Kants Philosophie der Mathematik: Grundlagen - Voraussetzungen - Probleme 9783787325405, 3787325409

Diese erste, umfassende Darstellung von Kants Philosophie der Mathematik unternimmt es, die Aussagen Kants über Mathemat

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German Pages 374 Year 1999

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VORWORT
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG Die Mathematik »mit philosophischem Auge erwogen«
ERSTER TEIL Definition und Methode: Die Mathematik in der Systemidee von 1762
§ 1 Die Idee der analytischen Metaphysik
§ 2 Definition I: Nominal- und Realdefinition
§ 3 Mathematische Axiome I: »unerweisliche Sätze«
§ 4 Einfache Begriffe I: ontologische Aspekte
§ 5 Einfache Begriffe II: epistemische Aspekte
§ 6 Eine semiotische Theorie der Mathematik
§ 7 Exkurs: Resewitz und Abbt über Mathematik
§ 8 Bedeutung und Grenzen der Theorie von 1762
ZWEITER TEIL Mathematik als Cognitio sensitiva: Raum, Zeit, Mathematik 1770-1775
§ 9 Der neue Lehrbegriff von Raum und Zeit
§ 10 Die Begründung der angewandten Mathematik
§ 11 Die formale Struktur der Anschauung: Koordination vs. Subordination
§ 12 Definition II: iterative Definition und morphologische Begriffe
§ 13 Mathematische Axiome II: »anschauende Urteile«
§ 14 Die epistemische Struktur der Anschauung: Kunst und Mathematik
§ 15 Rückblick: Kants Mathematikbegriff und der Einfluß von Locke
§ 16 Der Konstruktionsbegriff im Duisburgschen Nachlaß
DRITTER TEIL Philosophie und Mathematik in der Kritik der reinen Vernunft
§ 17 Raum und Geometrie in der transzendentalen Ästhetik
§ 18 Schematismus und Konstruktion
§ 19 Definition III: synthetisches Urteil und epistemischer Bezug
Anhang: Kant und Eberhard über Konstruktion und Konstruierbarkeit
§ 20 Die Krise der reinen Anschauung 1: reine Mathematik
Anhang: Kants Raumbegriff und Schultz' Parallelentheorie
§ 21 Die Krise der reinen Anschauung II: angewandte Mathematik
§ 22 Mathematische Axiome III: Kants epistemischer Fehlschluß
§ 23 Was ist eine »intuitive Demonstration«?
§ 24 Kantianer und Leibnizianer über die Grundlagen der Mathematik
ZUR ZITIERWEISE
BIBLIOGRAPHIE
PERSONENREGISTER
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Kants Philosophie der Mathematik: Grundlagen - Voraussetzungen - Probleme
 9783787325405, 3787325409

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KANT-FORSCHUNGEN XI

KANT-FORSCHUNGEN Herausgegeben von Reinhard Brandt undWemerStark

Band 11

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

DARIUS KORIAKO

Kants Philosophie der Mathematik Grundlagen - Voraussetzungen - Probleme

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

F ELI X M EI N E R V E R L AG

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprüng lichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-1429-4 ISBN eBook: 978-3-7873-2540-5

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1999. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.  www.meiner.de

VORWORT

»ln dem, was man Philosophie der Mathematik nennt, fehlt gewöhnlich eins von beiden; entweder die Philosophie oder die Mathematik.« Dieser Satz ist kein Zitat; ersetzt man jedoch »Mathematik« durch »Kunst«, dann geht er in jenen Ausspruch Friedrich Schlegels über, den Adomo als Motto seiner Asthelischen Theorie vorgesehen hatte. ln der vorliegenden Untersuchung ist es die Mathematik, die mancher Leser vermissen wird. Denn zwar hat Kant der Mathematik in seinem philosophischen System einen prominenten Ort zugewiesen; doch wer seine Werke mit der Erwartung aufschlägt, Erhellendes über Einzelfragen zu finden, der wird enttäuscht. Die klassischen Probleme der Mathematikphilosophie (das Existenzproblem, die Begründung der Prinzipien, die Analyse des Beweisverfahrens) werden von Kant monoton mit ein und derselben Formel beantwortet: mathematische Erkenntnis ist Erkenntnis durch Konstruktion in reiner Anschauung, und sie ist synthetisch-apriorische Erkenntnis. Doch es fragt sich, ob eine solche Formel der Vielfalt und der Dynamik mathematischen Denkens gerecht werden kann. Dies ist eine der leitenden Fragen dieser Untersuchung. Nur einem einzigen Punkt hat Kant seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet: der Sicherstellung der Anwendbarkeit von Mathematik. Das ist es, was ihm eine umfassende Begründung wert war. Es ist bekannt, daß er sie in seiner Konzeption einer reinen Anschauung gegeben zu haben glaubte. Kant war der Ansicht, in dieser Theorie einen untrennbaren Konnex zwischen Mathematik und Wirklichkeit gestiftet zu haben. Wir verfugen über eine »reine« Anschauung von Raum und Zeit, die zugleich die Form einer jeden empirischen Anschauung ist; diese reine Anschauung liegt auch der Mathematik als ihre natürliche Erkenntnisquelle zugrunde; folglich gilt: »Die Synthesis der Räume und Zeiten, als der wesentlichen Form aller Anschauung, ist das, was zugleich die Apprehension der Erscheinung, mithin jede äußere Erfahrung, folglich auch alle Erkenntnis der Gegenstände derselben möglich macht, und was die Mathematik im reinen Gebrauch von jener beweist, das gilt auch notwendig von dieser.« (KV B 206) Hier wird deutlich, wie tief Kants Mathematikverständnis in den Fundamenten seiner Philosophie verankert ist. Für Kant ist mathematische Erkenntnis nur Erkenntnis, wenn sie einen realen Erkenntnisstatus besitzt, d. h., wenn sie anwendbare Erkenntnis ist. Der Sinn dessen, wofur Mathematik einsteht, erschöpft sich fur ihn in dieser Verwiesenheit der »reinen« Mathematik auf die »angewandte«. Die Frage: »Wie ist reine Mathematik möglich?« (Prof. § 5) ist daher nicht so zu verstehen, als bezöge sie sich auf die Möglichkeit der reinen Mathematik als reiner; eine solche Mathematik wäre innerhalb der kantischen Kon-

VI

Vorwort

zeption eine nur vorgebliche Wissenschaft. Vielmehr bezieht sie sich auf die Möglichkeit einer reinen Erkenntnis dessen, was fur die Wirklichkeit gültig ist; und nur aus diesem apriorischen Wirklichkeitsbezug gewinnt Mathematik für Kant philosophische Brisanz. Damit ist die Perspektive bezeichnet, aus welcher Kant die Mathematik spätestens seit 1770 zu sehen pflegte: sie ist eine Wissenschaft, die uns in besonders tiefliegende und globale Eigenschaften der erscheinenden Welt einweiht. Weil sie solcherart auf die Welt als erscheinende bezogen ist, muß sie auch ihre Erkenntnisse aus einer Quelle beziehen, die aufs engste mit dieser Welt, ihrer Struktur und unserer Wahrnehmung dieser Struktur, verknüpft ist. So kommt es 1770 zur Ausbildung einer Theorie, die drei scheinbar voneinander unabhängige Themen sozusagen mit einem Schlag abhandelt: die Theorie von Raum und Zeit als reinen Anschauungen, und die von dieser Theorie abhängigen Lehrstücke von der mathematischen Erkenntnis als cognitio sensitiva und vom mundus sensibilis. Auch in der vorliegenden Untersuchung wird diese Perspektive einzunehmen sein, da sie diejenige Kants ist und seinen Begriff von Mathematik wesentlich bestimmt. Aber der Schwerpunkt liegt hier eigentlich auf einer anderen Ebene: hier interessiert Kants Bild vom Mathematischen, und die Frage, wie dieses Bild einerseits durch seine Philosophie geprägt wurde, und andererseits auf diese zurückwirkte. So wird hier versuchsweise eine Fallstudie zum Verhältnis von Mathematik und Philosophie gegeben, und zu den Schwierigkeiten, die sich aus diesem Verhältnis (besonders fur die Philosophie) ergeben. Die vorliegende Untersuchung ist aus einer Arbeit hervorgegangen, die im November 1997 vom Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen wurde. Sie wurde fur den Druck überarbeitet. Der Verfasser möchte an dieser Stelle Reinhard Brandt seinen herzlichsten Dank aussprechen fur Kritik, Ermutigung und Toleranz, sowie dem Mitherausgeber der Karrt-Forschungen, Werner Stark, fur die Sorgfalt der Textrevision. Michael Friedman hat freundlicherweise eine frühere Version kritisch kommentiert und - trotz methodischer Bedenken - wertvolle Hinweise gegeben. In der letzten, schwierigsten, Phase der Textherstellung war mir die editorische Unterstützung durch Timo Off und Oliver Nebelung eine große Hilfe. Berlin, Mai 1999

Darius Koriako

INHALT

VORWORT oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo EINLEITUNG Die Mathematik »mit philosophischem Auge erwogen« ERSTER TEIL Definition und Methode Die Mathematik in der Systemidee von 1762 §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8

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Die Idee der analytischen Metaphysik Definition I: Nominal- und Realdefinition ooooOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO Mathematische Axiome I: »unerweisliche Sätze« Einfache Begriffe I: ontologische Aspekte Einfache Begriffe li: epistemische Aspekte Eine semiotische Theorie der Mathematik Exkurs: Resewitz und Abbt über Mathematik Bedeutung und Grenzen der Theorie von 1762 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00 00 00 0000 00 00 0000 0000 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00

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ZWEITER TEIL Mathematik als Cognitio sensitiva: Raum, Zeit, Mathematik 1770-1775

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§ 9 Der neue Lehrbegriff von Raum und Zeit § 10 Die Begründung der angewandten Mathematik § 11 Die formale Struktur der Anschauung:

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§ 12 § 13 § 14

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Koordination vso Subordination OOooooOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO Definition li: iterative Definition und morphologische Begriffe OOOOOOOOOOOOoooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo Mathematische Axiome li: »anschauende Urteile« Die epistemische Struktur der Anschauung: Kunst und Mathematik Rückblick: Kants Mathematikbegriff und der Einfluß von Locke OOOOOOOOooOOOOOOOOooooooooooooooooooOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO Der Konstruktionsbegriff im Duisburgschen Nachlaß 00 00 00 00 00 00 00 00

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§ 15 § 16

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VIII

Inhalt

DRITTER TEIL

Philosophie und Mathematik in der Kritik der reinen Vernunft ............ 211

§ 17 Raum und Geometrie in der transzendentalen Ästhetik ...... ......... § 18 Schematismus und Konstruktion ................. .. ....................... ........ § 19 Definition III: synthetisches Urteil und epistemischer Bezug ...... Anhang: Kant und Eberhard über Konstruktion und Konstruierbarkeit .......................................................................... § 20 Die Krise der reinen Anschauung 1: reine Mathematik ................ Anhang: Kants Raumbegriff und Schultz' Parallelentheorie ....... § 21 Die Krise der reinen Anschauung II: angewandte Mathematik .... § 22 Mathematische Axiome III: Kants epistemischer Fehlschluß ...... § 23 Was ist eine »intuitive Demonstration«? ...................................... § 24 Kantianer und Leibnizianer über die Grundlagen der Mathematik.........................................................

214 222 237 253 263 279 283 295 308 320

ZUR ZITIERWEISE ..................................................................................

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BIBLIOGRAPHIE .....................................................................................

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PERSONENREGISTER .............................................................................

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EINLEITUNG Die Mathematik »mit philosophischem Auge erwogen«

Kants Philosophie der Mathematik ist bisher vorwiegend prospektiv gelesen worden; die unterschiedlichsten Strömungen und Schulen haben sich auf ihn berufen. Er soll (so heißt es bei Gottfried Martin) die axiomatische Mathematikauffassung begründet haben; er habe (sagt Brouwer) die Grundgedanken der intuitionistischen Mathematik vorweggenommen; man finde bei ihm (behauptet Hilbert) Ansätze zur Metamathematik, oder sogar (insistiert Hintikka) Einsichten in tiefliegende quantorenlogische Sachverhalte; und schließlich sei Kant (nach Lorenzen) überhaupt ein veritabler Protokonstruktivist gewesen. Auf der anderen Seite ließe sich mühelos eine umfangreiche Liste illustrer Autoren aufstellen, die Kants Mathematikauffassung für grundsätzlich verfehlt halten. So schreibt etwa Philip Kitcher (1975 S.l23): »[ ... ] Kant's theory was wrong from the beginning. His attempt at explaining mathematical knowledge gives no explanation at all.« Allen diesen Behauptungen ist gemeinsam, daß sie Wahres mit Falschem oder Irreführendem verquicken. Sicher gibt es Affinitäten z. B. zwischen Kant und Brouwer, 1 oder zwischen Hilbert und Kant,Z wie auch die systematische Nähe zur Erlanger Schule zweifellos auf der Hand liegt. Andererseits aber kann man es Kitcher nicht verdenken, wenn er aus den Schwierigkeiten im Begriff der reinen Anschauung auf die Unzulänglichkeit von Kants Theorie der Mathematik schließt. Doch niemand scheint sich zu fragen, ob wir überhaupt berechtigt sind, diese modernen Konzepte in Kants Theorie zu projizieren. Könnte es nicht sein, daß gerade diese Einstellung uns daran hindert, das Spezifische in Kants Mathematikbegriff zu erfassen? Und könnte es nicht sein, daß dieses Unvermögen, ältere Konzeptionen des Mathematischen in ihrer Eigenart zu begreifen, auch dafür verantwortlich ist, daß wir die radikalen Umbrüche nicht sehen, die uns von diesen Konzeptionen trennen? Die heute vorherrschende Tendenz, Kant als einen zeitgenössischen Autor zu betrachten, dessen Thesen kürzlich in einem einschlägigen Fachblatt erschienen sind, ist nicht grundsätzlich verfehlt, denn sie nimmt Kant in seinem philosophischen Anspruch ernst - auch da, wo seine Thesen verworfen werden. Dagegen fördert die philosophiegeschichtliche Herleitung nur selten das Verständnis, wenn der bloße Nachweis von Analogien die Analyse des sachlichen Gehalts ersetzt. Doch auch der Versuch, Kants Thesen direkt in die Sprache der Gegenwartsphilosophie zu übersetzen, scheint nicht immer zu überzeugenden ErgehI 2

Vgl. hierzu Posy 1984, 1995, Parsons 1980. Vgl. hierzu dieneueren Untersuchungen von Detlefsen ( 1993a, 1993b, 1995).

2

Einleitung

nissen zu fuhren. Gewiß haben Interpreten wie Hintikka oder Friedman eine Debatte in Gang gesetzt, die entscheidend dazu beigetragen hat, daß Kantinterpretation heute mit einem hohen Maß an begrifflicher Präzision betrieben wird. Aber diese Interpretationsmethode hat ihre Tücken. Wenn etwa Hintikka dafur plädiert, Kants Konstruktionsbegriff rein logisch zu interpretieren (in Anlehnung an die Konzeption der ekthesis bei Proklos), so kommt der Verdacht auf, hier werde Kant nur die Möglichkeit eingeräumt etwas zu sagen, was wir ohnehin schon wissen, daß nämlich allgemeingültige Beweise über Singuläres möglich sind, sofern dabei gewisse Restriktionen beachtet werden. In vergleichbarer Weise schlägt Michael Friedman vor, Kants These von der Notwendigkeit von Anschauung in mathematischer Erkenntnis als eine These über die Unzulänglichkeit der traditionellen (syllogistischen) Logik zu lesen. Doch ganz abgesehen davon, daß es problematisch ist, Kant einen solchen Grad an logischem Spürsinn zuzuschreiben, wie ihn vermutlich nicht einmal Leibniz besessen hat, wird dabei übersehen, daß Kants Texte vielleicht Einsichten vermitteln könnten, über die wir gerade nicht bereits verfugen. Und die Einsicht, daß monadische Prädikatenkalküle keine unendlichen Individuenbereiche darstellen können, ist nicht gerade aufregend neu. Damit soll nicht gesagt sein, daß Friedmans Analysen grundsätzlich fehlgeleitet sind - ganz im Gegenteil, diese Analysen sind sogar die Voraussetzung dafur, daß alternative Interpretationen erwogen werden können. Das ist es, was in dieser Schrift unternommen werden soll. Hier wird darauf verzichtet, zu Kants Thesen nach passenden »Gegenstücken« in unserem gegenwärtigen Wissensbestand zu suchen. An die Stelle der prospektiven Betrachtungsweise soll die retrospektive treten: ohne jegliche apologetische oder destruktive Absicht wird untersucht, was Kant über Mathematik gesagt hat, wie er das Gesagte begründete und inwiefern die Einsichten, die ihm am Phänomen Mathematik aufgingen, neu sind - und wenn nicht neu, ob kohärent, und wenn nicht kohärent, so doch wenigstens im Scheitern nachvollziehbar. Denn auch dies kann noch lehrreich sein, wenn man sich nicht auf eine negative Diagnose beschränkt, sondern nach den Gründen solchen Scheiteros fragt. Die vorliegende Studie erhebt jedoch keinen Vollständigkeitsanspruch; viele wichtige Einzelfragen können hier nicht erörtert werden. Hierzu zählen das schwierige Feld der »Antizipationen der Wahrnehmung« (der prima matheseos intensorum principia), das prekäre Thema »Zeit und Zahl« 3 und die Frage nach Kants Bewegungsbegriff. 4 Leider muß auch das Verhältnis zwischen Philosophie und Mathematik im Opus postumum übergangen werden, da mit diesen Texten erhebliche exegetische Probleme verknüpft sind. Daher werden einige 3 Vgl. hierzu Noske ( 1997). Kants Überlegungen zum Verhältnis von Zeit und Algebra sind übrigens von W. R. Hamilton aufgegriffen worden; vgl. hierzu Hankins 1976, Winterhourne 1982, Hendry 1984, 0hrstrom 1985, Napolitano 1990. 4 V gl. hierzu Hoffmann 1991.

Einleitung

3

Leser vergeblich nach einem Kapitel zum Problem des Parallelenpostulats Ausschau halten. 5 Die Beschränkung auf Grundsätzliches erhält ihre Berechtigung aus der Tatsache, daß auch Kant selbst nur an Prinzipienfragen sich interessiert zeigte. Alle Diskussionen über mathematische Einzelfragen sind ihm von seinen Opponenten aufgenötigt worden. 6 Dieser wichtige Umstand wird von den neueren Interpretationen verdeckt, die zu wenig auf den Kontext dieser Diskussionen achten. Kant war kein Mathematiker und hat die Entwicklung der zeitgenössischen Mathematik sicher nur am Rande verfolgt. Seine Einstellung zu dieser Wissenschaft war eine genuin philosophische; es war die Verwunderung, ja das Staunen über das Phänomen Mathematik, das seine philosophische Reflexion motivierte und durch das er sich vom professionellen Mathematiker unterschied. Er hat die Mathematik jederzeit »mit philosophischem Auge erwogen« - eine Formulierung, die er einmal zur Charakterisierung des Wolffschen Ähnlichkeitsbegriffs verwendet (Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze 72/277), und fast zeitgleich im Beweisgrund (50ff./93f.), um ein geradezu ästhetisches Erlebnis zu fassen, das sich auf die Proportionalität der Kreissehnen bezieht. 7 Es ist die Einheit in der Mannigfaltigkeit und die scheinbare Zweckmäßigkeit mathematischer Phänomene, die ihn beeindruckt. So heißt es in Pro!. §38: Wenn man die Eigenschaften des Zirkels betrachtet, dadurch diese Figur so manche willkürliche Bestimmungen, des Raums in ihr, so fort in einer allgemeinen Regel vereinigt, so kann man nicht umhin, diesem geometrischen Dinge eine Natur beizulegen.

Damit ist gemeint, daß sich der Kreis wie ein Naturwesen zweckhaftund in seiner Mannigfaltigkeit doch als Einheit präsentiert. Der Kreis scheint sich in sei5 Die hierzu bereits vorliegende Untersuchung (Büchel 1987) scheint diese Schwierigkeiten nicht gemeistert zu haben. (Besser: Tuschling 1971, Friedman 1992 Kap. 5.) Dieser Fragenkomplex ist überaus schwierig, auch wenn die diesbezügliche Forschungsliteratur den Anschein erweckt, als stünde sie auf festem Boden. Kants Überlegungen zum Parallelenproblem können nicht als Evidenz flir die Behauptung verwendet werden, er habe die wesentlichen mathematischen Entwicklungen aufmerksam verfolgt; sie legen eher die Vermutung nahe, er habe den eigentlichen Kern des Problems nicht erfaßt. (Die einzige gründliche Untersuchung von Kants mathematischen Reflexionen stammt von Waschkies: 1987.) 6 Wie etwa die Diskussion der Kegelschnitte im Streit mit Eberhard, die Frage nach dem epistemischen Status irrationaler Zahlen im Briefwechsel mit Rehberg und wohl auch das Problem der Beweisbarkeit des Parallelenpostulats. 7 Dasselbe Beispiel führt er auch an anderen Stellen an, so in der Preisschrift von 1762 (73 f./278), und mehr als 20 Jahre später in Pro/. § 36, und sogar noch in der Kritik der Urteilskraft (§62)- ein Hinweis darauf, daß Kant in der Wahl seiner Beispiele von bemerkenswerter Konstanz war. Man findet es außerdem in den Vorarbeiten zur Streitschrift gegen Eberhard (AA XX 360), im »Losen Blatt Leningrad 2«, Zeile 15f (vgl. hierzu Waschkies 1987), in der Metaphysik K 3 (AA XXIX 950), sowie in der Logik Jäsche am Ende des Abschnitts VIII der Einleitung (IX 65). (Darauf verweist Waschkies 1987 S.260.) Der Passus in der Logik Jäsche scheint jedoch ein Zusatz des Herausgebers zu sein; jedenfalls ist er weder in den Reflexionen, noch in der Pölitz-Nachschrift belegt (so Boswell 1991 S. 70).

4

Einleitung

ner Struktur der begrifflichen Deduktion zu entziehen, denn wir begreifen nicht den Grund dieses Zusammentreffens von Simplizität der Gestalt und Vielfalt der Folgen. Insofern ähnelt diese geometrische Figur tatsächlich einem Naturwesen, das mehr ist, als eine willkürliche Setzung; denn die Naturwesen sind in ihrer inneren Verfaßtheit nicht restlos begreifbar, während die mathematischen »Wesen«, als willkürlich definierte, eigentlich eine nahezu adäquate Erkenntnis ermöglichen sollten. Bei näherer Betrachtung dieser und ähnlicher Textstellen wird man zu dem Schluß gefuhrt, daß Kants Mathematikphilosophie streng genommen eine Philosophie der Elementarmathematik ist. Es ist wichtig, sich über diesen Punkt im klaren zu sein, um das von Kant über Mathematik Gesagte richtig einschätzen zu können. Denn es ist das Ziel der Kritik der reinen Vernunft, die Prinzipien aller Erkenntnis anzugeben - nicht nur die eines spezialisierten Erkenntnisbereichs. So ist auch der Kausalitätsbegriff der Kritik nicht identisch mit dem Begriff des kausalen Naturgesetzes, sondern liegt diesem noch voraus und ist als Element jeder empirischen Erfahrung identifizierbar. Die von Kant in der Kritik erörterten Erkenntnisprinzipien sind demnach solche Prinzipien, wie sie jedem vernünftigen Menschen notwendigerweise angesonnen werden können; und nur weil dies so ist, kann es in den Einzelwissenschaften Prinzipien geben, die durch Spezialisierung aus diesen generellen epistemologischen Prinzipien hervorgehen. Das gilt auch fur mathematische Erkenntnisleistungen. Denn es ist ja nicht das Ziel etwa der transzendentalen Ästhetik, eine Begründung der Mathematik als einer wissenschaftlichen Disziplin zu geben; vielmehr geht es hier um jene mathematischen Erkenntnisse, die jedermann zugänglich sind, und die als solche das epistemische Fundament auch der Mathematik als Fachwissenschaft bilden. Darum kann sich Kant darauf beschränken, nur elementarmathematische Sachverhalte zu diskutieren, ja er ist sogar zu dieser Beschränkung verpflichtet. So heißt es in KV B 39: So werden auch alle geometrische Grundsätze, z. E. daß in einem Triangel zwei Seiten zusammen größer sein, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der Anschauung und zwar a priori mit apodiktischer Gewißheit abgeleitet.

Dem entspricht in der Dissertation von 1770 das Argument in § 15.C: Ceterum geometria propositiones suas universales non demonstrat obiectum cogitando per conceptum universalem, quod fit in rationalibus, sed illud oculis subiiciendo per intuitum singularem, quod fit in sensitivis.

Zuvor war der Begriff der reinen Anschauung erstmals in dieser Weise eingefuhrt worden: Hunc vero intuitum purum in axiomatibus geometriae et quaelibet constructione postulatorum s. etiam problematum mentali animadvertere proclive est. Non dari enim in spatio plures quam tres dimensiones, inter duo puncto non esse nisi rectam unicam.

Einleitung

5

e dato in superficie plana puncto cum data recta circulum describere, etc., non ex universah aliqua spatii notione concludi, sed in ipso tantum velut in concreto cerni potest.

Kant sagt hier, daß die reine Anschauung »gar leicht zu entdecken ist« (animadvertere proclive est); es muß also fur jeden Menschen möglich sein, diese Anschauung sich zu vergegenwärtigen, nämlich anhand eines beliebigen elementargeometrischen Sachverhalts. Dieses Evidenzerlebnis ist es, auf das er seine Analyse der Anschauung gründet, nicht die in der Fachmathematik anzutreffenden Beweis- und Begründungsmethoden. Man muß also kein Mathematiker sein, um diese reine Anschauung entdecken zu können, man muß Euklids Postulate nicht kennen, und man muß auch nichts über die Bedingungen der Konstruierbarkeit geometrischer Objekte wissen. Es ergibt sich daraus, daß Kants »symbolische Konstruktion« in der Algebra hier nicht von Interesse ist, da sich diese wohl kaum unter den Begriff einer Erkenntnis aus reiner Anschauung subsumieren läßt. 8 Mathematische Erkenntnis ist zu einem ganz erheblichen Teil unanschauliche Erkenntnis - Erkenntnis, die sich aus dem regelgeleiteten Prozeß symbolischer Transformationen speist. Jeder Versuch, diese symbolischen Prozesse als »anschauliche« zu interpretieren scheint dem Geist des Mathematischen zu widersprechen. Anschaulich ist Mathematik dort, wo sie sich auf die unmittelbare Kontemplation des jeweiligen Sachverhaltes stützt. Von diesen unmittelbaren Repräsentationen geht mathematische Erkenntnis aus; und folglich müssen sie auch in philosophischer Reflexion berücksichtigt werden. Aber die symbolische Konstruktion ist von gänzlich anderer Natur und nicht etwa eine Unterart der Gattung »anschauliche Erkenntnis«.9 Nichts charakterisiert Mathematik besser als die Formel, sie sei die Wissenschaft von der Ersetzung der Anschauung durch das Zeichen. Der Raum liegt der Erkenntnis des Kreises auf andere Weise zugrunde, als der Erkenntnis der Formel x2 +y2=r2, die doch ebenfalls eine Repräsentation des Kreises ist. 10 Wer diese Differenz nicht beachtet, der scheint keine befriedigende Theorie algebraischer Erkenntnis zu geben. 8 Vgl. Broad 1942 S.20: »Now it seems to me that Kant has completely changed the meaning in which he is using the term >constructing a concept in intuition>natürlichen Ordnung« der Erkenntnis folgen muß - ein unüberhörbares Echo seiner Rousseau-Lektüre. Danach hat die akademische Unterweisung nicht mit den »abgezogenen« Begriffen der traditionellen Ontologie zu beginnen, sondern mit den »anschauenden Urteilen der Erfahrung«, da man erst durch diese zu Begriffen gelangen kann, deren geordnetes Verhältnis nach Grund und Folge zum System der Wissenschaft fuhrt. In dieser Schrift bekundet sich dieselbe polemische Tendenz gegen ungehemmte, durch keine Erkenntnisinstanz kontrollierte Spekulation, wie sie Kants Denken in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre kennzeichnet. Es ist diese polemische Tendenz, die Kant zu der Behauptung drängt, nur Wissenschaften, die auf Erfahrung gründen, könnten gelernt werden: »Da nun in allem, was historisch ist, eigene Erfahrung oder fremdes Zeugnis, in dem aber, was mathematisch ist, die Augenscheinlichkeit der Begriffe und die Unfehlbarkeit der Demonstration etwas ausmachen, was in der Tat gegeben und mithin vorrätig und gleichsam nur aufzunehmen ist: so ist es in beiden möglich zu lernen, d. i. entweder in das Gedächtnis, oder den Verstand dasjenige einzudrücken, was als eine schon fertige Disziplin uns vorgelegt werden kann« (6/306f.). Die beiden Momente: anschauende Urteile und augenscheinliche Begriffe sind offensichtlich zwei verschiedene Ausdrucksweisen fur denselben epistemischen Sachverhalt.73 Kants pädagogisches Ziel ist es, diese Augenscheinlichkeit auch fur den philosophischen Unterricht zu gewinnen, weshalb er mit der empirischen Psychologie beginnen will um sodann in fortschreitender Folge zur Ontologie zu gelangen (vgl. 9/309). 73 Gleichlautend heißt es in der Logik Blomberg: »Die Augenscheinlichkeil ist das Intuitive, das Anschauende in der Gewißheit, die Evidenz. So sind z. E. die Mathematische Sätze evident.« (AA XXIV 150)

§ 13 Mathematische Axiome II: »anschauende Urteile«

151

In der Dissertation lesen wir in §I 0: »intellectualium non datur (homini) intuitus, sed nonnisi cognitio symbolica, et intellectio nobis tantum licet per conceptus universales in abstracto, non per singularem in concreto.« Die Schwierigkeit bei den intellektiven Begriffen liegt also darin, daß wir sie nicht im Konkreten erkennen können, sondern nur im Abstrakten. Daher gibt es von ihnen nur eine symbolische Erkenntnis. Dieser Begriff der symbolischen Erkenntnis ist derjenige, der in der Kritik der Urteilskraft unter dem Titel »Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit« (§59) erörtert wird. Kant ist in diesem Punkt insofern konsequent, als er sich weigert, in Übereinstimmung mit der Tradition die mathematische Erkenntnis als cognitio symbolica einzustufen, da sie sich ja der Zeichen bediene. Vielmehr versteht er unter der symbolischen Darstellung die Versinnlichung des Unsinnlichen, während die mathematische Erkenntnis als eine Unterklasse der intuitiven (als schematische) klassifiziert wird. 74 Das Problem des Verhältnisses von Anschauung und Begriff wird in De mundi bereits im ersten Paragraphen angeschnitten; es heißt dort bei der Diskussion des Weltbegriffs im allgemeinen: Aliud enim est, datis partibus compositionem totius sibi concipere, per notionem abstractam intellectus, aliud, hanc notionem generalem, tanquam rationis quoddam problema, exsequi per facultatem cognoscendi sensitivam, h. e. in concreto eandem sibi repraesentare intuitu distincto. (2/387)

Das erste geschieht, wie sodann ausgefuhrt wird, durch den Begriff der Zusammensetzung überhaupt (»conceptus compositionis in genere«), der zu den intellektiven Repräsentationen zählt (»ideae intellectus et universales«), während die sinnliche Ausfuhrung des Abstrakten nur unter Zugrundelegung der Zeitvorstellung möglich ist und daher von den Gesetzen der Anschauung abhängt (»pertinet ad Ieges intuitus«). Damit zielt Kant auf jenen dissensus inter facultatem sensitivam et intellectualem (3/389), der die Antinomienlehre der ersten Kritik vorbereitet und in der Dissertation breiten Raum einnimmt. 75 Da der Mensch zugleich einem mundus intelligibilis und einem mundus sensibilis angehört, unterliegen seine Erkenntniskräfte den (eventuell divergierenden) Geset74 »Es ist ein von den neuern Logikern zwar angenommener, aber sinnverkehrender, unrechter Gebrauch des Worts symbolisch, wenn man es der intuitiven Vorstellungsart entgegensetzt; denn die symbolische ist nur eine Art der intuitiven. Die letztere (die intuitive) kann nämlich in die schematische und in die symbolische Vorstellungsart eingeteilt werden. Beide sind Hypotyposen, d. i. Darstellungen (exhibitiones): nicht bloße Charakterismen, d. i. Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts zu der Anschauung des Objekts Gehöriges enthalten, sondern nur jenen, nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht, zum Mittel der Reproduktion dienen; dergleichen sind entweder Worte, oder sichtbare (algebraische, selbst mimische) Zeichen, als bloße Ausdrücke für Begriffe.« Das wird in einer Anmerkung wie folgt erläutert: »Das Intuitive der Erkenntnis muß dem Diskursiven (nicht dem Symbolischen) entgegengesetzt werden. Das erstere ist nun entweder schematisch, durch Demonstration; oder symbolisch, als Vorstellung nach einer bloßen Analogie.« Vgl. hierzu Glenn 1972, Lamacchia 1972. 75 V gl. hierzu Pimpinella 1991.

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Raum, Zeit, Mathematik 1770-1775

zen zweier verschiedener Bereiche. Dabei betrachtet Kant die intellektive Seite der menschlichen Erkenntnis als diejenige, die die andere an Reichweite übertrifft, so daß sich hieraus ein Makel der sinnlichen Erkenntnis ergibt, die die intellektiven Begriffe nicht immer adäquat auszufuhren vermag: Quicquid enim repugnat legibus intellectus et rationis, utique est impossibile; quod autem, cum rationis purae sit obiectum, legibus cognitionis intuitivae tantummodo non subest, non item. Nam hic dissensus inter facultatem sensitivam et intellectualem [... ] nihil indigitat, nisi, quas mens ab intellectu acceptas fert ideas abstractas, i/las in concreto exsequi et in intuitu commutare saepenumero non passe. (3/389)

Kant geht also nicht von der totalen Divergenz der beiden Erkenntnisarten aus; denn jene »abstrakten Ideen«, die der Geist vom Verstand empfangt, sind sehr wohl einer Exposition in der Anschauung fahig. So verfugen wir z. B. über den rationalen Begriff des Ganzen. Dieser Begriff ist auch außerhalb des sinnlichen Bereichs anwendbar; doch um ihn anschaulich faßbar zu machen, bedarf es der Exposition in der Zeitanschauung: »Ex hac spinosa quaestione semet extricaturus notet: tarn successivam quam simultaneam plurium coordinationem (quia nituntur conceptibus temporis) non pertinere ad conceptum intellectualem totius, sed tantum ad condiciones intuitus sensitivi; ideoque, etiamsi non sint sensitive conceptibiles, tarnen ideo non cessare esse intellectuales.« (7 /392) Diese Lehre vom doppelten Ursprung unserer Begriffe nimmt Kant zum Anlaß, sich gegen eine fur das rationalistische Denken typische Auffassung zu wenden. Er behauptet nämlich, daß die unsinnlichen, rationalen Begriffe durch keine noch so weit getriebene Begriffsanalyse gefunden werden können.76 Wie berechtigt diese Kritik ist, kann man aus Wolffs Polemik gegen Locke ersehen: Daher rühret, daß Lock solchen Vorstellungen durch die Sinne den Namen einfacher Begriffe gegeben hat. Hätte er sich aber besonnen, daß diese Begriffe in noch viel einfachere zerlegt werden könten, da es in unendlich viele geschehen kan, ehe man an ihre allgemeine Begriffe kommet, so würde die Wissenschaft nicht so ungemein durch seine Übereilung gelitten haben. Denn aus diesem Vorurtheil ist entstanden, daß man die Begriffe von abgezogenen mit den Sinnen nicht mehr zu erreichenden Dingen sich durch die Einbildungs-Kram auf eine Art sinnlicher Begriffe vorstellen, 76 »Maximi autem momenti hic est, notasse, cognitiones semper habendas esse pro sensitivis, quantuscunque circa illas intellectui fuerit usus logicus. Nam vocantur sensitiva propter genesin, non ob collationem quoad identitatem vel oppositionem. Hinc generalissimae Ieges empiricae sunt nihilo secius sensuales et, quae in geometria reperiuntur, formae sensitivae principia (respectus in spatio determinati), quantumcunque intellectus circa illa versetur, argumentando e sensitive datis (per intuitum purum) secundum regulas logicas, tarnen non excedunt sensitivorum classem. [... ] Conceptus itaque empirici per reductionem ad maiorem universalitatem non fiunt intellectuales in sensu reali, et non excedunt speciem cognitionis sensitivae, sed, quousque abstrahendo adscendant, sensitivi manent in indefinitum.« (9/393f.) Dieser Gedanke war schon in der Monado/ogia physica von 1756 angedeutet, wo es im ersten Absatz der Praenotanda heißt: »Qui enim phaenomena tantum naturae consectantur, a recondita causarum primarum intelligentia semper tantundem absunt, neque magis unquam ad scientiam ipsius corporum naturae pertingent, quam qui altius atque altius montis cacumen ascendendo coelum se tandem manu contrectaturos esse sibi persuaderent.>Scientia sensitive cognoscendi & proponendi est Aesthetica, (Logica facultatis cognoscitivae inferioris, Philosophia gratiarum & musarum, gnoseologia inferior, ars pulcre cogitandi, ars analogi rationis).« Vgl. Aesthetica §I: >>AESTHETICA (theoria liberalium artium, gnoseologia inferior, ars pulcre cogitandi, ars analogiae rationis) est scientia cognitionis sensitivae.«

§ I4 Die epistemische Struktur der Anschauung: Kunst und Mathematik

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deutlich ... ) kennt Wolffmateriale Differenzen (LL §§103-115), von denen hier nur die zwischen singulären und allgemeinen Begriffen(§§ 112-114), und die zwischen einfachen und komplexen Begriffen (§§ 104-1 08) wichtig sind. Wolff fundiert alle Erkenntnis in der Sinneswahrnehmung; gemäß seinem Sprachgebrauch, in welchemjede Repräsentation als notio bezeichnet wird (vgl. LL § 34), ist uns immer der Begriff eines Einzeldings - also ein conceptus singularis - gegeben (LL §665). Es ist die Leistung des Verstandes, auf dieser Grundlage zur Erkenntnis des Allgemeinen zu gelangen. Rationale Erkenntnis ist der Aufstieg vom Singulären zum Universellen,78 d. h. der Übergang von conceptus singularis zu conceptus communis. Die Differenz zwischen einfachen und komplexen Begriffen setzt die soeben Erwähnte voraus. Ein einfacher Begriff enthält nur wesentliche Merkmale, entspricht also einem Art- oder Gattungsbegriff, aus dem die attributiven Merkmale ableitbar sind.7 9 Ein komplexer Begriff enthält zusätzlich Attribute oder Modi. Daraus ergibt sich sofort, daß jeder singuläre Begriff komplex ist - denn die Klassifizierung seiner Merkmale in wesentliche und außerwesentliche muß ja noch geleistet werden (LL § 106). In diesem epistemischen Modell gilt Sinneswahrnehmung als komplexe begriffliche Leistung, und der Aufstieg zu den allgemeineren Begriffen stellt sich als Übergang von zusammengesetzten zu einfachen, deutlicheren Begriffen dar. Da aber das Einfachere zugleich das Gewissere ist, kann die sinnliche Erkenntnis nur eine ungewisse sein: In Ansehung dessen, daß ein Begrif allen Dingen von einer Art zukommet, wird er allgemein genennet, und daher enthält er um so viel weniger in sich, je allgemeiner er ist; folgends sind die allgemeinen Begriffe um so viel leichter zu überdencken, je mehreren Arten der Dinge sie zukommen: wenn man nur allgemeine Dinge zu überdencken gewohnet ist, damit sie einem nicht fremde vorkommen. (DL Kap.l § 28)

Man mag von diesem Bekenntnis zur Abstraktion bei einem Autor, der sich das connubium rationis et experientiae auf das Banner geschrieben hat, überrascht sein. Doch findet es sich noch bei Meier, dem Apologeten der Baumgartensehen Ästhetik: »Die abstracte Erkenntniss befördert 1) die Deutlichkeit und Vollständigkeit der Erkenntniss. Denn je abstracter sie ist, desto weniger enthält sie in sich, und desto leichter kann sie also ohne viele Verwirrung durchdacht werden[ ... ].« (L §263) 80 78 LL §57: »Cum adeo genera & species sint notiones universales, omnibus singularibus insuni universalia, consequenter a contemplatione rerum singularium ascendere licet ad cognitionem universalium.« 79 »Notionem simplicem voco, quae solis notis constat: notionem complexam vero, quae praeter notas alia sive rei intrinseca, sive extrinseca complectitur« (LL § I 05). »Notiones generum & specierum distinctae sunt notiones simplices« (§ I07). 80 Noch deutlicher wird Meier in der großen Vernunftlehre §297: »Die allgemeine Erkentniß hat außer dem noch viele vortreffliche Vortheile, und wir wollen einige der wichtigsten noch in eine genauere Erwegung ziehen. I) Sie befördert die Deutlichkeit der Erkentniß, was die Stärke derselben betrift, ungemein. Wenn unserem schwachen Verstande sehr vieles auf einmal vorgesteilet wird, so kan er, seiner Schwäche wegen, nicht alles deutlich fassen, und

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Es ist diese These vom epistemischen Vorrang der »allgemeinen Dinge« vor den einzelnen, die die Distanz zwischen Wolffund Locke markiert. Denn Wolff geht davon aus, daß das Denken in abstrakten Begriffen eine größere Evidenz verbürgt, da es ja mit geringerer Komplexität belastet ist. Diese Voraussetzung gilt aber nur, solange jede mentale Repräsentation nach dem Modell der begrifflichen konzipiert ist. Gegen diese Auffassung hatte aber Locke gewichtige Einwände erhoben; er behauptete in seiner Polemik gegen die eingeborenen Ideen, daß aus der Tatsache, daß die allgemeinen Wahrheiten der Grund der besonderen sind, nicht folgt, daß sie auch zuerst erkannt werden müßten. Locke vertritt also die These vom epistemischen Vorrang des Besonderen vor dem Allgemeinen. Und er zieht daraus einen wichtigen Schluß: wenn es die Aufgabe eines Beweises ist, uns von der Wahrheit einer Behauptung zu überzeugen, und wenn es hierzu nicht eines Rückgangs zu den obersten Geltungsgründen bedarf, weil bereits konkrete Einzelfälle dieser Geltungsgründe als evident erkannt werden, dann kann auch nicht verlangt werden, daß dieser Rückgang bis zu den obersten Geltungsgründen in Beweisen faktisch vollzogen wird. So kann jede arithmetische Kalkulation durch Berechnung im Dezimalsystem durchgefuhrt werden, ohne Rekurs auf allgemeine zahlentheoretische Prinzipien. Die sinnliche Erkenntnis hat also ihre eigene, nicht durch die Ratio gestiftete Evidenz. Auf dem Kontinent war eine vergleichbare Rehabilitation der Sinnlichkeit von Baumgarten, dem selbständigsten und originellsten unter den Wolff-Adepten, unternommen worden. Indem Baumgarten in seiner Aesthetica eine durchgehende Parallelisierung von Sinnlichkeit und Verstand durchfuhrt, findet er fur den sinnlichen Evidenzmodus einen systematischen Ort. Das ist es, was seine Ästhetik fur den Erkenntnistheoretiker interessant macht. Das gemeinsame Element, in welchem Mathematik und ästhetische Erfahrung konvergieren, besteht nun darin, daß beide Erkenntnisarten nicht vom Begriff, sondern von der Anschauung ausgehen. Inwiefern dies nach Baumgarten fur die ästhetische Erfahrung gilt, soll im folgenden kurz dargelegt werden. 81 er muß nothwendig in Verwirrung gerathen. Je weniger ihm aber auf einmal vorgesteilet wird, desto eher ist er im Stande, dasselbe deutlich zu erkennen. Durch die Absonderung der Begriffe, werden sie in der That kleiner gemacht. Je abstracter und allgemeiner demnach die Erkentniß ist, desto weniger hält sie in sich, desto geschwinder und leichter kan sie durchdacht werden, und sie ist also um so viel deutlicher. [... ] die abstracte Erkentniß verfinstert demnach den Kopf nicht; und es ist ein blosses Vorurtheil, wenn man glaubt, daß nur gelehrte Nachteulen sich, mit einer solchen dunkeln Erkentniß beschäftigen können.« Skeptischer äußert sich Meier in den »Betrachtungen über die Schranken der menschlichen Erkenntnis«, wo er die »allgemeine Erkenntnis« zum »bloßen Blendwerk« herabstuft, worauf Baeumler ( 1923 S.205) hinweist. 81 Kants Baumgartenlektüre scheint sich auf die Metaphysica beschränkt zu haben; als Theoretiker der schönen Künste dürfte dieser kaum eine Wirkung auf ihn ausgeübt haben (vgl. KV Anm. zu B 35 f., R 5081, Poppe 1907 S.51 ff., Schlapp 190 I). In der Kritik der Urteilskraft wird Baumgarten übrigens nicht erwähnt. Auch die Reflexionen ästhetischen Inhalts in AA XVI lassen keinen Einfluß erkennen. Bedenkt man aber, daß die Aesthetica auch eine erkenntnistheoretische Zielsetzung verfolgt, dann wird man einen Einfluß auf Kant eher in

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Daß die ästhetische Erkenntnis eine sinnliche ist, wird von Baumgarten so gefaßt, daß sie auf klare, aber verworrene Ideen bezogen ist. Die ästhetisch relevanten Vorstellungen sind einerseits gegen die dunklen abgegrenzt (die denfundus animae bilden: M § 511 ), andererseits gegen die deutlichen Vorstellungen, die als ästhetisch nicht brauchbar qualifiziert werden. In der Sprache Kants bedeutet dies, daß die ästhetisch relevanten Ideen nicht abstrakte Begriffe sind, sondern konkrete Instanzen dieser Begriffe. Insofern teilen die ästhetischen Repräsentationen die hier in § 7 entwickelte Eigentümlichkeit der mathematischen Repräsentationen, daß sie nicht durch Allgemeinbegriffe re-präsentieren, sondern durch das Beispiel das Gemeinte sinnlich faßbar präsentieren. Es ist diese Umkehrung der Signifikationsrelation, die die Klarheit der ästhetischen Vorstellungen bedingt (vgl. hierzu oben, §6). 82 Baumgarten nimmt innerhalb der Klasse der klaren Vorstellungen eine weitere wichtige Differenzierung vor: er kennt auch eine Klarheit des oberen Erkenntnisvermögens, die er als intensive gegen die extensive Klarheit des unteren Erkenntnisvermögens abgrenzt. 83 Der Begriff der intensiven Klarheit kodifiziert den leibnizschen Gedanken der analysis notionum: eine Vorstellung ist intensiv um so klarer, je weiter die Analysis ihrer Konstituentien fortschreitet. Sie betrifft also die Vorstellungen hinsichtlich der Relation der Subordination. Deshalb macht fiir Baumgarten die intensive Klarheit die profundilas des Verstandes aus (M § 634). Demgegenüber sind Vorstellungen, die durch extensive Klarheit eine Gesamtvorstellung bilden, einander koordiniert, stehen also auf logisch gleicher Stufe. Eine Vorstellung ist extensiv um so klarer, je mehr Teildiesem Bereich suchen. Und hier dürfte das Material, das die psychologischen Paragraphen der Baumgartensehen Metaphysik (zusammen mit den Anklängen an die Baumgartensehe Ästhetik in Meiers Logik) enthalten, genügend Anhaltspunkte bieten. Man denke etwa an die Ordnung der Vollkommenheiten der Erkenntnis (Weitläufigkeit, Größe, Wahrheit, Klarheit, Deutlichkeit, Gewißheit), die Meier von Baumgarten übernimmt, und die in den Vorlesungsnachschriften breiten Raum einnehmen. Schließlich ist daran zu erinnern, daß eines der Grundprobleme der Ästhetik, das Problem der Einheit in der Mannigfaltigkeit, auch ein zentrales epistemisches Problem Kants ist. Zum Verhältnis der transzendentalen Ästhetik zur Ästhetik Baumgartens vgl. Theis 1989, Schulthess 1981 S. 71 ff. 82 A. Riemann hat darauf hingewiesen, daß unter »verworrene Vorstellungen« nicht Vorstellungen zu verstehen sind, die qualitativ von minderer Güte sind als die deutlichen, sondern »gemeint ist, die einzelnen Vorstellungsmerkmale verschmelzen in einem anschaulichen Gesamtbild (was ja bei jeder Sinneswahrnehmung der Fall ist).« (Riemann 1928 S.ll 0) 83 Diese Differenzierung liegt bereits in den Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus vor, die Baumgarten 21-jährig als Dissertation veröffentlichte. Man kann sie als den Grundgedanken seiner ästhetischen Theorie ansehen. Vgl. § 16: »Si in repraesentatione A plura repraesententur, quam in B. C. D. &c. sint tarnen omnes confusae, A erit reliquis extensive c/arior.« In der Anmerkung hierzu heißt es: »Addenda fuit restrictio, ut distinguerentur hi claritatis gradus a satis cognitis illis, qui per notarum distinctionem descendunt ad cognitionis profunditatem, & unam repraesentationem altera intensive reddunt clariorem.« § 17: »in extensive clarissimis repraesentationibus plura repraesentantur sensitive, quam in minus claris ergo plura faciunt ad perfectionem poematis. Hinc repraesentationes extensive clariores sunt maxime poeticae.« Vgl. auch M § 531.

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vorstellungen sie koordiniert. Entsprechend bildet die extensive Klarheit die pulcritudo des Verstandes (M §637). Baumgartens zentrale These ist nun, daß die ästhetisch relevanten Vorstellungen individuelle Vorstellungen sind, und das heißt in seiner Sprache: sie sind maximal determinierte Vorstellungen. 84 Nur darum, weil fiir ihn auch die Vorstellung des Gegenstands, der unter einen Allgemeinbegriff fällt, in der Sprache der Logik des oberen Erkenntnisvermögens beschrieben werden muß, kommt es zu dieser These von der Notwendigkeit der extensiven Klarheit fiir die ästhetische Erfahrung. Kant hat die Lehre vom Unterschied zwischen extensiver und intensiver Klarheit, wie sie von Meier dargelegt wurde, seinen Intentionen anverwandelt (vgl. L § 135 und die zugehörigen Reflexionen). 85 Er betont, daß die intensive Klarheit den Begriff, die extensive die Anschauung betrifft. So kann er sich diese Differenz im Sinne der Unterscheidung zwischen diskursiver und intuitiver Repräsentation zunutze machen: Die in logischer Beziehung vollkommene Klarheit ist die, welche die Erkenntnis zur Deutlichkeit durch Begriff geschikt macht; die in aesthetischer: durch Anschauungen. Mithin beruht die erste auf der Vorstellung in abstracto, die zweite auf der in concreto. (R 23 71)

Wer als Poet die Tugend zur Darstellung bringen will, der stelle einen einzelnen tugendhaften Menschen dar; wer poetisch zeigen will, daß Tugend Besonnenheit impliziert, der stelle dar, wie ein Mensch in seinen Handlungen, sofern sie tugendhaft sind, auch besonnen handelt. 86 Ebenso in Mathematik: wer das Verhältnis der Sehnen im Kreis darlegen will, der zeichne einen Kreis und lege an diesem das gesuchte Verhältnis dar. Wer zeigen will, daß jedes Dreieck die Winkelsumme von zwei Rechten hat, der zeichne ein Dreieck und zeige, daß das Behauptete ftir dieses Dreieck gilt. Damit hat Kant die These von der Exemplifizierbarkeit mathematischer Begriffe in concreto bedeutend verschärft: die allgemeinen Lehrsätze der Geome84 Meditationes philosophicae, § 18: »Quo magis res determinantur, hoc repraesentationes earum plura complectuntur; quo vero plura in repraesentatione confusa cumulantur, hoc sit extensive clarior magisque poetica. Ergo in poemate res repraesentandas quantum pote, determinari poeticum.« § 19: »lndividua sunt omnimode determinata, ergo repraesentationes singulares sunt admodum poeticae.« 85 Kant unterscheidet nicht zwischen extensiver und intensiver Klarheit, sondern bezieht diese Unterscheidung auf die Deutlichkeitsstufe der Erkenntnis. Die Theorie der Erkenntnisstufen im Vergleich von Leibniz, Baumgarten, Meier und Kant wird von 8osweil (1991 Kap. 2.1) erschöpfend behandelt. Vgl. auch Tonelli 1955 S.22ff., sowie Matsuo 1985. 86 Meditationes phi/osophicae, § 12: »Exempla confuse repraesentata sunt repraesentationes extensive clariores, quam eae, quibus declarandis proponuntur hinc magis poeticae & in exemplis singularia quidem optima.« Sodann zitiert er aus Leibniz' Theodizee (II § 148): »Le but principal de l'histoire, aussi bien que de Ia poesie, doit etre d'enseigner Ia prudence & Ia vertupardes examples, et puis de montrer le vice d'une maniere qui en donne de l'aversion, et qui porte ou serve it l'eviter.« (Das Zitat wurde gegenüber Baumgartens Version berichtigt und ergänzt.)

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trie werden nicht durch Repräsentation im Allgemeinbegriff bewiesen, wie dies für rationale Wissenschaften typisch ist, sondern nach Art der sensitiven Wissenschaften, indem der betreffende Gegenstand selbst vor Augen gelegt wird, und zwar in einer einzelnen Anschauung (De mundi 201403, hier zitiert S.128). Damit ist nicht nur gesagt, daß die Geometrie (die hier stellvertretend für alle mathematischen Disziplinen genannt wird) aufgrund der Verwendung sinnlicher Zeichen einfacher zu erfassen ist, sondern daß sie nur nach Art der sensitiven Wissenschaften vorgehen kann, weil die geometrischen Erkenntnisse nicht auf begriffliche, sondern auf gegenständliche Verhältnisse zielen. Diese Verhältnisse entziehen sich der Repräsentation im Medium des Begriffs, sind aber dennoch nicht irrational, weil ihnen ein wesentliches Moment der begrifflichen Erkenntnis eignet: die Verallgemeinerbarkeit. Dies aber: die gegenständliche Orientierung plus Verallgemeinerbarkeit, ist das übereinstimmende Merkmal der mathematischen und der ästhetischen Erkenntnis. 87 Insofern nur die intensiv klaren Vorstellungen eine begrifflich-allgemeine Erkenntnis des Nexus zwischen den subordinierten Begriffen erlauben (gemäß der These, daß jede vernunftgemäße Einsicht die Einsicht in begriffliche Interdependenzen ist), gelingt es Baumgarten, das nichtrationale Element der ästhetischen Vorstellungsverknüpfung zu erfassen. Denn Vorstellungen, die zum Gesamtbild einer individuellen Repräsentation verschmelzen, sind nicht rational miteinander verknüpft, sondern sinnlich, und sind folglich ästhetisierbar. Wir begreifen nicht den Grund der Vorstellungskoordination, wenn wir ihn auch erfassen können. Es ist dieses Moment, welches die Einsicht in mathematische Evidenzen mit der Erfahrung von Realgründen teilt: Denn unsere Vernunftregel geht nur auf die Vergleichung nach der Identität und dem Widerspruche. [ ... ] Ich weiß wohl: daß das Denken und Wollen meinen Körper bewege, aber ich kann diese Erscheinung, als eine einfache Erfahrung, niemals durch Zergliederung auf eine andere bringen und sie daher wohl erkennen, aber nicht einsehen. (Träume eines Geistersehers 121/370)

Hier ist der Unterschied zwischen dem, was wir einsehen, und dem, was wir nur erkennen können, angesprochen: wir erkennen alles, was uns Sinne und Verstand darbieten; einsehen (begreifen) aber können wir nur Inklusionsbeziehungen zwischen Prädikaten, also subordinative Beziehungen. 88 Es sind aber koordinative Beziehungen, welche sowohl der ästhetischen Erfahrung, als auch der mathematischen Erkenntnis zugrundeliegen. 89 Dieser Gedanke von der unbe87 Daher sagt Baeumler treffend: »Es ist kein Zufall, daß sich die Ästhetik aus einer Theorie des Beispiels entwickeln läßt. Das Problem der >Mitteilbarkeit< (enuntiatio) steht wahrhaft im Zentrum. Mitteilbar machen, was durch den >Begriff< nicht mitgeteilt werden kann- das ist die Aufgabe der Kunst.« (Baeumler 1923 S.21 0) 88 Vgl. auch Träume 14/322: »Dieser Widerstand aber, den Etwas in dem Raume seiner Gegenwart leistet, ist auf solche Weise wohl erkannt, allein darum nicht begriffen.« 89 Auch hier hat Baeumler wieder das Richtige getroffen: »Der tiefe (reine) Verstand ist derjenige, der die Merkmale eines Merkmals, die Merkmale wiederum dieser Merkmale usw.

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grifflichen, aber doch verallgemeinerungsfahigen Struktur der mathematischen Erkenntnis wird in R 5078 90 zum Ausdruck gebracht: »Es ist ein merkwürdiger Unterschied zwischen den mathematischen allgemeinen Formeln und den philosophischen. Die ersteren erkent man ihrer Richtigkeit nach nur, wenn man sich der Warheit derselben in concreto bewußt ist.« An anderer Stelle heißt: »Die synthetischen sätze des Raumes liegen nicht in dem allgemeinen Begriffe des Raumes, so wenig wie die chymische Erfahrungssätze vom Golde im allgemeinen Begriffe desselben, sondern werden aus der Anschauung desselben gezogen oder in der Anschauung desselben gefunden.« (R 4519 91 ) In der Dissertation findet Kant fur diesen Sachverhalt eine prägnante Formulierung; dort heißt es im Rückblick auf die Theorie von Raum und Zeit: En itaque bina cognitionis sensitivae principia, non, quemadmodum est in intellectualibus, conceptus generales, sed intuitus singulares, attamen puri; in quibus, non sicut Ieges rationis praecipiunt, partes et potissimum simplices continent rationem possibilitatis compositi, sed, secundum exemplar intuitus sensitivi, infinitum continet rationem partis cuiusque cogitabilis ac tandem simplicis s. potius termini. [ ... ] Ergo omnes affectiones primitivae horum conceptuum sunt extra cancellos rationis, ideoque nullo modo intellectualiter explicari possunt. (22/405) »Nullo modo explicari possuntintensiven Deutlichkeit< schreite ich vom Merkmal b des Merkmals a zum Merkmal c des Merkmals b fort. Die Reihe ist bestimmt. Die Vermehrung der extensiven Deutlichkeit dagegen hängt von etwas scheinbar ganz Unbestimmbarem, dem Individuum, ab. Ein logisches Prinzip des Fortschritts mangelt; die Merkmale treten einfach nach Maßgabe meiner Kenntnis des Gegenstandes zusammen.« (Baeumler 1923 S. 20 I f.) 90 Die Schönheit ist keine Eigenschaft, welche dem Objekt eigentümlich ist, und wer weiß, gibt es nicht Wesen, die nach anderen Grundsätzen, was uns schön ist, häßlich finden?< Man mache dem Meßkünstler immer den Zweifel: >Wer weiß, gibt es in der Natur wirklich einen Triangel oder einen Zirkel?< Unbekümmert über die äußere Wirklichkeit der Dinge erteilen

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menhang zwischen mathematischer und ästhetischer Erfahrung gleichsam im Vorbeigehen berührt: Das sinnliche ist eine Vollkommenheit, und die Verwirrung ist ihm nicht essential, sondern es kann Deutlichkeit der Coordination statt finden. [/] Die Mathematik zeigt die Größte Würde der menschlichen Vernunft, die Metaphysik aber die Schranken und ihre eigenthümliche Bestimmung. [/] Es gehört zu allem schönen durchaus, daß ich nur Verstand und so wenigvernunftwie möglich dazu bedürfe; denn es soll in der Erscheinung gefallen. Daher die coordination. (R 3717, S. 262)

Das Schöne gefallt also, weil seine Bestimmungen nicht rational, sondern anschaulich geordnet sind; und die Ordnungsstruktur der Anschauung ist die Koordination. Die sinnlich-anschauende Erkenntnis besitzt ihre eigene Vollkommenheit und kann daher einfach als »verworren« disqualifiziert werden. Die Metaphysik ist keine Wissenschaft, die der Wissenserweiterung dient (I. c. S. 261 ); die Mathematik aber »zeigt die größte Würde der menschlichen Vernunft«, nicht weil sie eine rationale und diskursive Wissenschaft ist, sondern weil sie über ein fast unbegrenztes Reich von Erkenntnismöglichkeiten gebietet und diese Erkenntnismöglichkeiten mit unfehlbarer Gewißheit auszuschöpfen vermag. An anderer Stelle versucht Kant, die epistemische Struktur von Raum und Zeit zur Explikation der ästhetischen Erfahrung heranzuziehen. Es handelt sich um die bereits von Holzbey (1970 S. 165) besprochene R 672: Das, was am Gegenstande Gefalt und was wir als eine Eigenschaft desselben ansehen, muß in dem bestehen, was vor jederman gilt. Nun Gelten die Verhältnisse des Raumes und der Zeit vor jederman, welche Empfindungen man auch haben mag. Demnach ist in allen Erscheinungen die Form allgemein gültig; was also der Regel der Coordination in Raum und Zeit gemäß ist, daß gefalt nothwendig jederman und ist schön.

»Demnach ist in allen Erscheinungen die Form allgemein gültig«- hier ist auch an die mathematische Erkenntnis zu denken. Sie muß zwar nicht jedermann gefallen; aber sie teilt mit der ästhetischen Erfahrung denselben Gültigkeitsmodus. Denn »die Verhältnisse des Raumes und der Zeit« sind das Moment der sinnlichen Erscheinung, das ihre Objektivierbarkeit ermöglicht. »Objektiv« bezeichnet bei Kant nicht in erster Linie eine Eigenschaft des Gegenstandes der Erkenntnis, sondern den Erkenntnismodus: eine Erkenntnis ist genau dann objektiv, wenn sie »fiir jedermann« gilt (Pro!. § 18, 78/298). Ob das zutrifft, hängt davon ab, welches Gegenstandsmoment thematisiert wird: eine Aussage über die Farbe eines Gegenstandes kann nicht objektiv gelten, wohl aber eine über seine räumliche Form. Indem Kant die Objektivität ästhetischer Erfahrung und die Geltung mathematischer Erkenntnis an die raumzeitliche Struktur der ersie beide ihren Lehren die größte Gewißheit, indem sie sie auf die ewigen Gesetze unserer Erkenntnis gründen, und uns allein ftir die Welt ansehen, in welcher ihre Gegenstände Wirklichkeit haben dürfen.« (Betrachtungen aus der spekulativen Weltweisheit, S.86ff.)

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scheinenden Welt bindet, gründet er die Allgemeinheit des ästhetischen Urteils auf dieselbe Instanz wie die Allgemeinheit des mathematischen Urteils: auf die fur alle Subjekte gültigen Anschauungsformen und deren Gesetzmäßigkeiten. Darin vereinigen sich fiir ihn Mathematik und Kunst. 104

§ 15 Rückblick: Kants Mathematikbegriff und der Einfluß von Locke

Die Textanalysen, die in diesem Kapitel unternommen wurden, haben gezeigt, daß Kant um 1770 glaubte, eine umfassende und leistungsfahige Theorie der mathematischen Erkenntnis bieten zu können. Dabei versteht er unter »mathematischer Erkenntnis« eine Erkenntnisart, die bestimmte, scheinbar divergierende Eigenschaften in sich vereinigt: sie ist sinnliche Erkenntnis und kann daher nur im singulär und unmittelbar Gegebenen gewonnnen werden; zugleich ist sie formale Erkenntnis und weist daher das Merkmal der Generalisierbarkeit auf. Was immer in einem Konkretum mathematisch erkannt wurde, gilt mit Notwendigkeit fiir alle Erscheinungen dieses Typs. Weil die mathematische Erkenntnis die Vorzüge der sinnlichen Erkenntnis (Singularität und Unmittelbarkeit) mit denen der rationalen (Allgemeinheit und Notwendigkeit) in sich vereint, nennt sie Kant auch cognitio intuitiva bzw. sensitiva. Daß die sinnliche Erkenntnis überhaupt Vorzüge aufweist, ergibt sich aus Kants epistemologischen Prämissen: ihm gilt jede singuläre und unmittelbare Erkenntnis als den menschlichen Erkenntniskräften gemäß und daher als evident. Unter allen Erkenntnisarten kommt folglich der mathematischen Erkenntnis der höchste Rang zu: sie ist der »Prototyp« jeglicher sinnlichen Erkenntnis (sensitiva cognitionis prototypo: I 0/395). Alles, was an der sinnlichen Erkenntnis »Form« genannt werden kann, schlägt Kant der Mathematik zu: »Mathesis itaque pura, omnis nostrae sensitiva cognitionis formam exponens [... ]«; sie ist das Werkzeugjeglicher Wissenschaft von den Sinnendingen: »[ ... ] est cuiuslibet intuitivae et distinctae cognitionis organon [... ]«; und aufgrund der anschaulichen Struktur ihrer Grundobjekte ist sie das Muster jeglicher Evidenz überhaupt (»summae evidentiae in aliis exemplar>Lebensgeschichte«, die er den Gesammelten Abhandlungen Hilberts in Bd. III (S.388ff.) beigefugt hat.

§ 18 Schematismus und Konstruktion

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können: jede Beschreibung eines Gegenstandes muß in irgend einer Form mehrsteilige Prädikate und verschachtelte Existenzquantaren zu Hilfe nehmen; keine undifferenzierte Ansammlung einstelliger Prädikate beschreibt einen Gegenstand. Young begeht hier offenbar einen elementaren Fehler: er verwechselt die Klassifikation eines Gegenstandes mit der Beschreibung seiner internen Struktur.21 Dreiecke bestehen aus Geraden, aber sie fallen nicht unter den Begriff der Geraden, denn sie sind keine Teilmenge der Menge aller Geraden. Der Begriff, unter den Dreiecke fallen, ist der Begriff des Dreiecks oder der des n-Ecks, des (2n-l )-Ecks usw. Auf diese Differenz zwischen Klassifikation und Beschreibung ist hier in den §§4 und 12 hingewiesen worden; sie scheint der Schlüssel zu Kants Mathematiktheorie zu sein. Wir hatten in Teil I! gesehen, daß Kant um 1770 der Ansicht war, daß das mathematische Räsonnement im Gegensatz zum metaphysischen in concreto verfahrt, weil es sich auf solche einfachen Begriffe bezieht, die nur in der Anschauung einfach sind. In § II f. wurde anband einer formalen Analyse der Begriffe »Subordination« und »Koordination« gezeigt, daß Kant damit auf den Sachverhalt verweist, daß mathematische Begriffe morphologische Begriffe sind. Als ein Indiz hierfür war das Phänomen der Iterierbarkeit (Rekursivität) mathematischer Begriffsbildung erwähnt worden: die anschauliche Koordination einfacher Elemente operiert über einem »Substrat« (dem potentiell unendlichen Raum), in dem die Wiederholung gleicher Operationen nicht dem Gesetz der Idempotenz verfallt. Wir können aus dem Begriff des Einhorns den Begriff des Zweihorns bilden; aber der Begriff des Zweihorns enthält nicht einfach zweimal den Begriff» Horn«. Nur in der Anschauung, nicht im Begriff ist die Koordination identischer Merkmale möglich. Deshalb lassen sich neue mathematische Begriffe bilden, indem man ein in ihnen enthaltenes Merkmal iteriert, z. B. die Anzahl der Ecken einer geometrischen Figur. Wir wollen jetzt diesen Gedankengang aufgreifen und im Lichte der vorstehenden Betrachtungen weiterfuhren. Es ist oben gesagt worden, daß der Begriff des Hundes sich vom Schema unterscheidet, weil er auch Merkmale enthält, die nicht bildliehen Charakters sind, z. B. daß der Hund ein Haustier ist. Dagegen ist es ein gemeinsames Merkmal von Hunden und von Hundebildern, daß sie einen Schwanz (bzw. das Bild eines Schwanzes) haben. Um einer Person, die mit Hunden nicht vertraut ist und sie nicht identifizieren kann, klarzumachen, was wir darunter verstehen, können wir eine Liste solcher Merkmale zusammenstellen. Unter der Voraussetzung, daß diese Person weiß, was ein Haustier 21 Vgl. Young 1992 S.ll5: »When he says that >mathematical definitions are constructions of concepts< that >contain an arbitrary synthesis< of things intuited (A 729f./B 757f.), he is making the point in his own way. We cannot capture the content of a mathematical concept merely by listing predicates that the instances ofthat concept must satisfy. Instead, we must posit objects and represent them as standing in certain relations. Representing such objects involves intuition. [... ] >Synthesis< is simply Kant's term forthisform ofrepresentation, and it is in this sense that synthesis gives a mathematical concept its content.«

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Philosophie und Mathematik in der »Kritik der reinen Vernunft«

ist, was man unter Bellen versteht, wie ein Säugetier aussieht usw., kann man ihr eine »diskursive Hundebeschreibung« an die Hand geben, die ihr so etwas wie einen Begriff des Hundes verschafft. Aber ein solcher empirischer Begriff kann, wenn man von der räumlichen Gestalt absieht, niemals etwas anderes sein, als ein Merkmal oder eine Liste von Merkmalen. Nun gibt es freilich verschiedene Möglichkeiten, einen Hund zu beschreiben. Der Zoologe, der Tierarzt, der Kulturhistoriker, der Züchter - sie alle werden sich darin unterscheiden, welche Merkmale sie fiir wesentlich erachten. Allen ist jedoch gemeinsam, daß ihre diskursive Kenntnis der Eigenschaften von Hunden notwendig unvollständig bleibt. Zudem wissen wir zwar, daß z. B. die Form der Zähne mit der Ernährung zu tun hat, aber wir kennen nicht alle derartigen Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften eines Hundes. Eine listenartige Hundebeschreibung ist daher nicht nur unvollständig, sondern auch ungeordnet. Es ist also typisch fiir solche Listen, daß sie (I) nicht abschließbar sind, und daß (2) die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Eintragungen nicht unbedingt bekannt sein müssen. Genau in diesen Punkten unterscheiden sich mathematische Begriffe von empirischen. Der Begriff des Hundes mag sich aus Merkmalen zusammensetzen, die zusammengenommen mehr oder minder dazu geeignet sind, Hunde zu erkennen. Aber der Begriff des Dreiecks setzt sich nicht aus einer vergleichbaren Anzahl von Merkmalen zusammen. Wer nicht weiß, was ein Dreieck ist, dem kann dies nicht durch eine solche Liste beschrieben werden. Denn der Schwanz ist zwar ein Merkmal des Hundes, aber die Linie (die Ecke, die Winkelsumme) kein Merkmal des Dreiecks. Das heißt: der Begriff des Dreiecks ist (oder enthält) keine Teilvorstellung von dem, was wir »Dreieck« nennen, sondern er bezieht sich auf die ganze Vorstellung. Das bedeutet, daß sich empirische und mathematische Begriffe in der Art der Repräsentation unterscheiden: während empirische Begriffe niemals das Ganze des betreffenden Objekts erfassen können, beziehen sich gerade die mathematischen Begriffe nicht auf Teile einer anschaulichen Vorstellung (auf den Schwanz des Hundes, die Hand des Menschen ... ), sondern auf die ganze Vorstellung. Diese Eigenschaft mathematischer Begriffe, sich in holistischer Weise auf anschauliche Sachverhalte zu beziehen, erlaubt es, sie als morphologische Begriffe zu bezeichnen. Um solche morphologische Begriffe korrekt handhaben zu können, muß man also über andere Kompetenzen verfugen, als sie fiir empirische Begriffe erforderlich sind: man muß eine vollständige Beschreibung besitzen, d. h. eine solche, die nichts ausläßt, was fiir den jeweiligen Begriff relevant ist. Und man muß wissen, wie sich die einzelnen Merkmale der räumlichen Konfiguration aufeinander beziehen. Der Begriff des Wirbeltieres z. B. ist der Begriff eines ganz bestimmten Merkmals, woran wir gewisse Tiere erkennen: fehlt dieses Merkmal, dann haben wir es nicht mit einem Wirbeltier zu tun; hat das Tier eine Wirbelsäule, dann ist es auch ein Wirbeltier. Nicht so das Dreieck: hat eine

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Figur drei Ecken, dann ist sie noch lange kein Dreieck. Um ein Dreieck zu sein, muß es genau drei Ecken haben; denn nicht jede einzelne Ecke ist Merkmal des Begriffs »Dreieck«, sondern, daß es genau drei Ecken hat. Und diese Ecken müssen auch richtig verbunden sein; nicht jede willkürliche Verbindung von drei Punkten zählt bereits als Dreieck. Angenommen der Begriff des Dreiecks wäre ein abstrahierter Begriff, der nur das Merkmal der drei Ecken enthielte! Die Vorstellung dieses Begriffs wäre dann auch durch die Figur ••• erfüll bar. Daß aus dieser Repräsentation nun keineswegs die Existenz von drei Winkeln folgt, ist unmittelbar klar. Umgekehrt kann aus dem Merkmal der drei Winkel nicht auf die Figur des Dreiecks geschlossen werden. Die folgende Zeichnung fallt unter den Begriff der drei Winkel: ~>(hier stelle man sich ungeordnete Dreiecksabschnitte vor)- aber sie schließt sich nicht zum Dreieck zusammen, weil diese Winkel nicht die richtige räumliche Orientierung aufweisen. Wir können daher am Dreieck keine Teilvorstellung abstraktiv herausheben, die sich zur allgemeinen Repräsentation dieser Figurenklasse eignete. Kein Teil des Dreiecks ist eine solche Teilvorstellung, die im Begriff des Dreiecks enthalten wäre. Deshalb sind morphologische Begriffe gewissermaßen intimer an die Anschauung gebunden als andere. Um etwas als Dreieck erkennen zu können, müssen wir es als Ganzes erfassen, in seiner eigentümlichen räumlichen Gestalt. Es genügt nicht, die Zahl der Ecken festzustellen, die Winkelsumme zu messen, oder zu prüfen, ob eine der Seiten durchbrochen ist oder nicht. Wenn wir also einer Person, die mit Dreiecken nicht vertraut ist, beschreiben wollen, was ein Dreieck ist, dann können wir ihr keine vergleichbare Liste in die Hand drücken, wie sie für den Begriff des Hundes angehbar ist. Denn jede einzelne Abweichung in der Gestalt ist relevant für das Dreieck-Sein des betreffenden Gegenstandes. Ein Hund ohne Schwanz kann immer noch ein Hund sein, wenn er sonst genügend Hundemerkmale aufweist; aber eine Figur mit vier Ecken oder ein Dreieck, das auf eine Kugel aufgezeichnet ist, so daß zwei Ecken zusammenfallen, ist überhaupt kein Dreieck. Und während wir bei der diskursiven Beschreibung eines Hundes im allgemeinen nicht angeben können, wie die einzelnen Merkmale zusammenhängen und deshalb nur eine Liste aufstellen können, müssen wir das im Falle des Dreiecks sogar wissen: wir müssen wissen, daß die Eckpunkte nicht auf einer Geraden liegen, oder daß die Seiten gerade Linien sind. Die »Koordination« der Hundemerkmale ist also im Gegensatz zur »Koordination« der Dreiecksmerkmale eine ungeordnete; es spielt einfach keine Rolle, in welcher Reihenfolge sie aufgeführt werden. Darum genügt es hier, eine Liste zu geben. Dagegen spielt die räumliche Anordnung der Elemente einer geometrischen Figur nicht nur eine wichtige Rolle für ihre Identifikation, sondern sogar die ausschließlich entscheidende Rolle. Eine geometrische Figur ist nichts anderes als eine ganz bestimmte räumliche Ordnung; und ihr Begriff mag insofern allgemein sein, als er gewisse Variationsmöglichkeiten beinhaltet. Aber

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diese Variationsmöglichkeiten kommen nicht als begriffliche Spezifikationen zu diesem Begriff hinzu, sondern als anschauliche Variationen. Wie würden wir also jemandem ein Dreieck beschreiben? Nun, der zweckmäßigste Weg ist nicht der, isolierte Eigenschaften von Dreiecken anzugeben (sie haben eine bestimmte Winkelsumme, kommen in einem berühmten antiken Lehrbuch vor etc.), sondern eine Beschreibung der Methode, wie ein Dreieck gezeichnet wird: man wähle zwei beliebige Punkte, verbinde sie mit einer Geraden, wähle einen dritten Punkt usw. Es ist diese gegenständliche Synthesis, die sich im Begriff nicht erfassen läßt und die nur im Schema des Begriffs formulierbar ist. Das Schema ist eine Regel zur Beschreibung reiner Gestalten im Raum. Es muß damit zwei disparate Aufgaben erfullen: es muß allgemein sein (als Schema eines Begriffs), und es muß die Anschauung zugleich lückenlos bestimmen (es muß möglich sein, anhand des Schemas ein vollständiges Bild zu erstellen). Das kann es aber nur als eine Regel, die die Genese dieser Gestalten beschreibt. Das Schema kann aber nicht alle Einzelheiten des Bildes festlegen: sind zwei Linien in einem beliebigen Winkel zueinander gezogen, dann ergibt sich die Lage der dritten nicht aus dem Schema des Dreiecks (das keine Aussagen über Winkel enthält), sondern aus der Anschauung. Derjenige, der ein Dreieck zeichnet oder etwas als dreieckig erkennt, muß also selbst dafur sorgen, daß sich die Figur zum Dreieck zusammenschließt. Nur die Beschreibung im Schema sagt uns, aufwelche Aspekte des Bildes es ankommt, welche also zum Begriff gehören und welche nicht. Und nur die Beschreibung der Genese ist so vollständig, daß sie die Anschauung tatsächlich lückenlos zum Bild bestimmt. Wer also etwas als Dreieck erkennen will, muß es konstruieren -und das nicht nur in Mathematik. Die Kompetenzen, die die Subsumtion eines empirischen Gegenstands unter einen mathematischen Begriff erfordert, sind also keine anderen, als die, die in der mathematischen Konstruktion dieses Begriffs involviert sind. Wir können jetzt einen Schritt weiter gehen. Halten wir uns die folgenden Fakten vor Augen: Kant sagt im Schematismuskapitel, der empirische Begriff des Tellers sei mit dem mathematischen Begriff des Kreises »gleichartig«, und er sagt, daß der Begriffvom Hunde eine Regel zur Verzeichnung eines »vierfussigen Tieres« bedeutet. Offensichtlich beinhaltet der Begriff des Tellers nicht nur Merkmale wie »dient zur Nahrungsaufnahme« oder »besteht gewöhnlich aus Porzellan«, sondern auch das Merkmal »ist kreisförmig«, das sich im Unterschied zu den anderen nicht auf ein Merkmal (Teilvorstellung), sondern auf die Anschauung bezieht. Darin liegt ja auch der wesentliche Unterschied zwischen einem Begriff und einer Anschauung: nur die Anschauung bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand. 22 Es ist daher sinnvoll, zwischen empirischen und 22 »Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf diese unmittelbar bezieht,

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»reinen sinnlichen« Begriffen zu unterscheiden; und nur diese enthalten einen solchen unmittelbaren Bezug. Doch worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen dem Beispiel des Tellers und dem des Hundes? Gibt es einen Grund, warum es dem Teller vorbehalten sein sollte, auf einen mathematischen Begriff zu verweisen? Ist nicht die reine Gestalt des Hundes, in der reproduktiven Einbildungskraft verzeichnet, mit dem gleichen Recht eine geometrische Figur zu nennen, wie die reine Gestalt des Tellers? 23 Welcher Unterschied ist hier dafür verantwortlich, daß Kant in dem einen Fall explizit von einem mathematischen Begriff spricht, im anderen aber nicht? Auch auf diese Frage ließe sich eine einfache und vordergründige Antwort geben: der Begriff des Kreises ist schlicht ein mathematischer Begriff, nicht aber der Begriff, der die Gestalt des Hundes beschreibt. Doch diese Antwort ist unzureichend: wo ist die Grenze zwischen >>mathematikfähigen« Gestalten und solchen, die nicht mathematisierbar sind, zu ziehen? Und wie steht es mit dem Bild eines griechischen Tempels? Ist es nicht so, daß wir mit reinen geometrischen Begriffen einen Tempel »schematisch« beschreiben können? Ist nicht überhaupt jeder Bauplan ein solches Schema, das sich letztlich aus Schemata geometrischer Begriffe zusammensetzt? Es wird gewöhnlich als selbstverständlich vorausgesetzt, daß Kants Begriff einer Konstruktion in der Anschauung immer als der Begriff einer euklidischen Konstruktion in der Anschauung zu lesen sei. Aber hat man je davon gehört, daß man euklidische Geometrie studiert haben muß, um zu erkennen, daß jedes Dreieck drei Winkel hat? Aufgrund der hier vorgelegten Untersuchungen ergibt sich, daß es Kant nicht primär um eine Beweistheorie der mathematischen Erkenntnis geht, sondern um eine Erkenntnistheorie der empirischen Erkenntnis, die als eine Subkategorie die reine sinnliche Erkenntnis in sich enthält. Und der Begriff der Konstruktion, wie er im Schematismuskapitel exponiert wird, ist nicht der Begriff der mathematischen Konstruierbarkeit, der Existenz gewisser Gegenstände, oder der Widerspruchsfreiheit der Definitionen, sondern ein vormathematischer Begriff, aus welchem der spezifisch euklidische Sinn von »Konstruktion« allererst als Sonderfall hervorgeht. Sicher trifft es zu, daß wir von »richtigen« mathematischen Begriffen eine gewisse »Wohlerzogenheit« erwarten. Wir interessieren uns einfach mehr für die und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung. [... ] Alles Denken aber muß sich, es sei geradezu (directe), oder im Umschweife (indirecte), vermittelst gewisser Merkmale, zuletzt auf Anschauungen, mithin, bei uns, auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann.« (8 33) 23 Vgl. 8 162: »Wenn ich also z. 8. die empirische Anschauung eines Hauses durch Apprehension des Mannigfaltigen derselben zur Wahrnehmung mache, so liegt mir die notwendige Einheit des Raumes und der äußeren sinnlichen Anschauung überhaupt zum Grunde, und ich zeichne gleichsam seine Gestalt, dieser synthetischen Einheit des Mannigfaltigen im Raume gemäß.«

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Geometrie des Kreises, als fur die Geometrie der Schlangenlinie. Aber das ist kein Grund, ))Kreis« zu den mathematischen Begriffen zu zählen, ))Schlangenlinie« dagegen nicht. Man betrachte hierzu das folgende Beispiel: A

~ 0

Dies ist ein grober Ausschnitt aus einem Stadtplan von Königsberg im 18. Jahrhundert. Es zeigt den Zusammenfluß des Alten und Neuen Pregel zum Pregelfluß und die an dieser Stelle befindliche Insel (C). Die Striche markieren die Brücken über den Fluß. 24 Eine damals viel diskutierte Frage lautet: kann man einen Spaziergang unternehmen, der genau einmal über jede Brücke fuhrt? Diese Frage wurde von Leonhard Euler elegant und umfassend beantwortet. 25 Tatsächlich handelt es sich hier um ein Problem der sogenannten Graphentheorie. Diese Theorie beschäftigt sich mit den topologischen Eigenschaften von Netzen und Karten. Reduziert man das Königsherger Brückenproblem auf seine mathematisch relevante Struktur, dann erhält man die folgende Zeichnung:

Jeder Punkt ())Ecke«) steht fur einen Teil der Karte ())Stadtteil«) und die Bögen zeigen, wie diese Teile durch die Brücken verbunden werden. Man kann dieses Bild auch anders interpretieren: die Punkte könnten Ortschaften sein und die Bögen Bahnverbindungen. Dann wäre das Königsherger Brückenproblem so zu formulieren: kann man die Orte A bis D in einer Fahrt erreichen, ohne zweimal dieselbe Strecke zu durchfahren? Wir wollen die Lösung dieses Problems hier nicht ausfuhrlieh diskutieren und beschränken uns aufwenige Hinweise. Bei dem mathematischen Studium dieses Problems wird man schnell auf einige elementare Sachverhalte aufmerksam: jedes Netz kann zwar beliebig viele Bögen und beliebig viele Ecken aufweisen, aber diese beiden Zahlen hängen miteinander zusammen. Denn jeder Bogen hat zwei Enden, also ist die Ge24 Der interessierte Leser findet in Biggs et al. 1976 eine Reproduktion eines alten Stiches von Königsberg, in dem der Verlauf des Pregels gut erkennbar ist. 25 Eulers Originalarbeit lautet »Solutio problematis ad geometriam situs pertinentis«, erstmals publiziert in den Commentarii Academiae Scientiarum /mperialis Petropolitanae, Bd. 8 ( 1736), wiederabgedruckt in den Opera omnia Serie I, Bd. 7, sowie in englischer Übersetzung in Biggs et al. 1976.

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samtzahl aller Bogenenden immer gerade. Bezeichnen wir die Anzahl der Bögen, die in einer bestimmten Ecke »einlaufen«, als die »Ordnung« dieser Ecke, dann folgt, daß die Gesamtzahl der Ordnungen aller Ecken ebenfalls gerade ist. Ferner ist auch die Anzahl der »ungeraden« Ecken gerade. Es läßt sich dann leicht zeigen: kann man ein Netz in einem zusammenhängenden Weg durchlaufen, dann sind höchstens zwei Ecken des Netzes von ungerader Ordnung. Denn jedesmal, wenn man eine Ecke passiert, muß man einen hinfiihrenden und einen wegfiihrenden Bogen nehmen (und jedesmal nach Voraussetzung einen anderen). Also können höchstens die Endecken des Weges von ungerader Ordnung sein. Damit ist das Königsherger Brückenproblem bereits gelöst: weil alle Ecken des obigen Netzes ungerade sind, kann es nicht von einem zusammenhängenden Weg durchlaufen werden. Was folgt daraus fiir unser Thema? Hier wurde angedeutet, wie man anhand graphischer Repräsentationen Einblicke in recht abstrakte mathematische Sachverhalte gewinnen kann. 26 Zugleich konnte ein ganz alltägliches Problem, fiir das sich sicher auch der Spaziergänger Immanuel Kant interessiert hätte, more geometrico gelöst werden - ein Problem, das durchaus mit geometrischen Sachverhalten zu tun hat und deshalb auch einer apriorischen Lösung bedarf. Damit eine solche anschauliche Repräsentation abstrakter Sachverhalte möglich ist, muß das empirische Hilfsmittel, das hingezeichnete Bild, einer ganz bestimmten Interpretation unterworfen werden. Wir haben die Graphik nicht so gelesen, als bestünde sie aus drei Kreisbögen und drei Geraden, die in bestimmter Weise angeordnet sind, sondern wir haben sie so gelesen, als bestünde sie aus einer Anzahl von »Treffpunkten«, die in bestimmter Weise miteinander verbunden sind. Dabei kam es weder auf die Form der Verbindungen, noch auf die Form der Treffpunkte, noch gar auf die metrischen Beziehungen an. Der einzige nennenswerte Unterschied zwischen den beiden Bildern ist der, daß das zweite weniger sachfremde Zusatzinformationen enthält. Die Stadtteile Königsbergs sind zu Punkten geschrumpft, deren einzige relevante Eigenschaft die ist, mit anderen Punkten verbunden zu sein. Damit ist freilich nicht gesagt, daß das zweite Bild in irgendeinem Sinne »mathematischer« sei als das erste. Es gibt kein absolutes Kriterium fiir das Zutreffen der Eigenschaft, »mathematisch« zu sein. Ein und derselbe empirische Sachverhalt kann nicht nur nach unterschiedlichen Kriterien »mathematisiert« werden, sondern jede dieser mathematischen Präzisierungen kann wiederum in verschiedenen mathematischen Theorien verschiedene Sachverhalte repräsentieren. Euter z. B. war in seinem originalen Beweis nicht von einer graphischen Repräsentation (wie oben) ausgegangen, sondern ließ sich von kombinatorischen Beobachtungen leiten. Er schreibt fiir einen Weg, der von A über C, D, B nach A zurückfiihrt A, C, D, B. Wie muß nun die kombinatorische Beschreibung 26 Man könnte statt von Ecken und Bögen auch von geordneten Paaren und Schnittmengen reden. Vgl. Simons 1990, wo äquivalente Definitionen von »Graph« diskutiert werden.

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eines vollständigen Weges aussehen? Offenbar müßten die Buchstabenkombinationen AB (oder BA) und AC (oder CA) in einem solchen Ausdruck je zweimal vorkommen, da es jeweils zwei Wege (über zwei verschiedene Brücken) zu beschreiben gibt. Die Kombinationen AD, BD, und CD wären dagegen nur je einmal zu notieren. Die folgende Kombination genügt offenbar diesen Bedingungen: ADABACABDCD (wobei ABA als AB und BA zu lesen ist). Schließlich nimmt das Brückenproblem die folgende Form an: kann man aus A, B, C, D eine Kombination aus acht Buchstaben bilden, die den angegebenen Bedingungen genügt? Es stellt sich heraus, daß man für einen vollständigen Weg neun Buchstaben braucht. Denn in dem gesuchten Ausdruck müßte C dreimal vorkommen (weil in jedem möglichen Weg C genau dreimal durchquert werden muß), A, B, D jeweils zweimal. Man kann solche Bilder also unterschiedlich lesen, und man kann verschiedene Schlüsse aus ihnen ziehen. Die einzige Bedingung, die erfüllt sein muß, damit diese Schlüsse mathematische sein können, ist, daß die »Lesung« dieser Bilder nach ganz bestimmten Prinzipien geschieht, und daß von diesen Prinzipien nicht abgewichen wird. Das aber ist nichts anderes, als die Interpretation einer Figur im Lichte eines Schemas. Diese Erkenntnisart ist also eine apriorische, weil sie genau genommen die Form einer Implikation hat: wo immer die Bedingungen, die der »Lesung« dieser Figur zugrundeliegen, angetroffen werden, da gilt auch, was für diese Figur als zutreffend erkannt worden ist. Um also die Lösung des Königsherger Brückenproblems fruchtbar zu machen, müssen wir in ähnlichen Fällen dasselbe Schema in Funktion setzen, z. B. einen Ausschnitt des Streckennetzes der Eisenbahn als Bild dieses Schema lesen, oder auch die Strukturdarstellung eines Moleküls etc. 27 27 Eine ähnliche Position vertritt heute Putnam. Er schreibt, nachdem er die Ansicht, es gebe so etwas wie einen speziellen mathematischen Gegenstandsbereich, verworfen hat: »What seems to characterize mathematics is a certain style of reasoning; but that style of reasoning is not essentially connected with an >Ontology«< (Putnam 1967 S.5). Was die,er style ofreasoning nun genauer sein soll, wird von ihm nicht weiter ausgeführt. Das läßt sich aber leicht ergänzen, wenn man sich an der folgenden Bemerkung orientiert: ))On the other hand, if one is puzzled by the question recently raised by Benacerraf: how numbers can be >objects< if they have no properlies except order in a particular w-sequence [vgl. Benacerraf 1965], then, I believe, one can be helped by the answer: call them >object< if you like [... ]; but remernher that these objects have the special property that each fact about them is, in an equivalent formulation, simply a fact about any w-sequence. >Numbers existif a is an w-sequence, then ... < (whether any concrete example of an w-sequence exists or not).« (Putnam 1967 S.49) Diese Bedingung entspricht der obigen Bemerkung, wonach mathematische Erkenntnis deshalb apriorisch ist, weil sie die Form einer Implikation hat. Daß das an dieser w-Sequenz Erkannte ftir alle wSequenzen gilt, folgt deshalb, weil wir in der Lage sind, in anderen empirischen Situationen dasselbe Schema zu instanziieren. In diesem Sinne hängt das Wesen des Mathematischen von einem style of reasoning ab: hält man sich in einer bestimmten Situation nicht an das geforderte Schema (liest man z. B. unsere obige Illustration nicht als Graph, sondern als eukli-

§ 19 Definition III: synthetisches Urteil und epistemischer Bezug

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Was genau ist nun dieses »Schema«, das diesen verschiedenen Anwendungen zugrundeliegt? Noch einmal zeigt sich nach kurzer Überlegung, daß nur eine »operative« Beschreibung wirklich adäquat ist: »wähle einen Punkt, verbinde ihn mit einem zweiten Punkt, wähle einen dritten, so daß ... «. Nur diese »allgemeine Methode, sich ein Bild zu verschaffen«, kann sowohl die Allgemeinheit als auch die anschauliche Bestimmtheit zum Ausdruck bringen, die wir im Schema eines bestimmten Netzes meinen. Denn nur sie erlaubt es, z. B. fur »Punkt« »Bahnhof« zu lesen und fur »verbinde die Punkte A und B« »fahre von Bahnhof A zu Bahnhof B«. Der mathematische Sachverhalt, der diesen abbildliehen Instanziierungen zugrundeliegt, ist also nichts anderes, als das, was diesen schematischen Beschreibungen gemeinsam ist, die »logische Form« dieser Beschreibungen also, die uns freilich abgelöst von jeglicher anschaulicher Instanziierung nicht zugänglich ist. Doch dieses Beispiel sollte noch mehr verdeutlichen; es sollte belegen, wie unvorhersehbar mathematische Sachverhalte sein können. Welcher Königsberger Spaziergänger hätte sich träumen lassen, daß das Problem seines wöchentlichen Sonntagsausflugs schließlich in die Graphentheorie, einer respektablen und keineswegs sonntäglichen Beschäftigung professioneller Mathematiker, münden würde? Und welcher klassisch ausgebildete Geometer wäre jemals auf den Gedanken verfallen, sich nicht um die Form seiner Zeichnungen zu kümmern und nur auf die Schnittpunkte und die Anzahl der Linien in diesen Schnittpunkten zu achten? Wir sehen also: Daß in jedem zusammenhängenden Netz die Anzahl der ungeraden Ecken gerade ist, ist mit dem selben Recht ein mathematischer Sachverhalt zu nennen, wie daß jedes Dreieck drei Winkel hat. Diesen Sachverhalten ist gemeinsam, daß sie sich auf morphologische Qualitäten unserer Anschauung beziehen und in je verschiedener Weise in umfassende mathematische Theorien eingebettet werden können. Deshalb muß auch die morphologische Beschreibung eines Hundes zu den mathematisierbaren Begriffen gezählt werden. Jedes Schema, jedes allgemeine Verfahren sich ein Bild zu verschaffen, ist mathematikfahig.

§ I 9 Definition lll: synthetisches Urteil und epistemischer Bezug

Im vorstehenden Abschnitt ist versucht worden, die globale epistemische Bedeutung des Schematismus im Lichte der Interpretation der »reinen sinnlichen Begriffe« als morphologische Begriffe herauszuarbeiten. In diesem Abschnitt widmen wir uns dem »regionalen« Begriff der mathematischen Konstruktion. Zunächst ist daran zu erinnern, daß eine präzise und überzeugende Unterscheidung zwischen Schema und Konstruktion in der Kritik nicht zu finden ist, denn disehe Figur), dann wird man auch nicht in der Lage sein, das Wissen, welches man zuvor in einer anderen Situation mit Hilfe dieses Schemas gewonnen hatte, zu aktualisieren.

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Kant hat die betreffenden Abschnitte nicht aufeinander abgestimmt, wie in § 20 gezeigt werden soll. Bereits in der transzendentalen Ästhetik spricht Kant von Konstruktionen und appelliert damit an das Vorverständnis des kundigen Lesers (vgl. B 39, A 24). Obwohl erst die transzendentale Methodenlehre den Begriff der Konstruktion ausfuhrlieh exponieren wird, verwendet ihn Kant in der Kritik also ganz unbefangen, weil er glaubt, daß dieser Begriff fur jeden Leser verständlich ist. Doch in diesem Übergang vom Schema zur Konstruktion kann exemplarisch aufgezeigt werden, was es heißt, die epistemische Analyse der mathematischen Erkenntnis aus einem globalen Begriff von Erkenntnis zu gewinnen, wie dies von Benacerraf in seinem maßgeblichen Aufsatz »Mathematical Truth« (1973) gefordert wurde. Daher verdient dieses Thema hier besonderes Interesse. Wir hatten zwischen Bild, Schema und Begriff unterschieden: ein Bild ist die (empirische) Realisierung eines Begriffs im Lichte eines Schemas, wobei Begriff und Schema nur bei den Kategorien unterschieden werden müssen. Eine Konstruktion ist nichts anderes als die Darstellung (exhibitio) eines Begriffs in der Anschauung. Das Resultat dieser Darstellung ist ein Bild, also eine durchgängig bestimmte Vorstellung. Aber woher wissen wir eigentlich, fur welchen Begriffbeispielsweise das folgende Bild steht:

Dieses Bild kann als Darstellung von sehr verschiedenen Begriffen betrachtet werden: Dreieck, n-Eck, gleichseitiges Dreieck ... Die schematische Beschreibung ist ja gerade deshalb allgemein, weil sie zusätzliche Bestimmungen erfordert, bevor aus dem Schema ein Bild werden kann. So kann die Konstruktion eines Dreiecks auch zufällig zu einem gleichschenkligen oder gleichseitigen fuhren- aber sind wir dann auch berechtigt, das entstandene Bild als Bild eines gleichschenkligen oder gleichseitigen Dreiecks zu betrachten? Halten wir fest, daß die Relation Schema-Bild keine eindeutige ist: jedes Schema kann beliebig vielen disjunkten Bildern zugrundeliegen und jedes dieser Bilder kann wiederum beliebig vielen disjunkten Schemata zugeordnet werden. Es ist daher nicht möglich, vom fertigen Bild auf das erzeugende Schema zu schließen. Denn Bilder tragen ihre mathematische Interpretationsvorschrift nicht in sich, sondern müssen, um mathematisch traktiert werden zu können, im Lichte eines Schemas gedeutet werden. Ein Extremfall hierfiir ist Euklids Illustration fiir den Satz, daß kein Kreis einen anderen Kreis in mehr als einem Punkt berühren kann (Elemente III, § 13). Der Beweis bedient sich der reductio ad absurdum und geht von dem Fall aus, ein Kreis würde einen anderen in zwei Punkten berühren. Das nierenförmige Gebilde im Bild will also als Darstellung eines Kreises gelesen werden, nicht als Darstellung einer nierenförmigen geometrischen Figur. Das bedeutet, daß wir dieses Bild anders schematisieren müssen, als bei einer Interpretation z. B. innerhalb topologischer Er-

§ 19 Definition III: synthetisches Urteil und epistemischer Bezug

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örterungen, wo es durchaus als nierenfönnige Figur verstanden werden könnte. Doch im Kontext der Geometrie Euklids kann es so nicht verstanden werden; denn solche Figuren gibt es in dieser Geometrie überhaupt nicht! Woher wissen wir aber, welche Gegenstände es nun gibt und welche nicht? Ein weiteres Beispiel! Die folgende Zeichnung stellt einen Winkel dar, der in drei gleiche Teile unterteilt ist:

Eine solche Zeichnung ist offenbar herstellbar und kann als »Winkel, der in drei gleiche Teile unterteilt ist« beschrieben werden. Daß die Teilwinkel nicht wirklich exakt gleich sind, ist natürlich irrelevant; ebenso wie die Konstruktion eines Dreiecks zufällig ein gleichseitiges ergeben kann, so kann auch die Dreiteilung eines Winkels zu drei gleichen Teilwinkeln fuhren. Nun sind auf der Ebene des lebenspraktischen Beschreibens und Konstruierens diese Probleme trivial lösbar: tagtäglich werden Würfel verdoppelt, Winkel dreigeteilt und Kreise konstruiert, die eine deutliche Tendenz zur Nierenform aufweisen. Die Differenz zwischen diesem lebenspraktischen Hantieren und dem wissenschaftlichen Verfahren des Geometers ist nun darin gegründet, daß der Geometer von einer definitiven Restriktion der Konstruktionsmittel ausgeht. 28 Es ist diese Restriktion, die aus dem offenen Horizont spontaner Mathematisierung eine wissenschaftliche Disziplin hervorgehen läßt. Und sie muß deshalb eine Restriktion genannt werden, weil bei dieser Disziplinierung Gegenstände wegfallen, die im alltäglichen Umgang mit mathematischen Sachverhalten fraglos akzeptiert werden. Einige Gegenstände, die durch diesen Prozeß der Restriktion herausfallen, können freilich durch eine Erweiterung der Konstruktionsmittel wieder konstruierbar werden, etwa die Dreiteilung des Winkels mit Hilfe der Quadratrix. 29 Andere dagegen bleiben aus prinzipiellen Gründen ausgeschlossen. So gibt es in der Geometrie, wie jeder weiß, Strecken, die kein gemeinsames Maß haben, so etwa Quadratseite und -diagonale. Hier macht sich eine im absoluten Sinne zu verstehende Unmöglichkeit bemerkbar, die in Widerspruch zur empirischen Geometrie steht, in der ja grundsätzlich alle Strecken miteinander vergleichbar sind. Das hat nun freilich Konsequenzen auch fiir den Begriff der Konstruktion selbst. Wir können jetzt nicht mehr zwischen der Herstellung einer Figur und ihrer nachträglichen Beschreibung unterscheiden. Daß ein Bild als dreigeteilter Winkel beschreibbar ist, sagt jetzt überhaupt nichts darüber aus, ob es solche Winkel im geometrischen Sinne wirklich »gibt«. Ebensowenig kann jetzt noch von der zufälligen Herstellung eines rechtwinkligen Dreiecks die Rede sein: zur 28 Statt von einer »Restriktion der Konstruktionsmittel« kann man natürlich auch von einer »Restriktion der sprachlichen Beschreibungsmittel« sprechen. 29 Vgl. hierzu z. B. Bos 1993 S.25.

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Philosophie und Mathematik in der »Kritik der reinen Vernunft«

Konstruktion eines solchen Dreiecks braucht man nicht etwa Augenmaß, sondern man muß über die Vorschrift zur Konstruktion eines rechtwinkligen Winkels verfugen. Verfugt man nicht über ein Schema zur Konstruktion rechter Winkel, dann kann man auch kein rechtwinkliges Dreieck konstruieren. Die Rede von »Konstruktionen«, also von Anweisungen zur Herstellung, nicht zur Beschreibung geometrischer Figuren, erhält jetzt einen neuen Sinn: jedes geometrische Gebilde muß aus einer (endlichen) Zahl von Grundkonstruktionen hervorgehen, die in vorgeschriebener Reihenfolge auszufuhren sind. Nur deshalb also enthält der genuin mathematische Begriff der Konstruktion eine solche aktivistische Komponente, weil wir dem fertigen Bild nicht mehr ansehen können, aufwelcher »intelligiblen« Konstruktion es beruht. Die Voraussetzung fur dieses Auseinanderklaffen von Alltags- und Expertenmathematik ist, daß wir unsere Konstruktions- bzw. Beschreibungsmittel nicht mehr spontan erweitern. Jetzt erst wird es unabdingbar, eine endliche Liste von Grundkonstruktionen anzugeben, über die wir verfugen dürfen. Denn jede Erweiterung dieser Liste um zusätzliche Konstruktionen kann eine Erweiterung der ableitbaren Theoreme mit sich bringen, und verändert damit auch den Charakter der Theorie. So zeigt sich, daß die mathematische Disziplinierung reiner sinnlicher Begriffe eine doppelte Abwendung von der alltäglichen Praxis zur Folge hat: bestimmte Gebilde werden aus dem Kreis der relevanten Gegenstände ausgeschlossen, und bestimmte anschauliche Selbstverständlichkeiten (wie die Kommensurabilität aller endlichen Strecken) erweisen sich aus mathematischer Sicht als trügerisch, ja sogar widerspruchsvoll. Wir können jetzt an die definitionstheoretischen Erörterungen der §§2 und 12 anknüpfen. In der Preisschrift (75/280) hatte Kant bemerkt, daß Mathematiker nicht Begriffe sondern Gegenstände definieren, ohne hieraus weitere Konsequenzen zu ziehen. Offenbar war er der Ansicht, daß solche Definitionen vom Typ der genetischen sind; diese zeigen nicht nur, daß das Definierte möglich ist, sondern auch wie es möglich ist. In § 13 hatten wir einen anderen Aspekt von Kants Defmitionstheorie kennengelernt den Begriff der iterativen Definition. Die Analyse ergab, daß dieses iterative Moment fur Definitionen charakteristisch ist, die sich auf morphologische Begriffe gründen, denn bei diesen Begriffen kann man durch die Iteration eines Moments zu real verschiedenen Begriffen gelangen. Daß dieser Definitionstyp fur die Genese der natürlichen Zahlen verantwortlich ist, versteht sich von selbst und wird von Kant in den Reflexionen oft genug betont. Daß er aber auch die geometrischen Begriffe charakterisieren kann, läßt sich jetzt leicht einsehen: Die Grundlage dieses geometrischen Prozesses der iterativen Begriffsbildung sind die euklidischen Postulate. Sie sind erste ursprüngliche Forderungen, wie einem Begriffe sein Bild zu verschaffen ist, und sie definieren den Kreis der zulässigen Konstruktionen, durch welche ein mathematisches Gebiet umschrieben ist. Daher ist es möglich, die Klasse aller elementargeometrischen Gegenstände rekursiv zu definieren: jede Aggregation von Kreisen und Geradenstücken, die durch eine endliche

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Zahl von Grundkonstruktionen erzeugt wurde, ist ein elementargeometrischer Gegenstand. In diesem Sinne lesen wir in KV B 287: Nun heißt ein Postulat in der Mathematik der praktische Satz, der nichts als die Synthesis enthält, wodurch wir einen Gegenstand zuerst geben, und dessen Begriff erzeugen, z. B. mit einer gegebenen Linie, aus einem gegebenen Punkt auf einer Ebene einen Zirkel zu beschreiben, und ein dergleichen Satz kann darum nicht bewiesen werden, weil das Verfahren, was er fordert, gerade das ist, wodurch wir den Begriff von einer solchen Figur zuerst erzeugen. (B 287)

In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß Kant die Wendung »Konstruktion in der Anschauung« grundsätzlich als Kurzform für »Konstruktion des Begriffs in der Anschauung« verstanden haben möchte. Um eine solche mentale Repräsentation von einem Kreis haben zu können, muß man einen entsprechenden Begriff »erzeugen«, d. h. ihn konstruieren. Wir können uns demnach keine Linie vorstellen, ohne sie zu konstruieren - dies bezieht sich nun nicht auf den Aspekt der zeitlichen Erstreckung einer solchen Handlung, der in der transzendentalen Deduktion thematisch ist, sondern es bezieht sich darauf, daß die Repräsentation des Begriffs »Linie« unmittelbar zur Repräsentation eines Gegenstandes führen muß. Daß eine geometrische Erkenntnis z. B. über Geraden nicht in abstracto gewonnen werden kann, folgt daher für Kant bereits aus dem Wesen des Begriffs »Gerade«, der eine Anweisung zur Konstruktion ist; es folgt nicht aus irgendwelchen tiefliegenden Annahmen über die Reichweite logischer Deduktionen und es folgt auch nicht aus einer Theorie der geometrischen Beweismethode, die Kant vielmehr gar nicht vorgelegt hat. Es handelt sich schlicht um eine Konsequenz der ältesten mathematikphilosophischen Prämissen Kants: die mathematischen Begriffe sind »sinnliche« Begriffe, und darum muß das hier einschlägige Erkenntnisverfahren dasjenige sein, das für sinnliche Erkenntnis typisch ist: der Rekurs auf Anschauung. 30 Und in dieser Hinsicht stimmt die epistemische Rolle der reinen sinnlichen Begriffe mit der der reinen Verstandesbegriffe überein: 31 in beiden Fällen haben wir es mit Begriffen zu tun, die sich auf apriorische Synthesisleistungen beziehen, aber so, daß dabei der Bezug auf 30 Dies scheint auch s·chultz im Auge zu haben, wenn er Prüfung li 44f. das folgende zur Begründung dafiir anfuhrt, daß die Verknüpfung von Subjekt und Prädikat in geometrischen Sätzen auf Anschauung beruht: »Weil wir nicht einmal die Objecte der Geometrie, nemlich Körper, Flächen, Linien, und Puncte durch irgend einen Begriff verständlich machen können, und daher schon in den ersten Sätzen: Körper, Flächen, Linien, und Puncte sind möglich, die nöthige Verknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte aus keinem Begriffe des letztem erkannt werden kann, sondern uns unmittelbar d. i. durch Anschauung gegeben wird.« 31 »Daß dieses aber auch der Fall mit allen Kategorien, und den daraus gesponnenen Grundsätzen sei, erhellet auch daraus: daß wir so gar keine einzige derselben real definieren, d. i. die Möglichkeit ihres Objekts verständlich machen können, ohne uns so fort zu Bedingungen der Sinnlichkeit, mithin der Form der Erscheinungen, herabzulassen, als auf welche, als ihre einzige Gegenstände, sie folglich eingeschränkt sein müssen, weil, wenn man diese Bedingung wegnimmt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs Objekt, wegfällt, und man durch kein Beispiel sich selbst faßlich machen kann, was unter dergleichen Begriffe denn eigentlich flir ein Ding gemeint sei.« (B 300)

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mögliche empirische Realisierung wesentlich ist. Sind die Kategorien Invarianzprinzipien, die definieren, was als möglicher empirischer Gegenstand zu gelten hat, so sind die mathematischen Begriffe in den ersten beiden Kategoriengruppen fundiert und formulieren demnach mögliche empirische Synthesen unter Abstraktion von jeglicher Zeitordnung. Wer also reine Begriffe definieren will, der muß zeigen, daß ihnen objektive Realität zukommt. So ergänzt Kant in der Fußnote zu A 241 : Ich verstehe hier die Realdefinition, welche nicht bloß dem Namen einer Sache andere und verständlichere Wörter unterlegt, sondern die, so ein klares Merkmal, daran der Gegenstand (definitum) jederzeit sicher erkannt werden kann, und den erklärten Begriff zur Anwendung brauchbar macht, in sich enthält. Die Realerklärung würde also diejenige sein, welche nicht bloß einen Begriff, sondern zugleich die objektive Realität desselben deutlich macht. Die mathematische Erklärungen, welche den Gegenstand, dem Begriffe gemäß, in der Anschauung darstellen, sind von der letzteren Art.

Ohne die Angabe des jeweiligen Schemas ist eine Kategorie also nur eine »logische Funktion in Urteilen« (A 242), gleichsam nur ein Gerüst, dem noch das Wesentlichste, Sinn und Bedeutung, fehlt. Und auch die mathematischen Begriffe sind ohne einen solchen Bezug auf konkrete Realisierung nur rein verbale Entitäten ohne jede epistemische Bedeutung. Wir sahen soeben, daß der Begriff der Konstruktion so verstanden werden kann, daß er sich auf die rekursive Generation eines geometrischen Begriffs (oder Gegenstandes) bezieht, und daß die Postulate jene Prinzipien sind, die diesem Prozeß der generativen Begriffsbildung zugrundeliegen. Nun ist eine solche Darstellung in der Kritik selbst gar nicht zu finden; erst in der nachgelassenen Schrift »Über Kästners Abhandlungen«, die Schultz zur Vorlage seiner Rezension von Eberhards Magazin diente, lesen wir: 32 32 Kästners Name ist den Mathematikhistorikern besonders wegen seiner Anregungen zum Problem des Parallelenaxioms ein Begriff. Die wichtige Dissertation von Georg Sirnon Klügel, die unter dem Titel Conatuum praecipuorum theoriam parallelarum demonstrandi recensio 1763 in Göttingen erschien und einen ausfUhrliehen Nachweis des Scheiteros zahlreicher Beweisversuche des Parallelenaxioms enthielt, war unter Kästners Leitung verfaßt worden. In seinem Aufsatz »Was heißt in Euklids Geometrie möglich?« (Phi!. Magazin Bd. 2, 4. Stück, 1790) untersucht Kästner die logische Funktion der euklidischen Postulate. es geht ihm um die genauere Bestimmung des Sinns von »möglich« in der Geometrie. Damit richtet sich Kästner gegen Kant, in dessen Konzeption nicht die Konstruierbarkeit, sondern die Konstruktion als epistemologische Leitkategorie fungiert. Gegen diese Auffassung will Kästner zeigen, daß in Geometrie nicht aktuale Konstruktionen, sondern mögliche Konstruktionen von Bedeutung sind. Kant hatte großes Interesse daran, gegen Eberhard zu zeigen, daß Kästners Aufsätze im Philosophischen Magazin nichts enthalten, was als Waffe gegen ihn selbst benutzt werden könnte. Deshalb entwarf er eine Rezension des Magazins, die er Schultz flir dessen Rezension (in der Allgemeinen Literatur-Zeitung 1790, Nr. 281-284 erschienen) zur Verfugung stellte (vgl. Kant an Schultz, 29.7.1790, und 2.8.1790; zu dem von Kant in diesem letzten Brief erwähnten »Blatt b« vgl. Büchel 1987 S. 185 ff.) und in welcher Kästner sehr milde behandelt wird. Vgl. auch Kant an Kästner, 5.8.1790, wo Kant sichtlich

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Daß aber die Möglichkeit einer geraden Linie und eines Zirkels nicht mittelbar durch Schlüsse, sondern unmittelbar durch die Construction dieser Begriffe (die gar nicht empirisch ist) bewiesen werden kann, kommt daher, weil unter allen Constructionen, d. i. nach einer Regel bestimmten Darstellungen in der Anschauung a priori, einige doch die ersten sein müssen, dergleichen das Ziehen oder Beschreiben (in Gedanken) einer geraden Linie und das Drehen einer solchen um einen festen Punct sind, wo weder die letztere von der erstem, noch diese von irgend einer andern Construction des Begriffs einer Größe abgeleitet werden kann. Die Constructionen anderer Begriffe dieser Art im Raum sind in der Geometrie abgeleitet, und die Ableitung nennt Hr. K[ästner] das Beweisen ihrer Möglichkeit. (AA XX S.411)

Hier greift Kant das Problem der Realdefinition auf, das ihm durch den Aufsatz Kästners »Was heißt in Euklids Geometrie möglich?« vorgegeben war. Kästner hatte in diesem Aufsatz versucht, den Begriff des geometrisch Möglichen zu präzisieren. Dabei kam er zu dem Ergebnis, daß Euklid von ersten, unableitbaren Möglichkeiten ausgeht (eine Linie, einen Kreis zu beschreiben), und genau solche Gegenstände im weiteren Sinne als »möglich« annimmt, die sich aus diesen Grundbausteinen zusammensetzen lassen. Nur die Möglichkeit dieser elementaren Konstruktionsschritte läßt Euklid unbewiesen, und dem stimmt Kant in der oben zitierten Passage zu. Auch darin, daß alle übrigen elementargeometrischen Gegenstände sich auf diese ursprünglichen Konstruktionen müssen zurückführen lassen, gibt er Kästner recht. Man darf vermuten, daß diese Präzisierung erst unter dem Einfluß der Kästnerschen Kritik erfolgt ist; denn Kant bemerkt hierzu: »Wieder diese Art die Möglichkeit desjenigen, dessen Begriff man construiren zu können sich unmittelbar bewußt ist, anzunehmen, hat die Critik auch nicht das mindeste zu sagen [... ]« (AA XX 411 ). um Konzilianz bemüht ist: »Es ist eine wahre Freude, einen Mann von Geist, nach allen Zweigen desselben in einem hohen, nicht kränkelnden Alter noch immer so frisch blühen zu sehen. Auch zum Schiedsrichter in obigen Streitigkeiten möchte ich ihn gern annehmen [... ].« Übrigens lassen die beiden Briefe Kants an Kästner vom 5.8. I 790 und vom Mai I 793 vermuten, daß Kants Anspielung in R 5637 auf diesen gemünzt ist (gegen Adickes, der auf Euler rät). In dieser Reflexion heißt es: »Gesund, bis ins späte Alter gleich thätig und der Welt durch Einsichten nützlich zu seyn, ist ein Glück, welches niemandem zu misgönnen ist. Wenn nur eben derselbe wakereMathematische Mann sich alles Ortheils über diese (Kseine) Sphäre begäbe[ ... ]« (AA XVIII 272f.). Auch in den genannten Briefen spricht Kant von Kästner als von einem rüstigen Manne, mit dem er es bei etwa gleichem Alter nicht aufnehmen könne. Vgl. auch die Bemerkung an Beck, I 9. I I. I 796: »Werfen Sie immer die Schuld auf die Unbehaglichkeil meines Alters, dessen, übrigens sonst ziemliche, Gesundheit doch nicht, wie bei einem Kaestner, durch körperliche Stärke unterstützt wird [... ].« (Eine lebendige Schilderung der Persönlichkeit Kästners findet man im Brief Jachmanns an Kant vom 14.10.1790.)Kants Aufsatz über Kästner ist von Dilthey entdeckt und ediert worden (vgl. Dilthey I 890a, I 890b, I 899.) Aus der Forschungsliteratur, die sich mit Kästners mathematikphilosophischen Aufsätzen beschäftigt, sei (neben Peters I 96 I § 3, Peters I 962, Goe I 962, Sinaceur I 974, Fichant 1988) besonders Lachterman 1989 (S.53ff., S.68f.) hervorgehoben. Noch im Opus postumum kommt Kant auf seine Kästnerkritik zurück (AA XXI 98, 240, 244, XXII 545), worauf Lehmann im Nachwort zu AA XX (S. 506) hinweist; vgl. hierzu Förster I 988.

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Es ist klar, daß Kästners Überlegungen vor dem Hintergrund des leibnizschen Begriffs der genetischen Definition zu verstehen sind. Für Leibniz sind unter den Realdefinitionen die »kausalen« die wichtigsten. 33 Wie hier in §2 gezeigt wurde, zielt die Methode der Realdefinition innerhalb des leibnizschen Wissenschaftsbegriffs auf die Auszeichnung derjenigen Begriffskombinationen, die nicht nur nicht widerspruchsfrei, sondern auch »real« sind, d. h. denen im betreffenden Gegenstandsbereich ein Gegenstand entspricht. 34 Die Notwendigkeit solcher Definitionen ergibt sich daraus, daß Leibniz keine axiomatische Deduktionsbasis akzeptiert. Deshalb müssen Definitionen die Funktion übernehmen, von allen logisch möglichen Begriffskombinationen die »real möglichen« auszuzeichnen. Indem also ein Begriff gebildet und durch Beweis gezeigt wird, daß dieser Begriff widerspruchsfrei ist, geschieht im Grunde nichts anderes, als daß die Axiome des betreffenden Gebietes implizit in Funktion gesetzt werden. Das wird am Beispiel des Begriffs der Parallelen in den Nouveaux Essais verdeutlicht: definiert man parallele Geraden als solche, die, ins Unendliche verlängert, sich niemals schneiden, so kann man zweifeln, ob es solche Geraden überhaupt gibt - es könnten ja auch Asymptoten sein: »Sobald man aber begriffen hat, daß man in einer bestimmten Ebene zu einer gegebenen Geraden eine Parallele ziehen kann, wenn man nur darauf achtet, daß die Spitze des Stiftes, welcher die Parallele beschreibt, von der gegebenen Geraden stets gleich weit entfernt bleibt, so sieht man gleichzeitig, daß die Sache möglich ist, und warum die Linien die Eigenschaft haben, sich niemals zu begegnen [... ].« (NE 3.3.18., in der Ausgabe von Cassirer S.325f.) Sie begegnen sich deshalb nicht, weil der Stift stets gleich weit entfernt bleibt. Daß die parallel gezogene Linie aber eine Gerade ist, läßt sich selbstverständlich nicht beweisen - dies anzunehmen, bedeutet, das euklidische Parallelaxiom zu akzeptieren. Was Leibniz also sucht, ist eine solche Definition von »parallel«, die die Geltung dieses Axioms einzusehen gestattet, dessen Intelligibilität von ihm nicht in Zweifel gezogen wurde. In diesem Sinne würde die gesuchte Definition die Funktion des Parallelenaxioms übernehmen. In einem genuin axiomatischen System dagegen bedarf es keiner Realdefinitionen, weil hier der Existenznachweis fiir einen Gegenstand nicht die Voraussetzung fiir den Beweis von Sätzen über diesen Gegenstand ist. Ist der betref33 »De Synthesi et Analysi universaH seu Arte inveniendi et judicandi« (GP VII 295): »Porro ex definitionibus realibus illae sunt perfectissimae, quae omnibus hypothesibus seu generandi modis comrnunes sunt causam proximam involvunt, denique ex quibus possibilitas rei immediate patet, nullo scilicet praesupposito experimento vel etiam nulla supposita demonstratione possibilitatis alterius rei, hoc est cum res resolvitur in meras notiones primitivas per se intellectas, qualem cognitionem soleo appelare adaequatam seu intuitivam.« Die Lehre von der Kausaldefinition steht im Mittelpunkt der Leibnizinterpretation von Cassirer (1902). 34 Leibniz kennt neben einem weiten Begriff der logischen Möglichkeit einen engeren Begriff der realen Möglichkeit, der sich wiederum je nach Gegenstandsgebiet auffächert und im wesentlichen dem Begriff der »Existenz« innerhalb dieses Gebietes entspricht. Einzelheiten hierzu in Poser 1969 S.l19ff., Burkhardt 1980 S.217ff.

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fende Gegenstand »unkonstruierbar« (das definierte Prädikat also unerfullbar), dann laufen diese Sätze einfach leer, aber ohne daß dies das ganze Gebäude zum Einsturz bringen würde. Denn unsere heutige Auffassung ist eine extensionale und unterscheidet sich von der älteren intensionalen. (Wir können das Dreieck in sehr verschiedener Weise in die Geometrie einfuhren, ohne daß sich etwas an den beweisbaren Eigenschaften änderte.) Und diese Differenz hängt damit zusammen, daß die ältere Auffassung sich primär am Begriff, und nicht am Satz orientiert. Sätze aber werden aufgrund einer axiomatischen Basis bewiesen; und nur die Wahl dieser Basis entscheidet darüber, welche Sätze wahr sind und welche nicht. Definitionen sind aber keine Sätze und können deshalb nicht wahr oder falsch, sondern höchstens zweckmäßig oder unzweckmäßig sein. Kant jedoch vertrat die Auffassung, daß mathematische Definitionen deduktiv sein müssen: eine richtige Definition muß es erlauben, Schlüsse zu ziehen, die über das im Begriff Enthaltene hinausgehen. Diese Konzeption liegt auch den definitionstheoretischen Thesen der transzendentalen Methodenlehre (vgl. B 755ff.) zugrunde. Denn die Behauptung, nur mathematische Begriffe könnten definiert werden, ergibt sich aus diesem Definitionsbegriff Bei empirischen Begriffen kann eine Definition nicht mehr tun, als die Referenz des Terminus festzulegen; sie ist also nominal. Und von den apriorischen Begriffen gilt, daß nur die gemachten (die Begriffe einer willkürlichen Synthesis), nicht die gegebenen (die Kategorien) definierbar sind: »Also bleiben keine andere Begriffe übrig, die zum Definieren taugen, als solche, die eine willkürliche Synthesis enthalten, welche a priori konstruiert werden kann, mithin hat nur die Mathematik Definitionen.« (B 757) Kant ist also deshalb der Meinung, daß nur die Mathematik Definitionen kennt, weil er einen starken Definitionsbegriff vertritt; und er begründet diese Definierbarkeit mit dem Argument, »dieser [Gegenstand] kann sicher nicht mehr noch weniger enthalten, als der Begriff« - ein Argument, das leicht mißverstanden werden kann. Denn ganz sicher wird der Gegenstand mehr Eigenschaften aufweisen, als die in der Definition genannten! Gemeint ist, daß konstruktive Definitionen sicherstellen, daß in den Begriff keine unerwünschten Voraussetzungen eingehen, die die Adäquatheit der Definition in Frage stellen könnten. Kant verlangt von einer Definition die gegenständliche Adäquatheit, d. h. daß die Definition das Wesen des Gegenstandes erfaßt. Diese Bedingung wird von mathematischen Definitionen trivial erfullt, weil sie willkürlich gebildet werden, wie schon Locke hervorgehoben hatte. In Kants Begriff der Realdefinition sind also mehrere wichtige Thesen involviert: 1. Realdefinitionen beziehen sich auf Gegenstände und sind nur adäquat, wenn sie diese Gegenstände richtig beschreiben; 2. es gibt wesentliche und unwesentliche Prädikate eines Gegenstandes; 3. die unwesentlichenfolgen aus den wesentlichen 4. die Realdefinition muß die Prädikate erfassen, die sowohl epistemisch als auch deduktiv primär sind; 5. Realdefinitionen erfullen somit jene

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Anforderungen, die heute an Axiome gestellt werden. Es empfiehlt sich, diese Punkte durch Analyse einiger Reflexionen zu vertiefen. Nach Kants Auffassung gibt es nun eine und nur eine Eigenschaft geometrischer Gegenstände, die allen anderen nicht nur ontologisch zugrundeliegt, sondern auch epistemisch primär ist; und diese Eigenschaft ist diejenige, die den betreffenden Gegenstand zu konstruieren erlaubt. Hierzu heißt es in einer sehr aufschlußreichen Reflexion: Dejinitio [/] Der Cirkel ist eine krumme Linie, deren alle Bogen durch dieselbe Perpendicular-Linie, welche ihre Sehne in zwey gleiche Theile theilt, auch in zwey gleiche Theile geschnitten werden. [/] Wie vielläßt sich aus dieser Erklärung des Cirkels folgern?[!] Ich denke, aus einer Definition, welche nicht zugleich die Construction des Begrifs in sich enthält, läßt sich nichts folgern (was synthetisch Prädikat ware.) (R 6, x-w, also 1778-1789, AA XIV 31)

Eine genetische Realdefinition soll also nicht nur die Möglichkeit des Definierten unter Beweis stellen, sondern auch synthetische Prädikationen ermöglichen; und das kann nur durch die Konstruktion des Begriffs geschehen. Man beachte, daß die Möglichkeit synthetischen Schließensaus (synthetischen) Axiomen hier nicht ins Auge gefaßt wird, und zwar nicht etwa deshalb, weil Kant aufgrund einer Analyse des Wesens logischer Deduktionen zu der Überzeugung gelangt war, daß mathematische Beweise nicht rein logisch aus Axiomen gefiihrt werden können, sondern weil er die These von der Notwendigkeit eines epistemischen Bezugs zum jeweiligen Gegenstand vertritt. Kants Begriff der »Konstruktion in der Anschauung« steht in der Tradition des Begriffs der genetischen Definition und er transzendiert sie zugleich. Und es ist diese primär epistemische Funktion kantischer Konstruktionen, die sie von leibnizschen kausalen Definitionen abheben. Daraus aber folgt, daß bei Kant Konstruktion nicht auf Konstruierbarkeit reduziert werden darf. Kants These ist nicht so zu verstehen, als verfuge die Mathematik über privilegierte Methoden, ihre Begriffe als widerspruchsfrei zu erweisen und erfiille damit eine wesentliche Voraussetzung der deduktiven Methodik; das ist das Kennzeichen des leibnizschen Definitionsbegriffs. Bei Kant jedoch ist »Konstruktion« nicht ohne weiteres durch »Konstruierbarkeit« zu ersetzen; es geht ihm nicht um die Modalität der Möglichkeit als Kennzeichen mathematischer Gegenstände, sondern um die Modalität der Wirklichkeit als Kennzeichen der mathematischen Erkenntnisquelle. Die Differenz zwischen der leibnizschen und der kantischen Auffassung wird im Discours de Metaphysique (§24) deutlich, wo es heißt: »tandis qu'on n'a qu'une definition nominale, on ne syauroit s'asseurer des consequences qu'on tire, car si elle cachoit quelque contradiction ou impossibilite, on en pourroit tirer des conclusions opposees.« Während Leibniz davon spricht, daß Nominaldefinitionen zwar Schlüsse zu ziehen erlauben, aber nicht deren Konsistenz sicherstellen können, behauptet Kant, daß Definitionen, die nicht zugleich eine

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Anweisung zur Konstruktion enthalten, überhaupt keine relevanten (synthetischen) Schlüsse zulassen. Wenn also der Begriff des gleichseitigen Fünfecks einmal als konstruierbar erwiesen ist, so ist damit nicht jede weitere Konstruktion dieses Begriffs überflüssig und durch die Möglichkeit der Konstruktion zu ersetzen. Vielmehr ist jede geometrische Deduktion immer wieder auf die aktuale Konstruktion des Begriffs verwiesen. 35 Denn mögliche Konstruktionen sind keine Erkenntnisquellen. Dementsprechend ist fur Kant die Tatsache, daß die Konstruktion in der Anschauung auch als Konsistenzbeweis fungiert, eine abgeleitete, keine ursprüngliche Tatsache. Nicht darauf kommt es ihm an, daß die Forderung der »Konstruierbarkeit« zur Forderung der logischen Widerspruchsfreiheit als einer Art materialer Möglichkeit hinzukäme, sondern vielmehr darauf, daß jede mathematische Erkenntnis ihren Ausgang von solchen Konstruktionen nimmt, so wie jede Erkenntnis vom Wasser (wie im Beispiel KV B 756) ihren Ausgang von einer Untersuchung des Wassers selbst nimmt. Man kann über diesen Punkt leicht zu falschen Annahmen gefuhrt werden, weil Kant selbst immer wieder darauf abhebt, daß die Mathematiker durch Konstruktion die objektive Realität ihrer Begriffe darlegen können. Aber diese Bemerkung tritt in einem ganz bestimmten Kontext auf: sie soll die Differenz zwischen Mathematik und Philosophie herausstreichen. Es ist die objektive Realität der metaphysischen Begriffe, die Kant in der Kritik unter Beweis stellen will; und daher betont er, daß die Mathematiker diesen Beweis fur ihre reinen sinnlichen Begriffe nicht fuhren müssen, weil sie ja stets mit Konstruktionen beginnen. Die entscheidende Funktion, die den genetischen Definitionen innerhalb der kantischen Theorie zukommt, ist also die, daß sie den epistemischen Bezug zum jeweiligen Gegenstand herstellen. Und dies folgt aus Kants basaler epistemologischer Prämisse, wonach nur Anschauungen, nicht Begriffe einen solchen epistemischen Bezug vermitteln können. Diese Prämisse liegt auch der Distinktion zwischen nominal und real essence zugrunde, die Kant von Locke übernimmt. Die Intention ist klar: sind Begriffe nur mentale Repräsentationen, die durch logische Handlungen (Abstraktion, Komparation, Reflexion) aus Anschauungen hervorgehen, dann können wir nicht davon ausgehen, daß unsere Begriffe den Gegenständen adäquat entsprechen. Diese Begriffe sind (und das hatte insbesondere Lambert verdeutlicht) nunmehr nichts anderes, als Klassifikationen, eine Art Register oder Katalog. 35 Das ist von Crawford, allerdings aus anderer Perspektive, bereits gesehen worden: »In the case of transeendental propositions, we have a rule for the synthesis of empirical intuitions. But the application of these rules does not yield any actual intuition, a priori or otherwise. Rather, they can be applied only when there are empirical intuitions given to which they can be applied. On the other hand, the application of a schema for constructing a mathematical entity does not presuppose any given intuitions. Rather the application of such a schema constructs an actual individual and since we apprehend this individual in constructing it, the application of the schema yields an actual intuition. And it is this actual intuition which shows the concept tobe of a mathematically real entity.« (Crawford 1961 S.262)

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Daraus folgt: analytische Urteile können nichts wesentliches über Gegenstände sagen, sondern nur über unsere Begriffe dieser Gegenstände. 36 Dies ist nicht nur eine These über das, was Anschauungen leisten können, sondern ebensosehr auch eine These über das, was Begriffe nicht leisten können. Kants These, mathematische Erkenntnis vollziehe sich durch Konstruktion in der Anschauung, ist also nicht nur eine These über Anschauungen, sondern auch eine These über Begriffe: nur weil Kant eine im Vergleich zur rationalistischen Tradition depotenzierte Begriffskonzeption vertritt, kommt es zu dieser extremen Position hinsichtlich der mathematischen Erkenntnis. Man weiß, daß auch Lockes Unterscheidung zwischen Nominal- und Realwesen dazu bestimmt war, die rationalistische Prämisse, daß wir das Wesen der Dinge im Begriff wiedergeben können, zu untergraben. Dieses Motiv übernimmt Kant: Das logische Wesen kann sie [sie] von allen Begriffen finden, aber nicht das realwesen. Das erste aber ist nicht nöthig zu finden da, wo der Begrif empirisch ist, z. E. Wasser, weil doch daraus nicht alles in der Sache hergeleitet werden kann. (R 2311 )3 7

Für den Zweck empirischer Forschung ist es also nicht nötig, auf ein vermeintliches Realwesen zu rekurrieren, denn wir können uns jederzeit auf die Sache selbst berufen. Der Sinn empirischer Forschung ist fiir Kant also nicht (wie noch bei Wolft), dieses Realwesen zu finden, sondern vielmehr, die Gegenstandsklasse, die durch das logische Wesen bezeichnet wird, mit synthetischen Prädikationen zu versehen. Denn es ist kennzeichnend fiir empirische Forschung, daß ihr der Gegenstand gegeben ist, während die Mathematik keine solche außermathematische Existenz berücksichtigen muß. Das wird in einer sehr klaren Reflexion verdeutlicht: Entweder ist weder das object noch sein Begrif gegeben. Willkührlich. mathematic oder es ist zwar das obiect, aber nicht sein Begrif gegeben. Beobachtend. physic. oder es ist zwar der Begrif, aber nicht das obiect gegeben. analytisch. Metaphysik. Moral. (R 2395)

In empirischer Forschung haben wir keinen adäquaten Begriff, sondern halten uns an den Gegenstand selbst. In Metaphysik und Moral ist uns nicht der Ge36 So heißt es in R 2835 (S.537): »Die Eintheilung der Arten istbeyuns nur nominal und entspringt aus der Vergleichung, aber real ist sie, wenn die idee uns bekannt wäre.« Daraus folgt, wie in R 2321 zu lesen ist: »Alle Prädicate, in Ansehung deren ein obiect durch seinen Begrif bestimmt ist, gehören zu seinem logischen Wesen. Die, davon alles, was zu seinem Daseyn gehört, als Bestimmungsgründe abhängt, zum Realwesen.« 37 Diese Bemerkung wurde von Adickes sehr vage auf ßI bis x3 datiert; diese Datierung ist aber fraglich, wenn man den Inhalt berücksichtigt. Vgl. den Datierungsvorschlag in SchultheB 1981 S.48, Anm. 27. SchultheB kündigt in dieser Anmerkung an, daß er in Kap. 1.6.1. Kants Abhängigkeit von Crusius hinsichtlich des Begriffs des logischen Wesens zeigen wird. Das ist dort aber nicht der Fall: zwar wird S. 96, Anm. 14 Crusius' Begriff des Jogikalisehen Wesens erwähnt, aber keine Übernahme dieses Begriffs durch Kant behauptet. In der Tat wäre dies auch verfehlt, denn das crusianische Jogikalisehe Wesen ist etwas gänzlich anderes, als die Iockesche nominal essence bzw. das diesem entsprechende logische Wesen bei Kant.

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genstand, sondern der Begriff gegeben. Sieht man einmal davon ab, daß diese Reflexion aus der Zeit um 1770 stammt, so könnte man hinzufiigen: in Metaphysik ist uns zwar der Begriff gegeben, aber sein gegenständlicher Bezug ist nur problematisch und bedarf eines Beweises. In Mathematik schließlich sind uns weder Begriff noch Gegenstand gegeben; daraus folgt nun einerseits, daß die mathematischen Begriffe mit den empirischen nicht das Problem der Inadäquatheit teilen, und es folgt andererseits, daß sie mit den metaphysischen Begriffen nicht das Problem des ungeklärten gegenständlichen Bezugs teilen. Von beiden Wissenschaften (empirische Forschung und Metaphysik) ist die Mathematik also durch eine positive Auszeichnung abgegrenzt. Daß der Mathematik eine solche ausgezeichnete Position zukommt, folgt aus ihrem eigentümlichen Verfahren der Begriffsbildung, das durch zwei Aspekte gekennzeichnet ist: die Begriffe werden synthetisch gebildet, und sie werden gegenständlich gebildet, also in der Anschauung in concreto dargelegt. Diese beiden Aspekte der mathematischen Begriffsbildung sind den soeben genannten positiven Auszeichnungen zugeordnet: weil die mathematischen Begriffe synthetisch gebildet werden, sind sie adäquate Begriffe (die keiner außermathematischen Realität entsprechen müssen) und erlauben daher apriorische Erkenntnis; und weil sie solche Begriffe sind, die in der Anschauung konstruiert werden können, sind sie Begriffe, aus denen mehr hergeleitet werden kann, als was im logischen Wesen enthalten ist. Und deshalb ist mathematische Erkenntnis synthetische Erkenntnis. In den empirischen Wissenschaften gilt dagegen, daß das von uns gesetzte logische Wesen dem vorausgesetzten Gegenstand niemals adäquat sein kann, und zwar nicht etwa deshalb, weil dieser Begriff eine bloß »verworrene« Vorstellung ist, sondern weil Kant die implizite Prämisse der Rationalisten, es gebe eine Strukturisomorphie zwischen Gegenstand und Begriff, der man sich im Erkenntnisfortschritt annähert, unter dem Einfluß Lockes aufgegeben hat. Hierzu lesen wir in R 2936: Die definition des empirischen Begrifs ('was ich durch den Erfahrungsbegrif denke) entspringt per analysin und ist iederzeit nominal; die definition des Gegenstandes, die also real seyn soll, rriuß iederzeit per synthesin entspringen. [... ] Der Gebrauch der definitionen Empirischer Begriffe ist niemals, um aus den darin enumerirten Merkmalen die Folgen zu ziehen, sondern synthetisch.

Hier wird gesagt, daß die Begriffe empirischer Gegenstände nicht deduktiv sein müssen, weil die Gegenstände selbst jene zusätzlichen Informationen liefern, deren es zum synthetischen Prädizieren bedarf (»sondern synthetisch«). Und genau an diesem Punkt greift die Strukturanalogie zwischen mathematischer und empirischer Erkenntnis: in beiden Erkenntnisarten fungiert die Anschauung als Quelle zusätzlicher Information, die über das logische Wesen des Begriffs hinausreicht. Die entscheidende Differenz zwischen Erkenntnis aus empirischer und Erkenntnis aus reiner Anschauung sieht Kant nun darin, daß in empirischer

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Erkenntnis die Begriffe nur dazu dienen, die synthetisch hinzukommenden Prädikate gleichsam anzuheften, während in reiner sinnlicher Erkenntnis diese Begriffe selbst schon durch Synthesis entspringen und sich deshalb dazu eignen, diesen Gegenstand auch konstruktiv zu geben. Nur solche Begriffe sind real definierbar, deren Gegenstand wir »machen« können. Darin stimmen die Kategorien und die reinen sinnlichen Begriffe überein: in beiden Fällen können wir die jeweilige Anschauung a priori geben, d h. die Begriffe schematisieren. Doch gilt es hier eine Feinunterscheidung zu vermerken: da die Kategorien keine willkürlich gebildeten Begriffe sind, sondern nach Art und Anzahl ein für allemal gegeben sind, kann die Realdefinition dieser Begriffsklasse nur analytisch sein. So lesen wir in R 2994: Alledefinitionen sind entweder der Begriffe (logisch) oder der Sachen (real). [ ... ] Die definitionender Begriffe sind entweder der Begriffe, (Kdie) apriorioder a posterzori (Kgegeben sind). Von jenen läßt sich eine complete erklärung geben. Von diesen ist die logische definition nur nominal. Die reale definition läßt sich gar nicht geben. Begriffe a priori können synthetisch definirt werden, wenn sie willkührlich gegeben worden, oder analytisch, wenn sie a priori, aber nicht willkührlich gegeben worden. e.g. Tugend, substantz. [... ]

Hier hat Kant später noch das folgende hinzugefugt Alle Definitionen sind entweder synthetische oder analytische Sätze. Die erste entweder der empirischen oder reinen Anschauungen. Die letztere willkührlich.

Die Hauptschwierigkeit, welche diese Notizen aufwerfen, betrifft die genauere Bestimmung von synthetischer Definition und synthetischem Satz. Wir wissen, daß Kant bereits 1762 das Verfahren der Mathematik in der synthetischen Begriffsbildung situiert. Weiterhin ist klar, daß es zwischen synthetischem Begriff und synthetischem Satz einen sachlichen Zusammenhang geben muß: wir können reine sinnliche Begriffe synthetisch definieren, weil wir diese Begriffe willkürlich bilden. Aufgrund dieser Synthetizität des Begriffs gibt es in Mathematik adäquate und apriorische Erkenntnis, weil hier der Begriff als quasi-axiomatische Deduktionsbasis fungiert. Diese Bestimmung wäre auch fur Wolff noch nachvollziehbar gewesen, da hier von Anschauungen noch gar nicht die Rede war. Der zweite und wesentliche Reflexionsschritt besteht nun in der epistemischen Fundierung dieses ersten Schritts: die synthetisch gebildeten Begriffe der Mathematik sind genetische Realdefinitionen, d. h. sie sind Definitionen, die uns in epistemischen Bezug mit den jeweiligen Gegenständen bringen. Um diesen epistemischen Bezug erklären zu können, braucht Kant das Konzept einer reinen Anschauung. Denn nur in einer solchen Anschauung, von der wir a priori wissen, daß sie uns solche Gegenstände verschafft, die in ihrem Seinsbestand von uns abhängen, können wir seiner Meinung nach dieser methodologischen Forderung nach synthetischen Definitionen gerecht werden. Also ist der Beweis, daß die Dinge in Raum und Zeit Erscheinungen sind, die Erklärung fur die Möglichkeit mathematischer Er-

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kenntnis: weil wir Gegenstände in reiner Anschauung selber machen können, können wir synthetisch gebildete Realdefinitionen auch adäquat und gegenständlich instanziieren. Das wird in der folgenden Reflexion deutlich: Die Definition empirischer Begriffe muß durch empirische Synthesis entspringen. [/) Die der gegebenen Vernunftbegriffe durch analysis. [/)Der willkührlichen durch synthesis a priori. (R 2929)

Wir brauchen eine Synthesis a priori, also eine koordinative Funktion des Gemüts, um die in Mathematik anzuwendenden gegenstandsgebenden Verfahren erklären zu können. Anders gesagt: die »willkürlichen« Definitionen müssen über einem ebenso »willkürlichen« Substrat operieren, wenn die Adäquatheit mathematischer Erkenntnis eine Erklärung finden soll. Dieses Substrat kann aber nur die reine Anschauung sein: Die Begriffe, die aus dem Verstande entspringen, können alle definirt werden, sie mögen nun durch Willkühr oder die Natur desselben entspringen. [... ) realdefinitionen, welche die Möglichkeit der Sache selbst enthalten, sind nur von Begriffen, die durch den Verstand gegeben sind, zu finden. Und hier fallen nominal und realdefinitionen in eines; doch bey willkührlichen Begriffen werden sie synthetisch, bei natürlichen Verstandesbegriffen analytisch erzeugt[ ... ). (R 2995)

Es gibt also genau eine Wissenschaft, in der wir das Realwesen erkennen, weil wir es postulieren können. Das können wir in Mathematik aber nur deshalb - so Kant -, weil der transzendentale Idealismus gezeigt hat, daß die Gesetzlichkeit der Anschauung von uns abhängt und folglich auch adäquat erkennbar ist. Mathematische Gegenstände haben demnach zwar ein »Wesen«, das wir adäquat erkennen (denn wir können sie real definieren 38), aber keine »Natur«, denn sie sind in keinen existenziellen Konnex eingebunden, der sich auf die dynamischen Kategorien gründet: Wesen ist der erste logische Grund der innern Bestimmungen; [/] Natur ist der erste real Grund der innern Bestimmungen. [/] Das erste: der Grund von dem, was in einem Dinge nothwendig ist; [/] das zweyte: der Grund von dem, was durch ein Ding möglich ist. (R 4095)

Was durch ein Ding möglich ist, ist das, was es bewirken kann - daher ist die Natur eines Dinges ein Realgrund, aus dem weitere mögliche Bestimmungen fließen. Doch die inneren Bestimmungen eines Dinges betreffen nicht diesen existenziellen Konnex (vgl. R 4097), sondern das Ding selbst und das, wodurch es bedingt ist. Darum sind diese Bestimmungen notwendige Bestimmungen. In einem Brief an Reinhold vom 12.5.1789, in dem es um Eberhards Kritik an der analytisch-synthetisch-Unterscheidung und um das damit zusammenhängende Problem des Realgrundes geht, hat sich Kant zu diesem Punkt wie folgt geäußert: 38 Vgl. die Vorrede zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, sowie R 37 I 7: »Alle Definitionen gründen sich auf den Begrif des Wesens; daher können wir nichts als reine Vernunft- und willkührliche Begriffe definiren.>niemals ist wohl ein treffenderes Beispiel zur Warnung gegeben worden«) wird von Kantinterpreten oft unkritisch übernommen.41 Danach hätte Eberhard schlicht den Fehler begangen, die technische Herstellung einer Parabel oder Ellipse mit der Angabe ihrer geometrischen Konstruktion zu verwechseln und damit Kant die These unterschoben, er verstände unter der »Konstruktion in der Anschauung« jene und nicht diese. Wie ist nun diese Kontroverse zu beurteilen?42 Gehen wir von Kants Replik aus! Er insistiert einfach darauf, daß Apollonius selbstredend von der Konstruktion der Parabel ausgeht. Hier wird also nach seiner Meinung die dem Begriff der Parabel korrespondierende Anschauung diesem Begriff »unterlegt«, und zwar durch die Herleitung aus der Konstruktion eines (rechtwinkligen) Kegels und dessen Schnitt durch eine Ebene, die parallel zu einer Seite des den Kegel durch Rotation erzeugenden Dreiecks liegt. Doch das wird auch Eberhard gewußt haben; soviel mathematischen Sachverstand wird man ihm kaum absprechen können. Was ist es also, worauf er hinWolff geht in den Eiementa Matheseos I (WW II.29) von den charakteristischen Gleichungen der Kegelschnitte aus (Cap. VI: De Algebra ad Geometriam sublimiorem applicata, § 388: Parabel; §420: Ellipse, §459: Hyperbel). Nachdem die grundlegenden Eigenschaften dieser Kurven dargelegt worden sind, zeigt er, daß sie auch als Kegelschnitte erzeugt werden können (§§ 511 ff.). Der Ausdruck ordinatim applicatae wird dort in § 370 definiert: »Ordinatim applicatae sunt lineae aequidistantes MM, quae a diametro bifariam secantur. Earum dimidiae PM vocantur semiordinatae. Vocantur etiam Semiordinatae lineae QM, QM ex punctis curvae MM ad lineam AT positione datam ductae ac inter se parallelae.« (Die mit M bezeichneten Punkte liegen auf der Kurve; P bezeichnet die entsprechenden Punkte auf dem Diameter (was wir heute als x-Achse bezeichnen würden), Q die Punkte auf der »y-Achse«, die Wolff mit AT notiert; QM und PM sind also die jeweiligen Parallelen zu den Koordinatenachsen.) 4 1 Z. B. Büchel 1987 S.86ff., Gawlina 1996 S.l41 f. 42 Zu den mathematischen Einzelheiten vgl. Büchel 1987 S.86ff., sowie Brittan 1991.

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weisen möchte? Liest man seine Bemerkung genau, dann wird man auf eine andere Vennutung gefuhrt. Eberhard sagt dort, man habe die Theorie der Kegelschnitte aufgebaut, »ohne irgendwo die Art zu lehren, wie die Ordinaten auf den Durchmessern dieser krummen Linien applicirt werden«. 43 Eberhard bezieht sich auf die damals noch übliche Methode, eine geometrische Figur in ein Koordinatensystem einzutragen: man ging nicht von einem vorgegebenen Koordinatensystem aus, in welches die gesuchte Figur eingetragen wurde, sondern man legte diese Figur zugrunde und zog von dort aus die Sehnen zum Diameter; diese wurden »Ordinaten« genannt. 43 Um dieses Verfahren »applizieren« zu können, muß freilich der Linienzug der jeweiligen Kurve schon gegeben sein. Worauf also Eberhard hinweisen möchte, ist, daß die Herleitung der Kegelschnitte, z. B. der Ellipse, nur die punktweise Konstruktion dieser Kurve erlaubt, nicht dagegen die Generation des ganzen Linienzuges, und daß dies fur die Theorie der Ellipse auch gar nicht notwendig ist. Damit ist offenbar nicht die technisch-empirische Konstruktion gemeint, und es wäre daher falsch, Eberhards Einwand in diesem Sinne zu verstehen. Die Schwierigkeiten, die sich hier auftun, scheinen damit zusammenzuhängen, daß Kants epistemischer Konstruktionsbegriff nicht vollständig mit dem geometrischen Konstruktionsbegriff kongruiert. In der Mathematik der frühen Neuzeit waren Probleme der Konstruktion von geometrischen loci ein zentrales Thema und die Entdeckung neuer Kurven und deren Konstruktionen ein bevorzugtes Betätigungsfeld. Descartes etwa bediente sich zwar algebraischer Mittel, aber sein Interesse galt letztlich nicht der Algebra, sondern der Geometrie. 44 Nur als Hilfsmittel bei der Konstruktion neuartiger Kurven oder zur Lösung klassischer Probleme war die analytische Behandlung geometrischer Sachverhalte interessant. Aus diesem Grunde galt noch im 18. Jahrhundert der analytische Ausdruck nicht als vollgültige Repräsentation einer Kurve, sondern bestenfalls als ein Hilfsmittel ihrer Beschreibung. Die zentrale Frage blieb also die nach der Konstruierbarkeit höherer Kurven mit geometrischen Mitteln. Diese »höheren« Kurven waren grundsätzlich auf zwei Wegen zugänglich: durch eine »mechanische« Konstruktion, die sich an Bewegungen von Punkten orientiert, oder durch eine punktweise Konstruktion, die zwar nicht den ganzen Kurvenzug herzustellen erlaubt, dafur aber die (rekursiven) Mittel an die Hand gibt, beliebig viele Punkte der Kurve zu finden oder zu approximieren. Unsere Klassifikation der Kurven in algebraische (elementare) und transzendente (mechanische) geht auf Descartes zurück; er erkannte, daß z. B. Kissoide und Konchoide algebraisch charakterisierbar sind, nicht jedoch Quadratrix und 43 So definiert Apollonius den Diameter eines Kegelschnitts in Buch, Def. 4: »Ünmis lineae curvae, quae in uno plano posita est, diametrum adpello rectam, quae a linea curva ducta ornnes rectas in linea illa rectae alicui parallelas ductas in binas partes aequales secat, verticem autem lineae terminum huius rectae in linea, singulas autem rectas parallelas ad diametrum ordinate ductas esse.« 44 V gl. 8os 1981, Grosholz 1982. Für eine andere Einschätzung vgl. Giusti 1987.

Anhang: Kant und Eberhard über Konstruktion und Konstruierbarkeit

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Spirale. Sein Existenzkriterium war die exakte Beschreibbarkeit: mechanische (transzendente) Kurven sind die, die durch mindestens zwei voneinander unabhängige Bewegungen erzeugt werden, deren Verhältnis zueinander nicht exakt, sondern nur näherungsweise bestimmbar ist. Die Frage also, ob und wie eine bestimmte Kurve »konstruierbar« ist, läßt sich nicht ohne weiteres beantworten; sie ist sogar die Hauptfrage in der älteren Geometrie. Wie wir heute Kurven durch Gleichungen charakterisieren, so verwendete man in der Antike die »Symptome« zur Kurvenbeschreibung. So muß etwa jeder Punkt der Ellipse dem Symptom y2 :x 1x2 = konst. genügen. Für uns ist die Ellipse durch diese Gleichung vollständig charakterisiert, weil wir sie als Erzeugende auffassen; in der Antike nahm man an, daß die Ellipse bereits anderweitig gegeben sein muß. Die antike Geometrie war also in weit größerem Maße als heute mit Problemen der Existenz gewisser Kurven befaßt. 45 Es ist daher sonderbar, daß Kant auf Eberhards Beispiel geradezu monoton reagiert, nämlich mit der dogmatischen Wiederholung seiner Lehre, wonach jede mathematische Erkenntnis mit der Konstruktion der jeweiligen Begriffe beginnt. In Wirklichkeit ist aber die Frage nach der Konstruierbarkeit der Kegelschnitte ein echtes geometrisches Problem, das durch die kantische Behauptung, jede geometrische Argumentation beginne mit Konstruktionen, überhaupt nicht tangiert wird. Und dies ist auch der von Eberhard angesprochene Punkt: die Herleitung von Parabel, Ellipse und Hyperbel aus den Kegelschnitten erlaubt keine eigenständige geometrische Konstruktion dieser Figuren. Denn hier werden zweidimensionale Gebilde aus dreidimensionalen hergeleitet, die selbst nur in einem abgeleiteten Sinne als »konstruiert« gelten können, weil man dabei auf Rotationsbewegungen zurückgreifen muß, ein Verfahren, das bereits in der Antike Bedenken erregt hat. 46 Eberhard hat seinen Borelli bzw. Richardus also ganz richtig verstanden: hier geht es nicht um die künstlerischen Aspekte des technischen Zeichnens, wie Kant insinuiert, sondern um die Frage nach den geometrischen Konstruktionsbedingungen der Kegelschnitte. Dies scheint Kant entgangen zu sein, wenn er gegen Eberhard das folgende einwendet: 45 Vgl. Boyer/Merzbach 1989 S.175: »There appear tobe no cases in ancient geometry in which a coordinate frame of reference was 1aid down a priori for purposes pf graphical representation of an equation or relationship, wether symbolically or rhetorically expressed. Of Greek geometry we may say that equations are determined by curves, but not that curves were defined by equations. [... ] To guarantee that a locus was really a curve, the ancients feit it incumbent upon them to exhibit it stereometrically as a section of a solid or to describe a kinematic mode of construction.« Diese Auffassung galt noch in der Neuzeit: »For some 100 years after Descartes and Fermat had introduced analytical geometry the equation of a curve was not considered to provide the essential or basic understanding of a curve. Mathematicians required more than merely the equation for the representation of a curve; they preferred a construction of it, that is, a procedure by which (in principle) the curve could be drawn on paper [... ].« (Bos 1993 S.24; vgl. auch Bos 1984 S.323.) 46 So etwa bei Pappus. Darauf verweist Gäbe ( 1972 S.l22) mit Rekurs auf Pappus, Buch IV, Prob!. VII, Prop. 30 (§§ 57ff. in der Ausgabe von Hultsch).

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Das Unglück kam aber daher, daß er den Apollonius selbst nicht kannte, und den Bore/li, der über das Verfahren der alten Geometer reflektiert, nicht verstand. Dieser spricht von der mechanischen Konstruktion der Begriffe von Kegelschnitten (außer dem Zirkel), und sagt: daß die Mathematiker die Eigenschaften der Ietztern lehren, ohne der erstem Erwähnung zu tun; eine zwar wahre, aber sehr unerhebliche Anmerkung; denn die Anweisung, eine Parabel nach Vorschrift der Theorie zu zeichnen, ist nur fiir den Künstler, nicht fiir den Geometer. (II f./192)

Es scheint, als ob es Kant selbst ist, der hier mit Verständnisproblemen zu kämpfen hat. Denn seine Verwendung des Ausdrucks »mechanische Konstruktion« ist ganz und gar nicht im Sinne der Geometer. Das gilt auch fur das in der zugehörigen Fußnote Gesagte, wo die technische Konstruktion in die geometrische (mit Zirkel und Lineal) und die mechanische (mit anderen Werkzeugen) eingeteilt und der eigentlich schematischen, wie sie nur den Geometer interessiert, gegenübergestellt wird. 47 Das ist deshalb schief und irrefuhrend, weil auch die »mechanische« Konstruktion des Geometers eine exakte ist und keineswegs als »bloß empirisch« mißverstanden werden darf. Die zusätzlichen Konstruktionsmittel, die seit der Antike eingefuhrt wurden, waren nicht als technische Konstruktionsmittel gemeint, sondern im gleichen Sinne als intelligible, wie es die von Kant diskutierten Konstruktionen mit Zirkel und Lineal sind. 48 Auch die von Descartes erfundenen Zirkel zur Konstruktion der Winkeldreiteilung sind natürlich keine Hilfsmittel fur den Künstler, sondern ebenso intelligible Erzeugungsmethoden wie Zirkel und Lineal, nur freilich weniger einfache. 49 Kant zieht hier offenbar eine sachlich verfehlte Grenze zwischen den elementargeometrischen Konstruktionen mit Zirkel und Lineal und diesen angeblich mechanischen Prozeduren, die nur den Künstler beträfen. Nach seiner terminologischen Grenzziehung würden fast alle damals behandelten geometrischen Konstruktionsaufgaben nur den Künstler betreffen! Der Unterschied zwischen mechanischen und nichtmechanischen Konstruktionen hat also nichts zu tun mit dem Unterschied zwischen geometrischen Konstruktionen und technischen Herstellungsmethoden, sondern er betrifft den Unterschied zwischen elementarer und nichtelementarer Konstruierbarkeit. Eberhard verweist hier auf jenen Zug des kantischen Konstruktionsbegriffs, der auf seine epistemische Stoßrichtung zurückleitet daß es Kant primär nicht um Fragen der Existenzmöglichkeit und der Konstruierbarkeit ankommt, sondern auf die aktuale Konstruktion als genuine Erkenntnisquelle. In diesem Zu47 Der Text dieser Anmerkung ist hier in Anm. 60 zitiert. Für eine andere Interpretation dieser Passagen vgl. Brittan 1987 S. 77. 48 Das gilt z. B. ftir die von Hippias gefundene Quadratrix, die man entweder durch zwei von einander unabhängige Bewegungen erhält, oder durch eine punktweise Berechnung nach Clavius, die freilich nicht alle Punkte liefert (vgl. Bos 1993 S.25ff., Mancosu 1992 S.93ff.). 49 Vgl. hierzu z. B. Gäbe 1972, Anhang, §I, sowie allgemeiner: Kline 1972 S.ll7ff., sowie zu Descartes' Unterscheidung mechanischer (transzendenter) und geometrischer (algebraischer) Kurven: Vuillemin 1960 §§!Off., Brittan 1989 S.68ff., sowie (mit Bezug aufClavius) Mancosu 1992.

Anhang: Kant und Eberhard über Konstruktion und Konstruierbarkeit

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sammenhang wendet er gegen Kant ein, daß in Mathematik bereits aus der bloßen Möglichkeit der Konstruktion Folgerungen gezogen werden können, ohne daß diese Konstruktion aktual verfiigbar sein müsse. Und dieses Verfahren möchte er fiir metaphysische Untersuchungen empfehlen. Daß die Auseinandersetzung zwischen Kant und Eberhard ergebnislos bleibt, ist auf tiefliegende philosophische Prämissen zurückzufiihren: Eberhard geht von einem ganz anderen Problemkontext aus als Kant, nämlich vom methodologischen Problem des Widerspruchsfreiheitsbeweises im leibnizschen Wissenschaftsmodelt In diesem Modell sind der Beweis der Realität eines Begriffs und die logische Deduktion aus diesem Begriff zwei verschiedene Schritte. Man kann also die Frage nach der Realität eines Begriffs vorderhand zurückstellen und sich auf die Herleitung weiterer Prädikate konzentrieren - stößt man dabei auf offensichtliche Widersprüche, dann ist auch die Frage nach der Realität des Begriffs erledigt. Die Möglichkeit einer solchen Distinktion folgt aus dem leibnizschen Wissenschaftsverständnis, das ein wesentlich formalistisches war: die Gewinnung inhaltlichen Wissens über einen Begriff oder Gegenstand muß sich nicht jener Erkenntnisquelle bedienen, die uns den epistemischen Zugang zu diesem Gegenstand verschafft. Wir können also die Eigenschaften der Parabel herleiten, ohne wissen zu müssen, wie die Parabel als geometrische Figur zu realisieren ist. Diese Distinktion fällt im kantischen Wissenschaftsverständnis jedoch weg. Die kantische Konstruktion in der Anschauung ist kein methodologisches Hilfsmittel fiir den formalistisch geschulten Mathematiker, sondern sie ist seine essentielle Erkenntnisquelle. Aus diesem Grunde ist es fiir Kant auch unmöglich, auf die Eberhardschen Einwände sachlich angemessen zu reagieren, da ihm das zugrundeliegende Wissenschaftsverständnis nicht mehr nachvollziehbar ist. Für Kant wäre eine bloß formale Metaphysik, die keine Aussagen über die epistemische Realisierung ihrer Begriffe macht, nicht nur keine Metaphysik, sondern nicht einmal ein verständliches Unternehmen. Offenbar ist Kant aufgrund seiner philosophischen Prämissen nicht in der Lage, in der Frage nach den Bedingungen der Konstruierbarkeit der Kegelschnitte ein echtes Problem zu sehen. Und es ist klar, warum er in diesem Punkt dogmatisch reagieren muß: es ist ja der Kern der kantischen Theorie der Mathematik, daß am Anfang mathematischer Argumente eine Konstruktion stehen muß, die uns allererst einen epistemisch relevanten Bezug zum jeweiligen Gegenstand verschafft und so auch synthetische Prädikationen ermöglicht. Dies ist eine genuin philosophische These, die sich aus Kants Begriff von Definition, von Erkenntnis und von Mathematik ergibt. Das wird in einer brieflichen Bemerkung gegenüber Reinhold besonders deutlich: Denn es ist gerade umgekehrt, sie [die Mathematiker] können nicht den mindesten Ausspruch über irgend einen Gegenstand tun, ohne ihn [... ] in der Anschauung darzulegen.[ ... ] Hätte er [Eberhard] aber nur den mindesten Begriffvon der Sache, von der Borelli spricht, so würde er finden, daß die Definition, die Apollonius z.B. von der

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Parabel gibt, schon selbst die Darstellung eines Begriffs in der Anschauung, nämlich in dem unter gewissen Bedingungen geschehenden Schnitte des Kegels, war, und daß die objektive Realität des Begriffs, so hier, wie allerwärts in der Geometrie, die Definition zugleich Konstruktion des Begriffes sei. (Kant an Reinhold, 19.5.1789)

Wenn Kant hier sagt, daß »die Definition zugleich Konstruktion des Begriffes sei«, dann ist dies natürlich als sehr laxe Formulierung zu verstehen, denn selbstverständlich ist eine Definition keine Entität, die irgendetwas konstruieren kann. Kant möchte vielmehr betonen, daß mathematische Definitionen immer so eingerichtet sind, daß man ihnen die Anweisung auf die Konstruktion unmittelbar entnehmen kann. In einem Brief an Herz (26.5.1789), in dem sich Kant über Maimons Versuch über die Transzendentalphilosophie ausläßt, heißt es ganz ähnlich: Auch ist die Möglichkeit eines Zirkels nicht etwa vor dem praktischen Satze: einen Zirkel durch die Bewegung einer geraden Linie um einen festen Punkt zu beschreiben, bloß problematisch, sondern sie ist in der Definition des Zirkels gegeben, dadurch, daß dieser durch die Definition selbst konstruiert wird, d.i. in der Anschauung zwar nicht auf dem Papier (der empirischen), sondern in der Einbildungskraft (a priori) dargestellt wird.

Es ist also nicht so, daß wir nachträglich zur Definition des Kreises einen Widerspruchsfreiheitsbeweis fuhren müssen (durch Angabe eines Modells), so daß von diesem Moment an dieser Begriff als konsistent erwiesen ist und wir nur noch mit der eigentlichen Definition (der verbalen Beschreibung des Kreises als »krumme Linie, deren alle Punkte gleich weit von einem (dem Mittelpunkte) abstehen« - vgl. den zitierten Brief an Reinhold) zu tun haben, sondern vielmehr ist die Definition selbst schon eine solche Anweisung zur Beschreibung eines Kreises, so daß die Frage nach der Konsistenz (der »objektiven Realität«) des Begriffs sich sozusagen von selbst erledigt. Wer die Definition des Kreises erfaßt, der hat schon einen Kreis in der Einbildungskraft beschrieben, denn es liegt im Begriff des Kreises (bzw. des Schema fiir einen solchen) als einer morphologischen Eigenschaft, eine Anweisung zur unmittelbaren Realisierung in concreto zu enthalten. Weil die geometrischen Begriffe solche morphologischen Begriffe sind, können sie gar nicht anders repräsentiert werden, als durch eine Konstruktion. Doch diese pauschale Versicherung seitens der Philosophie ist nicht gerade konstruktiv: daß jedes mathematische Argument a fortiori mit Konstruktionen anhebt, erklärt nicht jene Probleme, auf die Eberhard, Rehberg, Kästner und andere hinweisen wollten. Und indem Kant so tut, als verwechsle Eberhard genuine mathematische Konstruktionen mit zeichnerischen Darbietungen, muß man ihm eine ignoratio elenchi vorwerfen. Daß man die Eigenschaften des Kreises darlegen kann, indem man auf eine Konstruktion rekurriert, ist eine unproblematische Behauptung; und in diesem Sinne kann man sagen, daß Kants Theorie sich primär an elementaren mathematischen Sachverhalten orientiert und fiir diese wirklich explikative Kraft besitzt. Aber es ist keineswegs klar, wie diese

Anhang: Kant und Eberhard über Konstruktion und Konstruierbarkeit

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Theorie auf Kegelschnitte oder auf transzendente Kurven anzuwenden ist, wo die Frage nach der Möglichkeit der Konstruktion ein echtes mathematisches Problem darstellt. Wieso können wir die Eigenschaften der Quadratrix ableiten, obwohl eine anschauliche Repräsentation dieser Kurve nur sehr unvollkommen gelingt? Was ist es eigentlich, das uns in Mathematik erlaubt, so weitreichende Behauptungen über Dinge aufzustellen, die uns niemals adäquat gegeben werden können? Diese Frage bleibt in Kants Konzeption unbeantwortet. Es scheint also, als ob jenes Element der kantischen Theorie, das ihre Originalität ausmacht, zugleich ihre Defizite bestimmt: mathematische Erkenntnis vollzieht sich fiir Kant immer im Ausgang von aktualen Konstruktionen (denn nur Konstruktionen können Erkenntnisquellen sein), und genau deshalb können sie nicht im Modus der Möglichkeit als Konstruierbarkeiten begriffen werden. Denn wie könnten bloße Möglichkeiten Erkenntnisquellen sein? Als Beltrami 1868 ein euklidisches Modell der hyperbolischen Geometrie angab, da war zwar die ))Objektive Realität« dieser Geometrie erwiesen und somit im leibnizschen Sinne ihre Realdefinition gefunden (denn wäre sie inkonsistent, dann müßte es auch die euklidische Geometrie sein); aber das dispensierte die Mathematiker (so würde Kant entgegnen) nicht davon, auch in Zukunft ihre Beweise noch stets im Ausgang von aktualen Konstruktionen zu fUhren, wenn es denn mathematische Beweise sein sollen. Nur so wird verständlich, warum Kant nicht sieht, daß sein Begriff der Konstruktion als Erkenntnisquelle zu pauschal ist, um z. 8. die geometrische Exhaustionsmethode verständlich zu machen. Denn er antwortet auf Eberhards Einwand, daß Arehirnedes hierzu wohl nicht ein 96-Eck wirklich konstruiert habe: Wenn nun Arehirnedes ein Sechs und Neunzigeck um den Zirkel und auch ein gleiches [1. Auflage: dergleiches] in demselben beschrieb, um, daß und wie viel der Zirkel kleiner sei als das erste, und größer als das zweite, zu beweisen: legte er da seinem Begriffe von dem genannten regulären Vieleck eine Anschauung unter, oder nicht? Er legte sie unvermeidlich zum Grunde, aber nicht indem er dasselbe wirklich zeichnete (welches ein unnötiges und ungereimtes Ansinnen wäre), sondern indem er die Regel der Konstruktion seines Begriffs, mithin sein Vermögen, die Größe desselben, so nahe der des Objekts selbst, als er wollte, zu bestimmen, und also dieses dem Begriffe gemäß in der Anschauung zu geben, kannte, und so die Realität der Regel selbst und hiemit auch dieses Begriffs für den Gebrauch der Einbildungskraft bewies. (Über eine Entdeckung SOlVIII 212)

Doch offenbar ist die der Exhaustionsmethode zugrundeliegende Erkenntnisquelle nicht eine aktuale Konstruktion, sondern vielmehr die nur verbale Beschreibung einer möglichen Konstruktion, also eine Art ))Virtuelle« Konstruktion. Hier wird offensichtlich eine ganz andere epistemische Aktivität bedeutsam. Denn wie kommt es, daß wir z. B. die Konstruierbarkeit des regelmäßigen 960-Ecks kennen? Nun, wir wissen aus Euklid, Buch IV§ 16, daß das regelmässige 15-Eck konstruierbar ist. Dieses Wissen stützt sich auf aktuale Konstruktionen. Darüberhinaus wissen wir, daß sich jede Seite eines n-Ecks zweiteilen läßt.

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Philosophie und Mathematik in der »Kritik der reinen Vernunftnbegriff der Erscheinungen«, und in den einer Natur in »formeller Bedeutung«, nämlich als »Inbegriff der Regeln, unter denen alle Erscheinungen stehen müssen, wenn sie in einer Erfahrung als verknüpft gedacht werden sollen«. Die Antwort auf die Frage: »wie ist Natur in materieller Bedeutung möglich« lautet: »vermittelst der Beschaffenheit unserer Sinnlichkeit, nach welcher sie, auf die ihr eigentümliche Art, von Gegenständen, die ihr an sich selbst unbekannt, und von jenen Erscheinungen ganz unterschieden sind, gerührt wird«. Was uns hier interessiert, ist die Antwort auf die zweite Frage: »sie [die Natur in formeller Bedeutung] ist nur möglich vermittelst der Beschaffenheit unseres Verstandes, nach welcher alle jene Vorstellungen der Sinnlichkeit auf ein Bewußtsein notwendig bezogen werden, und wodurch allererst die eigentümliche Art unseres Denkens, nämlich durch Regeln, und vermittelst dieser die Erfahrung, welche von der Einsicht der Objekte an sich selbst ganz zu unterscheiden ist, möglich ist«. Dem folgt eine prägnante Formulierung der kantischen Hauptthese: Es sind viele Gesetze der Natur, die wir nur vennittelst der Erfahrung wissen können, aber die Gesetzmäßigkeit in Verknüpfung der Erscheinungen, d. i. die Natur überhaupt, können wir durch keine Erfahrung kennen lernen, weil Erfahrung selbst solcher Gesetze bedarf, die ihrer Möglichkeitapriori zum Grunde liegen.

Und somit gilt: 73

»Der Mathematicus in seiner definition sagt: sie volo, sie iubeo.« (R 2930)

§ 21 Die Krise der reinen Anschauung II: angewandte Mathematik

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Die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt ist also zugleich das allgemeine Gesetz der Natur, und die Grundsätze der erstem sind selbst die Gesetze der letztem.

Diese Behauptung erscheint noch recht undramatisch; sie ist uns als Kernthese der kantischen Theorie der Erfahrung vertraut. Doch nun beschließt Kant diesen Abschnitt mit der These: »der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor« (113/320). Dieser »dem Anscheine nach gewagte Satz« soll nun durch ein Beispiel erläutert werden, welches zeigen soll, »daß Gesetze, die wir an Gegenständen der sinnlichen Anschauung entdecken, vornehmlich wenn sie als notwendig erkannt worden, von uns selbst schon vor solche gehalten werden, die der Verstand hinein gelegt«. Es ist dieses Beispiel, das hier besonders interessiert: 74 Wenn man die Eigenschaften des Zirkels betrachtet, dadurch diese Figur so manche willkürliche Bestimmungen, des Raums in ihr, so fort in einer allgemeinen Regel vereinigt, so kann man nicht umhin, diesem geometrischen Dinge eine Natur beizulegen. So teilen sich nämlich zwei Linien, die sich einander und zugleich den Zirkel schneiden, nach welchem Ohngefähr sie auch gezogen werden, doch jederzeit so regelmässig: daß das Rektangel aus den Stücken einer jeden Linie dem der andern gleich ist. Nun frage ich: »liegt dieses Gesetz im Zirkel, oder liegt es im Verstande«, d. i. enthält diese Figur, unabhängig vom Verstande, den Grund dieses Gesetzes in sich, oder legt der Verstand, indem er nach seinen Begriffen (nämlich der Gleichheit der Halbmesser) die Figur selbst konstruiert hat, zugleich das Gesetz der einander in geometrischer Proportion schneidenden Sehnen in dieselbe hinein? Man wird bald gewahr, wenn man den Beweisen dieses Gesetzes nachgeht, daß es allein von der Bedingung, die der Verstand der Konstruktion dieser Figur zum Grunde legte, nämlich der Gleichheit der Halbmesser könne abgeleitet werden. (114f./320f.)

Kant bezieht sich hier aufEuklid III §35, ein Satz, der auch in Wolffs Eiementa Geometriae (Theorema 70, § 332, S. 178), verzeichnet ist:

Es ist AX·XB= CXXD, d. h. es gilt die Proportion: AX:CX::XD:XB. Einen besonders einfachen Beweis gibt Miller (1975 S.305f.). Es ist zu zeigen, daß die Dreiecke ACX und DBX ähnlich sind, daraus folgt dann die Behauptung. Man beobachtet, daß je zwei Winkelpaare denselben Kreisbogen aufspannen: CAX und BDX spannen den Bogen CB auf, und ACX und DBX den Bogen AD. Wenn wir zeigen können, daß diese Winkelpaare gleich sind, dann sind wir fertig. Der Beweis ist denkbar einfach: 74 Zu den Hintergründen dieses Beispiels vgl. die Ausrohrungen hier in der Einleitung. Kemp Smith (1923 S.120) und Miller (1975 S.301) haben zwar bereits auf die Bedeutung dieser Stelle hingewiesen, doch ohne irgendwelche Schlüsse aus ihr zu ziehen.

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Philosophie und Mathematik in der »Kritik der reinen Vernunft«

Wir müssen zeigen: Der eingeschriebene Winkel ABC ist halb so groß wie der zugehörige Zentralwinkel AOC, der nur von der Wahl der Punkte A und C abhängig ist. Daraus folgt dann unmittelbar, daß alle eingeschriebenen Winkel, die denselben Kreisbogen aufspannen, gleich sind. Nun ist OB= OA, also gilt: Allgemeines Dreieck«Über Lockes allgemeines DreieckPossibility of ExperienceRevolution< in the Geometrical Vision of Space in the Nineteenth Century, and the Hermeneutical Epistemology ofMathematics«, in: Gillies (Hg.) 1992. -: Le problerne mathematique de l'espace, Berlin etc. 1995. Bolzano, B.: Beyträge zu einer begründeteren Darstellung der Mathematik, Prag 1810 (Nachdruck Darmstadt 1974). -: Wissenschafts/ehre, Sulzbach 1873.

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PERSONENREGISTER

Aaron, R. I. 98 Abbt, Th. 7, 85, 92-97, 104,328 Adickes, E. 7, 14, 49, 124, 163, 178, 243,248 Allison, H. E. 116, 214, 264 Altmann, A. 77, 90,92 AngeH, R. 8. 189 Apollonius von Perga 254-259 Aquila,R.E. 117,214,216 Arehirnedes 20, 261 Aristoteles 40, 48, 72, 172, 266, 316, 321 Amdt, H. W. 40, 50, 58f., 62, 67, 83, 136 Auerbach, E. 271 Ayers, M. R. 309 Bacon, R. 66, 224 Baeumler, A. 132, 156, 159f. Barrow, I. 289 Baum,M. 117, 180f.,216,223, 226f., 268, 276 Baumanns, P. 223 Baumgarten, A. G. 26, 28, 33, 77, 92, 107, 133, 139, 154-159, 161, 163f., 184,307 Beck, L. W. 118 Beck, J. S. 242, 264 Becker, 0. 270 Beierwa1tes, W. 271 Benacerraf, P. 236, 238 Bender, A. 92 Sender, P. 270 Bennett, J. 222 Berkeley, G. 97f., 123, 223 Bernays, P. 270, 283, 294 Beth, E. W. 23,97-99, 167, 169 Biggs, N. L. 234 Bogarin, J. 6 Boi, L. 217, 332 Bolzano, 8. 43, 136, 142, 176f., 303

Bonelli Munegato, C. 9 Borelli, G. A. 254,257-259 Borowski, L. E. 7 8os, H. 239, 256-258 Boswell, T. 3, 158 Boyer, C. 8. 257 Brandt, R. 107, 120, 145, 162, 180 Breidert, W. 5, 322 Brittan, G. G. 5, 255, 258, 283, 322 Broad, C. D. 5 Brouwer, L. E. J. 1 Buchdahl, G. 283 Buck, G. 83 Büchel, G. 3, 9, 242, 255, 280, 282, 322 Büchel, W. 291 f. Buhl, G. 10 Burkhardt, H. 224, 244 Bussmann, H. 223, 225 Butts, R. E. 223 Campo, M. 26, 143 Cantor, G. 282 Cantor,M. 102 Carboncini, S. 310 Carl, W. 141, 178-181, 184, 190, 192-194, 196, 200 Carnap, R. 283, 292, 294 Cassirer, E. 36, 77, 79, 126, 135, 141f.,244,321 Chenet, F.-X. 178 Chipman, L. 222 Ciafardone, R. 58 Cicero, M. T. 14,224 Clarke, S. 58, 72, 108, 137 Clavius, Chr. 258 Cohen, H. 26, 283 Condillac, E. 8. de 27 Courtes, F. 26 Couturat, L. 49, 311, 320 Craig, E. J 189

360

Personenregister

Cramer, K. 178 Cramer, L. 178 Cramer, W. 80 Crawford, D. W. 166 Crawford, P. 24 7 Crusius, C. A. 29f., 33-39, 52f., 5763,68, 73, 135, 162, 186, 248,275 Curtius, E. R.: 222 Dahlstrom, D. 0. 222 D'Alembert, J.-B.le Rond 224 Daniels, N. 189 Daval, R. 222f. Debru, H. 66 Decyk, B. N. 317 Descartes, R. 17, 26f., 80, 104,256258,262f.,311,314,316 Detel, W. 222 Detlefsen, M. I Diderot, D. 66, 224 Dietrich, A. J. 322 Dilthey, W. 243 Dilworth, C. 91 Dingler, H. 294 Dryer, D. P. 225 Eberhard, J. A. 3, 8, 24, 36, 72, 188, 242,251,253-261,270,274, 279-281, 304f., 320-322, 325f., 328-333 Ecole, J. 58 Elkana, Y. I 09 Ende, H. 224 Engfer, H.-J. 28f., 38, 50 Erdmann, B. 163 Euklid 5, 29, 49, 53f., 72, I 0 I f., 176f., 224,228, 238f., 242f., 261, 266,271f.,278,282,285f.,294, 304, 320-326 Euter, L. 8f., 108-115,222, 234f., 243 Ewing, A. C. 189,216, 309 Ferrarin, A. 223 Fichant, M. 243 Fink, E. 7 Finster, R. 310

Formey, J. H. S. 25, 92 Förster, E. 243 Franzwa, G. E. 223 Frege, G. 2, 100, 176,308, 315f., 332 Freudenthal, H. 56 Freuler, L. 222 Friedman, M. 2, 19, 120, 124, 227f., 286f.,291,320,322 Fritz, K. v. 324 Gäbe, L. 257f. Galilei, G. 91, 268 Garnett, Ch. B. 113, 130 Gawlina, M. 255 Gent, W. 58 Gericke, H. 80 Gibbons, S. L. 226 Glenn, J. D. 151 Gloy, K. 28, III Goe, G. 243 Goldfarb, W. 308 Graubner, H. 118 Grondin, J. 24 Grosholz, E. R. 256 Grünbaum, A. 189, 292 Giusti, E. 256 Guyer,P. 115, 117f., 178,180,193, 223,293 Guzzo, A. 67 Haering, Th. 117, 178, 193, 205, 209 Hahn, H. 6 Hankins, Th. L. 2 Hanson, N. R. 91 Harman, G. 109 Harnack, A. 27 Hausen, Chr. A. 266 Heelan, P. A. 189 Heidegger, M. 222 Heidemann, I. 83 Heller, E. 264 Helmholtz, H. v. 283, 290 Hendry, J. 2 Henrich,D. 26,32-34,37,110,131, 145, 148 Herder, J. G. 7, 26, 32, 60, 63, 110 Herz, M. 55, 110, 119f., 123, 141,

Personenregister 164,190,260,299 Hilbert, D. 1, 228, 278, 315, 324 Hinske, N. 28, 75, 118, 127-130, 134,212 Hintikka, J. 1f., 23, 97f., 99, 311, 320 Hobbes, Th. 224, 289 Hoffmann, Th. S. 2 Holland, G. J. Freiherr v. 29, 53f., 66 Holz, F. 27 Holzhey, H. 36, 39, 120f., 165 Hopkins, J. 189 Hoppe, H.-G. 117, 223f., 226 Horstmann, R. P. 216 Horwich, P. 292 Höselbarth, F. 322 Hossenfelder, M. 118 Hugo von Siena 103 Hume, D. 27, 104, 297 Humphrey, T. 180 Hutcheson, Fr. 145 Inhetveen R. 294 Jachmann, R. 8. 8, 243, 322 Janssen, P. 134 Jäsche, G. 8. 3, 63 Kambartel, F. 223, 227, 268 Kang, Y. A. 223 Kanitscheider, 8. 189, 304 Kanzian, Ch. 52f. Kästner, A. G. 200, 242-244, 253, 260, 263, 266, 279f. Kaulbach, F. 131,223,227 Keill, J. 36 Kemp Smith, N. 124,216,227,285 Kitcher, Ph. 1, 6 Klein, F. 56, 275 Klemme, H. F. 8, 178, 180, 190 Kline, M. 258 Klügel, G. S. 242 Knecht, H. H. 176 Knutzen, M. 7f. Koriako, D. 39, 109, 117, 129, 215f. Korth, G. 174 Krämer, S. 6 Kreimendahl, L. 107

361

Kuehn, M. 85, 98 Lachterman, D. R. 224, 243 Lamacchia, A. 151 Lambert, J. H. 28f., 33, 37, 41f., 53f., 58,60-63,65-68,75, 87, 102, 107, 135, 247 Lange, 0. 117 Lehmann, G. 243 Leibniz, G. W. 2, 9, 20-24, 27f., 30, 32,40,42,48,49-54,56,58,6567, 69, 72, 74, 79-81, 83f., 96, 99-105, 108f., 113, 126f., 137, 141, 145, 154, 157f., 163, 176, 184-188,224,244,246,254,259, 261,263,289,303,307f.,320f., 325-334 Leopold, C. 6 Locke, J. 17, 26f., 43, 66f., 69, 76, 97f., 104,107,112,120, 143-147, 152f., 156, 162, 166, 170-176, 192, 222f., 245,247-249,301, 307,309,311,313f.,316,330 Loemker, L. E. 103 Lohmann, J. 48 Lorenzen, P. 1, 294 Lucas, J. R. 189, 294 Lüneburg, R. K. 189 Lütterfels, W. 283 Maaß, J. G. E. 188, 270, 321 McGuinness, 8. F. 3 18 McKirahan, R. D. 316 Makkreel, R. A. 226 Malter, R. 7f., 71 Mancosu, P. 25 8 Martin, G. 1, 9, 52, 116 Matsuo,H. 158 Maupertuis, P.-L. Moreau de 27, 141-143 Medicus, F. 217 Meerbote, R. 123, 226 Meier, G. F. 11, 15, 33, 46, 50, 71, 85, 147-149, 155f., 158 Meinecke, W. 217 Mendelssohn, M. 27-29, 53-55, 76f., 84-86,90-94, 96f., 99, 105,

362

Personenregister

107,119,307,315 Menzel, L. 111 Merzbach, U. C. 257 Michelsen, J. A. Chr. 8f. Miller, G. 98 Miller, L. M. 285 Mittelstaedt, P. 283, 294 Monzel, A. 178 More, Th. 182, 186f., 216,224,283 Moreau, J. 223, 283 Mueller, 1. 324 Nagel, E. 175 Napolitano, M. 2 Nelson, L. 217 Nerlich, G. 189 Newton, 1. 7f., 39, 91, 108-113, 120f., 125, 137, 182, 185-187, 213,219,286,289[. Nicolai, Ch. F. 92, 119 Niebel, F. 224 Nobis, H. M. 224 Noske, R. 2 Obergfell, F. 223 Oggioni, E. 26 0hrstmm, P. 2 Okruhlik, K. 109 Palmquist, S. 24 Palter, R. 188, 283 Palumbo, M. 226 Pappus 257 Parkinson, G. H. R. 52 Parsons, Ch. 1, 132, 315, 322 Pascal, 8. 48, 56 Pasch, M. 269, 315 Paton, H. J. 214,216,227 Patt, W. 108, 298 Peacocke, Ch. 24 Peters, W. S. 9, 114, 243, 266 Philolenko, A. 223 Pimpinella, P. 151 Pinder, T. 33 Pittioni, V. 6 Plaas, P. 224 Platon 6, 105, 267f.

Poincare, H. 283, 292, 308 Polonoff, 1.1. 39, 143 Poppe, 8. 156 Poser,H. 29,58,65, 101,142,244 Posy, C. J. 1 Pozzo, R. 10, 12 Prauss, G. 9, 116 Proklos 2, 79, 271 f. Proust, J. 54 Putnam, H. 236, 270 Radner, D. 108 Radner, M. 108 Randall, J. H. 103 Reese, W. R. 174 Rehberg, A. W. 3, 253, 260, 321 f., 325-327, 333 Reich, K. 26, 110, 118, 127, 129, 133, 178, 194,200,212 Reichenbach, H. 42, 189, 269f., 291 f. Reicke, R. 178 Reid, Th. 189 Reidemeister, K. 270, 283 Reimarus, S. H. 75 Reinecke, W. 217 Reinhold, K. L. 251, 259f., 299 Resewitz, F. G. 52, 85-91, 96, 104, 328 Richards, J. L. 189,290 Richardus, C. 254, 257 Riede!, M. 149 Riehl,A. 109,117,145 Riemann, A. 157 Riemann,B. 290,292 Roberts, F. S. 189 Robinson, R. 42 Rock, 1. 189 Russell, 8. 19, 111, 189, 283, 311, 320 Saccheri, G. 282 Sala, G. 8. 134 Scaravelli, L. 111 Schäfer, L. 224 Schenk, G. 66 Schiffert, Chr. 8 Schlapp, 0. 156

Personenregister Schmitz, H. 108, 126, 226 Schmitz, M. 271 Schmucker, J. 31 Schneider, M. 48 Scholz, E. 80, 102 Scholz, H. 48 Schrader, G. 116f. Schubring, G. 282 Schüling, H. 103 Schulthess, P. 132, 157, 178, 184, 194,200 Schultz, J. 9, 17, 107, 110,241 f., 279-282,326,328-333 Schütz, C. G. 15,289 Schwab, J. C. 321-328, 331-333 Segall, M. H. 189 Senden, M. v. 189 Shamoon, A. 10, 195 Simons, P. 235 Sinaceur, M.-A. 243 Spalt, D. 177 Specht, E. K. 287 Spinoza, B. de. 52 Steele, A. D. 224 Stenius, E. 270, 291 Strawson, P. F. 24, 126, 189,216 Ströker, E. 294 Struve, R. 270 Stuhlmann-Laeisz, R. 10, 195, 222 Suppes,P. 189 Tait, W. W. 24 Tetens, J. N. 30, 33, 39, 58, 60, 64f., 68-70, 77, 104, 141, 149 Thales, 276, 284, 287f. Theis, R. 157, 178, 180 Thomas von Aquin 103, 223 Thompson, M. 264 Tieftrunk, J. H. 129,212 Tiles, M. 175 Timerding, H. E. 109, 270 Tonelli, G. 26, 29, 39, 119, 121, 132, 137, 143, 145, 158 Tschirnhaus, E. W. v. 14, 52 Tuschling, B. 3 Ungeheuer, G. 83

363

Vaihinger, H. 62, 108, 117, 178,216 Van Cleve, J. 116 Vico, G. 224 Vieta, Fr. 79f. Vleeschauwer, H. J. de 39, 110, 178 Volkert, K. T. 6, 102 Vollrath, E. 9 Vorländer, K. 8 Vuillemin, J. 188, 258, 283, 322 Walsh, W. H. 5, 264 Warda, A. 7f., 145, 200 Warnock, G. J. 222 Waschkies, H.-J. 3, 8, 304 Webb,J. 227,282,289,322 Weingartner, F. 43 Werkmeister, W. H. 322 Weyl, H. 111 Whitrow, G. J. 102 Wilson, K. 120, 132, 214 William von Ockham 40 Winkler, K. 98 Winterbourne, A. T. 2, 166 Wittgenstein, L. 318 Wolff, Chr. 3, 7f., 27-31,33,3841,43, 50-53, 56-60,63-65, 67f., 71, 73f., 78,81-84,86,97, 100-103,105,110,116,126,137, 141, 145, 147-149, 152f., 154156,163,179,188,224,248,250, 255,285,296,301,303,312, 315f., 327f. Wolff-Metternich, B.-S. v. 53f. Wolff,M. 10,310f. Wolters, G. 66, 102 Woolhouse, R. S. 67, 136 Wrigley, M. 318 Yolton, J. W. 172 Young, J. M. 228f., 319 Youschkevitch, A. P. 102 Zabarella,J. 103 Zedler, J. H. 224 Zeuthen, H. G. 224 Zöller,G. 116 Zschocke, W. 222

Kant-Forschungen Bd. 1. REINHARD BRANDT I WERNER STARK (HG.): Neue Autographen und Dokumente zu Kants Leben, Schriften und Vorlesungen 1987. X, 292 S. 3-7873-0703-6. Kt. Bd. 2. BERND LUDWIG: Kants Rechtslehre. Mit einer Untersuchung zur Drucklegung Kantischer Schriften von Werner Stark 1988. VI, 192 S. 3-7873-0728-1. Kt. Bd. 3. MARIE RISCHMÜLLER (HG.): Immanuel Kant: Bemerkungen in den Beobachtungen über das Gefühl des Schijnen und Erhabenen (1764) 1991. XXIV, 294 S. 3-7873-0900-4. Kt. Bd. 4. REINHARD BRANDT: Die Urteilstafel (Kritik der reinen Vernunft A 67-76; B 92-101) 1991. VI, 129 S. 3-7873-1015-0. Kt. Bd. 5. REINHARD BRANDT I WERNER STARK (HG.) Autographen, Dokumente und Berichte zu Edition, Amtsgeschäften und Werk Immanuel Kants 1994.JVIII, 232 S. 3-7873-1134-3. Kt. Bd. 6. HEINER F. KLEMME (HG.): Die Schule Kants Mit dem Text von C. Schiffert über das Collegium Fridericianum. 1994. VII, 131 S. 3-7873-1185-8. Kt. Bd. 7. HEINER F. KLEMME: Kants Philosophie des Subjekts Systematische Untersuchungen zum Verhältnis von Selbstbewußtsein und Selbsterkenntnis. 1996. IX, 430 S. 3-7873-1294-3. Gb. Bd. 8. TILLMANN PINDER (HG.): Immanuel Kant: LogikVorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften I. Logik Bauch 1998. LXX, 1-267 S. 3-7873-1337-0. Gb. Bd. 9. TILLMANN PINDER (HG.): Immanuel Kant: LogikVorlesung. Unveröffentlichte Nachschriften II. Logik Hechse!, Warschauer Logik 1998. VIII, 268-717 S. 3-7873-1338-9. Gb. Bd. 10. REINHARD BRANDT: Kritischer Kommentar zu Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) 1999. 543 S. 3-7873-1384-2. Gb. Bd. 11. DARIUS KORIAKO: Kants Philosophie der Mathematik Grundlagen -Voraussetzungen- Probleme. 1999. VIII, 363 S. 3-7873-1429-6. Gb.

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