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German Pages 236 [240] Year 1995
Brigitta-Sophie von Wolff-Metternich Die Uberwindung des mathematischen Erkenntnisideals
W G DE
Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß, Günther Patzig, Wolfgang Wieland
Band 39
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
Die Überwindung des mathematischen Erkenntnisideals Kants Grenzbestimmung von Mathematik und Philosophie von
Brigitta-Sophie von Wolff-Metternich
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
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Wolff-Metternich, Brigitta-Sophie von: Die Uberwindung des mathematischen Erkenntnisideals : Kants Grenzbestimmung von Mathematik und Philosophie / von BrigittaSophie von Wolff-Metternich. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Quellen und Studien zur Philosophie ; Bd. 39) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-11-014511-1 NE: GT
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Meinen Eltern
Vorwort
Wenn nicht zur Mathematik gehörige Begriffe jederzeit 'gegeben', d.h. im Kantischen Sinne geschichtlich bedingt und nicht 'willkürlich gemacht' sind, wie die folgende Untersuchung nachzuweisen versucht, dann bezeugen auch philosophische Schriften und Werke eine historische Genese. Dies zu erinnern und denen zu danken, die den Entwicklungsweg und Entstehungsprozeß der Arbeit durch Rat und Tat begleitet haben, dafür bietet das Vorwort eine passende Gelegenheit. Bei dem hier vorliegenden Text handelt es sich um die nur geringfügig überarbeitete Fassung eines Manuskripts, das im Sommersemester 1993 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn als Dissertation angenommen wurde. Thematisch gesehen knüpft sie an eine Fragestellung an, die bereits in meiner 1987 als Magisterarbeit eingereichten Untersuchung "Aenigma und Mathematik in der Philosophie des Nikolaus von Cues" im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Ihr Interesse galt der grundlegenden Beobachtung, daß die Mathematik im Denken des Nikolaus von Cues als besonders geeignetes Beispiel bemüht wird, die prinzipielle Unabschließbarkeit von Begriffsforschung überhaupt zu demonstrieren. Diesen Befund ergänzt und vertieft die vorliegende Studie über Kants Grenzbestimmung von Mathematik und Philosophie sowohl in philosophiegschichtlicher als auch systematischer Hinsicht. Sie versteht die Kantische Abgrenzung eines diskursiven Zeichengebrauchs in der Philosophie gegen einen intuitiven in der Mathematik nicht nur als Verabschiedung dessen, was man in historisch distanzierter Redeweise die Epoche der rationalistischen, more geometrico verfahrenden Systeme der Philosophie zu nennen pflegt, sondern sie versucht über die epochen- und methodengeschichtliche Bedeutung hinaus, die Aussagekraft der Kantischen Unterscheidung für die gegenwärtig geführte Debatte über das philosophische Begründungsproblem freizulegen. Der epochale Einschnitt, als welcher sich die Befreiung von der wesensfremden Herrschaft des mathematischen Methodenbegriffs heute darbietet, ist in einer Weise bedeutsam, der über rein
Vili
Vorwort
philosophiegeschichtliche Fragestellungen hinausreicht. Er impliziert, so lautet die hier entwickelte These, die Überwindung jeglicher Orientierung an einem normativen Erkenntnisverständnis - in Richtung auf einen Begriff philosophischdiskursiven Zeichengebrauchs, der um seine eigene Bedingtheit und die schlechthinnige Uneinlösbarkeit letzter Deutlichkeit weiß. Entscheidende Anstöße empfing die Arbeit durch die Kant-Seminare meines Bonner Lehrers Professor Dr. Josef Simon. Ihm gilt mein vornehmlicher Dank für langjährige, wohlwollende Förderung und Betreuung. Unterstützung und wertvolle Hinweise erhielt ich ferner von Herrn Professor Dr. Hans Michael Baumgartner, der so freundlich war, das Korreferat zu übernehmen. Von den zahlreichen Gesprächen, die ich in Erlangen mit Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Manfred Riedel führen konnte, ist viel in die Arbeit eingegangen. Er hat ihre Entstehung von Anfang an begleitet. Herzlich zu danken habe ich Herrn Professor Dr. Wolfgang Wieland und den Mitherausgebern der "Quellen und Studien zur Philosophie" dafür, daß meine Dissertation in ihrer Reihe erscheinen kann. Die Professor Dr.-Ing. Erich Müller-Stiftung (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) gewährte mir großzügige Förderung während meines Studiums in Bonn und Genf. Verbunden bin ich dem Cusanuswerk (Bischöfliche Studienförderung), das mich während des Studiums und der Entstehungszeit der Arbeit nicht nur durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums unterstützt hat, sondern zugleich zu einem Ort geistiger Heimat geworden ist. Für wertvolle Ratschläge möchte ich Herrn Dr. Rainer Bucher, für die Mühe des Korrekturlesens Frau Mechthild Holzhauer, für kritische Lektüre der Arbeit und große Hilfsbereitschaft Herrn Axel Hesper danken. Zu ganz besonderem Dank bin ich Herrn Jens Demmig verpflichtet, der nicht nur die zeitintensive Tätigkeit auf sich nahm, das Druckmanuskript anzufertigen, sondern darüber hinaus die verschiedenen Textfassungen mit großer Sorgfalt und viel Scharfsinn kritisiert hat. Danken möchte ich schließlich meinen Eltern, die durch tatkräftige Unterstützung und stete Ermutigung an der Entstehung der Arbeit maßgeblich beteiligt waren. Brigitta-Sophie von Wolff-Metternich
Inhalt
Einleitung: Fragestellung und thematischer Schwerpunkt; Eingrenzung des Stoffs und methodisches Vorgehen I. Die Differenz im Usu Conceptuum als Kriterium für die Unterscheidung von Mathematik und Philosophie 1. Kants Kritik an seinen Vorgängern. Das fehlende Unterscheidungskriterium und die Folgen für die Philosophie 2. Wegmarken der Entdeckung des Unterschieds zwischen einem mathematischen und philosophischen Vemunftgebrauch 2.1 Willkürlich gemachte und gegebene Begriffe 2.2 Synthetische und analytische Verdeutlichung von Begriffen 2.3 Begriffund Zeichen in Mathematik und Philosophie 3. Die kritische Weiterfuhrung: Der Begriff der Konstruktion II. Konkretion: Transzendentalphilosophische Begründung der Grenzziehung 1. Fundierung des unterschiedlichen Begriffsgebrauchs in Mathematik und Philosophie 1.1 Präzisierung des Konstruktionsbegriffs 1.1.1 Vorüberlegungen: Schematische und technische Konstruktion 1.1.2 Der mathematische Schematismus 1.1.2.1 Das Schema als ein Drittes zwischen Begriff und Bild 1.1.2.2 Oer dynamische Charakter des Schemas und seine Bedeutung für den Konstruktionsbegriff 1.1.2.3 Oer genetische Charakter des mathematischen Schematismus
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Inhalt
1.2 Präzisierung des philosophischen Begriffsgebrauchs 1.2.1 Der transzendentale Schematismus oder die schematische Darstellung reiner Verstandesbegriffe 1.2.2 Die 'Idee der Vernunft' als ein 'Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit' oder der Vernunftgebrauch als ein Verfahren ohne Ende 2. Präzisierung der Grenzbestimmung hinsichtlich des mathematischen und philosophischen Gegenstandes 2.1 Das Verhältnis von Erkenntnisweise und Gegenstand in Mathematik und Philosophie 2.2 Der mathematische Gegenstand oder Was läßt sich in reiner Anschauung darstellen? 2.2.1 Quanta und Quantitas als Produkte extensiver Größenbestimmung 2.2.2 Kontinuität und Unendlichkeit des Raumes als Argumente fur die Anschauungsbedingtheit mathematischer Erkenntnis 2.2.3 Die Inkongruenz von Gestalten im Raum - ein weiterer intuitiver Unterschied 2.3 Der Gegenstand der Philosophie oder Was kann durch bloße Begriffe erkannt werden? 2.3.1 Vorüberlegungen: Das Verhältnis von Begriff und Gegenstand in transzendentalphilosophischer Reflexion 2.3.2 Der Gegenstand überhaupt als uneigentlicher Erkenntnisgegenstand transzendentalphilosophischer Reflexion III. Problematisierung: Beziehungspunkte zwischen Mathematik und Philosophie 1. Die Dialektik der Grenzbestimmung oder Wer grenzt die Mathematik von der Philosophie ab? 2. Die objektive Gültigkeit mathematischer Urteile - ein Fazit transzendentalphilosophischer Reflexion 3. Die Notwendigkeit einer Gemeinschaft von Mathematik und Philosophie für die Begründung reiner Naturwissenschaft 3.1 Das Verhältnis von transzendentalem Teil der Natur-
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Inhalt
XI
metaphysik und angewandter Metaphysik der Natur 3.2 Ansatzpunkt und Verfahren besonderer Naturmetaphysik oder Kann es eine metaphysische Konstruktion von Begriffen geben? 3.3 Die Mathematik als ancilla philosophiae. Zur Rolle mathematischer Erkenntnis im Rahmen der Begründung reiner Naturwissenschaft
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IV. Konsequenzen der Grenzziehung: Die Wissenschaftlichkeit von Mathematik und Philosophie 1. Heuristisches und Zetetisches Verfahren. Die unterschiedliche Methode 1.1 Definitionen versus Expositionen 1.2. Intuitive versus diskursive Grundsätze 1.3 Demonstrationen versus akroamatische Beweise 2. Vernunftkunst und Weisheitslehre: Zum Unterschied von Mathematik und Philosophie unter dem Gesichtspunkt ihrer Zwecke 2.1 Die formal-objektive Zweckmäßigkeit mathematischer Urteile oder warum man weder von Schönheit noch von einer Teleologie der Mathematik sprechen kann 2.2 Die Mathematik als 'Werkzeug zu beliebigen Zwecken' 2.3 Was will die Vernunft mit der Metaphysik? - Zum Problem eines Endzweckes in der Philosophie V. Fazit und Ausblick: Die unterschiedlichen Modi der Unabschließbarkeit von Mathematik und Philosophie
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Literatur 1. Primärliteratur Immanuel Kant (Werke, Nachlaß, Vorlesungen, Briefe) 2. Weitere Primärliteratur 3. Forschungsliteratur
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Namensregister
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Sachregister
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Einleitung: Fragestellung und thematischer Schwerpunkt; Eingrenzung des Stoffs und methodisches Vorgehen Daß mit Kants Unterscheidung zwischen einem mathematischen und philosophischen Vernunftgebrauch ein epochaler Einschnitt in der fortschreitenden, seit der Antike geführten Diskussion um die richtige Beurteilung des Verhältnisses von Mathematik und Philosophie bezeichnet ist, darf als unumstritten gelten. Denn durch die explizit gestellte Frage nach der jeweiligen Erkenntnisart von Mathematik und Philosophie wird erstmals eine Problemlage aufgedeckt und entwickelt, deren Verkennung in den verschiedenen Gestalten der neuzeitlichen Metaphysik die Herausbildung des Gedankens einer an mathematischen Begründungsformen orientierten Einheitsmethode bedingte und die Erwartung aufkommen ließ, Streitigkeiten in philosophicis durch jenes berühmte "calculemus!" von Leibniz beheben zu können1. Erst mit Kants Aufweis des radikalen Unterschieds zwischen einem bloß diskursiven Zeichengebrauch in der Philosophie und einem intuitiven in der Mathematik wird einer solchen Transformationsidee jeglicher Rechtsgrund entzogen. Daher ist es sicherlich richtig, es als eine herausragende Leistung Kants anzusehen, wenn das Ideal eines Philosophierens, das seit Piatons Orientierung an der Mathematik als eigentlichem Vorbild von Wissen2 bis hin ins 17. und 18. Jahrhundert durch die Entwicklung einer more geometrico verfahrenden Philosophie eine maßgebende Grundvorstellung der Philosophie war, seine Bedeutung für das philosophische Gespräch verloren hat 3 . 1 2
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Vgl. G.W. Leibniz, Fragmente zur Logik, 16. Zur Rolle der Mathematik im Platonischen Denken vgl. H.G. Gadamer, 1991, 280. Weil sich im Platonischen Denken 'hinter' der Mathematik "die eigentliche Seinswelt der apriorischen Strukturen" abzeichne, sei, wie Gadamer bemerkt, in bezug auf das Platonische Denken statt von 'Metaphysik' eher von einer 'Metamathematik' zu sprechen. Als philosophiegeschichtliche Frage von Gewicht wird Kants Unterscheidung von mathematischer und philosophischer Erkenntnisweise behandelt bei: A. Menzel, 1911, 139ff; G. Tonelli, 1959, 37ff.; H.-J. Engfer, 1982, 55-67; ders., 1983, 48ff.
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Einleitung
Zunächst scheint sich das Verdienst der Kantischen Unterscheidung darin aber auch schon zu erschöpfea So gesehen wäre sie allerdings nur noch von bloß philosophiegeschichtlichem Interesse - eine Einschätzung, zu der man gegenwärtig in der Kant-Literatur mehr oder minder neigt. So urteilt neuerdings auch G. Böhme, indem er konstatiert, daß Kant die Distinktion zwischen Mathematik und Philosophie nur fiir diejenigen thematisiere, "die noch auf einem philosophischen Standpunkt stehen, von dem aus man glauben kann, Philosophie more geometrico betreiben zu können"4. Diese Auffassung ist nicht falsch, sie übersieht aber, daß es sich bei dem Bemühen Kants, die philosophische Erkenntnisart gegen die mathematische abzugrenzen, nicht um die Klärung eines bloßen Methodenproblems handelt. Kants Bestimmung des Verhältnisses von Mathematik und Philosophie ist nicht nur als eine Auseinandersetzung mit obsoleten philosophischen Konzeptionen des 17. und 18. Jahrhunderts zu verstehen. Sie greift tiefer, weil sie, wie Kant selbst ausdrücklich sagt, "die Definition der Philosophie überhaupt angeht" (MdS, VI, 207) 5 . Sie impliziert nämlich nicht nur die Zurückweisung eines im Grunde unmethodischen Methodentransfers, sondern eine darüber hinausgehende Ablehnung jeglicher Übernahme mathematischer Methodik im Sinne eines allgültigen normativen Erkenntnismodells. Kants Abgrenzung betrifft daher, so lautet die hier vertretene These, nicht nur die - hegelisch formuliert - 'äußere Reflexion' des Verhältnisses von Mathematik und Philosophie, sondern schließt zugleich die unhintergehbare Erkenntnisdisposition von Philosophie überhaupt in sich ein. Der kontrastierende Vergleich von mathematischer und. philosophischer Vernunfterkenntnis enthält Interpretamente, die für eine Stellungnahme zum Begründungsproblem in der Philosophie von herausragender Bedeutung sind. Denn er zeigt, wie Kant schon in seiner frühen Schrift Über die Deutlichkeit der Grund4 5
G. Böhme, 1986, 31. An dieser Stelle sind einige Hinweise zur Zitierweise und Gestaltung der Anmerkungen zu geben: Um die Anzahl der Fußnoten zu verringern, werden Kants Schriften, außer wenn es sich um bloße Vergleiche handelt, im fortlaufenden Text zitiert. Ergänzungen oder Auslassungen im Zitat werden dabei durch "" gekennzeichnet. Abgesehen von der Dissertano (1770), die in der deutschen Übersetzung nach der Ausgabe von W. Weischedel zitiert wird, erfolgt die Zitation der Kantischen Schriften nach der Ausgabe der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, und zwar mit Siglen, sowie Band- und Seitenzahl, bzw. im Fall des handschriftlichen Nachlasses mit zusätzlicher Angabe der Reflexionsnummer oder im Fall der Kritik der reinen Vernunft ausschließlich durch Angabe der Originalpaginierungen ("B" oder "A"). Weitere Primärliteratur wird wie folgt zitiert: Angabe des Autors, Kurztitel und Seitenangabe. Im Fall der Forschungsliteratur erfolgt die Zitation dagegen durch Angabe des Autors, des Erscheinungsjahrs und der Seitenzahl. Zur Auflösung der Siglen s.u.S. 196.
Eingrenzung des Stoffs und methodisches Vorgehen
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sätze der natürlichen Theologie und Moral (1762/63) unmißverständlich formuliert, daß die "Gründe, daraus man abnehmen kann, daß es unmöglich sei, in einem philosophischen Erkenntnisse geirrt zu haben, an sich selber niemals denen gleich kommen, die man im mathematischen vor sich hat" (ÜDG, II, 292). In Kantischer Sichtweise muß der fur die Mathematik eigentümliche Grad an Erkenntnisgewißheit deshalb fur die Philosophie unerreichbar bleiben, weil sie eben nicht wie die Mathematik zu einer adäquaten Begrifflichkeit gelangt, d.h. zu einem Zeichengebrauch, in dem der "Begriff des Erklärten weiter gar keine Bedeutung hat als die, so ihm die Definition gibt" (ebd., 291). Philosophische Erkenntnis bleibt aus diesem Grunde "immer zweifelhaft" und kann nur "vermuthlich, niemals aber apodiktisch gewiß gemacht werden" (B 757). Offenbar wendet sich Kant mit der Grenzziehung zwischen mathematischer und philosophischer Denkweise gegen eine Auffassung von Philosophie, die 'letzte' Antworten geben zu können meint. Sollte sich diese Vermutung bestätigen lassen, dann würde die Bedeutung von Kants Abgrenzungsversuch in der Tat weit über das Vordergründige einer Zurückweisung des falschen Ideals einer mathematisch verfaßten Philosophie hinausreichen. Sie ließe sich dann als eine Kritik an jeglicher Philosophie, die mit Endgültigkeitsanspruch auftritt, lesen und wäre darin auch für die gegenwärtig geführte philosophische Debatte um die Rolle, die dem kritischen Denken in der Klärung des Begründungsproblems zuzuweisen ist, von Bedeutung. Denn mit dem Nachweis, daß bereits nach Kant der Vorstellung von Letztbegründungen in der Philosophie eine höchst inadäquate Erkenntnishaltung zugrundeliegt, hat man geeignete Interpretationsmittel an der Hand, durch die sich zeigen läßt, daß es ein wirkungsgeschichtlich höchst folgenreiches Mißverständnis ist, wenn die Kantische Position für Kritiker wie für Apologeten zum Paradigma einer letztbegründenden Philosophie geworden ist. Trotz der kontroversen Auseinandersetzung, die um die Bedeutung der Kantischen Vernunfikritik geführt wird, kommen nämlich Positionen, die sonst in programmatischer Opposition stehen, wie die von K.-O. Apel und W. Kuhlmann auf der einen und die von R. Rorty auf der anderen Seite, in einem Punkt überein, und zwar in der Auffassung, daß die Philosophie kantischen Typs von 'fundamentalistischem' Charakter sei, weil sie am Gedanken 'grundsätzlicher Geltungssicherung' festhalte6. Diese Einschätzung hat Tradition. Sie dürfte ihre Wurzeln nicht zuletzt in der wissenschaftstheoretischen Engfuhrung und
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Vgl. z.B. K.-0 Apel, 1976, 55 ff.; W. Kuhlmann, 1988, 193-221 u. R. Rorty, 1981, 18f.
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Einleitung
Inbeschlagnahme der kritischen Philosophie durch den Neukantianismus haben 7 . Nach dieser Lesart mußte es so scheinen, als verfolgte Kant im Werk der Kritik der reinen Vernunft die einseitige Zielsetzung einer wissenschaftstheoretischen Letztfundierung. Von hierher dürfte sich auch die nach wie vor eher stiefmütterliche Behandlung der "transzendentalen Methodenlehre" erklären - jenem zweiten Hauptteil der Kritik der reinen Vernunft also, in dem unter dem Namen einer "Disziplin der reinen Vernunft" die philosophische Erkenntnisweise gegen die mathematische abgegrenzt und einer Bestimmung zugeführt wird, die jede Vorstellung von absoluter Geltungssicherung konterkariert8. Richtungsweisend sind allerdings die Deutungsperspektiven von F. Kaulbach, M. Riedel und J. Simon. Ihnen gebührt das Verdienst, auf die Wichtigkeit der "transzendentalen Methodenlehre" für die Bestimmung des Kantischen PhilosophiebegrifTs aufmerksam gemacht zu haben. Trotz unterschiedlicher Gewichtungen vereint sie der Grundtenor, daß schon mit Kant das 'Programm der Philosophie als letztbegründender Wissenschaft' unterlaufen und damit der Weg für die Entwicklung eines Verständnisses von Philosophie geebnet wird, das die Vorstellung von 'Endgültigkeit' in der Philosophie endgültig verabschiedet9. Daß für diesen Nachweis Kants Grenzziehung zwischen einem mathematischen und philosophischen Vernunftgebrauch von besonderer Bedeutung ist, darauf weist vor allem J. Simon hin 10 : "Die Unterscheidung der Zeichen von denen der Mathematik, d.h. von Zeichen, die die Sachen selbst vorstellen, fuhrt zu einem Begriff von Zeichen, denen nicht mehr Seiendes entsprechen soll, sondern nur noch die Position eines Verstehens gegenüber anderem Verstehen, aus dem Selbstbewußtsein, daß jede Position, als ektypische, sich dem Einwand anderer Position aussetzt"1 Aussagen dieser Art berechtigen zu der Vermutung, daß es zum Verständnis des Kantischen Philosophiebegriffs eines Interpretationsvorhabens bedarf, das die Beziehung von
Vgl. vor allem H. Cohen, 4 1925. Eine Ausnahme bildet in der neukantianischen Kantexegese allerdings E. Lask, der auf die Bedeutung der "zu wenig beachtete «transzendentalen Methodenlehre«" ftlr die Vergleichung philosophischer und mathematischer Vernunfterkenntnis eindringlich aufmerksam gemacht hat. E. Lask, 1923, 45. 9 Vgl. M. Riedel, 1989, 11-43; F. Kaulbach, 1985, 99ff. u. J. Simon, 1988, 505-527; ders., 1986, 489-519 u. ders., 1990, 107-130. 10 Vgl. z.B. J. Simon, 1986, 496f. und ders., 1989 (1), 140-145; vgl. auch M. Riedel, 1989, 18 und F. Kaulbach, 1981. DaB die 'klare Trennung' von Mathematik und Metaphysik "für das Verständnis, und damit fur den Wandel des VemunftbegrifTes von Bedeutung" ist, wird ferner von H.M. Baumgartner, 1989, 190 betont. 11 J. Simon, 1989 (1), 144. 7 8
Eingrenzung des Stoffs und methodisches Vorgehen
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Mathematik und Philosophie systematisch im Hinblick auf das Problem des Status philosophischer Aussagen untersucht. Daß eine solche Arbeit aufgrund ihrer systematischen Fragestellung weder in die Reihe philosophiegeschichtlicher Betrachtungen zum Verhältnis von Mathematik und Philosophie noch in die Reihe systematischer Untersuchungen zum Status mathematischer Erkenntnis eingefügt werden kann, ist nach dem bisher Gesagten offensichtlich. Daher wird sich die Auswahl von Texten, denen fiir die Kantische Position eine wegweisende Bedeutung zukommt, nur an den Kriterien des Exemplarischen und Signifikanten orientieren können. Das heißt, der Gedankengang Kants soll nur insoweit in eine philosophiehistorische Landschaft eingebettet werden, als sich dadurch Eigenart und Originalität des Kantischen Ansatzes hervorheben lassen. Für diesen Zweck bietet sich ein Rekurs auf einschlägige Texte vor allem von Leibniz, Wolff, Eberhard und Lambert an 12 . An ihnen läßt sich eindringlich demonstrieren, daß die philosophische Theorienbildung solange der Versuchung ausgesetzt ist, sich an mathematischen Vorgehensweisen zu orientieren, wie in ihr nicht strikt zwischen einer philosophischen und mathematischen Erkenntnisweise unterschieden wird. Denn das Gemeinsame und rezeptionsgeschichtlich Paradigmatische dieser Positionen liegt in dem Gedanken, daß sich der Grad an Gewißheit, der für die Mathematik charakteristisch ist, wegen der vermeintlichen Übereinstimmung ihrer Erkenntnisweisen auch in der Philosophie und anderen Erkenntnisbereichen mittels einer Anwendung der vom Gegenstand der Mathematik ablösbaren Darstellungsform mathematischer Erkenntnis realisieren ließe. Keiner der genannten Autoren grenzt die Mathematik von der Philosophie aufgrund ihres spezifischen Begriffsgebrauchs ab. So wird z.B. nach Leibniz sowohl die mathematische als auch die philosophische Erkenntnis durch analytische Begriffsverdeutlichung bestimmt: In beiden Vernunftwissenschaften komme es darauf an, die zusammengesetzten und undeutlichen Begriffe in einfache zu zergliedern13. Diese Gleichsetzung in der Begriffsgenese bzw. -bestimmung führt dann schließlich bei Wolffund seinen Schülern zu einer ausdrücklichen Identifikation der philosophischen mit der mathematischen Lehrart: Auch die Philosophie lasse sich dem Aufbau der Euklidischen "Elemente" entsprechend - so lautet die erst von Kant zurückgewiesene methodolo12 Zu nennen sind die Meditationes de cognitione, veritate et ideis (1684) von G.W. Leibniz, der Kurtze Unterricht von der mathematischen Lehrart und die als "Lateinische Logik" bekannte Philosophia rationalis sive logica (1728) von Ch. Wolff, das Philosophische Magazin von Eberhard und das Neue Organon (1764) von J.H. Lambert. 13 Vgl. Leibniz, Meditationes, 22ff.
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Einleitung
gische Grundüberzeugung Wolffs - als ein aus Definitionen, Grundsätzen und Ableitungen bestehender Satzzusammenhang präsentieren14. Im Rahmen der hier abgesteckten Ziele versteht sich auch, daß die vorgelegte Studie keine vertiefende Auseinandersetzung mit denjenigen Arbeiten leisten kann, die, von einem eher mathematiktheoretischen Interesse am Kantischen Werk bestimmt, zu klären suchen, inwieweit das Kantische Mathematikverständnis fähig ist, dem Entwicklungsgang der modernen Mathematik Rechnung zu tragen. Denn nach der oben entwickelten Problemperspektive kann weder der Kantische Mathematikbegriff als solcher noch die Frage nach seiner Relevanz für die vor allem im sogenannten Grundlagenstreit geführte Debatte um den Status mathematischer Erkenntnis im Zentrum unseres Interesses stehen 15 . Die Kantische Charakterisierung
14 Zur Entwicklung einer an mathematischer Vorgehensweise orientierten Auflassung von Philosophie in den vorkantischen Theoriebildungen vgl. G. Tonelli, 1959, 37(f.; H.W. Arndt, 1971, H.-J. Engfer, 1982; ders. 1983, 59f. und W. Schneiders, 1990, 132ff., der die Entgegensetzung von mathematischer und philosophischer Lehrart nicht als originär Kantisches Theoriestück begreift, sondern als Abschluß eines parallel zur Mathematisierung von Wissenschaft und Philosophie im 17./18. Jahhundert verlaufenden Erkenntnisprozesses. Dieser werde sowohl von Wolff-Gegnern wie z.B. A. Rüdiger (1673-1731) und Ch. A. Crusius (17151775) als auch von Wolff-Schülern getragen. Als deutliches Anzeichen dafür, daß die "Ausrichtung der Philosophie nach dem Vorbild der mathematischen Erkenntnis unter den Wolffianern" (W. Schneiders, 1990, 132) bereits fraglich werde, wertet W. Schneiders die sich schon vor Kant vollziehende "Beschränkung der Mathematik auf die Erkenntnis von Größen" (ebd., 134) und die damit verbundene Festlegung der Philosophie auf die Erkenntnis von "Qualitativem". Wie die Kantische Grenzziehung zwischen Mathematik und Philosophie lehrt, bleibt aber eine solche am Gegenstandsbereich orientierte Unterscheidung weit hinter den an eine strikte Abgrenzung zu stellenden Erwartungen zurück (s.u.S. 72-76), so daß man, wie auch W. Schneiders einräumt, die vorkantischen Abgrenzungsversuche letztlich doch nur als "hilflose Antwort auf die Drohung einer Verwissenschaftlichung der Philosophie" (W. Schneiders, 1990, 148) und noch nicht als überzeugende Begrenzung des mathematischen Wissenschaftsideals begreifen kann. 15 Daß im Grundlagenstreit das Interesse am Kantischen Mathematikbegriff Uber ein bloß historisches hinausreicht, kommt nicht von ungefähr, hat sich doch aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem 'Logizismus', dessen Vertreter wie B. Russell der Auflassung sind, daß die Sätze der gesamten reinen Mathematik nach allgemeinen Regeln der Logik gefolgert werden können, eine Position entwickelt, die nicht an die Leibnizianische Tradition, sondern an das Kantische Verständnis mathematischer Erkenntnisweise anknüpft und versucht, dieses für den metamathematischen Diskurs fruchtbar zu machen. (Vgl. B. Russell, Intr. to Math. Phil., 194). Gemeint ist die sogenannte 'intuitionistische Schule'. Daß sich ihre Hauptvertreter L.E.J. Brouwer und A. Heyting auf Kant berufen, ist insofern berechtigt, als auch sie der Überzeugung sind, daß die Mathematik als eine "Tätigkeit intuitiver Konstruktionen" aulzufassen ist und daher gerade nicht vollständig auf logische Gesetze zurückgeführt werden kann. (St. Körner, 1960, 142.) Diese Kontroverse über die Grundlagen der Mathematik ist ein wesentlicher Faktor des 'Erwartungshorizontes', in den Untersuchungen wie die von E. Cassirer und O.
Eingrenzung des Stoffs und methodisches Vorgehen
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mathematischer Erkenntnis dient hier primär - so könnte man formulieren - als eine Art Kontrastfolie, die dem Gedankengang unterlegt wird, um ein Verständnis von Kants Idee philosophischer Erkenntnis zu gewinnen. Vor ihrem Hintergrund soll sich, das ist das Ziel der Untersuchung, ein Begriff von Philosophie abzeichnen, der die philosophische Erkenntnis nicht nur als eine besondere Erkenntnisweise gegenüber der Mathematik bestimmt, sondern sie in dieser Grenzziehung zugleich von der Vorstellung letztbegründeten Prinzipienwissens befreit. Aus diesem Grund läßt sich vorliegende Arbeit auch nicht jenen neueren Studien zurechnen, die, von einem Ansatz rein immanenter Interpretation bestimmt, Kants Begriff der Mathematik im Kontext der kritischen Philosophie untersuchen 16 . Das Verdienst solcher Arbeiten liegt unter anderem in dem Versuch, einen Zusammenhang zwischen Kants Raum- Zeitlehre und seinem Mathematikverständnis herzustellen. Unberücksichtigt, und dies muß im Hinblick auf die hier entwickelte Fragestellung als Mangel erscheinen, bleibt jedoch das Problem, welche Bedeutung die Mathematik für die kritische Idee der Philosophie hat. In den neueren Untersuchungen zu Kants Theorie der Naturwissenschafien wird das Verhältnis von Mathematik und Philosophie zwar thematisiert, aber unter einem einseitigen Gesichtspunkt, nämlich ausschließlich unter dem Aspekt der Trennung mathematischer Konstruktionen und metaphysischer Grundsätze im Felde der Naturforschung17. Auch durch die Arbeit von G. Büchel, der diese Untersuchungen ergänzt und vertieft, indem er der Frage nachgeht, welche "neuen Bestimmungen in den jeweiligen Bezügen von Geometrie und Philosophie zum System der reinen Naturlehre über die Kr.d.r.V. und die M.A.d.NW" im Opus Postumum hinzukommen, wird dieses Desiderat noch nicht behoben18. Er bleibt bei dem Ergebnis Becker, gestellt sind. Vgl. E. Cassirer, 1907, 1-49 und O. Becker, 1927, 748f. Nach wie vor bestimmend ist diese Fragerichtung für wissenschaftstheoretische Arbeiten und solche aus dem angelsächsischen Raum. Vgl. z.B. M. Friedman, 1985; ders., 1990 u. K. Mainzer, 1973. Nicht selten hat sich in solchen Arbeiten das Problem, ob und inwiefern mit Kants Mathematikverständnis die Theorie einer nicht-euklidischen Geometrie verbunden werden kann, als eine Frage von besonderem Rang erwiesen (vgl. etwa J. Hopkins, 1982, 41-65; R.E. Butts, 1981, 257-288; M. Schirn, 1991, 1-26). 16 Diese Absicht spiegelt sich in exemplarischer Weise in denjenigen Arbeiten wider, die die transzendentalphilosophische Grundlegung der Mathematik nachzuzeichnen suchen. Dazu gehören so unterschiedliche Untersuchungen wie die von G. Martin, 1938 und die nach wie vor grundlegende Arbeit von R. Enskat, 1978 zur Geometrie. 17 Vgl. z.B. neben der schon fast als 'klassisch' geltenden Deutung von P. Piaass, 1965 vor allem die Arbeiten von L. Schäfer, 1966; H. Hoppe, 1969 u. K. Gloy, 1976. 18 G. Büchel, 1987, 20.
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Einleitung
stehen, daß die "Mathematik als Organon der Philosophie im Felde der Naturforschung gebraucht wird" 19 , ohne weiterzufragen, ob und inwiefern diese Bestimmung mit Kants Grenzziehung zwischen Mathematik und Philosophie vereinbar ist Damit bleibt auch hier die Frage nach der Bedeutung der mathematischen Erkenntnisweise für den Kantischen Philosophiebegriffletztlich ungeklärt Da diese weitführende, auf das gegenwärtig viel diskutierte Begründungsproblem ausgerichtete Fragestellung durchaus die Gefahr einer voreiligen Aktualisierung und Anwendung kantfremder Maßstäbe in sich birgt, ist es erforderlich, sich zunächst der Deutungsmittel zu versichern, die in Betracht kommen, um die innere Logik der Kantischen Grenzbestimmung rekonstruieren zu können. Dies unternimmt Kapitel I der vorliegenden Arbeit. Als zweckmäßig erweist es sich dabei, die Kantische Konzeption in einer Weise zu entwickeln, die verdeutlicht, woran Kant den entscheidenden Unterschied zwischen Mathematik und Philosophie festmacht. Ebenso originär Kantisch wie der Themenkomplex einer Grenzziehung zwischen Mathematik und Philosophie selbst ist auch das Abgrenzungkriterium: Nicht ein fundamentum in re, nämlich ein irgendwie vorgegebener Gegenstandsbereich, sondern der unterschiedliche Begriffsgebrauch bestimmt den "wahre Unterschied" (Enz., XXIX, 6) beider Diziplinen: "Der specifische Unterschied dieser beyden Wissenschaften ist, daß die Philosophie eine Vernunft-Erkenntniß / aus Begriffen Werth" (JPR, VIII, 441). In besonderem Maße gilt dies freilich für die Mathematik. Sie ist in Kantischer Sicht Vemunflkunst schlechthin, was zunächst in einem ersten Schritt erläutert werden soll. Aus der Tatsache, daß der ZweckbegrifTbei Kant nicht nur in praktischer, sondern auch in theoretischer Einstellung von Relevanz ist, erklärt sich, daß wir die Bestimmung der Mathematik unter Zweckmäßigkeitsüberlegungen dabei in zweierlei Hinsicht betrachten: nämlich sowohl in einer auf das Theoretische als auch in einer auf das im engeren Sinne Praktische der mathematischen Erkenntnishandlung bezogenen Hinsicht. Analoges gilt für die sich anschließende Erörterung der Frage, welchen Rang teleologische und finale Denkfiguren in der Kantischen Philosophie einnehmen.
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2.1 Die formal-objektive Zweckmäßigkeit mathematischer Urteile oder warum man weder von Schönheit noch von einer Teleologie der Mathematik sprechen kann Daß sich Kant nicht nur im Kontext seiner theoretischen Philosophie im engeren Sinne, sondern auch in der Kritik der Urteilskraft, wenn man an den Zusammenhang seiner Bestimmung des Mathematisch-Erhabenen denkt, mit der Eigenart mathematischer Erkenntnisweise auseinandersetzen muß, läßt sich leicht einsehen. Hier ist die Charakterisierung mathematischer Verfahrensweise in argumentationstheoretischer Hinsicht von entscheidender Bedeutung, weil durch die Abgrenzung vom eigentlich Mathematischen das Urteil über das Mathematisch-Erhabene eine schärfere Konturierung erhält. Daß es Kant aber darüber hinaus auch im Zusammenhang der Bestimmung des ästhetischen und teleologischen Urteils für erforderlich hält, die Mathematik als Kontrast heranzuziehen, ist dagegen nicht so ohne weiteres zu verstehen. Denn hier scheint die Abgrenzung vom Mathematischen ganz überflüssig, weil zwischen mathematischer und ästhetisch-subjektiver bzw. teleologisch-objektiver Zweckmäßigkeit ohnehin keine Ähnlichkeit und damit keine Gefahr der Verwechslung zu bestehen scheint. Doch dieser Eindruck täuscht. Schon bei näherem Hinsehen wird klar, daß sich Kant hier nicht von ungefähr mit der Eigentümlichkeit mathematischer Denkweise beschäftigt. Das soll zunächst hinsichtlich der im ästhetischen Urteil behaupteten subjektiven Zweckmäßigkeit gezeigt werden. Ihre Abhebung von der mathematischen Zweckmäßigkeit führt, obwohl es Kant unterläßt, auf Quellen hinzuweisen, zu einer kritischen Revision von Grundpositionen der herkömmlichen metaphysischen Schönheitslehre, nach der dasjenige 'schön' zu nennen ist, was eine mathematische Ordnung aufweist. Es ist das bis in die neuzeitliche Ästhetik wirkende, neuplatonisch-pythagoreische Motiv der Einheit von Schönheit und mathematisch bestimmbarer Regelmäßigkeit, von dem sich Kant distanziert, wenn er im § 62 der Kritik der Urteilskraft behauptet, daß man zwar von einer 'relativen Vollkommenheit' des mathematischen Objektes, nicht aber von dessen Schönheit sprechen könne 39 . Kant befreit damit den Begriff der Schönheit aus seiner Verklammerung mit der rationalen, mathematisch bestimmten Form, die sich bei Proklos etwa oder auch bei Augustin daraus erklärte, daß ihnen die mathematische Ordnung aufgrund ihrer Symmetrie, d.h. dem "Gleichmaß der Wiederholung gleichartiger Gestaltele-
39 Vgl. KU, V, 366.
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mente" und ihrer Unwandelbarkeit als Verweis auf eine intelligible Ordnung galt. Es ist eine Auffassung, durch die der schon in der Antike als Kunstprinzip fungierende Topos 'ars imitatur naturam' eine bestimmte Wendung erhielt 40 : Naturnachahmung ist Nachahmung der Ordnung des göttlichen Schöpfungsprozesses mittels zahlenbestimmbarer Produktionsverfahren 41 . Gilt also das mathematische Objekt in der Tradition gerade wegen seiner rationalen, begrifflich bestimmbaren Ordnung als schön, so ist dies nach Kant nun genau der Grund, warum ihm dieses Prädikat abgesprochen werden muß. Gerade weil dem mathematischen Gegenstand - der Zahl oder der Gestalt im Raum - ein bestimmtes Formprinzip zugrundeliegt, disqualifiziert er sich als Kandidat einer ästhetischen Beurteilung. Um die Tragweite dieser gedanklichen Umkehr richtig ausmessen zu können, müsssen wir uns an dieser Stelle zunächst über einige grundsätzliche Kantische Erwägungen zum ästhetischen Urteil verständigen. Nach Kant verwenden wir das Prädikat 'schön' genau dann, wenn die "Form eines Gegenstandes der Anschauung" (KU, V, 189) so beschaffen ist, daß die Auffassung des Mannigfaltigen derselben in der Einbildungskraft mit dem "Verstände (als Vermögen der Begriffe) unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefühl der Lust erweckt wird" (ebd. 190). Im ästhetischen Urteil konstatieren wir also eine sich im Gefühl der Lust bekundende Zweckmäßigkeit der Natur in Ansehung von Einbildungskraft und Verstand: Das Prädikat 'schön' ist - so könnte man demnach sagen - Ausdruck für die noch nicht bestimmte Zusammenstimmung der Vorstellung eines Gegenstandes mit den Erkenntnisvermögen des Subjekts. In diesem Sinne ist das ästhetische Urteil eben noch keine begriffliche Erkenntnis eines Objektes. Vielmehr ist die sich im Vollzug des ästhetischen Urteils einstellende und im Gefühl der Lust äußernde Einstimmung von Verstand und Einbildungskraft eine Zweckmäßigkeit, die jeder begrifflichen Bestimmung vorausliegt. Das Schöne ge-
40 M. Steck, 1945, 29. 41 Eine systematische Zusammenfassung dieser Gedanken findet sich in Proklos' Euklid-Kommentar. Vgl. folgende Stelle aus dem 1. Teil des Prologs: " Solchen Behauptungen werden wir entgegentreten mit dem Nachweis der Schönheit der Mathematik . Folgende drei Vorzüge nämlich bewirken vorzugsweise sowohl beim Körper wie bei der Seele die Schönheit: Die Ordnung, die Symmetrie (Proportioniertheit), die klare Bestimmtheit . Wenn also die Schönheit vorzugsweise auf diesen Punkten beruht, und die Mathematik durch ebendiese ihr Gepräge erhält, so ist klar, daß auch ihr das Schöne zukommt ". Zitiert nach O. Becker, 1975, 128f. Vgl. auch den von A. Reckermann verfaOten Teil des Artikels "Kunst/Kunstwerk" im Hist. Wörterbuch d. Philosophie (A. Reckermann, 1976, 136Sff.). Z u m Augustinischen Schönheitsbegriff vgl. W. Beierwaltes, 1975, 140-175.
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fallt gemäß dem zweiten Moment des Geschmacksurteils "ohne Begriff' (ebd., 211). Darum ist es eigentlich auch nicht der Gegenstand, der an sich selbst als zweckmäßig erkannt wird, sondern die Beziehung seiner Vorstellung auf unser Erkenntnisvermögen. Die Erfahrung von Schönheit ist damit zwar eine anläßlich eines Gegenstandes gemachte Erfahrung, doch sie sagt nicht so sehr etwas über ihn als vielmehr über das Subjekt aus 42 . Gleichwohl ist der ästhetisch Urteilende nach Kant durchaus berechtigt, das 'Schöne' als Objekt' eines nicht nur subjektiven, sondern, wie in der Exposition des Geschmacksurteils dem Moment der Quantität nach dargelegt wird, 'allgemeinen Wohlgefallens' vorzustellen, da es offensichtlich keine Privatbedingungen sind, auf die sich das hervorgerufene Wohlgefallen gründet43. Aber wir können, und das ist entscheidend, die Zustimmung zum eigenen Urteil hier nur ansinnen. Denn wir verfügen im Fall der Erfahrung von Schönheit nicht über Begriffe, mittels derer sich die Angemessenheit unserer ästhetischen Einschätzung begründen ließe. Wir sprechen vom Schönen daher nur so, "als ob Schönheit eine Beschaffenheit des Gegenstandes und das Urtheil logisch (durch Begriffe vom Objecte eine Erkenntnis desselben ausmachend) wäre" (ebd., 211). Obwohl also in der Erfahrung von Schönheit Verstand und Einbildungskraft bereits zusammenspielen, so ergibt sich diese Einstimmung nur 'unabsichtlich' und ist
4 2 In W. Hogrebes Versuch einer transzendentalsemantischen Rekonstruktion der Kantischen Transzendentalphilosophie liest sich dieser Befund wie folgt: '"Schön' ist in Wahrheit kein Prädikator, der Gegenständen zugesprochen werden könnte wie 'rund' und 'bunt', kann also nicht in Lehr- und Lernsituationen durch Vorzeigen 'schöner' Gegenstände exemplarisch eingeübt werden. Vielmehr ist 'schön' ein Synsemantikon, dessen Sinn sich aber nicht aus Satzkontexten erschließen läßt, sondern dessen Sinn sich aus Reflexions-Kontexten im Spiel der kognitiven Kompetenzen angesichts besonderer Gegenstände ergeben muQ als Gefühl: in den Gebrauch dieses Wortes kann man nicht durch ostensive oder auch diskursive Demonstrationen eingeUbt werden, sondern nur durch Reflexion" (W. Hogrebe, 1974, 185f). 4 3 Vgl. KU, V, 211. Nicht nur die 'Kategorien der Freiheit' in der Kritik der praktischen Vernunft (vgl. KpV, V, 66), sondern auch die Momente des ästhetischen Urteils werden am Leitfaden der transzendentallogischen Kategorientafel entfaltet. Das darf weniger als Ausdruck des starken 'Systembedürfnisses' von Kant verstanden werden, auch das Ästhetische in den Kategorien des Logischen zu denken, zeigt doch diese Entfaltung vielmehr, daß das Ästhetische gerade nicht ins Logische aufhebbar ist. Vgl. dazu J. Simon, Das ästhetische Urteil als Destruktion des Logischen (noch nicht erschienen). In seinem Versuch, das ästhetische Urteil als 'Destruktion des Logischen' zu deuten, weist Simon nach, daß das ästhetische Urteil zwar zunächst anhand der Kategorientitel (Qualität, Quantität usw.) aufgespannt wird, weil aber jeweils nur ein Moment unter einem Titel erfüllt ist, verliere die Beurteilung nicht nur innerhalb der Titel, sondern auch die kategoriale Differenz der Titel gegeneinander ihre Bestimmtheit.
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nicht - wie im Erkenntnisurteil - Resultat einer begrifflich geregelten Anpassungsleistung der Einbildungskraft. Steht die Einbildungskraft in einem auf Objektivität abzweckenden Erkenntnisurteil in der Apprehension von Mannigfaltigkeit nämlich bereits unter dem Diktat, "einem Begriff sein Bild zu verschaffen" (B 180), so ist sie im ästhetischen Urteil noch frei gegenüber der Forderung, einer allgemeinen Regel gemäß oder auf sie hin gegebenes Anschauungsmaterial vorzustellen. Die Urteilskraft verfahrt hier weder bestimmend, d.h. das Besondere unter eine gegebene, allgemeine Regel subsumierend, noch in der für das teleologische Urteil charakteristischen Weise reflektierend, nämlich bereits zu einer begrifflichen Bestimmung des sinnlich Vorgestellten motivierend 44 . Kant spricht in diesem Zusammenhang von einer "freien Gesetzmäßigkeit" (ebd., 240) der Einbildungskraft ein Ausdruck, der bei oberflächlicher Betrachtung zwar widerspüchlich scheint, bei angemessener Ausdeutung aber ziemlich genau den Status der Einbildungskraft im ästhetischen Urteil zum Ausdruck bringen kann. Verbindet man mit der Rede von einer Freiheit der Einbildungskraft nicht die Vorstellung eines "freien Spiels (wie im Dichten)" (ebd., 240) und versteht man ferner die hier behauptete Gesetzmäßigkeit der Einbildungskraft nicht als eine begrifflich bestimmte oder 'von selbst' bewirkte, sondern deutet sie als eine nicht-intendierte, d.h. nicht auf einen bestimmten Begriff abzweckende Einstimmung von Verstand und Einbildungskraft, dann avanciert diese Bestimmung geradezu zum Schlüsselbegriff. Von ihm her kann deutlich gemacht werden, warum nach Kant "geometrisch-regelmäßige Gestalten" - 'Kritikern des Geschmacks' entgegen - nicht "als die einfachsten und unzweifelhaftesten Beispiele der Schönheit angeführt" (ebd., 241) werden dürfen. Daß es gerade die Regelmäßigkeit geometrischer Objekte (Symmetrie) ist, die in Kantischer Sicht das 'Geschmackswidrige' der Mathematik ausmacht, hat seinen Grund eben darin, daß die Einbildungskraft hier nicht unabsichtlich in eine Einstimmung mit den Verstandesbedürfnissen versetzt wird, sondern in ihrer Auffassung des Anschauungsmaterials schon unter der Regel eines bestimmten Begriffes steht. Sie ist - so Kant - eine Regelmäßigkeit, "die zum Begriffe von einem Gegenstande führt" (ebd., 242). Und darin liegt der Grund, warum sie im Unterschied zu den Gestalten "freie Schönheiten der Natur" (ebd., 243) dem Zuschauer "keine lange Unterhaltung mit der Betrachtung" (ebd., 242) derselben gewährt, sondern lapidar gesagt - "lange Weile macht" (ebd., 243). Im Gegensatz zu den Gestalten
44 Vgl. zum Unterschied von bestimmender und reflektierender Urteilskraft KU, V, 179.
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freier Schönheiten der Natur (Kristallbildungen oder Organismen), die bloß eine prinzipielle, aber noch nicht schon begrifflich bestimmte Verständlichkeit der apprehendierten Anschauungsmannigfaltigkeit andeuten, weisen symmetrisch zugeordnete Figuren auf ein ihnen zugrundeliegendes, begrifflich definitiv bestimmbares Prinzip hin. Sie geben 'nicht viel zu denken', weil hier, so könnte man sagen, keine 'überschüssige Sinnlichkeit' ist, die sich dem bestimmten, begrifflich geregelten Einheitsbezug des Verstandes entzieht. Wenn neuerdings vom 'ästhetischen Reiz' computererzeugter Graphiken, mit denen sich sogenannte 'Chaos-Formeln' veranschaulichen lassen, gesprochen wird, dann wäre mit Kant hier einzuwenden, daß dieses Wohlgefallen im eigentlichen Sinne keine Schönheitserfahrung sein kann 4 5 . Zwar weisen etwa die optischen Darstellungen der 'Mandelbrot-Menge' schon nach einigen Rechenschritten überaus komplizierte Strukturen auf (man spricht hier von 'Fraktalen'), sie sind aber durchweg auf recht einfache Grundformeln zurückführbar 46 . Es ist hier also keine "ästhetische Beurteilung, durch die wir sie zweckmäßig finden; keine Beurtheilung ohne Begriff, die eine bloße subjective Zweckmäßigkeit im freien Spiele unsrer Erkenntnisvermögen bemerklich machte: sondern eine intellectuelle nach Begriffen, welche eine objective Zweckmäßigkeit, d.i. Tauglichkeit zu allerlei (ins Unendliche mannigfaltigen) Zwecken, deutlich zu erkennen giebt" (ebd., 366). Als objektive, begrifflich bestimmte Zweckmäßigkeit ist diejenige mathematischer Konstruktionen zwar deutlich von der ästhetischen, sich im freien Spiel der Erkenntnisvermögen äußernden, subjektiven Zweckmäßigkeit unterschieden. Dennoch kommt sie mit ihr in einem Punkt überein. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um eine bloß formale, nicht reale, auf einen Naturzweck hinweisende Zweckmäßigkeit 47 . Für das ästhetische Urteil leuchtet das unmittelbar ein: Wie wir sahen, kann man eben nur dann von einer Schönheitserfahrung im eigentlichen Sinne sprechen, wenn mit der Auffassung des Mannigfaltigen einer Anschauung "ohne Beziehung derselben auf einen Begriff zu einem bestimmten Erkenntniß Lust verbunden ist" (ebd., 189). Würde die Zweckmäßigkeit hier auf einem objektiven Grunde, nämlich auf der Übereinstimmung des vorgestellten Gegenstandes nicht bloß mit den Möglichkeiten unseres Begreifens überhaupt beruhen, sondern mit dem Begriff von einem bestimmten Zweck, dann würden wir eben nicht wie in der Schönheitserfahrung unmittelbar, "ohne Rücksicht auf einen BegrifF' (ebd., 191) 45 Vgl. B.B. Mandelbrot, 1991, 16 u. 34f. 46 Vgl. z.B. ebd., 194ff. 47 Vgl. KU, V, 193 u. 364.
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Lust empfinden. Zwar wird in der Mathematik über die Angemessenheit des anschaulich Vorgestellten durch die Übereinstimmung mit Begriffen entschieden, dennoch darf man - und darin liegt die Ähnlichkeit zwischen ästhetischer und mathematischer Zweckmäßigkeit - in der Mathematik ebensowenig auf "einen von unserer Vorstellungskraft unterschiedenen äußeren Grund" (ebd., 364) oder Naturzweck schließen. Die Tatsache, daß die unendlich vielfältigen Ausführungsmöglichkeiten einer Konstruktionsregel im mathematischen Begriff allein noch gar nicht gedacht sind, sie aber gleichwohl unter einem Prinzip stehen, kann allerdings bei dem noch nicht durch den kritischen Mathematikbegriff Belehrten zunächst - wie Kant in § 62 der Kritik der Urteilskraft an zahlreichen elementargeomtrischen Beispielen demonstriert - die Vermutung aufkommen lassen, daß man diese Einheit mannigfaltiger Auflösungen auf einen "besonderen außer mir am Objekte" befindlichen Zweck zurückführen müsse (ebd., 365). Bedenkt man aber, daß "der Raum, durch dessen Bestimmung (vermittelst der Einbildungskraft gemäß einem Begriffe) das Object allein möglich war, nicht eine Beschaffenheit der Dinge außer mir, sondern eine bloße Vorstellungsart in mir sei" (ebd., 365), dann wird klar, warum die hier angemerkte Zweckmäßigkeit "niemals als Naturzweck", sondern nur als formale (wenn auch objektive) Zweckmäßigkeit betrachtet werden kann (ebd., 366). Da es der Mathematiker selbst ist, der seinem Begriff die ihm korrespondierende Anschauung unterlegt, und er damit über die Fügsamkeit nicht empirisch belehrt wird, sondern sie selbst hervorbringt, ist es nicht erforderlich, die beobachtete Zweckmäßigkeit mittels der "Idee eines Zwecks der Natur" (ebd., 194) teleologisch zu beurteilen.
2.2 Die Mathematik als 'Werkzeug zu beliebigen Zwecken' In theoretischer Hinsicht darf die Übereinstimmung von begrifflicher Bestimmung und anschaulicher Darstellung also nicht dazu verleiten, auf einen dieser Zweckmäßigkeit zugrundeliegenden äußeren Naturzweck zu schließen. Diese Betrachtung des Mathematischen können wir jetzt vervollständigen, weil wir nach Kant auch in praktischer Hinsicht nicht dazu berechtigt sind, der Mathematik über die von ihr als zweckmäßig gesetzten innermathematischen Absichten eine Orientierung an externen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten oder moralischen Zielen zu unterstellen. Denn - so lautet die im Opus Postumum in abweichenden Formulierungen, inhaltlich jedoch in identischen Begriffsbestimmungen immer wieder be-
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gegnende Erklärung: Die "Mathematik ist bloße Instrumentalwissenschaft" und damit ein "Werkzeug" zu beliebigen Zwecken (O.P., XXI, 120). Darunter versteht Kant, wie sich mit der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten zeigen läßt, solche Zwecke, von denen man nicht sagen kann, ob sie "wirklich künftig eine Absicht" werden, "wovon es indessen doch möglich ist" (GMS, IV, 415), daß man sie einmal haben könne. So fordert auch die Mathematik in ihren Konstruktionsanweisungen nur "die Art der Ausführung eines Zwecks", nicht aber die "Bestimmung dessen, was diesen Zweck selbst" ausmacht (E.E., XX, 200) 48 . Und damit geht dann die grundsätzliche Einsicht einher, daß weder die moralisch ausgerichtete Wertfrage noch die auf die praktisch technische Brauchbarkeit der Mathematik zielende Frage in den Horizont mathematischer Problemstellung gehören. Dieser Befund wird sowohl in Kants praktischer Philosophie als auch in der Kritik der Urteilskraft in unterschiedlichen Zusammenhängen ausdifferenziert. Daher verwundert es nicht weiter, wenn in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten auch mathematische Probleme - vornehmlich solche aus dem Bereich der Geometrie - zur Illustration jener Imperative verwendet werden, in denen eine Handlung nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer möglichen Absicht geboten wird. Offenbar liegen den Handlungen, die zur Auflösung mathematischer Konstruktionsaufgaben erforderlich sind, 'Imperative der Geschicklichkeit' oder - wie Kant auch sagt - 'technische Imperative' zugrunde49. So findet sich in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten ein geometrisches Beispiel, durch das verdeutlicht werden soll, daß das Prinzip der 'Imperative der Geschicklichkeit' in Hinsicht auf das Wollen zwar ein analytischer Satz ist, daß aber zum Vollzug der Handlung auf ein Wissen rekurriert werden muß, das durch jenes Prinzip noch nicht gegeben ist: "Daß, um eine Linie nach einem sichern Princip in zwei gleiche Theile zu theilen, ich aus den Enden derselben zwei Kreuzbogen machen müsse, das lehrt die Mathematik nur durch synthetische Sätze; aber daß, wenn ich weiß, durch solche Handlung allein könne die gedachte Wirkung geschehen, ich, wenn ich die Wirkung vollständig will, auch die Handlung wolle, die dazu erforderlich ist, ist ein analytischer Satz" (GMS, IV, 417).
48 In durchaus pädagogischer Absicht mahnt Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten deshalb an, nicht nur fUr "die Geschicklichkeit im Gebrauch der Mittel zu allerlei beliebigen Zwecken" zu sorgen, sondern auch das Urteil "über den Werth der Dinge zu bilden und zu berichtigen" ( G M S , IV, 415). 49 Vgl. GMS, IV, 415f.
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An der "Ersten Einleitung" in die Kritik der Urteilskraft, in der Kant einige Korrekturen an der in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vorgenommenen Einteilung der nicht-kategorischen Imperative vornimmt, wird noch deutlicher, daß die mathematisch-technischen Imperative nur "bedingterweise und zwar unter der Bedingung blos möglicher, d.i. problematischer, Zwecke" gebieten (E.E., XX, 200) 50 . "Die Aufgabe: mit einer gegebenen Linie und einem gegebenen rechten Winkel ein Quadrat zu construiren" (ebd.), ist nach Kant zwar insofern ein praktischer Satz, als er eine Anweisung bedeutet, etwas zu Stande zu bringen, wovon man will, das es sein solle. Da er aber die Handlung nur als Mittel zu etwas anderem, von dem man lediglich sagen kann, daß es "möglich ist, daß man es wolle" (GMS, IV, 414) gebietet, ist dieselbe eben nicht wie in eigentlich praktischen Sätzen für sich selbst notwendig. Er ist im Grunde nur der Formel nach ein praktischer Satz: Denn obwohl in Konstruktionsanweisungen die Möglichkeit des Gegenstandes durch Begriffe, d.h. durch die Kausalität der Willkür bewirkt wird, so basieren die Bestimmungsgründe des Willens hier doch nicht auf dem Freiheitsbegriff wie in eigentlich moralisch-praktischen Vorschriften, sondern auf Sätzen einer vorgängigen Theorie. Sie sind also "nichts weiter, als die Theorie von dem, was zur Natur der Dinge (bzw. hier des Mathematischen) gehört, nur auf die Art, wie sie von uns nach einem Princip erzeugt werden können, angewandt" (E.E. XX, 196). Derart unbestimmt in bezug auf'wirkliche' Zwecke bietet sich die Mathematik aber gerade dazu an, in den Dienst anderer, an sie herangetragener Zwecke genommen zu werden. Prinzipiell gilt das aber - wie gesagt - auch für jede andere Theorie. Auch Naturwissenschaft und empirische Erkenntnis, ja selbst die Philosophie, wenn sie nur als Wissenschaft gesucht wird, sind nichts anderes als bloße 'Geschicklichkeiten zu gewissen beliebigen Zwecken'. Gleichwohl muß der Mathematik unter den möglichen Vernunftkünsten eine Sonderstellung eingeräumt werden. Das zeigt schon der fast emphatische Ton an, in dem Kant im Opus Postumum von der Mathematik als dem "herrlichsten" (O.P., XXI, 490) und "größten Instrument der reinen Venunft" (ebd., 105) spricht. Der Grund für diese überschwengliche Ausdrucksweise ist nach dem bisher Gesagten leicht einzusehen. Die Mathematik ist aufgrund des ihr eigentümlichen, für jede andere Erkenntnisart unerreichbaren Gewißheitsgrades, wie keine andere Lehrart dazu prädestiniert, im 50 G. Büchel betont zu Recht, dafl durch die Selbstkorrektur Kants in der "Ersten Einleitung" der Kritik der Urteilskraft erst eigentlich deutlich wird, daß die "Einteilung der Imperative nicht die logischen Urteilsformen, sondern die Klassifikation der Zwecke als Grundlage hat" (G. Büchel, 1987, 74).
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Namen anderer Zwecke instrumenten gebraucht zu werden, um auf diese Weise auch andere Wissensbereiche an der für sie eigentümlichen Gewißheit partizipieren zu lassen. Warum die meisten Stellen, in denen ausdrücklich von der Mathematik als einem 'Instrument' die Rede ist, dabei im Opus Postumum zu finden sind, ist gleichfalls nicht schwer einzusehen 51 . Es erklärt sich aus der naturphilosophischen Fragestellung des Opus Postumum, das sich wie schon zuvor die Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft unter anderem mit der Frage beschäftigt, welche Rolle der Mathematik im Kontext der Begründung naturwissenschaftlicher Erkenntnis zufällt. Von den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft her ist bekannt, daß die Metaphysik nur in Verbindung mit der Mathematik eine 'reine Naturwissenschaft' begründen kann, das heißt einen solchen Teil der Naturlehre, durch den sich dieselbe allererst als Wissenschaft - im Sinne eines nach "Principien geordnetete Ganze" (MAN, IV, 467) - qualifiziert. Dieser Zusammenhang wird im Opus Postumum erneut (vor allem in den späteren, um 1800 entstandenen Entwürfen) zum ausdrücklichen Gegenstand der Untersuchung 52 . Fast wie ein Leitmotiv hallt die Rede vom 'instrumentalen Gebrauch der Mathematik' hier auf mancher Seite wider 53 . Allerdings scheint Kants Beurteilung nicht immer ganz eindeutig. Schon auf ein und derselben Seite lassen sich erhebliche Schwankungen in der Einschätzung ihres Gebrauchs finden. Sie berühren allerdings nicht das Faktum des Mittelgebrauchs als solches, sondern die Frage, wer sich denn hier eigentlich der Mathematik als ein Werkzeug bedient. Präziser Sie betreffen das Problem, welcher Erkenntnisart der Gebrauch der Mathematik überhaupt zugeschrieben werden muß. Heißt es in dem um 1798 verfaßten Entwurf No.l-No.3 "eta" noch ganz im Sinne der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft, daß der im Dienste der Naturphilosophie konstituierte mathematische Teil der Naturwissenschaft selbst "keinen Theil der Naturphilosophie" (O.P., XXI, 161) ausmache, so wird in den späteren Nachlaßreflexionen den Unterschied zwischen Prinzipien der Konstruktion und mathematischer Konstruktion scheinbar verwischend - behauptet, "daß die Mathematik philosophisch, d.i. als zum Mittel des Fortschreitens in einer anderen Classe nämlich der Philoso-
51 Vgl. G. Büchels Übersicht der Belegstellen zum Terminus 'Instrument' im Opus und in den gedruckten Schriften Kants (G. Büchel, 1987, 101).
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52 In diesem Zusammenhang ist das zwischen 1800 und 1803 entstandene I. Konvolut von besonderer Bedeutung (O.P., XXI, 9-158). 53 Vgl. z.B. O.P., XXI, 69, 70, 73, 95, 105, 109, 112, 115, 120.
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phie gebraucht" (ebd., 139) und der Gebrauch der Mathematik von der (hier sogenannten) Transzendentalphilosophie selbst vollzogen wird 54 . Allerdings folgt meist unmittelbar auf die durchaus zu Mißverständnissen Anlaß gebenden Argumente, in denen Kant die Ingebrauchnahme der Mathematik durch die Philosophie thematisiert, eine Versicherung, daß dies nicht im Sinne einer Verschmelzung beider Vernunftwissenschaften zu verstehen sei. Wenn wir nun den für uns hier wichtigen Grundgedanken herausheben, so kann man sagen, daß es zum einen die Evidenz und zum anderen die - wie Hegel später dazu bemerken wird - "Armut ihres Zwecks" 55 ist, die die Mathematik in Kantischer Sichtweise als 'Vernunftkunst' schlechthin erscheinen läßt.
2.3. Was will die Vernunft mit der Metaphysik? - Zum Problem eines Endzweckes in der Philosophie Der Unterschied zur Philosophie kann, worauf bereits hingewiesen wurde, jedoch nicht darin liegen, daß sich die philosophische Erkenntnis im Gegenzug dazu einer Instrumentalisierung grundsätzlich sperrt. Selbst die Philosophie, wenn man in ihr bloß die Lehre einer Wissenschaft sieht, kann "zu allerlei beliebigen Zwecken" als Werkzeug dienen (JL, IX, 24 ). - So richtig es nach Kant nun aber ist, "Cultur des Talents und der Geschicklichkeit" auch in der Philosophie auszubilden, weil ohne "Kenntnisse" (ebd., 25) nie ein Philosoph werden kann, so wichtig erscheint doch seine prinzipielle Bemerkung, daß sich philosophisches Denken keineswegs in einer bloßen 'Anhäufung von Wissen' erschöpfen darf: "ie werden auch Kenntnisse allein den Philosophen ausmachen, wofern nicht eine zweckmäßige Verbindung aller Erkenntnisse und Geschicklichkeiten zur Einheit hinzukommt und eine Einsicht in die Übereinstimmung derselben mit den höchsten Zwecken der menschlichen Vernunft" (ebd.).
54 Vgl. O.P., XXI, 67 u. 95. Dadurch kann man den Hindruck gewinnen, der Philosophie werde hier weit mehr zugetraut, als vom Standpunkt der Kritik der reinen Vernunft und den M A N her gesehen möglich ist. In gewisser Hinsicht ist diese Vermutung auch durchaus richtig. Der apriorische Vorgriff philosophischer Erkenntnis erstreckt sich hier in der Tat weiter als der in der Kritik der reinen Vernunft abgesteckte Rahmen. Das hängt mit der besonderen Aufgabenstellung des Spätwerks zusammen, die Physik als Wissenschaft, d.h. als System der Erfahrungen nach besonderen Gesetzen zu begründen. S.o.S. 136ff. 55 G.W.F. Hegel, Phänomenologie,
44.
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Im Unterschied zur einzelwissenschaftlichen Forschung kann die Philosophie also in ihrer - wie Kant dazu sagt: "weltbürgerlichen Bedeutung" (JL, IX, 25) - nicht darin aufgehen, ein gegenüber dem eigenen Tun reflexionsloses Werkzeug zu sein. Sie muß vielmehr zu einer "Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntniß auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft" (B 867) werden. Erst wenn der Philosoph nicht mehr nur ein 'Arbeiter am Gebäude der Wissenschaften', sondern auch ein 'Weisheitsforscher' ist, wenn sich das philosophische Denken von einer bloß technischen Übung zu einer "Wissenschaft von der höchsten Maxime des Gebrauchs unserer Vernunft" erweitert, in der die Antwort auf die Frage, "wie viel das Wissen zum letzten Zwecke der menschlichen Vernunft beitrage" (JL, IX, 24), zum Fluchtpunkt ihrer Bemühungen wird, genügt es den Anforderungen der 'Idee der vollendeten Wissenschaft'. Erst dann erlangt die Philosophie nach Kant ihre eigentliche "Würde, d.i. einen absoluten Wert" (ebd., 23), der sie vor allen anderen insbesondere natürlich vor den mathematischen - Wissenschaften auszeichnet. So heißt es in einer der zahlreichen, diese Gegenüberstellung in immer neuen Wendungen variierenden Stellen des Opus Postumunr. "ie Mathematik ist ein bloßes Kunstproduct des Rechnens und indirect und nur mittelbar (bedingt) auf Zwecke gerichtet", dagegen ist die "Philosophie auf absolute Zwecke gerichtet , deren oberster Weisheit sich nicht mit Wissenschaft (der Mittel zu Zwecken) begnügt" (O.P., XXI, 108). Es ist kein Zufall, daß die Kritik der reinen Vernunft diese 'weltbegriffliche' Sichtweise auf die Philosophie im Zusammenhang mit der Architektonik der reinen Vernunft des aufzubauenden "Systems aller philosophischen Erkenntnis" (B 866) erörtert. Nach Kant ist es der "Standpunkt der Zwecke", von dem her der Philosophie allein ihre genuine Aufgabenstellung zukommt und die systematische Einheit ihrer verschiedenen Disziplinen verbürgt werden kann (B 868). Auf dem Standpunkt ihres SchulbegrifTs wäre die Gliederung des gesuchten philosophischen, nach Kant aber noch nirgends voll realisierten Systems nämlich nur 'technisch', d.h. "nach zufällig wahrgenommenen Verwandtschaften" (B 875) zusammengestellt, nicht aber architektonisch, von gesetzgeberisch-normativem Charakter. Vom KaMOH-Kapitel her wissen wir, daß es jene zwei Kardinalfragen "Was kann ich wissen? Was darf ich thun?" (B 833) sind, die den Leitfaden für eine am 'Interesse der Vernunft' 5 6 ausgerichtete Gliederung des Systems der Philosophie abgeben. Demgemäß kennt die Philosophie nur die zwei Gegenstände: Natur und Freiheit, die sie in
56 Vgl. Β 832.
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der Metaphysik der Natur bzw. der Kritik der reinen Vernunft als der vorgängigen Propädeutik zur Metaphysik einerseits und in der Metaphysik der Sitten andererseits zunächst gesondert behandeln darf, dann aber in einem einzigen philosophischen System unter dem Endzweck der Vernunft, die "ganze Bestimmung des Menschen zu finden" (B 868), vereinigen muß. Was darunter näherhin zu verstehen ist, wird an der knappen, zusammengedrängten Fassung des Architektonik-Kap'iteh jedoch nicht eigentlich deutlich. Aus dem vorangehenden Kanon-Kapitel, in dem neben den schon genannten "zwei großen Zwecken, worauf die ganze Bestrebung der reinen Vernunft eigentlich gerichtet" (B 833) ist, noch eine dritte, die menschliche Vernunft wesentlich interessierende Frage aufgeworfen wird, können aber Anhaltspunkte für eine Präzisierung gewonnen werden. Es ist die hier formulierte Frage Kants nach dem Rechtsgrund unserer Hoffnung auf Glückseligkeit, in deren Beantwortung das Hauptanliegen besteht, das die Vernunft mit der Metaphysik verfolgt. Seine Antwort lautet, "daß eben sowohl, als die moralischen Principien nach der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche nothwenig sind, eben so nothwendig" sei, "auch nach der Vernunft, in ihrem theoretischen Gebrauch anzunehmen, daß jedermann der Glückseligkeit in demselben Maße zu hoffen Ursache habe, als er sich derselben in seinem Verhalten würdig gemacht hat" (B 837). Darin ist dann bereits in nuce enthalten, was Kant im Fortgang von der Kritik der reinen Vernunft über die Kritik der praktischen Vernunft, die Kritik der Urteilskraft, und die Fortschritte der Metaphysik bis hin zum Opus Postumum zu immer klarerem Bewußtsein gekommen ist: Die an sich theoretische Frage nach dem 'Endzweck' kann nur am Leitfaden des 'Praktischen' einer positiven Beantwortung nähergebracht werden. Obzwar hier Kants Ausdifferenzierung dieser Grundeinsicht nicht in allen ihren Bezügen nachgefühlt werden kann, soll auf eine andeutungsweise Vergegenwärtigung der Hauptgedanken gleichwohl nicht verzichtet werden. Dabei erweist es sich als zweckmäßig, sich zunächst darüber zu verständigen, welche Rolle finale oder teleologische Denkstrukturen in Kants Philosophie überhaupt spielen. Das teleologische Denken ist bei Kant nicht nur in praktischer, sondern auch in theoretischer Hinsicht von Bedeutung. Es fungiert dort - so könnte man sagen - als ein notwendiges Komplement zum mechanistisch-kausalgesetzlichen Denken. Daß Kant ihm diesen Platz einräumt, hat darin seinen Grund, daß die Gesetzmäßigkeit der in der Kritik der reinen Vernunft formulierten bestimmenden Naturgesetze zwar schlechterdings notwendig und d.h. von objektiver Gültigkeit ist, über die Kon-
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stitution des Gedankens einer Natur überhaupt aber nicht hinausreicht 57 . Damit ergibt sich die Notwendigkeit, den Begriff einer Einheit zu konzipieren, der nicht mit der formalen Einheit der Natur einfachhin identifiziert werden kann, sondern über die allgemeinen transzendentalen Gesetze des Verstandes hinaus die Möglichkeit eröffnet, auch die besonderen empirischen Gesetze "selbst zur Einheit der Verwandtschaft unter ein gemeinschaftliches Princip" (E.E., XX, 209) zu bringen. Daß eine solche Einheit nicht mehr ein Prinzip der bestimmenden Urteilskraft sein kann, ist nach dem bisher zur Reichweite apriorischer Erkenntnis Gesagten offensichtlich. Die Ordnung der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen kann den Erscheinungen hier niemals als a priori bestimmte Gesetzmäßigkeit vorgeschrieben werden. Im Gegensatz zu den allgemeinen Verstandesgesetzen, von denen wir sagen können, daß sich die Natur nach ihnen richtet, dürfen wir im Falle besonderer Naturgesetze nur Verstandesgemäßheit unterstellen, sie aber der Natur keineswegs auferlegen: Sie wird hier vielmehr nur so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte. Damit ist die Zweckmäßigkeit der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit also nur ein 'Prinzip zum Reflektieren' und nicht zum 'Bestimmen' 58 . Und das gilt nicht nur fur den Fall, daß wir uns Zweckmäßigkeit in der Form des Dinges, sondern auch für den Fall, daß wir uns die Gegenstände selbst als Natur- oder Selbstzwecke vorstellen. Denn auch wenn unsere Erkenntnis der Natur auf teleologische Beurteilungen angewiesen ist, weil wir uns nur auf diese Weise in der "grenzenlosen Mannigfaltigkeit" (E.E., XX, 212) der Natur orientieren können, so bleibt doch die 'Zusammenstimmung der Natur zu unserem Erkenntnisvermögen'
57 Obzwar Erfahrung "nach transscendenlalen Gesetzen, welche die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt enthalten, ein System ausmacht: so ist doch von empirischen Gesetzen eine so unendliche Mannigfaltigkeit und eine so große Heterogeneität der Formen der Natur, die zur besonderen Erfahrung gehören würden, möglich, daD der Begrif von einem System nach diesen (empirischen) Gesetzen dem Verstände ganz fremd seyn muß, und weder die Möglichkeit, noch weniger aber die Notwendigkeit eines solchen Ganzen begrifTen werden kann. Gleichwohl aber bedarf die besondere Erfahrung auch diesen systematischen Zusammenhang empirischer Gesetze, damit es für die Urtheilskraft möglich werde, das besondere unter das Allgemeine zu subsumiren, mithin das Aggregat besonderer Erfahrungen als System derselben zu betrachten" (E.E., XX, 203). 58 "er Begrif einer objectiven Zweckmäßigkeit der Natur" dient "blos zum Behuf der Reflexion über das Object, nicht zur Bestimmung des Objects durch den Begrif eines Zwecks" (E.E., XX, 236). Vgl. auch KU, V, 396: "er Begriff eines Naturzwecks seiner objectiven Realität nach durch die VernunA gar nicht erweislich (d.i. er ist nicht für die bestimmende Urtheilskraft constitutiv, sondern für die reflectirende bloß regulativ)".
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bloße Voraussetzung. Wir haben keine Gewähr dafür, daß die Einteilung der Natur nach unseren besonderen Begriffen der Natur tatsächlich gemäß ist. Kurzum: Ob ein Naturvorgang oder Gegenstand diesen bestimmten und keinen anderen Zweck habe, ist letztlich nicht entscheidbar. Vor allem aber kann die Vorstellung eines absoluten Zweckes oder 'Endzweckes' der Natur niemals theoretisch-dogmatisch gesichert werden 59 . Ein solches Unbedingtes in der Reihe der Zwecke übersteigt nach Kant bei weitem "alle unsere teleologische Naturerkenntniß" (KU, V, 378), muß doch der "Zweck der Existenz der Natur" selbst "über die Natur hinaus" (ebd.) als ein Übersinnliches gesucht werden, von dem es gemäß dem Kantischen Diktum "noumenorum non datur scientia" (Fortschr., XX, 293) keine theoretisch-dogmatische Erkenntnis geben kann. Aber in praktisch-dogmatischer Hinsicht wird der Begriff des letzten Zwecks im Sinne des 'höchsten zu befördernden Gutes' 6 0 unumgänglich. Er ist notwendig, weil er sich der sittlich-moralischen Vernunft als "Object eines durchs moralische Gesetz bestimmbaren Willens" einstellt und sich darum wenigstens als "praktisch" "möglich" (KpV, V, 122) denken lassen muß. Eine erste, der Komplexität des Problems allerdings noch nicht ganz angemessene Darstellung dieser Zusammenhänge findet sich in dem schon erwähnten /Tawcvi-Kapitel der Kritik der reinen Vernunft, und zwar im Übergang von der schon zur Moralphilosophie gehörenden Behandlung der Frage 'was soll ich tun?' zu der sich an sie anknüpfenden Untersuchung des Zusammenhangs von Sittlichkeit und Glückseligkeit. Daß ein solcher Zusammenhang in der Tat bestehen muß, aber nicht offen zu Tage liegt, macht die Schwierigkeit dieser Untersuchung aus. Sie besteht näherhin darin, daß Glückseligkeit weder als Bestimmungsgrund noch als sinnlich erscheinende Folge moralisch bestimmten Handelns aufgefaßt werden kann und darf. In nuce ist damit schon jene scheinbare Ausweglosigkeit beschrieben, in welche die praktische Vernunft gerät, wenn sie Glückseligkeit und Tugend in eine Verbindung zu bringen sucht, und die Kant in der Kritik der praktischen Vernunft unter dem Titel einer "Antinomie der praktischen Vernunft" exponiert 6 Sie etwa dadurch beheben zu wollen, daß man in der Weise der epikureischen und stoischen Schule die Verbindung von Glückseligkeit und Tugend schlicht nach dem "Gesetz der Identität" betrachtet, so daß entweder schon, "sich seiner auf Glückseligkeit führenden Maxime bewußt sein", Tugend oder "sich seiner Tugend 59 Vgl. Fortschr., XX, 294 u. ÜTP, VIII, 159. 60 Vgl. z.B. KpV, V, 125. 61 Vgl. ebd. 113f.
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bewußt sein" (ebd., 111), Glückseligkeit heißt, kann, wie der "Dialektik der reinen praktischen Vernunft" zu entnehmen ist, kein wirklicher Ausweg sein. Die "Maximen der Tugend und die der eigenen Glückseligkeit in Ansehung ihres obersten praktischen Princips ganz ungleichartig" (ebd., 112), so daß eine Verbindung von Tugend und Glückseligkeit, wenn sie denn möglich ist, nur als "synthetische" und d.h. durch das Prinzip der "Causalität" 62 bestimmte, aufgesucht werden kann. Schließlich kann man sich des Problems auch nicht dadurch entledigen, daß man gleich auf die praktische Unmöglichkeit des höchsten Gutes schließt. Dann wäre - so Kant - "auch das moralische Gesetz, welches gebietet dasselbe zu befördern, phantastisch und auf leere eingebildete Zwecke gestellt, mithin an sich falsch" (ebd., 114). Es ist - so paradox dies zunächst auch klingen mag - unumgänglich: Die im höchsten Gut vorgestellte Verbindung von Glückseligkeit und Sittlichkeit muß sich nach Kant als eine praktisch mögliche "Form der Causalität" (ebd.) ausweisen lassen, in der die Sittlichkeit, für die das moralische Gesetz der "alleinige Bestimmungsgrund des Willens" (ebd., 109) ist, als Bedingung unserer Bewerbung um Glückseligkeit fungiert, so wie die letztere in diesem Zusamenhang die "moralische bedingte, aber doch nothwendige Folge" (ebd., 119) darstellt 63 . Möglich ist dies dann, wenn die Verbindung zwischen Glückswürdigkeit und einer ihr proportionierten Glückseligkeit nicht als eine der phänomenalen, sondern der 'intelligiblen Welt' gesucht wird. Genau dies ist der Punkt, von dem der Kantische Lösungsweg seinen Ausgang nimmt. Es ist jener Gang, der dann in den Fortschritten der Metaphysik als "praktisch-dogmatischem Überschritt zum Übersinnlichen" namhaft gemacht und das den "ganzen Zweck der Metaphysik erfüllende Stadium" (Fortschr., XX, 296) genannt wird. Hier soll sich nachweisen lassen, daß die übersinnlichen Ideen von Gott und Unsterblichkeit, die in theoretischer Hinsicht bloß von problematischer Bedeutung sind, eine 'konstitutive' Funktion dadurch erhalten, daß sie als Garant für die "Verständlichkeit eines uns durchs moralische Gesetz aufgegeben Objects (des höchsten Guts)" (KpV, V, 126) dienen. So kommt es, daß die Metaphysik in ihrem Versuch, den 'Endzweck der praktischen Vernunft' zu bestimmen, zu guter
62 Vgl. ebd. 111. 63 Im Begriff des 'höchsten Guts' sind damit zwei zusammengehörige, aber nichtsdestoweniger in inhaltlicher wie auch in formal-funktionaler Hinsicht strikt zu unterscheidende - in der "Dialektik der praktischen Vernunft" unter den Namen eines "obersten" und "vollendeten" Gutes geführte - Momente zu denken (vgl. ebd., 110).
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Letzt bei Kant in eine Ethikotheologie64 mündet. Ganz offensichtlich besitzt sie gegenüber der spekulativen Theologie den Vorteil, daß sie im Zusammenhang mit unserer moralischen Bestimmung, das höchste Gut in der Welt zu befördern, auf den Begriff "eines einigen, allervollkommensten und vernünftigen Urwesens führ" (B 842). Gleichwohl handelt es sich hierbei nicht um ein theoretisches Wissen, sondern um einen in praktischen Postulaten ausgesprochenen Vernunftglauben von bloß subjektiver Gewißheit65. Bei diesen kurzen Bemerkungen zu Kants moraltheologischer Konzeption kann man es im Kontext unserer Fragestellung belassen. Denn für sie wesentlich ist allein die Tatsache, daß der 'Endzweck', auf den die ganze Metaphysik hin ausgerichtet sein soll, bloß ein Begriff der praktischen Vernunft ist, weshalb "kein Gebrauch von diesem Begriff möglich , als lediglich für die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen" (KU, V, 454f.). Die moraltheologische Konzeption ist ein Zeugnis dafür, daß "Vernunft und mit ihr die Philosophie eine praktische Bestimmung haben" 66 , daß also Wissenschaft in der Philosophie nicht als Selbstzweck gesucht, sondern in den Dienst einer über sie hinausweisenden Aufgabe gestellt wird, nämlich die Frage zu klären, wieviel "das Wissen zum letzten Zwecke der menschlichen Vernunft beitrage" (JL, IX, 24). Philosophie in diesem Sinne soll sich als 'Weisheitslehre' begreifen, die ihr Telos in einer Bindung der Erkenntnis an wesentliche, zuletzt moralische Zwecke sieht. Es wäre nun allerdings ein grobes Mißverständnis, würde man daraus folgern, daß es der Philosophie über ihre Orientierung auf "absolute Zwecke", deren "Oberster Weisheit" (O.P., XXI, 108), d.h. die "Zusammenstimmung des Willens 64 Die Ethikotheologie ist nach Kant nicht mit einer "theologischen Ethik" zu verwechseln, welche "unmöglich" (KU, V, 485) ist, weil sie 'Gesetze' enthalten mUQte, die "das Dasein eines höchsten Weltregierers voraussetzen" (B 660) und damit nicht von der Vernunft "ursprünglich selbst" (KU, V, 485) gegeben sein können. Das "moralische Argument" der Ethikotheologie soll hingegen überhaupt "keinen objectiv= gültigen Beweis vom Dasein Gottes an die Hand geben, nicht dem Zweifelsgläubigen beweisen, daß ein Gott sei; sondern daO, wenn er moralisch consequent denken will, er die Annehmung dieses Satzes unter die Maximen seiner praktischen Vernunft aufnehmen müsse" (KU, V, 450f.). Mithin enhält sie nur ein "subjectif, für moralische Wesen, hinreichendes Argument" (ebd., 451). 65 In verschiedenen Zusammenhängen werden diese Gedanken im Kantischen Werk ausgearbeitet: Neben dem zweiten und dritten Abschnitt des Kanonkapitels der Kritik der reinen Vernunft im zweiten Hauptstück der "Dialektik der praktischen Vernunft" der Kritik der praktischen Vernunft, in den §§ 86-88 der Kritik der Urteilskraft und in der Preisschrift von 1791. 66 D. Henrich, 1966, 58.
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zum Endzweck (dem höchsten Gut)" (Fr.i.d.Ph., VIII, 418) ist, möglich wäre oder gar 'aufgetragen' ist, eine konkrete Anleitung zur Erreichung derselben an die Hand zu gebea Nach Kant gibt es bisher noch keine Philosophie, die selbst schon 'Weisheit' genannt werden könnte. Sie ist eine bloße Idee, welche "objectiv in der Vernunft allein vollständig vorgestellt wird, subjectiv aber, für die Person, das Ziel seiner unaufhörlichen Bestrebung" (KpV, V, 109) ist. Ihre Vorstellung in individuo·. der "vollendetepraktische Philosoph" (JPR, VIII, 441), derein "Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel" (JL, IX, 24) wäre, bleibt für die menschliche Vernunft laut der Lehre vom "Ideal der reinen Vernunft" (B 595ff.) ein sich nur im höchsten Wesen erfüllendes Ideal, das zwar als "Richtmaß unserer Handlungen" dient, "womit wir uns vergleichen" und "beurtheilen", das wir aber "niemals erreichen können" (B 597). Es ist eine Einsicht, die neben der Kritik der praktischen Vernunft vor allem im Opus Postumum aufgegriffen und weiter ausgedeutet wird 67 . Wenn Kant hier genauer zwischen 'Weisheit', 'Liebe zur Weisheit' und 'Weltweisheit' bzw. 'Weltweisheitslehre' differenziert, dann ist das nicht Ausdruck einer übertriebenen Spitzfindigkeit. Wir finden darin vielmehr das Bemühen dokumentiert, sich erneut über Eigenart und Zielrichtung des philosophischen Denkens Rechenschaft abzugeben. Es hieße den Sinn dieser Nachlaßreflexionen zu verfehlen, würde man sie als sich wiederholende Begriffsexpositionen nach dem einmal festgeschriebenen Index der Kritik der reinen Vernunft auffassen. Man wird dabei zwar zunächst einige Schwankungen, dann aber doch einheitliche Konturen eines Begriffs entdecken. Die gemeinsame Basis dieser Expositionen ist der weitergehende Versuch, die Eigentümlichkeit der philosophischen Denkbemühung durch ihr Verhältnis zur Wissenschaft (scientia) einerseits und zur Weisheit (sapientia) andererseits zu klären 68 . Wie noch deutlicher zu sehen sein wird, dient dieser kontrastierende Vergleich in mehrfacher Hinsicht dazu, einer angemaßten, nicht zu rechtfertigenden Selbsteinschätzung des philosophischen Denkens entgegenzuwirken. Er schließt sich damit zwanglos an das bisher Gesagte zur Eigentümlichkeit philosophischer Denkbemühung an. Wenn Kant wiederholt mit Verweis auf den antiken Wortgebrauch anmerkt, daß 'Liebe zur Weisheit' eine für die Sache der Philosophie weitaus angemessenere Bezeichnung ist als 'Weisheit' oder 'Weisheitslehre', dann ist das in mehrfacher 67 Vgl z.B. KpV, V, 194f. u. O.P., XXI, 120: "Weise zu seyn ist mehr als der Mensch von sich rühmen kann aber doch wornach er streben und als Ideal befolgen muQ". Vgl auch O.P., XXI, 157: "Sophus (der Weise) ist blos ein Ideal und nur einzig". 68 Vgl. z.B. O.P., XXI, 128.
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Hinsicht Ausdruck einer Selbstbeschränkung oder "Bescheidenheit" (O.P., XXI, 130). Es zeugt von seinem Bemühen, strikt zwischen dem Ideal der 'vollkommensten Vernunft', die "lles Gute weis will und durch diesen Willen vermag" (ebd., 124) und dem, was der menschlichen Vernunft möglich ist, zu unterscheiden. Daß wir Kant zufolge nur nach Weisheit streben, sie aber nie erreichen, wurde schon anhand obiger Stellen aus der Kritik der praktischen Vernunft gezeigt. Das liegt darin begründet, daß wir weder in praktischer Rücksicht schon "die Zusammenstimmung des Willens zum Endzweck" an uns selbst erfüllen noch in theoretischer Hinsicht den Anspruch erheben können, ein 'Meister in Kenntnis der Weisheit', d.h. im Besitz einer Lehre zu sein, "sich selbst und andere zu bessern Menschen zu machen" (ebd., 120) 69 . Die Vorstellung einer inhaltlich-konkreten Pflichtenlehre im Sinne einer moralischen Rezeptologie für das Handeln wird durch Kants praktische Philosophie als unhaltbar zurückgewiesen. Im Lichte von Kants überaus restriktiver Moralbegründung, die eine rein formale Überprüfung der Moral vorstellt und damit den endgültigen Verzicht auf alle inhaltsethischen Ansätze im Sinne eines bestimmten Orientierungswissens leistet, wird verständlich, warum bei Kant der Weisheitsbegriff und mit ihm jede Vorstellung, wie und auf welchem Wege eine für die 'Weisheit' charakteristische 'Zusammenstimmung des Willens zum Endzweck (dem höchsten Gut)' zu erreichen sei, inhaltlich unbestimmt bleiben muß 7 0 . Wir würden mit einer über das Gebot, zur Hervorbringung des höchsten Guts "alles Mögliche beizutragen" (KpV, V, 119), hinausgehenden inhaltlichen Bestimmung der Mittel zur Erreichung dieses Ziels beanspruchen, mehr zu wissen, als wir einzulösen möglich in der Lage sind. Es hieße nicht nur, einen Maßstab zur Überprüfung der Pflichtgemäßheit unserer je eigenen Handlungsmaximen an der Hand zu haben, sondern einen intersubjektiven oder sogar transsubjektiven Maßstab fur die moralische Beurteilung von Handlungen zu reklamieren. Das käme einem Rückfall in eudämonistische Moralvorstellun69 Es ist vielleicht nicht überflüssig, noch einmal hervorzuheben, daß im Kantischen Verständnis von 'Weisheit' die praktische Dimension stark akzentuiert wird. Sie meint nicht nur das vollendete theoretische Wissen um die letzten Zwecke, sondern zugleich auch die Erfüllung derselben in praktischer Hinsicht. Er hebt damit eine Bedeutungskomponente hervor, die in der griechischen Weisheitstradition zwar zunächst dominierte, aber durch die auf Aristoteles zurückgehende wissenschaftsförmige Auslegung des Weisheitsbegriffs zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde, so daß man unter dem 'Weisen' schließlich wie - W. Welsch bemerkt nur noch eine "Figur ausschließlich theoretischen Wissens" verstand (W. Welsch, 1989, 221). So auch G. Bien, 1989, 39-53 und L. Honnefelder, 1989, 70. 70 Vgl. R. Piepmeier, 1989, 122: "o von Weisheit noch gesprochen wird, wie z.B. bei Descartes und Kant bleibt der Begriff, gemessen an der sonst ausgearbeiteten Fülle dieser Philosophien, verhältnismäßig unbestimmt."
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gen gleich, in der eine der Sittlichkeit entsprechende Glückseligkeit nicht bloß ein Gegenstand der Hoffnung, sondern ein 'in the long run' zu bewirkender Zustand ist. Kants Zurückhaltung hinsichtlich einer deflatorischen Bestimmung von 'Weisheit' ist damit keineswegs als ein 'Defizit' angeblich verwissenschaftlichter, sich in den Dienst 'instrumenteller' Vernunft stellender Philosophie zu beklagen. Sie ist auch nicht Ausdruck eines schlichten, durch eine einseitige Orientierung am naturwissenschaftlichen Denken bedingten Desinteresses an der Nachfrage nach 'Weisheitsdimensionen' der Philosophie, sondern Ergebnis einer kritischen Selbstbeschränkung, in der - mit Nietzsche zu reden - eingesehen ist, daß der "Philosophen-Anspruch auf Weisheit, der hier und da einmal auf Erden gemacht worden" ist, der "tollste" und "unbescheidenste" aller Ansprüche ist 71 . 'Weisheit' ist bei Kant ein so hochgegriffener, die Möglichkeiten der diskursiven Erkenntnisweise der Philosophie übersteigender Begriff, daß er sich als Zielbegriff sowohl dem theoretischen Zugriff als auch den Möglichkeiten menschlicher Praxis notwendigerweise entziehen muß 7 2 . In der gegenwärtigen Diskussion um das Verhältnis von Philosophie und Weisheit, in der man sich nicht selten zustimmend oder distanzierend auf die Kantische Position beruft, wird dies nicht immer deutlich genug gesehen 73 . Das kommt nicht zuletzt daher, daß in diesem Zusammenhang immer wieder eine bestimmte Textstelle bemüht wird, die ohne die erforderliche Einbettung in das Kantische Denken zu Mißverständnissen Anlaß geben kann. Gemeint ist der letzte Passus der Kritik der praktischen Vernunft, in dem Kant über die Trias von Weisheit, Philosophie und Wissenschaft schreibt: "Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt, wenn unter dieser nicht blos verstanden wird, was man thun, sondern was Lehrern zur Richtschnur dienen soll,
71 F. Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft, 606. Auch W. Welsch weist in seiner Konzeption von Weisheit als 'Denken der Pluralität' auf diese Stellen aus der Fröhlichen Wissenschaft hin (vgl. W. Welsch, 1989, 217). 72 Vgl. O.P., XXI, 131: "Weisheit ist die Eigenschaft der Vollkommensten Vernunft es sey der theoretischen oder auch moralisch/Vpractischen Verhältnisse. Ob es ein Wesen von solchem Range gebe: Ob, wenn es ist hievon eine Species gedacht werden könne oder der Weise einzig sey liegt über die Sphäre unserer Kentnisse hinaus". Eigentlich miiOte Kant deshalb ganz darauf verzichten, von Weisheit als dem Telos philosophischer Denkmühung zu sprechen. Legitimerweise ließe sich ja so nur reden, wenn wir nicht nur einen negativen, sondern bereits einen bestimmten Begriff vom Endpunkt philosophischer Denkbemühung hätten. 73 Vgl. z.B. den von W. Oelmüller herausgegebenen Band Philosophie und Weisheit (1989).
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um den Weg zur Weisheit, den jedermann gehen soll, gut und kenntlich zu bahnen und andere vor Irrwegen zu sicheren" (KpV, V, 163). Nicht nur scheint Kant hier doch - dem bisher Gesagten entgegen - die Möglichkeit eines zur Weisheit führenden Weges einzuräumen, sondern er scheint sogar, was nicht weniger schwer wiegt, die Auffassung zu vertreten, daß dieses Ziel auf dem Weg der Wissenschaft erreichbar sei. Damit solle, wie W. Welsch meint, die Weisheit "hinter der »engen Pforte«" nach Kant selbst noch einmal "wissenschaftsförmig"74 entfaltet werden. Und damit dieser Herrschaftsanspruch durchgesetzt werden könne, rufe er, was "die Sache vollends zwanghaft" 75 mache, gegen die "Philosophen der Vision" (Vor. Ton, VIII, 403), den sogenannten 'Mystagogen', nach einer "Polizei im Reiche der Wissenschaften" (ebd., 404) im Sinne "bestallte Rationalitätshüter", denen es obliegen soll, Rationalitätsstandards zu schützen und zu gewährleisten, damit "auch wirklich alles von Grund auf und bis ins Letzte hinein kommunizierbar"76 ist. Erinnern wir uns jedoch an das zur mathematischen und philosophischen Denkweise und der philosophischen Möglichkeit eines methodisch gesicherten Wissens Gesagte, dann verliert diese Beurteilung des Kantischen Ansatzes sogleich an Plausibilität. Kants Rede von Wissenschaft als einem "Organ der Weisheit" (JL, IX, 26) kann nach den hier gefundenen Resultaten unmöglich als eine szientistische Engfuhrung des Philosophiebegriffs auf die Form letztbegründender Wissenschaft gemeint sein. Es ist gerade das Verdienst der Kantischen Philosophie, daß sie jedweder Philosophie mit Endgültigkeitsanspruch eine deutliche Absage erteilt. Streng genommen läßt sich ja nach Kant nur für die Mathematik der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, d.h. auf ein methodisch durch Definitionen, Axiome und Demonstrationen gesichertes Wissen rechtfertigen, gelangt doch nur sie aufgrund ihres apriorischen Anschauungbezuges zu einer adäquaten Begrifflichkeit, d.h. zu einem Begriffsgebrauch, in dem, zeichentheoretisch gesprochen, all das, was das Zeichen bedeuten soll, durch den Signifikanten schon selbst bezeichnet ist. Außerhalb der Mathematik kann der Definitions- und Begründungsprozeß nur abgebrochen wer-
74 W. Welsch, 1989, 222. 75 Ebd., 188. 76 Ebd. Diese Einschätzung erklärt, warum sich Welsch in seinem Versuch, eine "auf heutige Wirklichkeitsverhältnisse zugeschnittene Weisheitsform" zu entwickeln, die als begriffene Selbstbescheidung und Gerechtigkeit gegenüber der Pluralität von Rationalitäten zur Ablehnung jeder Form eines sich als letztgültiges Wissen aufspreizenden 'Monorationalismus' fuhrt, nicht auf Kant, sondern Diderot, Nietzsche und gegenwärtige metaphysikkritische Positionen (J.-F. Lyotard, Ν. Goodman) beruft. Vgl. W. Welsch, 1989, 227ff.
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den, so daß sich der terminale Punkt hier immer nur als vorläufiger, niemals als prinzipieller, von der 'Sache' selbst bestimmter Abschluß erweist. Man verfehlt also die entscheidende Dimension der Kantischen Sichtweise, wenn man den von Kant herausgestellten Zusammenhang zwischen Weisheit und Wissenschaft als Plädoyer für eine Fortsetzung der Cartesianischen Metaphysisk mit anderen Mitteln liest, die im verwissenschaftlichten Rationalismus der Wölfischen Philosophie ihre dogmatische Ausprägung erhalten hatte. Kant ist weit davon entfernt, einer Orientierung am Modell mathematischer Wissenschaft das Wort zu redea Wenn er "Weisheit ohne Wissenschaft" einen "Schattenriß von einer Vollkommenheit" (JL, IX, 26) nennt und damit auch für die Philosophie wissenschaftlichen Charakter in Anspruch nimmt, dann legt er einen schwächeren Begriff von Wissenschaft zugrunde, der mit dem engeren, auf die mathematische Wissenschaft eingeschränkten WissenschaftsbegrifT als gemeinsames Merkmal nur die Begriffsbemühung teilt. Das läßt sich besonders gut an der späten Schrift Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie (1796) erkennen. Für uns enthält sie so etwas wie ein letztes Wort zur Sache, das wir zur abschließenden Verständigung über unser Thema und die bis heute strittigen Fragen nach der 'Wissenschaftsförmigkeit' von Philosophie (der 'kritischen' eingeschlossen) heranziehen. Offensichtlich macht Kant den Wissenschaftscharakter der Philosophie nicht an dem fur die Mathematik eigentümlichen strengen, methodisch gesicherten Aufbau, sondern an der 'Arbeit des Begriffs' fest - einer Begriffsarbeit, die zwar nicht wie in der Mathematik zu einem definitiven Ende fuhrt, aber darum auch nicht schlicht nach Art der 'Misologen', "welche anfangs mit großem Fleiße und Glücke den Wissenschaften nachgegangen waren, am Ende aber in ihrem ganzen Willen keine Befriedigung fanden", übersprungen werden darf (JL, IX, 26). Mit der Hervorhebung des wissenschaftlichen Geistes ebenso strenger wie mühevoller 'Begriffsforschung' (denn darum handelt es sich) wendet sich Kant gegen den 'vornehmen' Duktus eines Philosophierens, das mit Berufung auf den "Einfluß eines höheren Gefühls" einen unmittelbaren Zugang zum Übersinnlichen für sich reklamiert, ohne diesen "durch Sprache allgemein mittheilen zu können" (Vor. Ton, VIII, 389). Anstatt sich zunächst, wie es die kritisch gewordene Philosophie gebietet, Rechenschaft über unsere Erkenntnismöglichkeiten zu geben, nimmt sich ein solches 'Denken' - die Arbeit am Begriff transzendierend - unstatthafterweise her-
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aus, durch besondere theoretische Kräfte in einer visionären Sicht der Wahrheit habhaft werden zu können. Aus dem Fortgang der Schrift über den 'Vornehmen Ton' wird ersichtlich, gegen welche historische Gestalt des Philosophierens sich die Kantische Kritik richtet. Vordergründig bezieht sie sich auf den durch seine Übersetzung und Kommentierung der Platonischen Briefe hervorgetretenen und von Kant abfallig als "Afterplato" (ebd., 399) bezeichneten Goethe-Schwager Johann Georg Schlosser. Im Kern ist sie aber eine Auseinandersetzung mit der platonisch-pythagoreischen Tradition der Metaphysik. Auch hier, den rationalistischen Systemen durchaus vergleichbar, sei - so Kant - ein falsches Verständnis des Mathematischen für die Fehleinschätzung des Philosophischen verantwortlich: Die an geometrischen Figuren und Zahlen beobachtete Zweckmäßigkeit, bei der es sich, wie wir oben sahen, ja um eine bloß formale und nicht um eine inhaltlich-teleologische handelt, habe bei Plato und Pythagoras, weil sie meinten, in ihr etwas "Überschwenglich=Großes" (ebd., 393) sehen zu können, die "Aufmerksamkeit, als auf eine Art der Magie" (ebd., 392) erweckt und damit (wie J. Derrida die Kantische Kritik aufgreifend feststellt) einer "mathematisch denkend Mystik" 77 Vorschub geleistet, d.h einer schwärmerischen Philosophie Tür und Tor geöffnet. Auch wenn sie sich hinsichtlich der 'Verfahrensweise' von der verwissenschaftlichten Metaphysik des neuzeitlichen Rationalismus kaum krasser unterscheiden könnte: im Endgültigkeitsanspruch steht die 'philosophia per inspirationem* - wie Kant sagt - der 'philosophia more geometrico demonstrata' in nichts nach. Beide beanspruchen, in den Besitz einer letzten Einsicht oder Durchsicht gelangen zu können, die eine durch den Begriff, die andere im "salto mortale" "von Begriffen zum Undenkbaren" (ebd., 398) springend. Und beide verkennen damit, daß Philosophie "herculische Arbeit" (ebd., 390) am Begriff ist und bleiben muß - mithin weder durch Adaption der mathematischen Methode noch durch einen besonderen theoretischen Zugang - einer symbolisch-mystischen Deutung des Mathematischen etwa zu dem Punkt gelangt, in dem alle Fraglichkeit endgültig getilgt ist. Mit diesem falschen Ideal eines absoluten Endes im Denken würde die Philosophie geradezu ihre eigene Nichtigkeit besiegeln, denn indem man zum Erkennen der Sache zu kommen sucht, so wie sie an sich und nicht nur fur uns ist, strebt man einen Ausweg aus der Horizont- und Zeitbedingtheit unserer Interpretationen und damit aus der
77 J. Derrida, 1985, 40.
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Diskursivität selbst an. Die vollendete Weisheit wäre damit - wie Kant überaus tiefsinnig bemerkt - der 'Tod aller Philosophie" (ebd., 398). Das bedeutet eine erstaunliche Umkehrung in der Bewertung: Nicht die prinzipielle Unabschließbarkeit diskursiver Erkenntnis, sondern der für die abendländische Metaphysik grundlegende Gedanke einer letzten Antwort wird als Ende der Philosophie enthüllt78. Diese Dimension der Kantischen Philosophie gilt es zu berücksichtigen, wenn man sich darüber verständigen will, welche Bedeutung der Transzendentalphilosophie für das gegenwärtige Philosophieren zukommen kann 79 .
78 Diese Aspekte des Kantischen Denkens werden in neuerer Zeit vor allem in der Deutungsperspektive von J. Simon gewürdigt. Vgl. z.B. ders., 1986, 489-519. 79 S.u.S. 186-195.
V. Fazit und Ausblick: Die unterschiedlichen Modi der Unabschließbarkeit von Mathematik und Philosophie
In kritischer Einstellung kann der Anspruch auf objektive Gültigkeit nur im Hinblick auf die Möglichkeit gerechtfertigt werden, daß wir eine Mannigfaltigkeit anschaulicher Präsentationen durch sukzessive Synthesis in einer der transzendentallogischen Verstandesformen als bestimmt ansehen und dadurch in die Einheit eines Gegenstandes zusammenfassen. Dieses Ergebnis ist, wie gezeigt wurde, äußerst restriktiv, besagt es doch, daß die Begründung von Wahrheit nur als Formulierung allgemeiner Bedingungen der Denkmöglichkeit objektiver Gültigkeit gelingen kann. Darin liegt zum einen: Empirische Bestimmungen sind nur insoweit als objektiv gültig begründbar, als es sich um kategorial bestimmte Anschauungsmannigfaltigkeit handelt, nicht aber in bezug auf den konkreten Inhalt eines empirischen Urteils1. Und darin liegt zum anderen: Die Mathematik bleibt aufgrund ihres apriorischen Anschauungsbezuges, durch den sie mit ihren Begriffen zugleich auch immer schon ihren speziellen Gegenstand a priori hat, das einzige Paradigma einer Wissenschaft, die Wahrheit im Sinne der traditionell-ontologischen Adäquationstheorie erreichen kann: Sie muß nicht wie die Philosophie in ihren Begriffsbestimmungen bloße Abbreviatur bleiben und die Norm der adaequatio als unerfüllbares Ideal der Erkenntnisbemühung zurückweisen. Erstreckt sich die Möglichkeit einer Rechtfertigung von Objektivität nämlich nur auf das beschränkte Terrain kategorial bestimmter Anschauungsinhalte, dann ist klar, daß der in der Kritik der reinen Vernunft entwickelte und begründetete Begriff der objektiven Gültigkeit nicht für die philosophische Denkungsart selbst in Anspruch genommen werden kann. In ihr muß 'Wahrheit' schon deshalb unerreichbar bleiben, weil von vornherein entschieden ist, daß sie aufgrund ihres fehlenden Anschauungsbezuges keinen Anspruch auf objektive Gültigkeit erheben darf. 1
Denn dazu brauchte man nicht nur ein formales, sondern ein allgemeines materiales Wahrheitskriterium. Ein solches läflt sich nach Kant aber schon deshalb nicht verlangen, "weil es in sich selbst widersprechend ist" (B 83). S.o.S. 94Π".
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Philosophisches Denken ist und bleibt nach Kant darum ein bloß diskursives, von gegebenen Begriffen ausgehendes und diese verdeutlichendes, aber niemals letztgültig ausdeutendes und zur 'Sache selbst' kommendes Interpretieren. Dies ist, wie man nun wohl sagen darf, der entscheidende Punkt, in dem Kants Grenzbestimmung zwischen Mathematik und Philosophie kulminiert. Man sieht daran, daß die Zurückweisung der Vorstellung einer more geometrico verfahrenden Philosophie zu einer Ablehnung jeglicher Philosophie mit Endgültigkeitsanspruch wird. Wenn Kant mit polemischer Stoßrichtung gegen die 'Methodensucht' der Wolffschen Metaphysik schreibt, daß "es sich für die Natur der Philosophie gar nicht schicke, vornehmlich im Felde der reinen Vernunft, mit einem dogmatischen Gang zu strotzen und sich mit Bändern der Mathematik auszuschmücken, in deren Orden sie doch nicht gehört" (B 763), dann ist dies eben nicht nur eine Kritik an einer obsoleten, bestimmten historischen Gestalt der Philosophiegeschichte. Die Kritik ist prinzipiell. Und eben darin besteht, trotz der Rede vom angeblich gefallenen Kurswert des Kantischen Denkens, die Aktualität der Kritik der reinen Vernunft, eine Abweisung jeglicher Prätention auf Letztbegründung in der Philosophie zu sein. Ein solcher Anspruch muß nach Kant notwendigerweise unerfüllt bleiben, weil es für das Denken bloß in Begriffen - wie es für die philosophische Erkenntnisweise charakteristisch ist - keinen festen oder terminalen Punkt gibt, in den die Interpretationsbewegung philosophischer Begriffsverdeutlichung einmündet. Aus dem Gang unserer vergleichenden Untersuchungen ist verständlich geworden, warum auch bei der letzten Bestimmung einer philosophischen Begriffserklärung erneut die Frage nach der Bedeutung aufkommen kann. Während in der Mathematik die Zeichen für die Sache selbst genommen werden können, weil sie prinzipiell nichts anderes bedeuten sollen als das, was durch ihre Konstruktion in reiner Anschauung dargestellt wird, erwachsen philosophische Begriffsbestimmungen aus einem problematisch gewordenen Vorverständnis, das zwar in eine deutlichere Vorstellung überführt, niemals aber im Sinne der 'Realdefinition' ausgedeutet werden kann. Vielmehr bleibt die Bewegung von 'gegebenen' Begriffen zu anderen, sie interpretierenden Begriffen, ein nur nach Maßgabe bestimmter, zuletzt individueller Zwecke, beendbarer Interpretationsprozeß. Denn obwohl eine Begriffsverdeutlichung unter der Annahme geschieht, daß das Resultat gegenüber der Anfangsbestimmung allgemein besser sei, gibt es keinen allgemeinen Prüfstein dafür, daß es sich nicht nur um eine Meliorisierung für den je individuellen Verstehenshorizont,
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Fazit und Ausblick
sondern darüber hinaus um eine interindividuell gültige und zeitlose Verbesserung handelt2. Dieser Punkt verdient im Blick auf die allerdings mißverständliche Rede vom 'Kurswert' des Kantischen Denkens unser gesondertes Augenmerk. Ein eindringliches Zeugnis dafür, daß bereits bei Kant die 'Beziehung aufs Objekt' auch nicht über den Umweg der Intersubjektivität erreicht werden kann, findet sich im dritten Abschnitt des ίΤαηοη-Kapitels "Vom Meinen, Wissen und Glauben" der Kritik der reinen Vernunft, und zwar im Zusammenhang seiner Überlegungen zu dem, was eine 'Überzeugung' ist. Über sie heißt es hier, daß sie ein Fürwahrhalten sei, das auf "objectiven Gründen" beruhe, fur das also nicht die "besondere Beschaffenheit des Subjects" (Β 848) bestimmend ist. Dies ist Kant zufolge dann der Fall, wenn es "für jedermann gültig ist, so fern er nur Vernunft hat" (ebd.). Obwohl der "Probirstein des Fürwahrhaltens, ob es Überzeugung oder bloße Überredung sei", nach Kant "die Möglichkeit, dasselbe mitzutheilen" (B 848), ist, kann aufgrund der Zustimmung zu den Gründen des eigenen Führwahrhaltens", nur angenommen werden, daß eine "fremde Vernunft" (B 849) in bezug auf'dasselbe' derselben Meinung sei. Es bleibt eine "Vermuthung", daß "der Grund der Einstimmung aller Urtheile ungeachtet der Verschiedenheit der Subjecte unter einander auf dem gemeinschaftlichen Grunde, nämlich dem Objecte, beruhen" wird (B 848f.) Kann man eben doch, wie Kant in der Anthropologie dazu sagt, "der Sprache nach" durchaus "einig" sein, "in Begriffen" aber "himmelweit von einander abstehen" (Anth., VII, 193). Wenn es aber stimmt, daß die Grenzziehung zwischen mathematischer und philosophischer Denkweise bei Kant dem Nachweis dient, daß philosophische Erkenntnis aufgrund ihrer Diskursivität "immer zweifelhaft" bleibt und nur "vermuthlich, niemals aber apodiktisch gewiß gemacht werden" kann (B 757), dann läßt sich freilich fragen, ob dadurch nicht, wie Κ.Ό. Apel und W. Kuhlmann gegenwärtigen, Absolutheitsansprüchen entsagenden Strömungen der Philosophie vorhalten, einem sich selbst widersprechenden Skeptizismus das Wort geredet wird, denn die radikale Leugnung von Geltungsansprüchen verwickele sich in performative Selbstwidersprüche, d.h. in Widersprüche ihrer Aussage und dem Prinzip der Selbstanwendung, gleichgültig ob die Relativierung dabei aus einer "Abhängigkeit der Vernunft von Geschichte, Sprache, Gesellschaft etc."3 erklärt werde. In jedem dieser Fälle will man - so W. Kuhlmann - "vernünftige Bedenken gegen die 2 3
Darum gehört in der Mathematik "die Definition ad esse, in der Philosophie ad melius esse" ( Β 759). W. Kuhlmann, 1987, 91.
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Vernunft vorbringen"4. Und damit intendiere man etwas, das ganz uneinlösbar ist, weil "die Kritik an der Vernunft gerade die Kraft der Kritik selbst - die nur als vernünftige überhaupt Kraft hat - zerstört"5. Deshalb - so wird daraus gefolgert - gehöre zu jeder Philosophie, will sie sich nicht in Selbstwidersprüche verwickeln, die 'Idee der Letztbegründung'. Doch in philosophischen Fragen läßt sich nicht so einfach wie in der Mathematik durch Widerlegung des 'Gegenteils' die Validität einer Behauptung beweisen. Das zeigt sich hier konkret daran, daß in dem oben skizzierten Begründungsgang schlicht unterschlagen wird, daß zwischen dem dogmatischen Skeptizismus, der grundsätzlich die Möglichkeit von Wahrheitsansprüchen leugnet und damit dem Selbstanwendungsprinzip in der Tat nicht standhält, und einer letztbegründeten Philosophie eine breite Skala vernunftkritischer Positionen möglich ist, die sich nicht zwangsläufig in 'performative Selbstwidersprüche' verwickeln. Es ist nicht nötig, dies in concreto an bestimmten historischen und gegenwärtigen Positionen wie z.B. der Hermeneutik, dem Pragmatismus oder Poststrukturalismus nachzuweisen. Es reicht schon der ganze allgemeine Hinweis aus, daß 'relativistische' Positionen sich schon dann gegenüber dem schematischen Selbstwiderspruchsverdacht als resistent erweisen, wenn sie die eigene Position nicht dogmatisch behaupten, d.h. nicht die Möglichkeit von Wahrheitsansprüchen, sondern die Möglichkeit ihrer letztgültigen Einlösbarkeit in Frage stellen6. Wirft man einen Blick darauf, welche Rolle der Kantischen Vernunftkritik im gegenwärtigen Diskurs um das Begründungsproblem zugewiesen wird, dann scheint es allerdings ein ganz und gar überflüssiges, wenn nicht sinnloses Unterfangen, sie vor Einwänden zu schützen, die von Verfechtern einer letztbegründeten Philosophie gegenüber Positionen erhoben werden, die eine solche Möglichkeit gerade bestreiten. Denn trotz der kontroversen Auseinandersetzung, die um die Bedeutung und Bewertung der Kantischen Vernunftkritik gefuhrt wird, kommen Positionen, die sonst in programmatischer Opposition stehen, in einem Punkt überein, nämlich in der Auffassung, daß die Philosophie kantischen Typs von 'fundamentalistischem' Charakter sei, weil sie am Gedanken "grundsätzlicher Geltungssicherung" und "Letztbegründung von Erkenntnis"7 festhalte. Sie repräsentiere den Inbegriff 4 5 6 7
Ebd., 94. Ebd., 95. Vgl. dazu J. Simon, 1978, 415ff. W. Kuhlmann, 1988, 194. Und vgl. in diesem Sinne J. Habermas, 2 1985, 361; R. Rorty, 1981, 19f., G. u. H. Böhme, 1985; G. Böhme, 1986, 20 und D. Henrich, 1983, 18f.
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einer Philosophie, die ganz auf Begründung setze und von dem Vertrauen getragen sei, ein sicheres Fundament für den wissenschaftlichen Fortschritt legen zu können. Obwohl die Bewertung dieses vermeintlichen Grundgedankens der Kantischen Philosophie ganz unterschiedlich ausfällt, die einen ihn als dogmatischen Restbestand grundsätzlich ablehnen, die anderen nur seine faktische Durchführung beanstanden, so ist man sich einig darin, daß die Philosophie Kants im gegenwärtig geführten Diskurs über das Begründungsproblem nicht mehr als "verbindliches Muster oder Vorbild"8 betrachtet werden könne und darum - in welcher Weise auch immer - 'überschritten' werden müsse. So meint man aus transzendentalpragmatischer Sicht etwa, Kant deshalb überschreiten zu müssen, weil "der Kantische Grundgedanke transzendentalphilosophischer Vernunftkritik nur noch nach einer tiefgreifenden und umfassenden Transformation der klassischen Transzendentalphilosophie"9 vertretbar sei. Durch eine "Radikalisierung"10 der Kantischen Beweisidee könne aber der Grundgedanke, der nach K.-O. Apel und W. Kuhlmann in "endgültiger Grundlegung"n und Letztbegründung besteht, aufrechterhalten werden. Man erreiche sie dadurch, daß man die für die kritische Philosophie entscheidende Argumentationsfigur, nämlich die "transzendentale Deduktion", durch die die Kantische Philosophie ihre endgültige Grundlegung erfahren soll, in ihre 'stärkstmögliche Fassung' bringt, so daß sich der Skeptiker, wenn er ihren Absolutheitsanspruch in Frage zieht, in performative Selbstwidersprüche verwickelt. Laut W. Kuhlmann ist die "transzendentale Deduktion" eine noch zu schwache Variante "der seit der Antike wohlbekannten reflexiven Antiskeptikerargumente"12. Sie lasse sich auf folgende einfache Struktur bringen: "Wenn nicht χ (die objektive Gültigkeit der Kategorien), dann auch nicht y (die schwer bestreitbare Möglichkeit von Erfahrung), bzw.: Wenn y, dann x. Nun y (die Möglichkeit von Erfahrung), also χ (die objektive Gültigkeit der Kategorien)"13. Die Schwäche dieser Beweisführung liegt in transzendentalpragmatischer Perspektive darin, daß man nach wie vor, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln, die bloße Möglichkeit von Erfahrung und den notwendigen Zusammenhang von χ und y bestreiten kann. Um die Möglichkeit
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W. Kuhlmann, 1988, 193. Ebd., 195. Ebd. Vgl. W. Kuhlmann, 1987, 87. Ebd., 104. Ebd., 91.
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des Begründungsregresses letztgültig zu unterbinden, sei es darum erforderlich, das "solipsistisch verstandene Vernunftsubjekt Kants in eine Kommunikationsgemeinschaft" zu überfuhren und die Funktion der 'Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung' durch die "Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller Argumentation"14 übernehmen zu lassea Um diese "starke Variante des reflexiven Antiskeptikerarguments herum aufgebaut", könne einer solchen Philosophie - so W. Kuhlmann nun nicht mehr, ohne dabei in Selbstwidersprüche zu geraten, ihre absolute Gültigkeit abgesprochen werden 15 . Aus 'vernunftkritischer' Perspektive dagegen erfahrt, wie kaum anders zu erwarten, der für das Kantische Denken vermeintlich charakteristische Gedanke absoluter Geltungssicherung eine völlig andere Bewertung. Hier gilt es, die Kantische Philosophie nicht deshalb zu überschreiten oder zu reformulieren, weil bei Kant der Gedanke der Letztbegründung nicht in seiner stärksten Fassung vorliege, sondern weil Kant überhaupt noch an diesem Gedanken festhalte16. Man hält hier das kritische Denken nicht fur kritisch genug, weil es trotz seiner disziplinierenden Leistung der Radikalität des Rückfragens hinsichtlich des eigenen Verfahrens entbehre. Denn in seinem auf Vollständigkeit und Endgültigkeit zielenden Anspruch verkenne es die eigene Voraussetzungshaftigkeit, d.h. die Notwendigkeit, sich auf 'gegebene' Begriffe zu stützen, die durch andere, 'besser' zu verstehende Zeichen interpretiert, nicht aber in einer absoluten Weise deutlich gemacht werden können. Das erklärt sich daraus, daß die transzendentalphilosophische Denkweise den durch sie begründeten kritischen Wahrheitsbegriff für sich selbst eben nicht in Anspruch nehmen kann. Als ein Denken in bloßen Begriffen, das im Unterschied zur Mathematik
14 Ebd., 106. 15 Ebd., 106. Der transzendentalpragmatischen Beurteilung der Kantischen Philosophie nicht ganz unähnlich ist die Einschätzung von J. Habermas. Auch Habermas fordert den 'Überschritt', nicht weil man in der Kantischen Philosophie "ein Zuviel, sondern ein Zuwenig der Vernunft" diagnostizieren könne (J. Habermas,^ 1985, 361). Aufgabe sei es, an den der Moderne (als deren Anfang er die Kantische Philosophie begreift) "innewohnenden GegenDiskurs" anzuknüpfen, nicht um das Projekt der Moderne zu revidieren, sondern um es zu vollenden (ebd.). Zwar habe sich, der 'Diagnose' und 'Therapie' von K.-O. Apel und W. Kuhlmann entsprechend, "das Paradigma der BewuQtseinsphilosophie" (ebd., 346) erschöpft; man könne aber die "Symptome der Erschöpfung" durch einen "Übergang zum Paradigma der Verständigung" (ebd.) auflösen. Dementsprechend versteht Habermas seine Theorie des kommunikativen Handelns, eine im Anschluß an Searle und Austin entwickelte Sprechhandlungstheorie, als Versuch einen "skeptischen und nachmetaphysischen, aber nicht-defaitistischen VernunftbegrifTsprachphilosophisch zu retten" (J. Habermas,^ 1988, 154). 16 Vgl. z. B. H. u. G. Böhme, 1985 u. G. Böhme, 1986, 71Γ.
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ohne apriorischen Anschauungsbezug bleibt, muß es einen fundamentaleren, in ihm selbst nicht mehr begründbaren, Bedeutungsbegriff von Sätzen und von deren Wahrheit voraussetzen. Daß die Frage nach dem Status der eigenen Sätze und Begriffsbestimmungen, der Sätze der Kritik der reinen Vernunft etwa, nicht im Vordergrund des kritischen Philosophierens steht, ist ein bekannter, vor allem in sprachphilosophischen Ansätzen, neuerdings auch von R. Rorty erhobener Vorwurf. Obwohl Rorty der Kantischen Philosophie zwar durchaus epochale Bedeutung in der Veränderung des philosophischen Bewußtseins zugesteht, wertet er Kants Annahme, daß wir von den "»konstituierenden Aktivitäten«" des transzendentalen Subjekts "apodiktisches Wissen"17 haben können, als Ausdruck für eine ungebrochene Zuversicht, daß "»die Erkenntnis«" etwas sei, "was Fundamente habe und worüber eine »Theorie«" möglich sein müsse 18 . Damit sieht Kant Rortys Ansicht nach nicht, daß die transzendentalphilosophische Konzeption auf Voraussetzungen beruht, die - wie der Begriff der Synthesis oder die Unterscheidung von Anschauung und Begriff zwar einer "Kontextdefinition" fähig, nicht aber von prinzipiell unbezweifelbarer Evidenz sind 19 . Dieser Mangel sei der Grund dafür, daß Kant trotz seines Vormarsches "in die Richtung einer propositionalen, nicht perzeptuellen, Auffassung von Erkenntnis auf halbem Wege stecken" bleibt 20 und sich damit letztlich doch in jenen von Rorty verabschiedeten "Hauptstrom der westlichen philosophischen Tradition"21 einreiht, der ein Fluchtversuch vor der Geschichte" - "ein Suchen nach ahistorischen Bedingungen jeder möglichen geschichtlichen Entwicklung"22 sei. Der Umstand, daß sich das 'kritische Geschäft' auf Begriffe stützen muß, die nicht ihrerseits in einer absoluten Weise gerechtfertigt werden können, sondern bloß als plausibel 'angesonnen' sind, ist aber nicht schon als solcher ein Defizit der Kan-
17 18 19 20
R. Rorty, 1981, 156. Ebd., 17. Ebd., 173. Ebd., 180. Die als "kopernikanische Wende" bekannte Annahme, daß unser Gegenstandsbewußtsein auf einer Synthesisleistung des Subjekts beruht, gilt Rorty zwar als Distanzierung von dem traditionellen, am Wahrnehinungsmodell orientierten Erkenntnisverständnis, entbehre aber deshalb letztlich an Plausibilität, weil sie von der unbegründeten Voraussetzung abhängig sei, daß wir eine "privilegierte Zugangsweise zu unserer konstituierenden Tätigkeit" (ebd., 174) haben. 21 Ebd., 397. 22 Ebd., 19.
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tischen Philosophie. Das wäre er nur dann, wenn Kant die Voraussetzungsstruktur transzendentalphilosophischer Denkweise verkennen und davon ausgehen würde, daß sich die philosophische Begrifflichkeit, analog der mathematischen, einer endgültigen Bestimmung zufiihren und auf eine prinzipiell gesicherte Basis stellen ließe. Das ist aber nicht der Fall Obwohl zweifellos erst im Anschluß an Nietzsches Einsicht in die Sprachgebundenheit des Denkens unsere begrifflichen Einteilungen und Bestimmungen in ihren zeitlichen Konstitutionsgrund zurückgeholt werden, so zeichnet sich doch bereits in Kants Verständnis des philosophischen Begriffs die Auffassung ab, daß Begriife, abgesehen von den mathematischen, prinzipiell nichts Feststehendes sein können. So zeigt sich eben auch an Kants Bestimmung der kategorialen Grundbegriffe sowie der 'transzendentalen Grundsätze' und der sie rechtfertigenden 'transzendentalen Deduktion', daß in sie eingegangen ist, was Kant der Philosophie generell abspricht: durch definitorische Sätze und demonstrative Beweisführung die Philosophie als ein prinzipiell abgeschlossenes Ganzes zu fundieren. Gerade aus der Einsicht, daß philosophische Begriffe aus bloßen Begriffen niemals 'real definiert' und Grundsätze in der Philosophie 'niemals schlechthin geboten' (B 761) werden dürfen, wird die Konsequenz gezogen, daß die Kategorien nur in ihrem empirischen Gebrauch Bedeutung bekommen und sich Grundsätze nur durch einen in 'durch lauter Worte (den Gegenstand in Gedanken)' geführten Beweis als Anwendungsregeln für den empirischen Gebrauch rechtfertigen lassen. Darum geht es ganz offensichtlich an Kant vorbei, wenn man die als Beweisgrund fungierende 'mögliche Erfahrung' im Sinne eines absolut sicheren Fundaments versteht. Nach Kants eigener Aussage ist sie etwas ganz 'Zufalliges' (B 765), und d.h., um es mit seinen Worten weiter auszuführen, "etwas, dessen Nichtsein sich denken läßt" (B 290). Von hier aus gesehen wird man wohl kaum in der sich auf Kant berufenden Transzendentalpragmatik eine "zeitgemäße Vertretung des Kantischen Gedankens der Erkenntnis- oder Vernunftkritik"23 sehen können. Vielmehr wird man fragen müssen, ob nicht durch das Festhalten am Gedanken 'radikaler Selbstvergewisserung' einem von Kant überwundenen Ideal des Philosophierens das Wort geredet wird 24 . Der kontrastierende Vergleich zwischen der mathematischen und philoso-
23 W. Kuhlmann, 1988, 195. 24 Vgl. dazu J. Simon, 1978, 354-360. Auch nach H.M. Baumgartners kritischer Überprüfung des transzendentalpragmatischen Ansatzes kann die Ersetzung des transzendentalphilosophischen Apriori durch eine 'ideale', in die Zukunft verlegte 'Kommunikationsgemeinschaft' nicht das leisten, was sie vorgibt. Denn die "Zukunft jedenfalls als solche und als real gesetzte könnte nur um den Preis eines eschatologisch verdinglichenden Fehlschlusses etwas
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phischen Verfahrensweise hat gezeigt, daß Kant der Philosophie grundsätzlich die Möglichkeit eines fundamentum inconcussum abspricht, weil wir über kein allgemeines Kriterium verfügen, aufgrund dessen sich entscheiden ließe, ob es sich bei einer bestimmten philosophischen Problemlösung nicht nur um eine zu einer gegebenen Zeit hinreichende, sondern darüber hinaus um eine adäquate Bestimmung handelt Wenn es also bereits für den kritischen Standpunkt charakteristisch ist, daß sich ihm zufolge keine Position dogmatisch verabsolutieren darf, dann läßt sich der Prozeß philosophischer Denkbemühung auch nicht als Prozeß der Perfektibilität im Sinne einer 'wirklichen' Vervollkommnung deuten. Auch darin unterscheidet sich die Philosophie ganz offensichtlich von der Mathematik. Zwar ist auch die Mathematik ein nicht abschließbares Geschäft reiner Vernunft, weil die "Erweiterung der Einsichten in der Mathematik und die Möglichkeit immer neuer Erfindungen ins Unendliche" (Prol., IV, 352) gehen. Der "sicher Gang einer Wissenschaft" ist hier aber durch die Evidenz der mathematischen Urteile "für alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet" (Β XI), so daß zumindest in Kantischer Sichtweise die Rede von einem tatsächlichen Fortschritt in der Mathematik durchaus gerechtfertigt ist. Philosophie dagegen bleibt, bildlich gesprochen, "ein uferloses Meer", "in welchem der Fortschritt keine Spur hinterläßt, und dessen Horizont kein sichtbares Ziel enthält, an dem, um wieviel man sich ihm genähert habe, wahrgenommen werden könnte" (Fortschr., XX, 259) 25 . Dies zu sehen, darin liegt gerade das Kritische der Kantischen Philosophie. Damit reflektiert sie sich selbst als eine zuletzt zeitbedingte Gestalt des Philosophierens, die den Erkenntnisprozeß in seiner prinzipiellen Unabgeschlossenheit begreift. Dagegen spricht auch nicht, daß sich die Transzendentalphilosophie als eine "solche ankündigt, vor der es überall noch keine andere gegeben habe" (MdS, VI, 207). "ut sie" nach Kant doch damit "nichts anderes, als was alle getan haben, tun werden, ja tun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plan entwerfen" (ebd.). Auch die kritische Philosophie erhebt Geltungsansprüche, aber - und das ist entscheidend - in voraussetzungskritischer Absicht, d.h. im Wissen um die begründen. Noch weniger als die Vergangenheit oder ein Rekurs auf sie kann Zukunft oder Antizipation Wahrheit begründen" (H.M. Baumgartner, 1982, 51). 25 Vgl. in diesem Sinn HNM, XVIII, R 5072, 79: "Die mathematic behält ihren Erwerb, und ihr Vorrath wächst, indem täglich neues hinzukomt. aber die metaphysic vernichtet sich gänzlich, indem sie einer andern Platz macht".
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prinzipielle Unabschließbarkeit diskursiver Erkenntnisbemühung. Und ebenso entscheidend ist, daß ihr diese Offenheit nicht als Mangel, sondern als Voraussetzung dafür gilt, daß Philosophie 'kommunikabel' bleibt. Wäre doch die Vollendung philosophischer Denkbemühung, die geleistet zu haben dogmatische Positionen für sich beanspruchen, nach Kant keineswegs als Telos der Philosophie zu begrüßen, sondern vielmehr als "Ende aller Belebung" (Fr.i.d.Ph., VIII, 415) zu beklagen. Sie ist eben darum auch nicht mit dem durch die kritische Philosophie erreichbaren "beharrlichen Friedenszustand" (ebd., 416) zu verwechseln. Mit ihm ist gerade nicht die Konnotation endgültiger Abgeschlossenheit verbunden. Vielmehr meint er jene reflektierte Sichtweise der Philosophie auf ihre eigenen Geltungsansprüche, in der gesehen ist, daß sie ihre Sätze "wohl mit absolutem Anspruch, aber nicht mit einem die Ansprüche anderer ausschließenden Anspruch"26 formulieren kann.
26 J. Simon, 1978, 423.
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Personenregister
Adickes, E. 19 Apel, K.-O. 3,188,190f. Apollonius von Perga 45f. Archimedes 45 Aristoteles 11,80,180 Arndt, H.W. 6 Augustinus 163f. Austin, J.L. 191 Baumanns, P. 48,53 Baumgartner, H.M. 4,193f. Becker, 0. 6,7,83,164 Beierwaltes, W. 164 Bennett, J. 48 Bien, G. 180 Blomberg, H.U.V. 21,24,25 Böhme, G. 2,50,80,111,124,144, 189,191 Böhme, H. 189,191 Borelli, J.A. 45f. Breidert, W. 79 Brouwer, L.EJ. 6,59 Bubner, R. 160 Büchel, G. 7,45,73f„ 85,106,170f. Butts, R.E. 7,48 Cantor, G.F.L. 81,83 Cassirer, E. 6,7 Cohen, H. 4,80 Cramer, Κ. 125f. Crusius, Ch.A. 6,9,21ff.,72 Dedekind, R. 81
Delius, H. 37 Derrida, J. 184 Descartes, R. 141,183 Detel, W. 48 Diderot, D. 182 Eberhard, J.A. 5,40f., 43-47,52,55, 85f. Ebbinghaus, H.-D. 83 Ende, H. 39 Engfer, H.-J. 1,6,22 Enskat, R. 7,76,92 Euklid 81,15 If., 164 Euler, L. 80f. Förster, E. 137 Friedman, M. 79 Gadamer, H.-G. 1,26 Gauß, C.F. 59 Gloy, Κ. 7,89,126f. Goodman, Ν. 124,182 Grondin,! 17 Habermas, J. 189,191 Hamann, J.G. 31 Hegel, G.W.F. 2,83,111,172 Heidegger, M. 60,76,82,94 Heidemann, I. 143 Heimsoeth, H. 42,160 Henrich, D. 31,37,53,160,178, 189 Heyting,A. 6,60 Hinske, N. 19
210 Hoffmann, Th.S. 133 Hogrebe, W. 60,65,165 Honnefelder, L. 180 Hopkins,! 7 Hoppe, H. 7,114fT, 137 Hume, D. 18,157 Jäsche, G.B. 162 Kästner, A.G. 86 Kaulbach, F. 4,52,89 König, E. 107 Körner, St. 6 Kötter.R. 134 Kopernikus 94 Kuhlmann, W. 3,31,188-191,193 Lambert, J.H. 5,21ff. Lamotke, K. 81 Lask, E. 4 Leibniz, G.W. 1,5,18,26,28,44, 50,80,89f. 142,144 Loebbert, M. 37 Lyotard, J.-F. 182 Mainzer, K. 7,81 M^jetschak, St. 51 Malter, R. 68 Mandelbrot, B.B. 167 Martin, G. 7,153 Mathieu, V. 137 Meier, G.F. 9,22,25 Menzel, A. l,9f.,35r. Nenon, Th. 148 Newton, I. 80,88f., 106,132 Nietzsche, F. 181f. Oelmüller, W. 181 Parsons, Ch. 79 Piepmeier, R. 180 Piaass, P. 7,13,108,114f„ 127,130 Platon 1,11,163,184
Personenregister
Pythagoras 163,184 Proklus 152,163f. Reckermann, Α. 164 Rehberg, A.W. 81 Reich, K. 90 Reinhold, C.L. 46 Remmert, R. 81 Riedel, M. 4,158f. Rocca, C. la 65 Rohs, P. 16 Rorty.R. 3,189,192 Rüdiger, A. 6 Russell, B. 6 Schäfer, L. 7,127 Schaper, E. 48 Schelling, F.WJ. 55 Schirn, M. 7 Schlosser, J.G. 184 Schneiders, W. 6 Schön, v. 116 Schönrich, G. 32 Schultz,! 85,86f., Searle, J.R. 191 Simon, J. 4,33,54,62,65,70,103, 111,116,125fT.,130,149,161, 165,185,189,193,195 Sokrates 27 Stuhlmann-Laeisz, R. 48 Tonelü, G. 1,6,19,29 Tuschling, B. 137 Volckmann 116 Wagner, H. 53 Weischedel, W. 2 Welsch, W. 180ff. Wohlfart, G. 85 Wolff, Ch. 5f., 9,18,22f„ 28,44, 141f., 183
Sachregister
Abgrenzungskriterium 8,11,19,40, 43,72f. Ableitung 151,153 absolute Geltungssicherung 32 abstrakt 32ff. Abstraktion 21,25,30 Abzählbarkeit 80 adäquate(r, s) -Anschauungsbild 59 - Begriff(lichkeit) 3,147 - Bestimm(barkeit, -ung) 59,194 Adäquatheit (adaequatio) 94,131, 144,186 Addition 79 Affektion 126 Ästhetik - transzendentale 82,86,126 -neuzeitliche 163 Aggregat - gegebenes, unendliches 87 Aggregation 78,136 Allgemeingültigkeit 96 Allgemeinheit (des Begriffs) 50,153 Allheit 77,81 Analogien der Erfahrung 121,124 Analytik des Verstandes 100 analytisch(e, es) 18,27-30,37, 150ff. - (Begriffs)verdeutlichung 10,27f., - Deutlichmachen 28f.
- Mathematikverständnis 23 - Merkmal(e,-sbestimmung) 28f. - Methode (Lehrart) 142 - Philosophie 48 - Urteil(e), Satz, Sätze 18f., 21,37, 40f., 152 Anschaulichkeit 38 - konkrete 65 Anschauung 40,49-58,63,67,70, 83ff, 89f„ 97,109,120f„ 123,192 - a priori 84,87,137 - äußere 53,61,109 -außeruns 90f. - empirische 63,72,77,90,98, 109,147,149 - formale 55,79 -inconcreto 65 -korrespondierende 65 - des realen Gegenstandes a priori 65 -desRaumes 78f. -reine 75f.,78f.,90ff.,98,110, 129,145,147,151 - sinnliche 91 - überhaupt 54 - unsere 54,91 Anschauungs(bezug, -bedingtheit) 85,98,106,156,182,186,192 - mathematischer Erkenntnis 19, 82,99
212
Anschauungscharakter 38,86f. -desRaumes 84ff.,91 -derzeit 84,86 Anschauungsform 126 Anschauungsmannigfaltigkeit 56, 186 Anschauungsraum 126,133 Antinomien(lehre) 85fF., 160 Antiskeptikerargument 190f. Antizipation(en) - des eigentlich Empirischen 98 - der Wahrnehmung 98,1 lOff, 124 apodiktisch (gewiß) 142,148,188 apodiktische Gewißheit 130 Apodiktizität 38 a posteriori 63,65,74,97f., 111,126 Apperzeption 96 - als Funktion 66 - Identität 53 - (transzendentale) Einheit der 53f., 66,77,96,160 Applikation (Anwendung) 53 - der (Quantitäts)kategorien 78, 127 -desSchemas 50 - mathematischer Vorgehensweisen, der Mathematik 22,129 - von Begriffen 49 - transzendentaler Prinzipien 120 Apprehension 53f., 57,77,79,111, 166 a priori 64,74,93,96f„ 100 apriorische -Synthesis 65 - Versinnlichung 40,128 -Naturgesetzgebung 131 Arbeit am Begriff 183 Architektonik 173 Arithmetik, arithmetisch 33,39,59,
Sachregister
79f., 152f., 159 arithmetische(r) - Gegenstand 82 - Größe 78 -Größenbestimmung 152 -Sätze 110,152 Augenbück 57,83,111 Ausdehnung 73 Axiome 14,18,78,105f., 140, 150-153,182 - der Anschauung 75,78,80,105, 112 -derGeometrie 39 Bedeutung 61f, 66,71,93,98,103, 115,146,148f., 177,187 Bedeutungsproblem(-fragen) 27,48, 146 Bedeutungsimplikate 29f., 65 Bedingungen der Wahrheit -apriorische 96 - logische 95 - materiale 95 - objektkonstituierende 96 - der Sinnlichkeit 99 Begriff (conceptus) 30-33,48-50,55, 59ff, 65,82,84,87,91-94,97,103, 107,120,143,146,150,184,192 - adäquater 70,182 - a priori gegebener 8 - a priori gemachter 8 - Begriff des 84 - Bestimmtheit des 84 -bloßer 71,92,103,127,138, 156,191 - Darstellung in reiner Anschauung 19,39f. - deutlicher 91,144 - diskursiver 40,65 - empirischer 28,48f., 51,61,64, 70,101,113,121,124,126f.,
Sachregister
129,132f., 145 - empirisch gegebener 101,113, 120 -Formdes 22,25 - gegebener (dati) 8f, 21ff., 25ff., 29,101,142,145,187,191 - gemachter (facitii) 8f., 21ff, 145 - geometrischer 61,87 -Individual- 50 -Materiedes 22,25 - nichtiger 93 - reiner 127,145 - sachhaltiger 95 - sinnlicher 66 -transzendentaler 100,115 - willkürlich erdachter 147 Begriffsbestimmung(-verdeutlichung) 187 -adäquate 144 - analytische 40,145,148 - synthetische 40,145 - willkürliche 40 Begriffsbildung(-genese) 5,21f., 25, 27,30,36,84,142,147 Begriffsgebrauch 20ff, 32ff, 72,145 -abstrakter 32 -diskursiver 71 -intuitiver 71 - konkreter 32,35 Begriffsinhalt 25 Begriffslogik 28,30,145 Begriffssystem 22,145,149 Begriffstheorie 50 Begründungsformen 141 -mathematische 1 Begründungsideal 154 Bründungsproblem 2f., 8,15,189f. Begründungsprozeß 182 Beispiel 127 Beurteilung -ästhetische 56
213
- mathematisch-bestimmende 56 -reflektierende 56 - subjektive 56 bewegende Kräfte 135,137 Beweglichkeit, Bewegliches 126, 129,133 Bewegung(sbegrifl) 54,126f., 129f., 133ff, 137 Beweise 20,22,143,158f., 161 - akroamatische 158f., 161 -apagogische 160 -diskursive 159 Bewußtsein 144,146 - Einheit des (Selbst) 54f, 161 -empirisches 110 -formales 110 -gegenständliches 93 Beziehung (Bezug) aufs Objekt 94ff, 126,188 Büd 48,50,55,58,60,65,70,145f., 166 Charaktere 79 Chiliogon 44,58 communes animi conceptiones 151 comprehensio aesthetica 57 comprehensio logica 57 conceptus dati 25 conceptus facitii 25 Darstellung -anschaulich-geometrische 81 - in reiner Anschauung 19,43,46f., 55,151,153 Dasein 63,99,124,127,132 Deduktion 157,160 - transzendentale 48,53,67,96, 118,157,160 Definition(en) 6,14,20ff, 34,36, 140,143,145-148,154,158,182, 188 -Nominal- 144 -Real- 144
214 definitiv 59,127f., 146 Dekomposition 83 Demonstration(en) 14,140,158, 182 Denken -gegenstandsbezogenes 100 -reines 100 - kritisches 12,131,191 Deutlichkeit 28f. - anschauliche 70 Diagonale 59 Dimensionalität 74 direkt synthetisch 155-158 Diskursivität, diskursiv 30,35,38, 49,63,65f., 76,82,84,91f., 105, 146,153f„ 184,188 diskursiv(e, er, es) 111,158,187 -Denken 15 - Erkenntnis(weise, -bemühung) 66,88,181,195 -Zeichengebrauch 1 dogmatisch 141,187,189f., 194f. Dreieck 50,61 -sphärisches 91 Dynamik 129,135,137 Einbildungskraft 44f„ 49-52,57f„ 66,98,164ΙΓ. - empirische 51,53,61,65 - produktive 53,61f„ 65,78,134 - reine 49,55,57,61,65 -transzendentale 53f. - Verfahren der 52 Einheit(en) 57,77,80f„ 111,122 -absolute 83 - analytische 96 -distributive 69 - eines Gegenstandes 96 - kleinste 78 - kollektive 68 - nicht mehr teilbare 78 - synthetische 96,109,121
Sachregister
- unteilbare 83 Einheitsquadrat 59 Eins 80 Einschränkung, Einschränkbarkeit -desRaumes 84,86 Einzelwissenschaft, einzelwissenschaftlich 11,63,93 Ellipsen 46 Empfindung 75,98, llOf., 121, 123f. Empfindungsgrade 75 empirisch(e, er, es) 47,50,98 - Erkenntnis 69,146,170 - Gewißheit 38 - Gebrauch 99,149,193 - Schematismus 48 - Urteil(e) 186 Empirismus 18,38,95,155 Endgültigkeit(sanspruch) 182,184, 187,191 Endlichkeit 85 Endzweck 172,174,176-180. Erfahrung 21,54,64,67,93,97, 147,175 - mögliche 67,156fT, 193 Erfahrungsgrenze 68,99 Erfahrungsurteil 28,38,96 Erhabenes 56 Erkenntnis(-weise, -art) - diskursive 63,66,88,185 - empirische 69,146,170 - intuitive 88,103 - philosophische Iff, 5,7,18,21, 35,63f., 71,73,103,114,141Í, 146,154,158,172 - mathematische lf., 5,8,12,18f., 21,24f„ 35,37-40,45,47f„ 51f„ 63,75,82,88,92,98,106,142, 154 -vomObjekt 94 - objektive Bedingung der 54
Sachregister
-verworrene 142 Erkenntnisgegenstand 93 - konkreter 63 - uneigentlicher 97 - wirklicher 63,99 Erkenntnisgewißheit -Gradan 3,132 -mathematische 140 Erscheinung 56,64,77,97,99,120f. Erweiterungsurteile -apriorische 18 Ethikotheologie 178 Evidenz 140,159,172,194 Explikation 26 Expositionen 143,148 Form(en) - Anschauungs- 19 - der Anschauung 19,39,55,62, 82,87,91 -des außer uns 88,91 - der Sinnlichkeit 12 - der(s) Urteile(ns) 49,96f. Fortschritt 194 Fraktale 167 Freiheit(sbegriff) 170,173 Fürwahrhalten 188 fundamentum inconcussum 141, 194 Gedankendinge 99 Gefühl der Lust 164 Gegenden im Räume 89 Gegenstand 10f., 26,62,72,93-96, 145 - arithmetischer 79,82 - a priori 63,125,127f., 186 - der Empfindung 75,98 - der Erfahrung 68,107,118 - Form von einem G. 98,100,107 - geometrischer 76,79 - konkreter 63,66,107 - mathematischer, der Mathematik
215
5,43,45,61,71,75f., 82,88f„ 92,98,164 - möglicher Erfahrung 62,114, 116 - philosophischer, der Philosophie 11,43,71,76,92f.,96,100 - realer 63 - transzendentalphilosophischer 99 - überhaupt 63,97,100,120,125, 131 - wirklicher 93,98,100 -zeitlicher 79 GegenstandsbegrifT 12,93 Gegenstandsbereich lOf, 93f, 125 Gegenstandsbestimmung -apriorische 97 Gegenstandsbezug -inconcreto 100 Gegenstandskonstitution 98,101 - (allgemeine) Bedingungen der 62f. genetisch 23ff., 62,145 Geometrie 33,39,46,78,92,108f., 152,158,169 - nicht-euklidische 7 geometrische(s) - Figur(en) 44fT., 55,75,78f„ 88, 91,184 - Objekte 166 - Quantum 78 -Sätze 110 Geschichte 192 Geschmacksurteil 164f. Geschwindigkeit 130,133ff. Gesetz(e) 120,129 -empirische 175 -moralisches 176f. -transzendentale 175 Gestalten -ähnliche 90 -gleiche 90
216 Gewißheit 14,19f., 32,35,106,130, 150f., 178 Gewißheitsstatus 35,106 Gleichungen 39 Glückseligkeit 174,176f., 182 Glückswürdigkeit 177 Grad 111 Grenze 82f. Größe(n) 23,56f„ 77f„ 80f„ 83, 100,109f., 121f. - extensive 76,109f., 121,133-136 - intensive 110,121,123,133f., 136 - irrationale 60,70 -kontinuierliche 83 -negative 37 - unendliche 58,61 - unendlich gegebene 78,82,84,87 Größenschätzung - ästhetische 57,123 - mathematische 56ff., 123 - phoronomische 133 Grundbegriff(e) 26,120,125f„ 129f„ 133 Grundlagenstreit 6,59 Grundmaß 57,122 Grundsatz(-sätze) 6,20,143,152f, 157 - des reinen Verstandes 97 - direkt synthetische 156 - diskursive 105,150 - dynamische 98,121,124 - indirekt synthetische 155f. - intuitive 105,150 -logische 152 -materiale 154 - mathematische 97,121f., 150f. - philosophische 150,154,158 -transzendentale 105f, 131,156ff. Grund-und Folgesätze 15 lf. Handlung(en) 92,169
Sachregister
- der Einbildungskraft 57 - der Konstruktion 55 Handlungsmaximen 180 Hermeneutik 189 heuristisch 140,142 höchste Gut 177-180 Horizont(bedingtheit) 70,147,184 Hyperbel 46 Ideal - der reinen Vernunft 179 - mathematisches 17,19,155 Idee 67ff„ 85,148,155,157,179 - regulativer Gebrauch der 68 -derUnendlichkeit 56 -Gottes 177 - der Unsterblichkeit 177 immanent 117 Imperativ(e) - der Geschicklichkeit 169 -mathematisch-technische 170 -technische 169 Implikate 34 indirekt synthetisch 105,155ff. Individualbegriff 50 individueller Verstehenshorizont 28 Inkommensurabilität 80 inkongruente Gegenstücke 90ff. Inkongruenz ll,90ff. Instrument 170f. Interpretation 184 -sbewegung 187 - sinnliche 50 -sprozeß 187 Intersubjektivität 188 intuitionistische Schule 6,59 intuitiv(e, er) 88,92,102,105 - Erkenntnis 88,103 -Unterschied 88 -Zeichengebrauch 1 irrational 59,70 Irrationalgröße, irrationale
Sachregister
Größen(verhältnisse) 60,70f., 80 Irrationalzahl, irrationale Zahl 59 Kausalität 170,177 Kategorie(n) 48,53,62f., 66,115, 126f., 157,193 - -applikation 97 - -begriff 124 -der Freiheit 165 - der Qualität 76,110,136 - der Quantität 76 - -tafel 129,165 Kegelschnitte 46 Klarheit 143ff. Körper - Deckungsunmöglichkeit 92 -inkongruente 88 -symmetrische 88 Körperlehre -apriorische 112 kommunikabel 195 Kommunikationsgemeinschaft 192f. Komparation 25 Konstituentien, Konstitutionsbedingungen - der Gegenstandsbildung 64,97 Konstruktion 35,51,55,64,71,79, 86ff, 92,107,134,141,145,150, 153,171,187 - arithmetische 79 -empirische 46f. - geometrische 59,79,133 - intuitive 6,59 - mathematische 7,45ff, 59,124, 127 f. -mechanische 46f. - metaphysische 13,119,127f„ 138 - ostensive 79,158 - schematische 44,46 - symbolische 79 - technische 44,46f. Konstruktionsbegriff 10,43,47,52,
217
58,64,91 Konstruktionshandlung 79 Konstruktionstheorem 10,39f., 60, 150 Kontinuität 11,73f., 82,84 -desRaumes 87 - der Raumgebilde 78 -derzeit 87 Kontinuitätsbegriff 85 Kontinuum 83 Kontinuumshypothese 83 Koordinatensystem 55 kopernikanische Wende 94 Kopula 155 Kosmologie 93,113,160 Kritik der reinen Vernunft 116, 118ff, 174 letztbegründend 182 Letztbegründung(en) 3,187,189f. Linie 86,134,146 Logik 36 - transzendentale 81,97,126 logische - Bedingungen der Wahrheit 95 - Urteilsformen 96 -Urteilstafel 62 -Wahrheiten 36 Logizismus 6,52,59 Mannigfaltiges der Anschauung 49, 52,64,66,84,96 Maß 122f. Maßeinheit 123 Maßstab 122 Materie(begriff) 89,120f., 123, 126-130,132f„ 135ff. Mathematik -angewandte 112 - des 18. Jahrhunderts 80 - Erkenntnisart von 1 - Gegenstand der 5,98 - instrumentale Gebrauch der 171
218 - moderne 6 -reine 6,108f., 112,132,153 - transzendentale Grundsätze (Prinzipien) der 105,112 - transzendentalphilosophische Grundlegung der 7,105 - Wissenschaftlichkeit von 14 Mathematisch-Erhabenes 56,123, 163 mathematische(r, s) - Begriff(sgebrauch, -sbildung) 10, 19,22,25f„ 29,48,52,54,60ff„ 67,71,106,123,145,193 -Begründungsformen 1,20 - Denkweise 3,76,105 - Erkenntnis(weise, -art) If., 5f., 8, 12,18f., 22,24f„ 37-40,45,47f„ 51f„ 55f„ 63,75f„ 82,88,92,98, 106,114,128,130,142,154, 162f. -Evidenz 140 - Figuren 45,48 - Gegenstand(sbereich, - sart) 11, 45,71,75f„ 82,88,92,98,106f, 164 - Grundsätze 97,121f., 150f. - Konstruktion(sverfahren) 45ff., 124 - Operation(en) 44f, 56,92 -Proportionsbegriffe 111 -Topologie 83 - Unterschied 91 - Vernunftgebrauch 1,4,14,20,43, 88,91,140 - Wissenschaft(sideal) 6,125 Mathematisierbarkeit 75 Mathematik(begriff, -theorie, -Verständnis) 23f., 40,47,52, 55, 81 mathesis universalis 140,142 Mechanik 129,135
Sachregister
mechanistisch-mathematisch 135f. Menge 80f. - approximativ bestimmbare 59 - der Einheiten 80 - der natürlichen Zahlen 80 - lückenlos zusammenhängende 83 - separierter 83 -unendliche 59,84 - vor sich unbestimmter Teile 82 Mengenlehre 83 Merkmale - analytische 29ff. - coordinierte 29,144 -klare 144 - subordinierte 29,144 - synthetische 28ff, 145 - Vollständigkeit der 61 Meßkunst 36 Messung 56,111,122f. metamathematisch 6 Metaphysik 18,20f., 36,44,67,93, 100,116,154f„ 162,171f„ 177f„ 183f„ 187 - abendländische 149,185 -allgemeine 116 - angewandte M. der Natur 113 -besondere 116-119 -besondere Natur- 113,119f., 125, 127f., 138 - der (körperlichen) Natur 100, 112f., 174 -der Sitten 174 -herkömmliche 20 -neuzeitliche 1 - transzendentale Teil der (Natur-) 100,113f, 129 -vorkritische 14 Methode, Methodik (Lehrart) 140ff. -analytische 142 - der Transzendentalphilosophie 143
Sachregister
- mathematische 1,14,19,22,35, 141,143,155,184 -Mißbrauchder 14,17,35 -progressive 142 -regressive 142 -synthetische 142 Methodenlehre 141 modum cognoscendi 11,17 Moralbegründung 180 Moralphilosophie 176 Natur 96,113,118,135,173 --begriffe 67 -denkende 113,117 -gesetze 131,174 - körperliche 113,117,119,125 -überhaupt 63,113,115,119f., 125,129,175 --zweck 167f. Naturwissenschaft(en) 170 -apriorische 13,123 - besondere 115,125,129,133, - metaphysische Anfangsgründe der 100,123,128,136 - reine (Teü der) 104,127f, 130, 132,137,171 negative Aufmerksamkeit 84 Neukantianismus 4 Nominaldefinition 144 Noumenon 99 Objekt 54,62,77,94-99 - geometrisches 76,78,133 - konkretes 12,64,97,129 -mathematisches 78 - räumliches 79 objektiv(e) - Erkenntnis 95,97 - gültig, Gültigkeit 18,69,95,102, 106-109,112,117ff„ 131, 155-158,161,186 - Realität 98,108,110 Objektbezug 93,126
219
Objektkonstitution, objektkonstituierend 94,96 Ontologie 33,100,114f„ 117 Orientierung 92 Parabel 46 Paralogismen 160 performative Selbstwidersprüche 188ff. Phänomenologie 129 Philosophie --begriff 4,182 -kritische 4,7,10,37,127 - letztbegründe(te, nden) 3,15,189 - mathematisch verfaßte 3 - more geometrico verfahrende 1, 161,187 - praktische 169,180 - Schulbegriff der 161,173 -theoretische 13 -Weltbegriff der 162 -Wissenschaftlichkeit von 14 philosophische^, s) - Begriff(sgebrauch, -sbestimmung) 25,62,57,95,131,149,193 - Denkweise 3,66,105,154,182 - Erkenntnis(-weise, -art) Iff., 5,7, 18,22,63f., 73,103,114,141f., 146,158,162,172 -Gegenstand 71,96 - Reflexion 19,35,66,95,103,154 - Vernunftgebrauch 1,4,10,14,20, 43,91 Phoronomie 129,133f. Physik 117,125,136fT., 172 Physiologie 113ff, 117 planimetrische Elementargeometrie 46 Poststrukturalismus 189 Postulate 152 - des empirischen Denkens 121 -praktische 178
220 Prädikabilien 126f. Prädikat(sbegrifl) 153f. Präformation 55,132 pragmatisch 61,70,125,144 Pragmatismus 189 praktisch-dogmatisch 176f. Prinzip(ien) - apriorische(s) 98 - der Identität 36 - der Konstruktion 128 - der Sinnlichkeit 96 - des zu vermeidenden Widerspruchs 36 - des Verstandes 95 - konstitutive(s) 68 - regulative(s) 68,71,99,121,160 - transzendentale 97,111,128,156 progressiv 56,58 progressus ad infinitum 56 Proportionen -inkommensurable 81 -kommensurable 81 Psychologie 117,125 Punkt(e) 82,133ff. Qualität, Qualitatives 11,72-75,78, 109 - der Empfindung 74 Qualitäten 73-75 quantum(-a) 72,74,76,78,83,129 Quantität(en), Quantitatives 11,56, 72f., 75,90,130 quantitativ 91,122 Quantitätskategorien 76ff.,81f., 110, 130,136 quantitas 76,78 quantum discretum 80 Rationalismus 18f., 144,155,183f. rationalistische Mathematiktheorie 30 rationalistisches Denken 38 Rationalitätsstandards 182
Sachregister
Raum 39,53ff„ 63,77f„ 82,86,88f„ 91,96, llOf., 120126,134 - absoluter 89,135 - als Form der (äußeren) Anschauung 13,62,91,108f. -als Form des außer uns 91 - Größenlehre des 82 - konkret angeschauter 87 - Kontinuität 84 - kritische Deutung des 88 - Relations- 89f. -relativer 135 - subjektiv gegebener 86 - umgebender 89 - unendliche Einschränkbarkeit 86 - unendliche Teilbarkeit 86 - unendliche Vergrößerbarkeit 84, 86 -unendlicher 84 - ursprünglicher 89 - Zusammensetzbarkeit des -es 86 Raumbegriff 89,91 Raumgestalten - ähnliche 88 - gleiche 88 - inkongruente 88 Raumquantum(-größe) 82f., 109, 134 Raumteil(e.ung) 83,89 Raumvorstellung - ursprüngliche 86f., 109 Raum-Zeitbestimmungen 61,84,87, 88
Raum-Zeitquanta 88 Raum-Zeitvorstellungen 85 - faktische 86 Realdefinition 127,144,187 Reale 97,111,121,136 Realität 100 -objektive 98,108,110 Reflexion 25,31,35,66,95,103
Sachregister
-äußere 155 - transzendentalphilosophische 86, 93f., 96f„ 106,118f. Regel(n) 49,5 Iff., 55,60,64,141 -apriori 61 -derAnnäherung 59,81 - der Synthesis 97 - des Verstandes 95 Regelmäßigkeit 51f., 166 relativistisch 189 Restriktionsthese 44,68 Richtung(sbestimmtheit, -sunterschiede) 89-92,130f., 134f. Satz vom (zu vermeidenden) Widerspruch 23,36 Schein - transzendentaler 68 Schema 48-67,70 - der Sinnlichkeit 67,69 - transzendentales 49,64,66 Schematisierung - mathematischer Begriffe 60f. - reiner Verstandesbegriffe 65 Schematismus 49,52,77,97 - empirischer 48,51,60 - mathematischer 48,56,60,62,65 - transzendentaler 48f., 61f., 65,67 Schematismuslehre 48,50,64,69 Schematismusverfahren 51,61 Schönheit(sbegriff) 163ff. Schöne, schön 163ff. Schullogik(-metaphysik, -philosophie) 9,20ff, 141 Selbstbewußtsein 54 Semantik -transzendentale 65 Signifikant(en) 33,147,182 -bewegung 149 Signifikat 33 Sinn -äußerer 92,113
221
-innerer 53,64f.,77,113 sinnliche Verdeutlichung 65 Sinnlichkeit 48,53,88,99,115,126, 167 Sittlichkeit, sittlich 176,181 Skeptizismus 155,188f. sokratische Maieutik 27 Spontaneität 54 Sprache 64,183,188 -Leistungder 31 - der Mathematik 146 Sprachgebrauch 33 sprachliche Bedingtheit 31,193 sprachphilosophisch(e, er, es) 64, 191f. -Transformation 31 Sprachtheorie 31 Streckenverhältnisse 80 strukturalistische Zeichentheorie 33 Subjekt 94ff, 155,165,188 -einzelnes 91f. -empirisches 50,92 -individuelles 61 -transzendentales 192 Subjektivität, subjektiv 53,95f. Substanz 100,160 -Akzidenz-Relation 124 --kategorie 124 Subsumtion 49 symbolisch-intuitiv 50 Symmetrie, symmetrisch 88,163f., 166f. Synthesis 53,55,63,77,99f., 105, 109f., 121,192 - aggregative 78,80,82 -allgemeine 100 - des Gleichartigen 78 - intellektuelle 80 - kategoriale 53,62 - mathematische 82,97,121 - reine (S. a priori) 80,126
222 - sukzessive 77,134,186 synthetisch(e, er, es) 18,27ff., 37, 150 - (Begriffs)verdeutlichung 10,27 -Mathematikverständnis 36 - Methode (Lehrart) 142 - Urteil(e), Satz, Sätze 37f„ 40 Synthetizität 151f. System 173f. systematische Unterscheidbarkeit 149 Systematizität 35,15 lf. Tausendeck (Chiliogon) 44,55 Teilbarkeit -unbegrenzte 83 - unendliche 82,86 Teilung - sukzessive 87 - ins Unendliche 84 Teilvorstellungen 84 Teleologie, teleologisch 163,168, 174,176 Theologie 93,113,178 Totalität 68,73,87 Transformationsidee 1 transzendent 94,117 transzendentale -Ästhetik 107,126,155 -Analytik 67,99,118 - Deduktion 48,53,67,96,118, 157,190,192 - Dialektik 67,85,99,141,155 - Grundsätze (der Mathematik) 105f., 192 -Logik 97,107,126,155 - Methodenlehre 64,141,157 -Prinzipien 97,111,120 - Schemata 64,66 Transzendentalphilosophie 15,31, 96,102,104f., 108,113-119,143, 172,185,190,194
Sachregister
transzendentalphilosophische(r) -Ansatz 12,62,85,116 - Denkweise(-art) 66,103,191f. - Reflexion 86,93f., 96f., 99,104, 106,118f., 158 Transzendentalpragmatik 193 transzendentalpragmatisch 190 Tugend 176f. Übersinnliches 93,177 Unabschließbarkeit, Unabgeschlossenheit 149,185f„ 194 Unbedingtes 69,176 unbeendbarer Bestimmungsprozeß 59 unendlich, Unendliches 57,81,86, 122,194 Unendlichkeit 73,82 - aktuelle 58,84-87 -gegebene 85ÍF. - potentielle 58,85f. -derZeit 85 -desRaumes 85,87 Unendlichkeitsbegriff 86 unerweisliche Sätze 36,150,154 Unterscheidungskriterium 17 Ursache 64,66,157 Urteil 95ÍT., 150,154f. -ästhetisches 163-168 - analytisches 18f., 21,37,41,142, 157 - direkt synthetisches 157f. -empirisches 186 - Erfahrungs- 38,96 -Erkenntnis- 166 - indirekt synthetisches 157 - logische Form von -n 96 -logisches 165 - nicht-reines synthetisches U. a priori 125 - objektiv gültiges 53 - synthetisches 37,118,142,157
Sachregister
- synthetisches U. a priori 38,40, 93,120,131,151,155f. -teleologisches 163 urteilsbezogenes BegrifFsverständnis 37 Urteilsbegriff 96 Urteilskraft 68 -bestimmende 77,97,166,175 - reflektierende 166,175 usu conceptuum 17 Verdeutlichung, verdeutlichen 10, 27ff.,51,60ff., 65,146,148f. Verhältnis von Begriffund Gegenstand 93 Vernunft 67-70,87,93,115,118, 141,172,174 -praktische 176ff. Vernunftbegriff(e) 4,68,87,99 - transzendenter Gebrauch reiner 68 Vernunftgebrauch(-erkenntnis) 42, 67,69,87 - apriorische(r) 41 - diskursive(r) 42,88,92,102,138, 140 -dogmatischer 140 - intuitive(r) 42,88,102,138,140 -legitime(r) 99 - mathematische(r) l f , 4,20ff, 43, 91,140 - philosophische(r) l f , 4,20ff, 43, 91,140 -praktischer 174 -spekulativer 159f. - synthetische(r) 38,41 - systematische(r) 99 -theoretischer 174 Vernunftkritik, vernunftkritisch 3, 15,189 Vernunftkunst 161,170,172 Versinnlichung 10,49,51f,55f,59,
223
61,66,128 Verstand 27,48,53,57,81,90,94, 97,99,115,118,164f, 175 Verstandesbedürfnis 51,166 Verstandesbegriffe - Darstellung reiner 62 -reine 49,63,65,67,69,71,87, 96ff, 117,120,126f, 149 Verstandesgebrauch - logischer 96 - reiner 66f, 117 Verstandeshandlungen 26 Verstandesmerkmale 91 Verstehenshorizont 61,187 Vielheit 57,77,81,111 Vollbestimmtheit 51f,60 vorkritisch, vorkritische Phase 9,19, 24f, 32,40,142 Vorstellung - anschauliche in concreto 65 -diskursive 84 - vom Gegenstand 94 -vomObjekt 94 - unendliche Menge von 84 - der Vernunft 85 - einer Vorstellung 96 Vorurteile 91 - materielle 95 - objektive 95 Vorverständnis 26,147 Wahrheit 28,95,161,183,186 - Form der 97 - materielle (objektive) 95 - Namenerklärung von 94 Wahrheitsanspruch 95,189 Wahrheitsbegriff 94,191 Wahrheitskriterium - allgemeines, materiales 95,186 Wahrnehmung 63,74,77,96ff, 109, 121,124 Weisheit 15,173,178-183,185
224 - -slehre 15,161,178f., 181 -Liebe zur 179 Weiterbestimmbarkeit 61 Welt -intelligible 177 -phänomenale 177 Weltweisheit(slehre) 179 Werkzeug 168f. Wesen 124 Widerspruchsprinzip 95,150,154 Wille 180 willkürliche Verbindung 9f., 21-25, 28,62 Wissenschaft, wissenschafts- 15,59, 92,120,125,132,140,161f„ 17 Iff., 178,179,181-183,194 -apriorische 38 -besondere 127 - eigentliche 128,132,138 -empirische 63,136f. -mathematische 183 -theoretische 4 Wissenschaftlichkeit 15,106,132, 137,154 Wort(e) 147f. Zahl(en) 56,74ff„ 78f., 81,122,184 - diskrete 80f. - endlich-abzählbare 81 - endliche 80 --formein 152 - irrationale 59,80 - komplexe 59,81 -kontinuum 80,82 - natürliche 80f. -negative 81 -rationale 81 -reelle 81,83 -unmögliche 81 --Verhältnisse 152f. --wert 123 - -Wissenschaft 79
Sachregister
- zeichen 79 Zahlgröße 80 - diskrete 82f. Zergliederung 25f, 28,148 Zeichen 4,26,31ff., 146,148,182, 191 -desZählens 81 - finîtes 59 - in abstracto 32,34f. - in concreto 32-35,147 - mathematische 33,35 - sinnliche 32,34,147 -sprachliche 34 Zeichengebrauch 3,33 -diskursiver 1,11 -in abstracto 10 -inconcreto 10 -intuitiver 1,11 zeichentheoretisch 34 Zeichnung 45,51,61 Zeit 33, 39,54,62f„ 77ff, 82,85f„ 91,96,109ff., 120,126,133 - als Form der Anschauung 91,108 -Einheitder 80 Zeitabhängigkeit 79 Zeitbedingtheit 184 Zeitbedingung(en) 64,66 Zeitbestimmung(en) 64ff., 79 zetetisch 140,142 zusammensetzen, Zusammensetzung 34,82,84,89 - sukzessive 87 Zweck 161 -absoluter 173 - -begriff 162 -beliebiger 168ff„ 172 - individueller 147,187 -problematischer 170 -wirklicher 170 Zweckmäßigkeit 164 -ästhetische 163
Sachregister
der Natur 164,175 formale 163,167f„ 184 mathematische 168 objektive 163,168,175
-reale 167 - subjektive 163,167 -teleologische 163
Peter König
Autonomie und Autokratie Über Kants Metaphysik der Sitten Groß-Oktav. XII, 243 Seiten. 1994. Ganzleinen ISBN 3-11-014302-X (Quellen und Studien zur Philosophie, Band 36) Gegen die Tendenz, Kant lediglich als Zerstörer der Metaphysik zu betrachten, stellt der Autor Kant als einen weitgehend unterschätzten metaphysischen Denker heraus. Im Anschluß an eine Analyse von Kants Begriff der metaphysischen Erkenntnis und die Herausarbeitung der damit verbundenen methodischen Anforderungen an eine Metaphysik der Sitten zeigt eine Interpretation von Kants Moralphilosophie, wie Kant diesen Anforderungen im einzelnen gerecht wird.
B. Narahari Rao
A Semiotic Reconstruction of Ryle's Critique of Cartesianism Groß-Oktav. XIV, 165 Seiten. 1994. Ganzleinen ISBN 3-11-014156-6 (Quellen und Studien zur Philosophie, Band 38) Kritische Auseinandersetzung mit der Theorie wissenschaftlicher Erkenntnis des französischen Philosophen, Wissenschaftlers und Mathematikers René Descartes (1595-1650).
Walter
W G DE
Berlin · New York