, noch deutlicher, „l’existence ou non“ 175 in der Satzung niederzulegen. Auch die Mustersatzung, die jedenfalls einen gewissen Einblick in die Systematik des EPG-VO-E gewährt, schließt die Nichtumsetzung von Gestaltungsmöglichkeiten ausdrücklich aus176. Eine bewußte Lückenhaftigkeit der Satzung im Sinne eines beredten Schweigens zu den in Anhang I des EPG-VO-E aufgeführten Regelungsgegenständen ist damit – entgegen einer anderen Ansicht177 – unzulässig. Kommen die Gesellschafter einem Regelungsauftrag dennoch bewußt oder unbewußt nicht vollumfänglich nach oder sind Satzungsbestimmungen unwirksam, bereitet dies Schwierigkeiten. Die Eintragung der EPG wird an diesem Versäumnis jedenfalls meist nicht scheitern; bei der Anmeldung der EPG dürfte der Satzungsmangel kaum festgestellt werden, zumal eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Satzung vor Eintragung der EPG den Mitgliedstaaten – entgegen einer anderen Ansicht178 – nicht zwingend vorgeschrieben ist179. Zudem kann eine im nationalen Recht vorgesehene „Rechtmäßigkeitsprüfung“ der Satzung, die das gemäß 173
Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich. Ein „ob“ findet sich etwa in Anhang I EPG-VO-E, Kapitel III – Anteile, 1., 7.– 10. Spiegelstrich. 175 Siehe etwa Anhang I EPG-VO-E, Kapitel III – Anteile, 1. Spiegelstrich, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich, Kapitel V – Organisation der SPE, 16. Spiegelstrich. 176 Siehe etwa die „Example Provisions“, para. 2.4, 2.6, 2.7, 2.8, 3.1, 3.2, 3.3, 3.4, 3.7, 3.8, mit den zugehörigen Erläuterungen in den Fußnoten. 177 Der „Arbeitskreis Europäisches Unternehmensrecht“, NZG 2008, 897, 898 und implizit auch Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807 behaupten schlicht ohne Beispiel, Anhang I des EPG-VO-E enthalte neben zwingenden auch fakultative Regelungsaufträge, die die Gesellschafter einfach offen lassen könnten. Jedenfalls zweifelnd Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 153 mit Fn. 67a. 178 Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 153, glauben, „insoweit sieht der VO-Entwurf zwar vor, daß die Satzung zumindest bei der Registereintragung der Gesellschaft von einer nach nationalem Recht zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde zu prüfen ist.“ 179 Art. 10 IV EPG-VO-E ist offen gefaßt: „Die Eintragung einer SPE kann nur an eine der folgenden Bedingungen geknüpft werden: (a) die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Dokumente und Angaben der SPE durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde, (b) die Beglaubigung der Dokumente und Angaben der SPE“ [Hervorh. von mir]. Den Mitgliedstaaten bleibt also die Wahl, ob sie diese Voraussetzungen überhaupt vor Eintragung prüfen. 174
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Art. 9 I EPG-VO-E zuständige Register zu leisten hätte, aus Kapazitätsgründen allenfalls eine Vollständigkeitsprüfung darstellen180. Ist die EPG erst einmal entstanden, können Regelungslücken ihrer Satzung nicht durch dispositive Vorschriften geschlossen werden. Der EPG-VO-E enthält kein dispositives Recht181. Zudem finden nach der Kollisionsnorm des Art. 4 II EPG-VO-E die in dem Mitgliedstaat, in welchem die EPG ihren Satzungssitz182 hat, für kleine Kapitalgesellschaften geltenden Normen nur dann Anwendung, wenn ein Regelungsgegenstand weder in der Verordnung noch in den Regelungsaufträgen des Anhangs I angesprochen wird. Dies meint die holprige Wendung „ist ein Punkt nicht durch die Artikel oder durch Anhang I dieser Verordnung abgedeckt, so gelten . . .“ in Art. 4 II EPG-VO-E; die englische Fassung183 sowie die Begründung des EPGVO-E sind insoweit eindeutig184. Die Anwendung nationalen Rechts ist damit unabhängig davon gesperrt, ob die Satzung wirksame Bestimmungen zu sämtlichen Regelungsaufträgen des Anhangs I enthält oder lückenhaft ist185. Entstehende Regelungslücken sollen nach einer Ansicht durch „allgemeine europäische Rechtsgrundsätze“ geschlossen werden186. Dies ist mangels einer hierfür ausreichenden Ausprägung solcher Grundsätze – man bedenke etwa die dargestellten erheblichen Unterschiede zwischen GmbH und Limited187 – offensichtlich nicht praktikabel188. Nach einer anderen Ansicht soll zur Lückenschließung „in erster Linie der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers oder des Satzungsgebers zu ermitteln sein“ 189. Neben dem unklaren Rangverhältnis der 180 Insoweit zutreffend Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 153. Ähnlich auch Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 900. 181 Vossius, EWS 2007, 438, 441 sprach in diesem Zusammenhang bereits vor Veröffentlichung des EPG-VO-E treffend von „Schlechterfüllung“ des Verordnungsgebers. Kritisch auch die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 4; Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 153; Krejci, Rn. 36 ff., 217 ff., 570. 182 Daß der Satzungssitz gemeint ist, folgt aus Art. 7 EPG-VO-E. 183 „However, where a matter is not covered by the articles of this Regulation or by Annex I“. Widersprüchlich allerdings die französische Fassung, die weitergehend auf die „Statuten“ abstellt: „Toutefois, lorsqu’une matière n’est pas traitée dans les statuts ou l’annexe I . . .“. 184 „Die Bestimmungen, die gemäß Anhang I in die Satzung aufzunehmen sind oder aufgenommen werden können, unterliegen nicht dem nationalen Recht.“, Begründung des EPG-VO-E, S. 6. Siehe auch Erwägungsgrund 6 des EPG-VO-E. 185 Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 158; Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807; dies., DB 2008, 2179, 2180; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 898 f.; unklar J. Schmidt, EWS 2008, 455, 456, die im Hinblick auf die Regelungsaufträge euphemistisch von einem „Kunstgriff“ spricht. 186 Völter, S. 222 f., 279; ähnlich auch Raaijmakers, S. 33 f. 187 Siehe etwa zur Ausschüttungsbemessung den Text bei Fn. 518 ff. in Teil 2. 188 Krause, in: Krause/Veelken/Vieweg, S. 399 ff.; Wicke, GmbHR 2006, 356, 357 f.; kritisch auch Kretschmer, S. 31 f. 189 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 899; Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807.
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„Willen“ der beiden Normgeber trifft daran schon nicht zu, daß Verordnungen anhand des „Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers“ auszulegen sind. Die damit angesprochene subjektiv-historische Auslegung spielt bei der Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts allenfalls eine untergeordnete Rolle; alleinige Auslegungsmethode ist sie keinesfalls190. Der EuGH nimmt vielmehr in erster Linie eine teleologische Auslegung vor191. Vor allem aber kann ein „Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers“ im gesamten Bereich der Regelungsaufträge des Anhangs I gar nicht ermittelt werden, weil es ihn schlicht nicht gibt. Mit der Erteilung von Regelungsaufträgen an die Gesellschafter hat der Verordnungsgeber ja gerade verdeutlicht, daß er sich einer eigenen Regelung der von den Regelungsaufträgen erfaßten Gegenstände bewußt enthält. Dem Lückenschluß dienliche Angaben sind auch der Mustersatzung nicht zu entnehmen. Diese hat selbstverständlich nicht „in etwa de[n] Rang einer Gesetzesbegründung“ 192. Auch fehlt insoweit offensichtlich jede demokratische Legitimation: Um die Mitgliedschaft in der für die Erarbeitung der Mustersatzung verantwortlichen „Advisory Group on Corporate Governance and Company Law“ konnte sich jede sich dazu berufen fühlende Person bewerben193. Im übrigen stellt der Einleitungstext zur Mustersatzung selbst fest, daß diese rechtlich unverbindlich ist194. Der „Wille des Satzungsgebers“ schließlich dürfte dem Lückenschluß allenfalls in seltenen Ausnahmefällen dienlich sein. Es ist nicht ersichtlich, wie etwa die Umsetzung des Regelungsauftrags betreffend die Zulässigkeit von Zwischendividenden durch die Gesellschafter195 deren Willen beispielsweise im Hinblick auf die unterlassene Regelung des Verfahrens für die Bestellung und die Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung196 präjudizieren soll.
190
Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, Art. 220 Rn. 53. EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Rs. C-402/07 und C-432/07 („Sturgeon/Condor und Böck, Lepuschitz/Air France“), Slg. 2007, I-10923, Rn. 41; Urteil vom 19.09.2000, Rs. C-156/98 („Deutschland/Kommission“), Slg. 2000, I-6857, Rn. 50; Urteil vom 07.12.2006, Rs. C-306/05 („SGAE“), Slg. 2006, I-11519, Rn. 34; Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, Art. 220 Rn. 42; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178. 192 So aber Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 899. 193 Die Mitglieder wurden nicht von der Kommission eingeladen, sondern konnten sich um die Aufnahme in die Gruppe bewerben (siehe die Ausschreibung unter http:// ec.europa.eu/internal_market/company/docs/advisory-committee/call-applications-200412_de.pdf). 194 „Disclaimer: These example articles of association are provided for information purposes to assist with negotiations on the Statute. They may need to be revised as a result of the discussions. They are not legally binding. The assessment of whether the articles of association of an individual SPE comply with Regulation xx/2008 is in any event the sole responsibility of the competent authority in the Member State concerned, as set out in Article 10 of Regulation xx/2008.“, „Example Provisions“, S. 1. 195 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 6. Spiegelstrich. 196 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 15. Spiegelstrich. 191
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4. Allgemeinverweisung auf Recht der Mitgliedstaaten Als weitere Rechtsquelle nach der Verordnung, Sonderverweisungen und der Satzung dient die Allgemeinverweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten. Diese kommt subsidiär zur Anwendung, wie Art. 4 II EPG-VO-E zeigt: „Ist ein Punkt nicht durch die Artikel oder durch Anhang I dieser Verordnung abgedeckt, so gelten die Rechtsvorschriften, die der Mitgliedstaat, in dem die SPE ihren Sitz hat, für Privatgesellschaften mit beschränkter Haftung erlassen hat, einschließlich der Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts . . .“. Mit „Sitz“ ist hier der eingetragene Sitz der EPG gemeint, nicht ihr Satzungssitz. Das folgt aus Art. 7 I EPG-VO-E, der dem „Sitz“ den Ort der „Hauptverwaltung“ gegenüberstellt197. 5. Einfache Gesellschafterbeschlüsse Neben die generell-abstrakten Rechtsquellen Verordnung, Recht der Mitgliedstaaten und Satzung treten konkret-individuelle Regelungen durch einfache – das heißt nicht satzungsändernde – Beschlüsse der Gesellschafter. Einfacher Gesellschafterbeschlüsse bedarf es zwingend beispielsweise für die Genehmigung des Jahresabschlusses198, die Genehmigung von Ausschüttungen199 sowie für die Bestellung von Geschäftsleitern200. Sämtliche Gesellschafterbeschlüsse müssen – je nach ihrem Beschlußgegenstand – der Verordnung201, dem berufenen Recht der Mitgliedstaaten202 oder der Satzung203 sowie dem jeweils höherrangigen Recht entsprechen204. 6. Beurteilung Die von dem Verordnungsgeber der EPG erfundene Normenpyramide überzeugt nicht. Das der Schlechterfüllung des Verordnungsgebers205 geschuldete Konzept der Regelungsaufträge bedingt im Falle der Schlechterfüllung des Satzungsgebers erhebliche Rechtsunsicherheit206: Setzen die Gesellschafter einen 197 Inkonsequenterweise ist dann in Art. 7 II EPG-VO-E allerdings von „eingetragenem Sitz“ die Rede [Hervorh. von mir]. 198 Art. 27 I Buchst. d EPG-VO-E. 199 Art. 27 I Buchst. e EPG-VO-E. 200 Art. 27 I Buchst. j EPG-VO-E. 201 Art. 27 IV Unterabs. 1 EPG-VO-E. 202 Art. 27 IV Unterabs. 1 EPG-VO-E (analog). 203 Art. 27 I, IV Unterabs. 1 EPG-VO-E. 204 Diesen allgemeinen Rechtsgedanken verdeutlicht Art. 27 IV Unterabs. 1 EPGVO-E. 205 So Vossius, EWS 2007, 438, 441. 206 Auch diesen Zusammenhang verkennen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 899, wenn sie Regelungslücken durch Regelungsaufträge entgegenwirken möchten.
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der zahlreichen Regelungsaufträge des Anhangs zum EPG-VO-E nicht um, dann entsteht ein Normenmangel. Denn der EPG-VO-E selbst enthält für die von den Regelungsaufträgen erfaßten Gegenstände kein dispositives Recht. Er schließt vermittels der Kollisionsnorm des Art. 4 II EPG-VO-E allerdings die Anwendbarkeit des nationalen Rechts aus, soweit von den Regelungsaufträgen erfaßte Gegenstände betroffen sind – unabhängig davon, ob die Regelungsaufträge im Gesellschaftsvertrag umgesetzt wurden. Diesem (vorhersehbaren) Mißstand könnte durch die Schaffung dispositiven Rechts in der EPG-Verordnung entgegengewirkt werden207. Stattdessen könnte der Verordnungsgeber die Kollisionsnorm des Art. 4 II EPG-VO-E dahin beschränken, daß das nationale Recht immer dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Regelungsgegenstand nicht von der Verordnung oder – anstelle der Regelungsaufträge des Anhangs I – nicht von der Satzung erfaßt wird.
IV. Wesensmerkmale 1. Allgemeines Die EPG ist als juristische Person Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten208. Gläubigern der EPG haftet damit lediglich das Gesellschaftsvermögen. Als juristische Person in Form einer Kapitalgesellschaft weist die EPG ein festes Nennkapital auf 209. Ihr Nennkapital ist in Geschäftsanteile210 zerlegt211. Die Gesellschafter der EPG haften nur in dem Umfang, in welchem sie Geschäftsanteile der EPG gezeichnet oder sich zur Zeichnung bereiterklärt haben212. Der EPGVO-E sieht vor, daß die Geschäftsanteile der EPG – anders als die Aktien der SE213 – weder öffentlich angeboten noch öffentlich gehandelt werden dürfen214. 207
Vossius, EWS 2007, 438, 441 f. Gemäß Art. 3 I (c) EPG-VO-E besitzt die EPG „Rechtspersönlichkeit“. Zu der damit in Bezug genommenen Rechtssubjektivität der juristischen Person siehe etwa Kübler/Assmann, § 4 IV 1 f., S. 31 f. 209 Art. 19 I, Art. 3 I. 1 (a) EPG-VO-E. 210 Der EPG-VO-E spricht insoweit von „Anteilen“. In der englischen Fassung ist von „shares“, in der französischen von „actions“ die Rede. Die beiden letztgenannten Begriffe umschreiben sowohl die Anteile der kleinen, als auch der großen Kapitalgesellschaft des englischen (Private und Public Limited Company) bzw. französischen Rechts (Société à responsabilité limitée einerseits, Société anonyme sowie Société par actions simplifiée andererseits). Zur besseren Abgrenzung der EPG als kleiner von der SE als großer europäischer Kapitalgesellschaft wird hier im Hinblick auf die EPG gemäß den deutschen Begrifflichkeiten von Geschäftsanteilen gesprochen. 211 Art. 3 I (a) EPG-VO-E. Zu der Frage, ob die EPG mehr als einen Geschäftsanteil aufweisen muß, siehe den Text bei Fn. 418 ff. in Teil 3. 212 Art. 3 I (b); vgl. auch Art. 1 EPG-VO-E: „Europäische Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung“. 213 Für die SE mit Satzungs- und damit auch Verwaltungssitz (Art. 7 S. 1 SE-VO) in Deutschland vgl. §§ 1 I, 2 Nr. 1 Buchst. a WpPG i.V. m. Art. 15 I SE-VO. 214 Art. 3 I (d) EPG-VO-E. 208
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Für die Übertragung von Geschäftsanteilen genügt die Schriftform215. Der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen bestimmt sich nach dem Recht der Mitgliedstaaten216. Die EPG weist zumindest zwei Organe auf, die Geschäftsleitung und die Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung ist oberstes Organ der EPG217. Als drittes Organ kann ihre Satzung einen Aufsichtsrat vorsehen (supervisory body)218. Dieses Gremium übernimmt jedoch nicht notwendigerweise Überwachungsaufgaben219, so daß je nach dem Einzelfall der Begriff „Beirat“ treffender erscheint. Damit ist für die EPG – wie für die SE220 und die GmbH221 – auch die Wahl des dualistischen Systems möglich, das für die AG verpflichtend ist222. Als dritte Möglichkeit bietet sich die Wahl der Mischform des monistischen Systems an, das ein einheitliches Leitungs- und Aufsichtsorgan (administrative board) aufweist223. In einem derartigen, aus dem angloamerikanischen Rechtsraum sowie Frankreich bekannten Organ sind einzelne Mitglieder mit der Leitung, andere mit der Aufsicht betraut224; auch hier findet also eine institutionalisierte – wenngleich strukturell problematische225 – Aufsicht statt. 2. Entstehung Bei der EPG handelt es sich um eine Rechtsform, die in jedem Mitgliedstaat der EU unter den gleichen Voraussetzungen für die Gründung einer Gesellschaft
215
Art. 16 II EPG-VO-E. Art. 16 V 2 EPG-VO-E. 217 Arg. e Art. 26 I S. 2, II EPG-VO-E. 218 Das folgt aus dem Regelungsauftrag in Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich. Falsch Bücker, ZHR 173 (2009), 281, 293: „Auch wenn sich zur Entscheidung über weitere Gremien kein expliziter Regelungsauftrag findet, so können die Anteilseigner qua Satzung weitere Koordinierungs- und Beratungsgremien bilden“. Mißverständlich Art. 2 I Buchst. e EPG-VO-E, der in allen drei Sprachfassungen nahelegt, daß es zwingend eines Aufsichtsorgans bedarf, was nicht der Fall ist. 219 Siehe den Text bei Fn. 319 ff. in Teil 3. 220 Art. 38 Buchst. b SE-VO. 221 § 52 I GmbHG. 222 Vgl. §§ 76 ff. AktG, §§ 95 ff. AktG. 223 Siehe Art. 2 I Buchst. d EPG-VO-E; Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 10., 11. Spiegelstrich. 224 Vgl. Reichert/Brandes, in: MK AktG, Europäisches Aktienrecht, Art. 38 SE-VOE Rn. 4. 225 Siehe Merkt, ZGR 2003, 650, 676 f., Schlichtes sperrig ausdrückend: „Dieser Systemkontext [scil.: im monistischen System überwacht der Kapitalmarkt die Geschäftsleitung, weil es keinen Aufsichtsrat gibt] ist bei der Implantation der monistischen Struktur in das bereits genetisch auf eine Dualstruktur angelegte deutsche System stets zu bedenken.“ 216
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verwendet werden kann226. Der Sitz der EPG muß sich in einem Mitgliedstaat befinden227. Dies betrifft sowohl ihren eingetragenen Sitz, als auch ihren Verwaltungssitz. Beide dürfen sich jedoch – anders als Satzungs- und Verwaltungssitz der SE228 – in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden229. Eingetragener Sitz und Verwaltungssitz der EPG können – anders als ggf. bei der SE230 – auch innerhalb eines Mitgliedstaats auseinanderfallen. Die Gründung einer EPG kann zunächst durch Umwandlung, Verschmelzung und Spaltung einer Gesellschaft einer anderen Rechtsform erfolgen231. Als solche kommt eine Gesellschaft jeder beliebigen in einem Mitgliedstaat anerkannten Rechtsform sowie eine SE und auch eine bereits bestehende EPG in Frage232. Bei einer Umwandlung oder Spaltung gelangt das Recht der sich umwandelnden oder spaltenden Gesellschaft zur Anwendung233. Bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung soll dasjenige Recht anwendbar sein, das „auf jede der verschmelzenden Gesellschaften“ anwendbar ist234. Damit kann nur das jeweilige Recht gemeint sein, das – gemäß dem in Umsetzung der einschlägigen Richtlinie ergangenen nationalen Recht – für die einzelne an der Verschmelzung beteiligte Gesellschaft gilt235. Eine EPG kann – anders als die SE236 – auch durch Neugründung entstehen. Für die Neugründung einer EPG bedarf es lediglich eines Gesellschafters237. Gründungsgesellschafter einer EPG können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein238. Als juristische Personen kommen insoweit einerseits die nationalstaatlichen Rechtsformen gemäß Art. 54 II AEUV, also etwa die GmbH oder AG, in Betracht. Damit können im europäischen Ausland tätige Konzerntöchter deutscher Unternehmen in der Rechtsform der EPG errichtet werden. An226
Artt. 1, 5 I EPG-VO-E. Art. 7 I EPG-VO-E. 228 Art. 7 S. 1 SE-VO. 229 Art. 7 II EPG-VO-E. Das Europäische Parlament verlangt lediglich eine Ergänzung dieser Norm um Vorschriften, die bestimmen, welchem Register gegenüber bei einem Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz welche Angaben zu machen sind (Legislative Entschließung, Abänderung 18). 230 Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, daß sich Satzungs- und Verwaltungssitz innerhalb eines Mitgliedstaats am selben Ort befinden müssen, Art. 7 S. 2 SE-VO. Deutschland hat hiervon keinen Gebrauch gemacht (vgl. § 52 I, II SEAG, der gerichtliche Maßnahmen nur bei Satzungs- und Verwaltungssitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten vorsieht). 231 Art. 5 I EPG-VO-E. 232 Art. 5 III EPG-VO-E. 233 Art. 5 II 1 EPG-VO-E. 234 Art. 5 II 1 EPG-VO-E. 235 Vgl. Art. 4 I Buchst. b der Verschmelzungsrichtlinie. 236 Art. 2 SE-EPG-VO-E; zur Kritik siehe den Text bei Fn. 76 ff. in Teil 3. 237 Art. 3 I (e) EPG-VO-E. 238 Art. 3 I (e) EPG-VO-E. 227
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dererseits sind mögliche Gründungsgesellschafter auch die supranationalen Rechtsformen der SE, also die Europäische Genossenschaft (SCE), die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) sowie die EPG239. Die Satzung der EPG bedarf lediglich der Schriftform240. Die Anmeldung241 der EPG bei dem zuständigen Register kann „elektronisch erfolgen“ 242. Was darunter zu verstehen ist, ob etwa eine Antragstellung per e-Post zulässig ist, ob diese eine elektronische Signatur erfordert und welchen Anforderungen eine Signatur ggf. genügen muß, sagt der EPG-VO-E nicht243. Insoweit gilt das Recht der Mitgliedstaaten244, für eine EPG mit Satzungssitz in Deutschland also u. a. das SigG245. Der Anmeldung ist die Satzung der EPG beizufügen246; ist die EPG durch Umwandlung entstanden, gilt dies auch für den Umwandlungsbeschluß247. Die Anmeldung muß die Anschrift des Sitzes der EPG, ihre Firma, ihr Nennkapital, die Gesamtzahl der Geschäftsanteile, den Nennwert oder den Pariwert der Geschäftsanteile sowie ggf. die Anteilskategorien und die Zahl der Anteile in den einzelnen Kategorien enthalten248. Ferner sind die Namen und Anschriften der Geschäftsleiter mitzuteilen249. Zusätzlich bedarf es der Angabe „alle[r] weiteren Informationen, die zur Feststellung [dieser] Personen erforderlich sind“ 250. Was damit gemeint ist – etwa das Geburtsdatum, die Ausweisnummer – ist ebenso unklar wie die Eingrenzung des Kreises der Personen, die „befugt sind, die SPE gegenüber Dritten und vor Gericht zu vertreten, oder die an der Führung, Beaufsichtigung oder Kontrolle der SPE beteiligt sind“ 251. Nach dieser Wendung müßte in der Registeranmeldung auch ein regelmäßig für die EPG täti239
Art. 3 III EPG-VO-E. Art. 8 II EPG-VO-E. 241 Der EPG-VO-E spricht von der „Stellung des Antrags auf Eintragung“. 242 Art. 10 I 2 EPG-VO-E. 243 Auch die Begründung des EPG-VO-E, S. 7, spricht lediglich von einem „elektronischen Antrag auf Registrierung“. Siehe auch Art. 11 I der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (Aktionärsrechterichtlinie), der ebenso ungenau von einem „elektronische[n] Wege“ spricht. 244 Art. 4 II EPG-VO-E. 245 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876), das zur Umsetzung der Signatur-Richtlinie (Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen) ergangen ist. 246 Art. 10 II Buchst. g EPG-VO-E. 247 In Art. 10 II Buchst. h EPG-VO-E ist ungenau von „Umwandlungs-, Verschmelzungs- oder Spaltungsbeschluss“ die Rede; mit „Umwandlung“ ist also insbesondere der Formwechsel als Unterfall der Umwandlung gemeint. 248 Art. 10 II Buchst. a, c–f EPG-VO-E. 249 Art. 10 II Buchst. b EPG-VO-E. 250 Art. 10 II Buchst. b EPG-VO-E. 251 Art. 10 II Buchst. b EPG-VO-E. 240
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ger Rechtsanwalt („vor Gericht zu vertreten“) oder jeder Mitarbeiter mit Personalverantwortung („an der Führung . . . beteiligt“) benannt werden. Hierfür ist kein schützenswertes Interesse der Öffentlichkeit ersichtlich, so daß Art. 10 II Buchst. b EPG-VO-E einschränkend dahin auszulegen ist, daß neben den Mitgliedern der Geschäftsleitung lediglich die Mitglieder eines etwaigen Aufsichtsrats namhaft zu machen sind. Die neuzugründende EPG entsteht durch Eintragung in das zuständige Register252. Bei der Gründung im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme nimmt die aufnehmende Gesellschaft an dem Tag, an welchem die Verschmelzung in das Register eingetragen wird, die Form einer EPG an; bei einer Spaltung durch Übernahme wird die übernehmende Gesellschaft an dem Tag, an welchem die Spaltung eingetragen wird, zur EPG253. Das zuständige Register bestimmt sich nach den mitgliedstaatlichen Vorschriften, die Art. 3 der Publizitätsrichtlinie 254 umsetzen255. In Deutschland ist das Handelsregister zuständig256. 3. Organe a) Geschäftsleitung Die möglichen Organisationsformen der Geschäftsleitung erschließen sich nicht ohne weiteres. In Art. 2 I Buchst. d EPG-VO-E heißt es: „,Leitungsorgan‘ ist ein aus einem oder mehreren geschäftsführenden Mitgliedern der Unternehmensleitung bestehendes Leitungsgremium (dualistisches System) oder Verwaltungsgremium (monistisches System), das laut Satzung der SPE für die Leitung der SPE zuständig ist“. Allerdings müssen die Gesellschafter weder das dualistische noch das monistische System wählen; sie können auch auf die beiden Systemen eigene institutionalisierte Aufsicht verzichten. Auch insoweit ist die deutsche Fassung fehlerhaft, was im Schrifttum übersehen wird257: In der englischen und französischen Fassung ist in Art. 2 I Buchst. d EPG-VO-E zusätzlich von „one or more individual managing directors“ bzw. „un ou plusieurs dirigeants gestionnaires“ die Rede, aus denen die Geschäftsleitung bestehen kann. Verzichten die Gesellschafter darauf, (neben der Gesellschafterversammlung) eine insti252
Art. 9 II 1 EPG-VO-E. Art. 9 III 1 EPG-VO-E. 254 Erste Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (68/151/EWG), ABl. Nr. L 65 vom 14.03.1968, S. 8 ff. 255 Art. 9 I EPG-VO-E. 256 Vgl. §§ 8 ff. HGB. 257 Ins Leere gehen daher die Ausführungen bei de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 858; unberechtigt die Kritik in Fn. 16, die die Begriffe „body“ und „board“ verwechselt. 253
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
tutionalisierte Aufsicht über die Geschäftsleitung zu schaffen – wie dies der Regelfall bei der GmbH ist258, weist die EPG mithin schlicht einen oder mehrere Geschäftsleiter auf 259. Folgen die Gesellschafter dem dualistischen System, so besteht die vom Aufsichtsorgan überwachte Geschäftsleitung aus einem Leitungsgremium (management board)260. Bei Übernahme des monistischen Systems angloamerikanischer Prägung werden die Geschäfte dagegen von einem zusätzlich mit Aufsichtsaufgaben betrauten einheitlichen Verwaltungsrat (administrative board) geführt261. Die Geschäftsleitung der EPG führt die Geschäfte der Gesellschaft262 und vertritt sie gegenüber Dritten263. Entgegen dem Wortlaut von Art. 33 I EPG-VO-E – und entgegen anderer Ansicht264 – sind Mitglieder eines Aufsichtsorgans nicht zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Zwar weist diese Norm jedem „Mitglied der Unternehmensleitung“, wozu gemäß Art. 1 lit. c EPG-VO-E auch „jedes Mitglied . . . des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans“ gehört, Vertretungsmacht zu. Allerdings ergibt die systematische Auslegung, daß es sich dabei um ein Redaktionsversehen handelt. Denn in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vertretungsregelung des Art. 33 I EPG-VO-E wird in Art. 33 II EPG-VO-E zwischen vertretungsberechtigtem Organ und Aufsichtsorgan unterschieden: „. . . Beschränkung der Befugnisse der Mitglieder der Unternehmensleitung infolge . . . einer Entscheidung des . . . Aufsichtsorgans“. Statt „Mitglied[er] der Unternehmensleitung“ als Oberbegriff muß es in Art. 33 I EPG-VO-E also „Mitglied des Leitungsorgans“ als Teil der Unternehmensleitung, wie in Art. 1 lit. d EPG-VO-E definiert, heißen. Ein Geschäftsleiter muß nicht Gesellschafter der EPG sein; Fremdorganschaft ist zulässig265. Anders als im englischen Recht266 (und grundsätzlich auch bei der SE267) können juristische Personen nicht zum Geschäftsleiter einer EPG bestellt werden; Mitglied der Geschäftsleitung kann nur eine natürliche Person sein268. Der Gesellschaftsvertrag kann besondere Anforderungen an die Person 258 259 260 261 262 263 264
Arg. e § 52 I GmbHG. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 10. Spiegelstrich. Art. 26 I 1 EPG-VO-E. Art. 33 I 1 EPG-VO-E. Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 902; Bücker, ZHR 173 (2009), 281,
293. 265 Arg. e contrario Art. 30 I, Art. 26 I EPG-VO-E. Vgl. auch S. 9 der Begründung des EPG-VO-E. 266 Siehe den Text bei Fn. 1205 ff. in Teil 2. 267 Die Mitgliedstaaten müssen diese Möglichkeit ausdrücklich ausschließen, Art. 47 I Unterabs. 1 SE-EPG-VO-E. 268 Art. 30 I EPG-VO-E.
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des Geschäftsleiters vorsehen, etwa bestimmte berufliche Erfahrungen oder ein Mindestalter269. Die Bestellung eines Geschäftsleiters, die Festlegung seiner Amtszeit und seine Abberufung270 erfolgen gemäß Art. 27 I Buchst. j EPG-VO-E durch einen mit einfacher Mehrheit271 gefaßten Beschluß der Gesellschafter272. Der Beschluß ist bekanntzumachen273. Die Geschäftsleitung kann – erst recht – auch im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, da dieser der Willensübereinstimmung aller Gesellschafter bedarf 274 und ebenfalls bekanntzumachen ist275. Die Gesellschafter können einem etwaigen Aufsichtsorgan der EPG die Bestellung, Festlegung der Amtszeit und Abberufung von Geschäftsleitern – anders als im GmbH-Recht276 – nicht übertragen277. Art. 27 I EPG-VO-E ist nach seinem klaren Wortlaut nicht disponibel278, und auch die Regelungsaufträge des EPG-VO-E gestatten keine entsprechende Regelung in der Satzung279. Jede Änderung der Mitglieder der Geschäftsleitung ist dem Register innerhalb von zwei Wochen mitzuteilen280. Die organschaftlichen Pflichten eines Mitglieds der Geschäftsleitung sind im Verordnungsentwurf allgemein dahin geregelt, daß es im bestmöglichen Interesse der EPG zu handeln281 und Interessenkonflikte zu vermeiden hat282. Weitere 269 S. 9 der Begründung des EPG-VO-E. Zur Amtsunfähigkeit siehe den Text bei Fn. 1038 ff. in Teil 3. 270 Unzutreffend die deutsche Fassung des Art. 27 I Buchst. j EPG-VO-E, die in Bezug auf die Organstellung von „Entlassung“ anstelle von „Abberufung“ spricht. Genauer die französische Fassung, die insoweit von „révocation“, nicht von „congédiement“ spricht. 271 Unzutreffend deshalb die Erwähnung des die qualifizierte Mehrheit betreffenden Art. 27 II EPG-VO-E bei de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 859. 272 Widersprüchlich die Begründung des EPG-VO-E, S. 9, die für die Festlegung der Amtszeit eine Satzungsregelung vorsieht. 273 Art. 27 VI EPG-VO-E. 274 Art. 8 II EPG-VO-E. 275 Art. 10 II Buchst. g, VI EPG-VO-E; so auch de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 859. 276 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 52 Rn. 122. 277 De Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 859; zweifelnd J. Schmidt, EWS 2008, 455, 461. 278 „. . . werden zumindest die folgenden Fragen durch einen Mehrheitsbeschluss der Anteilseigner . . . geregelt . . .:“. 279 Das gilt auch für den Regelungsauftrag in Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich, der der Satzung lediglich die „Angabe . . . seiner [scil.: des Aufsichtsorgans] Beziehung zum Leitungsorgan“ überläßt. 280 Art. 10 V 1 i.V. m. Art. 10 II Buchst. b, Art. 9 I EPG-VO-E. 281 Art. 31 I 1 EPG-VO-E. Die Begründung des EPG-VO-E betont überflüssigerweise, seine „Verpflichtungen können nur seitens des Unternehmens rechtlich durchgesetzt werden. Die Verordnung verleiht einzelnen Anteilseignern oder Gläubigern nicht das Recht, die Mitglieder des Leitungsorgans direkt zu verklagen“ (Begründung des EPG-VO-E, S. 10).
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Pflichten sind etwa die Pflicht zur Führung des Gesellschafterverzeichnisses283, die Buchführungspflicht284 und die Pflicht, einen Vorschlag für die Höhe einer Ausschüttung zu unterbreiten285. Der Geschäftsleiter hat gemäß Art. 31 I 2 EPGVO-E „mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können“, zu handeln. Das begründet nicht allein eine allgemeine Sorgfaltspflicht gegenüber der EPG286. Art. 31 I S. 2 EPG-VO-E hat vielmehr – wie auch für § 93 I 1 AktG vertreten287 – eine Doppelnatur und umschreibt zugleich den erforderlichen Sorgfaltsmaßstab288. Die Konkretisierung von Sorgfaltspflicht und Sorgfaltsmaßstab wird den Gerichten der Mitgliedstaaten überlassen289. Die weitere Ausgestaltung der Haftung fällt vollständig unter das Recht der Mitgliedstaaten290. Der Geschäftsleiterdienstvertrag wird im EPG-VO-E nicht erwähnt. Insbesondere ist in Art. 31 IV 1 EPG-VO-E lediglich von „Pflichten infolge dieser Verordnung, der Satzung der SPE oder infolge eines Beschlusses der Anteilseigner“ die Rede. Da sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten vermöge dieser Rechtsquellen jedoch nicht regeln lassen, ist davon auszugehen, daß der EPGVO-E den Abschluß eines Geschäftsführerdienstvertrags stillschweigend voraussetzt. Im Umkehrschluß zu Art. 27 I Buchst. j EPG-VO-E bedürfte der Abschluß des Geschäftsleiterdienstvertrags keines Gesellschafterbeschlusses. Wer aber die EPG hierbei vertreten sollte, ist – mangels eines obligatorischen Aufsichtsrats291 – nicht ersichtlich. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Abschluß des Geschäftsleiterdienstvertrags und auch sämtliche anderen Handlungen, die das Verhältnis zwischen EPG und Geschäftsleiter betreffen, auf Seiten der Gesellschaft durch Beschluß der Gesellschafter erfolgen müssen. Der EPG-VO-E normiert die – auch aus dem GmbH-Recht bekannte, aber nicht gesetzlich geregelte292 – Rechtsfigur des faktischen Geschäftsleiters293 als „eine Person, die als Mitglied der Unternehmensleitung agiert, ohne offiziell dazu bestellt zu sein“ 294. Eine solche Person „wird als ein Mitglied der Unternehmensleitung angesehen, das allen Pflichten und der Verantwortung eines sol282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294
Art. 31 III EPG-VO-E. Art. 15 I 1, III, Art. 16 III EPG-VO-E. Art. 25 II 1 EPG-VO-E. Art. 21 I 1 EPG-VO-E. So aber die Begründung des EPG-VO-E, S. 10. Siehe Hüffer, § 92 Rn. 3a m.w. N. Vgl. § 43 I GmbHG gegenüber § 43 II, III GmbHG. Begründung des EPG-VO-E, S. 10. Art. 31 V EPG-VO-E. Siehe den Text bei Fn. 257 ff. in Teil 3. Siehe nur Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 95. Dies übersehen de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 859. Art. 30 II EPG-VO-E.
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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chen Mitglieds nachzukommen hat“ 295. Damit treffen den faktischen Geschäftsleiter die organschaftlichen Pflichten296 auch ohne Organstellung. b) Gesellschafterversammlung Die Gesellschafterversammlung kann der Geschäftsleitung Weisungen erteilen297. Der Gesellschafterversammlung sind zwingend298 vorbehalten neben Satzungsänderungen im Allgemeinen299 die in Art. 27 I Buchst. a–o EPG-VO-E einzeln aufgezählten wesentlichen Entscheidungen. Dazu zählen neben Grundlagengeschäften300 etwa die Genehmigung des Jahresabschlusses301, die Vornahme von Ausschüttungen302 sowie der Erwerb eigener Anteile303. Die Gesellschafter können der Gesellschafterversammlung kraft Satzung weitere Befugnisse übertragen304. Die Gesellschafterversammlung entscheidet durch Beschluß305, der auch im Umlaufverfahren gefaßt werden kann306. Vor der Beschlußfassung hat die Geschäftsleitung den Gesellschaftern die Beschlußvorlagen zusammen mit erläuternden Informationen zuzuleiten307. Die Beschlüsse sind zu protokollieren und den Gesellschaftern in Kopie zur Verfügung zu stellen308. Weist die EPG lediglich einen Anteilseigner auf, nimmt er die Rechte der Gesellschafterversammlung alleine wahr309. Wie nicht aus der deutschen, wohl aber aus der englischen und französischen Fassung des EPG-VO-E folgt, können die Gesellschafter die für die Beschlußfassung erforderliche Mehrheit in der Satzung grundsätzlich frei bestimmen310. Dies gilt sowohl für den Grundwert – etwa anwesende Stimmberechtigte oder ausgegebene Stimmrechte – als auch für den 50% übersteigenden Vomhundertsatz311. 295
Art. 30 II EPG-VO-E. Siehe den Text bei Fn. 281 ff. in Teil 3. 297 Art. 31 IV 1, Art. 33 II 2 EPG-VO-E. 298 Art. 27 I EPG-VO-E („zumindest“). 299 Art. 27 I Buchst. p EPG-VO-E. Wegen des Schriftformerfordernisses der Satzung bedarf selbstverständlich auch eine Satzungsänderung nicht der notariellen Beurkundung (vgl. Art. 8 III, 2 EPG-VO-E). 300 Siehe etwa Art. 27 I Buchst. m, n, o EPG-VO-E. 301 Art. 27 I Buchst. d EPG-VO-E. 302 Art. 27 I Buchst. e EPG-VO-E. 303 Art. 27 I Buchst. f EPG-VO-E. 304 Art. 26 I 2 EPG-VO-E. 305 Art. 27 I EPG-VO-E. 306 Arg. e Art. 27 III 1 EPG-VO-E. 307 Art. 27 III 2 EPG-VO-E. 308 Art. 27 III 3, 4 EPG-VO-E. 309 Art. 27 V EPG-VO-E. 310 Art. 27 I EPG-VO-E. 311 Arg. e contrario Art. 27 II Unterabs. 2 EPG-VO-E. 296
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
In bestimmten Fällen bedarf es zwingend einer qualifizierten Mehrheit der Gesellschafter, etwa bei Grundlagengeschäften312. Diese muß – anders als bei der GmbH313 – zwei Drittel der ausgegebenen Stimmrechte erreichen; der Gesellschaftsvertrag kann ein noch höheres Zustimmungserfordernis vorsehen314. Beschlüsse in den in Art. 27 I Buchst. a–o EPG-VO-E genannten, zwingend durch die Gesellschafterversammlung zu regelnden Angelegenheiten sind – anders als bei der GmbH315 – bekanntzumachen316. Die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen unterliegt dem anzuwendenden mitgliedstaatlichen Recht317. Daher kommen für die EPG mit Satzungssitz in Deutschland mangels eigener Regelungen im GmbHG die Vorschriften der §§ 241 ff. AktG analog zu Anwendung318. c) Aufsichts- oder Beirat Haben die Gesellschafter in der Satzung die Einrichtung eines Aufsichtsrats bzw. Beirats vorgesehen319, können sie dessen Aufgaben und Befugnisse im Verhältnis zur Gesellschafterversammlung320 sowie zur Geschäftsleitung im wesentlichen frei regeln321 – wie bei der GmbH322 außerhalb des Anwendungsbereichs des DrittelbG323 und anders als bei der SE324. Je nach der Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse sollte entweder von einem Aufsichts- oder Beirat oder neutral von dem „weiteren Organ“ der EPG gesprochen werden. Ausgeschlossen sind selbstverständlich Satzungsregelungen, die gegen ausdrückliche Befugniszuweisungen des EPG-VO-E verstoßen, wie etwa die zwingenden Befugnisse der Gesellschafterversammlung gemäß Art. 27 I EPG-VO-E („werden zumindest die 312
Art. 27 II Unterabs. 1 Buchst. a, b, c, i, l, m, n, o, p EPG-VO-E. Hier genügt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 47 Rn. 5. 314 Art. 27 II Unterabs. 2 EPG-VO-E. 315 Arg. e contrario §§ 47 f. GmbH. 316 Art. 27 VI EPG-VO-E. 317 Art. 27 IV Unterabs. 2 EPG-VO-E. 318 Siehe nur BGH NJW-RR 2008, 706, 708. 319 Zu dieser Möglichkeit siehe den Text bei Fn. 257 ff. in Teil 3. 320 Arg. e Art. 26 II EPG-VO-E. 321 „Die Anteilseigner legen die Organisation der SPE vorbehaltlich dieser Verordnung fest“, Art. 26 II EPG-VO-E. Vgl. insbesondere den Regelungsauftrag in Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation der SPE, 13. Spiegelstrich: „Angabe . . . seiner Beziehung zum Leitungsorgan“. 322 § 52 I GmbHG. 323 Das heißt bei einer Beschäftigtenzahl von „in der Regel“ (innerhalb einer Referenzperiode, vgl. Oetker, in: Erfurter Kommentar, § 1 MitbestG Rn. 6, § 1 DrittelbG Rn. 26) nicht mehr als 500, § 1 I Nr. 3 DrittelbG. 324 Hier ist die Aufgabe der Überwachung der Geschäftsleitung zwingend, Art. 40 I SE-VO. 313
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folgenden Fragen durch einen Mehrheitsbeschluß der Anteilseigner . . . geregelt“)325. Der EPG-VO-E regelt für die EPG neben der Rechtsfigur des faktischen Geschäftsleiters326 ausdrücklich auch die Rechtsfigur des faktischen Aufsichtsrats, die der Sache nach auch im Hinblick auf die AG vertreten wird327. „Eine Person, die als Mitglied der Unternehmensleitung agiert, ohne offiziell dazu bestellt zu sein, wird als ein Mitglied der Unternehmensleitung angesehen, das allen Pflichten und der Verantwortung eines solchen Mitglieds nachzukommen hat“ 328; Mitglied der Unternehmensleitung aber ist „jedes geschäftsführende Mitglied der Unternehmensleitung und jedes Mitglied des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einer SPE“ 329. 4. Sitzverlegung, Auflösung und Insolvenz Der Verwaltungssitz der EPG kann ohne Einhaltung besonderer Vorschriften auch grenzüberschreitend verlegt werden330. Da der Verwaltungssitz nicht einzutragen ist331, bedarf es bei seiner Veränderung auch keiner Meldung an das zuständige Register. Der grenzüberschreitenden Verlegung des eingetragenen Sitzes widmet der EPG-VO-E dagegen ein eigenes Kapitel. Die Vorschriften betreffend das dabei zu beachtende Verfahren finden sich in den recht umfangreichen Artt. 35–38 EPG-VO-E. Sie ähneln denjenigen über die grenzüberschreitende Verlegung des eingetragenen Sitzes der SE332. Einen Schwerpunkt bilden dabei Regelungen zur Arbeitnehmermitbestimmung333. Die grenzüberschreitende Verlegung des eingetragenen Sitzes bedarf eines mit einer qualifizierten Mehrheit von wenigstens 2/3 der Stimmen gefaßten Gesellschafterbeschlusses334. Unzulässig ist die grenzüberschreitende Verlegung des eingetragenen Sitzes während eines Liquidations- oder Insolvenzverfahrens335, um Mißbräuche zu vermeiden336. Die Auflösung der EPG erfolgt durch Gesellschafterbeschluß337, mit Ablauf eines im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Zeitraums338 oder in den weiteren 325 Dies übersehen de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 858 („wobei die Beziehungen beider Organe zueinander durch die Satzung festzulegen sind“). 326 Siehe den Text bei Fn. 292 ff. in Teil 3. 327 Vgl. Habersack, in: MK AktG, § 101 Rn. 69 f. m.w. N. 328 Art. 30 II EPG-VO-E. 329 Art. 1 Buchst. c EPG-VO-E. 330 Arg. e contrario Art. 35 I EPG-VO-E; Begründung des EPG-VO-E, S. 10. 331 Arg. e Art. 10 II Buchst. a i.V. m. Art. 7 I EPG-VO-E. 332 Vgl. Begründung des EPG-VO-E, S. 10. 333 Siehe den umfangreichen Art. 38 EPG-VO-E. 334 Art. 27 II, 1 Buchst. l EPG-VO-E. 335 Art. 35 II EPG-VO-E. 336 Begründung des EPG-VO-E, S. 10.
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Fällen, die das Recht des Mitgliedstaats vorsieht, in welchem die EPG ihren eingetragenen Sitz hat339. Die Auflösung vollzieht sich nach den einschlägigen Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts340. Insolvenzgründe und Insolvenzverfahren bestimmen sich anhand der EuInsVO und dem von dieser für anwendbar erklärten nationalen Recht341. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit nicht der eingetragene Sitz der EPG, sondern der Ort des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ („center of main interests“, „COMI“) i. S. d. Art. 3 I EuInsVO. Dies wird häufig der Verwaltungssitz der EPG sein342. Allerdings wird als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners zunächst – widerleglich – der „Satzungssitz“ einer juristischen Person vermutet343. Das ist bei der EPG der eingetragene Sitz, da die EPG keinen Satzungssitz hat344. 5. Besteuerung Die Besteuerung auf der Ebene der EPG bestimmt sich nach dem Recht am Ort ihres eingetragenen Sitzes345. Die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland dürfte aufgrund ihrer Rechtspersönlichkeit im Rahmen des vorzunehmenden Typenvergleichs346 als Körperschaft im Sinne des deutschen Steuerrechts eingeordnet werden347. Die EPG wäre dann selbst Steuersubjekt, und ihre Gewinne unterlägen der Körperschaftsteuer348. Als stehender Gewerbebetrieb wäre die EPG zudem gewerbesteuerpflichtig349. Die Besteuerung der Gesellschafter der EPG richtet sich nach deren Wohnsitz350; liegt der Wohnsitz des Gesellschafters in Deutschland, so unterliegen Entnahmen der Einkommensteuer351. Im Hinblick auf die EPG dürften keine wesentlichen Besonderheiten gegenüber der Besteuerung einer GmbH auftreten, weshalb Fragen der Besteuerung hier nicht näher behandelt werden sollen. 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351
Art. 40 I Buchst. b EPG-VO-E. Art. 40 I Buchst. a EPG-VO-E. Art. 40 I Buchst. c i.V. m. Art. 4 I EPG-VO-E. Art. 40 II EPG-VO-E. Art. 40 III EPG-VO-E. Schack, IZVR, Rn. 1162. Art. 3 I 2 EuInsVO. Siehe den Text bei Fn. 143 in Teil 3. Art. 4 II EPG-VO-E; Erwägungsgrund 6 zum EPG-VO-E. Siehe nur BFH DStR 1999, 895, 896. Vgl. Balmes/Rautenstrauch/Kott, DStR 2009, 1557, 1558. Vgl. § 1 I Nr. 1 KStG. Vgl. § 2 II 1 GewStG. Vgl. § 1 I 1 EStG. Vgl. §§ 2 I 1 Nr. 2, II 1 Nr. 1, 15 I 1 Nr. 1 EStG.
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6. Beurteilung Für die Möglichkeit der Neugründung einer EPG besteht weder ein Bedürfnis, noch ist insoweit eine europarechtliche Ermächtigungsgrundlage ersichtlich. Als hinreichend erscheint die Möglichkeit der Gründung durch Umwandlung, wie sie auch für die SE als einzige Form der Gründung vorgesehen ist352. Vertretbar dürfte es sein, auf eine notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags der EPG zu verzichten; dies gilt jedenfalls, wenn der Verordnungsgeber zum Inkrafttreten der EPG-VO eine amtliche Mustersatzung veröffentlicht. Generell spricht gegen ein Beurkundungserfordernis, daß der Notar ohnehin kaum in der Lage sein dürfte, eine Vollständigkeits- und Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf sämtliche der im Gesellschaftsvertrag umzusetzenden, mangels dispositiven Rechts sehr zahlreichen 44 Regelungsaufträge zu gewährleisten353. Dann aber werden die Zwecke eines für den Gesellschaftsvertrag geltenden Beurkundungserfordernisses – Rechtsklarheit und Einhaltung der Gründungsvorschriften354 – verfehlt. Damit ist ein Nutzen einer notariellen Beurkundung, der ihre Umständlichkeit und hohen Kosten rechtfertigte, nicht erkennbar. Zudem besteht mangels eines einheitlichen Notariates europaweit ohnehin kein einheitlicher Standard für eine Vollständigkeits- und Rechtmäßigkeitskontrolle des Gesellschaftsvertrags der EPG355. Daß für die Übertragung der Geschäftsanteile – anders als bei der GmbH356 – die Schriftform genügt, erhöht die Fungibilität der Geschäftsanteile deutlich. Dies geht zu Lasten des mit dem Erfordernis einer notariellen Beurkundung der Übertragung bezweckten Anlegerschutzes357. Auch die Beweiserleichterung als weiterer Zweck eines solchen Formerfordernisses358 wird nicht erreicht. Dies erschwert bei Erwerbsvorgängen den Nachweis der „chain of title“ gegenüber dem möglichen Erwerber von Geschäftsanteilen. Damit steigen die Kosten des Anteilserwerbs tendenziell, und die Rechtssicherheit nimmt ab. Die Ermöglichung der grenzüberschreitenden Verlegung des eingetragenen Sitzes der EPG kraft ausdrücklicher Regelungen im EPG-VO-E ist die Folge der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit359. Daß die Sitzverlegung 352
Siehe den Text bei Fn. 76 ff. in Teil 3. Optimistischer aber der Notar Priester, in: Hommelhoff/Helms, S. 145. 354 Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rn. 24. 355 Priester, in: Hommelhoff/Helms, S. 147, der (als deutscher Notar i. R.) für die Formerfordernisse das Recht des „Sitzstaates“ anwenden möchte. 356 § 15 III GmbHG. 357 Zu den Funktionen des Beurkundungserfordernisses bei der GmbH BGH NZG 2008, 377, 378. 358 Vgl. (zur GmbH) BGH NZG 2008, 377, 378. 359 Siehe EuGH, Urteil vom 09.03.1999, Rs. C-212/97 („Centros“), NJW 1999, 2027, 2028 Rn. 26 f.; Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00 („Überseering“), NJW 353
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
der EPG einem geordneten Verfahren unterworfen wird, ist zu begrüßen. Allerdings befassen sich die einschlägigen Vorschriften vor allem mit dem Arbeitnehmerschutz, insbesondere der Mitbestimmung der Arbeitnehmer360. Die Mitbestimmung, offenbar insbesondere die deutsche, soll in bemerkenswerter Weise abgesichert werden: Arbeitet zumindest ein Drittel der Arbeitnehmer im Herkunftmitgliedstaat und sehen die einschlägigen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats eine niedrigere Mandatszahl für Arbeitnehmervertreter in einem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan der Konzernmuttergesellschaft vor361, so muß die Geschäftsleitung der EPG „baldmöglichst“ auf Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern hinwirken362. Gleiches gilt ganz allgemein, wenn „die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats . . . den Arbeitnehmern von Einrichtungen der SPE, die in anderen Mitgliedstaaten belegen sind, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmungsrechten [gewähren,] wie diese ihn vor der Verlegung besaßen“ 363; dies als unbestimmt zu bezeichnen, wäre untertrieben. Die erforderlichen Verhandlungen sind innerhalb von sechs Monaten abzuschließen; nur einmalig können die Parteien eine Verlängerung der Verhandlungen um weitere sechs Monate vereinbaren364. Danach gilt: „Sollte keine Einigung erzielt werden, werden die Vereinbarungen über die Mitbestimmung im Herkunftsmitgliedstaat beibehalten“ 365. Über eine weniger starke Lobby als die Gewerkschaften verfügen offensichtlich die (potentiellen) Gläubiger der EPG – vor allem Klein- und Zwangsgläubiger. Der EPG-VO-E enthält keine zielführenden Regelungen zur Vermeidung sogenannter Firmenbestattungen insolvenzreifer Gesellschaften, einem jedenfalls in Deutschland verbreitetem Übel, bei dem ein Unternehmen außerhalb des deutschen Insolvenzverfahrens abgewickelt wird366. Zudem ist die Umgehung (strengerer) gläubigerschützender Bestimmungen des Rechts des Herkunftmitgliedstaats durch die grenzüberschreitende Sitzverlegung selbst insolvenzreifer EPGs möglich. Umgehen können Gesellschafter (und Geschäftsleiter) dadurch einerseits gesellschafts- oder deliktsrechtlich zu qualifizierende Haftungstatbestände, 2002, 3614, 3616 Rn. 80; Urteil vom 30.09.2003, Rs. C-167/01 („Inspire Art“), NJW 2003, 3331, 3333 Rn. 97. 360 Siehe den umfangreichen Art. 38 EPG-VO-E. Diese Norm übersieht Bücker, ZHR 173 (2009), 281, 294, der im Zusammenhang mit der Sitzverlegung lediglich auf „die recht lapidare Vorgabe“ des Art. 34 EPG-VO-E verweist. Das verwundert, weil Art. 34 II EPG-VO-E ausdrücklich Art. 38 EPG-VO-E in Bezug nimmt. 361 Art. 38 II Buchst. a EPG-VO-E. 362 Art. 38 III EPG-VO-E. Diese Regelung verkennt Bücker, ZHR 173 (2009), 281, 294, mit seinem Vorschlag eines „Verhandlungsverfahren[s] . . ., das dann ab einer bestimmten Zahl von betroffenen [sic] Arbeitnehmern eingreifen soll“. 363 Art. 38 II Buchst. b EPG-VO-E. 364 Art. 38 V 1 EPG-VO-E. 365 Art. 38 VI EPG-VO-E. 366 Näher Kleindiek ZGR 2007, 276, 277 ff.
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etwa die deutsche Existenzvernichtungshaftung367, die nach Eintragung der Sitzverlegung nicht mehr anwendbar sind368. Andererseits können Gesellschafter (und Geschäftsleiter) die Anwendung eines ihnen genehmen Insolvenzverfahrensrechts durch die Verlegung des eingetragenen Sitzes – was erfolgversprechender als die bloße Verlegung des Verwaltungssitzes sein dürfte369 – befördern: Nach Eintragung der Sitzverlegung greift die Vermutung des Art. 3 I 2 EuInsVO ein, wonach sich neben dem „satzungsmäßigen Sitz“ – der dem eingetragenen Sitz der EPG gleichzuachten ist370 – auch der für die internationale Zuständigkeit371 und mit auch für das Insolvenzstatut372 entscheidende Interessenmittelpunkt der EPG im Aufnahmemitgliedstaat befindet. Bei Art. 3 I 2 EuInsVO handelt es sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts um eine echte widerlegliche Vermutung373 und nicht bloß um eine Zweifelsregelung, die nur eingreift, wenn ein Interessenmittelpunkt nicht festzustellen ist374. Wird die Vermutung nicht widerlegt, kommt für die insolvenzreife EPG nach einer Sitzverlegung das Insolvenzverfahrensrecht des Aufnahmemitgliedstaats zur Anwendung375 – und mit ihm auch insolvenzrechtlich zu qualifizierende Haftungstatbestände376. Die grenzüberschreitende Sitzverlegung ist nach Art. 35 II EPG-VO-E erst dann ausgeschlossen, wenn „ein Verfahren wegen . . . Insolvenz oder Zahlungs367
Dazu siehe den Text bei Fn. 1059 ff. in Teil 3. Das folgt einerseits aus Art. 4 II EPG-VO-E, andererseits aus einem Gegenschluß zu Art. 35 IV EPG-VO-E, der die Fortgeltung des anwendbaren materiellen Rechts des Herkunftsmitgliedstaats nur „für die Zwecke von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, die vor der Verlegung des eingetragenen Sitzes eingeleitet wurden“ anordnet. 369 Vgl. für das deutsche Recht BGH, Beschl. v. 13.12.2007, – IX ZB 238/06 (BeckRS 2008, 00720, Rn. 7), wonach einem „künstlich hergestellten abweichenden Verwaltungssitz“ gegenüber dem Satzungssitz und den weiteren Umständen des Einzelfalls bei der Bestimmung des Interessenmittelpunkts des Gemeinschuldners i. S. d. Art. 3 I EuInsVO keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. 370 Siehe den Text bei Fn. 143 in Teil 3. 371 Art. 3 I 1 EuInsVO. 372 Art. 4 I EuInsVO. 373 Schack, IZVR, Rn. 1162; Lüer, in: Uhlenbruck, Art. 3 EuInsVO Rn. 11; Herchen, ZInsO 2004, 825, 826. 374 So aber Kindler, in: MK BGB, Internationales Insolvenzrecht, Art. 3 EuInsVO Rn. 28, 26, weil eine echte Vermutungsregel bei einem „Satzungssitz“ der Gesellschaft in Deutschland in Widerspruch zum Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 I 1 InsO stehe, der bei einer Antragstellung vor einem deutschen Insolvenzgericht eingreife (vgl. ders., in: MK BGB, Internationales Insolvenzrecht, Art. 3 EuInsVO Rn. 4). Das trifft schon deshalb nicht zu, weil die EuInsVO autonom auszulegen ist, wie ders. andernorts selbst feststellt (in: MK BGB, Internationales Insolvenzrecht, Vorbem. EuInsVO Rn. 13). Vgl. auch ders., in: Kindler/Nachmann, 1. Teil § 2 Rn. 36. Letztlich führt jedoch der Amtsermittlungsgrundsatz dazu, daß es auf den „Satzungssitz“ nur ankommt, wenn sich kein tatsächlicher Interessenmittelpunkt feststellen läßt, Schack, IZVR, Rn. 1162. 375 Vgl. Artt. 4 I, 3 I 1 EuInsVO. 376 Kindler, in: MK BGB, Internationales Insolvenzrecht, Art. 4 EuInsVO Rn. 6 f. 368
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
einstellung läuft oder . . . von . . . [den] zuständigen Behörden Präventivmaßnahmen zur Vermeidung der Einleitung derartiger Verfahren ergriffen wurden“ 377. Unabhängig davon, daß unklar bleibt, was in diesem Zusammenhang „zuständig[e] Behörden“ und „Präventivmaßnahmen“ sein sollen und wann diese als „ergriffen“ gelten, dürfte diese Einschränkung letztlich ohne echten Anwendungsbereich bleiben. Nach den genannten Zeitpunkten wird es nur selten noch zu einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung kommen. Eine solche erscheint dann aus Sicht der Gesellschafter und der Geschäftsleitung der EPG kaum mehr sinnvoll. Einerseits fingiert der Art. 35 IV EPG-VO-E378 nach der Sitzverlegung „für die Zwecke“ vor der Sitzverlegung „eingeleitet[er]“ 379 Gerichtsverfahren einen eingetragenen Sitz im Herkunftsmitgliedstaat; darin ist neben der Anordnung einer perpetuatio fori wegen Art. 4 II EPG-VO-E auch die Berufung des materiellen Rechts des Herkunftsmitgliedstaats zu sehen. Andererseits beeinflußt die grenzüberschreitende Sitzverlegung bereits nach Antragstellung die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts380 und damit auch die Anwendbarkeit des bisherigen Insolvenz(verfahrens)rechts381 nicht mehr. Um den Gläubigerschutz im Rahmen der Sitzverlegung zu stärken, sollte Art. 35 II EPG-VO-E de lege ferenda eine grenzüberschreitende Sitzverlegung bereits dann ausschließen, wenn die EPG nach dem durch Art. 4 I EuInsVO berufenen Recht insolvenzreif ist, also ein zwingender Insolvenzgrund vorliegt. Schwierigkeiten bei der Handhabung dieses Tatbestandsmerkmals in der Praxis könnte dadurch begegnet werden, daß die Geschäftsleiter der EPG im Zuge des Verlegungsverfahrens der zuständigen Stelle eine Versicherung dahin vorzulegen haben, daß die EPG weder bei Fertigstellung des Verlegungsplans noch bei dessen Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung insolvenzreif ist. Dieses Erfordernis wäre mit einer Schadensersatzverpflichtung der Geschäftsleiter bei Abgabe einer falschen Versicherung abzusichern. Auf diese Weise würde Mißbrauch vorgebeugt, ohne das Verlegungsverfahren nennenswert in die Länge zu ziehen. Daneben sollten Vorkehrungen gegen sogenannte Firmenbestattungen getroffen werden. Hierfür kommen die im Rahmen des MoMiG ergriffenen Maßnahmen382 – insbesondere die Einführung des § 15a III InsO zur Vermeidung der 377
Art. 35 II EPG-VO-E. „Für die Zwecke von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, die vor der Verlegung des eingetragenen Sitzes eingeleitet wurden, wird die SPE nach der Registrierung gemäß Absatz 3 als ihren eingetragenen Sitz im Herkunftsmitgliedstaat habend angesehen.“ 379 Was immer das heißen mag – bei einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland kommen etwa Anhängigkeit und Rechtshängigkeit in Betracht. 380 EuGH, Urteil vom 17.01.2006, Rs. C-1/04 („Staubitz-Schreiber“), NZI 2006, 153, Rn. 29. 381 Art. 4 I EuInsVO. 382 Dazu und zu wünschenswerten Weiterungen de lege ferenda ausführlich M. Schwab, DStR 2010, 333, 333 ff. 378
A. Grundzüge der Europäischen Privatgesellschaft
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Führungslosigkeit der Gesellschaft, dessen Geltung bislang selbst für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland zweifelhaft ist383 – als Vorbild in Betracht. Die verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung der Leitung der EPG gewähren den Gesellschaftern große Freiräume. So können sie das aus dem angloamerikanischen Rechtsraum stammende monistische Modell eines einheitlichen Leitungsgremiums mit geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitgliedern wählen; ob hierfür ein Bedürfnis besteht, darf indes bezweifelt werden. Weiter kann der Gesellschaftsvertrag – neben der von der GmbH bekannten einschichtigen Geschäftsleitung – auch eine zweischichtige Struktur mit einem Aufsichtsgremium vorsehen. Der EPG-VO-E wird allerdings der Bedeutung fakultativer Aufsichtsgremien insbesondere in mittelständischen Unternehmen nicht gerecht. Deren Aufgabe ist neben der Beratung der Geschäftsleitung oft gerade auch die Bestellung und Abberufung von Geschäftsleitern. Außer durch die Gesellschafterversammlung sollten Geschäftsleiter der EPG daher auch durch ein Aufsichtsgremium bestellt und abberufen werden können, sofern die Satzung dies vorsieht384. Die im EPG-VO-E vorgesehene zentrale Pflicht des Geschäftsleiters – die Pflicht, „mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können“ 385, zu handeln, ist nahezu unverändert dem englischen Recht entnommen. S. 174 CA 2006 lautet: „(1) A director of a company must exercise reasonable care, skill and diligence. (2) This means the care, skill and diligence that would be exercised by a reasonably diligent person with . . . the general knowledge, skill and experience that may reasonably be expected“. Der Umstand, daß der Verordnungsgeber die Konkretisierung der Sorgfaltspflicht und auch des Sorgfaltsmaßstabs des Geschäftsleiters – wie in England – ganz bewußt den Gerichten der Mitgliedstaaten überläßt386, dürfte zu einer unübersehbaren Kasuistik und zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Damit wären die Geschäftsleiter ein und derselben Rechtsform je nach dem Ort des eingetragenen Sitzes der EPG ganz anderen Verhaltensanforderungen unterworfen. Das erscheint insbesondere dann merkwürdig, wenn der Geschäftsleiter einer Konzernobergesellschaft in der Rechtsform der EPG zugleich Geschäftsleiter von Konzerntöchtern der gleichen Rechtsform ist. Eine – mit dem EPG-VO-E beabsichtigte387 – Erleichterung grenzüberschreitender unternehmeri383 Zweifelnd zu ausländischen Kapitalgesellschaftsformen Hirte, in: Uhlenbruck, § 15a InsO Rn. 3, 61; vgl. auch Mönning, in: Nerlich/Römermann, § 15a Rn. 9. 384 So auch der „Arbeitskreis Europäisches Unternehmensrecht“, NZG 2008, 897, 900; J. Schmidt, EWS 2008, 455, 461; de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 859. 385 Art. 31 I 2 EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 281 ff. in Teil 3. 386 Begründung des EPG-VO-E, S. 10; siehe bereits den Text bei Fn. 289 in Teil 3. 387 Vgl. den Text bei Fn. 52 ff. in Teil 3.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
scher Tätigkeit sieht anders aus. Das gilt um so mehr, als die Ausgestaltung der Haftung des Geschäftsleiters vollständig dem Recht der Mitgliedstaaten unterfällt388. Damit sind etwa praktisch so wesentliche Gesichtspunkte wie die Aktivlegitimation insbesondere im Insolvenzfall, die Möglichkeit des Verzichts der Gesellschafter auf einen Haftungsanspruch gegen den Geschäftsleiter sowie Beginn und Dauer der Verjährungsfrist in 27 Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Begrüßenswert ist allerdings die ausdrückliche Erstreckung der Geschäftsleiterpflichten auf faktische Geschäftsleiter389. Der EPG-VO-E übernimmt die Rechtsfigur des de facto director der englischen Limited390 und des gérant de fait der französischen S. à r. l.391. Der EPG-VO-E dürfte hierdurch – anders als die verfassungsrechtlich nicht unbedenkliche deutsche Rechtsprechung zum faktischen GmbH-Geschäftsführer392 – bei einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland eine dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG genügende Bestrafung des faktischen Geschäftsleiters etwa wegen Insolvenzantragsverschleppung393 ermöglichen.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente I. Kapitalisierungsmöglichkeiten der EPG Neben dem gebundenen Kapital der EPG394, insbesondere ihrem Nennkapital, kann sich die EPG weiterer Finanzierungsquellen bedienen. 1. Innenfinanzierung Eine Innenfinanzierung der EPG kann zunächst über die Gegenwerte von Abschreibungen oder Rückstellungen erfolgen395. Hierbei werden Umsatzerlöse der EPG im Unternehmen belassen, indem sie in Höhe des Gegenwerts der Abschrei388
Art. 31 V EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 290 in Teil 3. Maschke, S. 264, der weitergehend die Erstreckung auch auf Schattengeschäftsleiter der EPG vorschlägt. 390 Siehe den Text bei Fn. 1185 ff. in Teil 2. 391 Vgl. Art. L. 651-2 C. com. 392 Siehe einerseits NJW 1988, 1789, 1789, andererseits BGH NJW 2005, 374, 375 (zu § 370a AO): „Es verbleibt . . . bei der bereits geäußerten Auffassung des Senats, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsanwender überlässt, die Grenze zum Verbrechenstatbestand nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtlichen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Absatz II GG nicht genügen kann.“ 393 § 15a I, IV, V InsO. 394 Siehe dazu näher den Text bei Fn. 418 ff., 664 ff. in Teil 3. 395 Schneeloch, S. 33 (rechtsformübergreifend). 389
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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bungen oder Rückstellungen einer Ausschüttung entzogen werden396. Eine Finanzierung erfolgt damit nicht „über Abschreibungen, Rückstellungen“ 397, sondern durch Mittel aus dem Umsatzprozeß398. In welchem Umfang Abschreibungen und Rückstellungen möglich oder geboten sind, regeln für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland die Rechnungslegungsvorschriften des HGB399. Über die offene Selbstfinanzierung der EPG durch Thesaurierung von Gewinnen entscheiden die Gesellschafter durch Beschluß400. Diese Kompetenz kann auch im Gesellschaftsvertrag der EPG nicht der Geschäftsleitung zugewiesen werden401. Gesetzliche Rücklagen sind bei der EPG nicht zu bilden; über eine verpflichtende Rücklagenbildung entscheidet allein der Gesellschaftsvertrag402. Eine stille Selbstfinanzierung der EPG erfolgt aus Gewinnen, die nicht offen ausgewiesen werden, sondern als stille Reserven nicht in der Bilanz erscheinen403. Diese Finanzierungsart dürfte bei der EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften des HGB404 schreiben die Bildung stiller Reserven vor – etwa in Form von Ansatzwahlrechten sowie des Imparitätsprinzips und des Niederstwertprinzips405 – oder gestatten sie jedenfalls, etwa durch Ansatz- und Bewertungswahlrechte406. 2. Außenfinanzierung a) Fremdfinanzierung Da die Rechtsform der EPG erst künftig eingeführt werden soll, liegen noch keine Erfahrungswerte über Erscheinungsformen der Fremdfinanzierung der EPG vor. Für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland dürfte die Fremdfinanzierung eine herausragende Rolle erlangen, dabei dürften in erster Linie Banken Fremdkapital bereitstellen407. Es ist davon auszugehen, daß Banken jedenfalls bei der Kreditvergabe an EPGs mit geringer Eigenkapitalausstattung in erheblichem Maße die Bereitstellung von Sicherheiten durch Gesellschafter ver396
Schneeloch, S. 33 (rechtsformübergreifend). So aber Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 258. 398 Schneeloch, S. 33 (rechtsformübergreifend). 399 Vgl. Art. 25 I EPG-VO-E. 400 Art. 27 I Buchst. e EPG-VO-E. 401 Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 261. 402 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 2. Spiegelstrich. 403 Schneeloch, S. 34 (rechtsformübergreifend). 404 Vgl. Art. 25 I EPG-VO-E. 405 Vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 252 Rn. 14. 406 Vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 252 Rn. 14. 407 Vgl. Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 269 (allgemein zu mittelständischen Unternehmen mit Sitz in Deutschland). 397
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
langen werden408. Außerdem könnte sich die EPG Kapital durch Ausgabe von Schuldverschreibungen beschaffen409; ausgeschlossen sind lediglich das Angebot und der Handel von Geschäftsanteilen der EPG410. Die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland dürfte sich ferner auch durch Lieferantenkredite und Leasinggeschäfte finanzieren411. Der EPG-VO-E enthält keine gesellschaftsrechtlichen Vorgaben für die der Fremdfinanzierung zuzurechnende412 Mittelbeschaffung durch Gesellschafterdarlehen. Allerdings kommen für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland die Bestimmungen des deutschen Insolvenzrechts zur Anwendung413, insbesondere also die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz gemäß § 35 I Nr. 5 InsO und die Anfechtbarkeit von Tilgungsleistungen auf ein Gesellschafterdarlehen gemäß § 135 InsO. Dies dürfte zu einer eher zögerlichen Bereitstellung von Mitteln durch Gesellschafter führen. b) Mezzanine-Kapital Die Finanzierung kann auch bei der EPG durch sogenanntes Mezzanine-Kapital erfolgen, das eine Mischform zwischen der Außenfinanzierung durch Fremdund durch Eigenfinanzierung darstellt414. Wesentliche Merkmale des MezzanineKapitals sind die Nachrangigkeit des Kapitalgebers in der Insolvenz im Verhältnis zu anderen Gläubigern, jedoch der Vorrang gegenüber Gesellschaftern, eine geringe Besicherung und die Befristung der Kapitalüberlassung415. c) Eigenfinanzierung Schließlich kommt selbstverständlich eine Außenfinanzierung durch Eigenfinanzierung in Betracht, das heißt im Wege der Bereitstellung von Eigenkapital durch die Gesellschafter der EPG. Hierauf ist wegen der daraus möglicherweise folgenden Gesellschafterverantwortlichkeit gegenüber Gesellschaftsgläubigern im Folgenden näher einzugehen. 408 Vgl. den Text bei Fn. 1800 in Teil 2 zur der der EPG (auch) insoweit vergleichbaren Limited mit geringer Eigenkapitalausstattung. 409 Vgl. Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 271 f. 410 Art. 3 I Buchst. d EPG-VO-E. 411 Vgl. Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 269 (allgemein zu mittelständischen Unternehmen mit Sitz in Deutschland). 412 Schneeloch, S. 34. Fernliegend Hommelhoff, ZHR 173 (2009), 255, 270, der meint, „im betriebswirtschaftlichen Schrifttum“ bleibe „ungeklärt“, ob Gesellschafterdarlehen „der Außenfinanzierung zuzuschlagen sind oder der Innenfinanzierung“. 413 Art. 40 III EPG-VO-E. 414 Siehe bereits den Text bei Fn. 57 ff. in Teil 2. 415 Siehe den Text bei Fn. 58 in Teil 2.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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II. Primäre präventive Kapitalschutzinstrumente Die primären präventiven Kapitalschutzinstrumente der EPG unterfallen ebenfalls416 in Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften417. 1. Kapitalaufbringung a) Struktur des Eigenkapitals aa) Geschäftsanteile (1) Anzahl Fraglich erscheint zunächst, ob das Nennkapital der Gesellschaft auf mehr als einen Geschäftsanteil aufgeteilt sein muß. Der EPG-VO-E spricht meist in der Mehrzahl von „Anteilen“ 418. Insbesondere ist in Art. 14 I EPG-VO-E von den „Anteilen der SPE“ 419 die Rede. Dagegen ist in Art. 23 II EPG-VO-E, allerdings in Abgrenzung von erworbenen eigenen Anteilen, von „mindestens eine[m] begebenen Anteil“ die Rede. Jedenfalls ergibt sich aus keiner Vorschrift zwingend, daß es mehr als einen Anteil geben muß. So kann die EPG auch als Einpersonengesellschaft420 gegründet werden; Art. 2 I lit. (a) EPG-VO-E spricht in der Einzahl von dem „Gründungsgesellschafter“ 421. Für die erforderliche Zuweisung von Herrschaftsrechten ist damit nicht stets mehr als ein Geschäftsanteil erforderlich. Mithin muß das Nennkapital der EPG lediglich in mindestens einen Geschäftsanteil aufgeteilt sein. (2) Nennwert Der oder die Geschäftanteile bedürfen eines Nennwerts. Das folgt aus Art. 19 I EPG-VO-E, wonach das Kapital der EPG „auf Euro“ lautet, sowie aus Art. 19 IV EPG-VO-E („Kapital . . . 1 Euro“). Nennwertlose Anteile sind damit unzulässig. 416
Vgl. den Text bei Fn. 70 ff. in Teil 2 zur Limited. Zur Entwicklung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften der EPG im Rechtssetzungsverfahren siehe Maschke, passim. 418 Artt. 10 II Buchst. e; 14; 15 I Buchst. b; 16; 17 III; 18 III, 5, 6; 19 III; 20; anders in 15 I Buchst. c. 419 So auch die englische („shares“) und die französische („actions“) Fassung. 420 Um eine Einpersonengesellschaft handelt es sich auch dann, wenn – wie ausdrücklich zugelassen (Artt. 14 IV 1; 15 I Buchst. c EPG-VO-E) – mehrere Personen einen Geschäftsanteil zusammen halten. In diesem Fall werden diese Personen als ein Gesellschafter betrachtet (Art. 14 IV 1 EPG-VO-E). Verunglückt ist der Wortlaut des Art. 14 IV 1 EPG-VO-E, der von „Besitz“ am Geschäftsanteil spricht; anders die englische („owned“) und die französische („détiennent“) Fassung. 421 So auch die englische („founding shareholder“) und die französische („actionnaire fondateur“) Fassung. 417
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Der Nennwert eines Geschäftsanteils ist zwar grundsätzlich in Euro zu bestimmen422. Jedoch können diejenigen Mitgliedstaaten, in denen der Euro nicht als Währung eingeführt wurde423, vorschreiben424, daß die Geschäftsanteile einer EPG mit eingetragenem Sitz in diesem Mitgliedstaat auf die Landeswährung lauten425. Zusätzlich kann die Gesellschaft freiwillig den am Monatsletzten vor Eintragung der Gesellschaft bestehenden Gegenwert in Euro angeben426. Das Europäische Parlament fordert dagegen eine zwingende Angabe des Gegenwerts in Euro427. Dem ist wegen der damit bewirkten größeren Transparenz zuzustimmen. Der auf den maßgeblichen Zeitpunkt entfallende Umrechnungskurs der in den betreffenden Mitgliedstaaten umlaufenden Währungen, wie etwa des bulgarischen Lew, ist für den Rechtsverkehr nur mit Schwierigkeiten zu ermitteln. Durch eine verpflichtende zusätzliche Angabe des Nennkapitals in Euro wird es dem Rechtsverkehr außerhalb des Sitzstaates erleichtert, sich ein Urteil über die Kapitalausstattung der EPG zu bilden. Der Nennwert jedes Geschäftsanteils muß nicht auf volle Euro bzw. volle Einheiten der jeweiligen Landeswährung lauten; eine entsprechende Vorschrift fehlt für die EPG – anders als bei der GmbH428. Weitergehend ist es auch nicht erforderlich, den Nennwert auf den kleinsten umlaufenden Bruchteil eines Euros bzw. der Landeswährung, beispielsweise einen Euro-Cent oder einer bulgarischen Stotinka429, festzusetzen. Vielmehr ist auch ein bloß rechnerischer Nennwert zulässig. Das folgt aus einem Regelungsauftrag in Anhang I EPG-VO-E430. (3) Ausgestaltung Die EPG kann Geschäftsanteile verschiedener Gattungen ausgeben431, die sich nach den mit ihnen verbundenen Rechten und Pflichten unterscheiden432. Inso422
Art. 19 I EPG-VO-E. Dies sind Bulgarien, Dänemark, Großbritannien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien sowie Ungarn. 424 Falsch die deutsche Fassung des EPG-VO-E, wo es „bitten“ heißt, anstelle des „require“ der englischen und des „exiger“ der französischen Fassung. 425 Art. 42 I 1 i.V. m. Art. 19 I EPG-VO-E. 426 Art. 42 I 2 EPG-VO-E. Welches der maßgebliche Kurs sein soll, bleibt unklar. 427 Legislative Entschließung, Abänderung 60. 428 § 5 II 1 GmbHG i. d. F. des MoMiG. 429 1 bulgarischer Lew entspricht 100 Stotinki. 430 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel II – Gründung, 1. Spiegelstrich („rechnerischer Pariwert“ bzw. „accountable par“ und „pair comptable“). 431 Artt. 10 II (d); 14 II EPG-VO-E. Schlampig die deutsche Fassung der EPG-VO-E. Dort ist in Art. 10 II (d) in einem Satz, in Art. 14 III in einem Absatz jeweils von „Kategorien“ und „Klassen“, in Art. 14 II EPG-VO-E wiederum von „Kategorie“ die Rede. Gemeint ist ausweislich des Zusammenhangs das gleiche, nämlich unterschiedliche Gattungen von Anteilen. 432 Arg. e Art. 14 (2) EPG-VO-E. 423
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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weit verfügen die Gründer über einen weiten Gestaltungsspielraum433. Sie können etwa stimmrechtslose Anteile schaffen434, die Gewinnbeteiligung unterschiedlich regeln und Bezugsrechte ausschließen435. Auch die Ausgabe der von der Limited bekannten rückerwerbbaren Anteile436 ist zulässig. Das regelt der Verordnungsgeber zwar nicht ausdrücklich; es ist auch weder aus der deutschen, noch aus der französischen Fassung des EPG-VO-E ohne weiteres ersichtlich. Allerdings spricht Art. 27 I Buchst. g EPG-VO-E in seiner englischen Fassung davon, daß es für eine „redemption of shares“ eines Gesellschafterbeschlusses bedarf. Damit kann nur die Rücknahme rückerwerbbarer Anteile (redeemable shares) gemeint sein, zumal der Erwerb gewöhnlicher eigener Anteile gesondert behandelt wird437. Sämtliche Anteile müssen vor Anmeldung der zukünftigen Gesellschaft gezeichnet werden438. Für die Ausgabe der Geschäftsanteile kann die Zahlung eines Aufgelds vereinbart werden439. Dagegen ist eine Ausgabe unter dem Nennwert der Anteile440 unzulässig. Das folgt aus Art. 19 III EPG-VO-E, der lediglich zuläßt, daß die Einlageleistung bei Ausgabe nicht sofort in voller Höhe erfüllt werden muß. (4) Verbot des öffentlichen Angebots Gemäß Art 3 II EPG-VO-E ist ein öffentliches Angebot von Geschäftsanteilen der EPG unzulässig. Fraglich erscheint, wann ein öffentliches Angebot vorliegt. Nach dem EPG-VO-E soll dies bereits dann der Fall sein, „wenn in beliebiger Form und auf beliebigem Wege eine Mitteilung an Personen gerichtet wird, die so viele Informationen über die Bedingungen des Angebots und die anzudienenden Anteile enthält, daß ein Anleger in der Lage ist, über Erwerb oder Zeichnung dieser Anteile zu entscheiden, was auch dann gilt, wenn Anteile durch Finanzintermediäre plaziert werden“ 441. 433 Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807, 808, die allerdings ungenau von „Anteilseigner[n]“ sprechen, die die mit den „Anteilen verbundenen Rechte und Pflichten“ regeln könnten. Diese Festlegungen werden bei Gründung (anders bei einer Kapitalerhöhung) getroffen, bevor die Gründer durch Anteilsausgabe zu Anteileignern werden. Es ist in diesem Zusammenhang daher von Gründern zu sprechen. 434 Siehe Anhang I EPG-VO-E, Kapitel III – Anteile, 4. Spiegelstrich. Die Begründung des EPG-VO-E, S. 8, spricht von „Vorzugsanteilen“. Die Ausgabe stimmrechtsloser Anteile ist selbstverständlich nur möglich, wenn wenigstens ein Anteil mit Stimmrecht versehen ist. 435 Siehe Anhang I EPG-VO-E, Kapitel III – Anteile, 3. und 6. Spiegelstrich. 436 Siehe den Text bei Fn. 750 ff. in Teil 2. 437 In Art. 27 I Buchst. f EPG-VO-E der englischen Fassung wird für eine „acquisition of own shares“ ebenfalls ein Gesellschafterbeschluß vorausgesetzt. 438 Arg. e Artt. 19 II; 10 II Buchst. c–f EPG-VO-E. 439 Art. 20 I EPG-VO-E. 440 Fremdwortlastig auch als „Unterpari-Emission“ bezeichnet.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Dagegen deutet ein Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments darauf hin, daß dieses auch das öffentliche Angebot und den öffentlichen Handel von Geschäftsanteilen der EPG zulassen will. So ist die geforderte Änderung des Art. 3 I Buchst. d an sich zu verstehen, wonach die „Anteile . . . weder öffentlich zur Zeichnung aufgelegt noch öffentlich gehandelt werden [müssen]“ 442; damit kann dies der Fall sein. Dabei dürfte es sich indes um einen weiteren (peinlichen) Übersetzungsfehler handeln; in der englischen Fassung ist von „must not“ die Rede. Jedenfalls sollen nach Art. 3 I Buchst. d Hs. 2 Angebote an die Arbeitnehmer möglich sein443. Die Definition des öffentlichen Angebots im EPG-VO-E möchte das Europäische Parlament unverändert übernehmen. Die Definition des öffentlichen Angebots des EPG-VO-E ist mißraten. Sie enthält lediglich eine Bestimmung des Angebots, nicht jedoch des entscheidenden Merkmals der Öffentlichkeit des Angebots. Insoweit ist lediglich von einer „Mitteilung an Personen“ die Rede. Das gilt auch für die englische und die französische Fassung444. Dem Begriff des öffentlichen Angebots unterfällt so etwa auch ein persönlicher Brief, den ein Gründer an zwei an einer Beteiligung an der zukünftigen EPG interessierte Geschäftspartner richtet. Statt „Mitteilung an Personen“ sollte es – wie in dem auf europarechtliche Vorgaben445 zurückgehenden § 2 Nr. 4 WpPG – „Mitteilung an das Publikum“ heißen. Unnötig ist – jedenfalls dann – die vom Europäischen Parlament offenbar auf Betreiben der Gewerkschaften geforderte Ergänzung eines Hs. 2 in Art. 3 I Buchst. d; ein Beteiligungsangebot (nur) gegenüber Arbeitnehmern der EPG kann dann erst recht nicht als unzulässiges öffentliches Angebot aufgefaßt werden. (5) Beurteilung Der erhebliche Gestaltungsspielraum durch die Möglichkeit, verschiedene Gattungen von Geschäftsanteilen zu schaffen, erhöht aus Sicht der Gründer die Attraktivität der Rechtsform der EPG. Insbesondere durch die ausdrückliche Zulassung stimmrechtsloser Anteile bietet die EPG mehr Flexibilität als die GmbH, bei der im Zusammenhang mit stimmrechtslosen Geschäftsanteilen zahlreiche Rechtsfragen ungeklärt sind, weshalb stimmrechtslose Geschäftsanteile praktisch
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Art. 3 II EPG-VO-E. Legislative Entschließung, Abänderung 15. 443 Legislative Entschließung, Abänderung 15. 444 „Communication . . . addressed to persons“ bzw. „communication adressée à des personnes“. 445 Vgl. Art. 12 II der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. 2007 Nr. L 69, S. 27 ff. 442
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selten anzutreffen sind446. Zusätzliche Möglichkeiten der Finanzierung der EPG bieten auch die von der Limited bekannten rückerwerbbaren Anteile447. Deren Einführung wird im Schrifttum für die AG gefordert448; das deutsche Recht verbietet de lege lata die Ausgabe rückerwerbbarer Anteile449. Auch der EPG-VO-E enthält insoweit keine Regelungen, sondern geht offenbar von der Möglichkeit des Rückgriffs auf das anwendbare nationale Recht aus450 – was neuerlich zeigt, wie stark der EPG-VO-E vom englischen Recht beeinflußt ist451, dem das Rechtsinstitut der rückerwerbbaren Anteile entstammt452. Das führt zu Rechtsunsicherheit und Gefahren für den Gläubigerschutz: Bliebe die Ausgestaltung der rückerwerbbaren Anteile der Satzung überlassen, so könnten die Gesellschafter die Regeln des EPG-VO-E zur Kapitalherabsetzung453 aushebeln, was dem damit bezweckten Gläubigerschutz zuwiderliefe. bb) Mindestnennkapital (1) Regelung des EPG-VO-E Das gesamte nominale Nennkapital der EPG hat ausweislich des EPG-VO-E wenigstens einen Euro zu betragen454. Nicht ausdrücklich geregelt ist, daß das ausnahmsweise in einer anderen Währung ausgedrückte Nennkapital455 zu dem für die Anmeldung maßgeblichen Stichtag456 zumindest den Gegenwert von einem Euro aufweisen muß457. Das folgt jedoch aus dem Zweck der Artt. 19 I, IV und 42 I EPG-VO-E, zumindest ein Mindestnennkapital von einem Euro zu gewährleisten. Damit bedarf die EPG nach der EPG-VO-E lediglich eines Mindestnennkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag458, doch bedeutet dies nicht, daß überhaupt kein Mindestnennkapital erforderlich wäre459. 446
Reichert, GmbHR 1999, 433, 434. Siehe dazu erneut den Text bei Fn. 750 ff. in Teil 2. 448 Brammer, S. 212, 364. 449 Brammer, S. 186. 450 Neben dem englischen Recht kennen rückerwerbbare Anteile auch die Gesellschaftsrechte von Belgien, Dänemark, Italien, Luxemburg, Portugal und Spanien (Brammer, S. 12). 451 Auch in Art. 39 der Kapitalrichtlinie wurden auf Druck Großbritanniens Regelungen zu rückerwerbbaren Anteilen aufgenommen, Brammer, S. 12 f. 452 Es wurde dort bereits 1929 eingeführt, Ferran, S. 156. 453 Zu diesen siehe den Text bei Fn. 911 ff. in Teil 3. 454 Art. 19 IV EPG-VO-E. 455 Siehe den Text bei Fn. 423 ff. in Teil 3. 456 Also dem letzten Tag des Monats vor Eintragung der EPG, Art. 42 I 2. 457 Vgl. Artt. 19, 42 EPG-VO-E. 458 Zu diesem Begriff siehe den Text bei Fn. 117 ff. in Teil 2. 459 Widersprüchlich Hommelhoff, FS K. Schmidt, 671, 672: „Das gesetzliche Mindestkapital . . . beträgt lediglich einen Euro mindestens (Art. 19 IV); auf ein Mindest447
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(2) Forderung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament will demgegenüber ein Mindestnennkapital von einem Euro nur unter der Einschränkung zulassen, daß die Geschäftsleitung der EPG kraft Satzungsbestimmung vor jeder Ausschüttung zur Unterzeichnung einer – nach dem EPG-VO-E unabhängig von der Höhe des Nennkapitals nur fakultativen460 – „Solvenzbescheinigung“ verpflichtet ist461. Bei einer „Solvenzbescheinigung“ handelt es sich um die verkörperte Erklärung der Geschäftsleitung, daß die Gesellschaft innerhalb der nächsten 12 Monate in der Lage sein wird, bestimmte Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen462. Das auf die Abgabe einer „Solvenzbescheinigung“ gerichtete Verfahren wird (ungenau)463 auch als „Solvenztest“ bezeichnet464. Fehlt eine Satzungsbestimmung, die eine „Solvenzbescheinigung“ vorsieht, muß die EPG ein erhöhtes Mindestnennkapital von 8.000 A aufweisen465. Damit fordert das Parlament entgegen abweichender vorheriger Forderungen466 grundsätzlich ein Mindestnennkapital von 8.000 A. (3) Beurteilung Im Hinblick auf die EPG erscheint der Verzicht auf ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag aus den gleichen Gründen, wie sie auf die Limited zutreffen, verfehlt467. Der Verzicht geht einseitig zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger, vor allem zu Lasten von Klein- und Zwangsgläubigern. Auf Kleingläubiger treffen die wenigsten der vom Verordnungsgeber für den Verzicht auf ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag angegebenen Gründe468 zu, auf Zwangsgläukapital soll bei der SPE mithin verzichtet werden“; ähnlich widersprüchlich Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 904. 460 Art. 21 II 1 EPG-VO-E. 461 Legislative Entschließung, Abänderung 33. 462 Vgl. Art. 21 II 1 EPG-VO-E. Zur „Solvenzbescheinigung“ siehe ausführlich den Text bei Fn. 691 ff. in Teil 3. 463 Siehe den Text bei Fn. 704 in Teil 3. 464 Dazu siehe ausführlich den Text bei Fn. 691 ff. in Teil 3. 465 Legislative Entschließung, Abänderung 33. 466 Dies widerspricht der Forderung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. Dieser verlangte von dem Rechtsausschuß, entgegen dem EPG-VO-E ein Mindestkapital von 15.000 A durchzusetzen (Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 05.11.2008, in: Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 04.02.2009, A6-0044/2009, S. 86 ff., Änderungsantrag 16). Vor Veröffentlichung des EPG-VO-E hatte das Europäische Parlament ein Mindestkapital von 10.000 A vorgeschlagen (Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen, Empfehlung 3). 467 Siehe den Text bei Fn. 164 ff. in Teil 2. 468 Begründung des EPG-VO-E, S. 8: „Aus Studien geht hervor, daß die Gläubiger heutzutage auf andere Gesichtspunkte als das Kapital schauen, wie z. B. den Cashflow,
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biger kein einziger: Diese können vor Erwerb ihrer Gläubigerstellung keine „Cashflows“ der EPG betrachten, sich keine Sicherheiten von Gesellschaftern bestellen lassen und keine Eigentumsvorbehalte vereinbaren. Ohne ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag fehlt es an einer Seriositätsschwelle für Gründer und Geschäftsmodell der EPG. Zudem besteht kein zusätzlicher Sicherheitspuffer bei Ausschüttungen. Ferner muß die EPG mangels Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag noch nicht einmal mit einem Grundbestand an Betriebsmitteln ausgestattet werden469. Die vom Europäischen Parlament zusätzlich vorausgesetzte „Solvenzbescheinigung“ rechtfertigt einen Verzicht auf ein Mindestnennkapital mit erhöhtem Mindestbetrag ebensowenig. Dieser Mechanismus erscheint aufgrund erheblicher Zweifel an seiner Aussagekraft ungeeignet470. b) Einlageverpflichtung aa) Originäre Einlageverpflichtung (1) Entstehung Die Gesellschafter können in der Satzung eine auf eine Bar- oder Sacheinlage gerichtete Einlageverpflichtung vereinbaren471. Sie haften nur bis zur Höhe des Kapitals, das sie gezeichnet haben472. Von einem „Einlageanspruch“ kann bei Abschluß des Gesellschaftsvertrags – bzw. bei Abgabe der entsprechenden Erklärung im Fall der Gründung durch eine Person – noch nicht gesprochen werden. Denn beides hat vor Eintragung der EPG zu erfolgen473. Zu diesem Zeitpunkt fehlt aber ein möglicher Anspruchsinhaber: Die EPG entsteht im Fall der Neugründung erst mit Eintragung474; der EPG-VO-E kennt auch keine Vorgeselldie für die Solvenz relevanter sind. Mitglieder der Unternehmensleitung von kleinen Unternehmen, die gleichzeitig Anteilseigner sind, bieten ihren Gläubigern (z. B. Banken) oftmals persönliche Garantien und Lieferanten verwenden ebenfalls andere Methoden zur Absicherung ihrer Forderungen, z. B. Übertragung des Eigentums von Waren erst bei ihrer Bezahlung. Außerdem haben die Unternehmen je nach ihrer Tätigkeit einen unterschiedlichen Kapitalbedarf und deshalb ist es unmöglich, für alle Unternehmen ein angemessenes Kapital festzulegen.“ 469 Dies folgt zusätzlich aus der im EPG-VO-E fehlenden Verpflichtung zur Leistung der Einlage bereits im Rahmen des Gründungsvorgangs; siehe dazu den Text bei Fn. 483 ff. in Teil 3. 470 Siehe näher den Text bei Fn. 805 ff. in Teil 3. 471 Art. 20 I EPG-VO-E. 472 Art. 3 I Buchst. b EPG-VO-E. Diese Vorschrift erwähnt überflüssigerweise, daß die (zukünftigen) Gesellschafter auch insoweit haften, wie sie sich zur Zeichnung verpflichtet haben (im EPG-VO-E heißt es ungenau „bereiterklärt haben“, was einen fehlenden Rechtsbindungswillen impliziert). Rechtsgrund der Haftung ist dann nicht der Gesellschaftsvertrag, sondern ein gesonderter Vorvertrag. 473 Arg. e Art. 10 II Buchst. b EPG-VO-E. 474 Art. 9 II EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 252 in Teil 3.
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schaft475. Die Einlageverpflichtung der Gesellschafter ähnelt damit einem echten Vertrag zu Gunsten eines zukünftig entstehenden Dritten. Als „Sacheinlage“ gilt insbesondere die Übertragung von Eigentum und anderer Rechte476. Fraglich ist, ob die „Sacheinlage“ allein derartige Vermögensgegenstände477 umfaßt und damit etwa die Leistung von Diensten ausschließt. Bei der Klärung dieser Frage ist selbstverständlich das Erfordernis der autonomen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu beachten478; der Begriff der „Sacheinlage“ i. S. d. EPG-VO-E kann nicht ohne weiteres mit dem aus dem Recht der GmbH bekannten Begriff 479 gleichgesetzt werden. Mit dem Wortlaut der deutschen Fassung des EPG-VO-E ist eine nicht gegenständliche Einlage nicht zu vereinbaren. Die Subsumtion etwa einer Dienstleistung unter den Begriff „Sache“ überschreitet die Grenze zulässiger Auslegung. Allerdings ist die deutsche Fassung auch an dieser Stelle mangelhaft übersetzt. Im englischen Text ist von „consideration in kind“ die Rede, in dem französischen von „apport en nature“. Eine zutreffende Übersetzung dieser Wendungen lautet „nicht geldliche Einlageleistung“. Unter diesen Begriff fällt beispielsweise auch die Verpflichtung zur Leistung von Diensten. Auch eine solche kann daher als Sacheinlage vereinbart werden480. (2) Erlöschen (a) Erfüllung (aa) Erfüllbarkeit Die Einlageverpflichtung der Gesellschafter ist ohne weiteres erst nach Eintragung der EPG erfüllbar. Zuvor besteht noch kein Rechtsträger, an den etwa der Gegenstand einer Sacheinlage übereignet werden könnte: Die Gesellschaft entsteht erst mit Eintragung; eine Vorgesellschaft ist dem EPG-VO-E unbekannt481. Vor Eintragung der Gesellschaft ist die Einlageverpflichtung nur durch eine (ge475 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905; Krejci, Rn. 843 (aber unentschieden in Rn. 284); unklar Peters/Wüllrich, NZG 2008, 897, 808 a. E.; Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1575. Die Regelung einer Vorgründungsgesellschaft obliegt dem anwendbaren mitgliedstaatlichen Recht. 476 Begründung des EPG-VO-E, S. 8. 477 So im GmbH-Recht, Kübler/Assmann, § 18 III 2, S. 277. 478 Vgl. dazu Herdegen, § 9 Rn. 74. Zumindest mißverständlich daher Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 523 mit Fn. 52, die mit dem Begriff der Sacheinlage des deutschen Rechts argumentieren und den Grundsatz der autonomen Auslegung des Gemeinschaftsrechts nur „im übrigen“ berücksichtigen. 479 § 5 IV GmbHG. 480 So die Begründung des EPG-VO-E, S. 8. 481 Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3.
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sellschaftsvertragliche) Vereinbarung der befreienden Wirkung der Leistung an einen Vierten482, etwa auf das Anderkonto eines Notars, erfüllbar. (bb) Fälligkeit In diesen Grenzen unterliegt die Bestimmung der Fälligkeit der Einlageverpflichtung außerhalb des Insolvenzverfahrens – entgegen einer anderen Ansicht483 – der Vereinbarung der Gesellschafter484. Der EPG-VO-E enthält insbesondere keine Bestimmungen, die eine Einforderung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erzwängen. So ist die Einlageverpflichtung nicht vor Anmeldung der EPG einzufordern. Denn die (anteilige) Erfüllung der Einlageverpflichtung ist – anders als im GmbH-Recht485 – nicht Voraussetzung der Eintragung der Gesellschaft. Das ergibt sich aus Art. 10 II i.V. m. Art. 19 III EPG-VO-E. Ergänzend folgt dies aus Art. 19 III EPG-VO-E, der ohne jede Einschränkung bestimmt, daß die Geschäftsanteile „bei Ausgabe nicht in voller Höhe bezahlt werden“ müssen486. Die Gesellschafter können – anders als im GmbH-Recht487 – den Zeitpunkt für die Erbringung einer Bar- wie einer Sacheinlageverpflichtung frei vereinbaren488. 482 Durch ihre Entstehung aufschiebend bedingt begünstigter Dritter ist die Gesellschaft, siehe den Text bei Fn. 475 f. in Teil 3. 483 Es wird vertreten, man könne aus Art. 20 I EPG-VO-E schließen, daß die Einlageverpflichtung sofort fällig werde; eine eindeutige Bestimmung fehle jedoch (Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 89). 484 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 4. Spiegelstrich. Die freie Vereinbarkeit der Fälligkeit folgt entgegen dem Handelsrechtsausschuß klar und deutlich auch aus Art. 20 I EPG-VO-E, der ausdrücklich auf die „Satzung der SPE“ verweist. Deutlich ist auch die Regelung des Art. 15 I Buchst. e, f EPG-VO-E, wonach im Verzeichnis der Gesellschafter zu vermerken ist, in welcher Höhe die Einlageverpflichtung der einzelnen Gesellschafter bereits erfüllt wurde. Die völlig eindeutige Begründung der EPGVO-E, S. 8 („es steht [den Gesellschaftern] frei, darüber zu entscheiden, . . . wann [die Einlagen] zu zahlen bzw. bereit zu stellen sind“ nimmt der Handelsrechtsausschuß ebenfalls nicht zur Kenntnis. 485 § 7 II, III GmbHG. Der Handelsrechtsausschuß des Anwaltvereins wirft die sich gar nicht stellende Frage auf, ob für die EPG bei einer Bareinlageverpflichtung § 7 I oder § 5 a II GmbHG zur Anwendung kämen, die vor Anmeldung die Einzahlung eines Viertels bzw. des gesamten Nennkapitals voraussetzen (Stellungnahme des Deutschen Anwaltverein, Nr. 17/2009, Rn. 90): Das nationale Recht ist insoweit durch Art. 10 II und Art. 19 III EPG-VO-E gesperrt. 486 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 904 f.: „großzügiger Standpunkt“. Was allerdings unter „Ausgabe“ zu verstehen sein soll, bleibt unklar (kritisch insoweit auch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 87). Hiermit kann einerseits die Zeichnung der Anteile im Gesellschaftsvertrag gemäß Art. 19 II EPG-VO-E, die Aufnahme der Anteile in das Verzeichnis der Anteilseigner nach Art. 14 I EPG-VO-E oder aber die Anmeldung gemäß Art. 10 I EPG-VO-E gemeint sein. 487 Hier ist bei vereinbarter Bareinlage vor Anmeldung auf jeden Geschäftsanteil zwingend eine Einzahlung von mindestens einem Viertel zu leisten, § 7 II 1 GmbHG;
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Neben der Bestimmung sofortiger Fälligkeit ist es zulässig, im Gesellschaftsvertrag eine betagte Einlageverpflichtung489 vorzusehen, eine unbedingte Verpflichtung also, die erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird490. Das ist etwa der Fall, wenn die Einlageleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt vor oder nach Anmeldung der Gesellschaft oder im Wege der Ratenzahlung zu erbringen ist. – Andererseits folgt aus dem (wiederum mißratenen) zweiten Halbsatz des einschlägigen Regelungsauftrags, daß die Einlageverpflichtung auch bedingt werden kann. Ein Beispiel hierfür ist das Erfordernis eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses, insoweit ähnlich wie bei der GmbH491. Ebenfalls ergibt sich aus dem Wortlaut, daß es zulässig ist, die Einforderung der Einlagen – anders als im GmbH-Recht492 – in das freie Ermessen der Geschäftsleitung zu stellen. Anders läßt sich der Regelungsauftrag, erforderlich sei die „Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Zahlung oder die Bereitstellung des Entgelts zu erfolgen hat, und Angabe der Bedingungen, die an eine derartige Zahlung oder Bereitstellung gebunden sind“ 493, nicht verstehen. Ein Zusammentreffen von Betagung und Bedingung ist kaum denkbar. Statt „und“ müßte es im Regelungsauftrag daher „oder“ lauten. In diese Richtung weist auch die französische Fassung494. Ferner müßte es richtig heißen, daß die Bedingungen zu regeln sind, „an die“ 495 – nicht: „die an“ – die Einlageleistung geknüpft ist. Der erste Halbsatz dieses Regelungsauftrags bezieht sich auf die Fälligkeit der Einlageverpflichtung. Diese soll ausweislich des zweiten Halbsatzes auch an Bedingungen geknüpft werden können, nicht aber umgekehrt die Erfüllung der an sich fälligen Einlageverpflichtung. Es ist nicht anzunehmen, daß der Regelungsauftrag die Regelung einer Art von Zurückbehaltungsrecht des Gesellschafters ermöglichen soll. Der Regelung durch die Gesellschafter enthoben ist die Fälligkeit der Einlageverpflichtung allenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das VermöSacheinlagen sind vor Anmeldung in voller Höhe zu erbringen, § 7 III GmbHG. Insgesamt sind Einlagen im Gegenwert wenigstens der Hälfte des Mindestnennkapitals zu leisten, § 7 II 2 GmbHG. 488 Art. 20 I EPG-VO-E; Begründung der EPG-VO-E, S. 8. 489 Vgl. H. P. Westermann, in: MK BGB, § 163 Rn. 3. 490 Vgl. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 4. Spiegelstrich Hs. 1: „Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Zahlung oder die Bereitstellung des Entgelts zu erfolgen hat . . .“. 491 So grundsätzlich bei der GmbH für den die Mindesteinzahlung gemäß § 7 II S. 1, III GmbHG übersteigenden Teil, § 46 Nr. 2 GmbHG. Eines Gesellschafterbeschlusses bedarf es nicht, wenn die Fälligkeit im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 7. 492 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rn. 6. 493 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 4. Spiegelstrich. 494 „Le moment auquel le versement ou la fourniture de l’apport doivent être effectués et les conditions éventuelles attachées à ce versement ou à cette fourniture“. 495 Demgemäß ist das „sind“ am Satzende durch „ist“ zu ersetzen.
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gen der EPG. Der EPG-VO-E enthält keine insolvenzrechtlichen Regeln, sondern verweist insoweit auf das Recht der Mitgliedstaaten496. Das deutsche Recht sieht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor, daß der Insolvenzverwalter noch nicht erfüllte Einlageverpflichtungen unabhängig von ihrer zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Fälligkeit einfordern kann, soweit dies erforderlich ist497. Da diese Befugnis als Ausfluß der allgemeinen Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters498 erscheint, ist sie insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Sie kommt damit im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer EPG mit Interessenmittelpunkt in Deutschland zur Anwendung. (cc) Erfüllung und Nachweis der Erfüllung Die Einlageverpflichtung erlischt selbstverständlich durch vollständige Erfüllung. Die Erfüllung muß in keiner Weise nachgewiesen werden, insbesondere nicht gegenüber dem für die Eintragung der EPG zuständigen Register499. In welcher Höhe Einlagen geleistet wurden, wird demgemäß auch nicht in das Register eingetragen; dort wird allein das nominale Nennkapital verzeichnet500. Entsprechendes gilt für den Inhalt der mit Eintragung erfolgenden Bekanntmachung501. Im Sonderfall einer Sacheinlage ist – anders als bei der GmbH, wo dies bereits bei Anmeldung erforderlich ist – weder ein Sachgründungsbericht502 noch ggf. eine Bewertung durch einen Sachverständigen503 zu erstellen504. Beides kann jedoch in der Satzung der EPG vorgesehen werden; dort ist dann auch das Verfahren zu regeln505. Derartige Regelungen mögen – entgegen anderer An496
Art. 40 III EPG-VO-E. BGH NZG 2008, 73, 74; OLG Jena NZG 2007, 717, 718; Wicke, § 64 Rn. 6; vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rn. 27. 498 § 80 I InsO. 499 Dabei handelt es sich um das durch nationales Recht bestimmte Register im Sinne des Art. 3 der Publizitätsrichtlinie, in Deutschland also das Handelsregister (§ 8 ff. HGB). 500 Daß die gemäß Art. 10 II Buchst. c, e, f EPG-VO-E für die Eintragung erforderlichen Angaben zum nominalen Nennkapital auch in das Register eingetragen werden, bestimmt die EPG-VO-E nicht ausdrücklich; es ergibt sich aber aus Art. 10 V EPG-VOE, der die EPG zur Mitteilung von Änderungen verpflichtet und ansonsten überflüssig wäre. 501 Siehe Art. 11 I; 10 VI, 2 Buchst. c, e, f EPG-VO-E. 502 § 5 IV 2 GmbHG. 503 Vgl. § 8 I Nr. 5 GmbHG; ein Wertgutachten kann dem Sachgründungsbericht der GmbH beizufügen sein, je nach Art des Gegenstands der Sacheinlage (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rn. 55). 504 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich; Begründung der EPG-VO-E, S. 8. 505 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich. 497
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sicht506 – durchaus sinnvoll sein. Das ist etwa dann denkbar, wenn Gesellschafter die Gesellschaft und sich selbst, soweit die Gesellschafter eine Ausfallhaftung treffen kann507, vor einer minderwertigen Sacheinlage eines Mitgesellschafters schützen wollen. (dd) Beurteilung Die fehlende Regelung einer Vorgesellschaft im EPG-VO-E führt bei der Erfüllung der Einlageverpflichtung vor Eintragung der Gesellschaft zu Schwierigkeiten, denen durch die Begründung von Treuhandverhältnissen begegnet werden muß. Der Verzicht auf eine Vorgesellschaft bleibt insgesamt weit hinter dem Erkenntnisstand eines modernen Gesellschaftsrechts zurück508. Der EPG-VO-E kennt kein Erfordernis realer Kapitalaufbringung. Das zeigt sich insbesondere an der dem Recht der Limited entsprechenden Regelung509, daß vor Anmeldung der EPG keinerlei Einlagen zwingend zu leisten sind. Das ist gerade dann verfehlt, wenn man das nach dem EPG-VO-E, wie (bei satzungsmäßigem Erfordernis einer Solvenzbescheinigung) nach dem Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments fehlende Mindestnennkapital mit erhöhtem Mindestbetrag hinnehmen sollte. In Anbetracht der – im Unterschied etwa zur GmbH510 – nahezu freien Bestimmbarkeit des Nennkapitals durch die Gründer ist es gerade nicht stimmig511, wenn vor Anmeldung keinerlei Leistungen zu erbringen sind: Einerseits besteht für die Gestattung der Vereinbarung einer späteren Fälligkeit der Einlageverpflichtung bei einem niedrig gewählten Nennkapital der EPG kein Bedarf: Ist ein Mindestnennkapital von lediglich einem Euro zulässig, so kann zumindest dieses vor Anmeldung der Gesellschaft ohne weiteres voll eingezahlt werden. Andererseits ist bei einem den Mindestbetrag (deutlich) übersteigenden Nennkapital die Zulässigkeit einer späteren Fälligkeit der Einlageverpflichtung der Akzeptanz der EPG abträglich. Ein den Mindestbetrag (deutlich) übersteigendes Nennkapital dient auch dazu, die Seriosität der Gründung zu belegen. Dieser Zweck wird aber nur erreicht, wenn eine Pflicht zur Einzahlung vor Anmeldung der Gesellschaft besteht. Denn ein ungesicherter schuldrechtlicher Anspruch gegen einen Gesellschafter, dessen Durchsetzbarkeit zweifelhaft ist, entfaltet im Rechtsverkehr nicht die gleiche Wirkung wie die Gewißheit, daß die Einlagever506 Für Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905 „bleibt der Sinn einer solchen Satzungsbestimmung dunkel“. 507 Siehe den Text bei Fn. 574 ff. in Teil 3. 508 Vgl. Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905. 509 Siehe den Text bei Fn. 128 ff. in Teil 2. 510 § 5 I GmbHG. 511 Gegen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 904 f.
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pflichtung bereits erfüllt ist. Umgekehrt gilt, daß eine erst in ferner Zukunft fällig werdende Einlageverpflichtung nicht geeignet ist, unseriöse Gründer von der Rechtsform der EPG fernzuhalten512. Es sollte daher, wie bei der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ 513, das gesamte Nennkapital der Gesellschaft zwingend vor Anmeldung aufzubringen sein. Ein Bedürfnis, die erforderliche Leistung – wie etwa bei der GmbH514 – auf einen Teil des Nennkapitals zu begrenzen, besteht wegen der letztlich frei wählbaren Höhe des Nennkapitals nicht. Andererseits kommt das für die „Unternehmergesellschaft“ vorgesehene Ansparen des Mindestnennkapitals durch Rücklagenbildung515 bei Hinnahme des Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag nicht in Betracht. Selbst wenn man diese Forderungen nicht teilt, kann der bisherige EPG-VO-E keinen Bestand haben. Denn die Regeln des EPG-VO-E zum Umfang der erbrachten und noch offenen Einlageverpflichtungen sind völlig intransparent. Sie sprechen neben dem institutionellen auch dem informationellen Gläubigerschutz516 Hohn. Der mit dem Zeitpunkt der Entstehung der EPG aus dem Register ersichtliche Nennbetrag des Nennkapitals ist hinsichtlich der Seriosität der Gründung nicht aufschlußreich. Er soll nach dem EPG-VO-E auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht durch aussagekräftige Angaben ergänzt werden. So ist es nach erfolgter Eintragung der Gesellschaft gemäß dem EPG-VO-E nicht erforderlich, Einzahlungen an das zuständige Register zu melden517. Dementsprechend sind weder dem Register entsprechende Angaben zu entnehmen, noch erfolgen entsprechende Bekanntmachungen. Auch auf den Geschäftsbriefen der EPG müssen insoweit keinerlei Angaben gemacht werden518. So kann nach dem EPG-VO-E ein mittelloser Gründer eine EPG mit einem im Register ausgewiesenen nominalen Nennkapital von beispielsweise 25.000 A errichten und betreiben, ohne daß auf das Nennkapital ein einziger Euro eingezahlt wurde – und ohne daß dieser Umstand dem Rechtsverkehr in irgendeiner Weise ersichtlich wäre. Bei einem Verzicht auf eine Einlageverpflichtung ist zumindest Transparenz hinsichtlich der noch offenen Einlageverpflichtungen zu schaffen, und zwar zumindest – mit dem Vorteil eines überschaubaren Verwaltungsaufwands – durch Aufnahme
512 Vgl. Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905, die dieses Argument indes für ein Mindestkapital von 10.000 A ins Feld führen. 513 Siehe § 5a II 1 GmbHG. Zur Unsinnigkeit dieser Bezeichnung siehe Fn. 20 in Teil 1. 514 § 7 II 2 GmbHG. 515 § 5a III GmbHG. 516 Zum Begriff des informationellen Gläubigerschutzes siehe Fleischer, ZGR 2001, 1, 12 ff. 517 Vgl. Artt. 10 f. EPG-VO-E. 518 Arg. e contrario 11 II EPG-VO-E. Das gilt auch für das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments, das lediglich ggf. Angaben zur Haupt- sowie zu Zweigniederlassungen fordert (Legislative Entschließung, Abänderung 23).
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dieser Angabe in die Geschäftsbriefe der EPG519, wie dies freiwillig bei der GmbH möglich ist520. Darüber hinaus bedarf es im Falle einer Sacheinlageverpflichtung weiterer Transparenzregelungen. Obschon selbst Dienstleistungen als Sacheinlage vereinbart werden können, verlangt der EPG-VO-E zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Nachweis der Werthaltigkeit der Einlage. Das lädt zu Mißbrauch und Täuschung des Rechtsverkehrs521 ein. Auch die Werthaltigkeitsprüfung einer Sacheinlage sollte daher in der Verordnung verpflichtend vorgesehen werden. Läßt man Dienstleistungen als Gegenstand einer Sacheinlageverpflichtung zu, so würde auf diese Weise immerhin sichergestellt, daß nur Dienstleistungen eingebracht werden können, deren Wert beziffer- und überprüfbar ist – etwa die eines Rechtsanwalts unter den Gründern einer EPG, dessen Dienstleistungen sich zumindest nach dem RVG bewerten lassen. Insgesamt begünstigt die bisherige Regelung des EPG-VO-E unseriöse Gründer, während andere Gründer durch die nicht ohne weiteres gegebene Erkennbarkeit der Seriosität ihrer Gründung benachteiligt werden. Das könnte einem Erfolg der EPG als Rechtform insbesondere für mittelständische Unternehmen von vornherein entgegenstehen. (b) Aufhebung Hinsichtlich einer rechtsgeschäftlichen Aufhebung der Einlageverpflichtung ist zu unterscheiden: Bis zur Anmeldung der EPG kann die Einlageverpflichtung eines Gesellschafters ohne weiteres teilweise oder vollständig durch Änderung des Gesellschaftsvertrags aufgehoben werden. Art. 20 II EPG-VO-E steht dem nicht entgegen, weil es zu diesem Zeitpunkt mangels Vorgesellschaft522 noch keine „Anteilseigner“ gibt. Aus dem gleichen Grund ist eine Aufhebung der Einlageverpflichtung auch zwischen Anmeldung und Eintragung noch möglich, sofern die Satzungsänderung im Eintragungsverfahren noch berücksichtigt werden kann523. 519 Nicht überzeugend Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 904, die dies in anderem Zusammenhang fordern, nämlich im Fall des Verzichts auf ein „Mindestkapital“. Hiermit ist ausweislich des Zusammenhangs das Nennkapital gemeint. Den Autoren zufolge soll dann die „reale Kapitalausstattung“, also offenbar der Gesamtbetrag der geleisteten Einlagen, allgemein verlautbart werden. Warum dies allerdings von dem Verzicht auf ein Mindestnennkapital abhängen soll, ist nicht recht einzusehen. Ein Informationsbedürfnis des Rechtsverkehrs über die geleisteten Einlagen besteht bereits dann, wenn keine Mindesteinzahlung vorgeschrieben ist, unabhängig vom Mindestnennkapital. 520 § 35a I 2 GmbHG. 521 So ausdrücklich die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 11. 522 Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3. 523 Die Mitteilung über die Satzungsänderung hat in diesem Fall unverzüglich zu erfolgen. Die Zweiwochenfrist für die Mitteilung von Satzungsänderungen gemäß Art. 10
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Nach Eintragung der EPG ist dagegen jede Aufhebung der Einlageverpflichtung außerhalb eines Kapitalherabsetzungsverfahrens, wie auch im Recht der GmbH524, unwirksam525. Unwirksam ist damit insbesondere ein Erlaßvertrag zwischen der nunmehr entstandenen Gesellschaft und einem Gesellschafter. Im Zuge einer Kapitalherabsetzung erlöschen nicht erfüllte Einlageverpflichtungen nicht bereits durch den Kapitalherabsetzungsbeschluß als solchen. Vielmehr bedarf es hierfür eines eigenen Gesellschafterbeschlusses526, der das Erlöschen im Einzelnen regelt, insbesondere ggf. einen Ausgleich unter den Gesellschaftern vorsieht. Denn sollten alle nicht erfüllten Einlageverpflichtungen durch den Kapitalherabsetzungsbeschluß erlöschen, bedeutete dies einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot527 wegen der Benachteiligung derjenigen Gesellschafter, die ihre Einlageverpflichtung bereits erfüllt hatten528. (c) Aufrechnung (aa) Kommissionsentwurf Fraglich ist, ob sich aus dem EPG-VO-E ein Aufrechnungsverbot hinsichtlich der Einlageverpflichtung des Gesellschafters ergibt. Der möglicherweise einschlägige Art. 20 I EPG-VO-E bestimmt, die Gesellschafter müßten „das vereinbarte Entgelt entweder bar entrichten oder die vereinbarte Sacheinlage leisten“. Damit scheint eine Geldeinlageverpflichtung ausschließlich durch Barzahlung erfüllt werden zu können, worunter die Aufrechnung nicht ohne weiteres zu subsumieren wäre. Andererseits kann die Wendung „das vereinbarte Entgelt bar entrichten“ auch schlicht im Sinne von „die vereinbarte Geldeinlageverpflichtung erfüllen“ – im Unterschied dazu, „die vereinbarte Sacheinlage [zu] leisten“ – verstanden werden. In diese Richtung weist die englische Fassung („pay the agreed consideration in cash“): Während „in cash“ „in bar“ meint, bedeutet der verwendete Ausdruck „consideration in cash“ „Geldeinlage“. Gleiches gilt für die französische Fassung („verser l’apport en numéraire convenu“). Zwar heißt „en numéraire“ ebenfalls „in bar“; die gebrauchte Wendung „apport en numéraire“ meint jedoch wiederum „Geldeinlage“. Aus diesen Vergleichen folgt, daß in der V EPG-VO-E gilt schon deshalb nicht, weil die dort vorausgesetzte „SPE“ vor Eintragung noch nicht besteht. 524 § 19 II S. 1, III GmbHG. 525 Art. 20 II EPG-VO-E. 526 Arg. e Art. 27 I Buchst. e EPG-VO-E. Der dem Kapitalherabsetzungsbeschluß folgende Erlaß der Einlageverpflichtung stellt aufgrund des weiten Ausschüttungsbegriffs (siehe den Text bei Fn. 824 ff. in Teil 3) eine Ausschüttung der EPG dar, so daß ein Erlaßvertrag zwischen der Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsleitung, nicht hinreichend ist. 527 Art. 24 VII EPG-VO-E. 528 Vgl. zur GmbH Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rn. 14; ähnlich auch Priester, in: Bitter u. a., § 58 Rn. 79.
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deutschen Fassung der Begriff „Geldeinlage“ falsch mit „Entgeltentrichtung in bar“ übersetzt wurde. Art. 20 I EPG-VO-E betrifft die Frage eines Aufrechnungsverbots damit nicht. Im möglicherweise ebenfalls einschlägigen Art. 20 II EPG-VO-E heißt es, „die Anteilseigner [können] nicht ihrer Pflicht zur Entrichtung des vereinbarten Entgelts bzw. zur Leistung der vereinbarten Sacheinlage enthoben werden“. Sprachlich treffender erscheinen wiederum die englische529 und die französische Fassung530, die ausschließen, daß der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung „befreit“ wird. Das spricht gegen ein Aufrechnungsverbot. Bei der Aufrechnung wird der Schuldner nicht ohne Gegenleistung von der Einlageverpflichtung befreit; er erfüllt diese im Wege der Surrogation. Das Erlöschen der Verbindlichkeit ist lediglich die Folge der wirksamen Aufrechnung. Zudem ist Art. 20 II EPGVO-E in allen drei Sprachfassungen übereinstimmend im Passiv formuliert. Auch dies dürfte einem Verbot der Aufrechnung durch den Gesellschafter entgegenstehen, weil dieser sich durch eine etwaige Aufrechnung selbst von der Pflicht zur Barzahlung befreit. Gegen ein Verbot der Aufrechnung durch die Gesellschaft spricht außerdem, daß Art. 20 II EPG-VO-E in einem Satz die Verpflichtung zur Erbringung einer Bar- und einer Sacheinlage nennt. Gegen den Anspruch auf Leistung einer Sacheinlage kommt mangels Gleichartigkeit der Gegenforderung eine Aufrechnung aber praktisch nicht in Betracht531, sondern lediglich ein Verzicht. Auch Art. 20 II EPG-VO-E befaßt sich im Ergebnis nicht mit der Frage eines Aufrechnungsverbots. Möglicherweise kommt insoweit aber das Recht des Sitzstaats zur Anwendung. Ein solcher Rückgriff ist nicht durch Art. 20 in Verbindung mit Art. 4 I EPGVO-E gesperrt. Art. 20 I und II EPG-VO-E regeln die Frage des Aufrechnungsverbots gar nicht – weder in dem einen noch im anderen Sinne. Fraglich ist aber, ob der Heranziehung des nationalen Rechts im Hinblick auf ein Aufrechnungsverbot ein Regelungsauftrag des Anhang I in Verbindung mit Art. 4 I EPG-VO-E entgegensteht. Nach dem einzigen insoweit in Betracht kommenden Regelungsauftrag unterliegen die „Bedingungen, die an eine . . . Zahlung oder Bereitstellung [der Einlage] gebunden sind“ 532, der Bestimmung durch die Gesellschafter. Damit aber ist die Regelung der Fälligkeit oder aber die Bedingung der Einlageverpflichtung gemeint533. Dieser Regelungsauftrag kann insbesondere nicht da529 „Shareholders may not be released from the obligation to pay or provide the agreed consideration“. 530 „Les actionnaires ne peuvent pas être libérés de l’obligation de verser ou de fournir l’apport convenu“. 531 Nur ausnahmsweise bei nicht auf Geld gerichteten gegenseitigen Gattungsschulden, etwa auf Wertpapiere (vgl. zum deutschen Recht Dennhardt, in: Bamberger/Roth, § 387 Rn. 27). 532 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 4. Spiegelstrich. 533 Siehe den Text bei Fn. 487 ff. in Teil 3.
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hin verstanden werden, daß er die Bedingungen betrifft, an die die Erfüllungswirkung der Einlageleistung geknüpft ist – und damit auch die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots erfaßt. Denn hinsichtlich der neben der „Zahlung“ einer Bareinlage im gleichen Satz genannten „Bereitstellung“ einer Sacheinlage bestehen insoweit von vornherein keine praktisch bedeutsamen Regelungsmöglichkeiten, was insbesondere für die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots gilt534. Die Geltung des Rechts der Mitgliedstaaten ist mithin auch nicht durch einen Regelungsauftrag des Anhangs I gesperrt. Die Anwendbarkeit des nationalen Rechts bestimmt sich damit nach Maßgabe der – gegenüber Art. 4 II spezielleren – Verweisungsnorm des Art. 20 III EPGVO-E. Darin heißt es, „die Verpflichtung der Anteilseigner für das gezahlte Entgelt bzw. die geleistete Sacheinlage [fällt] unter das anwendbare innerstaatliche Recht“ 535. Der Umfang dieser Verweisung ist unklar536. Durch Verwendung des Wortes „Haftung“ statt „Verpflichtung“ erscheinen etwas deutlicher die englische („liability of shareholders for the consideration paid or provided“) und die französische Fassung („responsabilité des actionnaires à l’égard de l’apport versé ou fourni“). Art. 20 III EPG-VO-E ist allerdings in allen drei Sprachfassungen mißgestaltet: Trotz der Verwendung des Präteritums kann hier nur gemeint sein, daß sich die Haftung für die zu zahlende Bareinlage bzw. die zu leistende Sacheinlage nach dem Recht der Mitgliedstaaten richtet. Denn nach Erfüllung des Einlageanspruchs besteht insoweit regelmäßig keine Verpflichtung der Gesellschafter mehr, die Gegenstand nationaler Regelungen sein könnte. Anders kann dies nur im Fall der Schlechterfüllung einer Sacheinlageverpflichtung sein, die etwa im deutschen Recht Gewährleistungsansprüche bedingen kann537. Daß der Verordnungsgeber gerade diesen eher seltenen Fall dem Recht der Mitgliedstaaten unterwerfen, alle anderen Fragen der Haftung auf die Einlageleistung aber ungeregelt lassen wollte, ist nicht anzunehmen. Die hier vertretene Auslegung stützt auch die Begründung des EPG-VO-E, wo es einschränkungslos – wiederum holprig – heißt: „Gemäß den nationalen Rechtsvorschriften haften die Anteilseigner für ihr Entgelt“ 538. Mithin finden nach dem EPG-VO-E sämtliche Regelungen des nationalen Rechts des Staats des 534 Eine Aufrechnung kommt bei einer Sacheinlage von vornherein nur in Fällen einer (nicht auf Geld gerichteten) Gattungsschuld in Betracht. 535 Selbstverständlich unbeschadet der in Art. 20 I, II EPG-VO-E angesprochenen Möglichkeit, eine Bar- oder Sacheinlage zu erbringen, sowie unbeschadet der Unwirksamkeit eines Verzichts, so ausdrücklich Art. 20 III EPG-VO-E. 536 Offen die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 90. 537 Roth, in Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 9a. 538 Begründung des EPG-VO-E, S. 8. Treffender die englische („Shareholders are liable for their contribution, in accordance with the provisions of national law“) und französische Fassung („Les actionnaires sont responsables de leurs apports, conformément aux dispositions du droit national“).
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
eingetragenen Sitzes, die die Ausgestaltung der Haftung auf die Einlageleistung betreffen, Anwendung auf die EPG539. Damit gilt auch ein etwaiges Aufrechnungsverbot des nationalen Rechts. Demgemäß kann der Gesellschafter einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland nach dem EPG-VO-E seine Einlageverpflichtung nicht durch Aufrechnung erfüllen540. Entgegengesetzt verhält es sich etwa bei einer EPG mit eingetragenem Sitz in England. Das englische Recht stellt die Aufrechnung ausdrücklich der Erfüllung der Einlageverpflichtung in bar gleich541. (bb) Forderung des (sogenannten) Europäischen Parlaments Das trotz noch immer fehlender echter Gesetzgebungsbefugnisse – wie etwa einem direkten Initiativrecht, Art. 225 AEUV – sogenannte Europäische Parlament verlangt dagegen eine weitreichende Änderung des Art. 20 III EPG-VO-E. Danach solle diese Vorschrift hinsichtlich der Ausgestaltung der Einlageverpflichtung keinerlei Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthalten. In Art. 20 III sei statt dessen allein der Sonderfall zu regeln, daß der Wert einer Sacheinlage nicht den Betrag des dafür übernommenen Anteils erreicht, ergänzt um eine Verjährungsregelung. In diesem Fall müsse eine Differenzhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft eingreifen542. Damit ist zu untersuchen, ob sich auch nach dieser Änderung ein Aufrechnungsverbot aus nationalem Recht ergeben kann. Wegen der Streichung der speziellen Verweisung des Art. 20 III EPG-VO-E auf das Recht der Mitgliedstaaten kommt insoweit nur die allgemeine Verweisungsnorm des Art. 4 II EPG-VO-E in Betracht. Diese setzt für die Anwendbarkeit des nationalen Rechts voraus, daß „ein Punkt nicht durch die Artikel oder Anhang I dieser Verordnung abgedeckt“ ist. In der englischen Fassung ist insoweit von „matter“, in der französischen von „matière“ die Rede. Daraus folgt, daß unter „Punkt“ so viel wie „Materie“ oder „Regelungsbereich“ zu verstehen ist. Die Frage eines Aufrechnungsverbots gehört damit zum Regelungsbereich der Ausgestaltung der Einlageverpflichtung. Anhang I enthält keinen umfassenden Regelungsauftrag betreffend die Ausgestaltung der Einlageverpflichtung. Darin findet sich allein ein Regelungsauftrag 539 So, ohne Begründung, wohl auch Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, 1611 a. E.; Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1576; Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 11. 540 § 19 II 1 GmbHG. 541 S. 583 (3) (c) CA 2006; siehe bereits den Text bei Fn. 153 in Teil 2. 542 „Erreicht der Wert der Sacheinlage nicht den Betrag des dafür übernommenen Anteils, hat der Anteilseigner eine Bareinlage in Höhe des Fehlbetrags zu leisten. Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung verjährt in acht Jahren nach Eintragung der Gesellschaft.“, Legislative Entschließung, Abänderung 34.
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betreffend die Fälligkeit der Einlageverpflichtung543. Der EPG-VO-E selbst bestimmt in Art. 20 I einerseits, daß Bar- oder Sacheinlagen vereinbart werden können, andererseits (erneut), daß die Fälligkeit der Einlageverpflichtung durch die Gesellschafter zu regeln ist. In Art. 20 II EPG-VO-E findet sich ein Verbot der Aufhebung der Einlageverpflichtung nach Eintragung der Gesellschaft. Art. 20 III in der vom Europäischen Parlament geforderten Fassung regelt eine Differenzhaftung des Gesellschafters für eine minderwertige Sacheinlage. Damit erfaßt der EPG-VO-E mehrere Gesichtspunkte, die dem Regelungsbereich der Ausgestaltung der Einlageverpflichtung zuzuordnen sind. Dieser Regelungsbereich ist also nicht „nicht durch die Artikel oder Anhang I dieser Verordnung abgedeckt“. Folglich greift die Verweisung des Art. 4 II EPG-VO-E für die Ausgestaltung der Einlageverpflichtung nicht ein. Insoweit ist unter Zugrundelegung des Art. 20 III in der vom Europäischen Parlament geforderten Fassung also von einer abschließenden Regelung im EPGVO-E auszugehen. Ein Aufrechnungsverbot kann sich mithin nicht aus dem Recht der Mitgliedstaaten ergeben. (cc) Beurteilung Gegen den im EPG-VO-E der Kommission vorgesehenen Rückgriff auf das nationale Recht in der Frage eines Aufrechnungsverbots sprechen aus deutscher Sicht zunächst das insoweit etwa zwischen Deutschland und England bestehende Regelungsgefälle. Während im deutschen Recht ein Aufrechnungsverbot gilt, ist dies in England nicht der Fall. Das dürfte dazu führen, daß Gründer aufgrund der dort liberaleren Regeln den eingetragenen Sitz der EPG häufig in England wählen werden, zumal eine EPG mit eingetragenem Sitz in England im Rechtsverkehr – anders als bei der Wahl der Form der Limited anstelle der GmbH – kaum eine geringere Wertschätzung erführe. Der eingetragene Sitz ist zwar auf Unterlagen der EPG anzugeben544; es ist jedoch nicht anzunehmen, daß dem Rechtsverkehr bekannt ist, in welchem Umfang die Verordnung auf nationales Recht verweist – und erst recht nicht, welche Bestimmungen das Recht der Mitgliedstaaten in bestimmten Regelungsbereichen wie der Frage eines Aufrechnungsverbots enthält. Diese Inbezugnahme der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten läuft allgemein dem Ziel der Schaffung einer einheitlichen, supranationalen Rechtsform wie der EPG zuwider. So kämen hinsichtlich eines Aufrechnungsverbots 27 unterschiedliche Rechtsordnungen zum Zuge545. Dieser Regelungsbereich ist trotz des für die EPG geltenden Mindestnennkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag nicht ganz 543
Vgl. den Text bei Fn. 483 ff. in Teil 3. Art. 11 II Buchst. b EPG-VO-E. 545 Kritisch auch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 90 a. E. 544
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unbedeutend. Die Frage eines Aufrechnungsverbots wird jedenfalls für alle diejenigen EPGs eine wichtige Rolle spielen, die ein (deutlich) höheres Kapital als das Mindestnennkapital aufweisen. Dabei dürfte es sich um eine nicht zu vernachlässigende Anzahl handeln. Der Anteil von Gesellschaften mit höherem Nennkapital wird bei der EPG größer als bei der Limited sein, da die EPG, anders als die Limited, oft nicht im Wege der Inkorporation durch finanzschwache Gründer, sondern durch Umwandlung546 etwa mittelständischer Unternehmen547 geschaffen werden wird. Vorzugswürdig erscheint es deshalb, hinsichtlich eines Aufrechnungsverbots die Anwendbarkeit des nationalen Rechts auszuschließen. Anders als vom Europäischen Parlament gefordert548, sollte ein Aufrechnungsverbot in der EPG-Verordnung selbst vorgesehen werden. Hier gilt Ähnliches wie bei der Gestattung der Einlageleistung erst nach Anmeldung der EPG549: Bei Wahl des Mindestnennkapitals von einem Euro oder einem geringfügig höheren Nennkapital besteht kein Bedarf, eine Aufrechnung zuzulassen. Bei einem (deutlich) höheren Nennkapital der EPG aber führt sie zu einem Seriositätsproblem der Rechtsform – auch wenn die Auswirkungen hier geringer sind als bei Gestattung der Einlageleistung nach Anmeldung, da die Gesellschaft durch die Aufrechnung immerhin von einer eigenen Verbindlichkeit befreit wird. Dringend erforderlich erscheint ein Aufrechnungsverbot, um die hier geforderte zwingende Erfüllung der Einlageverpflichtung vor Anmeldung der Gesellschaft550 sowie die vorgeschlagene Voraussetzung einer durch einen Sachgründungsbericht plausibilisierten Bewertung der Sacheinlage551 abzusichern: Beides könnte sonst unschwer umgangen werden, indem die Gründer etwa die beabsichtigte Erbringung einer minderwertigen Dienstleistung in der Satzung nicht als Sacheinlage benennen, sondern statt dessen eine Bareinlageverpflichtung vorsehen, die dann durch Aufrechnung mit der überhöhten Gegenforderung für die Dienstleistungen zum Erlöschen gebracht wird. bb) Surrogate der Einlageverpflichtung (1) Differenzhaftung bei Sacheinlageverpflichtung (a) Regelung des EPG-VO-E Eine Regelung der Differenzhaftung des Gesellschafters bei Leistung einer minderwertigen Sacheinlage ist dem EPG-VO-E selbst nicht zu entnehmen. 546 547 548 549 550 551
Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905. Vgl. Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807. Siehe den Text bei Fn. 542 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 509 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 1122 ff. in Teil 3.
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Auch der einschlägige Regelungsauftrag des Anhangs I, der den Gesellschaftern die Entscheidung überläßt, ob eine Bewertung von Sacheinlagen durch einen unabhängigen Sachverständigen erforderlich ist552, sagt über eine Haftung für einen etwaigen Unterschiedsbetrag nichts aus553. Nach einer Ansicht im Schrifttum „dürfte“ Anspruchsgrundlage bei einer hinter dem vereinbarten Wert zurückbleibenden Sacheinlage „der weiterhin bestehende Anspruch aus dem Einlageversprechen“, also der Gesellschaftsvertrag, sein554. Das ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der vertragliche Anspruch selbstverständlich auf Leistung der Sacheinlage, nicht aber auf Geldzahlung gerichtet ist. Zudem verkennt diese Betrachtungsweise die Verweisung des Art. 20 III EPG-VO-E auf das nationale Recht555. Die Ausgestaltung der Haftung auf die Einlageleistung richtet sich also auch insoweit nach dem Recht der Mitgliedstaaten556. Nach dem EPG-VO-E haftet demgemäß der Gesellschafter einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland der Gesellschaft nach § 9 I GmbHG verschuldensunabhängig557 auf Geldzahlung, soweit der Wert der vereinbarten Sacheinlage hinter dem zugrundegelegten Wert zurückbleibt. Seit Ende 2008 haftet der Gesellschafter zudem (nur noch) insoweit, als der Wert einer verdeckten Sacheinlage unter dem Wert der vereinbarten Bareinlage liegt558. Daneben haftet der betroffene Gesellschafter analog den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften, wenn der Gegenstand der geleisteten Sacheinlage mangelhaft ist559. Ferner kann sich ein Ersatzanspruch der Gesellschaft aus § 9a I GmbHG und § 9a II F. 1 GmbHG ergeben. Der Gesellschafter einer in England eingetragenen EPG haftet dagegen praktisch überhaupt nicht für eine minderwertige Sacheinlage, da die englischen Gerichte allenfalls in krassen Fällen einer Überbewertung von Sacheinlagen zu begegnen gewillt sind560.
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Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich. Insbesondere scheidet eine Differenzhaftung nicht etwa deshalb aus, weil dem Regelungsauftrag zu entnehmen wäre, daß eine Bewertung der Sacheinlage überhaupt im Ermessen der Gesellschafter stünde und damit der Anknüpfungspunkt für eine Differenzhaftung fehlte. Denn eine Ausgabe von Anteilen unter ihrem Nennwert ist (auch) nach dem EPG-VO-E unzulässig, siehe den Text bei Fn. 440 in Teil 3. 554 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905 mit Fn. 70. 555 Diese erwähnen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905 mit Fn. 70, insoweit nicht einmal. Widersprüchlich meinen sie jedoch an anderer Stelle, daß sich „die Ausgestaltung der Haftung [scil.: auf die Einlage]“ nach dem nationalen Recht richten solle, ebd. mit Fn. 67. 556 Siehe bereits den Text bei Fn. 536 ff. in Teil 3. 557 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 9a. 558 § 19 IV 3 GmbHG i. d. F. des MoMiG. Zuvor war die Einlageleistung insgesamt unwirksam, § 19 V GmbHG a. F. 559 BGH NJW 1966, 1311, 1312 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 9. 560 Siehe den Text bei Fn. 152 ff. in Teil 2. 553
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
(b) Forderung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament verfolgt einen anderen Ansatz. Es will die Differenzhaftung des Gesellschafters für eine minderwertige Sacheinlage in der Verordnung selbst geregelt wissen. Art. 20 III solle lauten: „Erreicht der Wert der Sacheinlage nicht den Betrag des dafür übernommenen Anteils, hat der Anteilseigner eine Bareinlage in Höhe des Fehlbetrags zu leisten. Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung verjährt in acht Jahren nach Eintragung der Gesellschaft.“ 561 Der erste Satz dieser Fassung entspricht nahezu wörtlich § 9 I GmbHG. Eine Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten sieht das Abänderungsverlangen des Europäischen Parlaments auch an anderer Stelle nicht vor. (c) Beurteilung In die Regelungen der EPG-VO-E fügt sich das Recht der Mitgliedstaaten zur Differenzhaftung für eine minderwertige Sacheinlageverpflichtung nicht widerspruchsfrei ein. So wird der Ersatzanspruch gemäß § 9 I GmbHG mit Anmeldung fällig562. Die Gesellschafter der EPG können die Fälligkeit der Sacheinlageverpflichtung nach dem EPG-VO-E jedoch frei vereinbaren. Damit würde ein Ersatzanspruch oft vor dem Einlageanspruch fällig. Ferner legt § 9 I GmbHG für die Bewertung der Sacheinlage die Anmeldung der Gesellschaft zugrunde, das heißt den Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung beim Registergericht563. Dieser Bewertungszeitpunkt soll gewährleisten, daß sich Wertverluste nach Vereinbarung der Sacheinlagepflicht nicht zu Lasten der Gläubiger auswirken564. Das Abstellen auf die Anmeldung ist bei der GmbH folgerichtig: Die Sacheinlageverpflichtung ist bis spätestens unmittelbar vor Anmeldung (vollumfänglich) zu erfüllen565; der leicht zu ermittelnde Stichtag der Anmeldung verhindert Manipulationen und erleichtert der – für eine Wertabweichung beweisbelasteten566 – Gesellschaft die Beweisführung. Dagegen ist eine Sacheinlageverpflichtung gegenüber der EPG nicht zwingend vor deren Anmeldung zu erfüllen. Es erscheint widersinnig, bei der EPG mit der Anmeldung der Gesellschaft für die Bewertung der Sacheinlage einen Zeitpunkt zugrundezulegen, zu dem der Einlageanspruch möglicherweise noch gar nicht durchsetzbar ist. Auf diese Weise wird den Gläubigern zudem das Risiko von Wertverlusten des Gegenstands der Sacheinlage
561
Legislative Entschließung, Abänderung 34. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 8; a. A. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 7. 563 Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 4. 564 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 4. 565 Vgl. §§ 7 III, 8 II 1 GmbHG. 566 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9 Rn. 8; a. A. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 4. 562
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nach Anmeldung, dem Gesellschafter das Risiko nicht ausgleichsfähiger Wertzuwächse nach diesem Zeitpunkt aufgebürdet. Verlangt man – wie hier –, daß die Einlageverpflichtung vor Anmeldung der EPG zu erfüllen sein muß567, gelten diese Widersprüche im EPG-VO-E zwar nicht. Allerdings ist der im EPG-VO-E vorgesehenen Bezugnahme auf das nationale Recht aus deutscher Sicht das auch insoweit etwa zwischen Deutschland und England bestehende Regelungsgefälle entgegenzuhalten. Ferner läuft es wiederum dem Ziel einer einheitlichen Rechtsform zuwider, daß auch hinsichtlich der praxisrelevanten Frage einer Differenzhaftung für eine minderwertige Sacheinlage 27 unterschiedliche Rechtsordnungen zum Zuge kommen sollen568. Jedenfalls aus diesen zwei weiteren Gründen ist die von Art. 20 III EPG-VO-E ausgesprochene Verweisung auf das nationale Recht für die Differenzhaftung des Gesellschafters abzulehnen. Für das Änderungsverlangen des Parlaments spricht auf den ersten Blick, daß die problematische Verweisung auf das nationale Recht entfallen soll. Allerdings bleibt der für die Bewertung der Sacheinlage maßgebliche Zeitpunkt in der von dem Europäischen Parlament geforderten Fassung des Art. 20 III völlig offen. Als solcher kommt grundsätzlich der Abschluß des Gesellschaftsvertrags, die Anmeldung der Gesellschaft sowie ihre Eintragung in Betracht; nach der hier abgelehnten, im EPG-VO-E bislang vorgesehenen wahlfreien Fälligkeitsregelung sind dies zusätzlich die Fälligkeit des Einlageanspruchs und die Erfüllung der Sacheinlagepflicht. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments ist daher so praktisch nicht handhabbar und in seiner jetzigen Form abzulehnen. Allerdings weist das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments mit der in der Verordnung selbst getroffenen Regelung der Differenzhaftung in die richtige Richtung. Der vom Parlament geforderte Wortlaut von Art. 20 III muß nur um den für die Bewertung der Sacheinlage zugrundezulegenden Zeitpunkt ergänzt werden. Bei Hinnahme der frei zu vereinbarenden Fälligkeit, wie sie der EPG-VO-E vorsieht, bietet sich als Bewertungszeitpunkt die Fälligkeit des Sacheinlageanspruchs an. Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt vermeidet die – bei freier Regelung der Fälligkeit – mit der Zugrundelegung des Zeitpunkts der Anmeldung verknüpfte unbillige Zuordnung des Bewertungsrisikos569. Ferner weist die Bewertung zum Fälligkeitszeitpunkt – im Gegensatz zur Anknüpfung an den Zeitpunkt der Erfüllung570 – den Vorteil auf, daß der Gesellschafter einer Differenzhaftung 567
Siehe den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 552 ff. in Teil 3. 569 Siehe soeben den Text bei Fn. 563 ff. in Teil 3. 570 Der Zeitpunkt der Erfüllung ist seit Inkrafttreten des MoMiG 2008 bei der GmbH für die Bewertung einer verdeckten Sacheinlage maßgeblich, wenn diese erst nach Anmeldung geleistet wird, § 19 IV 3 GmbHG. Das trägt dem Umstand Rechnung, daß eine 568
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
nicht dadurch entgehen kann, daß er Wertverluste des Gegenstands der Sacheinlage auf die Gesellschaft verlagert, indem er bereits vor Fälligkeit oder aber erst im Verzug erfüllt. Um die Möglichkeit der vertraglichen Regelung der Fälligkeit (auch) einer Sacheinlageverpflichtung nicht durch die Differenzhaftung auszuhebeln, sollte zur Klarstellung die Fälligkeit der Verpflichtung aus der Differenzhaftung an die Fälligkeit des Einlageanspruchs geknüpft werden. Verlangt man dagegen, wie hier, die Erfüllung der Einlageverpflichtung vor Anmeldung der Gesellschaft571, bietet sich für die Bewertung des Gegenstands der Sacheinlage der Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft an. Dieser Bewertungszeitpunkt dient der Vereinfachung, zumal der Zeitpunkt der Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung nicht immer leicht nachzuweisen sein wird. Das Abstellen auf die Anmeldung ist den Gesellschaftern auch zumutbar, da sie es in der Hand haben, den Abstand zwischen Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung und Anmeldung möglichst gering zu halten572. (2) Ausfallhaftung der Mitgesellschafter (a) Regelung des EPG-VO-E Klärungsbedürftig erscheint, ob Mitgesellschafter nach dem EPG-VO-E eine Ausfallhaftung bei einer nicht (vollständig) erfüllten Bar- oder Sacheinlagepflicht trifft. Der EPG-VO-E selbst ordnet eine solche Haftung nicht an. Allerdings verweist Art. 20 III EPG-VO-E hinsichtlich der „Verpflichtung der Anteilseigner“ auf das Recht der Mitgliedstaaten573. Damit kommt etwa für eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland möglicherweise eine Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG574 in Betracht. Nach einer Ansicht soll sich der Verweis auf das nationale Recht nicht auf eine dort geregelte Ausfallhaftung der Mitgesellschafter erstrecken; Art. 20 III EPGverdeckte Sacheinlage, anders als eine gewöhnliche Sacheinlage, häufig erst zu diesem späteren Zeitpunkt geleistet wird (Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rn. 79). Im Ergebnis gehen damit Wertminderungen des Gegenstands der verdeckten Sacheinlage nicht zu Lasten der Gesellschaft. Allerdings wirken sich umgekehrt Werterhöhungen zwischen Anmeldung und Erfüllung bis zum Wert der vereinbarten Geldeinlage zugunsten des Gesellschafters aus, da sich dessen ursprüngliche Bareinlagepflicht durch Anrechnung entsprechend mindert (§ 19 IV 3 GmbHG). Der Gesellschafter kann damit bei einer verdeckten Sacheinlage besser stehen als bei einer offenen Sacheinlage, die zur Ermittlung einer Differenzhaftung stets bei Anmeldung zu bewerten ist, § 9 I GmbHG. Das erscheint bedenklich. 571 Siehe den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 3. 572 Vgl. zum Bewertungsstichtag bei der GmbH Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 9 Rn. 4. 573 Siehe bereits den Text bei Fn. 536 ff. in Teil 3. 574 § 24 ist auch im Fall des § 9 GmbHG anwendbar, Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rn. 6.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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VO-E betreffe „nur die Ausgestaltung der Haftung“ und solle „offenbar keinen neuen Haftungsgrund schaffen“ 575. Gegen diese Meinung spricht, daß es schwer fällt, eine – akzessorische und subsidiäre – Ausfallhaftung als „neuen Haftungsgrund“ aufzufassen. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum die auch nach dieser Ansicht geltende „Ausgestaltung der Haftung“ nach dem Recht der Mitgliedstaaten (als maius) nicht auch die Anordnung einer akzessorischen und subsidiären Haftung der Mitgesellschafter (als minus) einschließen soll. Selbst wenn man derart unterscheiden wollte, fände sich hierfür im Wortlaut des Art. 20 III EPG-VO-E keine Stütze. Dieser Vorschrift ist im Hinblick auf den Umfang der Verweisung keine Einschränkung im Sinne einer gespaltenen Verweisung zu entnehmen. Der Wortlaut von Art. 20 III EPG-VO-E spricht sogar eher für eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter; es ist von der Verpflichtung der Anteilseigner (Mehrzahl) für das Entgelt bzw. die Sacheinlage (Einzahl) die Rede. Auch die Begründung der EPG-VO-E enthält keinerlei Hinweise auf eine gespaltene Verweisung durch Art. 20 III EPG-VO-E. Richtigerweise ist auf Grundlage des EPG-VO-E folglich von einer Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gemäß dem mitgliedstaatlichen Recht auszugehen. (b) Forderung des Europäischen Parlaments Nach dem Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments entfällt dagegen jede Ausfallhaftung der Mitgesellschafter. Das Änderungsverlangen sieht in Art. 20 III ausschließlich die Regelung einer Differenzhaftung für minderwertige Sacheinlagen vor. Eine Verweisung auf das nationale Recht erfolgt weder in Art. 20 III noch in einer andern Norm. Auch die in Art. 4 II EPG-VO-E geregelte Generalverweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten greift nicht ein. Denn die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter ist als Unterpunkt der in Art. 20 I, II und III angesprochenen Ausgestaltung der Einlageverpflichtung nicht, wie Art. 4 II EPG-VO-E voraussetzt, „nicht durch die Artikel oder Anhang I dieser Verordnung abgedeckt“. (c) Beurteilung Für das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments spricht wiederum, daß der Ausschluß der 27 unterschiedlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Ausfallhaftung der Handhabbarkeit der Rechtsform der EPG dient. Die Regelung einer Ausfallhaftung der Gesellschafter in der Verordnung selbst dürfte verzichtbar sein. Für die zu erwartenden Neugründungen mit geringem Nennkapital besteht hierfür von vornherein kein Bedarf. Das dürfte auch für die zu erwartende Mehrzahl der Gründungen durch Umwandlung576 gel575 576
Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905 mit Fn. 67. Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
ten. Bei dem ursprünglichen Rechtsträger wird es sich sehr häufig um ausländische Tochtergesellschaften in der mitgliedstaatlichen Ausprägung der kleinen Kapitalgesellschaft handeln, die lediglich die Konzernmutter als Gesellschafterin aufweisen. Den Gesellschaftern bleibt es unbenommen, ggf. im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Haftungsregelung vorzusehen. cc) Weitere Ausgestaltung der Einlageverpflichtung Zu untersuchen ist schließlich, wie die Einlageverpflichtung der Gesellschafter im weiteren ausgestaltet ist. Dies betrifft einerseits die Zulässigkeit einer Kaduzierung von Geschäftsanteilen und die Verpflichtung zur Verzinsung ausstehender Einlagen bei einer Verzögerung der Erfüllung der Einlageverpflichtung (dazu unten (1)), andererseits das Wiederaufleben der Einlageverpflichtung im Wege der Vorbelastungshaftung (dazu unten (2)). (1) Kaduzierung von Geschäftsanteilen bei verzögerter Erfüllung Die Verordnung selbst enthält hinsichtlich der Verpflichtung zur Einlageleistung lediglich die bereits dargestellten Regelungen in Artt. 19 f. EPG-VO-E. Von den Regelungsaufträgen des Anhangs I zum EPG-VO-E kommt hier577 allein der bereits angesprochene, mißverständliche Unterpunkt „Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Zahlung oder die Bereitstellung des Entgelts zu erfolgen hat und Angabe der Bedingungen, die an eine derartige Zahlung oder Bereitstellung gebunden sind“ 578 in Betracht. Dessen zweiter Halbsatz ist zu lesen als „oder Angabe der Bedingungen, an die eine derartige Zahlung oder Bereitstellung gebunden ist“ 579. Damit obliegt den Gesellschaftern nach diesem Regelungsauftrag weder die Bestimmung, ob ein Kaduzierungsverfahren stattfinden soll, noch erfaßt er die Frage, ob die verspätete Einlageleistung eine Verzinsungspflicht entstehen läßt. Damit ist die weitere Ausgestaltung der Einlageverpflichtung auch nicht durch einen Regelungsauftrag erfaßt. Folglich kommt über Art. 20 III EPG-VO-E wiederum das Recht der Mitgliedstaaten zur Anwendung. Demgegenüber ist nach der vom Europäischen Parlament geforderten Fassung des Art. 20 III das Recht der Mitgliedstaaten wiederum gesperrt. Diese letztgenannte Lösung ist auch hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung der Einlageverpflichtung vorzugswürdig, da sie ein Regelungsgefälle vermeidet und der Rechtsvereinheitlichung dient. Zudem kann die im Ver577 Der in Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 3. Spiegelstrich enthaltene Regelungsauftrag betreffend die Frage einer Bewertung von Sacheinlagen wurde bereits angesprochen; siehe den Text bei Fn. 552 in Teil 3. 578 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 4. Spiegelstrich. 579 Vgl. bereits Fn. 495 ff. in Teil 3.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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gleich zu den oben angesprochenen Gesichtspunkten eher nebensächliche weitere Ausgestaltung der Einlageverpflichtung ohne weiteres den Gesellschaftern überlassen werden. (2) Wiederaufleben der Einlageverpflichtung im Wege der Vorbelastungshaftung? Eine Vorbelastungshaftung ist im EPG-VO-E nicht vorgesehen580. Das erscheint vor dem Hintergrund, daß der EPG-VO-E keine Vorgesellschaft kennt581, zunächst folgerichtig: Weil – anders als bei der GmbH582 – mit Entstehung der Gesellschaft keine Verbindlichkeiten einer Vorgesellschaft ipso iure auf die EPG übergehen können, ist eine Vorbelastung im engeren Sinne, das heißt bei Entstehung der Gesellschaft, nicht denkbar. Wer vor Eintragung der EPG in ihrem Namen gehandelt hat, haftet – wie bei der GmbH583 – grundsätzlich persönlich584. Die Handelndenhaftung erlischt, wenn die EPG nach ihrer Eintragung „die aus diesen Handlungen resultierenden Verpflichtungen“ übernimmt585. Damit ist eine rechtsgeschäftliche befreiende Schuldübernahme angesprochen, wie sich aus dem Wort „übernehmen“ („assume“, „reprendre“) in Art. 12 S. 1 EPG-VO-E ergibt sowie aus Art. 12 S. 2, der eine Haftung der Handelnden nur dann anordnet, wenn keine Schuldübernahme erfolgt. Die Ansprüche, die aus Handlungen im Namen der EPG vor ihrer Eintragung entstanden sind, vernachlässigt der EPGVO-E dagegen vollständig: Art. 12 EPG-VO-E ist im Gegenschluß zu entnehmen, daß die Handelnden – die oftmals mit den Gesellschaftern identisch sein werden – eine Übernahme der im Namen der EPG begründeten Verbindlichkeiten durch die EPG herbeiführen können, ohne dieser auch die damit regelmäßig (so bei jedem zweiseitig verpflichtenden Vertrag) verbundenen Ansprüche zu übertragen. Art. 12 EPG-VO-E sieht nach seinem Wortlaut keine Vertragsübernahme vor; darin ist von „Verpflichtungen“, nicht etwa von „Rechten und Pflichten“ die Rede. Auch unabhängig von dem grundsätzlichen Verbot der Bilanzierung schwebender Geschäfte etwa nach den GoB586, das dazu führt, daß Verpflichtungen der EPG so lange nicht zu bilanzieren sind, wie sie die Gegenleistung noch nicht erhalten hat, läßt Art. 12 EPG-VO-E damit eine erhebliche wirtschaftliche Vorbelastung der EPG zu. Dennoch ist darin eine wie auch immer geartete Begrenzung oder Bedingung der Schuldübernahme, etwa durch die Solvenz der Gesellschaft, nicht vorgese580 581 582 583 584 585 586
Arg. e contrario Art. 12 EPG-VO-E. Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 11 Rn. 10 ff. § 11 II GmbHG. Art. 12 EPG-VO-E. Art. 12 S. 1 EPG-VO-E. Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 252 Rn. 21.
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hen587. Ebensowenig sieht der Wortlaut von Art. 12 EPG-VO-E die Zustimmung des jeweiligen Gläubigers zum Schuldnerwechsel vor. Der Ansicht, die Art. 12 EPG-VO-E dennoch ein Zustimmungserfordernis entnehmen will588, kann nicht gefolgt werden. Dagegen sprechen neben dem Wortlaut auch ein systematischer Grund. Art. 12 EPG-VO-E wäre überflüssig, wenn er eine rechtsgeschäftliche Schuldübernahme nur unter Zustimmung des Gläubigers ermöglichte; ein derartiger Schuldnerwechsel dürfte den Schuldrechten der Mitgliedstaaten allgemein bekannt sein. Auch aus einem Rückgriff auf das nationale Recht über Art. 4 II EPG-VO-E – etwa auf § 415 I 1 BGB – kann kein Zustimmungserfordernis folgen. Die Allgemeinverweisung des Art. 4 II EPG-VO-E ist hier gesperrt, weil die Frage eines Zustimmungserfordernisses nicht „nicht durch die Artikel abgedeckt“ ist, wie Art. 4 II EPG-VO-E voraussetzt. Art. 12 EPG-VO-E ist aus der vorstehenden systematischen Überlegung dahin auszulegen, daß er zur Frage eines Zustimmungserfordernisses ein beredtes Schweigen enthält und damit insoweit abschließend ist. (3) Beurteilung Der Verzicht auf verbindliche Regelungen zur Kaduzierung von Anteilen der EPG im EPG-VO-E, ohne insoweit auf das Recht der Mitgliedstaaten zurückzugreifen, erscheint vertretbar. Er dient der Verschlankung des Statuts der EPG und betrifft mit der Kaduzierung ein Rechtsinstitut, das selbst in der Praxis der GmbH keine große Rolle spielt589. Eine gläubigerschützende Wirkung von Kaduzierungsvorschriften dürfte bei der EPG auch deshalb vernachlässigbar sein, weil der Anteilsverlust unter Eintritt einer Ausfallhaftung für die Einlageverpflichtung, wie ihn § 21 III GmbHG vorsieht, in Anbetracht des für die EPG geltenden Mindestnennkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag oft nur eine betragsmäßig geringe Zahlungsverpflichtung des Ausgeschlossenen bedeuteten würde. Dagegen behandelt der EPG-VO-E die Problematik der Vorbelastung der EPG völlig unzureichend. Zwar kommt eine Vorbelastung im engeren Sinne aufgrund des rückständigen Regelungskonzepts des EPG-VO-E, das eine Vorgesellschaft nicht kennt590, nicht in Betracht. Allerdings kann eine Vorbelastung im weiteren Sinne auftreten, nämlich kurz nach Entstehung der EPG: Die von Art. 12 EPGVO-E angesprochene Schuldübernahme durch die EPG wird im Allgemeinen kurz nach deren Eintragung erfolgen. Darauf werden regelmäßig die – noch per587
Vgl. Krejci, Rn. 845. So wohl Krejci, Rn. 294. 589 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 21 Rn. 1 weisen auf die geringe Bedeutung der Kaduzierung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hin, sehen aber eine praktische Bedeutung aufgrund einer generalpräventiven Wirkung der Kaduzierungsvorschriften. 590 Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3. 588
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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sönlich haftenden – Gesellschafter hinwirken591. Eine solche Vorbelastung aber kommt wirtschaftlich einer Vorbelastung im engeren Sinne gleich: Ob eine Kapitalgesellschaft bereits mit Entstehung überschuldet ist oder ob dieser Zustand durch eine Schuldübernahme wenig später eintritt, ist aus Sicht der Gläubiger beliebig; in beiden Fällen verschlechtern sich ihre Befriedigungsaussichten. Dennoch begrenzt der EPG-VO-E die rechtsgeschäftliche Schuldübernahme in keiner Weise. Zusätzlich birgt die nach Art. 12 EPG-VO-E gegebene Möglichkeit, die Verbindlichkeiten aus Handlungen im Namen der EPG vor ihrer Eintragung ohne die damit verknüpften Ansprüche zu übertragen, ein erhebliches Mißbrauchspotential. Sie lädt zu Gründungsbetrug geradezu ein. Außerdem läßt Art. 12 EPG-VO-E zahlreiche Fragen offen, etwa ob die Möglichkeit der Schuldübernahme zeitlich begrenzt ist592. Wie weit die gesamtschuldnerische Handelndenhaftung reicht, bleibt ebenfalls unklar; nach dem Wortlaut könnten alle Handelnden für alle – auch fremde – Handlungen gesamtschuldnerisch haften oder aber nur für diejenigen Handlungen, an denen sie selbst beteiligt waren593. Art. 12 EPG-VO-E steht demnach beispielhaft für die nachlässige Regelungstechnik, überholte Dogmatik und den einseitig gesellschafterfreundlichen Ansatz des EPG-VO-E. c) Kapitalerhöhung Eine Kapitalerhöhung erfordert einen entsprechenden satzungsändernden594 Beschluß der Gesellschafter595, der nach dem Vorschlag der Kommission lediglich der einfachen Mehrheit bedarf 596, sofern nicht die Satzung ein weitergehendes Mehrheitserfordernis vorsieht597. Das Europäische Parlament verlangt dagegen stets eine qualifizierte Mehrheit598 von mindestens zwei Dritteln aller Stimmen599. Diesem Änderungsverlangen ist zuzustimmen. So bedarf auch eine 591 Entweder unmittelbar als Gesellschafter-Geschäftsführer (Art. 26 I 2 Hs. 1 EPGVO-E) oder mittelbar durch Einwirkung auf den Geschäftsführer (vgl. Art. 26 I 2 Hs. 2 EPG-VO-E). Das gilt erst recht, weil die vor Eintragung im Namen der EPG begründeten Verbindlichkeiten grundsätzlich mit recht kurzen Zahlungszielen verbunden sein werden: Bei diesen Verbindlichkeiten wird es sich meist um solche aus Rechtsgeschäften handeln, die regelmäßig nicht auf Kredit erfolgen. Dazu zählen etwa die Anmietung von Geschäftsräumen, der Kauf von EDV-Technik sowie die Einstellung von Mitarbeitern. Von zeitnahen Zahlungszielen ist auch auszugehen, weil zu den Gläubigern zuvor meist keine Geschäftsbeziehungen bestanden haben dürften. 592 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 55. 593 Vgl. Art. 12 S. 1, 2 EPG-VO-E. 594 Arg. e Art. 27 I Buchst. p, h EPG-VO-E. 595 Art. 27 I Buchst. h EPG-VO-E. 596 Arg. e contrario Art. 27 II EPG-VO-E. 597 Art. 27 I EPG-VO-E („so wie in der Satzung festgelegt“). 598 Legislative Entschließung, Abänderung 42. 599 Art. 27 II Unterabs. 2 EPG-VO-E.
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Kapitalherabsetzung einer qualifizierten Mehrheit600. Der Minderheitenschutz erfordert gerade für Kapitalerhöhungsbeschlüsse eine qualifizierte Mehrheit, um die Gefahr der Verwässerung der Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern durch Kapitalerhöhungen, die diese nicht zeichnen können oder wollen, einzudämmen601. Der Kapitalerhöhungsbeschluß hat zumindest die neue Höhe des Nennkapitals zu benennen602, enthält zweckmäßigerweise aber auch den Ausgangs- und den Unterschiedsbetrag. Zusätzliche Bestimmungen betreffend das bei einer Kapitalerhöhung zu beachtende Verfahren enthält der EPG-VO-E nicht. Dessen Regelung überläßt der Verordnungsentwurf ausdrücklich den Gesellschaftern603. Die Aufbringung des auf jeden Gesellschafter entfallenden Betrags der Kapitalerhöhung richtet sich nach den Regeln über die erstmalige Kapitalaufbringung. Das folgt systematisch aus dem Fehlen von Sonderregeln und auch aus der Begründung des EPG-VO-E604. Insbesondere ist der Betrag der Kapitalerhöhung vollständig zu zeichnen605. Sacheinlagen, auch Dienstleistungen, sind zulässig606. Der Gegenstand der Einlage ist nicht – auch nicht anteilig – vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung aufzubringen607. Die Kapitalerhöhung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beschlußfassung zum Register anzumelden608. Dort erfolgt lediglich eine Rechtmäßigkeitsprüfung609. Eine Bekanntgabe der Kapitalerhöhung ist nicht vorgesehen610. Die neue Gesamtzahl der gehaltenen Anteile und die dieser entsprechende Beteiligung am Nennkapital ist für jeden Gesellschafter im Verzeichnis der Gesellschafter zu vermerken611.
600
Siehe den Text bei Fn. 943 f. in Teil 3. Vgl. zur GmbH Roth, in: Roth/Altmeppen, § 55 Rn. 7. Im GmbH-Recht bedarf es für einen Kapitalerhöhungsbeschluß als Satzungsänderung wohlweislich einer Mehrheit von mindestens drei Viertel, allerdings nur der abgegebenen Stimmen (§§ 53 II, 55 GmbHG). 602 Art. 8 I i.V. m. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel II – Gründung, 3. Spiegelstrich. Der letztgenannte Regelungsauftrag betrifft zwar das „Gründungskapital“, gilt aber seinem Zweck nach entsprechend für das erhöhte Kapital. 603 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 10. Spiegelstrich. 604 Begründung des EPG-VO-E, S. 8. 605 Art. 19 II EPG-VO-E. 606 Art. 20 I EPG-VO-E; vgl. bereits den Text bei Fn. 471 ff. in Teil 3. 607 Art. 19 III EPG-VO-E. 608 Art. 10 V S. 1, II Buchst. c EPG-VO-E. Auch die geänderte Satzung ist zum Register einzureichen, Art. 10 V 2 EPG-VO-E. 609 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906. 610 Arg. e contrario Art. 10 VI, Art. 24 VI EPG-VO-E. 611 Art. 15 III, 1 Buchst. b EPG-VO-E. 601
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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d) Beurteilung Die Vorschriften zur Kapitalaufbringung der EPG ähneln in frappierender Weise denjenigen der Limited. Wiederum vorteilhaft aus dem Blickwinkel der zukünftigen Gesellschafter ist das Mindestnennkapital ohne erhöhten Mindestbetrag, das nach dem EPG-VO-E lediglich 1 A betragen muß. Das Europäische Parlament fordert zwar grundsätzlich ein Mindestnennkapital von 8.000 A. Dies kann jedoch durch die Regelung einer fragwürdigen612 Solvenzerklärung in der Satzung vor einer Ausschüttung unschwer ausgehebelt werden. Das Mindestnennkapital ohne erhöhten Mindestbetrag ist aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes aus den bereits dargestellten Gründen613 höchst bedenklich. Auch bei der EPG hat ein über dem Mindestbetrag liegendes Nennkapital aufgrund der Ausgestaltung der Kapitalaufbringungsregeln kaum gläubigerschützende Wirkung. Letztlich kennt das Recht der EPG ebenfalls keinen Grundsatz effektiver Kapitalaufbringung; die Einlageverpflichtungen müssen vor Inkorporation der Gesellschaft nicht einmal anteilig erfüllt worden sein. Tendenziell zum Nachteil der Gläubiger wirken sich auch die Regelungen zu Sacheinlagen aus. Zwar sind Dienstleistungen, anders als bei der Limited, nicht einlagefähig. Allerdings erfolgt auch bei der EPG keine nachprüfbare Bewertung der Sacheinlagen. Hierdurch können die Kapitalaufbringungsregeln unschwer umgangen werden. Auch für die EPG ist festzustellen, daß die liberalen Kapitalaufbringungsregeln die Wirksamkeit der Kapitalschutzvorschriften der EPG von vornherein stark beschränken. 2. Kapitalerhaltung Mit der Erhaltung des Gesellschaftskapitals befassen sich Artt. 21–24 EPGVO-E. Die Regelung vieler Fragen stellt sie in das Ermessen der Gesellschafter und erteilt diesen dazu umfangreiche Regelungsaufträge614. Ein Kapitalersatzrecht sieht der EPG-VO-E, anders als im Schrifttum gefordert615, nicht vor. Art. 21 I 1 Hs. 1 und Art. 22 EPG-VO-E regeln in aller Kürze das für die Vornahme von Ausschüttungen zu beachtende Verfahren sowie die Voraussetzungen für die Erstattung rechtswidriger Ausschüttungen (im engeren Sinne), ergänzt um einen Regelungsauftrag für das Verfahren bei der Rückabwicklung rechtswidriger Ausschüttungen616 (dazu unten b)). Mindestregelungen über den Erwerb eigener Anteile enthält Art. 23 EPG-VO-E, während die weiteren Voraussetzungen für den Erwerb, die Einziehung, das Halten und die Übertragung eigener Anteile617 612 613 614 615 616 617
Siehe den Text bei Fn. 804 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 467 ff. in Teil 3, 163 ff. in Teil 2. Siehe Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 2., 5.–10. Spiegelstrich. Siehe Fröhlich, S. 133 ff., 150 ff. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 8. Spiegelstrich. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 9. Spiegelstrich.
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sowie der Zulässigkeit einer „financial assistance“ beim Anteilserwerb durch einen Dritten618 wiederum der Regelung durch die Gesellschafter obliegen (siehe unten c)). Für Kapitalherabsetzungen enthält Art. 24 ausführlichere Bestimmungen, die ein Regelungsauftrag für das dabei zu beachtende Verfahren619 ergänzt (unten d)). Zentraler Begriff der Kapitalerhaltungsvorschriften ist der Ausschüttungshöchstbetrag gemäß Art. 21 EPG-VO-E, der hier als erstes dargestellt werden soll (unten a)). a) Ausschüttungshöchstbetrag Der für eine Ausschüttung höchstens zu Verfügung stehende Betrag bestimmt sich stets anhand einer bilanzbezogenenen Betrachtung (dazu unten aa)). Unter bestimmten Voraussetzungen ist zusätzlich eine solvenzbezogene Betrachtung vorzunehmen (unten bb)). aa) Bilanzbezogene Betrachtung Ausschüttungen sind gemäß Art. 21 I 1 EPG-VO-E zulässig, „sofern die Vermögenswerte der SPE nach dieser Ausschüttung ihre Schulden in vollem Umfang abdecken“. Eine Ausschüttung darf also nur erfolgen, wenn bestimmte bilanzbezogene Bedingungen eingehalten werden (dazu unten (2)). Diese Prüfung erfordert zunächst die Erstellung einer für die Ausschüttungsbemessung geeigneten bilanziellen Bemessungsgrundlage (unten (1)). In der Begründung des EPG-VOE620 und im Schrifttum621 ist insoweit zumindest ungenau von einem „Bilanztest“ 622 die Rede. (1) Maßgebliche bilanzielle Bemessungsgrundlage (a) Rechnungslegung der EPG als Ausgangspunkt Ausgangspunkt der Ausschüttungsbemessung ist die aktuelle Einzelbilanz der EPG623. Diese ist regelmäßig dem Abschluß für das letzte Geschäftsjahr624, das 618
Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 5. Spiegelstrich. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 10. Spiegelstrich. 620 Begründung des EPG-VO-E, S. 8. 621 Etwa Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, 1612; Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 148; Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 524. 622 Dieser Begriff erscheint unlogisch. Er impliziert, daß vermöge eines „Tests“, der die Ergebnisse „Ja“ und „Nein“ zuläßt, überprüft werden soll, ob eine vorab bestimmte Ausschüttung zulässig oder unzulässig ist. Tatsächlich soll anhand des „Bilanztests“ jedoch zunächst der Ausschüttungshöchstbetrag ermittelt werden, woraufhin eine Entscheidung über die Höhe einer Ausschüttung (oder über eine vollständige Thesaurierung) getroffen wird. 623 „. . . sofern die Vermögenswerte der SPE . . . ihre Schulden . . . abdecken [Hervorh. von mir]“. Eine etwa zu erstellende Konzernbilanz der EPG (vgl. für die EPG mit ein619
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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vom Kalenderjahr abweichen darf 625, zu entnehmen. Für eine unterjährige Ausschüttung ist – sofern die Satzung eine solche überhaupt gestattet626 – ein Zwischenabschluß zu erstellen. Beides folgt bereits aus dem Gebrauch des Präsens in Art. 21 I 1 EPG-VO-E („abdecken“). Die Bilanz hat die Geschäftsleitung der EPG aufzustellen627. Gemäß Art. 25 I EPG-VO-E gelten „für die Erstellung, Vorlage, Prüfung und Veröffentlichung von Abschlüssen . . . für die SPE die Vorschriften des anwendbaren innerstaatlichen Rechts“. Nach der hier vorgenommenen Einteilung handelt es sich dabei um einen Bereichsverweis628. Demnach richtet sich die Aufstellung der Bilanz als Teil des Jahresabschlusses nach dem Recht des Mitgliedstaats, in welchem sich der eingetragene Sitz der Gesellschaft befindet629. Damit kommen für Gesellschaften ein und derselben Rechtsform je nach Sitz der Gesellschaft für die Bilanzierung grundsätzlich 27 unterschiedliche Rechnungslegungswerke in Betracht. Beispielsweise hat eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland nach den GoB, eine EPG mit eingetragenem Sitz in England wahlweise nach UK GAAP oder IFRS zu bilanzieren630. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten verlangt für den Einzelabschluß von Kapitalgesellschaften, deren Anteile – wie zwingend diejenigen der EPG631 – nicht öffentlich angeboten werden, die Beachtung nationaler Rechnungslegungsregeln632. Indes gestatten mittlerweile insgesamt 18 Mitgliedstaaten für die Einzelbilanz die Rechnungslegung nach IFRS oder schreiben dies sogar vor633. Diese Mitgliedstaaten sind – neben England634 – Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Polen, Portugal, Slowenien, die Slowakei, die tschechische Republik sowie Malta und Zypern635. Lediglich fünf Mitgetragenem Sitz in Deutschland §§ 290 ff. HGB) kann aufgrund der im Rahmen der Konsolidierung der bei Konzernunternehmen erfolgenden gegenseitigen Verrechnungen (vgl. für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland §§ 294, 300 ff. HGB) der Ausschüttungsbemessung nicht zugrundegelegt werden. 624 Arg. e Art. 27 I Buchst. d, Art. 28 I, Art. 42 II S. 1, 2 EPG-VO-E: „Jahresabschluss“. 625 Arg. e Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 1. Spiegelstrich. 626 Vgl. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 6. Spiegelstrich. 627 Arg. e Art. 26 I EPG-VO-E i.V. m. arg. e contrario Art. 27 I Buchst. d EPGVO-E. 628 Vgl. den Text bei Fn. 144 ff. in Teil 3. 629 Art. 25 I i.V. m. Art. 4 II i.V. m. Art. 7 I EPG-VO-E. 630 Siehe den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 631 Art. 3 I Buchst. d EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 441 ff. in Teil 3. 632 KPMG, Feasibility Study, S. 318: 52%. 633 KPMG, Feasibility Study, S. 318 f. Die auf S. 320 genannte Zahl von 17 Mitgliedsländern ist fehlerhaft, wie die Addition der auf S. 319 aufgeführten Länder ergibt. Dies entgeht Maschke, S. 113 mit Fn. 459. 634 Vgl. den Text bei Fn. 268 ff. in Teil 2. 635 KPMG, Feasibility Study, S. 319.
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gliedstaaten oder 19% schreiben die Zugrundelegung der IFRS zwingend vor636. Dabei handelt es sich um kleinere Mitgliedstaaten, die eigene Rechnungslegungsregeln zugunsten der IFRS (faktisch) aufgegeben haben, nämlich Bulgarien, Litauen, Malta, Slowenien und Zypern637. Im Ergebnis sollen für die Rechnungslegung der EPG folglich – abhängig von ihrem eingetragenen Sitz – 23 unterschiedliche Regelwerke einschlägig sein638. Fraglich erscheint, ob die Gesellschafter in der Satzung frei bestimmen können, ob der Jahresabschluß und damit auch die Bilanz der EPG von einem Abschlußprüfer zu testieren ist. Dies legt ein Regelungsauftrag in Anhang I des EPG-VO-E nahe639. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut von Art. 25 I EPGVO-E, in dem allgemein von „Prüfung . . . von Abschlüssen“ die Rede ist; auch in der englischen640 und französischen641 Fassung ist der Wortlaut gleichermaßen weit. Art. 25 I EPG-VO-E ordnet damit für sämtliche Fragen der Abschlußprüfung die Anwendung nationalen Rechts an. Die Bereichsverweisungen des Art. 25 I EPG-VO-E aber stehen in der Normenpyramide über dem auf die Abschlußprüfung bezogenen Regelungsauftrag für die Satzung642. Der entsprechende Regelungsauftrag kann deshalb nur so weit reichen, wie Art. 25 I EPGVO-E nicht entgegensteht. Die Frage, ob der Jahresabschluß von einem Abschlußprüfer zu testieren ist, unterliegt damit dem Recht der Mitgliedstaaten. Für eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland bestimmt sich die Pflicht zur Abschlußprüfung nach Umsatz und Mitarbeiterzahl der Gesellschaft643. Der einschlägige Regelungsauftrag an die Gesellschafter kann sich mithin nur auf die Anordnung einer Abschlußprüfung für den Fall beziehen, daß das nationale Recht keine Prüfungspflicht vorsieht.
636
KPMG, Feasibility Study, S. 318. Siehe KPMG, Feasibility Study, S. 323. Dort wird festgestellt, daß in diesen fünf Ländern eine nahezu vollständige Übereinstimmung der einschlägigen nationalen Regeln mit den IFRS gegeben ist (Abweichung auf einer Skala von 1,0 bis 5,0 lediglich 1,0 bzw. 1,1). Daß es sich bei diesen Ländern um diejenigen handelt, welche die Anwendung der IFRS zwingend vorschreiben, folgt daraus, daß fünf Länder bei 27 Mitgliedstaaten mit 18,52% gerundet dem auf S. 318 genannten Anteil von 19% entsprechen. 638 Regelwerke von 27 Mitgliedstaaten abzüglich fünf Staaten, die über keine eigenen Regelwerke verfügen, zuzüglich der IFRS. 639 „Angabe der Tatsache, ob die SPE einen Abschlussprüfer hat und ob die Satzung vorsieht, daß die SPE einen solchen Abschlussprüfer haben sollte, das Verfahren für seine Bestellung, seine Abberufung und seinen Rücktritt“, Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Organisation der SPE, 16. Spiegelstrich. 640 „An SPE shall be subject to the requirements of the applicable national law as regards . . . [the] auditing . . . of accounts“. 641 „Les SPE sont soumises aux exigences du droit national applicable en ce qui concerne . . . le contrôle . . . des comptes“. 642 Siehe den Text bei Fn. 161 ff. in Teil 3. 643 § 316 I 1 i.V. m. § 267 I HGB. 637
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
333
(b) Teilweise eigenständiger Begriff des Ergebnisses im Sinne der Ausschüttungsbemessung Weitere Bestimmungen betreffend die bilanzielle Grundlage der Ausschüttungsbemessung enthält der EPG-VO-E nicht. Insbesondere regelt dieser keine allgemein geltenden Überleitungsvorschriften, um etwa ein nach IFRS ermitteltes Jahresergebnis einer EPG, das auch nach den Maßstäben der GoB unrealisierte Erträge enthält644, in ein nachhaltiges Ergebnis im Sinne der Ausschüttungsbemessung zu überführen. Von den 18 Mitgliedstaaten, welche die Rechnungslegung nach IFRS voraussetzen oder zulassen, sehen lediglich sieben nationale Überleitungsvorschriften vor. Dabei handelt es sich neben England645 um Dänemark, Griechenland, Irland, Italien, Malta und die Niederlande646. Diese – im einzelnen unterschiedlichen – Überleitungsvorschriften beschränken im wesentlichen die Ausschüttung unrealisierter Gewinne, indem sie deren Verbuchung in einer nicht ausschüttbaren Rücklage vorschreiben647. Ohne Überleitungsregelungen gestatten 11 Mitgliedstaaten die Ausschüttungsbemessung anhand von IFRS-Abschlüssen, und zwar Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien, die tschechische Republik sowie Zypern648. Gleiches gilt für Griechenland, obwohl die einschlägigen griechischen Regelungen vor Einführung der IFRS die Ausschüttung unrealisierter Gewinne untersagten649. Demgemäß wird teilweise vertreten, daß dies auch nach Zulassung der IFRS der Fall sei; diese Sichtweise ist in Griechenland jedoch nicht allgemein anerkannt650. Unter Berücksichtigung der sechs nationalen Überleitungsregelwerke ergibt sich damit, daß die Ausschüttungsbemessung bei der EPG je nach eingetragenem Sitz der Gesellschaft und je nach Wahl der Geschäftsleitung 29 unterschiedlichen Regimes unterliegt651.
644
Vgl. den Text bei Fn. 301 ff. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 428 ff. in Teil 2. 646 KPMG, Feasibility Study, S. 319 f. In Polen besteht kraft Handelsrechts zwar eine Ausschüttungssperre, soweit „uncovered losses from previous years“ bestehen. Dies stellt gegenüber den Regeln der IFRS jedoch keine substantielle Änderung dar, da auch diese die Berücksichtigung von Verlustvorträgen vorsehen (KPMG, Feasibility Study, S. 320). 647 Vgl. KPMG, Feasibility Study, S. 320 ff. 648 KPMG, Feasibility Study, S. 319 f. 649 KPMG, Feasibility Study, S. 320. 650 KPMG, Feasibility Study, S. 320. 651 22 nationale Regelwerke ohne Überleitungsvorschriften, IFRS mit sechs unterschiedlichen Überleitungsregelwerken, IFRS ohne Überleitungsvorschriften. 645
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
(c) Beurteilung Die extreme Zahl von knapp 30 unterschiedlichen Regelwerken, die für die Ausschüttungsbemessung der einzelnen EPG anwendbar sein können, ist der Transparenz sehr abträglich. Die Kontrolle der Angemessenheit von Ausschüttungen der EPG durch Gläubiger und Investoren, die nicht mit den am eingetragenen Sitz der EPG geltenden Vorschriften vertraut sind, wird erheblich erschwert. Die enorme Zahl bei der Ausschüttungsbemessung zu berücksichtigender unterschiedlicher Regelwerke erhöht zudem die Beratungs- und Personalkosten für Konzerne mit Tochtergesellschaften in der Rechtsform der EPG deutlich. Die in 11 Mitgliedstaaten gestattete Ausschüttungsbemessung unmittelbar anhand eines auf dem „fair value“-Ansatz gründenden IFRS-Abschlusses stellt eine Gefahr für Gläubiger der EPG dar652. Selbst die für die englische Limited vor dem Hintergrund der IFRS geltenden umfangreichen Überleitungsvorschriften vermögen die Ausschüttung unrealisierter Gewinne nicht zu verhindern und gestatten damit Ausschüttungen zu Lasten der Substanz der Gesellschaft653. Dies ist – unbeschadet der bei der EPG erfolgenden Ausschüttungsbemessung anhand des Eigenkapitals654 – erst recht der Fall bei Fehlen jeglicher beschränkender Überleitungsvorschriften wie bei der EPG mit eingetragenem Sitz in bestimmten Mitgliedstaaten. Eine Erhöhung des Eigenkapitals – im Vergleich zu den hergebrachten Rechnungslegungswerken der Mitgliedstaaten – ist bei Anwendung der IFRS vor allem durch die abweichenden Regeln für die Bilanzierung von zu Investitionszwecken gehaltenen Immobilien655, immateriellen Vermögenswerten656 und Unternehmenszusammenschlüssen657 zu erwarten658. Daneben erhöhen das Eigenkapital 652
Vgl. Maschke, S. 115. Siehe den Text bei Fn. 736 ff. in Teil 2. 654 Die Ausschüttungsbemessung der EPG knüpft, anders als bei der Limited, nicht an die realisierten Gewinne und damit eine Größe der GuV, sondern an die Bilanz der Gesellschaft an; siehe näher sogleich den Text bei Fn. 664 ff. in Teil 3. 655 IAS 40. 656 IAS 38. Eine gewisse Relativierung dürfte sich für die deutsche Rechnungslegung nach HGB durch das mit dem BilMoG eingeführte Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ergeben (§ 248 II 1 HGB). Dieses bedingt wegen § 268 VIII HGB jedoch keine Erhöhung des ausschüttbaren Eigenkapitals. 657 IFRS 3. 658 Dort wird die Einschätzung von Wirtschaftsprüfern, die mit den jeweiligen Regeln der Mitgliedstaaten vertraut sind, wiedergegeben. Diese haben beurteilt, ob sich im jeweiligen Regelungsbereich durch Anwendung der IFRS eher eine Erhöhung des ausgewiesenen Eigenkapitals ergibt, ob keine Veränderung erfolgt oder eine Verminderung eintritt. Für die genannten drei Bereiche geht die Mehrheit der Wirtschaftsprüfer von einer Erhöhung des Eigenkapitals aus. 653
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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tendenziell659 auch die Regeln der IFRS betreffend Fertigungsaufträge660, Sachanlagen661 und Finanzinstrumente662. Die EU-weit ganz unterschiedlichen Ausschüttungsbemessungsregeln werden dazu führen, daß EPGs ihren eingetragenen Sitz besonders häufig in solchen Mitgliedstaaten wählen werden, die aufgrund der Zulassung der IFRS sowie fehlender Überleitungsregeln vergleichsweise hohe Ausschüttungen zulassen. Damit wird die Eintragung auch in Deutschland tätiger EPGs besonders häufig in Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, der tschechischen Republik sowie Zypern erfolgen; entsprechendes gilt für die Sitzverlegung. Diese Erscheinungsform der durch den EPG-VO-E ausgelösten „race for the bottom“ der Verkehrsrechte663 wird außerdem zur Folge haben, daß Bund und Ländern in erheblichem Maße Körperschaft- und den Gemeinden Gewerbesteuereinnahmen entgehen werden. (2) Verbot der Einlagenrückgewähr? (a) Kommissionsentwurf Ausschüttungen sind gemäß Art. 21 I EPG-VO-E zulässig, „sofern die Vermögenswerte der SPE nach dieser Ausschüttung ihre Schulden in vollem Umfang abdecken“ 664. Nicht ausschütten darf die EPG „Rücklagen . . . die ihrer Satzung zufolge nicht ausschüttungsfähig sind“ 665. Mit den „Vermögenswerte[n] der EPG“ ist offensichtlich der Gesamtbetrag ihrer Aktiva gemeint, wie er sich aus der maßgeblichen Bemessungsgrundlage666 ergibt. Während sich Teile des Schrifttums auf die Wiedergabe des Wortlauts des Art. 21 I EPG-VO-E beschränken667, drängt sich allerdings die Frage auf, ob „Schulden“ und „Rücklagen“ im Sinne dieser Norm auch das Nennkapital der EPG einschließen. Nur in diesem Fall untersagte Art. 21 I EPG-VO-E die Herbeiführung oder Vertiefung einer Unterbilanz und enthielte damit ein Verbot der Einlagenrückgewähr.
659 Hier nimmt die Mehrzahl der Wirtschaftsprüfer zwar eine vergleichbare Auswirkung auf das Eigenkapital an; ein nahezu ebenso hoher Anteil geht jedoch von einer Erhöhung des Eigenkapitals aus. Vgl. KPMG, Feasibility Study, S. 325. 660 IAS 11. 661 IAS 16. 662 IAS 39. 663 Siehe den Text bei Fn. 128 ff. in Teil 3. 664 Art. 21 I 1 EPG-VO-E. Zum darin enthaltenen Vorbehalt zugunsten von Art. 24 EPG-VO-E für Kapitalherabsetzungen siehe den Text bei Fn. 674 ff. in Teil 3. 665 Art. 21 I 2 EPG-VO-E. 666 Siehe den Text bei Fn. 623 ff. in Teil 3. 667 So Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 524; Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807, 808.
336
Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Eine Ansicht geht davon aus, daß das Nennkapital der EPG nicht vor Ausschüttungen geschützt wird668. Die bilanzielle Prüfung des EPG-VO-E entspreche der Regelung im US-amerikanischen Model Business Corporation Act (MBCA)669. Dieser Musterentwurf 670 enthält in § 6.40 (c) (2)671 eine Bestimmung, die eine Ausschüttung unter vollständiger Aufzehrung des Eigenkapitals gestattet672. Eine Begründung für ihre Einschätzung, daß der EPG-VO-E kein Verbot der Einlagenrückgewähr kenne, gibt diese Ansicht nicht673. Dafür spricht allerdings die Verwendung der Begriffe „Schulden“ in Art. 21 I 1 EPG-VO-E der deutschen und „liabilities“ in der englischen Fassung. Damit scheinen nach einer Ausschüttung nicht die gesamten Passiva einschließlich des Eigenkapitals, sondern lediglich die Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch Vermögensgegenstände gedeckt sein zu müssen. Eine andere Ansicht versteht Art. 21 I EPG-VO-E dahin, daß nach Vornahme der Ausschüttung sowohl die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als auch deren den Mindestbetrag von einem Euro übersteigendes Nennkapital durch Vermögenswerte der EPG gedeckt sein müssten674. Die Bezugnahme in Art. 21 I 1 auf Art. 24 EPG-VO-E für Kapitalherabsetzungen verdeutliche, daß Einlagen allein im Wege der Kapitalherabsetzung zurückgewährt werden könnten675. Ein über den Mindestbetrag von einem Euro hinausreichendes Nennkapital sei als nicht ausschüttungsfähige Rücklage im Sinne des Art. 21 I S. 2 EPG-VO-E zu verstehen, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der Satzung geregelt sei676.
668 Pfennig, S. 79 f.; Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1576; Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, 1612; Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 12; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 91; unklar Maschke, S. 105. 669 Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, 1612. 670 Zum MBCA siehe noch den Text bei Fn. 740 ff. in Teil 3. 671 Dieser lautet in der Fassung von 2002: „(c) No distribution may be made if, after giving it effect: . . . (2) the corporation’s total assets would be less than the sum of its total liabilities plus (unless the articles of incorporation permit otherwise) the amount that would be needed, if the corporation were to be dissolved at the time of the distribution, to satisfy the preferential rights upon dissolution of shareholders whose preferential rights are superior to those receiving the distribution.“. Die im letzten Satz angesprochenen Vorzugsrechte bei Abwicklung der Gesellschaft kennt der EPG-VO-E nicht. 672 Gevurtz, S. 162. Widersprüchlich Bungert, S. 31, 76 f.: Nennwertloses System, das heißt ohne Nennkapital (S. 76, 31), aber mit dem „übergeordneten Grundsatz“, daß „die Dividendenauschüttung das Nennkapital (stated capital) nicht angreifen darf“ (S. 77). 673 Vgl. Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1576; Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, 1612. 674 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906; Krejci, Rn. 445, 869, widersprüchlich aber ders., Rn. 444. 675 Krejci, Rn. 869; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906. 676 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Weder die erste noch die zweite Meinung vermögen vollends zu überzeugen. Der letztgenannte Begründungsansatz der zweiten Ansicht erscheint lebensfremd. Ein über den Mindestbetrag hinausgehendes Nennkapital als kraft schlüssiger (!) Satzungsregelung nicht ausschüttungsfähige „Rücklage“ einzuordnen, überdehnt die Bedeutung dieses Begriffs. Eine Rücklage ist in der Rechnungslegung als ein vom Nennkapital zu unterscheidender Bestandteil des Eigenkapitals anerkannt677. Rücklagen folgen in Bildung und Auflösung anderen Regeln678 als das Nennkapital bei seiner Erhöhung und Herabsetzung. Rücklagen erfüllen zudem andere Zwecke als das Nennkapital679. Zutreffend ist allerdings der für die Begründung eines Verbots der Einlagenrückgewähr ins Feld geführte Hinweis auf Art. 24 EPG-VO-E. Dessen Absätze 2–7 enthalten recht umfängliche Sonderregelungen für eine Kapitalherabsetzung680. Diese liefen von vornherein leer, wenn das Nennkapital im Wege einer Ausschüttung (im engeren Sinne) an die Gesellschafter zurückgewährt werden könnte. In diesem Zusammenhang erscheint der teilweise bemühte Vergleich der Ausschüttungsregeln des EPG-VO-E mit denen des MBCA als unsinnig. Der MBCA kennt, anders als der EPG-VO-E, gar kein festes Nennkapital681, das in einem besonderen Verfahren herabgesetzt werden könnte. Dem sich aus einer systematischen Auslegung von Artt. 21 ff. EPG-VO-E ergebenden Vorrang von Art. 24 gegenüber Art. 21 steht auch Art. 24 I EPG-VO-E nicht entgegen. Dieser verweist für eine Herabsetzung des Gesellschaftskapitals zwar auf Art. 21 EPGVO-E; diese Norm beansprucht Geltung jedoch (teils zirkelschlüssig682) nur „unbeschadet des Artikels 24“ 683. Über die Begründung der zweiten Ansicht hinaus lassen sich weitere Gründe für die Annahme eines Verbots der Einlagenrückgewähr anführen. So vermag die erstgenannte Ansicht Art. 19 IV EPG-VO-E nicht zu erklären. Gemäß dieser Norm muß das Nennkapital der EPG mindestens einen Euro betragen. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn selbst das Mindestkapital von einem Euro ausge677 Vgl. § 266 III A. I.–III HGB: „gezeichnetes Kapital“ einerseits, „Kapitalrücklage“ und „Gewinnrücklagen“ andererseits; IAS 1.54 (r): „issued capital and reserves“, IAS 1.78 (e): „equity capital and reserves“. 678 § 272 II–IV HGB zu den verschiedenen Arten von Rücklagen gegenüber § 272 I HGB für das Nennkapital; f.66 (das Rahmenkonzept ist innerhalb der EU allerdings nicht verbindlich, siehe den Text bei Fn. 282 in Teil 2) verweist für die IFRS auf die Satzung und gesellschaftsrechtliche und steuerliche Regelungen. 679 Siehe näher Wöhe/Döring, S. 912 ff. 680 Dazu siehe den Text bei Fn. 911 ff. in Teil 3. 681 Siehe § 6.21 MBCA. 682 Das betrifft Art. 24 I EPG-VO-E, der in der Verweisung des Art. 21 I 1 EPGVO-E eingeschlossen ist und seinerseits auf Art. 21 EPG-VO-E verweist. In Art. 21 I 1 EPG-VO-E müßte daher es richtigerweise „Unbeschadet des Artikels 24 Absätze 2 bis 7“ heißen. 683 Art. 21 I 1 EPG-VO-E.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
schüttet werden könnte. Daher entspricht der MBCA, der tatsächlich eine Ausschüttung auch des Nennkapitals gestattet, gerade nicht dem Art. 19 IV EPGVO-E. Auch der Begriff „Schulden“ bzw. „liabilities“ in Art. 21 I 1 EPG-VO-E spricht nicht entscheidend für die Annahme, daß die Aktiva der EPG nach einer Ausschüttung nur ihre Verbindlichkeiten, nicht aber ihre gesamten Passiva dekken müssen. Denn in der französischen Fassung heißt es insoweit „à condition que, après la distribution, l’actif de la SPE couvre entièrement son passif“. Überdies ist dem Begriff „Schulden“ bzw. „liabilities“ in Art. 21 I 1 EPG-VO-E auch deshalb keine Bedeutung im Sinne von „Verbindlichkeiten gegenüber Dritten“ zu entnehmen, weil sich der EPG-VO-E einer Bestimmung des Begriffs der Schulden bzw. Verbindlichkeiten gerade enthält; er überläßt dies den anwendbaren Rechnungslegungsregelwerken684. Selbst wenn man die von der französischen Fassung abweichende Wahl des Begriffs „Schulden“ bzw. „liabilities“ in Art. 21 EPG-VO-E nicht als eine weitere Sorglosigkeit des Verordnungsgebers, sondern als bewußte Verwendung in der Bedeutung von „Verbindlichkeiten gegenüber Dritten“ auffassen wollte, bedeutete dies nicht zwingend, daß der EPG-VO-E kein Verbot der Einlagenrückgewähr vorsähe. Art. 21 EPG-VO-E kann systematisch auch als Norm aufgefaßt werden, die überhaupt keine Aussage zur Frage der Einlagenrückgewähr trifft – weder im einen, noch im anderen Sinne. Dieser Gesichtspunkt würde dann abschließend von Art. 24 EPG-VO-E im Sinne eines Verbots der Einlagenrückgewähr geregelt. Art. 21 I 1 EPG-VO-E hätte daneben die Bedeutung, bei einer Ausschüttung über die Deckung des Nennkapitals hinaus auch die Deckung der Verbindlichkeiten der EPG durch ihre Vermögenswerte zu gewährleisten. Nach alledem erscheint die zweite Ansicht vorzugswürdig. Damit ist die Dekkung sowohl der Verbindlichkeiten der Gesellschaft als auch ihres Nennkapitals durch Aktiva auch nach einer Ausschüttung zu gewährleisten. Der EPG-VO-E enthält damit ein Verbot der Einlagenrückgewähr. (b) Forderung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament will Art. 21 I EPG-VO-E um einen S. 3 ergänzen, wonach „eine Ausschüttung nur zulässig [ist], soweit der verbleibende Betrag der Einlage nicht unter den in Artikel 19 Absatz 4 bezeichneten Mindestbetrag herabsinkt“. Auch Art. 19 IV EPG-VO-E will das Europäische Parlament ändern; danach soll an die Stelle des Mindeststammkapitals von 1 A ein erhöhtes Mindeststammkapital von 8.000 A treten, wenn die EPG nicht zwingend eine Solvenzerklärung in der Satzung vorsieht685. In der Zusammenschau der beiden 684 685
Begründung des EPG-VO-E, S. 8 f. Siehe den Text bei Fn. 460 ff. in Teil 3.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Vorschriften fordert das Europäische Parlament, daß die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und deren Nennkapital nach Vornahme der Ausschüttung bis zur Höhe des erhöhten Mindestbetrags durch Vermögenswerte der EPG gedeckt sein müssen. Das den erhöhten Mindestbetrag übersteigende Nennkapital, bei einem Nennkapital von 50.000 A also 42.000 A, könnte dagegen ausgeschüttet werden. Was das Europäische Parlament mit dieser merkwürdigen Zwitterlösung bezweckt, ist nicht erkennbar. Die Entschließung enthält, ebenso wie der EPGVO-E, keine ins einzelne gehende Gesetzesbegründung. (c) Beurteilung Die Umsetzung des Änderungsverlangens des Europäischen Parlaments führte zu einer Mischform der Kapitalerhaltungskonzepte Kontinentaleuropas und des US-amerikanischen MBCA. Das Mindestnennkapital soll nicht ausschüttbar sein, das darüber hinausgehende Nennkapital jedoch sehr wohl. Dadurch verlöre ein über das Mindestnennkapital hinausgehendes Nennkapital seine Funktion als garantierter Haftungsfonds zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Auch seine Funktion als Seriositätsschwelle würde ein das Mindestnennkapital übersteigendes Nennkapital bei Umsetzung der vom Europäischen Parlament geforderten Ausschüttungsbemessung verlieren. Dies könnte zu einem faktischen Einheitsnennkapital der EPG in Höhe von einem Euro führen; Gesellschaften mit einem über das Mindestnennkapital hinausreichenden Nennkapital dürften kaum gegründet werden. Die Außenfinanzierung durch Fremdfinanzierung erhielte ein noch größeres Gewicht, was sich in sehr niedrigen Eigenkapitalquoten ausdrückte. Die Vorschriften des EPG-VO-E zur Kapitalherabsetzung wären letztlich überflüssig. Das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments hinsichtlich Art. 21 I EPG-VO-E ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. (3) Satzungsmäßige Rücklagen Über diese Mindestbedingung hinaus kann die Rechtmäßigkeit einer Ausschüttung von zusätzlichen bilanzbezogenen Anforderungen abhängen. Der EPGVO-E kennt, wie das Recht der GmbH, zwar keine Pflicht zur Bildung gesetzlicher Rücklagen. Die Gesellschafter können jedoch weitere Teile des Gesellschaftsvermögens einer Ausschüttung entziehen, indem sie die Bildung nicht ausschüttungsfähiger Rücklagen vorsehen. Eine Regelung hierzu ist kraft eines Regelungsauftrags in der Satzung zu treffen686. Als nicht ausschüttungsfähige Rücklage kann beispielsweise eine Kapitalrücklage, in der ein für die Geschäftsanteile vereinnahmtes Aufgeld verbucht wird687, bestimmt werden. Eine nicht 686 687
Art. 21 I 2 i.V. m. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 2. Spiegelstrich. Vgl. §§ 272 II Nr. 1, 266 III A. II. HGB.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
ausschüttungsfähige Rücklage kann ferner als Gewinnrücklage aus Überschüssen vorangegangener Rechnungslegungsperioden gebildet werden688. Eine Kapitalrücklage muß die EPG aber nicht bilden. Damit steht auch ein etwa vereinnahmtes Aufgeld für Ausschüttungen an die Gesellschafter zur Verfügung. (4) Beurteilung Die Ausschüttungsregeln des EPG-VO-E gehen mit erheblicher Rechtsunsicherheit einher. Die Kommission war noch nicht einmal in der Lage, die für den Gläubigerschutz ganz entscheidende Frage eines Verbots der Einlagenrückgewähr eindeutig zu regeln. Diese Situation bessert auch das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments nicht. Rechtssicherheit und Transparenz stehen auch die 29 unterschiedlichen Regelwerke entgegen, die für die Ausschüttungsbemessung bei ein und derselben Rechtsform anwendbar sein können. Weil dazu auch die IFRS zählen, werden sich die Nachteile, die sich aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger aus den IFRS ergeben689, künftig auch auf die Bilanzierung der EPG auswirken. So können Wertschwankungen von Vermögensgegenständen zu ausschüttbaren Buchgewinnen führen, ohne, daß der EPG jemals entsprechende Vermögenswerte zugeflossen sind. Das wird sich besonders kraß bei EPGs mit eingetragenem Sitz in Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, der tschechischen Republik sowie Zypern auswirken, in denen die sich aus der Rechnungslegung nach IFRS ergebenden Werte zum Zweck der Ausschüttungsbemessung noch nicht einmal anhand einer rudimentären Überleitungsrechnung in nachhaltige Zahlen überführt werden müssen. In Ländern, die eine Überleitungsrechnung vorsehen, entsteht hierdurch alljährlich ein erheblicher zusätzlicher Aufwand für die Geschäftsleitung, verbunden mit entsprechenden Mehrkosten, die letztlich die Gesellschafter treffen. Ob die nach dem EPG-VO-E möglichen satzungsmäßigen Rücklagen eine erwähnenswerte gläubigerschützende Wirkung entfalten werden, ist sehr zweifelhaft. Diejenigen Gesellschafter, die sich mit der EPG für eine Rechtsform mit einem Mindestnennkapital ohne erhöhten Mindestbetrag entscheiden, dürften kaum in nennenswertem Umfang kraft satzungsmäßiger Rücklage freiwillig Kapital in der Gesellschaft binden wollen. Im Hinblick darauf, daß ein der Gesellschaft zugeflossenes Aufgeld nicht in eine (gebundene) Kapitalrücklage eingestellt werden mußt, bleibt die EPG sogar hinter der Limited zurück690.
688 689 690
Vgl. §§ 272 III, 266 III A. III. 3. HGB. Siehe den Text bei Fn. 736 ff. in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 515 in Teil 2.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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bb) Solvenzbezogenes Erfordernis (1) Kommissionsentwurf Der EPG-VO-E regelt ausdrücklich, daß die Gesellschafter als weitere Voraussetzung einer Ausschüttung in der Satzung eine Solvenzerklärung der Geschäftsleitung („Solvenzbescheinigung“) vorsehen können691. Dieser Hinweis in Art. 21 II EPG-VO-E ist offensichtlich überflüssig692; die Möglichkeit, eine Solvenzerklärung vorzuschreiben, folgt einerseits bereits aus der Satzungsautonomie693 und ist andererseits auch Gegenstand eines – falsch übersetzten – Regelungsauftrags694. Die Bedeutung der Erwähnung der Solvenzerklärung in Art. 21 II EPG-VO-E erschöpft sich darin, diese Erscheinung als einen aus Sicht der Europäischen Kommission offenbar (zukünftig) wichtigen Teil der Kapitalerhaltungsregeln der EPG hervorzuheben695. (a) Solvenzerklärung im Allgemeinen (aa) Begriff Eine allgemeine Bestimmung des Begriffs der Solvenzerklärung ist nicht ersichtlich. Im Schrifttum wird dieser Begriff teilweise ohne jede inhaltliche Eingrenzung verwendet696, teilweise wird lediglich eine sehr unscharfe Inhaltsbestimmung vorgenommen697. Letztlich ist unter einer Solvenzerklärung eine nach Untersuchung der voraussichtlichen zukünftigen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (verfahrensbezogenes Merkmal) abgegebene Wissenserklärung698 der
691 Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E i.V. m. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 7. Spiegelstrich. 692 Die Bedeutung des Art. 21 II EPG-VO-E beschränkt sich damit auf die (sehr lükkenhafte) Regelung des Verfahrens einer Ausschüttung bei bestehender Pflicht zur Vorlage einer Solvenzerklärung; siehe dazu den Text bei Fn. 769 ff. in Teil 3. 693 Siehe Art. 26 II EPG-VO-E. Das gilt selbstverständlich etwa auch für die GmbH. 694 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 7. Spiegelstrich. Darin heißt es, zu regeln sei, ob die Geschäftsleitung „gehalten“ ist, „eine Solvenzbescheinigung zu unterzeichnen“. Das ist einerseits nicht zwingend, sondern im Sinne einer Soll-Vorschrift formuliert; es müßte hier „verpflichtet“ heißen. Andererseits hat die Geschäftsleitung nicht bloß eine Bescheinigung zu unterzeichnen. Sie muß zuvor aufgrund entsprechender Untersuchungen die Entwicklung der Liquidität vorhersagen (verfahrensbezogenes Merkmal der Solvenzerklärung, siehe den Text bei Fn. 700 ff. in Teil 3). 695 Ähnlich Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 696 Siehe etwa „Group of German Experts on Corporate Law“, ZIP 2003, 863, 874, obschon man sich zur Frage der Vorteilhaftigheit des Erfordernisses einer Solvenzerklärung äußern zu können meint; so auch Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1576. 697 Vgl. Rickford, (2004) 4 EBLR 919, 979 f. 698 Zur Abgrenzung von Willens- und Wissenserklärung vgl. Schack, BGB AT, Rn. 178.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Geschäftsleitung zu verstehen, die sich auf die künftige Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bezieht699 (inhaltliches Merkmal). (bb) Verfahrensbezogenes Merkmal Das Verfahren der Untersuchung der wirtschaftlichen Lage wird meist als „Solvenztest“ (solvency test) oder „Solvenzprüfung“ 700 bezeichnet; diese Bezeichnung ist jedoch irreführend701, weshalb im folgenden der Begriff der Solvenzvorhersage gebraucht werden soll. Darüber, auf welchen Erkenntnisquellen eine Solvenzvorhersage beruht, herrscht Uneinigkeit. Einige schließen in eine Solvenzvorhersage die Betrachtung der Bilanz der Gesellschaft ein702. Andere verstehen unter einer Solvenzvorhersage dagegen eine Untersuchung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, die sich gerade ausschließlich auf andere Quellen als die Bilanz stützt703. Das erscheint bereits in Anbetracht des Begriffs „Solvenz“, der auf die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft abhebt, die der Bilanz nicht zu entnehmen ist, zutreffend. Zudem führt die erstgenannte Meinung zu Mißverständnissen, da der Begriff des „Solvenztests“ in Europa zumeist gerade in Abgrenzung zu Verfahren unter Einbeziehung der Bilanz verstanden wird704. Welche Untersuchungen eine Solvenzvorhersage im Einzelnen kennzeichnen (sollen), ist ebenfalls unklar. Insoweit wird teilweise eine rein liquiditätsorientierte Betrachtung vorgeschlagen705, während andere anregen, die Solvenzvorhersage aus der Bilanz abzuleiten706. Indes gehen selbst die Befürworter der Einfüh699 Vgl. Arnold, DK 2007, 118, 119; „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 94 f.; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 313. 700 Siehe Engert, ZHR 170 (2006), 296, 318 ff., der sich allerdings auf die Untersuchung der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft beschränkt und sich zur naheliegenden Möglichkeit, zusätzlich eine bekanntzumachende Solvenzerklärung vorgesehen, nicht äußert. 701 Siehe sogleich den Text bei Fn. 708 in Teil 3. 702 Jungmann, ZGR 2006, 638, 658, 681; Marx, DZWir 2006, 401, 402; „Group of German Experts on Corporate Law“, ZIP 2003, 863, 874. 703 Arnold, DK 2007, 118, 119, 124; Engert, ZHR 170 (2006), 296, 328, 335; Schön, DK 2004, 162, 168. 704 Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393, 1395. – So wohl auch Jungmann, ZGR 2006, 638, 649, der indes Großbritannien fälschlicherweise als Beispiel für diejenigen Länder anführt, die für Ausschüttungen „einen Solvenztest an die Stelle des Kapitalschutzregimes gesetzt haben“. Das widerspricht auch seiner Feststellung, daß der Companies Act auch künftig keine entsprechenden Regelungen erhalten wird (ebd., 657 f.). 705 Siehe etwa Richard, S. 234 f.; Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393, 1400 f. 706 Nach der „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 95 soll „das Umlaufvermögen des Unternehmens für die Bezahlung der Verbindlichkeiten bei ihrer Fälligkeit in der nächsten Periode, z. B. in den nächsten zwölf Monaten, ausreichen“ müssen. Diese Prüfung entspricht der Ermittlung der in der Be-
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rung einer Solvenzvorhersage im europäischen Rechtskreis davon aus, daß hierfür keine allgemeingültigen Vorgaben möglich seien707. (cc) Inhaltliches Merkmal Auch was eine Solvenzerklärung inhaltlich auszeichnet, wird unterschiedlich beurteilt708. Zutreffenderweise enthält eine Solvenzerklärung die Aussage, daß die Gesellschaft (i) auch nach einer Zuwendung von Vermögenswerten bestimmter Höhe an die Gesellschafter (ii) während eines bestimmten zukünftigen Zeitraums (iii) voraussichtlich in der Lage sein wird, sämtliche auf ein positives Tun der Gesellschaft gerichteten Ansprüche bei Fälligkeit zu erfüllen. Die Solvenzerklärung enthält zudem (iv) die Bekräftigung, daß die Geschäftsleitung die Solvenzerklärung nach bestem Wissen und Gewissen sowie in Kenntnis widrigenfalls drohender, für die Geschäftsleitung nachteiliger Rechtsfolgen abgegeben hat. Eine Solvenzerklärung ist also dadurch kennzeichnet, daß die Geschäftsleitung die gegenwärtige Liquiditätslage und deren voraussichtliche Entwicklung untersucht, um die zukünftige Liquiditätslage während eines bestimmten Zeitraums vorherzusehen und sodann ggf. eine entsprechende Erklärung abzugeben. Dazu sind alle im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zu erwartenden wesentlichen Ein- und Auszahlungen zu berücksichtigen. Die Abgabe einer Solvenzerklärung stellt damit eine situationsbezogene Prognoseentscheidung dar, die vertretbar oder unvertretbar, aber nicht richtig oder falsch sein kann. Es erscheint vor diesem Hintergrund unangemessen, von einem „Solvenztest“ zu sprechen. Der Begriff des „Tests“ erweckt den Anschein eines objektiven, transparenten Verfahrens, das stets ein eindeutiges Ergebnis, welches sich als richtig oder falsch ein-
triebswirtschaftslehre als Liquidität dritten Grades bekannten Unternehmenskennzahl (vgl. Wöhe/Döring, S. 1059 f.). 707 Rickford, (2004) 4 EBLR, 919, 981, der allen Ernstes vorschlägt, eine Solvenzvorhersage zwar europarechtlich zwingend vorzuschreiben, ihre Ausgestaltung jedoch der Regelung durch die Mitgliedstaaten zu überlassen. Damit würde offensichtlich die durch die 2. Kapitalrichtlinie erreichte Rechtsvereinheitlichung aufgegeben und eine (neuerliche) „race for the bottom“ innerhalb der Europäischen Union eröffnet. 708 Vgl. Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393, 1395; deren Begriffsbestimmung ist jedoch einerseits zu eng, da sie lediglich auf Ausschüttungen (im engeren Sinne) abstellen, andererseits aber zu weit, weil sie von „sämtlichen Ansprüchen“ gegen die Gesellschaft sprechen und damit etwa auch Unterlassungsansprüche einbeziehen (widersprüchlich und zu eng aber ebd. das Abstellen auf „Zahlungsverpflichtungen“); anders wiederum, S. 1398. Vgl. auch Schön, DK 2004, 162, 168, der zutreffend zwar keine Beschränkung auf Ausschüttungen (im engeren Sinne) vornimmt, mit „Auszahlungen“ jedoch noch immer zu eng abgrenzt und überdies die „Zahlungsfähigkeit“ der Gesellschaft anstelle ihrer Leistungsfähigkeit voraussetzt; vgl. weiter Arnold, DK 2007, 118 f.; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375; Rickford, (2004) 4 EBLR 919, 978 ff.
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ordnen läßt, hervorbringt. Dies ist bei einer Solvenzerklärung gerade nicht der Fall709. (dd) Zwecke Der Einsatz einer Solvenzvorhersage für die Ausschüttungsbemessung soll aus rechtswissenschaftlicher Sicht den Gläubigerschutz verbessern, indem eine bessere Abschätzung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft möglich wird710. Auch in der Betriebswirtschaftslehre wird vertreten, daß sich eine Solvenzvorhersage für die Ausschüttungsbemessung besser als eine bilanzbezogene Betrachtung eigne711. Daneben verfolgen die Befürworter einer Solvenzvorhersage – was im rechtswissenschaftlichen Schrifttum übersehen wird712 – mit ihrem Einsatz allerdings weitere Zwecke. Dazu zählt ausdrücklich auch die Erleichterung von Ausschüttungen bei bestimmten Sachlagen713. Unter Heranziehung einer Solvenzvorhersage könnten zum Vorteil der Gesellschafter Ausschüttungen ermöglicht werden, die unter dem überkommenen Nennkapitalsystem ohne Not nicht vorgenommen werden dürften714. Insoweit wird im Hinblick auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften der zusätzliche Zweck genannt, mit einem größeren Spielraum für Ausschüttungen die Übermittlung von Informationen der Gesellschaft an Marktteilnehmer zu erleichtern; je mehr die Gesellschaft ausschütten dürfe, desto überzeugender könne sie dem Kapitalmarkt vorteilhafte Gewinnaussichten vermitteln715. Dem Zweck, Ausschüttungen zu erleichtern, gerade entgegengesetzt wird als Zweck einer Solvenzvorhersage im Schrifttum auch die Bindung von Eigenkapi709 Auch aus diesen Gründen (siehe bereits den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 3) begegnet der Begriff des „Bilanztests“ gewissen Bedenken; die Beurteilung von Sachverhalten aufgrund einer vergangenheitsbezogenen, auf einen Stichtag erstellten Bilanz weist allerdings erheblich weniger Unsicherheiten auf als eine Liquiditätsprognose. 710 Rickford, (2004) 4 EBLR, 919, 977; „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 94; Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 874; Schön, DK 2004, 162, 168. 711 Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393, 1401, 1395; Richard, S. 210 f., 229 f.; Moxter, S. 151 f. 712 Allein auf den Zweck des Gläubigerschutzes durch Sicherung der Zahlungsfähigkeit stellen ab „Group of German Experts on Corporate Law“, ZIP 2003, 863, 874; Schön, DK 2004, 162, 168; Richard, S. 210 f., 229 f.; Marx, DZWir 2006, 401; Triebel/ Otte, ZIP 2006, 311, 313. 713 „In einem System, das auf dem Mindestnennbetrag beruht, ist es möglich, daß ein zahlungsfähiges Unternehmen keine Ausschüttungen durchführen darf . . . In dieser Hinsicht ist ein System, das auf einer angemessenen Solvenzprüfung beruht . . . auch für [sic] die Interessen der Aktionäre . . . überlegen.“, „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 94 f. 714 Mülbert, DK 2004, 151, 160; Luca/Einriques, 6 Cornell L. Rev., 1165, 1196, 1203 f. (2000–2001); Marx, S. 173, 89 f.; „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 94 f. 715 Kuhner, ZGR 2005, 753, 773 f.
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tal in der Gesellschaft genannt, um die Gesellschafter von der Eingehung überhöhter Risiken, die das Eigenkapital gefährdeten, abzuhalten716. Diese Zweckbestimmung geht indes fehl; dieser vermeintliche Zweck kann durch eine Solvenzvorhersage von vornherein nicht erreicht werden. Das gilt zunächst für eine Eigenkapitalbindung, welche über den Gesamtbetrag der im Zeitraum der Solvenzvorhersage zur Zahlung anstehenden Forderungen hinausreicht. Die Solvenzvorhersage soll gewährleisten, daß ein bestehender Zahlungsmittelbestand zusammen mit zukünftigen Zahlungsmittelzuflüssen zukünftige Zahlungsmittelabflüsse zu decken vermag. Sie gewährleistet weder einen bilanziell im Eigenkapital zu erfassenden Überschuß der Zahlungsmittel über die Zahlungsmittelabflüsse, noch einen Überschuß sonstiger Vermögenswerte über sonstige Verbindlichkeiten. Erst recht führt das Verfahren der Solvenzvorhersage nicht zur Bindung von Eigenkapital. Eine solche läßt sich, hält man sie für erforderlich, allein durch eine bilanzbezogene Betrachtung in Verbindung mit einem gesetzlich vorgeschriebenen festen Nennkapital bewirken. Selbst im Umfang der im Zeitraum der Solvenzvorhersage zur Zahlung anstehenden Forderungen bewirkt die Solvenzvorhersage keinerlei Bindung von Eigenkapital in der Gesellschaft: Die Zahlungsfähigkeit, die durch die Solvenzvorhersage gewährleistet werden soll, kann vollen Umfangs auch durch Fremdkapital, etwa einen Kontokorrentkredit, gewährleistet werden. Schließlich steht eine vermeintliche Zweckbestimmung der Eigenkapitalbindung den genannten Zwecken der Erleichterung von Ausschüttungen zum Vorteil der Gesellschafter und zur Verbesserung der Informationsübermittlung diametral entgegen, ohne daß der Widerspruch aufgeklärt würde717. Weiterer Zweck einer Solvenzvorhersage ist die Senkung von Kosten, die dem Unternehmen bei nicht solvenz-, sondern bilanzbezogenen Kapitalerhaltungsregeln etwa für rechtliche Beratung entstünden718. Auch der Staat könnte Kosten einsparen, beispielsweise Aufwendungen für Gerichte, da eine Solvenzvorhersage einfacher zu handhaben sei als bilanzbezogene Kapitalerhaltungsregeln und es deshalb zu weniger Rechtsstreitigkeiten komme719. Auch diese Zweckbestimmung überzeugt indes nicht. Es ist bis heute empirisch nicht zuverlässig nachgewiesen, daß ein System des festen Nennkapitals höhere Kosten für (potentielle) Gläubiger bedingt; im Gegenteil ist es nicht unwahrscheinlich, daß Gläubigern
716 Engert, ZHR 170 (2006), 296, 318 f.; offen Arnold, DK 2007, 118, 120 mit Fn. 26. 717 Vgl. Engert, ZHR 170 (2006), 296, 318 f., der neben dem vermeintlichen Zweck der Eigenkapitalbindung nur den des Gläubigerschutzes nennt. 718 Luca/Einriques, 6 Cornell L. Rev., 1165, 1184 f., 1195, 1203 f. (2000–2001); Kuhner, ZGR 2005, 753, 774. 719 Luca/Einriques, 6 Cornell L. Rev., 1165, 1185, 1203 f. (2000–2001); vgl. auch Kuhner, ZGR 2005, 753, 774.
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durch ein System des festen Nennkapitals gerade geringere Kosten entstehen, da es in geringerem Maße beratungsintensiver vertraglicher Vereinbarungen zur Sicherung ihrer Forderungen bedarf 720. Dem Argument höherer Kosten für den Staat ist entgegenzuhalten, daß etwa die Kammern für Handelssachen des LG Hamburg für ein höheres Aufkommen an Gerichtsgebühren sorgen, als sie ihnen zurechenbare Kosten verursachen. (ee) Betriebswirtschaftlicher Hintergrund Der hinter der Solvenzerklärung stehende Gedanke des Versuchs einer Solvenzvorhersage entstammt der Betriebswirtschaftslehre721 und ist alles andere als neu. Bereits vor 80 Jahren erarbeitete Schmalenbach, einer der bedeutendsten Köpfe der Betriebswirtschaftslehre, die Grundlagen der Erstellung von Finanzplänen für die im Rahmen der Unternehmensplanung erforderliche Solvenzvorhersage722. Später regte die Betriebswirtschaftslehre an, den Anwendungsbereich des Finanzplans auf die Bemessung zukünftiger Ausschüttungen des Unternehmens zu erweitern723. Unter einem Finanzplan ist dabei eine Aufstellung zu verstehen, die zukünftige Ein- und Auszahlungen eines Planungszeitraums, meist eines Jahrs, unsaldiert gegenüberstellt724. Dabei gelten die Grundsätze der Vollständigkeit, der Zeitpunktgenauigkeit und der Betragsgenauigkeit725. Ein Finanzplan kann beispielsweise in Kontoform erstellt werden, dessen Schema dem einer Bilanz ähnelt. Darin werden Einnahmen – untergliedert nach ihrer Herkunft – auf der linken Seite und Ausgaben – untergliedert nach ihrer Verwendung – auf der rechten Seite abgebildet726. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Gesamtbetrag der Einnahmen und dem Gesamtbetrag der Ausgaben wird als Liquiditätssaldo bezeichnet727. Dieser kann größer oder keiner als Null sein und entspricht dann entweder dem Bestand an Zahlungsmitteln oder aber dem Fehlbetrag zum Ende des Planungszeitraums. Der Liquiditätssaldo wird fremdsprachlich auch als – anhand der der Geschäftsleitung zur Verfügung stehenden Informationen über die zu erwartenden Zahlungsströme – direkt berechneter zukünftiger „Cash Flow“ 720
Vgl. Kershaw, (2009) 2 J.B.L. 140, 145 f. Darauf weist Arnold, DK 2007, 118, 121 zutreffend hin, während dies etwa Jungmann, ZGR 2006, 638, 645 ff. und Engert, ZHR 170 (2006), 296, 319 ff., übergehen. 722 Siehe Schmalenbach, passim. 723 Moxter, S. 151 f. 724 Chmielewicz, in: Albers u. a., S. 85. 725 Lieb, in: Dichtl/Issing, Band 1, S. 688. 726 Siehe das Beispiel bei Chmielewicz, in: Albers u. a., S. 85. Weiteres Beispiel in Staffelform bei Lieb, in: Dichtl/Issing, Band 1, S. 688; vgl. auch Chmielewicz, in: Albers u. a., S. 86. 727 Chmielewicz, in: Albers u. a., S. 85. 721
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bezeichnet728. Dieser gleichbedeutend mit Liquiditätssaldo gebrauchte Begriff des „Cash Flows“ 729 ist scharf abzugrenzen von dem im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten gleichlautenden Begriff. Der „Cash Flow“ des allgemeinen Sprachgebrauchs soll der Abschätzung der Fähigkeit zur Innenfinanzierung dienen730. Er gibt sich indirekt anhand des Jahresabschlusses des Unternehmens731. Daraus folgt, daß dieser „Cash flow“ stets vergangenheitsbezogen ist. Seine Ableitung ist mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet, da sich die gesuchten Ein- und Auszahlungen nicht ohne weiteres aus dem Jahresabschluß ergeben. So sind etwa die in jeder GuV ausgewiesenen zahlungsunwirksamen Erträge (Beispiel: Zuschreibungen) und die zahlungsunwirksamen Aufwände (Beispiel: Bildung von Rückstellungen) herauszurechnen732. Umgekehrt sind etwa die ertragsunwirksamen Einzahlungen (Beispiel: erhaltene Anzahlungen) sowie die aufwandsunwirksamen Auszahlungen (Beispiel: Mietvorauszahlung) hinzuzurechnen733. In der Betriebswirtschaftslehre werden insoweit nicht weniger als 60 verschiedene Berechnungsarten bemüht. Der „Cash Flow“ im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs wird von Dritten, die über keinen Zugang zu unternehmensinternen Informationen verfügen, als Grundlage der Unternehmensbewertung herangezogen734 oder dient der Einschätzung des Ausfallrisikos durch Kreditgeber735. Grundlage der Solvenzvorhersage für die Ausschüttungsbemessung kann demnach allein der „Cash Flow“ im erstgenannten Sinne des für Zwecke der Unternehmensplanung ermittelten Liquiditätssaldos sein736. Dem Liquiditätssaldo des Planungszeitraums ist auch für Zwecke der Ausschüttungsbemessung selbstverständlich ein zu Beginn des Planungszeitraums vorhandener Zahlungsmittelbestand hinzuzurechnen737, ein ebenfalls denkbarer Fehlbestand an Zahlungsmit728 Vgl. Bieg, in: Dichtl/Issing, Band 1, S. 374. Widersprüchlich S. 373, wenn er den „Cash Flow“ zunächst nur als „aus dem Jahresabschluß . . . abgeleitete finanzwirtschaftliche Strömungsgröße“ [Hervorh. von mir] bezeichnet. 729 Etwas mißverständlich Engert, ZHR 170 (2006), 296, 319 f.: „Die Ausrichtung [der Solvenzvorhersage] auf Zahlungsflüsse entspricht der discounted cash-flow-Methode“. 730 Siehe Wöhe/Döring, S. 654 und S. 1064: „Orientierungsgröße zur Quantifizierung des Innenfinanzierungsvolumens“. 731 Bieg, in: Dichtl/Issing, Band 1, S. 374; vgl. auch IAS 7.20. 732 Wöhe/Döring, S. 821 f. 733 Wöhe/Döring, S. 821 f. 734 Siehe etwa Drukarczyk, S. 144. 735 Siehe etwa Wischnewsky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 88 Rn. 16. 736 Vgl. Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, 1393, 1400. 737 Insoweit zutreffend Jungmann, ZGR 2006, 638, 664 mit Fn. 111; schief Engert, ZHR 170 (2006), 296, 321 mit Fn. 101: erforderlich sei „in jeder Periode ei[n] Überschuß größer oder gleich null [sic] der Einzahlungen [sic] zuzüglich eines Überschusses aus der vorausgegangenen Periode über die Auszahlungen [sic]“, Hervorh. von mir, Hervorh. im Original entfernt.
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teln – etwa in Gestalt einer nicht (dauerhaft) geduldeten Überschreitung des Verfügungsrahmens eines Kontokorrentkontos738 – abzuziehen739. (ff) Bisherige Gesetzgebungsvorhaben Der erste Schritt in Richtung einer Überführung der Solvenzvorhersage für Zwecke der Unternehmensplanung in eine gesetzliche Regelung zur Ausschüttungsbemessung erfolgte Anfang der 1980er Jahre in den USA. Dort wird zur Förderung der Rechtsvereinheitlichung in den Einzelstaaten seit Jahrzehnten ein gesellschaftsrechtliches Mustergesetz gepflegt740. Diesen Model Business Corporation Act (MBCA) erarbeitet die American Bar Association741, ein Zusammenschluß vor allem von Rechtsanwälten. Im Jahr 1984 wurden die Regelungen des MBCA grundlegend überarbeitet742. Der damals eingeführte § 6.40 MBCA743 schreibt für die Ausschüttungsbemessung zwei selbständige Untersuchungsverfahren vor. Der sogenannte equity insolvency test744 stellt auf den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ab745, während der sogenannte balance sheet test Vermögen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüberstellt746. Die Heranziehung der Rechnungslegungsregeln der US GAAP ist dabei hinreichend, aber nicht erforderlich; bei Ansatz und Bewertung von Vermögen und Verbindlichkeiten genügt auch die Anwendung einer – wie auch immer gearteten – „vernünftigen“ Methode747. – Der Begriff des solvency test wird im MBCA nicht gebraucht. Der hier verwendete Begriff der Solvenzvorhersage entspricht in seinem Ansatz aber dem equity insolvency test des MBCA. 738 Eine Einzahlung auf ein solches Konto führt nicht zu einer Erhöhung des Zahlungsmittelbestands. Denn die Einzahlung wird kraft Kontokorrentabrede automatisch mit dem nicht geduldeten Darlehensbetrag verrechnet und steht dem Kontoinhaber insoweit nicht zur freien Verfügung. 739 Dies sehen Engert, ZHR 170 (2006), 296, 321 mit Fn. 101 und Jungmann, ZGR 2006, 638, 664 mit Fn. 111. 740 Hamilton, § 3.6, S. 74. Dessen erste Fassung erschien bereits 1946; sie wurde 1950 und 1969 überarbeitet, ebd. 741 Bainbridge, § 13.3, S. 776. 742 Hamilton, § 3.6, S. 74 f. 743 Der MBCA wird seit seiner Überarbeitung im Jahr 1984 teilweise auch als R[evised]MBCA bezeichnet, siehe Merkt/Göthel, Rn. 217. Hier ist mit „MBCA“ stets die überarbeitete Fassung gemeint. 744 Die Herangehensweise der Untersuchung wird auch als net assets formulation bezeichnet, siehe Bungert, S. 76 f. 745 § 6.40 (c) (1) MBCA. Der Begriff equity insolvency test wird darin nicht gebraucht, ist jedoch allgemein anerkannt, vgl. Hamilton, § 18.6, S. 589. 746 § 6.40 (c) (2) MBCA. Auch dieser Begriff ist dem Gesetz unbekannt, aber allgemein üblich, siehe etwa Hamilton, § 18.6, S. 589 f. 747 „A determination that a distribution is not prohibited . . . [may be based] either on financial statements prepared on the basis of accounting practices and principles that are reasonable in the circumstances or on a fair valuation or other method that is reasonable in the circumstances“, § 6.40 (d) MBCA.
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Den gesamten MBCA – und damit auch seine Regeln zur Ausschüttungsbemessung unter Aufgabe des Nennkapitals anhand einer Solvenzvorhersage – haben 24 US-Bundesstaaten in ihr Gesellschaftsrecht übernommen748. Dazu zählen allerdings gerade nicht die insoweit gewichtigen749 Bundesstaaten Delaware, New York und Kalifornien, was im Schrifttum teilweise übersehen wird750. Delaware hält am Konzept des Nennkapitals fest751 und sieht in seinem Gesellschaftsrecht zur Ausschüttungsbemessung auch keine Solvenzvorhersage vor752. New York behält ebenfalls das feste Nennkapital bei753 und verlangt in seinen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zusätzlich eine Solvenzvorhersage754. Kalifornien schließlich hat das Konzept des festen Nennkapitals zwar aufgegeben755; allerdings muß das gesamte Gesellschaftsvermögen nach einer Ausschüttung wenigstens das 1,25fache der gesamten Verbindlichkeiten (im engeren Sinne) erreichen756. Damit gewährleistet Kalifornien ein dem Nennkapital vergleichbares Kapitalpolster, zusätzlich schreibt es eine Solvenzvorhersage vor757. Die meisten Bundesstaaten, darunter auch Delaware und Kalifornien, treffen ferner in ihren insolvenzrechtlichen Bestimmungen Vorkehrungen gegen eine durch Ausschüttungen hervorgerufene Zahlungsunfähigkeit758. Ergänzt werden diese Mechanismen schließlich durch Geschäftsleiterpflichten nach Common Law759. 748
Siehe Bebchuk, 4 Harv. L. Rev., 833, 844 (2004–2005). Vgl. Bainbridge, § 1.3, S. 16. 750 Jungmann, ZGR 2006, 638, 649, verspricht sich einen Erkenntnisgewinn durch einen „Blick auf Rechtsordnungen . . ., die einen Solvenztest an die Stelle des Kapitalschutzsystems gesetzt haben. Nahe liegt dafür ein Blick in die USA, wo die Gesellschaftsrechtsordnungen nahezu aller Bundesstaaten die Auszahlung von Dividenden – und auch anderer Kapitalmaßnahmen – [scil.: nur] von einem Solvenztest abhängig machen“ [Hervorh. von mir]. Diese Aussage ist in Anbetracht der erheblichen Bedeutung der Gesellschaftsrechte Delawares, New Yorks und Kaliforniens, die sämtlich an einem Nennkapital festhalten, irreführend. Zudem ist die Einordnung einer Ausschüttung als „Kapitalmaßnahme“ unzutreffend. Durch eine Ausschüttung verändert sich selbstverständlich weder die Höhe des Nennkapitals, noch verändern sich die Kapitalanteile der Gesellschafter, was eine Kapitalmaßnahme im allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnet. 751 Das nach § 154 Delaware General Corporation Law bestehende Nennkapital darf gemäß §§ 170 (a), 173 Dela. GCL nicht ausgeschüttet werden. Das Nennkapital kann den Gesellschaftern vielmehr nur im Wege der Kapitalherabsetzung zurückgewährt werden (§ 244 Dela. GCL). Unzutreffend deshalb Marx, DZWir 2006, 401 mit Fn. 11, der meint, „die Ausschüttungsregeln im Gesellschaftsrecht Delawares“ stellten „das System zur Regulierung von Ausschüttungen des [R]MBCA nicht in Frage“. 752 Vgl. §§ 170 ff. Dela. GCL sowie Richards, S. 112. 753 Siehe § 510 New York Business Corporation Law, der ebenfalls die Ausschüttung des nach § 506 NY BCL bestehenden Nennkapitals untersagt. Wiederum kann dieses allein im Wege der Kapitalherabsetzung zurückgewährt werden (§ 516 NY BCL). 754 § 510 (a) NY BCL („except when currently the corporation is insolvent or would thereby be made insolvent“) i.V. m. § 102 (a) (8) NY BCL („,Insolvent‘ means being unable to pay debts as they become due in the usual course of the debtor’s business.“). 755 Siehe § 501 California Corporations Code. 756 § 500 (b) (1) California Corporations Code. 757 Vgl. § 409 California Corporations Code. 749
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Neuseeland regelte in einer umfassenden Reform seines Gesellschaftsrechts 1993760 unter Aufgabe des Konzepts des Nennkapitals761 eine Solvenzvorhersage zur Ausschüttungsbemessung762, die dem MBCA entlehnt ist763 und ebenfalls durch eine bilanzbezogene Betrachtung ergänzt wird764. Südafrika schuf entsprechende Regelungen765 im Zuge kleinerer Änderungen des Rechts der Close Corporation mit Wirkung zum Jahr 2000766. Zuletzt wurde – wie bereits dargestellt – mit dem englischen Companies Act 2006 eine Solvenzvorhersage als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Kapitalherabsetzung eingeführt767. Auf der Ebene der Europäischen Union wurde eine gesetzliche Regelung der Solvenzvorhersage zur Ausschüttungsbemessung erstmals 2002 ernsthaft erwogen. In diesem Jahr veröffentlichte eine von der Europäischen Kommission eingesetzte Sachverständigengruppe ihren Abschlußbericht zur Reform der europarechtlichen Rahmenbedingungen für die Gesellschaftsrechte der Mitgliedstaaten. In diesem Bericht wird zur Ausschüttungsbemessung zusätzlich zu einer bilanzbezogenen Betrachtung die Einführung einer Solvenzvorhersage angeregt768.
758 Diese einzelstaatlichen Regelungen folgen dem Uniform Fraudulent Transfer Act (UFTA), einem weiteren Modellgesetz, das neben Delaware und Kalifornien bislang 42 weitere Staaten umgesetzt haben (siehe die Seite des zuständigen überstaatlichen Ausschusses, zugänglich unter http://www.nccusl.com/Update/uniformact_factsheets/uni formacts-fs-ufta.asp, Stand September 2009). Der UFTA sieht zur Ermittlung einer Insolvenz in s. 2 (b) einen solvenzbezogenen, in s. 2 (a) einen bilanzbezogenen Maßstab vor. Führt eine Vermögensverlagerung von der Gesellschaft zu einem Gesellschafter zur Insolvenz der Gesellschaft, kann ein Gläubiger hiergegen gemäß ss. 7 (a), 8 UFTA vorgehen. Diese Regelungen sind funktional der deutschen Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) vergleichbar; Marx, DZWir 2006, 401. 759 Siehe Richards, S. 112, zum Recht von Delaware. Allerdings zitiert er (2006) noch die Entscheidung Pereira v. Cogan 294 B.R. 449, 501 ff. (S.D. N.Y. 2003), die im Jahr zuvor aufgehoben wurde, siehe United States Court of Appeals for the Second Circuit, June 30, 2005, Docket Nos. 03-5053(L), 03-5055(Con), S. 3 f., 12 ff., 27 f., zugänglich unter http://www.ca2.uscourts.gov/decisions/isysquery/554dc373-5087-4df 8-bf2e-73b5205c829e/1/doc/03-5053-bk_opn.pdf#xml=http://www.ca2.uscourts.gov/de cisions/isysquery/554dc373-5087-4df8-bf2e-73b5205c829e/1/hilite/. Siehe auch Marx, DZWir 2006, 401, 406. 760 Vgl. Wishart, (1992) 1 Austr. J. Corp. Law, 30, 31, 35 ff. 761 Siehe Cl. 38 (1) Companies Act 1993. 762 Cl. 4 (1) (a) Companies Act 1993. 763 Wishart, (1992) 1 Austr. J. Corp. Law 30, 42. 764 Cl. 4 (1) (b) Companies Act 1993. 765 S. 51 (1) (b), (c) Close Corporations Act 69 of 1984 regelt die Solvenzvorhersage, s. 51 (1) (a) Close Corporations Act 69 of 1984 die bilanzbezogene Betrachtung. Aus s. 39 (1) (b) sowie ss. 12 (e), 24 (2) (b), 51 (1) (a) Close Corporations Act 69 of 1984 ergibt sich, daß die Gesellschaft kein Nennkapital aufweist. 766 Henning, (2000–2001) 4 J. Corp. Law, 917, 930. 767 Siehe den Text bei Fn. 873 ff. in Teil 2. 768 „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 95.
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(b) Solvenzerklärung im Sinne des EPG-VO-E (aa) Begriff Eine Solvenzerklärung im Sinne des EPG-VO-E ist die verkörperte769 Erklärung des „Leitungsorgans“ der EPG, also sämtlicher Geschäftsleiter770, daß die Gesellschaft „in dem auf die Ausschüttung folgenden Jahr in der Lage sein wird, ihre Schulden bei deren Fälligkeit im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zu begleichen“ 771. Diese Begriffsbestimmung entspricht bis auf die Jahresfrist nahezu wörtlich derjenigen des US-amerikanischen MBCA772. (bb) Inhalt Unter den in die Solvenzerklärung einzubeziehenden „Schulden“ der EPG sind die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu verstehen, wie sie etwa in der HGB-Bilanz773 und der Bilanz nach IFRS unter den entsprechenden Posten gezeigt werden. Nicht unter den Begriff „Schulden“ i. S. d. EPG-VO-E lassen sich dagegen Rückstellungen fassen. Diese bilden nicht zwingend – als Verbindlichkeitsrückstellungen – (mögliche) Leistungsverpflichtungen gegenüber Dritten ab, sondern können auch – als Aufwandsrückstellungen – dem Zweck der periodengerechten Aufwandserfassung dienen774. Zudem unterscheiden sich Verbindlichkeitsrückstellungen und Verbindlichkeiten dadurch, daß durch Verbindlichkeitsrückstellungen abgebildete Leistungsverpflichtungen eben nicht sicher, sondern dem Grund und/oder der Höhe nach unsicher sind775. Demgemäß sind Rückstellungen etwa in der Bilanz nach HGB unter einem gesonderten Gliederungspunkt darzustellen776. Anders ist dies nach den IFRS, die begrifflich nicht zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterscheiden, sondern beides
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Die Solvenzerklärung ist zu unterzeichnen, Art. 21 II 1 EPG-VO-E. Art. 2 I Buchst. d. 771 Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E. 772 „No distribution may be made if, after giving it effect . . . the corporation would not be able to pay its debts as they become due in the usual course of business“, § 6.40 (c) (1) MBCA. 773 § 266 III C. HGB. 774 Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 249 Rn. 3. 775 Morck, in: Koller/Roth/Morck, § 249 Rn. 1 f.; sachlich und sprachlich falsch insoweit Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 249 Rn. 9: „Verbindlichkeitsrückstellungen unterscheiden sich von Verbindlichkeiten dadurch, daß sie dem Grunde nach oder bezüglich ihrer Höhe ungewiss sind.“ Die Höhe der Verbindlichkeitsrückstellungen ist gewiß nicht ungewiß, sondern die Höhe der dadurch abgebildeten Verbindlichkeit. Zudem kann diese nicht nur der Höhe oder dem Grunde nach, sondern auch unter beiden Gesichtspunkten ungewiß sein. 776 § 266 III B. HGB. 770
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schlicht als „Schulden“ bezeichnen777. Dennoch schreiben auch die IFRS Rückstellungen eine eigene Qualität zu, indem sie diese in einem eigenen Standard erfassen778. Der Ausdruck „im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zu begleichen“ kann von vornherein nicht dahin verstanden werden, daß die Verbindlichkeiten „ohne Einbeziehung verfügbarer Rücklagen“ erfüllt werden können müssen779. Rücklagen können selbstverständlich nie zur Tilgung von Verbindlichkeiten herangezogen werden, da Rücklagen keinen Zahlungsmittelbestand abbilden. Sie stellen einen buchmäßigen Passivposten dar, der ein über das feste Nennkapital hinausreichendes Eigenkapital der Gesellschaft abbildet. Insoweit wird die bilanzielle Ebene mit der Zahlungsebene verwechselt. Die Wendung „im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zu begleichen“ deutet vielmehr zunächst darauf hin, daß die Verbindlichkeiten, auf die sich die Solvenzerklärung erstreckt, durch der EPG im Wege der Innenfinanzierung zugeflossene Mittel erfüllt werden können müssen. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn die Gesellschaft sich Zahlungsmittel im Wege der Außenfinanzierung durch Aufnahme zusätzlichen Eigen- oder Fremdkapitals zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten beschaffen müßte. Indes ergeben die englische780 und französische781 Fassung ein anderes Bild. Daraus geht hervor, daß diejenigen Verbindlichkeiten, die im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftgangs der EPG im entsprechenden Zeitraum fällig werden, beglichen werden können müssen782. Nicht einzubeziehen sind damit einerseits bestehende Verbindlichkeiten, die aufgrund außerordentlicher Ereignisse vorzeitig fällig werden können783. In keiner Weise zu berücksichtigen sind Verbindlichkeiten, die innerhalb des entsprechenden Zeitraums aufgrund außerordentlicher Ereignisse erst entstehen können784; einen wie auch immer bemessenen Sicherheitsaufschlag sieht der EPG-VO-E ebensowenig vor wie die Berücksichtung von Rückstellungen785.
777 Deutlich IAS 1.61: „Einige kurzfristige Schulden, wie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Rückstellungen für personalbezogene Aufwendungen“. Vgl. auch IAS 1.7. 778 IAS 37, der „Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen“ regelt. 779 So aber Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 780 „That the SPE will be able to pay its debts as they become due in the normal course of business“ [Hervorh. von mir]. 781 „Que la SPE sera en mesure de payer ses dettes lorsqu’elles viendront à échéance dans le cours normal des activités“ [Hervorh. von mir]“. 782 Insoweit zutreffend Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 783 Beispiel: Außerordentliche Kündigung eines von der EPG aufgenommenen Darlehens durch den Darlehensgeber, vgl. Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 784 Zu kurz greifen insoweit Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 785 Siehe den Text bei Fn. 773 ff. in Teil 3.
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Der EPG-VO-E regelt noch, daß die Solvenzerklärung von der gesamten Geschäftsleitung zu unterschreiben ist786. Weitere Vorgaben sind dem EPG-VO-E nicht zu entnehmen. (cc) Zwingende Übernahme der Jahresfrist des Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E? Fraglich erscheint vor diesem Hintergrund, ob die Solvenzerklärung zwingend den in Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E genannten Zeitraum von einem Jahr nach der geplanten Ausschüttung erfassen muß787. Diese Frage liegt auf der Hand788: Einerseits können die Gesellschafter selbst entscheiden, ob überhaupt eine Solvenzerklärung abzugeben ist, so daß auch ein kürzerer Zeitraum als ein Jahr in Betracht kommt. Andererseits wird hinsichtlich der von der Kommision ausweislich des nahezu übereinstimmenden Wortlauts offenbar (auch) als vorbildlich betrachtete789 Solvenzerklärung US-amerikanischer Prägung gefordert – eine ausdrückliche Bestimmung des Zeitraums fehlt dort790 – daß für diese ein Zeitraum von bis zu drei Jahren einzubeziehen sei791. Damit kommt auch ein längerer Zeitraum als ein Jahr in Frage. Der Wortlaut von Art 21 II EPG-VO-E ist insoweit nicht ganz eindeutig. Diese Norm bezeichnet einerseits als „Solvenzbescheinigung“ ausdrücklich eine Erklärung, in der ein Zeitraum von einem Jahr genannt wird, stellt andererseits aber auf die Satzung ab („Falls die Satzung dies vorschreibt“). Ähnlich verhält es sich mit dem entsprechenden Regelungsauftrag, der von einer „Solvenzbescheinigung“ spricht, wonach aber die Regelung „etwaige[r] anwendbare[r] Bestimmungen“ den Gesellschaftern obliegt792. Auch die englische und die französische Sprachfassung schaffen insoweit keine Klarheit.
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Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 2 I Buchst. d EPG-VO-E. Eine Abweichung von der in Art. 21 II 1 EPG-VO-E genannten Beschränkung auf Verbindlichkeiten, die im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs fällig werden, kommt dagegen nicht in Betracht. Die Einbeziehung etwa von Zahlungspflichten aufgrund außerordentlicher Ereignisse in die Solvenzerklärung erscheint mangels jeder Vorhersehbarkeit nicht umsetzbar. 788 Dennoch übergehen diese Fragestellung Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907; Peters/Wüllrich, NZG 2008, 807, 808; Maul/Röhricht, BB 2008, 1574, 1576. 789 Siehe den Text bei Fn. 772 in Teil 3. 790 „No distribution may be made if, after giving it effect . . . the corporation would not be able to pay its debts as they become due in the usual course of business“, § 6.40 (c) (1) MBCA. 791 Vgl. Marx, DZWir 2006, 401, 402; die dort noch zitierte Entscheidung Pereira v. Cogan 294 B.R. 449, 501 ff. (S.D. N.Y. 2003) ist allerdings bereits 2005 (auch) wegen nach Ansicht des Berufungsgerichts unzureichenden Anforderungen an die Solvenzerklärung der Geschäftsleiter aufgehoben worden (siehe Fn. 759). 792 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 7. Spiegelstrich. 787
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Die historische Auslegung deutet allerdings auf die Möglichkeit einer freien Bestimmung des Zeitraums durch die Gesellschafter hin. In der Begründung der Verordnung heißt es ohne jede Einschränkung, die Gesellschafter hätten neben der Erforderlichkeit einer Solvenzerklärung „auch die damit verbundenen Anforderungen zu definieren“ 793. Im systematischen Zusammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, daß Art. 21 II Unterabs. 2 EPG-VO-E vorschreibt, daß die Solvenzerklärung bekanntgemacht wird794. Es ist also nicht der Umstand des Vorliegens einer Solvenzerklärung, sondern diese selbst zu veröffentlichen. Das ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Inhalt der Solvenzerklärung unterschiedlich ausfallen kann; ansonsten genügte der bloße Hinweis auf die Abgabe einer Solvenzerklärung vollauf. Ob der Verordnungsgeber so weit gedacht hat, erscheint jedoch fraglich. Das Problem läßt sich möglicherweise anhand des Normzwecks von Art. 21 II EPG-VO-E klären. Sein Zweck kann nur darin liegen, das Verfahren der Solvenzerklärung in möglichst vielen Unternehmen erproben zu lassen, um Erfahrungen über seine Akzeptanz795 und seine Effizienz zu sammeln. Denn insbesondere dem Gläubigerschutz vermag die bloß freiwillige Solvenzerklärung vor der Vornahme einer Ausschüttung nicht zu dienen. Auf den hier angenommenen Normzweck deutet bereits der – überflüssige, geradezu werbende796 – Hinweis des Art. 21 II EPG-VO-E, daß eine Solvenzerklärung kraft Satzungsregelung vorgesehen werden könne. Zudem erbrachte eine von der Europäischen Kommission vor Erarbeitung des EPG-VO-E in Auftrag gegebene Studie zur Vorteilhaftigkeit des Verfahrens einer Solvenzerklärung gerade kein eindeutiges Ergebnis797. Ferner erklärt die Begründung der Verordnung die bloß freiwillige Einführung des Verfahrens der Solvenzerklärung ausdrücklich mit dessen geringer Verbreitung in den Mitgliedstaaten798. Die spätestens bis zum 30.06.2015 vorgeschriebene 793
Begründung des EPG-VO-E, S. 9. Art. 21 II Unterabs. 2 EPG-VO-E spricht zwar von einer „Veröffentlichung“; der „diclosure“ der englischen und der „publication“ der französischen Fassung entspricht jedoch in diesem Zusammenhang nur die Bekanntmachung. Die deutsche Fassung des EPG-VO-E ist (auch) insoweit sprachlich katastrophal, weil sie – ohne eine inhaltliche Unterscheidung zu treffen – neben der „Veröffentlichung“ auch von „Bekanntmachung“ spricht (siehe beispielsweise Art. 24 VI EPG-VO-E) und ihrerseits noch den Begriff der „Bekanntgabe“ ins Spiel bringt (Art. 24 II EPG-VO-E). – Die Bekanntmachung hat nach Maßgabe des Art. 11 I EPG-VO-E zu geschehen, der auf das der Umsetzung der Richtlinie 68/151/EWG dienende mitgliedstaatliche Recht verweist. In Deutschland handelt es sich hierbei insbesondere um §§ 8 ff. HGB. 795 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 796 Siehe den Text bei Fn. 691 ff. in Teil 3. 797 KPMG, Feasibility study on an alternative to the capital maintenance regime established by the Second Company Law Directive 77/91/EEC of 13 December 1976 and an examination of the impact on profit distribution of the new EU-accounting regime (zugänglich unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/capital/feasbility/ study_en.pdf, im weiteren als „KPMG Feasibility study“ bezeichnet), S. 314. 798 Begründung des EPG-VO-E, S. 9. 794
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Überprüfung der gesamten Verordnung durch die Europäische Kommission799 soll offenbar aufgrund empirischer Befunde erfolgen, welche durch die Erprobung des Verfahrens der Solvenzerklärung bei der EPG gewonnen wurden. Daß die Erprobung dieses Verfahrens dazu führen soll, die bilanzbezogene Ausschüttungsbemessung der EPG zu einem späteren Zeitpunkt möglichst durch eine rein solvenzbezogene zu ersetzen, ergibt sich in erfrischender Offenheit aus der englischen Fassung der Begründung der Verordnung800. Der Zweck der Erprobung des Verfahrens der Solvenzerklärung aber läßt sich zur Erzielung vergleichbarer Ergebnisse letztlich nur durch Vorgabe eines einheitlichen Wortlauts der Solvenzerklärung erreichen. Es ist mithin davon auszugehen, daß der Zeitraum, auf den sich die Solvenzerklärung bezieht, nicht der Beeinflussung durch die Gesellschafter unterliegt, sondern – dem Wortlaut des Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E entsprechend – ein Jahr zu umfassen hat801. (2) Forderung des Europäischen Parlaments Das Europäische Parlament fordert bei jeder EPG mit einem Nennkapital von weniger als 8.000 A vor der Durchführung einer Ausschüttung eine Solvenzerklärung. Art. 19 IV betreffend das Mindestkapital der EPG solle entsprechend ergänzt werden802. Erst ab einem festen Nennkapital von 8.000 A sollen die Gesellschafter also frei über die Erforderlichkeit einer Solvenzerklärung vor Durchführung einer Ausschüttung entscheiden können. Änderungen an Inhalt und Verfahren der Solvenzerklärung803 verlangt das Europäische Parlament nicht804, so daß die obigen Ausführungen hier entsprechend gelten. (3) Beurteilung Die Regelungen zur Solvenzerklärung im EPG-VO-E sind überflüssig. Sie weisen lediglich auf die Selbstverständlichkeit hin, daß die Gesellschafter im Rahmen ihrer Satzungsautonomie eine Ausschüttung von zusätzlichen Mechanismen abhängig machen können. Der EPG-VO-E gewährleistet noch nicht einmal 799
Art. 47 EPG-VO-E. „Since the preparation of a solvency test on distributions only exists at present in few Member States“, Begründung des EPG-VO-E, englische Fassung, S. 9. Pfennig, S. 115 f., spricht insoweit schief von „einer Antastung an ein solvenztestbasiertes System“, die eine „angemessene sensible Lösung“ darstelle. 801 So, indes ohne nähere Begründung, Pfennig, S. 86 f., der ansonsten von der freien Ausgestaltung der Solvenzerklärung durch die Gesellschafter ausgeht. 802 Legislative Entschließung, Abänderung 33. 803 Siehe dazu den Text bei Fn. 769 ff. in Teil 3. 804 Vgl. Legislative Entschließung, Abänderung 33. 800
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einen Mindeststandard für solche freiwilligen Solvenzerklärungen. Er enthält keinerlei Vorgaben für das bei Erstellung der Liquiditätsprognose zu beachtende Verfahren. Zudem läßt der EPG-VO-E wesentliche inhaltliche Gesichtspunkte der Solvenzerklärung im Unklaren. So ist noch nicht einmal gesichert, wie das zentrale Merkmal, daß die EPG ihre Verbindlichkeiten „im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ wird begleichen können, auszulegen ist. Unklar ist auch die wichtige Frage805, ob sich die Solvenzerklärung zwingend auf einen Zeitraum von einem Jahr beziehen muß806. Zudem bedarf es in der Solvenzerklärung neben diesen in Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E angesprochenen zwingend weiterer Angaben. In der Solvenzerklärung ist selbstverständlich auch der Höchstbetrag einer Ausschüttung zu benennen, bis zu dem die Geschäftsleitung die Leistungsfähigkeit der EPG zusichert807. Andernfalls fehlt es am wesentlichen Bezugspunkt der Solvenzerklärung. Der Höchstbetrag ist für die Gesellschafter insbesondere nicht aus dem im EPG-VO-E vorgesehenen Vorschlag der Geschäftsleitung zur Höhe der Ausschüttung808 ersichtlich: Die Geschäftsleitung wird zur Sicherung der Innenfinanzierung der EPG nicht stets den möglichen Höchstbetrag zur Ausschüttung vorschlagen, sondern statt dessen Rücklagen bilden oder erhöhen. Dritten ist noch nicht einmal der Vorschlag der Geschäftsleitung zugänglich, so daß diese bereits aus diesem Grund auf die Benennung des Höchstbetrags in der Solvenzerklärung angewiesen sind. Ferner ist die Solvenzerklärung zu datieren. Widrigenfalls könnte die Richtigkeit der Solvenzerklärung nicht ohne weiteres überprüft werden. Denn es ist davon auszugehen, daß die Geschäftsleitung die Zahlungsfähigkeit der EPG während eines Jahres ab der Abgabe der Solvenzerklärung zuzusichern hat. Zwar spricht der EPG-VO-E von dem „auf die Ausschüttung folgenden Jahr“809. Dabei ist bereits unklar, ob mit „Ausschüttung“ der hierfür erforderliche Gesellschafterbeschluß810 oder aber der Erhalt des Gegenstands der Ausschüttung durch den Gesellschafter gemeint ist. Jedenfalls ist der genaue Zeitpunkt beider Ereignisse der Geschäftsleitung bei Abgabe der Solvenzerklärung gar nicht genau bekannt, so daß hier auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung abzustellen sein dürfte. Insoweit hätte es nahegelegen, dem EPG-VO-E das Muster einer Solvenzerklärung als Anhang beizustellen. Warum der Verordnungsgeber dies bisher versäumt hat, ist unverständlich.
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Vgl. Arnold, DK 2007, 118, 122 f. So (rechtsformübergreifend) Arnold, DK 2007, 118, 125. 807 So implizit auch Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 908 („falls [die Solvenzerklärung] den Ausschüttungsbeschluß . . . nicht in voller Höhe abdeckt“). 808 Siehe den Text bei Fn. 850 ff. in Teil 3. 809 Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E. 810 Siehe den Text bei Fn. 865 in Teil 3. 806
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Eine erhebliche Einschränkung der Reichweite der Solvenzerklärung stellt es dar, daß sich diese lediglich auf die Verbindlichkeiten der EPG, nicht aber auch auf Verbindlichkeitsrückstellungen beziehen muß. Damit bleiben wesentliche Einflüsse auf die Solvenz der EPG außer Betracht. Diese Regelung bleibt sogar hinter dem englischen statement of solvency im Zusammenhang mit einer vereinfachten Kapitalherabsetzung zurück, das sich auch auf Eventualverbindlichkeiten und zukünftige Verbindlichkeiten erstrecken muß811. Im Ergebnis ist die Regelung des Art. 21 II EPG-VO-E über die freiwillige Solvenzerklärung vollkommen nutzlos. Sie erscheint als trojanisches Pferd, das durch Verankerung der Solvenzerklärung im kontinentaleuropäischen Recht die im angloamerikanischen Rechtsraum geforderte Abschaffung des Systems des festen Nennkapitals durch eine rein solvenzbezogene Betrachtung vorbereiten soll. Das Europäische Parlament will mit seiner Forderung nach einer verpflichtenden Solvenzerklärung bei jeder EPG mit einem Nennkapital von weniger als 8.000 A den Anwendungsbereich der Solvenzerklärung wesentlich erweitern: Es steht zu erwarten, daß sehr viele EPGs mit einem Nennkapital von weniger als 8.000 A ausgestattet sein werden. Die Verknüpfung des Erfordernisses einer Solvenzerklärung mit einem vergleichsweise niedrigen Nennkapital zeigt, daß das Europäische Parlament die Solvenzerklärung einer Kapitalausstattung von wenigstens 8.000 A unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes gleichachtet. Warum es gerade dieser Betrag sein soll, ist indes nicht erkennbar. Nachdem das Europäische Parlament vor Veröffentlichung des EPG-VO-E ohne nähere Begründung dieser Zahl noch ein Mindestnennkapital von 10.000 A gefordert hatte812, erscheint der Betrag von 8.000 A als willkürlich gegriffener Kompromiß. Liegen Vorgaben des Verordnungsgebers hinsichtlich der Erstellung der Liquiditätsprognose und des Inhalts der Erklärung bereits bei einer bloß freiwilligen Solvenzerklärung nahe813, sind diese bei der vom Europäischen Parlament geforderten verpflichtenden Solvenzerklärung erst recht notwendig, um das Erfordernis nicht leerlaufen zu lassen. Dennoch versäumt es auch das Europäische Parlament, Mindeststandards für das Verfahren der Liquiditätsprognose vorzusehen – wie insbesondere die Aufstellung eines Finanzplans, der die voraussichtlichen Einzahlungen und Auszahlungen periodisch geordnet gegenüberstellt814. Unverständlich ist ebenfalls, daß das Europäische Parlament auch keine Vorgaben zur inhaltlichen Gestaltung der verpflichtenden Solvenzerklärung macht; es beschränkt sich darauf, die Unterzeichnung der Erklärung vorzuschreiben815. Die
811 812 813 814 815
Siehe den Text bei Fn. 879 in Teil 2. Siehe Fn. 466. Vgl. den Text bei Fn. 779 ff. in Teil 3. Dieses Erfordernis nennt Arnold, DK 2007, 118, 122. Legislative Entschließung, Abänderung 33.
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aufgezeigten Mängel des EPG-VO-E fallen bei einer zwingenden Solvenzerklärung offensichtlich noch stärker ins Gewicht. Außerdem erscheint bei einer – je nach Höhe des Nennkapitals der EPG – zwingenden Solvenzerklärung, wie sie das Europäische Parlament fordert, die Anordnung schärferer Rechtsfolgen für den Fall der Abgabe einer unvertretbaren Solvenzerklärung erforderlich. Letzteres stellt zwar eine Pflichtverletzung des Geschäftsleiters dar und verpflichtet ihn gegenüber der Gesellschaft zum Schadensersatz816; um Fehlanreizen für Geschäftsleiter entgegenzuwirken, sollte die Abgabe einer unvertretbaren Solvenzerklärung jedoch zusätzlich mindestens als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden. Selbst im englischen Recht können die Geschäftsleiter bei Abgabe einer unvertretbaren statement of solvency im Zusammenhang mit einer vereinfachten Kapitalherabsetzung mit Haft von bis zu zwei Jahren bestraft werden817. Unabhängig von diesen Fragen der Umsetzung eignet sich eine Solvenzerklärung generell nur sehr begrenzt als Instrument des Kapitalschutzes. Entgegen anderer Ansicht, die bei Kapitalgesellschaften eine Solvenzerklärung zur Ausschüttungsbemessung fordert818, ist jedenfalls eine verpflichtende Solvenzerklärung für die EPG abzulehnen819. Die dafür erforderliche Liquiditätsprognose ist aufgrund ihres Zukunftsbezugs notwendigerweise mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Zudem gibt es auch in der Betriebswirtschaftslehre keine allgemein anerkannten Verfahren. Die Solvenzerklärung erweckt aus diesem Gründen und wegen der notwendig stark subjektiven Färbung jeder Prognose eine trügerische Sicherheit. Selbst diejenigen, die meinen, eine hinreichend verläßliche Liquiditätsprognose vornehmen zu können, halten mehrheitlich deren Überprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer für erforderlich820. Grundsätzlich besteht zudem die Gefahr, daß die Gesellschafter auf die Prognoseentscheidung der Geschäftsleitung Einfluß nehmen, um überhöhte Ausschüttungen zu ermöglichen. Zudem wälzt die Solvenzerklärung das Risiko überhöhter Ausschüttungen, aus denen die Gesellschafter der EPG Nutzen ziehen, unbilligerweise auf die Geschäftsleiter ab. Die Interessen der Gesellschaftsgläubiger finden im Verfahren der Solvenzerklärung allenfalls am Rande Berücksichtigung. Bezeichnenderweise wird das Ver816
Art. 31 IV, 1 EPG-VO-E. Siehe den Text bei Fn. 889 in Teil 2. 818 Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 313; Mülbert, DK 2004, 151, 161 f. 819 Kritisch (rechtsformübergreifend) auch Arnold, DK 2007, 118, 125. Pfennig, S. 134, lehnt eine verpflichtende Solvenzerklärung neben einer bilanziellen Ausschüttungssperre ab. 820 Nach der Erhebung von Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729, 2732, gab eine knappe Mehrheit der befragten 161 Unternehmen an, auf Ebene des Einzelabschlusses eine hinreichend sichere Prognose von Verbindlichkeiten und Liquidität vornehmen zu können. 60% der Befragten hielten jedoch die Überprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer für erforderlich. 817
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fahren der Solvenzerklärung im angloamerikanischen Schrifttum als „the simplest of all the modern statutory limitations on the payment of dividends“ 821 beschrieben. Es nimmt vor diesem Hintergrund nicht wunder, daß selbst der englische Gesetzgeber im Zuge der Neuregelungen durch den Companies Act 2006 – entgegen einem entsprechenden Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren822 – auf die Einführung einer Solvenzerklärung für die Ausschüttungsbemessung verzichtet hat823. b) Ausschüttungen (im engeren Sinne) aa) Begriff der Ausschüttung (1) Kommissionsentwurf Der EPG-VO-E enthält – anders als das GmbHG824 – eine ausdrückliche Bestimmung des Begriffs der Ausschüttung. Ausschüttung „ist jeder finanzielle Vorteil, den ein Anteilseigner aufgrund der von ihm gehaltenen Anteile direkt oder indirekt aus der SPE zieht, einschließlich einer etwaigen Übertragung von Geld oder Immobilien sowie das Eingehen einer Schuld“ 825. Damit gilt ein sehr weiter Ausschüttungsbegriff. Das wird unterstrichen durch die Ergänzung, daß „Ausschüttungen im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b . . . durch Immobilienerwerb, durch Rücknahme von Anteilen oder durch eine andere Art des Anteilserwerbs sowie auf jedem anderen beliebigen Wege erfolgen“ können826. Demzufolge sind auch verdeckte Vermögensübertragungen827 vom Ausschüttungsbegriff des EPG-VO-E erfaßt828. Damit unterfällt den Ausschüttungsregeln der Artt. 21 f. EPG-VO-E etwa auch das Heben stiller Reserven im Wege der Veräußerung von Grundeigentum an Gesellschafter zum gegenüber dem Marktwert niedrigeren Buchwert829. Derartige Maßnahmen werden aufgrund der Ausbreitung von IFRS-Einzelabschlüssen in Europa830, welche die Bildung stiller 821
Bainbridge, § 13.3, S. 776. Siehe Rickford, (2004) 4 EBLR, 919, 985 f. 823 Zu den für die Ausschüttungsbemessung geltenden Regelungen siehe den Text bei Fn. 252 ff. in Teil 2. 824 Vgl. §§ 29 ff. GmbHG. 825 Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E. 826 Art. 2 II EPG-VO-E; Hervorh. von mir. Warum sich diese Ergänzung nicht unmittelbar in Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E findet, sondern hierfür ein eigener Absatz in Art. 2 EPG-VO-E geschaffen wurde, ist nicht erkennbar. 827 Zu diesem Begriff siehe den Text bei Fn. 554 in Teil 2. 828 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906. 829 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906. 830 Mittlerweile gestatten 18 der 27 Mitgliedstaaten die Ausschüttungsbemessung anhand der IFRS, darunter neben England auch Italien, die Niederlande und Dänemark sowie einige der osteuropäischen Mitgliedstaaten, siehe den Text bei Fn. 633 ff. in Teil 3. 822
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Reserven nur noch sehr begrenzt zulassen831, allerdings für die EPG nur eine begrenzte Bedeutung erlangen832. Mit der in der Begriffsbestimmung enthaltenden Wendung „jeder finanzielle Vorteil . . . aufgrund der von [dem Gesellschafter] gehaltenen Anteile“ 833 bringt der EPG-VO-E klar zum Ausdruck, daß als Ausschüttung jede wirtschaftliche Besserstellung eines Gesellschafters zulasten des Gesellschaftsvermögens einzuordnen ist, die gerade wegen seiner Stellung als Gesellschafter der EPG erfolgt834 – also ohne äquivalente Gegenleistung bleibt. Die rechtliche Einkleidung der Besserstellung des Gesellschafters ist wegen des eindeutigen Wortlauts von Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E unerheblich; der EPGVO-E setzt einen materiellen Ausschüttungsbegriff voraus. (2) Forderung des Europäisches Parlaments Das Europäische Parlament will den Ausschüttungsbegriff in Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E einschränken. Als Ausschüttung soll nur die Gewährung eines finanziellen Vorteils an einen Gesellschafter anzusehen sein, „der nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch ausgeglichen ist“ 835. Dieser Zusatz geht (ausnahmsweise) auf deutsche Einflußnahme zurück. Er entspricht, auch wenn das Europäische Parlament dies verbrämt836, weitge831
Siehe den Text bei Fn. 524 ff. in Teil 2. Dies übersehen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906, wenn sie in diesem Zusammenhang von einem „praktisch verbreitet[en]“ „gewichtige[n] Mechanismus“ sprechen. 833 Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E, Hervorh. diesseits. 834 Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 906, dagegen befürchten, man könnte „aus der Passage ,aufgrund der vom Anteilseigner gehaltenen Anteile‘ auf eine Einschränkung mit gefährlichen Wirkungen schließen wollen: Was der Gesellschafter nicht mit Rücksicht auf seine Beteiligung bezieht, sondern in sonstiger Eigenschaft, etwa als Vertragspartner, ließe sich nicht als ,Ausschüttung‘ qualifizieren.“ Für einen derart formal verstandenen Ausschüttungsbegriff finden sich in Art. 2 I Buchst. b, II EPG-VO-E keinerlei Hinweise. 835 Legislative Entschließung, Abänderung 10. 836 Das Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments wird damit begründet, daß es „für den reibungslosen Geschäftsverkehr innerhalb der Gesellschaft“ erforderlich sei, „den Ausschüttungsbegriff klarer zu fassen“ – angeblich, um die Zahl der gemäß Art. 27 I Buchst. e erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse einzuschränken (Rechtsausschuß, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, 04.02.2009, Dokument Nr. A6-0044/2009, S. 12). Indes sollte die Darlehensgewährung an Gesellschafter, insbesondere die Einbeziehung der Gesellschaft in ein System der Konzerninnenfinanzierung („Cash-Pooling“, siehe dazu näher Fn. 844), bereits nach früherer Auffassung des Europäischen Parlaments keine rechtswidrige Ausschüttung darstellen: „Das Europäische Parlament ist der Auffassung, daß eine Haftung insbesondere dann nicht eintritt, wenn die EPG in eine kohärente Gruppenpolitik eingebunden ist und eventuelle Nachteile durch die Vorteile der Gruppenzugehörigkeit kompensiert werden“ (Entschließung des Europäischen Parla832
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hend837 und ohne Unterschied in der Sache838 dem durch das MoMiG eingefügten § 30 I 2 F. 2 GmbHG. Für diese Vorschrift ist im Ausgangspunkt839 maßgeblich, ob der Anspruch auf die Gegenleistung840 des Gesellschafters nach bilanziellen Kriterien vollwertig ist; zusätzlich ist das sogenannte Deckungsgebot zu berücksichtigen841. Eine bilanzielle Vollwertigkeit liegt allgemein vor, wenn die vollständige Erfüllung des Anspruchs nicht zweifelhaft ist842. Die Einfügung von § 30 I 2 F. 2 GmbHG n. F. bezweckt, die Zulässigkeit der Teilnahme von Tochter-
ments mit Empfehlungen, Empfehlung 7). Es liegt nahe, daß das auf die Einschränkung des Ausschüttungsbegriffs gerichtete Änderungsverlangen den gleichen Zweck verfolgt. 837 Im EPG-VO-E tritt das Erfordernis des Ausgleichs („ausgeglichen ist“) an die Stelle des neu eingeführten Deckungsgebots des § 30 I 2 F. 2 GmbHG („durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind [Hervorh. von mir]“). Das Deckungsgebot besagt, „daß bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten [scil: unzutreffender Begriff; gemeint sind Buchwerte, die jedoch gar keine Abschreibungen berücksichtigen müssen, sondern auch den Anschaffungskosten entsprechen können – wie bei Grundstücken mangels zeitlicher Begrenzung der Nutzung (§ 253 III 1, 3 HGB) regelmäßig der Fall; dies übersehen Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 280, 283] den geleisteten Gegenstand decken muss“ (Begründung des RegE des MoMiG, BT-Drs. 16/ 6140, S. 41). Damit ist insbesondere die Veräußerung von Vermögenswerten, in denen stille Reserven gefangen sind, zum Buchwert unzulässig (Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1293). Ob das Deckungsgebot einer wirtschaftlichen gegenüber einer rein bilanziellen Betrachtungsweise auch allgemein den Vorrang einräumt, ist umstritten (dafür Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 280, 283; dagegen Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, § 30 Rn. 32 f.; offen H. P. Westermann, in: Bitter u. a., Nachtrag MoMiG § 30 Rn. 27). – Auch die Dogmatik des § 30 I 2 F. 2 GmbHG unterscheidet sich von Art. 2 I Buchst. b in der Fassung des Änderungsverlangens des Europäischen Parlaments. Während § 30 I 2 F. 2 GmbHG eine Ausnahme von dem an sich einschlägigen Ausschüttungsverbot des § 30 I 1 GmbHG vorsieht, setzt der geänderte Art. 2 I Buchst. b gedanklich vorher ein, indem er bereits den Begriff der Ausschüttung enger bestimmt. 838 Die Begriffe „ausgeglichen“ und „gedeckt“ erscheinen austauschbar. Das erst mit dem MoMiG eingeführte Deckungsgebot erschöpft sich darin, eine wertmäßige Entsprechung der Leistung der Gesellschaft und der Gegenleistung des Gesellschafters vorauszusetzen (siehe die vorige Fn.). In der englischen Fassung der Abänderung 10 der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments betreffend den EPG-VO-E wird der Begriff „balanced“ verwendet, der gleichermaßen „ausgeglichen“ und „gedeckt“ bedeuten kann. 839 Unzutreffend Winkler/Becker, ZIP 2009, 2361, 2363: Gegenansprüche seien nach „allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen“ zu berücksichtigen. Sie widersprechen sich denn auch sogleich selbst, wenn sie bemerken, „daß bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten (und nicht nur bilanziell) die Gesellschaftsleistung decken muß“. 840 Nicht aber die „(Gegen-)Leistung des Gesellschafters“ selbst, wie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 30 Rn. 76, meint. 841 Begründung des RegE des MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 41. Zum Deckungsgebot siehe Fn. 837. 842 Ellrott/Ring, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 253 HGB Rn. 569 f., 558. So ausdrücklich zu § 30 GmbHG Altmeppen, ZIP 2009, 49, 53 m.w. N.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
gesellschaften in der Rechtsform der GmbH an der – betriebswirtschaftlich sinnvollen843 – Konzerninnenfinanzierung844 aller Zweifel zu entheben845. Hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit war nach der sogenannten November-Entscheidung des BGH846 erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden847. Das § 30 I 2 F. 2 GmbHG entsprechende Änderungsverlangen zu Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E verdeutlicht, daß nach Ansicht des Europäischen Parlaments auch für Tochtergesellschaften in der Rechtsform der EPG die Teilnahme an der Konzerninnenfinanzierung zulässig sein soll. Überdies betont die Erwähnung des Erfordernisses eines „vollwertigen“ Anspruches im Änderungsvorschlag des Europäische Parlament noch einmal848, daß die wirtschaftliche Besserstellung eines Gesellschafters zu Marktbedingungen keine Ausschüttung der EPG darstellt. (3) Beurteilung Dem Änderungsverlangen des Europäisches Parlaments ist zuzustimmen. Bei der Konzerninnenfinanzierung handelt es sich um ein sinnvolles, weit verbreitetes849 und für Unternehmen gerade in Zeiten zurückhaltender Kreditgewährung durch Banken wichtiges Finanzierungsinstrument. Dieses sollte auch für Tochtergesellschaften in der Rechtsform der EPG auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt werden. Das gelingt durch die vom Europäischen Parlament verlangte Ergänzung des Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E um die Einschränkung, daß eine Ausschüttung nur dann vorliegt, wenn die wirtschaftliche Besserstellung der Gesellschafter nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch ausgeglichen ist.
843 Insbesondere lassen sich die Finanzierungskosten senken, Verwaltungskosten einsparen und Risiken besser beherrschen, siehe etwa Hentzen, ZGR 2005, 480, 481 ff. 844 Fremdsprachig auch als „Cash Pooling“ bezeichnet. Die Konzerninnenfinanzierung dient dem Liquiditätsausgleich zwischen Konzerngesellschaften. Daran ist für gewöhnlich ein Kreditinstitut beteiligt. Soll und Haben der Kontokorrentkonten der Konzernunternehmen werden banktäglich auf ein zentrales Konto umgebucht und darauf saldiert. Das Konto wird bei der Konzernmuttergesellschaft, einer Zwischenholding oder einer gesonderten Finanzierungsgesellschaft geführt. Die Konzerninnenfinanzierung ermöglicht vor allem Zinsersparnisse, vgl. Altmeppen, ZIP 2006, 1025 f. 845 Begründung des RegE des MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 41. 846 BGH NJW 2004, 1111. 847 Siehe etwa Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1028 f. m.w. N. aus dem Schrifttum zur Frage der (Un-)Zulässigkeit der Konzerninnenfinanzierung nach der genannten BGHEntscheidung. 848 Vgl. den Text bei Fn. 824 ff. in Teil 3. 849 Morsch, NZG 2003, 97, 97.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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bb) Verfahren (1) Vorschlag der Geschäftsleitung Die Geschäftsleitung hat auf Grundlage der maßgeblichen Bilanz sowie einer – ggf. für die nachfolgende Abgabe einer Solvenzerklärung hinreichenden – Untersuchung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung der EPG einen Vorschlag zur Höhe der Ausschüttung zu erarbeiten850. Dieser darf den Ausschüttungshöchstbetrag851 nicht überschreiten852. Sodann ist der Vorschlag den Gesellschaftern als Beschlußvorlage bereitzustellen 853, ergänzt um eine Darstellung der Sachlage, auf der der Vorschlag beruht854. Ob die Geschäftsleitung die Gewährung einer Zwischendividende vorschlagen darf, das heißt einer Ausschüttung vor Ablauf des Geschäftsjahrs der EPG, richtet sich nach der in Erfüllung des entsprechenden Regelungsauftrags getroffenen Satzungsbestimmung855. (2) Solvenzerklärung Sodann bedarf es ggf. einer Solvenzerklärung, die die vorgeschlagene Ausschüttung der Höhe nach abdeckt. Diese „wird“ den Anteilseignern „vorgelegt“ 856. Diese Wendung könnte darauf schließen lassen, daß das verkörperte Original der Erklärung jedem Gesellschafter zur Einsichtnahme vorzulegen ist. Allerdings verlangt die französische Fassung davon abweichend nur die „Übermittlung“ der Erklärung an die Gesellschafter857. Die Übermittlung des Originals aber ist bei einer Mehrzahl von Gesellschaftern offensichtlich unmöglich, die Fertigung mehrerer Originale, deren Anzahl der Anzahl der Gesellschafter entspricht, untunlich. Die englische Fassung setzt, wiederum anders, lediglich voraus, daß die Solvenzerklärung „zur Verfügung gestellt“ wird858. Damit ist jedenfalls nicht jedem Gesellschafter das verkörperte Original der Solvenzerklärung vorzulegen. Weitere Aufschlüsse darüber, was der Verordnungsgeber ausdrücken möchte, gestattet ein Regelungsauftrag des Anhangs I zum EPG-VO-E. Danach ist in der Satzung erforderlich die „Angabe der Art und Weise, auf die sich Anteilseigner 850
Art. 21 I 1 EPG-VO-E. Vgl. Art. 21 EPG-VO-E; siehe den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 3. 852 Arg. e Art. 31 I, 2; Art. 27 IV Unterabs. 1 EPG-VO-E. 853 Die Übersetzung ins Deutsche („übermittelt“) ist insoweit wiederum unzutreffend. In der englischen Fassung („provide“) ist lediglich von einer Bereitstellung die Rede. Siehe noch den Text bei Fn. 856 ff. in Teil 3. 854 Art. 27 III 2 EPG-VO-E. 855 Anhang I EPG-VO-E, Kapitel IV – Kapital, 6. Spiegelstrich. 856 Art. 21 II Unterabs. 1 S. 2 EPG-VO-E. 857 „Le certificat de solvabilité est transmis aux actionnaires“. 858 „Shareholders shall be provided with the solvency certificate“. 851
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
den Text eines vorgeschlagenen Beschlusses der Anteilseigner und im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Beschlusses stehende Vorbereitungsunterlagen beschaffen können“ 859. Unter den der deutschen Sprache unbekannten Begriff der „Vorbereitungsunterlagen“ fällt wegen Art. 21 II Unterabs. 1 S. 2 EPGVO-E gerade auch die Solvenzerklärung. In der Zusammenschau mit der – ausweislich der englischen Fassung – hinreichenden Bereitstellung der Erklärung ist den Gesellschaftern damit die Solvenzerklärung vor der Beschlußfassung lediglich auf dem in der Satzung zu bestimmenden Weg zugänglich zu machen. Weil der genannte Regelungsauftrag860 in der englischen und der französischen Fassung neutral von Dokumenten spricht, nicht aber von Unterlagen im Sinne verkörperter Dokumente, ist neben der Bereitstellung von Kopien der Solvenzerklärung auch ihre Bereitstellung auf einer den Gesellschaftern zugänglichen Netzseite hinreichend. Die Solvenzerklärung ist schließlich auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen861. Die Bekanntmachung hat nach den zur Umsetzung der Publizitätsrichtlinie ergangenen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu erfolgen862. Für eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland sind dies in erster Linie §§ 8 ff. HGB863. Wann die Veröffentlichung der Solvenzerklärung zu erfolgen hat, regelt der EPG-VO-E nicht ausdrücklich. Da jedoch die Pflicht zur Veröffentlichung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pflicht zur Bereitstellung der Erklärung gegenüber den Gesellschaftern geregelt ist864, ist davon auszugehen, daß die Veröffentlichung zeitgleich mit der Bereitstellung gegenüber den Gesellschaftern einzuleiten ist. Die Solvenzerklärung betreffend eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland ist also zu diesem Zeitpunkt zum Handelsregister einzureichen. (3) Gesellschafterbeschluß Über die von der Geschäftsleitung vorgeschlagene Ausschüttung haben – ggf. nach Bereitstellung der Solvenzerklärung – abschließend die Gesellschafter Beschluß zu fassen865. Die selbstverständlich nur bei einer Mehrheit von Gesellschaftern erforderliche Abstimmung866 kann sowohl im Rahmen einer anberaum859
Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation, 6. Spiegelstrich. Anhang I EPG-VO-E, Kapitel V – Organisation, 6. Spiegelstrich. 861 Art. 21 II Unterabs. 2 EPG-VO-E. 862 Art. 11 I EPG-VO-E. Dazu, daß der darin gebrauchte Begriff der „Veröffentlichung“ die Bekanntgabe meint, siehe bereits Fn. 794. 863 Vgl. Habersack, § 5 Rn. 7. 864 Siehe Art. 21 II Unterabs. 1 S. 2 und Unterabs. 2 EPG-VO-E andererseits. 865 Art. 27 I Buchst. e EPG-VO-E. 866 Daß es bei einer Einmann-Gesellschaft keiner Abstimmung bedarf, erklärt Art. 27 V EPG-VO-E in der der Verordnung eigenen Art, Selbstverständliches zu erwähnen und Problematisches zu übergehen. 860
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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ten Gesellschafterversammlung, als auch im Umlaufverfahren geschehen867. Der entsprechende Gesellschafterbeschluß bedarf der einfachen Stimmenmehrheit868. Insoweit erscheint fraglich, ob die Gesellschafter von dem Vorschlag der Geschäftsleitung abweichen dürfen, insbesondere eine (Bar- oder Sach-)Ausschüttung beschließen können, deren Wert über dem Vorschlag der Geschäftsleitung liegt. Ebenso ist problematisch, ob im Falle einer Sachausschüttung ein gleichwertiger anderer Vermögenswert ausgekehrt werden darf. Gegen die Zulässigkeit derartiger Abweichungen vom Vorschlag der Geschäftsleitung spricht der Wortlaut des Art. 21 I 1 EPG-VO-E („auf Vorschlag des Leitungsorgans“). In diese Richtung deutet auch die systematische Auslegung anhand Art. 29 I Unterabs. 3 EPG-VO-E. Nach dieser Norm können Gesellschafter eine Beschlußvorlage nur dann zur Abstimmung stellen, wenn die Geschäftsleitung trotz vorherigen Antrags keine Vorlage ausgearbeitet hat. Demgegenüber betrachten sowohl die englische („on the basis of a proposal of the management body“), wie die französische Fassung („sur la base d’une proposition de l’organe de direction“) den Vorschlag der Geschäftsleitung augenscheinlich nur als unverbindlichen Ausgangspunkt, um den Gesellschaftern die Beschlußfassung zu erleichtern. In diese Richtung weist auch der systematische Vergleich mit Art. 29 I Unterabs. 1, 2 EPG-VO-E. Danach können alle Gesellschafter, die nicht lediglich eine Kleinstbeteiligung869 an der EPG halten, die Geschäftsleitung anweisen, eine Beschlußvorlage zu einem beliebigen Thema auszuarbeiten. In systematischer Hinsicht ist außerdem zu bedenken, daß eine Bindung der Gesellschafter an den Vorschlag der Geschäftsleitung unschwer ausgehebelt werden könnte. Das wäre möglich, indem die Gesellschafter der Geschäftsleitung aufgrund einer entsprechenden Satzungsregelung870 die Weisung erteilen, eine bestimmte Ausschüttung vorzuschlagen871. Auch Art. 29 I Unterabs. 3 EPG-VO-E steht bei näherer Betrachtung dem Beschluß einer über den Vorschlag der Geschäftsleitung hinausgehenden Ausschüttung nicht entgegen. Dieser Vorschrift sind zwar die Rechte der Gesellschafter bei einer fehlenden Beschlußvorlage der Geschäftsleitung zu entnehmen, nicht aber die Befugnisse der Gesellschafter im Umgang mit einer vorliegenden Beschlußvorlage der Geschäftsleitung. Die Gesellschafter der EPG können mithin – vorbehaltlich der für 867
Art. 27 III 1 EPG-VO-E. Arg. e contrario Art. 27 II Unterabs. 1 EPG-VO-E. 869 Das heißt weniger als 5%, Art. 29 I Unterabs. 1 EPG-VO-E. 870 Grundsätzlich sind die Gesellschafter der EPG – anders als bei der GmbH (vgl. § 37 I GmbHG) – nicht weisungsbefugt: Die Geschäftsleitung übt alle Befugnisse aus, die nicht kraft der Verordnung oder der Satzung den Gesellschaftern zugewiesen sind (Art. 26 I 2 EPG-VO-E). Allerdings kann in der Satzung ein allgemeines Weisungsrecht der Gesellschafter vorgesehen werden (arg. e Art. 33 II 2 EPG-VO-E; widersprüchlich insoweit Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 902 f.). 871 So, ohne Begründung, auch Krejci, Rn. 444. 868
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
den Beschluß als solchen geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen872 – eine von dem Vorschlag der Geschäftsleitung abweichende Ausschüttung beschließen. cc) Fehlerfolgen (1) Vorschlag der Geschäftsleitung Schlägt die Geschäftsleitung eine Ausschüttung unter Rückgriff auf eine Bilanz vor, die nicht den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften873 entspricht, führt dies nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Ausschüttung. Da die Ausschüttung stets durch die Gesellschafter zu beschließen ist874, kann ein solcher Fehler geheilt werden. Gleiches gilt, wenn eine Bilanz bei Äußerung des Vorschlags überhaupt fehlt oder eine in Gemäßheit der anwendbaren Rechnungslegungregeln aufgestellte Bilanz nicht durch eine unabhängige Stelle geprüft wurde, sofern das anwendbare nationale Recht dies vorschreibt. Eine Ausschüttung ist auch dann nicht ohne weiteres rechtswidrig, wenn die Geschäftsleitung auf Grundlage einer ordnungsgemäß erstellten und ggf. geprüften Bilanz vorschlägt, einen höheren als den sich aus der Bilanz ergebenden Höchstwert auszuschütten. Denn eine Heilung ist auch hier möglich, da die Gesellschafter an den Vorschlag der Geschäftsleitung nicht gebunden sind875. Schließlich ist gleich zu behandeln auch ein fehlender Vorschlag der Geschäftsleitung für eine bevorstehende Ausschüttung. Denn der Vorschlag ist kein unverzichtbarer Teil des Verfahrens, sondern dient lediglich der Erleichterung der Beschlußfassung sowie der Orientierung der Gesellschafter876. (2) Solvenzerklärung (a) Kommissionsentwurf (aa) Mangelnde Solvenzerklärung Fehlt im Zeitpunkt der Beschlußfassung der Gesellschafter über eine Ausschüttung eine Solvenzerklärung, obschon die Satzung eine solche vorsieht, so ist der Beschluß rechtswidrig. Das ergibt sich aus Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E, der bei einer entsprechenden Satzungsbestimmung „zusätzlich zur Einhaltung des Absatzes 1“ eine Solvenzerklärung verlangt. Folge eines Versto872
Zu diesen siehe sogleich den Text bei Fn. 888 ff. in Teil 3. Dazu siehe den Text bei Fn. 629 ff. in Teil 3. 874 Siehe den Text bei Fn. 865 in Teil 3. 875 Siehe soeben den Text bei Fn. 872. Zum Fall, daß die Gesellschafter bei grundsätzlich möglicher Ausschüttung eine den Ausschüttungshöchstbetrag überschreitende Ausschüttung beschließen, siehe den Text bei Fn. 888 ff. in Teil 3. 876 Siehe den Text bei Fn. 865 ff. in Teil 3. 873
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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ßes gegen die in Art. 21 I EPG-VO-E aufgestellten bilanziellen Erfordernisse aber ist die Rechtwidrigkeit der Ausschüttung („kann vornehmen“)877. Zur Rechtswidrigkeit eines Ausschüttungsbeschlusses wegen fehlender Solvenzerklärung wird es in der Praxis allerdings kaum kommen878. Weil das Verfahren der Solvenzerklärung nicht zwingend ist, können es die Gesellschafter jederzeit durch satzungsändernden Gesellschafterbeschluß verwerfen. Zwar wird in einem trotz mangelnder Solvenzerklärung getroffenen Ausschüttungsbeschluß nicht zugleich ein entsprechender schlüssiger Beschluß zur Satzungsänderung zu sehen sein können; insoweit fehlt es bereits an der erforderlichen Beschlußvorlage879. Allerdings werden Satzungsänderungen im – wegen der Freiwilligkeit des Verfahrens der Solvenzerklärung allein maßgeblichen – Innenverhältnis sofort wirksam880. Damit können die Gesellschafter bei fehlender Solvenzerklärung das Erfordernis einer solchen unmittelbar vor einem Ausschüttungsbeschluß aufheben. (bb) Mangelhafte Solvenzerklärung Weist die Solvenzerklärung einen (nicht bloß belanglosen) inhaltlichen Mangel auf – entspricht sie also etwa nicht der Textvorgabe des Art. 21 II Unterabs. 1 S. 1 EPG-VO-E, weist nicht den Höchstbetrag einer Ausschüttung aus, bis zu dem die Geschäftsleitung die Leistungsfähigkeit der EPG zusichert, oder enthält sie kein Datum881 – so ist ein Ausschüttungsbeschluß bei satzungsmäßig vorgeschriebener Solvenzerklärung ebenfalls rechtswidrig. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Fall anders als der einer fehlenden Erklärung zu behandeln wäre. Den Gesellschaftern obliegt damit eine vollständige inhaltliche Prüfung der Solvenzerklärung882. Das ist aufgrund deren inhaltlicher Schlichtheit ohne weiteres möglich und zumutbar. – Entsprechendes gilt für Formfehler, etwa die fehlende Unterschrift eines Mitglieds der Geschäftsleitung. (cc) Mangelnde oder mangelhafte Bereitstellung der Solvenzerklärung Klärungsbedürftig erscheint weiter, wie sich Fehler bei der Bereitstellung der Solvenzerklärung auf die Rechtmäßigkeit einer daraufhin beschlossenen Aus877
Art. 21 I S. 1; siehe noch den Text bei Fn. 893 ff. in Teil 3. Dies übersehen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 907. 879 Art. 27 III 2 EPG-VO-E. 880 Art. 8 III Buchst. a EPG-VO-E. 881 Siehe den Text bei Fn. 773 ff., 807 ff. in Teil 3. 882 Hommelhoff/Teichmann (GmbHR 2008, 897, 907) glauben zwar, die Gesellschafter dürften „ohne ausreichende Bescheinigung“ keine Ausschüttung beschließen, hätten aber keine „darüber hinaus gehende Kontrolle des Bescheinigungsinhalts (sic)“ vorzunehmen. Das ist widersprüchlich. Ohne vollständige inhaltliche Kontrolle können die Gesellschafter schlicht nicht feststellen, ob die Solvenzerklärung „ausreicht“. 878
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
schüttung auswirken. Zunächst stellt sich die Frage, wie es sich auswirkt, wenn eine den inhaltlichen und formalen Anforderungen genügende Solvenzerklärung den Gesellschaftern nicht vor der Beschlußfassung über die Ausschüttung zugänglich gemacht wird. Der Wortlaut von Art. 21 II Unterabs. 1 S. 2 EPG-VO-E ist insoweit ebenfalls nicht eindeutig; danach „wird“ die Solvenzerklärung den Gesellschaftern vor der Beschlußfassung „vorgelegt“. Klarer ist die englische Fassung („Shareholders shall be provided with the solvency certificate before the resolution on the distribution . . . is taken“). Danach erscheint die rechtzeitige Bereitstellung der Solvenzerklärung als zwingend. Dafür streitet auch der Zweck des Art. 21 II EPGVO-E. Diese Norm dient in erster Linie dem Schutz der Gesellschafter vor einer Aushöhlung der Liquiditätsbasis der EPG. Denn sie sieht eine Solvenzerklärung eben nur vor, wenn die Gesellschafter eine solche in der Satzung regeln. Besteht aber eine entsprechende Satzungsbestimmung, so ist eine Zuwiderhandlung durch die Geschäftsleitung ohne weiteres rechtswidrig883. Auch die Gesellschafter sind in ihrer Beschlußfassung an die Satzung gebunden884; das Verfahren der Solvenzerklärung ist nur kraft Satzungsänderung disponibel. Demgemäß ist eine entgegen der Satzung ohne Vorlage der Solvenzerklärung beschlossene Ausschüttung rechtswidrig. Möglicherweise wirkt sich in gleicher Weise auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Solvenzerklärung aus. Hinsichtlich des Wortlauts des einschlägigen Art. 21 II Unterabs. 2 ergibt sich eine derjenigen bei Art. 21 II Unterabs. 1 S. 2 EPG-VO-E vergleichbare Lage („wird veröffentlicht“; „shall be disclosed“). Allerdings ist der Zweck der Veröffentlichungspflicht nach Art. 21 II Unterabs. 2 EPG-VO-E ein anderer. Diese schützt nicht die Gesellschafter der EPG, denen die Erklärung ja bekannt ist, sondern zielt auf die Information des Rechtsverkehrs. Dann erscheint es folgerichtig, einen Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Solvenzerklärung den Vorschriften des informationellen Gläubigerschutzes zu unterwerfen – etwa ein Bußgeld zu verhängen –, nicht aber die Rechtsfolgen des institutionellen Gläubigerschutzes – etwa die Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung – zur Anwendung zu bringen. Das bestätigt eine systematische Erwägung: Sämtliche gemäß der Verordnung erforderlichen Veröffentlichungen haben, wie bereits erwähnt, nach Maßgabe der zur Umsetzung der Publizitätsrichtlinie ergangenen Vorschriften der Mitgliedstaaten zu erfolgen885. Dann aber müssen bei einem Verstoß gegen diese Regelungen auch die darin vorgesehenen, nicht aber der Verordnung entstammende Rechtsfolgen gelten. Schließlich spricht die Rechtssicherheit für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Ausschüttungsbeschlusses unabhängig von der Veröffentlichung der 883 884 885
Arg. e Art. 31 IV 1, I EPG-VO-E. Art. 27 IV Unterabs. 1 EPG-VO-E. Siehe Fn. 794.
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Solvenzerklärung. Wäre dies anders, bliebe die Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung in der Schwebe, weil die – an sich zugleich mit ihrer Bereitstellung für die Gesellschafter einzureichende886 – Erklärung dem zuständigen Register nachgereicht werden kann. Es ist mithin davon auszugehen, daß ein Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Solvenzerklärung für die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Erklärung beschlossenen Ausschüttung folgenlos bleibt. (b) Forderung des Europäischen Parlaments Fraglich ist, ob sich wegen der bei einem Nennkapital von weniger als 8.000 A in der Satzung zwingend vorzusehenden Solvenzerklärung abweichende Fehlerfolgen ergeben. Bei einer verpflichtenden Solvenzerklärung muß gewiß erst recht gelten, daß eine trotz fehlender oder inhaltlich mangelhafter Solvenzerklärung beschlossene Ausschüttung rechtswidrig ist. Gleiches gilt im Fall der unterlassenen Bereitstellung der Erklärung für die Gesellschafter. Zweifelhaft ist allerdings, wie sich bei einer kraft Verordnung zwingenden Solvenzerklärung deren unterlassene Veröffentlichung auf die Rechtmäßigkeit der Ausschüttung auswirkt. Hier könnte angenommen werden, daß dies bei zwingender Solvenzerklärung – anders als bei einer freiwilligen – die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung zur Folge haben müsse. Allerdings gelten auch insoweit die soeben für den Fall der freiwilligen Solvenzerklärung dargestellten Bedenken, insbesondere der damit einhergehende systematische Bruch sowie die drohende Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausschüttung. Es erscheint daher vorzugswürdig, auch bei einer kraft Verordnung zwingenden Solvenzerklärung die Versäumung ihrer Veröffentlichung nicht auf die Rechtmäßigkeit der Ausschüttung durchschlagen zu lassen. Für die Geschäftsleiter sehen die Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments keine nachteiligen Rechtsfolgen vor887. Auch bei einer aufgrund geringen Nennkapitals in der Satzung zwingend vorzusehenden Solvenzerklärung bliebe so die Abgabe einer falschen Solvenzerklärung und die Veranlassung einer Ausschüttung bei fehlender oder falscher Solvenzerklärung für die Geschäftsleiter ohne zivil-, straf- oder öffentlich-rechtliche Folgen. (3) Gesellschafterbeschluß Bei der Beschlußfassung über eine Ausschüttung dürfte den Gesellschaftern regelmäßig der Abschluß888 der EPG vorliegen, weil der Jahresabschluß durch 886
Siehe den Text bei Fn. 861 ff. in Teil 3. Vgl. Legislative Entschließung, Abänderungen 33–40. 888 Grundsätzlich der Jahresabschluß, bei Beschlußfassung über eine Zwischendividende der gesonderte Zwischenabschluß. 887
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Gesellschafterbeschluß festzustellen ist889 und beide Beschlüsse aus Gründen der Praktikabilität in aller Regel gemeinsam gefaßt werden. Stimmen nun die Gesellschafter einer Ausschüttung unter Rückgriff auf eine Bilanz zu, die nicht den maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften890 entspricht, hat dies die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung zur Folge. Zwar ist die Rechtswidrigkeit einer auf solche Weise zustande gekommenen Ausschüttung nicht ausdrücklich im EPG-VO-E geregelt. Allerdings nimmt Art. 21 I EPG-VO-E mit den Begriffen „Vermögenswerte“ und „Schulden“ die letzte Bilanz der EPG in Bezug891. Für deren Erstellung und Prüfung „gelten . . . die Vorschriften des anwendbaren innerstaatlichen Rechts“ 892. Wird nun diesen Vorschriften zuwidergehandelt, fehlen von vornherein die ordnungsgemäßen Bezugsgrößen für die Berechnung des Ausschüttungshöchstbetrags. Eine dennoch beschlossene Ausschüttung kann auch dann nicht rechtmäßig sein, wenn die Ausschüttung sich zufällig innerhalb des Rahmens bewegt, den eine ordnungsgemäße Bilanz für eine Ausschüttung vorgegeben hätte. Denn bei der für die Kapitalerhaltung zentralen Norm des Art. 21 I EPG-VO-E handelt es sich um keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern um zwingendes Recht. Rechtswidrig ist eine Ausschüttung auch, wenn der Beschlußfassung über sie eine zwar unter Einhaltung der anwendbaren Rechnungslegungregeln aufgestellte Bilanz zugrundelag, diese jedoch nicht durch eine unabhängige Stelle geprüft wurde, sofern das anwendbare nationale Recht eine solche Prüfung vorschreibt. Entsprechendes gilt, wenn den Gesellschaftern überhaupt keine Bilanz vorlag. Ebenfalls rechtswidrig ist eine Ausschüttung, wenn sie auf einer ordnungsgemäß erstellten und ggf. auch geprüften Bilanz beruhte, die Gesellschafter aber beschlossen haben, einen höheren als den sich aus der Bilanz ergebenden Höchstwert auszuschütten. Das gleiche gilt für Fehler bei der Beschlußfassung, etwa die Berücksichtigung ungültiger Stimmen. (4) Überschreitung des Höchstbetrags Überschreitet eine Ausschüttung den Ausschüttungshöchstbetrag, ist ansonsten jedoch zulässig, dann ist fraglich, ob dieser Umstand die Rechtswidrigkeit der gesamten Ausschüttung oder nur des den Ausschüttungshöchstbetrag übersteigenden Teils zur Folge hat. Nach dem Wortlaut des EPG-VO-E ist eine Ausschüttung nur rechtmäßig, „sofern“ – also: wenn – die Vermögenswerte der EPG nach der Ausschüttung 889 Art. 27 I Buchst. d EPG-VO-E spricht insoweit in zweifacher Hinsicht unglücklich von einer „Genehmigung“ des „Jahresabschlusses“. 890 Siehe den Text bei Fn. 629 ff. in Teil 3. 891 Siehe den Text bei Fn. 623 ff. in Teil 3. 892 Art. 25 I EPG-VO-E.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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ihre Verbindlichkeiten decken893. Überschreitet die Ausschüttung den zulässigen Rahmen teilweise, tritt also keine lediglich teilweise Rechtswidrigkeit der Ausschüttung ein. Dafür spricht auch, daß „jeder Anteilseigner, der Ausschüttungen erhalten hat, die nicht mit Artikel 21 in Einklang stehen, . . . diese Ausschüttungen“ 894 – also insgesamt – an die EPG zu erstatten hat. Die englische und französische Fassung lassen ebenfalls keinen anderen Schluß zu als die Erstreckung der Rechtswidrigkeit auf die gesamte Ausschüttung. Dies ergibt allerdings keinen Sinn: Die Gesellschaft könnte sofort nach Erstattung der gesamten Ausschüttung erneut eine Ausschüttung bis zum Ausschüttungshöchstbetrag rechtmäßig vornehmen. Artt. 21 I 1 EPG-VO-E ist daher teleologisch zu reduzieren. In dieser Norm ist „sofern“ durch „soweit“ zu ersetzen; dies sollte de lege ferenda in Artt. 21 I 1 EPG-VO-E klargestellt werden. Ausschüttungen sind mithin nur insoweit rechtswidrig, wie sie den Ausschüttungshöchstbetrag überschreiten. dd) Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Ausschüttung (1) Haftung des Gesellschafters (a) Kommissionsentwurf Ein Anspruch der EPG gegen einen Gesellschafter auf Erstattung einer rechtswidrigen Ausschüttung setzt voraus, daß der Gesellschafter die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung895 kannte oder kennen mußte896. Dies meint der EPG-VO-E – wie aus der englischen und der französischen Fassung erhellt –, wenn er voraussetzt, daß der Gesellschafter „über die Unregelmäßigkeit im Bilde war oder angesichts der Umstände darüber im Bilde hätte sein müssen“. Zusätzlich trifft die EPG auch die Beweislast für die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Gesellschafters („wenn diese nachweist, daß . . .)“ 897. Eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter sieht der EPG-VO-E – anders als das Recht der GmbH898 – nicht vor; er verweist für den Erstattungsanspruch – anders als Art. 20 III EPG-VO-E für die Kapitalaufbringung899 – auch nicht auf das nationale Recht. Das Recht
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Art. 21 I 1 EPG-VO-E. Art. 22 EPG-VO-E; Hervorh. von mir. 895 Entgegen dem Wortlaut von Art. 22 EPG-VO-E, der in allen drei Sprachfassungen die Mehrzahl verwendet, genügt für die Auslösung der Haftung nach dem Normzweck von Artt. 21 f. EPG-VO-E auch eine einzige rechtswidrige Ausschüttung. 896 Vgl. Art. 22 EPG-VO-E. 897 Art. 22 EPG-VO-E. 898 § 31 III GmbHG. 899 Siehe den Text bei Fn. 535 ff. in Teil 3. 894
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der Mitgliedstaaten regelt jedoch die Verjährung des Erstattungsanspruchs, da der EPG-VO-E keine entsprechenden Bestimmungen enthält900. (b) Forderung des Europäischen Parlaments Demgegenüber soll nach dem Europäischen Parlament Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs allein die Rechtswidrigkeit der Ausschüttung sein901 – wie im GmbH-Recht, soweit die Erstattung zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist902. Damit entfällt naturgemäß auch die im EPG-VO-E vorgesehene Beweislastregelung zulasten der Gesellschaft. (2) Beurteilung Diesem Änderungsverlangen ist zuzustimmen. Die von dem EPG-VO-E für einen Erstattungsanspruch vorausgesetzten subjektiven Erfordernisse auf Seiten des Gesellschafters, die auch noch die EPG beweisen soll, hebeln die Haftung des Gesellschafters weitgehend aus903. Allerdings versäumt es auch das Europäische Parlament, eine Ausfallhaftung der anderen Gesellschafter der EPG zu regeln, soweit die Erstattung vom Empfänger nicht zu erlangen ist. Auf diese Weise tragen die Gesellschaftsgläubiger im Fall einer rechtswidrigen Ausschüttung neben dem Solvenzrisiko der Gesellschaft zusätzlich das des begünstigten Gesellschafters. (3) Exkurs: Haftung des Geschäftsleiters Schlägt der Geschäftsleiter einer EPG eine Ausschüttung unter Rückgriff auf eine Bilanz vor, die nicht den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften904 entspricht oder nicht durch eine unabhängige Stelle geprüft wurde, obgleich das anwendbare nationale Recht dies vorschreibt, oder liegt dem Vorschlag überhaupt keine Bilanz zugrunde, dann verletzt der Geschäftsleiter seine Pflichten gegenüber der EPG905. Gleiches gilt, wenn er auf Grundlage einer ordnungsgemäßen Bilanz vorschlägt, einen höheren als den sich daraus ergebenden Höchstwert auszuschütten oder keinen Vorschlag abgibt. Eine solche Pflichtverletzung führt, wenn der Geschäftsleiter schadhaft gehandelt hat, zu dessen Haftung für den der EPG daraus entstandenen Schaden906. Ein Schaden kommt auch dann in Be900 901 902 903 904 905 906
Vgl. Art. 4 II EPG-VO-E. Legislative Entschließung, Abänderung 37. § 31 I GmbHG. Vgl. Pfennig, S. 88. Siehe den Text bei Fn. 629 ff. in Teil 3. Vgl. Art. 31 I, 2 EPG-VO-E. Art. 31 IV EPG-VO-E.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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tracht, wenn der gegen die Gesellschafter gerichtete Anspruch auf Erstattung der rechtswidrigen Ausschüttung werthaltig ist – etwa in Gestalt eines der EPG infolge der Ausschüttung entgangenen (Zins-)Gewinns. Der ersatzfähige Schaden bestimmt sich nach dem anwendbaren nationalen Recht907. Mehrere Geschäftsleiter haften als Gesamtschuldner908. (4) Beurteilung Die ausdrückliche Bestimmung des Begriffs der Ausschüttung im EPG-VO-E selbst ist richtig, da sie Widersprüche, wie sie etwa im englischen Recht bestehen909, vermeidet. Auch die weite Begriffsbestimmung in Art. 2 I Buchst. b EPG-VO-E („jeder finanzielle Vorteil“) ist grundsätzlich zu begrüßen. Es bedarf insoweit allerdings der vom Europäischen Parlament geforderten Einschränkung im Hinblick auf das zwischen Ober- und Untergesellschaften übliche „Cash Pooling“, um solche wirtschaftlich sinnvollen Finanzierungsgeschäfte, die wegen des Erfordernisses eines vollwertigen Rückzahlungsanspruchs keine Gefahr für Gläubiger darstellen, rechtssicher zu ermöglichen. Klarzustellen ist der zu weit geratene Art. 21 EPG-VO-E auch dahin, daß eine Ausschüttung nur insoweit rechtswidrig ist, wie sie den Ausschüttungshöchstbetrag überschreitet. Verfehlt ist hingegen das Tatbestandsmerkmal der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Ausschüttung als Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs gegen den Gesellschafter, zumal wenn hierfür auch noch die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast tragen soll. Damit sollen dieselben Geschäftsleiter, welche die rechtswidrige Ausschüttung vorgeschlagen und durchgeführt haben, darlegen, daß die Ausschüttung so offensichtlich rechtswidrig war, daß die Gesellschafter dies zumindest grob fahrlässig verkannt haben. Daß ein Geschäftsleiter sich bei solch erheblichen eigenen Pflichtverletzungen, die seine Schadensersatzpflicht begründen können, in einem Interessenkonflikt befindet und von der Verfolgung der Erstattungsansprüche regelmäßig absehen dürfte, liegt auf der Hand. Zudem ist der Beweis subjektiver Tatsachen durch einen Außenstehenden stets mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die Regelungen der subjektiven Anforderungen und der Beweislast gleichen in ihrer einseitigen Bevorteilung der Gesellschafter frappierend den für die Limited geltenden Vorschriften910. Dem Änderungsverlangen des Europäischen Parlaments, 907 Art. 31 IV 1, V EPG-VO-E. Warum Art. 31 IV 1 EPG-VO-E von „Verlust oder . . . Schaden“ spricht, ist unverständlich. Dies könnte auf die Unterscheidung in „perte“ und „préjudice“ im französischen Recht zurückgehen, die für den EPG-VO-E unerheblich ist. 908 Art. 31 IV 2 EPG-VO-E. 909 Dort werden Zahlungen von Gesellschaftervergütungen und Konzernumlagen, die dem Ausschüttungsbegriff unterfallen, nicht an den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für Ausschüttungen gemessen; siehe den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 2. 910 Dazu siehe den Text bei Fn. 652 ff. in Teil 2.
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das Erfordernis der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis für einen Erstattungsanspruch, mit der die Beweislastregel gegenstandslos wird, zu streichen, ist deshalb zuzustimmen. c) Kapitalherabsetzung aa) Voraussetzungen Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Kapitalherabsetzung enthält der EPGVO-E in Art. 24 vergleichsweise umfangreiche Regelungen. (1) Höchstbetrag der Kapitalherabsetzung (a) Bilanzbezogenes Erfordernis Das Nennkapital der EPG kann nur so weit herabgesetzt werden, daß die Vermögenswerte der Gesellschaft ihre „Schulden“ – dieser Ausdruck bezieht das Nennkapital ein911 – auch nach Vornahme912 der Kapitalherabsetzung decken. Der Gesamtbetrag der Aktiva muß also den Gesamtbetrag der Passiva erreichen, es gilt das Verbot der Einlagenrückgewähr. Das ergibt sich aus der Verweisung in Art. 24 I auf den gemäß Art. 21 I EPG-VO-E ermittelten Ausschüttungshöchstbetrag913. Diese Verweisung führt allerdings zu einer Endlosschleife914. Denn Art. 21 I 1 EPG-VO-E verweist auf Art. 24 EPG-VO-E zurück („unbeschadet des Artikels 24“), der also auch dessen Absatz 1 erfaßt, der wieder auf Art. 21 EPG-VO-E verweist. Die Rückverweisung in Art. 21 I 1 ist damit allein für Art. 24 II–VII EPG-VO-E915 von Bedeutung916. Auch erschließt sich nicht, wozu der Verordnungsgeber ausdrücklich regelt, daß nach Vornahme einer Kapitalherabsetzung der EPG der Gesamtbetrag der Aktiva den der Passiva erreichen muß. Das gilt zunächst dann, wenn vor der Kapitalherabsetzung der Gesamtbetrag der Aktiva den der Passiva deckt, also keine Unterbilanz besteht. Denn unter einer Kapitalherabsetzung ist allgemein die Verringerung des Betrags des Nennkapitals einer Kapitalgesellschaft917, das bilanziell als Teil918 des gebundenen Ei911
Siehe den Text bei Fn. 684 in Teil 3. Darunter ist der Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung zu verstehen. Das kann, muß aber nicht der Zeitpunkt des Kapitalherabsetzungsbeschlusses sein, siehe den Text bei Fn. 960 ff. in Teil 3. 913 Dazu siehe den Text bei Fn. 623 ff., 664 ff. in Teil 3. 914 Die Endlosschleife hat auch das Europäische Parlament in seinem Änderungsvorschlag Art. 21 I EPG-VO-E nicht erkannt. 915 Zu diesen Vorschriften siehe sogleich den Text bei Fn. 934 ff. in Teil 3. 916 Widersprüchlich insoweit Krejci, Rn. 522 f. 917 Siehe Art. 30 der Kapitalrichtlinie. 912
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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genkapitals der Gesellschaft erfaßt ist919. Eine Verringerung des gebundenen Eigenkapitals der Gesellschaft aber kann sich bei fehlender Unterbilanz als solcher920 weder auf den Gesamtbetrag ihrer Aktiva noch den ihrer Passiva auswirken921: Die Aktiva verändern sich unmittelbar nicht. Das gilt selbst für die Kapitalherabsetzung zwecks Erlaß offener Einlageverpflichtungen. In diesem Fall erlöschen die Einlageansprüche der Gesellschaft nicht bereits durch den Kapitalherabsetzungsbeschluß922. Auch der Gesamtbetrag der Passiva ändert sich unmittelbar nicht. Es findet lediglich ein Passivtausch statt, bei dem sich die Beträge der Passivposten des ungebundenen sowie des gebundenen Eigenkapitals verschieben: Das ungebundene Eigenkapital erhöht sich um den Betrag der Verringerung des gebundenen Eigenkapitals; die Erhöhung des ungebundenen Eigenkapitals ist bei der EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland bilanziell dadurch abzubilden, daß der Betrag der Verringerung in die „anderen Gewinnrücklagen“ 923 eingebucht wird, welche insoweit als Auffangbecken wirken924. Erst in einem weiteren Schritt, dessen Wirkung durch den Eintritt der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung925 mit der damit einhergehenden Erhöhung des ungebundenen Eigenkapital aufschiebend befristet ist, kann etwa eine Veränderung des Gesamtbetrags der Aktiva der Gesellschaft eintreten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Gesellschafter gesondert den Erlaß einer offenen Einlageverpflichtung beschließen. In einem solchen Erlaß liegt wegen des weiten Ausschüttungsbegriffs des EPG-VO-E926 eine Ausschüttung, für den die Beschränkungen des Art. 21 EPG-VO-E gelten. Ein weiteres Beispiel für eine Veränderung des Gesamtbetrags der Aktiva nach einer Kapitalherabsetzung ist eine 918 Über das Nennkapital hinaus können kraft Satzung gebundene Rücklagen bestehen, siehe für die EPG Art. 21 I 2 EPG-VO-E (i.V. m. Art. 24 I EPG-VO-E). Für die AG ist ferner die Pflicht zur Bildung gesetzlicher Rücklagen zu beachten, siehe § 150 AktG mit einer Ausnahme für eingegliederte Gesellschaften in §§ 324 I, 319 ff. AktG. 919 Siehe für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland § 266 III A. I. HGB („gezeichnetes Kapital“). 920 Ungenau daher (zur GmbH) Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rn. 4, 8. 921 Umgekehrt erfolgt eine Verringerung des Nennkapitals im Wege der Kapitalherabsetzung häufig zur Beseitigung einer anderweit durch eine Verringerung der Vermögenswerte oder eine Erhöhung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft entstandene Unterbilanz (vgl. zur GmbH Wicke, § 58 Rn. 1). 922 Siehe den Text bei Fn. 526 f. in Teil 3. 923 Siehe § 266 III A. III. 4. i.V. m. § 272 III Satz 2 a. E. HGB. 924 Zu den anderen Gewinnrücklagen zählen alle („freien“) Gewinnrücklagen, die weder gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklagen, noch Rücklagen für eigene Anteile sind, Förschle/Hoffmann, in: Ellrott/Förschle/Hoyos/Winkeljohann, § 272 HGB Rn. 97; Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Band 1, § 272 Rn. 32; vgl. auch Reiner, in: K. Schmidt, Band 4, § 272 Rn. 78. 925 Dazu siehe den Text bei Fn. 960 ff. in Teil 3. 926 Siehe den Text bei Fn. 824 ff. in Teil 3.
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Ausschüttung, die erst durch die vorher abgeschlossene Verringerung des gebundenen Kapitals ermöglicht wird. Auch für diese Ausschüttung gilt Art. 21 EPGVO-E ohne weiteres unmittelbar. Die Verweisung in Art. 24 I auf Art. 21 EPGVO-E ist damit nicht nur zirkulär, sondern überflüssig und irreführend. Entsprechendes gilt, wenn vor der Kapitalherabsetzung eine Unterbilanz bestand, die Summe der Aktiva den Gesamtbetrag der Passiva vor der Kapitalherabsetzung also nicht deckte. In diesem Fall dient die Kapitalherabsetzung dem – wie bei der GmbH927, wo dies der häufigste Anwendungsfall ist928 – auch bei der EPG zulässigen Zweck der bilanziellen Berücksichtigung des teilweisen Verlusts des Nennkapitals929. Auch dann läuft das Erfordernis der Deckung der Passiva der EPG durch ihre Aktiva nach der Kapitalherabsetzung, welches Art. 24 I i.V. m. Art. 21 I EPG-VO-E „regelt“, leer. Die Kapitalherabsetzung wirkt sich als solche wiederum weder auf den Gesamtbetrag der Aktiva der EPG noch den ihrer Passiva aus930. Erneut kommt es auf der Passivseite lediglich zu einer Umbuchung gebundenen in ungebundenes Kapital. Zusätzlich wird durch die Verminderung des gebundenen Eigenkapitals – bei bestehender (oder drohender931) Unterbilanz etwa der EPG mit Sitz in Deutschland – auf der Aktivseite zwar der in der Bilanz ausgewiesene (oder auszuweisende) Posten des „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags“ 932 ausgeglichen. Dieser stellt aber, obschon er auf der Aktivseite der Bilanz zu verbuchen ist (oder wäre), keinen Vermögenswert dar, sondern einen bloßen Korrekturposten zur Vermeidung eines negativen Eigenkapitalausweises933. Die Verweisung in Art. 24 I auf Art. 21 EPG-VO-E ist bei bestehender Unterbilanz auch noch aus einem weiteren Grund überflüssig: Dient die Kapitalherabsetzung dem Ausgleich vorheriger Verluste der EPG, so ist – anders als ohne Unterbilanz der EPG – eine der Kapitalherabsetzung nachfolgende Ausschüttung von vornherein nicht an den Voraussetzungen des Art. 21 I EPG-VO-E zu messen. Vielmehr ist eine Ausschüttung unabhängig davon gemäß Art. 24 V EPGVO-E stets unzulässig. Das gilt auch, wenn die Kapitalherabsetzung nur teilweise dem Ausgleich vorheriger Verluste dient, da Art. 24 V EPG-VO-E keine Einschränkung enthält („der herabgesetzte Betrag“ 934). Allerdings geht der Wortlaut 927
Siehe § 58a I GmbHG. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rn. 2. 929 Siehe Art. 24 V EPG-VO-E. 930 Siehe bereits den Text bei Fn. 917 ff. in Teil 3. 931 Je nachdem, ob die Unterbilanz bereits in einem Jahres- oder Zwischenabschluß förmlich festgestellt wurde. 932 § 268 III HGB. 933 Morck, in: Koller/Roth/Morck, § 268 Rn. 5; Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 268 Rn. 3; vgl. auch Reiner/Haußer, in: K. Schmidt, § 268 Rn. 26. 934 Art. 24 V EPG-VO-E. 928
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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von Art. 24 V EPG-VO-E zu weit: „Dient eine Kapitalherabsetzung dem Ausgleich von Verlusten der SPE“, kann „der herabgesetzte Betrag“ gar nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet werden, da dieser zumindest anteilig durch den Ausgleich der Unterbilanz aufgezehrt wird. (b) Solvenzbezogenes Erfordernis Weiter stellt sich die Frage, ob die Geschäftsleitung der EPG auch vor einer Kapitalherabsetzung eine Solvenzerklärung abzugeben hat935. Art. 24 I EPGVO-E verweist nicht nur auf das bilanzbezogene Erfordernis des Art. 21 I, sondern ordnet allgemein die „entsprechende“ Anwendung von Art. 21 EPG-VO-E an. Denn Absatz 2 regelt eine Solvenzerklärung als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Ausschüttung, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Solvenzerklärung vorschreibt. Die Solvenzerklärung enthält die Aussage, daß die EPG auch nach der in Aussicht genommenen Ausschüttung ihre in dem nächsten Jahr fälligen Verbindlichkeiten im Rahmen ihrer normalen Geschäftstätigkeit begleichen können wird. Diese Fähigkeit aber wird durch eine Kapitalherabsetzung als solche nicht berührt. Die Kapitalherabsetzung wirkt sich als solche bilanziell unmittelbar als Passivtausch aus936. Mit ihr geht unmittelbar weder eine Verringerung des Geldvermögens, der Forderungen oder der Vorräte, noch eine Erhöhung der kurzfristigen Verbindlichkeiten einher. Diese vier bilanziellen Größen sind Bestandteile der Quotienten der Liquidität ersten, zweiten und dritten Grades. Diese Kennzahlen werden in der Betriebswirtschaftslehre als statischer Maßstab für die Fähigkeit eines Unternehmens verwendet, seinen Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen937. Auch der als dynamischer Maßstab daneben eingesetzte Finanzplan938, der die erwarteten Ein- und Auszahlungen je Zeitraum gegenüberstellt939, wird durch eine Kapitalherabsetzung als solche nicht berührt. Die Verweisung in Art. 24 I auch auf Art. 21 II EPG-VO-E in kann damit nur ein Redaktionsversehen darstellen. Sie ist ebenso gegenstandslos wie diejenige des Art. 24 I auf Art. 21 I EPG-VO-E940. Einer Solvenzerklärung vor Durchführung einer Kapitalherabsetzung bedarf es damit – entgegen einer nicht näher begründeten Ansicht941 – nicht. 935 Zu der Solvenzerklärung als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Ausschüttung siehe den Text bei Fn. 691 ff. in Teil 3. 936 Siehe soeben den Text bei Fn. 922 ff. in Teil 3. 937 Wöhe/Döring, S. 657. 938 Wöhe/Döring, S. 657 f. 939 Siehe den Text bei Fn. 724 ff. in Teil 3. 940 Dazu siehe den Text bei Fn. 914 ff. in Teil 3. 941 Krejci, Rn. 525.
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(2) Kapitalherabsetzungsbeschluß Die Kapitalherabsetzung ist durch die Gesellschafterversammlung zu beschließen942. Der Beschluß bedarf einer qualifizierten Stimmenmehrheit943. Diese hat wenigstens zwei Drittel aller Stimmrechte zu umfassen; der Gesellschaftsvertrag kann ein höheres Zustimmungserfordernis vorsehen944. Der Gesellschafterbeschluß muß alle Gesellschafter – unter Berücksichtigung ihrer Beteiligungsquote – gleich behandeln945. Der Gesellschafterbeschluß ist gemäß Art. 27 VI, I Buchst. i EPG-VO-E bekanntzumachen946. Die Bekanntmachung947 richtet sich nach Art. 11 I EPG-VO-E. (3) Sicherheitsleistung Nach Bekanntmachung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses können die Gesellschaftsgläubiger, deren Forderungen schon vor der Bekanntmachung „bestanden“, – anders als bei der GmbH948 – einen gerichtlichen Antrag auf Sicherheitsleistung stellen949. Forderungen „bestehen“ in diesem Sinne, wenn sie entstanden und nicht erloschen sind; auf ihre Fälligkeit kommt es – wie bei der GmbH950 – nicht an. Das folgt aus dem Wortlaut auch der englischen und französischen Fassung von Art. 24 II Unterabs. 1 EPG-VO-E951. Fällige Forderungen können nach den allgemeinen Regeln eingeklagt werden. Ein Antrag auf Sicherheitsleistung ist beim zuständigen Gericht einzureichen. Die EPG-VO-E enthält keine eigene Zuständigkeitsregelung, so daß sich die Zuständigkeit gemäß Art. 4 II EPG-VO-E nach dem anwendbaren nationalen Recht bestimmt; bei einer EPG mit eingetragenem Satzungssitz in Deutschland ist der Antrag auf Bestellung von Sicherheiten also beim Amtsgericht des Gesellschaftssitzes952 als Registergericht zu stellen953. 942
Art. 27 I Buchst. (i) EPG-VO-E. Art. 27 II Unterabs. 1, II Buchst. i EPG-VO-E. 944 Art. 27 II Unterabs. 2 EPG-VO-E. 945 Arg. e Art. 24 VII EPG-VO-E, der ungenau nur die Gleichbehandlung der Anteilseigner mit gleich hoher Beteiligung verlangt. 946 Das übersieht Krejci, Rn. 531, der insoweit Art. 24 II EPG-VO-E bemüht. 947 Dazu, daß der EPG-VO-E die Bekanntmachung vorschreibt, siehe Fn. 794. 948 Hier hat sich der Gläubiger schlicht bei der Gesellschaft zu melden (§ 58 I Nr. 1, 2 GmbHG), woraufhin der Geschäftsführer von sich aus die Sicherheitsleistung oder, bei fälligen Ansprüchen, die Erfüllung zu veranlassen hat (Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rn. 20 f.). 949 Art. 24 II Unterabs. 1 EPG-VO-E. 950 Siehe Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rn. 20. 951 „Those creditors whose claims antedate the disclosure of the resolution“, „les créanciers dont les créances précèdent la date de publication de la résolution“. 952 Dabei handelt es sich um das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat; dieses Amtsgericht ist für den gesamten Landgerichtsbezirk zuständig, §§ 376 I, 374 Nr. 1 FamFG. 943
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Das Gericht entscheidet über die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach freiem Ermessen („kann . . . anweisen“ 954). Voraussetzung einer Entscheidung zugunsten des Gläubigers ist allerdings die Glaubhaftmachung955, daß die Erfüllung des Anspruchs durch die Kapitalherabsetzung gefährdet ist und der Gläubiger von der EPG keine angemessenen Sicherheiten erhalten hat956. Der EPG-VO-E gewährt den Gläubigern – wie bei der GmbH957 – jedoch keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegen die EPG. Zwar könnten insbesondere die englische und die französische Fassung des Art. 24 III Hs. 2 EPG-VO-E dahin verstanden werden, daß einem Antrag bei Gericht vergebliche Bemühungen des Gläubigers vorangegangen sein müssen, einen aus der Verordnung erwachsenden Anspruch auf Sicherheitsleistung geltend zu machen („no adequate safeguards have been obtained from the SPE“, „qu’aucune garantie suffisante n’a été obtenue de la SPE“). Gegen einen derartigen Anspruch spricht aber entscheidend, daß das Gericht die Leistung von Sicherheiten anordnen kann, dies aber nicht tun muß958. Die Bereitstellung von Sicherheiten auf Anforderung eines Gläubigers ist damit keine drittgerichtete Pflicht der EPG, sondern – wie bei der GmbH959 – lediglich eine Obliegenheit, um im eigenen Interesse die Durchführung der Kapitalherabsetzung nicht zu verzögern. bb) Rechtsfolgen (1) Eintritt der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung Die Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung kann bei der EPG zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten. Maßgeblich dafür soll sein, ob die Gesellschaft bei Fassung des Gesellschafterbeschlusses über die Kapitalherabsetzung Gläubiger hat oder nicht, und ob etwa vorhandene Gläubiger einen gerichtlichen Antrag auf Sicherheitsleistung stellen.
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Baumbach/Hueck, § 58 Rn. 50, § 54 Rn. 15. Art. 24 III EPG-VO-E. In diesem Sinne auch die englische Fassung („may order“). Nichts anderes folgt aus der negativen Wendung in der französischen Fassung, die lediglich die Beweislastverteilung betrifft („Le tribunal ne peut ordonner à la SPE de fournir des garanties que si le créancier démontre de façon crédible que la réduction du capital risque de compromettre le recouvrement de ses créances“ . . . [Hervorh. von mir]). 955 Daß die Glaubhaftmachung hinreichend ist, folgt aus der englischen („credibly demonstrates“) und der französichen Fassung („démontre de façon crédible“). Die deutsche Fassung, daß der Gläubiger die Gefährung „glaubhaft nachweist“, ist paradox. 956 Art. 24 III EPG-VO-E. 957 Dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rn. 26. 958 Art. 24 III EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 954 in Teil 3. 959 Dazu Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rn. 26. 954
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Hat die Gesellschaft im Zeitpunkt des Kapitalherabsetzungsbeschlusses keine Gläubiger, dann soll die Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung gleichzeitig mit der Beschlußfassung eintreten960. Hat die EPG zum Zeitpunkt der Beschlußfassung zumindest einen Gläubiger961, stellt aber kein Gläubiger innerhalb von dreißig Kalendertagen nach Bekanntmachung des Gesellschafterbeschlusses einen gerichtlichen Antrag gemäß Art. 24 II EPG-VO-E, so soll die Kapitalherabsetzung am einunddreißigsten Kalendertag nach der Bekanntmachung des Gesellschafterbeschlusses wirksam werden962. Wann der gerichtliche Antrag i. S. d. Art. 24 II gestellt ist, regelt der EPG-VO-E nicht. Über Art. 4 II EPG-VO-E ist daher etwa für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland der Eingang des Antrags bei Gericht963 maßgeblich. Hat jedoch wenigstens ein Gläubiger964 bei der Gesellschaft fristgemäß einen gerichtlichen Antrag gemäß Art. 24 II EPG-VO-E gestellt, dann soll die Kapitalherabsetzung erst nach gerichtlicher Entscheidung wirksam werden. Dem sprachlich ebenfalls missglückten Art. 24 IV Buchst. c EPG-VO-E ist zu entnehmen, daß die Wirksamkeit mit Ablauf des Tages eintritt, an dem das Gericht entweder auch den letzten Antrag eines Gläubigers ablehnt oder aber die EPG alle Anordnungen des Gerichts zur Sicherheitsleistung erfüllt hat965. (2) Pflicht zu weiterer Bekanntmachung Art. 24 VI EPG-VO-E besagt lapidar, daß „eine Kapitalherabsetzung bekanntgemacht [wird]“. Wann dies zu erfolgen hat, ist dem EPG-VO-E nicht zu entnehmen. Weil aber der Beschluß der Gesellschafterversammlung, das Kapital herab-
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Art. 24 IV Buchst. a EPG-VO-E. Abweichend von dem Wortlaut des Art. 24 IV Buchst. b EPG-VO-E, der die Mehrzahl voraussetzt („wenn die SPE zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Gläubiger hat“ sowie „has creditors“ und „a des créanciers“), genügt ein einziger Gläubiger. Das folgt aus dem Normzweck des Art. 24 IV EPG-VO-E. Der einzelne Gläubiger ist nicht deshalb weniger schutzwürdig, weil die EPG neben ihm keine weiteren Gläubiger hat. 962 Art. 24 IV Buchst. b EPG-VO-E. 963 Vgl. zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage Foerste, in: Musielak, § 261 Rn. 3; vgl. auch § 17b I 1 GVG: Anhängigkeit mit Eingang bei Gericht. 964 Dabei kann es sich entgegen dem Wortlaut auch des Art. 24 IV Buchst. c EPGVO-E auch um den einzigen Gläubiger der Gesellschaft handeln, siehe den Text bei Fn. 961 in Teil 3. 965 „Eine Kapitalherabsetzung wird . . . wirksam . . . am ersten Tag [scil.: an dem Tag], an dem die SPE die Anweisung [scil.: die Anordnungen] des zuständigen Gerichts zur Lieferung [scil.: Bestellung] von Sicherheiten zur Gänze erfüllt hat, oder – sollte dies früher der Fall sein [scil.: sinnfreier Einschub, da beide Möglichkeiten einander gegenseitig ausschließen] – am ersten Tag [scil.: an dem Tag], an dem das Gericht in Bezug auf sämtliche Anträge entschieden hat, daß die SPE keine Sicherheiten zur Verfügung stellen muß [scil.: den letzten noch nicht beschiedenen Antrag abgelehnt hat]“. Vgl. auch die englische und die französische Fassung. 961
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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zusetzen, schon gemäß Art. 27 VI, I Buchst. i bekanntzumachen ist966, kann Art. 24 VI EPG-VO-E nur auf den Eintritt der Wirksamkeit der beschlossenen Kapitalherabsetzung abstellen967. Wie und innerhalb welcher Frist ab dem Eintritt der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung die Bekanntmachung erfolgen muß, bestimmt sich nach den nationalen Vorschriften, die die Transparenzrichtlinie umsetzen968 – für die EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland also gemäß § 10 HGB. Damit läuft Art. 24 VI EPG-VO-E leer, wenn die EPG keine Gläubiger hat; dann fallen beide Zeitpunkte zusammen969. Weist die Gesellschaft dagegen Gläubiger auf, so erfolgt die Bekanntmachung nicht vor dem einunddreißigsten Kalendertag nach der Bekanntmachung des Gesellschafterbeschlusses970 bzw. nicht vor dem Tag, an dem das Gericht entweder den letzten Antrag auf Sicherheitsleistung abgelehnt oder aber die EPG alle Anordnungen, Sicherheit zu leisten, erfüllt hat971. (3) Geltung von Art. 22 und Rückverweisung auf Art. 24 EPG-VO-E Bei einer Kapitalherabsetzung ordnet Art. 24 I die „entsprechend[e]“ Geltung von Art. 22 EPG-VO-E an. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, da Art. 24 I EPG-VO-E keinen eigenen Tatbestand aufweist972. Nach dem Wortlaut von Art. 24 I EPG-VO-E erscheint fraglich, ob bei Verstößen gegen die Kapitalherabsetzungsvorschriften eine – wie auch immer geartete – Rückzahlungspflicht des Gesellschafters eingreift. Der von Art. 24 I in Bezug genommene Art. 22 EPG-VO-E regelt eine Erstattungspflicht desjenigen Gesellschafters, der entgegen Art. 21 EPG-VO-E vorgenommene Ausschüttungen erhalten hat. Liest man Art. 22 zusammen mit Art. 24 I EPG-VO-E, entsteht folgender Satz: „Jeder Anteilseigner, der Kapitalherabsetzungen973 erhalten hat, die nicht mit Artikel 24 in Einklang stehen, muss diese Kapitalherabsetzungen der SPE zurückerstatten, wenn diese nachweist, daß er über die Unregelmäßigkeit im Bilde war oder angesichts der Umstände darüber 966
Siehe soeben den Text bei Fn. 946 in Teil 3. Mit anderer Begründung im Ergebnis zutreffend insoweit Krejci, Rn. 532. 968 Art. 11 I EPG-VO-E. 969 Siehe Art. 24 IV Buchst. a EPG-VO-E; siehe bereits soeben den Text bei Fn. 960 in Teil 3. 970 Im Fall des Art. 24 IV Buchst. b EPG-VO-E; siehe soeben den Text bei Fn. 962 in Teil 3. 971 Im Fall des Art. 24 IV Buchst. c EPG-VO-E; siehe soeben den Text bei Fn. 964 f. in Teil 3. 972 „Bei einer Herabsetzung des Gesellschaftskapitals der SPE gelten die Artikel 21 und 22 entsprechend.“. 973 Art. 22 EPG-VO-E verwendet fälschlicherweise die Mehrzahl, siehe bereits Fn. 895 in Teil 3. 967
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im Bilde hätte sein müssen.“. Das ist offensichtlich nicht nur sprachlich schief. Eine Kapitalherabsetzung führt als solche grundsätzlich nicht zum Abfluß von Vermögenswerten der Gesellschaft, sondern erst eine etwa nachfolgende Ausschüttung974. Anders erscheint dies auf den ersten Blick nur bei einer Kapitalherabsetzung im Wege der Einziehung noch nicht eingezahlter Anteile, da hierdurch der Einlageanspruch untergeht. Hiermit ist aufgrund des weiten Ausschüttungsbegriffs des EPG-VO-E („jeder finanzielle Vorteil“) allerdings wiederum eine Ausschüttung in Gestalt der Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der EPG verbunden. Folglich wiederholt Art. 24 I EPG-VO-E lediglich die Selbstverständlichkeit, daß auch auf eine Ausschüttung nach durchgeführter Kapitalherabsetzung die Ausschüttungen betreffende Vorschrift des Artt. 22 EPG-VO-E anwendbar ist. Entsprechendes gilt für den ebenfalls in Bezug genommenen Art. 21 EPG-VO-E. Warum in Art. 24 I EPG-VO-E von einer „entsprechenden“ Anwendung dieser beiden Normen die Rede ist, erschließt sich nicht. Einen eigenen Regelungsgehalt enthält Art. 24 I EPG-VO-E nicht. Anders ist dies bei Art. 24 V EPG-VO-E, der im Sonderfall einer Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten die Ausschüttung auch desjenigen Teils des freigewordenen Stammkapitals untersagt, der zum Verlustausgleich gar nicht erforderlich ist975. cc) Beurteilung Die Regelung der Kapitalherabsetzung in Art. 24 EPG-VO-E ist mißlungen. Sie ist unpraktikabel und führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Das gilt insbesondere für die Regelung des Wirksambereichs der Kapitalherabsetzung. Hierfür ist eben nicht die Eintragung der Kapitalherabsetzung entscheidend; es soll statt dessen – je nach Ausgangslage – auf drei unterschiedliche Zeitpunkte ankommen, die sich zudem nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen lassen: Der Zeitpunkt der Beschlußfassung soll entscheidend sein, wenn die EPG keine Gläubiger hat. Dies zu überprüfen ist allerdings schlechterdings unmöglich. Das gilt schon für vertragliche Gläubiger – wie soll etwa ausgeschlossen werden, daß eine Verpflichtung der EPG übersehen wurde, ein „erfüllter“ variabler Anspruch tatsächlich in größerer Höhe bestand oder eine Zahlung der EPG keine Tilgungswirkung entfaltete? Erst recht lassen sich gesetzliche Ansprüche nicht ausschließen. Wer kann sicherstellen, daß die EPG im Zeitpunkt der Beschlußfassung nicht einem eine Sekunde zuvor entstandenen Aufwendungsersatzanspruch eines ihrer Mitarbeiter, einem Bereicherungsanspruch wegen einer Fehlbuchung auf das Konto der EPG oder einem Produkthaftungsanspruch ausgesetzt ist? 974 975
Siehe den Text bei Fn. 936 ff. in Teil 3. Vgl. den Text bei Fn. 933 ff. in Teil 3.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Dagegen soll der einunddreißigste Tag nach der Beschlußfassung maßgeblich sein, wenn die EPG Gläubiger hat, von denen jedoch keiner innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntmachung der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung einen Antrag auf Sicherheitsleistung gestellt hat. Hier entstehen zunächst die gleichen Schwierigkeiten unter umgekehrten Vorzeichen: Wie soll sicher festgestellt werden, daß die EPG Gläubiger hat? Außerdem ist zu Beginn des einunddreißigsten Tags nach der Beschlußfassung – an dem die Kapitalherabsetzung ja wirksam würde – praktisch weder feststellbar, daß kein Gläubiger innerhalb von 30 Tagen einen gerichtlichen Antrag gestellt hat, noch kann dieser Umstand rechtzeitig dem Rechtsverkehr mitgeteilt werden. Hierfür wäre beispielsweise erforderlich, daß die Geschäftsstelle des Gerichts mit Ablauf des dreißigsten Tages – also um Punkt 00:00 h des Folgetages – bekannt macht, daß bis zu diesem Zeitpunkt kein Antrag eingegangen ist. Das ist illusorisch. Schließlich kann der Tag entscheidend sein, an dem entweder das zuständige Gericht den letzten Antrag auf Sicherheitsleistung abgelehnt oder die EPG den letzten erfolgreichen gerichtlichen Antrag durch Sicherheitsleistung erledigt hat. Nach dem verunglückten Wortlaut von Art. 24 IV Buchst. c EPG-VO-E sollen diese Ereignisse auch noch auf den Beginn des Tages zurückwirken („am ersten Tag“). Im ersten Fall kann der Rechtsverkehr praktisch erst nach Wirksamkeit der Kapitalerhöhung von dieser erfahren; es stellen sich die gleichen Schwierigkeiten wie beim soeben erwähnten Eingang des gerichtlichen Antrags. Im zweiten Fall ist die Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung dem Rechtsverkehr praktisch ebensowenig zur Kenntnis zu bringen. Soll etwa der Gläubiger der EPG die Bereitstellung der angeordneten Sicherheit bekanntmachen? Gegen die Praktikabilität der Vorschriften zur Kapitalherabsetzung spricht auch, daß der EPG-VO-E keine Regelungen zur vereinfachten Kapitalherabsetzung enthält, wie sie für Sanierungsfälle geboten erscheinen. Unklar ist schließlich, worauf sich Art. 24 VI EPG-VO-E mit dem Erfordernis der Bekanntmachung der „Kapitalherabsetzung“ bezieht. Insoweit sollte klargestellt werden, daß der Eintritt der Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung gemeint ist. Zudem ist die zirkuläre Verweisung in Art. 24 I EPG-VO-E aufzulösen – am besten, indem der auch ansonsten überflüssige Art. 24 I EPG-VO-E gestrichen wird.
d) Erwerb eigener Anteile aa) Voraussetzungen Die Zeichnung eigener Anteile ist der EPG untersagt, Art. 23 I EPG-VO-E. Der Anwendungsbereich dieses Verbots ist indes begrenzt, da es unmittelbar allein bei einer Kapitalerhöhung eingreifen kann. Im Zuge der erstmaligen Anteilsausgabe kann die EPG ohnehin keine eigenen Anteile übernehmen: Sämtliche
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Anteile müssen vor Eintragung der Gesellschaft gezeichnet sein976; die EPG entsteht jedoch erst mit Eintragung977. Das Verbot, eigene Anteile zu zeichnen, kommt im Rahmen der erstmaligen Anteilsausgabe daher nur dann (entsprechend) zur Anwendung, wenn ein Dritter Anteile im eigenen Namen, aber für Rechnung der zukünftigen EPG erwirbt978. Bereits ausgegebene Anteile darf die EPG – wie die GmbH979 – erwerben, jedoch nur, wenn die darauf bezogene Einlageverpflichtung bereits vollständig erfüllt worden ist980. Dieser Regelung bedarf es gerade wegen der vollständig frei zu vereinbarenden Fälligkeit der Einlageverpflichtung981. Sie dient dazu, das sonst leicht auszuhebelnde Erlaßverbot des Art. 20 III EPG-VO-E abzusichern. Hinsichtlich des Umfangs der durch die EPG zu erwerbenden eigenen Anteile gilt lediglich der Vorbehalt, daß auch danach mindestens ein Anteil begeben sein muß982; die Gesellschaft kann sich nicht vollständig selbst gehören. Auch dürfen eigene Anteile, wie im GmbH-Recht983, unabhängig von einer bestimmten Zweckbestimmung erworben werden. Für die Finanzierung des Erwerbs eigener Anteile verweist der EPG-VO-E auf die für den Ausschüttungshöchstbetrag bei Ausschüttungen im engeren Sinne geltenden Voraussetzungen984. Im einzelnen müssen wiederum die Aktiva der EPG auch nach dem Anteilserwerb ihre Passiva – einschließlich des Nennkapitals – abdecken985. Dabei sind kraft Satzung nicht ausschüttbare Rücklagen zu berücksichtigen986. Es bedarf ferner einer in der Satzung vorgesehenen987 bzw. darin vorzusehenden988 Solvenzerklärung der Geschäftsleitung.
976
Siehe den Text bei Fn. 438 in Teil 3. Art. 9 II EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 252 f. in Teil 3. 978 Art. 31 VII EPG-VO-E. 979 § 33 I GmbHG. 980 Art. 23 II 2 EPG-VO-E. 981 Dazu siehe den Text bei Fn. 483 ff. in Teil 3. 982 Art. 31 II 3 EPG-VO-E, der das englische „shall“ falsch übersetzt. 983 Arg. e § 33 II 1, III GmbHG. 984 Art. 31 II 1 EPG-VO-E. Darin müßte es anstatt „erwirbt die SPE eigene Anteile, so gelten die Artikel 21 und 22 entsprechend“ heißen: „Für den Erwerb eigener Anteile gelten die Artikel 21 und 22 entsprechend“. Denn Artt. 21, 31 II 1 EPG-VO-E regeln doch die vor einem Anteilserwerb zu beachtenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. 985 Art. 21 I 1 EPG-VO-E; es gilt das Verbot der Einlagenrückgewähr, siehe den Text bei Fn. 677 ff. in Teil 3. 986 Art. 21 I 2 EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 686 ff. in Teil 3. 987 Im Falle der unabhängig von der Höhe des Nennkapitals stets freiwilligen Solvenzerklärung, wie sie der EPG-VO-E vorsieht; siehe den Text bei Fn. 769 ff. in Teil 3. 988 Im Falle der bei einem Nennkapital von weniger als 8.000 A verpflichtenden Solvenzerklärung, wie sie das Europäische Parlament fordert; siehe den Text bei Fn. 802 f. in Teil 3. 977
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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bb) Rechtsfolgen (1) Aufnahme in das Gesellschafterverzeichnis Die EPG ist nach dem Erwerb eigener Anteile als Gesellschafterin zunächst in das von der Geschäftsleitung zu führende989 Gesellschafterverzeichnis aufzunehmen990. (2) Auswirkungen auf die mit den Anteilen verbundenen Rechte Die mit den erworbenen eigenen Anteilen verknüpften Stimmrechte ruhen während der Gesellschafterstellung der EPG991. Fraglich ist, was der Verordnungsgeber meint, wenn in Art. 23 III EPG-VO-E auch „andere nicht geldliche Rechte, die mit den eigenen Anteilen der SPE verbunden sind“, „ausgesetzt“ werden sollen992. Zunächst könnte diese Bestimmung des EPG-VO-E lediglich deklaratorisch gemeint sein. Es könnte angenommen werden, daß die Regelung des Zusammentreffens des Inhabers eines Rechts sowie des dadurch Verpflichteten in einer Person – das heißt der Fall der Konfusion – über Art. 4 II EPG-VO-E dem Recht der Mitgliedstaaten unterfiele993, daß sämtliche Rechte aus eigenen Anteilen etwa einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland kraft Personenidentität von Gläubiger und Schuldner erlöschen994. In diesem Fall wiese Art. 23 III EPGVO-E allerdings keinerlei Funktion auf. Auch ließe sich so die Unterscheidung des EPG-VO-E in „nicht geldliche“ und „geldliche“ Rechte nicht erklären. Zudem ordnet Art. 23 III EPG-VO-E wohlweislich gerade kein Erlöschen, sondern ein Ruhen der Rechte an995; sonst wären die Anteile kaum mehr veräußerbar, was Art. 23 V EPG-VO-E aber ausdrücklich vorsieht. Art. 4 II schließlich setzt voraus, daß ein Gesichtspunkt durch die EPG-VO-E nicht „abgedeckt“ ist. Aus systematischen Gründen ist daher von einem eigenen Regelungsgehalt des Art. 23 III EPG-VO-E auszugehen. Die Regelungen der Mitgliedstaaten über die Konfusion von Rechten gelangen damit für Mitgliedschaftsrechte der EPG nicht zur Anwendung. Unklar ist nun, was Art. 23 III EPG-VO-E damit meint, daß mit den eigenen Anteilen verbundene „andere nicht-geldliche Rechte“ ausgesetzt werden. Sicher ist hiermit nicht das Recht auf Gewinnbeteiligung gemeint, das ein „geldliches 989
Art. 15 I EPG-VO-E. Arg. e Art. 23 III a. E. EPG-VO-E i.V. m. Art. 15 I, 3 EPG-VO-E. 991 Art. 23 III EPG-VO-E. 992 Art. 23 III EPG-VO-E. 993 So wohl Krejci, Rn. 515, der allerdings ohne jede Begründung von einer nicht „endgültigen“ Konfusion ausgeht. 994 Arg. e §§ 425 II, 1976, 2143, 2175, 2377 BGB. 995 „[W]erden ausgesetzt“; vgl. im deutschen Aktienrecht § 71b AktG. 990
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Recht“ darstellen dürfte. Während hinsichtlich der „andere[n] nicht-geldliche[n] Rechte“ auch die englische Fassung das Ruhen von „other non-pecuniary rights“ anordnet, erfaßt die französischen Fassung weitergehend „les autres droits non pécuniaires“ 996 – ausgeschlossen wären also außer den Vermögensrechten alle anderen, mit den eigenen Anteilen verknüpften Rechte. Jedenfalls das kann nicht gemeint sein: Die EPG darf ihre eigenen Anteile gemäß dem EPG-VO-E auch veräußern997. Dies aber ist nur möglich, wenn die aus der Anteilsinhaberschaft fließende Verfügungsbefugnis fortbesteht. Letztlich legt die Nennung der „anderen“ Rechte in Art. 23 III EPG-VO-E gleich nach dem Stimmrecht nahe, daß bezüglich von der EPG gehaltener eigener Anteile auch die anderen mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte, insbesondere auf Auskunft998 oder Beschlußanfechtung999, ruhen sollen. Klärungsbedürftig erscheint weiter, wie es sich mit dem Recht auf Gewinnbeteiligung verhält. Der EPG-VO-E sieht in Art. 23 III eigene Regeln für den Fall des Zusammentreffens von Berechtigung und Verpflichtung vor. Diese Norm ordnet für die Dauer des Haltens eigener Anteile durch die EPG gerade nicht auch das Ruhen des Rechts auf Gewinnbeteiligung an1000. Es ist in Anbetracht des Eindrucks allenthalben fehlender Qualität des EPG-VO-E nicht davon auszugehen, daß dies einer so präzisen Unterscheidung des Verordnungsgebers in andere Gesellschafter betreffende Verwaltungsrechte – deren Ruhen zur Gewährleistung der Rechtssicherheit einer ausdrücklichen Anordnung bedürfe –, und den lediglich die Gesellschaft betreffenden Gewinnanspruch1001 – der ohne weiteres ruhe – geschuldet ist. Ein Rückgriff auf das nationale Recht ist zur Klärung der Gewinnberechtigung verwehrt, da Art. 23 III EPG-VO-E abschließend ist1002. Allerdings wäre eine fortbestehende Gewinnberechtigung der EPG aus eigenen Anteilen unsinnig. Weil die Stimmrechte der EPG aus eigenen Anteilen ruhen1003, kann diese (vertreten durch die Geschäftsführung) selbst bei einer denkbaren1004 Mehrheit in der Gesellschafterversammlung nicht über die Gewinnverwendung beschließen. Vor allem aber könnte ein Gewinnanspruch, wie ihn ein auf Ausschüttung gerichteter Gewinnverwendungsbeschluß ansonsten begrün996
Hervorh. von mir. Arg. e Art. 23 V EPG-VO-E. 998 Art. 28 I EPG-VO-E. 999 Vgl. Art. 27 IV Unterabs. 2 EPG-VO-E, der hinsichtlich der Ausgestaltung der Beschlußanfechtung auf das anwendbare nationale Recht verweist. 1000 Siehe soeben den Text bei Fn. 991 ff. in Teil 3. 1001 Allerdings betrifft die Frage eines Gewinnanspruchs der Gesellschaft als Reflex auch die anderen Gesellschafter, da deren Gewinnanteil im Fall des Ruhens des Gewinnanspruchs der Gesellschaft entsprechend höher ausfällt. 1002 Arg. e contrario Art. 23 VI EPG-VO-E. 1003 Siehe den Text bei Fn. 991 in Teil 3. 1004 Art. 23 II 2 EPG-VO-E verlangt lediglich, daß ein einziger Anteil einer andere Person als der Gesellschaft gehört. 997
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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det1005, wegen der in der Person der EPG dann gegebenen Identität von Gläubiger und Schuldner gar nicht erst entstehen – was allerdings keinen Fall der Konfusion darstellt1006. Deshalb ist davon auszugehen, daß bei der EPG das Recht auf Gewinnbeteiligung, – wie bei der GmbH1007 –, während der Dauer des Haltens eigener Anteile ruht1008. (3) Bilanzielle Behandlung Bilanziell ist der vollzogene Erwerb eigener Anteile gemäß denjenigen Rechnungslegungsvorschriften zu erfassen, die ausweislich des anwendbaren nationalen Rechts anzuwenden sind1009. Bei Bilanzierung nach HGB etwa waren in Abschlüssen für Geschäftsjahre, die vor dem 01.01.2010 begannen1010, die eigenen Anteile mit ihren Anschaffungskosten zu aktivieren1011. Zugleich war in gleicher Höhe aus dem Jahresüberschuß1012 oder aus Gewinnrücklagen1013 eine nicht ausschüttbare1014 Rücklage für eigene Anteile zu bilden1015. Es fand also eine Bilanzverlängerung statt. Dagegen dürfen aufgrund des BilMoG in Abschlüssen für Geschäftsjahre, die seit dem 01.01.2010 begannen1016, eigene Anteile nicht mehr aktiviert werden1017. Statt dessen ist ihr Nennwert von dem Nennkapital abzusetzen1018, darüber hinausgehende Anschaffungskosten sind mit freien Rücklagen zu verrechnen1019. In der Zusammenschau mit dem Zahlungsmittelabfluß in 1005
Roth, in: Roth/Altmeppen, § 29 Rn. 52 (zur GmbH). Unzutreffend Schindler, in: Ziemons/Jaeger, § 33 Rn. 97 (zur GmbH): „Die Gesellschaft hat auch keinen Anspruch auf Auszahlung eines auf die eigenen Geschäftsanteile entfallenden Gewinns. . . . Anderenfalls wäre sie zugleich Schuldnerin und Gläubigerin des Gewinnanspruchs, so daß dieser infolge Konfusion unterginge.“ Denn ein Anspruch der Gesellschaft entsteht gar nicht erst: Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können, § 194 I BGB; ein Zusammentreffen von Verpflichtung und Anspruch in einer Person ist unmöglich. So im Ergebnis im übrigen auch die von Schindler als Beleg angeführte Entscheidung BGH NJW 1995, 1027, 1028. 1007 Die GmbH hat keinen Gewinnanspruch gegen sich selbst, Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rn. 54, § 33 Rn. 25. 1008 So im Ergebnis auch Krejci, Rn. 515, der allerdings wolkig und ohne Begründung von einer „Konfusion“ spricht, die „keine endgültige bzw [sic] uneingeschränkte“ sei. 1009 Art. 25 I EPG-VO-E. 1010 Vgl. Art. 66 V EGHGB. 1011 § 266 III A. III. 2. HGB a. F. 1012 Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 272 Rn. 10. 1013 § 272 IV 3 HGB a. F. 1014 Vgl. § 272 IV 2 HGB a. F. 1015 § 272 IV 1 HGB a. F. 1016 Vgl. Art. 66 III 1 EGHGB. 1017 Siehe § 266 III A. III. HGB n. F. im Vergleich zu § 266 III A. III. 2. HGB a. F. 1018 § 272 Ia 1 HGB. 1019 § 272 Ia 2 HGB. 1006
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Höhe der Anschaffungskosten für die eigenen Anteile erfolgt damit eine Bilanzverkürzung. Mit dieser Neuregelung werden die Bilanzierungsregeln der IFRS für eigene Anteile nachgeahmt. Diese entsprechen bis auf den Unterschied, daß nach IFRS die Anschaffungskosten für die eigenen Anteile auch im Anhang versteckt werden dürfen1020, der Regelung durch das BilMoG1021. Allerdings begründet die bilanzielle Behandlung nach allen drei Regelungen gleichermaßen eine Ausschüttungssperre in Höhe der Anschaffungskosten. cc) Handhabung der eigenen Anteile (1) Halten und Veräußerung eigener Anteile Nach dem Anteilserwerb darf die EPG ihre eigenen Anteile zeitlich unbegrenzt halten1022. Sie kann diese auch veräußern1023. Eine Veräußerung hat mindestens zum gesamten Nennwert der Anteile zu erfolgen. Sonst könnte das Verbot der Anteilsausgabe unter dem Nennwert1024 durch einen Anteilserwerb der Gesellschaft, gefolgt von einem Rückerwerb durch den Gesellschafter, unschwer umgangen werden. Bei einer Veräußerung ist dagegen nicht zwingend der Preis zu erreichen, den die EPG beim Erwerb ihrer Anteile entrichtet hat. Ein niedrigerer Erlös (der wenigstens den Nennwert erreicht) ist dadurch gerechtfertigt, daß beim vorangegangenen Anteilserwerb die bilanz- und ggf. solvenzbezogenen Erfordernisse des Art. 21 i.V. m. Art. 23 II 1 EPG-VO-E vorliegen mußten. (Auch) der Unterschiedsbetrag zwischen dem beim Erwerb gezahlten und dem bei Veräußerung erhaltenen Preis hätte ebensogut – ohne Gegenleistung – ausgeschüttet werden können. (2) Einziehung eigener Anteile Der EPG ist auch die Einziehung erworbener eigener Anteile gestattet1025. Zieht die EPG eigene Anteile ein, wird gemäß Art. 23 IV EPG-VO-E „das Kapital entsprechend herabgesetzt“. Fraglich erscheint, ob dies ohne weiteres erfolgen kann, es sich bei Art. 23 IV EPG-VO-E also um eine bloße Rechtsfolgenverweisung handelt. In Betracht kommt auch eine Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften zur Kapitalherabsetzung in Art. 24 EPG-VO-E. Diese Frage ist nicht unbedeutend, da diese Norm für die Kapitalherabsetzung recht umfangreiche 1020
IAS 32.34 i.V. m. IAS 1.76 (a) (vi). Siehe IAS 32.33 und IAS 32.A36. 1022 Arg. e Art. 23 III a. E. EPG-VO-E. 1023 Arg. e Art. 23 V EPG-VO-E. 1024 Siehe den Text bei Fn. 440 in Teil 3. 1025 Art. 23 IV, 5 EPG-VO-E. Art. 23 IV EPG-VO-E spricht kurioserweise davon, daß die EPG ihre Anteile „löscht“. 1021
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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Sonderregeln enthält1026. Dazu zählen unterschiedliche Zeitpunkte, zu denen die Maßnahme wirksam wird1027, ein Recht der Gesellschaftsgläubiger auf Sicherheitsleistung1028 sowie das Erfordernis der Bekanntmachung der Kapitalmaßnahme1029. Für eine Rechtsfolgenverweisung scheint zunächst der Wortlaut von Art. 23 IV EPG-VO-E zu sprechen. Dieser erwähnt Art. 24 EPG-VO-E gerade nicht. Das ist anders sowohl in den Verweisungen des Art. 23 II als auch des Art. 24 I EPGVO-E, die beide die in Bezug genommenen Artt. 21 f. EPG-VO-E ausdrücklich nennen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Wendung in Art. 23 IV EPG-VO-E, wonach „das Kapital entsprechend herabgesetzt“ wird, als implizite Verweisung auf Art. 24 EPG-VO-E – der die Überschrift „Kapitalherabsetzung“ trägt – aufgefaßt werden kann. Auch die systematische Auslegung von Art. 23 IV spricht für eine Rechtsgrundverweisung auf Art. 24 EPG-VO-E. Dessen Vorschriften betreffend die Kapitalherabsetzung, u. a. das Recht der Gläubiger auf Sicherheitsleistung, könnten bei Annahme eines Rechtsfolgenverweisung unschwer umgangen werden, indem die Gesellschaft nach Art. 23 eigene Anteile erwirbt und sodann einzieht, anstatt ihr Kapital gemäß Art. 24 EPG-VO-E herabzusetzen. Diese Norm liefe letztlich leer. Für eine Rechtsgrundverweisung streitet ebenfalls Art. 23 V EPG-VO-E. Nach dieser Bestimmung sind „Anteile, die von der SPE unter Verletzung dieser Verordnung . . . erworben wurden, . . . innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb“ zu veräußern oder einzuziehen1030. Im Falle der Einziehung gilt Art. 23 IV EPGVO-E, da dieser ohne Einschränkung im Wortlaut allgemein die Einziehung1031 von Anteilen erfaßt – also solcher, die in Übereinstimmung mit der Verordnung, wie solcher, die unter ihrer Verletzung erworben wurden. Würde Art. 23 IV EPGVO-E nun nicht auf Art. 24 EPG-VO-E für die Voraussetzungen einer Kapitalherabsetzung verweisen, dann dürfte die Gesellschaft die Anteile einziehen, ohne daß die bilanz- und ggf. solvenzbezogenen Anforderungen von Art. 21 erfüllt wären, auf den Art. 24 I EPG-VO-E verweist. Die Gesellschaft könnte also unter Verstoß gegen Art. 21 (i.V. m. Art. 23 II S. 1 EPG-VO-E) erworbene Anteile einziehen, ohne daß nun wenigstens im Zeitpunkt der Einziehung die Voraussetzungen des Art. 21 (i.V. m. Art. 24 I EPG-VO-E) vorlägen. Dann aber wäre auch 1026 1027 1028
Siehe den Text bei Fn. 911 ff. in Teil 3. Art. 24 IV EPG-VO-E. Art. 24 II, III EPG-VO-E. Dort ist von einer „Lieferung von Sicherheiten“ die
Rede. 1029 Art. 24 VI EPG-VO-E. Hier heißt es fälschlicherweise „wird bekanntgemacht“ anstatt „ist bekanntzumachen“. 1030 Der EPG-VO-E spricht insoweit von „löschen“, siehe soeben Fn. 1025. 1031 Der EPG-VO-E spricht insoweit von „Löschung“, siehe soeben Fn. 1025.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Art. 21 (i.V. m. Art. 23 II 1 EPG-VO-E) ohne weiteres zu umgehen und liefe damit leer. Vor allem diese systematischen Argumente sprechen für eine Rechtsgrundverweisung in Art. 23 IV auf Art. 24 EPG-VO-E. Dagegen läßt sich auch nicht überzeugend einwenden, daß die Bedingungen des Art. 21 EPG-VO-E – Erhalt des Nennkapitals und ggf. der Solvenz auch nach der jeweiligen Maßnahme – bei Annahme einer Rechtsgrundverweisung mitunter zweimal erfüllt werden müssen: Beim Erwerb eigener Anteile kommt Art. 21 schon über Art. 23 II 1 EPG-VO-E zur Anwendung. Das findet seine Berechtigung im mit dem Anteilserwerb ganz regelmäßig1032 verbundenen Abfluß von Aktiva (zumeist in Form von Zahlungsmitteln), der aufgrund der einschlägigen Bilanzierungsvorschriften, welche die Aktivierung eigener Anteile untersagen oder – per Saldo mit dem gleichen Ergebnis – die Aktivierung unter Bildung einer gebundenen Rücklage in entsprechender Höhe verlangen1033, nicht mit einer Zunahme der Aktiva einhergeht. Werden die eigenen Anteile später eingezogen, entfällt zusätzlich – unwiederbringlich – die Möglichkeit, diese Anteile durch Veräußerung wieder zu Geld zu machen; diese Lage ist vergleichbar mit der Dereliktion eines körperlichen Vermögensgegenstands der EPG. Hierdurch rechtfertigt sich die erneute Anwendung von Art. 21 EPG-VO-E, nun über Art. 23 V, der, wie erwähnt, Art. 23 IV in Bezug nimmt, der auf Art. 24 I verweist, der schließlich Art. 21 EPG-VO-E zur Anwendung bringt. Die Rechtfertigung gilt unabhängig davon, daß bei der Einziehung keine Zahlung an einen Gesellschafter erfolgt. Denn die Einziehung entspricht wirtschaftlich dem – bei der erstmaligen Anteilsausgabe ausdrücklich unzulässigen1034 – Erlaß der Einlageverpflichtung eines zukünftigen Gesellschafters.
III. Andere präventive Kapitalschutzinstrumente 1. Keine Regelungen in EPG-VO-E Der EPG-VO-E regelt neben den primären Kapitalschutzinstrumenten der Kapitalaufbringung und -erhaltung keine weiteren präventiv wirkenden Kapitalschutzinstrumente. 2. Publizitätsvorschriften der Mitgliedstaaten Hinsichtlich des informationellen Kapitalschutzes durch Publizität verweist der EPG-VO-E auf das Recht des Mitgliedstaats, in welchem die EPG ihren eingetra1032 1033 1034
Ausnahmen: Schenkung oder, noch seltener, Erwerb von Todes wegen. Siehe den Text bei Fn. 1009 ff. in Teil 3. Siehe den Text bei Fn. 524 f. in Teil 3.
B. Präventive Kapitalschutzinstrumente
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genen Sitz hat1035. Danach kommen für die Rechnungslegung 27 verschiedene Regelwerke zur Anwendung1036. Die Veröffentlichung von Jahresabschlüssen richtet sich nach 27 unterschiedlichen Regelungen, die aufgrund der Publizitätsrichtlinie nur teilweise vereinheitlicht wurden1037. 3. Amtsunfähigkeitsvorschriften der Mitgliedstaaten Allgemeingültige Bestimmungen über die Amtsunfähigkeit von Geschäftsleitern, auch als Inhabilität bezeichnet, enthält der EPG-VO-E nicht. Allerdings kann eine Person, die aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung eines Mitgliedstaats nach dessen Recht als für eine Tätigkeit als Geschäftsleiter ungeeignet gilt, nicht Mitglied der Geschäftsleitung einer EPG sein1038. Entgegen dem mißverständlichen Wortlaut von Art. 30 III EPG-VO-E1039 bedarf es keiner gesonderten Erklärung der Ungeeignetheit; es ist hinreichend, daß die Ungeeignetheit – wie bei den Amtsunfähigkeitsgründen des § 6 II 2, 3 GmbHG1040 – aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung kraft Gesetzes eintritt. Das ergibt sich eindeutig aus der französischen Fassung von Art. 30 III EPG-VO-E („exclue . . . en vertu d’une décision judiciaire ou administrative“). Noch deutlicher macht dies die englische1041 und französische1042 Fassung von Art. 30 IV EPG-VO-E, in denen von einer „Erklärung“ nicht die Rede ist. Gleiches gilt für die englische1043 und französische1044 Begründung des EPG-VO-E. 1035
Art. 25 I i.V. m. Art. 4 II EPG-VO-E. Siehe den Text bei Fn. 629 ff. in Teil 3. 1037 Art. 2 I Buchst. f der Publizitätsrichtlinie sieht betreffend die Art und Weise der Veröffentlichung lediglich vor, daß die Mitgliedstaaten die „erforderlichen Maßnahmen“ zu treffen haben, um Kapitalgesellschaften zu verpflichten, Unterlagen der Rechnungslegung zu veröffentlichen. Gemäß Art. 6 Buchst. a haben die Mitgliedstaaten für den Fall einer Zuwiderhandlung „geeignete Maßregeln“ anzudrohen. Auch die in Art. 2 I Buchst. f genannten Richtlinien 78/660 EWG, 88/349 EWG, 86/635/EWG und 91/ 674/EWG fordern keine vollständige Vereinheitlichung. 1038 Art. 30 IV, 3 EPG-VO-E. 1039 „Eine Person, die den nationalen Rechtsvorschriften zufolge aufgrund eines Gerichts oder Verwaltungsurteils eines Mitgliedstaats für die Ausübung der Aufgabe eines Mitglieds der Unternehmensleitung als ungeeignet erklärt wurde, kann nicht als Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE tätig werden“. 1040 Dazu zuletzt BGH ZIP 2010, 1337, 1338: Es ist nicht erforderlich, die in § 6 II 2 Nr. 3 GmbHG genannten Straftatbestände in der von dem Geschäftsführer bei der Anmeldung zum Handelsregister abzugegebenden Versicherung (§ 8 III GmbHG) einzeln aufzuführen; es genügt vielmehr die Versicherung, daß der Geschäftsführer „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“ sei. 1041 „Disqualification of a person serving as a director of the SPE shall be governed by the applicable national law“. 1042 „L’exclusion d’une personne exerçant les fonctions de dirigeant de la SPE est régie par le droit national applicable“. 1043 „The Regulation prohibits anyone who is disqualified from serving as a director in any Member State from serving as a director of the SPE“. 1036
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Auch insoweit ist die deutsche Fassung des EPG-VO-E sprachlich unzulänglich. Die umstrittene Frage, ob Art. 30 III EPG-VO-E auch die Amtsunfähigkeitsgründe des GmbHG erfaßt1045, entpuppt sich so als Scheinproblem, das sich nur dann stellt, wenn man sich bei der Auslegung auf die deutsche Fassung des EPGVO-E beschränkt. Die weitreichenden englischen Regeln zur disqualification von Geschäftsleitern1046, deren Übertragung auf die GmbH im Schrifttum vorgeschlagen wird1047, können bei einer EPG nur dann zur Anwendung kommen, wenn diese ihren eingetragenen Sitz in England hat.
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente Als auf die EPG anwendbares reaktives Kapitalschutzinstrument kommt ein Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter der EPG in Betracht.
I. Regelungen des EPG-VO-E Einen Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter der EPG als haftungsbeschränkter Gesellschaft sieht der EPG-VO-E nicht vor. Vielmehr bestimmt Art. 3 I Buchst. b, daß die Gesellschafter der EPG „nur bis zur Höhe des Kapitals [haften], das sie gezeichnet haben oder zu dessen Zeichnung sie sich bereiterklärt haben“; eine Ausnahme hierzu findet sich im EPG-VO-E nicht. Allerdings ist das Rechtsinstitut der Durchgriffshaftung (im engeren Sinne1048) verschiedenen 1044 „Le règlement interdit à quiconque fait l’objet d’une interdiction de diriger une entreprise dans un État membre de diriger une SPE“. 1045 Dafür mit der doppelt abwegigen Begründung, daß es einer „ausdrücklichen ,Ungeeignetheitserklärung‘“ bedürfe und das (generell-abstrakte!) Gesetz in Form des § 6 II GmbHG „das Äquivalent einer [konkret-individuellen!] ausdrücklichen ,Ungeeignetheitserklärung‘ i. S. v. Art. 30 III, IV SPE-VOE“ sei de Erice/Gaude, DStR 2009, 857, 858. A.A. die Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 479/08 (Beschluß), S. 22, der die Amtsunfähigkeitsgründe als nicht erfaßt betrachtet und demgemäß eine Änderung des EPG-VO-E fordert; ebenso der „Arbeitskreis Europäisches Unternehmensrecht“, NZG 2008, 897, 900; ebenfalls a. A. die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, Nr. 17/2009, Rn. 116, der allerdings erstaunlicherweise meint, den Ausschluß der Amtsunfähigkeitsgründe werde „man hinnehmen können“. Das führte offensichtlich dazu, daß die EPG von vornherein die bevorzugte Rechtsform vorbestrafter (Gesellschafter-)Geschäftsführer würde. 1046 Siehe den Text bei Fn. 913 ff. in Teil 2. 1047 Steffek, ZRP 2007, 228, 230. 1048 Von der Durchgriffshaftung ist der Zurechnungsdurchgriff zu unterscheiden. Dabei wird die Selbständigkeit der juristischen Person insoweit aufgehoben, als Umstände, welche die Rechtsperson betreffen, ausnahmsweise für die Rechtsverhältnisse der Mitglieder von Bedeutung sind oder umgekehrt, Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 332 f. Unter den Begriff der Durchgriffshaftung läßt sich auch eine Haftung des Geschäftsführers aus Vorschriften, die ihn als Geschäftsführer betreffen, nicht fassen. Eine Haftung der Geschäftleiter für Verbindlichkeiten der EPG ermöglicht auch der EPGVO-E nicht, Begründung des EPG-VO-E, S. 10.
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente
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europäischen Rechtsordnungen bekannt. Diese Durchgriffshaftungstatbestände sind jeweils dadurch gekennzeichnet, daß ein Gesellschafter als solcher gezwungen wird, mehr Mittel als Haftungsfonds bereitzustellen, als dieser zuvor rechtsgeschäftlich zugesichert hat1049. Die Durchgriffshaftungstatbestände stellen also Durchbrechungen des Trennungsprinzips dar1050, je nach dogmatischer Konstruktion allerdings (als unechte Durchgriffshaftung) mitunter nur im Ergebnis1051. Eine Durchgriffshaftung ist außer dem deutschen1052 etwa auch dem niederländischen Recht bekannt, wo man bildlich von „doorbraak“ spricht; im spanischen Recht ist insoweit von einem „levantamiento del velo de la persona jurídica“, in Frankreich ähnlich von einer „levée du voile social“ die Rede1053. Keine Durchgriffshaftung im engeren Sinne kennt – entgegen einem Mißverständnis im Schrifttum1054 – die englische Rechtsordnung1055. Mit „piercing“ oder „lifting the corporate veil“ werden dort ganz andere Erscheinungen bezeichnet1056.
1049 Vgl. die Abgrenzung von Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 334 („eine Person muss (1) in ihrer Funktion als Gesellschafter (2) mehr Risikokapital beitragen als ex ante betragsmäßig begrenzt versprochen“). 1050 Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 333. 1051 Keine echte Durchbrechung des Trennungsprinzips liegt nach dem neuesten Konzept des BGH (NJW 2007, 2689, 2690 ff. [„Trihotel“]) vor in den Fällen der Existenzvernichtungshaftung (vgl. Westpfahl/Goetker/Wilkens, Rn. 1266). Diese stellt sich danach (jedenfalls grundsätzlich, S. 2693) als auf § 826 BGB gestützte Innenhaftung des GmbH-Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft dar (S. 2691). Ein unmittelbarer Durchgriff eines Gesellschaftsgsläubigers auf das Vermögen des Gesellschafters erfolgt also nicht, vielmehr greift lediglich ein mittelbarer Durchgriff Platz: Der Gesellschafter hat im Wege der Erfüllung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft Teile seines Vermögens zur Verfügung zu stellen, das deren Haftungsfonds zugunsten des Gläubigers der Gläubiger erweitert. Den Gläubigern bleibt allein die Gesellschaft verhaftet. Das Ergebnis gleicht wirtschaftlich betrachtet indes demjenigen bei einer echten Durchbrechung des Trennungsprinzips – abgesehen indes von der durch den Schaden der Gesellschaft begrenzten Anspruchshöhe (S. 2692 f.). 1052 Der BGH nimmt für Fälle der Vermischung der Vermögen von Gesellschaft und Gesellschafter weiterhin eine echte Durchgriffshaftung an, BGH NJW 2007, 2689, 2691. 1053 Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 332. 1054 Siehe etwa Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1195, die (ohne sie zu benennen) die Haftung wegen „wrongful trading“ als Durchgriffshaftung bezeichnen, obschon diese nicht an die Stellung als Gesellschafter, sondern als (Schatten-)Geschäftsleiter anknüpft (siehe den Text bei Fn. 1181 ff. in Teil 2). Auch die weiteren Fundstellen ebd. belegen nicht die Existenz einer an die Stellung des Gesellschafters anknüpfenden Durchgriffshaftung. Zutreffend dagegen als einer der wenigen deutschen Autoren Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 335: „Ein funktionaler Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter aufgrund Gesetzes- oder Richterrechts findet im englischen Recht bis heute nicht statt“. 1055 Vgl. die äußerst restriktiven Vorgaben der Eintscheidung House of Lords in Salomon v Salomon [1897] A.C. 22, 30 ff. und ihre Bekräftigung durch den Court of Appeal in Adams v Cape Industries Plc [1990] Ch. 433, 536. 1056 In England wird etwa die Haftung des Geschäftsleiters einer juristischen Person für die Sanierungsverschleppung („wrongful trading“, s. 214 IA, siehe dazu ausführlich
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
Die Dogmatik der Durchgriffshaftung unterscheidet sich in den einzelnen europäischen Rechtsordnungen. Teilweise erfolgt der Durchgriff ausschließlich im Wege eines richterrechtlich begründeten, echten Durchgriffs durch das Beiseiteschieben der juristischen Person, wie etwa in Spanien1057. In Deutschland und Frankreich kann die Durchgriffshaftung auch als Ergebnis extensiver oder restriktiver Normanwendung erscheinen1058. Hierzulande haben sich – angesichts des Übergangs des BGH von einer auf den Gedanken des Mißbrauchs der juristischen Person gestützten Durchgriffslösung bei der Existenzvernichtungshaftung1059 zur Annahme einer auf § 826 BGB gestützten Innenhaftung1060, die keine echte Durchgriffshaftung darstellt1061 – die Gewichte jüngst zugunsten der seit langem im Schrifttum vertretenen1062 Normanwendungslösung verschoben1063. Eine (echte) Durchgriffshaftung im Sinne einer Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber Gläubigern ist in Deutschland – analog § 128 HGB – nach wie vor für Fälle der Vermögensvermischung anerkannt1064; weitere Fallgruppen haben sich in der Rechtsprechung bislang nicht durchsetzen können1065. Ob die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ausgestaltete Durchgriffshaftung bei einer EPG mit eingetragenem Sitz in diesem Staat zur Anwendung kommt, bestimmt sich danach, ob der EPG-VO-E insoweit das nationale Recht beruft.
den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2) oder die die Haftung des Geschäftsleiters oder leitenden Angestellten einer juristischen Person im Fall der Weiterverwendung des Firmennamens einer insolventen Gesellschaft durch eine neugegründete Gesellschaft (ss. 216, 217 IA) unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung behandelt (Davies, in: Davies, para. 9-17, S. 235). Eine Durchgriffshaftung in Form einer tatbestandlich geordneten Durchbrechung des Trennungsprinzips zu Lasten des Gesellschafters kennt das englische Recht dagegen nicht; vgl. Davies, in: Davies, para. 9-1, S. 211, para. 9-13, S. 226 f., para. 9-17, S. 235. 1057 Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 335. 1058 Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 335. 1059 BGH NJW 2002, 3024, 3025 f. 1060 BGH NJW 2007, 2689, 2690 ff. („Trihotel“); bestätigt in BGH NZG 2008, 187, 188. 1061 Vgl. den Text bei Fn. 1051, 1077 f. in Teil 3. 1062 Grundlegend Serick, S. 203 ff.; Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 542, 535 ff.; erstmals von Coing (NJW 1977, 1793, 1796) als Normanwendungstheorie bezeichnet; siehe auch Geißler, GmbHR 1993, 71, 72. 1063 Steffek, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, S. 335. 1064 Siehe BGH NJW 2006, 1344, 1345 f.; NJW 1994, 1801 f.; NJW 1986, 188. 1065 Insbesondere keine auf § 826 BGB gestützte Außenhaftung wegen materieller Unterkapitalisierung (offengelassen in BGH NJW 2008, 2437, 2439 f.; dafür etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rn. 142 ff.).
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II. Beispielhaft: Anwendbarkeit der deutschen Durchgriffshaftung auf die deutsche EPG Beispielhaft soll hier zunächst untersucht werden, ob die Durchgriffshaftung deutscher Prägung bei der EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland zur Anwendung kommt. 1. (Unechte) Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs In Anbetracht der vor kurzem geänderten Rechtsprechung des BGH zum sogenannten existenzvernichtenden Eingriff 1066 ist die Anwendung dieser Fallgruppe hier ausführlicher darzustellen. a) Anwendbarkeit kraft Sonderverweisung des EPG-VO-E Eine einschlägige Einzelverweisung ist dem EPG-VO-E nicht zu entnehmen1067. Jedoch kommt die Berufung des nationalen Rechts über eine Sonderverweisung in Gestalt der Bereichsverweisung1068 des Art. 40 III EPG-VO-E auf das Insolvenzrecht in Betracht. Dann müßte die deutsche Durchgriffshaftung insolvenzrechtlich zu qualifizieren sein. Deren internationalprivatrechtliche Qualifikation ist seit jeher umstritten. Während eine Ansicht diese tatsächlich als insolvenzrechtliches Institut einordnet1069, qualifizieren andere sie als gesellschaftsrechtlich1070. Auch eine deliktsrechtliche Qualifikation wird vertreten1071. Die letztgenannte Meinung er1066
Siehe den Text bei Fn. 1060 in Teil 3. Vgl. den Text bei Fn. 145 in Teil 3. 1068 Zu dieser Begrifflichkeit siehe den Text bei Fn. 161 in Teil 3. 1069 Roth, NZG 2003, 1081, 1085; dem zuneigend Weller, IPRax 2003, 207, 210; unklar, aber wohl ebenso Pfennig, S. 168; vgl. auch Kindler, in: MK BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 643 f. (Doppelqualifikation als insolvenz- und deliktsrechtlich). 1070 Eidenmüller, § 4 Rn. 21 (anders aber ders., ZIP 2002, 2233, 2242: Sonderanknüpfung und Substitution); Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 f.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088; Spindler/Berner, RIW 2004, 1, 11; Schumann, DB 2004, 743, 748 f. 1071 Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669 f. (mit einem schiefen Vergleich des Durchgriffs wegen Existenzvernichtung – die also der Gesellschaft die Möglichkeit nimmt, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen – mit dem strafrechtlichen Eingehungsbetrug: Bei letzterem knüpft der Vorwurf selbstverständlich bereits an die Eingehung der Verbindlichkeit trotz fehlender Zahlungsfähigkeit [oder -willigkeit] an, nicht aber an die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit wie bei der Existenzvernichtung); für eine deliktsrechtliche Qualifikation, indes ohne überzeugende Begründung, wohl auch Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1257; offen Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 f., der auch eine insolvenzrechtliche Qualifikation für möglich hält – insoweit 1067
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
hielt seit der Heranziehung des § 826 BGB als Rechtsgrundlage der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe durch die „Trihotel“-Entscheidung des BGH neuen Zulauf 1072. Dies begegnet unabhängig von der möglicherweise ohnehin kurzen Verfallszeit dieser Erkenntnis des II. Zivilsenats des BGH – der Spruchkörper änderte mit der „Trihotel“-Entscheidung sein Verständnis der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe zum siebten Mal in dreißig Jahren und zum fünften Mal unter Mitwirkung seines ehemaligen Vorsitzenden Goette1073 – Bedenken ebenso wie eine deliktsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung. Wie bereits erwähnt, stellt die Durchgriffshaftung eine Durchbrechung des Trennungsprinzips dar. Das Trennungsprinzip ist Ausdruck der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaft. Über die Rechtsfähigkeit herrscht das jeweilige Gesellschaftsstatut, für die GmbH gilt § 13 I GmbHG. Dies spricht dafür, die ausnahmsweise angeordnete Nichtbeachtung der Subjektqualität einer Gesellschaft ebenfalls dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen, die Durchgriffshaftung mithin gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren1074. Das gilt auch nach der „Trihotel“-Entscheidung, zumal diese die Ergänzungsfunktion der auf § 826 BGB gestützten Existenzvernichtungshaftung für die Haftung gemäß §§ 30 f. GmbHG betont1075. Letztere ist unzweifelhaft gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Auch ist schwer vorstellbar, daß eine solchermaßen auf die §§ 30 f. GmbHG zugeschnittene Existenzvernichtungshaftung ohne Brüche auf Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsform anwendbar ist1076. Eine Anwendung müßte aber bei einer delikts- oder insolvenzrechtlichen Qualifikation erfolgen. Zudem hebt der BGH hervor, daß es sich bei der neu begründeten Existenzvernichtungshaftung „im Gleichlauf“ mit §§ 30 f. GmbHG um eine Innenhaftung handelt1077. Gegen eine deliktsrechtliche Einordnung spricht gerade auch diese Konzeption als Innenhaftung1078: Das neue Konzept der Existenzvernichtungshaftung kennt mit der Gesellschaft nur einen möglichen Gläubiger, mit ihren Gesellschaffalsch zitiert bei Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1195 mit Fn. 97. Vgl. auch Kindler, in: MK BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 643 f.: Doppelqualifikation als insolvenz- und deliktsrechtlich. 1072 Siehe etwa Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1195. 1073 Siehe zunächst BGH NJW 1977, 1449; dann NJW 1986, 188; NJW 1989, 1800; NJW 1991, 3142; NJW 1993, 1200; NJW 2001, 3622; NJW 2002, 3024; und nun NJW 2007, 2689. 1074 So im Ergebnis auch BGH NJW-RR 2002, 1359, 1360; Kindler, in: MK BGB, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 632 f., 636; Spahlinger/Wegen, Rn. 332. 1075 BGH NJW 2007, 2689, 2691, 2692 f. 1076 Westpfahl/Goetker/Wilkens, Rn. 1271. 1077 BGH NJW 2007, 2689, 2691. 1078 So im Ergebnis auch Westpfahl/Goetker/Wilkens, Rn. 1271.
C. Reaktive Kapitalschutzinstrumente
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tern1079 nur eine regelmäßig eng umgrenzte Gruppe möglicher Schuldner. Damit hat sie mit typischen deliktsrechtlich zu qualifizierenden Haftungsnormen – die jeden begünstigen und jeden verpflichten können – noch weniger gemein als das vorherige Haftungskonzept. Dieses kannte mit den Gesellschaftsgläubigern einen größeren Kreis möglicher Inhaber eines Anspruchs aufgrund Existenzvernichtung. Neben dieser Abweichung auf der Tatbestandsseite spricht auch eine Abweichung auf der Rechtsfolgenseite gegen eine deliktsrechtliche Qualifikation. Während die gewöhnliche Haftung aus § 826 BGB den Schaden nach der Differenzhypothese (§ 249 I BGB) einschließlich des entgangenen Gewinns erfaßt (§ 252 BGB), spricht der BGH auf Rechtsfolgenseite von einem „Eingriffsausgleich“ 1080 und nimmt damit bei der Existenzvernichtungshaftung den entgangenen Gewinn anscheinend vom Anspruchsumfang aus1081. Einer insolvenzrechtlichen Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung ist entgegenzuhalten, daß dieses Haftungsinstitut die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht voraussetzt. Sie kommt vielmehr auch bei Masselosigkeit der GmbH in Betracht1082. Im Ergebnis ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der deutschen Durchgriffshaftung vorzunehmen1083. Sie kann deshalb für eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland über die Bereichsverweisung des Art. 40 III EPGVO-E auf das Insolvenzrecht nicht zur Anwendung kommen.
1079 Der BGH schließt zusätzlich die Gesellschafter einer Gesellschafterin der geschädigten GmbH jedenfalls dann ein, wenn sie einen beherrschenden Einfluß auf die geschädigte GmbH ausüben, BGH NJW 2007, 2689, 2693. 1080 BGH NJW 2007, 2689, 2692. 1081 Dafür spricht auch der vom BGH ins Feld geführte „Gleichlauf mit den gesellschaftsrechtlichen Schutznormen der §§ 30, 31 GmbHG“ (BGH NJW 2007, 2689, 2691), da § 31 I GmbH nur zur Erstattung des Geleisteten verpflichtet. Auch die Ablehnung einer „grundsätzlich unbeschränkte[n] Durchgriffs-Außenhaftung gegenüber den Gläubigern nach dem Vorbild einer Analogie zu § 128 HGB“ für existenzvernichtende Eingriffe (BGH NJW 2007, 2689, 2691 a. E.) weist in diese Richtung. – Der Satz „zudem steht die Schutzfunktion der deliktsrechtlichen Norm des § 826 BGB einer Schadensersatzbegrenzung entgegen“ (BGH NJW 2007, 2689, 2693) begründet nicht notwendig eine unbeschränkte Haftung, da dieser Satz sich auf die Frage der Subsidiarität der Existenzvernichtungshaftung bezieht. Die Äußerung, die Existenzvernichtungshaftung diene „der Schließung einer Schutzlücke für die durch den Eingriff veranlassten Schäden ,jenseits der Stammkapitalziffer‘, also insbesondere die weitergehenden so genannten Kollateralschäden als Folge des Eingriffs“ (BGH NJW 2007, 2689, 2693), schließt den Ersatz entgangenen Gewinns nicht ohne weiteres ein. 1082 Westpfahl/Goetker/Wilkens, Rn. 1272. 1083 So im Ergebnis auch Michalski/Funke, in: Michalski, § 13 Rn. 448; Lachmann, Rn. 592; wohl auch Gehrlein, WM 2008, 761, 769; offen Westpfahl/Goetker/Wilkens, Rn. 1270 ff. So vor „Trihotel“ (BGH NJW 2007, 2689) bereits Kegel/Schurig, § 17 II 2, S. 578.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
b) Anwendbarkeit kraft Allgemeinverweisung des EPG-VO-E Nach der Verweisungstechnik des EPG-VO-E1084 bleibt damit nur die Allgemeinverweisung des Art. 4 II, um die deutsche Existenzvernichtungshaftung für eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland zur Anwendung zu bringen. Das setzt voraus, daß die Rechtsfigur der Existenzvernichtungshaftung weder von dem EPG-VO-E selbst, noch von den Regelungsaufträgen des Anhangs I erfaßt wird. Art. 3 I Buchst. c EPG-VO-E bestimmt, daß die EPG juristische Person ist. Zur Existenzvernichtungshaftung ist dem EPG-VO-E nichts zu entnehmen. Jedoch regelt Art. 3 I Buchst. b, daß die Gesellschafter der EPG „nur bis zur Höhe des Kapitals [haften], das sie gezeichnet haben oder zu dessen Zeichnung sie sich bereiterklärt haben“. Damit regelt der EPG-VO-E sowohl die Rechtspersönlichkeit der EPG, als auch das Trennungsprinzip ausdrücklich. Eine wie auch immer geartete Durchbrechung des Trennungsprinzips – wobei es sich bei der Existenzvernichtungshaftung immerhin im Ergebnis handelt1085 – sieht der EPG-VO-E dagegen nicht vor. Dagegen ordnet der EPG-VO-E ausdrücklich eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft an1086 und verweist für die Ausgestaltung der Haftung auf das Recht der Mitgliedstaaten1087. In Anbetracht dessen erscheint die im EPG-VO-E fehlende Regelung einer Durchgriffshaftung zu Lasten des Gesellschafters als beredtes Schweigen; der EPGVO-E ist insoweit als abschließend zu betrachten. Der letztgenannte Gesichtspunkt ist damit nicht i. S. v. Art 4 II „nicht durch die Artikel oder durch Anhang I dieser Verordnung abgedeckt“. Im Ergebnis kommt die Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung auf eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland nicht zur Anwendung. 2. (Echte) Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung Auch die deutsche Haftung wegen Vermögensvermischung ist auf eine EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland nicht anwendbar. Insoweit enthält der EPG-VO-E ebenfalls keine Sonderverweisung in Gestalt einer Einzelverweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten. Die Sonderverweisung in Form der Bereichsverweisung des Art. 40 III EPG-VO-E auf das Insolvenzrecht greift ebensowenig ein: Auch die deutsche Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung ist gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Das legt bereits ihre Anlehnung an § 128 HGB nahe, eine Norm des materiellen Gesellschaftsrechts. Zudem handelt es sich bei der Haftung des Gesellschafters für Ge1084 1085 1086 1087
Zu dieser siehe den Text bei Fn. 136 ff. in Teil 3. Vgl. den Text bei Fn. 1049 ff. in Teil 3. Art. 31 IV EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 281 ff. in Teil 3. Art. 31 V EPG-VO-E; siehe bereits den Text bei Fn. 290 in Teil 3.
D. Folgerungen de lege ferenda
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sellschaftsverbindlichkeiten wegen Vermögensvermischung um eine geradezu prototypische Durchbrechung des dem Gesellschaftsstatut zu entnehmenden Trennungsprinzips. Die Allgemeinverweisung des Art. 4 II EPG-VO-E auf das nationale Recht ist wiederum nicht einschlägig. Der bereits erwähnte Art. 3 I Buchst. b regelt ausdrücklich, daß die Gesellschafter der EPG „nur bis zur Höhe des Kapitals [haften], das sie gezeichnet haben oder zu dessen Zeichnung sie sich bereiterklärt haben“. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes sieht der EPG-VO-E nicht vor; der Verordnungsentwurf ist hier, wie eben dargelegt, als abschließend zu betrachten.
D. Folgerungen de lege ferenda Grundsätzlich kommen drei Lösungsansätze in Betracht, um das Spannungsfeld zwischen den nationalen Rechnungslegungsregeln, dem Gesellschaftsrecht der EPG und den Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten abzubauen. Denkbar wäre zunächst eine Zurücknahme der Regelungsdichte des EPG-VO-E; dieser könnte auf wenige Rahmenbestimmungen beschränkt und ansonsten das Recht der Mitgliedstaaten zur Anwendung gebracht werden (dazu unter I.). Ein zweiter Lösungsansatz läge darin, die Regelungsdichte des EPG-VO-E im wesentlichen beizubehalten, dafür aber die Kapitalrichtlinie zu überarbeiten und diese auch auf kleine Kapitalgesellschaften anzuwenden (unter II.). Schließlich könnte die Regelungsdichte des EPG-VO-E erhöht werden, indem dieser umfassend um ausgewogene Regelungen zum Kapitalschutz ergänzt würde (unten III.).
I. Beschränkung des EPG-VO-E auf Rahmenregeln? Eine erste Möglichkeit besteht darin, die EPG-VO (jedenfalls) im Hinblick auf den Kapitalschutz auf wenige Rahmenbestimmungen zu beschränken und ansonsten das Recht der Mitgliedstaaten zur Anwendung zu bringen. Das entspricht dem Regelungsansatz der SE-VO. Diese verweist „für das Kapital der SE, dessen Erhaltung und dessen Änderungen“ 1088 auf das nationale Recht. Für diesen Ansatz spricht, daß die erheblichen Schutzlücken des EPG-VO-E insbesondere aus der fehlenden Abstimmung der Kapitalschutzinstrumente mit den nationalen Rechnungslegungsregeln und den Insolvenzrechten der Mitgliedstaaten entstehen. Die historisch gewachsenen nationalen Kapitalschutzinstrumente aber sind gerade auf die nationalen Rechnungslegungsregeln und das nationale Insolvenzrecht zugeschnitten. Gegen diese Herangehensweise ist indes einzuwenden, daß sie eine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit kleiner und mittlerer Unterneh1088 Art. 5 SE-VO, vorbehaltlich des Mindestkapitals mit einem erhöhten Mindestbetrag von 120.000 A, Art. 4 I, 2 i.V. m. Art. 5 SE-VO.
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Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
men nur unwesentlich erleichtern dürfte. Letztlich entstünden bei einer derartigen Beschränkung der EPG-VO immerhin 27 unterschiedliche Rechtsformen.
II. Punktuelle Änderungen des EPG-VO-E und Ergänzung der Kapitalrichtlinie? Eine weitere Möglichkeit, den erheblichen Schutzlücken des EPG-VO-E zu begegnen, bestünde in punktuellen Änderungen des EPG-VO-E – etwa der Regelung einer Mindesteinzahlung entgegen Art. 19 III EPG-VO-E – unter gleichzeitiger Überarbeitung der Kapitalrichtlinie. Deren Anwendungsbereich wäre zunächst durch Aufnahme der jeweiligen kleinen Kapitalgesellschaft des nationalen Rechts, wie der GmbH, Limited, S.L., BV oder S. à r. l., in Art. 1 I der Kapitalrichtlinie zu erweitern. Dies hatte die Kommission mit Recht zunächst selbst erwogen1089: Die von der Kapitalrichtlinie erfaßten Regelungsgegenstände betreffen alle Kapitalgesellschaftsformen; die Verbindlichkeit der Richtlinie allein für die nationalen Aktiengesellschaften erscheint daher unbefriedigend1090. Sie ist letztlich auch kaum praktikabel. Dies zeigt gerade die im englischen Recht oftmals (formal) erfolgte überschießende Umsetzung der Kapitalrichtlinie auch für die Limited als kleiner Kapitalgesellschaft1091. Zudem führte die Beschränkung der Kapitalrichtlinie auf die jeweilige Aktiengesellschaft etwa in Italien zur Umgehung der Richtlinie durch die Abspaltung einer neuen, der jeweiligen Aktiengesellschaft ähnlichen, aber nicht von Art. 1 I der Kapitalrichtlinie erfaßten Rechtsform1092. In einem weiteren Schritt bedürfte es inhaltlicher Anpassungen. Dazu zählt etwa eine Ergänzung des Art. 15 I Buchst. a, c der Kapitalrichtlinie um eine Ausschüttungssperre für „Gewinne“, die auf nicht nachhaltigen Erträgen aus einer „fair value“-Bewertung fußen, sowie eine gegenüber Art. 16 der Kapitalrichtlinie1093 verschärfte Haftung der Gesellschafter auf Rückgewähr verbotener Ausschüttungen1094. Durch eine Überarbeitung der Kapitalrichtlinie wären die Mit-
1089 European Commission, Completing the Internal Market: White Paper from the Commission to the European Council (Milan, 28–29 June 1985), Com/85/0310 final, mn. 140. 1090 Habersack, § 55 Rn. 7. 1091 Siehe den Text bei Fn. 255 f., 484 ff. in Teil 2. 1092 Hier wurde die Società a responsabilità limitata (S.r.l.) nach über 60 Jahren zum 01.01.2004 gegenüber der società per azioni (S.p.a.), der von Art. 1 I der Kapitalrichtlinie erfaßten italienischen Aktiengesellschaft, verselbständigt (Lutter, GmbHR 2005, 1, 3). 1093 Dieser setzt für eine Rückgewährpflicht voraus, daß dem Gesellschafter „die Unzulässigkeit der an sie erfolgten Ausschüttung bekannt war oder sie darüber nach den Umständen nicht in Unkenntnis sein konnt[e]“. 1094 Zu weiteren erforderlichen Änderungen siehe den Text bei Fn. 1103 ff. in Teil 3.
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gliedstaaten gezwungen, ihr jeweiliges Gesellschaftsrecht an die Vorgaben der Richtlinie anzupassen; den Mitgliedstaaten bliebe indes die Wahl der Form und der Mittel überlassen1095. Dies ermöglichte eine paßgenaue Ergänzung der nationalen Gesellschaftsrechte unter Berücksichtigung der Interdependenzen der jeweiligen Rechnungslegungsbestimmungen, der Kapitalschutzregeln und des Insolvenzrechts. Diese Anpassungen der nationalen Gesellschaftsrechte schlössen über die Einzelverweisungen und die Allgemeinverweisung des EPG-VO-E (auch) die bei der EPG bestehenden Schutzlücken. Indes dürfte gerade dies der politischen Umsetzbarkeit eines solchen Unterfangens entgegenstehen. Würden die Kapitalschutzbestimmungen auch der jeweiligen kleinen Kapitalgesellschaft der Mitgliedstaaten über eine Erweiterung der Kapitalrichtlinie vereinheitlicht, verlören insbesondere Rechtsformen mit einseitig gläubigerfreundlichen Kapitalschutzregeln wie die Limited1096 die bei ihr insbesondere aus Sicht von Unternehmensgründern bestehenden Vorteile1097 im sogenannten Wettbewerb der Rechtsformen1098. Überdies mißachtet die englische Rechtspraxis die Kapitalrichtlinie bereits seit Jahren. Die ihnen unterliegenden Public Limited Companies schütten – entgegen Art. 15 I Buchst. c der Kapitalrichtlinie, der auf „Gewinne“ abstellt, bei denen es sich ausweislich der Art. 31 I Buchst. c Buchst. aa und Art. 33 II Buchst. c der 4. Richtlinie um „realisierte“ Gewinne handeln muß, die gemäß Art. 31 I Buchst. c „vorsichtig“ zu ermitteln sind – systematisch auch nicht nachhaltige bloße Bucherträge aus1099. Es verwundert daher, daß bislang noch kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien eingeleitet wurde. Gleichwohl wird im englischen Schrifttum anstelle einer Anpassung der Praxis an geltendes Recht allen Ernstes die Anpassung des geltenden Rechts an die Praxis gefordert1100. Unter diesen Voraussetzungen dürfte eine Verschärfung der Kapitalrichtlinie politisch kaum durchsetzbar sein1101. Außerdem schüfe auch die Überarbeitung der Kapitalrichtlinie unter unverändertem Fortbestehen der zahlreichen Einzelverweisungen und der Allgemeinverweisung des EPG-VO-E letztlich 27 unterschiedliche Formen der EPG. Dies liefe dem Zweck des EPG-VO-E zuwider, kleinen und mittleren Unternehmen eine möglichst einheitliche Rechtsform bereitzustellen1102. Daher erscheinen nur punktuelle Änderungen des EPG-VO-E bei gleichzeitiger Überarbeitung der Kapitalrichtlinie nicht zielführend. 1095
Art. 288 III AEUV. Siehe den Text bei Fn. 1788 ff. in Teil 2. 1097 Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 169. 1098 Vgl. etwa Leuering, ZRP 2006, 201. 1099 Siehe den Text bei Fn. 1809 ff. in Teil 2. 1100 Vgl. Ferran, ECFR 2006, 178, 212 f. 1101 Zu dem einzuhaltenden Verfahren und den erforderlichen Mehrheiten siehe Artt. 294, 289 I AEUV. 1102 Vgl. Erwägungsgründe 1–3 des EPG-VO-E. 1096
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III. Ergänzung der Kapitalschutzregeln des EPG-VO-E Schließlich kommt in Betracht, den EPG-VO-E umfassend zu ergänzen und ggf. Änderungen in benachbarten Rechtsgebieten vorzunehmen. Zur Schließung der Schutzlücken der Kapitalschutzregeln des EPG-VO-E bedürfte es einer Vielzahl von Änderungen. 1. Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag? Das der EPG fehlende Mindestnennkapital mit erhöhtem Mindestbetrag wirkt sich für ihre Gläubiger nachteilig aus1103. Indes erscheint zweifelhaft, ob das unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes wünschenswerte Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag politisch durchsetzbar ist. Die Europäische Kommission betrachtet den Verzicht auf ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag als wesentliches Merkmal der Rechtsform der EPG1104. Auch das Europäische Parlament verlangt entgegen früherer Forderungen1105 für die EPG kein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag mehr, sofern nur die Geschäftsleitung vor einer Ausschüttung eine Solvenzerklärung abgibt1106. Ob die Bundesregierung sich im Rat einem Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag widersetzen wird, erscheint fraglich; sie hat zuletzt durch das MoMiG mit der UG eine Sonderform der GmbH geschaffen, die zumindest in der ersten Zeit ihres Bestehens ohne ein Nennkapital mit erhöhtem Mindestbetrag auskommt1107. Zudem dürften die beteiligten Kreise den Standpunkt einnehmen, daß die EPG Gründer vor allem dann anziehen wird, wenn sie – wie die Limited – kein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag aufweist – und deshalb dazu neigen, auf ein solches Erfordernis zu verzichten. Vor diesem Hintergrund sollte dem (auch) insoweit lückenhaften institutionellen Gläubigerschutz des EPG-VO-E im Hinblick auf das Mindestkapital zumindest durch eine Stärkung des informationellen Gläubigerschutzes begegnet werden. Ist kein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag vorgeschrieben, dann hat der Rechtsverkehr ein verstärktes Interesse daran1108, Angaben zur Kapitalisierung der einzelnen EPG zu erhalten. Dabei bietet sich vor allem eine Pflicht zur Angabe des Nennkapitals1109 auf Geschäftsbriefen, Bestellscheinen und den 1103
Siehe den Text bei Fn. 467 ff. in Teil 3. Begründung des EPG-VO-E, S. 8; vgl. auch Erwägungsgrund 11 des EPG-VO-E. 1105 Siehe den Text bei Fn. 466 in Teil 3. 1106 Siehe den Text bei Fn. 460 ff. in Teil 3. 1107 § 5a I, III, GmbHG; zum mißratenen Begriff siehe Fn. 20 in Teil 1. 1108 Stärker als etwa bei der GmbH, die ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag aufweist. 1109 Der Angabe des eingezahlten Kapitals bedürfte es nicht, da dieses voll einzuzahlen sein sollte, siehe den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 3. 1104
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Netzseiten der EPG an1110. Diese Medien müssen nach dem EPG-VO-E lediglich die Firma, die Anschrift des eingetragenen Sitzes1111 sowie die Registernummer und das Register, in das die EPG eingetragen ist, ausweisen1112; die Angabe des Nennkapitals auf Geschäftsbriefen und den Netzseiten ist freiwillig1113. Durch den verpflichtenden zusätzlichen Hinweis auf das Nennkapital könnten (potentielle) Gläubiger mit einem Blick eine für ihren Schutz vor einem Forderungsausfall nicht unerhebliche1114 Größe erfassen und ihr Verhalten danach ausrichten1115. Der umständliche und kostenträchtige Umweg über eine Auskunft des zuständigen Registers1116, der im Massengeschäft kaum praktikabel ist, bliebe ihnen erspart. Dies begründete eine von den Apologeten eines Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag herbeigeredete Möglichkeit des Selbstschutzes (rechtsgeschäftlicher) Kleingläubiger1117 erst bzw. vereinfachte diese deutlich. Für die EPG oder ihre Gesellschafter bedeutete eine Pflicht zur Angabe des Nennkapitals auch keine wesentliche Belastung. Wer sich also gegen diese, allen (rechtsgeschäftlichen) Gläubigern unabhängig von ihrer Verhandlungsmacht zukommende Transparenz ausspricht, gerät in den Verdacht, den Gläubigerschutz hintanstellen zu wollen.
1110 Diese Angabe ist bei der GmbH freiwillig, § 35a I 2 GmbHG (vgl. Art. 4 Unterabs. 2, 3 der Publizitätsrichtlinie). 1111 Art. 11 II Buchst. b EPG-VO-E. Ggf. bedarf es zusätzlich des Hinweises, daß sich die Gesellschaft in Auflösung befindet, ebd. 1112 Das ist dem mißratenen Satz „die Informationen, die zur Feststellung des in Artikel 9 genannten Registers sowie der Registernummer der SPE erforderlich sind“, zu entnehmen, wie der Vergleich mit der englischen Fassung des EPG-VO-E („with the number of entry of the SPE in that register“) zeigt. Dies geht auch aus Art. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Publizitätsrichtlinie hervor („die notwendigen Angaben zur Identifizierung des Registers, . . . sowie die Nummer der Eintragung der Gesellschaft in dieses Register“), der Art. 11 II EPG-VO-E zugrunde liegt und offensichtlich falsch abgeschrieben wurde (alle Hervorh. von mir). 1113 Vgl. Art. 4 Unterabs. 2, 3 der Publizitätsrichtlinie. 1114 Siehe den Text bei Fn. 467 ff. in Teil 3. 1115 Etwa von einem Geschäft Abstand nehmen oder Sicherheiten fordern. 1116 So kostet etwa ein Auszug aus einem deutschen Handelsregister mindestens 4,50 A (Stand 31.08.2011). 1117 Bezeichnend plump Dähnert, (2009) 2 Comp. Law., 34, 39: „Apparently, there is a correlation between a creditor’s market power and size and the level of security . . . However, the very point is that, although such a correlation exists, all voluntary creditors are able to protect themselves to a sufficient extent. This view is supported by the very fact that some British scholars do not even really take voluntary creditors into consideration when analysing whether minimum capital rules might be necessary to protect particular economic actors.“
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2. Kapitalaufbringungsregeln a) Einzahlungspflicht Im Hinblick auf die Kapitalaufbringung erscheint zunächst – wie bei der GmbH1118 – die Verankerung einer Pflicht zur Einlageleistung bereits im Rahmen der Gründung der EPG sinnvoll. Ohne eine solche Pflicht können etwa vermögenslose Gesellschafter das Nennkapital irreführend hoch festsetzen, ohne daß die künftigen Gläubiger der Gesellschaft jemals Aussicht auf die Leistung der ausstehenden Einlage an die (insolvente) Gesellschaft hätten. Weiter weist eine solche Pflicht zur Einlageleistung eine gewisse Warnfunktion für die Gesellschafter auf, da diese gleich mit der Gründung der Gesellschaft einen finanziellen Beitrag zu leisten haben. Zudem erhält die EPG auf diese Weise immerhin ein Mindestmaß an Liquidität1119. Bei einem Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag ist es nur folgerichtig, die Gesellschafter, anders als bei der GmbH1120, von vornherein zur Leistung ihrer gesamten Einlagen zu verpflichten. Denn die Gesellschafter haben es – anders als bei der GmbH mit ihrem Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag – selbst in der Hand, über die Festlegung des Nennkapitals den Umfang ihrer Einzahlungsverpflichtung zu bestimmen. Die Erfüllung der Einzahlungsverpflichtung ist – wie bei der GmbH1121 – als Voraussetzung der Eintragung der EPG auszugestalten. Dies erscheint als wirksamste Absicherung der Befolgung der Einzahlungsverpflichtung, da die Gesellschafter ein ausgeprägtes Eigeninteresse an der Erlangung der Haftungsbeschränkung haben. b) Sacheinlagen aa) Werthaltigkeitsnachweis Für den Fall, daß Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, sollte – wie bei der GmbH1122 – eine Pflicht zur Erstellung eines Sachgründungsberichts vorgesehen werden. Dieser sollte bei der Anmeldung der EPG ebenso zum zuständigen Register eingereicht werden müssen wie Nachweise darüber, daß der Wert der Sacheinlage den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreicht1123.
1118
§ 7 II 2 GmbHG. Vgl. zur GmbH Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 7 Rn. 6. 1120 Hier ist insgesamt die Hälfte der Einlagen vor Eintragung der Gesellschaft zu erbringen, § 7 II GmbHG. 1121 § 7 II GmbHG. 1122 § 5 IV 2 GmbHG. 1123 § 8 I Nr. 5 GmbHG. 1119
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Andernfalls könnten Geschäftsanteile der EPG bei Vereinbarung einer Sacheinlage praktisch beliebig unter dem Nennwert ausgegeben werden1124, wie dies bei der Limited der Fall ist1125. Das ist bei einem Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag ebenso bedenklich wie bei einem Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag: Sämtliche Kapitalerhaltungsregeln zielen offensichtlich ins Leere, wenn bereits die Kapitalaufbringung nicht hinreichend gesichert ist. Der Erhaltung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft aber wird nach wie vor größte Bedeutung beigemessen1126. Weiter wird durch eine derartige Umgehungsmöglichkeit der Rechtsverkehr irregeleitet. Durch die Festsetzung eines über den Mindestbetrag von 1 A hinausreichenden Nennkapitals drücken die Gesellschafter aus, daß sie zur Erbringung eines höheren Eigenbetrags willens und in der Lage sind. Dies vermittelt dem Rechtsverkehr einerseits, daß die Gesellschafter an das Geschäftsmodell ihrer EPG glauben1127, und andererseits, daß der Gesellschaft tatsächlich entsprechende Werte zugeflossen sind – bzw., je nach Ausgestaltung der Einzahlungsverpflichtung, zufließen werden. Zudem würde durch eine derart einfache Möglichkeit zur Umgehung einer Sacheinlagepflicht die aus Sicht der Gründer sinnvolle1128 Sacheinlage und mehr noch die EPG als solche im Rechtsverkehr diskreditiert. Schließlich ist bei einem Mindestkapital ohne erhöhten Mindestbetrag – bei dem also die Gesellschafter selbst über den Umfang ihrer Einlageverpflichtung entscheiden – erst recht zu fordern, daß die Gesellschafter wenigstens diese Einlageverpflichtung gleich zu Anfang vollständig erfüllen. bb) Sacheinlagefähigkeit von Dienstleistungen Die EPG-Verordnung sollte ausdrücklich regeln, daß Dienstleistungen – wie bei der GmbH1129 – nicht als Sacheinlage vereinbart werden können, auch wenn die Einlagefähigkeit von Dienstleistungen bereits nach dem EPG-VO-E sehr zweifelhaft ist. Diese von der Limited bekannte Möglichkeit, die eine einfache 1124
Auch als „Unterpari-Emission“ bezeichnet. Siehe den Text bei Fn. 174 f. in Teil 2. 1126 Vgl. Köhler/Marten/Schlereth, DB 2007, 2729, 2731, die die Leiter des Rechnungswesens von 161 GmbHs und AGs danach befragt haben, welche Regelungen des institutionellen Gläubigerschutzes aus ihrer Sicht die größte Bedeutung haben. Das Verbot der Einlagenrückgewähr wurde dabei als wichtigstes von acht Instrumenten bezeichnet. 1127 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435 (zur GmbH). 1128 Sie ermöglicht bei knapper Liquidität erst die wirtschaftliche Betätigung in Form einer haftungsbeschränkten Gesellschaft, vgl. Zeidler, in: Michalski, § 5 Rn. 45. 1129 Zuletzt BGH NJW 2009, 2375, 2376. Im Fall einer „verdeckten Sacheinlage“ durch Dienstleistungen besteht daher keine Verpflichtung des Gesellschafters zur Leistung seiner Bareinlage gemäß § 19 IV GmbHG oder unter dem Gesichtspunkt eines „Hin- und Herzahlens“ gemäß § 19 V GmbHG (ebd., S. 2377), sondern allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer (vgl. Theusinger/ Liese, NZG 2009, 641, 644). 1125
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Umgehung des Verbots der Anteilsausgabe unter dem Nennwert ermöglicht1130, gefährdet die reale Kapitalaufbringung in der EPG ganz erheblich. Zunächst ist die Erbringung der Dienstleistungen der Gesellschafter etwa einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland wegen §§ 887 I, II, 888 III ZPO nicht ohne weiteres vollstreckbar. Zudem droht selbst im Fall der hier geforderten Eintragungsvoraussetzung eines Sachgründungsberichts1131 ständig eine Überbewertung der vereinbarten Einlagen. Einerseits macht die objektive Bewertung von Dienstleistungen erhebliche Schwierigkeiten, gerade wenn die Gesellschafter wie nicht selten die Leistung von Diensten höherer Art i. S. d. § 627 I BGB1132 vereinbaren, für die sich ein Marktwert nicht ohne weiteres ermitteln läßt. Andererseits eröffnet sich im Hinblick darauf unlauteren Gründern ein erhebliches Mißbrauchspotential. Schließlich verträgt sich eine Einlagefähigkeit von Dienstleistungen nicht mit der hier geforderten Verpflichtung zur Leistung der vollständigen Einlage vor Eintragung der EPG1133, da Dienste regelmäßig über einen gewissen Zeitraum erbracht werden. c) Differenzhaftung Die Verordnung sollte für den Fall, daß eine vereinbarte Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft nicht den Nennwert der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht, wie bei der GmbH1134 eine Differenzhaftung des Gesellschafters vorsehen. Denn der EPG-VO-E verweist im Hinblick auf die Verpflichtung zur Einlageleistung nahezu vollständig auf das Recht der Mitgliedstaaten1135. Dieses enthält (auch) insoweit sehr unterschiedliche Regelungen, deren praktische Handhabung sich zusätzlich stark unterscheidet. So besteht etwa in England bei einer minderwertigen Sacheinlage nach dem Common Law zwar eine Haftung des Gesellschafters sogar auf den gesamten Nennbetrag des Geschäftsanteils1136. Diese Haftung ist allerdings praktisch gegenstandslos, da die englischen Gerichte schon eine Überprüfung des Werts der erbrachten Sacheinlagen nur äußerst zurückhaltend vornehmen1137. Ohne eine effiziente Differenzhaftung für minderwertige Sacheinlagen könnte das Verbot der Anteilsausgabe 1130
Siehe den Text bei Fn. 174 f. in Teil 2. Siehe soeben den Text bei Fn. 1122 ff. in Teil 3. 1132 Dazu zählen Dienste, „die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung und eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzen“ (Müller-Glöge, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, § 627 BGB Rn. 4). 1133 Siehe den Text bei Fn. 1118 ff. in Teil 3. 1134 § 9 I 1 GmbHG. 1135 Art. 20 III EPG-VO-E. Zu dem überschaubaren Regelungsgehalt des Art. 20 II EPG-VO-E siehe bereits Fn. 147. 1136 Siehe den Text bei Fn. 157 in Teil 2. 1137 Siehe den Text bei Fn. 152 ff. in Teil 2. 1131
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unter dem Nennwert, wie im Recht der Limited1138, unschwer umgangen werden. Dann aber liefen die Kapitalaufbringungsregeln der EPG – und damit auch die Kapitalerhaltungsregeln – letztlich leer. d) Schuldübernahme durch die EPG Die im EPG-VO-E vorgesehene Möglichkeit der befreienden Schuldübernahme durch die Gesellschaft zugunsten derjenigen, die im Gründungsstadium für die EPG gehandelt haben1139, sollte erheblich beschränkt werden. Durch die bisherige Regelung drohen eine frühzeitige Überschuldung der EPG sowie Mißbräuche der Rechtsform. Das gilt unabhängig davon, daß der EPG-VO-E keine ipso iure eintretende Rechtsnachfolge der EPG (auch) in Verbindlichkeiten einer Vorgesellschaft vorsieht, weil der EPG-VO-E entgegen dem etwa im deutschen Recht erreichten Erkenntnisstand keine Vorgesellschaft vorsieht1140. Die in Art. 12 EPG-VO-E nach Eintragung der Gesellschaft vorgesehene Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übernahme von Verbindlichkeiten durch die Gesellschaft führt zur gleichen Gefährdungslage. Diese tritt lediglich auf anderem Wege1141 und wenigstens eine logische Sekunde später1142 ein. Auch eine Schuldübernahme durch die EPG kann frühzeitig deren Überschuldung hervorrufen oder dafür mitursächlich werden. Die Gefahr wächst noch durch die Ausgestaltung von Art. 12 S. 1 EPGVO-E, weil dieser noch nicht einmal die verpflichtende Übertragung auch der Ansprüche gegen Dritte auf die EPG vorsieht1143. Die EPG kann also mit Verbindlichkeiten beladen werden, ohne ihr auch Vermögenswerte zu übertragen. So ist es nach dem Wortlaut von Art. 12 S. 1 EPG-VO-E möglich, daß die Handelnden – bezogen auf ein und denselben gegenseitigen Vertrag – den Anspruch auf Auszahlung eines „im Namen der EPG“ vereinbarten Darlehens behalten und der EPG nur die Rückzahlungsverpflichtung übertragen. Dies begründet eine erhebliche Gefahr von Forderungsausfällen, zumal die persönliche Haftung der Handelnden bereits mit der Schuldübernahme erlischt1144 und dem EPG-VO-E eine Vorbelastungshaftung der Gesellschafter unbekannt ist1145. 1138
Siehe den Text bei Fn. 158 in Teil 2. Siehe dazu bereits den Text bei Fn. 590 in Teil 3. 1140 Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3. 1141 Also durch rechtsgeschäftlich bedingte Einzelrechtsnachfolge statt durch ipso iure eintretende Gesamtrechtsnachfolge wie bei der GmbH. 1142 Also nicht bereits mit Eintragung der EPG (wie etwa bei der GmbH), sondern, weil hierfür das Rechtssubjekt bereits vorhanden sein muß, wenigstens eine logische Sekunde nach Eintragung der EPG – etwa aufschiebend bedingt durch ihre Eintragung. 1143 Siehe den Text bei Fn. 590 ff. in Teil 3. 1144 Arg. e contrario Art. 12 S. 2 EPG-VO-E. 1145 Vgl. den Text bei Fn. 590 ff. in Teil 3. 1139
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Art. 12 EPG-VO-E könnte auch für sogenannte Firmenbestattungen mißbraucht werden. Sein Wortlaut beschränkt den Begriff des Handelnden nicht auf natürliche Personen. In Art. 12 S. 1 EPG-VO-E ist lediglich allgemein die Rede von „Handlungen“, die „vor der Eintragung einer SPE in ihrem Namen . . . ausgeführt“ wurden. Art. 12 S. 2 EPG-VO-E spricht allgemein von „Personen, die die Handlungen ausgeführt haben“. Damit sind neben natürlichen auch juristische Personen erfaßt, wie auch Art. 3 I Buchst. e EPG-VO-E zeigt, wonach Gründungsgesellschafter der EPG „ein[e] oder mehrer[e] natürlich[e] und/oder juristisch[e] Personen“ sein können. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, daß eine überschuldete deutsche GmbH zunächst eine Tochtergesellschaft in Form einer EPG gründet, deren eingetragener Sitz – und damit vermuteter Verwaltungssitz1146 – sich in einem Mitgliedstaat mit dann anwendbaren1147 unzureichenden gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Haftungsregeln (etwa England)1148 befindet. Nach Eintragung der EPG können dieser alle Verbindlichkeiten übertragen werden, sofern diese nur „in ihrem Namen“ begründet wurden. So könnte die Obergesellschaft als Gründungsgesellschafterin etwa die Mittel aus der Auszahlung eines im Namen der EPG geschlossenen Darlehensvertrags abziehen und die Rückzahlungsverpflichtung sodann auf die EPG übertragen1149. Mit den Mitteln könnte die Überschuldung der GmbH beseitigt und diese dann außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgelöst werden. Die überschuldete EPG wäre nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates abzuwickeln, und ihren Gläubigern drohten Forderungsausfälle. Fraglich ist, wie diese krassen konzeptionellen Fehler des EPG-VO-E beseitigt werden können. Zunächst kommt eine Beschränkung der Zulässigkeit der Schuldübernahme auf solche Verbindlichkeiten in Betracht, die als Gründungskosten erscheinen – ähnlich dem Übergang ipso iure unter Geltung des früheren Vorbelastungsverbots der GmbH1150. Jedoch ist diese Möglichkeit wegen stetiger Abgrenzungsschwierigkeiten mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Ein weiter denkbares Erfordernis der Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers zum Schuldnerwechsel1151 ist einerseits kaum praktikabel. Andererseits würde es das wirtschaftlich bezweckte Einrücken der EPG in die Stellung einer Vertragspartei der unter ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte letztlich ausschließen: Daß ein Gläubiger dem Entfall der persönlichen Haftung der Handelnden ohne 1146
Art. 3 I 2 EuInsVO; siehe den Text bei Fn. 369 ff. in Teil 3. Artt. 4 I, 3 I 1 EuInsVO; siehe den Text bei Fn. 374 f. in Teil 3. 1148 Siehe den Text bei Fn. 1788 ff. in Teil 2. 1149 Zwar kommt eine auf Verlangen etwa der darlehensgewährenden Bank vereinbarte Mithaftung Dritter für die Darlehensverbindlichkeit in Betracht. Ob solche Forderungen allerdings im Einzelfall durchsetzbar sind, gerade in einem anderen Mitgliedstaat und gegen möglicherweise vermögenslose Personen, ist zumindest unsicher. 1150 Dazu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rn. 59. 1151 So wohl Krejci, Rn. 294. 1147
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Gegenleistung zustimmt, ist nicht zu erwarten. Auch die Möglichkeit, anstelle einer Vertragsübernahme einen bloßen Beitritt der EPG zu den von den Handelnden geschlossenen Verträgen vorzusehen1152, der eine gesamtschuldnerische Haftung der Handelnden und der Gesellschaft zur Folge hätte, überzeugt nicht. Einerseits wäre damit im Hinblick auf die Ansprüche gegen Dritte etwa bei der EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland regelmäßig eine unpraktikable Gesamtgläubigerstellung von Handelnden und Gesellschaft verbunden, vermöge derer jeder Schuldner nur an alle Gläubiger leisten dürfte1153. Andererseits müßte den Handelnden, an deren Stelle wirtschaftlich ja die EPG treten soll, für den Fall ihrer Inanspruchnahme im Innenverhältnis wohl ein Freistellungsanspruch gegen die EPG gewährt werden. Dieser müßte dann jedoch nachrangig sein, um nicht die den außenstehenden Gläubigern der Gesellschaft zur Verfügung stehende Haftungsmasse zu schmälern. Auch dies erscheint kaum praktikabel. Vorzugswürdig erscheinen zwei Maßnahmen. Zunächst sollten immer, wenn die EPG Rechtspositionen der Handelnden übernehmen soll, zwingend alle Ansprüche der Handelnden auf die EPG übergehen, um letztere nicht einseitig mit den Verbindlichkeiten zu belasten. Dies dürfte am einfachsten durch den Ausschluß einer Einzelrechtsnachfolge in diesem Zusammenhang zu gewährleisten sein. Die Verordnung müßte hierzu für den Fall, daß die EPG in Rechtspositionen der Handelnden einrücken soll, stets eine rechtsgeschäftliche Gesamtrechtsnachfolge anordnen. Zweitens sollte die Rechtmäßigkeit dieser Gesamtrechtsnachfolge durch die gegenwärtige und zukünftige Solvenz der EPG bedingt sein. Das läßt sich indes nicht dadurch umsetzen, daß man die entsprechende Vereinbarung als Ausschüttung versteht und deren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unterwirft1154: Die mit der Gesamtrechtsnachfolge einhergehende Befreiung der Handenden von ihrer persönlichen Haftung kann von vornherein nur dann eine Ausschüttung darstellen, wenn die zukünftigen Gesellschafter für die zukünftige EPG gehandelt haben. Das ist aber immer dann nicht der Fall, wenn – wie in der Praxis nicht unüblich – an der zukünftigen EPG nicht beteiligte zukünftige Geschäftsleiter als Handelnde in Erscheinung treten. Allerdings könnte man die Vereinbarung der Gesamtrechtsnachfolge den gleichen Voraussetzungen unterwerfen, wie sie für Ausschüttungen gelten1155. Dann dürften durch die Gesamtrechtsnachfolge das Nennkapital nicht beeinträchtigt und – bei einem satzungsmäßigen Solvenztest – auch die Zahlungsfähigkeit der EPG nicht gefährdet werden. Zudem wären ein geordnetes Verfahren und ein Gesellschafterbeschluß erforderlich. Hierdurch könnte die Gefahr einer frühzeitigen Überschuldung der EPG auf Grundlage des Regelungskonzepts der EPG-VO-E, der eine Vorgesell1152 1153 1154 1155
So implizit wohl Krejci, Rn. 845. Vgl. § 432 I 1 BGB. Anders ist dies nur bei einer teilbaren Leistung, ebd. Dies legen Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2008, 897, 905 a. E., 907 nahe. Dazu siehe den Text bei Fn. 620 ff. in Teil 3.
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schaft nicht kennt1156, verringert werden. Gläubiger würden zusätzlich dadurch geschützt, daß ihnen die Geschäftsleiter für Pflichtverletzungen im Rahmen des auf die Herbeiführung der Gesamtrechtsnachfolge gerichteten Verfahrens hafteten1157. 3. Kapitalerhaltungsregeln a) Abkopplung der Ausschüttungsbemessung von der Rechnungslegung? Zur Vermeidung der Ausschüttung nicht nachhaltiger Scheingewinne bei nach IFRS bilanzierenden EPGs kommt zunächst die Ablösung der Ausschüttungsbemessung von den IFRS – jedenfalls in ihrer heutigen Form – in Betracht. Insbesondere weil die Abschaffung der IFRS in Europa schon wegen der jahrelangen Lobbyarbeit der vier großen angloamerikanischen Wirtschaftsprüfungsunternehmen1158 politisch nicht durchsetzbar sein dürfte, erscheint die Überarbeitung jedenfalls der mittlerweile veröffentlichten IFRS für kleine und mittlere Unternehmen und deren Übernahme durch die einzelnen Mitgliedstaaten oder durch eine EU-Verordnung erwägenswert. Die IFRS für kleine und mittlere Unternehmen (IFRS for SMEs)1159 hat das IASB am 09.07.2009 als vereinfachte Fassung1160 der IFRS veröffentlicht1161, die kleinen und mittleren Unternehmen gerecht werden soll. Dieses Regelwerk – das nicht auf Deutsch, aber auf Portugiesisch, Tschechisch, Rumänisch und Armenisch vorliegt1162 – beschränkt die Bewertung zum „fair value“ immerhin geringfügig, wenn auch nur zum Zweck der Vereinfachung. So können Finanzinstrumente1163 und Anteile an assoziierten Unternehmen1164 mit den fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden. Die IFRS für kleine und mittlere Unternehmen wurden von der Kommission zum Gegenstand eines bis zum 12.03.2010 laufenden Konsultationsverfahrens erho1156
Siehe den Text bei Fn. 475 in Teil 3. Nach dem allgemeinen Haftungstatbestand des Art. 31 I EPG-VO-E, der zusätzlich ergänzt werden sollte; siehe den Text bei Fn. 1211 ff. in Teil 3. 1158 Sogenannte „Big Four“: Deloitte Touche Tohmatsu, weltweit 165.000 Mitarbeiter; PricewaterhouseCoopers, weltweit 155.000 Mitarbeiter; Ernst & Young, weltweit 144.441 Mitarbeiter; KPMG, weltweit 136.900 Mitarbeiter (jeweils in 2008). 1159 „International Financial Reporting Standard for Small and Medium-sized Entities“. 1160 Sie umfassen „nur“ noch 231 Seiten. Beispielsweise entfallen bestimmte Wahlrechte, Berichtspflichten werden eingeschränkt und Pflichtangaben im Anhang deutlich verringert. 1161 Dieses Regelwerk ist, anders als die IFRS, kostenlos von der Netzseite des IASB erhältlich, allerdings nur nach einer Registrierung (http://www.ifrs.org/IFRS+for+ SMEs/IFRS+for+SMEs+and+related+material.htm, abgerufen am 31.01.2011). 1162 Siehe die Netzseite des IASB unter http://www.ifrs.org/IFRS+for+SMEs/IFRS +for+SMEs+and+related+ material.htm (abgerufen am 31.01.2011). 1163 11.4, 11.13 ff. IFRS for SMEs. 1164 14.4 (a), 14.5 ff. IFRS for SMEs. 1157
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ben. Dabei zeigte sich, daß die „fair value“-Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen selbst kritisch gesehen wird1165. Das mag auch daran liegen, daß es die von sämtlichen IFRS unterstellten Abschlußaddressaten bei kleinen und mittleren Unternehmen, welche die große Mehrheit der europäischen Unternehmen stellen, gar nicht gibt: Lediglich eine Minderheit der Unternehmen sucht regelmäßig über den Kapitalmarkt nach Fremdkapitalgebern und muß diese dabei mittels der Informationsaufgabe des IFRS-Abschlusses1166 von der (vermeintlichen) Attraktivität einer Geldanlage überzeugen1167. Bei einer Überarbeitung der IFRS für kleine und mittlere Unternehmen könnte nun dieses Bedürfnis der Unternehmen mit dem Gläubigerschutz verbunden und die „fair value“-Bewertung weiter zurückgedrängt werden. Statt dessen könnte in den IFRS für kleine und mittlere Unternehmen zukünftig das Vorsichtsprinzip Berücksichtigung finden. Erträge dürften erst dann in der GuV ausgewiesen werden, wenn sie realisiert sind. Wegen der Maßgeblichkeit der Rechnungslegung für die Ausschüttungsbemessung der EPG1168 könnten damit nur auf realisierten Erträgen beruhende Gewinne ausgeschüttet werden, wie dies die einschlägigen Richtlinien seit jeher für Aktiengesellschaften verlangen1169. Indes erscheint es sehr zweifelhaft, ob sich das IASB zu einer echten Relativierung des „fair value“-Ansatzes bereitfände. Jedenfalls wäre die Überarbeitung und anschließende Einführung von IFRS für den Mittelstand in der Europäischen Union allenfalls mittelfristig umzusetzen, so daß dieser Lösungsansatz derzeit nicht zur Verfügung steht. Ein anderer Ansatz besteht in der Abkopplung der Ausschüttungsbemessung von der Rechnungslegung durch die Heranziehung besonderer Überleitungsrechnungen, wie sie (allerdings ohne Erfolg) etwa bei der Limited zur Anwendung kommen1170. Dabei würde letztlich jede einzelne Ertragsbuchung der EPG auf 1165 Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverbands e. V. im Rahmen der Konsultation der Kommission zu den IFRS für kleine und mittlere Unternehmen (zugänglich unter http://www.dstv.de/interessenvertretung/europa/europa-aktuell/tb-3410-ifrs-for-sme/zu-34-10-ifrs-for-sme-anhang, abgerufen am 23.02.2011), S. 4, 5 sowie die Ausführungen unter http://www.dstv.de/interessenvertretung/europa/europa-aktuell/ tb-34-10-ifrs-for-sme (abgerufen am 23.02.2011). 1166 Siehe den Text bei Fn. 314 ff. in Teil 2. 1167 Die Suche nach Eigenkapitalgebern über den Kapitalmarkt scheidet bei Unternehmen in der Rechtsform der GmbH, der Limited und zukünftig der EPG schon rechtsformbedingt aus (Anteile an Gesellschaften dieser Rechtsformen dürfen nicht öffentlich angeboten werden), und Fremdkapitalgeber sind noch immer zumeist Banken. Die Mehrheit der Unternehmen weist einen geschlossenen Gesellschafterkreis auf, der regelmäßig ein langfristiges Anlageziel verfolgt und demgemäß an der Sicherung der Unternehmenssubstanz interessiert ist. Diesen Abschlußadressaten dürfte daher eine echte Ausschüttungsbemessungsfunktion des Abschlusses wichtiger erscheinen als der Ausweis von Scheingewinnen durch einen IFRS-Abschluß. 1168 Art. 21 I EPG-VO-E. 1169 Siehe den Text bei Fn. 488 ff. in Teil 2. 1170 Siehe den Text bei Fn. 428 ff. in Teil 2.
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ihre Eignung untersucht, Eingang in die Ausschüttungsbemessung zu finden. Möglich erscheint auch, in der GuV ausgewiesene Erträge bestimmter Herkunft typisierend von der Ausschüttungsbemessung auszunehmen, wie dies seit dem BilMoG auch die GoB tun1171. Bei beiden Herangehensweisen bedürfte es jedoch für jedes einzelne der zahlreichen auf die EPG anwendbaren Rechnungslegungsregelwerke1172 eigener Regelungen, die zudem laufend auf nach Änderungen der Regelwerke etwa erforderliche Anpassungen überprüft werden müßten. Spätestens dies dürfte zur Unpraktikabilität dieses Ansatzes führen. Praktisch nicht umsetzbar sein dürfte auch die jährliche Aufstellung einer gesonderten Bilanz, die allein der Ausschüttungsbemessung dient. Hierfür bedürfte es einerseits der Schaffung eines weiteren umfangreichen1173 Regelwerks, das zur Erzeugung eines konsistenten Ergebnisses auch eigene Buchführungsregeln umfassen müßte. Zudem hätten EPGs dann, wie Limiteds1174, bis zu drei1175 unterschiedliche Abschlüsse aufstellen – einen zur „Information“, einen zur steuerlichen Veranlagung und einen zur Ausschüttungsbemessung. Vor dem Hintergrund der erheblichen Nachteile der genannten Ansätze dürfte eine Abkopplung der Ausschüttungsbemessung der EPG von den für diese jeweils anwendbaren Rechnungslegungsregeln derzeit nicht umsetzbar sein. b) Solvenzerklärung? Um einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der EPG durch Ausschüttungen vorzubeugen, kommt die Einführung einer verpflichtenden Solvenzerklärung unabhängig vom Nennkapital der EPG in Betracht1176. Unter einer Solvenzerklärung ist die auf eine Untersuchung zukünftiger Zahlungsströme gestützte Aussage der Geschäftsleitung zu verstehen, daß die Gesellschaft auch nach einer be1171 Ein Ertrag aus der (fakultativen) Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 II 1 HGB) darf wirtschaftlich betrachtet nicht ausgeschüttet werden, da im Fall einer Ausschüttung Rücklagen in Höhe des Ertrags (abzüglich bei Ansatz gebildeter passiver latenter Steuern) verbleiben müssen, § 278 VIII 1 HGB. Entsprechendes gilt etwa auch bei der Aktivierung aktiver latenter Steuern, § 278 VIII 1, 2 HGB. 1172 Zu diesen siehe den Text bei Fn. 630 ff. in Teil 3. 1173 Welche Regelungsdichte erforderlich wäre, zeigen etwa die jedenfalls in erster Linie der Ausschüttungsbemessung dienenden GoB. Diese umfassen neben den §§ 238–342e HGB auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze, Morck, in: Koller/Roth/ Morck, § 243 Rn. 1 f. 1174 Siehe den Text bei Fn. 535 ff. in Teil 2. 1175 Zwei Abschlüsse bei Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz in dem Land des eingetragenen Sitzes der EPG (etwa in Deutschland, trotz Aufweichung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes durch § 5 I EStG i. d. F. des BilMoG), ansonsten drei Abschlüsse (etwa in England, siehe erneut den Text bei Fn. 535 ff. in Teil 2). 1176 Das Europäische Parlament fordert eine verpflichtende Solvenzerklärung lediglich bei einem Nennkapital von weniger als 8.000 A (siehe den Text bei Fn. 802 ff. in Teil 3).
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stimmten Ausschüttung während eines bestimmten zukünftigen Zeitraums in der Lage sein wird, sämtliche auf ein positives Tun der Gesellschaft gerichteten Ansprüche bei Fälligkeit zu erfüllen1177. Indessen ist eine für die EPG verpflichtende Solvenzerklärung abzulehnen1178. Gegen ein ausgewogenes Kapitalschutzkonzept spricht bereits, daß das Verfahren der Solvenzerklärung im angloamerikanischen Schrifttum treuherzig als „the simplest of all the modern statutory limitations on the payment of dividends“ bezeichnet wird1179. Zu schlicht ist das Verfahren der Solvenzerklärung schon deshalb, weil für die ihr vorgelagerte Liquiditätsprognose selbst in der Betriebswirtschaftslehre keine allgemein anerkannten Verfahren bestehen1180. Jede Prognose ist zudem unvermeidlich stark subjektiv gefärbt. Damit ist jede Solvenzerklärung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet; sie erweckt eine trügerische Sicherheit. Zu bedenken ist ebenfalls, daß Liquiditätsprognosen seit langem auch in Deutschland zum alltäglichen Rüstzeug der Finanzplanung in Unternehmen gehören1181. Dennoch kommt es in Deutschland nach wie vor zu Unternehmensinsolvenzen. Stets besteht zudem die Gefahr, daß die Gesellschafter Einfluß auf die Prognoseentscheidung der Geschäftsleitung nehmen, um überhöhte Ausschüttungen zu ermöglichen. Überhaupt wälzt die Solvenzerklärung über die zwecks ihrer Effektivierung damit zwangsläufig gesetzlich zu regelnde Schadenersatzpflicht der Geschäftsleitung das Risiko überhöhter Ausschüttungen, die den Gesellschaftern der EPG nutzen, unbilligerweise auf die Geschäftsleiter ab1182. All diese gewichtigen Gründe sprechen gegen die Einführung einer verpflichtenden Solvenzerklärung1183. c) Verschärfung der Abschlußprüferhaftung? Auch eine Verschärfung der Haftung des Abschlußprüfers erscheint zur Stärkung des Kapitalschutzes der EPG nicht zielführend. Eine nicht unerhebliche Zahl von EPGs wäre hierdurch von vornherein nicht betroffen. Weil es sich bei der EPG um das Äquivalent der nationalen kleinen Kapitalgesellschaft handelt, wird es eine nennenswerte Anzahl nach Bilanzsumme, Umsatz und Mitarbeiterzahl kleiner EPGs geben. Diese sind nach den über Art. 25 I EPG-VO-E anwend1177
Siehe den Text bei Fn. 698 ff. in Teil 3. Kritisch (rechtsformübergreifend) auch Arnold, DK 2007, 118, 125. Anders (rechtsformübergreifend) Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 313; Mülbert, DK 2004, 151, 161 f. 1179 Bainbridge, § 13.3, S. 776; siehe bereits den Text bei Fn. 821 in Teil 3. 1180 Siehe den Text bei Fn. 721 ff. in Teil 3. 1181 Siehe nur Wöhe/Döring, S. 656 ff. 1182 Vgl. zur Risikoverlagerung auf den Geschäftsleiter der Limited den Text bei Fn. 740 ff. in Teil 2. 1183 Siehe den Text bei Fn. 818 ff. in Teil 3; die Möglichkeit der Verankerung einer zusätzlichen, freiwilligen Solvenzerklärung in der Satzung bedarf keiner Regelung durch den Verordnungsgeber, siehe den Text bei Fn. 804 in Teil 3. 1178
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baren nationalen Vorschriften wegen des in diesen oftmals umgesetzten Wahlrechts des Art. 51 I, 2 i.V. m. Art. 11 der Bilanzrichtlinie 1184 häufig gar nicht dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluß prüfen zu lassen1185. d) Gesetzliche Rücklage Auch vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, den Kapitalschutz der EPG durch eine Pflicht zur Dotierung einer gesetzlichen Rücklage zu stärken. Ein solcher nicht ausschüttbarer Eigenkapitalpuffer1186 sichert die EPG unabhängig von den einschlägigen Rechnungslegungsregeln vor Aushöhlung ihrer wirtschaftlichen Substanz. Auch mindert eine gesetzliche Rücklage die Auswirkungen von Verlusten der Gesellschaft. Die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage aus Gewinnen der EPG erscheint gerade wegen des Verzichts auf ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestkapital als interessengerechtes Mittel des Kapitalschutzes. Fraglich erscheint, wie die gesetzliche Rücklage bei der EPG bemessen werden sollte. Hier könnten die AG und die GmbH in der Sonderform der UG als Orientierung dienen, die beide ebenfalls eine gesetzliche Rücklage aufweisen1187. Bei der AG ist diese mit 5% des nach einem Verlustvortrag verbleibenden Jahresüberschusses aufzufüllen, bis sie zusammen mit bestimmten Kapitalrücklagen 10% des Grundkapitals der Gesellschaft beträgt1188, also mindestens 5.000 A1189. Die GmbH in Form der UG sieht die Dotierung einer gesetzlichen Rücklage mit 25% des um einen Verlustvortrag verringerten Jahresüberschusses vor, bis das Stammkapital der Gesellschaft wenigstens auf den erhöhten Mindestbetrag von 25.000 A angehoben wurde1190. Schon wegen des bei der EPG fehlenden Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag eignet sich der Ausgangspunkt beider Rechtsformen allerdings nicht als Vorbild. 1184 Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.07.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen. 1185 Das gilt etwa für EPGs mit eingetragenem Sitz in Deutschland, §§ 316 I, 267 I HGB i.V. m. Art. 25 I EPG-VO-E. 1186 Hüffer, § 150 Rn. 1, spricht für die AG insoweit von einer Pufferzone. 1187 § 150 AktG und § 5a III GmbHG. 1188 § 150 II AktG i.V. m. § 272 II Nr. 1–3 HGB. In der Satzung kann ein höherer Anteil am Grundkapital vorgesehen werden (§ 150 II a. E. AktG), wobei ein überschießender Betrag dann nicht Teil der gesetzlichen Rücklage ist, sondern eine unter demselben Posten erfaßte satzungsmäßige Rücklage mit einer satzungsmäßigen Bindung bildet, die der gesetzlichen Bindung entspricht. 1189 Vgl. § 7 AktG. 1190 § 5a III 1, V i.V. m. § 5 I GmbHG. Maßgeblich ist die Eintragung der Kapitalerhöhung, Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5a Rn. 33. Diese kann, muß aber nicht als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unter Verwendung der gesetzlichen Rücklage erfolgen, sondern kann auch als Barkapitalerhöhung durchgeführt werden, Rn. 32.
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Als Anknüpfungspunkt für die Bemessung einer gesetzlichen Rücklage der EPG kommt indes der Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Betracht. Diese Größe ist im Recht der kalifornischen corporation Grundlage der Ausschüttungsbemessung; dort dürfen Ausschüttungen nur so weit erfolgen, wie der Gesellschaft danach noch Vermögenswerte im Umfang von wenigstens dem 1,25fachen der Verbindlichkeiten verbleiben1191. Eine dieser Regelung entsprechende Dotierung der Kapitalrücklage der EPG mit dem Gegenwert von 25% ihrer Verbindlichkeiten dürfte allerdings nicht empfehlenswert sein. Dies entspräche einer durch den Normgeber verordneten Mindesteigenkapitalquote von 20%1192, die zwar wünschenswert, aber überzogen erscheint. Überdies führte eine Dotierung der Kapitalrücklage mit 25% der Verbindlichkeiten ohne Berücksichtigung der absoluten Höhe der Verbindlichkeiten zu einer unverhältnismäßigen Kapitalbindung in großen EPGs, die etwa die Kapitalbindung durch das Stammkapital in vergleichbaren GmbHs weit überträfe. Zu einer weiteren Zuspitzung dieser beiden Gesichtspunkte führte die fehlende Berücksichtigung anderer gebundener Eigenkapitalpositionen1193. Vorzugswürdig erscheint es daher, von einem niedrigeren Vomhundertsatz der Verbindlichkeiten der EPG auszugehen. Beispielsweise könnten bis zu Verbindlichkeiten von 1.000.000,00 A 15%, darüber und bis zu Verbindlichkeiten von 10.000.000 A 10%, und darüber 5% angesetzt werden. Um eigenkapitalstarke EPGs nicht doppelt zu verpflichten, sollte von dem sich danach ergebenden Zwischenwert das gebundene Eigenkapital im Zeitpunkt der Ermittlung der Dotierung der gesetzlichen Rücklage, also der Abschlußerstellung, abgezogen werden. Davon umfaßt wäre das Nennkapital der EPG1194, nicht aber eine satzungsmäßige Rücklage; ihre Auflösung steht in der Macht der Gesellschafter der EPG. Ist der ermittelte Unterschiedsbetrag negativ, so wäre eine bereits bestehende Rücklage aufzulösen; ist er gleich Null, wäre nichts zu buchen; ist er positiv, so wäre der entsprechende Betrag (zusätzlich) in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Eine solchermaßen dotierte gesetzliche Rücklage fiele zwar deutlich umfangreicher aus als etwa bei der AG. Allerdings weist der Kapitalschutz der AG eben nicht die bei der EPG festzustellenden gravierenden Lücken auf 1195. Es handelt 1191
Siehe den Text bei Fn. 755 f. in Teil 3. Die Eigenkapitalquote berechnet sich als Quotient von Eigenkapital und Bilanzsumme, vervielfältigt mit 100. Die Bilanzsumme beträgt bei einer Kapitalrücklage von 25% der Verbindlichkeiten 125% der Verbindlichkeiten, wenn die Gesellschaft über kein weiteres Eigenkapital verfügt (unter Vernachlässigung des Mindestkapitals von 1 A). Ein Eigenkapital bestehend aus einer Kapitalrücklage von 25% der Verbindlichkeiten entspricht bei einer Bilanzsumme von 125% der Verbindlichkeiten 20% der Bilanzsumme, also einer Eigenkapitalquote von 20%. 1193 Etwa einem über dem Mindestbetrag liegenden Nennkapital der EPG. 1194 Zum Verbot der Einlagenrückgewähr siehe den Text bei Fn. 677 ff. in Teil 3. 1195 Zu letzteren siehe den Text bei Fn. 903, 909 ff., 1139 ff. in Teil 3. 1192
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sich bei einer solchermaßen ausgestalteten gesetzlichen Rücklage auch nicht um ein anders gewendetes Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag: Betriebswirtschaftlich ist die gesetzliche Rücklage der Innenfinanzierung durch Eigenfinanzierung, und nicht – wie ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag – der Außenfinanzierung durch Eigenfinanzierung zuzuordnen1196. Die gesetzliche Rücklage wird aus dem Umsatzprozeß der EPG gespeist, nicht aus Mitteln der Gesellschafter. Die gesetzliche Rücklage ist, anders als ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag, auch nicht (anteilig) bereits bei Anmeldung der EPG und auch nicht erst im Insolvenzfall aufzubringen. Ferner vermindert sich die gesetzliche Rücklage mit einer Verringerung der Verbindlichkeiten der EPG, anders als ein Mindestkapital mit erhöhtem Mindestbetrag. Ein entscheidender Vorteil dieses Konzepts der gesetzlichen Rücklage ist der Umstand, daß es durch die Anknüpfung an die Verbindlichkeiten der EPG eine Mindesteigenkapitalquote gewährleistet und bei einer steigenden Bilanzsumme quasi eine automatische Kapitalerhöhung zur Folge hat. Damit korrelieren Risiko und Eigenkapitalausstattung. Die Bindung von Eigenkapital in der Kapitalgesellschaft aber wird gerade in der Praxis als wichtigstes Element des Gläubigerschutzes betrachtet1197. e) Rückzahlungshaftung Die Haftung des Gesellschafters auf Erstattung einer verbotenen Ausschüttung sollte deutlich verschärft werden. Als zentrale Änderung sollte das im EPG-VO-E für einen Erstattungsanspruch vorgesehene subjektive Erfordernis der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Ausschüttung ersatzlos gestrichen werden. Dieses Erfordernis stellt bemerkenswerterweise sogar die gesellschafterfreundliche Regelung des Rechts der Limited in den Schatten, das einen Erstattungsanspruch bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Gesellschafters begründet1198. Noch befremdlicher erscheint die Regelung des EPG-VO-E bei einem Vergleich mit der Kapitalrichtlinie. Diese sieht selbst für die jeweilige nationale Aktiengesellschaft einen Erstattungsanspruch bereits bei grober Fahrlässigkeit des Gesellschafters vor1199. Daß bei der EPG als kleiner Kapitalgesellschaft ein Erstattungsanspruch unter engeren Voraussetzungen eingreifen soll, als dies die Kapitalrichtlinie für die jeweilige große Kapitalgesellschaft vorschreibt, ist ein 1196
Zu diesen Begriffen siehe den Text bei Fn. 63 ff. in Teil 2. Nach der Erhebung Köhlers/Martens/Schlereths, DB 2007, 2729, 2731 betrachten die Verantwortlichen der 161 befragten deutschen Kapitalgesellschaften das Verbot der Einlagenrückgewähr als die wichtigste und die bei der AG geltende Pflicht zur Bildung der gesetzlichen Rücklage als die zweitwichtigste zwingende Gläubigerschutzregelung. 1198 Dies ist allerdings nicht unumstritten, siehe den Text bei Fn. 656 ff. in Teil 2. 1199 „Daß . . . die Unzulässigkeit der . . . erfolgten Ausschüttung bekannt war oder . . . [die sie empfangenden Aktionäre] darüber nach den Umständen nicht in Unkenntnis sein konnten“, Art. 16 der Kapitalrichtlinie. 1197
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Wertungswiderspruch: Der Gesellschafter einer EPG ist insoweit weniger schutzbedürftig als der Gesellschafter einer Aktiengesellschaft. In einer EPG, die ihren typischerweise1200 beschränkten Gesellschafterkreis bereits im Namen trägt1201, hat der Gesellschafter zum einen weiterreichende Möglichkeiten, die finanziellen Rahmendaten der Gesellschaft im Blick zu behalten. So verfügt der Gesellschafter der EPG im Vergleich zum Aktionär1202 über sachlich deutlich umfassendere Auskunftsrechte, auch außerhalb der Gesellschafterversammlung1203. Zum anderen hat der Gesellschafter der EPG eher als ein Aktionär Veranlassung, die finanziellen Rahmendaten der Gesellschaft laufend zu überwachen. Denn anders als die Aktiengesellschaft1204 verfügt die EPG regelmäßig nicht über ein Aufsichtsorgan, das diese Aufgabe übernähme1205. Ferner hat der Gesellschafter der EPG, anders als ein Aktionär1206, den Jahresabschluß selbst zu „genehmigen“ 1207, weshalb er gehalten ist, diesen zuvor eingehend zu prüfen. Es erscheint unbillig, den EPG-Gesellschafter, der dennoch grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit einer ihm gewährten Ausschüttung verkennt, nicht zu deren Erstattung zu verpflichten. Ein Schutz des nur leicht fahrlässig die Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung verkennenden Gesellschafters kann dadurch gewährleistet werden, daß dieser – wie bei der GmbH1208 – nur so weit auf Erstattung haftet, wie dies zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Mit dem Verzicht auf ein subjektives Erfordernis wird die – ebenfalls einseitig gesellschafterfreundliche – Regelung des EPG-VO-E gegenstandslos, welche die Beweislast für die Kenntnis des Gesellschafters von der Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung der Gesellschaft aufbürdet. Sofern der Gesellschafter die Rechtswidrigkeit einer Ausschüttung nur leicht fahrlässig verkannt hat und er daher nur so weit auf Erstattung haftet, wie dies zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, sollte ihm die Beweislast hierfür obliegen. Um die Einbringlichkeit der Forderung der Gesellschaft abzusichern, sollte zusätzlich – wie bei der 1200
Aber nicht notwendigerweise, vgl. den Text bei Fn. 4 f. in Teil 2. Europäische Privatgesellschaft. 1202 Vgl. beispielhaft zur AG § 131 I 1 AktG: „Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist.“ [Hervorh. von mir]. 1203 „Die Anteilseigner haben das Recht, in Bezug auf Beschlüsse, den Jahresabschluß und sonstige Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der SPE ordnungsgemäß unterrichtet zu werden und einschlägige Fragen an das Leitungsorgan der SPE zu stellen.“ (Art. 28 I EPG-VO-E). 1204 Vgl. zur AG §§ 95 ff., 111 I AktG. 1205 Siehe den Text bei Fn. 254 ff. in Teil 2. 1206 Vgl. zur AG § 172 S. 1 AktG, wonach der Jahresabschluß grundsätzlich von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird. 1207 Art. 27 I Buchst. d EPG-VO-E. 1208 § 31 I GmbHG. 1201
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GmbH1209 – ein Erlaßverbot für den Erstattungsanspruch gelten1210 und eine Ausfallhaftung der anderen Gesellschafter begründet werden. Die Verjährung des Erstattungsanspruchs sollte dagegen über Art. 4 II EPG-VO-E dem Recht der Mitgliedstaaten überantwortet bleiben, um Systembrüchen vorzubeugen. f) Exkurs: Pflicht der Geschäftsleiter zur ständigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage Schließlich sollte in Konkretisierung der allgemeinen Geschäftsleiterpflichten des Art. 31 I EPG-VO-E in der Verordnung ausdrücklich eine Pflicht der Geschäftsleiter zur ständigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage der EPG geregelt werden1211. Eine derartige Pflicht ist 1998 für die AG normiert worden1212. Sie wurde zwar nicht auch in das GmbHG übernommen, soll ausweislich der Gesetzesbegründung aber eine Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen anderer Rechtsformen entfalten1213. So sehen dies, insbesondere für die GmbH, auch Rechtsprechung1214 und Schrifttum1215. In der Tat ist eine Pflicht zur beständigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage einer Kapitalgesellschaft Voraussetzung für die Erfüllung sämtlicher an die wirtschaftliche Lage anknüpfender Pflichten der Geschäftsleiter. Beispielhaft sei für die EPG die Pflicht zur Unterbreitung eines den bilanziellen Vorgaben des EPG-VO-E genügenden Vorschlags einer Ausschüttung genannt1216; bei einer EPG mit eingetragenem Sitz in Deutschland tritt die Pflicht zur Insolvenzantragstellung etwa bei Überschuldung der EPG 1209
§ 31 IV und III GmbHG. Vgl. Art. 20 II EPG-VO-E, der hier nicht eingreift, da dieser ein Erlaßverbot nur hinsichtlich der „Pflicht zur Entrichtung des vereinbarten Entgelts“ vorsieht. 1211 Eine ergänzende Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung für den Fall, daß ein bestimmter Teil des Nennkapitals der EPG durch Verluste aufgezehrt worden ist (vgl. § 49 III GmbHG, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist), dürfte wegen des bei der EPG fehlenden Mindestkapitals mit erhöhtem Mindestbetrag nicht zielführend sein. 1212 § 91 II AktG, eingeführt zum 01.05.1998 durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. c KonTraG: „Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ 1213 BT-Drs. 13/9712, S. 15. 1214 „Der Geschäftsführer hat . . . in Erfüllung seiner Pflicht, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 I GmbHG), die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. . . . Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muß der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen, die ihm die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht“, BGH NJW-RR 1995, 669 f. 1215 Haas/Ziemons, in: Michalski, § 43 Rn. 75c m.w. N. in Fn. 5. 1216 Art. 21 I 1 EPG-VO-E; siehe den Text bei Fn. 850 ff. in Teil 3. 1210
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hinzu1217. Der EPG-VO-E nimmt jedoch einerseits lediglich eine sehr allgemein gehaltene Bestimmung des Pflichtenkatalogs der Geschäftsleiter vor1218, andererseits verweist er für die Haftung der Geschäftsleiter im übrigen auf das anwendbare nationale Recht1219 (und sogar die nationale Rechtsprechung)1220. Dies führt zunächst zu Rechtsunsicherheit betreffend den konkreten Pflichtenkatalog des Geschäftsleiters einer EPG im Hinblick auf die Beobachtung der wirtschaftlichen Lage der EPG, wird allerdings auch, abhängig von dem Ort des eingetragenen Sitzes der EPG, ein sehr unterschiedliches Schutzniveau nach sich ziehen. Schließlich dürfte eine ausdrücklich geregelte Pflicht der Geschäftsleiter zur beständigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage der EPG auch eine Warnfunktion erfüllen. 4. Insolvenzbezogener gesellschaftsrechtlicher Kapitalschutz a) Haftung aufgrund „wrongful trading“? Eine auch für die EPG angeregte Haftung entsprechend dem „wrongful trading“ des englischen Rechts1221 sollte in der Verordnung keinesfalls vorgesehen werden. Ein Haftungskonzept, dessen wesentliches Tatbestandsmerkmal – die ohne Sanierungsmaßnahmen fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung – völlig unbestimmt ist1222 und das selbst in der englischen Rechtspraxis keine Rolle spielt1223, eignet sich offensichtlich nicht dazu, die erheblichen Schutzlücken des EPG-VO-E zu schließen. Hinzu tritt, daß die Haftung für „wrongful trading“ tatbestandlich auf Geschäftsleiter und solche Gesellschafter, die als Schattengeschäftsleiter regelmäßig in die Geschicke der Gesellschaft eingreifen, beschränkt ist. Sie ist auch allein auf diese zugeschnitten. Das folgt aus dem subjektiven Erfordernis der Kenntnis oder des Kennenmüssens der ohne Sanierungsmaßnahmen fehlenden Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung. Gesellschafter, für die dies nicht zutrifft – oder, wichtiger noch, denen dies nicht nachweisbar ist – nimmt ein derartiges Haftungskonzept aus. Zu
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§ 15a I InsO; vgl. BGH NJW-RR 1995, 669 a. E. Art. 31 I EPG-VO-E: „Ein Mitglied der Unternehmensleitung ist verpflichtet, im bestmöglichen Interesse der SPE zu handeln. Es handelt mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können.“; siehe den Text bei Fn. 281 ff. in Teil 3. 1219 Art. 31 V EPG-VO-E; siehe den Text bei Fn. 290 in Teil 3. 1220 So jedenfalls die Begründung des EPG-VO-E, siehe den Text bei Fn. 289 in Teil 3. 1221 Zur EPG Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925, 933; zur GmbH Wachendorf, passim; rechtsformübergreifend „Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, S. 93 f. 1222 Siehe den Text bei Fn. 1353 ff. in Teil 2. 1223 Siehe den Text bei Fn. 1660 ff. in Teil 2. 1218
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den konzeptionellen Fehlern und praktischen Problemen der Haftung wegen „wrongful trading“ wird im einzelnen auf die Ausführungen zum englischen Recht verwiesen1224. b) Durchgriffshaftung Der Kapitalschutz der EPG sollte dagegen durch Ermöglichung einer Durchgriffshaftung ergänzt werden. In Fällen mißbräuchlichen Handelns erscheint – gewissermaßen als letztes Mittel – ein Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter der EPG sachgerecht. Diese Wertung treffen für die jeweilige kleine Kapitalgesellschaft neben dem deutschen Recht auch zahlreiche andere kontinentaleuropäische Rechtsordnungen1225. Allerdings unterscheidet sich die dogmatische Ausgestaltung erheblich1226. Auch unabhängig von diesen grundlegenden Unterschieden dürfte es kaum möglich sein, in der Verordnung generell-abstrakt die Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung bei der EPG zu normieren. Sachverhalte, bei denen ein Haftungsdurchgriff auf den Gesellschafter in Betracht kommt, sind regelmäßig stark durch den Einzelfall geprägt. Dies verdeutlicht etwa der Umstand, daß die deutsche Rechtsprechung es seit jeher als ureigene Aufgabe ansieht, im Einzelfall die Umstände festzustellen, die eine Durchgriffshaftung auslösen1227. Auch das deutsche Schrifttum ist in Jahrzehnte währender Diskussion1228 bei der Bildung von Fallgruppen geblieben1229. Es sollte daher in der EPG-O mit einer ausdrücklichen Verweisung auf Tatbestand und Rechtsfolgen der Durchgriffshaftung des jeweiligen nationalen (Richter-)Rechts sein Bewenden haben. Eine derartige Einzelverweisung ist erforderlich, um den wegen Art. 3 I Buchst. b EPG-VO-E und der gesellschaftsrechlichen Qualifikation der Durchgriffshaftung1230 gesperrten Rückgriff auf das nationale Recht1231 über Art. 4 II oder Art. 40 III EPG-VO-E zu überwinden.
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Siehe den Text nach Fn. 1655 in Teil 2. Siehe den Text bei Fn. 1052 f. in Teil 3. 1226 Siehe den Text bei Fn. 1057 ff. in Teil 3. 1227 „Es ist Aufgabe des Richters, einem treuwidrigen Verhalten der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen entgegenzutreten und die juristische Konstruktion hintanzusetzen, wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen eine solche Handhabung gebieten“, BGH NJW 1981, 522, 525; 1970, 2015, 2016 m.w. N. 1228 Siehe bereits Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 543 („typische Fallgruppen nach den Interessenlagen“). 1229 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rn. 129, 132 ff. m.w. N. Einen neuerlichen Ansatz der Systematisierung stellt Steffek, JZ 2009, 77, 80 ff., vor. 1230 Siehe den Text bei Fn. 1083 in Teil 3. 1231 Vgl. den Text bei Fn. 133 ff. in Teil 3. 1225
D. Folgerungen de lege ferenda
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5. Insolvenzrechtlicher Kapitalschutz a) Insolvenzanfechtung? Zur Schließung von Schutzlücken erscheint ferner die Schaffung eines unabhängig vom Recht am eingetragenen Sitz der EPG eingreifenden, einheitlichen Insolvenzanfechtungsregimes sinnvoll. Das Institut der Insolvenzanfechtung dient in zahlreichen Mitgliedstaaten als Auffanglösung für die Rückabwicklung insolvenznaher Vermögensverschiebungen an Gesellschafter sowie Dritte. So kennen neben dem deutschen1232 und dem englischen Recht1233 etwa auch die Rechtsordnungen Österreichs1234, Italiens1235 und Spaniens1236 das Institut der Insolvenzanfechtung. Die Regelungen in den einzelnen Ländern weisen im einzelnen indes erhebliche Unterschiede auf. So sieht das spanische Recht keinerlei subjektive Voraussetzungen in der Person des durch die anfechtbare Handlung Begünstigten vor1237, anders etwa das deutsche1238 und das englische Recht1239. Im italienischen Recht tritt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit unentgeltlicher Verfügungen unabhängig von einer Anfechtungshandlung ipso iure ein1240, anders als im österreichischen1241 und spanischen Recht1242. Bereits diese Unterschiede zeigen, daß eine Vereinheitlichung der Insolvenzanfechtungstatbestände nicht ohne Berücksichtigung des sonstigen materiellen Insolvenzrechts1243 der Mitgliedstaaten erfolgen kann. Bei einer Vereinheitlichung lediglich der Insolvenzanfechtungstatbestände drohten dem in sich geschlossenen materiellen Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten Schutzlücken und Widersprüche. Andererseits erscheint es nicht sinnvoll, ein einheitliches Recht der Insolvenzanfechtung unter Außerachtlassung weiterer zentraler Regelungsbereiche des materiellen Insolvenzrechts wie etwa der Befugnisse des Amtswalters zu schaffen. Allerdings würde die Schaffung eines einheitlichen europäischen materiellen Insolvenzrechts den Rahmen der EPG-VO sprengen; es wäre darin zudem systema1232
§§ 129 ff. InsO. Siehe den Text bei Fn. 1665 ff. in Teil 2. 1234 Artt. 27 ff. IO. 1235 Artt. 64–70 LF. 1236 Artt. 71–73 LC. 1237 „aunque no hubiere existido intención fraudulenta“, Art. 71 apdo. 1 LC; vgl. auch Fries/Steinmetz, in: Kindler/Nachmann, 2. Teil, Länderbericht Spanien, Rn. 139. 1238 §§ 130 ff. InsO. 1239 Siehe den Text bei Fn. 1665 ff. in Teil 2. 1240 „Sono privi di effetto rispetto ai creditori“, Art. 64 LF. 1241 Art. 43 I, IV IO („Die Anfechtung kann durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden“, „das Urteil über die Anfechtungsklage [wirkt] auch gegen Personen“). 1242 „La sentencia que estime la acción declarará la ineficacia del acto impugnado y condenará a la restitución de las prestaciones objeto de aquel“, Art. 73 apdo. 1 LC. 1243 Im Hinblick etwa auf die gerichtliche Geltendmachung der Insolvenzanfechtung dürften auch die nationalen Insolvenzverfahrensrechte zu berücksichtigen sein. 1233
422
Teil 3: Kapitalschutz bei der Europäischen Privatgesellschaft
tisch am falschen Platz1244. Aufgrund der dazu erforderlichen, in der Vergangenheit bereits einmal erfolglosen1245 erheblichen politischen Anstrengungen dürfte die Schaffung europaweit einheitlicher Regelungen im übrigen allenfalls mittelfristig möglich sein. Sie kommt für die EPG damit derzeit nicht in Betracht. Um die Effizienz eines europäischen Insolvenzanfechtungsregimes als Teil einer umfassenden Lösung zu gewährleisten, wäre darauf Bedacht zu nehmen, daß die Anfechtungstatbestände – anders als etwa im englischen Recht1246 – auch die Bestellung von Sicherheiten erfassen. Zudem sollten die subjektiven Voraussetzungen in der Person des durch die anfechtbare Handlung Begünstigten – anders als etwa im englischen Recht1247 – nicht überspannt werden. Gleiches gilt für die Beweislastverteilung, die im englischen Recht ebenfalls einseitig den Begünstigten bevorteilt1248. Die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung sollten sich nicht in einem schuldrechtlich wirkenden Rückgewähranspruch erschöpfen1249. Es erscheint vorzugswürdig, mit der Anfechtung – wie von der zum deutschen1250 und österreichischen Recht1251 der Insolvenzanfechtung vertretenen haftungsrechtlichen Theorie angenommen – eine darüber hinausgehende, einem dinglichen Recht angenäherte Rechtsposition entstehen zu lassen. So sollte dem Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Begünstigten statt einer gewöhnlichen Insolvenzforderung auf Rückgewähr der anfechtbar erworbenen Rechtsposition ein Aussonderungsrecht1252 zukommen, wie dies zum deutschen Recht mittlerweile auch der BGH annimmt1253. b) Insolvenzantragsverschleppungshaftung? Schließlich kommt die Einführung einer unabhängig vom eingetragenen Sitz der EPG geltenden Haftung des Gesellschafters wegen Insolvenzantragsver1244 Wegen seiner rechtsformübergreifenden Geltung sollte ein europäisches materielles Insolvenzrecht in einer gesonderten Verordnung geregelt werden. 1245 Ein Entwurf aus dem Jahr 1980 scheiterte, siehe Schack, IZVR, Rn. 1154. 1246 Siehe den Text bei Fn. 1669, 1695 in Teil 2. 1247 Siehe den Text bei Fn. 1680, 1719 f., 1747 ff. in Teil 2. 1248 Siehe den Text bei Fn. 1688 f., 1719 f., 1747 ff. in Teil 2. 1249 Vgl. Kirchhof, in: Kirchhof/Lwowski/Stürner, Vor §§ 129–147 Rn. 38 f. Der BGH nimmt zwar grundsätzlich einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch an (BGH NZI 2007, 42, 43), läßt aber Durchbrechungen zu; siehe sogleich den Text bei Fn. 1253 in Teil 3. 1250 Hirte, in: Uhlenbruck, § 143 Rn. 3B; De Bra, in: Braun, § 129 Rn. 10 m.w. N. in Fn. 18. 1251 Duursma-Kepplinger, in: Kindler/Nachmann, 2. Teil, Länderbericht Österreich, Rn. 179 m.w. N. in Fn. 469. 1252 Im deutschen Recht § 47 InsO. 1253 Siehe BGH NJW 2004, 214, 216. Lediglich eine Konkursforderung nahm zuvor an BGH NJW 1990, 990, 992; so auch BGH NJW 1978, 1525, 1526 zum Anfechtungstatbestand des § 7 AnfG a. F., sofern der Anfechtung ein Konkursverfahren nachfolgte.
D. Folgerungen de lege ferenda
423
schleppung in Betracht. Allerdings ist die Rechtslage innerhalb Europas insoweit noch uneinheitlicher als bei der Insolvenzanfechtung1254. Das liegt bereits darin begründet, daß die Mitgliedstaaten unterschiedliche Insolvenzgründe kennen; der Insolvenzgrund der Überschuldung ist (bezeichnenderweise) etwa in Griechenland, Italien und Frankreich unbekannt1255. In Deutschland ist bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit einer GmbH eine Insolvenzantragsverschleppungshaftung des Gesellschafters im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft vorgesehen1256; daneben kann der Gesellschafter als Teilnehmer an dem vom Geschäftsführer begangenen Delikt der Insolvenzantragsverschleppung haften1257. Das englische Recht kennt dagegen überhaupt keine Insolvenzantragspflicht und damit auch keine Insolvenzantragsverschleppungshaftung, sondern nur die – praktisch völlig irrelevante1258 – Sanierungsverschleppungshaftung wegen „wrongful trading“ 1259. Im Hinblick auf eine Haftung des Gesellschafters einer EPG für die Verschleppung des Insolvenzantrags erscheint es daher noch schwieriger als bei der Insolvenzanfechtung, eine einheitliche Regelung zu erreichen1260. Auch mit ihr ist allenfalls mittelfristig zu rechnen1261. Die gravierenden Schutzlücken des EPG-VO-E lassen sich so nicht rechtzeitig schließen.
1254
Siehe den Text bei Fn. 1232 ff. in Teil 3. Vgl. Bußhardt, in: Braun, § 19 Rn. 2 mit Fn. 3. 1256 Siehe den Text bei Fn. 1226 in Teil 2, 383 in Teil 3. 1257 § 15a I InsO i.V. m. (§ 823 II, 830 BGB; siehe BGH ZIP 2005, 1734, 1736 (noch zu § 64 I a. F. GmbHG). Nicht in den Bereich der Gesellschafterhaftung zählt die Haftung als faktischer Geschäftsführer gemäß § 15a I InsO, da diese Haftung gerade an ein Handeln wie ein Geschäftsführer anknüpft, indem sie „ein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln“ voraussetzt (BGH ZIP 2002, 848, 851, zu § 64 I a. F. GmbHG). Die fragliche Person muß „in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen“ haben (BGH ZIP 1988, 771, 772). 1258 Siehe den Text bei Fn. 1660 ff. in Teil 2. Deren Schutzniveau soll indes – ohne Begründung – laut Maschke, S. 265 mit Fn. 1143, dem Schutzniveau einer Haftung des Gesellschafters für Insolvenzantragsverschleppung entsprechen; dies ist fernliegend. 1259 Dazu siehe ausführlich den Text bei Fn. 951 ff. in Teil 2. 1260 Für eine Insolvenzantragspflicht des EPG-Gesellschafters bei Führungslosigkeit „ggf.“ Maschke, S. 265. 1261 Vgl. bereits den Text bei Fn. 1245 in Teil 3. 1255
Teil 4
Zusammenfassende Thesen 1. Die EPG dürfte der Limited als bislang europaweit am häufigsten als Auslandsgesellschaft eingesetzter Rechtsform zukünftig den Rang ablaufen. In Anlehnung an die für die Limited ermittelten Zahlen dürfte jährlich von mehreren tausend Inkorporationen von EPGs auszugehen sein. Die Gesamtzahl an EPGs dürfte die Gesamtzahl europäischer Limiteds schnell und deutlich übertreffen. 2. Die Kapitalaufbringungsregeln der Limited sind wegen ihres Mindestkapitals ohne erhöhten Mindestbetrag und der Möglichkeit der Unterpari-Emission durch ungeprüfte Sacheinlagen, insbesondere in Form von Dienstleistungen, praktisch bedeutungslos. 3. Die Kapitalerhaltungsregeln der Limited sind entgegen einem verbreiteten Fehlverständnis im deutschen Schrifttum keineswegs strenger als die der deutschen GmbH, sondern wesentlich freigiebiger. 4. Die Kapitalerhaltungsregeln werden durch die einschlägigen Rechnungslegungsregelwerke der UK GAAP und der IFRS, die unter Verdrängung des Vorsichtsprinzips die Bewertung zum Zeitwert stark betonen, geschwächt. Sie lassen sich überdies durch überhöhte Gehälter für Gesellschafter-Geschäftsleiter und Konzernumlagen leicht umgehen. 5. Zusätzlich werden die Kapitalerhaltungsregeln der Limited durch die lükkenhafte Haftung des Gesellschafters auf die Erstattung verbotener Ausschüttungen geschwächt. 6. Das im deutschen und europäischen Schrifttum vielfach als vorbildlich betrachtete reaktive Kapitalschutzinstrument der Haftung wegen „wrongful trading“ ist konzeptionell verfehlt, praktisch nicht handhabbar und daher letztlich bedeutungslos. 7. Im europäischen Primärrecht, insbesondere im AEUV, fehlt (jedenfalls wenn auf einen grenzüberschreitenden Bezug verzichtet werden soll) eine Rechtsgrundlage für eine EPG-Verordnung. 8. Der vorliegende EPG-VO-E begegnet grundlegenden Bedenken. Neben zahllosen sprachlichen Mängeln ist vor allem die gewählte Regelungstechnik problematisch. Diese versagt einerseits bei Lücken im Gesellschaftsvertrag, andererseits läßt sie durch vielfältige Regelungsaufträge und zahlreiche Verwei-
Teil 4: Zusammenfassende Thesen
425
sungen auf das nationale Recht letztlich keine einheitliche Rechtsform der EPG entstehen. 9. Weil eingetragener Sitz und Verwaltungssitz der EPG auseinanderfallen können, ist im Hinblick auf das ergänzend anzuwendende nationale Gesellschaftsrecht ein neuerliches „race for the bottom“ zu erwarten, das oft zur Wahl des eingetragenen Sitzes in einem Mitgliedstaat mit niedrigem Schutzniveau führen wird. 10. Die EPG in der Fassung des EPG-VO-E gleicht im Hinblick auf den Kapitalschutz in vielerlei Hinsicht frappierend der Limited. 11. Der EPG-VO-E weist im Vergleich zur Limited eine starke, problematische Ähnlichkeit im Hinblick auf die Kapitalaufbringung auf, etwa durch den Verzicht auf jede Bewertung von Sacheinlagen. 12. Der EPG-VO-E weist eine starke, problematische Ähnlichkeit zur Limited auch im Hinblick auf die Kapitalerhaltung auf. Dies zeigt sich insbesondere durch die in zahlreichen Mitgliedstaaten für die Ausschüttungsbemessung zulässige Rechnungslegung nach IFRS. Zudem weist auch die Haftung des Gesellschafters auf Rückzahlung verbotener Ausschüttungen erhebliche Schutzlücken auf. 13. Der EPG-VO-E verfügt über keine einheitlichen reaktiven Kapitalschutzinstrumente, welche die Schwächen der präventiven Kapitalschutzinstrumente auszugleichen vermögen. Statt dessen kann eine Vielzahl unterschiedlicher reaktiver Kapitalschutzinstrumente der nationalen Rechte eingreifen, deren Anwendung nicht vorhersehbar ist, weil sie maßgeblich von der internationalprivatrechtlichen Qualifikation des jeweiligen reaktiven Kapitalschutzinstruments durch das entscheidende Gericht abhängt. 14. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die fehlende Abstimmung der für die EPG geltenden Rechnungslegungswerke, der auf sie anwendbaren präventiven und reaktiven Kapitalschutzinstrumente sowie des einschlägigen Insolvenzrechts ein Spannungsfeld entstehen läßt, das die Gesellschafter der EPG zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger und auch der Geschäftsleiter einseitig bevorteilt. 15. Zum Ausgleich dieser Schieflage ist eine Überarbeitung des EPG-VO-E dringend geboten. Zunächst sollten die Gesellschafter zur Erbringung der vollständigen Einlage vor Eintragung der EPG verpflichtet werden. Weiter sollte eine Pflicht zur Bewertung von Sacheinlagen und eine Differenzhaftung vorgesehen sowie das Verbot der Einlage von Dienstleistungen ausdrücklich geregelt werden. Zudem sollte eine gesetzliche Rücklage und eine verschärfte Rückzahlungshaftung des Gesellschafters bei verbotenen Ausschüttungen eingeführt werden. Die EPG-Verordnung sollte schließlich einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der nationalen Durchgriffshaftungstatbestände enthalten.
Anhang KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
Brüssel, den KOM(2008) 396 2008/xxxx (CNS)
Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft
(von der Kommission vorgelegt)
{SEK(2008) 2098} {SEK(2008) 2099}
Anhang
427
BEGRÜNDUNG 1.
HINTERGRUND
In der Mitteilung der Kommission zum Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts1 wird die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt hervorgehoben. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) machen in der Europäischen Union mehr als 99 % der Unternehmen aus, aber lediglich 8 % treiben grenzübergreifend Handel und 5 % verfügen über Tochtergesellschaften oder Gemeinschaftsunternehmen im Ausland. Während es in den letzten Jahren einfacher geworden ist, europaweit Unternehmen zu errichten, muss noch mehr getan werden, um den Zugang der KMU zum Binnenmarkt zu verbessern, ihr Wachstum zu erleichtern und ihr Geschäftspotenzial zu entfalten. Das Statut der Europäischen Privatgesellschaft („Societas Privata Europaea“, nachstehend „SPE“) ist Bestandteil eines Maßnahmenpakets zur Unterstützung der KMU, des sogenannten „Small Business Act" für Europa (SBA). Ziel des SBA ist es, die Geschäftstätigkeit der KMU im Binnenmarkt zu erleichtern und folglich ihre Marktleistung zu verbessern. Die SPE ist eine der prioritären Initiativen des Arbeitsprogramms der Kommission für 20082. 2.
ZIELE DES VORSCHLAGS
Mit der Initiative wird eine neue europäische Rechtsform geschaffen, die die Wettbewerbsfähigkeit der KMU durch Erleichterung ihrer Niederlassung und Tätigkeit im Binnenmarkt erhöhen soll. Gleichzeitig hat das Statut das Potenzial, auch größeren Unternehmen und Gruppen zu Gute zu kommen. Der Vorschlag für ein Statut der SPE ist auf die spezifischen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten. Er gestattet den Unternehmern, in allen Mitgliedstaaten gemäß den gleichen einfachen und flexiblen Gesellschaftsrechtsvorschriften eine SPE zu gründen. Der Vorschlag zielt auf eine Senkung der Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ab, die sich aus den Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften für die Gründung und den Betrieb von Unternehmen ergeben. Der Vorschlag geht nicht auf Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeits- oder dem Steuerrecht, der Rechnungslegung oder der Insolvenz der SPE ein. Auch behandelt er nicht die vertraglichen Rechte und Verpflichtungen der SPE oder ihrer Anteilseigner, die über diejenigen hinaus gehen, die sich aus der Satzung der SPE ergeben. Diese Punkte unterliegen weiterhin dem nationalen Recht und gegebenenfalls den vorhandenen Gemeinschaftsinstrumenten.
1
2
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ – KOM (2007) 724 vom 20.11.2007. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008“ - KOM(2007) 640.
428
Anhang
Die Wahl der SPE als eine Rechtsform zur Ausübung von Tätigkeiten in der EU sollte aus steuerlicher Sicht neutral sein. Deshalb ist es wichtig sicherzustellen, dass die SPE eine ähnliche Steuerbehandlung wie vergleichbare nationale Rechtsformen erhält. Zu diesem Zweck gedenkt die Europäische Kommission, im Herbst 2008 Gespräche mit den Mitgliedstaaten aufzunehmen, um den Anwendungsbereich der folgenden Richtlinien auf die SPE auszudehnen: Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften (90/435/EWG)3, Fusionsrichtlinie (90/434/EWG)4 und Zinsen- und Lizenzgebührenrichtlinie (2003/49/EG)5. Ziel der Kommission ist es sicherzustellen, dass diese Maßnahmen umgesetzt sind und den SPEs von Beginn ihrer Tätigkeit an zu Gute kommen. 3.
RECHTSGRUNDLAGE
Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 308 EG-Vertrag. Diese Bestimmung schafft die Rechtsgrundlage für EU-Maßnahmen, mit denen eines der Ziele der Gemeinschaft erreicht werden soll, ohne dass im EG-Vertrag eine spezifische Rechtsgrundlage vorgesehen ist. Artikel 308 ist die Rechtsgrundlage für die bereits bestehenden Formen europäischer Gesellschaften, und zwar die Europäische Gesellschaft, die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Europäische Genossenschaft. 4.
SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄßIGKEIT
Mit dem Vorschlag soll der Binnenmarkt den KMU zugänglicher gemacht werden, indem ihnen ein Instrument an die Hand gegeben wird, das die Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf andere Mitgliedstaaten erleichtert. Dennoch knüpft der Vorschlag die Gründung einer SPE nicht an eine grenzübergreifende Anforderung (z.B. Anteilseigner aus verschiedenen Mitgliedstaaten oder Nachweis einer grenzübergreifenden Tätigkeit). In der Praxis gründen Unternehmer ihr Unternehmen in der Regel im eigenen Mitgliedstaat, bevor sie in anderen Ländern tätig werden. Eine grenzübergreifende Anforderung in der Startphase würde folglich das Potenzial des Instruments mindern. Eine grenzübergreifende Anforderung könnte zudem leicht umgangen werden und ihre Kontrolle und rechtliche Durchsetzung könnte die Mitgliedstaaten ungebührlich belasten. Deshalb besteht auf EU-Ebene Handlungsbedarf, um es den KMU zu ermöglichen, in der gesamten EU die gleiche Gesellschaftsform zu verwenden. Die Mitgliedstaaten können dieses Ziel einzeln nicht voll verwirklichen. Selbst wenn sich alle Mitgliedstaaten dazu verpflichten würden, ihre Rechtsvorschriften für Unternehmen unternehmerfreundlicher zu gestalten, würden die KMU immer noch mit 27 unterschiedlichen nationalen Regelungen konfrontiert sein.
3
4
5
Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutterund Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 225 vom 22.9.1990, S.6. Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ABl. L 225 vom 20.8.1990, S. 1. Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 157 vom 26. 6. 2003, S. 49.
Anhang
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Indem den KMU eine Gesellschaftsform angeboten wird, die einheitlich, rechtlich sicher und auch noch flexibel ist, würde die SPE das effizienteste und angemessenste Mittel zur Erreichung dieses Ziels sein. Eine Alternative zur Erreichung desselben Ziels würde in der Harmonisierung zumindest der Kernbestimmungen der nationalen Gesellschaftsrechtsvorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung bestehen. Dies würde eine beträchtliche und wahrscheinlich unangemessene Einmischung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten darstellen. Im Gegensatz zur Harmonisierung lässt der vorliegende Vorschlag das nationale Recht weitgehend unberührt. Er bietet den KMU eine alternative Form, die parallel zu den nationalen Gesellschaftsformen existieren würde. Die Schaffung einer neuen europäischen Rechtsform erfordert ein Rechtsinstrument, das unmittelbar anwendbar ist, d.h. eine Verordnung. Weder eine Empfehlung noch eine Richtlinie würden zu einer einheitlichen Regelung führen, die in allen Mitgliedstaaten anwendbar ist. 5.
ANHÖRUNG INTERESSIERTER KREISE
Das Statut der Europäischen Privatgesellschaft wurde ursprünglich Anfang der 90er Jahre von der Geschäftswelt und den akademischen Kreisen entwickelt und gewann im Laufe der Zeit die Unterstützung der Industrieverbände und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses6. Es zählte auch zu den möglichen Maßnahmen des Aktionsplans zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union für die Jahre 2003-20097. Die öffentliche Anhörung im Jahr 2006 zu den künftigen Prioritäten der Kommission in den zuvor genannten Bereichen bekräftigte diese Unterstützung8. Im Juni 2006 hielt der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments eine öffentliche Anhörung zur SPE ab und verfasste einen Initiativbericht sowie eine Entschließung, in denen die Europäische Kommission aufgerufen wurde, vor Ende 2007 einen Vorschlag für eine SPE vorzulegen9. In einer Entschließung vom 25. Oktober 200710 bekräftigte das Parlament erneut seine Unterstützung und klare Verpflichtung im Hinblick auf die Initiative. Angesichts des starken Interesses des Parlaments an diesem Vorschlag sollte es von Anfang an eng in die Arbeiten zur SPE einbezogen werden. Im Juli 2007 lancierte die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen eine spezifische öffentliche Anhörung zur SPE. Mittels der Testgruppe europäischer Unternehmen11 wurde überdies bei Unternehmen in den 27 Mitgliedstaaten eine Erhebung durchgeführt.
6
7 8 9
10
11
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Ein europäisches Rechtsstatut für KMU", ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 19. KOM(2003) 284. http://ec.europa.eu/internal_market/company/consultation/index_en.htm Bericht des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen Privatgesellschaft (2006/2013(INI)), A6-0434/2006 endg. Entschließung des Europäischen Parlaments zur 14. Gesellschaftsrechtsrichtlinie und zur Europäischen Privatgesellschaft (B6-0399/07). Anhörung: http://ec.europa.eu/internal_market/company/epc/index_en.htm EBTP: http://ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/consultations/2007_en.htm
430
Anhang
Am 10. März 2008 hielt die Kommission eine Konferenz zur SPE ab. Der Sachverständigenausschuss der Europäischen Kommission zur Corporate Governance und zum Gesellschaftsrecht12 legte Informationen in Bezug auf die Folgenabschätzung vor und gab Empfehlungen zum Inhalt des SPE-Statuts ab. Diese Gruppe arbeitet auch an der Abfassung von Beispielen für die Bestimmungen der Satzung einer SPE, die das Verständnis des Statutsentwurfs erleichtern soll. 6.
FOLGENABSCHÄTZUNG
Neuere Erhebungen13 und öffentliche Konsultationen zeigen, dass KMU trotz ihres großen Potenzials vor rechtlichen und administrativen Hindernissen stehen, die ihre Entwicklung im Binnenmarkt behindern. Auch wenn alle Unternehmen, die grenzübergreifend tätig werden wollen, auf Rechts- und Verwaltungshindernisse stoßen, sind diese für kleine Unternehmen proportional größer, da sie finanziell und personell schlechter ausgestattet sind. Die Schwierigkeiten, auf die Unternehmen infolge der Vielfalt von Unternehmensformen stoßen, bestehen vor allem in den Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für die Gründung eines Unternehmens (z.B. eine obligatorische Mindesteigenkapitalanforderung, Registrierungs- und Notargebühren, Kosten für Rechtsberatung) und in den Schwierigkeiten und den Kosten für die Einhaltung von Vorschriften für den Betrieb eines Unternehmens, die den Tagesbetrieb ausländischer Tochtergesellschaften kostenaufwendiger gestalten als den inländischer Tochtergesellschaften. Die grenzübergreifende Entwicklung von KMU wird auch durch das mangelnde Vertrauen in bestimmte ausländische Gesellschaftsformen in anderen Mitgliedstaaten behindert. Dieses Problem besteht vor allem in Bezug auf die weniger bekannten Gesellschaftsformen. In der Folgenabschätzung werden vier grundlegende politische Optionen geprüft: –
Verzicht auf Maßnahmen und Rückgriff auf die bestehenden Rechtsvorschriften und die ständige Rechtsprechung: Trotz der Bemühungen, die Unternehmensgründung in der EU rascher und einfacher zu gestalten, sind die KMU immer noch mit 27 unterschiedlichen Gesellschaftsrechtregelungen konfrontiert.
–
Versuch der Harmonisierung der Gesellschaftsrechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten: Um die Kosten für die Unternehmensgründung und die Tätigkeit von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten erheblich zu senken, wäre ein hoher Grad an Harmonisierung der nationalen Regelungen erforderlich. Die wesentlichen Änderungen der nationalen Rechtsvorschriften, die eine Folge dieses Ansatzes wären, wären jedoch dem Ziel des Vorschlags nicht unbedingt angemessen.
–
Verbesserung des Statuts der Europäischen Gesellschaft (SE) und Anpassung an die Bedürfnisse der KMU: Ein Zugang der KMU zum Statut der SE würde erhebliche Änderungen erforderlich machen. Diese Option würde eine sorgfältige Neufassung
12
http://ec.europa.eu/internal_market/company/advisory/index_en.htm Erhebung der Europäischen Überwachungsstelle für kleine und mittlere Unternehmen (Flash EB Nr. 196) unter Federführung der „Gallup Organisation“ Ungarn auf Anfrage der GD Unternehmen und Industrie, Erhebung vorgelegt auf dem KMU-Aktionstag von Business Europe am 21. November 2007. http://www.businesseurope.eu/Content/Default.asp?PageId=496
13
Anhang
431
und Neuaushandlung der SE-Verordnung vor ihrer Bewertung im Jahr 2008/2009 notwendig machen. –
Vorschlag eines SPE-Statuts für KMU: Die Schaffung einer neuen europäischen Rechtsform für KMU löst die zuvor genannten Probleme am Besten, indem eine Gesellschaftsform geschaffen wird, die einheitliche Regeln für die Gründung in der gesamten EU festlegt, den internen Aufbau flexibel gestaltet und somit Kosten einspart. Den KMU würde auch ein europäisches Gütezeichen verliehen, was die grenzübergreifende Tätigkeit erleichtern dürfte.
7.
ERLÄUTERUNG DES VORSCHLAGS
Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen In den allgemeinen Bestimmungen werden die Hauptmerkmale der SPE festgelegt. Die SPE ist eine Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit und sie verfügt über Gesellschaftskapital. Es handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, d.h. ihre Anteilseigner können nur für den von ihnen gezeichneten Betrag haftbar gemacht werden. Da es sich bei der SPE um eine Privatgesellschaft handelt, können die Anteile an einer SPE weder öffentlich angeboten noch öffentlich gehandelt werden. Für die Gründung einer SPE besteht keine Beschränkung. Sie kann gemäß Artikel 48 EGVertrag von einem oder mehreren Gründern, natürlichen Personen und/ oder Unternehmen gegründet werden. Darüber hinaus können sich auch eine Europäische Gesellschaft (SE), eine Europäische Genossenschaft, eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) oder eine andere SPE an der Gründung einer SPE beteiligen. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Statuts und seiner Verbindung zum nationalen Recht sieht die Verordnung Folgendes vor: (1)
Eine SPE wird in erster Linie durch die direkt anwendbaren obligatorischen Bestimmungen der Verordnung reguliert. Diese Regeln erleichtern die Gründung der SPE und gewährleisten die erforderliche Einheitlichkeit der SPE in der EU.
(2)
Der Verordnung zufolge sind eine Reihe von Punkten, insbesondere der interne Aufbau der SPE durch die Satzung zu regeln (Anhang I). Zur Gewährleistung der Flexibilität steht es den Anteilseignern frei, wie sie diese Punkte regeln, sofern lediglich die Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten werden.
(3)
Für Punkte, die unter das SPE-Statut fallen, ist das nationale Gesellschaftsrecht lediglich in den durch die Verordnung spezifizierten Fällen relevant. Die Bestimmungen, die gemäß Anhang I in die Satzung aufzunehmen sind oder aufgenommen werden können, unterliegen nicht dem nationalen Recht.
Die Bestimmungen der Verordnung und die Liste der in Anhang I genannten Punkte, die von der Satzung abzudecken sind, definieren den Anwendungsbereich der EU-Vorschriften. Der Vorschlag enthält keine Standardbestimmungen, die für den Fall der Nichtabdeckung der in Anhang I genannten Punkte durch die Satzung Anwendung finden würden. Dennoch sind im
432
Anhang
nationalen Recht die Sanktionen für eine solche Unterlassung oder einen sonstigen Verstoß gegen die Verordnung vorzusehen. Das nationale Recht regelt all die Fragen, die nicht von der Verordnung oder der Satzung der SPE im Sinne von Anhang I abgedeckt sind. Dies ist z.B. bei nicht in Anhang I genannten Punkten oder in Bereichen der Fall, die außerhalb des Gesellschaftsrechts liegen (wie Arbeits-, Insolvenz- oder Steuerrecht). Das jeweils anwendbare Recht ist das Recht des Mitgliedstaats, in dem die SPE ihren eingetragenen Sitz hat und das auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung Anwendung findet. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Bezeichnung der jeweiligen Unternehmensform mit. Kapitel II: Gründung Die Verordnung sieht keinerlei Beschränkungen der Art und Weise vor, auf die eine SPE gegründet werden kann. Gemäß der Verordnung kann eine SPE ex nihilo gegründet werden. Sie kann auch durch Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung bestehender Gesellschaften gegründet werden. Im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts kann jegliche Gesellschaftsform, die im nationalen Recht besteht (privat oder öffentlich, mit oder ohne Rechtspersönlichkeit), in eine SPE umgewandelt werden. Eine SE oder eine andere SPE können sich ebenfalls an der Gründung einer SPE beteiligen. Auf den Namen der Europäischen Privatgesellschaft folgt der Zusatz „SPE“. Die SPE ist gehalten, ihren eingetragenen Sitz und Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu haben. Gemäß dem Centros-Urteil14 des Europäischen Gerichtshofs kann eine SPE ihren eingetragenen Sitz und Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Die Anteilseigner können auch beschließen, den eingetragenen Sitz des Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Die Verordnung schreibt kein spezielles Registrierungsverfahren für die SPE vor, stützt sich allerdings auf die Bestimmungen der Ersten Gesellschaftsrechtrichtlinie (68/151/EWG) und legt einige Anforderungen fest, mittels derer die Gründung einer SPE einfacher und kostengünstiger werden soll. So muss es zum einen möglich sein, dass eine SPE einen elektronischen Antrag auf Registrierung stellt. Zum anderen enthält die Verordnung eine erschöpfende Liste von Dokumenten und Angaben, die die Mitgliedstaaten für die Registrierung der SPE anfordern können. Änderungen dieser Dokumente und Angaben sind ebenfalls zu registrieren. Schließlich schreibt der Vorschlag eine einzige Überprüfung der Rechtsgültigkeit vor, und zwar im Rahmen der Registrierung der SPE entweder eine Kontrolle der Rechtsgültigkeit der Dokumente und Angaben durch eine Verwaltungs- oder eine Justizbehörde oder eine notarielle Beglaubigung. Den Gründern der SPE darf nicht vorgeschrieben werden, beide Bedingungen zu erfüllen. Kapitel III: Anteile Die Verordnung räumt den Anteilseignern einen großen Spielraum ein, wenn es um Fragen zu den Anteilen geht, insbesondere aber in Bezug auf die mit den Anteilen verbundenen Rechte und Verpflichtungen. Eine SPE kann Stammanteile oder Vorzugsanteile ausgeben. 14
Rechtssache C-212/97.
Anhang Beschränkungen finden erforderlichenfalls Minderheitsanteilseignern Anwendung.
nur
433 im
Interesse
von
Dritten
oder
Jeder Anteilsbesitz ist in der Liste der Anteilseigner zu registrieren, die vom Leitungsorgan der SPE zu erstellen und zu führen ist. Sofern nicht anders nachgewiesen, dient diese Liste als Nachweis des Anteilsbesitzes. Anteilseigner oder Dritte können diese Liste auf Anfrage einsehen. Die Bedingungen für die Übertragung von Anteilen sind in der Satzung festzulegen. Jede neue Beschränkung oder jedes neue Verbot von Übertragungen erfordert einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss (Artikel 27). Zum Schutz der Interessen von Minderheitsanteilseignern macht ein solcher Beschluss die Zustimmung jedes von der Beschränkung oder dem Verbot betroffenen Anteilseigners erforderlich. Durch die Verordnung erhalten die Anteilseigner nicht das Recht, Minderheitsanteilseigner zu verdrängen. Auch sind die Mehrheitsanteilseigner oder die SPE nicht gezwungen, die Anteile der Minderheitsanteilseigner zu übernehmen (Ausverkaufsrecht). Derartige Bestimmungen können in die Satzung aufgenommen werden. Allerdings gestattet die Verordnung unter bestimmten Umständen sowohl den Ausschluss oder das Ausscheiden eines Anteilseigners. Kapitel IV: Kapital Um Neugründungen zu erleichtern, legt die Verordnung die Mindestkapitalanforderung auf 1 Euro fest. Der Vorschlag weicht von dem üblichen Ansatz ab, der die Anforderung eines hohen gesetzlichen Mindestkapitals als Mittel des Gläubigerschutzes betrachtet. Aus Studien geht hervor, dass die Gläubiger heutzutage auf andere Gesichtspunkte als das Kapital schauen, wie z.B. den Cashflow, die für die Solvenz relevanter sind. Mitglieder der Unternehmensleitung von kleinen Unternehmen, die gleichzeitig Anteilseigner sind, bieten ihren Gläubigern (z.B. Banken) oftmals persönliche Garantien und Lieferanten verwenden ebenfalls andere Methoden zur Absicherung ihrer Forderungen, z.B. Übertragung des Eigentums von Waren erst bei ihrer Bezahlung. Außerdem haben die Unternehmen je nach ihrer Tätigkeit einen unterschiedlichen Kapitalbedarf und deshalb ist es unmöglich, für alle Unternehmen ein angemessenes Kapital festzulegen. Die Anteilseigner eines Unternehmens sind am Besten platziert, um den Kapitalbedarf für ihre Geschäftstätigkeit zu bestimmen. Mit der Verordnung wird nicht das Recht der Anteilseigner eingeschränkt, darüber zu befinden, welche Art von Entgelt für die Anteile bei der Gründung der SPE oder bei einer Kapitalerhöhung zu leisten ist. Folglich ist in der Satzung festzulegen, ob die Gründer Baroder Sacheinlagen zu leisten haben. Es steht ihnen frei, darüber zu entscheiden, welches Eigentum, welche Rechte, Dienstleistungen usw. als Entgelt für die Anteile akzeptiert werden und wann sie zu zahlen oder bereit zu stellen sind. Auch ist in der Satzung festzuschreiben, ob eine Bewertung der Sacheinlage durch einen Sachverständigen zu erfolgen hat oder nicht. Gemäß den nationalen Rechtsvorschriften haften die Anteilseigner für ihr Entgelt. Die Verordnung enthält einheitliche Regeln für die Ausschüttungen (z.B. Dividenden, Kauf von eigenen Anteilen der SPE, Schuldenaufnahme), die in Bezug auf die Vermögenswerte der SPE an die Anteilseigner vorgenommen werden. Eine Ausschüttung kann nur dann vorgenommen werden, wenn die SPE dem Bilanztest genügt, d.h. nach der Ausschüttung decken ihre Vermögenswerte ihre Schulden voll ab. Im Vorschlag wird keine Begriffsbestimmung von "Vermögenswerten" und "Schulden" vorgenommen. Diesbezüglich
434
Anhang
gelten vielmehr die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften (d.h. Vierte Richtlinie (78/660/EWG) oder Verordnung (EG) Nr. 1606/2002). Da die Vorbereitung eines Solvenztests für die Ausschüttungen derzeit nur in wenigen Mitgliedstaaten besteht, macht dieser Vorschlag sie für die SPE auch nicht verbindlich. Dennoch gestattet er den Anteilseignern ausdrücklich die Festschreibung eines Solvenztests in der Satzung, und zwar zusätzlich zu dem von der Verordnung geforderten Bilanztest. Wenn die Anteilseigner das Leitungsorgan auffordern, eine Solvenzbescheinigung vor der Ausschüttung zu unterzeichnen, haben sie auch die damit verbundenen Anforderungen zu definieren (z. B. Gründe und Kriterien) und die Bescheinigung ist zu veröffentlichen. Zum Schutz des Gesellschaftsvermögens kann die SPE dem Vorschlag zufolge unter bestimmten Bedingungen ihre eigenen Anteile erwerben. Vor dem Erwerb ihrer eigenen Anteile muss die SPE einen Bilanztest durchführen sowie einen Solvenztest, sofern dieser in der Satzung vorgeschrieben ist. Die Anteilseigner entscheiden über den Erwerb. Die an die jeweiligen Anteile gebundenen nicht geldlichen Rechte (vor allem Stimm- und Bezugsrechte) werden ausgesetzt. In der Satzung können zusätzliche Bedingungen und weitere Beschränkungen festgelegt werden. Kapitel V: Aufbau der SPE Vorbehaltlich der Verordnung haben die Anteilseigner der SPE bei der Festlegung des Aufbaus der SPE einen großen Spielraum. Artikel 27 enthält eine nicht erschöpfende Liste der von den Anteilseignern zu fassenden Beschlüsse. Im Sinne von Artikel 27 muss die Satzung die erforderliche Mehrheit und die Beschlussfähigkeit festlegen. Dieser Artikel sieht nämlich vor, dass einige dieser Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit zu fassen sind (d.h. mindestens 2/3 der Stimmrechte der SPE, aber die Satzung kann auch eine größere Mehrheit vorschreiben, z.B. 3/4). Es besteht keine Pflicht, dass die Anteilseigner auf Hauptversammlungen physisch anwesend sein müssen. In der Satzung ist jedoch die Beschlussfassungsmethode der Anteilseigner festzulegen. Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der SPE haben die Anteilseigner große Informationsrechte. Ihr Recht auf kollektive Beschlüsse unterliegt dem nationalen Recht. Die Verordnung sieht zwei spezifische Minderheitsrechte für die Anteilseigner vor: das Recht auf Fassung von Beschlüssen der Anteilseigner und das Recht auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen (insbesondere eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers) durch das zuständige Gericht bzw. die zuständige Verwaltungsbehörde. Sämtliche nicht in der Verordnung oder in der Satzung genannten Beschlüsse fallen in die Zuständigkeit des Leitungsorgans der SPE, das für die Geschäftsführung zuständig ist. Die Satzung legt die Managementstruktur der SPE fest (ein oder mehrere Mitglieder der Unternehmensleitung, monistisches oder dualistisches System). Wird in der SPE jedoch Arbeitnehmermitbestimmung praktiziert, muss die gewählte Managementstruktur die Ausübung dieses Rechts ermöglichen. Die Anteilseigner der SPE entscheiden über die Ernennung und Entlassung von Mitgliedern der Unternehmensleitung. In der Satzung sind die Laufzeit der Mandate der Mitglieder der Unternehmensleitung und etwaige Auswahlkriterien festzulegen. Die Verordnung untersagt jedem, der in einem Mitgliedstaat für die Ausübung der Aufgabe eines Mitglieds der
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435
Unternehmensleitung als ungeeignet erklärt wurde, als Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE tätig zu werden. Die Verordnung schreibt den Mitgliedern der Unternehmensleitung vor, im bestmöglichen Interesse des Unternehmens zu handeln. Folglich stehen die Mitglieder der Unternehmensleitung der SPE gegenüber in der Pflicht und ihre Verpflichtungen können nur seitens des Unternehmens rechtlich durchgesetzt werden. Die Verordnung verleiht einzelnen Anteilseignern oder Gläubigern nicht das Recht, die Mitglieder des Leitungsorgans direkt zu verklagen. Indem von den Mitgliedern der Unternehmensleitung verlangt wird, mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können, zu handeln, schreibt die Verordnung eine allgemeine Sorgfaltspflicht vor. Die nationalen Gerichte können diese Bestimmung interpretieren. Während in der Verordnung auch die wichtigsten spezifischen Pflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung (z.B. Vorschlag von Ausschüttungen) vorgeschrieben werden, können in der Satzung noch weitere Pflichten verankert werden. Die Mitglieder der Unternehmensleitung sind gehalten, jeglichen aktuellen oder potenziellen Interessenkonflikt zu vermeiden. In der Satzung können jedoch Situationen vorgesehen werden, in denen derartige Konflikte zulässig sind. Die Verordnung sieht die Haftung der Mitglieder der Unternehmensleitung für jeglichen Verlust oder Schaden vor, den eine SPE aufgrund der Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen erleidet, die in der Verordnung, der Satzung oder in einem Beschluss der Anteilseigner festgeschrieben sind. Andere Aspekte der Haftung, z. B. die Folgen der Nichterfüllung der Pflichten oder ein jegliches Urteil über das Geschäftsgebaren, unterliegen dem nationalen Recht. Kapitel VI: Arbeitnehmermitbestimmung Die Arbeitnehmermitbestimmung in kleinen Unternehmen besteht in nur wenigen Mitgliedstaaten (z.B. Schweden und Dänemark). Generell gilt das aus der Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (2005/56/EG) herrührende Prinzip, dass die SPE den Arbeitnehmermitbestimmungsregeln des Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie ihren eingetragenen Sitz hat. Diesbezüglich wird die SPE also ebenso attraktiv sein wie vergleichbare inländische Unternehmen. Grenzübergreifende Fusionen mit SPEs fallen unter die zuvor genannte Richtlinie. Im Falle der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE sind jedoch spezielle Bestimmungen erforderlich. Kapitel VII: Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE Unter Wahrung ihrer Rechtspersönlichkeit und ohne Zwang zu einer Auflösung der Gesellschaft kann eine SPE ihren eingetragenen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen. Zum Schutz der Interessen Dritter gestattet die Verordnung keine Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE während einer Auflösung, einer Liquidation oder ähnlichen Verfahren. Das Verlegungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen für die Verlegung des eingetragenen Sitzes der SE-Verordnung.
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Die Verordnung sieht eine besondere Regelung für den Fall vor, in dem eine SPE, die die Arbeitnehmermitbestimmung praktiziert, ihren eingetragenen Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, in dem keine Arbeitnehmermitbestimmung existiert oder nur ein niedrigeres Niveau an Arbeitnehmermitbestimmungsrechten vorhanden ist oder in dem nicht vorgesehen ist, dass Arbeitnehmer von Niederlassungen einer SPE in anderen Mitgliedstaaten das gleiche Recht auf Ausübung dieser Arbeitnehmermitbestimmungsrechte wie vor der Sitzverlegung haben. In solchen Fällen, in denen mindestens ein Drittel der SPEArbeitnehmer im Herkunftsmitgliedstaat beschäftigt sind, müssen Verhandlungen zwischen dem Leitungsorgan und den Arbeitnehmervertretern stattfinden, um eine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu erzielen. Sollte keine Einigung erzielt werden, werden die Vereinbarungen über die Mitbestimmung im Herkunftsmitgliedstaat beibehalten. Kapitel VIII: Umstrukturierung, Auflösung und Ungültigkeit Der Verordnung zufolge unterliegt die Auflösung oder die Umwandlung einer SPE in eine nationale Gesellschaftsform dem nationalen Recht. Zudem kann die SPE mit anderen Unternehmen verschmelzen oder aufgespalten werden. Diese Verfahren haben gemäß den für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden Regeln zu erfolgen. Kapitel IX: Zusätzliche Bestimmungen und Übergangsbestimmungen Artikel 42 gestattet den SPE, die in einem Mitgliedstaat außerhalb der Eurozone registriert sind, ihr Kapital und ihre Abschlüsse in der nationalen Währung dieses Mitgliedstaats offen zu legen. Dennoch kann eine solche SPE ihr Kapital und/ oder ihre Abschlüsse auch in Euro offen legen. Kapitel X: Schlussbestimmungen Die Verordnung schreibt die Annahme bestimmter Vorschriften durch die Mitgliedstaaten vor. So sind insbesondere die Verfahrensvorschriften für die Registrierung, die Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE und Sanktionen für den Verstoß gegen die Verordnung und die Satzung zu verabschieden.
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437 2008/xxxx (CNS)
Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (Text von Bedeutung für den EWR)
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 308, auf Vorschlag der Kommission15, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments16, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses17, in Erwägung nachstehender Gründe: (1)
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in der Gemeinschaft sind nach wie vor weitgehend innerstaatlich bestimmt. Die Unternehmen sehen sich dadurch einer Vielzahl nationaler Rechtsvorschriften, Gesellschaftsformen und Unternehmensverfassungen gegenüber. Einige dieser Schwierigkeiten lassen sich durch eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch Richtlinien nach Artikel 44 EG-Vertrag beseitigen. Eine solche Angleichung enthebt die Unternehmensgründer allerdings nicht der Pflicht, bei jeder Gründung eine Gesellschaftsform nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats zu wählen.
(2)
Die derzeitigen Gesellschaftsformen nach europäischem Recht, insbesondere die Europäische Gesellschaft (SE), die durch die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft18 geschaffen wurde, sind auf große Unternehmen zugeschnitten. Aufgrund der Mindestkapitalanforderungen für eine Europäische Gesellschaft und der Einschränkungen für ihre Gründung ist diese Form von Gesellschaft für viele Unternehmen, insbesondere für Kleinunternehmen, nicht geeignet. Angesichts der Probleme, die diesen Unternehmen aus der Vielzahl unterschiedlicher gesellschaftsrechtlicher Regelungen und der mangelnden Eignung der SE für kleine Unternehmen erwachsen, sollte eine speziell auf Kleinunternehmen zugeschnittene
15
ABl. C [...] vom [...], S. [...]. ABl. C [...] vom [...], S. [...]. ABl. C [...] vom [...], S. [...]. ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1).
16 17 18
438
Anhang europäische Gesellschaft geschaffen werden, die gemeinschaftsweit gegründet werden kann.
(3)
Da eine solche gemeinschaftsweit gründbare Privatgesellschaft (nachstehend „SPE“) für Kleinunternehmen bestimmt ist, sollte die Rechtsform gemeinschaftsweit so einheitlich wie möglich sein und sollten möglichst viele Punkte der Vertragsfreiheit der Anteilseigner überlassen bleiben, während gleichzeitig für Anteilseigner, Gläubiger, Beschäftigte und Dritte ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet wird. Da den Anteilseignern für die interne Organisation der SPE ein hohes Maß an Flexibilität und Freiheit einzuräumen ist, sollte der private Charakter der Gesellschaft auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass ihre Anteile weder öffentlich angeboten noch am Kapitalmarkt gehandelt werden dürfen, worunter auch die Zulassung zum Handel oder die Notierung an einem geregelten Markt fällt.
(4)
Damit die Unternehmen von sämtlichen Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können, sollte eine SPE ihren Sitz und ihre Hauptniederlassung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben und ihren Sitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlagern können, ohne unbedingt auch die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung verlegen zu müssen.
(5)
Um den Unternehmen Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen zu ermöglichen, sollte eine SPE in jedem Mitgliedstaat gegründet werden können, wobei es bei der Gesellschaftsform so wenig Abweichungen wie möglich geben sollte.
(6)
Um für die SPE ein hohes Maß an Einheitlichkeit zu gewährleisten, sollten möglichst viele mit der Gesellschaftsform zusammenhängende Punkte unter diese Verordnung fallen und entweder durch materiellrechtliche Vorschriften geregelt oder an die Satzung der SPE verwiesen werden. Im Anhang zu dieser Verordnung sollte deshalb eine Liste all der Punkte zusammengestellt werden, für die die Anteilseigner der SPE in der Satzung Regelungen treffen müssen. Für diese Punkte sollte nur das Gemeinschaftsrecht gelten, damit die Anteilseigner hier andere Regelungen treffen können als das Recht des Mitgliedstaats, in der die SPE ihren Sitz hat, für Privatgesellschaften mit beschränkter Haftung vorsieht. Das innerstaatliche Recht sollte für all die Punkte gelten, für die die Verordnung dies vorsieht, sowie alle Bereiche, die nicht von dieser Verordnung abgedeckt werden, wie Insolvenz, Beschäftigung und Steuern, oder nicht durch sie an die Satzung verwiesen wurden.
(7)
Um die SPE als Gesellschaftsform für natürliche Personen und Kleinunternehmen zugänglich zu machen, sollte sie ex nihilo gegründet werden oder aus einer Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung bestehender nationaler Gesellschaften hervorgehen können. Die Gründung einer SPE durch Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung von Gesellschaften sollte dem anwendbaren innerstaatlichen Recht unterliegen.
(8)
Um die mit der Eintragung einer Gesellschaft verbundenen Kosten und den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand zu verringern, sollten die Eintragungsformalitäten auf das zur Gewährleistung von Rechtssicherheit erforderliche Maß beschränkt werden und sollte die Gültigkeit der bei Gründung einer SPE vorzulegenden Dokumente einer einzigen Prüfung unterzogen werden, die vor oder nach der Eintragung stattfinden kann. Die Eintragung sollte in einem der Register erfolgen, die im Rahmen der Ersten Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur
Anhang
439
Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (68/151/EWG)19, bestimmt wurden. (9)
Da Kleinunternehmen häufig ein langfristiges finanzielles und persönliches Engagement erfordern, sollten sie die Struktur ihres Gesellschaftskapitals und die mit den Anteilen verbundenen Rechte an ihre speziellen Bedürfnisse anpassen können. Die Anteilseigner einer SPE sollten deshalb selbst darüber bestimmen können, welche Rechte mit ihren Anteilen verbunden sind, wie bei einer Änderung dieser Rechte und bei einer Anteilsübertragung zu verfahren ist und ob eine solche Übertragung beschränkt werden soll.
(10)
Um die Fortführung der Geschäftstätigkeit einer SPE nicht zu gefährden bzw. die Freiheit der Anteilseigner zu gewährleisten, sollte eine SPE die Möglichkeit haben, Anteilseigner, die ihre Interessen schwer schädigen unter Beschreitung des Rechtsweges auszuschließen und sollten Anteilseigner, deren Interessen infolge bestimmter Ereignisse schwer geschädigt wurden, das Recht haben, aus der SPE auszuscheiden.
(11)
Eine SPE sollte keinen hohen Mindestkapitalanforderungen unterworfen werden, da dies die Gründung solcher Gesellschaften behindern würde. Allerdings sollten die Gläubiger vor unverhältnismäßig hohen Ausschüttungen an die Anteilseigner geschützt werden, die die Fähigkeit der SPE zur Rückzahlung ihrer Schulden beeinträchtigen könnten. Aus diesem Grund sollten Ausschüttungen untersagt werden, in deren Folge die Schulden der SPE den Wert ihrer Vermögenswerte übersteigen. Den Anteilseignern sollte es allerdings auch freistehen, vom Leitungsorgan der SPE eine unterzeichnete Solvenzbescheinigung zu verlangen.
(12)
Da die Gläubiger im Falle einer Herabsetzung des Kapitals der SPE geschützt sein sollten, sollte in gewissem Umfang festgelegt werden, wann eine solche Herabsetzung wirksam wird.
(13)
Da Kleinunternehmen eine rechtliche Struktur benötigen, die ihren Bedürfnissen und ihrer Größe angepasst werden kann und die sich bei expandierender Geschäftstätigkeit mitentwickelt, sollten die Anteilseigner einer SPE in ihrer Satzung selbst bestimmen können, welche interne Organisation ihren Bedürfnissen am besten gerecht wird. So kann eine SPE sich für ein oder mehrere geschäftsführende Mitglieder der Unternehmensleitung oder für eine monistische oder dualistische Unternehmensverfassung entscheiden. Doch sollte die Satzung verbindliche Vorschriften zum Schutz der Inhaber von Minderheitsbeteiligungen enthalten, um eine unfaire Behandlung dieser Anteilseigner zu vermeiden; so sollten insbesondere bestimmte grundlegende Beschlüsse mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der stimmberechtigten Anteile der SPE gefasst werden. Auch wenn in Bezug auf das Recht auf Beantragung eines Beschlusses oder auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen zur Untersuchung von Missbräuchen eine Schwelle eingeführt werden kann, darf dieses Recht nicht an den Besitz von mehr als 5 % der Stimmrechte
19
ABl. L 65 vom 14.3.1968, S. 8. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/99/EG (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 137).
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Anhang der SPE geknüpft werden, wenngleich die Satzung der SPE eine niedrigere Schwelle vorsehen kann.
(14)
Bei Verlegung des Sitzes einer SPE in einen anderen Mitgliedstaat sollten die zuständigen nationalen Behörden die vollständige Durchführung und Rechtmäßigkeit dieser Sitzverlegung kontrollieren. Es sollte sichergestellt sein, dass Anteilseigner, Gläubiger und Arbeitnehmer rechtzeitig Kenntnis von der vorgeschlagenen Verlegung und dem Bericht des Leitungsorgans erhalten.
(15)
Für die Arbeitnehmermitbestimmung sollte das Recht des Mitgliedstaats gelten, in dem die SPE ihren Sitz hat („Herkunftsmitgliedstaat“). Eine SPE sollte nicht zur Umgehung solcher Rechte missbraucht werden. Sehen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in den die SPE ihren Sitz verlegt, nicht mindestens das gleiche Maß an Arbeitnehmermitbestimmung vor wie der Herkunftsmitgliedstaat, sollte darüber nach der Sitzverlegung unter bestimmten Umständen verhandelt werden. Bei Scheitern dieser Verhandlungen sollten die vor der Sitzverlegung im Unternehmen geltenden Bestimmungen auch nach der Verlegung weiter gelten.
(16)
Andere Arbeitnehmerrechte als das Mitbestimmungsrecht sollten auch weiterhin unter die Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen20, die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen21, die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen22 und die Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft 23 fallen.
(17)
Die Mitgliedstaaten sollten festlegen, welche Sanktionen bei Verstößen gegen diese Verordnung verhängt werden können und deren Anwendung gewährleisten, was auch Verstöße gegen die Verpflichtung einschließt, in der Satzung der SPE die in dieser Verordnung vorgeschriebenen Punkte zu regeln. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(18)
Der EG-Vertrag sieht für den Erlass dieser Verordnung nur die in Artikel 308 genannten Befugnisse vor.
(19)
Da sich die Ziele der beabsichtigten Maßnahme von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklichen lassen, weil es um die Schaffung einer Gesellschaftsform mit gemeinschaftsweit einheitlichen Merkmalen geht, und wegen des Umfangs und
20
ABl. L 254 vom 30.9.1994, S. 64. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/109/EG (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 416). ABl. L 225 vom 12.8.1998, S. 16. ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16. ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29.
21 22 23
Anhang
441
der Wirkungen der Maßnahme daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
KAPITEL I ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1 Gegenstand In dieser Verordnung werden die Bedingungen für Gründung und Betrieb von Gesellschaften in Form der Europäischen Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung (Societas Privata Europaea, nachstehend „SPE“) in der Gemeinschaft festgelegt. Artikel 2 Begriffsbestimmungen 1.
Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: (a)
„Anteilseigner“ ist der Gründungsgesellschafter sowie jede andere Person, deren Name gemäß den Artikeln 15 und 16 in das Verzeichnis der Anteilseigner aufgenommen wird.
(b)
„Ausschüttung“ ist jeder finanzielle Vorteil, den ein Anteilseigner aufgrund der von ihm gehaltenen Anteile direkt oder indirekt aus der SPE zieht, einschließlich einer etwaigen Übertragung von Geld oder Immobilien sowie das Eingehen einer Schuld.
(c)
„Mitglied der Unternehmensleitung“ ist jedes geschäftsführende Mitglied der Unternehmensleitung und jedes Mitglied des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einer SPE.
(d)
„Leitungsorgan“ ist ein aus einem oder mehreren geschäftsführenden Mitgliedern der Unternehmensleitung bestehendes Leitungsgremium (dualistisches System) oder Verwaltungsgremium (monistisches System), das laut Satzung der SPE für die Leitung der SPE zuständig ist.
(e)
„Aufsichtsorgan“ ist das Aufsichtsgremium (dualistisches System), das laut Satzung der SPE für die Beaufsichtigung des Leitungsorgans zuständig ist.
(f)
„Herkunftsmitgliedstaat“ ist der Mitgliedstaat, in dem die SPE unmittelbar vor Verlegung ihres eingetragenen Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat ihren Sitz hat.
442
Anhang (g)
2.
„Aufnahmemitgliedstaat“ ist der Mitgliedstaat, in den der eingetragene Sitz der SPE verlegt wird.
Ausschüttungen im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b können durch Immobilienerwerb, durch Rücknahme von Anteilen oder durch eine andere Art des Anteilserwerbs sowie auf jedem anderen beliebigen Wege erfolgen. Artikel 3 Voraussetzungen für die Gründung einer SPE
1.
Eine SPE erfüllt folgende Voraussetzungen: (a)
ihr Kapital ist in Anteile zerlegt,
(b)
ihre Anteilseigner haften nur bis zur Höhe des Kapitals, das sie gezeichnet haben oder zu dessen Zeichnung sie sich bereiterklärt haben,
(c)
sie besitzt Rechtspersönlichkeit,
(d)
ihre Anteile werden weder öffentlich angeboten noch öffentlich gehandelt,
(e)
sie kann von einer oder mehreren natürlichen und/oder juristischen Personen, nachstehend „Gründungsgesellschafter“, errichtet werden.
2.
Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe d gelten Anteile als „öffentlich angeboten“, wenn in beliebiger Form und auf beliebigem Wege eine Mitteilung an Personen gerichtet wird, die so viele Informationen über die Bedingungen des Angebots und die anzudienenden Anteile enthält, dass ein Anleger in der Lage ist, über Erwerb oder Zeichnung dieser Anteile zu entscheiden, was auch dann gilt, wenn Anteile durch Finanzintermediäre platziert werden.
3.
Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe e sind „juristische Personen“ alle Gesellschaften im Sinne von Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag, Europäische Aktiengesellschaften im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2001/2157 des Rates, nachstehend „Europäische Gesellschaft“, Europäische Genossenschaften im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen im Sinne der Verordnung (EWG) des Rates Nr. 2137/85 und SPEs. Artikel 4 Auf eine SPE anwendbare Bestimmungen
1.
Für eine SPE gelten die Bestimmungen dieser Verordnung und für die in Anhang I genannten Punkte die Bestimmungen ihrer Satzung. Ist ein Punkt nicht durch die Artikel oder durch Anhang I dieser Verordnung abgedeckt, so gelten die Rechtsvorschriften, die der Mitgliedstaat, in dem die SPE ihren Sitz hat, für Privatgesellschaften mit beschränkter Haftung erlassen hat, einschließlich der Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, nachstehend „anwendbares Recht“ genannt.
Anhang
443
KAPITEL II GRÜNDUNG
Artikel 5 Gründungsmöglichkeiten 1.
Die Mitgliedstaaten lassen für die Gründung einer SPE die folgenden Möglichkeiten zu: (a)
die Gründung einer SPE gemäß dieser Verordnung,
(b)
die Umwandlung einer bestehenden Gesellschaft,
(c)
die Verschmelzung bestehender Gesellschaften,
(d)
die Spaltung einer bestehenden Gesellschaft.
2.
Wird eine SPE durch Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung bestehender Gesellschaften gegründet, so gilt das innerstaatliche Recht, das auf die umwandelnde Gesellschaft, auf jede der verschmelzenden Gesellschaften oder auf die sich spaltende Gesellschaft anwendbar ist. Eine Gründung durch Umwandlung hat weder die Auflösung der Gesellschaft noch den Verlust oder eine Unterbrechung ihrer Rechtspersönlichkeit zur Folge.
3.
Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 ist eine „Gesellschaft“ jede Form von Gesellschaft, die nach innerstaatlichem Recht der Mitgliedstaaten gegründet werden kann, eine Europäische Gesellschaft oder gegebenenfalls eine SPE. Artikel 6 Name der Gesellschaft
Auf den Namen der SPE folgt der Zusatz „SPE“. Der Namenszusatz „SPE“ ist ausschließlich SPEs vorbehalten. Artikel 7 Gesellschaftssitz Eine SPE hat ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Gemeinschaft. Die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung einer SPE muss sich nicht im gleichen Mitgliedstaat befinden wie ihr eingetragener Sitz.
444
Anhang Artikel 8 Satzung
1.
Eine SPE verfügt über eine Satzung, die zumindest die in Anhang I dieser Verordnung genannten Punkte regelt.
2.
Die Satzung einer SPE liegt in schriftlicher Form vor und ist von allen Gründungsgesellschaftern unterzeichnet.
3.
Satzung und sämtliche Änderungen können wie folgt geltend gemacht werden: (a)
gegenüber den Anteilseignern, dem Leitungsorgan sowie gegebenenfalls dem Aufsichtsorgan der SPE ab dem Tag ihrer Unterzeichnung bzw. Annahme, wenn es sich um eine Änderung handelt;
(b)
gegenüber Dritten gemäß der Bestimmungen der anwendbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Artikel 3 Absätze 5, 6 und 7 der Richtlinie 68/151/EWG. Artikel 9 Eintragung
1.
Jede SPE wird in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, in das gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG24 durch innerstaatliche Rechtsvorschriften bestimmte Register eingetragen.
2.
Die SPE erlangt ihre Rechtspersönlichkeit am Tag ihrer Eintragung in das Register.
3.
Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme nimmt die aufnehmende Gesellschaft an dem Tag, an dem die Verschmelzung eingetragen wird, die Form einer SPE an. Bei einer Spaltung durch Übernahme nimmt die übernehmende Gesellschaft an dem Tag, an dem die Spaltung eingetragen wird, die Form einer SPE an. Artikel 10 Formalitäten für die Eintragung
1.
Der Antrag auf Eintragung wird von den Gründungsgesellschaftern oder einer von ihnen bevollmächtigten Person gestellt. Die Antragstellung kann elektronisch erfolgen.
2.
Die Mitgliedstaaten können für einen Antrag auf Eintragung einer SPE nur folgende Angaben und Dokumente verlangen:
24
(a)
den Namen der SPE und die Anschrift ihres Sitzes,
(b)
die Namen, Anschriften und alle weiteren Informationen, die zur Feststellung der Personen erforderlich sind, die befugt sind, die SPE gegenüber Dritten und
ABl. L 65 vom 14.3.1968, S. 8.
Anhang
445
vor Gericht zu vertreten, oder die an der Führung, Beaufsichtigung oder Kontrolle der SPE beteiligt sind, (c)
das Gesellschaftskapital der SPE,
(d)
die Anteilskategorien und die Zahl der Anteile in den einzelnen Klassen,
(e)
die Gesamtzahl der Anteile,
(f)
den Nennwert oder den rechnerischen Pariwert der Anteile,
(g)
die Satzung der SPE,
(h)
in Fällen, in denen die SPE aus einer Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung von Gesellschaften hervorgegangen ist, den Umwandlungs-, Verschmelzungs- oder Spaltungsbeschluss, der zur Gründung der SPE geführt hat.
3.
Die in Absatz 2 genannten Dokumente und Angaben werden in der durch das anwendbare innerstaatliche Recht vorgeschriebenen Sprache geliefert.
4.
Die Eintragung einer SPE kann nur an eine der folgenden Bedingungen geknüpft werden: (a)
die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Dokumente und Angaben der SPE durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde,
(b)
die Beglaubigung der Dokumente und Angaben der SPE.
5.
Die SPE teilt dem Register jede Änderung der in Absatz 2 Buchstaben a bis g genannten Angaben oder Dokumente innerhalb von 14 Kalendertagen nach der betreffenden Änderung mit. Nach jeder Satzungsänderung übermittelt die SPE dem Register den ungekürzten Wortlaut der letzten Fassung.
6.
Die Eintragung der SPE ist bekanntzugeben. Artikel 11 Publikationspflichten
1.
Die Veröffentlichung der nach dieser Verordnung offenzulegenden Dokumente und Angaben erfolgt gemäß der anwendbaren innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG.
2.
Briefbögen und Bestellformulare einer SPE - ob in Papier- oder elektronischer Form - sowie gegebenenfalls die Website der Gesellschaft enthalten folgenden Angaben: (a)
die Informationen, die zur Feststellung des in Artikel 9 genannten Registers sowie der Registernummer der SPE erforderlich sind,
446
Anhang (b)
den Namen der SPE, die Anschrift ihres eingetragenen Sitzes sowie gegebenenfalls den Hinweis darauf, dass sich die Gesellschaft in Auflösung befindet. Artikel 12 Haftung für Handlungen vor Eintragung einer SPE
Wurden vor der Eintragung einer SPE in ihrem Namen Handlungen ausgeführt, so kann sie nach ihrer Eintragung die aus diesen Handlungen resultierenden Verpflichtungen übernehmen. Tut die SPE dies nicht, haften die Personen, die die Handlungen ausgeführt haben, gesamtschuldnerisch in unbegrenzter Höhe. Artikel 13 Zweigniederlassungen Zweigniederlassungen einer SPE unterliegen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich die jeweilige Zweigniederlassung befindet, einschließlich der einschlägigen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 89/666/EWG des Rates25.
KAPITEL III ANTEILE
Artikel 14 Anteile 1.
Die Anteile der SPE werden in das Verzeichnis der Anteilseigner aufgenommen.
2.
Anteile, die mit den gleichen Rechten und Pflichten verbunden sind, bilden eine Kategorie.
3.
Um eine Satzungsänderung zu beschließen, mit der die mit einer Anteilsklasse verbundenen Rechte geändert werden (einschließlich aller Änderungen, mit denen das Verfahren zur Änderung der mit einer Anteilsklasse verbundenen Rechte abgeändert wird) muss vorbehaltlich des Artikels 27 eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesamten Stimmrechte, die an die in dieser Kategorie ausgegebenen Anteile gebunden sind, dem Beschluss zustimmen.
4.
Befindet sich ein Anteil im Besitz mehrerer Personen, so werden diese als ein Anteilseigner der SPE betrachtet. Sie nehmen ihre Rechte über einen gemeinsamen Vertreter wahr, der in Ermangelung einer Mitteilung an die SPE derjenige ist, dessen Name im Verzeichnis der Anteilseigner für diesen Anteil als Erster genannt wird. Für die mit diesem Anteil verbundenen Verpflichtungen haften sie gesamtschuldnerisch.
25
ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 36.
Anhang
447
Artikel 15 Verzeichnis der Anteilseigner 1.
Das Leitungsorgan erstellt ein Verzeichnis der Anteilseigner. Dieses Verzeichnis umfasst mindestens die folgenden Angaben: (a)
Name und Anschrift der einzelnen Anteilseigner,
(b)
die Zahl der von dem jeweiligen Eigner gehaltenen Anteile einschließlich ihres Nennwerts und rechnerischen Pariwerts,
(c)
für den Fall, dass ein Anteil sich im Besitz mehrerer Personen befindet, Name und Anschrift der einzelnen Eigner und ihres gemeinsamen Vertreters,
(d)
den Zeitpunkt des Anteilserwerbs,
(e)
die Höhe jeder Bareinlage, die der betreffende Anteilseigner gegebenenfalls geleistet oder noch zu leisten hat,
(f)
Wert und Art jeder Sacheinlage, die der betreffende Anteilseigner gegebenenfalls geleistet oder noch zu leisten hat,
(g)
das Datum, ab dem ein Anteilseigner kein Eigner der SPE mehr ist.
2.
Das Verzeichnis der Anteilseigner stellt den Nachweis der Echtheit der in Absatz 1 Buchstaben a bis g genannten Angaben dar, sofern diese nicht anderweitig nachgewiesen ist.
3.
Das Verzeichnis der Anteilseigner samt aller Änderungen wird vom Leitungsorgan aufbewahrt und kann von den Anteilseignern oder Dritten auf Verlangen überprüft werden. Artikel 16 Übertragung von Anteilen
1.
Vorbehaltlich des Artikels 27 kann ein Beschluss zur Einführung oder Änderung einer Beschränkung oder eines Verbots der Übertragung von Anteilen nur mit Zustimmung aller von dieser Einschränkung oder diesem Verbot betroffenen Anteilseigner gefasst werden.
2.
Alle Vereinbarungen über die Übertragung von Anteilen bedürfen der Schriftform.
3.
Wird dem Leitungsorgan eine Übertragung mitgeteilt, nimmt es den Anteilseigner umgehend in das in Artikel 15 genannte Verzeichnis auf, sofern diese Übertragung nach Maßgabe dieser Verordnung und der Satzung erfolgt ist und der Anteilseigner angemessen nachweist, dass er der rechtmäßige Eigentümer des Anteils ist.
4.
Vorbehaltlich des Absatzes 3 wird jede Übertragung wie folgt wirksam: (a)
in Bezug auf die SPE an dem Tag, an dem der Anteilseigner der SPE die Übertragung mitteilt,
448
Anhang (b)
5.
in Bezug auf Dritte an dem Tag, an dem der Anteilseigner in das in Artikel 15 genannte Verzeichnis aufgenommen wird.
Eine Anteilsübertragung ist nur gültig, wenn sie mit dieser Verordnung und der Satzung in Einklang steht. Es gelten die Bestimmungen der anwendbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften zum Schutz von Personen, die Anteile in gutem Glauben erwerben. Artikel 17 Ausschluss eines Anteilseigners
1.
Aufgrund eines Beschlusses der Anteilseigner kann das zuständige Gericht auf Antrag der SPE den Ausschluss eines Anteilseigners anordnen, wenn dieser den Interessen der SPE schwer geschadet hat oder sein Verbleib als Anteilseigner der Geschäftstätigkeit der SPE abträglich ist. Ein entsprechender Antrag bei Gericht wird innerhalb von 60 Kalendertagen nach dem Beschluss der Anteilseigner gestellt.
2.
Das Gericht entscheidet, ob als vorläufige Maßnahme die Stimm- und andere nicht geldliche Rechte dieses Anteilseigners bis zu einer endgültigen Entscheidung ausgesetzt werden sollten.
3.
Ordnet das Gericht den Ausschluss eines Anteilseigners an, so entscheidet es, ob dessen Anteile von den anderen Anteilseignern und/oder der SPE selbst zu übernehmen sind sowie über den Preis der Anteile. Artikel 18 Ausscheiden eines Anteilseigners
1.
Ein Anteilseigner hat das Recht, aus der SPE auszuscheiden, wenn deren Geschäfte in einer Weise geführt werden oder wurden, die seinen Interessen aufgrund eines der nachstehenden Sachverhalte schwer schadet: (a)
der SPE wurde ein erheblicher Teil ihrer Vermögenswerte entzogen,
(b)
der eingetragene Sitz der SPE wurde in einen anderen Mitgliedstaat verlagert,
(c)
die Geschäftsbereiche der SPE haben sich erheblich verändert,
(d)
es wurden mindestens drei Jahre lang keine Dividenden ausgeschüttet, obwohl die Finanzlage der SPE eine solche Ausschüttung erlaubt hätte.
2.
Der Anteilseigner teilt der SPE sein Ausscheiden unter Angabe von Gründen schriftlich mit.
3.
Nach Erhalt der in Absatz 2 genannten Mitteilung beantragt das Leitungsorgan der SPE umgehend einen Beschluss der Anteilseigner über die Übernahme der Anteile dieses Anteilseigners durch die anderen Anteilseigner oder die SPE selbst.
4.
Wenn die Anteilseigner der SPE innerhalb von 30 Kalendertagen nach Übermittlung der in Absatz 2 genannten Mitteilung keinen Beschluss gemäß Absatz 3 fassen oder
Anhang
449
die vom Anteilseigner für sein Ausscheiden genannten Gründe nicht akzeptieren, teilt das Leitungsorgan dies dem Anteilseigner umgehend mit. 5.
Sollte über den Preis der Anteile keine Einigung erzielt werden können, wird ihr Wert von einem von den Parteien bestellten unabhängigen Sachverständigen bestimmt oder – sollte auch über den Sachverständigen keine Einigung erzielt werden können - vom zuständigen Gericht oder der zuständigen Verwaltungsbehörde festgesetzt.
6.
Auf Antrag eines Anteilseigners kann das zuständige Gericht, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Interessen des Anteilseigners schwer geschädigt wurden, die Übernahme seiner Anteile durch die anderen Anteilseigner oder die SPE selbst anordnen und die Zahlung des Anteilspreises verfügen. Ein entsprechender Antrag bei Gericht wird entweder innerhalb von 60 Kalendertagen nach dem in Absatz 3 genannten Beschluss der Anteilseigner oder – sollte innerhalb von 30 Kalendertagen, nachdem der Anteilseigner sein Ausscheiden aus der SPE mitgeteilt hat, kein Beschluss gefasst worden sein – innerhalb von 60 Kalendertagen nach Ablauf dieser Frist gestellt.
KAPITEL IV KAPITAL
Artikel 19 Gesellschaftskapital 1.
Unbeschadet des Artikels 42 lautet das Kapital der SPE auf Euro.
2.
Das Kapital der SPE wird in vollem Umfang gezeichnet.
3.
Die Anteile der SPE müssen bei Ausgabe nicht in voller Höhe bezahlt werden.
4.
Das Kapital der SPE beträgt mindestens 1 Euro. Artikel 20 Für die Anteile zu entrichtendes Entgelt
1.
Die Anteilseigner müssen im Einklang mit der Satzung der SPE das vereinbarte Entgelt entweder bar entrichten oder die vereinbarte Sacheinlage leisten.
2.
Außer bei einer Herabsetzung des Gesellschaftskapitals können die Anteilseigner nicht ihrer Pflicht zur Entrichtung des vereinbarten Entgelts bzw. zur Leistung der vereinbarten Sacheinlage enthoben werden.
3.
Unbeschadet der Absätze 1 und 2 fällt die Verpflichtung der Anteilseigner für das gezahlte Entgelt bzw. die geleistete Sacheinlage unter das anwendbare innerstaatliche Recht.
450
Anhang Artikel 21 Ausschüttungen
1.
Unbeschadet des Artikels 24 kann die SPE auf Vorschlag des Leitungsorgans eine Ausschüttung an die Anteilseigner vornehmen, sofern die Vermögenswerte der SPE nach dieser Ausschüttung ihre Schulden in vollem Umfang abdecken. Die SPE darf keine Rücklagen ausschütten, die ihrer Satzung zufolge nicht ausschüttungsfähig sind.
2.
Falls die Satzung dies vorschreibt, unterzeichnet das Leitungsorgan der SPE zusätzlich zur Einhaltung des Absatzes 1 vor einer Ausschüttung eine Erklärung, nachstehend „Solvenzbescheinigung“ genannt, in der bescheinigt wird, dass die SPE in dem auf die Ausschüttung folgenden Jahr in der Lage sein wird, ihre Schulden bei deren Fälligkeit im Rahmen ihrer normalen Geschäftstätigkeit zu begleichen. Den Anteilseignern wird diese Solvenzbescheinigung vor einem in Artikel 27 genannten Beschluss über die Ausschüttung vorgelegt. Die Solvenzbescheinigung wird veröffentlicht. Artikel 22 Rückforderung von Ausschüttungen
Jeder Anteilseigner, der Ausschüttungen erhalten hat, die nicht mit Artikel 21 in Einklang stehen, muss diese Ausschüttungen der SPE zurückerstatten, wenn diese nachweist, dass er über die Unregelmäßigkeit im Bilde war oder angesichts der Umstände darüber im Bilde hätte sein müssen. Artikel 23 Eigene Anteile 1.
Die SPE zeichnet eigene Anteile weder direkt noch indirekt.
2.
Erwirbt die SPE eigene Anteile, so gelten die Artikel 21 und 22 entsprechend. Die SPE kann nur Anteile erwerben, die zur Gänze bezahlt sind. Die SPE verfügt stets über mindestens einen begebenen Anteil.
3.
Das Stimmrecht und andere nicht geldliche Rechte, die mit den eigenen Anteilen der SPE verbunden sind, werden ausgesetzt, solange die SPE die eingetragene Eigentümerin dieser Anteile ist.
4.
Löscht die SPE ihre eigenen Anteile, wird das Gesellschaftskapital entsprechend herabgesetzt.
5.
Anteile, die von der SPE unter Verletzung dieser Verordnung oder der Satzung erworben wurden, werden innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb veräußert oder gelöscht.
6.
Vorbehaltlich des Absatzes 5 und der Satzung der SPE unterliegt die Löschung der Anteile dem geltenden innerstaatlichen Recht.
Anhang 7.
451
Für Anteile, die von einer Person zwar im eigenen Namen, aber für die SPE erworben wurden, gilt dieser Artikel entsprechend. Artikel 24 Kapitalherabsetzung
1.
Bei einer Herabsetzung des Gesellschaftskapitals der SPE gelten die Artikel 21 und 22 entsprechend.
2.
Nach Bekanntgabe eines Beschlusses der Anteilseigner, das Kapital der SPE herabzusetzen, können Gläubiger, deren Forderungen schon vor Bekanntgabe dieses Beschlusses bestanden, beim zuständigen Gericht die Anordnung beantragen, dass die SPE ihnen angemessene Sicherheiten liefert. Ein solcher Antrag wird innerhalb von 30 Kalendertagen nach Bekanntgabe des Beschlusses gestellt.
3.
Das Gericht kann die SPE nur zur Lieferung von Sicherheiten anweisen, wenn der Gläubiger glaubhaft nachweist, dass die Befriedigung seiner Forderungen durch die Kapitalherabsetzung in Gefahr ist und er von der SPE keine angemessenen Sicherheiten erhalten hat.
4.
Eine Kapitalherabsetzung wird wie folgt wirksam: (a)
wenn die SPE zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine Gläubiger hat, zum Zeitpunkt des Beschlusses;
(b)
wenn die SPE zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Gläubiger hat, von denen keiner innerhalb von dreißig Kalendertagen nach Bekanntgabe des Beschlusses der Anteilseigner einen Antrag gestellt hat, am einunddreißigsten Kalendertag nach der Bekanntgabe;
(c)
wenn die SPE zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Gläubiger hat, von denen einer innerhalb von dreißig Kalendertagen nach Bekanntgabe des Beschlusses der Anteilseigner einen Antrag gestellt hat, am ersten Tag, an dem die SPE die Anweisung des zuständigen Gerichts zur Lieferung von Sicherheiten zur Gänze erfüllt hat, oder – sollte dies früher der Fall sein – am ersten Tag, an dem das Gericht in Bezug auf sämtliche Anträge entschieden hat, dass die SPE keine Sicherheiten zur Verfügung stellen muss.
5.
Dient eine Kapitalherabsetzung dem Ausgleich von Verlusten der SPE, darf der herabgesetzte Betrag ausschließlich zu diesem Zweck verwendet und kann nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet werden.
6.
Eine Kapitalherabsetzung wird bekanntgemacht.
7.
Bei einer Kapitalherabsetzung ist die Gleichbehandlung aller Anteilseigner mit gleichhoher Beteiligung zu gewährleisten.
452
Anhang Artikel 25 Abschlüsse
1.
Für die Erstellung, Vorlage, Prüfung und Veröffentlichung von Abschlüssen gelten für die SPE die Vorschriften des anwendbaren innerstaatlichen Rechts.
2.
Die Bücher der SPE werden vom Leitungsorgan geführt. Für die Buchführung der SPE gilt das anwendbare innerstaatliche Recht.
KAPITEL V ORGANISATION DER SPE
Artikel 26 Allgemeine Bestimmungen 1.
Die SPE verfügt über ein Leitungsorgan, das für die Leitung der SPE verantwortlich ist. Das Leitungsorgan kann alle Befugnisse der SPE ausüben, sofern diese Verordnung oder die Satzung nicht vorschreiben, dass sie von den Anteilseignern auszuüben sind.
2.
Die Anteilseigner legen die Organisation der SPE vorbehaltlich dieser Verordnung fest. Artikel 27 Beschlüsse der Anteilseigner
1.
Unbeschadet Absatz 2 werden zumindest die folgenden Fragen durch einen Mehrheitsbeschluss der Anteilseigner - so wie in der Satzung der SPE festgelegt geregelt: (a)
Änderung der an die Anteile gebundenen Rechte;
(b)
Ausschluss eines Anteilseigners;
(c)
Ausscheiden eines Anteilseigners;
(d)
Genehmigung des Jahresabschlusses;
(e)
Ausschüttung an die Anteilseigner;
(f)
Erwerb eigener Anteile;
(g)
Rückkauf von Anteilen;
(h)
Erhöhung des Gesellschaftskapitals;
(i)
Herabsetzung des Gesellschaftskapitals;
(j)
Ernennung und Entlassung von Mitgliedern der Unternehmensleitung und ihre Mandatszeit;
Anhang
2.
453
(k)
sofern die SPE einen Abschlussprüfer hat, Bestellung und Entlassung des Abschlussprüfers;
(l)
Verlegung des eingetragenen Sitzes der SPE in einen anderen Mitgliedstaat;
(m)
Umwandlung der SPE;
(n)
Verschmelzungen und Spaltungen;
(o)
Auflösung;
(p)
Änderungen der Satzung, die nicht die unter Buchstabe a bis o genannten Punkte betreffen.
Beschlüsse zu den in Absatz 1 Buchstabe a, b, c, i, l, m, n, o und p genannten Punkten werden mit qualifizierter Mehrheit gefasst. Für die Zwecke von Unterabsatz 1 darf die qualifizierte Mehrheit nicht weniger als zwei Drittel der gesamten Stimmrechte betragen, die an die von der SPE ausgegebenen Anteile gebunden sind.
3.
Die Annahme von Beschlüssen ist nicht an die Einberufung einer Hauptversammlung gebunden. Das Leitungsorgan übermittelt allen Anteilseignern die Beschlussvorlagen zusammen mit ausreichenden Informationen, so dass sie eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage treffen können. Die Beschlüsse sind schriftlich aufzuzeichnen. Jeder Anteilseigner erhält Kopien der gefassten Beschlüsse.
4.
Die Beschlüsse der Anteilseigner stehen mit dieser Verordnung und der Satzung der SPE im Einklang. Die Rechte der Anteilseigner auf Anfechtung der Beschlüsse unterliegen dem anwendbaren nationalen Recht.
5.
Hat die SPE lediglich einen Anteilseigner, nimmt er die in dieser Verordnung und in der Satzung der SPE festgelegten Rechte der Anteilseigner der SPE wahr und erfüllt ihre Verpflichtungen.
6.
Beschlüsse zu den in Absatz 1 genannten Punkten sind bekannt zu machen.
7.
Die Beschlüsse können wie folgt als Grundlage herangezogen werden: (a)
in Bezug auf die Anteilseigner, das Leitungsorgan der SPE und ihr Aufsichtsorgan, falls vorhanden, ab dem Tag ihrer Annahme,
(b)
in Bezug auf Dritte im Rahmen der Bestimmungen des anwendbaren nationalen Rechts, mit dem Artikel 3 Absatz 5, 6 und 7 der Richtlinie 68/151/EWG umgesetzt wurde.
454
Anhang Artikel 28 Informationsrechte der Anteilseigner
1.
Die Anteilseigner haben das Recht, in Bezug auf Beschlüsse, den Jahresabschluss und sonstige Angelegenheiten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der SPE ordnungsgemäß unterrichtet zu werden und einschlägige Fragen an das Leitungsorgan der SPE zu stellen.
2.
Das Leitungsorgan kann den Zugang zu Informationen nur dann verweigern, wenn dieser den Geschäftsinteressen der SPE ernsthaft abträglich sein könnte. Artikel 29 Recht auf Beantragung eines Beschluss und auf Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen
1.
Anteilseigner, die 5 % der an die Anteile der SPE gebundenen Stimmrechte besitzen, sind berechtigt, das Leitungsorgan um die Ausarbeitung einer Beschlussvorlage für die Anteilseigner zu bitten. In dem Antrag müssen die Gründe für einen derartigen Beschluss und die darin zu behandelnden Fragen dargelegt werden. Wird der Antrag abgelehnt oder legt das Leitungsorgan innerhalb von 14 Kalendertagen nach Erhalt des Antrags keine Beschlussvorlage vor, können die betreffenden Anteilseigner den anderen Anteilseignern eine Beschlussvorlage für die besagten Themen übermitteln.
2.
Im Falle des Verdachts auf einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Rechtsvorschriften oder die Satzung der SPE sind Anteilseigner, die 5 % der an die Anteile der SPE gebundenen Stimmrechte besitzen, berechtigt, das zuständige Gericht bzw. die zuständige Verwaltungsbehörde um die Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen zu bitten, der Nachforschungen anstellt und den Anteilseignern über deren Ergebnisse berichtet. Der Sachverständige hat Zugang zu den Unterlagen und Aufzeichnungen der SPE und kann vom Leitungsorgan Informationen anfordern.
3.
Die Satzung kann die in Absatz 1 und 2 genannten Rechte auch einzelnen Anteilseignern oder Anteilseignern gewähren, die weniger als 5 % der an die Anteile der SPE gebundenen Stimmrechte besitzen. Artikel 30 Mitglieder der Unternehmensleitung
1.
Nur eine natürliche Person kann Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE sein.
2.
Eine Person, die als Mitglied der Unternehmensleitung agiert, ohne offiziell dazu bestellt zu sein, wird als ein Mitglied der Unternehmensleitung angesehen, das allen Pflichten und der Verantwortung eines solchen Mitglieds nachzukommen hat.
Anhang
455
3.
Eine Person, die den nationalen Rechtsvorschriften zufolge aufgrund eines Gerichtsoder Verwaltungsurteils eines Mitgliedstaats für die Ausübung der Aufgabe eines Mitglieds der Unternehmensleitung als ungeeignet erklärt wurde, kann nicht als Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE tätig werden.
4.
Die Erklärung der mangelnden Eignung einer Person als Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE fällt unter das anwendbare nationale Recht. Artikel 31 Allgemeine Pflichten und allgemeine Verantwortung von Mitgliedern der Unternehmensleitung
1.
Ein Mitglied der Unternehmensleitung ist verpflichtet, im bestmöglichen Interesse der SPE zu handeln. Es handelt mit der Sorgfalt und der Eignung, die vernünftigerweise für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden können.
2.
Die Mitglieder der Unternehmensleitung stehen der SPE gegenüber in der Pflicht.
3.
Vorbehaltlich der Satzung der SPE vermeidet ein Mitglied der Unternehmensleitung jede Situation, von der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie zu einem aktuellen oder potenziellen Interessenkonflikt zwischen seinen persönlichen Interessen und den Interessen der SPE bzw. zwischen seinen Verpflichtungen gegenüber SPE und seiner Pflicht gegenüber anderen juristischen oder natürlichen Personen führt.
4.
Ein Mitglied der Unternehmensleitung einer SPE ist dem Unternehmen gegenüber für jede Handlung oder unterlassene Handlung verantwortlich, die gegen seine Pflichten infolge dieser Verordnung, der Satzung der SPE oder infolge eines Beschlusses der Anteilseigner verstößt und der SPE einen Verlust oder einen Schaden verursacht. Wurde ein derartiger Verstoß von mehr als einem Mitglied der Unternehmensleitung begangen, haften alle betreffenden Mitglieder der Unternehmensleitung gesamtschuldnerisch.
5.
Unbeschadet dieser Verordnung fällt die Haftung der Unternehmensleitung unter das anwendbare nationale Recht.
Mitglieder
der
Artikel 32 Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen fallen unter die Vorschriften des anwendbaren nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinien 78/660/EWG26 und 83/349/EWG27des Rates. Artikel 33 Vertretung der SPE gegenüber Dritten
26 27
ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11. ABl. L 193 vom 18.7.1983, S. 1.
456
Anhang
1.
Die SPE wird gegenüber Dritten durch ein oder mehrere Mitglied(er) der Unternehmensleitung vertreten. Handlungen der Mitglieder der Unternehmensleitung sind für die SPE verbindlich, auch wenn sie nicht zu den Gegenständen der SPE gehören.
2.
In der Satzung der SPE kann vorgeschrieben werden, dass Mitglieder der Unternehmensleitung ihre allgemeine Vertretungsbefugnis gemeinsam wahrzunehmen haben. Jede weitere Beschränkung der Befugnisse der Mitglieder der Unternehmensleitung infolge der Satzung, eines Beschlusses der Anteilseigner oder einer Entscheidung des Leitungs- oder, falls vorhanden, des Aufsichtsorgans kann gegenüber Dritten nicht geltend gemacht werden, selbst wenn sie bekannt gemacht wurde.
3.
Die Mitglieder der Unternehmensleitung können das Recht auf Vertretung der SPE im Sinne der Satzung entsprechend delegieren.
KAPITEL VI ARBEITNEHMERMITBESTIMMUNG
Artikel 34 Allgemeine Bestimmungen 1.
Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Artikels unterliegt die SPE den Regeln für Arbeitnehmermitbestimmung, die, falls vorhanden, in dem Mitgliedstaat anwendbar sind, in dem die SPE ihren eingetragenen Sitz hat.
2.
Im Falle der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE findet Artikel 38 Anwendung.
3.
Im Falle einer grenzübergreifenden Verschmelzung einer SPE mit einer in einem anderen Mitgliedstaat eingetragenen SPE oder sonstigen Gesellschaft finden die Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates28 Anwendung.
KAPITEL VII VERLEGUNG DES EINGETRAGENEN SITZES DER SPE
Artikel 35 Allgemeine Bestimmungen 1.
Der eingetragene Sitz einer SPE kann im Einklang mit diesem Kapitel in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden. Die Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE führt nicht zur Liquidation der SPE oder einer Unterbrechung bzw. einem Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit. Auch
28
ABl. L 310 vom 25.11.2005, S. 1.
Anhang
457
beeinträchtigt sie nicht die aus einem vor der Verlegung mit der SPE abgeschlossenen Vertrag herrührenden Rechte oder Verpflichtungen. 2.
Absatz 1 findet nicht auf SPEs Anwendung, gegen die ein Verfahren wegen Auflösung, Liquidation, Insolvenz oder Zahlungseinstellung läuft oder gegen die von Seiten der zuständigen Behörden Präventivmaßnahmen zur Vermeidung der Einleitung derartiger Verfahren ergriffen wurden.
3.
Eine Verlegung wird zum Zeitpunkt der Registrierung der SPE in dem Aufnahmemitgliedstaat gültig. Ab diesem Zeitpunkt wird die SPE in Bezug auf die unter Artikel 4 Absatz 2 genannten Punkte vom Recht des Aufnahmemitgliedstaats reguliert.
4.
Für die Zwecke von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, die vor der Verlegung des eingetragenen Sitzes eingeleitet wurden, wird die SPE nach der Registrierung gemäß Absatz 3 als ihren eingetragenen Sitz im Herkunftsmitgliedstaat habend angesehen. Artikel 36 Verlegungsverfahren
1.
2.
Das Leitungsorgan einer SPE, das eine Verlegung plant, erstellt einen Vorschlag für eine Verlegung, der zumindest die folgenden Angaben enthält: (a)
Name der SPE und Anschrift des eingetragenen Sitzes im Herkunftsmitgliedstaat;
(b)
Name der SPE und Anschrift des vorgeschlagenen eingetragenen Sitzes im Aufnahmemitgliedstaat;
(c)
vorgeschlagene Satzung für die SPE im Aufnahmemitgliedstaat;
(d)
vorgeschlagener Zeitplan für die Verlegung;
(e)
vorgeschlagener Termin, ab dem die Geschäfte der SPE unter Rechnungslegungsaspekten als im Aufnahmemitgliedstaat getätigt angesehen werden;
(f)
Folgen der Verlegung für die Arbeitnehmer und für diese vorgeschlagene Maßnahmen;
(g)
gegebenenfalls detaillierte Informationen über die Verlegung der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der SPE.
Mindestens einen Monat vor der Fassung des in Absatz 4 genannten Beschlusses der Anteilseigner wird das Leitungsorgan der SPE (a)
den Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern bzw. für den Fall, dass derlei Vertreter nicht vorhanden sind, den Arbeitnehmern und den Gläubigern der SPE den Vorschlag für die Verlegung zur Prüfung vorlegen;
458
Anhang (b)
3.
den Vorschlag für die Verlegung bekannt machen.
Das Leitungsorgan der SPE erstellt einen Bericht für die Anteilseigner, in dem die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der vorgeschlagenen Verlegung erläutert und begründet und die Auswirkungen der Verlegung für die Anteilseigner, die Gläubiger sowie die Arbeitnehmer im Einzelnen dargelegt werden. Der Bericht ist den Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern bzw. für den Fall, dass derlei Vertreter nicht vorhanden sind, den Arbeitnehmern selbst zusammen mit dem Vorschlag für die Verlegung vorzulegen. Wird das Leitungsorgan rechtzeitig über die Haltung der Arbeitnehmervertreter zur Verlegung unterrichtet, informiert es die Anteilseigner darüber.
4.
Der Vorschlag für die Verlegung wird den Anteilseignern gemäß den Bestimmungen der Satzung der SPE betreffend die Änderung der Satzung zur Genehmigung vorgelegt.
5.
Wird in der SPE eine Form der Arbeitnehmermitbestimmung praktiziert, können sich die Anteilseigner das Recht vorbehalten, die Durchführung der Verlegung an ihre ausdrückliche Verabschiedung der Vereinbarungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat zu knüpfen.
6.
Der Schutz von Minderheitsanteilseignern, die sich der Verlegung widersetzen, und von Gläubigern der SPE fällt unter die Rechtsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaats. Artikel 37 Überprüfung der Rechtsgültigkeit der Verlegung
1.
Jeder Mitgliedstaat benennt eine zuständige Behörde, die die Rechtsgültigkeit der Verlegung durch Überprüfung der Einhaltung des in Artikel 36 genannten Verlegungsverfahrens zu kontrollieren hat.
2.
Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats prüft unverzüglich, ob die Bestimmungen von Artikel 36 eingehalten wurden. Wenn dies der Fall ist, stellt sie eine Bescheinigung aus, in der bestätigt wird, dass alle Formalitäten des Verlegungsverfahrens im Herkunftsmitgliedstaat eingehalten wurden.
3.
Binnen eines Monats nach Erhalt der in Absatz 2 genannten Bescheinigung legt die SPE der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats die folgenden Unterlagen vor: (a)
die in Absatz 2 genannte Bescheinigung;
(b)
die vorgeschlagene Satzung für die SPE im Aufnahmemitgliedstaat, so wie sie von den Anteilseignern genehmigt wurde;
(c)
den Vorschlag für die Verlegung in der von den Anteilseignern genehmigten Form.
Anhang
459
Diese Unterlagen dürften zur Eintragung der SPE im Aufnahmemitgliedstaat ausreichend sein. 4.
Die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats überprüft binnen 14 Kalendertagen nach Erhalt der in Absatz 3 genannten Unterlagen, ob die inhaltlichen und formalen Bedingungen für die Verlegung des eingetragenen Sitzes erfüllt sind. Wenn dies der Fall ist, ergreift sie die zur Eintragung der SPE erforderlichen Maßnahmen.
5.
Die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats kann die Eintragung einer SPE nur dann verweigern, wenn die SPE nicht alle inhaltlichen oder formalen Bedingungen im Sinne dieses Kapitels erfüllt. Die SPE wird eingetragen, wenn sie alle in diesem Kapitel genannten Bedingungen erfüllt hat.
6.
Unter Verwendung des Meldeformulars in Anhang II meldet die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats der für die Streichung der SPE aus dem Herkunftslandregister zuständigen Behörde die Eintragung der SPE im Aufnahmemitgliedstaat. Die Streichung aus dem Register hat unmittelbar nach Erhalt der Meldung zu erfolgen, die allerdings abzuwarten ist.
7.
Eintragungen im Aufnahmemitgliedstaat und Streichungen aus dem Register des Herkunftsmitgliedstaats sind bekannt zu machen. Artikel 38 Vereinbarungen über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern
1.
In Bezug auf Vereinbarungen über die Mitbestimmung von Arbeitnehmern unterliegt die SPE ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung den geltenden Bestimmungen im Aufnahmemitgliedstaat.
2.
Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Arbeitnehmer der SPE im Herkunftsmitgliedstaat mindestens ein Drittel der Gesamtarbeitnehmer der SPE einschließlich Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen der SPE in einem anderen Mitgliedstaat ausmachen und eine der nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt ist: (a)
die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats schreiben nicht mindestens dasselbe Maß an Mitbestimmung wie bei der SPE im Herkunftsmitgliedstaat vor ihrer Eintragung im Aufnahmemitgliedstaat vor. Das Maß der Arbeitnehmermitbestimmung ist durch Bezugnahme auf den Anteil von Arbeitnehmervertretern unter den Mitgliedern des Verwaltungsoder des Aufsichtsorgans oder ihrer Ausschüsse bzw. der Gruppe zu messen, die die Gewinn erwirtschaftenden Einheiten der SPE leitet, sofern eine Vertretung der Arbeitnehmer vorhanden ist;
(b)
die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats gewähren den Arbeitnehmern von Einrichtungen der SPE, die in anderen Mitgliedstaaten belegen sind, nicht den gleichen Anspruch auf
460
Anhang Ausübung von Mitbestimmungsrechten wie diese ihn vor der Verlegung besaßen.
3.
Ist eine der in Absatz 2 Buchstabe a oder b genannten Bedingungen erfüllt, ergreift das Leitungsorgan der SPE baldmöglichst nach Bekanntgabe des Vorschlags für die Verlegung die erforderlichen Maßnahmen, um Verhandlungen mit den Vertretern der Arbeitnehmer der SPE aufzunehmen und eine Vereinbarung über die Modalitäten der Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu erzielen.
4.
In der Vereinbarung zwischen dem Leitungsorgan Arbeitnehmervertretern wird Folgendes angegeben:
der
SPE
und
den
(a)
Geltungsbereich der Vereinbarung;
(b)
der Inhalt einer Vereinbarung über die Mitbestimmung für den Fall, dass die Parteien im Laufe der Verhandlungen beschließen, eine solche Vereinbarung in der SPE nach der Verlegung einzuführen, einschließlich (gegebenenfalls) der Zahl der Mitglieder des Verwaltungs- oder des Aufsichtsorgans der SPE, welche die Arbeitnehmer wählen oder bestellen können oder deren Bestellung sie empfehlen oder ablehnen können, der Verfahren, nach denen die Arbeitnehmer diese Mitglieder wählen oder bestellen oder deren Bestellung empfehlen oder ablehnen können, und der Rechte dieser Mitglieder;
(c)
der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und ihre Laufzeit sowie die Fälle, in denen die Vereinbarung neu ausgehandelt werden sollte, und das bei ihrer Neuaushandlung anzuwendende Verfahren.
5.
Die Verhandlungen sind auf einen Zeitraum von sechs Monaten zu begrenzen. Die Parteien können sich darauf einigen, die Verhandlungen über diesen Zeitraum hinaus um weitere sechs Monate zu verlängern. Ansonsten fallen die Verhandlungen unter das Recht des Herkunftsmitgliedstaats.
6.
Sollte keine Einigung erzielt werden, werden die Vereinbarungen über die Mitbestimmung im Herkunftsmitgliedstaat beibehalten.
KAPITEL VIII UMSTRUKTURIERUNG, AUFLÖSUNG UND UNGÜLTIGKEIT
Artikel 39 Umstrukturierung Die Umwandlung, Verschmelzung und Spaltung der SPE unterliegt dem anwendbaren nationalen Recht. Artikel 40 Auflösung
Anhang 1.
461
Die SPE kann bei Eintreten der folgenden Umstände aufgelöst werden: (a)
Ablauf des Zeitraums, für den sie gegründet wurde;
(b)
Beschluss der Anteilseigner;
(c)
Fälle, die im anwendbaren nationalen Recht festgeschrieben sind.
2.
Die Auflösung unterliegt dem anwendbaren nationalen Recht.
3.
Liquidation, Insolvenz, Zahlungseinstellung oder vergleichbare Verfahren unterliegen dem anwendbaren nationalen Recht sowie der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates29.
4.
Die Auflösung der SPE ist bekannt zu geben. Artikel 41 Ungültigkeit
Die Ungültigkeit der SPE unterliegt dem anwendbaren nationalen Recht, mit dem Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a, b, c und e der Richtlinie 68/151/EWG umgesetzt wurde mit Ausnahme des Verweises in Buchstabe c von Artikel 11 Absatz 2 und Artikel 12 dieser Richtlinie auf den Gegenstand des Unternehmens.
KAPITEL IX ZUSÄTZLICHE BESTIMMUNGEN UND ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN
Artikel 42 Verwendung der Landeswährung 1.
Mitgliedstaaten, in denen die dritte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) keine Anwendung findet, können SPEs mit eingetragenem Sitz in ihrem Hoheitsgebiet bitten, ihr Kapital in nationaler Währung anzugeben. Eine SPE kann ihr Kapital auch in Euro angeben. Als Umrechnungskurs nationale Währung/ Euro wird der Kurs zugrunde gelegt, der am letzten Tag des Monats vor der Eintragung der SPE galt.
2.
Eine SPE kann ihren Jahresabschluss und gegebenenfalls ihren konsolidierten Abschluss in den Mitgliedstaaten, in denen in die dritte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) keine Anwendung findet, in Euro erstellen. Diese Mitgliedstaaten können der SPE allerdings auch vorschreiben, ihren Jahresabschluss und gegebenenfalls ihren konsolidierten Abschluss gemäß dem anwendbaren nationalen Recht in der nationalen Währung zu erstellen.
29
ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1.
462
Anhang
KAPITEL X SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 43 Wirksame Anwendung Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Vorkehrungen, um das Wirksamwerden dieser Verordnung zu gewährleisten. Artikel 44 Sanktionen Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung fest und treffen die erforderlichen Maßnahmen für deren Anwendung. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften bis spätestens 1. Juli 2010 mit und unterrichten sie unverzüglich über alle späteren Änderungen dieser Vorschriften. Artikel 45 Meldung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis spätestens 1. Juli 2010 die Form von in Artikel 4 Absatz 2 genannten Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit. Die Kommission veröffentlicht die Angaben im Amtsblatt der Europäischen Union. Artikel 46 Verpflichtungen der für die Register zuständigen Behörden 1.
Die für die Führung der in Artikel 9 Absatz 1 genannten Register zuständigen Behörden teilen der Kommission vor dem 31. März jeden Jahres den Namen, den eingetragenen Sitz und die Registernummer der SPEs mit, die im Vorjahr im Register eingetragen bzw. aus diesem gestrichen wurden, sowie die Gesamtzahl der eingetragenen SPEs.
2.
Die in Absatz 1 genannten Behörden arbeiten zusammen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 10 Absatz 2 aufgelisteten Urkunden und Angaben der SPEs auch über die Register aller anderen Mitgliedstaaten zugänglich sind. Artikel 47 Überprüfung
Die Kommission überprüft die Anwendung dieser Verordnung spätestens bis zum 30. Juni 2015.
Anhang
463
Artikel 48 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1. Juli 2010.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Geschehen zu Brüssel am
In Namen des Rates Der Präsident
464
Anhang ANHANG I
Die Satzung einer SPE muss zumindest Folgendes regeln: Kapitel lI - Gründung – Name der SPE; – Name und Anschrift der Gründungsgesellschafter der SPE und Nennwert bzw. rechnerische Pariwert der von den Anteilseignern gehaltenen Anteile; – Gründungskapital der SPE.
Kapitel III - Anteile – Angabe, ob eine Unterteilung, Konsolidierung oder Neudenominierung der Anteile statthaft ist und etwaige anwendbare Bestimmungen;
– geldliche und nicht geldliche an die Anteile (Anteilskategorien) gebundene Rechte und Verpflichtungen, insbesondere
– a) Beteiligung am Vermögen und an den Gewinnen des Unternehmens, falls vorhanden; – b) an die Anteile der SPE gebundene Stimmrechte, falls vorhanden; – Verfahren zur Genehmigung etwaiger Änderungen der an die Anteile (Anteilskategorien) gebundenen Rechte und Verpflichtungen und vorbehaltlich Artikel 14 Absatz 3 erforderliche Mehrheit der Stimmrechte; – etwaige Bezugsrechte entweder bei Emission oder bei Übertragung der Anteile, falls vorhanden, und etwaige anwendbare Bestimmungen; – Angabe, ob die Übertragung der Anteile eingeschränkt oder verboten ist, Einzelheiten der Einschränkung oder des Verbots, insbesondere die Form, die Frist, das anwendbare Verfahren und die im Falle des Todes oder der Auflösung eines Anteilseigners anwendbaren Regeln; – Angabe, ob die Zustimmung zur Übertragung der Anteile seitens der SPE oder der Anteilseigner erforderlich ist oder ob die SPE oder die Anteilseigner bei der Übertragung der Anteile sonstige Rechte erhalten (z.B. Recht auf eine erste Ablehnung) und Angabe der Frist, binnen derer der Übertragende über den Beschluss zu informieren ist;
– Angabe, ob die Anteilseigner über Artikel 17 hinaus das Recht haben, von anderen Anteilseignern die Veräußerung ihrer Anteile zu verlangen und etwaige anwendbare Bestimmungen;
– Angabe, ob die Anteilseigner über Artikel 18 hinaus das Recht haben, ihre Anteile an andere Anteilseigner oder die SPE zu veräußern und etwaige anwendbare Bestimmungen.
Anhang
465
Kapitel IV – Kapital – Angabe des Geschäftsjahres der SPE und der Art und Weise möglicher Änderungen; – Angabe, ob die SPE gehalten ist, Rücklagen zu bilden, und wenn ja, Angabe der Art der Rücklage, der Umstände, unter denen sie zu bilden ist und ob sie ausschüttungsfähig ist; – Angabe, ob Sacheinlagen durch einen unabhängigen Sachverständigen zu bewerten sind und Angabe etwaiger Formalitäten, die diesbezüglich eingehalten werden müssen; – Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Zahlung oder die Bereitstellung des Entgelts zu erfolgen hat und Angabe der Bedingungen, die an eine derartige Zahlung oder Bereitstellung gebunden sind; – Angabe der Tatsache, ob die SPE in der Lage ist oder nicht, finanzielle Unterstützung zu leisten, indem sie insbesondere Mittel vorstreckt, Darlehen vergibt oder Garantien schafft, wenn es um den Erwerb von Anteilen seitens eines Dritten geht;
– Angabe, ob Zwischendividenden gezahlt werden können und etwaige anwendbare Bestimmungen; – Angabe, ob das Leitungsorgan gehalten ist, vor einer Ausschüttung eine Solvenzbescheinigung zu unterzeichnen und etwaige anwendbare Bestimmungen; – Angabe des Verfahrens, das die SPE befolgen muss, um eine rechtswidrige Ausschüttung rückgängig zu machen;
– Angabe der Tatsache, ob der Erwerb eigener Anteile zulässig ist, und wenn ja, Angabe des zu befolgenden Verfahrens, einschließlich der Bedingungen, unter denen die Anteile gehalten, übertragen oder annulliert werden können; – Angabe des Verfahrens für die Erhöhung, Herabsetzung oder sonstige Änderung des Gesellschaftskapitals und der etwaigen anwendbaren Bestimmungen.
Kapitel V - Organisation der SPE – Angabe der Methode zur Annahme von Beschlüssen der Anteilseigner; – vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung Angabe der zur Verabschiedung von Beschlüssen der Anteilseigner erforderlichen Mehrheit; – Angabe der von den Anteilseignern zu verabschiedenden Beschlüsse (zusätzlich zu den in Artikel 27 Absatz 1 genannten), der Beschlussfähigkeit und der erforderlichen Stimmrechtsmehrheit;
– vorbehaltlich der Artikel 21, 27 und 29, Angabe der Regeln für die Vorlage von Beschlüssen; – Angabe der Zeitspanne und der Art und Weise, binnen derer bzw. auf die die Anteilseigner über Vorschläge für Beschlüsse der Anteilseigner zu informieren sind und Angabe von Hauptversammlungen, sofern in der Satzung Hauptversammlungen vorgesehen sind; – Angabe der Art und Weise, auf die sich Anteilseigner den Text eines vorgeschlagenen Beschlusses der Anteilseigner und im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Beschlusses stehende Vorbereitungsunterlagen beschaffen können; – Angabe der Art und Weise, auf die Kopien verabschiedeter Beschlüsse den Anteilseignern zur Verfügung gestellt werden; – sofern in der Satzung die Annahme einiger oder aller Beschlüsse auf einer Hauptversammlung vorgesehen ist, Angabe der Art und Weise der Einberufung der Hauptversammlung, der Arbeitsmethoden und der Regeln für die Abstimmung per Stimmrechtsvertretung;
466
Anhang
– Angabe des Verfahrens und der Fristen für die SPE, auf Anfragen der Anteilseigner nach Informationen, die Gewährung des Zugangs zu Unterlagen der SPE und nach Bekanntgabe von Beschlüssen, die von den Anteilseignern verabschiedet wurden; – Angabe, ob sich das Leitungsorgan der SPE aus einem oder mehreren Mitgliedern der Unternehmensleitung, einem Leitungsgremium (dualistisches System) oder Verwaltungsgremium (monistisches System) zusammensetzt; – im Falle eines Verwaltungsgremiums (monistisches System) Angabe seiner Zusammensetzung und seiner Organisation; – im Falle eines Leitungsgremiums (dualistisches System) Angabe seiner Zusammensetzung und seiner Organisation; – im Falle eines Leitungsgremiums (dualistisches System) oder eines oder mehrerer Mitglieder der Unternehmensleitung Angabe, ob die SPE ein Aufsichtsorgan hat und wenn ja, Angabe seiner Zusammensetzung und seiner Beziehung zum Leitungsorgan; – Angabe etwaiger Auswahlkriterien für Mitglieder der Unternehmensleitung;
– Angabe des Verfahrens für die Bestellung und die Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung; – Angabe der Tatsache, ob die SPE einen Abschlussprüfer hat und ob die Satzung vorsieht, dass die SPE einen solchen Abschlussprüfer haben sollte, das Verfahren für seine Bestellung, seine Abberufung und seinen Rücktritt;
– Angabe etwaiger sonstiger spezifischer Aufgaben von Mitgliedern der Unternehmensleitung, die nicht in dieser Verordnung genannt werden; – Angabe, ob Situationen, die einen durch einen Mitglied der Unternehmensleitung verursachten aktuellen oder potenziellen Interessenkonflikt beinhalten, zugelassen werden können und wenn ja, Angabe der Person, die einen solchen Konflikt zulassen kann und Angabe der anwendbaren Bestimmungen und Verfahren für die Zulassung eines solchen Konflikts; – Angabe, ob die in Artikel 32 genannten Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen genehmigt werden müssen und Angabe der anwendbaren Bestimmungen;
– Angabe der Regeln für die Vertretung der SPE durch das Leitungsorgan, insbesondere der Tatsache, ob die Mitglieder der Unternehmensleitung berechtigt sind, die SPE gemeinsam oder allein zu vertreten und ob dieses Recht delegiert werden kann; – Angabe der Regeln für die Delegierung der Befugnisse des Leitungsorgans an eine andere Person.
Anhang
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MELDEFORMULAR FÜR DIE REGISTRIERUNG DER VERLEGUNG DES EINGETRAGENEN SITZES EINER SPE
MITTEILUNG der Registrierung der Verlegung des eingetragenen Sitzes einer Europäischen Privatgesellschaft (SPE) [Name und Anschrift des neuen Registers/ der zuständigen Behörde] unterrichtet hiermit [Name und Anschrift des alten Registers/ der zuständigen Behörde], dass die folgende Verlegung des eingetragenen Sitzes einer SPE in das Register aufgenommen wurde: [Name der SPE] [Neuer eingetragener Sitz der SPE] [Neue Registernummer] [Datum der Registrierung der Sitzverlegung] Im Einklang mit der Verordnung …über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft wird die folgende SPE aus ihrem alten Register nach Erhalt dieser Meldung gestrichen: [Name der SPE] [Alter eingetragener Sitz der SPE] [Alte Registernummer] Geschehen zu am […] [unterzeichnet]
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Sachverzeichnis Ausfallhaftung des Gesellschafters 322 Ausschüttungen der EPG 359 Ausschüttungen der Limited 93 – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 98 – Rechtsfolgen verbotener 107 – verdeckte 96 Ausschüttungshöchstbetrag der EPG 330 – bilanzbezogene Betrachtung 330 – solvenzbezogenes Erfordernis 341 Ausschüttungshöchstbetrag der Limited 47 Außenfinanzierung – EPG 297 – Limited 33 Begriff der EPG 253 Berufsverbot 136 Besteuerung – EPG 290 – Limited 97 Billigkeitsentscheidung gemäß s. 1157 CA 2006 203 Differenzhaftung des Gesellschafters 318 Durchgriffshaftung 395 Eigene Anteile der EPG – Rechtsfolgen des Erwerbs 385 – Voraussetzungen des Erwerbs 383 Eigene Anteile der Limited – „financial assistance“ 128 – gewöhnliche Anteile 126 – zurücknehmbare Anteile 118 Eigenfinanzierung – EPG 298 – Limited 35
Einlageverpflichtung – EPG 305 – Limited 41 Entstehung – EPG 280 – Limited 30 „financial assistance“ 128 Finanzierungsmöglichkeiten – EPG 296 – Limited 33 Folgerungen aus dem EPG-VO-E 399 „fraudulent trading“ 244 Geschäftsleiterhaftung 112 Gesellschaftervergütungen 101 Gewinnvortrag 84 IASB 58 Ideengeschichte der EPG 254 IFRS/IAS 58 Innenfinanzierung der EPG 296 Innenfinanzierung der Limited 33 Insolvenzanfechtung – s. 238 IA 1986 233 – s. 239 IA 1986 239 – s. 423 IA 1986 236 Kapitalaufbringung – EPG 299 – Limited 36 Kapitalerhaltung – EPG 329 – Limited 46 Kapitalerhöhung – EPG 327 – Limited 44 Kapitalherabsetzung bei der EPG – Rechtsfolgen 379 – Voraussetzungen 374
488
Sachverzeichnis
Kapitalherabsetzung bei der Limited – außerordentliche 134 – herkömmliches Verfahren 133 – Überblick 130 – vereinfachte 131 Kapitalschutz de lege ferenda – Insolvenzbezogener gesellschaftsrechtlicher Kapitalschutz 419 – Insolvenzrechtlicher Kapitalschutz 421 – Kapitalaufbringung 404 – Kapitalerhaltung 410 – Mindestkapital 402 Kapitalschutzinstrumente der EPG – andere präventive 390 – primäre präventive 299 – reaktive 392 Kapitalschutzinstrumente der Limited – andere präventive 136 – andere reaktive 233 – primäre präventive 36 – primäre reaktive 139 Konzernumlagen 101 Krisenreaktionsverfahren 141 Mezzanine-Kapital – EPG 298 – Limited 34 Mindestnennkapital – EPG 303 – Limited 39 Organe – EPG 283 – Limited 31 Publizität – EPG 390 – Limited 137 „Quotenschaden“ 223 Rechnungslegungswerke – EPG 331 – Limited 57 Rechtsgrundlage der EPG 257 Rechtsquellen der EPG 270 – Allgemeinverweisung 278
– – – –
einfache Gesellschafterbeschlüsse 278 Satzung 274 Sonderverweisungen 271 Verordnung 271
Sachausschüttungen 104 Sitzverlegung 289 Solvenzerklärung – bei der Limited 131 – im Allgemeinen 341 – im Sinne des EPG-VO-E 351 Überschuldung – als Eröffnungsgrund 146 – als Hinweis auf „wrongful trading“ 179 – im Sinne der s. 214 (6) IA 1986 156 UK GAAP 57 Verbot der Einlagenrückgewähr 335 Verbotene Ausschüttungen bei der EPG – Rechtsfolgen 371 – Voraussetzungen 366 Verbotene Ausschüttungen bei der Limited 107 Verdeckte „Ausschüttungen“ 99 Verlustvortrag 84 „West Mercia doctrine“ 245 „wrongful trading“ – Anspruchsumfang 210 – Antrag des Insolvenzverwalters 191 – einschlägiges Krisenreaktionsverfahren 141 – fehlende Aussicht auf Vermeidung der insolvenzbedingten Abwicklung 171 – Gesellschafter als Normadressat 167 – Haftungsbefreiung gemäß s. 214 (3) IA 1986 195 – Rechtsfolgen 205 – Überblick 139 – Überschuldung bei Einleitung des Krisenreaktionsverfahrens 156 – Verfahrenskosten 229 Ziel der Einführung der EPG 256 Zusammenfassende Thesen 424