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German Pages 461 [476] Year 2012
Sebastian Maly Kant über die symbolische Erkenntnis Gottes
Kantstudien Ergänzungshefte im Auftrage der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Manfred Baum, Bernd Dörflinger, Heiner F. Klemme und Thomas M. Seebohm
165
De Gruyter
Sebastian Maly
Kant über die symbolische Erkenntnis Gottes
De Gruyter
Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.
ISBN 978-3-11-026079-3 e-ISBN 978-3-11-026080-9 ISSN 0340-6059 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Maly, Sebastian. Kant über die symbolische Erkenntnis Gottes / Sebastian Maly. p. cm. - (Kantstudien. Ergänzungshefte, ISSN 0340-6059 ; Bd. 165) Includes bibliographical references (p. ) and index. ISBN 978-3-11-026079-3 (hardcover : alk. paper) 1. Kant, Immanuel, 1724-1804. Kritik der Urteilskraft. 2. God Knowability. 3. Symbolism. I. Title. B2784.M29 2011 2121.6092-dc23 2011030709
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
” 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Meinen Eltern Katharina und Lutz Maly
Vorwort „Das Geheimnis seiner [Kants, SM] Philosophie ist die Unausdenkbarkeit der Verzweiflung.“1
Fr mich gibt es kaum eine Formulierung, die das Anliegen von Kants (Religions-)Philosophie so auf den Punkt bringt, wie der zitierte Satz aus den Meditationen zur Metaphysik in Theodor W. Adornos Negativer Dialektik. Der Satz begleitet mich, seitdem ich mich zu Magisterzeiten intensiver mit Kants Religionsphilosophie auseinandergesetzt habe. Er steht zu Beginn dieses Buchs aber nicht nur als eine Art ,Kant in a nutshell‘, sondern auch fr eine biographische Erfahrung. Die vorliegende Studie ist die leicht berarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die ich im Mrz 2010 am Fachbereich 1 der Universitt Siegen eingereicht habe. Dass ich diese Arbeit nach langen intensiven und oft schwierigen, aber eben nicht verzweifelten Jahren des Doktorandendaseins beenden konnte und nun verçffentlichen kann, ist Anlass zu vielfachem Dank. Mein erster Dank gilt meinen beiden Doktorvtern. Bei Prof. Dr. Dieter Schçnecker habe ich von 2006 bis 2008 eine inspirierende Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum fr Kommentarische Interpretationen zu Kant (ZetKIK) an der Universitt Siegen verbracht. Durch viele gemeinsame Gesprche, die Zusammenarbeit am ZetKIK und seine Betreuung auch ber meine Siegener Zeit hinaus hat die vorliegende Studie wichtige Impulse bekommen. P. Prof. DDr. Friedo Ricken SJ danke ich fr die Erstellung des Zweitgutachtens und die Bereitschaft, auch nach meinem Weggang aus Mnchen das Projekt weiter zu begleiten. Der Teilnahme an seinen Seminaren in meinem Philosophiestudium an der Mnchner Hochschule fr Philosophie und vielen Gesprchen verdanke ich mein Interesse an Kant und an religionsphilosophischen Fragestellungen. Gerne denke ich auch an alle KommilitonInnen, denen ich bei verschiedenen Gelegenheiten Entwrfe zu dieser Arbeit prsentieren durfte. Ich danke den KollegiatInnen des Mnchner DFG-Graduiertenkollegs „Der Erfahrungsbegriff in der europischen Religion und Religionstheorie 1
Adorno 1982, 378.
VIII
Vorwort
und sein Einfluss auf das Selbstverstndnis außereuropischer Religionen“, den TeilnehmerInnen des Doktorandenkolloquiums von Friedo Ricken und den TeilnehmerInnen des Philosophischen Kolloquiums im Fach Philosophie an der Universitt Siegen. Danken mçchte ich auch Prof. Dr. Gnter Zçller (Mnchen) und Prof. Dr. Christoph Horn (Bonn) fr Einladungen, an ihren Oberseminaren teilzunehmen und einen Teil meiner Arbeit in einer Sitzung vorzustellen, sowie den TeilnehmerInnen an diesen Sitzungen fr wertvolle Rckmeldungen. Ein besonderer Dank geht an die Teilnehmer der Siegener Kant-Tagung 2007, die sich mit dem Thema „Symbolische Erkenntnis Gottes bei Kant“ auseinandergesetzt hat. Von den Anfragen und Anregungen der Teilnehmer hat die Arbeit sehr profitiert. Auch der Thyssen-Stiftung sei Dank fr die großzgige Finanzierung dieser Tagung am Siegener ZetKIK. Ohne viele FreundInnen, KollegInnen und Bekannte wre die unausdenkbare Verzweiflung vielleicht doch Wirklichkeit geworden. Ein herzlicher Dank an alle, die mich in gut sechs langen Jahren meines Doktorandendaseins begleitet haben und immer wieder da waren, um meine Selbstzweifel und meine Begeisterung zu teilen, die mich auf andere Gedanken gebracht haben und die nicht zuletzt auch Teile der Arbeit Korrektur gelesen haben: Dr. Eva Bockenheimer, Christina Bodemann, Dr. Monika, Michael und Antonia Dullstein, Magdalena Eckes, Dr. Christina Ehring, Christoph Groneberg, Dr. Gabriela Grunden, Michael Helwig, Dr. Katharina, Carsten, Jonathan und Benjamin Heyden, Dr. Magdalena Hoffmann, Ruth Jung, Dr. Lukas Kaelin, Matthias Katzer, Carmen Leszynsky, Martin Lçwenstein SJ, Julia Manns-Sommer, Kai Mascher, Dr. Daniel Pacho, Annette Pitschmann, Prof. Dr. Michael Reder, Markus Roentgen, Annegreth und Klaus Schilling, Dr. Alexander Schimmel, Christina, Gunnar, Rebekka und Benjamin Schubert, Rita Werden, Agnes Zeiser und die Schwestern und Brder der Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem in Kçln, Groß St. Martin. Danken mçchte ich auch allen KollegInnen im Cusanuswerk e.V. in Bonn, die von 2008 bis zur Disputation im Juli 2010 großes Verstndnis fr den nicht immer einfachen Spagat zwischen Abschluss einer Dissertation und einem Vollzeitjob hatten. Von 2003 bis 2006 wurde die Dissertation von der DFG im Rahmen des oben genannten Mnchner Graduiertenkollegs mit einem Promotionsstipendium gefçrdert, wofr ich sehr dankbar bin. Den Herausgebern der Reihe „Kant-Studien Ergnzungshefte“ danke ich fr die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe und Dr. Gertrud
Vorwort
IX
Grnkorn, Wolfgang Schirmer und Katja Brockmann vom Verlag De Gruyter fr die gute Betreuung. Der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung fr Geisteswissenschaften danke ich fr die Gewhrung eines namhaften Druckkostenzuschusses. Die Arbeit wurde im November 2011 mit dem Richard-SchaefflerPreis ausgezeichnet, welcher der „Fçrderung junger Philosophen, die sich um eine fr die Theologie besonders fruchtbare Thematik verdient gemacht haben“, dient. Ich danke der Hochschule fr Philosophie, Mnchen, sowie dem Stifter des Preises, Prof. Dr. Dr. h.c. Richard Schaeffler, fr diese ehrenvolle Auszeichnung. Der letzte Dank gilt meinen Eltern Katharina und Lutz Maly. Sie haben mich in den langen Jahren meines Studiums auf alle nur erdenkliche Weise gefçrdert und untersttzt. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Bonn im November 2011
Sebastian Maly
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Prliminarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1 Ziel, Relevanz und Methode der Studie . . . . . . . . A.2 Zur Auswahl der Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3 Zur Sekundrliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.1 Symbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.2 Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.3 Darstellung und Hypotypose . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kurzer berblick ber den Verlauf der Studie . . . . . . . . . .
1 1 1 12 18 20 20 25 28 30
Erster Teil 1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie . . . . . . . . . . . . . 1.1 Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90 . . . . 1.2.1 Analogie als Proportionalittsanalogie . . . . . . . . . . 1.2.2 Nach der Analogie denken und nach der Analogie schließen (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Ein Exkurs zur paritas rationis . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Nach der Analogie denken und nach der Analogie schließen (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen fr die objektive Realitt von Begriffen . . . . 1.3.1 Das „Dartun“ der Realitt von Begriffen . . . . . . . . 1.3.2 Theoretische Erkenntnis und objektive Realitt von Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen fr den Aufweis der objektiven Realitt von Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 42 45 51 58 65 73 75 76 80 84
XII
Inhalt
1.3.4
Beispiele, Schemate sowie Vernunftbegriffe und ihr Verhltnis zu Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.5 „Darstellen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft in der Symbolisierung von Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 „Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Symbol, Analogie und doppeltes Geschft der Urteilskraft – ein erster berblick . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Die Theorie des doppelten Geschfts der Urteilskraft und das Beispiel der Symbolisierung des despotischen Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 „Ganz andere Gegenstnde“ oder „ganz andere Begriffe“ – was wird in den Beispielen symbolisiert? 1.4.5 „Reflexion“ und die Anwendung des Begriffs auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung . . . . . . . 1.4.6 Die Anwendung der Regel der Reflexion auf den ganz anderen Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.7 Wozu braucht man ein Symbol des despotischen Staats und welche Begriffe kçnnen symbolisiert werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung . . . . . 1.5.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“ . . . . . . . . . 1.6.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.1 Was ist ein Symbol? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.2 Was kann symbolisiert werden? . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.3 Was leistet ein Symbol? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift . . . . . . . . . . . 1.8.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Zusammenfassung des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Themen der Sekundrliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.1 Symbol und Perspektivitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.2 Der Kant’sche Symbolbegriff als „Metapher“ und das Ausblenden der Bedeutung der Analogie fr Kants Symboltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 92 96 97 100 102 104 109 113 128 132 146 149 156 157 170 171 172 178 181 188 197 197 203 203 204
Inhalt
XIII
Zweiter Teil 2. Die symbolische Erkenntnis Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“ . 2.2.1 Eine „bloße Vorstellungsart“, die man „Erkenntnis nennen darf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Die „praktische Bestimmung“ dessen, was die Idee Gottes fr uns und ihren zweckmßigen Gebrauch bedeutet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die moralisch-existentielle Bedeutung der praktischen Erkenntnis Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Zwischenergebnis: Die praktische Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gott und dem moralischen Endzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Warum ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Eine ,bloß‘ symbolische Erkenntnis Gottes als Mittelweg zwischen Deismus und Anthropomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott außerhalb von KU, § 59 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Prolegomena: Symbolischer Anthropomorphismus und Erkenntnis Gottes nach der Analogie . . . . . . . 2.3.2 Preisschrift: Symbolische Darstellungen als Nothilfe fr Begriffe des bersinnlichen . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Religionsschrift: Der Schematismus der Analogie . . 2.3.4 Ein Ausblick auf weitere Texte . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Symbolische Erkenntnis Gottes und das menschliche Bedrfnis nach Sinnlich-Haltbarem . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Das Verhltnis von philosophischer Theologie und Religion in der KU und in der Religionsschrift . . . . 2.4.2 Symbole, symbolische Vorstellungen und Darstellungen in Kants Interpretation des Christentums im Rahmen der Religionsschrift . . . . 2.4.3 Der epistemologische Status des religiçsen Symbols in der Religionsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 215 216 218 220 243 250 256 265 278 282 283 302 306 331 341 345 345 356 379
XIV
Inhalt
2.4.4
2.5 2.6
Zum Verhltnis von symbolischer Erkenntnis Gottes und religiçsen symbolischen Vorstellungen bei Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . Themen der Sekundrliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Wird die Religion in der KU versinnlicht oder sthetisiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Ist Kant ein theologischer Anti-Realist? . . . . . . . . .
388 402 407 413 413 416
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 I. Die analoge Erkenntnis und Rede von Gott ist ein Mittelweg zwischen einem naiven religiçsen Realismus und einem theologischen Anti-Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 II. Kants Einfhrung des Symbolbegriffs in seine philosophische Theologie und Religionsphilosophie stellt hçchstens eine indirekte Aufwertung des Eigenwerts des Sinnlichen im Christentum dar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Immanuel Kants Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Sekundrliteratur und weitere verwendete Literatur . . . . . . . . . . 442 Abkrzungsverzeichnis/Verzeichnis der Sigellata . . . . . . . . . . . . . . . 452 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
Einleitung A. Prliminarien A.1 Ziel, Relevanz und Methode der Studie In § 59 von Kants Kritik der Urteilskraft findet sich der folgende, hinsichtlich des Kontexts berraschende Satz:1 „Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphism, so wie, wenn er alles Intuitive weglßt, in den Deism, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.“2
berraschend ist dabei nicht die Tatsache, dass vom Symbolischen oder von symbolischer Erkenntnis die Rede ist, sondern dass all unsere Erkenntnis Gottes als „bloß symbolisch“ bezeichnet wird. Kant hat in dem mit „Von der Schçnheit als Symbol der Sittlichkeit“ berschriebenen § 59 zunchst den Begriff des Symbols eingefhrt. Unmittelbar bevor der § 59 seine Hauptaussage erreicht, dass das Schçne das Symbol des SittlichGuten sei, findet sich der zitierte Satz. Von Gott ist im unmittelbaren Kontext von § 59 sonst keine Rede. Kant wird erst viel spter in der KU – in der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft – auf Fragen der philosophischen Theologie zu sprechen kommen. Dort wiederum wird die Aussage, dass all unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, in dieser Form nicht mehr wiederholt. Ziel dieser Arbeit ist es, die Aussage aus KU, § 59 zu verstehen, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei. Diese Aussage ist zunchst bemerkenswert, weil sie in § 59 eher beilufig auftaucht und in dieser Form in der KU nicht mehr vorkommt. Es gibt außerdem nur wenige andere 1 2
Ich krze die Kritik der Urteilskraft im Folgenden mit „KU“ ab. Zu allen in dieser Arbeit verwendeten Sigellata von Kants Schriften sowie der Zitierweise vgl. das Abkrzungsverzeichnis am Ende der Arbeit. KU, 5: 353,2 – 12.
2
Einleitung
Stellen in Kants Werken, in denen der Begriff des Symbols in einen ausdrcklichen Zusammenhang mit seiner philosophischen Theologie oder Religionsphilosophie gebracht wird.3 In der Religionsschrift spricht Kant an einigen Stellen von symbolischen Vorstellungen im Christentum, allerdings ohne den Symbolbegriff nher zu erlutern. Von einer explizit symbolischen Erkenntnis von Gott spricht Kant sonst nirgends, auch nicht in der Religionsschrift; eher noch liest man z. B., dass unsere Erkenntnis von Gott eine Erkenntnis nach der Analogie sei.4 Der erste Schritt zu einem Verstndnis der Aussage aus § 59 ist, die Verwendung von „Symbol“ oder „symbolisch“ in KU, § 59 zu untersuchen. Kant geht nirgendwo in seinem Werk ausfhrlicher auf den Symbolbegriff ein als im ersten Teil des § 59 der KU.5 Umso erstaunlicher ist es, dass es nur wenig Sekundrliteratur gibt, die Kants Verwendung des Symbolbegriffs in § 59 ausgehend vom ersten Teil des Paragraphen eingehend untersucht.6 Diesem Mangel will diese Studie abhelfen. Um zu einem Verstndnis der Kant’schen Rede von einer symbolischen Erkenntnis Gottes zu gelangen, reicht es aber nicht aus, nur den ersten Teil von § 59 zu interpretieren. Durch die philosophisch-theologischen berlegungen Kants am Schluss der KU lassen sich innerhalb des Werks Bezge herstellen, welche die Bedeutung von „Erkenntnis Gottes“ erhellen kçnnen und gleichzeitig auch den in § 59 offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem Symbol- und dem Analogiebegriff besser verstehen lassen. Auch dieser fr die Interpretation des ersten Teils von § 59 wichtigen Verbindung zur Methodenlehre am Schluss der KU wurde in der Sekundrliteratur bisher nur wenig nachgegangen. Erst auf dieser Grundlage der Verbindung zwischen § 59 und der Methodenlehre kann die Bedeutung des Symbolbegriffs fr Kants philosophische Theologie angemessen eingeschtzt werden. Fr das Verstndnis des Symbolbegriffs in Kants Religionsphilosophie, v. a. in der Religionsschrift, ist die Untersuchung von KU, § 59 und Methodenlehre ebenfalls hilfreich, weil Kant in der Religionsschrift den Ausdruck „Symbol“ zwar verwendet, ihn aber weder ausdrcklich wie in KU, § 59 einfhrt, noch erlutert, was er damit meint. Mit meiner Verwendung von „philosophische Theologie“ und „Religionsphilosophie“ habe ich bereits auf eine wichtige Unterscheidung in3 4 5 6
So z. B. FM, 20: 279,25 – 280,20. So z. B. in KU, 5: 484,31 – 485,3; Prol, 4: 357,26 – 28; 357,30 – 358,37. Auf die Gliederung von § 59 komme ich in Kapitel A.2 zu sprechen. Ausnahmen sind z. B. Bahr 2004b; Gasch 2003; Recki 2001; Recki 2008. Auf die Sekundrliteratur gehe ich in dieser Einleitung noch in Kapitel A.3 etwas nher ein.
A. Prliminarien
3
nerhalb der Disziplinen der systematischen Philosophie angespielt. Diese Unterscheidung ist auch bei Kant anzutreffen und wird im gegenwrtig fr den Bereich der Religionsphilosophie dominanten angelschsischen Sprachraum wieder entdeckt. Kant selbst kennt einerseits die „theologia rationalis“ oder rationale Theologie, worunter er Argumente fr die Existenz Gottes, die Diskussion bestimmter Eigenschaften Gottes und die Frage nach dem epistemologischen Zugang zu Gott versteht.7 In diesem Sinne gehçren die entsprechenden Teile der drei Kritiken und anderer Werke, die sich mit diesen Themen beschftigen, zu Kants Auseinandersetzung mit der Tradition der „theologia rationalis“, die von der „theologia revelata“ und damit von der Offenbarungstheologie des Christentums, sofern es sich als Offenbarungsreligion versteht, unterschieden ist. Damit profilieren die entsprechenden Texte Kants eigenen Ansatz einer philosophischen Theologie, wie man den Ausdruck in Abgrenzung zur „theologia revelata“ im Deutschen oft bersetzt.8 In der Religionsschrift spricht Kant im Vorwort zur ersten Auflage im Vorausblick auf die vier Teile des Buchs von einer „philosophischen Religionslehre“, die er wiederum von einer „biblischen Theologie“ unterschieden wissen will.9 Im Unterschied zu den drei Kritiken beschftigt sich Kant in der Religionsschrift nicht mit der Frage nach der Existenz Gottes oder bestimmten Eigenschaften Gottes, sondern er legt eine philosophische Interpretation zentraler christlicher Glaubenslehren wie der Soteriologie oder Eschatologie vor. Michel Despland schreibt mit Blick auf die Religionsschrift: Sie sei „an effort to understand his own religion, to clarify its meaning, and to come into a more mature possession of its basic insight“.10 An anderer Stelle schreibt er, ebenfalls mit Blick auf die Religionsschrift: „Kant also played a part in the elaboration of philosophy or religion in the modern sense of the word, namely in the elaboration of philosophy of religion as a specific sub-discipline within the autonomous discipline of philosophy that sees religion, whatever it is, as a definite enough object to become an object of a systematic investigation. It is my contention that his contribution to 7 Vgl. dazu die grundlegende Einteilung der verschiedenen Theologien in KrV, B 659 – 661 (3: 420,1 – 421,16). 8 Teilweise ist allerdings auch von „natrlicher Theologie“ oder „rationaler Theologie“ die Rede. 9 Vgl. RGV, 6: 10,20 – 27; 9,28 – 37. Inwiefern die Ausdrcke „theologia revelata“ und „biblische Theologie“ dasselbe meinen, kann hier nicht weiter untersucht werden. 10 Despland 1973, 103 – 104.
4
Einleitung
this development is based upon the distinction between religion pure and applied and consists of the elaboration of a doctrine of God on a religious basis (on religion pure) and the elaboration of a doctrine of religion which seeks to elucidate all or most of the problems raised by the diverse phenomena of religion and different religious traditions (or by religion applied).“11
Despland bewertet den Kant’schen Ansatz einer philosophischen Religionslehre somit als einen der Geburtsmomente der modernen Religionsphilosophie, sofern philosophisches Denken sich hier explizit religiçse Phnomene als Gegenstand der Untersuchung whlt.12 Ich kann dieser Einschtzung Desplands in weiten Teilen zustimmen.13 Ich wrde Desplands Aussage nur an der Stelle modifizieren, wo er meint, Kants Gotteslehre habe eine „religious basis“. Diese Aussage ist missverstndlich, weil sich der Religionsbegriff bei Kant in der philosophischen Argumentation aus der philosophischen Theologie ergibt.14 Ich mçchte deswegen lieber davon sprechen, dass Kants philosophische Theologie argumentativ auf seiner kritischen Metaphysik und Moralphilosophie beruht, was nicht ausschließt, dass er sich dabei auf Begriffe aus der christlichen Tradition bezieht. Die Kant’sche Unterscheidung von „theologia rationalis“ und „philosophischer Religionslehre“ aufgreifend werde ich in dieser Arbeit sowohl mit Blick auf Kant als auch mit Blick auf die systematische Philosophie zwischen den Disziplinen der philosophischen Theologie und der Religionsphilosophie unterscheiden.15 Zur philosophischen Theologie zhle ich dabei die Diskussion von Argumenten fr die Existenz Gottes, die Erçrterung der Eigenschaften Gottes und damit zusammenhngender Fragen der Epistemologie oder Sprachphilosophie. Weil die philosophische Theologie in der Tradition, in der auch Kant steht, eine Unterdisziplin der 11 Despland 1973, 124 – 125. 12 Vgl. dazu auch Lutz-Bachmann 2000 und Lutz-Bachmann 2002. 13 Vgl. zur These, dass Kant in seiner Religionsphilosophie metaphysische und religionsgeschichtliche Fragen verbindet, auch Troeltsch 1904, 40 – 57. 14 Ich kçnnte der Aussage von Despland nur dann zustimmen, wenn Despland „religious basis“ im Sinne einer hermeneutischen Grundlage meint, dass Kant also seine Gotteslehre im Kontext einer christlichen philosophischen und theologischen Tradition entwickle. Ich werde im Kapitel 2.4.1 eine zu dieser These wichtige Stelle aus der KU interpretieren. 15 Diese Unterscheidung und die folgenden berlegungen sind dabei – nicht zuletzt aufgrund der religiçsen Tradition, in der Kant steht – auf Entitten und Phnomene der theistischen und genauer der christlichen Tradition beschrnkt. Wenn in dieser Arbeit nur von der theistischen Tradition und der christlichen Religion gesprochen wird, impliziert das keine Abwertung anderer religiçser Traditionen.
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Metaphysik ist, abstrahiert die philosophische Theologie aus methodischen Grnden von den spezifischen Eigenschaften Gottes z. B. im Christentum. Deswegen ist bei Kant oft nur vom „hçchsten Wesen“ die Rede und seine philosophische Theologie ist zunchst als theistische Position zu charakterisieren.16 Die Religionsphilosophie hingegen beschftigt sich mit religiçsen Phnomenen wie religiçser Erfahrung, religiçser Sprache oder religiçsen Normen und diskutiert z. B. den epistemologischen Status religiçser Erfahrung oder das Problem der religiçsen Vielfalt. Dabei geht sie immer von historischen Religionen aus. Philosophische Theologie und Religionsphilosophie sind eng miteinander verbunden, so dass es nicht verwunderlich ist, dass man gerade im angelschsischen Sprachraum bis vor kurzer Zeit in den einschlgigen Handbchern, Aufstzen und weiterer Fachliteratur nur auf den Ausdruck „Philosophy of Religion“ stieß und darunter das gesamte Themenspektrum von philosophischer Theologie und von Religionsphilosophie im gerade beschriebenen Sinne verstand. Seit einiger Zeit erlebt die philosophische Theologie jedoch auch als selbstndiges Themengebiet der Philosophie im angelschsischen Sprachraum eine Renaissance.17 In systematischer Hinsicht rhrt die Kant’sche Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott v. a. an sprachphilosophische und epistemologische Fragen der Religionsphilosophie oder philosophischen Theologie. Der enge Zusammenhang des Symbolbegriffs mit dem Begriff der Analogie und entsprechende Stellen z. B. in der Methodenlehre der KU weisen Kant als Vertreter der Mçglichkeit eines analogen Sprechens ber bestimmte Eigenschaften Gottes und einer damit verbundenen epistemologischen Position aus. In der Religionsschrift schreibt Kant darber hinaus an einigen Stellen von religiçsen Symbolen wie z. B. der christlichen Lehre von der Jungfrauengeburt. Kant verwendet den Ausdruck „symbolisch“ nicht nur zur Bezeichnung des Verhltnisses von Sprache und Gott im Kontext seiner philosophischen Theologie, sondern er benutzt den Ausdruck auch zur religionsphilosophischen Interpretation der Bedeutung 16 Inwiefern Kants philosophische Theologie auch eine spezifisch christliche philosophische Theologie ist, ist dann eine weiterfhrende Frage. 17 Vgl. dazu die beiden jngst erschienenen Handbcher Flint et al. 2009 und Taliaferro et al. 2010. Im deutschen Sprachraum verhlt es sich hnlich. Als eigenstndige philosophische Disziplin ist die philosophische Theologie tendentiell in Vergessenheit geraten. Ihre Fragestellungen werden innerhalb der Religionsphilosophie verhandelt. Allerdings gab es in den letzten Jahren einige Verçffentlichungen, die sich ausdrcklich als philosophische Theologien oder Gotteslehren verstehen. Vgl. dazu Fischer 1995; K. Mller 2001; Rentsch 2005; Schmidt 2003.
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von berzeugungen historischer Religionen wie des Christentums. Diese Arbeit will daher auch versuchen, Kants Verstndnis des analogen Sprechens ber Gott und der zugrundeliegenden religiçsen Epistemologie zu erhellen und die Kontinuitten und Unterschiede dieses Verstndnisses zu seiner Auffassung der Bedeutung bestimmter religiçser berzeugungen des Christentums herauszuarbeiten. Die begriffsgeschichtliche Bedeutung dieser Kant’schen Anverwandlung des traditionellen Symbolbegriffs ist in der Sekundrliteratur immer wieder betont worden. So heißt es z. B. in Gadamers Wahrheit und Methode mit Blick auf KU, § 59: „Dieser Begriff der symbolischen Darstellung ist eines der glnzendsten Resultate des Kant’schen Denkens.“18 Sptestens im 19. Jahrhundert findet der Symbolbegriff in den verschiedensten Disziplinen – von den Literaturwissenschaften ber die Naturwissenschaften bis hin zur Theologie – flchendeckend Eingang. Es liegt nahe, in Kants Worten aus der KU eine Art prophetische Vorwegnahme bestimmter Entwicklungen in der Theologie oder Religionsphilosophie des 19. und 20. Jahrhunderts zu sehen. Der Begriff des Symbols ist insbesondere aus der christlichen Theologie des 20. Jahrhunderts nicht mehr wegzudenken. Unmittelbar nach Kant beginnt der Siegeszug solcher Begriffe wie „religiçses Gefhl“ oder „religiçse Erfahrung“.19 Kndigt sich also hier in der KU ein neues Paradigma der Religionstheorie an, das Religion weniger mit einer berzeitlichen Vernunft als vielmehr mit der sinnlich und historisch bedingte Zeichenhaftigkeit menschlicher Kommunikation und Bewusstseinsaktivitt verbunden sieht? Auch auf dieses Thema werde ich an geeigneter Stelle zu sprechen kommen.20 Mit der Fragestellung und dem Ziel dieser Arbeit ist verbunden, dass es sich nicht um eine systematisch-philosophische Arbeit handelt, die es sich zum Ziel macht, bestimmte philosophische Probleme anhand bestimmter Autorinnen und Autoren argumentativ zu durchdenken und Lçsungen fr diese Probleme anzubieten.21 Vielmehr handelt es sich um eine philosophiegeschichtliche Arbeit, welche die Bedeutung von Texten zu verstehen versucht. Dazu ist es nçtig, den besagten Text aus der KU und weitere Texte zu interpretieren. Was es genau heißt, einen philosophischen Text zu in18 19 20 21
Gadamer 1972, 71. Vgl. dazu auch Jung 2000. Vgl. Kapitel 2.6.2 und Ausblick. Ich werde in dieser Arbeit in den entsprechenden Fllen immer die mnnliche Variante von Substantiven verwenden. Selbstverstndlich sind in allen Fllen auch Frauen gemeint.
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terpretieren, ist jedoch alles andere als klar – oder besser gesagt: Es gibt verschiedene Alternativen, Philosophiegeschichte zu betreiben und philosophische Texte zu interpretieren. Ohne hier allzu sehr ins Detail gehen zu wollen, kann man folgende unterschiedliche philosophiegeschichtliche Herangehensweisen mit Blick auf die Kant-Forschung identifizieren: 1. Die genaue, detaillierte Interpretation einzelner Textstellen, mit dem Ziel, die Bedeutung von Ausdrcken im jeweiligen engeren Kontext zu klren und die entsprechenden Aussagen zu verstehen. 2. Die Einordnung der Interpretation bestimmter Textstellen in den grçßeren Kontext eines abgeschlossenen Einzelwerks oder des Kant’schen Gesamtwerks, mit dem Ziel, die Verwendung von Ausdrcken zu vergleichen, bestimmte Entwicklungen, Kontinuitten oder Brche im Denken Kants festzustellen oder auch, werkimmanente systematische Zusammenhnge zwischen einzelnen Ausdrcken oder Aussagen herzustellen. 3. Der Vergleich bestimmter Ausdrcke oder Aussagen Kants mit der Verwendung dieser Ausdrcke oder mit hnlichen Aussagen bei Autoren derselben philosophiegeschichtlichen Epoche oder Epochen bergreifend, mit dem Ziel, Kants Denken begriffs- oder ideengeschichtlich zu verstehen. In vielen Arbeiten sind dabei alle drei Herangehensweisen miteinander verbunden oder stehen nebeneinander, ohne dass nher darber reflektiert wrde. Ich mçchte mich in dieser Arbeit v. a. auf die erste Herangehensweise konzentrieren. Durch eine genaue, detaillierte Interpretation von KU, § 59 und anderen Textstellen aus der KU und aus anderen Werken mçchte ich versuchen, die Aussage, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, zu verstehen. Fr diese Art und Weise einer genauen, detaillierten Interpretation hat Dieter Schçnecker den Begriff der „Kommentarischen Interpretation“ geprgt.22 Dahinter versteckt sich keine ausgefallene, neue Methode, Texte zu interpretieren. Das methodische Instrumentarium ist vielmehr altbekannt. So werden z. B. lange Stze in krzere Aussagestze zergliedert oder es wird dem unklaren Bezug von Pronomina nachgegangen. Ein wichtiges Element ist auch, dass sinnvolle 22 Vgl. dazu Schçnecker 2001. Eine exemplarische kommentarische Interpretation Kantischer Texte findet sich in Schçnecker 2005 sowie in Schçnecker 2010.
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Alternativen bei der Interpretation bestimmter Textstellen benannt und diskutiert werden. Das Entscheidende an dieser Herangehensweise ist weniger das spezifische methodische Instrumentarium, als vielmehr die Haltung, mit der man an den Text herangeht. Im Fall der kommentarischen Interpretation ist es zentral, einen Text sehr langsam zu lesen, sich von jeder Unklarheit irritieren und die eigenen Interpretationshypothesen whrend der Interpretation immer wieder in Frage stellen zu lassen. Liest man einen Text auf diese Weise mikroskopisch-detailliert, wird man hinterher ein sehr genaues Bild ber die zentralen Aussagen, aber auch ber die unklare Bedeutung einiger Stellen eines Textes haben. Die durchaus sehr kleinteilige und langwierige Arbeit am Text hat dabei den Vorteil, dass die Genese eines Interpretationsergebnisses allgemein nachvollzogen werden kann. Das ist auch der Anspruch, der mit der kommentarischen Interpretation eines Textes verbunden ist: Durch die Interpretation soll die Bedeutung des Textes auf mçglichst genaue und gleichzeitig transparente Weise erschlossen werden. Selbstverstndlich kommt die kommentarische Interpretation eines bestimmten Textes nicht ohne Bezug auf andere Texte aus. Zwar ist der erste Teil von KU, § 59 der zentrale Text, der mit seinen Aussagen und den dort verwendeten Begriffen den Fortgang dieser Arbeit zunchst bestimmt. Aber fr das Verstndnis bestimmter Begriffe aus § 59 werden weitere Texte, in erster Linie aus der KU und der EEKU, aber auch aus anderen Werken Kants zur Interpretation herangezogen und dann zum Teil auch kommentarisch interpretiert.23 Sie werden nur zum Teil kommentarisch interpretiert, weil ein zu langes Verweilen bei diesen Texten die notwendige Rckkehr zum Ausgangstext unnçtig verzçgern wrde. Deswegen gilt auch der Anspruch, der mit der kommentarischen Interpretation von Texten verbunden ist, in erster Linie fr die Texte, die zum Verstndnis der Aussage, dass all unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, wichtig sind – und somit in erster Linie fr den ersten Teil von § 59. Der von mir erhobene Anspruch, v. a. fr diesen Text von Kant eine genaue und transparente Interpretation vorzulegen, scheint zunchst nicht sonderlich aufsehenerregend zu sein. Der Text aus der KU ist bereits in einer Flle von Sekundrliteratur Gegenstand der Interpretation.24 Allerdings gibt es keine Studie, die in hnlich ausfhrlicher und detaillierter 23 Ich gehe im nchsten Unterkapitel auf die Auswahl der hier interpretierten Texte ein. 24 Vgl. dazu das Unterkapitel A.3 in der Einleitung.
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Weise wie diese Arbeit den ersten Teil von § 59 untersucht und diesen Text wiederum in Zusammenhang mit einigen Stellen aus der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft bringt. Außerdem wird sich im Verlauf der Interpretation mit Blick auf die Sekundrliteratur zeigen, dass ein Großteil der Sekundrliteratur die von mir beanspruchte Genauigkeit und Transparenz der Interpretation vermissen lsst. Dabei sind die Ergebnisse der Interpretation in der Sekundrliteratur von den Ergebnissen meiner Interpretation zum Teil nicht immer sehr unterschieden. Was der Sekundrliteratur allerdings durchgngig mangelt, ist die Transparenz der Herleitung der jeweiligen Interpretationsergebnisse.25 Auf diesem Hintergrund ist der Anspruch, eine genaue und transparente Interpretation des ersten Teils von § 59 vorzulegen, sehr hoch – was selbstverstndlich nicht bedeutet, dass eine genauere und transparentere Interpretation als die hier vorgelegte nicht mçglich wre.26 Der Grund, warum einem Großteil der Sekundrliteratur die Genauigkeit der Interpretation mangelt, ist wohl darin zu suchen, dass es den Autoren meist gar nicht um die Genauigkeit im Sinne einer kommentarischen Interpretation oder der ersten Herangehensweise geht, sondern sie mit ihrer Kant-Interpretation andere Ziele verfolgen – im Sinne der genannten zweiten oder dritten Herangehensweise oder sogar in systematischer Hinsicht. Letzteres ist der Fall, wenn man Kant als Inspirationsquelle oder historische Durchgangsstation fr die Diskussion eines systematischphilosophischen Problems nutzt, das Ziel der damit verbundenen, oft sehr kursorischen Interpretation von Texten aber nicht darin besteht, den Text genau zu verstehen, sondern durch die Interpretation die Entwicklung einer eigenstndigen Argumentation voranzutreiben.27 25 Ein gutes Beispiel ist die Behandlung der nicht leicht zu verstehenden Textstelle aus KU, § 59 KU, 5: 352,10 – 16 in der Sekundrliteratur. Auch Autoren wie Gasch oder Recki, die in ihren Werken der Interpretation von KU, § 59 relativ viel Platz einrumen, gehen ber die Schwierigkeiten der Interpretation des Textes sehr rasch hinweg. Vgl. dazu die Kapitel 1.4.3 bis 1.4.5. 26 Es verbietet sich aus vielerlei Grnden, dass hier der Anspruch der einzig richtigen Interpretation gestellt wird. Es gibt allerdings bessere und schlechtere Interpretationen und auch falsche Interpretationen. Ich behaupte, dass meine Interpretationen besser als andere sind und gehe davon aus, dass es bessere Interpretationen als meine geben kann. 27 Es ist vçllig legitim, sich auf diese Weise auf philosophische Klassiker zu beziehen. Die Werke, die in genauer dieser Weise vorgehen, sind Legion. Entscheidend ist auch nicht, dass mit dem Text auf diese Weise umgegangen wird, sondern dass dieser Umgang methodisch nicht als philosophiegeschichtliches, sondern als systematisch-philosophisches Philosophieren zu charakterisieren ist.
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Es ist selbstverstndlich legitim, begriffsgeschichtliche Untersuchungen zum Kant’schen Symbolbegriff anzustellen oder den § 59 im grçßeren Kontext der KU und der Thematik einer Kritik der sthetischen Urteilskraft zu interpretieren. Allerdings sollten auch diese Optionen philosophiegeschichtlichen Arbeitens ihren Ausgang immer wieder von aufs Detail bedachten Textinterpretationen nehmen – ob die Autoren dies selbst zu leisten vermçgen oder ob man sich dazu auf Sekundrliteratur sttzt, ist dabei zweitrangig. Stattdessen gehen viele Autoren der hier relevanten Sekundrliteratur so an den § 59 heran, dass der Text v. a. vor dem Kontext seiner Stellung in der KU oder dem Kontext des gesamten Kant’schen Textkorpus und somit aus einer Art berblickswissen ber die Bedeutung großer Textteile der KU oder der Kant’schen Werke heraus interpretiert wird. Diese kontextualisierende Interpretation muss sich jedoch in ihren Ergebnissen am jeweiligen Text messen lassen. Ich werde die Sekundrliteratur exemplarisch mit dem Kant’schen Text und meiner kommentarischen Interpretation konfrontieren. Der Konzentration auf eine kommentarische Interpretation des ersten Teils von KU, § 59 ist in dieser Arbeit geschuldet, dass die unter 3. angefhrte begriffsgeschichtliche Herangehensweise so gut wie gar nicht angewendet wird und die zweite, eher kontextualisierende Herangehensweise nur am Rande vorkommt. So fehlt in dieser Arbeit der Versuch, die Einzelinterpretationen von § 59 in den grçßeren Kontext der KU und des Kant’schen Werks zu stellen. Weil sie auf die Kant’sche Rede von der symbolischen Erkenntnis Gottes konzentriert ist, klammert sie auch den zweiten Teil von § 59 mit der so gewichtigen Aussage, dass das Schçne Symbol des Sittlich-Guten sei aus. Wichtige Begriffe wie „Anschauung“, „Urteilskraft“ oder „Schema“ kçnnen nicht genauer untersucht werden. Ebenso ist es nicht mçglich, ausfhrlicher auf zentrale Begriffe aus Kants Religionsphilosophie oder auf die Entwicklung seines religionsphilosophischen Denkens einzugehen.28 Eine kommentarische Interpretation zwingt dem Interpreten bestimmte hermeneutische Scheuklappen auf. Er versucht nicht das große Ganze der Kant’schen Philosophie in den Blick zu 28 Zur Darstellung von Kants Religionsphilosophie im Ganzen sind immer noch drei Studien bzw. Sammelwerke bedeutsam: Wimmer 1990, Winter 2000a und Wood 1970. Eine neuere ausfhrliche Darstellung ist Byrne 2007. Krzere berblicksdarstellungen finden sich in Grtzel et al. 1999, Ricken 2003, Taliaferro 2005, Trakakis et al. 2009 und in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (Rossi 2005). Zum Gottesbegriff in Kants Philosophie vgl. den Sammelband N. Fischer/ Forschner 2010. Zur Entwicklung von Kants religionsphilosophischem Denken vgl. die beiden kontroversen Aufstze Fçrster 1998 und Winter 2004.
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bekommen, sondern beschrnkt sich auf das Detail. Wie die Detailinterpretationen in den Kontext des großen Ganzen zu stellen sind, ist eine wichtige Frage, die sich aber nicht gleichzeitig mit der Erarbeitung einer Detailinterpretation beantworten lsst. Allerdings ist diese Arbeit auch nicht auf eine kommentarische Interpretation des ersten Teils von KU, § 59 und einiger, fr diese Interpretation nçtiger Texte begrenzt. Im Zweiten Teil der Arbeit werde ich ausgehend von der Interpretation von § 59 Textstellen aus anderen Werken Kants interpretieren, in denen von „Symbol“ oder „Analogie“ im thematischen Kontext seiner philosophischen Theologie oder Religionsphilosophie die Rede ist, um durch einen entsprechenden Vergleich der Texte Bedeutungsunterschiede oder -kontinuitten nachzuzeichnen. Von daher finden sich in dieser Studie auch Anstze der zweiten, kontextualisierenden Herangehensweise in der Philosophiegeschichte. Diese berlegungen abschließend erscheint es mir sinnvoll, in der Philosophiegeschichte insgesamt von einer Art Arbeitsteilung oder wechselseitigen Verwiesenheit der drei Herangehensweisen auszugehen. Studien, die eher auf die großen Entwicklungslinien im Denken eines Autors angelegt sind oder begriffsgeschichtlich arbeiten, sind auf Studien mit Detailinterpretationen angewiesen, genauso wie diese Studien der Ergnzung durch strker kontextualisierende Interpretationen im Sinne der zweiten Herangehensweise oder durch begriffsgeschichtliche Studien bedrfen. Was diese Arbeit methodisch des Weiteren nicht leisten will und kann, ist eine systematisch-philosophische Wrdigung und Auswertung der Interpretationsergebnisse. Selbstverstndlich stellt sich die Frage, ob Kants Symboltheorie und v. a. seine These, dass all unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, richtig ist. Der Interpret kann den Wahrheitsanspruch, welche die Aussagen eines philosophischen Textes erheben, nur um den Preis ausklammern, dass er den Text seiner philosophischen Eigenart beraubt. Gleichwohl entscheide ich mich insgesamt fr eine lectio benevolentiae des Kant’schen Textes.29 Ich werde am Ende der Arbeit lediglich einen Ausblick auf die systematisch-philosophische Relevanz der Ergebnisse geben. Eine weitergehende Wrdigung und Auswertung der Inter-
29 Dass man die Frage nach der Wahrheit der Aussagen nicht ausklammern kann, wird z. B. in Kapitel 2.2.5 deutlich werden, wo ich zeige, dass in dem zitierten Satz, der von der symbolischen Erkenntnis von Gott spricht und ein Argument enthlt, ein logischer Fehler versteckt ist.
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pretationsergebnisse wre Aufgabe der philosophischen Theologie oder Religionsphilosophie. A.2 Zur Auswahl der Texte Wie bereits angekndigt, werden der Hauptgegenstand der Interpretation der erste Teil von KU, § 59 und somit die Seiten 351,15 – 353,12 im fnften Band der Akademie-Ausgabe sein. Der § 59 mit der berschrift „Von der Schçnheit als Symbol der Sittlichkeit“ steht am Ende des zweiten Abschnitts Die Dialektik der sthetischen Urteilskraft der Kritik der sthetischen Urteilskraft. Im § 58 hatte Kant sowohl im Bereich der Kunst als auch der Natur zugunsten eines – im Kant’schen Sinne – idealistisch zu verstehenden Prinzips der Zweckmßigkeit argumentiert. Der § 59 setzt mit einem neuen Thema ein. Es geht – wie die berschrift andeutet – um den Status der Schçnheit oder genauer: um den Status als schçn beurteilter Gegenstnde der Natur oder der Kunst als Symbole der Sittlichkeit. Der Leser kann eine Erklrung erwarten, was es bedeutet, Schçnheit als Symbol der Sittlichkeit aufzufassen. Der § 59 steuert somit auf den Satz „Nun sage ich: das Schçne ist das Symbol des Sittlichguten“ zu.30 Dieser Satz markiert – nicht nur rhetorisch durch die Einleitung „Nun sage ich“ – innerhalb des § 59 einen relativ abrupten bergang zum angekndigten Thema des § 59. Denn in dem diesem Satz vorhergehenden ersten Teil des § 59 (KU, 5: 351,15 – 353,12) geht es in erster Linie darum, was es bedeutet, dass etwas ein Symbol fr etwas anderes ist. Dass Kant an dieser Stelle den Symbolbegriff erlutert, ist nicht verwunderlich, weil Kant „Symbol“ vorher in der KU nicht ausfhrlicher eingefhrt hat. Im Rahmen der Erluterung des Symbolbegriffs lsst Kant – wie bereits angedeutet – beilufig die Aussage fallen: „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“.31 Diese Aussage ist im Kontext der KU an dieser Stelle nicht zu erwarten. Eigentlich geht Kant erst in den letzten Paragraphen der KU (ab § 85) auf den Zusammenhang von philosophischer Theologie mit einer Kritik der Urteilskraft ein. Der erste Teil des § 59 leistet somit die hinsichtlich des Symbolbegriffs nçtige Vorarbeit fr den zweiten Teil von § 59 (KU, 5: 353,13 – 354,30), der sich dann mit der Erluterung der These befasst, das Schçne sei das Symbol des Sittlich-Guten. In diesem zweiten Teil von § 59 wird der 30 KU, 5: 353,13. 31 KU, 5: 353,7.
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Ausdruck „Symbol“ nicht weiter erlutert. Auch auf die Erkenntnis Gottes geht Kant nicht mehr ein. Aus diesem Grund klammere ich den zweiten Teil von § 59 in dieser Arbeit komplett aus; denn fr die Interpretation der Aussage, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, ist nur der erste Teil von § 59 hinsichtlich des Symbolbegriffs relevant. Der § 59 lsst sich somit in zwei grçßere Teile untergliedern: KU, 5: 351,15 – 353,12 und KU, 5: 353,13 – 354,30. Den ersten Teil untergliedere ich noch einmal etwas genauer in vier Abstze, die identisch mit den Abstzen der Akademie-Ausgabe sind:32 1. Absatz (= [1]): 5: 351,15 – 22. 2. Absatz (= [2]): 5: 351,23 – 31. 3. Absatz (= [3]): 5: 351,32 – 352,7. 352,34 – 36 (Fußnote). 4. Absatz (= [4]): 5: 352,8 – 353,12. Um whrend der Interpretation schneller zwischen den einzelnen Abstzen hin- und her navigieren zu kçnnen, bezeichne ich in dieser Arbeit die Abstze mit Ziffern in eckigen Klammern und nummeriere auch die Stze innerhalb der Abstze entsprechend durch. Der fr diese Arbeit so wichtige achte Satz im vierten Absatz von § 59 wird also mit „[4.8]“ bezeichnet. Dieses Verfahren werde ich auch fr andere Texte Kants verwenden, sofern ich ausfhrlicher darauf eingehe. Die Stze werden jeweils im Zitat, das mit Band-, Seiten- und Zeilenangabe in der Akademie-Ausgabe ausgewiesen wird, nach dem Schema „[Absatz in der Akademie-Ausgabe bezogen auf die Unterteilung des Textes in Paragraphen oder berschriften. Satz]“ bezeichnet. Die Interpretation von § 59 im ersten Teil dieser Arbeit konzentriert sich auf drei der ersten vier Abstze des Paragraphen (KU, 5: 351,15 – 353,2), wobei der letzte Satz des vierten Absatzes (KU, 5: 353,2 – 12) eine eingehende Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit erfahren wird. Den dritten Absatz von KU, § 59 werde ich in dieser Arbeit eher stiefmtterlich behandeln. Der Grund dafr ist, dass Kant in diesem dritten Absatz seine systematisch orientierte Erluterung des Begriffs der symbolischen Hypotypose zugunsten eines kurzen Exkurses zur Verwendung von „symbolisch“ bei den „neueren Logikern“ unterbricht.33 Er grenzt seinen Gebrauch von „Symbol“ oder „symbolisch“ vom Gebrauch dieser Ausdrcke bei den „neueren Logikern“ ab. Der Absatz ist somit in begriffsgeschichtlicher 32 Ich gebe hier nur die Gliederung an, ohne den Text bereits zu zitieren. Der Text wird im Rahmen der Interpretation im ersten und zweiten Teil der Arbeit noch ausgiebig zitiert werden. 33 KU, 5: 351,32 – 35.
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Perspektive ußerst aufschlussreich. Weil man aber nur ex negativo etwas ber Kants Verwendung von „Symbol“ erfhrt, ist es mit Blick auf das Ziel dieser Studie sinnvoller, sich auf diejenigen Abstze von KU, § 59 zu konzentrieren, in denen Kant seinen Gebrauch von „Symbol“ inhaltlich erlutert. Wie oben schon angedeutet, mssen weitere Texte herangezogen werden, um Kants Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott zu verstehen. Hermeneutischen Vorrang haben dabei zunchst Texte aus anderen Teilen der KU sowie der EEKU, die gewissermaßen eine Auskopplung aus der KU ist. V.a. bei der Untersuchung von Kants Analogiebegriff und bei der Frage, was Kant in § 59 mit „Erkenntnis Gottes“ meint, werde ich auf Texte aus der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft (§§ 79 bis 91) und aus den Allgemeinen Anmerkungen zur Teleologie, die sich direkt an § 91 anschließen, zurckgreifen. Die EEKU wird v. a. bei der Interpretation der Textstelle aus § 59, in der vom doppelten Geschft der Urteilskraft die Rede ist, zum Einsatz kommen. Neben KU, § 59 gibt es noch weitere Textstellen in anderen Werken, wo Kant (1) seinen Symbol- oder Analogiebegriff erlutert oder (2) der Symbol- und Analogiebegriff im Kontext eines philosophisch-theologischen oder religionsphilosophischen Themas verwendet wird. Eine lckenlose Aufstellung und Interpretation aller Textstellen, welche die Kriterien (1) oder (2) erfllen, ist nicht mçglich. Auf die wichtigsten Textstellen werde ich allerdings eingehen. Diese stammen (in chronologischer Reihenfolge) aus den Prolegomena (1783, Prol 4: 357,8 – 358,10.28 – 37), der Preisschrift (1793, verçffentlicht 1804; FM, 20: 279,25 – 280,20), der Religionsschrift (1793, mehrere Textstellen), dem Vornehmen Ton (1796, VT, 8: 400,11 – 41; 401,7 – 20) und der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798, Anth: 7, 191,34 – 192,17). Die Texte rahmen die KU, die 1790 erschienen ist, chronologisch ein. Mit Ausnahme der Preisschrift handelt es sich um von Kant selbst publizierte Schriften. Zumindest drei wichtige Textstellen, welche die Kriterien (1) oder (2) durchaus erfllen und auf die ich nicht eingehe, seien zumindest genannt. Es handelt sich um einige Stellen aus den Trumen eines Geistersehers (mehrere Stellen, z. B. TG, 2: 338,9 – 339,29; 363,36 – 365,11), um die Typik der reinen praktischen Urteilskraft in der Kritik der praktischen Vernunft (KpV, 5: 67,24 – 71,25) sowie um ein Stck aus dem § 38 der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (Anth, 7: 191,9 – 23), das dem gerade genannten Stck aus der Anthropologie vorangeht. Die besagten Stellen habe ich in dieser Studie ausgeklammert, weil sie auf ihre Weise den In-
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terpreten vor besondere Herausforderungen stellen und eine angemessene Interpretation den Rahmen dieser Arbeit gesprengt htte. Ich bin allerdings auch der berzeugung, dass die von mir hier herangezogenen Textstellen ausreichend sind, um eine aussagekrftige Interpretation der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott vornehmen zu kçnnen.34 Neben den genannten Textstellen, auf die ich genauer eingehe, werde ich hier und da auch Stellen aus anderen Werken Kants einbeziehen, wenn sie zur Klrung von Begriffen oder Aussagen beitragen. Da es sich bei diesen Textstellen und denjenigen, welche die gerade genannten Kriterien (1) und (2) erfllen, im Wesentlichen um Stellen aus Werken handelt, die im Umfeld oder nach dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft verçffentlicht wurden, ergeben sich aus diesem Umgang mit den Kant’schen Texten keine zustzlichen grçßeren hermeneutischen Herausforderungen.35 Was ich in dieser Arbeit fast vollstndig ausklammern werde – bis auf einige Ausnahmen im Kapitel 1.2.3 und 2.3.4 – sind die Reflexionen und v. a. die Vorlesungsnachschriften, in denen der Ausdruck „Symbol“ in verschiedenen thematischen Kontexten hufiger vorkommt. Der Grund dafr ist einerseits, dass eine eingehende Interpretation dieser Texte den Interpreten vor grçßere hermeneutische Herausforderungen stellt.36 Andererseits ist der Ertrag, der von einer Interpretation dieser Texte zu erwarten ist, 34 Einige Interpreten betonen, dass die Trume eines Geistersehers oder der Abschnitt zur Typik der praktischen Vernunft in der KpV als wichtige Vorarbeiten fr Kants Symbolbegriff anzusehen sind. Vgl. dazu Bahr 2004b, 275 – 277; Dierksmeier 1997, 40 – 48; E. Mller 2001a; E. Mller 2004, 129 – 134; Rajiva 2005. 35 Selbstverstndlich kann man nie einfach voraussetzen, dass Kant unter „Symbol“ oder anderen Ausdrcken in seinen (nach-)kritischen Schriften immer dasselbe versteht. Aufmerksamkeit auf den Text ist immer geboten. 36 Ich werde das anhand eines Beispiels aus einer Vorlesung im Kapitel 2.3.4 konkretisieren. Ein anderes Beispiel diskutiert Peter Byrne. Im Kontext seiner Untersuchungen zu Kants Auffassung von religiçser Sprache geht er auf das Verhltnis einiger zentraler Textstellen aus Kants Werken zu einer Stelle aus den Vorlesungen ber rationale Theologie (vgl. V-Th/Pçlitz, 28,2.2: 1050) ein. Er konstatiert einen offensichtlichen Widerspruch zwischen der Vorlesung und Kants Werken hinsichtlich der Frage, ob man Gott bestimmte Eigenschaften so zuschreiben kann, wie man Menschen Eigenschaften zuschreibt, oder nicht. Sein Urteil ber diesen Widerspruch lautet, dass man die Stelle aus den Vorlesungen als eine „aberration“ deuten msse. Kant wrde sich hier fr seine Studierenden durch ein MetaphysikTextbuch durcharbeiten und nicht seine eigene kritische philosophische Theologie darlegen. Byrne 2007, 72 – 75. Vgl. zu den hermeneutischen Herausforderungen auch Naragon 2000 und Schwaiger 2000 sowie das Nachwort von Werner Stark in Kant 2004, 371 – 407.
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im Verhltnis zu den hier ausgewhlten Texten eher gering zu veranschlagen. Abschließend noch einige wichtige Anmerkungen zum Umgang mit den Texten und Zitaten: Ich werde alle Zitate aus den Kant’schen Werken anhand der Akademie-Ausgabe belegen.37 Die Textgestalt, die ich jeweils wiedergeben werde, ist allerdings nur in denjenigen Fllen die Textgestalt der Akademie-Ausgabe, in denen es noch keine aktuelle Text-Ausgabe im Meiner-Verlag gibt.38 Dass es fr eine philosophiegeschichtliche Arbeit notwendig ist, mit der editorisch neuesten Variante eines Textes zu arbeiten, drfte selbstverstndlich sein.39 An einigen Stellen gehe ich auch auf die interpretatorischen Konsequenzen von Textvarianten in den verschiedenen Ausgaben ein. Griechische Ausdrcke in Zitaten werde ich in lateinische Schrift transkribieren. Eine weitere wichtige Anmerkung betrifft meinen Umgang mit doppelten und einfachen Anfhrungszeichen. In einer Studie, die viel mit Zitaten arbeitet und sich somit bestimmter fr den heutigen Sprachgebrauch ungewçhnlicher Ausdrcke und Formulierungen bedient, erscheint es mir sinnvoll, den Gebrauch von doppelten und einfachen Anfhrungszeichen zu unterscheiden. Ich verwende doppelte Anfhrungszeichen dann, wenn ich Kant’sche Texte direkt (mit Angaben in der Fußnote oder im Fließtext) zitiere, wenn ich ausdrcklich ber einen Kant’schen Ausdruck oder eine Kant’sche Formulierung spreche (ihn z. B. zu definieren versuche) oder wenn ich unabhngig vom Kant’schen Text ausdrcklich ber einen bestimmten Ausdruck spreche. Einfache Anfhrungszeichen 37 Die entsprechenden Sigellata und Anmerkungen zur Zitierweise finden sich im Abkrzungsverzeichnis. 38 Das gilt fr den Großteil der nicht von Kant selbst zur Publikation bearbeiteten Werke wie die Preisschrift, die Jaesche-Logik, die Reflexionen und die Vorlesungsnachschriften. Die verwendeten Texte aus dem Meiner-Verlag finden sich im Literaturverzeichnis. 39 Leider war zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Arbeit die an der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelte Neuedition der drei Kritiken in der Akademie-Ausgabe noch nicht abgeschlossen. Was die Ausgaben im Meiner-Verlag betrifft, ist zu betonen, dass die von mir verwendeten Ausgaben zum Teil inzwischen durch Ausgaben jngeren Datums im MeinerVerlag abgelçst wurden, wobei die jngere Jahreszahl und hçhere Auflagenzahl meist keine berarbeitung der Edition anzeigt, sondern in den meisten Fllen den nçtig gewordenen Nachdruck einer Ausgabe. Im Fall der KU hat man die sinnvolle Entscheidung getroffen, die EEKU als Beigabe mit der KU in einem Band zu vereinigen (auf der Grundlage der Textedition der KU von Heiner F. Klemme aus dem Jahr 2000).
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werde ich dann verwenden, wenn ich Kant’sche Ausdrcke oder Formulierungen aus gerade zitierten oder im Lauf der Arbeit immer wieder auftauchenden und deswegen bekannten Texten verwende. Ich werde allerdings nicht jeden von Kant eingefhrten Begriff, den ich im Lauf der Arbeit verwende (z. B. „Symbol“, „Darstellen“ etc.) immer in einfache Anfhrungszeichen setzen. Es ist im Fall einer philosophiegeschichtlichen Arbeit ber Kant legitim, dass die Kant’sche Begrifflichkeit auch mit einer gewissen Selbstverstndlichkeit Verwendung findet und der Interpret sich die Kant’sche Begrifflichkeit zu eigen macht, ohne dass der Bezug auf Kant immer angezeigt werden muss. Die einfachen Anfhrungszeichen dienen v. a. dazu, den Kant’schen Ursprung des Ausdrucks oder mehrerer Ausdrcke auszuweisen, wo es im Rahmen der interpretatorischen Arbeit am Text sinnvoll erscheint, ohne immer den Eindruck zu erwecken, hier wrde ein neuer Text zitiert.40 Deswegen werden die entsprechenden Zitate in einfachen Anfhrungszeichen auch nicht ausdrcklich belegt, Sperrungen oder sonstige Markierungen im Kant’schen Text werden nicht wiedergeben und die Orthographie des Kant’schen Textes wird in dieser Form von Zitation jeweils angepasst. Weil sich das ausdrckliche Sprechen ber Begriffe oder Formulierungen und die Verwendung dieser Begriffe oder Formulierungen stilistisch nur um den Preis einer noch weitergehenden Formalisierung der philosophischen Prosa klar voneinander trennen lassen, wird es in dieser Arbeit immer wieder Zweifelsflle geben, ob an dieser Stelle doppelte oder einfache Anfhrungszeichen stehen mssten. Ich bitte den Leser in diesen Zweifelsfllen um Nachsicht. In jedem Fall ist mit beiden Arten von Anfhrungszeichen angezeigt, dass es sich nicht um meine Wortwahl, sondern um die Wortwahl Kants oder eines anderen Autors handelt. Der Gebrauch doppelter und einfacher Anfhrungszeichen gilt dabei in erster Linie fr den Umgang mit den Kant’schen Texten. Allerdings werde ich auch zum Teil die Texte der Sekundrliteratur nach dieser Unterscheidung zitieren. Ich werde außerdem zur genaueren Interpretation den Kant’schen Text immer wieder umformulieren, um die entsprechenden Aussagen des Textes besser rekonstruieren zu kçnnen. Diese Rekonstruktionen sind im Text ohne Anfhrungszeichen, in etwas kleinerer Schrifttype und eingerckt wiedergegeben. Zum Teil bezeichne ich diese Rekonstruktionen mit der Nummer des Satzes in eckigen Klammern, auf die sich die Rekonstruktion 40 Sinnvoll ist dies z. B., wenn die Kantische Begrifflichkeit sich vom heutigen Sprachgebrauch stark unterscheidet. Ein Beispiel ist der Ausdruck „dartun“, der im Kapitel 1.3 hufiger vorkommen wird.
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Einleitung
bezieht.41 Zum Teil whle ich eine eigene Bezeichnung in Form von Ziffern oder Buchstaben.42 Im Lauf der Interpretation werden diese rekonstruierten Aussagen im Dienst eines besseren Verstndnisses des Textes modifiziert und przisiert. Entgegen den Gepflogenheiten in systematisch orientierten Texten analytischer Tradition werde ich die entsprechenden Vernderungen in den rekonstruierten Aussagen um der bersichtlichkeit willen nicht dadurch kenntlich machen, dass ich bei jeder Vernderung einen Index oder ein hnliches Zeichen hinzufge.43 Nur bei substantiellen Vernderungen der rekonstruierten Aussagen werde ich dies durch die Bezeichnung kenntlich machen. Die bersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit bleibt dadurch gewahrt, dass sich die Modifizierungen in der Regel aus der laufenden Interpretation heraus ergeben. A.3 Zur Sekundrliteratur Ich werde bei der Interpretation der Kant’schen Texte immer wieder Seitenblicke auf die relevante Sekundrliteratur werfen. Dabei interessiere ich mich meistens fr die konkrete Interpretation einer Textstelle oder das Nachdenken ber die Interpretation einer Textstelle bei anderen Autoren. Neben diesen fortlaufenden Seitenblicken whrend der Interpretation widme ich zwei Kapitel am Schluss des ersten und des zweiten Teils dieser Arbeit der Diskussion verschiedener, durch die Sekundrliteratur aufgeworfener Fragen, die eher genereller Natur sind, als dass sie sich an der Interpretation bestimmter Textstellen gut diskutieren ließen. Was die Auswahl der Sekundrliteratur betrifft, ist zunchst festzuhalten, dass es eine inzwischen immer unbersichtlicher werdende Menge von Sekundrliteratur gibt, die sich mit Kants sthetik in der KU und damit auch mit der Thematik des Symbolbegriffs in KU, § 59 in irgendeiner Weise auseinandersetzt.44 Bei genauerem Hinsehen ist aber 41 Worum es sich bei dieser Nummer in eckigen Klammern handelt, habe ich zu Beginn dieses Unterkapitels erlutert. 42 Das wird z. B. der Fall sein, wenn ich einen lngeren Satz aus dem vierten Absatz von KU, § 59, in dem u. a. vom „doppelten Geschft der Urteilskraft“ die Rede ist, in mehrere Teile zerlege, um ihn besser interpretieren zu kçnnen. Im konkreten Fall bezeichne ich die Rekonstruktionen als „DG1“ und „DG2“. 43 Z.B. kçnnte man die Modifikation von „DG1“ „DG1*“ nennen. 44 Diese Beobachtung gilt fr fast alle Arbeiten, die sich mit Kants sthetik und in diesem Zusammenhang auch mit KU, § 59 auseinandersetzen. Ich nenne hier nur eine Auswahl v. a. neuerer Arbeiten, welche den § 59 berhren: Allison 2001;
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festzustellen, dass die grçßte Gruppe innerhalb dieser Menge auf den zweiten Teil von § 59 und insbesondere die Aussage, das Schçne sei das Symbol des Sittlich-Guten, konzentriert ist, ohne den Symbolbegriff ausfhrlicher zu untersuchen. Ebenso findet in dieser Gruppe selten eine Auseinandersetzung mit der These von der symbolischen Erkenntnis Gottes und den mçglichen Bezgen zur Methodenlehre der KU statt. Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen.45 Zu diesen Ausnahmen gesellt sich eine andere, etwas bersichtlichere Menge von Sekundrliteratur, die sich mit der Bedeutung von „Symbol“ und „Analogie“ fr Kants Philosophie im Ganzen oder Teilaspekte seiner theoretischen oder praktischen Philosophie interessiert.46 Außerdem gibt es einige Verçffentlichungen zu Kants Religionsphilosophie, die am Rande oder auch ausfhrlicher auf Kants Verwendung des Symbol- und Analogiebegriffs innerhalb seiner philosophischen Theologie oder Religionsphilosophie eingehen.47 Ich beschrnke mich in der genaueren Auseinandersetzung hier auf die Sekundrliteratur, die (1) ausfhrlich und mit interpretatorischem InterCazeaux 2004; Chignell 2006; Cohen 1982; Esser 1997; P. Fischer 2003; Frank et al. 2009; Gasch 2003; Guyer 1979; Guyer 1993; Guyer 1998; E. Mller 1999; E. Mller 2001a; E. Mller 2004; Recki 2001; Rueger, Evren 2005; Tomberg 2001; Vossenkuhl 1992; Wenzel 2005. Es ist besonders schade, dass in zwei jngst erschienenen Kommentaren zur KU im Abschnitt ber § 59 der zweite Teil von § 59 wesentlich mehr Aufmerksamkeit erfhrt als der erste Teil. Vgl. dazu Recki 2008; Wicks 2007, 170 – 176. Im Kommentar von Manfred Frank und Veronique Zanetti zur KU erfhrt der erste Teil von § 59 relativ viel Beachtung, der Kommentarteil ist aber insgesamt sehr knapp gehalten, so dass man nichts zu den interpretatorischen Problemen des Textes erfhrt. Vgl. Frank et al. 2009, 1261 – 1263. 45 Vgl. dazu z. B. Gasch 2003; Recki 2001; Recki 2008. 46 Vgl. dazu Bielefeldt 2003; Bornmller 2007; Chignell 2008; Ess, Gulick 1994; Forschner 2007; Forschner 2008; Forschner 2010; Hafner 1975; Kang 1985; Model 1995; Peters 1983; Pieper 1996; Silber 1965; Specht 1952; Takeda 1969; Villers 1997; Ziche 2005. Besonders interessant ist die Studie von Hernn Pringe, in der er Kants Symbolbegriff auf Bohrs Interpretation der Quantentheorie anwendet. Vgl. Pringe 2007. In der krzlich erschienenen Monographie von Roger M. White zur religionsphilosophischen Problematik der Rede ber Gott gibt es ein eigenes Kapitel zu Kant. Vgl.White 2010. 47 Vgl. dazu Bahr 2004a; Bahr 2004b; Bielefeldt 2003; Byrne 2007; Danz 2008; Despland 1973; Dierksmeier 1997; Dierksmeier 2005; Dçrflinger 2004a; Dçrflinger 2006; Ferr 1984; P. Fischer 2003; Forschner 2007; Forschner 2008; Forschner 2010; Gill 1984; Hake 2003; Langthaler 1991; O’Neill 1997a; O’Neill 1997b; Pieper 1996; Rajiva 2005; Ricken 2003; Specht 1952; Stangneth 2000; Thçnissen 2008; Troeltsch 1904; Ward 1972; Wimmer 1990; Winter 2000c; Wood 1970.
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Einleitung
esse auf den ersten Teil von KU, § 59 und den Symbol- oder Analogiebegriff eingeht oder (2) fr die Bedeutung der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott bei Kant interessant ist.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“ Weil diese Studie keine begriffsgeschichtlichen Untersuchungen anstellen wird, kann ich in dieser Hinsicht nur auf die Sekundrliteratur verweisen, die sich solchen Untersuchungen gewidmet hat.48 Die folgenden kurzen Unterkapitel kçnnen lediglich einen kursorischen begriffsgeschichtlichen berblick ber die fr diese Arbeit zentralen Begriffe „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung“ oder „Hypotypose“ verschaffen. B.1 Symbol Kants „beilufige ußerungen zur Theorie des Symbols haben die Sprachphilosophie tiefgreifend und anhaltend beeinflußt.“49 hnliche Urteile finden sich nicht selten in einschlgiger Literatur, welche sich mit der Geschichte des Symbolbegriffs befassen. Dabei herrscht in der Literatur auch Einigkeit darber, dass die entscheidende Stelle bei Kant zu diesem Begriff KU, § 59 ist. Im Historischen Wçrterbuch der Philosophie unterscheidet Meier-Oeser fnf verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks, die ihren Ausgang alle bereits in der Philosophie der Antike haben:50 48 Vgl. zum Begriff der Darstellung und der Hypotypose insbesondere Bahr 2004a, Bahr 2004b und Gasch 2003. Zum Symbolbegriff vgl. Gadamer 1972, Rolf 2005 und Rolf 2006. Der Band Berndt et al. 2009 bietet eine Anthologie zentraler Texte zum Symbolbegriff. Besonders hervorzuheben ist dabei die Arbeit von Petra Bahr Darstellung des Undarstellbaren (2004), die ausfhrlich und kenntnisreich das begriffsgeschichtliche Umfeld von „Darstellung“, „Hypotypose“ und „Symbol“ ausleuchtet und Kants Verwendung der Begrifflichkeit mit der Verwendung der Ausdrcke bei Baumgarten vergleicht. In anderer Hinsicht – nmlich hinsichtlich ihrer Interpretation einiger Kantischer Textstellen und ihrer Einschtzung der Kantischen Symboltheorie – werde ich mich eher kritisch mit dieser Studie auseinandersetzen. 49 Model 1995, 93. 50 Im Folgenden referiere ich einen Abschnitt des Eintrags zu „Symbol“ aus dem Historischen Wçrterbuch der Philosophie, vgl. Meier-Oeser 1998, 710 – 723.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“
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1. „Symbol“ als Erkennungszeichen: Die zusammenpassenden Hlften eines zerteilten Ringes, die im griechischen Brauch der Gastfreundschaft dem berbringer der einen Hlfte jeweils die Gewhrung des Gastrechts durch den Besitzer der anderen Hlfte garantieren, werden als „symbola“ bezeichnet. In dieser Bedeutung ist der Ausdruck auch in die Sprache der Mysterienkulte eingegangen. In diesem Sinne ist z. B. das Pentagramm ein „Symbol“ der Pythagoreer. 2. „Symbol“ als Glaubensbekenntnis: Die Funktion von Symbolen in der gerade genannten Bedeutung als Erkennungszeichen ist auch auf das Glaubensbekenntnis der frhen christlichen Kirche bergegangen. Dabei werden sowohl die konkreten Glaubensbekenntnisse als „symbola fidei“ bezeichnet, als auch schlicht Zusammenstellungen der wichtigsten Lehren des Christentums in dieser Weise bezeichnet.51 3. „Symbol“ als Anzeichen und Merkmal: In dieser Bedeutung ist „Symbol“ ein Synonym fr „smeion“. Ein „Symbol“ ist hier ein konkretes Zeichen, von dem aus auf etwas Zugehçriges geschlossen und in Gedanken bergegangen werden kann; es ist etwas, das entweder als Mittel der Inferenz zu einer Schlussfolgerung bzw. Mutmaßung ber dasjenige fhrt, mit dem es in Beziehung steht, oder aber dasselbe, als mit ihm verbunden, stellvertretend bezeichnet. Nach Epiktet sind z. B. der Mantel oder ein langer Bart Symbole des Philosophen. 4. „Symbol“ als willkrlich eingesetztes Zeichen: Im antiken Sprachgebrauch sind v. a. die erste und dritte genannte Bedeutung vorherrschend gewesen. Aristoteles verwendet den Ausdruck auf eine neue, fr die Begriffsgeschichte folgenreiche Weise: Ihm zufolge sind die gesprochenen Wçrter Symbole der Begriffe in der Seele. Er wendet den Ausdruck somit auf ein sprachliches Zeichen an, das nicht aufgrund eines natrlichen Zusammenhangs wie in der dritten Bedeutung, sondern aufgrund von Konvention einer Mitteilung dient. Der Ausdruck „Symbol“ findet in dieser Bedeutung als Wechselbegriff fr „smeion“ Eingang in die antike Terminologie. Cicero bersetzt „symbolon“ mit „nota“. Gleichwertig zu „signum“ wird dieser Ausdruck fr die logisch-semantische Terminologie des Mittelalters in dieser Bedeutung als konventionelles Zeichen verbindlich. 5. „Symbol“ als spezifisches Darstellungs- und Erkenntnismittel: In Anknpfung an die erste und dritte Bedeutung hat sich seit der Antike schließlich noch eine Verwendung etabliert, wonach ein Symbol ein 51 Diese Bedeutung von „Symbol“ findet sich auch bei Kant z. B. in RGV, 6: 145,11.
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Einleitung
Zeichen ist, das hinter seiner unmittelbaren Bedeutung noch einen anderen Inhalt reprsentiert. Die Auffassung eines Zeichens als Symbol verdoppelt somit die Bedeutung des Zeichens, sofern das Zeichen neben seiner unmittelbaren Bedeutung noch eine andere Bedeutung enthlt. In dieser Bedeutung wurde „Symbol“ bis ins 18. Jahrhundert hinein zum Teil gleichbedeutend mit „Allegorie“ verwendet.52 Ein Beispiel fr diese Bedeutung von „Symbol“ ist z. B. die Auffassung der Heiligen Schrift als symbolische Ikonographie, deren Bedeutung durch die allegorische Exegese erschlossen werden kann. Das Symbol ist in dieser Tradition eine sinnliche oder kçrperliche Form, die aufgrund einer hnlichkeit etwas Geistiges reprsentiert. In der Neuzeit sind sowohl die dritte und die fnfte Bedeutung in prominentem Gebrauch.53 Die Epoche der Renaissance brachte durch die Wiederentdeckung der Sptantike (z. B. des Corpus Hermeticum) z. B. bei Reuchlin die Rede von einer „symbolica philosophia“ auf. In dieser Bedeutung vermitteln symbolische Schriften wie die Schriften der Kabbala eine Form mystischer Erkenntnis, wobei in dieser Tradition meist unbestritten war, dass diese Art von Symbolen die Kriterien rationaler Argumentation nicht erfllen. In dieser Tradition steht auch der von Kant in den Trumen eines Geistersehers kritisierte Swedenborg. Fr den Vorlauf des Kant’schen Symbolbegriffs bedeutsamer ist zunchst ein Verstndnis von „Symbol“, das an die dritte Bedeutung anschließt. In der Erkenntnistheorie von Leibniz ist von einer „cognitio symbolica“ die Rede. Leibniz unterscheidet diese „cognitio symbolica“, bei der ein Begriff im Medium eines seine Stelle vertretenden Zeichens erfasst wird, von der „cognitio intuitiva“, bei der ein Begriff unmittelbar mit all seinen Bestimmungsmomenten erfasst wird.54 Diese Unterscheidung findet sich in hnlicher Weise auch bei Wolff und Baumgarten, auf die sich Kant in seiner Anspielung im dritten Absatz von KU, § 59 auf die „neueren Logiker“ wohl bezieht.55 Das symbolische Zeichen, durch das in der symbolischen Erkenntnis ein Begriff erfasst wird, ist in der Leibniz52 Andererseits wurde gerade in der deutschen Romantik bei A. Schlegel und Goethe zwischen Allegorie und Symbol unterschieden. Vgl. dazu Todorov 1995, 195 – 219. Ich gehe gleich noch auf diese Unterscheidung in der deutschen Romantik ein. 53 Vgl. Meier-Oeser 1998, 717 – 720. 54 Vgl. Meier-Oeser 1998, 718 – 719. Vgl. dazu auch Rolf 2006, 41 – 45. 55 KU, 5: 351,32. Vgl. dazu auch die Anmerkungen zu dieser Textstelle in der Meiner-Ausgabe Kant 2009a, 459.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“
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Wolff’schen Tradition somit ein willkrliches Zeichen, das nur Mittel zum Zweck der Erkenntnis ist. Kant grenzt seinen Symbolbegriff in KU, § 59 von genau dieser Tradition ab. Bei Kant kommt die gerade erluterte fnfte Bedeutung von „Symbol“ wieder strker zum Tragen. Wie bei der Interpretation im Einzelnen deutlich werden wird, bezeichnet Kant in KU, § 59 gerade auch die symbolische Vorstellungsart als eine „intuitive Vorstellungsart“ und „Erkenntnis“, womit er die von Leibniz eingefhrte Unterscheidung zwischen „cognitio symbolica“ und „cognitio intuitiva“ wieder aufhebt. Kant weist dem Symbol als Anschauung, die einem Begriff auf bestimmte Weise unterlegt wird, eine Rolle bei der Erkenntnis zu, die ber die Rolle eines willkrlich gewhlten Zeichens hinausgeht.56 Andeutungen mssen an dieser Stelle gengen. Der erste Teil dieser Arbeit wird im Wesentlichen darin bestehen, Kants Symbolbegriff zu klren. Die Aufwertung der Funktion des Symbols ist bei Kant auch mit den Ausdrcken „Darstellung“ und „Hypotypose“ verbunden, auf die ich noch in einem eigenen kurzen Kapitel eingehen werde. Kant war mit seiner Abgrenzung vom Symbolbegriff der LeibnizWolff’schen Tradition zwar kein Pionier.57 Seine an zentraler Stelle der KU angebrachten Bemerkungen zum Symbolbegriff haben jedoch eine starke Wirkung auf die intellektuelle Nachwelt entfaltet – wohl nicht zuletzt ber Schiller.58 In der Goethe-Zeit und im Deutschen Idealismus avanciert der Symbolbegriff – in klarer Abgrenzung zum Begriff „Allegorie“ – in der von Kant zumindest mit angestoßenen Denkbewegung zu einem Leitbegriff der sthetik.59 Gadamer analysiert diese Entwicklung des Symbolbegriffs in Wahrheit und Methode so, dass am Ausgang des 18. Jahrhunderts das Symbol und das Symbolische als das innerlich und wesenhaft Bedeutsame dem ußerlich und knstlich Bedeutsamen der Allegorie entgegengestellt werde. Das Symbol sei der Zusammenfall des Sinnlichen und Unsinnlichen, die Allegorie hingegen der bedeutungsvolle Bezug des Sinnlichen auf das Unsinnliche. Die Unbestimmtheit seiner Bedeutung sei fr den sieg56 Dabei ist allerdings zu betonen, dass Kant unter „intuitiver Vorstellungsart“ eine sinnlich-anschauliche Vorstellungsart versteht, whrend „cognitio intuitiva“ bei Leibniz eine unmittelbar einsichtige Erkenntnis meint, die nicht notwendig mit bestimmten Anschauungen im Sinne Kants verbunden sein muss. Vgl. Rolf 2006, 41 – 49. 57 Meier-Oeser weist noch auf hnliche Differenzierungen zur Leibniz-Wolff’schen Tradition bei Crusius, Lambert und Tetens hin. Vgl. Meier-Oeser 1998, 719 – 720. 58 Vgl. Todorov 1995, 197. 59 Vgl. Scholz 1998, 724 – 727.
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reichen Aufstieg des Begriffs des Symbolischen verantwortlich.60 Die Opposition von „Allegorie“ und „Symbol“ in dieser Zeit steht somit fr die Unterscheidung einer direkten, rational erschließbaren Reprsentation nicht-sinnlicher Gehalte durch Zeichen im Fall der Allegorie von einer eher indirekten, undurchsichtigen und daher sthetisch besonders reizvollen Reprsentation nicht-sinnlicher Gehalte durch Zeichen im Fall des Symbols.61 Es ist an dieser Stelle nicht mçglich, die sich nach Kant immer weiter verzweigende Diskussion des Symbolbegriffs genauer auszufhren.62 Lediglich auf eine interessante Frage sei noch kurz eingegangen. Hat Ernst Cassirer seinen Symbolbegriff von Kant bernommen? Angesichts der großen Nhe des Cassirer’schen Denkens zu Kant und angesichts seiner Arbeiten, die sich direkt mit Kant beschftigen, scheint eine positive Antwort auf die Frage nahe zu liegen. Allerdings hat sich Cassirer in seiner Philosophie der symbolischen Formen hinsichtlich des Symbolbegriffs nicht explizit auf Kants KU bezogen. Die Quellen von Cassirers Verwendung von „Symbol“ sind weniger bei Kant als bei anderen Denkern wie dem Literaturwissenschaftler Friedrich Theodor Vischer oder dem Physiker Heinrich Hertz zu suchen.63 Die Bedeutungsvielfalt von „Symbol“ hat eben jener Friedrich Theodor Vischer Ende des 19. Jahrhunderts zur Aussage gebracht: „Der Begriff [des Symbols, SM] ist schwierig, ein gestaltwechselnder Proteus, schwer zu packen und zu bannen.“64 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass in der zeitgençssischen Sprachphilosophie v. a. zwei Bedeutungen von „Symbol“ gebruchlich sind, die an die oben genannte dritte und fnfte Bedeutung anschließen. „Symbol“ wird (1) im Sinne von „konventionelles Zeichen“ gebraucht (z. B. das „+“ als Symbol fr die Addition in der Mathematik). Ein „Symbol“ ist (2) ein Zeichen, das neben seiner unmittelbar zugnglichen Bedeutung noch einen anderen Bedeutungsgehalt reprsentiert (z. B. das Kreuz als Symbol fr das Christentum).65
60 61 62 63 64 65
Vgl. Gadamer 1972, 70. Vgl. dazu auch Todorov 1995, 198 – 199. Vgl. dazu ausfhrlich Rolf 2006 und Scholz 1998 sowie Todorov 1995. Vgl. Paetzold 1993, 38 – 41; Peters 1983, 91 – 92. Zitiert nach Scholz 1998, 723. Vgl. Pelc 1996, 1300 – 1310; Scholz 1998, 735.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“
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B.2 Analogie Der Ausdruck „Analogie“ taucht in Kants Werken relativ hufig auf. Ich konzentriere mich hier auf diejenige Bedeutung von „Analogie“, die in den fr diese Arbeit relevanten Textstellen eindeutig zu identifizieren ist. Eine genauere Untersuchung der verschiedenen Verwendungsweisen und eine umfassende Einordnung der Kant’schen Verwendung des Begriffs in die philosophische Tradition sind an dieser Stelle nicht mçglich.66 Der Begriff der Analogie stammt ursprnglich aus der pythagoreischen Mathematik.67 Es ging dabei von Anfang an um die Gleichheit zwischen bestimmten Verhltnissen. Zentral fr den Hintergrund, auf dem wohl auch Kant den Begriff der Analogie fr seine Zwecke nutzbar macht, ist die bei Thomas von Aquin vorfindliche Unterscheidung zwischen einer Attributions- oder Proportionsanalogie einerseits und einer Proportionalittsanalogie andererseits.68 Demnach ist eine Analogie im Sinne der Attributionsanalogie eine „proportio“, womit das bestimmte Verhltnis zweier Termini gemeint ist. Das klassische Beispiel ist die Verwendung von „gesund“. Das Attribut „gesund“ ist unmittelbar nur von einem Organismus aussagbar („Mein Bruder ist gesund.“). Von anderen Entitten wie einem Medikament oder dem Urin, die man auch als „gesund“ bezeichnet, kann das Attribut nur aufgrund des jeweiligen Bezugs auf die dem Organismus eigene Gesundheit und nicht unmittelbar ausgesagt werden. Mit anderen Worten: Ein Medikament kann nur deswegen als „gesund“ bezeichnet werden, weil es in einem bestimmten Verhltnis zu einem gesunden Organismus und somit zu einer Entitt steht, von der das Attribut „gesund“ unmittelbar ausgesagt werden kann. Es handelt sich hier um ein Verhltnis „von Einem hier – auf Eines hin“. Es gibt ein vorgeordnetes, maßgebliches erstes Glied und diesem Glied gegenber beliebig viele zweite Glieder, fr die der Bezug auf das erste Glied definitorisch wesentlich ist, whrend das erste Glied definitorisch nicht von den zweiten Gliedern abhngig ist. Von dieser Attributions- oder Proportionsanalogie ist die Proportionalittsanalogie dadurch unterschieden, dass es in ihrem Fall nicht um ein von vornherein bestimmbares Verhltnis zweier Glieder, sondern um zwei 66 Eine breitere Untersuchung des Kantischen Analogiebegriffs findet sich bei Pieper 1996, Specht 1952 und Takeda 1969. 67 Auch hier referiere ich im Wesentlichen den Eintrag zu „Analogie“ aus dem Historischen Wçrterbuch der Philosophie, vgl. Kluxen 1971, 214 – 227. 68 Dass diese Unterscheidung und die beiden Analogiearten klare Vorbilder in der Philosophiegeschichte haben, wird bei Kluxen und bei de Pater bersichtlich herausgearbeitet. Vgl. Kluxen 1971 und de Pater 1996.
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in sich bestimmte Proportionen oder Verhltnisse geht, die zunchst fr sich betrachtet unterschiedlich sind, aber im Vergleich Gemeinsamkeiten zeigen. Dieses stark mathematisch inspirierte Verstndnis von „Analogie“ geht u. a. auf Aristoteles zurck. Das klassische Beispiel ist hier: Was die erste Materie fr die Substanz ist, ist die Substanz (die zweite Materie) fr das Akzidens. De Pater schlgt vor, diese Analogie als eine Homomorphie von Verhltnissen anzusehen: A : B :: C : D. Dabei drcken die beiden Doppelpunkte („::“) aus, dass es nur um eine hnlichkeit und nicht um eine Identitt der Verhltnisse geht.69 A und C befinden sich in keiner direkten Beziehung zueinander. Da sie aber Glieder hnlicher Verhltnisse sind, kçnnten sie durchaus mit demselben Wort (z. B. „Materie“) bezeichnet werden. Das Gleiche gilt dann fr B und D.70 Thomas Cajetan spitzte in seiner Thomas-Interpretation die Rolle der Proportionalittsanalogie so zu, dass nur sie im strengen Sinne Analogie sei, weil sie auf die hnlichkeit der beiden Verhltnisse abziele, whrend die Attributionsanalogie auf bloß ußerlicher Benennung beruhe. Fr Thomas selbst sollte die Methode der Analogie eine Lçsung fr das Problem bringen, wie man Gott bestimmte Eigenschaften zusprechen kann.71 In univoker Weise kçnnen wir Thomas zufolge nicht ber Gott sprechen, weil kein Name Gott in derjenigen Bedeutung zukommt, in der er vom Geschçpf ausgesagt wird.72 In quivoker Weise von Gott bestimmte Eigenschaften aussagen zu wollen, htte hingegen einerseits zur Folge, dass wir gar keine sinnvollen Aussagen mehr ber Gott machen kçnnten; denn wenn z. B. „Verstand“ in Bezug auf den Menschen eine vçllig andere Bedeutung hat wie „Verstand“ in Bezug auf Gott und wir keinerlei Mçglichkeit haben, die Bedeutung von „Verstand“ in Bezug auf Gott zu klren, dann ergibt es auch keinen Sinn, „Verstand“ von Gott auszusagen. Andererseits wrde das quivoke Sprechen ber Gott das kausale Schçpfungsverhltnis zwischen Gott und Welt verkennen. Gott und Welt stehen Thomas zufolge nicht beziehungslos einander gegenber. Durch die Schçpfungsrelation bestehe eine hnlichkeit der Welt zu ihrem Schçpfer. Thomas setzt dabei das scholastische Axiom voraus, dass jedes Wirkende etwas im hnlichen wirkt. Diese enge Verbindung von Analogie und 69 Genau in diesem Punkt wird sich Kants Auffassung der Proportionalittsanalogie von der aristotelisch-thomanischen Tradition unterscheiden, weil Kant von einer vollkommenen hnlichkeit der Verhltnisse ausgeht. Vgl. dazu Kapitel 1.2.1. 70 Vgl. de Pater 1996, 1240. 71 Vgl. im Folgenden die Darstellung in Ernst 2008, 43 – 45. 72 Vgl. Thomas von Aquin 1952 – 1956, S.Th. I, q. 13, a. 5, sed contra.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“
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kausalem Schçpfungsverhltnis wird auch noch in Kants Gebrauch der Analogie hinsichtlich der Erkenntnis Gottes sichtbar. Die Analogie setzt bei Thomas somit als eine Art mittlerer Weg zwischen Univozitt und quivozitt des Sprechens ber Gott bei genau dieser Schçpfungsrelation an. Von den beiden genannten Analogiebegriffen der Attributions- und Proportionalittsanalogie hat sich Thomas allerdings wieder abgewandt, weil sie in dieser Fassung das Problem nicht lçsen, wie wir von Gott bestimmte Eigenschaften aussagen kçnnen.73 Die Attributionsanalogie lçst das Problem nicht, weil es zwischen Gott und Geschçpf, zwischen Unendlichem und Endlichem keine „proportio“ gibt. Und im Fall der Proportionalittsanalogie mssen die beiden Verhltnisse in sich bestimmt sein, was wiederum das Problem aufwirft, dass Unendliches nur Unendlichem proportional sein kann und deswegen letztlich nicht klar ist, wie genau sich das Verhltnis von Gott und Welt bestimmen lsst. Trotzdem hat diese Unterscheidung von Attributions- und Proportionalittsanalogie nicht zuletzt ber Cajetan in der Philosophiegeschichte weiter gewirkt. Kant definiert „Analogie“ einige Male ausdrcklich im Sinne der Proportionalittsanalogie als (vollkommene) hnlichkeit zweier Verhltnisse.74 Er nutzt die Proportionalittsanalogie dabei gerade mit Blick auf das Problem, wie es mçglich ist, bestimmte Eigenschaften von Gott auszusagen. Immer wieder kehrt folgende Analogie wieder: Gott verhlt sich – je nach Kontext – zum moralischen Endzweck des Menschen oder zur Welt wie sich der Mensch zu seinen zweckmßigen Produkten (wie Uhren oder Schiffen) oder Handlungen verhlt. Gleich zu Beginn dieser Arbeit werde ich auf Kants Verwendung von Analogie im Kontext der hier relevanten Werke und insbesondere auf die Frage nher eingehen, welche epistemologische Rolle Kant der Analogie zugedenkt. Die Frage nach der epistemologischen Rolle wird auch im zweiten Teil noch einmal ausfhrlicher behandelt, wenn es um die Bedeutung der Analogie fr Kants philosophische Theologie und Religionsphilosophie gehen wird.
73 Vgl. Kluxen 1971, 221 – 223. 74 Vgl. dazu Kapitel 1.2.1.
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B.3 Darstellung und Hypotypose Eine besondere Bedeutung fr das Verstndnis des Kant’schen Symbolbegriffs haben der Ausdruck „Darstellung“ sowie der Ausdruck „Hypotypose“.75 In KU, § 59 spricht Kant von der „symbolischen Hypotypose“ und davon, dass Symbole „indirekte Darstellungen“ des Begriffs enthalten.76 Wie ich in Kapitel 1.5 zeigen werde, haben die Ausdrcke „symbolische Hypotypose“ und „indirekte Darstellung“ eines Begriffs dieselbe Bedeutung, so dass es sinnvoll ist, an dieser Stelle beide Ausdrcke gemeinsam in den Blick zu nehmen. Nieraad zufolge wird „Darstellung“ als bersetzung des aus der philosophischen Tradition herrhrenden Ausdrucks „repraesentatio“ bei Kant zum Terminus. Allerdings ist diese These von Nieraad erluterungsbedrftig; denn „repraesentatio“ wird auch mit „Vorstellung“ bersetzt, und Darstellungen gehçren fr Kant zwar zur Gattung der Vorstellungen, sind aber eine besondere, nmlich „intuitive Vorstellungsart“ in Abgrenzung zu anderen, nicht-anschaulichen Vorstellungsarten.77 Eine Darstellung ist also zunchst eine anschauliche mentale Reprsentation von etwas. Kant zufolge werden Begriffe dargestellt, was bedeutet, dass man Begriffen korrespondierende Anschauungen gibt.78 Die Darstellung eines Begriffs ist somit eine Art sinnlich-anschauliches quivalent eines Begriffs, wodurch der Begriff Realitt oder Gegenstandsbezug bekommt und somit Erkenntnis ermçglicht. Lsst sich ein Begriff nicht darstellen, fehlt dem Begriff der fr die Erkenntnis nçtige sinnliche Bezug zur Welt. Gasch hebt hervor, dass Kant mit seiner Verwendung von „Darstellung“ den Begriff philosophisch mehr als jeder andere Autor zuvor gewrdigt und ihm eine klare epistemologische Funktion gegeben habe.79 Der Ausdruck hat jedoch auch einen wichtigen Bezug zur Dichtungstheorie im 18. Jahrhundert. „Darstellung“ rckt laut Theissmann erstmals bei Klopstock ins Zentrum der Dichtungstheorie. Klopstock zufolge verleihe Darstellung einem Gedicht Lebendigkeit. Zweck der Darstellung sei Tuschung, zu der der Zuhçrer vom Dichter hingerissen 75 Ich sttze mich in meiner Darstellung v. a. auf Nieraad 1972 und Theissmann 1972 sowie auf Bahr 2004b, 269 – 273 und Gasch 2003, 89 – 99; 202 – 218. 76 KU, 5: 352,31; 352,10. 77 Vgl. KU, 5: 351,32 – 35. Bei Kant wird des Weiteren „exhibitio“ als lateinischer Terminus fr „Darstellung“ genannt. Dieser lateinische Ausdruck wird von Nieraad begriffsgeschichtlich dem Darstellungs- und Hypotyposenbegriff zugeordnet. 78 Vgl. dazu ausfhrlich Kapitel 1.3.5. 79 Vgl. Gasch 2003, 89 – 92.
B. Zur Begriffsgeschichte von „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung/Hypotypose“
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werden msse. „Darstellung“ wird bei Klopstock somit zum Fachausdruck fr eine besonders lebhafte Art des Schilderns, fr die er Regeln aufstellt wie „Zeigung des Lebens, welches der Gegenstand hat“ oder „Heraushebung der eigentlichen innersten Beschaffenheit einer Sache“.80 Seit der ersten Hlfte des 18. Jahrhunderts hat sich Theissmann zufolge „Darstellung“ als Fachausdruck fr die Ttigkeit des Schauspielers und allgemein des Theaters eingebrgert. Goethe sehe das Hçchste der Darstellung darin, dass sie mit der Wirklichkeit wetteifere. Sie sei die Vermittlung zwischen Innerem und ußerem; der Geist versuche die dichterischen Schilderungen zu verlebendigen, so dass sie fr jedermann gelten kçnnten. Bei Schiller schließlich habe sich der Begriff zur Kennzeichnung allgemein-knstlerischer Gestaltung ausgeweitet.81 Wichtig ist nun, dass Kant in KU, § 59 den Darstellungsbegriff mit dem aus der Rhetorik stammenden Begriff der Hypotypose zusammenbringt. In der Rhetorik gehçrt die „Hypotypose“ oder auch „evidentia“ zu den Figuren der Hufung.82 Genauer ist damit eine Figur der detaillierenden Hufung gemeint, wodurch ein Gedanke in seiner Wirkung untersttzt werden soll. Die Figur besteht in der Aufgliederung eines Gedankens in mehrere koordinierte Teilgedanken, die als Aufzhlung erscheinen. Oft handelt es sich bei dem aufzugliedernden Gedanken um einen konkreten Darstellungsgegenstand wie eine zu beschreibende Person oder Sache. Kant selbst erlutert den Ausdruck in KU, § 59 mit der lateinischen Formel „subiectio sub adspectum“, was der Definition von „Hypotypose“ bei Cicero entspricht und so viel wie „Darstellung unter einem bestimmten Gesichtspunkt“ bedeutet.83 Gasch fasst die Bedeutung von „Hypotypose“ als rhetorischem Begriff folgendermaßen zusammen: „In short, as a rhetorical notion, hypotyposis means an illustration in which the vividly represented is endowed with such detail that it seems to be present, and to present itself in person and completely by itself. Some of the figure’s synonyms, such as enargeia, evidentia, illustratio, and demonstratio, further stress the ability of hypotyposis to present a subject matter as if it were actually beheld by the eye. As a result of the figure’s emphasis on vivid sensible and visual presenta-tion, hypotyposis has all the qualifications of pictorial representation.“84
80 81 82 83 84
Zitiert nach Theissmann 1972. Vgl. Theissmann 1972. Vgl. im Folgenden Lausberg 1963, 119. KU, 5: 351,23. Vgl. Gasch 2003, 207. Gasch 2003, 207.
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Einleitung
Auf dem Hintergrund dieser begriffsgeschichtlichen Tradition scheint es nahe zu liegen, die Ausdrcke „Darstellung“ und „Hypotypose“ wie Kant in einem Atemzug einzufhren und zu erlutern. Zu einem hnlichen Urteil kommt Bahr, die in ihrer umfangreichen Studie zum Begriff der Darstellung bei Baumgarten und Kant diese begriffsgeschichtliche Tradition eingehend untersucht hat. Ihr zufolge bedeuten „Darstellung“ und „Hypotypose“, dass ein bestimmter Gegenstand oder Sachverhalt auf eine fr den Leser oder das Publikum besonders anschauliche und lebendige Weise in Erscheinung tritt und zwar so „dass das lebhaft Dargestellte so vorgefhrt wird, das es auch sich selbst zu prsentieren scheint. Dieses ,Scheinen‘, die Struktur des Vorgebens von etwas, das in der Reprsentation abwesend ist, kennzeichnet die allgemeinste Form der Hypotyposis. […] Sie [„Hypotyposis“ und ihre lateinischen Synonyma, SM] suggerieren unmittelbare Anschauung und verbergen so systematisch ihre Medialitt, also ihr Erzeugtsein fr und durch ein Subjekt. Das Gemt wird durch das Schauspiel, das das Subjekt sich selbst bietet, affiziert. Kant htte wahrhaftig keinen besseren Terminus finden kçnnen, als den der Hypotypose, um einen medialen Prozess zu beschreiben, um den es ihm hier geht.“85
Was genau Kant unter einer „Darstellung“ oder „Hypotypose“ versteht, wird im ersten Teil der Arbeit eingehend untersucht. Ebenso wird die Interpretation von KU, § 59 zeigen, auf welche Weise die Ausdrcke „Symbol“, „Analogie“ und „Darstellung“ oder „Hypotypose“ bei Kant miteinander zusammenhngen. Wichtig an dieser Stelle festzuhalten ist, dass Kant die Ausdrcke „Darstellung“ und „Hypotypose“ bewusst heranzieht, um seinen Symbolbegriff zu erlutern, und dass damit ein interessanter Verstehenskontext – es geht hier u. a. um Schauspieler und Redner, die Wirkung bei ihren Zuhçrern erzielen wollen – fr den Kant’schen Symbolbegriff gegeben ist.
C. Kurzer berblick ber den Verlauf der Studie Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil wird im Wesentlichen versuchen, die Bedeutung von „Symbol“ in KU, § 59 zu klren. Der zweite Teil wird ausgehend von den Ergebnissen des ersten Teils weiter fragen, was Kant mit einer „symbolischen Erkenntnis“ von Gott meint und in welchem Verhltnis die symbolische Erkenntnis von Gott zur Rede von religiçsen symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift steht. 85 Bahr 2004b, 270.
C. Kurzer berblick ber den Verlauf der Studie
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Weil ein genauerer Blick in den § 59 der KU zeigt, dass der Symbolbegriff mit dem Begriff der Analogie zusammenhngt, beginne ich den ersten Teil nach einem kurzen Problemaufriss in Kapitel 1.2 mit einer Untersuchung des Analogiebegriffs in der KU. Kant erlutert den Begriff in § 59 nicht weiter. Deswegen ist es nçtig, einen Abschnitt aus § 90 der KU zum besseren Verstndnis des Begriffs heranzuziehen. Dabei wird zunchst deutlich, dass Kant an den fr diese Arbeit relevanten Textstellen mit seiner Verwendung von „Analogie“ an die Tradition der Proportionalittsanalogie anknpft.86 Ein wichtiges Ergebnis dieses Unterkapitels wird sein, dass Kant unterscheidet, ob man auf eine Eigenschaft einer Entitt nach einer Analogie schließt oder ob man eine Eigenschaft einer Entitt nach einer Analogie denkt. Ein Analogieschluss auf eine bestimmte Eigenschaft ist nur dann mçglich, wenn die beiden in ein Verhltnis gesetzten Entitten hinsichtlich der besagten Eigenschaft zur selben Gattung gehçren. Weil Gott und Mensch nur die Gattung gemeinsam haben, dass sie berhaupt Entitten sind, ist es nicht mçglich, auf solche Eigenschaften wie Verstand oder Wille eines personalen hçchsten Wesens nach der Analogie zu schließen. Man kann diese Eigenschaften aber nach der Analogie oder analogisch an Gott denken. Das folgende Kapitel 1.3 beginnt dann mit der Interpretation des ersten Teils von KU, § 59. Im ersten Absatz von KU, § 59 formuliert Kant eine wichtige Maßgabe seiner Epistemologie, die Konsequenzen fr solche Entitten wie Gott hat: Damit Begriffe objektive Realitt oder Gegenstandsbezug haben, sind Anschauungen erforderlich. Im Fall von empirischen oder Verstandesbegriffen ist dies kein Problem. Bei Vernunftbegriffen verhlt es sich anders. Ihnen kann keine Anschauung auf angemessene Weise gegeben werden. Darin unterscheiden sie sich auch von den Verstandesbegriffen. Verstandesbegriffe haben keine ihnen direkt korrespondierende Anschauungen. Ihnen kann aber eine korrespondierende Anschauung, nmlich ein Schema, auf eine A priori-Weise gegeben werden. Genau diesen Vorgang bezeichnet Kant als „darstellen“. Verstandesbegriffe lassen sich direkt mittels der Schemata darstellen. Vernunftbegriffe lassen sich nicht direkt darstellen. Damit steht auch ihre objektive Realitt in Frage. Das im ersten Absatz von KU, § 59 aufgeworfene Problem der objektiven Realitt der nicht-anschaulichen Vernunftbegriffe scheint der Anlass fr Kant zu sein, in den folgenden Abstzen den Symbolbegriff einzufhren und zu erlutern. Im Kapitel 1.4 gehe ich v. a. auf den vierten 86 Vgl. dazu in dieser Einleitung das Unterkapitel B.2.
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Einleitung
Absatz von § 59 ein. Dort spricht Kant vom „doppelten Geschft“ der Urteilskraft und bezeichnet damit den Vorgang, wie eine Anschauung zu einem Symbol eines Begriffs wird. Das Kapitel 1.4 wird die Feinmechanik dieses Vorgangs der Symbolisierung zu verstehen versuchen. Die Interpretation des Textes wird dabei zunchst zeigen, dass die Urteilskraft mittels einer Analogie ein ,doppeltes Geschft‘ verrichtet: Auf der Grundlage einer Analogie kann die Reflexion ber das empirische Gesetz, unter das ein Gegenstand fllt, auf einen vçllig anderen Gegenstand angewendet werden. Dadurch ist es mçglich, dass – wenn man Kants Beispiel nimmt – die Anschauung einer Handmhle dem Begriff eines despotischen Staats unterlegt wird, wodurch die Anschauung einer Handmhle den Begriff der spezifischen Kausalitt eines despotischen Staats indirekt darstellt oder symbolisiert. Daraus ergibt sich, dass nach Kant nicht Gegenstnde, sondern immer Begriffe symbolisiert werden. Symbole stellen somit immer nur bestimmte Eigenschaften von Gegenstnden indirekt dar. Kapitel 1.5 wird sich des zweiten Absatzes von KU, § 59 annehmen und den Unterschied zwischen der schematischen und der symbolischen Hypotypose einerseits und direkter und indirekter Darstellung andererseits erçrtern. Whrend Schemata Verstandesbegriffe direkt darstellen, kçnnen Symbole Vernunftbegriffe lediglich indirekt darstellen. Die Kapitel 1.6 und 1.7 werden die Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel aufgreifen und inhaltlich przisieren. Im Kapitel 1.6 werde ich zunchst zeigen, dass sich einige Passagen des vierten Absatzes von KU, § 59 besser verstehen lassen, wenn man sie im Licht der Ergebnisse von Kapitel 1.2 bzw. der Untersuchungen zum Kant’schen Analogiebegriff liest. Es wird sich herausstellen, dass sich das doppelte Geschft der Urteilskraft als Bestandteil der Analogie begreifen lsst, was dann zu der These fhrt, dass jede Symbolisierung von Begriffen eine Analogie zur notwendigen Bedingung hat. Das Kapitel 1.7 wird zusammenfassend die Fragen stellen, was ein Symbol ist, welche Begriffsarten symbolisiert werden kçnnen und was ein Symbol eigentlich leistet. Aus KU, § 59 ergibt sich, dass Symbole Anschauungen sind, die auf der Grundlage einer Analogie durch das doppelte Geschft der Urteilskraft einem Begriff unterlegt werden, wobei die unterlegte Anschauung dem Begriff nicht korrespondiert. Dabei sind Symbole bzw. indirekte Darstellungen von Begriffen in sprachlichen Ausdrcken enthalten. Des Weiteren gilt, dass Kant zufolge prinzipiell alle Begriffsarten symbolisiert werden kçnnen – eine Erkenntnis, die dem ersten Eindruck aus der Lektre von KU, § 59 widerspricht, da Kant die Mçglichkeit der Symbolisierung von Begriffen exklusiv fr Vernunftbegriffe oder Ideen einzufhren scheint. Die jeweiligen Symbo-
C. Kurzer berblick ber den Verlauf der Studie
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lisierungen von Begriffen dienen dazu, Begriffe auf eine unkomplizierte und lebendige Art und Weise anschaulich zu machen. Symbole kçnnen nicht die objektive Realitt der Begriffe aufweisen, die sie indirekt darstellen. Was diese Leistung des Symbols hinsichtlich der Erkenntnis Gottes bedeutet, wird sich im zweiten Teil der Arbeit zeigen. Anschließend gehe ich im Kapitel 1.8 auf eine Stelle aus der Preisschrift ein. Im ersten und im zweiten Teil der Arbeit steht zwar die kommentarische Interpretation von KU, § 59 im Vordergrund. Allerdings werde ich in beiden Teilen der Arbeit nicht nur zur Untersttzung der Interpretation von § 59 auf andere Texte zurckgreifen, sondern die Ergebnisse aus der Interpretation von § 59 auch in eigenen Kapiteln in Beziehung zu anderen interessanten Textstellen setzen. Im zweiten Teil werde ich mir in Kapitel 2.3 Zeit fr diesen Vergleich nehmen. Im Ersten Teil ist das Kapitel 1.8 der Ort dafr. Die Stelle aus der Preisschrift ist interessant, weil Kant dort ebenso wie in KU, § 59 einen ausdrcklichen Zusammenhang zwischen dem Analogie- und dem Symbolbegriff herstellt. Es wird sich dabei zeigen, dass sich die alternativen Textstellen in ihren Aussagen v. a. als Ergnzungen und Differenzierungen zur Interpretation von § 59 werten lassen. So ist in der Preisschrift recht treffend davon die Rede, dass Symbole eine „Nothilfe“ fr Begriffe des bersinnlichen sind. Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des ersten Teils in Kapitel 1.9 komme ich in Kapitel 1.10 schließlich auf zwei Themen der Sekundrliteratur zu sprechen, die sich nur schlecht in die Auseinandersetzung mit der Sekundrliteratur im Rahmen der Textinterpretation eingefgt htten, aber einer eigenen Reflexion wert sind. Ich werde kurz die These von Petra Bahr untersuchen, dass es sich beim Verfahren der Symbolisierung von Begriffen um ein rein individuell-perspektivisches Verfahren handelt, und dann auf Hans Blumenbergs Interpretation von KU, § 59 in seinen Paradigmen zu einer Metaphorologie zu sprechen kommen. Blumenberg versteht in diesem Werk Kants Symbolbegriff als Vorlufer seines Begriffs der absoluten Metapher – und leistete damit eventuell einer hufig vorkommenen Interpretationstendenz Vorschub, den Kant’schen Symbolbegriff als einen Begriff der Metapher zu verstehen und die Bedeutung des Analogiebegriffs fr Kants Symbolbegriff zu marginalisieren. Der zweite Teil der Arbeit wird nach einem kurzen Problemaufriss in Kapitel 2.2 damit beginnen, den fr diese Arbeit zentralen Satz aus dem vierten Absatz von KU, § 59 zu interpretieren, in dem Kant davon spricht, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei. Eine wichtige Aufgabe dieses Kapitels wird sein, den genauen Gedankengang oder das
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Einleitung
Argument, das hinter dem Satz [4.8] steht, in Kapitel 2.2.5 zu rekonstruieren. Ich werde jedoch zunchst in den Kapiteln 2.2.1 und 2.2.2 erlutern, was Kant damit meint, dass man eine bloß symbolische Vorstellungsart nur unter einer bestimmten Bedingung als „Erkenntnis“ bezeichnen kann: unter der Bedingung, dass die Vorstellungsart ein Prinzip der praktischen Bestimmung dessen ist, was die Vernunftidee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist. Es wird sich zeigen, dass im Hintergrund der Rede von der „praktischen Bestimmung“ Kants moralische Teleologie und das moralische Argument fr die Existenz eines moralischen Welturhebers stehen, so wie man sie in der Methodenlehre der KU findet. Das moralische Argument in der KU ist wiederum mit einer Analogie verbunden: Wir kçnnen die Eigenschaften, die ein hçchstes Wesen haben muss, um Bedingung der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks zu sein, nur analogisch denken. Kant zufolge bestimmen wir mittels der analogisch am hçchsten Wesen gedachten Eigenschaften eines personalen Welturhebers aber nicht das hçchste Wesen selbst, sondern einerseits dessen Verhltnis zur Welt oder zu uns Menschen, und andererseits bestimmen wir uns selbst als moralische Vernunftwesen mittels dieser Eigenschaften. Auf diese Eigenart der praktischen Bestimmung und ihre moralisch-existentielle Dimension werde ich in den Kapiteln 2.2.3 und 2.2.4 eingehen. Kant grenzt die von ihm als ,bloß symbolisch‘ gekennzeichnete Erkenntnis von Gott, welche die Eigenschaften des Verstandes und des Willens einschließt, in § 59, [4.8] sowohl vom Anthropomorphismus als auch vom Deismus ab. In Kapitel 2.2.6 werde ich diese Abgrenzung der symbolischen Erkenntnis von Gott mit den Prolegomena als eine Art Mittelweg zwischen Anthropomorphismus und Deismus interpretieren, wodurch es mçglich ist, einerseits Theist zu sein, und andererseits die spezifisch praktische Erkenntnis dieses hçchsten Wesens von der Erkenntnis von Gegenstnden der sinnlichen Anschauung zu unterscheiden. Ein wichtiges Ergebnis des Kapitels 2.2 besteht darin, dass Voraussetzung der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott ist, dass die symbolische Vorstellungsart Prinzip der praktischen Bestimmung des Verhltnisses und somit essentieller Bestandteil der praktischen Erkenntnis Gottes ist. Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott ist nicht nur mit dem Begriff der Analogie, sondern auch mit Kants moralischer Teleologie und dem moralischen Argument fr die Existenz Gottes aufs Engste verbunden. In Kapitel 2.3 werde ich die Ergebnisse der Interpretation von KU, § 59 mit einigen ausgewhlten Textstellen aus anderen Werken verglei-
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chen. Das Hauptkriterium fr die Auswahl der Textstellen ist, dass sie einen deutlichen thematischen und terminologischen Bezug sowohl auf den Symbol- oder Analogiebegriff als auch auf Kants philosophische Theologie haben. Ich werde in jeweils eigenen Unterkapiteln auf Stellen aus den Prolegomena, der Preisschrift, der Religionsschrift und einigen anderen Werken eingehen. Bei diesem Vergleich werden sich berwiegend deutliche Parallelen zur Interpretation von KU, § 59, aber auch einige interessante Differenzen im Detail feststellen lassen. Vor dem Hintergrund der Interpretation einer Stelle aus der Religionsschrift werde ich die Funktion des Symbols als „hermeneutisch“ umschreiben; denn fr Kant ist der „Schematismus der Analogie“, wie er die symbolische Vorstellungsart dort bezeichnet, ein unentbehrliches Mittel der Erluterung oder des Verstndlichmachens von „bersinnlichen Beschaffenheiten“. Aus diesem Grund kann man Kants philosophische Theologie eine „praktisch-hermeneutische“ philosophische Theologie nennen, sofern wir Menschen uns selbst als moralische Vernunftwesen zu verstehen versuchen, wenn wir auf der Grundlage der moralischen Teleologie nach den Bedingungen dafr fragen, dass der moralische Endzweck eine reale Mçglichkeit in der Welt ist, und uns auf dieser Grundlage einen personalen moralischen Welturheber analogisch denken oder symbolisch vorstellen, um uns das hçchste Wesen dadurch verstndlich zu machen. Gerade in der Religionsschrift wird von einer Reihe symbolischer Vorstellungen innerhalb des Christentums gesprochen, die sich aber selten auf Eigenschaften Gottes beziehen und an keiner Stelle ausdrcklich mit einer Erkenntnis Gottes zu tun haben. Vor diesem Hintergrund und der Interpretation der verschiedenen Texte in Kapitel 2.3 ergeben sich somit zwei wichtige Fragen: Hat das Verfahren der Symbolisierung hinsichtlich der Erkenntnis Gottes tatschlich dieselbe hermeneutische Funktion wie das Anschaulichmachen des Begriffs der Liebe Gottes oder des wahren moralischen Dienstes an Gott in der Religionsschrift? In Anschluss an diese Frage muss des Weiteren bedacht werden: Wie verhalten sich die vielfltigen religiçsen symbolischen Vorstellungen, von denen Kant in der Religionsschrift spricht, insgesamt zur symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59? Haben alle symbolischen Vorstellungen denselben epistemologischen Status? Kapitel 2.4 greift die beiden genannten Fragen auf, indem es sich Texten aus der Religionsschrift zuwendet. Ich werde zunchst in Kapitel 2.4.1 untersuchen, in welchem Verhltnis Kants Religionsbegriff zu seiner philosophischen Theologie steht. Diese Untersuchung ist nçtig, weil sich die symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift weniger auf
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Einleitung
Eigenschaften Gottes als vielmehr auf praktisch notwendige Religionsideen, wie Kant sie in der Religionsschrift nennt, beziehen. Es wird sich zeigen, dass Kants Religionsbegriff in der KU und in der Religionsschrift einerseits in seiner Ethik aus reiner praktischer Vernunft grndet, andererseits die philosophisch-theologische Erkenntnis eines moralischen Welturhebers zur Voraussetzung hat. In der Religionsschrift differenziert Kant den Religionsbegriff weiter aus, damit er auch auf historische Religionen wie das Christentum anwendbar ist. Fr die Zwecke dieser Arbeit ist dabei v. a. die Unterscheidung zwischen einer natrlichen und einer gelehrten Religion in epistemologischer Hinsicht bedeutsam. Mit dieser Unterscheidung lassen sich innerhalb einer historischen Religion diejenigen Glaubenslehren sondieren, die sich praktisch-rational rechtfertigen lassen, und diejenigen, die sich nur mit dem Hinweis auf eine bernatrliche Offenbarung oder Autoritt von Schriftgelehrten oder der heiligen Schrift rechtfertigen lassen. Erstere Glaubenslehren einer natrlichen Religion gehçren laut Kant zum Religionsglauben, die letzteren Glaubenslehren einer gelehrten Religion gehçren dagegen zum Kirchenglauben. Das Kapitel 2.4.2, in dem ich verschiedene Textstellen aus der Religionsschrift interpretiere, in denen Kant von „symbolischen Vorstellungen“ spricht, wird zum Ergebnis haben, dass Symbole in der Religionsschrift historisch kontingente, austausch- und wandelbare Zeichen sind. Kant benennt einerseits konkrete symbolische Vorstellungen (wie die Jungfrauengeburt, Trinitt etc.) von praktischen Ideen , andererseits sieht er den Kirchenglauben als Ganzes als symbolische Darstellung des Religionsglaubens an. Die symbolischen Vorstellungen sind somit klar auf der Seite des nicht-rational rechtfertigbaren Kirchenglaubens angesiedelt, der nur den Status eines „Vehikels“ hat, den Religionsglauben zu befçrdern, und immer der Auslegung durch den Religionsglauben bedarf. In Kapitel 2.4.3 werde ich jedoch aufweisen, dass dieser Status des Kirchenglaubens und seiner symbolischen Vorstellungen von Kant auch wertgeschtzt wird. Kant spricht in der Religionsschrift von einem „Bedrfnis nach Sinnlich-Haltbarem“ und nach „Erfahrungsbesttigung“, dem die anschaulichen symbolischen Vorstellungen des Kirchenglaubens entgegenkommen. Auf diesem Hintergrund scheint der Kirchenglaube ein mçglicherweise immer unentbehrliches Vehikel oder Mittel zu sein, die Inhalte des Religionsglaubens anschaulich darzustellen. Die erste der beiden genannten Fragen kann in Kapitel 2.4.4 dann so beantwortet werden, dass fr die Symbole in der KU, § 59 wie fr die Symbole in der Religionsschrift und an anderen Stellen gilt, dass sie dieselbe hermeneutische Funktion haben. Dabei kann man noch genauer sagen,
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dass es – auch in der Religionsschrift – jeweils eine der Symbolisierung des Begriffs vorausgehende Analogie ist, die die eigentlich hermeneutische Leistung vollbringt. Fr die zweite Frage lsst sich dagegen ein klarer Unterschied zwischen der Rede von einer symbolischen Erkenntnis Gottes und den symbolischen Vorstellungen der Religionsschrift festhalten. Die hermeneutische Funktion, die Analogien und Symbole in Kants philosophischer Theologie haben, wird im Rahmen des moralischen Arguments und des Begriffs eines moralischen Welturhebers, essentiell und prinzipiell unverzichtbar. Fr die symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift ist dagegen festzuhalten, dass sie vernderbar und nur mçglicherweise immer ntzlich und nçtig sind. Symbole haben je nach dem Begriff, den sie indirekt darstellen, einen unterschiedlichen Status. Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des zweiten Teils im Kapitel 2.5 gehe ich im Kapitel 2.6 wieder auf zwei Themen aus der Sekundrliteratur ein, die einer eigenen Auseinandersetzung bedrfen. Zunchst beschftige ich mich mit der These von Ernst Mller, dass Kant in der KU die auf dem Gefhl beruhende Religion depotenziert, indem er sie in ein distanzhaft-interesseloses, sthetisches Gefhl berfhrt. Dann gehe ich auf eine Interpretationstendenz in der zeitgençssischen evangelischen Theologie bei Petra Bahr und Ulrich Barth sowie in der Philosophie des Als-Ob von Hans Vaihinger ein, wonach Kant gerade auch hinsichtlich seiner Verwendung des Symbolbegriffs in der philosophischen Theologie und Religionsphilosophie als theologischer Anti-Realist eingeschtzt wird. Der Ausblick am Ende dieser Arbeit wird keine eigene Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse enthalten, weil alle wichtigen Ergebnisse jeweils im Anschluss an die Kapitel sowie am Ende des ersten und des zweiten Teils resmiert werden. Vielmehr mçchte ich in diesem Ausblick einige Ergebnisse der Kant-Interpretation in Form zweier Thesen kurz prsentieren und diese Thesen religionsphilosophisch ausloten. Die erste der Thesen wird Kants Konzept einer symbolischen oder analogischen Erkenntnis von Gott als einen Mittelweg zwischen einem naiven religiçsen Realismus einerseits und einem theologischen Anti-Realismus andererseits zu profilieren versuchen. Die andere These schließlich fhrt zu einer Auseinandersetzung mit der indirekten Aufwertung des Sinnlichen in der Religion bei Kant. Mit diesen Thesen und den entsprechenden Ausfhrungen soll am Schluss der Arbeit Kants philosophische Theologie und Religionsphilosophie als ein moderater theologischer Realismus gedeutet werden.
Erster Teil
1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie 1.1 Problemaufriss Der § 59 der KU ist eine der wenigen Stellen in Kants Werken, in denen er ausdrcklich und ausfhrlich auf die Begriffe „Analogie“ und „Symbol“ eingeht. Diese Tatsache steht im Kontrast zu folgender Aussage Kants innerhalb dieses Paragraphen: „Dies Geschft ist bis jetzt noch wenig auseinander gesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient; allein hier ist nicht der Ort, sich dabei aufzuhalten.“1
Mit „dies Geschft“ bezieht sich Kant auf das doppelte Geschft der Urteilskraft, das von zentraler Bedeutung fr ein Verstndnis von Kants Symboltheorie ist und ber das in Kants Werken sonst nur sehr wenig zu erfahren ist.2 Auch wenn Kant sich im § 59 der KU also eigentlich nicht unnçtig mit allgemeinen berlegungen zum Symbolbegriff aufhalten will, hat er seinen Lesern in diesem Textstck immerhin einige Hinweise darauf gegeben, wie er „Symbol“ versteht. Diesen Symbolbegriff versucht er fruchtbar fr das Problem zu machen, dass Vernunftbegriffen wie dem Begriff des SittlichGuten oder dem Begriff Gottes eigentlich keine Anschauungen in der Welt entsprechen, woraus sich die Frage ergibt, ob sich diese Begriffe berhaupt auf Gegenstnde beziehen. Denn normalerweise stellen wir in der theoretischen Erkenntnis den Bezug von Begriffen auf Gegenstnde ber Anschauungen her. Kçnnen im Fall der Vernunftbegriffe Symbole an die Stelle der fehlenden Anschauungen treten? Bevor ich im zweiten Teil dieser Arbeit genauer auf die Frage eingehe, was es mit der symbolischen Erkenntnis von Gott, von der in § 59 die Rede ist, auf sich hat, mssen wir zunchst einige Grundlagen zu Kants Symbolbegriff erarbeiten. Ich mçchte eine Reihe von Problemen nennen, auf die wir im Verlauf dieses ersten Teils der Arbeit stoßen werden. Da sind zunchst die Fragen 1 2
KU, 5: 352,22 – 25. Vgl. dagegen Chignell, der die Auffassung vertritt, dass Kant am ausfhrlichsten in der Preisschrift auf das Verfahren der Symbolisierung zu sprechen kommt. Vgl. Chignell 2008, 102.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
nach Kants Symboltheorie selbst: Was genau ist ein Symbol? Was kann symbolisiert werden? Wozu dient ein Symbol? Auf diese Fragen werde ich im Kapitel 1.7 zusammenfassend versuchen, eine Antwort zu geben. Vorher ist jedoch zu klren, wie genau sich der Symbolbegriff zum Begriff der Analogie verhlt (Kapitel 1.2 und 1.6). Außerdem ist es wichtig, die Beziehung von Begriffen und Anschauungen bei verschiedenen Begriffsarten genauer zu untersuchen (Kapitel 1.3). Die Beschreibung des doppelten Geschfts der Urteilskraft im vierten Absatz von § 59 birgt eine ganze Reihe von Problemen und unklaren Begriffen („Reflexion“, „Regel“) in sich, mit denen wir uns im Kapitel 1.4 auseinandersetzen werden. Kapitel 1.5 erçrtert etwas genauer die mit dem Symbolbegriff verbundenen Begriffe „Hypotypose“ und „indirekte Darstellung“.
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90 Ich beginne meine Untersuchung von Kants Symbolbegriff mit einer Untersuchung des Begriffs der Analogie, weil dieser Begriff eine wesentliche Rolle im Vorgang der Symbolisierung von Begriffen und damit fr den Symbolbegriff selbst spielt. Kant gebraucht „Analogie“ mit Blick auf den Vorgang der Symbolisierung von Begriffen bzw. im ersten Teil von KU, § 59 viermal.3 Auch im zweiten Teil von § 59, also nach der These, dass das Schçne das Symbol des Sittlich-Guten sei, taucht „Analogie“ noch einige Male auf – brigens ganz im Gegensatz zu „Symbol“. Allerdings erlutert Kant im § 59 nicht, was er unter „Analogie“ versteht. Man kann nur so viel sagen, dass die Urteilskraft „in“ einer Analogie ihr doppeltes Geschft verrichtet und dass durch die Analogie der Ausdruck ein „Symbol fr die Reflexion“ enthlt.4 Analogie und doppeltes Geschft der Urteilskraft und damit der Vorgang der Symbolisierung von Begriffen stehen also in einem engen Zusammenhang. Wenn ich im Folgenden den § 90 aus der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft der KU interpretiere, um dort die genauere Bedeutung von „Analogie“ zu verstehen, so ist dieser Exkurs in einen anderen Teil der KU nicht willkrlich. Im § 90 wird der Analogiebegriff vor dem Hintergrund eingefhrt und erlutert, dass theoretische Beweisgrnde zu verschiedenen Arten des Frwahrhaltens von theoretischen berzeugungen 3 4
Vgl. KU, 5: 351,29; 352,11; 352,26; 352,33. KU, 5: 352,12; 352,27.
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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fhren.5 Eine dieser Arten ist der Analogieschluss. Kant geht es in § 90 dabei um den Nachweis, dass das moralische Argument fr das Dasein Gottes, das er in den vorhergehenden Paragraphen entwickelt hat, zu keiner der theoretischen Weisen des Frwahrhaltens, also auch nicht zu einem Analogieschluss, fhrt. Fr das Dasein Gottes gebe es „schlechterdings kein [en] Beweis in theoretischer Absicht“, so formuliert Kant das „Resultat“ von § 90.6 Der Analogiebegriff wird also im Kontext von Kants Auseinandersetzung mit der Eigenart der Erkenntnis Gottes erlutert. Und genau diese Tatsache macht den § 90 hçchst relevant fr die Interpretation der Aussage aus § 59, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei. „2. [5.1] Man kann sich zwar von zwei ungleichartigen Dingen, eben in dem Punkte ihrer Ungleichartigkeit, eines derselben doch nach einer A n a l o g i e * mit dem andern d e n k e n ; aber aus dem, worin sie ungleichartig sind, nicht von einem nach der Analogie auf das andere s c h l i e ß e n , d.i. dieses Merkmal des spezifischen Unterschiedes auf das andere bertragen. *[Fn.1] A n a l o g i e (in qualitativer Bedeutung) ist die Identitt des Verhltnisses zwischen Grnden und Folgen (Ursachen und Wirkungen), sofern sie ungeachtet der spezifischen Verschiedenheit der Dinge oder derjenigen Eigenschaften an sich, welche den Grund von hnlichen Folgen enthalten (d.i. außer diesem Verhltnisse betrachtet), stattfindet. [Fn.2] So denken wir uns zu den Kunsthandlungen der Tiere in Vergleichung mit denen des Menschen den Grund dieser Wirkungen in den ersteren, den wir nicht kennen, mit dem Grunde hnlicher Wirkungen des Menschen, (der Vernunft), den wir kennen, als Analogon der Vernunft; und wollen damit zugleich anzeigen, daß der Grund des tierischen Kunstvermçgens, unter der Benennung eines Instinkts, von der Vernunft in der Tat spezifisch unterschieden, doch auf die Wirkung (der Bau der Biber mit dem der Menschen verglichen) ein hnliches Verhltnis habe. – [Fn.3] Deswegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen Ve r n u n f t braucht, nicht schließen, daß der Biber auch dergleichen haben msse, und es einen S c h l u ß nach der Analogie nennen. [Fn.4] Aber aus der hnlichen Wirkungsart der Tiere (wovon wir den Grund nicht unmittelbar wahrnehmen kçnnen), mit der des Menschen (dessen wir uns unmittelbar bewußt sind) verglichen, kçnnen wir ganz richtig n a c h d e r A n a l o g i e schließen, daß die Tiere auch nach Vo r s t e l l u n g e n handeln (nicht, wie Cartesius will, Maschinen sind) und ungeachtet ihrer spezifischen Verschiedenheit doch der Gattung nach (als lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind. [Fn.5] Das Prinzip der Befugnis, so zu schließen, liegt in der Einerleiheit des Grundes, die Tiere in Ansehung gedachter Bestimmung mit dem Menschen als Menschen, so weit wir sie ußerlich nach ihren 5 6
Vgl. KU, 5: 463,15 – 27. Es ist in dieser Arbeit nicht mçglich, Kants vielfltigen Gebrauch von „Analogie“ nher zu erlutern. Einen guten berblick gibt Pieper 1996. KU, 5: 466,26 – 29.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Handlungen mit einander vergleichen, zu einerlei Gattung zu zhlen. [Fn.6] Es ist par ratio. [Fn.7] Ebenso kann ich die Kausalitt der obersten Weltursache, in der Vergleichung der zweckmßigen Produkte derselben in der Welt mit den Kunstwerken des Menschen, nach der Analogie eines Verstandes denken, aber nicht auf diese Eigenschaften in demselben nach der Analogie s c h l i e ß e n , weil hier das Prinzip der Mçglichkeit einer solchen Schlußart gerade mangelt, nmlich die paritas rationis, das hçchste Wesen mit dem Menschen (in Ansehung ihrer beiderseitigen Kausalitt) zu einer und derselben Gattung zu zhlen. [Fn.8] Die Kausalitt der Weltwesen, die immer sinnlich-bedingt (dergleichen die durch Verstand) ist, kann nicht auf ein Wesen bertragen werden, welches mit jenen keinen Gattungsbegriff, als den eines Dinges berhaupt gemein hat.“7
Der zentrale Punkt, auf den Kant in dem kurzen mit „2.“ nummerierten Abschnitt aus § 90 hinaus will, ist die Unterscheidung eines Analogieschlusses von der Mçglichkeit, etwas nach der Analogie zu denken. Das macht Kant schon in Satz [5.1] deutlich, welcher besagt: Wenn zwei Dinge ungleichartig sind, dann kann man eines der Dinge im Punkt der Ungleichartigkeit beider Dinge nach einer Analogie mit dem anderen Ding denken. Wenn zwei Dinge ungleichartig sind, dann kann man aber nicht ausgehend von dem Punkt der Ungleichartigkeit von einem auf das andere nach der Analogie schließen. Der Interpretation vorgreifend kann man an dieser Stelle kurz anmerken: Einen Analogieschluss von z. B. menschlichen Eigenschaften auf bestimmte Eigenschaften von Bibern zu ziehen, bedeutet, dass wir den Bibern in gleicher Weise wie uns die entsprechenden Eigenschaften zuschreiben kçnnen. Der (gltige) Analogieschluss ist fr Kant eine legitime Art und Weise, wie wir zu bestimmten theoretischen berzeugungen ber Entitten gelangen kçnnen. Bestimmte Eigenschaften von z. B. Bibern nach der Analogie mit menschlichen Eigenschaften zu denken, impliziert dagegen, dass wir den Bibern die analogisch gedachten Eigenschaften nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung wie bei uns Menschen zuschreiben kçnnen. Eine theoretische Erkenntnis ist durch lediglich nach einer Analogie gedachte Eigenschaften also nicht mçglich.8
7
8
KU, 5: 464,3 – 7; 464,10 – 41. In der Akademie-Ausgabe steht in Zeile 29 der Fußnote „eines“ statt „des“ wie in der Meiner-Ausgabe. Im textkritischen Apparat der Meiner-Ausgabe finden sich zu dieser Variante keine Hinweise. Allerdings kommt dieser Abweichung inhaltlich keine besondere Bedeutung zu. Ich komme in Kapitel 1.2.4 noch ausfhrlicher auf den Unterschied von Analogieschluss und dem Denken nach der Analogie zu sprechen. Was diese Unterscheidung fr Kants philosophische Theologie bedeutet, auf welche Weise analogisch gedachte Eigenschaften Gott zugeschrieben werden kçnnen und welche Art
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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Die Aussage von [5.1] bleibt ohne weitere Beispiele zunchst kryptisch. Der nachfolgende Satz [5.2] erlutert die abstrakte Aussage von [5.1]. Wir werden mithilfe der Fußnote zu verstehen versuchen, was genau Kant hier meint. 1.2.1 Analogie als Proportionalittsanalogie In [Fn.1] gibt Kant zunchst eine Definition von ,Analogie (in qualitativer Bedeutung)‘.9 Analogie ist demnach die Identitt des Verhltnisses zwischen Ursachen und Wirkungen.10 In einem Nebensatz wird genauer erlutert, worin genau diese Identitt besteht.11 Die Identitt des Verhltnisses besteht ,ungeachtet der spezifischen Verschiedenheit der Dinge oder derjenigen Eigenschaften an sich, welche den Grund von hnlichen Folgen enthalten (d.i. außer diesem Verhltnisse betrachtet)‘. Die Identitt ist also unabhngig von der Eigenart der Gegenstnde, die Bestandteil des Verhltnisses sind, i. e. sie ist unabhngig von den Eigenschaften dieser Gegenstnde, welche die Gegenstnde Ursache fr ,hnliche‘ Wirkungen sein lassen.12 Ein Beispiel fr diese Eigenschaften ist die Vernunft, die Men-
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von Erkenntnis mittels analogisch gedachter Eigenschaften mçglich ist, wird in Kapitel 2.2 deutlich werden. Im Unterschied zu einer Analogie in qualitativer Bedeutung spricht Kant mit Blick auf die Mathematik von der Analogie als Gleichheit zweier quantitativer Verhltnisse, wohingegen die Philosophie es mit qualitativen Verhltnissen zu tun habe. Vgl. KrV, B 222 (3: 160,29 – 161,2). Da Kant „Grnde und Folgen“ mit „Ursachen und Wirkungen“ in [Fn.1] paraphrasiert, kann man in diesem Kontext von einem wesentlichen Unterschied zwischen beiden Begriffspaaren absehen. Ich werde deshalb im Folgenden wie Kant auch „Ursachen“ und „Grnde“ sowie „Wirkungen“ und „Folgen“ jeweils koextensional gebrauchen. Das „sie“ kçnnte sich auf „Identitt“ und auf „Analogie“ beziehen. Da von der Analogie prdiziert wird, dass sie eine Identitt des Verhltnisses sei, ergibt sich durch beide Alternativen kein großer Unterschied in der Aussage. Allerdings spricht die Aussage des Nebensatzes, dass ,sie‘ trotz der spezifischen Verschiedenheit der Dinge oder Eigenschaften ,stattfindet‘, eher dafr, dass „sie“ auf Identitt Bezug nimmt, weil in der Aussage eben „sie“ von der Verschiedenheit abgegrenzt wird. Sind mit der hnlichkeit der Folgen bzw. Wirkungen die hnlichen Wirkungen gemeint, die ein bestimmter Gegenstand in der Welt zeitigt (im Sinne einer Gleichfçrmigkeit von Wirkungen), oder ist die hnlichkeit zwischen den Wirkungen der beiden Gegenstnde, die in ein Verhltnis zueinander gesetzt werden, gemeint? Mit Blick auf den Satz [Fn.2], der inhaltlich an [Fn.1] anschließt (der Satz wird mit einem „So“ eingeleitet), wo die Wirkungen von Tieren mit den
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schen Ursache von hnlichen Wirkungen sein lsst. Mit Blick auf das folgende Beispiel in [Fn.2] bedeutet das, dass es fr die Identitt des Verhltnisses nicht relevant ist, dass Menschen und Biber an sich, i. e. außerhalb des Verhltnisses zueinander, in das sie gebracht werden, unterschiedliche Gegenstnde oder Entitten sind und auch ihre Eigenschaften, die sie jeweils Ursache fr Wirkungen sein lassen, sich voneinander unterscheiden.13 Bemerkenswert ist dabei, dass Kant „Analogie“ hier als Identitt des Verhltnisses zwischen Ursachen und Wirkungen einfhrt. Dieser Zusammenhang von Analogie und Kausalitt lsst sich auch in KU, § 59 beobachten.14 Mit einem solchen Verhltnis zwischen Ursachen und Wirkungen kann allerdings nicht nur die Tatsache gemeint sein, dass ein Gegenstand unserer Erfahrung berhaupt Ursache fr eine Wirkung sein kann, dass wir also auf die entsprechenden Anschauungen nur die Kategorie der Kausalitt anwenden. Vielmehr muss es sich um das Verhltnis zwischen Ursachen und Wirkungen handeln, von dem wir nur a posteriori wissen kçnnen, wozu wir also Anschauungen des Gegenstands brauchen. Ich bezeichne dieses Kausalverhltnis hier und an anderer Stelle als „spezifische Kausalitt“. Ob ein Mensch in seinen Handlungen einer mechanischen Kausalitt gehorcht, er also aufgrund bestimmter Naturgesetze Handlungen in der Welt hervorbringt, oder ob er eher einer teleologischorganischen Kausalitt folgt, wonach sich seine Handlungen nach einer bestimmten Zwecksetzung verstehen lassen – das lsst sich nur dadurch herausfinden, dass wir Anschauungen menschlicher Handlungen haben, nach denen wir dann beurteilen kçnnen, welcher Fall von Kausalitt Wirkungen von Menschen verglichen werden, ist es plausibel, dass auch in [Fn.1] die hnlichkeit zwischen den Wirkungen beider Gegenstnde gemeint ist. 13 Ich werde im Folgenden von „Tieren“ sprechen. Hinsichtlich des Kantischen Textes und seiner Beispiele sind „Tiere“ und „Biber“ austauschbar. 14 Ich gebe hier einen kurzen Ausblick auf den vierten Absatz von § 59, mit dem wir uns v. a. im Kapitel 1.4 auseinandersetzen werden. Die Reflexionen innerhalb der ,Analogie, in der die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet‘ gehen jeweils ber zwei ungleichartige oder unhnliche Gegenstnde und ihre Kausalitt, wie wir im vierten Absatz von § 59 lesen kçnnen (vgl. KU, 5: 352,20 – 22). Die symbolische Vorstellung des despotischen Staats mittels einer Handmhle ist genau deswegen eine sinnvolle symbolische Vorstellung, weil sie die Art und Weise, wie ein despotischer Staat Ursache von Wirkungen in der Welt ist, anschaulich macht. Der Zusammenhang von Analogie und Kausalitt lsst sich ferner dadurch plausibel machen, dass es in der von Kant hier eingefhrten Analogie um Verhltnisse geht und die Kategorie der Kausalitt eine Verhltnis- oder Relationskategorie ist. Vgl. dazu KrV, B 98 – 99 (3: 88,33 – 89,25).
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vorliegt.15 Wenn Kant hier also von der ,Identitt des Verhltnisses zwischen Grnden und Folgen‘ spricht, handelt es sich um die Identitt der spezifischen Kausalitt von zwei Gegenstnden. Der folgende Satz [Fn.2] hilft zu klren, wie das Verhltnis genauer zu verstehen ist.16 Da das Verhltnis ,zwischen‘ Grnden und Folgen besteht, kçnnte man das zunchst so interpretieren, dass das Verhltnis einerseits zwischen zwei Grnden und andererseits zwei Folgen besteht. Diese Interpretationsmçglichkeit wird aber durch das Beispiel in [Fn.2] widerlegt. Die Aussage des Satzes lautet zunchst: [Fn.2] Wir denken uns zu den Kunsthandlungen der Tiere im Vergleich mit den Kunsthandlungen des Menschen den unbekannten Grund der Kunsthandlungen der Tiere mit dem bekannten Grund hnlicher Wirkungen des Menschen (der Vernunft) als Analogon der Vernunft. Damit wollen wir zugleich anzeigen, dass der Grund des tierischen Kunstvermçgens, den wir „Instinkt“ nennen, von der Vernunft als Grund des menschlichen Kunstvermçgens tatschlich spezifisch unterschieden ist, und doch zu der Wirkung (dem Bau der Biber) ein hnliches Verhltnis habe wie die Vernunft zum Bau der Menschen.
Wir haben also insgesamt vier Elemente der Analogie. Zunchst sind da die beiden Arten von Kunsthandlungen, wobei „Wirkungen“ und „Kunsthandlungen“ hier dieselbe Extension haben.17 Wichtig fr das Zustande15 Dass es sich dabei um diese spezifische Kausalitt handeln muss, die mit empirischen Begriffen gedacht wird, wird dadurch deutlich, dass sonst – wenn hier lediglich die Kategorie der Kausalitt gemeint wre – alle Dinge miteinander in ein identisches Verhltnis hinsichtlich ihrer Kausalitt gebracht werden kçnnten. berall dort, wo es Ursache-Wirkung-Beziehungen gbe, htten wir identische Verhltnisse. Das kann aber hier nicht gemeint sein, zumal die Beispiele immer Flle einer spezifischen Kausalitt (in diesem Fall einer Art Kausalitt aus Vorstellungen) zeigen, die von anderen Fllen einer spezifischen Kausalitt (wie sie z. B. bei einer Handmhle vorliegt) unterschieden sind. Selbstverstndlich ist, wie weiter oben schon gesagt, die Kategorie der Kausalitt in allen Fllen besonderer Erfahrung von spezifischer Kausalitt als Bedingung der Mçglichkeit von Erfahrung vorausgesetzt. 16 Da [Fn.2] mit einem „So“ beginnt, kann man erwarten, dass dieser Satz etwas expliziert, was im vorigen Satz gesagt wurde. 17 Wirkungen kçnnten auch Naturprodukte sein, die sich aus kausalen Mechanismen ergeben. Kant interpretiert hier aber von vornherein und ohne nhere Begrndung die Wirkungen von Tieren und Menschen als Kunsthandlungen. Wir kçnnen also nur konstatieren, dass es fr Kant anscheinend bereits feststeht, dass die Wirkungen von Tieren genauso Kunsthandlungen sind wie die Wirkungen von Menschen. Auch die Beispiele (der Bau der Biber und der Bau der Menschen) deuten das an.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
kommen der Analogie ist, dass die Kunsthandlungen miteinander verglichen werden und dass die Kunsthandlungen bzw. Wirkungen von Tieren und Menschen einander hnlich sind.18 Im Fall der menschlichen Kunsthandlungen kennen wir den Grund dieser Wirkungen: die Vernunft. Unbekannt hingegen ist der Grund der Kunsthandlungen der Tiere. Wir haben also drei bekannte Elemente und ein unbekannes Element in der Analogie. Wichtig ist nun, dass am Schluss von [Fn.2] von einem hnlichen ,Verhltnis‘ des Grundes des tierischen Kunstvermçgens zur Wirkung dieses Kunstvermçgens in Form von Biberdmmen die Rede ist. Die hnlichkeit, die hier bestehen soll, kann nur die hnlichkeit zu einem anderen Verhltnis sein, und das wiederum kann hier nur das Verhltnis von menschlichem Kunstvermçgen bzw. Vernunft und Husern oder anderen Bauten von Menschen sein. Damit ist also klar, dass wir es innerhalb der Analogie als Identitt des Verhltnisses zwischen Ursachen und Wirkungen mit zwei einander hnlichen Verhltnissen zu tun haben: dem Verhltnis der menschlichen Vernunft zu menschlichen Kunsthandlungen und dem Verhltnis zwischen dem unbekannten Grund des tierischen Kunstvermçgens zu den tierischen Kunsthandlungen. Formal kçnnen wir das so ausdrcken: U(rsache)1 : W (irkung)1 = U(rsache)2 : W(irkung)2. Wir haben auf der einen Seite eine Ursache1 und eine Wirkung1, die zueinander in einem Verhltnis stehen (durch „:“ ausgedrckt), und auf der anderen Seite eine Ursache2 und eine Wirkung2, die zueinander in einem Verhltnis stehen. Diese jeweiligen Verhltnisse auf beiden Seiten sind miteinander identisch, was durch „=“ formalisiert wird. Dabei ist eine der beiden Ursachen unbekannt, whrend die anderen drei Elemente bekannt sind. Aber muss das Verhltnis wirklich ,identisch‘ sein, wie es die gerade vorgeschlagene Formalisierung mit „=“ ausdrckt? Muss es sich um dieselbe spezifische Kausalitt in beiden Fllen handeln, damit eine Analogie vorliegt? Die Frage stellt sich deswegen, weil am Schluss von [Fn.2] von einem ,hnlichen‘ Verhltnis die Rede ist. Und es ist nicht von vornherein klar, dass die Aussage, dass zwischen dem Verhltnis A und dem Verhltnis B eine hnlichkeit besteht, dasselbe bedeutet wie die Aussage, dass die Verhltnisse A und B identisch sind. Wenn wir von unserem Sprachgebrauch ausgehen, kçnnen wir sagen: Qualitative Identitt – so ist in [Fn.1] „Identitt“ wohl zu verstehen – zweier Entitten schließt ihre hnlichkeit ein. Aber eine hnlichkeit zweier Entitten bedeutet nicht notwendig 18 Auf die Bedeutung dieses Vergleichs und der festgestellten hnlichkeit der Wirkungen fr die Analogie komme ich im Kapitel 1.2.2 zurck.
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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deren qualitative Identitt. Die beiden hnlichen Entitten kçnnen, mssen aber nicht qualitativ identisch sein.19 Wir mssen uns also fragen, ob Kant, wenn er in [Fn.2] nicht von einem identischen, sondern von einem ,hnlichen Verhltnis‘ spricht, dennoch ein identisches Verhltnis meint. Was auf jeden Fall im Ausgang von unserer Alltagssprache festgehalten werden kann, ist, dass wenn von einem hnlichen Verhltnis die Rede ist, auch ein identisches Verhltnis gemeint sein kann. 20 Nimmt man hinzu, dass das „Damit“ zu Beginn des zweiten Teils von [Fn.2] sich darauf bezieht, dass wir den Grund des tierischen Kunstvermçgens als ,Analogon der Vernunft‘ denken, diese Bezeichnung also die Analogie und damit die Identitt der Verhltnisse voraussetzt, wird es noch einmal plausibler, dass das hnliche Verhltnis ein identisches Verhltnis ist. Ein weiterer Grund fr die These, dass Kant mit einem hnlichen Verhltnis hier ein identisches Verhltnis meint, lsst sich in anderen Texten finden, in denen Kant „Analogie“ definiert: „Eine solche Erkenntnis ist die n a c h d e r A n a l o g i e , welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene hnlichkeit zweier Dinge, sondern eine vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen bedeutet.“21 19 Zwei Entitten sind genau dann qualitativ identisch, wenn sie in allen Eigenschaften miteinander bereinstimmen, aber numerisch nicht identisch, i. e. zwei distinkte Entitten sind. Die Rede von einer hnlichkeit zweier Entitten erfordert in unserer Alltagssprache sehr viel weniger als die bereinstimmung in allen Eigenschaften. In der Regel reichen einige Eigenschaften, die beiden Entitten gemeinsam sind, aus, um von einer hnlichkeit zu sprechen. 20 Man kann ganz einfach den Test machen und „identisch“ (im Sinne von „qualitativer Identitt“) durch „hnlich“ ersetzen. Mit „hnlich“ lautet die Aussage des zweiten Teils von [Fn.2] folgendermaßen: Damit wollen wir zugleich anzeigen, dass der Grund des tierischen Kunstvermçgens, den wir „Instinkt“ nennen, von der Vernunft als Grund des menschlichen Kunstvermçgens tatschlich spezifisch unterschieden ist, und doch zu der Wirkung (dem Bau der Biber) ein hnliches Verhltnis habe wie die Vernunft zum Bau der Menschen. Mit „qualitativ-identisch“ ergibt sich folgende Aussage: Damit wollen wir zugleich anzeigen, dass der Grund des tierischen Kunstvermçgens, den wir „Instinkt“ nennen, von der Vernunft als Grund des menschlichen Kunstvermçgens tatschlich spezifisch unterschieden ist, und doch zu der Wirkung (dem Bau der Biber) ein qualitativ-identisches Verhltnis habe wie die Vernunft zum Bau der Menschen. An der Aussage ndert sich durch die Ersetzung anscheinend nichts. 21 Prol, 4: 357,26 – 29. Vgl. auch die sich an diesen Satz anschließende Fußnote 4: 357,30 – 358,37, in der Kant auch von „vçlliger hnlichkeit“ mit Blick auf die Analogie spricht.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
„In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier q u a n t i t a t i v e n , sondern q u a l i t a t i v e n Verhltnisse, wo ich aus drei gegebenen Gliedern nur das Ve r h l t n i s zu einem vierten, nicht aber d i e s e s vierte Glied selbst erkennen und a priori geben kann, wohl aber eine Regel habe, es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden.“22 „Das Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffes) ist eine Vorstellung des Gegenstandes nach der Analogie, d.i. dem gleichen Verhltnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst, zu seinen Folgen beygelegt wird, obgleich die Gegenstnde selbst von ganz verschiedener Art sind.“23
In den Prolegomena wird „Analogie“ als ,vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen‘ definiert. Gleichzeitig fhrt Kant dort ein ,gemeinigliches‘ Verstndnis von „Analogie“ an, wonach eine Analogie eine unvollkommene hnlichkeit zweier Dinge sei.24 Dieses Textstck ist wichtig, weil es zeigt, dass fr Kant ein hnliches Verhltnis ein identisches Verhltnis sein kann, nmlich dann, wenn das Verhltnis vollkommen hnlich ist. Die unvollkommene hnlichkeit wird hier hingegen nicht von einem Verhltnis, sondern – ganz im Sinne der ,Ungleichartigkeit der Dinge‘ aus KU, § 90 [5.1] und der fehlenden hnlichkeit von Handmhle und despotischem Staat in KU, § 59 – von zwei Dingen ausgesagt. In der KrV und der Preisschrift wird „Analogie“ als „Gleichheit“ zweier Verhltnisse definiert. „Gleichheit“, die von zwei Dingen ausgesagt wird, impliziert im Gegensatz zu „hnlichkeit“ eine qualitative Identitt der beiden Dinge.25 Wenn nun in diesen Texten ber dieselbe Analogie gesprochen wird wie in den Prolegomena und in der KU, haben wir einen weiteren Grund anzunehmen, dass wir die Rede von einem ,hnlichen Verhltnis‘ des Grundes des ,tierischen Kunstvermçgens‘ zu seiner Wirkung (dem Biberdamm) im Sinne eines ,vollkommen hnlichen‘ bzw. ,gleichen‘ Verhltnisses interpretieren kçnnen.
22 KrV, B 222 (3: 160,34 – 161,2). 23 FM, 20: 280,3 – 7. 24 Vgl. zu diesem ,gemeiniglichen‘ Verstndnis von Analogie als ,(unvollkommener) hnlichkeit zweier Dinge‘ auch Log, 9: 133,4 – 8, wo Kant „Analogie“ gerade im Sinne der ,gemeiniglichen‘ Bedeutung definiert, und V-MP-L1/Pçlitz, 28.1: 330,13 – 19. 25 Fr dieses Verstndnis von „Gleichheit“ lassen sich bei Kant eine Reihe von Textstellen anfhren. Vgl. dazu KrV, B 17 (3: 38,8 – 12); B 320 (3: 217,13 – 18); Prol, 4: 284,20 – 28; 343,11 – 18.
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Vor dem Hintergrund dieser Textstellen und des offenkundigen Bezugs des zweiten Teils von [Fn.2] auf eine bereits zustandegekommene Analogie ist es also legitim, das ,hnliche‘ Verhltnis im Sinne eines vollkommen hnlichen oder identischen Verhltnisses zu interpretieren. Auch die Rede von der ,hnlichkeit‘ der Regel in KU, § 59 kçnnte sich auf diese Weise interpretieren lassen.26 Wir kçnnen zusammenfassend ber die Analogie sagen: Eine Analogie besteht in der (qualitativen) Identitt eines Verhltnisses U1 :W1 mit einem Verhltnis U2 : W2 (U1 : W1 = U2 : W2) bzw. in der (qualitativen) Identitt zwischen zwei Ursache-Wirkungs-Relationen.27 Die Identitt der Verhltnisse ist dabei von der spezifischen Verschiedenheit der Elemente der Verhltnisse und der Eigenschaften dieser Elemente unabhngig. Drei der Elemente sind bekannt, ein Element (eine der beiden Ursachen) ist unbekannt. Dabei ist entscheidend fr das Zustandekommen der Analogie, dass die jeweiligen Wirkungen miteinander verglichen und als (vollkommen) hnlich befunden werden. Auf die epistemologische Problematik der Rede von einer Identitt der Verhltnisse werde ich in Kapitel 2.2.2 noch zu sprechen kommen. 1.2.2 Nach der Analogie denken und nach der Analogie schließen (I) Zwei Punkte aus [Fn.2] sind noch festzuhalten und hervorzuheben. Wichtig fr das Zustandekommen der Analogie ist zunchst der Vergleich der Wirkungen bzw. der Kunsthandlungen von Menschen und Tieren. Es heißt, dass wir uns zu den jeweiligen Kunsthandlungen ,mit‘ dem bekannten Grund oder auch mit Hilfe des bekannten Grundes beim Menschen den Grund des tierischen Kunstvermçgens denken. Die Analogie beginnt also bei den beobachtbaren Wirkungen und kommt ber den 26 Vgl. KU, 5: 352,20 – 22. 27 Diesen Begriff nennt man in der philosophischen Tradition „Proportionalittsanalogie“, was in der Einleitung in Kapitel B.2 nher ausgefhrt wurde. Allerdings ist Byrne der Auffassung, dass fr Kant ein Verstndnis von Analogie im Sinne einer Proportionalittsanalogie aufgrund seines „drastic agnosticism about the divine nature“ nicht mehr in Frage komme. Vgl. Byrne 2007, 69. Dieses Urteil stimmt, wenn man Kant unterstellen wrde, dass er im Sinne der Theologie des Mittelalters von den ontologischen Voraussetzungen einer analogen Rede von Gott ausgeht. Kant scheint diese ontologischen Voraussetzungen nicht zu teilen, was ihm aber keine Probleme bereitet, die Methode der Analogie weiter zu verwenden. Vor diesem Hintergrund wrde ich Byrnes Urteil entsprechend einschrnken.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
bekannten Grund schließlich auf den unbekannten Grund, der dann als ,Analogon der Vernunft‘ gedacht wird. Des Weiteren ist bedeutsam, dass in [Fn.2] das konkrete Beispiel einer Analogie darauf hinausluft, dass wir den unbekannten Grund des ,tierischen Kunstvermçgens‘ als ,Analogon der Vernunft‘ denken. Indem wir davon sprechen, dass die Ursache der Biberdmme ein „Analogon“ unserer menschlichen Vernunft in den Bibern ist, zeigen wir nach Kant zugleich an, dass die eigentliche Ursache der Biberdmme von der menschlichen Vernunft spezifisch unterschieden ist. Wir bezeichnen diese Ursache eigentlich als „Instinkt“. Wenn wir von einem „Analogon der Vernunft“ in den Bibern sprechen, meinen wir damit lediglich, dass die Ursache der Biberdmme ein hnliches Verhltnis zu den Biberdmmen hat wie die menschliche Vernunft zu Talsperren. Der folgende Satz [Fn.3] macht klar, wie wichtig es ist, dass wir uns die Ursache der Biberdmme nur als ein ,Analogon der Vernunft‘ denken: „[Fn.3] Deswegen aber kann ich daraus, weil der Mensch zu seinem Bauen Ve r n u n f t braucht, nicht schließen, daß der Biber auch dergleichen haben msse, und es einen S c h l u ß nach der Analogie nennen.“28
Nur weil der Mensch zum Bauen Vernunft braucht, kann ich keinen Analogieschluss darauf machen, dass auch der Biber eine Vernunft haben msse – obwohl wir uns den unbekannten Grund des ,tierischen Kunstvermçgens‘ als ,Analogon der Vernunft‘ denken kçnnen. Die Aussage des Satzes bezieht sich allerdings auch auf die vorigen Stze zurck („Deswegen“). Was ist die Begrndung dafr, dass wir die Ursache fr die Biberdmme nur nach der Analogie als Vernunft denken kçnnen? Zieht man den letzten Teil von [Fn.2] heran, wird deutlich, dass man mit der Rede von einem „Analogon der Vernunft“ ein hnliches Verhltnis zwischen Ursache und Wirkung bei den Bibern ausdrckt, obwohl die Ursache bei den Bibern ,spezifisch unterschieden‘ ist.29 Der spezifische Unterschied zwischen menschlicher Vernunft und dem, was wir „Instinkt“ nennen, wre die Begrndung dafr, dass ein Analogieschluss nicht mçglich ist und damit der Bezugspunkt des „Deswegen“.30 28 KU, 5: 464,20 – 23. 29 Das „doch“ in [Fn.2] zeigt genau diesen Kontrast an, dass man trotz der spezifischen Unterschiedenheit ,doch‘ von einem hnlichen Verhltnis sprechen kann. 30 Es gibt allerdings noch eine andere mçgliche Interpretation. Demnach kçnnte man das „Deswegen“ so bersetzen: Nur weil wir ein hnliches Verhltnis zwischen Grund und Wirkung haben, kann ich daraus, dass der Mensch zu seinem Bauen Vernunft braucht, nicht schließen, dass der Biber auch Vernunft haben muss. Diese
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Nun ist in anderer Hinsicht aber ein Analogieschluss mçglich, wie [Fn.4] aussagt: [Fn.4] Aus der hnlichen Wirkungsart der Tiere kçnnen wir im Vergleich mit der Wirkungsart des Menschen nach der Analogie schließen, dass die Tiere auch nach Vorstellungen handeln und trotz ihrer spezifischen Verschiedenheit mit dem Menschen in dieselbe Gattung der lebenden Wesen gehçren.
Wie beim ,Analogon der Vernunft‘ nimmt der gltige Analogieschluss seinen Ausgang von einem Vergleich der Wirkungsarten von Menschen und Tieren. Sind aber die „Kunsthandlungen“ bzw. „diese Wirkungen“, von denen in [Fn.2] die Rede ist, dasselbe wie die „Wirkungsarten“ in [Fn.4], die miteinander verglichen werden? Die Ausdrcke „Wirkungen“ oder „Wirkungsarten“ haben eine weitere Bedeutung als der Ausdruck „Kunsthandlungen“.31 Es gibt Wirkungen oder Wirkungsarten, die nicht einer teleologischen, sondern einer mechanischen Kausalitt entsprechen. Wenn Kant davon spricht, dass man durch Vergleich der Wirkungsarten von hnlichen Wirkungsarten auf hnliche Ursachen schließen kann, dann muss „Wirkungen“ oder „Wirkungsarten“ in diesem weiten Sinne verstanden werden, weil sonst das Argument aus [Fn.4] zirkulr wird. Denn wenn „Wirkungsarten“ bereits ein Urteil ber die teleologische Kausalitt von Tieren implizieren wrde, kçnnte man nicht gltig von den hnlichen Wirkungsarten auf die (vollkommen) hnliche teleologische Kausalitt von Tieren und Menschen schließen. Daraus folgt auch, dass man die BeLesart wrde das „Deswegen“ nicht auf den vorigen Satz beziehen, sondern auf den Satzteil in [Fn.3] „weil der Mensch zu seinem Bauen Vernunft braucht“. Das „Deswegen“ wrde betonen, dass die hnlichkeit der Verhltnisse und die Bekanntheit einer der beiden Ursachen alleine nicht ausreicht, um daraus einen Analogieschluss zu ziehen. Dann lsst sich aber die Frage stellen, warum die hnlichkeit der Verhltnisse und die Bekanntheit einer der beiden Ursache alleine nicht ausreichen. Das „Deswegen“ htte somit keine begrndende Funktion, sondern wrde lediglich rhetorisch betonen, was der „weil“-Satzteil aussagt. Zugunsten der oben vorgeschlagenen Interpretation spricht jedoch, dass Kant im Haupttext zur Fußnote in [5.3] sagt, dass der Analogieschluss vom Verstand der Weltwesen auf den Verstand eines Urwesens deswegen nicht statthaft ist, „weil dieses eben den Punkt der Ungleichartigkeit betrifft, der zwischen einer in Ansehung ihrer Wirkungen sinnlich-bedingten Ursache und dem bersinnlichen Urwesen selbst im Begriffe desselben gedacht wird.“ (KU, 5: 465,16 – 19). Die Ungleichartigkeit entspricht der spezifischen Unterschiedenheit zwischen Menschen und Bibern. 31 Deswegen spricht Kant in [Fn.2] auch von ,diesen Wirkungen‘. Auch in [Fn.4] ist klar, dass es hier nicht um Wirkungsarten allgemein geht, sondern um die Wirkungsarten im konkreten Fall.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
zeichnung der Wirkungen von Tieren und Menschen als „Kunsthandlungen“ in [Fn.2] so verstehen muss, dass diese Bezeichnung sich eigentlich erst aus dem Vergleich der vorhandenen Wirkungen (der Biberdmme und Talsperren) ergibt, sonst wre auch das Argument aus [Fn.2] zirkulr. Kant macht nicht deutlich, wie wir uns den Vergleich der vorhandenen Wirkungen genau vorzustellen haben.32 Wir kçnnen es folgendermaßen zu rekonstruieren versuchen. Wenn die Analogie – sowohl das Denken nach der Analogie als auch der Analogieschluss – mit einem Vergleich verschiedener Wirkungen oder Wirkungsarten beginnt, muss man sich das so vorstellen, dass wir zunchst verschiedene Naturprodukte haben (Biberdmme, Talsperren). Auf dieser Ebene kçnnen wir nur davon ausgehen, dass es sich um Wirkungen bzw. Wirkungsarten handelt, dass es also berhaupt so etwas wie eine Ursache fr das Produkt geben muss, sei es etwas Vernunftartiges oder schlicht ein Naturgesetz. Durch den Vergleich von Biberdmmen und Talsperren kommen wir auf Eigenschaften, die beiden Wirkungen gemeinsam sind. Das wre in diesem Fall z. B. die Funktionalitt der Bauten, Wasser zu stauen, um damit gewisse Ziele zu erreichen (Stromerzeugung, Nahrungssuche). Der Vergleich ermçglicht also ein Urteil ber die hnlichkeit der Wirkungen oder Wirkungsarten. Die hnlichkeit der Wirkungen oder Wirkungsarten ist in jedem Fall notwendige Bedingung jeglicher Analogie zwischen zwei Ursache-Wirkungs-Relationen, unabhngig davon, ob es sich um einen Analogieschluss handelt oder ob es darum geht, etwas nach einer Analogie zu denken. Das jedenfalls zeigt die bisherige Interpretation der Fußnote. Ist die hnlichkeit der Wirkungen oder Wirkungsarten aber auch notwendige und hinreichende Bedingung dafr, dass wir die Identitt der beiden Verhltnisse feststellen kçnnen? Die beiden Stze, in denen von einem erfolgreichen Analogieschluss oder von einem erfolgreichen Nach-der-Analogie-Denken gesprochen wird, nmlich [Fn.2] und [Fn.4], legen die Antwort nahe, dass keine andere Bedingung als die hnlichkeit der Wirkungen nçtig ist, um 32 Die Frage ist, wie genau wir dazu kommen, von einer hnlichkeit der Wirkungen zu sprechen. Falls es sich dabei um einen Analogieschluss oder um ein Denken nach der Analogie handeln sollte, wre die Voraussetzung einer Analogie eine andere Analogie. Wir htten also entweder eine Art infiniten Regress hinsichtlich der Voraussetzungen einer Analogie. Oder wir mssen auf andere Weise als durch einen Analogieschluss wissen, dass die Wirkungen eine hinreichende hnlichkeit haben. Diese Frage ist nicht zuletzt im Blick auf die Analogie, mittels derer wir Gott denken kçnnen, von großer Bedeutung. Ich werde in Kapitel 2.2.2 auf diese Frage zurckkommen.
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die Identitt der Verhltnisse festzustellen. In [Fn.4] ist es am direktesten formuliert: „[Fn.4] Aber aus der hnlichen Wirkungsart der Tiere […], mit der des Menschen […] verglichen, kçnnen wir nach der Analogie schließen“.33
Folgendes lsst sich zusammenfassend sagen: Notwendige und hinreichende Bedingung fr die Feststellung, dass eine Analogie zwischen den Verhltnissen U1 : W1 und U2 : W2 besteht, ist, dass die jeweiligen Wirkungen W1 und W2 einander hnlich sind.
Wenn ich z. B. sehe, dass Menschen und bestimmte Tiere kunstvolle und funktionale Bauten errichten, dann bin ich berechtigt zu der Annahme, dass die beiden jeweiligen Verhltnisse zwischen den Ursachen und den als hnlich beurteilten Wirkungen identisch sind. Ist eine der Ursachen bekannt, ist die notwendige und hinreichende Bedingung dafr erfllt, dass wir die andere Ursache nach der Analogie mit der bekannten Ursache denken drfen. Im Fall der Talsperren wissen wir, was die Ursache dieser Wirkungen ist, nmlich die menschliche Vernunft. Deswegen kçnnen wir auf jeden Fall die eigentlich unbekannte Ursache der Biberdmme nach der Analogie als Vernunft denken. Gleichzeitig aber ist uns bewusst, dass es eine spezifische Verschiedenheit zwischen Menschen und Tieren gibt. Wegen dieser spezifischen Verschiedenheit – so habe ich das „Deswegen“ in [Fn.3] interpretiert – kçnnen wir nicht darauf schließen, dass auch die Tiere Vernunft haben, sondern nur darauf, dass auch Tiere nach Vorstellungen handeln und ungeachtet der spezifischen Verschiedenheit von Mensch und Tiere beide ,der Gattung nach (als lebende Wesen) einerlei sind‘.34 Die Bekanntheit einer der Ursachen ist hinsichtlich eines Analogieschlusses also nur notwendige Bedingung. Es mssen noch weitere Bedingungen hinzukommen, damit wir einen Analogieschluss auf der Kenntnis einer der Ursachen vornehmen kçnnen. Warum nun kçnnen wir nach der Analogie auf die Gattungszugehçrigkeit schließen, dass beide lebende Wesen sind? Kant spricht im Folgenden (in [Fn. 5 bis 8]) ber das ,Prinzip der Befugnis, so zu schließen‘. Das Prinzip besteht in der ,Einerleiheit des Grundes‘ [Fn.5] bzw. in der ,paritas rationis‘ [Fn.7]. Was aber ist genau dieses Prinzip? Es gibt zwei mçgliche Interpretationen. 33 KU, 5: 464,23 – 26. 34 Auf die Kritik, die Kant hier an Descartes bt, brauchen wir fr unsere Zwecke nicht nher eingehen. In den Anmerkungen von Giordanetti finden sich Hinweise zu dieser Anspielung. Vgl. Kant 2009a, 468.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
(1) Das Prinzip eines erlaubten Analogieschlusses wird sowohl in [Fn.5] als auch in [Fn.7] in dem Nebensatz mit dem erweiterten Infinitiv, der auf „Einerleiheit des Grundes“ bzw. die „paritas rationis“ folgt, erlutert.35 Das Prinzip bestnde also darin, ,die Tiere‘ hinsichtlich der Bestimmung des Grundes ihres Kunstvermçgens ,mit dem Menschen als Menschen […] zu einerlei Gattung zu zhlen‘.36 Dann aber htten wir offenkundig einen Zirkel in der Argumentation von [Fn.4] zu [Fn.5]: [Fn.4]: Dass Menschen und Tiere der Gattung nach (als lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind, ist Ergebnis eines Analogieschlusses. [Fn.5]: Das Prinzip der Befugnis dieses Analogieschlusses liegt in der Einerleiheit des Grundes, der darin besteht, dass die Tiere in Ansehung gedachter Bestimmung mit dem Menschen als Menschen, soweit wir sie ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen, zu einerlei Gattung zu zhlen sind.
Der Zirkel bestnde darin, von der gemeinsamen Gattungszugehçrigkeit als Ergebnis eines Analogieschlusses zu sprechen (so [Fn.4]), dann aber die gemeinsame Gattung als Prinzip eines Analogieschlusses herauszustellen (so [Fn.5]). (2) Man kann die Aussage von [Fn.5] aber auch anders verstehen: [Fn.5]: Das Prinzip der Befugnis liegt in der Einerleiheit des Grundes dafr, die Tiere in Ansehung gedachter Bestimmung mit dem Menschen als Menschen, soweit wir sie ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen, zu einerlei Gattung zu zhlen.
Der erweiterte Infinitiv wrde also nicht erlutern, worin die Einerleiheit des Grundes besteht. Worin besteht die Einerleiheit des Grundes dann? Sie wird in dem unaufflligen Einschub „soweit wir sie ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen“ formuliert. Die Mçglichkeit, ,sie‘, also Mensch und Tier, gewissermaßen als Trger der Ursachen, ußerlich bzw. durch Beobachtung nach ihren Wirkungen miteinander zu vergleichen, wre also ,Prinzip der Befugnis‘ zum Analogieschluss. Immer dann, wenn ich nicht nur eine hnlichkeit der Wirkungen habe, die ich beobachten kann, sondern wenn ich auch die Trger der Ursachen ußerlich nach ihren Wirkungen miteinander vergleichen kann, ist das Prinzip des 35 Nicht zuletzt die Tatsache, dass in [Fn.5] sowohl der Grund als auch die Gattung ,einerlei‘ sind, verfhren zu der Lesart, nach der der erweiterte Infinitiv die Bedeutung von „Einerleiheit des Grundes“ erlutert. 36 Ich arbeite im Folgenden mit der Analogie zwischen Mensch und Tier. Dasselbe gilt allerdings auch fr das andere, eigentlich hier entscheidende Beispiel, nmlich das der Analogie zwischen Mensch und Gott.
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Analogieschlusses erfllt. Am konkreten Beispiel illustriert hieße das, dass die ,Einerleiheit des Grundes‘, einen Analogieschluss vornehmen zu kçnnen, darin liegt, dass wir Menschen und Tiere ußerlich nach ihren Wirkungen miteinander vergleichen kçnnen. Gegen die Interpretation im Sinne von Alternative (1) spricht zunchst, dass die Kant’sche Argumentation mit dieser Interpretation zirkulr wrde. Die Alternative (2) bringt jedoch auch einige Probleme mit sich. Was soll es bedeuten, dass die Mçglichkeit, die Trger der Ursachen hinsichtlich ihrer Handlungen miteinander ußerlich zu vergleichen, die ,Einerleiheit des Grundes‘ ist? Wenn es sich um einen Grund handeln soll, dann ist die pure Mçglichkeit des ußerlichen Vergleichs ein schlechter Grund. Fr das Beispiel der Analogie von Gott und Mensch wrde die Alternative (2) noch greifen, weil Gott eben kein Trger einer Ursache ist, den man ußerlich nach seinen Handlungen mit Menschen vergleichen kçnnte. Wir kçnnen jedoch viele Trger von Ursachen ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen und daraus trotzdem keinen Analogieschluss ziehen. Das gilt gerade fr das Beispiel der Analogie zwischen Mensch und Tier. Wir kçnnen nach der Analogie darauf schließen, dass auch Tiere nach Vorstellungen handeln, aber eben nicht, dass Tiere Vernunft haben. In beiden Fllen wre das Prinzip der Befugnis, einen Analogieschluss zu machen, nach (2) jedoch erfllt: Wir kçnnen Menschen und Tiere nach ihren Handlungen ußerlich miteinander vergleichen. Was ist der Grund dafr, dass die Mçglichkeit des ußerlichen Vergleichs alleine nicht ausreicht, um analogisch darauf zu schließen, dass auch Tiere nach Vernunft handeln? Bei der Interpretation von [Fn.3] hatte ich die Begrndung der Aussage, dass kein Analogieschluss auf die Vernunft der Tiere mçglich ist, darin gesehen, dass Menschen und Tiere ,spezifisch unterschieden‘ seien. Auch in [Fn.4] ist von der „spezifischen Verschiedenheit“ von Menschen und Tieren die Rede, die jedoch kein Hindernis ist, Menschen und Tiere der Gattung nach als ,lebende Wesen‘ fr einerlei zu halten. Diese spezifische Verschiedenheit von Mensch und Tier scheint also mit eine Rolle zu spielen, ob ein Analogieschluss mçglich ist oder nicht. In [Fn.3] fllt sie ins Gewicht, in [Fn.4] nicht. Wie genau verhlt sich die ,spezifische Verschiedenheit‘ zur ,Einerleiheit des Grundes‘ bzw. zur ,paritas rationis‘? Ohne einen Blick in andere Texte zu werfen, scheint es kein Weiterkommen in der Interpretation von KU, § 90 zugeben. Es lsst sich allerdings festhalten, dass die Interpretation im Sinne der Alternative (2) daran scheitert, dass das in dieser Alternative anvisierte Prinzip der Befugnis zum Analogieschluss zwar erklren kann,
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
warum wir nicht nach der Analogie auf eine Weltursache mit Verstand schließen kçnnen, es aber nicht zeigen kann, warum wir nicht nach der Analogie auf ein Vernunftvermçgen bei den Tieren schließen kçnnen. Die Alternative (1) bringt dagegen das Problem mit sich, dass wir einen Zirkel in der Argumentation htten, wenn der Satzteil mit dem erweiterten Infinitiv das Prinzip der Befugnis zum Analogieschluss erlutert. 1.2.3 Ein Exkurs zur paritas rationis Ich mçchte an dieser Stelle einen Exkurs in die sog. Jsche-Logik unternehmen.37 Im § 84 dieser Schrift definiert Kant „Analogie“ und erlutert dann etwas genauer, was er sich unter einem Analogieschluss vorstellt: „Die A n a l o g i e schließt von p a r t i c u l a r e r hnlichkeit zweier Dinge auf t o t a l e , nach dem Princip der S p e c i f i c a t i o n : Dinge von einer Gattung, von denen man vieles bereinstimmende kennt, stimmen auch in dem brigen berein, was wir in einigen dieser Gattung kennen, an andern aber nicht wahrnehmen. […] Bei dem Schlusse nach der Analogie wird indessen nicht die I d e n t i t t d e s G r u n d e s (par ratio) erfordert. Wir schließen nach der Analogie nur auf vernnftige Mondbewohner, nicht auf Menschen. Auch kann man nach der Analogie nicht ber das tertium comparationis hinaus schließen.“38
Interessant ist hier zunchst, dass der Analogieschluss von der ,partikularen hnlichkeit zweier Dinge‘ auf ihre totale hnlichkeit nach dem ,Prinzip der Spezifikation‘ vor sich geht. Dieses Prinzip wiederum besteht darin, dass Exemplare einer Gattung, die in gewissen Eigenschaften berein37 Die Jsche-Logik gehçrt zu den editorisch problematischen Schriften innerhalb der Akademie-Ausgabe. Einen guten berblick zu diesen Problemen gibt Hinske 2000. Insgesamt urteilt Hinske, dass die Jsche-Logik wegen der fehlenden detaillierten Einbeziehung der Reflexionen zur Logik und der Vorlesungsnachschriften zur Logik hinter den Maßstben heutiger Kant-Forschung zurckbleibe. Sowohl die Reflexionen als auch die Vorlesungsnachschriften zur Logik waren zum Zeitpunkt der Herausgabe der Jsche-Logik (1923, wobei der Herausgeber der Jsche-Logik, Max Heinze, 1909 verstorben ist) noch nicht erschienen. Deswegen fehlt im Band 9 der Akademie-Ausgabe ein entsprechendes Verzeichnis der Parallelstellen und Abweichungen der Jsche-Logik zu den Reflexionen und Vorlesungsnachschriften. Der Herausgeber von Kants Nachlass zur Logik, Erich Adickes, hat jedoch die Parallelstellen zur Jsche-Logik in den einzelnen Reflexionen verzeichnet, was uns gleich bei einem Interpretationsproblem sehr weiterhelfen wird. 38 Log, 9: 133,4 – 8; 16 – 19.
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stimmen, auch in anderen Eigenschaften bereinstimmen, die wir nur an einigen Exemplaren dieser Gattung kennen, die wir aber an anderen Exemplaren dieser Gattung nicht wahrnehmen. Angewandt auf das Beispiel der Mondbewohner, das Kant hier gibt, wrde das bedeuten: Mondbewohner und Menschen sind Exemplare einer Gattung, die in gewissen Eigenschaften bereinstimmen.39 Sie sind auf partikulare Weise einander hnlich. Nach dem Prinzip der Spezifikation kçnnen wir nun, da Menschen und Mondbewohner zu einer Gattung gehçren, analogisch darauf schließen, dass auch Mondbewohner vernnftige Wesen sind, obwohl wir diese Eigenschaft an ihnen nicht wahrnehmen kçnnen. Wir kçnnen aber nicht darauf schließen, dass Mondbewohner auch Menschen sind. Kant erlutert nicht, warum dieser Analogieschluss nicht mçglich ist. Der Grund dafr ist aber wohl, dass Menschen und Mondbewohner beide Exemplare derjenigen Gattung sind, zu der auch die Eigenschaft Vernunft gehçrt, dass aber die Mondbewohner nicht als Exemplare derjenigen Gattung angesehen werden kçnnen, zu der die Menschen als Menschen gehçren. Wie verhlt sich diese Aussage zu dem Problem aus KU, § 90? Wenn „Spezifikation“ in der Jsche-Logik soviel wie „Gattungszugehçrigkeit“ bedeutet, msste man unter „spezifischer Verschiedenheit“ in KU, § 90 eine Verschiedenheit in der Gattungszugehçrigkeit verstehen. Menschen und Tiere gehçren einerseits nicht zur selben Gattung. Deswegen kçnnen wir nicht darauf schließen, dass auch Tiere Vernunft haben. Dann aber ist fragwrdig, warum wir andererseits in KU, § 90 [Fn.4] trotz der verschiedenen Gattungszugehçrigkeit nach der Analogie darauf schließen kçnnen, dass Menschen und Tiere der Gattung nach als lebende Wesen einerlei sind. Dieses Problem ließe sich dadurch lçsen, dass man die Parenthese „(als lebende Wesen)“ in KU, § 90 [Fn.4] als diejenige Rcksicht versteht, unter der Menschen und Tiere der Gattung nach einerlei sind, whrend mit der „spezifischen Verschiedenheit“ eine andere Rcksicht gemeint wre. Dieser Bezug auf verschiedene Gattungen leuchtet zunchst ein, da relativ klar ist, dass Menschen und Tiere beide Lebe- und Sinnenwesen – fr Kant fallen diese beiden Gattungen in der Gattung der ,lebenden Wesen‘ zusammen – sind, die also eine Form von Stoffwechsel und Sinnesorganen haben, zu39 Natrlich stellt sich dabei die Frage, woher wir etwas ber Mondbewohner wissen kçnnen und was der Inhalt dieses Wissens ist, der immerhin zur Folge hat, dass wir Menschen und Mondbewohner in bestimmer Rcksicht zu Exemplaren derselben Gattung rechnen kçnnen. Es ist an dieser Stelle nicht mçglich, dieser Frage weiter nachzugehen.
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gleich aber Tiere keine Vernunftwesen sind. Diese These, dass Kant die Gattungszugehçrigkeit unter verschiedenen Rcksichten einfhrt, lsst sich noch durch [Fn.5] erhrten, wo es hinsichtlich des Prinzips der Befugnis zum Analogieschluss heißt, dass wir ,die Tiere in Ansehung gedachter Bestimmung mit dem Menschen als Menschen […] zu einerlei Gattung‘ zhlen kçnnen. Der Hinweis „in Ansehung gedachter Bestimmung“ bezieht sich darauf, dass ich mir im konkreten Fall die Bestimmung der Tiere als ,lebende Wesen‘ denke. Es liegt dann keine ,spezifische Verschiedenheit‘ in dieser gedachten Bestimmung vor. Wrde ich mir hingegen die Tiere als ,Vernunftwesen‘ bestimmt denken, ist die Einerleiheit des Grundes fr einen Analogieschluss nicht gegeben, sondern vielmehr die ,spezifische Verschiedenheit‘ zwischen lebenden Wesen und Vernunftwesen angezeigt, weswegen ich mir eine Vernunft der Tiere nur analogisch denken kann. Diese berlegungen wrden also die Rede von einer „spezifischen Verschiedenheit“ sowie die Rede vom Prinzip der Befugnis zum Analogieschluss als „Einerleiheit des Grundes“ bzw. „paritas rationis“ auf derselben inhaltlichen Ebene ansiedeln. Alle drei Ausdrcke beziehen sich auf die mçglichen Gattungen unserer Welt und das Verhltnis zweier Dinge, die sich diesen Gattungen zuordnen lassen. Je nachdem, wie wir die Bestimmung der Dinge denken, wird dann entweder die ,Einerleiheit‘ der Gattungszugehçrigkeit ausgesagt, was dann auch die ,Einerleiheit des Grundes‘ und damit das Erflltsein des Prinzips zum Analogieschluss bedeutet, oder die ,spezifische Verschiedenheit‘. Betrachten wir Tiere und Menschen nur unter der Rcksicht, dass sie zweckmßige Bauten hervorbringen, kçnnen wir sie zur selben Gattung der lebenden Wesen zhlen. Versuchen wir sie aber beide unter der Rcksicht zu betrachten, Vernunftwesen zu sein, mssen wir gewisse Differenzen feststellen, die einen Analogieschluss unmçglich machen. Bevor diese Interpretation durch eine Reflexion zur Logik untermauert werden kann, ist noch auf ein Kuriosum im Text der Jsche-Logik einzugehen. „Bei dem Schlusse nach der Analogie wird indessen nicht die I d e n t i t t d e s G r u n d e s (par ratio) erfordert. Wir schließen nach der Analogie nur auf vernnftige Mondbewohner, nicht auf Menschen. Auch kann man nach der Analogie nicht ber das tertium comparationis hinaus schließen.“40
Kant verneint einige Zeilen nach der Definition von „Analogie“ in § 84, dass zu einem Analogieschluss die ,Identitt des Grundes (par ratio)‘ er40 Log, 9: 133,16 – 19.
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forderlich sei. Der folgende Satz kçnnte dann so verstanden werden, dass wir nur auf vernnftige Mondbewohner und nicht auf Menschen auf dem Mond nach der Analogie schließen kçnnen, weil die Identitt des Grundes fehlt. Diese Aussage aus der Jsche-Logik wrde KU, § 90 direkt widersprechen. Allerdings steht die Stelle aus der Jsche-Logik auch im Widerspruch zur Reflexion Nr. 3292: „Wir schließen nach der Analogie nur auf Vernnftige Mondbewohner, nicht auf Menschen; also wird bey der analogie nur die identitaet des Grundes, par ratio, erfordert.“41
In der Jsche-Logik heißt es, dass wir fr einen Analogieschluss auf vernnftige Mondbewohner keine Identitt des Grundes bzw. keine paritas rationis brauchen. In KU, § 90 und der gerade zitierten Reflexion Nr. 3292 heißt es hingegen, dass wir fr einen Analogieschluss auf vernnftige Mondbewohner lediglich die Identitt des Grundes bzw. paritas rationis bençtigen. Die Aussage der Reflexion ist somit kontradiktorisch zur Aussage in der Jsche-Logik. Aufschluss ber diesen Widerspruch gibt eine Anmerkung zur gerade zitierten Reflexion Nr. 3292, wonach Jsche die in § 84 der Jsche-Logik benutzte Reflexion Nr. 3292 falsch gelesen hat.42 Also ist wohl der Reflexion gegenber der Jsche-Logik recht zu geben. Deren Aussage wiederum, dass die Identitt des Grundes zum Analogieschluss dazugehçrt, stimmt mit KU, § 90 berein. Sie passt auch besser zur Definition von „Analogie“ in § 84 der Jsche-Logik selbst. Denn wenn wir die Identitt des Grundes zum Analogieschluss feststellen mssen und der Grund im ,Prinzip der Spezifikation‘ besteht, dann ist die Identitt des Grundes auch nach der Definition von „Analogie“ in § 84 selbst zu einem Analogieschluss erforderlich. Allerdings gibt es eine andere Reflexion, welche der falschen Lesart eventuell doch recht geben kçnnte: „Analogie geht nach der Regel: similium eadem (g par) est ratio. (s Der Schluß wrde strenge seyn, wenn der Grund ihrer hnlichkeit im Begriffe ihres [ganzen] Wesens lge.)“43
Man kann diese Reflexion so interpretieren, dass mit dem ,strengen‘ Schluss der Analogieschluss aus KU, § 90 und aus der Jsche-Logik gemeint ist. Nur 41 Refl, 16: 760,15 – 17 (Nr. 3292). 42 Jsche hat nach der Anmerkung des Herausgebers der Reflexionen zur Logik das „nur“ in Refl, 16: 756,16 als ein „nicht“ gelesen. Vgl. Refl, 16: 760,21 – 22. 43 Refl, 16: 756,4 – 6 (Nr. 3279).
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fr diesen strengen Schluss ist die ,hnlichkeit im Begriff ihre […] Wesens‘ erforderlich, was sich als das ,Prinzip der Spezifikation‘ aus § 84 der JscheLogik identifizieren lassen kçnnte.44 Hingegen lsst die ,Regel‘ der Analogie im ersten Satz der Reflexion offen, worin genau die hnlichkeit (das ,similium‘) besteht. Mit dieser weiten Regel von Analogie wre dann neben der Mçglichkeit, die hnlichkeit als Zugehçrigkeit zur selben Gattung streng auszulegen, auch die Mçglichkeit eingeschlossen, etwas im Sinne von KU, § 90 lediglich nach der Analogie zu denken. In der Jsche-Logik msste man dann denjenigen Analogieschluss, zu dem die Identitt des Grundes nicht erforderlich ist, als die Mçglichkeit interpretieren, etwas lediglich nach der Analogie zu denken. Auch wenn sich auf diese Weise der § 84 der Jsche-Logik einigermaßen kohrent in das brige Bild von Kants berlegungen zum Analogieschluss einfgen lsst, bleibt doch festzuhalten, dass Kant in KU, § 90 die Mçglichkeit, etwas nach der Analogie zu denken, klar vom Analogieschluss abgrenzt. Wir kommen nun zu der fr die Fragen aus dem vorigen Unterkapitel wohl aufschlussreichsten Reflexion Nr. 3294: „[1.1] Wenn an Dingen dasjenige, was wir an ihnen Gewahr werden, [mit als zu ihrem Gattungsbegriffe gehorig zur Einheit der] als zu einer und derselben Gattung gehorig gedacht werden muß, so wird auch das brige, was zu eben derselben Gattung erfordert wird, obgleich wir es nicht an ihnen gewahr werden, von ihnen praesumirt werden kçnnen. [1.2] z. B. Schwmme kommen mit Gewchsen in Ansehung des Wachsthums berein; also nach der analogie mit [Pflanzen] ihnen werden sie auch darin mit ihnen bereinkommen, daß sie sich durch Saamen fortpflanzen. [1.3] Aber ich kan nicht schließen, daß, weil thiere [nach], so viel wir deren kennen, Cirkulation ihrer Safte haben, auch Pflanzen so beschaffen sind. [1.4] Denn sie sind der [Species] Gattung nach in demjenigen, was den Grund der gegebenen Bestimmung betrift, da jene die Nahrung willkhrlich in sich aufnehmen, unterschieden. [2.1] Wir kçnnen daher uns zwar (g die Caussalitat) einer Ursache der Welt nach der Analogie [mit] (g der Beschaffenheit) einer Ursache in der Welt d e n k e n , [aber] namlich auf die Art Ursache zu seyn, wie Menschen (nmlich durch Verstand) Ursache einer Uhr sind, aber aus der knftigen Beschaffenheit der Dinge der Welt nicht auf jene Caussalitt schließen. [2.2] Denn im ersten Fall haben wir nur hnliche Verhaltnisse, im Zweyten ein hnliches Ding – Gott aber und Ursachen in der Welt sind ganz heterogene Dinge. [3] Nach einer analogie sich etwas vorstellen – schließen.“45 44 Vgl. Log, 9: 133,5. 45 Refl, 16: 761,5 – 26 (Nr. 3294).
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Zunchst wiederholt der Satz [1.1] das ,Prinzip der Spezifikation‘ aus § 84 der Jsche-Logik. 46 In [1.2] wird dann ein Beispiel fr einen solchen nach dem Prinzip mçglichen Analogieschluss gegeben.47 Schwmme haben mit Gewchsen die Eigenschaft gemeinsam, dass sie wachsen. Also kmen sie nach der Analogie mit den Gewchsen auch in der Fortpflanzung durch Samen berein. Wenn wir also aufgrund bestimmter Eigenschaften (Wachstum) wissen, dass Dinge (Schwmme und Gewchse) zur selben Gattung gehçren, dann kçnnen auch die Eigenschaften, die zu dieser Gattung erforderlich sind (Fortpflanzung durch Samen), von ihnen ausgesagt werden, auch wenn wir diese Eigenschaften nicht an ihnen wahrnehmen. In [1.3] wird ein weiteres Beispiel gegeben, bei dem allerdings kein Analogieschluss mçglich ist: Wir kçnnen aus der Tatsache, dass viele Tiere Zirkulation ihrer Sfte bzw. Stoffwechsel haben, nicht schließen, dass auch Pflanzen Zirkulation ihrer Sfte haben. Der Grund dafr („Denn“) ist laut [1.4], dass ,sie‘ bzw. die Pflanzen von den Tieren der Gattung nach ,in demjenigen, was den Grund der gegebenen Bestimmung betrifft, da jene [die Tiere] die Nahrung willkrlich aufnehmen‘, unterschieden sind. Diese komplizierte Formulierung lsst sich so interpretieren, dass Pflanzen von Tieren der Gattung nach in dem unterschieden sind, was Tiere zu Tieren macht: nmlich die willkrliche Nahrungsaufnahme. Diese willkrliche Nahrungsaufnahme ist der Grund („da“) der gegebenen Bestimmung der Gattung, zu der die Tiere gehçren, bzw. die Nahrungsaufnahme ist hier die differentia specifica. Mit Blick auf KU, § 90 fehlt hier der Pflanzen und Tieren gemeinsame ,Grund der gegebenen Bestimmung‘, die paritas rationis, damit ein Analogieschluss von den Tieren auf die Pflanzen mçglich ist. Im zweiten Absatz der Reflexion zeigt Kant, dass ein Analogieschluss ,aus der knftigen Beschaffenheit der Dinge der Welt‘ auf die Kausalitt einer Weltursache scheitert, weil Gott und Ursachen in der Welt ,ganz heterogene Dinge‘ sind. Die Rede von „ganz heterogenen Dingen“ kann man als einen anderen Ausdruck dafr deuten, dass Gott und Ursachen in der Welt nicht in dem Maße zur selben Gattung gehçren, als nçtig wre, 46 In der Jsche-Logik werden Induktions- und Analogieschlsse in Abgrenzung von den Vernunftschlssen als „logische Prsumtionen oder auch empirische Schlsse“ bezeichnet. Vgl. Log, 9: 133,20 – 23. 47 Dieses ,bereinkommen‘ nach der Analogie aus [1.2] wird von Kant hier offensichtlich als Analogieschluss gedeutet. Das wird durch den Inhalt des zweiten Absatzes der Reflexion deutlich, aber auch dadurch, dass in [1.3] direkt im Anschluss an [1.2] ein Beispiel gegeben wird, bei dem kein Analogieschluss mçglich ist:
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um auf den Verstand einer Weltursache schließen zu kçnnen. Der Analogieschluss geht flschlich davon aus, wir htten mit Gott ein den gewçhnlichen Ursachen der Welt hnliches Ding. Gott nach der Analogie als verstndige Weltursache zu denken, ist hingegen unproblematisch, weil in diesem Fall nur hnliche Verhltnisse angenommen werden. Bemerkenswert ist ferner, dass Kant hier wie in KU, § 90 zwischen „etwas nach der Analogie denken“ und einem Analogieschluss unterscheidet. Im Sinne dieser Unterscheidung lsst sich auch der einzeln dastehende letzte Satz [3] der Reflexion verstehen. Der lange Gedankenstrich steht als Zeichen der Unterscheidung zwischen „nach einer Analogie sich etwas vorstellen“ und (nach einer Analogie) „schließen“. Folgende Ergebnisse des Exkurses zur paritas rationis lassen sich festhalten: Im § 84 der Jsche-Logik definiert Kant den Analogieschluss als Schluss von der partikularen hnlichkeit zweier Dinge auf ihre vollkommene hnlichkeit nach dem ,Prinzip der Spezifikation‘. Dieses Prinzip, auf das Kant auch in der zuletzt interpretierten Reflexion Nr. 3294 Bezug nimmt, besteht darin, dass Exemplare einer Gattung, die in gewissen Eigenschaften bereinstimmen, auch in anderen Eigenschaften bereinstimmen, die wir nur an einigen Exemplaren dieser Gattung kennen, die wir aber an anderen Exemplaren dieser Gattung nicht wahrnehmen. Das ,Prinzip der Spezifikation‘ hatten wir nun als das in KU, § 90 [Fn.5] genannte ,Prinzip der Befugnis‘ zum Analogieschluss identifiziert. Die paritas rationis bzw. die ,Einerleiheit des Grundes‘, bei den Tieren nach der Analogie darauf zu schließen, dass sie nach Vorstellungen handeln, besteht also darin, dass Menschen und Tiere Exemplare derselben Gattung sind. Menschen und Tiere gehçren aber nur unter einer bestimmten Rcksicht bzw., wie es in [Fn.5] heißt, ,in Ansehung gedachter Bestimmung‘ zur selben Gattung. Je nach dem, wie wir die Bestimmung der Dinge denken, kçnnen wir entweder die ,Einerleiheit‘ der Gattungszugehçrigkeit aussagen, was dann auch die ,Einerleiheit des Grundes‘ und damit das Erflltsein des Prinzips zum Analogieschluss bedeutet, oder wir sagen die ,spezifische Verschiedenheit‘ der Dinge aus. Betrachten wir Tiere und Menschen nur unter der bestimmten Rcksicht, dass sie zweckmßige Bauten hervorbringen, kçnnen wir sie zur selben Gattung der lebenden Wesen zhlen. Versuchen wir sie aber beide unter der Rcksicht zu betrachten, Vernunftwesen zu sein, mssen wir gewisse Differenzen und ihre spezifische Verschiedenheit feststellen, die einen Analogieschluss unmçglich macht.
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1.2.4 Nach der Analogie denken und nach der Analogie schließen (II) Kehren wir zurck zu KU, § 90. Der Exkurs in die Jsche-Logik und die Reflexionen hat tendentiell die erste Interpretationshypothese (1) zu [Fn.5] hinsichtlich der Bedeutung von paritas rationis gesttzt. Die ,Einerleiheit des Grundes‘, welche das Prinzip der Befugnis zum Analogieschluss ist, liegt also darin, dass Mensch und Tier zur selben Gattung zu zhlen sind. Wie gehen wir dann aber mit dem Problem der Zirkularitt im Verhltnis von [Fn.4] zu [Fn.5] um? Zur Erinnerung: Der Zirkel besteht darin, dass Kant in [Fn.4] von der gemeinsamen Gattungszugehçrigkeit als Ergebnis eines Analogieschlusses redet, dann aber in [Fn.5] die gemeinsame Gattung als „Prinzip“ eines Analogieschlusses bezeichnet. Auf dem Hintergrund des Exkurses kçnnen wir jetzt die Zirkularitt als scheinbare Zirkularitt entlarven. Das in [Fn.5] formulierte Prinzip der Befugnis zum Analogieschluss besteht darin, dass Tiere und Menschen zur selben Gattung zu zhlen sind, eben ,soweit wir sie ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen kçnnen‘. Wir verstehen nun besser, was dieser Einschub in [Fn.5] aussagen will: Es geht um die ,gedachte Bestimmung‘ oder Rcksicht, unter der wir die Gattungszugehçrigkeit annehmen. Stellen wir anhand von gemeinsamen Eigenschaften von Menschen und Tieren fest, dass diese Bestimmung bei beiden vorliegt, beide sich also ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen lassen, dann liegt die ,Einerleiheit des Grundes‘ vor. Wir setzen fr den Analogieschluss also lediglich die Gattungszugehçrigkeit unter einer bestimmten Rcksicht voraus. Wenn es nun in [Fn.4] heißt, dass wir nach der Analogie darauf schließen kçnnen, dass auch Tiere nach Vorstellungen handeln ,und ungeachtet ihrer spezifischen Verschiedenheit doch der Gattung nach (als lebende Wesen) mit dem Menschen einerlei sind‘, mssen wir das so verstehen, dass wir hier auf eine Eigenschaft bei Tieren (dass sie nach Vorstellungen handeln) schließen, die wir an ihnen nicht beobachten kçnnen, die wir aber auf der Grundlage des Prinzips des Analogieschlusses annehmen drfen. Die Eigenschaft des Handelns nach Vorstellungen wird fr den Analogieschluss also nicht vorausgesetzt. Wenn Tiere und Menschen der Gattung nach ,lebende Wesen‘ sind und zu dieser Gattung die Eigenschaft dazugehçrt, nach Vorstellungen zu handeln, was wir nur beim Menschen beobachten, kçnnen wir auch den Tieren diese Eigenschaft durch einen Analogieschluss zusprechen.48 Bei der Vernunft als Eigenschaft funktio48 Kant fhrt nicht aus, woher wir wissen, dass alle Menschen nach Vorstellungen
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niert der Analogieschluss nicht, weil wir dazu wahrnehmbare Eigenschaften von Menschen und Tieren haben mssten, welche uns dazu berechtigten, auf die nicht ußerlich wahrnehmbare Eigenschaft der Vernunft zu schließen.49 Die Zirkularitt ist somit nur eine scheinbare Zirkularitt, weil in [Fn.5] vom Prinzip eines Analogieschlusses und nicht wie in [Fn.4] vom Ergebnis eines Analogieschlusses die Rede ist.50 In [Fn.5] stellt Kant fest, dass das Prinzip eines Analogieschlusses erfllt ist, weil wir Menschen und Tiere ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen kçnnen und sie unter dieser Rcksicht zu einer bestimmten Gattung gehçren. Weil sie zu dieser bestimmten Gattung (der ,lebenden Wesen‘) gehçren, kçnnen wir, wie es in [Fn.4] erlutert wird, trotz der spezifischen Verschiedenheit von Mensch und Tier (unter einer anderen Rcksicht, nmlich derjenigen handeln. Er schreibt in [Fn.4] lediglich, dass wir uns des Grundes unserer Wirkungsart ,unmittelbar bewusst‘ sind. Es gibt eine hnliche Stelle in der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie in der KU (vgl. KU, 5: 484,7 – 19), wo Kant auf das Problem eingeht, wie und ob wir die Kausalitt eines hçchsten Wesens bestimmen kçnnen. Dort sagt er mit Blick auf die Bestimmung der Kausalitt des Menschen, dass wir diese Kausalitt beim Menschen nicht nur als Verstand denken kçnnen, sondern dass wir dem Menschen dieses Prdikat „als wohlbekannte Eigenschaft“ des Menschen beilegen und den Menschen dadurch erkennen (KU, 5: 484,11 – 12). Und weiter schreibt Kant: „Denn ich weiß, daß Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben und durch den Verstand unter einen Begriff und hiermit unter eine Regel gebracht werden“ (KU, 5:484,12 – 14). Kant scheint hier also schlicht vorauszusetzen, dass wir wissen oder es uns bekannt ist, dass alle Menschen nach Vorstellungen handeln und einen Verstand haben. Wie ist diese Voraussetzung begrndet? Das philosophische Problem des Fremdpsychischen entsteht ja gerade dadurch, dass dieses unmittelbare Bewusstsein des Grundes unserer menschlichen Wirkungsart zunchst rein subjektiv ist. Strenggenommen weiß ich nur von mir selbst, dass ich nach Vorstellungen handle. Wenn wir bei Tieren den Grund ihrer Wirkungsart nicht unmittelbar wahrnehmen, also nicht beobachten kçnnen, dass sie nach Vorstellungen handeln, dann msste das eigentlich auch fr andere Menschen gelten. Denn ich bin mir ihrer Kausalitt nicht unmittelbar bewusst und hinsichtlich der Mçglichkeit, den Grund ihrer Wirkungsart wahrnehmen zu kçnnen, bin ich anderen Menschen gegenber nicht unbedingt in einer besseren Lage als gegenber Tieren. 49 Kant erlutert nicht, warum Menschen und Tiere bezglich des Vernunftvermçgens spezifisch verschieden sind, so dass es eben keine ,Einerleiheit des Grundes‘ mit Blick auf die Gattung Vernunftwesen gibt. Wir kçnnen der Grundlage dieses Urteils von der spezifischen Verschiedenheit hier nicht nachgehen. 50 Das ist vom Aufbau der Argumentation Kants her natrlich etwas verwirrend. Der Eindruck der Zirkularitt wre vielleicht nicht entstanden, wenn Kant zunchst vom Prinzip des Analogieschlusses und dann erst vom Ergebnis des Analogieschlusses in diesem konkreten Fall gesprochen htte.
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der Vernunftwesen, gehçren Mensch und Tier nicht zur selben Gattung) darauf schließen, dass Tiere auch diejenigen Eigenschaften haben, die wir an ihnen nicht wahrnehmen kçnnen, die aber zur Gattung der lebenden Wesen dazugehçren. Das ist in diesem Fall die Eigenschaft, nach Vorstellungen handeln zu kçnnen, also der Grund der Wirkungsart der Tiere, den wir bei Tieren nicht unmittelbar wahrnehmen kçnnen. Der Analogieschluss unterstreicht gewissermaßen, dass Menschen und Tiere zur selben Gattung gehçren, weil wir zum Analogieschluss bereits wissen mssen, dass Menschen und Tiere beide zu einer bestimmten Gattung gehçren. Damit ist die Unterscheidung von „nach der Analogie denken“ und „nach der Analogie schließen“ mit Blick auf das Beispiel von Menschen und Tieren geklrt.51 Das Gesagte lsst sich folgendermaßen zusammenfassen: Im Ausgang von einer Analogie U1 : W1 = U2 : W2 gilt: Notwendige und hinreichende Bedingung dafr, eine der beiden Ursachen (entweder U1 oder U2), die unbekannt ist, nach der Analogie denken zu kçnnen, ist, dass wir die andere Ursache kennen. Im Ausgang von einer Analogie U1 : W1 = U2 : W2 gilt: Notwendige und hinreichende Bedingungen dafr, dass wir nach der Analogie auf eine der beiden Ursachen (entweder U1 oder U2), die unbekannt ist, schließen kçnnen, sind, dass wir die andere Ursache kennen und dass die beiden Gegenstnde, um deren Urschlichkeit es geht, zu derselben bestimmten Gattung gehçren.
Werfen wir nun noch einen Blick in das andere Beispiel. „[Fn.7] Ebenso kann ich die Kausalitt der obersten Weltursache, in der Vergleichung der zweckmßigen Produkte derselben in der Welt mit den Kunstwerken des Menschen, nach der Analogie eines Verstandes denken, aber nicht auf diese Eigenschaften in demselben nach der Analogie s c h l i e ß e n , weil hier das Prinzip der Mçglichkeit einer solchen Schlußart gerade mangelt, 51 Pieper geht in ihrem Aufsatz zur Methode der Analogie bei Kant auch auf KU, § 90 und insbesondere diese Fußnote ein. Dabei differenziert sie nicht zwischen den verschiedenen Anwendungen der Methode der Analogie in § 90. Vielmehr zitiert sie den Beginn des Paragraphen, wo vom Analogieschluss als theoretischem Beweisverfahren die Rede ist, und ordnet von dort her die Leistungskraft der Analogie, wie Kant sie in der Fußnote beschreibt, entsprechend ein. Demnach wrde es in der Fußnote also nur um den Analogieschluss gehen. Das aber wird durch den Text klar widerlegt, weil Kant ja sowohl in [5.1] als auch in der Fußnote deutlich zwischen der Mçglichkeit eines Analogieschlusses und des analogischen Denkens unterscheidet. Vgl. Pieper 1996, 109 – 111. Auch in Wicks 2007, 252 – 253 und in Ameriks 2008 finden sich keine genaueren berlegungen zu dieser Unterscheidung zwischen Analogieschluss und dem Denken nach der Analogie. Vgl. dagegen Winter 2000c, 410 – 412, der diese Unterscheidung gerade in ihrer Bedeutung fr die philosophische Theologie deutlich macht.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
nmlich die paritas rationis, das hçchste Wesen mit dem Menschen (in Ansehung ihrer beiderseitigen Kausalitt) zu einer und derselben Gattung zu zhlen. [Fn.8] Die Kausalitt der Weltwesen, die immer sinnlich-bedingt (dergleichen die durch Verstand) ist, kann nicht auf ein Wesen bertragen werden, welches mit jenen keinen Gattungsbegriff, als den eines Dinges berhaupt gemein hat.“52
Kant schließt das fr uns ußerst relevante Beispiel der Analogie von Gott und Mensch mit einem „Ebenso“ in [Fn.7] an seine Ausfhrungen zur Analogie von Menschen und Tieren an. Demnach kann man die Kausalitt der Weltursache nach der Analogie eines menschlichen Verstandes denken (genauso, wie man bei den Tieren ein ,Analogon der Vernunft‘ annehmen kann). Die Grundlage dafr ist, dass wir die ,zweckmßigen Produkte‘ der Weltursache in der Welt mit den ,Kunstprodukten‘ des Menschen vergleichen. Es lsst sich also auch fr dieses Beispiel eine Identitt des Verhltnisses zwischen Ursachen und Wirkungen im Ausgang von der hnlichkeit der Wirkungen annehmen. Man kann nun aber nicht nach der Analogie schließen, dass die Weltursache die Eigenschaft des Verstandes tatschlich hat. Der Grund dafr ist, dass hier keine paritas rationis vorliegt, die darin bestehen wrde, Mensch und hçchstes Wesen hinsichtlich ihrer Kausalitt („in Ansehung ihrer beiderseitigen Kausalitt“) zur selben Gattung zu zhlen.53 In [Fn.8] erlutert Kant, warum keine paritas rationis vorliegt. Die Kausalitt der Weltwesen, einschließlich der Kausalitt durch Verstand, ist immer sinnlich bedingt. Als solche sinnlich bedingte Kausalitt kann sie nicht auf ein Wesen bertragen werden, das mit Weltwesen nur den Gattungsbegriff eines ,Dinges berhaupt‘ gemeinsam hat. Mit anderen Worten: Das hçchste Wesen ist zwar wie der Mensch ein Ding, aber diese Feststellung reicht als ,Einerleiheit des Grundes‘ nicht aus, so dass ein Analogieschluss auf die Eigenschaft eines Verstandes des hçchsten Wesens mçglich wre.54 Hinsichtlich der gedachten Bestimmung des hçchsten Wesens als ein verstndiges Wesen hilft die Tatsache, dass Menschen und das hçchste Wesen zu derselben Gattung eines ,Dinges berhaupt‘ gehçren, nicht weiter. Vielmehr tritt in dieser gedachten Bestimmung die differentia 52 KU, 5: 464,32 – 41. 53 Diese Paraphrase von [Fn.7] setzt das oben zu [Fn.5] Gesagte voraus. 54 Andere Analogieschlsse auf der Grundlage, dass das hçchste Wesen und der Mensch Dinge sind, wren also mçglich. Aber von dieser Mçglichkeit spricht Kant nicht weiter. Es ist auch prima facie einleuchtend, dass ein mçglicher Analogieschluss auf dieser Grundlage keine inhaltlich relevante Bestimmung des hçchsten Wesens nach sich zieht.
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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specifica zwischen Menschen und hçchstem Wesen als sinnliche Bedingtheit der Kausalitt aller Weltwesen zutage. Das hçchste Wesen und den Menschen kçnnen wir eben nicht wie Menschen und Tiere in irgendeiner Weise ußerlich nach ihren Handlungen miteinander vergleichen. Deswegen kann dem hçchsten Wesen keinerlei Kausalitt von Weltwesen nach der Analogie zugesprochen werden (wie bei den Tieren das Handeln aus Vorstellungen), und wir kçnnen das hçchste Wesen nur nach der Analogie eines Verstandes denken.55 Der Haupttext des § 90, zu dem die Fußnote gehçrt, macht noch etwas deutlicher, wie sich die Differenz von Analogieschluss und dem Denken nach der Analogie auf die Art und Weise auswirkt, in der wir „Kausalitt“ vom hçchsten Wesen aussagen kçnnen. „[5.3] Ebenso drfen wir wohl die Kausalitt des Urwesens in Ansehung der Dinge der Welt als Naturzwecke nach der Analogie eines Verstandes, als Grundes der Formen gewisser Produkte, die wir Kunstwerke nennen, denken (denn dieses geschieht nur zum Behuf des theoretischen oder praktischen Gebrauchs unseres Erkenntnisvermçgens, den wir von diesem Begriffe in Ansehung der Naturdinge in der Welt nach einem gewissen Prinzip zu machen haben); aber wir kçnnen daraus, daß unter Weltwesen der Ursache einer Wirkung, die als knstlich beurteilt wird, Verstand beigelegt werden muß, keineswegs nach einer Analogie schließen, daß auch dem Wesen, welches von der Natur gnzlich unterschieden ist, in Ansehung der Natur selbst eben dieselbe Kausalitt, die wir am Menschen wahrnehmen, zukomme: weil dieses eben den Punkt der Ungleichartigkeit betrifft, der zwischen einer in Ansehung ihrer Wirkungen sinnlich-bedingten Ursache und dem bersinnlichen Urwesen selbst im Begriffe desselben gedacht wird und also auf diesen nicht bertragen werden kann. – [5.4] Eben darin, daß ich mir die gçttliche Kausalitt nur nach der Analogie mit einem Verstande (welches Vermçgen wir an keinem anderen Wesen als dem sinnlich-bedingten Menschen kennen) denken soll, liegt das Verbot, ihm diesen nicht in der eigentlichen Bedeutung beizulegen*. *Man vermißt dadurch nicht das Mindeste in der Vorstellung der Verhltnisse dieses Wesens zur Welt, sowohl was die theoretischen als praktischen Folgerungen aus diesem Begriffe betrifft. Was es an sich selbst sei, erforschen zu wollen, ist ein ebenso zweckloser als vergeblicher Vorwitz.“56 55 Bornmller vertritt die These, dass Kant in der KU und in den Prolegomena die Analogie der Erfahrung aus der KrV zu einer ,Analogie reflektierter Erfahrung‘ erweitere. Ich wrde hier nicht von einer Erweiterung, sondern schlicht von einer anderen Anwendung der Methode der Analogie sprechen. Außerdem ist die Rede von einer ,reflektieren Erfahrung‘ mit Blick auf ein hçchstes Wesen, das kein Gegenstand der empirischen Welt ist, missverstndlich. Vgl. Bornmller 2007, 162. 56 KU, 5: 465,5 – 23; 33 – 36.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Im zweiten Teil von [5.3] lesen wir, dass wir aus der Tatsache, dass unter Weltwesen einer Ursache einer ,Kunsthandlung‘ Verstand beigelegt werden muss, nicht nach der Analogie darauf schließen kçnnen, dass dem hçchsten Wesen dieselbe Kausalitt zukommt.57 Die Begrndung dafr ist („weil“), dass bereits im Begriff eines bersinnlichen Wesens der ,Punkt der Ungleichartigkeit‘ – und damit die fehlende paritas rationis – mitgedacht wird. Weil ein bersinnliches Wesen per definitionem keine sinnlich-bedingte Ursache sein kann, kann die Kausalitt, die wir am Menschen wahrnehmen, nicht auf den Begriff („auf diesen“) des bersinnlichen Wesens bertragen werden. Was bedeutet es dann aber, dass wir uns, wie der erste Teil von [5.3] behauptet, die Kausalitt des Urwesens nach der Analogie eines Verstandes denken? Die Eigenschaft „Verstand“ kann ihm nicht zukommen. Wie kçnnen wir dann dieses ,Analogon‘ des Verstandes von ihm prdizieren? In [5.4] heißt es, wir sollten uns das gçttliche Wesen nur nach der Analogie mit einem Verstand denken, und dieses Gebot impliziere das Verbot, dem gçttlichen Wesen den Verstand ,in der eigentlichen Bedeutung beizulegen.‘ Lsst sich daraus schließen, dass wir dem gçttlichen Wesen „Verstand“ in einer gewissermaßen uneigentlichen Bedeutung, nmlich der Bedeutung, welche ein Denken nach der Analogie nach sich zieht, beilegen kçnnen? Man ahnt bereits, dass hier die Ausfhrungen in KU, § 59 zum Symbolbegriff weiterhelfen kçnnen, um die Bedeutung von „Verstand“ als am hçchsten Wesen nach der Analogie gedachte Eigenschaft zu verstehen. Wichtig ist noch, dass die Fußnote zu diesem Satz [5.4] feststellt, dass dieses Verbot, dem hçchsten Wesen Verstand in der eigentlichen Bedeutung von „Verstand“ beizulegen, nichts Defizitres an sich hat. Wenn wir uns mit dem Denken der gçttlichen Kausalitt nach der Analogie eines Verstandes das Verhltnis dieses Wesens zur Welt vorstellen, ist es anscheinend kein Problem, dass wir es nicht mit der ,eigentlichen Bedeutung‘ von Verstand zu tun haben. Das gilt sowohl fr ,die theoretischen als praktischen Folgerungen aus diesem Begriff‘. Welcher Begriff ist hier gemeint? Der Begriff 57 Diese starke Aussage („beigelegt werden muss [Hervorhebung von SM]“) steht im Widerspruch zu [Fn.2], wo auch Biberdmme als „Kunsthandlungen“ bezeichnet werden und vom Grund des tierischen „Kunstvermçgens“ die Rede ist. Biber sind zwar Weltwesen, aber wir kçnnen ihnen nur ein ,Analogon der Vernunft‘ zusprechen. Also kann es nicht sein, dass allen Weltwesen, die knstliche Wirkungen hervorbringen, Verstand zugesprochen werden muss. Eine mçgliche Lçsung fr dieses Problem kçnnte sein, dass sich Kant hier innerhalb eines bestimmten Beispiels bewegt, in dem es nur eine Art von Weltwesen gibt, nmlich Menschen.
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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des Verhltnisses zwischen hçchstem Wesen und Welt, der mithilfe der Analogie als Kausalitt aus Verstand gedacht wird? Fr diese Interpretation spricht die Klammer in [5.3], die wir noch nicht interpretiert haben. Hier wird ausgesagt, dass wir uns ,die Kausalitt des Urwesens in Ansehung der Dinge der Welt als Naturzwecke nach der Analogie eines Verstandes […] denken‘, weil wir ,von diesem Begriffe in Ansehung der Naturdinge in der Welt nach einem gewissen Prinzip‘ theoretischen oder praktischen Gebrauch zu machen haben.58 Es ist relativ klar, dass mit „diesem Begriff“ der Begriff der Kausalitt des Urwesens gemeint ist. Wir mssen von diesem Begriff Gebrauch machen.59 Und dieser Gebrauch ist wiederum der Zweck („Behuf“), weswegen wir die Kausalitt des Urwesens nach der Analogie eines Verstandes denken drfen. Es spricht also alles dafr, dass in der Fußnote zu [5.4] der Begriff des ,Verhltnisses dieses Wesens zur Welt‘ bzw. der Kausalitt des Urwesens gemeint ist. Die theoretischen oder praktischen Folgerungen, die man aus 58 Es ist interessant, dass Kant hier sowohl vom theoretischen als auch vom praktischen Gebrauch unseres Erkenntnisvermçgens spricht. Diese Unterscheidung taucht hnlich auch in KU, § 59, nmlich in dem fr diese Arbeit entscheidenden Satz [4.8], auf (vgl. KU, 5: 353,2 – 12). Dass Kant an dieser Stelle in KU, § 90 sowohl vom theoretischen als auch vom praktischen Gebrauch unseres Erkenntnisvermçgens hinsichtlich des Begriffs der Kausalitt des Urwesens spricht, hngt damit zusammen, dass es in § 90 um den epistemologischen Status der berzeugungen geht, die aus einem physikoteleologischen Gottesbeweis folgen. Kants These, die er in § 90 zu begrnden versucht, ist die, dass theoretische Beweise wie der physikoteleologische Gottesbeweis nicht die Existenz eines moralischen Welturhebers beweisen kçnnen bzw. dass die berzeugungen, die wir aus einem solchen theoretischen Beweis hinsichtlich des Daseins eines moralischen Welturhebers gewinnen, keinen solchen epistemologischen Status haben, der Bedingung dafr ist, von einer theoretischen berzeugung des Daseins eines moralischen Welturhebers sprechen zu kçnnen. Der physikoteleologische Gottesbeweis fhrt also weder zu einem Vernunft- oder Analogieschluss noch zu einer Wahrscheinlichkeitsaussage oder einer Hypothese hinsichtlich der Existenz eines moralischen Welturhebers. Wir drfen laut § 90 [5.3] den Begriff der Kausalitt des Urwesens zum theoretischen Gebrauch unseres Erkenntnisvermçgens lediglich nach der Analogie eines Verstandes denken. Und dieses Denken nach der Analogie ist fr sich genommen zu wenig, um von einer theoretischen berzeugung ber das Dasein eines moralischen Welturhebers sprechen zu kçnnen. Vgl. KU, 5: 463,15 – 27; 466,26 – 37. Fr den praktischen Gebrauch sieht die Bilanz hinsichtlich der Mçglichkeit, Gott nur nach der Analogie als Verstand denken zu kçnnen, anders aus. Darauf komme ich in Kapitel 2.2 zurck. 59 Ich klammere an dieser Stelle die Frage aus, warum wir von diesem Begriff Gebrauch zu machen haben. Ich komme im zweiten Teil der Arbeit auf diese Frage zurck, vgl. Kapitel 2.2.3.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
diesem nach der Analogie gedachten Begriff der Kausalitt des Urwesens zieht, lassen nichts vermissen, auch wenn man dem hçchsten Wesen „Verstand“ nicht in seiner eigentlichen Bedeutung zuschreiben darf. Was sich aus diesen Stzen in KU, § 90 festhalten lsst, ist, dass wir beim Denken nach der Analogie die nach der Analogie gedachte Eigenschaft am hçchsten Wesen diesem hçchsten Wesen nicht beilegen oder zuschreiben drfen.60 Wir kçnnen durch ein Denken nach der Analogie den Begriff des hçchsten Wesens somit nicht bestimmen. Wenn wir den Tieren hingegen das Handeln nach Vorstellungen aufgrund eines Analogieschlusses zuschreiben, dann kçnnen wir ihnen diese Eigenschaft in der ,eigentlichen Bedeutung‘ zuschreiben, wie wir uns Menschen diese Eigenschaft zuschreiben, und dadurch den Begriff des Tieres weiter bestimmen. Trotzdem ,sollen‘ wir uns das hçchste Wesen nach der Analogie eines Verstandes denken, ,haben‘ wir vom Begriff der Kausalitt des Urwesens Gebrauch zu machen und ,vermissen‘ wir nichts, wenn wir uns das Verhltnis des hçchsten Wesens zur Welt so vorstellen. Dass wir dem hçchsten Wesen keinen Verstand zuschreiben kçnnen, wie wir ihn Menschen zuschreiben, scheint also mit Blick auf den Zweck, warum wir uns das hçchste Wesen nach der Analogie eines Verstandes denken, kein Problem darzustellen.
60 Eberhard Jngel hat die These aufgestellt, dass bei Kant zwei verschiedene Arten von Analogie ineinander fließen. Vgl. dazu Jngel 1977, 358 – 383. Immer dann, wenn bei Kant von Gott im Sinne einer Proportionalittsanalogie die Rede ist, setze dieser die Situation der Abhngigkeit der Welt von Gott als vertraut voraus. Diese Abhngigkeit werde in der philosophisch-theologischen Tradition aber mittels der Attributionsanalogie gedacht. Das Modell der Attributionsanalogie sage in der Tradition aus, dass dasselbe Wort bei verschiedenem Gebrauch relativ verschiedene Bedeutungen habe (Aristoteles gebrauche als Beispiel das Wort „gesund“). Diese Bedeutungen beziehen sich jedoch alle auf ein Identisches, von dem her der verschiedene Gebrauch desselben Worts als ein hnlicher Gebrauch berechtigt ist. Somit setze Kants theologischer Gebrauch der Proportionalittsanalogie den Kausalnexus der Attributionsanalogie voraus. Jngel bersieht in seiner Interpretation allerdings, dass der Kausalnexus bezglich der analogen Rede von Gott bei Kant nicht ontologisch, sondern kategorial-begrifflich zu verstehen ist. Wir denken mittels einer Analogie bestimmte Eigenschaften eines hçchsten Wesens, dessen Dasein nicht durch die Analogie, sondern durch das moralische Argument gesichert ist. Eine Art analogia entis lsst sich bei Kant nicht auffinden. Der KantInterpretation von Jngel hat auch Ulrich Barth widersprochen (vgl. Barth 1984, 401 – 405).
1.2 Der Kant’sche Analogiebegriff in KU, § 59 und § 90
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1.2.5 Zusammenfassung Mit Blick auf KU, § 90 kçnnen wir „Analogie“ folgendermaßen definieren: Eine Analogie besteht in der (qualitativen) Identitt eines Verhltnisses von U (rsache)1 zu einer W(irkung)1 mit einem Verhltnis U(rsache)2 zu einer W (irkung)2.
Formal lsst sich eine Analogie so ausdrcken: U1 : W1 = U2 : W2. . Eine Analogie besteht somit in der vollkommenen hnlichkeit zweier UrsacheWirkungs-Relationen, was das „=“ in der Formalisierung zum Ausdruck bringen soll. Ausgangspunkt einer Analogie ist der Vergleich der Wirkungen oder Wirkungsarten zweier Dinge. Wir kçnnen beobachten, dass Tiere und Menschen Bauten anfertigen und diese Bauten in ihrer Funktionalitt miteinander vergleichen. Wir kçnnen also sagen: Notwendige und hinreichende Bedingung fr die Feststellung, dass eine Analogie zwischen den Verhltnissen U1 : W1 und U2 : W2 besteht, ist, dass die jeweiligen Wirkungen W1 und W2 einander hnlich sind.
Die Mçglichkeit, zwei Dinge hinsichtlich ihrer jeweiligen Ursache-Wirkungs-Relation miteinander in ein Verhltnis zu bringen, ist allerdings noch indifferent gegenber der Unterscheidung von Analogieschluss und der Mçglichkeit, etwas nach der Analogie lediglich zu denken. Wir haben den Unterschied zwischen „nach der Analogie denken“ und „nach der Analogie schließen“ in den beiden folgenden Definitionen festgehalten: Im Ausgang von einer Analogie U1 : W1 = U2 : W2 gilt: Notwendige und hinreichende Bedingung dafr, eine der beiden Ursachen (entweder U1 oder U2), die unbekannt ist, nach der Analogie denken zu kçnnen, ist, dass wir die andere Ursache kennen. Im Ausgang von einer Analogie U1 : W1 = U2 : W2 gilt: Notwendige und hinreichende Bedingungen dafr, dass wir nach der Analogie auf eine der beiden Ursachen (entweder U1 oder U2), die unbekannt ist, schließen kçnnen, sind, dass wir die andere Ursache kennen und dass die beiden Gegenstnde, um deren Urschlichkeit es geht, zu derselben bestimmten Gattung gehçren.
Der Analogieschluss hat als Ergebnis, dass wir die Eigenschaft A, die X hat, auch Y zuschreiben kçnnen. Das Denken nach der Analogie hat diese Zuschreibung nicht zur Folge. Wenn wir Y nur nach der Analogie mit X denken drfen, kçnnen wir die Eigenschaft A dem Y nicht in der Bedeutung beilegen, welche A bei X hat. In dem Fall, dass wir Menschen und Tiere im Hinblick auf die Vernunft des Menschen als Ursache der Talsperren
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
miteinander vergleichen, ist es nur mçglich, den Tieren ein ,Analogon der Vernunft‘ zuzusprechen. Wir kçnnen den Tieren die Eigenschaft der Vernunft nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung, in der wir uns Menschen Vernunft zusprechen, beilegen. Eigentlich, so schreibt Kant, nennen wir den ,Grund des tierischen Kunstvermçgens‘ „Instinkt“. In anderer Hinsicht kçnnen wir jedoch von der uns bekannten Tatsache, dass wir Menschen nach Vorstellungen handeln, analogisch darauf schließen, dass auch Tiere nach Vorstellungen handeln, was bedeutet, dass wir Tieren diese Eigenschaft genauso zuschreiben kçnnen wie uns Menschen. Damit ist auch jeweils das Ziel eines Analogieschlusses oder des Denkens eines Gegenstands nach der Analogie benannt. Durch die Analogie kçnnen wir entweder direkt (beim Analogieschluss) oder indirekt (beim Denken nach der Analogie) etwas von dem unbekannten Gegenstand aussagen. Das Indirekte beim Denken nach der Analogie besteht darin, dass wir die prdizierte Eigenschaft nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung verwenden drfen. Gerade das ist ein interessanter Anknpfungspunkt fr die Interpretation von KU, § 59. Der entscheidende Grund dafr, dass wir etwas nicht nur nach der Analogie denken, sondern auch einen Analogieschluss vornehmen kçnnen, ist die gegebene ,Einerleiheit des Grundes‘ bzw. die ,paritas rationis‘, die wir als Zugehçrigkeit zu derselben Gattung unter einer bestimmten Rcksicht identifiziert haben. Unter der Rcksicht oder differentia specifica der Vernunft gehçren Tiere und Menschen nicht zu derselben Gattung, unter der Rcksicht des ußerlichen Vergleichs ihrer Handlungen hingegen schon. Ich muss fr einen Analogieschluss also bereits wissen, dass zwei Dinge X und Y zu derselben Gattung gehçren, oder dieses Wissen dadurch erlangen, dass ich die beiden Dinge X und Y hinsichtlich ihrer Eigenschaften miteinander vergleiche. Ist dieselbe Gattung bzw. die paritas rationis unter einer bestimmten Rcksicht bei X und Y gegeben, kçnnen wir auf die Eigenschaft A von Y, die wir an X, aber nicht an Y beobachten, nach der Analogie schließen. Gehçren X und Y nicht zur selben Gattung, ist kein Analogieschluss mçglich. Im Zusammenhang mit diesen berlegungen zur Bedeutung der paritas rationis als Prinzip von Analogieschlssen sind wir auf eine scheinbare Zirkularitt in der Argumentation Kants gestoßen. In einem Satz der fr dieses Kapitel zentralen Fußnote des § 90, in [Fn.5], hieß es sinngemß, dass die Zugehçrigkeit zu derselben Gattung das Prinzip des Analogieschlusses ist. Im vorhergehenden Satz [Fn.4] schreibt Kant hingegen, dass wir durch den Analogieschluss darauf kommen, dass Menschen und Tiere trotz ihrer spezifischen Verschiedenheit zur selben Gattung gehçren. Diese
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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Zirkularitt ließ sich – nicht zuletzt dank eines Exkurses in die Jsche-Logik – so auflçsen, dass die Gattungszugehçrigkeit unter einer bestimmten Rcksicht, wie oben bereits beschrieben, zunchst Prinzip eines Analogieschlusses ist. Wir mssen bereits wissen, dass Menschen und Tiere zur selben Gattung der lebenden Wesen gehçren, um den Tieren eine Eigenschaft zusprechen zu kçnnen, die Exemplare der Gattung der lebenden Wesen haben, die wir aber an den Tieren nicht direkt wahrnehmen kçnnen. Der Analogieschluss auf diese Eigenschaft von Tieren ist somit in gewisser Weise auch ein Schluss auf die Gattungszugehçrigkeit in dem Sinne, dass der Analogieschluss auf die Eigenschaft der Tiere, nach Vorstellungen handeln zu kçnnen, noch einmal unterstreicht oder deutlich macht, dass Menschen und Tiere zur selben Gattung gehçren, was wir aber fr den Analogieschluss bereits vorausgesetzt haben. Kants Diagnose bezglich der Analogie von Mensch und hçchstem Wesen ist eindeutig. Das hçchste Wesen und sein Verhltnis zur Welt lassen sich in eine Analogie mit dem Menschen und seinen ,Kunsthandlungen‘ bringen. Entsprechend kçnnen wir uns das hçchste Wesen analogisch als ein hçchstes Wesen mit der Eigenschaft des Verstandes denken. Allerdings fehlt die paritas rationis, um die spezifische Kausalitt des Menschen aus Vernunft auch von Gott auszusagen. Dazu wre nçtig, dass das hçchste Wesen eine sinnlich-bedingte Kausalitt hat. Doch bereits der Ausdruck „bersinnliches Wesen“ deutet an, dass Mensch und hçchstes Wesen nicht zur selben Gattung gehçren. Ein Analogieschluss auf die Art und Weise, wie ein hçchstes Wesen Ursache fr Wirkungen in der Welt ist, ist also nicht mçglich.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen fr die objektive Realitt von Begriffen Nachdem wir uns mit dem Kant’schen Analogiebegriff vertraut gemacht haben, kçnnen wir nun mit der Untersuchung des Kant’schen Symbolbegriffs in KU, § 59 beginnen. Der erste Absatz von § 59 lautet: „[1.1] Die Realitt unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert. [1.2] Sind es empirische Begriffe, so heißen die letzteren B e i s p i e l e . [1.3] Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden die letzteren S c h e m a t e genannt. [1.4] Verlangt man gar, daß die objektive Realitt der Vernunftbegriffe, d.i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmçgliches,
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.“61
Das Thema dieses ersten Absatzes ist die Frage, ob und, wenn ja, wie die Realitt von Begriffen ,dargetan‘ werden kann. Der erste Satz [1.1] formuliert dieses Thema bergreifend fr den ganzen Abschnitt. Seine Aussage lautet somit: Um die Realitt unserer Begriffe ,darzutun‘, werden immer Anschauungen erfordert. Die folgenden Stze [1.2] und [1.3] konkretisieren diese Aussage fr zwei Begriffsarten: Um die Realitt von empirischen Begriffen ,darzutun‘, werden Anschauungen erfordert, die in diesem Fall „Beispiele“ heißen. Um die Realitt von Verstandesbegriffen ,darzutun‘, werden Anschauungen erfordert, die in diesem Fall als „Schemate“ bezeichnet werden. Lediglich der vierte Satz [1.4] fllt aus dem Rahmen, sofern er die allgemeine Aussage aus dem ersten Satz hinsichtlich der Vernunftbegriffe negativ formuliert: Wenn man die Realitt von Vernunftbegriffen bzw. Ideen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis derselben (also der Vernunftbegriffe bzw. Ideen) ,dartun‘ will, verlangt man etwas Unmçgliches. Die Begrndung dafr ist, dass den Vernunftbegriffen ,schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann‘. Das Hauptinterpretationsproblem dieses ersten Abschnitts ist das Verhltnis von [1.1] zu [1.4]. So ist in [1.4] von „objektiver Realitt“ die Rede, in [1.1] nur von „Realitt“. Die Frage ist, ob wegen der thematischen Einheit des ersten Absatzes [1.1] von [1.4] her zu lesen ist. 1.3.1 Das „Dartun“ der Realitt von Begriffen Was bedeutet es zunchst, die Realitt von Begriffe „darzutun“? Dieser Ausdruck kommt mehrfach in der KU vor.62 Ich fhre zwei Stellen an, in denen ein Zusammenhang der Ausdrcke „objektive Realitt“ und „dartun“ sichtbar wird: „Es ist doch etwas ganz anderes, ob ich sage: die Erzeugung gewisser Dinge der Natur, oder auch der gesamten Natur, ist nur durch eine Ursache, die sich nach Absichten zum Handeln bestimmt, mçglich, oder: ich kann n a c h d e r eigentmlichen Beschaffenheit meiner Erkenntnisvermçg e n ber die Mçglichkeit jener Dinge und ihre Erzeugung nicht anders urteilen, als wenn ich mir zu dieser eine Ursache, die nach Absichten wirkt, mithin ein Wesen denke, welches nach der Analogie mit der Kausalitt eines 61 KU, 5: 351,15 – 22. 62 Vgl. KU, 5: 218,15 – 18; 296,16 – 18.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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Verstandes produktiv ist. Im ersteren Falle will ich etwas ber das Objekt ausmachen und bin verbunden, die objektive Realitt eines angenommenen Begriffs darzutun; im zweiten bestimmt die Vernunft nur den Gebrauch meiner Erkenntnisvermçgen angemessen ihrer Eigentmlichkeit und den wesentlichen Bedingungen ihres Umfanges sowohl als ihrer Schranken.“63 „Gegenstnde fr Begriffe, deren objektive Realitt (es sei durch reine Vernunft oder durch Erfahrung, und im ersteren Falle aus theoretischen oder praktischen Datis derselben, in allen Fllen aber vermittelst einer ihnen korrespondierenden Anschauung) bewiesen werden kann, sind (res facti) Ta t s a c h e n [ … ] . Dergleichen sind die mathematischen Eigenschaften der Grçßen (in der Geometrie), weil sie einer D a r s t e l l u n g a priori fr den theoretischen Vernunftgebrauch fhig sind. Ferner sind Dinge oder Beschaffenheiten derselben, die durch Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung vermittelst der Zeugnisse) dargetan werden kçnnen, gleichfalls Tatsachen. – Was aber sehr merkwrdig ist, so findet sich sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstellung in der Anschauung, mithin auch keines theoretischen Beweises ihrer Mçglichkeit fhig ist) unter den Tatsachen; und das ist die Idee der F r e i h e i t , deren Realitt, als einer besonderen Art von Kausalitt (von welcher der Begriff in theoretischem Betracht berschwenglich sein wrde), sich durch praktische Gesetze der reinen Vernunft und diesen gemß in wirklichen Handlungen, mithin in der Erfahrung dartun lßt.“64
Im ersten Text erfahren wir zunchst wenig ber die Bedeutung von „dartun“, dafr aber umso mehr ber den Zusammenhang zwischen „dartun“ und „objektiver Realitt von Begriffen“. Wenn man sagt, dass die Erzeugung der Natur nur durch eine Ursache mçglich ist, die sich nach Absichten zum Handeln bestimmt, dann will man das Objekt bzw. die Ursache der Natur bestimmen. Wenn man aber die Ursache der Natur bestimmen will, geht man gleichzeitig die Verbindlichkeit ein, die objektive Realitt des entsprechenden Begriffs (der Ursache der Natur) ,darzutun‘. Das „Dartun“ ist also etwas Zustzliches, was zu der Absicht, das Objekt zu bestimmen, dazukommen muss, wenn das Objekt ,erfolgreich‘ bestimmt werden soll. Das „Dartun“ ist also wenigstens notwendige Bedingung fr das erfolgreiche Bestimmen eines Objekts durch Vernunft. Der zweite zitierte Text ist deswegen interessant, weil im ersten Satz ausgesagt wird, dass Tatsachen Gegenstnde fr Begriffe sind, deren objektive Realitt durch reine Vernunft oder durch Erfahrung jeweils mittels einer korrespondierenden Anschauung ,bewiesen‘ werden kann. Kçnnte man „beweisen“ und „dartun“ hier nicht gegeneinander austauschen, ohne dass sich die Bedeutung der Aussage ndert? Das klingt plausibel; denn 63 KU, 5: 397,31 – 398,8. 64 KU, 5: 468,12 – 28.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Kant erlutert in den beiden folgenden Stzen einige Beispiele fr Tatsachen, in denen „dartun“ verwendet wird. Demnach sind auch Dinge oder bestimmte Qualitten dieser Dinge Tatsachen, sofern diese Dinge oder Qualitten der Dinge durch Erfahrung ,dargetan‘ werden kçnnen. Wenn Kant im ersten Satz sagt, dass fr manche Tatsachen gilt, dass die objektive Realitt der den Tatsachen entsprechenden Begriffe durch Erfahrung bewiesen werden kann, und er zwei Stze spter ber einige Tatsachen spricht, die durch Erfahrung dargetan werden kçnnen, liegt der Schluss nahe, dass in diesem Kontext „beweisen“ und „dartun“ salva veritate austauschbar sind. Eine Frage, der hier nicht weiter nachgegangen werden kann, ist die Zuordnung der drei Begriffsarten aus § 59 zum zweiten Text. Allerdings kann man mit einem kurzen Blick auf den zweiten Text feststellen, dass Kant hier auch von einem Vernunftbegriff spricht, nmlich der Freiheit, deren objektive Realitt ,dargetan‘ werden kann. Genau das wird aber in § 59 ausgeschlossen. Es spricht also Einiges dafr, dass „dartun“ fr Kant, wenn es um das ,Dartun‘ der (objektiven) Realitt von Begriffen geht, so viel wie „beweisen“ oder „aufweisen“ bedeutet. Die Mittel dieses Beweises sind Anschauungen, die den Begriffen korrespondieren, wie es in der zweiten Textstelle hieß.65 Die nchste Frage ist, was genau ,dargetan‘ oder bewiesen werden soll. Der Satz [1.1] aus KU, § 59 gibt das Thema des ersten Absatzes vor, das dann an drei Begriffsarten durchgespielt wird. Umso verwunderlicher scheint, dass Kant in [1.1] nur von der „Realitt“ der Begriffe spricht, die dargetan werden soll, wohingegen in [1.4] ausdrcklich von „objektiver 65 Bornmller spricht von einer „Darlegung“ der objektiven Realitt, ohne zu erlutern, was er mit „darlegen“ meint. Vgl. Bornmller 2007, 161. Auf wenig exakte Weise heißt es bei Bahr, dass „etwas als Realitt darzutun“ in Kantischer Terminologie bedeute, den „Ausweis seiner Geltung zu erbringen“ (vgl. Bahr 2004b, 269). Zunchst interpretiert Bahr den Kantischen Ausdruck „dartun“ ohne expliziten Hinweis auf eine Textstelle bei Kant, wobei im Fortgang des Textes deutlich wird, dass Bahr sich hier auf KU, § 59 bezieht. Zweitens geht es, wie gezeigt, in KU, § 59 nicht darum, etwas als Realitt ,darzutun‘, sondern um das ,Dartun‘ der Realitt von Begriffen. Außerdem ist unklar, was es heißen soll, dass durch das ,Dartun‘ der Realitt der Ausweis der Geltung erbracht werden soll. Denn es msste ja dann um die Geltung von Begriffen gehen. Damit ist jedoch keine Klarheit, sondern ein neues Problem geschaffen: Der Ausdruck „Geltung“ kommt in den Kantischen Texten in diesem Zusammenhang nicht vor, und außerdem sprechen wir heute von „Geltung“ eher im Zusammenhang mit Aussagen oder Normen.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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Realitt“ der Vernunftbegriffe die Rede ist. Es gibt zwei Lesarten, die diese Unstimmigkeit aufzuklren versuchen. (1) Die erste Lesart wrde [1.1] nicht von [1.4] her lesen und behaupten, dass Kant in [1.1] „Realitt von Begriffen“ als Gattungsbegriff gebraucht, der verschiedene Arten von Realitten von Begriffen umfasst, also auch die vermeintliche objektive Realitt der Vernunftbegriffe. In [1.4] verwendet Kant also nicht den Gattungsbegriff, sondern nimmt Bezug auf eine spezielle Art der Realitt von Begriffen. Das ergibt sachlich durchaus Sinn, weil Kant etwas spter in der KU von der „subjektiv-p r a k t i s c h e n Realitt“ eines Vernunftbegriffs spricht.66 (2) Die zweite Interpretationshypothese wrde [1.1] von [1.4] her lesen und behaupten, dass Kant auch in [1.1] „objektive Realitt“ meint, allerdings das qualifizierende Adjektiv weglsst. Fr diese Hypothese sprechen zunchst die beiden im Zusammenhang mit dem Ausdruck „dartun“ zitierten Stellen aus der KU. Dort war immer vom „Dartun“ der „objektiven Realitt“ der Begriffe die Rede. Das strkste Argument fr diese Lesart findet sich allerdings im ersten Abschnitt selbst. Der aus dem Rahmen fallende Satz [1.4] wird eingeleitet mit „Verlangt man gar“, was man auch mit „Verlangt man darber hinaus auch noch“ wiedergeben kçnnte. Nun kann man innerhalb des Satzes [1.4] den Text auf zwei Weisen betonen: (a.) „Verlangt man gar, daß die objektive Realitt der Vernunftbegriffe […] dargetan werde“ oder (b.) „Verlangt man gar, daß die objektive Realitt der Vernunftbegriffe […] dargetan werde“. Die Frage ist also: In welchem Punkt wird [1.4] von [1.2] und [1.3] abgehoben? Ist das Problem, dass speziell bei den Vernunftbegriffen die objektive Realitt dargetan werden soll? Oder sind die Vernunftbegriffe selbst das Problem? Weil das Thema des ersten Absatzes ist, ob und, wenn ja, wie die Realitt von Begriffen durch Anschauungen ,dargetan‘ werden kann, ist eben genau diese Mçglichkeit des ,Dartuns‘ der Realitt der Vergleichspunkt zwischen den drei Begriffsarten. Wenn nun aber die Vernunftbegriffe sich von den anderen Begriffsarten darin unterscheiden, dass ihre 66 „Die reine Vernunft als praktisches Vermçgen, d.i. als Vermçgen den freien Gebrauch unserer Kausalitt durch Ideen (reine Vernunftbegriffe) zu bestimmen, enthlt nicht allein im moralischen Gesetze ein regulatives Prinzip unserer Handlungen, sondern gibt auch dadurch zugleich ein subjektiv-konstitutives in dem Begriffe eines Objekts an die Hand, welches nur Vernunft denken kann, und welches durch unsere Handlungen in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht werden soll. Die Idee eines Endzwecks im Gebrauche der Freiheit nach moralischen Gesetzen hat also subjektiv-p r a k t i s c h e Realitt.“ (KU, 5: 453,8 – 16).
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
objektive Realitt nicht ,dargetan‘ werden kann, was ja der Vergleichspunkt der drei Begriffsarten ist, kann man darauf schließen, dass es auch bei den beiden anderen Begriffsarten und im ganzen ersten Abschnitt um die objektive Realitt von Begriffen geht, die jeweils dargetan werden soll. Der Betonung (b.) ist also der Vorzug zu geben. Vor diesem Hintergrund kann die Hauptaussage des ersten Absatzes und von [1.1] noch einmal folgendermaßen reformuliert werden: Um die objektive Realitt von Begriffen aufzuweisen, werden immer Anschauungen erfordert.
Was Kant mit „objektiver Realitt“ genau meint, werde ich im Anschluss an das nchste Unterkapitel untersuchen. 1.3.2 Theoretische Erkenntnis und objektive Realitt von Begriffen In [1.4] spezifiziert Kant mit dem Nebensatz „und zwar zum Behuf der theoretischen Erkenntnis derselben“, was der Zweck des ,Dartuns‘ der objektiven Realitt der Vernunftbegriffe wre, falls sich ihre objektive Realitt tatschlich ,dartun‘ ließe. Liest man [1.1] von [1.4] her, kann also auch fr die anderen Begriffsarten angenommen werden, dass das ,Dartun‘ ihrer objektiven Realitt seinen Zweck in der theoretischen Erkenntnis der jeweiligen Begriffe hat. Was meint Kant hier mit „theoretischer Erkenntnis“? In der Einleitung der KU heißt es: „Fr das Erkenntnisvermçgen ist allein der Verstand gesetzgebend, wenn jenes (wie es auch geschehen muß, wenn es fr sich, ohne Vermischung mit dem Begehrungsvermçgen, betrachtet wird) als Vermçgen eines t h e o r e t i s c h e n E r k e n n t n i s s e s auf die Natur bezogen wird, in Ansehung deren allein (als Erscheinung) es uns mçglich ist, durch Naturbegriffe a priori, welche eigentlich reine Verstandesbegriffe sind, Gesetze zu geben.“67
In der Einleitung findet sich auch noch an mehreren anderen Stellen die Aussage, dass theoretische Erkenntnis auf die Natur bezogen ist, i. e. auf die Erscheinungen von Gegenstnden der Natur, auf die Natur als Objekt der Sinne.68 Ohne den Bezug auf Natur („in Ansehung deren allein“), sofern uns ihre Gegenstnde in der Anschauung erscheinen kçnnen, gibt es keine theoretische Erkenntnis. Umgekehrt gilt also, dass theoretische Erkenntnis 67 KU, 5: 178,1 – 7. 68 Vgl. z. B. KU, 5: 175,14 – 35; 195,4 – 16.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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dort mçglich ist, wo sich unser Erkenntnisvermçgen auf Natur bzw. Erscheinungen ihrer Gegenstnde bezieht. Diese Aussage msste fr die empirischen und die reinen Verstandesbegriffen gelten. Die Aussage deckt sich gut mit dem ersten Absatz von § 59. Dort besteht das Problem der Vernunftbegriffe ja gerade darin, dass ihnen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Vernunftbegriffe sind keine Gegenstnde, die als Objekte unseren Sinnen gegeben werden kçnnten. Das unterstreicht noch eine weitere Stelle aus dem § 91: „ E r k e n n b a r e Dinge sind nun von dreifacher Art: S a c h e n d e r M e i n u n g (opinabile), Ta t s a c h e n (scibile) und G l a u b e n s s a c h e n (mere credibile). 1) Gegenstnde der bloßen Vernunftideen, die fr das theoretische Erkenntnis gar nicht in irgend einer mçglichen Erfahrung dargestellt werden kçnnen, sind sofern auch gar nicht e r k e n n b a r e Dinge, mithin kann man in Ansehung ihrer nicht einmal m e i n e n ; wie denn a priori zu meinen, schon an sich ungereimt und der gerade Weg zu lauter Hirngespinsten ist.“69
Hier wird ausgesagt, dass Gegenstnde der bloßen Vernunftideen keine erkennbaren Dinge sind, weil sie in keiner mçglichen Erfahrung dargestellt werden kçnnen, was impliziert, dass wir prinzipiell keine Anschauungen von ihnen haben kçnnen.70 Interessant an dieser Stelle ist auch, dass die Gegenstnde der Vernunftideen fr die theoretische Erkenntnis in keinerlei mçglicher Erfahrung darstellbar sind. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen „einen Gegenstand in einer mçglichen Erfahrung darstellen“ und „einen Gegenstand theoretisch erkennen“. Der Begriff „Darstellung“ wird uns spter noch beschftigen.71 Mit Blick auf die gerade zitierten Textstellen kann die Aussage von [1.1] noch einmal reformuliert werden: Um die objektive Realitt von Begriffen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis dieser Begriffe aufzuweisen, sind immer Anschauungen erforderlich.
69 KU, 5: 467,12 – 20. 70 Ich interpretiere die Formulierung „Gegenstnde der bloßen Vernunftideen“ als Genetivus subiectivus. Die Formulierung ist somit zu bersetzen als „Bloße Vernunftideen als Gegenstnde“. Die Vernunftideen, die Kant in KU, § 91 im Blick hat, sind Freiheit, Gott und Unsterblichkeit der Seele. Vgl. dazu KU, 5: 473,3 – 474,34. 71 Vgl. dazu Kapitel 1.3.5 und 1.5.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Was bedeutet „objektive Realitt“ von Begriffen, die durch Anschauungen bewiesen werden soll? Kant gebraucht den Ausdruck in der KU hufiger.72 In der KrV wird dieser Sachverhalt etwas ausfhrlicher erlutert: „Wenn eine Erkenntnis objektive Realitt haben, d.i. sich auf einen Gegenstand beziehen, und in demselben Bedeutung und Sinn haben soll, so muß der Gegenstand auf irgend eine Art gegeben werden kçnnen. Ohne das sind die Begriffe leer, und man hat dadurch zwar gedacht, in der Tat aber durch dieses Denken nichts erkannt, sondern bloß mit Vorstellungen gespielt. Einen Gegenstand geben, wenn dieses nicht wiederum nur mittelbar gemeint sein soll, sondern unmittelbar in der Anschauung darstellen, ist nichts anders, als dessen Vorstellung auf Erfahrung (es sei wirkliche oder doch mçgliche) beziehen.“73
„Objektive Realitt“ bedeutet also zunchst einmal „Gegenstandsbezug“ und aufgrund des Gegenstandsbezugs „Bedeutung und Sinn“. Damit Erkenntnis Gegenstandsbezug und in dem Gegenstand ,Bedeutung und Sinn haben soll‘, muss folgende Bedingung erfllt sein: der Gegenstand, auf den die Erkenntnis Bezug nimmt, muss auf ,irgend eine Art gegeben werden kçnnen‘. Ist diese Bedingung nicht erfllt („Ohne das“) hat Erkenntnis keinen Gegenstandsbezug, somit auch keine ,Bedeutung und Sinn‘ bzw. die Begriffe sind leer. Man hat in diesem Fall zwar durch den Begriff ohne Gegenstandsbezug etwas gedacht, aber durch dieses Denken nichts erkannt, sondern lediglich ,mit Vorstellungen gespielt‘, wobei diese Vorstellungen keine Anschauungen sein kçnnen. Die Formulierungen „so muß der Gegenstand auf irgend eine Art gegeben werden kçnnen“ im ersten Satz und „Ohne das“ im darauffolgenden Satz lassen dabei offen, ob es sich beim Geben des Gegenstands nur um eine notwendige oder um eine notwendige und hinreichende Bedingung handelt.74 Und was genau bedeutet nun „Gegenstandsbezug“? Der letzte Satz des Zitats bringt es zum Ausdruck. „Einen Gegenstand zu geben“ bedeutet, 72 Vgl. z. B. KU, 5: 375,26 – 376,7; 394,22 – 25; 396,1 – 24. In KU, 5: 396,1 – 24 wird der Ausdruck auch ein wenig erlutert. Es geht dort um den Begriff eines Dings als Naturzweck. Dieser Begriff kann „als ein solches Prinzip seiner objektiven Realitt nach (d.i. daß ihm gemß ein Objekt mçglich sei) gar nicht eingesehen und dogmatisch begrndet werden“ (KU, 5: 396,12 – 13). Somit ist hier die objektive Realitt mit einem Objekt- oder Gegenstandsbezug gleichgesetzt: Dem Begriff ,gemß‘ muss ein Objekt mçglich sein, damit man davon sprechen kann, dass der Begriff objektive Realitt hat. Diese Bedeutung entspricht der Bedeutung, die wir aus der im Folgenden zitierten Stelle aus der KrV erheben kçnnen. 73 KrV, B 194 – 195 (3: 144,15 – 23). 74 Auf ein hnliches Problem in der Formulierung von KU, § 59 [1.1] gehe ich im nchsten Unterkapitel ein.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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,einen Gegenstand unmittelbar in der Anschauung darstellen‘. Und das wiederum erlutert Kant mit der Aussage, dass das nichts anderes sei, als die Vorstellung des Gegenstands auf mçgliche oder wirkliche Erfahrung zu beziehen. Vor diesem Hintergrund kann also „objektive Realitt“ von Begriffen als der Gegenstandsbezug von Begriffen verstanden werden. Dieser Gegenstandsbezug ist mit der Darstellung eines Gegenstands in der Anschauung gegeben bzw. damit, dass wir die Anschauung eines Gegenstands mçglicherweise haben kçnnten oder aktuell haben. Mein empirischer Begriff einer Kaffeetasse hat dann objektive Realitt, wenn ich eine aktuelle Anschauung des Gegenstands Kaffeetasse habe oder es mçglich ist, dass ich eine solche Anschauung haben kçnnte. Wrde ich hingegen versuchen, den Begriff eines hçchsten Wesens unmittelbar, also ohne Anschauung eines hçchsten Wesens, auf die Vorstellung des Gegenstands Gott zu beziehen, wrde ich nach Kant bloß mit Vorstellungen spielen, den Begriff zwar denken, aber das hçchste Wesen nicht erkennen kçnnen. Durch diese berlegungen wird auch deutlich, dass wir es anscheinend mit drei Elementen bei einer theoretischen Erkenntnis zu tun haben: mit dem Gegenstand, der Anschauung dieses Gegenstands und dem Begriff, mit dem wir den Gegenstand letztendlich erkennen. Diese aus der KrV erhobene Bedeutung von „objektive Realitt“ lsst sich ohne grçßere Probleme auf die Bedeutung dieses Ausdrucks in KU, § 59 bertragen. Als Aussage von [1.1] bzw. als Hauptaussage des ersten Absatzes von § 59 wurde bisher festgehalten: Um die objektive Realitt von Begriffen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis dieser Begriffe zu beweisen, sind immer Anschauungen erforderlich.
Vergleichen wir diese Aussage mit der Kernaussage des gerade zitierten Abschnitts aus der KrV: Wenigstens notwendige, wenn nicht sogar notwendige und hinreichende Bedingung fr die objektive Realitt einer Erkenntnis ist, dass ein Gegenstand in der Anschauung gegeben ist bzw. dass die Vorstellung dieses Gegenstands auf mçgliche oder wirkliche Erfahrung bezogen ist.
Es ist offensichtlich, dass beide Aussagen den mehr oder weniger gleichen Inhalt haben. Ohne Anschauungen von Gegenstnden kann es keine theoretische Erkenntnis dieser Gegenstnde durch Begriffe geben. Dass es in der einen Aussage um die objektive Realitt von Begriffen und in der anderen um die objektive Realitt von Erkenntnissen geht, ist insofern kein Problem, als die bisherige Interpretation des ersten Absatzes von KU, § 59
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
gezeigt hat, dass der Zweck des ,Dartuns‘ der objektiven Realitt von Begriffen theoretische Erkenntnis ist. 1.3.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen fr den Aufweis der objektiven Realitt von Begriffen Ein letztes wichtiges Interpretationsproblem betrifft die Bedeutung der Aussage aus KU, § 59 [1.1] „werden immer Anschauungen erfordert“. Damit komme ich auch auf das in der Interpretation des kurzen Stcks aus der KrV aufgeworfene Problem zurck, ob das Gegebensein des Gegenstands notwendige oder notwendige und hinreichende Bedingung fr die objektive Realitt einer Erkenntnis ist. Sachlich liegt es nahe, die Formulierung aus [1.4], dass Vernunftbegriffen ,schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann‘, zur Erluterung von [1.1] heranzuziehen. Dass Anschauungen immer zum ,Dartun‘ der objektiven Realitt von Begriffen erfordert werden, wrde dann bedeuten, dass den Begriffen Anschauungen angemessen gegeben werden mssen. Das „angemessen“ ist dabei eindeutig adverbial zu verstehen.75 Es geht um eine angemessene Weise, in der die Anschauungen gegeben werden. Was bedeutet es, dass Anschauungen „gegeben werden“? Wer ,gibt‘ die Anschauung, und was bedeutet es, Begriffen Anschauungen zu „geben“?76 Was es hier in KU, § 59 bedeutet, Begriffen Anschauungen zu geben, wird im zweiten Absatz und auch im vierten Absatz etwas deutlicher: Es geht darum, Begriffen Anschauungen zu unterlegen, oder darum, Begriffe zu versinnlichen. 77 Zunchst stellt sich die Frage, welcher aussagenlogische Zusammenhang zwischen den beiden Teilen der Hauptaussage des Abschnitts – wenn
75 Das unterstreicht auch [2.3], wo es hinsichtlich eines Vernunftbegriffs heißt, dass ihm „keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann“ (KU, 5: 351,27). „angemessen“ ist hier eindeutig Prdikatsnomen zu „sein“ und wird somit prdikativ und nicht adjektivisch im Blick auf die „Anschauung“ verwendet. 76 In dem kurzen Text aus der KrV war die Rede davon, was es bedeutet, einen Gegenstand zu „geben“. Mit diesem Gegenstand war jedoch bereits das Produkt aus der Vorstellung des Gegenstands bzw. dem Begriff und dem Bezug dieser Vorstellung auf Erfahrung gemeint. Wenn es darum geht, wie Anschauungen gegeben werden, fragen wir ber das Textstck aus der KrV hinausgehend, was es bedeutet, die Vorstellung des Gegenstands auf Erfahrung zu beziehen. 77 Mit diesem Thema werden wir und in den Kapiteln 1.4 und 1.5 beschftigen.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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Anschauung, dann objektive Realitt des Begriffs – besteht. Es gibt zwei Lesarten: (1) „werden immer Anschauungen erfordert“ ist notwendige Bedingung fr das ,Dartun‘ der objektiven Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis der jeweiligen Begriffsart. Das heißt, dass ohne Anschauungen keine Realitt ,dargetan‘ werden kann, dass das Gegebensein von Anschauungen alleine aber nicht hinreichend ist, um die Realitt ,darzutun‘. (2) „werden immer Anschauungen erfordert“ ist notwendige und hinreichende Bedingung fr das ,Dartun‘ der objektiven Realitt der jeweiligen Begriffsart. Das heißt, dass genau dann, wenn Anschauungen eines Begriffs gegeben sind, auch dessen objektive Realitt ,dargetan‘ ist. Beide Lesarten lassen sich auch auf [1.4] anwenden. Denn auch wenn das angemessene Gegebensein von Anschauungen nur notwendige Bedingung ist, wrde man etwas Unmçgliches verlangen, wollte man die objektive Realitt der Vernunftbegriffe ohne das angemessene Gegebensein von Anschauungen beweisen. Eine Entscheidung zwischen den Alternativen kann getroffen werden, indem wir uns fragen, was denn zustzlich zum Vorhandensein einer Anschauung noch dazukommen msste, um jemanden im Kant’schen Sinne z. B. von der objektiven Realitt des empirischen Begriffs der Kaffeetasse zu berzeugen. Innerhalb des Kant’schen Denkens ist die Annahme sinnvoll, dass es vçllig ausreichend ist, eine Kaffeetasse vor mir stehen zu sehen, um von der objektiven Realitt des empirischen Begriffs der Kaffeetasse berzeugt zu sein. Wir brauchen nichts zustzlich zu der Anschauung. Das Vorhandensein der Anschauung ist somit notwendige und hinreichende Bedingung. Die Hauptaussage des ersten Absatzes lsst sich also noch einmal folgendermaßen przisieren: Um die objektive Realitt eines Begriffs zum Zweck der theoretischen Erkenntnis des Gegenstands dieses Begriffs aufzuweisen, ist es notwendig und hinreichend, dass dem Begriff Anschauungen auf angemessene Weise gegeben werden.
1.3.4 Beispiele, Schemate sowie Vernunftbegriffe und ihr Verhltnis zu Anschauungen Die Stze [1.2] bis [1.4] wenden die Hauptaussage des ersten Absatzes auf drei Begriffsarten an. Damit die objektive Realitt des jeweiligen Begriffs bewiesen ist, muss die notwendige und hinreichende Bedingung erfllt
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sein, dass Anschauungen dem jeweiligen Begriff ,angemessen gegeben werden‘. Diese Bedingung wird nun von den empirischen und den reinen Verstandesbegriffen offenkundig erfllt, whrend die Vernunftbegriffe diese Bedingung nicht erfllen. Im Fall der empirischen Begriffe heißen die Anschauungen „Beispiele“. Im Fall der reinen Verstandesbegriffe heißen die Anschauungen „Schemate“. Von den Vernunftbegriffen bzw. Ideen wird in [1.4] ausgesagt, dass man etwas Unmçgliches begehrt, wenn man verlangt, dass die objektive Realitt von Vernunftbegriffen wie die empirischer Begriffe und reiner Verstandesbegriffe bewiesen werde. Der Grund dafr ist im Fall der Vernunftbegriffe, dass ihnen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Man kann die Gegenstnde von Vernunftbegriffen nicht wahrnehmen wie Tische oder Kaffeetassen. Damit erfllen Vernunftbegriffe nicht die notwendige und hinreichende Bedingung fr objektive Realitt. In Bezug auf was ist das Gegebensein aber im Fall der empirischen und der reinen Verstandesbegriffe offensichtlich ,angemessen‘? Und kçnnte man Vernunftbegriffen Anschauungen auf eine unangemessene Weise geben? Wir kçnnen zunchst vermuten, dass die Angemessenheit des Gegebenseins bei den empirischen und den reinen Verstandesbegriffen etwas damit zu tun hat, dass diesen Begriffen schlicht Anschauungen gegeben werden kçnnen. Wenn ich eine Kaffeetasse sehe, sind mir der empirische Begriff der Kaffeetasse sowie die fr diesen empirischen Begriff vorausgesetzten Kategorien anschaulich.78 Besteht in dieser Tatsache allein die Angemessenheit? Liegt die Angemessenheit des Gegebenseins der Anschauung also darin, dass in gewissem Sinne die Anschauung der Kaffeetasse und der Begriff der Kaffeetasse ,einander angemessen‘ sind? Wir werden auf diese Fragen gleich zurckkommen. Es liegt aber nahe anzunehmen, dass die Angemessenheit des Gegebenwerdens der Anschauung etwas mit der Art der Beziehung von Anschauung und Begriff zu tun hat. An dieser Stelle scheint jedenfalls klar zu sein, dass die objektive Realitt von Vernunftbegriffen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis dieser Begriffe nicht bewiesen werden kann, weil ihnen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Kant przisiert dabei „Vernunftbegriffe, d.i. […] Ideen“. Welche Ideen meint er hier? „Ideen in der allgemeinsten Bedeutung sind nach einem gewissen (subjektiven oder objektiven) Prinzip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellungen, sofern sie doch nie eine Erkenntnis desselben werden kçnnen. Sie sind entweder nach einem bloß subjektiven Prinzip der bereinstimmung der Erkenntnisver78 Zur Bedeutung von „empirischer Begriff“ vgl. Kapitel 1.4.6.
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mçgen unter einander (der Einbildungskraft und des Verstandes) auf eine Anschauung bezogen und heißen alsdann s t h e t i s c h e , oder nach einem objektiven Prinzip auf einen Begriff bezogen, kçnnen aber doch nie eine Erkenntnis des Gegenstandes abgeben und heißen Ve r n u n f t i d e e n ; in welchem Falle der Begriff ein t r a n s z e n d e n t e r Begriff ist, welcher vom Verstandesbegriff, dem jederzeit eine adquat korrespondierende Erfahrung untergelegt werden kann, und der darum i m m a n e n t heißt, unterschieden ist. Eine s t h e t i s c h e I d e e kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine A n s c h a u u n g (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adquat gefunden werden kann. Eine Ve r n u n f t i d e e kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen B e g r i f f (vom bersinnlichen) enthlt, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.“79
Dieses Textstck, welches sich genau zwei Paragraphen vor § 59 (in § 57) findet, hilft zu verstehen, auf welche Vernunftbegriffe bzw. Ideen sich Kant in [1.4] bezieht. „Ideen“ sind zunchst nach einem entweder subjektiven oder objektiven Prinzip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellungen, wobei gilt, dass die Ideen ,nie eine Erkenntnis des Gegenstands abgeben‘ kçnnen. Kant unterscheidet sthetische und Vernunftideen. Die sthetischen Ideen sind nach einem subjektiven Prinzip auf eine Anschauung bezogen und kçnnen keine Erkenntnis des entsprechenden Gegenstands abgeben, weil sie Anschauungen sind, zu denen keine adquaten Begriffe gefunden werden kçnnen. Die Vernunftideen sind nach einem objektiven Prinzip auf einen Begriff bezogen und kçnnen keine Erkenntnis des entsprechenden Gegenstands abgeben, weil sie einen Begriff vom bersinnlichen enthalten, ,dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann‘. Es ist offenkundig, dass Kant in [1.4] nicht die sthetischen Ideen, sondern die Vernunftideen meint. Dazu zhlt z. B. das Sittlich-Gute, das durch das Schçne symbolisiert wird, wie wir in KU, § 59 erfahren. Außerdem ist klar, dass der in [1.4] geschilderte problematische Status der Vernunftbegriffe prinzipiell auch die zentralen Begriffe der Kant’schen kritischen Metaphysik berhrt, von denen in der KU die Rede ist: den Status der „reinen Vernunftideen“ von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit der Seele.80 Dass Kant mit dieser Aussage auch den problematischen Status der reinen Vernunftideen im Blick hat, zeigt der letzte Satz des vierten
79 KU, 5: 342,3 – 19. 80 Vgl. zu dieser Formulierung der drei Ideen KU, 5: 473,7 – 9.
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Absatzes von § 59, wo es heißt, dass unsere Erkenntnis (der Vernunftidee) Gottes bloß symbolisch sei.81 Eine weitere Aussage aus KU, § 90 unterstreicht dies: „Was den l o g i s c h - g e r e c h t e n , vom Allgemeinen zum Besonderen fortgehenden Beweis betrifft, so ist in der Kritik hinreichend dargetan worden, daß, da dem Begriffe von einem Wesen, welches ber die Natur hinaus zu suchen ist, keine uns mçgliche Anschauung korrespondiert, dessen Begriff also selbst, sofern er durch synthetische Prdikate theoretisch bestimmt werden soll, fr uns jederzeit problematisch bleibt, schlechterdings kein Erkenntnis desselben (wodurch der Umfang unseres theoretischen Wissens im mindesten erweitert wrde) stattfinde, und unter die allgemeinen Prinzipien der Natur der Dinge der besondere Begriff eines bersinnlichen Wesens gar nicht subsumiert werden kçnne, um von jenen auf dieses zu schließen, weil jene Prinzipien lediglich fr die Natur als Gegenstand der Sinne gelten.“82
Aus dem nheren Kontext des Zitats ergibt sich, dass Kant mit „dem Begriff von einem Wesen, welches ber die Natur hinaus zu suchen ist“ hier die Vernunftidee Gottes als eines moralischen Welturhebers meint.83 ber die Vernunftidee Gottes als moralischen Welturheber sagt Kant, dass ihm keine uns mçgliche Anschauung korrespondiert, was bedeutet, dass der Begriff Gottes ,fr uns jederzeit problematisch bleibt‘, soweit der Begriff durch synthetische Prdikate theoretisch bestimmt werden soll. Das ist der Grund dafr, dass dieses Wesen nicht theoretisch erkannt werden kann. Wie in [1.4] ist somit die mangelnde Anschaulichkeit der Idee Gottes der Grund dafr, dass der Begriff Gottes problematisch bleibt bzw. Gott nicht theoretisch erkannt werden kann: Wenn der Idee Gottes keine uns Vernunftwesen mçgliche Anschauung korrespondiert, kann der Begriff nicht theoretisch bestimmt und somit seine objektive Realitt nicht ,dargetan‘ werden. Wir kçnnen mit Blick auf die zuvor aufgeworfene Frage nach der Bedeutung von „angemessen“ in § 59, [1.4] davon ausgehen, dass 81 Wenn diese und die anderen reinen Vernunftideen leere Begriffe sind, weil ihnen keine Anschauung ihres Gegenstands gegeben werden kann bzw. weil ihnen letztlich keine Anschauungen entsprechen, dann stellt sich die Frage, welche objektive Realitt sie haben. Eine (subjektiv-)praktische Realitt haben die reinen Vernunftideen, wie Kant in der Methodenlehre der KU ausfhrt. Also kçnnte ihnen mit § 59, [1.4] eigentlich nur ihre objektive Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis abgesprochen werden. Vgl. zur praktischen Realitt der Idee eines moralischen Endzwecks KU, 5: 453,14 – 16. Zur praktischen Realitt der Idee Gottes als eines moralisch-gesetzgebenden Urhebers vgl. KU, 5: 456,1 – 11. Wir kommen in Kapitel 2.2 auf dieses Thema zurck. 82 KU, 5: 463,28 – 464,2. 83 Vgl. KU, 5: 463,15 – 27.
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die Aussage aus § 90, dass dem Begriff Gottes keine uns mçgliche Anschauung korrespondiert, der Aussage aus [1.4] entspricht, dass Ideen in keiner Weise eine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Dafr spricht auch ein nochmaliger Rckblick auf die zuvor zitierte Textstelle aus § 57, wo Kant die Vernunftbegriffe bzw. Ideen darin von den Verstandesbegriffen abgrenzt, dass letzteren jederzeit eine ,adquat korrespondierende Erfahrung‘ unterlegt werden kann, whrend den Vernunftideen eben niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Es gibt somit gute Grnde, die Angemessenheit als Korrespondenz von Begriff und Anschauung zu verstehen, nicht zuletzt, weil der Ausdruck „korrespondierend“ in § 59 noch zweimal im Kontext des Verhltnisses von Begriffen und Anschauungen auftaucht.84 Ich werde deswegen kurz untersuchen, was es heißt, dass den Verstandesbegriffen eine „korrespondierende“ Anschauung unterlegt werden kann. In der KrV kommt der Ausdruck „korrespondieren“ hufig im Kontext der Erluterung von empirischer Erkenntnis vor: „Sich einen Gegenstand d e n k e n , und einen Gegenstand e r k e n n e n , ist also nicht einerlei. Zum Erkenntnisse gehçren nmlich zwei Stcke: erstlich der Begriff, dadurch berhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie), und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird; denn, kçnnte dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung gar nicht gegeben werden, so wre er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand, und durch ihn gar keine Erkenntnis von irgend einem Dinge mçglich; weil es, so viel ich wßte, nichts gbe, noch geben kçnnte, worauf mein Gedanke angewandt werden kçnne. Nun ist alle uns mçgliche Anschauung sinnlich (sthetik), also kann das Denken eines Gegenstandes berhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntnis werden, so fern dieser auf Gegenstnde der Sinne bezogen wird.“85
Es geht in diesem Zitat um die Korrespondenz von reinen Verstandesbegriffen und Anschauungen. Das Ziel dieser Korrespondenz ist hier allerdings nicht ausdrcklich, die objektive Realitt eines reinen Verstandesbegriffs aufzuweisen. Vielmehr macht die Korrespondenz zwischen einem reinen Verstandesbegriff, wodurch ich berhaupt einen Gegenstand denken kann, und der Anschauung des Gegenstands den Unterschied zwischen dem Denken und dem Erkennen eines Gegenstands aus. Kant setzt dabei offensichtlich das Gegebensein des zu erkennenden Gegenstands in einer Anschauung, was eine der beiden notwendigen und hinreichenden Bedingungen fr empirische Erkenntnis ist, mit der Korrespondenz zwischen 84 Vgl. dazu KU, 5: 351,25; 353,2. 85 KrV, B 146 (3: 116,34 – 117,10).
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reinem Verstandesbegriff und Anschauung gleich. Einem reinen Verstandesbegriff eine korrespondierende Anschauung zu geben, bedeutet hier also, die Anschauung eines Gegenstands zu haben, den ich ohne Anschauung lediglich denken kçnnte bzw. es bedeutet, den reinen Verstandesbegriff auf einen Gegenstand der Sinne zu beziehen. hnliche Aussagen zur Bedeutung von „korrespondieren“ finden wir ein paar Zeilen nach der zitierten Textstelle aus § 57. Dort schreibt Kant, dass die Verstandesbegriffe als solche jederzeit ,demonstrabel‘ sein mssten, worunter zu verstehen sei, dass der den Verstandesbegriffen „korrespondierende Gegenstand […] jederzeit in der Anschauung (reinen oder empirischen) gegeben werden kçnnen“ muss.86 Etwas spter spricht er mit Blick auf das (nicht-mathematische) Demonstrieren von der „Vorzeigung des Objekts“: „So sagt man von einem Anatomiker: er demonstriere das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher diskursiv vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs anschaulich macht.“87 „Korrespondenz“ zwischen Begriff und Anschauung bedeutet vor dem Hintergrund des zitierten Textes aus der KrV sowie von KU, § 57 die Beziehung eines reinen Verstandesbegriffs auf einen Gegenstand der sinnlichen Anschauung, wodurch die empirische Erkenntnis dieses Gegenstands mçglich ist. Es bedeutet also nicht mehr und nicht weniger, als dass einem Begriff eine Anschauung gegeben ist bzw. dass ein Begriff Gegenstandsbezug hat. Warum ist die Rede von einer „Korrespondenz“ oder „Angemessenheit“ von Begriff und Anschauung nçtig, wenn es sachlich dabei eigentlich nur um den Gegenstandsbezug von Begriffen bzw. deren objektive Realitt mit Blick auf empirische Erkenntnis geht? Warum sollte man davon sprechen, dass einem Begriff eine Anschauung angemessen gegeben wird, wenn es sachlich eigentlich ausreicht, davon zu sprechen, dass einem Begriff eine Anschauung gegeben wird? Diese Frage lsst sich mit einem kurzen Vorausblick auf den zweiten und den vierten Absatz von KU, § 59 beantworten, wo Kant davon spricht, dass sowohl im Fall von Symbolen als auch im Fall von Schematen oder Schemata Begriffen Anschauungen a priori unterlegt werden.88 In diesem Vorgang des Unterlegens kommen schematische und symbolische Hypotypose von Begriffen berein. Sie sind 86 KU, 5: 342,29 – 30. 87 KU, 5: 343,16 – 19. 88 Vgl. KU, 5: 352,8 – 10. Kant gebraucht in machen Texten „Schemate“ und in anderen Texten „Schemata“ als Plural von „Schema“. Ich werde je nach Text entweder die eine oder die andere Version des Plural gebrauchen.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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aber darin unterschieden, dass die Art und Weise, in der die Anschauungen jeweils unterlegt werden, verschieden ist. Mit Blick auf die schematische Hypotypose wird dieser Unterschied mit der Rede von der Korrespondenz zwischen Begriff und unterlegter oder gegebener Anschauung markiert.89 ber die symbolische Hypotypose wird in [4.7] dagegen ausdrcklich gesagt, dass sie es mit Begriffen zu tun hat, denen womçglich nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.90 Wir kçnnen also auch Vernunftbegriffen oder Ideen auf eine bestimmte Weise Anschauungen unterlegen (mittels einer symbolischen Hypotypose).91 Aber dabei handelt es sich eben nicht um ein angemessenes Gegebenwerden der Anschauung wie im Fall der Verstandesbegriffe. Die Rede von der Angemessenheit des Gegebenseins von Anschauungen bzw. der Korrespondenz von Anschauung und Begriff dient also u. a. der Markierung dieses Unterschieds zwischen Verstandes- und Vernunftbegriffen. Wie lsst sich Kants Rede von der Angemessenheit des Gegebenseins der Anschauungen oder die Rede von korrespondierenden Anschauungen sachlich interpretieren? Ich mçchte dazu folgenden Vorschlag machen: Wenn ich einem Verstandesbegriff eine Anschauung geben will, dann kann ich das unmittelbar, indem ich einfach auf eine Anschauung hinweise. Kant geht offensichtlich davon aus, dass es jedem einleuchtet, dass ich z. B. die Kategorie der Wechselwirkung mit Hinweis auf ein Phnomen, an dem sich Wechselwirkung faktisch beobachten lsst, anschaulich machen kann. Die Verknpfung von Anschauung und Begriff bedarf keiner weiteren Erluterung. Ich weise beispielhaft auf eine Anschauung hin und damit ist dieser reine Verstandesbegriff in seiner objektiven Realitt demonstriert. Es wird spter noch deutlich werden, dass genau dieser Umstand, dass die Veranschaulichung keiner weiteren Erluterung bedarf, der Art und Weise abgeht, wie Vernunftbegriffe veranschaulicht werden kçnnen.92
89 Vgl. KU, 5: 351,23 – 31. 90 Vgl. KU, 5: 352,28 – 353,2. Auf den Unterschied zwischen „einem Begriff eine korrespondierende Anschauung geben“ und „direktes Korrespondieren zwischen Begriff und Anschauung“ gehe ich in Kapitel 1.4.7 ein. 91 Mit Blick auf die Kantische Erkenntnistheorie msste man deutlicher formulieren: Wir mssen Begriffen und gerade auch praktischen Vernunftbegriffen einen Bezug zu mçglicher Anschauung geben, weil sonst die Realitt bzw. der Gegenstandsbezug dieser Begriffe in Frage steht. Vgl. dazu auch Forschner 2008, 75. 92 Vgl. dazu Kapitel 1.4.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
1.3.5 „Darstellen“ Der Ausdruck „darstellen“ oder „Darstellung“ kommt im ersten Absatz von KU, § 59 noch nicht vor. Er spielt erst im zweiten und vierten Absatz von § 59 eine wichtige Rolle.93 Im zweiten Absatz heißt es, dass „alle Hypotypose (Darstellung […]) als Versinnlichung“ zweifach ist.94 Im dritten Absatz werden die beiden Hypotyposen ebenfalls als „Darstellungen (exhibitiones)“ bezeichnet.95 Und von „indirekten Darstelllungen“ ist im vierten Absatz zweimal die Rede.96 Es ist allerdings sinnvoll, den Begriff an dieser Stelle einzufhren. Denn er steht, wie ich gleich zeigen werde, im engen Zusammenhang mit den Inhalten dieses Kapitels 1.3. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob „darstellen“ und „dartun“ womçglich dasselbe bedeuten. Ich beschrnke mich dabei auf Textpassagen, in denen Kant „Darstellen“ definiert oder erlutert.97 „Wenn der Begriff von einem Gegenstande gegeben ist, so besteht das Geschft der Urteilskraft im Gebrauche desselben zum Erkenntnis in der D a r s t e l l u n g (exhibitio), d.i. darin, dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung zur Seite zu stellen“.98 „Eine s t h e t i s c h e Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine A n s c h a u u n g (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adquat gefunden werden kann. Eine Ve r n u n f t i d e e kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen B e g r i f f (vom bersinnlichen) enthlt, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Nun glaube ich, man kçnne die sthetische Idee eine i n e x p o n i b l e Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber einen i n d e m o n s t r a b e l e n Begriff der Vernunft nennen. […] Ve r s t a n d e s b e g r i f f e mssen als solche jederzeit demonstrabel sein (wenn unter Demonstrieren, wie in der Anatomie, bloß das D a r s t e l l e n verstanden wird), d.i. der ihnen korrespondierende Gegenstand muß jederzeit 93 Darber hinaus ist der Darstellungsbegriff insbesondere fr den ersten Teil der KU, die Kritik der sthetischen Urteilskraft, wichtig. Es ist nicht mçglich, in dieser Arbeit nher darauf einzugehen. Einen guten berblick ber die Geschichte des Darstellungsbegriffs in der Philosophie der Neuzeit bietet die Monographie von Petra Bahr, Bahr 2004b. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungen findet sich auch bei Bahr 2004a, 143 – 146. 94 KU, 5: 351,23. 95 KU, 5: 352,1. 96 KU, 5: 352,10; 352,25 – 26. 97 Fr eine ausfhrliche Diskussion des Darstellungsbegriffs vgl. auch Gasch 2003, 89 – 99. 98 KU, 5: 192,31 – 34.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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in der Anschauung (reinen oder empirischen) gegeben werden kçnnen; denn dadurch allein kçnnen sie Erkenntnisse werden. Der Begriff der G r ç ß e kann in der Raumesanschauung a priori, z. B. einer geraden Linie usw. gegeben werden; der Begriff der U r s a c h e an der Undurchdringlichkeit, dem Stoße der Kçrper usw. Mithin kçnnen beide durch eine empirische Anschauung belegt, d.i. der Gedanke davon an einem Beispiele gewiesen (demonstriert, aufgezeigt) werden; und dieses muß geschehen kçnnen, widrigenfalls man nicht gewiß ist, ob der Gedanke nicht leer, d.i. ohne alles O b j e k t sei. […] Allein aus Grnden a priori kann sie [die reine Philosophie, SM] als Philosophie zwar beweisen, aber nicht demonstrieren; wenn man nicht ganz und gar von der Wortbedeutung abgehen will, nach welcher demonstrieren (ostendere, exhibere) so viel heißt, als (es sei in Beweisen oder auch bloß in Definieren) seinen Begriff zugleich in der Anschauung darstellen; welche, wenn sie Anschauung a priori ist, das Konstruieren desselben heißt, wenn sie aber auch empirisch ist, gleichwohl die Vorzeigung des Objekts bleibt, durch welche dem Begriffe die objektive Realitt gesichert wird. So sagt man von einem Anatomiker: er demonstriere das menschliche Auge, wenn er den Begriff, den er vorher diskursiv vorgetragen hat, vermittelst der Zergliederung dieses Organs anschaulich macht.“99
Diese beiden Passagen – die krzere aus der Einleitung und die lngere aus dem § 57 der KU – zeigen, dass „darstellen“ fr Kant bedeutet, einem Begriff eine korrespondierende reine oder korrespondierende empirische Anschauung zu geben. Nur durch die Darstellung kann man mittels eines Begriffs einen Gegenstand erkennen. Die Beispiele aus dem § 57 erlutern das. Die Begriffe der Grçße und der Ursache sind zunchst rein mentale Entitten. Indem man auf bestimmte empirische Anschauungen verweist, kçnnen beide Begriffe an einem Beispiel ,aufgezeigt‘ oder ,demonstriert‘ werden. Kçnnte man z. B. den Begriff der Ursache nicht mit einer ihm korrespondierenden Anschauung in Verbindung bringen, dann wssten wir nicht, ob der bloße Gedanke einer Ursache nur ein Hirngespinst ist oder ob er Gegenstandsbezug hat. Einen Begriff darzustellen bedeutet also, einem Begriff eine korrespondierende Anschauung und damit Gegenstandsbezug zu geben. Durch die Darstellung geben wir Begriffen die Anschauungen, die zur objektiven Realitt der Begriffe erforderlich sind. Die Darstellung von Begriffen ist somit notwendige Bedingung fr die durch die Begriffe mçgliche Erkenntnis.
99 KU, 5: 342,15 – 343,19.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Interessant sind noch drei weitere Punkte. Erstens verbindet Kant in § 57 den Begriff der Darstellung mit dem Begriff der Demonstration.100 So geht er offensichtlich von einer bestimmten Bedeutung von „demonstrieren“ aus, nmlich der Bedeutung von „demonstrieren“ in der Anatomie: Unter Demonstrieren wird dort ,bloß das Darstellen‘ verstanden, was wiederum heißt, dass der den Verstandesbegriffen korrespondierende Gegenstand jederzeit in einer Anschauung gegeben werden muss. Zweitens macht der Abschnitt aus § 57 noch einmal den fundamentalen Unterschied zwischen Vernunftideen und Verstandesbegriffen an ihrer Demonstrabilitt bzw. an der jeweiligen Mçglichkeit, sie darzustellen, fest. Eine Vernunftidee ist indemonstrabel. Ihr kann keine korrespondierende Anschauung gegeben werden. Deswegen kann sie ,nie Erkenntnis‘ werden, wie es in § 57 heißt. Des Weiteren tauchen sowohl in der Einleitung als auch in § 57 und in § 59 die lateinischen Termini „exhibitio“ oder „exhibere“ auf. Dieser Begriff wird hnlich wie „demonstrieren“ als quivalent fr „darstellen“ angefhrt. Schließlich ist festzustellen, dass „dartun“ und „darstellen“ zwar inhaltlich aufeinander bezogen werden kçnnen, aber nicht dasselbe bedeuten. Kant spricht, wie in diesem Kapitel gezeigt, von „dartun“ mit Blick auf den Aufweis der objektiven Realitt von Begriffen. Von „darstellen“ ist hingegen die Rede, wenn es darum geht, einen (Verstandes-)Begriff zu versinnlichen bzw. ihm eine Anschauung zu geben. Der inhaltliche Zusammenhang ist offenkundig: Mittels einer Darstellung eines Verstandesbegriffs durch eine ihm korrespondierende Anschauung wird die objektive Realitt dieses Begriffs ,dargetan‘. Man kann aber nicht sagen, dass jede Darstellung eines Begriffs zum ,Dartun‘ seiner Realitt fhrt. Denn Kant spricht im vierten Absatz von § 59 von „indirekten Darstellungen“ von Begriffen.101 Und nachdem auch Vernunftbegriffe symbolisiert werden kçnnen, deren objektive Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis laut § 59, [1.4] unmçglich ,dargetan‘ werden kann, gibt es also Darstellungen von Begriffen, die nicht den Aufweis ihrer objektiven Realitt implizieren. Umgekehrt kçnnte es auch sein, dass wir die objektive Realitt
100 Das wird auch dadurch unterstrichen, dass Kant den lateinischen Ausdruck „exhibitio“ bzw. das entsprechende Verb „exhibere“ einerseits mit „darstellen“ (so im Text aus der Einleitung der KU und auch in § 59, vgl. KU, 5: 192,33; 352,1) und andererseits mit „demonstrieren“ (in der Passage aus § 57, vgl. KU, 5: 343,11) in Verbindung bringt. 101 Vgl. KU, 5: 352,10; 352,25 – 26.
1.3 Anschauungen als notwendige und hinreichende Bedingungen
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von Begriffen anders als durch Darstellungen von Begriffen ,dartun‘ kçnnen. Darber erfahren wir in den §§ 57 und 59 allerdings nichts.102 Im Vorausblick auf den zweiten Absatz von § 59, wo von „Darstellung“ auch mit Blick auf Vernunftbegriffe die Rede ist, kçnnen diese kurzen berlegungen zum Darstellungsbegriff allerdings noch nicht zufriedenstellen. Wenn „einen Begriff darstellen“ dasselbe bedeutet wie „einem Begriff eine korrespondierende Anschauung geben“, dann kçnnte Kant im zweiten Absatz von § 59 nicht von einer symbolischen Hypotypose bzw. Darstellung von Vernunftbegriffen sprechen. Denn Vernunftbegriffen kann keine korrespondierende Anschauung gegeben werden. Eine Antwort auf die Frage, warum Kant auch von einer symbolischen Darstellung von Vernunftbegriffen sprechen kann, kçnnte in der im vierten Absatz von § 59 eingefhrten Unterscheidung von „direkter“ und „indirekter Darstellung“ liegen: Kant schreibt zu Beginn des vierten Absatzes, dass Schemate direkte und Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen enthalten.103 Von den Schematen sagt er, dass sie direkte Darstellungen des Begriffs ,demonstrativ‘ enthalten.104 Nimmt man noch die Tatsache hinzu, dass Kant in § 59 [2] die schematische Hypotypose mit den Verstandesbegriffen in Verbindung bringt, kann man im Rckblick auf den gerade interpretierten Text aus § 57 przisierend sagen, dass es dort um die direkte Darstellung von Verstandesbegriffen geht.105 Dass die bisherige Auffassung von „Darstellung“ tatschlich noch etwas differenziert werden muss, zeigt ein weiterer Text aus der KU: „Gegenstnde der bloßen Vernunftideen, die fr das theoretische Erkenntnis gar nicht in irgend einer mçglichen Erfahrung dargestellt werden kçnnen, sind sofern auch gar nicht e r k e n n b a r e Dinge, mithin kann man in Ansehung ihrer nicht einmal m e i n e n “.106
Der Text aus § 91 sagt aus, dass Gegenstnde der bloßen Vernunftideen in keiner mçglichen Erfahrung fr die theoretische Erkenntnis dargestellt 102 Um das Problem, wie die objektive Realitt der Vernunftidee Gottes aufgewiesen werden kann und in welchem Zusammenhang dazu die indirekten Darstellungen dieser Vernunftidee stehen, wird es u. a. im zweiten Teil der Arbeit gehen. Vgl. dazu Kapitel 2.2. 103 Vgl. KU, 5: 352,8 – 10. 104 Vgl. KU, 5: 352,10 – 11. 105 Kant sagt in dem Zitat nur von den Verstandesbegriffen ausdrcklich aus, dass sie jederzeit ,demonstrabel‘ sein mssen. Und auch die Beispiele (der Begriff der Grçße und der Ursache) belegen, dass Kant mit „Begriffen“ genauer „Verstandesbegriffe“ meint. 106 KU, 5: 467,15 – 18.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
werden kçnnen. Die Aussage hnelt der Aussage von [1.4] aus § 59. Dort hieß es, dass es nicht mçglich ist, die objektive Realitt von Ideen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis der Ideen aufzuweisen, weil den Ideen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. Das kçnnte ein Hinweis darauf sein, dass der Begriff der direkten Darstellung auf eine theoretische Erkenntnis abzielt, whrend der Begriff der indirekten Darstellung eine andere Erkenntnis als die theoretische oder vielleicht auch gar keine Erkenntnis des jeweiligen Gegenstands impliziert. Ich werde in den Kapiteln 1.5 und 1.7 noch einmal auf den Begriff der indirekten Darstellung zurckkommen. Außerdem spielt der Darstellungsbegriff in der Preisschrift, die im Kapitel 1.8 Gegenstand der Auseinandersetzung sein wird, eine Rolle. An dieser Stelle ist festzuhalten: Kant unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Darstellung. Allerdings verwendet er meist „Darstellung“ oder „darstellen“ im Sinne von „direkte Darstellung“, was nicht zuletzt in den in diesem Kapitel interpretierten Texten sichtbar wurde. 1.3.6 Zusammenfassung Als Hauptaussage des ersten Absatzes von § 59 habe ich formuliert: Um die objektive Realitt eines Begriffs zum Zweck der theoretischen Erkenntnis des Gegenstands dieses Begriffs aufzuweisen, ist es notwendig und hinreichend, dass dem Begriff Anschauungen auf angemessene Weise gegeben werden.
Dabei ist unter „objektive Realitt von Begriffen“ der Gegenstandsbezug von Begriffen zu verstehen. Begriffe haben nur dann Bedeutung, wenn ihnen Anschauungen prinzipiell gegeben werden kçnnen. Wichtig ist dabei, dass es um die objektive Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis des Gegenstands geht. Spter in § 59, in [4.8], wird Kant zwischen einer theoretischen und einer praktischen Vorstellungsart bzw. Erkenntnis von Gegenstnden unterscheiden. Mit Blick auf die folgenden Kapitel der Arbeit haben wir außerdem den Begriff der „Darstellung“ oder „darstellen“ eingefhrt. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass Kant darunter den Vorgang versteht, Verstandesbegriffen korrespondierende Anschauungen zu geben. „Darstellen“ bedeutet also zunchst dasselbe wie „Verstandesbegriffen korrespondierende Anschauungen geben“. Im vierten Absatz von § 59 unterscheidet Kant allerdings zwischen „direkter“ und „indirekter Darstellung“.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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Wir haben die hier erhobene Bedeutung von „Darstellung“ daraufhin noch genauer als „direkte Darstellung“ gekennzeichnet. Zwei Punkte sind aus diesem ersten Absatz noch wichtig, welche diejenige Begriffsart betreffen, die in diesem Absatz von den anderen Begriffsarten abgehoben wird: die Vernunftbegriffe oder Ideen. Nur fr sie gilt, dass ihnen ,schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann‘. Ihr Status ist also gegenber dem Status der empirischen und der reinen Verstandesbegriffe problematisch. Denn wenn ihnen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann, dann ist es unmçglich, ihre objektive Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis aufzuweisen. Die Bedeutung von „angemessen“ hinsichtlich des Gegebenseins hatten wir dabei so verstanden, dass die unterlegte Anschauung wie im Fall der reinen Verstandesbegriffe dem Begriff ,korrespondiert‘. Die „Korrespondenz“ von Anschauung und Begriff haben wir wiederum so interpretiert, dass der Bezug von Begriff und Anschauung unmittelbar einleuchtend ist und keiner weiteren Erluterung bedarf. Um die objektive Realitt der Kategorie der Wechselwirkung aufzuzeigen, verweist man auf Gegenstnde einer Anschauung, an denen sich Wechselwirkung beobachten lsst. Weiterhin hatte ich angemerkt, dass die Vernunftbegriffe bzw. Ideen, die Kant hier im Blick hat, neben dem Sittlich-Guten auch die reinen Vernunftideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit der Seele sind, was daraus erhellt, dass Kant in [4.8] ausdrcklich auf die Vernunftidee Gott zu sprechen kommt.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft in der Symbolisierung von Begriffen Es ist zu vermuten, dass der erste Absatz von KU, § 59 das philosophische Problem angibt, unter dem Kants Ausfhrungen zum Symbolbegriff und der symbolischen Erkenntnis von Gott stehen: Wie kann nicht-anschaulichen Begriffen trotzdem objektive Realitt zukommen? Die Lçsung fr dieses Problem scheint gewissermaßen auf dem Fuße im zweiten Absatz zu folgen: „[2] Alle H y p o t y p o s e (Darstellung, subiectio sub adspectum) als Versinnlichung ist zwiefach: entweder s c h e m a t i s c h , da einem Begriffe, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird; oder s y m b o l i s c h , da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der Urteilskraft demjenigen, was sie im
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Schematisieren beobachtet, bloß analogisch ist, d.i. mit ihm bloß der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach bereinkommt.“107
Vernunftbegriffen, denen ,keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann‘, kann mittels einer solchen symbolischen Hypotypose nun doch eine Anschauung ,unterlegt‘ werden, wodurch womçglich das Problem der mangelnden objektiven Realitt zum Zweck der theoretischen Erkenntnis abgemildert oder sogar behoben werden kann. Im Rckblick auf die vorangegangenen berlegungen zu den Vernunftbegriffen bzw. Ideen im ersten Absatz von § 59 lernt man in [2] nichts Wesentliches ber die Vernunftbegriffe dazu. Denn sie werden in [2] beschrieben als ,Begriffe, die nur die Vernunft denken kann‘ und denen keine ,sinnliche Anschauung angemessen sein kann‘. Ich gehe somit vorerst davon aus, dass diese Begriffe, die nur die Vernunft denken kann, identisch sind mit den Vernunftbegriffen bzw. Ideen aus [1.4]. Was Kant genau unter „Symbol“ und „symbolischer Hypotypose“ in § 59 versteht, wird Gegenstand der weiteren Interpretation sein. In allen dem ersten Absatz folgenden Abstzen tauchen die Ausdrcke „Symbol“ oder entsprechende Derivate wie „symbolisch“ auf. Um die Bedeutung dieses Ausdrucks sowie weiterer relevanter Ausdrcke wie „indirekte Darstellung“ zu erschließen, mçchte ich mit der Interpretation im vierten Absatz beginnen, weil Kant dort etwas ausfhrlicher als im zweiten Absatz erlutert, was genau passiert, wenn Vernunftbegriffe mit Anschauungen zusammengebracht werden. Auf den zweiten Absatz werde ich noch im Kapitel 1.5 eingehen. „[4.1] Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder S c h e m a t e oder S y m b o l e , wovon die ersteren direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. [4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden. [4.3] So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Kçrper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fllen aber nur s y m b o l i s c h vorgestellt. [4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer 107 KU, 5: 351,23 – 31.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“108
Im vierten Absatz taucht „Symbol“ zum ersten Mal in § 59 als Substantiv auf. Der vierte Absatz knpft inhaltlich deutlich an den zweiten Absatz an, worauf auch das „also“ in [4.1] hindeutet. Denn in [3] macht Kant eine Art Exkurs, in dem er sich mit der Abgrenzung des Symbolbegriffs vom Zeichenbegriff auseinandersetzt.109 Die im zweiten Absatz begonnene Erluterung, wie man mittels einer symbolischen Hypotypose Vernunftbegriffen Anschauungen unterlegen kann, wird erst in [4] fortgesetzt. Wir kçnnen also davon ausgehen, dass es einen Zusammenhang zwischen der symbolischen Hypotypose und dem doppelten Geschft der Urteilskraft gibt, von dem Kant im vierten Absatz spricht. Bevor wir mit detailierteren Interpretationen der ersten beiden Stze von [4] beginnen, mçchte ich fr einen ersten berblick kurz deren Aussagen rekonstruieren. [4.1] lsst sich in mehrere Aussagen zerlegen: [4.1] 1a) Symbole sind Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt. [4.1] 1b) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs. [4.1] 2a) Schemate sind Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt. [4.1] 2b) Schemate enthalten direkte Darstellungen des Begriffs.
Interessant an diesen Aussagen ist, dass sowohl von Schematen als auch von Symbolen gleichermaßen ausgesagt wird, dass sie Anschauungen sind, die Begriffen a priori unterlegt werden. In diesem Punkt gibt es also keinen Unterschied zwischen Schematen und Symbolen.110 Der Unterschied zwischen beiden tritt zutage, wenn man fragt, was genau die jeweils unterlegte Anschauung enthlt. Die Schemate enthalten direkte Darstellungen und die Symbole indirekte Darstellungen des Begriffs. Im Kapitel 1.3.5 ist deutlich geworden, dass Kant unter „Darstellung“ in der KU meistens die „direkte Darstellung“ von Verstandesbegriffen versteht, was konkret bedeutet, dass einem Verstandesbegriff eine korrespondierende Anschauung gegeben wird, wodurch dann auch die objektive Realitt dieses Begriffs aufgewiesen ist. Die Interpretation von [4.2] und Kants Rede von einem doppelten Geschft der Urteilskraft wird im Folgenden eine erste Erklrung dafr liefern, warum die Darstellung des Begriffs hier indirekt ist. Ferner ist zu untersuchen, was es bedeutet, dass (symbolische) 108 KU, 5: 352,8 – 22. In der Akademie-Ausgabe steht in [4.4] bzw. Zeile 22 anstelle von „der Regel“ „den Regeln“. 109 Vgl. dazu in der Einleitung Kapitel B.1. 110 Darauf hatte ich schon in Kapitel 1.3.4 in Bezug auf die Frage nach der Bedeutung eines angemessenen Gegebenseins von Anschauungen aufmerksam gemacht.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Anschauungen Darstellungen des Begriffs „enthalten“. Auf die Interpretation von „Begriffen a priori“ komme ich gleich im Kapitel 1.4.1 zu sprechen. Die Aussage von [4.2] ist im Vergleich zu [4.1] schwieriger zu rekonstruieren. Die erste Rekonstruktion setzt vorerst nur bei einer Trennung der Erluterung des doppelten Geschfts der Urteilskraft in 2) von der Hauptaussage in 1) an: [4.2] 1) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet. [4.2] 2) Das doppelte Geschft der Urteilskraft besteht darin, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz anderen Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.
1.4.1 „Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt“ Bei einem genaueren Blick in [4.1] fllt zunchst auf, dass Kant im Unterschied zum zweiten Absatz von § 59 allgemein von „Begriffen“ und nicht von „Vernunftbegriffen“ spricht, die in Symbolen indirekt dargestellt werden. Dieser Umstand mag sich zunchst daraus erklren lassen, dass Kant in [4.1] sowohl ber Schemate als auch ber Symbole spricht. Da beide laut [2] Verstandesbegriffe bzw. Vernunftbegriffe darstellen, kçnnte man erwarten, dass in einer Aussage ber Schemate und Symbole beide Begriffsarten schlicht unter dem Oberbegriff „Begriffe“ zusammengefasst werden. Allerdings ist im vierten Absatz weiter auffllig, dass nur eine einzige Vernunftidee – nmlich Gott – ausdrcklich genannt wird, die symbolisch erkannt wird. Die anderen Beispiele fr symbolisierte Begriffe im vierten Absatz (despotischer Staat, Grund, abhngen etc.) sind prima facie keine Vernunftbegriffe, so dass man die unspezifische Verwendung von „Begriff“ in [4.1] als Hinweis werten kann, dass nicht nur reine Vernunftideen wie die Idee Gottes symbolisiert werden kçnnen.111
111 Dieser Eindruck entsteht v. a. dadurch, dass Kant im zweiten Absatz von KU, § 59 die symbolische Hypotypose nur in Verbindung mit den Vernunftbegriffen bringt. Allerdings deutet auch der Satz [4.6], wo Kant unter anderem aussagt, dass unsere Sprache „voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie“ (KU, 5: 352,25 – 26) sei, darauf hin, dass wir nicht ohne Weiteres davon ausgehen kçnnen, dass nur Vernunftbegriffe symbolisiert werden kçnnen.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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Diese Beobachtung ist fr die Interpretation von [4.1] bedeutsam. Ausgehend von der Rekonstruktion der Aussage von [4.1] hinsichtlich der Symbole [4.1] 1a) Symbole sind Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt.
ist zu fragen: Was bedeutet „Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt“, wodurch diese Anschauungen dann zu Symbolen werden? Zunchst ist zu untersuchen, ob sich das „a priori“ als Adjektiv auf die „Begriffe“ oder als Adverb auf den Vorgang des Unterlegens bezieht. Da es sich bei den Begriffen, die hier in [4.1] gemeint sind, zumindest auch um Vernunftbegriffe handeln muss, kçnnte man annehmen, dass sich „a priori“ auf „Begriffe“ bezieht; denn fr die Vernunftbegriffe gilt, dass sie sich nur durch die Vernunft denken lassen und dass ihnen keine sinnliche Anschauung angemessen ist.112 Angesichts der Tatsache, dass Kant im vierten Absatz vom despotischen Staat als zu symbolisierenden Begriff spricht und symbolische Ausdrcke wie „abhngen“ oder „Substanz“ etc. anfhrt, sollte man aber vorsichtig sein.113 „Substanz“ kann noch als symbolischer Ausdruck fr einen A priori-Begriff aufgefasst werden. Es ist aber keinesfalls klar, dass sich „despotischer Staat“ oder „abhngen“ als symbolische Ausdrcke fr A priori-Begriffe verstehen lassen. Deswegen ist es plausibler, den Ausdruck „a priori“ an dieser Stelle als Adverb zu lesen, wonach der Vorgang des Unterlegens von Begriffen mit Anschauungen als ein A priori-Vorgang charakterisiert wird.114 Zugunsten dieser Interpretation des „a priori“ als Adverb kann man auch anfhren, dass in [2] davon gesprochen wird, dass bei der schematischen Hypotypose einem Verstandesbegriff ,die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird‘. Da in [2] aber auch von „sinnlicher Anschauung“ die Rede ist und zudem in dem Punkt, dass einem Begriff eine sinnliche Anschauung unterlegt wird, eine Analogie zwischen schematischer und symbolischer 112 Vgl. dazu den zweiten Absatz von § 59, wo Kant von der Hypotypose sagt, sie schematisch „oder symbolisch, da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird.“ (KU, 5: 351,26 – 28). 113 Vgl. zu den zuletzt genannten Beispielen Satz [4.7] KU, 5: 352,28 – 353,2. 114 Vgl. dagegen Gasch und Tomberg. Gasch spricht – ohne weitere Begrndung – davon, dass der Begriff der Hypotypose ausschließlich auf die Darstellung reiner Begriffe des Verstandes und der Vernunft „through a priori intuitions“ (Gasch 2003, 210) angewandt werde. Tomberg behauptet, dass das Verfahren der Symbolisierung kein A priori-Verfahren wie das Verfahren der Schematisierung sei. Eine ausdrckliche Begrndung fr diese These sucht man allerdings vergebens. Vgl. Tomberg 2001, 38.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Hypotypose von Kant behauptet wird, kann in [2] keine A priori-Anschauung gemeint sein. In [2] ist das „a priori“ also eindeutig als Adverb zu verstehen. Die Interpretationshypothese, dass der Vorgang des Unterlegens ein A priori-Vorgang ist, wird von der weiteren Untersuchung des genauen Vorgangs der Symbolisierung von Begriffen im Folgenden noch erhrtet werden. Auch die Aussagen in [4.1], dass Symbole Anschauungen sind und diese Symbole indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten, werden sich besser verstehen lassen, wenn wir im Text weitergehen. Festzuhalten ist auf jeden Fall: Der Symbolbegriff kommt im § 59 an der Stelle ins Spiel, wo Begriffen – aus welchen Grnden auch immer – Anschauungen auf eine A priori-Weise unterlegt werden. Die Rekonstruktion der Aussage von [4.1] hinsichtlich der Symbole kann also folgendermaßen przisiert werden: [4.1] Symbole sind Anschauungen, die man Begriffen auf eine A priori-Weise unterlegt, und die als auf diese Weise unterlegte Anschauungen indirekte Darstellungen der Begriffe enthalten.
1.4.2 Symbol, Analogie und doppeltes Geschft der Urteilskraft – ein erster berblick Der Satz [4.2] beginnt zunchst damit, dass Kant nher beschreibt, wie indirekte Darstellungen des Begriffs in Symbolen enthalten sind: Symbole „tun dieses vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet“115. Was genau ,tun‘ Symbole? Kant formuliert den Satz [4.2] in direktem Anschluss an [4.1] („tun dieses“): Symbole enthalten indirekte Darstellungen von Begriffen. Somit ist eine Analogie ein Mittel („vermittelst“) dazu, dass Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen enthalten. Der Symbolbegriff setzt also eine nher zu beschreibende Analogie als Mittel voraus – ein erster wichtiger Hinweis auf das Verhltnis von Analogie und Symbol. Zunchst kann der erste Teil der Rekonstruktion von [4.2] folgendermaßen umformuliert werden: [4.2] 1) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet. 115 KU, 5: 352,11 – 13.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
103
Wie ist der sich anschließende Relativsatz zu verstehen? Worin genau ,verrichtet‘ die Urteilskraft ein ,doppeltes Geschft‘? Da „indirekte Darstellungen“ grammatikalisch als Bezugswort ausfllt, ist es plausibel anzunehmen, dass „Analogie“ das Bezugswort von „welcher“ ist.116 Die Urteilskraft scheint also ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft zu verrichten.117 Wir kçnnen ein weiteres Mal umformulieren: [4.2] 1) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), wobei die Urteilskraft in der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet.
„Analogie“ oder „analogisch“ kommt im hier relevanten Teil von § 59 insgesamt fnfmal vor.118 Das erste Vorkommen von „analogisch“ in [2] ist dabei auszuklammern, weil es dort um das Analogischsein des Verfahrens der symbolischen Hypotypose mit dem Verfahren der schematischen Hypotypose und nicht um die Analogie, die Mittel zur Symbolisierung ist, geht. Somit gibt es vier Vorkommen von „Analogie“ im dritten und vierten Absatz, die im Zusammenhang mit dem doppelten Geschft der Urteilskraft stehen. Das zweite Vorkommen in einer Fußnote zu [3] hilft uns in seiner Knappheit nicht weiter.119 Interessanter sind die beiden anderen Vorkommen im vierten Absatz. In [4.6] schreibt Kant: „Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt.“120 Und einen Satz spter, in [4.7], heißt es, dass bestimmte Worte wie „Grund“ etc. keine schematischen Hypotyposen seien, „sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“121 116 „Indirekte Darstellungen“ steht im Plural und „welcher“ kann sich grammatikalisch nur auf einen Ausdruck im Singular beziehen. Inhaltlich wrde der Bezug auf „indirekte Darstellungen“ allerdings durchaus Sinn ergeben. Dann lautete die Aussage: In der indirekten Darstellung verrichtet die Urteilskraft ein doppeltes Geschft. 117 Auf die genaue Bedeutung dessen, dass die Urteilskraft ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet, gehe ich in Kapitel 1.6 ein. 118 Vgl. KU, 5: 351,29; 352,11; 352,26; 352,33; 352,36. 119 Vgl. KU, 5: 352,34 – 36. 120 KU, 5: 352,25 – 28. 121 KU, 5: 352,31 – 353,2.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Liest man [4.6] und [4.7] zusammen, dann sagt Kant in beiden Fllen ber die Analogie aus, dass durch sie oder mittels ihrer etwas zum Symbol wird. Außerdem weisen die – an dieser Stelle noch nicht genau untersuchten – Formulierungen von [4.6] und [4.7] ber die Analogie hnlichkeiten zu Elementen des doppelten Geschfts der Urteilskraft auf („Reflexion“, „ganz anderer“). Auch deswegen ist es sinnvoll, in der Interpretation von [4.2] davon auszugehen, dass das doppelte Geschft der Urteilskraft etwas mit der Bildung einer Analogie zu tun hat. Denn liest man [4.2], [4.6] und [4.7] zusammen, dann ist in [4.2] offensichtlich das doppelte Geschft der Urteilskraft der Grund dafr, dass etwas zum Symbol fr etwas anderes wird, whrend in [4.6] und [4.7] eindeutig die Analogie als Voraussetzung fr das Symbol genannt wird.122 Das Verhltnis der Analogie zum doppelten Geschft der Urteilskraft ist also nach diesem ersten berblick so zu charakterisieren, dass Analogiebildung und doppeltes Geschft der Urteilskraft in einer noch genauer zu bestimmenden Weise eng miteinander zusammenhngen. Außerdem kann festgehalten werden, dass ein Symbol auf der Grundlage des doppelten Geschfts der Urteilskraft bzw. einer Analogie zustande kommt. 1.4.3 Die Theorie des doppelten Geschfts der Urteilskraft und das Beispiel der Symbolisierung des despotischen Staats Die Urteilskraft ,verrichtet‘ ihr Geschft in zwei Schritten, die in ,erstlich‘ und ,zweitens‘ unterschieden werden. „[4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.“123
Weiter oben hatte ich die Aussage des zweiten Teils von [4.2] bereits rekonstruiert: 122 Fr diese Interpretation von [4.2] spricht klar der Beginn des Satzes [4.3]: „So [meine Hervorhebung, SM] wird ein monarchischer Staat […] nur symbolisch vorgestellt.“ (KU, 5: 352,16 – 20). [4.3] bringt ein Beispiel fr das, was im vorigen Satz quasi in der Theorie erlutert wurde, i. e. dafr, wie der Vorgang der Symbolisierung funktioniert. Und das, was in [4.2] erlutert wird, ist im Wesentlichen das doppelte Geschft der Urteilskraft. 123 KU, 5: 352,10 – 16.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
105
[4.2] 2) Das doppelte Geschft der Urteilskraft besteht darin, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz anderen Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.
Ich krze im Folgenden den unter „erstlich“ eingefhrten Schritt als „DG1“ und den unter „zweitens“ eingefhrten Schritt als „DG2“ ab und arbeite mit dieser Rekonstruktion der Aussagen der beiden Schritte weiter: DG1: Der Begriff wird auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet. DG2 : Dann wird die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz anderen Gegenstand angewendet, wobei von diesem ganz anderen Gegenstand der erstere Gegenstand nur das Symbol ist.
Man kann deutlich erkennen, dass es sich beim doppelten Geschft der Urteilskraft um zwei verschiedene Vorgnge handelt, wobei DG2 DG1 als Schritt voraussetzt. Letzteres erhellt aus der Formulierung „erstlich […] und dann [meine Hervorhebung, SM] zweitens“. Aus dem Text lsst sich nicht entnehmen, ob dieses „dann“ lediglich im Sinne einer logischen Ordnung („DG2 setzt DG1 voraus“) oder auch zeitlich zu verstehen ist („Befolge zuerst DG1 und dann DG2“). Dieses Problem ist an dieser Stelle allerdings nicht wichtig. Entscheidend ist die systematische Ordnung beider Schritte. Dieser theoretisch gehaltenen Beschreibung des doppelten Geschfts der Urteilskraft in [4.2] folgt in [4.3] ein Beispiel, das offensichtlich der Veranschaulichung der Theorie dient (das „So“ zu Beginn des Satzes bindet [4.3] an [4.2]). Kant fhrt zwei Beispiele an: Beispiel1: Wird ein monarchischer Staat nach inneren Volksgesetzen beherrscht, wird er durch einen beseelten Kçrper symbolisch vorgestellt. Beispiel2 : Wird ein monarchischer Staat durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht, wird er durch eine bloße Maschine wie z. B. durch eine Handmhle symbolisch vorgestellt.
Weil Kant in [4.4] auf das Beispiel2 bzw. die Handmhle und den despotischen Staat ausdrcklich Bezug nimmt – wobei der von einem absoluten Willen beherrschte monarchische Staat nun als „despotischer Staat“ bezeichnet wird –, werden wir im Folgenden nur mit dem Beispiel2 weiterarbeiten. Die Aufgabe ist nun, das Beispiel der Theorie zuzuordnen. Beginnen wir zunchst mit den unproblematischen Zuordnungen. Welcher Gegenstand einer sinnlichen Anschauung ist in DG1 gemeint? Es ist die Handmhle, die Gegenstand einer sinnlichen Anschauung ist. Denn es ist
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
ja der Begriff des despotischen Staats, der symbolisch vorgestellt werden soll, dem also keine Anschauung gegeben ist. In DG2 ist mit „jene Anschauung“ wohl die Anschauung der Handmhle gemeint.124 Der ,ganz andere Gegenstand‘ msste dann der despotische Staat sein, so dass die Handmhle Symbol des despotischen Staats ist. Fr diese Zuordnung spricht auch [4.3], weil dort gesagt wird, der absolutistische-monarchische Staat werde durch eine bloße Maschine bzw. eine Handmhle symbolisch vorgestellt. DG1 und DG2 lassen sich also folgendermaßen konkretisieren: DG1: Der Begriff wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. DG2 : Dann wird die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle auf den despotischen Staat angewendet, wobei die Handmhle nur das Symbol des despotischen Staats ist.
Wir sehen, dass außer dem Bezug von „Begriff“ in DG1 auch noch die Bedeutung von „anwenden“ sowie „Regel der Reflexion“ zu klren ist. Irritierend an der Konkretisierung der Rekonstruktion der Aussage von [4.2] durch das Beispiel ist zudem, dass Kant in [4.1] klar davon spricht, dass Symbole Anschauungen sind, die Begriffen a priori unterlegt werden. Auf das Beispiel angewandt, bedeutet das, dass dem Begriff des despotischen Staats eine Anschauung a priori unterlegt wird. Allerdings ist in [4.2] bzw. DG2 vom despotischen Staat nicht als Begriff, sondern als einem „ganz anderen Gegenstand“ die Rede; die Handmhle ist entsprechend das Symbol des ,ganz anderen Gegenstands‘. Wir werden auf diese Irritation noch zurckkommen mssen. Welcher Begriff soll nun auf die Handmhle als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet werden? Zwei Kandidaten kommen in Frage, wenn wir das Beispiel, wie gehabt, der Theorie des doppelten Geschfts der Urteilskraft zuordnen: (1) der Begriff des despotischen Staats
124 Warum spricht Kant hier von „jene“ Anschauung, obwohl unmittelbar vorher nur eine Art von Anschauung genannt wurde, und man also den Ausdruck „diese“ erwarten wrde? Es muss nicht unbedingt eine Antwort auf diese Frage geben, weil es keine sinnvolle Alternative zum Bezug auf die im Satzteil zuvor genannte „sinnliche Anschauung“ gibt. Eine mçgliche Antwort kçnnte allerdings sein, dass Kant mit dem Demonstrativpronomen „jene“ gerade anzeigen will, dass es hier, im zweiten Schritt des doppelten Geschfts, gerade keine Anschauung gibt: Diese Anschauung (eines despotischen Staats) gibt es nicht, sondern nur jene (der Handmhle).
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
107
und (2) der Begriff der Handmhle.125 Dass mit „Begriff“ der Begriff des despotischen Staats gemeint sein kçnnte, ergibt sich erstens daraus, dass in [4.1] „Begriff“ zweimal vorkommt und dort jeweils auf denjenigen Begriff Bezug nimmt, der symbolisiert werden soll. Wenn Kant in [4.2] nun undifferenziert von dem „Begriff“ spricht, ist es nicht unplausibel anzunehmen, dass Kant den Ausdruck auf dieselbe Weise wie im Satz zuvor gebraucht. Somit kann man zurecht vermuten, dass es der Begriff des despotischen Staats ist, der im ersten Schritt des doppelten Geschfts auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet wird. Zweitens kann man [4.3] zugunsten der Alternative (1) anfhren. Dort schreibt Kant: „So wird ein monarchischer Staat […] durch eine bloße Maschine […] (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, […] symbolisch vorgestellt“.126 Die Aussage des Satzes lautet: Auf der Grundlage des im vorigen Satz ber das doppelte Geschft der Urteilskraft Gesagten wird ein monarchisch-absoluter bzw. despotischer Staat durch eine Maschine wie z. B. eine Handmhle symbolisch vorgestellt.
Wenn nun laut [4.1] Begriffe symbolisch vorgestellt werden, kann man diese Aussage von [4.3] so interpretieren, dass dort mit dem monarchischabsoluten bzw. despotischen Staat der Begriff des monarchisch-absoluten bzw. despotischen Staats gemeint ist. Auch diese Interpretation von [4.3] erhçht die Plausibilitt, dass der gesuchte „Begriff“ in DG1 der zu symbolisierende Begriff und somit der Begriff des despotischen Staats ist. Fr die Alternative (2) und die Zuordnung von „Begriff“ zum Begriff der Handmhle spricht dagegen die Beobachtung, dass es grammatikalisch mçglich wre, in DG1 zu schreiben: DG1: Der Begriff einer sinnlichen Anschauung wird auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet.
Das Genetivattribut von „Gegenstand“ kçnnte auch das Genetivattribut von „Begriff“ sein. Dann aber wrde eben der Begriff der Handmhle auf die Handmhle als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet.
125 In der Sekundrliteratur vertritt u. a. Gasch die Alternative (1), allerdings ohne genauer auf den Text einzugehen, geschweige denn, diese Zuordnung zu begrnden. Vgl. Gasch 2003, 212. Bornmller meint, dass ein Vernunftbegriff auf einen Gegenstand der sinnlichen Anschauung angewandt werde, ohne zu erlutern, welchen Vernunftbegriff er hier meint. Vgl. Bornmller 2007, 162. 126 KU, 5: 352,16 – 20.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Eine vorlufige Entscheidung zwischen beiden Alternativen zugunsten der zweiten Alternative lsst sich treffen, wenn wir ein weiteres Textstck aus dem vierten Absatz hinzuziehen. Im zweiten Teil von [4.7] rekapituliert Kant das doppelte Geschft der Urteilskraft folgendermaßen: „[4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“127
In [4.7] stellt sich das doppelte Geschft so dar, dass erstens ber den Gegenstand einer Anschauung reflektiert wird und dann zweitens diese Reflexion auf einen ,ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann‘, bertragen wird. Angewendet auf das Beispiel des despotischen Staats und der Handmhle hieße das also, dass zunchst ber die Handmhle reflektiert wird und dass dann diese Reflexion auf den – im Vergleich zum Begriff der Handmhle – ,ganz anderen‘ Begriff des despotischen Staats bertragen wird. Von [4.7] her kann man nun die Frage stellen, welcher „Begriff“ in DG1 nçtig ist, um ber die Handmhle reflektieren zu kçnnen. Auch ohne eine noch ausstehende Interpretation der genauen Bedeutung von „Reflexion“ ist klar, dass nicht der Begriff des despotischen Staats gemeint sein kann: erstens, weil die These unsinnig wre, dass man, um ber eine Handmhle zu reflektieren, den Begriff eines despotischen Staats bençtigt; und zweitens, weil der Begriff des despotischen Staats offensichtlich erst im Rahmen der bertragung der Reflexion bzw. im zweiten Teil des doppelten Geschfts der Urteilskraft eine Rolle spielt. Außerdem lsst sich in der Formulierung aus [4.7] „auf einen ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann [Hervorhebung SM]“ ein weiteres Argument fr die Alternative (2) finden. Wenn die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ,ganz anderen‘ Begriff bertragen wird, dann msste in der Reflexion ein Begriff involviert sein, der nicht ,ganz anders‘ ist bzw. fr den gilt, was fr den ,ganz anderen‘ Begriff nicht gilt: dass ihm eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Und das trifft auf den Begriff der Handmhle bzw. der sinnlichen Anschauung der Handmhle zu. 127 KU, 5: 352,28 – 353,2.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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DG1 kann also ein weiteres Mal umformuliert werden: DG1: Der Begriff einer sinnlichen Anschauung (der Handmhle) wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet.
Ist aber der Begriff der Handmhle tatschlich nçtig, um ber die Handmhle reflektieren zu kçnnen? Um diese Frage zu beantworten, mssen wir im bernchsten Kapitel 1.4.5 die Bedeutung von „Reflexion“ klren. 1.4.4 „Ganz andere Gegenstnde“ oder „ganz andere Begriffe“ – was wird in den Beispielen symbolisiert? Zunchst mssen wir jedoch auf das oben angesprochene Problem zurckkommen, dass Kant in [4.2] von einem „ganz anderen Gegenstand“ spricht, der symbolisiert wird, dass aber sowohl in [4.1] als auch in [4.7] jeweils von einem Begriff oder einem „ganz anderen Begriff“ die Rede ist, der symbolisiert werden soll. „[4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.“128
Mit Blick auf [4.7] kçnnte man nun behaupten, dass der ,ganz andere Gegenstand‘ in DG2, auf den die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle angewendet wird, der jeweils zu symbolisierende Begriff des despotischen Staats ist. Allerdings htte dann „Gegenstand“ in [4.2] zwei verschiedene Bezugsobjekte. DG1: Der Begriff einer sinnlichen Anschauung (der Handmhle) wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. DG2 : Dann wird die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle auf den ganz anderen Gegenstand des despotischen Staats angewendet, wobei die Handmhle nur das Symbol des despotischen Staats ist.
In DG1 wrde „Gegenstand“ sich auf einen in der Anschauung gegebenen Gegenstand beziehen; in DG2 wrde „Gegenstand“ auf einen Begriff verweisen. Man kçnnte die Rede vom „ganz anderen Gegenstand“ in [4.2] 128 KU, 5: 352,10 – 16.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
so interpretieren, dass das Ganz-Andere am zu symbolisierenden Gegenstand gerade das ist, dass er ein Begriff ist. Weder diese Vermutung noch die Annahme, dass „Gegenstand“ hier zwei Bezugsobjekte haben sollte, klingt berzeugend. Ein Blick in [4.3] und [4.4] verdeutlicht die mangelnde Plausibilitt dieser Interpretation: „[4.3] So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Kçrper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fllen aber nur s y m b o l i s c h vorgestellt. [4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“129
Oben hatte ich die Interpretation vorgeschlagen, dass mit „monarchischer Staat“ in [4.3] der Begriff des monarchischen Staats gemeint ist. Liest man [4.2] bis [4.4] im Zusammenhang, scheint es plausibler, dass Kant mit „monarchischer Staat“ in [4.3] und mit „despotischer Staat“ in [4.4] jeweils den „ganz anderen Gegenstand“ als Gegenstand und nicht dessen Begriff meint. In [4.4] expliziert Kant zudem, was er in [4.2] mit dem GanzAnders-Sein des zu symbolisierenden Gegenstands meint: Ein despotischer Staat und eine Handmhle haben keine hnlichkeit miteinander. Dies lsst sich auf dem Hintergrund der Interpretation von KU, § 90 – siehe dazu Kapitel 1.2 – so verstehen, dass beide Gegenstnde zu vçllig disparaten Gattungen gehçren.130 Gilt fr das Verhltnis von despotischem Staat und Handmhle aber dasselbe wie fr das Verhltnis von menschlichem Verstand und dem hçchsten Wesen? Kçnnte man auch ber den despotischen Staat – wie ber das hçchste Wesen – aussagen, dass er kein ,Weltwesen‘ ist und dass er deswegen keine sinnlich-bedingte Kausalitt hat? Es ist schwierig, ohne nhere Anhaltspunkte im Kant’schen Text die Unhnlichkeit zwischen beiden Gegenstnden exakter zu bestimmen. Einerseits ist es unplausibel, den despotischen Staat wie das hçchste Wesen als Gegenstand einer Idee oder eines Vernunftbegriffs aufzufassen.131 129 KU, 5: 352,16 – 22. 130 Eine Handmhle ist ein Einzelding, ein Kulturprodukt, ein Haushaltsgegenstand, der von einem Menschen bedient wird, um z. B. Kaffeebohnen zu zerkleinern. Ein despotischer Staat ist zwar auch ein Kulturprodukt, aber kein Einzelding wie eine Handmhle. Er ist eine Institution, eine soziale Entitt, zu der mehrere Menschen gehçren. 131 Kant spricht zwar in der Rechtslehre vom Staat ,in der Idee‘: „Ein Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen. So fern diese als Gesetze a priori notwendig, d.i. aus Begriffen des ußeren Rechts berhaupt von
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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Andererseits haben wir keine gewçhnlichen Anschauungen vom despotischen Staat als Gegenstand. Wir kçnnen zwar seine Wirkungen sehen und den Monarchen, der im despotischen Staat absolut regiert etc. Aber wir kçnnen den Staat nicht anschauen wie eine Handmhle oder ein anderes Einzelding. Ich komme spter noch auf den Status des despotischen Staats zurck.132 Jedenfalls drfte klar sein, dass zwischen dem Gegenstand des despotischen Staats, dessen Symbol laut [4.2] die Handmhle ist, den Gegenstnden der in [4.7] genannten symbolischen Ausdrcke („Substanz“ etc.) sowie der Vernunftidee eines hçchsten Wesens Unterschiede bestehen. Ein despotischer Staat hat weder den Status eines reinen Verstandesbegriffs noch den einer Vernunftidee, obwohl prima facie hnliches fr ihn gilt wie fr reine Verstandes- und Vernunftbegriffe: Wir haben keine Anschauungen von ihm. Es ist also festzuhalten: In DG1 geht es ausdrcklich um den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, auf den der Begriff angewendet wird. In DG2 ist hingegen von einem ,ganz anderen‘ Gegenstand die Rede, wobei nicht klar ist, welchen ,ganz anderen‘ Status dieser Gegenstand genau hat. Sicher ist nur, dass wir von ihm keine gewçhnlichen sinnlichen Anschauungen haben. Kant sagt in [4.4] lediglich ber beide Gegenstnde aus, dass sie keine hnlichkeit miteinander haben, was ich so interpretiere, dass sie disparaten Gattungen zugehçren.133 DG2 kann somit przisiert werden: selbst folgend (nicht statutarisch) sind, ist seine Form die Form eines Staats berhaupt, d.i. der Staat i n d e r I d e e , wie er nach reinen Rechtsprinzipien sein soll, welche jeder wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im Inneren) zur Richtschnur (norma) dient.“ (MSRL, 6: 313,10 – 16). Es wird an dieser Stelle aber deutlich, dass der ,Staat in der Idee‘ der Staat ist, wie er nach Prinzipien der praktischen Vernunft sein soll. Ein despotischer Staat ist aber sicherlich nicht ein Staat, ,wie er nach reinen Rechtsprinzipien sein soll‘; denn in ihm regieren gerade keine a priori notwendigen Gesetze, die ,nicht statutarisch‘, i. e. nicht willkrlich gesetzt sind, sondern gerade der absolute Wille eines Monarchen, dessen Gesetze, wenn er welche erlsst, statutarische Geltung haben. Deswegen kann man vom despotischen Staat nicht sagen, dass er den Status einer Vernunftidee hat. 132 Vgl. dazu Kapitel 1.4.7 und 1.7. 133 Wie disparat die unterschiedliche Gattungszugehçrigkeit im Fall des Beispiels des despotischen Staats ist, erfhrt man im Text nicht. Man kçnnte auch die Frage stellen, ob eine bestimmte Disparatheit in der Gattungszugehçrigkeit notwendig ist, damit wir einen Gegenstand symbolisieren kçnnen. So kçnnte es z. B. sein, dass es sich bei dem Gegenstand, der symbolisiert werden soll, immer um einen nichtanschaulichen Gegenstand handeln muss.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle wird auf den ganz anderen Gegenstand des despotischen Staats angewendet, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat.
Wie aber ist zu verstehen, dass Kant im § 59 berwiegend davon spricht, dass Begriffe symbolisiert werden, und nun in [4.2] bis [4.4] behauptet wird, dass der Gegenstand einer sinnlichen Anschauung Symbol des ganz anderen Gegenstands sei? Zur Erinnerung: Wir hatten gesehen, dass auch in [4.7] von der symbolischen Hypotypose ,ganz anderer Begriffe‘ die Rede ist. Außerdem werden im zweiten Absatz sowie in [4.1] und [4.8] allgemein Begriffe oder Ideen als das gekennzeichnet, was symbolisiert wird. Kçnnen also – mit [4.2] bis [4.4] – Gegenstnde auch andere Gegenstnde symbolisieren? Es ist nicht zu leugnen, dass die Stze [4.2] bis [4.4] diese Frage anscheinend positiv beantworten. Es kçnnte allerdings sein, dass Kant hier eine Ungenauigkeit im Ausdruck unterluft. Meine These dazu ist: Wir brauchen das Symbol der Handmhle, um uns den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats zu veranschaulichen. Symbole haben eine bestimmte Funktion. Es gibt keine allgemeinen Symbole fr Gegenstnde, sondern nur indirekte Darstellungen von Gegenstnden, die auf bestimmte Weise begrifflich vorgestellt werden. Die Aussage aus [4.1], dass Begriffe symbolisiert werden, lsst sich konsistent auf den in [4.2] formulierten zweiten Schritt des doppelten Geschfts und die dortige Rede vom „ganz anderen Gegenstand“ anwenden, weil der despotische Staat als Gegenstand symbolisiert wird, sofern die Regel der Reflexion ber die Handmhle auf ihn angewendet wird. Dadurch kann der Begriff seiner spezifischen Kausalitt indirekt dargestellt werden. Diese These zu begrnden, soll u. a. Aufgabe der beiden folgenden Kapitel sein. Nicht nur deswegen, sondern v. a. wegen eines besseren Verstndnisses des doppelten Geschfts der Urteilskraft mssen wir uns im Folgenden der Interpretation weiterer Begriffe aus dem zweiten Schritt des doppelten Geschfts der Urteilskraft (,Reflexion‘, ,Regel der Reflexion‘, ,anwenden‘) widmen. Vorerst ist festzuhalten, dass Kant in seiner Erluterung des doppelten Geschfts der Urteilskraft in [4.2] sowie im Handmhlenbeispiel in [4.3] und [4.4] von ,ganz anderen‘ Gegenstnden spricht, die symbolisiert werden, whrend er im brigen § 59 immer von Begriffen spricht, die symbolisch vorgestellt werden. Hier noch einmal die bisherige Rekonstruktion des doppelten Geschfts:
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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DG1: Der Begriff einer sinnlichen Anschauung (der Handmhle) wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle wird auf den ganz anderen Gegenstand des despotischen Staats angewendet, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat.
1.4.5 „Reflexion“ und die Anwendung des Begriffs auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung Wenn Kant von einem „doppelten Geschft der Urteilskraft“ spricht, wird man annehmen kçnnen, dass das Ergebnis dieses Geschfts ein Urteil ist oder dass das Geschft aus einem oder mehreren Urteilen besteht. In beiden Schritten des doppelten Geschft geht es zunchst jedoch um ein „Anwenden“. In DG1 wird der Begriff einer sinnlichen Anschauung auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung angewendet. In DG2 heißt es, dass die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle auf den Gegenstand des despotischen Staats angewendet wird. Kant berichtet von keinem anderen Schritt innerhalb des Geschfts der Urteilskraft, in dem ber die Anschauung der Handmhle reflektiert wrde, was aber Voraussetzung fr den zweiten Schritt und die Anwendung der Regel dieser Reflexion ist. Also liegt der Schluss nahe, dass die Anwendung des Begriffs auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung im ersten Schritt des doppelten Geschfts als Reflexion zu verstehen ist und DG2 dementsprechend auf den ersten Schritt Bezug nimmt. Diese Interpretation lsst sich durch eine Interpretation von [4.7] ergnzen: „[4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“134
Kant spricht hier mit Blick auf die symbolische Hypotypose von einer ,Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung‘, die auf einen ,ganz anderen Begriff‘ bertragen wird. Wenn wir davon ausgehen, dass Kant in [4.7] das doppelte Geschft der Urteilskraft rekapituliert und [4.2] von 134 KU, 5: 352,28 – 353,2.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
[4.7] her interpretieren, liegt im ersten Schritt die Reflexion ber den Gegenstand der Handmhle vor. Diese Reflexion wird dann im zweiten Schritt auf den Begriff des despotischen Staats bertragen. Allerdings gibt es, was den zweiten Schritt betrifft, eine Divergenz zwischen [4.2] und [4.7]: Denn in [4.2] wird die Regel der Reflexion auf einen ,ganz anderen Gegenstand‘ angewendet, whrend in [4.7] die Reflexion auf einen ,ganz anderen Begriff‘ bertragen wird – eine Divergenz, die uns schon kurz beschftigt hat und spter noch beschftigen wird.135 Auch [4.4] lsst sich als weiterer Beleg dazu anfhren, dass mit der „Anwendung“ in [4.2] ein Reflektieren gemeint ist, zumal [4.4] im direkten Kontext von [4.2] steht: „[4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“136
Hier spricht Kant von einer zweifachen Reflexion, einerseits ber die Handmhle, andererseits ber den despotischen Staat. Zudem ist die Regel beider Reflexionen hnlich, was einen weiteren Bezug zu [4.2] und der dort genannten ,Regel der Reflexion‘ herstellt.137 Die beiden Schritte des doppelten Geschfts kçnnen also erneut umformuliert werden: DG1: Der Begriff einer sinnlichen Anschauung (der Handmhle) wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet, i. e. wir reflektieren ber einen Gegenstand der Anschauung, nmlich ber eine Handmhle. DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle wird auf den ganz anderen Gegenstand des despotischen Staats angewendet, i. e. die Reflexion ber die Handmhle wird auf den Begriff des despotischen Staats bertragen, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat.
Da von einem „doppelten Geschft der Urteilskraft“ und von „Reflexion“ die Rede ist, scheint es des Weiteren sinnvoll zu sein, hier die reflektierende 135 Vgl. dazu Kapitel 1.4.7. 136 KU, 5: 352,20 – 22. 137 Auf den Satz [4.4] gehe ich gleich noch nher ein. Ich weise aber schon an dieser Stelle darauf hin, dass die Meiner-Ausgabe den Ausdruck „Regel“ in KU, 5: 352,22 im Singular verwendet, whrend die Akademie-Ausgabe den Ausdruck „Regel“ in den Plural setzt. Aus den in der Einleitung genannten Grnden sttze ich mich auf die Lesart der Meiner-Ausgabe.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
115
Urteilskraft am Werke zu sehen.138 Man muss allerdings einrumen, dass der Ausdruck „anwenden“ sowie die Formulierung des ersten Schritts des doppelten Geschfts („den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung anwenden“) trotz der zuvor angefhrten Argumente auch darauf hindeuten kçnnten, dass es sich im ersten Schritt nicht um eine Reflexion handelt, sondern dass die bestimmende Urteilskraft hier ttig ist. Deswegen ist es nçtig, etwas genauer zu untersuchen, was den Unterschied zwischen bestimmender und reflektierender Urteilskraft ausmacht. Die „reflektierende Urteilskraft“ ist in Gestalt der „teleologischen Urteilskraft“ Hauptthema des Zweiten Teils der KU. Fr unsere Zwecke muss es ausreichen, einen Blick darauf zu werfen, was Kant grundstzlich unter „Reflexion“ versteht. Dazu mssen wir allerdings den § 59 verlassen, weil wir dort nur indirekt etwas ber die Bedeutung von „Reflexion“ erfahren. Prgnante Definitionen findet sich in der Einleitung der KU sowie in der EEKU:139 „Urteilskraft berhaupt ist das Vermçgen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert, (auch wenn sie als transzendentale Urteilskraft a priori die Bedingungen angibt, welchen gemß allein unter jenem Allgemeinen subsumiert werden kann) b e s t i m m e n d . Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß r e f l e k t i e r e n d .“140 „Die Urtheilskraft kann entweder als bloßes Vermçgen ber eine gegebene Vorstellung, zum Behuf eines dadurch mçglichen Begrifs, nach einem gewissen Princip zu r e f l e c t i r e n , oder als ein Vermçgen einen zum Grunde liegenden Begrif durch eine gegebene empirische Vorstellung zu b e s t i m m e n angesehen werden. Im ersten Falle ist sie die r e f l e c t i r e n d e , im zweiten die b e s t i m m e n d e U r t h e i l s k r a f t . R e f l e c t i r e n (berlegen) aber ist: gegebene Vorstellungen entweder mit andern, oder mit seinem Erkenntnißvermçgen, in Beziehung auf einen dadurch mçglichen Begrif, zu vergleichen und zusammen zu halten. Die reflectirende Urtheilskraft ist diejenige, welche man auch das Beur-theilungsvermçgen (facultas diiudicandi) nennt.“141 138 Man kçnnte „Reflexion“ zwar auch allgemein im Sinne von „Nachdenken“ verstehen. Der Kontext deutet aber zu stark auf die Verbindung von Reflexion und Urteilskraft und damit auf die reflektierende Urteilskraft hin, als dass man sich die nun folgenden berlegungen ersparen kçnnte. 139 Zur Geschichte dieser Schrift vgl. Kant 2009a, 473 – 481. In der EEKU ist der gesamte Abschnitt V. Von der reflectirenden Urtheilskraft aufschlussreich (20: 211,6 – 216,31). 140 KU, 5: 179,19 – 26. 141 EEKU, 20: 211,8 – 18.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
In der Einleitung der KU meint Kant, dass die Urteilskraft dann reflektierend arbeitet, wenn ein Besonderes gegeben ist und dazu das Allgemeine (eine Regel, ein Prinzip, ein Gesetz) gefunden werden soll. In der EEKU erlutert er dies noch etwas exakter: „Reflektieren“ bedeutet, gegebene Vorstellungen mit anderen Vorstellungen oder mit seinem Erkenntnisvermçgen ,in Beziehung auf einen dadurch mçglichen Begriff zu vergleichen und zusammen zu halten‘.142 Mit anderen Worten: „Reflektieren“ bedeutet, gegebene Vorstellungen mit anderen Vorstellungen oder mit bereits vorhandenen Erkenntnissen zu vergleichen, um einen Begriff dieser gegebenen Vorstellungen zu finden. Eine weitere Stelle aus der EEKU macht deutlich, was die Grundlage des Vorgangs der Reflexion ist: „Das Princip der Reflexion ber gegebene Gegenstnde der Natur ist: daß sich zu allen Naturdingen empirisch bestimmte B e g r i f f e finden lassen, welches eben so viel sagen will, als daß man allemal an ihren Producten eine Form voraussetzen kann, die nach allgemeinen, fr uns erkennbaren Gesetzen mçglich ist.“143
Das Prinzip oder die Grundlage der Reflexion ist, dass wir an allen Produkten der Natur eine fr uns prinzipiell erkennbare, allgemeine Form voraussetzen kçnnen. 144 Das Ergebnis der Reflexion, der ,empirisch bestimmte Begriff‘, spiegelt in seiner Eigenschaft als Begriff genau diese allgemeine Form wider, die an den Produkten der Natur vorausgesetzt werden kann. 142 Worauf bezieht sich das „dadurch“? Es kçnnte sich auf die gegebenen Vorstellungen beziehen, so dass die Begriffe durch das Gegebensein von Vorstellungen mçglich wren. Oder es kçnnte sich auf die Reflexion im Ganzen beziehen, so dass die Begriffe durch die Reflexion mçglich wren. Die Begriffe wren also die Ergebnisse der Reflexion und nicht bereits Bestandteil der Reflexion. Fr die zweite Alternative spricht die Quasi-Definition von „Reflektieren“ im Zitat aus der EEKU: Reflektieren bedeutet das Vergleichen von gegebenen Vorstellungen mit anderen Vorstellungen oder ,mit seinem Erkenntnisvermçgen‘, was man wohl im Sinne von „mit vorhandenen Erkenntnissen“ verstehen kann. Der Vergleich, in dem die Reflexion besteht, geschieht ,in Beziehung auf einen dadurch mçglichen Begriff‘. Der Vergleich hat den Begriff somit zur Absicht und nicht zur Voraussetzung. Wir reflektieren ber gegebene Vorstellungen mit dem Ziel, einen Begriff zu finden. 143 EEKU, 20: 211,25 – 212,2. 144 Ich kann hier nicht nher auf dieses Prinzip eingehen. Es handelt sich um das transzendentale Prinzip der Urteilskraft a priori, wonach die Natur ein System nach empirischen Gesetzen ist (vgl. EEKU, 20: 212,32 – 34). In der Vorrede zur KU spricht Kant vom „Prinzip“ (KU, 5: 180,34 – 37).
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
117
Etwas spter im Text heißt es ber die Reflexion: „Denn es frgt sich, wie man hoffen kçnne, durch Vergleichung der Wahrnehmungen zu empirischen Begriffen desjenigen, was den verschiedenen Naturformen gemein ist, zu gelangen, wenn die Natur (wie es doch zu denken mçglich ist) in diese, wegen der großen Verschiedenheit ihrer empirischen Gesetze, eine so große Ungleichartigkeit gelegt htte, daß alle, oder doch die meiste Vergleichung vergeblich wre, eine Einhelligkeit und Stufenordnung von Arten und Gattungen unter ihnen herauszubringen. Alle Vergleichung empirischer Vorstellungen, um empirische Gesetze und diesen gemße s p e c i f i s c h e , durch dieser ihre Vergleichung aber mit anderen auch g e n e r i s c h - b e r e i n s t i m m e n d e Formen an Naturdingen zu erkennen, setzt doch voraus: daß die Natur auch in Ansehung ihrer empirischen Gesetze eine gewisse unserer Urtheilskraft angemessene Sparsamkeit und eine fr uns fasliche Gleichformigkeit beobachtet habe, und diese Voraussetzung muß, als Princip der Urtheilskraft a priori, vor aller Vergleichung vorausgehen. Die reflectirende Urtheilskraft verfhrt also mit gegebenen Erscheinungen, um sie unter empirische Begriffe von bestimmten Naturdingen zu bringen, nicht schematisch, sondern t e c h n i s c h “.145
Drei Aussagen zum Ergebnis der Reflexion lassen sich aus diesem Textausschnitt herauslçsen: (A) Wir hoffen durch einen Vergleich der Wahrnehmungen zu empirischen Begriffen der verschiedenen Naturformen zu gelangen.146 (B) Wir vergleichen empirische Vorstellungen, um empirische Gesetze und diesen Gesetzen gemße spezifische, generisch bereinstimmende Formen an Naturdingen zu erkennen. (C) Die reflektierende Urteilskraft verfhrt mit gegebenen Erscheinungen auf technische Weise, um die Erscheinungen unter empirische Begriffe von bestimmten Naturdingen zu bringen.
In (A) und (C) lassen sich jeweils empirische Begriffe als Ergebnis der Reflexion ausmachen, wobei in (A) noch ergnzt wird, dass es sich um empirische Begriffe von Naturformen handelt. In (B) werden empirische Gesetze und diesen Gesetzen entsprechende Formen an Naturdingen als Erkenntnisziel der Reflexion bezeichnet. Eine der Naturformen ist z. B. die Naturform, die der Handmhle und dem despotischen Staat gemeinsam ist: die mechanische Kausalitt.
145 EEKU, 20: 213,8 – 25. 146 Wenn man davon ausgeht, dass Begriffe das, was bestimmten Entitten gemeinsam ist, zum Inhalt haben, kann auf die Formulierung „empirische Begriffe desjenigen, was den verschiedenen Naturformen gemein ist“ in der Rekonstruktion verzichtet werden.
118
1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Wie kann man diese Vielzahl von Begriffen (empirische Gesetze, Naturformen, empirische Begriffe) in der Ttigkeit der reflektierenden Urteilskraft sinnvoll einander zuordnen? Auf der Grundlage der gerade zitierten Textpassage mçchte ich folgende Zuordnung vorschlagen: Empirische Begriffe der verschiedenen Naturformen sind begriffliche Vorstellungen der empirischen Gesetze und der ihnen gemßen Naturformen.147 Die empirischen Begriffe sind also nicht die empirischen Gesetze oder Naturformen, sondern Vorstellungen dieser Gesetze oder Naturformen, hnlich wie die Anschauung der Handmhle die Vorstellung des Gegenstands Handmhle ist. Als solche begrifflichen Vorstellungen fassen die empirischen Begriffe die Erkenntnis der empirischen Gesetze und der ihnen gemßen Naturformen in sich. Wir kçnnen also durch die Anwendung dieser Begriffe z. B. die Erkenntnis zum Ausdruck bringen, dass die Art und Weise, wie eine Handmhle Ursache ist, einer mechanischen Kausalitt entspricht. Diese Unterscheidung innerhalb der Reflexion zwischen den empirischen Gesetzen und den empirischen Begriffen der diesen Gesetzen gemßen Naturformen wird in diesem Kapitel noch wichtig sein. Die empirischen Begriffe der verschiedenen Naturformen sind laut Kant von den „allgemeinen Naturbegriffen, unter denen berhaupt ein Erfahrungsbegrif (ohne besondere empirische Bestimmung) allererst mçglich ist“, i. e. von den Kategorien unterschieden.148 Eine Stelle aus der Einleitung der KU macht den wichtigen Unterschied zwischen den allgemeinen Naturbegriffen und den empirischen Begriffen deutlich und verbindet diese Unterscheidung auch mit der Differenz von bestimmender und reflektierender Urteilskraft: „Wir finden nmlich in den Grnden der Mçglichkeit einer Erfahrung zuerst freilich etwas Notwendiges, nmlich die allgemeinen Gesetze, ohne welche Natur berhaupt (als Gegenstand der Sinne) nicht gedacht werden kann; und diese beruhen auf den Kategorien, angewandt auf die formalen Bedingungen aller uns mçglichen Anschauung, sofern sie gleichfalls a priori gegeben ist. Unter diesen Gesetzen nun ist die Urteilskraft bestimmend; denn sie hat nichts zu tun, als unter gegebenen Gesetzen zu subsumieren. Z.B. der Verstand sagt: alle Vernderung hat ihre Ursache (allgemeines Naturgesetz); die transzendentale Urteilskraft hat nun nichts weiter zu tun, als die Bedingung der Subsumtion unter dem vorgelegten Verstandesbegriff a priori anzugeben; und 147 Die Identifizierung von Begriffen als Vorstellungen findet sich in KrV, B 376 – 377 (3: 249,17 – 250,14). Es ist hier leider nicht mçglich, nher auf dieses Thema einzugehen. 148 EEKU, 20: 212,7 – 9.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
119
das ist die Sukzession der Bestimmungen eines und desselben Dinges. Fr die Natur nun berhaupt (als Gegenstand mçglicher Erfahrung) wird jenes Gesetz als schlechterdings notwendig erkannt. – Nun sind aber die Gegenstnde der empirischen Erkenntnis, außer jener formalen Zeitbedingung, noch auf mancherlei Art bestimmt oder, soviel man a priori urteilen kann, bestimmbar, so daß spezifisch-verschiedene Naturen außer dem, was sie als zur Natur berhaupt gehçrig gemein haben, noch auf unendlich mannigfaltige Weise Ursache sein kçnnen; und eine jede dieser Arten muß (nach dem Begriffe einer Ursache berhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz ist, mithin Notwendigkeit bei sich fhrt, ob wir gleich, nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermçgen, diese Notwendigkeit gar nicht einsehen. Also mssen wir in der Natur, in Ansehung ihrer bloß empirischen Gesetze, eine Mçglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die fr unsere Einsicht dennoch zufllig sind (a priori nicht erkannt werden kçnnen) […] Folglich, weil die gesetzliche Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer notwendigen Absicht (einem Bedrfnis) des Verstandes gemß, aber zugleich doch als an sich zufllig erkennen, als Zweckmßigkeit der Objekte (hier der Natur) vorgestellt wird: so muß die Urteilskraft, die in Ansehung der Dinge unter mçglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen bloß reflektierend ist, die Natur in Ansehung der letzteren nach einem P r i n z i p d e r Z w e c k m ß i g k e i t fr unser Erkenntnisvermçgen denken, welches dann in obigen Maximen der Urteilskraft ausgedrckt wird.“149
Die Urteilskraft ist bestimmend, wenn sie ein Besonderes unter die allgemeinen Gesetze der Natur subsumiert. Die reflektierende Urteilskraft kommt dagegen dort zum Einsatz, wo es darum geht, Dinge unter mçgliche bzw. noch zu entdeckende empirische Gesetze zu bringen. Prinzipiell gibt es ,unendlich mannigfaltige‘ Weisen, wie etwas Ursache sein kann; ein Urteil der bestimmenden Urteilskraft gibt uns darber keine Auskunft. Die reflektierende Urteilskraft geht dagegen davon aus, wie etwas in einem konkreten Fall Ursache ist, und versucht, die ,Regel, […] die Gesetz‘ ist, zu dieser Art, Ursache zu sein, zu finden. Wie lassen sich die berlegungen und Unterscheidungen aus der EEKU und der Einleitung der KU mit dem § 59 der KU in Verbindung bringen? Wir kçnnten zunchst sagen, dass in DG1 die Urteilskraft insofern bestimmend ttig ist, als die Handmhle unter das gegebene Gesetz der Kausalitt subsumiert wird. Sie ist Ursache mçglicher Vernderungen in der Welt. Allerdings gibt uns die bestimmende Urteilskraft im ersten Schritt des doppelten Geschfts nicht die Regel an, wie die Handmhle Ursache fr eine Wirkung ist. Wenn also im ersten Schritt des doppelten Geschfts die Regel, wie die Handmhle Ursache fr ihre Wirkungen ist, beurteilt werden soll, muss der erste Schritt auch eine Reflexion enthalten. 149 KU, 5: 182,37 – 183,26; 184,2 – 10.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Es scheint nun kein Widerspruch darin zu liegen, dass die Urteilskraft im ersten Schritt sowohl bestimmend ttig ist, indem sie die Handmhle unter das allgemeine Gesetz der Kausalitt bringt, als auch reflektierend, indem sie von der Anschauung der Handmhle ausgehend nach der Regel fragt, wie die Handmhle genau Ursache von Vernderungen in der Welt ist. Wrde es sich jedoch nur um ein bestimmendes Urteil handeln, wsste man lediglich, dass die Handmhle ein Gegenstand ist, der Ursache fr mçgliche Vernderungen in der Welt ist. Außerdem htte „Begriff“ in DG1 dann eine andere Bedeutung als diejenige, von der ich bisher ausgegangen bin. Dann wrde „Begriff“ nmlich „reiner Verstandesbegriff der Kausalitt“ bedeuten. Versteht man DG1 wie vorgeschlagen: „Der Begriff einer sinnlichen Anschauung (der Handmhle) wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet“, wrde hingegen der empirische Begriff, von dem in der EEKU die Rede ist, der „Begriff“ einer sinnlichen Anschauung sein.150 Ob es sich im ersten Schritt lediglich um ein bestimmendes oder um ein bestimmendes und reflektierendes Urteil handelt, hngt also davon ab, ob der erste Schritt so verstanden wird, dass wir es in diesem Schritt bereits mit dem empirischen Begriff der Handmhle zu tun haben oder nicht. Um diese Frage zu klren, ist eine Interpretation von [4.4] ußerst aufschlussreich. „[4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“151
Das „Denn“ weist zurck auf die Aussage im Satz [4.3], wonach der beseelte Kçrper oder die Handmhle nur symbolische – was auch bedeutet: keine schematischen – Vorstellungen des monarchischen bzw. des despotischen Staats sind. Es sind nur symbolische Vorstellungen, ,denn‘ – und jetzt beschrnkt sich Kant auf eines der beiden Beispiele – zwischen einem despotischen Staat und einer Handmhle bestehe keine hnlichkeit. Damit etwas symbolische Vorstellung fr einen Gegenstand sein kann, ist also nicht gefordert, dass zwischen dem Gegenstand, der symbolisch vorgestellt wird, und dem Gegenstand, der ,nur das Symbol ist‘, eine hnlichkeit besteht.152 150 Vgl. dazu EEKU, 20: 211,25 – 212,2; 213,8 – 10. 151 KU, 5: 352,8 – 22. In der Akademie-Ausgabe steht in Zeile 22 anstelle von „der Regel“ „den Regeln“. 152 Ich hatte schon in Kapitel 1.4.4 darauf hingewiesen, dass die mangelnde hnlichkeit zwischen den beiden Gegenstnden im Blick auf KU, § 90 so verstanden
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
121
Die hnlichkeit, die fr eine symbolische Vorstellung nçtig ist, muss in anderer Hinsicht bestehen und zwar hinsichtlich ,der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren‘. Dieser zweite Teil des Satzes [4.4] birgt einige Interpretationsprobleme. Da ist zunchst das Problem, dass man bei der Formulierung „zwischen der Regel“ grammatikalisch eine Fortsetzung von der Art „zwischen der Regel A und der Regel B“ erwarten wrde. Stattdessen ist von einer einzigen Regel die Rede. An dieser Stelle ist, wie bereits in einigen Fußnoten erwhnt, hervorzuheben, dass der Text der Akademie-Ausgabe nicht „der Regel“, sondern „den Regeln“ lautet.153 Ich komme gleich darauf zurck, ob diesen beiden Alternativen auf der Ebene des Textes auch inhaltliche Alternativen entsprechen oder nicht. Zunchst gehe ich aber von der Textgestalt der fr diese Arbeit maßgeblichen Ausgabe der KU und somit vom Singular des Ausdrucks „Regel“ aus. Die Regel wird inhaltlich qualifiziert als Regel, ber die Gegenstnde der Handmhle und des despotischen Staats und ihre jeweilige Kausalitt zu reflektieren.154 Wir haben es also mit zwei Reflexionen zu tun. Die grammatikalische Irritation mit „der Regel“ im Singular kçnnte man auf der Grundlage der inhaltlichen Aussage entsprechend so zerstreuen, dass man umformuliert: [4.4] Es besteht eine hnlichkeit zwischen der Regel, ber die Handmhle und ihre Kausalitt zu reflektieren, und der Regel, ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren.
Beleuchten wir von dieser Aussage her das doppelte Geschft der Urteilskraft, so scheint es in DG1 um die Reflexion ber die Handmhle und werden kann, dass beide Gegenstnde zu disparaten Gattungen gehçren, dass sie also wesentliche Eigenschaften nicht gemeinsam haben. 153 In den Anmerkungen zum fnften Band der Akademie-Ausgabe findet sich der Hinweis, dass Benno Erdmann sich in seiner 1880 besorgten Ausgabe der KU mit seiner Variante „der Regel“ auf den Text der ersten Auflage der KU von 1790 bezieht. Vgl. dazu KU, 5: 538. Ausgehend von den Angaben des Herausgebers der KU in der Akademie-Ausgabe, Wilhelm Windelband, sowie des Herausgebers der Meiner-Ausgabe des Textes von 2001, Heiner F. Klemme, sttzen sich diese beiden Ausgaben prinzipiell eher auf die zweite Auflage des Textes der KU von 1793, so dass der Schluss naheliegt, dass in dieser zweiten Auflage des Textes von 1793 statt „der Regel“ „den Regeln“ steht. Vgl. dazu KU, 5: 526 – 527 und Klemme in Kant 2009a, 254. Weshalb sich Klemme an dieser Stelle gegen den Text der zweiten Auflage und mit Erdmann zugunsten des Textes der ersten Auflage entschieden hat, wird in der Meiner-Ausgabe nicht weiter erlutert. 154 Kant spricht nur von ,beiden‘ und da mit diesem Ausdruck in [4.2] Gegenstnde gemeint sind, liegt es nahe, auch hier die Handmhle und den despotischen Staat als Gegenstnde zu verstehen.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
ihre Kausalitt zu gehen und in DG2 um die Reflexion ber den despotischen Staat und seine Kausalitt. Dabei wrde [4.4] im Vergleich zu [4.2] allerdings nicht den Umstand zum Ausdruck bringen, dass im zweiten Schritt des doppelten Geschfts die bloße Regel der Reflexion ber die Handmhle auf den ganz anderen Gegenstand des despotischen Staats ,angewendet‘ wird. In [4.4] scheint es keinen Unterschied zwischen der Reflexion ber die Handmhle und der Reflexion ber den ,ganz anderen Gegenstand‘ zu geben. Der Vergleich von [4.2] und besonders des zweiten Schritts des doppelten Geschfts mit [4.4] gibt auch Aufschluss ber die sachliche Ursache fr die beiden Alternativen auf textlicher Ebene von „Regel“ im Singular und Plural. In [4.2] ist von „der Regel“ die Rede, so dass die Entscheidung zugunsten von „Regel“ im Singular in [4.4] den Bezug der beiden Stze aufeinander strker zum Ausdruck bringt. Das gilt nicht zuletzt, weil laut [4.2] die Regel der Reflexion ber den Gegenstand der sinnlichen Anschauung auf den ganz anderen Gegenstand angewendet wird, so dass man in [4.2] den Eindruck gewinnt, dass in beiden Schritten des doppelten Geschfts eine Regel angewendet wird. Die Alternative „den Regeln“ bringt dagegen strker zum Ausdruck, dass wir in beiden Fllen reflektieren und diese Reflexion in beiden Fllen auf Begriffe bzw. Regeln fhrt. Dass man im Ergebnis der Reflexionen eine hnlichkeit zwischen beiden Regeln feststellt, ist damit nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Die Alternative „den Regeln“ macht die Formulierung des Satzes mit „hnlichkeit“ plausibler. Wie wir gerade in dem Versuch, die Aussage von [4.4] zu rekonstruieren, gezeigt haben, erwartet man, wenn von „hnlichkeit“ gesprochen wird, eine hnlichkeit zwischen A und B. Wenn wir „den Regeln“ lesen, ist es umso wichtiger, die hnlichkeit zwischen der Regel A und der Regel B zu betonen, weil die hnlichkeit zwischen den Regeln zumindest eine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung des despotischen Staats durch die Handmhle ist. Inhaltlich ergibt die Entscheidung fr die eine oder die andere Alternative also keinen grçßeren Unterschied. Da ich mich entschieden habe, mich an den Text der Meiner-Ausgabe zu halten, werde ich im Folgenden mit der Variante „der Regel“ meine Interpretation von [4.4] fortsetzen. Ich mçchte die Reflexion ber die Handmhle und ihre Kausalitt im Blick auf die interpretierten Stellen aus der EEKU und der Einleitung der KU nun so verstehen, dass wir durch den Vergleich der Wahrnehmungen zu empirischen Begriffen desjenigen gelangen, ,was den verschiedenen Naturformen gemein ist‘. Wir suchen die Regel zu einer der mannigfaltigen Arten, wie Gegenstnde der empirischen Erkenntnis Ursache sein kçn-
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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nen.155 Mit „ihre Kausalitt“ in [4.4] ist also die spezifische Kausalitt der Handmhle gemeint.156 Dass es dabei um die spezifische Kausalitt der Handmhle geht und nicht einfach nur um den reinen Verstandesbegriff der Kausalitt erhellt daraus, dass Kant in [4.3] zwei Beispiele fr das Ergebnis des doppelten Geschfts der Urteilskraft anfhrt. Neben dem bekannten Beispiel der Handmhle als symbolischer Vorstellung des despotischen Staats ist noch vom beseelten Kçrper als symbolischer Vorstellung eines monarchischen Staats die Rede, der nach inneren Volksgesetzen regiert wird. Die spezifische Kausalitt der Gegenstnde von sinnlichen Anschauungen, die jeweils zum Symbol des darzustellenden Begriffs dienen, ist unterschiedlich. Im Fall der Handmhle liegt eine mechanische Kausalitt, im Fall des beseelten Kçrpers hingegen eine organisch-teleologische Kausalitt vor. Beide Kausalittsarten sind insofern spezifische Kausalitten, als sie nur durch Spezifikation in der Anschauung erkennbar sind: Ob ein Gegenstand der einen oder der anderen Kausalitt zugerechnet werden kann, lsst sich nur auf der Grundlage von Anschauungen des Gegenstands entscheiden. Dass die Handmhle auf mechanische (und nicht auf teleologische) Weise Ursache ihrer Wirkungen ist, kçnnen wir nur aufgrund von entsprechenden mçglichen Anschauungen von Handmhlen wissen. Sowohl die mechanische als auch die organisch-teleologische Kausalitt sind Naturformen, die sozusagen mehrfach in der Natur instantiiert sind: Die mechanische Kausalitt kommt bei der Handmhle und beim despotischen Staat vor; die organisch-teleologische Kausalitt findet sich beim beseelten Kçrper und beim monarchischen Staat. Wenn ich hier von „spezifischer Kausalitt“ spreche, ist das ein anderer Ausdruck fr das, was Kant in der EEKU und in der Einleitung der KU mit „Naturformen“, „Regeln“ oder „empirischen Gesetzen“ meint.157 An dieser Stelle ist es noch einmal wichtig auf den weiter oben in diesem Kapitel diagnostizierten Unterschied in der EEKU zwischen den empirischen Gesetzen und den ihnen gemßen spezifischen Naturformen einerseits und den empirischen Begriffen dieser Naturformen andererseits zurckzukommen. In der Einleitung der KU ist an besagter Stelle nicht von „em155 Vgl. dazu EEKU, 20: 213,8 – 10; KU, 5: 182,37 – 184,10. Wicks meint, dass man sich bei der Symbolisierung den „formal qualities“ eines Objekts oder Themas zuwende (Wicks 2007, 172). Das ist mit Blick auf das Beispiel der Handmhle und die Rede von „Regeln“ allerdings zu unspezifisch. 156 Dabei lehnt sich der Ausdruck „spezifische Kausalitt“ durchaus bewusst an die Stelle aus der EEKU an, wo Kant von „spezifischen, generisch bereinstimmenden Formen an Naturdingen“ spricht. Vgl. EEKU, 20: 213,15 – 18. 157 Vgl. EEKU, 20: 213,8 – 10; KU, 5: 183,19 – 22.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
pirischen Begriffen“ oder von „Naturformen“ die Rede, sondern von „Regeln“ oder „empirischen Gesetzen“. Im Abschnitt V. der EEKU kommt dagegen der Ausdruck „Regel“ nicht vor. Beide Textstellen lassen sich jedoch sowohl terminologisch als auch inhaltlich gut miteinander in Verbindung setzen, da es in beiden Stellen um die Ttigkeit der reflektierenden Urteilskraft geht und in beiden Stellen von „empirischen Gesetzen“ die Rede ist. Demnach bedeuten die „Regeln“ der mannigfaltigen Arten, wie etwas Ursache sein kann, aus der Einleitung der KU dasselbe wie die „empirischen Gesetze“ oder spezifischen „Formen an Naturdingen“ aus der EEKU. Das wiederum impliziert, dass wir „Regeln“ und „empirische Begriffe“ der Naturformen voneinander in dem Sinne unterscheiden mssen, dass der empirische Begriff der Regel die begriffliche Vorstellung dieser Regel (und nicht die Regel selbst) ist. Auf das Beispiel der Handmhle lassen sich diese Differenzierungen folgendermaßen anwenden. Die Regel, das empirische Gesetz oder die Naturform, die wir an der Handmhle nach einem Vergleich der empirischen Vorstellungen der Handmhle erkennen, ist die mechanische Kausalitt. Der empirische Begriff ist die Vorstellung der Regel bzw. die Vorstellung der spezifischen Kausalitt. Der empirische Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle fasst somit die Erkenntnis der entsprechenden Regel oder des empirischen Gesetzes, die wir aus der Anschauung der Handmhle gewinnen kçnnen, in sich. Ich werde im Folgenden diese begriffliche Vielfalt auch im Blick auf KU, § 59 dadurch reduzieren, dass ich von den empirischen Gesetze als „Regeln“ und von den begrifflichen Vorstellungen dieser Regeln als „(empirischen) Begriffen der spezifischen Kausalitt“ spreche.158 Was die oben formulierte Frage betrifft, ob im ersten Schritt des doppelten Geschfts die Urteilskraft nur auf bestimmende oder sowohl auf bestimmende als auch auf reflektierende Weise ttig ist, haben wir nun durch die Interpretation von [4.4] gengend Indizien gesammelt: Es kann sich in DG1 nicht nur um ein bestimmendes Urteil handeln. Denn die bestimmende Urteilskraft vermag lediglich, Gegenstnde unter allgemeine Naturgesetze bzw. unter die Kategorie der Kausalitt berhaupt zu subsumieren. Dagegen zeigen gerade [4.3] und [4.4], dass entscheidend fr 158 Die Einklammerung von „empirisch“ ist nçtig, weil die jeweiligen Begriffe der spezifischen Kausalitt der Handmhle und des despotischen Staats einen unterschiedlichen Status haben, was noch deutlich werden wird. Nur ber den Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle kçnnen wir mit Sicherheit sagen, dass es sich bei ihm um einen empirischen Begriff handelt.
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den Vorgang der Symbolisierung das Auffinden der Regel und des empirischen Begriffs der spezifischen Kausalitt der betroffenen Gegenstnde ist. Und dazu ist die reflektierende Urteilskraft nçtig.159 Warum aber muss, wie es in [4.4] heißt, ber die Handmhle und ihre Kausalitt reflektiert werden, wenn es doch nahe liegt anzunehmen, dass wir bereits wissen, was fr eine spezifische Kausalitt eine Handmhle hat?160 Die Antwort ist: Wir reflektieren ber die Handmhle und ihre Kausalitt, um mittels dieser Reflexion fr einen ,ganz anderen Gegenstand’ ein Symbol zu finden. Ohne den ersten Schritt des doppelten Geschfts ist der fr die Symbolisierung eigentlich entscheidende zweite Schritt nicht mçglich. Denn, wie es in [4.2] heißt, die Regel der Reflexion ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung wird auf den ganz anderen Gegenstand angewendet. hnlich lsst sich auch der Ausdruck „anwenden“ in DG1 verstehen. Auch hier sollte man meinen, dass die Anwendung des Begriffs der sinnlichen Anschauung auf deren Gegenstand die Reflexion bereits voraussetzt. Wie kann dann aber in DG1 die Reflexion beschrieben sein, deren Regel in DG2 auf den ganz anderen Gegenstand angewendet wird? Folgt man dem Vorschlag, dass die Reflexion ber die Handmhle und ihre Kausalitt nçtig ist, um ein Symbol fr den despotischen Staat zu finden, wre die Anwendung des Begriffs einer sinnlichen Anschauung eine Explikation von etwas, was man bereits weiß. Ich mache mir bewusst, was die spezifische Kausalitt der Handmhle ist, und bin in der Lage, den durch Reflexion gewonnenen empirischen Begriff anzuwenden und den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung mittels des Begriffs zu bestimmen.161 Indem ich den Begriff anwende, zeige ich, dass 159 Recki behauptet dagegen, dass mit dem doppelten Geschft der Urteilskraft keine mehrfache Reflexion, sondern die Abfolge von Bestimmung und Reflexion gemeint sei. Sie erlutert die These nicht ausfhrlicher. Ihr zufolge aber msste im ersten Schritt allein die bestimmende und erst im zweiten dann die reflektierende Urteilskraft am Werk sein. Dagegen spricht, wie gesagt, dass wir ohne eine Ttigkeit der reflektierenden Urteilskraft nicht wssten, auf welche Weise genau die Handmhle Ursache von Vernderungen in der Welt ist. Wenn wir im zweiten Schritt die Regel der Reflexion ber die Handmhle auf den despotischen Staat anwenden, muss insofern eine mehrfache Reflexion vorliegen, als wir auch ber die Handmhle reflektieren mssen, um die entsprechende Regel dieser Reflexion auf einen anderen Gegenstand anzuwenden. Vgl. Recki 2008, 196. 160 Vgl. dazu erneut EEKU, 20: 211,8 – 18; 211,25 – 212,2. 161 Vgl. dagegen Bielefeldt: „The underlying rule of reflection in turn is to meet with some characteristic features of the supersensible ,object‘ to which the analogy points.“ (Bielefeldt 2003, 37). Was meint Bielefeldt hier mit „characteristic features“ eines bersinnlichen Objekts, von dem wir keine Anschauungen haben? Er
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ich die spezifische Kausalitt der Handmhle verstehe oder verstanden habe und kann mit diesem empirischen Begriff und der dadurch vorgestellten Regel dann im zweiten Schritt des doppelten Geschfts weiterarbeiten. Zusammengefasst lsst sich zum Thema Reflexion folgendes festhalten: Ziel der Interpretation war zunchst zu verstehen, was Kant mit „Reflexion“ im § 59 der KU meint und zwar vor dem Hintergrund der Frage, worauf sich Kant mit „Begriff“ in [4.2] bezieht. Die grammatikalischen berlegungen aus dem vorigen Kapitel, wonach „Begriff“ durch das Genetivattribut „einer sinnlichen Anschauung“ nher qualifiziert wird, scheinen gut mit Aussagen aus der EEKU und der Einleitung der KU zusammenzupassen. Demnach bedeutet „Reflektieren“, Vorstellungen eines Gegenstands mit anderen Vorstellungen oder etwas, was man ber den Gegenstand weiß, mit der Absicht zu vergleichen, die Regel oder den fhrt in seiner kurzen Interpretation von KU, 5: 352,10 – 22 leider nicht weiter aus, wie die Anwendung der Regel der Reflexion funktioniert. Bahr sieht die Theorie des Symbolischen als „Struktur einer Deutung, die etwas als etwas fr jemanden deutet, indem sie die Regel der Anschauungsgenerierung in einer Reflexion in eine andere Sphre bertrgt, wo diese eben nur bertragene, ja buchstblich sinnbildliche Bedeutung haben kann.“ (Bahr 2004b, 281). Zu Kants Beispiel des despotischen Staats schreibt sie: „Der bergang vom Staat zur Handmhle lßt sich am Leitfaden einer Reflexion auf die Form nachvollziehen, die zwischen beiden Verhltnissen stattfindet: erstens zwischen dem empirischen Begriff ,Mhle‘ und der ihr entsprechenden Anschauung, zweitens zwischen dem empirischen Begriff der Despotie und der diesem entzogenen Anschauung. Im bertrag des Symbolisierens tritt die direkte Anschauung, die normalerweise mit ,Handmhle‘ korrespondiert, in zndenden Kontakt zu der Anschauung, die dem Begriff ,despotischer Staat‘ unmittelbar fehlt. Das Handmhlenartige liefert so eine Deutung dessen, was unter dem abstrakten Begriff der Despotie verstanden werden kann.“ (Bahr 2004b, 282). Zunchst ist fragwrdig, was es bedeutet, dass die Reflexion „buchstblich sinnbildliche Bedeutung“ hat. Es ist die Anschauung der Handmhle, die zum Symbol wird und dadurch eine sinnbildliche Bedeutung bekommt. Bahrs Interpretation zufolge fehlt uns außerdem die Anschauung des despotischen Staats, whrend wir einen empirischen Begriff der Despotie haben. Das kann aber nicht mçglich sein; denn einen empirischen Begriff eines Gegenstands zu haben, wrde ja fr Kant gerade implizieren, dass wir ein Beispiel in der Anschauung geben kçnnen. Außerdem scheint Bahr zu bersehen, dass fr Kant der an dieser Stelle relevante empirische Begriff „Mhle“ nicht einfach die Definition von „Mhle“, sondern der empirische Begriff der Kausalitt der Handmhle ist. Zuguterletzt ist rtselhaft, was Bahrs Aussage bedeuten soll, dass die Anschauung einer Handmhle in „zndenden Kontakt“ zu einer dem „Begriff despotischer Staat“ fehlenden Anschauung tritt. Wie soll eine Anschauung an einer nicht vorhandenen Anschauung „znden“?
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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empirischen Begriff des Gegenstands zu finden.162 Der empirische Begriff als Ergebnis der Reflexion ist laut meiner Interpretation der „Begriff“, von dem in [4.2] die Rede ist. Konkret wrde das mit Blick auf die Handmhle bedeuten, dass wir den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle als Ergebnis der Reflexion suchen. Die Rede von „anwenden“ habe ich wiederum so verstanden, dass in DG1 eine bereits erfolgte Reflexion expliziert und auf der Grundlage einer Reflexion der Handmhle eine spezifische Kausalitt zugeschrieben wird, um mittels dieser Reflexion ein Symbol fr einen ,ganz anderen Gegenstand’ zu finden.163 Vor diesem Hintergrund kann DG1 ein weiteres Mal umformuliert werden: DG1: Der empirische Begriff der sinnlichen Anschauung bzw. der spezifischen Kausalitt der Handmhle wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. Wir schreiben der Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) eine spezifische Kausalitt zu.
Des Weiteren kçnnen noch zwei wichtige Folgerungen aus den Interpretationen zum Begriff der Reflexion gezogen werden. Wenn Kant in [4.2] mit „Begriff“ wie dargelegt den empirischen Begriff der Handmhle meint, dann geschieht im ersten Schritt des doppelten Geschfts der Urteilskraft mehr als nur eine Schematisierung des reinen Verstandesbegriffs der Kausalitt mittels der Anschauung der Handmhle. Denn der erste Schritt impliziert eine Ttigkeit sowohl der bestimmenden als auch der reflektierenden Urteilskraft. Die Schematisierung ist Voraussetzung dafr, dass berhaupt ein „Erfahrungsbegriff (ohne besondere empirische Bestimmung)“164 mçglich ist. Die Schematisierung der reinen Verstandesbegriffe luft gewissermaßen im Hintergrund mit, wenn man, wie in diesem Fall, ber eine empirische Anschauung reflektiert. Die Reflexion der Urteilskraft ist, wie es in EEKU heißt, beim Schematisieren zugleich bestimmend.165 Indem wir ber die Handmhle reflektieren, bestimmen wir damit auch die Kategorie der Kausalitt. In DG1 geht es aber nicht in erster Linie um diesen bei der Reflexion im Hintergrund ablaufenden Vorgang, 162 Vgl. EEKU, 20: 211,14 – 16; 213,1 – 22; KU, 5: 182,37 – 184,10. 163 Pringe bezeichnet die Anwendung des Begriffs auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung im ersten Schritt des doppelten Geschfts als eine schematische Anwendung. Im ersten Schritt werde der Begriff des ersten Objekts somit auch direkt dargestellt. Ich schließe mich seiner Interpretation gerne an. Vgl. Pringe 2007, 23. 164 EEKU, 20: 212,8. 165 Vgl. EEKU, 20: 212,13 – 16.
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sondern um die Reflexion ber einen konkreten Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und darum, zu gegebenen empirischen besonderen Anschauungen allgemeine empirische Begriffe zu finden.166 Außerdem ist nun besser zu verstehen, was Kant in Absatz [1] von KU, § 59 mit „empirischen Begriffen“ meint. Die objektive Realitt des empirischen Begriffs einer mechanischen Kausalitt lsst sich demnach aufweisen, indem man ein „Beispiel“ aus der Anschauung hat oder danach sucht. Die Handmhle wre ein solches Beispiel fr den empirischen Begriff der mechanischen Kausalitt. 1.4.6 Die Anwendung der Regel der Reflexion auf den ganz anderen Gegenstand Was uns zum Verstndnis des doppelten Geschfts der Urteilskraft in KU, § 59 [4.2] noch fehlt, ist eine Untersuchung von DG2 mit Blick darauf, was es heißt, die Regel der Reflexion auf einen ganz anderen Gegenstand anzuwenden. „[4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.“167
In § 59 kommt „Regel“ außer in [4.2] noch in [4.4] und im zweiten Absatz vor. Im vorigen Unterkapitel hatte ich die Aussage von [4.4] so rekonstruiert: [4.4] Es besteht eine hnlichkeit zwischen der Regel, ber die Handmhle und ihre Kausalitt zu reflektieren, und der Regel, ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren.
Im zweiten Absatz von § 59 heißt es, dass das Verfahren der Urteilskraft im Fall der symbolischen Hypotypose mit demjenigen Verfahren, was die Urteilskraft im Schematisiseren beachtet, bloß in der Regel dieses Verfahrens und in der Form der Reflexion bereinkommt.168 Auch in den beiden anderen Vorkommen von „Regel“ innerhalb des § 59 gibt es also 166 Zur Abgrenzung der Schematisierung von der Reflexion auf gegebene empirische Anschauungen vgl. die beiden Abstze aus EEKU, 20: 212,7 – 213,22. 167 KU, 5: 352,10 – 16. 168 Vgl. KU, 5: 351,23 – 31.
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eine klare Verbindung zwischen „Regel“ und „Reflexion“. Allerdings sollte man den zweiten Absatz von § 59 hier aus der Interpretation ausklammern, weil dort eine Aussage gemacht wird, die sich nicht direkt auf das doppelte Geschft der Urteilskraft bezieht, sondern auf den Vergleich zwischen der schematischen und der symbolischen Hypotypose.169 Wenn nun, wie es in der Formulierung des doppelten Geschfts der Urteilskraft in DG2 heißt, die bloße Regel der Reflexion ber die Handmhle auf den despotischen Staat angewendet wird, wird dann einfach die Regel der Reflexion aus DG1, welche durch den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle vorgestellt wird, angewendet? Es gibt gute Grnde dafr, dass in der Anwendung der Regel der Reflexion in DG2 die Regel der Reflexion, die in DG1 in der Reflexion erkannt wird, angewendet wird.170 Nimmt man [4.4] hinzu, besteht die hnlichkeit zwischen der Regel, ber die Handmhle und ihre Kausalitt zu reflektieren, und der Regel, ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren. In [4.7] ist von der „bertragung der Reflexion“ die Rede. Es ist somit plausibel, auf der Grundlage des vierten Absatzes von § 59 anzunehmen, dass das, was beide Schritte des doppelten Geschfts verbindet, die Regel bzw. die spezifische Kausalitt einerseits der Handmhle, andererseits des despotischen Staats ist. Leider gebraucht Kant die Wendung „Regel der Reflexion“ nur an dieser Stelle in der KU. Lediglich in der EEKU finden sich einige Stellen, an denen hnliche Formulierungen auftreten, die uns hier aber kaum weiterhelfen.171 Werfen wir zur Erluterung von „Regel“ noch einmal kurz einen Blick in die schon im vorigen Kapitel zitierte Passage aus der Einleitung der KU: „Nun sind aber die Gegenstnde der empirischen Erkenntnis, außer jener formalen Zeitbedingung, noch auf mancherlei Art bestimmt oder, soviel man a priori urteilen kann, bestimmbar, so daß spezifisch-verschiedene Naturen außer dem, was sie als zur Natur berhaupt gehçrig gemein haben, noch auf unendlich mannigfaltige Weise Ursache sein kçnnen; und eine jede dieser Arten muß (nach dem Begriffe einer Ursache berhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz ist, mithin Notwendigkeit bei sich fhrt, ob wir gleich, nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermçgen, diese Notwendigkeit gar nicht einsehen. Also mssen wir in der Natur, in Ansehung ihrer bloß empirischen Gesetze, eine Mçglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die fr unsere Einsicht dennoch zufllig sind (a 169 Ich gehe in Kapitel 1.5 etwas ausfhrlicher auf [2] ein. 170 Vgl. dazu auch Forschner 2008, 77. 171 Vgl. EEKU, 20: 218,8 – 10; 225,33 – 226,3.
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priori nicht erkannt werden kçnnen) […] Folglich, weil die gesetzliche Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer notwendigen Absicht (einem Bedrfnis) des Verstandes gemß, aber zugleich doch als an sich zufllig erkennen, als Zweckmßigkeit der Objekte (hier der Natur) vorgestellt wird: so muß die Urteilskraft, die in Ansehung der Dinge unter mçglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen bloß reflektierend ist, die Natur in Ansehung der letzteren nach einem P r i n z i p d e r Z w e c k m ß i g k e i t fr unser Erkenntnisvermçgen denken, welches dann in obigen Maximen der Urteilskraft ausgedrckt wird.“172
Die Gegenstnde der empirischen Erkenntnis kçnnen auf ,unendlich mannigfaltige‘ Weise Ursache sein. Eine jede dieser Weisen muss ,(nach dem Begriff einer Ursache berhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz ist‘. Regeln sind also das, was den jeweils verschiedenen Weisen, wie etwas eine Ursache fr eine Wirkung sein kann, zugrunde liegt. Regeln sind empirische Gesetze ,nach dem Begriff einer Ursache berhaupt’, i. e. sie setzen die Kategorie der Kausalitt voraus, konkretisieren aber jeweils die Art und Weise der Urschlichkeit von Gegenstnden der empirischen Erkenntnis. Ich habe im vorigen Kapitel statt von „Regel“ auch von „spezifischer Kausalitt“ gesprochen. Die Urteilskraft verhlt sich hinsichtlich der Gegenstnde, die unter diese Regeln fallen, ,bloß reflektierend’. Damit liegt also eine zumindest indirekte Verbindung von „Reflexion“ und „Regel“ in diesem Text vor. Ich mçchte an dieser Stelle zwei Fragen stellen: (1) Warum wird lediglich die ,bloße Regel der Reflexion‘ und nicht der empirische Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle auf den ganz anderen Gegenstand angewendet? (2) Was bedeutet es fr die Reflexion ber den despotischen Staat und seine Kausalitt in DG2, dass wir die ,bloße Regel der Reflexion‘ aus DG1 auf den despotischen Staat lediglich anwenden bzw. dass die Reflexion auf ihn nur bertragen wird? Die erste Frage lsst sich durch die Unterscheidung von Regel und empirischem Begriff, wie er im vorigen Kapitel schon erlutert wurde, beantworten. Die Regel bzw. die spezifische Kausalitt ist beiden Gegenstnden gemeinsam. Die begriffliche Vorstellung dieser Regel in einem empirischen Begriff ist bei der Handmhle allerdings der Begriff einer sinnlichen Anschauung. Die Anschauung der Handmhle ist in den Worten des ersten Absatzes von § 59 ein ,Beispiel‘ fr den empirischen Begriff der mechanischen Kausalitt.173 Wrden wir den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle als Begriff einer sinnlichen An172 KU, 5: 183,14 – 26; 184,2 – 10. 173 Vgl. KU, 5: 351,16 – 17.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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schauung auf den despotischen Staat anwenden, wrde das bedeuten, dass es auch zu diesem Begriff ein Beispiel bzw. eine korrespondierende Anschauung des despotischen Staats gibt. Diese Mçglichkeit ist aber ausgeschlossen. Weiter oben hatte ich schon darauf hingewiesen, dass davon auszugehen ist, dass wir keine Anschauungen von despotischen Staaten haben. Wir haben lediglich Anschauungen ihrer Wirkungen. Dass der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats kein empirischer Begriff ist, dem man ein Beispiel in der Anschauung geben kann, ist gewissermaßen das Problem, auf welches das doppelte Geschft der Urteilskraft und die Symbolisierung von Begriffen eine Antwort gibt. Denn Symbole sind keine Beispiele fr, sondern indirekte Darstellungen von Begriffen. Um einem empirischen Begriff ein Beispiel zu geben, brauchen wir das Verfahren der Symbolisierung nicht. Wir suchen hier aber nach einem Symbol fr den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Der empirische Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle kann bei der Anwendung auf den despotischen Staat nicht im Spiel sein, weil das implizieren wrde, dass der Begriff des despotischen Staats denselben Status wie der empirische Begriff der Handmhle hat, i. e. dass man ihm ein Beispiel in der Anschauung geben kann. Wenden wir lediglich ,die bloße Regel der Reflexion‘ auf den ganz anderen Gegenstand an, haben wir dieses Problem offensichtlich nicht.174 Denn mittels dieser Anwendung gelangen wir ja gerade zur indirekten Darstellung des ganz anderen Gegenstands. Mit der Beantwortung der ersten Frage ist eine Antwort auf die zweite Frage nach dem Status dieser bertragenen Reflexion bereits angedeutet: Es handelt sich bei der Reflexion ber den despotischen Staat und seine Kausalitt nicht um eine gewçhnliche Reflexion. Wenn wir von Anschauungen ausgehend nach den Regeln oder empirischen Gesetze fragen, die den Anschauungen zugrunde liegen, ist das gewçhnliche Ergebnis einer solchen Reflexion eine Vorstellung der entsprechenden Regeln oder Naturformen, i. e. ein empirischer Begriff. Ungewçhnlich an der Reflexion ber den despotischen Staat ist also zweierlei: 1. Wir gehen offensichtlich in der Reflexion nicht von ihm als einem Gegenstand einer sinnlichen Anschauung aus, sondern wenden die Regel der Reflexion vielmehr un174 Die Hervorhebung der Reflexion als „bloße Reflexion“ lsst sich ebenfalls zugunsten meiner Interpretationshypothese anfhren. Denn das „bloß“ kann man hier so verstehen, dass deutlich gemacht wird, dass eben nicht der empirische Begriff der spezifischen Kausalitt angewendet wird, sondern lediglich die abstrakte, nicht auf ein Beispiel abzielende Regel der Reflexion.
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abhngig davon auf ihn an, ob wir eine sinnliche Anschauung von ihm haben. 2. Dem Begriff, den wir vom despotischen Staat aufgrund der Anwendung der Regel der Reflexion haben, entspricht kein Beispiel in Form einer entsprechenden Anschauung des despotischen Staats. Ihm entspricht ein Symbol, so dass der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats nur indirekt dargestellt werden kann. Die Besonderheit der Reflexion besteht darin, dass wir die Reflexion bertragen oder eine aus einer anderen Reflexion gewonnene Regel anwenden. Dadurch ist es nicht nçtig, nach einer – anscheinend nicht vorhandenen – Anschauung des despotischen Staats zu suchen, ber die wir im Hinblick auf seine spezifische Kausalitt reflektieren kçnnen. Wir nehmen einfach eine Regel und wenden sie an.175 Im Ergebnis haben wir dann aber nur eine indirekte Darstellung und kein Beispiel des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Die Korrespondenz des empirischen Begriffs der Handmhle mit der Anschauung der Handmhle mangelt dem durch die Handmhle symbolisierten Begriff des despotischen Staats. DG2 kann somit ein weiteres Mal umformuliert werden: DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle bzw. die spezifische Kausalitt der Handmhle wird auf den despotischen Staat angewendet, i. e. die Reflexion ber die Handmhle wird auf den Begriff des despotischen Staats bertragen, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat. Auf diese Weise wird der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats indirekt dargestellt.
1.4.7 Wozu braucht man ein Symbol des despotischen Staats und welche Begriffe kçnnen symbolisiert werden? Der grçßte Teil dieses Kapitels 1.4 diente der Interpretation des vierten Absatzes von KU, § 59. Wir haben uns insbesondere damit beschftigt, was Kant genau unter dem doppelten Geschft der Urteilskraft versteht, und wie die in [4.2] beschriebene Theorie dieses doppelten Geschfts auf das Beispiel des despotischen Staats und der Handmhle in [4.3] und [4.4] anzuwenden ist. Ich mçchte nun auf die in Kapitel 1.4.4 aufgeworfene Frage zurckkommen, was genau symbolisiert wird (Begriffe oder Gegenstnde?) und wozu wir ein Symbol des despotischen Staats brauchen. In 175 Ob und wie einfach diese Anwendung geht, hatte ich schon im Kapitel 1.2.2 diskutiert. Ich komme auf das Problem, woher wir bezglich der Analogie von der Identitt der Verhltnisse wissen kçnnen, in Kapitel 2.2.2 zurck.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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Kapitel 1.4.4 habe ich vorerst ohne genauere Begrndung die These aufgestellt, dass wir das Symbol der Handmhle brauchen, um uns den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats zu veranschaulichen. Symbole haben eine bestimmte Funktion: Sie stellen auf indirekte Weise Begriffe von Gegenstnden (hier den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats) dar. Es gibt keine allgemeinen Symbole fr Gegenstnde. Die genannte These und ihre Implikationen kçnnen vor dem Hintergrund der beiden letzten Kapitel nun begrndet und noch genauer erlutert werden. Dazu werden wir uns die Stze [4.6] und [4.7] genauer ansehen. Die Erluterungen von „Reflexion“ und „Regel“ in den vorigen Kapiteln machen die genannte These sehr plausibel: Es geht bei der Symbolisierung, wie Kant sie in KU, § 59 beschreibt, nicht um eine allgemeine Symbolisierung von Gegenstnden. Die Handmhle ist kein allgemeines Symbol fr den despotischen Staat. Das kann man sich daran klar machen, dass die Handmhle in genau einer Hinsicht dem despotischen Staat hnlich ist, wie wir aus [4.4] wissen: Handmhle und despotischer Staat hneln sich darin, dass sie beide der Naturform der mechanischen Kausalitt zugerechnet werden kçnnen. Ansonsten haben sie keine hnlichkeit miteinander. Deswegen liegt der Schluss nahe, dass die Formulierung in [4.2], wonach der eine Gegenstand Symbol fr den anderen ist, missverstndlich ist: „[4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.“176
Kant behauptet hier offensichtlich, dass der erstere Gegenstand – konkret: die Handmhle – ,nur das Symbol‘ des ,ganz anderen Gegenstands‘, nmlich des despotischen Staats ist. Wenn aber – was unsere Interpretationen von „Reflexion“ und „Regel“ gezeigt haben – das Entscheidende am doppelten Geschft der Urteilskraft ist, dass die Regel der Reflexion auf den ,ganz anderen Gegenstand‘ angewendet wird, weil genau in diesem Punkt eine hnlichkeit zwischen beiden Gegenstnden besteht, drfte klar sein, dass der Gegenstand der Handmhle den Gegenstand des despoti176 KU, 5: 352,10 – 16.
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schen Staats auch in genau diesem Punkt der hnlichkeit symbolisiert. Die Handmhle symbolisiert oder versinnlicht den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Wir kçnnen also im Sinne der genannten These festhalten: Kants Auffassung ist und bleibt im § 59 diejenige, dass Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen – und nicht von Gegenstnden – sind.177 Daran schließen sich jedoch einige wichtige Fragen an, welche sich aus der Tatsache ergeben, dass Kant seine Symboltheorie in § 59 mit dem Beispiel vom despotischen Staat und der Handmhle erlutert. Denn wie schon hufiger angeklungen benennt Kant in § 59 auch reine Verstandesbegriffe (Substanz) und Vernunftideen (Gott) als Begriffe, die symbolisiert werden kçnnen. Was fr eine Art von Begriff kçnnte der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats sein? Er ist weder ein reiner Verstandesbegriff noch eine Vernunftidee. Als Begriff der spezifischen Kausalitt kçnnte man ihn dem Verstand zuordnen. Allerdings hat er das schwerwiegende Manko, dass zur Bestimmung der spezifischen Kausalitt eines Gegenstands Anschauungen erforderlich sind und die Reflexion auf die spezifische Kausalitt letztlich zu empirischen Begriffen fhrt.178 Wir kçnnen jedoch kein Beispiel fr den vermeintlich empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats geben, so wie wir ein Beispiel fr die spezifische Kausalitt der Handmhle geben kçnnen. Er ist also kein empirischer Begriff, hat jedoch – anders als z. B. die Vernunftidee Gottes – einen Bezug zur Empirie. Denn selbst wenn wir den despotischen Staat als Ursache seiner Wirkungen nicht wahrnehmen kçnnen, haben wir z. B. Anschauungen des absoluten Monarchen, der den despotischen Staat regiert. Der Status des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats schwankt gewissermaßen zwischen dem Status eines Verstandes- und dem Status eines empirischen Begriffs.179 Das Einzige, was sich genau ber ihn sagen lsst, ist, dass wir keine gewçhnlichen Anschauungen von ihm haben. Das jedoch kçnnte der entscheidende Grund dafr sein, dass wir diesen Begriff symbolisieren. Denn die Eigenschaft, dass wir keine An177 Dagegen meint Pieper, dass Symbole nach KU, § 59 Stellvertreter fr einen berempirischen, sinnlich nicht erfahrbaren Gegenstand seien. Vgl. Pieper 1996, 106. 178 Vgl. dazu Kapitel 1.4.5. 179 Eine ausfhrlichere Untersuchung des Status dieses Begriffs und seiner Zuordnung zur Kantischen Systematik der Begriffe ist in dieser Arbeit nicht mçglich.
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schauungen des Begriffs haben, teilt der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats mit den reinen Verstandesbegriffen und den Vernunftideen, von denen als symbolisierten Begriffen im vierten Absatz von § 59 die Rede ist. Folgende These lsst sich an dieser Stelle formulieren: Wir machen uns die Kausalitt des despotischen Staats mithilfe der symbolischen Vorstellung einer Handmhle anschaulich, weil wir vom Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats ebenso wie von den anderen Begriffsarten, die laut § 59 symbolisiert werden kçnnen, keine Anschauung haben. An diese These schließen sich noch zwei Fragen an. (1) Brauchen wir das Symbol, um ber den despotischen Staat und seine Kausalitt reflektieren zu kçnnen? Die Frage ist dabei so zu verstehen, dass es nicht um das konkrete Symbol der Handmhle geht, sondern berhaupt darum, ob wir ohne Symbol keine Reflexion vornehmen kçnnen. Es ist klar, dass eine Handmhle nur ein mçgliches Symbol fr die spezifische Kausalitt eines despotischen Staats ist. Es kçnnte auch andere Symbole geben, welche die mechanische Kausalitt des despotischen Staats indirekt darstellen. (2) Ist es eine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung von Begriffen, dass man keine Anschauungen von ihnen haben kann? Ich beginne mit der ersten Frage. Der Eindruck, dass wir ohne ein Symbol nicht ber den despotischen Staat oder einen vergleichbaren ,ganz anderen Gegenstand‘ reflektieren kçnnen, wird durch den Satz [4.6] scheinbar besttigt: „[4.6] Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt.“180
Kant nimmt mit „dergleichen“ Bezug auf die vorangegangenen Beispiele (despotischer Staat und Handmhle bzw. monarchischer Staat und beseelter Kçrper) und kennzeichnet sie als einige von vielen solcher indirekten Darstellungen nach der Analogie in unserer Sprache. Dass etwas ein Symbol fr etwas anderes ist, ist kein Sonderfall bei Vernunftbegriffen, sondern wird – im Gegenteil – zu einem hufig vorkommenden Sachverhalt erklrt. Dieser Aspekt der Aussage von [4.6] ist bemerkenswert. Damit wird noch einmal deutlich: Symbole sind nicht nur, wie es die ersten beiden Abstze des § 59 sowie [4.8] nahelegen, dazu da, um Vernunft-
180 KU, 5: 352,25 – 28.
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begriffen Anschauungen zu unterlegen.181 Es ist plausibel, dass der Aussage, dass unsere Sprache voller indirekter symbolischer Darstellungen ist, auf der anderen Seite die Vielfalt der im vierten Absatz von § 59 erwhnten Beispiele fr zu symbolisierende Begriffe („despotischer Staat“, „Gott“ etc.) entspricht. Das „wodurch“ in [4.6] bezieht sich auf die ,indirekten Darstellungen nach einer Analogie‘.182 Die Aussage von [4.6] lsst sich also zunchst folgendermaßen rekonstruieren: [4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion.
Klammern wir die negative Aussage bezglich des Schemas fr den Begriff aus und konkretisieren die Aussage mit Blick auf das Beispiel des despotischen Staats, erhalten wir: [4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck „Handmhle“ bloß ein Symbol fr die Reflexion.
Kant versteht unter „Ausdrcken“ in § 59 „Worte oder sichtbare […] Zeichen“, wie ein Blick in den dritten Absatz des Paragraphen zeigt.183 Der Satz [4.6] fasst gewissermaßen das Ergebnis des doppelten Geschfts der Urteilskraft zusammen: Nachdem Handmhle und despotischer Staat auf beschriebene Weise von der Urteilskraft miteinander ins Verhltnis gesetzt wurden, enthlt der Ausdruck „Handmhle“ nun nicht mehr bloß eine Anschauung fr den empirischen Begriff der Handmhle, sondern auch 181 Vielmehr lsst sich [4.6] so verstehen, dass dieser Satz an die Aussage in [4.1] anschließt, wonach Symbole Anschauungen sind, die man Begriffen – also nicht nur Vernunftbegriffen – auf eine A priori-Weise unterlegt. Vgl. dazu Kapitel 1.4.1. 182 Es gibt drei Bezugsmçglichkeiten fr das „wodurch“: „indirekte Darstellungen“, „Analogie“ und „indirekte Darstellungen nach einer Analogie“. Inhaltlich erscheint es am sinnvollsten, den zusammengesetzten Ausdruck „indirekte Darstellungen nach einer Analogie“ als Bezug anzunehmen. Denn die indirekte Darstellung, die Symbole laut § 59, [4.1] enthalten, ist laut [4.2] mçglich aufgrund einer Analogie, mit der die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet. Deswegen mssen „indirekte Darstellung“ und „Analogie“ hinsichtlich des Symbolbegriffs, um den es auch in [4.6] geht, immer im Zusammenhang gedacht werden. Durch die ,Analogie‘ alleine wiederum kann ein Ausdruck kein Symbol fr die Reflexion enthalten, denn die Analogie alleine ist keine hinreichende Bedingung zur Symbolisierung eines Begriffs. Darauf gehe ich in Kapitel 1.6 noch nher ein. 183 KU, 5: 352,6 – 7.
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ein ,Symbol fr die Reflexion‘. Die Bedeutung der Formulierung „Symbol fr die Reflexion“ gibt der Interpretation einige Rtsel auf. Man kann zwei Interpretationshypothesen unterscheiden: (a) Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt ein ,Symbol fr die Reflexion‘ in dem Sinne, dass wir das Symbol bençtigen, um ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren. Es handelt sich also um ein Symbol fr die Reflexion ber den despotischen Staat und seine Kausalitt. (b) Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt ein ,Symbol fr die Reflexion‘ in dem Sinne, dass das Symbol die bereits geleistete Reflexion enthlt. Im Fall von (a) ist das Symbol ,fr‘ die Reflexion nçtig; im Fall von (b) steht das Symbol gewissermaßen ,fr‘ die Reflexion, indem zum Vorgang der Symbolisierung eines Begriffs Reflexion dazugehçrt. Auf die erste Interpretationshypothese hatte ich zu Beginn der Interpretation von [4.6] angespielt, als ich behauptete, dass dieser Satz den Eindruck besttige, dass wir ohne ein Symbol nicht ber den despotischen Staat oder einen vergleichbaren ,ganz anderen Gegenstand‘ reflektieren kçnnten. Zunchst hat die erste Interpretationshypothese etwas fr sich. Wenn es stimmt, dass wir ein Symbol bençtigen, um den Begriff seiner spezifischen Kausalitt indirekt darzustellen, kçnnte es sein, dass die dem Begriff unterlegte Anschauung der Handmhle die fehlende Anschauung der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats ersetzt oder kompensiert. Aufgrund dieser berlegung kme man zu folgender Schlussfolgerung: Wir brauchen ein Symbol anstelle einer direkten Anschauung, um ber den Gegenstand despotischer Staat und seine Kausalitt reflektieren zu kçnnen. Das Problem an dieser berlegung und damit auch an (a) ist allerdings, dass es ußerst unplausibel ist, dass das Symbol die fehlende Anschauung des despotischen Staats ersetzt. Zunchst ist in den beiden Stzen aus dem vierten Absatz von § 59, wo sich am ehesten das genaue Verhltnis von Reflexion und Symbol erahnen lsst, keine ausdrckliche Rede davon, dass wir das Symbol fr die Reflexion bruchten. Vielmehr heißt es in [4.2] nur, dass die ,Regel der Reflexion ber jene Anschauung‘ auf den ganz anderen Gegenstand, von dem der Gegenstand der Handmhle nur das Symbol ist, angewendet wird. Zur Anwendung kann das Symbol also noch nicht notwendig sein, denn sonst htte es heißen mssen, dass die Regel auf das Symbol und nicht auf den ganz anderen Gegenstand angewendet wird. Und in Satz [4.7], auf den wir gleich noch ausfhrlicher eingehen, schreibt Kant sinngemß, dass bestimmte Wçrter symbolische Ausdrcke fr Begriffe nach einer Analogie mit direkten Anschauungen sind. Diese Analogie wiederum bestehe in der bertragung der Reflexion ber – um beim
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Beispiel zu bleiben – die Handmhle auf einen ganz anderen Begriff, dem ,vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann‘. Das Symbolische an diesen Ausdrcken ist also das Ergebnis der bertragung der Reflexion und nicht Bestandteil der Reflexion – obwohl dem Begriff, auf den die Reflexion bertragen wird, ,vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann‘. Das Fehlen einer direkt korrespondierenden Anschauung hindert also nicht daran, die Reflexion auf den ,ganz anderen Begriff‘ zu bertragen. Die Einwnde gegen die Interpretationshypothese (a) machen diese Hypothese unplausibel. Dagegen lsst sich zugunsten von (b), also der Hypothese, dass das Symbol fr die geleistete Reflexion steht, sagen, dass sich diese Hypothese gut in Einklang mit unserer Interpretation des vierten Absatzes insgesamt bringen lsst, dass nmlich Begriffe symbolisiert werden. Denn das Ergebnis der Anwendung der Regel der Reflexion auf den Gegenstand des despotischen Staats ist ein Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Und dieser Begriff wird durch die Handmhle indirekt dargestellt. Die Aussage von [4.6] kann (b) folgend erneut umformuliert werden: [4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck „Handmhle“ bloß ein Symbol fr die geleistete Reflexion.
Damit kçnnen wir die oben unter (1) angefhrte Frage, ob wir das Symbol brauchen, um ber den despotischen Staat und seine Kausalitt reflektieren zu kçnnen, mit „Nein“ beantworten.184 Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt insofern ein Symbol fr die Reflexion, als der komplizierte Vorgang der Symbolisierung bzw. des doppelten Geschfts der Urteilskraft insgesamt einen Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats zum Ergebnis hat, wobei der Begriff durch die Anschauung einer Handmhle indirekt dargestellt wird. Der Ausdruck „Handmhle“ fasst, sofern er ein Symbol fr die geleistete Reflexion enthlt, diesen komplizierten Vorgang in sich. Was das bedeutet, kann man sich folgendermaßen vorstellen. Wenn ich gegenber einer anderen Person auf eine Handmhle zeige und sage, dass diese Handmhle doch ein gutes Symbol fr einen despotischen Staat sei, wird er mich zunchst fragen, wie ich das genau meine. Ich kçnnte 184 Pieper spricht davon, dass Symbole reflektiert und nicht angeschaut werden sollen. Diese Interpretation lsst sich mit der hier vorgelegten Interpretation der Bedeutung von „Symbol fr die Reflexion“ durchaus vereinbaren. Denn dass das Symbol eine geleistete Reflexion in sich enthlt, kann nur durch eine Reflexion aufgedeckt werden. Vgl. Pieper 1996, 106.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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meine These dann dahingehend przisieren, dass ich sage, die Handmhle sei ein gutes Symbol fr die Funktionsweise eines despotischen Staats – und meine These dadurch unterstreichen, dass ich die Handmhle bediene. Fr denjenigen, der diese Informationen bekommt, wird dies in der Regel ausreichen, um in der Handmhle ein Symbol fr die spezifische Kausalitt des despotischen Staats zu sehen und entsprechend darber zu reflektieren. Ich muss das doppelte Geschft der Urteilskraft nicht in extenso vor meinem Gegenber ausbreiten. Man kçnnte also sagen, dass die Symbolisierung durch die Handmhle ein recht eleganter Weg ist, um ber die spezifische Kausalitt eines despotischen Staats zumindest auf indirekte Weise zu sprechen. Indem das Symbol den komplizierten Vorgang der Symbolisierung in sich fasst und man diesen Vorgang auch prinzipiell erlutern kann, kçnnen wir es wie eine Art Abkrzung verwenden und so auf unkomplizierte Weise Begriffe indirekt darstellen. Dass hinter den Symbolen mehr steht (nmlich das doppelte Geschft der Urteilskraft) wird sptestens dann deutlich, wenn jemand ein Symbol nicht versteht und dessen Bedeutung erlutert werden muss. Nun aber zu [4.7]: „[4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“185
Dieser Satz ist in Ergnzung zu unserer Interpretation von [4.6] wichtig fr die noch ausstehende Beantwortung der Frage (2) vom Anfang dieses Kapitels. Dort hatten wir gefragt, ob es eine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung von Begriffen sei, dass man keine Anschauungen von ihnen haben kann. Der Satz [4.7] ist darberhinaus auch deswegen interessant, weil er eine Reihe von Beispielen fr symbolische Hypotyposen in unserer Sprache anfhrt. Zunchst lsst sich die Aussage von [4.7] so rekonstruieren: [4.7] So sind verschiedene Wçrter wie „Grund“ etc. und unzhlige andere nicht schematische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe. Sie sind symbolische 185 KU, 5: 352,28 – 353,2.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht mittels einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung, was bedeutet, dass die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff bertragen wird, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.
Das „So“ zu Beginn des Satzes macht deutlich, dass Kant an die Aussage des vorhergehenden Satzes [4.6] anknpft. Demnach ist unsere Sprache voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie, was bedeutet, dass bestimmte Ausdrcke Symbole fr eine geleistete Reflexion enthalten. Genau das gilt nun auch fr die vier Beispiele, die Kant anfhrt, und ,unzhlige andere‘ symbolische Ausdrcke fr Begriffe. Die Ausdrcke „Substanz“ und „woraus fließen“ enthalten beispielsweise symbolische Darstellungen von Kategorien („Substanz“) und logische Beziehungen („woraus fließen“). Kant spricht von ,unzhligen anderen‘ symbolischen Ausdrcken fr Begriffe, was die Aussage aus [4.6] unterstreicht, dass unsere Sprache voller Symbole ist.186 Interessant ist ferner der zweite Teil der Aussage, auf den wir schon mehrfach in diesem Kapitel eingegangen sind. Kant rekapituliert hier erneut das doppelte Geschft der Urteilskraft. Symbolische Hypotyposen arbeiten demnach nicht mit direkten Anschauungen des Gegenstands, sondern mit einer Analogie ,mit derselben‘, wobei sich „derselben“ auf „direkte Anschauung“ bezieht.187 Also arbeiten symbolische Ausdrcke fr Begriffe lediglich mit einer Analogie einer direkten Anschauung. Was das bedeutet, wird in dem mit „d.i.“ eingeleiteten Satz erlutert. Die Analogie mit einer direkten Anschauung besteht darin, dass die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung (z. B. bei „fließen“ ein Fluß oder Bach) auf einen ganz anderen Begriff (z. B. den Begriff der logischen Folgerung) bertragen wird. Auf diese Weise wird dem Begriff eine direkte Anschauung eines anderen Gegenstands (eines Flusses) auf eine A priori-Weise
186 Damit zusammenhngend kçnnen wir ebenfalls annehmen, dass Kant bei der folgenden erneuten Rekapitulation des doppelten Geschfts der Urteilskraft unter dem „ganz anderen Begriff“ nicht nur eine bestimmte Begriffsart im Blick hat (z. B. die reinen Verstandesbegriffe), sondern alle Begriffsarten meint, fr die es symbolische Ausdrcke gibt. 187 Grammatikalisch ist „direkte Anschauung“ das einzig mçgliche und sinnvolle Bezugswort. Der Bezug auf „schematische (Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe)“, der inhaltlich sinnvoll wre (in KU, § 59 [2] ist vom Analogischsein der schematischen und der symbolischen Hypotypose die Rede), scheidet aus grammatikalischen Grnden aus.
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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unterlegt. Dabei gilt fr diesen ,ganz anderen Begriff‘, dass ihm ,vielleicht nie‘ eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Was bedeutet diese Aussage, dass dem ganz anderen Begriff ,vielleicht nie‘ eine Anschauung ,direkt korrespondieren‘ kann? In Kapitel 1.3.4 wurde der Begriff der Korrespondenz bereits erlutert. Mit der „Korrespondenz“ zwischen einem reinen Verstandesbegriff und einer Anschauung ist demnach der Bezug eines reinen Verstandesbegriffs auf einen Gegenstand der sinnlichen Anschauung gemeint. Durch die Korrespondenz ist eine empirische Erkenntnis dieses Gegenstands mçglich. Dabei ist wichtig, dass den Verstandesbegriffen korrespondierende Anschauungen gegeben werden kçnnen. Hier ist jedoch nicht davon die Rede, dass dem ganz anderen Begriff vielleicht nie eine Anschauung (angemessen) gegeben werden kann, sondern dass ihm vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Besteht zwischen diesen Aussagen ein Unterschied? Bevor wir zu dieser Frage noch zwei andere Texte konsultieren, fllt bei genauerem Hinsehen zunchst auf, dass Kant hier in [4.7] u. a. von symbolischen Ausdrcken fr reine Verstandesbegriffe spricht. Verstandesbegriffen aber kann eine korrespondierende Anschauung a priori gegeben werden, wie wir aus dem zweiten Absatz von § 59 wissen.188 Genau dieses Geben oder Unterlegen eines Begriffs mit einer korrespondierenden Anschauung ist der Zweck der schematischen Hypotypose. Wenn es nun in [4.7] heißt, dass u. a. Verstandesbegriffen als ,ganz anderen‘ Begriffen eine Anschauung ,vielleicht nie‘ direkt korrespondieren kann, dann steht diese Aussage in einer gewissen Spannung zu anderen Aussagen zur Korrespondenz von Verstandesbegriff und Anschauung in der schematischen Hypotypose: (K1): Verstandesbegriffen kann vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren. (aus [4.7]) (K2): Verstandesbegriffen kann eine korrespondierende Anschauung a priori gegeben werden (schematische Hypotypose). (aus [2])
Diese Spannung lsst sich noch durch eine bereits frher zitierte Aussage aus KU, § 57 verschrfen, wonach den Verstandesbegriffen der ihnen korrespondierende Gegenstand jederzeit in der reinen oder empirischen Anschauung gegeben werden kçnnen muss.189 Wenn es jederzeit mçglich 188 Vgl. KU, 5: 351,23 – 25. 189 Vgl. dazu KU, 5: 342,27 – 343,2 und Kapitel 1.3.4. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Kant in diesem Text aus § 57 die Rede von der Korrespondenz zwischen Begriff und Anschauung im Fall der Verstandesbegriffe und des Schemas nicht in einen Zusammenhang mit dem Attribut „direkt“ bringt.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
sein muss, den Verstandesbegriffen Anschauungen zu geben, dann ergibt es scheinbar wenig Sinn, davon zu sprechen, dass den Verstandesbegriffen vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondiert.190 Eine mçgliche Auflçsung dieser Spannung kçnnte jedoch darin bestehen, dass eine „direkt korrespondierende“ Anschauung etwas anderes ist als eine nur „korrespondierende“ Anschauung, weswegen beide Aussagen schlicht unterschiedliche Bedeutungen haben. Um das zu klren, muss die Bedeutung von „direkt korrespondieren“ untersucht werden. Es gibt zwei Textstellen, die hier eventuell Aufschluss geben kçnnen: „Diese Handlung, wenn die objective Realitt dem Begriff geradezu (directe) durch die demselben correspondirende Anschauung zugetheilt, d.i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematism“.191 „Wenn man nun zeigen kann, daß, obgleich die dreierlei transzendentalen Ideen (p s y c h o l o g i s c h e , k o s m o l o g i s c h e und t h e o l o g i s c h e ) direkt auf keinen ihnen korrespondierenden Gegenstand und dessen B e s t i m m u n g bezogen werden, dennoch alle Regeln des empirischen Gebrauchs der Vernunft unter Voraussetzung eines solchen G e g e n s t a n d e s i n d e r I d e e auf systematische Einheit fhren und die Erfahrungserkenntnis jederzeit erweitern, niemals aber derselben zuwider sein kçnnen: so ist es eine notwendige M a x i m e der Vernunft, nach dergleichen Ideen zu verfahren.“192
Die erste Textstelle stammt aus der Preisschrift. Kant beschreibt hier den Schematismus als Handlung, in der die objektive Realitt dem Begriff ,geradezu (directe)‘ durch die dem Begriff korrespondierende Anschauung zugeteilt wird. Auf den ersten Blick scheint die direkte Korrespondenz hier etwas mit dem Schematismus und dem A priori-Vorgang des Unterlegens eines Begriffs mit einer korrespondierenden Anschauung zu tun zu haben. Schaut man genauer hin, muss man allerdings feststellen, dass Kant hier nicht von einer „direkten Korrespondenz“ spricht. Das „directe“ wird adverbial gebraucht und charakterisiert die Zuteilung der objektiven Realitt zum Begriff durch die korrespondierende Anschauung. Die Stelle aus der Preisschrift ist also wenig hilfreich. Was kann der Text aus der KrV zur Klrung der Bedeutung von „direkt korrespondieren“ beitragen? In diesem Textausschnitt erfhrt man, dass die drei Vernunftideen auf keinen ihnen korrespondierenden Gegenstand und dessen Bestimmung direkt bezogen werden kçnnen. Das „direkt“ wird auch hier 190 Man kçnnte das „vielleicht nie“ an dieser Stelle als rhetorisches Mittel deuten. Allerdings ist es alles andere als klar, zu welchem Zweck Kant dieses Mittel hier einsetzen wollte. 191 FM, 20: 279,29 – 31. 192 KrV, B 699 (3: 443,20 – 28).
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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adverbial zur Kennzeichnung des Bezugs von Begriffen auf Gegenstnde gebraucht – wobei im hier vorliegenden Fall der Ideen eben kein direkter Bezug der Ideen auf ihnen korrespondierende Gegenstnde mçglich ist. Es ist keine Rede von einem (in diesem Fall mangelnden) direkten Korrespondieren von Begriff und Anschauung bzw. Gegenstand. Allerdings geht es hier zumindest um einen (nicht vorhandenen) direkten Bezug von Idee und korrespondierendem Gegenstand, so dass man behaupten kçnnte, dass „direkter Bezug“ und „Korrespondenz“ zwischen Idee und Gegenstand dasselbe bedeuten. Aber auch mit dieser Behauptung erfahren wir nur, dass Vernunftideen keine Gegenstnde korrespondieren, was wir aber bereits aus § 59 wissen, da nur Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung a priori unterlegt werden kann. Es fehlt die Information, welchen Begriffen im Gegensatz zu den Vernunftbegriffen Gegenstnde (direkt) korrespondieren. Beide Textstellen, bei denen sich cum grano salis ein Zusammenhang zwischen Korrespondenz und Direktheit vermuten lsst, waren also nicht hilfreich, die Bedeutung von „direkt korrespondieren“ zu erhellen. Ich mçchte im Ausgang von der plausiblen Annahme, dass (K1) und (K2) unterschiedliche Bedeutung haben, folgenden Interpretationsvorschlag machen. Zunchst: Der Unterschied zwischen der Rede von einem „direkten Korrespondieren“ von Anschauung und Begriff und der Rede von einem bloßen „Korrespondieren“ von Anschauung und Begriff betrifft nicht nur die Verstandesbegriffe. Vor dem Hintergrund dessen, dass [4.7] nicht nur eine spezielle Aussage ber die genannten Beispiele fr symbolische Ausdrcke macht, sondern vielmehr ,unzhlige andere‘ symbolische Ausdrcke ebenso im Blick hat, kçnnen wir sagen: Fr alle Begriffsarten, die symbolisiert werden kçnnen, gilt, dass ihnen vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Zu Beginn dieses Unterkapitels habe ich die These geußert, dass der despotische Staat mit den anderen Beispielen aus § 59 fr symbolisierte Begriffe womçglich gemeinsam hat, dass wir keine gewçhnlichen Anschauungen von den zu symbolisierenden Begriffen haben, dass also all diese Begriffe keine empirischen Begriffe sind. Wenn also die Begriffe, die sich symbolisieren lassen, keine empirischen Begriffe sind, bedeutet das, dass wir keine Beispiele von ihnen haben, dass wir nicht einfach auf einen Gegenstand zeigen kçnnen, um den Bezug zwischen Gegenstand und Begriff herzustellen. Versteht man nun diese Korrespondenz zwischen Anschauung und Begriff im Fall der empirischen Begriffen als „direkte Korrespondenz“, wird sofort klar, dass es vçllig unproblematisch ist, dass laut (K1) Verstandesbegriffen vielleicht nie eine
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Anschauung direkt korrespondieren kann, weil eben nur fr empirische Begriffe gilt, dass Begriffe und Anschauung einander direkt korrespondieren. Fr die Begriffsarten, die symbolisiert werden kçnnen, und somit auch fr die Verstandesbegriffe ist es unerheblich, dass ihnen vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Als Zeuge fr diese Interpretation kann man eine Stelle aus dem Schematismuskapitel der KrV zitieren: „Nun sind aber reine Verstandesbegriffe, in Vergleichung mit empirischen (ja berhaupt sinnlichen) Anschauungen, ganz ungleichartig, und kçnnen niemals in irgend einer Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die S u b s u m t i o n der letzteren unter die erste, mithin die A n w e n d u n g der Kategorie auf Erscheinungen mçglich, da doch niemand sagen wird: diese, z. B. die Kausalitt, kçnne auch durch Sinne angeschauet werden und sei in der Erscheinung enthalten?“193
Empirische Begriffe kçnnen im Gegensatz zu Verstandesbegriffen in irgendeiner Anschauung angetroffen werden. Man kçnnte dies als „direkte Korrespondenz“ oder eine „Korrespondenz a posteriori“ bezeichnen. Dagegen wird bei den reinen Verstandesbegriffen die Korrespondenz in der Schematisierung des Begriffs hergestellt, whrend es bei den Vernunftbegriffen in keiner Weise mçglich ist, eine Korrespondenz von Anschauung und Begriff zu erzeugen. Allerdings ist bei dieser Interpretationshypothese zu KU, § 59 [4.7] noch kurz die Einschrnkung ins Gedchtnis zu rufen, dass den zu symbolisierenden Begriffen eben nur ,vielleicht nie‘ eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Diese Einschrnkung lsst sich auf zweierlei Weise interpretieren: Die Aussage kçnnte (1) implizieren, dass Verstandesbegriffen und Vernunftideen eventuell doch unter unbekannten Umstnden Anschauungen direkt korrespondieren kçnnten. Oder sie kçnnte (2) darauf hindeuten, dass nicht nur solche Begriffe, denen mit Sicherheit nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann, symbolisiert werden kçnnen, sondern auch Begriffe, denen Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen, also empirische Begriffe. Es ist plausibler, sich an (2) zu halten. Fr diese Deutung des „vielleicht nie“ spricht auch, dass Kant mehrfach auf das hufige Vorkommen von Symbolen in unserer Sprache hinweist. Er geht also nicht davon aus, dass nur bestimmte Begriffe symbolisiert werden kçnnen. Die Variante (2) wrde diese Tendenz, die Mçglichkeit der Symbolisierung nicht auf bestimmte Begriffsarten ein193 KrV, B 176 – 177 (3: 134,7 – 13).
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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zuengen, besttigen.194 Was sollte auch dagegen sprechen, sich z. B. den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle symbolisch vorzustellen? Hinsichtlich der weiter oben gestellten Frage, ob es eine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung eines Begriffs ist, dass man keine Anschauungen von ihm haben kann, lsst sich sagen, dass es keine notwendige Bedingung ist. Als These mçchte ich festhalten: Nach KU, § 59 kçnnen alle Begriffsarten symbolisiert werden, wobei in der Regel solche Begriffe (reine Verstandesbegriffe und Vernunftideen) symbolisiert werden, von denen wir kein Beispiel in der Anschauung geben kçnnen, die also keine empirischen Begriffe sind.
Somit gilt auch fr den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats, dass wir in seinem Fall, gerade weil wir keine Anschauungen von seiner Kausalitt haben, auf das Verfahren der Symbolisierung zurckgreifen, um dem Begriff eine Anschauung zu unterlegen. Was das Symbol in diesem und in anderen Fllen leisten soll, warum wir also Begriffen Anschauungen auf diese Weise unterlegen, werde ich in Kapitel 1.7.3 diskutieren.
194 Auch Ziche geht auf Kants Formulierung aus [4.7] „auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann“ ein. In einer Fußnote erwgt er, dass wenn das „vielleicht“ in starkem Sinne als ein „wohl nicht“ zu lesen ist, die besagten bertragenen Redeweisen bzw. symbolischen Ausdrcke prinzipiell nicht eliminiert werden kçnnen. Er fgt diese Bemerkung seiner These an, dass sich, wenn man Kant in KU, § 59 folgt, Metaphern aus der Philosophie nicht einfach verbannen lassen. Damit liegt also noch eine dritte Interpretationsmçglichkeit des „vielleicht nie“ vor. Diese dritte Interpretationsmçglichkeit bringt aber v. a. gegenber Alternative (2) folgendes Problem mit sich: Wenn wir fr die empirischen Begriffe davon ausgehen, dass ihnen Anschauungen direkt korrespondieren, bleiben noch die Verstandes- und die Vernunftbegriffe, fr die gelten wrde, dass ihnen im Sinne der dritten Interpretationsmçglichkeit wohl keine Anschauung direkt korrespondieren kann. Dieser Aussage kann auf der Grundlage meiner berlegungen zur Bedeutung von „direkt korrespondieren“ zugestimmt werden. Aus dieser Aussage allein ergibt sich aber nicht, dass sich im Fall dieser Begriffe die symbolischen Ausdrcke nicht eliminieren lassen. Denn zumindest fr die Verstandesbegriffe gibt es ja noch die Alternative der direkten Darstellung mittels eines Schemas, was kein metaphorisches Sprechen ist. Deswegen halte ich die von Ziche angedeutete Interpretationsmçglichkeit fr weniger plausibel als die Alternative (2). Vgl. Ziche 2005, 397.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
1.4.8 Zusammenfassung Der Ausgangspunkt der Interpretationen dieses Kapitels war der Abschnitt KU, 5: 352,8 – 22 aus § 59. Dieser Textabschnitt ist besonders wichtig, weil er den Vorgang der Symbolisierung von Begriffen als ein „doppeltes Geschft“ der Urteilskraft erlutert. In diesem Abschnitt beschreibt Kant, auf welche Weise etwas zum Symbol wird. Zunchst habe ich herausgearbeitet, dass Symbole Anschauungen sind, die Begriffen auf eine A priori-Weise unterlegt werden. Dabei ist bemerkenswert, dass Kant in [4.1] nur von „Begriffen“ und nicht wie im zweiten Absatz von „Begriffen, die nur die Vernunft denken kann“, als mçglichen Kandidaten fr eine Symbolisierung spricht. Diese Beobachtung ist deshalb interessant, weil wir von den beiden ersten Abstzen des § 59 her eigentlich davon ausgehen mssten, dass Vernunftbegriffe bzw. Ideen symbolisiert werden kçnnen oder sollen. Außerdem ist in diesem Satz wichtig, dass Symbole ,indirekte Darstellungen‘ des Begriffs enthalten. Der nicht leicht zu verstehende Satz [4.2] wurde in zwei Teile aufgeteilt. Die Aussage des ersten Teils habe ich folgendermaßen rekonstruiert: [4.2] 1) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), wobei die Urteilskraft in der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet.
Wichtig an dieser Aussage ist, dass die Urteilskraft das doppelte Geschft mit oder mittels einer Analogie verrichtet. Das doppelte Geschft der Urteilskraft steht also in einem engen Zusammenhang mit der Analogie – und noch genauer: die Analogie ist Voraussetzung dafr, dass ein Symbol einen Begriff indirekt darstellt. Die beiden Teile des doppelten Geschfts der Urteilskraft bzw. den zweiten Teil von [4.2] habe ich folgendermaßen rekonstruiert: DG1: Der empirische Begriff der sinnlichen Anschauung bzw. der spezifischen Kausalitt der Handmhle wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. Wir schreiben der Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) eine spezifische Kausalitt zu. DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle bzw. die spezifische Kausalitt der Handmhle wird auf den despotischen Staat angewendet, i. e. die Reflexion ber die Handmhle wird auf den Begriff des despotischen Staats bertragen, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat. Auf diese Weise wird der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats indirekt dargestellt.
Durch das doppelte Geschft der Urteilskraft wird also die Handmhle zum Symbol des despotischen Staats. Deswegen kann man davon sprechen,
1.4 Das doppelte Geschft der Urteilskraft
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dass mit dem doppelten Geschft der Urteilskraft in [4.2] zugleich der Vorgang der Symbolisierung von Begriffen beschrieben ist. Außer im Satz [4.2] wird auch in den Stzen [4.4], [4.6] und [4.7] auf das doppelte Geschft der Urteilskraft bzw. auf den Vorgang der Symbolisierung Bezug genommen. Die beiden Schritte des doppelten Geschfts habe ich so interpretiert, dass die reflektierende Urteilskraft hier zu Gange ist. Dabei wurde nicht ausgeschlossen, dass in beiden Teilen auch die bestimmende Urteilskraft in dem Sinne ttig ist, dass diese die Anschauungen, die wir haben, unter die Kategorie der Kausalitt subsumiert, und damit erst mçglich macht, dass der Gegenstand als Ursache gedacht werden kann. Das Entscheidende an diesem doppelten Geschft ist jedoch, so meine Interpretation, die Reflexion. Des Weiteren wurden in diesem Kapitel die zentralen Bestandteile des doppelten Geschfts nher untersucht: 1. Reflexion, empirischer Begriff und Regel: Wenn die Urteilskraft auf reflektierende Weise ttig ist, dann werden gegebene Vorstellungen eines Gegenstands miteinander verglichen, um die empirischen Gesetze, Regeln oder spezifischen Naturformen zu erkennen, unter welche der Gegenstand fllt. Mit Bezug auf das Beispiel der Handmhle bedeutet das: Wir vergleichen die sinnlichen Anschauungen der Handmhle und kommen darber zu einer Erkenntnis der Regel oder des empirischen Gesetzes, auf welche Weise eine Handmhle Ursache fr eine Wirkung ist. Es gibt viele verschiedene Weisen, wie ein Gegenstand Ursache sein kann. Durch die Reflexion kçnnen wir feststellen, ob die Handmhle z. B. eher unter die Regel einer mechanischen oder unter die Regel einer organisch-teleologischen Kausalitt fllt. Der empirische Begriff, der Ergebnis der Reflexion ist, ist die Vorstellung dieser Regel. Im Fall der Handmhle kommen wir auf den empirischen Begriff der spezifisch mechanischen Kausalitt der Handmhle. Wichtig ist, dass sich diese spezifische Kausalitt eines Gegenstands nur aus einer Anschauung dieses Gegenstands erschließen lsst. Haben wir jemals eine Handmhle gesehen oder in anderer Weise Zugriff auf die Anschauung einer Handmhle, kçnnen wir ihr nicht nur Kausalitt zuschreiben, sondern vielmehr eine mechanische Kausalitt. 2. Die Anwendung der Regel der Reflexion: Die Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle, die im zweiten Schritt des doppelten Geschfts auf den despotischen Staat angewendet wird, ist die spezifische, nmlich mechanische Kausalitt der Handmhle. Dadurch, dass im zweiten Schritt die Reflexion nicht ihren Ausgang von entsprechenden Anschauungen des despotischen Staats nimmt, sondern vielmehr die Regel
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
der Reflexion ber einen – gegenber dem despotischen Staat – ganz anderen Gegenstand angewendet wird, haben die Reflexion und ihr Ergebnis, der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats, einen anderen Status als bei der Handmhle. Wir kommen durch diese ungewçhnliche Reflexion nur zu einer indirekten Darstellung des Begriffs des despotischen Staats. Die Anschauung der Handmhle ist kein Beispiel fr den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. 3. Werden Gegenstnde oder Begriffe symbolisiert? Dass es in [4.2] sinngemß heißt, dass der Gegenstand Handmhle zum Symbol des Gegenstands despotischer Staat wird, hat zur Untersuchung der Frage gefhrt, was genau symbolisiert werden kann. Meine These dazu ist, dass nach Kant Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen und nicht von Gegenstnden sind, weil Symbole nicht so allgemein sind, dass sie fr einen Gegenstand als Ganzes stehen. Auch in [4.2] geht es nicht um den Gegenstand des despotischen Staats als Ganzen, sondern vielmehr um seine spezifische Kausalitt, fr die wir ein Symbol suchen. Und das wiederum bedeutet, dass wir ein Symbol fr seinen Begriff suchen. 4. Wozu braucht man ein Symbol fr einen Begriff des despotischen Staats? Die These zu dieser Frage ist, dass wir mittels des Symbols den Begriff der spezifischen Kausalitt veranschaulichen. Warum wir wiederum diesen Begriff berhaupt veranschaulichen bzw. was Symbole eigentlich leisten, werden wir an spterer Stelle, in Kapitel 1.7.3, diskutieren. In diesem Kapitel ging es darum, genauer zu verstehen, was der Grund dafr ist, dass man im Fall des despotischen Staats auf ein Symbol zurckgreift. Der Grund dafr ist, dass der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats kein empirischer Begriff ist, dem ein Beispiel in der Anschauung gegeben werden kçnnte. Aus diesem Grund muss der Begriff, wenn man ihm eine Anschauung geben will, auf andere Weise veranschaulicht werden als ein empirischer Begriff. Ich kann nicht einfach auf den absoluten Monarchen zeigen, um zu illustrieren, wie ein despotischer Staat funktioniert. 5. Das Symbol ist Ergebnis und nicht Voraussetzung der Reflexion ber den zu symbolisierenden Begriff. Wenn wir auf das Verfahren der Symbolisierung zurckgreifen, um den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats zu veranschaulichen, dann ist das Symbol nicht nçtig, um ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren. Vielmehr ergibt sich gerade aus dem Vorgang des bertragens der Reflexion auf den ganz anderen Begriff, dass wir die entsprechende Anschauung fortan dem ,ganz anderen‘ Begriff unterlegen kçnnen. Die Aussage aus § 59, [4.7], dass ein Ausdruck ,ein Symbol fr die Reflexion‘
1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung
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enthlt, habe ich so interpretiert, dass das Symbol fr den Vorgang der Reflexion steht, also eine Art abkrzende Darstellung des Vorgangs ist, die Reflexion ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung auf den ganz anderen Begriff zu bertragen; es ist ein Symbol fr die geleistete Reflexion. Aus diesem Grund mssen wir Symbole, deren Bedeutung wir nicht kennen, gewissermaßen dechiffrieren, also das doppelte Geschft der Urteilskraft und die jeweilige Reflexion ber die Gegenstnde und ihre Kausalitt rekonstruieren, um die Bedeutung der Symbole zu verstehen. 6. Es kçnnen alle Begriffsarten symbolisiert werden. Die Interpretation von § 59 [4.7], wonach den zu symbolisierenden Begriffen „vielleicht nie“ eine Anschauung direkt korrespondieren kçnne, und die Interpretation von [4.6], wo es heißt, dass unsere Sprache ,voll von dergleichen indirekte Darstellungen nach einer Analogie‘ ist, hat zu folgender These gefhrt: Nach KU, § 59 kçnnen alle Begriffsarten symbolisiert werden, wobei in der Regel solche Begriffe (reine Verstandesbegriffe und Vernunftideen) symbolisiert werden, von denen wir kein Beispiel in der Anschauung geben kçnnen, die also keine empirischen Begriffe sind.
Somit ist das Verfahren der Symbolisierung nicht nur exklusiv den Vernunftbegriffen bzw. Ideen vorbehalten. Es ist sogar zulssig und ohne Problem denkbar, dass wir empirische Begriffe durch Symbole indirekt darstellen. In der Regel – das zeigen die Beispiele, die Kant in § 59 anfhrt – haben wir es jedoch mit Begriffen zu tun, von denen wir keine Anschauungen haben.
1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung Bevor ich darauf eingehe, wie die Untersuchungen zum Analogiebegriff die Interpretationen zum doppelten Geschft der Urteilskraft untersttzen und weiter verdeutlichen kçnnen, mçchte ich noch kurz den zweiten Absatz von KU, § 59 interpretieren, auf den ich noch nicht nher eingegangen bin. Dabei werde ich mich in der Interpretation auf die symbolische Hypotypose konzentrieren und nur am Rand auf die schematische Hypotypose eingehen.195 „[2] Alle H y p o t y p o s e (Darstellung, subiectio sub adspectum) als Versinnlichung ist zwiefach: entweder s c h e m a t i s c h , da einem Begriffe, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird; oder 195 Vgl. dazu in der Einleitung A.1.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
s y m b o l i s c h , da einem Begriffe, den nur die Vernunft denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche untergelegt wird, mit welcher das Verfahren der Urteilskraft demjenigen, was sie im Schematisieren beobachtet, bloß analogisch ist, d.i. mit ihm bloß der Regel dieses Verfahrens, nicht der Anschauung selbst, mithin bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalte nach bereinkommt.“196
Kant unterscheidet hier ausschließend-disjunktiv zwei Arten von Hypotyposen: Entweder eine Hypotypose ist schematisch oder sie ist symbolisch.197 Kant setzt dabei „Darstellung“ in Parenthese zu „Hypotypose“ und will ,alle Hypotypose‘ als ,Versinnlichung‘ auffassen. Wenn „darstellen“ oder „Darstellung“, wie ich in Kapitel 1.3.7 gezeigt habe, bedeutet, einem Begriff eine korrespondierende Anschauung zu geben, dann ist auch „Hypotypose“ ein Ausdruck fr diesen Vorgang. Vor diesem Hintergrund kann auch erhellen, warum Kant hier ,alle Hypotypose‘ als ,Versinnlichung‘ auffasst. Denn es ist plausibel, die Darstellung eines Begriffs als dessen Versinnlichung oder Veranschaulichung zu begreifen. Allerdings ergibt sich aus der Gleichsetzung von „Hypotypose“ und „Darstellung“ das Problem, dass Kants in Kapitel 1.3.7 dargelegtes Verstndnis von „Darstellung“ nur auf die hier in [2] beschriebene schematische Hypotypose, nicht aber auf die symbolische Hypotypose zutrifft. Denn von der schematischen Hypotypose sagt Kant in [2], dass in ihrem Fall einem Verstandesbegriff eine korrespondierende Anschauung gegeben wird.198 Dieses Problem lsst sich allerdings dadurch lçsen, dass man auf [4.1] verweist, wo Kant zwischen einer direkten Darstellung von Begriffen im Fall der Schemate und einer indirekten Darstellung von Begriffen im Fall der Symbole unterscheidet. „[4.1] Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder S c h e m a t e oder S y m b o l e , wovon die ersteren direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten.“199 196 KU, 5: 351,23 – 31. 197 Auf die begriffsgeschichtlichen Aspekte von „Hypotypose“, „Darstellung“ und „subiectio sub adspectum“ bin ich bereits kurz in der Einleitung (vgl. Kapitel B.3) eingegangen. 198 In Kapitel 1.3.4 und 1.3.5 ging es u. a. darum, dass „Darstellung“ in der KU als Begriff so eingefhrt wird, dass damit gemeint ist, einem Verstandesbegriff eine korrespondierende Anschauung zu geben. Kant bringt „darstellen“ dabei in einen engen Zusammenhang mit „demonstrieren“. Im Blick auf die Unterscheidung von „direkter“ und „indirekter Darstellung“ in [4.1] ist dieses Verstndnis von Darstellung als „direkte Darstellung“ zu bezeichnen. 199 KU, 5: 352,8 – 10.
1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung
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„Darstellung“ hat fr Kant anscheinend nicht nur die Bedeutung, dass einem Begriff eine korrespondierende Anschauung gegeben wird, so dass erst einmal auch nichts dagegen spricht, beide Hypotyposen als Darstellungen anzusehen. Aus dieser Zuordnung von „Darstellung“ und „Hypotypose“ kçnnen wir auch das Verhltnis von „Symbol“ und „symbolischer Hypotypose“ genauer bestimmen: Wenn wir „symbolische Hypotypose“ als „indirekte Darstellung von Begriffen“ auffassen kçnnen, dann ,enthalten‘ Symbole symbolische Hypotyposen. Das ist auf den ersten Blick redundant. Schlsselt man jedoch „Symbol“ und „symbolische Hypotypose“ entsprechend auf, verschwindet die Redundanz: Die Aussage „Symbole enthalten symbolische Hypotyposen“ kann man demnach in die Aussage „Symbole (eine bestimmte Menge von Anschauungen, die man Begriffen auf eine A priori-Weise unterlegt hat) enthalten indirekte Darstellungen bzw. Hypotyposen eines Begriffs“ umwandeln. „Symbolische Hypotypose“ nimmt somit genauso wie „indirekte Darstellung“ Bezug auf das Verfahren der Symbolisierung, das ein Symbol eines Begriffs zum Ergebnis hat.200 Die Art und Weise der Versinnlichung ist im Fall der symbolischen Hypotypose eine andere als bei der schematischen Hypotypose. Kants Aussage ber die symbolische Hypotypose in [2] lsst sich so rekonstruieren:201 200 Gasch meint, man fasse den hier von Kant verwendeten Begriff der Hypotypose am besten als eine „transcendental presentation“ auf, also als eine „transzendentale Darstellung“ (vgl.Gasch 2003, 210). Wenn Gasch damit zum Ausdruck bringen will, dass bei einer Hypotypose Begriffen Anschauungen auf eine A priori-Weise unterlegt werden, ist dieser Vorschlag plausibel. 201 Dabei klammere ich den mit „d.i.“ eingeleiteten Satzteil weitgehend aus. Eine eingehendere Interpretation dieses Satzteils ist nicht nçtig, weil die zentrale Differenzierung, welche dieser Satzteil vornimmt und die fr das Verstndnis der symbolischen Hypotypose wichtig ist, sich auch in [4.7] findet, worauf ich gleich noch eingehen werde. In der Sekundrliteratur findet sich hingegen eine starke Aufmerksamkeit auf die Differenzierung dieses Satzteils zwischen der ,Form der Reflexion‘ und dem ,Inhalt‘, wohingegen der Satz [4.7] interpretatorisch meistens bergangen wird. So oft diese Unterscheidung aus [4.2] zitiert wird, so selten findet man eine Erluterung, was genau man sich unter dieser Unterscheidung vorzustellen hat (vgl. z. B. Bornmller 2007, 161; Recki 2008, 195 – 196). Ich mçchte wenigstens auf folgende Probleme in [2] aufmerksam machen, die in der Rekonstruktion der Aussage von [2] bereits auf bestimmte Weise gelçst wurden. Es ist nicht klar, wie „mit welcher“ zu verstehen ist. Ich interpretiere es so, dass das „mit“ instrumentell im Sinne von „durch“ zu verstehen ist, und dass sich „welcher“ auf die unterlegte Anschauung bezieht. In dem Nebensatz „was sie im Schematisieren beobachtet“ sehe ich als Bezugswort fr „sie“ die Urteilskraft an und „beobachtet“
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Eine symbolische Hypotypose besteht darin, dass einem Vernunftbegriff, dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche sinnliche Anschauung auf eine A priori-Weise unterlegt wird. Das Verfahren der Urteilskraft bei der symbolischen Hypotypose ist demjenigen Verfahren, dem die Urteilskraft beim Schematisieren folgt, durch das Unterlegen der Anschauung bloß analogisch.
Beide Hypotyposen kommen darin berein, dass in beiden Fllen Anschauungen Begriffen unterlegt werden, wie es in [4.1] heißt.202 Abgesehen von den unterschiedlichen Begriffsarten, die jeweils versinnlicht werden (bei der schematischen Hypotypose ist von Verstandesbegriffen und bei der symbolischen Hypotypose von Vernunftbegriffen die Rede), besteht der Unterschied zwischen beiden laut dem zweiten Absatz von § 59 darin, dass im Fall der schematischen Hypotypose die unterlegte Anschauung dem Begriff korrespondiert, whrend im Fall der symbolischen Hypotypose dem Begriff eine sinnliche Anschauung unterlegt wird, obwohl ihm eigentlich keine Anschauung angemessen sein kann.203 Irritierend an der Aussage ber die symbolische Hypotypose in [2] ist, dass Kant hier offensichtlich nur einen ,Begriff, den nur die Vernunft bersetze ich als „beachtet“ oder „folgt“. Auf das Analogischsein komme ich gleich noch zu sprechen. 202 Es ist erstaunlich, dass Frank und Zanetti in ihrem Kommentar zu dieser Textstelle schreiben, dass die symbolische Versinnlichung „eine von drei Weisen der Versinnlichung von Begriffen“ sei, „wie sie Kant unter dem Titel der ›Hypotypose‹ vereinigt […].“ (Frank et al. 2009, 1261). Nicht nur Schemata und Symbole, sondern auch Beispiele seien Versinnlichungen bzw. Hypotyposen von Begriffen. Frank und Zanetti lesen somit den zweiten Absatz von § 59 und die ,zwiefache‘ Hypotypose von Begriffen vom ersten Absatz her, wo von drei Begriffsarten und ihrem Verhltnis zu Anschauungen die Rede ist. Gegen diese Interpretation von Frank und Zanetti spricht v. a., dass Kant die Ausdrcke „Hypotypose“ und „Darstellung“ nicht nur in § 59, sondern auch an anderen Stellen in der KU (vgl. dazu Kapitel 1.3.5) und in der Preisschrift (vgl. dazu Kapitel 1.8) mit Verstandesund Vernunftbegriffen in Zusammenhang bringt. „Hypotypose“ und „Darstellung“ erscheinen somit als exklusive Termini technici fr die Art und Weise, wie Verstandes- und Vernunftbegriffe versinnlicht werden. 203 Vor dem Hintergrund von [2] ist deswegen ußerst rtselhaft, wie Bahr zu der Aussage kommt, dass Kant (laut Fußnote in KU, B 255, was KU, 5: 351,23 – 352,6 entspricht) den Unterschied zwischen beiden Arten der Darstellung so zusammenfasse: „Schematisieren heißt: Etwas als etwas bestimmen. Symbolisieren heißt: Etwas als etwas fr mich Bedeutsames reflektieren.“ (Bahr 2004b, 272). Die von Bahr diagnostizierte Perspektivitt ,fr mich‘ lsst sich aus diesem Textstck nicht gewinnen. Außerdem bergeht Bahr die sachlich entscheidende Differenz zwischen beiden Hypotyposen, die darin besteht, dass die jeweils unterlegte Anschauung dem Begriff entweder korrespondiert oder nicht korrespondiert.
1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung
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denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann‘ als Kandidaten fr eine symbolische Hypotypose vorstellt. Diese Einengung der Mçglichkeit der Symbolisierung von Begriffen auf Vernunftbegriffe steht im Kontrast zu den Aussagen aus dem vierten Absatz von § 59, von denen bereits im Kapitel 1.4 die Rede war: Kants Beispiele (v. a. der despotische Staat) fr die Symbolisierung von Begriffen sind mit Ausnahme der Idee Gottes in [4.8] keine Vernunftbegriffe.204 Dass Kant hier die symbolische Hypotypose auf die Vernunftbegriffe einengt, kçnnte jedoch damit zusammenhngen, dass es ein erklrtes Ziel des § 59 ist, die symbolische Hypotypose als einen Weg darzustellen, wie man Vernunftbegriffen auf indirekte Weise eine Anschauung unterlegen kann.205 Die Einengung auf Vernunftbegriffe kann also als eine Betonung dessen verstanden werden, dass wir mittels der symbolischen Hypotypose in jedem Fall auch Vernunftbegriffen eine Anschauung unterlegen kçnnen. Kant spricht auch im vierten Absatz von „symbolischen Hypotyposen und Ausdrcken fr Begriffe“: „[4.6] Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt. [4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“206
Die Rekonstruktion dieser Aussage von [4.7] im Kapitel 1.4.7 lautete: [4.7] So sind verschiedene Wçrter wie „Grund“ etc. und viele andere nicht schematische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe. Sie sind symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht mittels einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung, was bedeutet, dass die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen 204 Das wurde in Kapitel 1.4.7 ausfhrlich diskutiert. 205 In dem [2] vorausgehenden Absatz [1] von § 59 hat Kant deutlich gemacht, dass es unmçglich ist, die objektive Realitt von Vernunftbegriffen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis aufzuweisen, weil ihnen keine korrespondierende Anschauung gegeben werden kann. 206 KU, 5: 352,8 – 13; 352,25 – 353,2.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Begriff bertragen wird, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.
Aus [4.7] wird zunchst ersichtlich, dass es auch andere Begriffe als Vernunftbegriffe gibt, die mittels einer symbolischen Hypotypose versinnlicht werden kçnnen. Dafr spricht nicht zuletzt, dass Kant als Beispiele fr symbolisierte Begriffe reine Verstandesbegriffe (wie „Substanz“) nennt. Die Erweiterung der Perspektive im vierten Absatz auf alle Begriffsarten als mçgliche Kandidaten fr eine Symbolisierung kann auch als Erklrung fr die widersprchlichen Aussagen dienen, dass es in [2] ber die zu symbolisierenden Vernunftbegriffe heißt: „dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann“, whrend wir in [4.7] hinsichtlich des zu symbolisierenden ,ganz anderen‘ Begriffs lesen: „dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann“. Im zweiten Absatz von § 59 hat Kant die Vernunftbegriffe als zu symbolisierende Begriffe im Blick, weil in ihrem Fall die Symbolisierung die einzige Mçglichkeit ist, diese Begriffe zu veranschaulichen. Deswegen schreibt er eben mit Bezug auf die Vernunftbegriffe, dass ihnen keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann. Dagegen erlutert er im vierten Absatz seine Symboltheorie ganz allgemein, wobei deutlich wird, dass verschiedene Begriffsarten (von despotischen Staaten bis zu Gott) symbolisiert werden kçnnen. Kant schließt anscheinend nicht aus, dass auch empirische Begriffe symbolisiert werden kçnnen. Deswegen heißt es in [4.7], dass dem jeweils zu symbolisierenden Begriff ,vielleicht nie‘ eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Ein wenig irritierend in diesem Satz [4.7] ist, dass Kant symbolische „Hypotypose“ und symbolischer „Ausdruck“ in einem Atemzug nennt, so als ob mit beiden Worten dasselbe gemeint sei. Dass dies nicht der Fall sein kann, macht der vorhergehende Satz [4.6] deutlich: Bestimmte Ausdrcke enthalten ein Symbol fr die Reflexion. Symbole wiederum enthalten laut [4.2] indirekte Darstellungen und damit (symbolische) Hypotyposen von Begriffen. Somit kann man sagen: Symbolische Ausdrcke enthalten symbolische Hypotyposen. Damit lsst sich Kants Terminlogie in KU, § 59 nun klar zuordnen: Whrend sich „symbolische Hypotypose“ oder „indirekte Darstellung“ auf das doppelte Geschft der Urteilskraft und damit auf den Vorgang der Symbolisierung von Begriffen beziehen, meinen „Symbol“ bzw. „symbolischer Ausdruck“ jeweils das Ergebnis dieses Vorgangs, nmlich die dem Begriff unterlegte Anschauung bzw. deren sprachlichen Ausdruck. Diese klare Unterscheidung ist nicht zuletzt deswegen von großer Bedeutung fr das Verstndnis von Kants Symbolbegriff, weil dadurch deutlich wird, dass
1.5 Symbolische Hypotypose und indirekte Darstellung
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gewissermaßen hinter dem Symbol ein bestimmter Vorgang steht, der nachzuvollziehen ist, um das Symbol in seiner Bedeutung zu verstehen.207 Der Satz [4.7] kann auch helfen zu verstehen, was die Aussage aus [2] bedeutet, dass die beiden Verfahren der Urteilskraft in der schematischen und in der symbolischen Hypotypose ,analogisch‘ sind.208 In [4.7] heißt es, dass bestimmte Wçrter keine schematischen Hypotyposen und Ausdrcke, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke sind. Diese Wçrter ,sind‘ symbolische Hypotyposen und Ausdrcke nicht durch eine direkte Anschauung, sondern ,nach einer Analogie‘ mit einer direkten Anschauung.209 Die Aussage aus [4.7] interpretiere ich so, dass beide Hypotyposen insofern etwas miteinander zu tun haben, als in beiden Fllen eine direkte Anschauung eine wichtige Rolle spielt: In beiden Fllen wird einem Begriff eine Anschauung auf eine A priori-Weise unterlegt. Nur hat die direkte Anschauung jeweils einen anderen Status: Bei der schematischen Hypotypose korrespondiert die Anschauung dem Begriff und stellt ihn direkt dar; im Fall der symbolischen Hypotypose gibt es keine Korrespondenz zwischen Anschauung und Begriff. Die indirekte Darstellung des Begriffs erfolgt jedoch nach einer Analogie, in der eine direkte, einem anderen Begriff korrespondierende Anschauung mit dem indirekt darzustellenden Begriff in ein Verhltnis gesetzt wird. Die Verbindung von Anschauung und Begriff – Korrespondenz bzw. Demonstration versus Analogie – ist bei beiden Hypotyposen jeweils eine andere. Das Indirekte an der indirekten Darstellung hngt also damit zusammen, dass der Begriff nur nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung dargestellt wird, dass also das Unterlegen des Begriffs mit einer Anschauung auf der Grundlage einer Analogie verluft.210 Die unterlegte Anschauung, also das, wodurch der Begriff dargestellt wird, gibt keinen 207 Vgl. dazu auch Bahr 2004b, 271. 208 Kant spricht hier offensichtlich von einem anderen ,analogischen‘ Verhltnis als sonst in § 59, auch wenn es sich in [2] um das erste Vorkommen von „Analogie“ bzw. „analogisch“ in § 59 handelt. In [4] geht es dreimal um die Analogie im Sinne des doppelten Geschfts der Urteilskraft, so dass die Analogie zwischen zwei Verhltnissen bzw. zwischen den Regeln, ber zwei Gegenstnde zu reflektieren, besteht. Hier in [2] besteht die Analogie hingegen zwischen zwei Verfahrensweisen der Urteilskraft. Man kann diese, gegenber dem sonstigen Gebrauch in § 59 andere Analogie jedoch durchaus als Proportionalittsanalogie rekonstruieren: AnschaungSchema :BegriffSchema = AnschauungSymbol :BegriffSymbol. 209 Dabei meint Kant mit der „Analogie mit einer direkten Anschauung“, wie der folgende mit „d.i.“ eingeleitete Satz zeigt, die Analogie, die Grundlage des doppelten Geschfts der Urteilskraft ist. 210 Vgl. dazu hnlich Frank et al. 2009, 1262.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
unmittelbaren Aufschluss ber den Begriff wie bei der direkten Darstellung. Vielmehr muss man im Fall der indirekten Darstellung von Begriffen die Verbindung von Begriff und Anschauung in der der Symbolisierung zugrundeliegenden Analogie verstehen, was bedeutet, dass man den Vorgang der Symbolisierung rekonstruieren muss.211 Die Indirektheit der symbolischen Darstellung ergibt sich somit aus der Eigenart des Verfahrens der Symbolisierung. Aufgrund des unterschiedlichen Status der Anschauung, die sich in der Unterscheidung von „direkter“ und „indirekter Darstellung“ ausdrckt, stimmen beide Verfahrensweisen, wie es in [2] heißt, ,nicht der Anschauung selbst‘ nach und nicht dem ,Inhalt‘ der Reflexion nach berein.212 In der ,Regel des Verfahrens‘ bzw. in der ,Form der Reflexion‘ stimmen sie jedoch berein, was ich so verstehen mçchte, dass bei beiden Hypotyposen bestimmten Begriffen Anschauungen auf eine A priori-Weise unterlegt werden. Deswegen sind die beiden Verfahrensweisen der Urteilskraft bei den Hypotyposen im Endeffekt einander bloß analogisch. 1.5.1 Zusammenfassung Im Fall der symbolischen Hypotypose werden Begriffen Anschauungen unterlegt, wobei diese Anschauungen den Begriffen eigentlich nicht angemessen sind und nur mittels einer Analogie in Verbindung zum Begriff 211 Zur Interpretation von „indirekte Darstellung“ vgl. auch Kapitel 1.8. 212 In [2] heißt es, dass die beiden Verfahren der Urteilskraft hinsichtlich der beiden Hypotyposen nicht der ,Anschauung selbst‘ nach bereinkommen. Da beiden Begriffsarten Anschauungen unterlegt werden, kann die Differenz nicht darin bestehen, dass in einem Fall Anschauungen unterlegt werden und im anderen Fall nicht. Eine Interpretationsmçglichkeit zu dieser Aussage ist, dass beiden Begriffsarten verschiedene Anschauungen unterlegt werden, dass also bestimmte Anschauungen nur Verstandesbegriffen und andere Anschauungen nur Vernunftbegriffen unterlegt werden. Das ist allerdings fragwrdig. Denn man kann auch einem reinen Verstandesbegriff die Anschauung einer Handmhle unterlegen, um dadurch den Begriff der Kausalitt zu versinnlichen. Deswegen ist es plausibel, das Nicht-bereinkommen hinsichtlich der ,Anschauung selbst‘ auf dem Hintergrund der Aussage von [4.7], wie eben dargelegt, zu verstehen: Es geht um den unterschiedlichen Status, den die unterlegten Anschauungen bei den beiden Hypotyposen haben. Bei der schematischen Hypotypose korrespondieren Begriffe und Anschauungen einander, whrend bei der symbolischen Hypotypose Anschauungen unterlegt werden, die dem versinnlichten Begriff in keiner Weise korrespondieren kçnnen und den Begriff vielmehr nach einer Analogie indirekt darstellen.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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stehen. Da „Hypotypose“ von Kant mit „Darstellung“ in Parenthese gesetzt wird, kann die symbolische Hypotypose auch als die indirekte Darstellung von Begriffen verstanden werden. „Symbolische Hypotypose“ nimmt somit genauso wie „indirekte Darstellung von Begriffen“ Bezug auf das doppelte Geschfts der Urteilskraft bzw. den Vorgang der Symbolisierung, whrend das eigentliche Symbol Ergebnis dieses Vorgangs ist: Symbolische Ausdrcke enthalten symbolische Hypotyposen oder Darstellungen. Bei der schematischen Hypotypose werden hingegen reinen Verstandesbegriffen Anschauungen unterlegt, wobei diese Anschauungen den reinen Verstandesbegriffen korrespondieren. Im Fall der schematischen Hypotypose ist keine Analogie nçtig, da die Anschauungen den reinen Verstandesbegriffen angemessen sind bzw. in Korrespondenz zu den Begriffen stehen. Beide Hypotyposen sind Verfahren der Urteilskraft, die darin einander analogisch sind, dass in beiden Fllen Begriffen Anschauungen unterlegt werden kçnnen. Sie sind darin unterschieden, dass im Fall der symbolischen Hypotypose die Darstellung des Begriffs nur mittels einer Analogie mit einer direkten Anschauung geschieht, whrend bei der schematischen Hypotypose gilt, dass die unterlegte Anschauung dem Begriff korrespondiert. Der Status der Anschauung ist in beiden Fllen also unterschiedlich. Wichtig ist noch, dass Kant im zweiten Absatz von § 59 ausschließlich Vernunftbegriffe als Kandidaten fr eine symbolische Hypotypose nennt, also Begriffe, die prinzipiell nicht-anschaulich sind, whrend man Satz [4.7] so interpretieren kann, dass Kant dort alle Begriffsarten als Kandidaten fr eine Symbolisierung ansieht. Die Mçglichkeit einer symbolischen Hypotypose von Begriffen ist also nicht nur auf Vernunftbegriffe beschrnkt.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“ In diesem Kapitel soll es darum gehen, die Ergebnisse der vorigen Kapitel hinsichtlich des Zusammenhangs von Analogie und Symbol miteinander in Beziehung zu setzen.213 Dazu mçchte ich noch einmal die drei Stellen aus § 59 in den Blick nehmen, in denen von Analogie und Symbol die Rede ist.214 213 Die ausfhrliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Analogie in seiner Bedeutung fr die Erkenntnis Gottes wird im zweiten Teil der Arbeit erfolgen. Vgl. Kapitel 2.2. 214 Die drei Stellen sind in [4.2], [4.6] und [4.7] bzw. KU, 5: 352,11; 352,26; 352,33.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
„[4.1] Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder S c h e m a t e oder S y m b o l e , wovon die ersteren direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. [4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden..“215
Im Kapitel 1.4.2 habe ich die Aussage des ersten Teils von [4.2] so rekonstruiert: [4.2] 1) Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), wobei die Urteilskraft in der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet.
Damit Symbole indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten kçnnen, ist eine Analogie als Mittel erforderlich. Die Urteilskraft verrichtet des Weiteren ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft.216 Das doppelte Geschft der Urteilskraft wurde folgendermaßen rekonstruiert:217 [4.2] 2) Das doppelte Geschft der Urteilskraft besteht aus zwei Schritten: DG1: Der empirische Begriff der sinnlichen Anschauung bzw. der spezifischen Kausalitt der Handmhle wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. Wir schreiben der Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) eine spezifische Kausalitt zu. DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle bzw. die spezifische Kausalitt der Handmhle wird auf den despotischen Staat angewendet, i. e. die Reflexion ber die Handmhle wird auf den Begriff des despotischen Staats bertragen, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat. Auf diese Weise wird der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats indirekt dargestellt.
Die Analogie, in der die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, lsst sich schließlich folgendermaßen rekonstruieren: Die Handmhle verhlt 215 KU, 5: 352,7 – 16. 216 Es ist nicht auf den ersten Blick klar, was Kant genau meint, wenn er in [4.2] schreibt, „in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet“. Als Bezugswort von „welcher“ wurde in Kapitel 1.4.2 „Analogie“ angenommen. „Indirekte Darstellungen“ fllt grammatikalisch als Bezugswort aus. Deswegen habe ich die Aussage von [4.2] so rekonstruiert, dass die Urteilskraft in der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet. Darauf, wie dieses „in“ genauer in Bezug auf das doppelte Geschft zu verstehen ist, gehe ich gleich noch ausfhrlich ein. 217 Vgl. Kapitel 1.4.2 bis 1.4.7.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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sich zu ihrer Wirkung – den zermahlenen Kaffeebohnen – wie der despotische Staat zu seinen Wirkungen – den unterdrckten Untertanen, die in der absolutistischen Staatsmhle gewissermaßen zerrieben werden. Formal kann die Analogie so ausgedrckt werden: Ursache1 (Handmhle) : Wirkung1 (zermahlene Kaffeebohnen) = Ursache2 (despotischer Staat) : Wirkung2 (unterdrckte Untertanen)
In der Interpretation von KU, § 90 hat sich gezeigt, dass das Ziel eines Analogieschlusses oder des Denkens nach einer Analogie ist, dass wir ber eine uns unbekannte Ursache etwas aussagen kçnnen. Im Fall der Analogie von Mensch und Tier sagt Kant zwar nicht ausdrcklich, dass die Ursache der Biberdmme oder anderer zweckmßiger tierischer Bauten uns immer unbekannt bleiben muss. Kant konstatiert lediglich, dass wir den Grund der tierischen Kunsthandlungen „nicht kennen“ oder dass wir diesen Grund „nicht unmittelbar wahrnehmen kçnnen“.218 Allerdings mssen wir hinsichtlich des Beispieles aus § 90 wohl dennoch davon ausgehen, dass uns in diesem Fall die Ursache der Kunsthandlungen von Tieren nach Kant unbekannt bleiben muss. 219 Auch im Fall der Analogie von despotischem Staat und Handmhle wird man sagen kçnnen, dass uns die Urschlichkeit des despotischen Staats unbekannt ist und auch unbekannt bleiben muss, weil wir keine Anschauung von ihm als Ursache seiner Wirkungen haben. An dieser Stelle kann die Rede von „Verhltnissen“ in der Analogie dazu beitragen, die Bedeutung von „Regel“ – sowohl in [4.4] als auch in [4.2] – sowie von „hnlichkeit“ zu erhellen. „[4.3] So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Kçrper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fllen aber nur s y m b o l i s c h vorgestellt. [4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“220 218 KU, 5: 464,16; 464,24. 219 Der Grund dafr ist, dass wir die Ursache bei Tieren nicht unmittelbar wahrnehmen kçnnen. Diese unmittelbare Wahrnehmung bzw. Introspektion wre im Fall dieses Beispiels notwendig, um die Kausalitt von Tieren erkennen zu kçnnen. Ein hnliches Problem ergibt sich auch hinsichtlich des anderen Beispiels aus § 90. Beim hçchsten Wesen ist anzunehmen, dass die Art und Weise, wie es Ursache ist, uns auf theoretischem Weg prinzipiell unbekannt bleiben muss, weil es keine sinnlich-bedingte Kausalitt hat. 220 KU, 5: 352,16 – 22.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Unter „Regel“ lsst sich das Verhltnis von Ursache und Wirkung in der Analogie verstehen. Die „hnlichkeit zwischen der Regel“ kann man als die vollkommene hnlichkeit bzw. als die Identitt der beiden Verhltnisse von Ursache und Wirkung auffassen. Die mangelnde hnlichkeit zwischen den beiden Gegenstnden der Handmhle und des despotischen Staats wiederum lsst sich so interpretieren, dass beide Gegenstnde nicht gengend gemeinsame Eigenschaften haben, um sie unter der Rcksicht des Vergleichs ihrer Wirkungen zur selben Gattung zu zhlen. Hinsichtlich der Mçglichkeit eines Analogieschlusses auf die spezifische Kausalitt des despotischen Staats wre die spezifische Verschiedenheit zwischen der Handmhle und dem despotischen Staat also zu groß.221 Andererseits muss man mit Blick auf § 90 sagen, dass die bloße Rede von „hnlichkeit“ in [4.4] nicht ausreicht, um die These zu halten, Kant wolle hier andeuten, dass kein Analogieschluss auf die spezifische Kausalitt des despotischen Staats mçglich sei. Schließlich liegt die hnlichkeit zwischen einem Biber und einem Architekten, der Talsperren baut, nicht auf der Hand. Und trotzdem kçnnen wir nach der Analogie darauf schließen, dass auch Tiere nach Vorstellungen handeln. Laut § 90 kommt es darauf an, unter welcher Rcksicht wir zwei Entitten miteinander vergleichen.222 Nachdem Kant hier nicht darauf eingeht, warum und worin sich die Handmhle und der despotische Staat nicht hnlich sind, muss die Frage offen bleiben, ob die Analogie, deren sich die Urteilskraft bedient, so beschaffen ist, dass nur ein Denken nach der Analogie und kein Analo221 Wenn [4.4] außerdem eine Begrndung („Denn“) dafr liefert, dass wir, wie in [4.3] u. a. ausgesagt wird, einen despotischen Staat durch eine Handmhle uns ,nur symbolisch‘ vorstellen, dann ließe sich außerdem behaupten, dass wir eben ,nur‘ zu einer symbolischen Vorstellung des despotischen Staats gelangen, weil kein Analogieschluss auf die spezifische Kausalitt des despotischen Staats mçglich ist (wegen der mangelnden hnlichkeit zwischen beiden Gegenstnden), sondern nur ein Denken des despotischen Staats nach der Analogie. Gegen diese Interpretation lassen sich zwei Grnde anfhren: Erstens baut die Interpretation darauf auf, dass kein Analogieschluss mçglich ist. Das hat Kant hier aber nicht ausdrcklich gesagt. Zweitens msste man inhaltlich begrnden, warum die Mçglichkeit der Symbolisierung von der Unmçglichkeit eines Analogieschluss abhngen sollte. Im Gegenteil: Es erscheint nicht einsichtig, warum man nicht auch die Kausalitt der Tiere, aus Vorstellungen handeln zu kçnnen, symbolisieren kann. Womçglich kçnnte man sogar die Formulierung „Handeln aus Vorstellungen“ als einen solchen symbolischen Ausdruck interpretieren. 222 Unter der Rcksicht, dass Handmhlen und despotische Staaten eine sinnlichbedingte Kausalitt haben, gehçren beide Gegenstnde zur selben Gattung und sind darin einander hnlich.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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gieschluss mçglich ist. Festzuhalten ist, dass die Urteilskraft sich einer Analogie bedient, in der wir zumindest eine der Ursachen kennen, so dass ein Denken nach der Analogie mçglich ist. In welchem Verhltnis steht nun die Analogie, ,in‘ der die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, zu diesem doppelten Geschft, mit dem in [4.2] das Verfahren der Symbolisierung beschrieben wird? Wie ist dieses „in“ genau zu verstehen? Es scheint zwei Mçglichkeiten zu geben: (1) Die Urteilskraft verrichtet insofern ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft, als die Analogie zwischen den beiden Gegenstnden mit dem doppelten Geschft, das die Urteilskraft verrichtet, zusammenhngt. Das doppelte Geschft der Urteilskraft ist auf eine noch nher zu bestimmende Weise ein Bestandteil der Analogiebildung, die fr die Symbolisierung eines Begriffs notwendig ist. (2) Die Urteilskraft verrichtet insofern ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft, als die Urteilskraft sich hier einer vom doppelten Geschft unabhngigen Analogie bedient. Die Urteilskraft wrde somit auf der Grundlage einer schon vorhandenen Analogie, sozusagen innerhalb dieser Analogie, zunchst ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung reflektieren und dann diese Regel der Reflexion auf den anderen Gegenstand bertragen. Analogie und doppeltes Geschft sind in (2) somit deutlicher voneinander unterschieden als in (1). Die zweifache Reflexion wrde in (2) zu der Analogie dazukommen und wre kein Bestandteil der Analogie wie in (1). Fr (2) spricht zunchst die naheliegende Deutung von „in“ als „innerhalb“. Wir kçnnen uns vorstellen, dass wir unabhngig von aller Symbolisierung eine Analogie zwischen einer Handmhle und einem despotischen Staat hinsichtlich ihrer Kausalitt aufstellen kçnnen. Nicht zuletzt hat Kant in KU, § 90 das Denken nach der Analogie ohne die Rede von einem doppelten Geschft der Urteilskraft oder einer Reflexion beschrieben. Die Tatsache, dass Kant in [4.2] eine ganz andere Terminologie als sonst in der KU verwendet, wenn es um Analogien geht, kçnnte darauf hinweisen, dass mit dem doppelten Geschft etwas zur Analogie dazukommt. Innerhalb dieser Analogie wrde die Urteilskraft zunchst ber den einen Gegenstand reflektieren und diese Reflexion dann auf den anderen Gegenstand bertragen. Erst dadurch, dass zu der Analogie zwischen Handmhle und despotischer Staat die zweifache Reflexion bzw. das doppelte Geschft der Urteilskraft hinzukommt, wird die Analogie zu dem Mittel oder der Methode der Symbolisierung von Begriffen. Ich halte diese Interpretationshypothese (2) fr unplausibel und werde im Folgenden die Interpretationshypothese (1) stark machen. Ich beginne zunchst mit der Erluterung von (1). Man kann das doppelte Geschft der
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Urteilskraft auf folgende Weise mit dem Aufstellen einer Analogie in Zusammenhang bringen: Der erste Schritt des doppelten Geschfts bzw. die Anwendung des empirischen Begriffs der spezifischen Kausalitt der Handmhle auf die Handmhle hat mit der Bestimmung des ersten Verhltnisses von Ursache und Wirkung der Analogie zu tun. Indem ich ber die Handmhle und ihre Kausalitt reflektiere, verstehe ich die Ursache-Wirkungs-Relation im Fall der Handmhle und kann einen empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle bilden. Im zweiten Schritt des doppelten Geschfts bzw. bei der bertragung der Reflexion wrden die beobachteten Wirkungen des despotischen Staats in ein Verhltnis zum despotischen Staat als der Ursache dieser Wirkungen gesetzt. Dieses Verhltnis zwischen Ursache und Wirkung wird dadurch bestimmt, dass die Regel der Reflexion ber die Handmhle, also die Regel der spezifischen mechanischen Kausalitt, auf den despotischen Staat angewendet wird. Durch dieses bertragen der Reflexion wird also im zweiten Schritt die Identitt der beiden Verhltnisse hergestellt. Das bertragen der Reflexion hat jedoch als Voraussetzung die hnlichkeit der beobachtbaren Wirkungen. Es scheint also mçglich zu sein, die Rede vom doppelten Geschft der Urteilskraft mit dem Vorgang, zwei Ursache-Wirkungs-Relationen in Analogie zueinander zu denken, in Einklang zu bringen und die Reflexion als einen Bestandteil in die Analogie zu integrieren.223 Dabei ist deutlich, dass die Beschreibung des doppelten Geschfts nicht einfach als Anleitung fr die Bildung der Analogie verstanden werden kann. Denn fr die Analogie sind die beobachtbaren Wirkungen beider Gegenstnde nçtig. Diese Wirkungen spielen bei der geschilderten zweifachen Reflexion hçchstens implizit eine Rolle. Vielmehr kçnnen wir die Rede vom doppelten Geschft der Urteilskraft so verstehen, dass sie zwei Momente an der Analogiebildung besonders hervorhebt: nmlich einmal die Feststellung der Ursache-Wirkungs-Relation durch ein Reflexionsurteil ber den Gegenstand, von dem wir sinnliche Anschauungen haben, was dem ersten Schritt des doppelten Geschfts entspricht; und dann das Urteil auf der Grundlage der hnlichkeit der Wirkungen, dass bei beiden Gegenstnden die Regel, ber die Gegenstnde und ihre Kausalitt zu reflektieren, die-
223 Auch andere Autoren sehen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Kantischen Analogiebegriff und dem doppelten Geschft der Urteilskraft sowie Kants Symboltheorie. Vgl. Despland 1973, 149; Frank et al. 2009, 1261 – 1262; Gasch 2003, 211 – 213; Kang 1985, 148; Pringe 2007, 23; Wenzel 2005, 117.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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selbe Regel ist, so dass man von einer Identitt der Ursache-WirkungsRelationen ausgehen kann, was dem zweiten Schritt entspricht.224 Diese Interpretation des Verhltnisses von doppeltem Geschft und Analogie kann durch die Interpretation einiger Stellen aus § 59 weiter erhrtet werden. „[4.1] Alle Anschauungen, die man Begriffen a priori unterlegt, sind also entweder S c h e m a t e oder S y m b o l e , wovon die ersteren direkte, die zweiten indirekte Darstellungen des Begriffs enthalten. [4.2] Die ersteren tun dieses demonstrativ, die zweiten vermittelst einer Analogie (zu welcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient), in welcher die Urteilskraft ein doppeltes Geschft verrichtet, erstlich den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion ber jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden. [4.3] So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Kçrper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber (wie etwa eine Handmhle), wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beiden Fllen aber nur s y m b o l i s c h vorgestellt. [4.4] Denn zwischen einem despotischen Staate und einer Handmhle ist zwar keine hnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren.“225
Zunchst ist festzustellen, dass Kant in [4.1] und im ersten Teil von [4.2] ber Symbole aussagt, dass sie indirekte Darstellungen des Begriffs mittels einer Analogie enthalten, zu der man sich auch empirischer Anschauungen bedient. Man kçnnte nach der ersten Hlfte von [4.2], also bevor Kant beginnt, vom doppelten Geschft der Urteilskraft zu sprechen, einen Punkt setzen. Denn mit der Unterscheidung der Art und Weise, wie Schemate und Symbole jeweils Darstellungen von Begriffen enthalten (die einen mittels einer Demonstration, die anderen mittels einer Analogie), sind die Methoden, nach denen Schemate einerseits und Symbole andererseits konstituiert werden, zunchst benannt. Die Fortsetzung von [4.2] (ab „in welcher die Urteilskraft“) kann man dann als Erluterung der Methode der Analogie, die fr die Symbolisierung Voraussetzung ist, interpretieren. 224 Bahr konstruiert dagegen eine deutliche Differenz zwischen dem Analogiebegriff und dem doppelten Geschft, indem sie den Vollzug des symbolisierenden Darstellens, wie es im doppelten Geschft der Urteilskraft beschrieben ist und den sie als „metaphorologischen Analogiebegriff“ bezeichnet, von den Relaten der Proportionalittsanalogie unterscheidet und behauptet, dass der „metaphorologische Deutungsrahmen“, wie er sich in Kants Verwendung der Hypotyposis-Lehre andeute, eine „schlssigere Interpretation des vieldeutigen Analogiebegriffs“ gewhre (Bahr 2004b, 283). 225 KU, 5: 352,8 – 22.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Auch [4.4] lsst sich gut mit der Interpretationshypothese (1) in Verbindung bringen. In [4.4] wird die Rede von einer nur symbolischen Vorstellung eines despotischen Staats durch eine Handmhle aus [4.3] damit begrndet („Denn“), dass zwischen beiden Gegenstnden keine hnlichkeit besteht, aber die Regel, ber die Handmhle und ihre Kausalitt, und die Regel, ber den despotischen Staat und seine Kausalitt zu reflektieren, einander hnlich sind. Diese Begrndung mit der ,hnlichkeit […] zwischen der Regel, ber beide und ihre Kausalitt zu reflektieren‘ spielt dabei sowohl auf die Analogie („hnlichkeit“) als auch auf die Reflexion („Regel“ und „reflektieren“) sozusagen in einem Atemzug an. Es ist hier keine grçßere Unterscheidung zwischen der Analogie einerseits und der Reflexion andererseits zu erkennen. Im unmittelbaren Kontext der Rede vom doppelten Geschft finden sich also keine Anzeichen dafr, dass Analogie und doppeltes Geschft deutlich voneinander unterschieden sind. Auch die Stze [4.6] und [4.7] sttzen die Interpretationshypothese (1): „[4.6] Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt. [4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“226
Beide Aussagen wurden bereits rekonstruiert:227 [4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck „Handmhle“ bloß ein Symbol fr die geleistete Reflexion. [4.7] So sind verschiedene Wçrter wie „Grund“ etc. und viele andere nicht schematische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe. Sie sind symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht mittels einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung, was bedeutet, dass die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen
226 KU, 5: 352,25 – 353,2. 227 Vgl. dazu Kapitel 1.4.7.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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Begriff bertragen wird, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.
In [4.6] wird noch einmal besonders deutlich, dass die Analogie Voraussetzung dafr ist, dass bestimmte Ausdrcke unserer Sprache symbolische Ausdrcke sind. Denn durch die indirekte Darstellung nach einer Analogie enthlt ein bestimmter Ausdruck, hier der Ausdruck „Handmhle“, ein ,Symbol fr die Reflexion‘. [4.6] fasst das Verfahren der Symbolisierung bzw. das doppelte Geschft der Urteilskraft prgnant zusammen: Indem wir ,nach einer Analogie‘ zwischen der Handmhle und dem despotischen Staat ber beide Gegenstnde und ihre Kausalitt reflektieren, erhalten wir eine indirekte Darstellung des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Diese indirekte Darstellung des Begriffs ,nach einer Analogie‘ impliziert, dass der Ausdruck „Handmhle“, der sich gewçhnlich auf Handmhlen bezieht, nun etwas anderes enthlt als ein Schema fr den ,eigentlichen Begriff‘, nmlich den Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle. Der Ausdruck enthlt nun ein ,Symbol fr die Reflexion‘, was ich in Kapitel 1.4.7 so interpretiert habe, dass er ein Symbol fr die bereits geleistete Reflexion enthlt. Das Symbol ist nicht fr die Reflexion nçtig, sondern es fasst den komplizierten Vorgang der Symbolisierung (inklusive der beiden Reflexionen) in sich zusammen. Das doppelte Geschft der Urteilskraft bzw. der Vorgang der Symbolisierung hat also zum Ergebnis, dass der Ausdruck „Handmhle“ nun die spezifische Kausalitt eines despotischen Staats anschaulich macht. Somit werden auch in [4.6] Analogie und Reflexion in einen direkten Zusammenhang gebracht. Denn durch die indirekte Darstellung nach einer Analogie erhalten wir ein Symbol fr die – und nun kçnnen wir ergnzen: in oder mittels der Analogie geleistete – Reflexion. Dieser direkte Zusammenhang lsst sich auch in [4.7] feststellen. Dieser Satz hebt u. a. hervor, dass bestimmte Wçrter symbolische Hypotyposen oder Ausdrcke ,nach einer Analogie‘ mit einer direkten Anschauung ,sind‘. Die Wçrter haben diese Eigenschaft also wegen einer Analogie mit einer direkten Anschauung. Was es bedeutet, dass die Wçrter symbolische Ausdrcke nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung sind, wird in dem folgenden, mit „d.i.“ eingeleiteten Satzteil erlutert.228 In diesem Satzteil
228 Stze oder Satzteile, die mit „das ist“ oder „das heißt“ eingeleitet werden, sind in der Regel so zu verstehen, dass sie das, worauf der Ausdruck „das“ Bezug nimmt, explizieren. Wenn „d.i.“ hier also Bezug auf „nach einer Analogie mit derselben“ nimmt, dann expliziert der „d.i.“ folgende Satzteil , was es bedeutet, dass bestimmte
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
wird auf den zweiten Schritt des doppelten Geschfts der Urteilskraft Bezug genommen, wonach die Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff bertragen wird, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. Durch die Konstellation, dass „nach einer Analogie mit derselben“ in dem mit „d.i.“ eingeleiteten Satzteil durch die Rede von der „bertragung der Reflexion“ und einen offensichtlichen Bezug auf das doppelte Geschft der Urteilskraft erlutert wird, liegt somit ein weiteres klares Indiz dafr vor, dass nach Kant die Analogie, die Voraussetzung der Symbolisierung von Begriffen ist, immer schon mit einem doppelten Geschft der Urteilskraft verbunden ist. Ein wenig irritierend ist allerdings, dass Kant hier von einer „Analogie mit derselben“ bzw. mit einer direkten Anschauung spricht. Bisher war von einer Analogie als der Identitt der Ursache-Wirkungs-Relationen von zwei Gegenstnden die Rede. Wie ist es nun zu verstehen, dass bestimmte Wçrter symbolische Hypotyposen nach einer Analogie mit einer direkten Anschauung sind? Diese Irritation lsst sich relativ einfach auflçsen. Eine gute Mçglichkeit dazu ist, die Rede von „Analogie mit derselben“ zunchst wçrtlich zu nehmen und von einer Analogie von symbolischer Hypotypose und direkter Anschauung auszugehen. Angewandt auf das Beispiel heißt das: Die Anschauung der Handmhle als Symbol verhlt sich zum Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats wie sich die direkte Anschauung der Handmhle zum empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle verhlt. Formal ausgedrckt bedeutet das: Direkte Anschauung der Handmhle : empirischer Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle = Anschauung der Handmhle als Symbol : Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats.
Wichtig ist, dass sich diese Analogie aus der Analogie Ursache1 (Handmhle) : Wirkung1 = Ursache2 (despotischer Staat) : Wirkung2 ergibt und als eine Art Umformung der gewissermaßen ursprnglichen Analogie verstanden werden kann. Diese Umformung kann man sich folgendermaßen vorstellen: Durch die Analogie zwischen den beiden Gegenstnden und ihren Ursache-Wirkungs-Relationen kçnnen wir die Urschlichkeit des despotischen Staats zunchst analogisch zur Urschlichkeit der Handmhle denken. Das kann man wiederum so verstehen, dass wir uns die Urschlichkeit des despotischen Staats so wie die einer Handmhle Wçrter symbolische Hypotyposen ,nach einer Analogie‘ mit einer direkten Anschauung sind.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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mittels eines entsprechenden Begriffs der spezifischen Kausalitt vorstellen kçnnen. Weil dieser Begriff der spezifischen Kausalitt in beiden Fllen dieselbe Regel vorstellt, kçnnen wir die direkte Anschauung des einen Gegenstands dem nicht-empirischen Begriff des anderen Gegenstands unterlegen, so dass aus der direkten Anschauung ein Symbol fr den ,ganz anderen‘ Begriff wird. Sofern dieses Unterlegen also auf der Grundlage einer Analogie zwischen den beiden Gegenstnden stattfindet, kçnnen wir davon sprechen, dass auch die symbolische Hypotypose des Begriffs des despotischen Staats in Analogie zu einer direkten Anschauung steht. Nachdem auf den vergangenen Seiten nach einer Besttigung fr die Interpretationshypothese (1) gesucht und diese in der Interpretation einiger Textstellen gefunden wurde, kann resmiert werden, dass die Urteilskraft insofern ,in‘ der Analogie ein doppeltes Geschft verrichtet, als das doppelte Geschft der Urteilskraft Bestandteil der Analogiebildung ist, die fr die Symbolisierung eines Begriffs notwendig ist. Wenn wir die Analogie zwischen der Handmhle und dem despotischen Staat bilden, kommt es an zwei Stellen zu einer Reflexion: Erstens wird durch die Reflexion auf den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle die Ursache-Wirkungs-Relation im Fall der Handmhle festgestellt; und zweitens kann aufgrund der hnlichkeit der Wirkungen beider Gegenstnde die Regel der Reflexion ber die Handmhle auf den despotischen Staat angewendet werden, wodurch die Identitt der Verhltnisse deutlich wird. Folgt man dieser Interpretationshypothese msste man auch behaupten kçnnen, dass in jeder Analogie sozusagen das Zeug zur Symbolisierung eines Begriffs steckt, dass man also aus jeder Analogie ein Symbol gewinnen kann. Das heißt natrlich nicht, dass jede Analogiebildung bei Kant faktisch zur Symbolisierung von Begriffen fhrt. Aber man msste zumindest prinzipiell die Analogie zwischen zwei Ursache-Wirkungs-Relationen auf vorhin beschriebene Weise verwenden kçnnen, um die Anschauung des bekannten Gegenstands dem Begriff des unbekannten Gegenstands zu unterlegen. Wie nahe sich die Analogie als Voraussetzung der Symbolisierung von Begriffen und das Symbol als Ergebnis dieses Vorgangs sind, zeigt sich auch daran, dass Kant zum Teil nur von „Analogie“ oder „analogisch“ spricht, wo man auf dem Hintergrund von § 59 die Rede von „Symbol“ oder „symbolisch“ erwarten wrde. Ich fhre zwei kurze Beispiele fr diese These an, die allerdings nicht aus der KU, sondern aus der Religionsschrift stammen. Kant erlutert und reflektiert den Vorgang der Symbolisierung von Begriffen in einer lngeren Fußnote aus dem Zweiten Stck der Religions-
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
schrift. Jedenfalls scheint es offenkundig, dass Kant hier auf das Verfahren der Veranschaulichung von Begriffen Bezug nimmt, das er in KU, § 59 beschreibt.229 Nun bezeichnet Kant das Verfahren in der Religionsschrift als „Schematism der Analogie“230, obwohl er auch in der Religionsschrift den Ausdruck „Symbol“ oder „symbolisch“ verwendet.231 An einer spteren Stelle schreibt Kant: „Allein das Unsichtbare bedarf doch beim Menschen durch etwas Sichtbares (Sinnliches) reprsentiert, ja, was noch mehr ist, durch dieses zum Behuf des Praktischen begleitet, und, obzwar es intellektuell ist, gleichsam (nach einer gewissen Analogie) anschaulich gemacht zu werden; welches, obzwar ein nicht wohl entbehrliches, doch zugleich der Gefahr der Mißdeutung gar sehr unterworfenes Mittel ist, uns unsere Pflicht im Dienste Gottes nur vorstellig zu machen, durch einen uns berschleichenden Wahn doch leichtlich fr den G o t t e s d i e n s t selbst gehalten, und auch gemeiniglich so benannt wird.“232
Wenn Kant hier vom Anschaulich-Machen ,nach einer gewissen Analogie‘ spricht, erinnert das doch recht deutlich an das Verfahren der Symbolisierung von Begriffen aus § 59. Somit kann festgehalten werden, dass zu jeder Symbolisierung von Begriffen, wie Kant sie in KU, § 59 beschreibt, eine Analogie notwendige Voraussetzung ist. Das Symbol bzw. der symbolische Ausdruck lsst sich als Ergebnis einer Analogie verstehen, in der die Urteilskraft ihr doppeltes Geschft verrichtet. Abschließend mçchte ich noch kurz – im Vorausblick auf den zweiten Teil dieser Arbeit –auf das Verhltnis von Analogie und Symbol hinsichtlich der Idee Gottes eingehen. Die Beschreibung der Symbolisierung von Begriffen in KU, § 59 kann einen wichtigen Aspekt verdeutlichen, der in der Beschreibung der Analogie in KU, § 90 nur am Rande vorgekommen ist.233 In § 90 schreibt Kant, dass beim Denken des hçchsten 229 Vgl. RGV, 6: 64,35 – 65,42. Ich gehe in Kapitel 2.3.3 ausfhrlicher auf diese Fußnote ein. 230 RGV, 6: 65,19 – 20. 231 Vgl. z. B. RGV, 6: 80,37 – 40; 110,28 – 31. 232 RGV, 6: 192,24 – 32. In der Meiner-Ausgabe des Textes ist auf Seite 260, Zeile 30 offensichtlich ein Druckfehler, der RGV, 6: 192,28 betrifft: Statt „doch zugleich der [meine Hervorhebung, SM] Gefahr der Mißdeutung gar sehr unterworfenes Mittel“ wie in der Akademie-Ausgabe heißt es in der Meiner-Ausgabe „doch zugleich die [meine Hervorhebung, SM] Gefahr der Mißdeutung gar sehr unterworfenes Mittel“. Da sich im textkritischen Apparat und in den Anmerkungen kein Hinweis findet, gehe ich hier von einem Druckfehler aus. 233 Das hngt natrlich auch damit zusammen, dass KU, § 90 ein anderes Problem behandelt und im Rahmen dessen dann auch auf den Analogiebegriff eingeht.
1.6 Zum Verhltnis von „Analogie“ und „Symbol“
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Wesens nach der Analogie eines Verstandes „Verstand“ nicht in seiner eigentlichen Bedeutung gebraucht werden kann. Auf diese Verschiebung der Bedeutung im Ausdruck „Verstand“, wenn wir ihn nach der Analogie vom hçchsten Wesen aussagen, hat § 90 allerdings nicht weiter reflektiert. Die Einfhrung des Symbolbegriffs in § 59 kçnnte diese ,nicht eigentliche Bedeutung‘ von Ausdrcken, die nach einer Analogie oder symbolisch von Gegenstnden prdiziert werden, noch genauer beschreiben, wenn es u. a. in [4.6] heißt, bestimmte Ausdrcke enthielten Symbole ,fr die Reflexion‘.234 Demnach wrde der Ausdruck „Verstand“ – auf dem Hintergrund einer zu rekonstruierenden Analogie – ein Symbol fr die Reflexion auf die Idee des hçchsten Wesens enthalten. Allerdings muss man festhalten, dass in § 90 nirgendwo ausdrcklich vom Symbolbegriff die Rede ist. Wenn ich Gott nach der Analogie mit Eigenschaften des Menschen denke, muss ich anscheinend nicht davon sprechen, dass ich hier etwas am Tier oder an Gott mittels eines Symbols darstelle.235 Außerdem ist aufgrund der Tatsache, dass die Idee des hçchsten Wesens mit dem Menschen nur den Gattungsbegriff eines Dings berhaupt gemeinsam hat, zu berlegen, ob es dasselbe ist, Gott, einen despotischen Staat oder die Kausalitt eines Tieres symbolisch darzustellen. Ich kann diese berlegung hier nur kurz andeuten. Tiere haben mit dem Menschen die Gattungszugehçrigkeit gemeinsam, dass sie Weltwesen sind und eine sinnlich-bedingte Kausalitt haben. Beim despotischen Staat kann man immerhin noch annehmen, dass er eine sinnlich-bedingte Kausalitt hat. Die Vernunftidee Gottes jedoch hat mit dem Menschen nur die Gattung eines Dings berhaupt gemeinsam, wie wir aus § 90 wissen. Diese Aussage kann man im Rckblick auf die berlegungen zum Darstellungsbegriff aus Kapitel 1.3.5 so verstehen, dass die Vernunftidee Gottes ein indemonstrabler, nicht-darstellbarer Begriff ist, welcher der Qualitt nach von jeglicher Anschauung verschieden ist. Deswegen kçnnte es sein, dass die 234 Mit der Frage, was dieses „Enthaltensein“ bedeutet und was genau ein Symbol eigentlich ist (eine Anschauung, ein Zeichen, die Interpretation eines Zeichens etc.), werde ich mich im nchsten Kapitel beschftigen. 235 Das ist zunchst ein relatives schwaches Argument dagegen, dass man die Aussage aus § 90 mit dem Symbolbegriff aus § 59 in Verbindung bringen kann. Es kçnnte jedoch auf dem Hintergrund anderer, inhaltlicher Argumente ein gewisses Gewicht bekommen. Warum sollte Kant, wenn ihm seine Symboltheorie gerade hinsichtlich der Erkenntnis von Gott so wichtig gewesen ist, an zentralen Theoriestcken in der KU zwar vom Denken oder der Erkenntnis Gottes nach der Analogie sprechen, aber in keiner Weise von einer Versinnlichung der Idee des hçchsten Wesens durch gewisse Symbole?
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
symbolischen Darstellungen der Kausalitt eines Tieres oder eines despotischen Staats einen anderen Status haben als die symbolische Erkenntnis von Gott, von der in § 59 [4.8] gesprochen wird. 1.6.1 Zusammenfassung Das Ziel dieses Kapitels war, die bisherigen Interpretationsergebnisse zum Symbolbegriff und zur Analogie und damit KU, § 59 und § 90 miteinander in Verbindung zu bringen. Als ein zentrales Ergebnis ist festzuhalten: Jedes Symbol bzw. jede Symbolisierung von Begriffen setzt eine Analogie notwendig voraus. Im Fall des Beispiels von Handmhle und despotischem Staat sieht die Analogie folgendermaßen aus: Ursache1 (Handmhle) : Wirkung1 (zermahlene Kaffeebohnen) = Ursache2 (despotischer Staat) : Wirkung2 (unterdrckte Untertanen)
Die Einbeziehung der Interpretationsergebnisse zum Analogiebegriff aus Kapitel 1.2 hilft außerdem, besser zu verstehen, was mit der „Regel der Reflexion“ und der hnlichkeit zwischen den jeweiligen Regeln in [4.4] gemeint ist. Unter der „Regel“ ist demnach das Verhltnis zwischen Ursache und Wirkung zu verstehen, das auf beiden Seiten der Analogie dasselbe ist. Die hnlichkeit zwischen den Regeln kann man als die vollkommene hnlichkeit der beiden Verhltnisse von Ursache und Wirkung auffassen. Die mangelnde hnlichkeit zwischen den beiden Gegenstnden der Handmhle und des despotischen Staats lsst sich mithilfe der Rede von der Zugehçrigkeit der Gegenstnde zu verschiedenen Gattungen verstehen. Allerdings erfahren wir aus § 59 nicht gengend ber diese mangelnde hnlichkeit, um genauer feststellen zu kçnnen, ob aufgrund der mangelnden hnlichkeit ein Analogieschluss mçglich ist oder nicht. Es ist in jedem Fall hinreichend, dass wir aufgrund der Analogie die Urschlichkeit des einen nach der Urschlichkeit des anderen Gegenstands denken kçnnen. Ein zentrales Thema dieses Unterkapitels war die Frage nach dem Verhltnis der jeder Symbolisierung von Begriffen zugrundeliegenden Analogie zum doppelten Geschft der Urteilskraft. Ich habe dabei zugunsten der Interpretationshypothese argumentiert, wonach das doppelte Geschft der Urteilskraft ein Teil der Analogie ist, das doppelte Geschft also nicht zustzlich zur Analogie dazukommt. Der erste Schritt bzw. die Reflexion ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung entspricht der Feststellung der Ursache-Wirkungs-Relation bzw. des empirischen
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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Begriffs eines der beiden Verhltnisse der Analogie. Die Anwendung der Regel der Reflexion auf den ganz anderen Gegenstand bzw. der zweite Schritt ergibt sich aus der hnlichkeit der Wirkungen der beiden Verhltnisse: Wir kçnnen auf dieser Grundlage urteilen, dass bei beiden Gegenstnden dieselbe Regel gilt, ber sie und ihre Kausalitt zu reflektieren. Durch die bertragung der Reflexion wird die Identitt der beiden Verhltnisse behauptet. Dass Kant keinen großen Unterschied zwischen der Analogie und dem doppelten Geschft macht, zeigte auch eine Interpretation des Satzes [4.7]. Dort heißt es sinngemß, dass die symbolische Hypotypose des ,ganz anderen‘ Begriffs bzw. des Begriffs des despotischen Staats in Analogie zu einer direkten Anschauung steht. Diese Analogie der symbolischen Hypotypose zu einer direkten Anschauung kann man folgendermaßen rekonstruieren: Direkte Anschauung der Handmhle : empirischer Begriff der spezifischen Kausalitt der Handmhle = Anschauung der Handmhle als Symbol : Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats.
Interessant am Vergleich von § 90 mit § 59 war außerdem, dass Kant in § 90 davon spricht, dass wir Gott „Verstand“ nicht in der eigentlichen Bedeutung des Begriffs beilegen drfen. Dies kçnnte man als eine Umschreibung dafr deuten, dass wir uns mit dem Ausdruck „Verstand“ die Kausalitt Gottes symbolisch vorstellen kçnnen.
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung In diesem Kapitel mçchte ich versuchen, die Ergebnisse der bisherigen Interpretationen zu einer Art berblick zu Kants Symbolbegriff in KU, § 59 zusammenzufhren und weiter zu erlutern. Zunchst mçchte ich abschließend nach einer Definition von „Symbol“ fragen. Daran schließt sich die Frage an, was eigentlich symbolisiert werden kann. Schließlich soll noch darauf reflektiert werden, was ein Symbol leistet bzw. wozu man ein Symbol nach Kants Meinung braucht.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
1.7.1 Was ist ein Symbol? Einigen mit der zentralen Frage nach der Definition von „Symbol“ verbundenen Problemen sind wir bereits im Verlauf des ersten Teils dieser Arbeit begegnet. Zu erlutern ist noch die Rede davon, dass Ausdrcke ein Symbol ,enthalten‘, wie es in [4.7] heißt, oder davon, dass Symbole indirekte Darstellungen des Begriffs ,enthalten‘, wie Kant in [4.2] schreibt. Stellen wir zunchst die Aussagen aus KU, § 59 nebeneinander, die mit dem, was ein Symbol ist, zu tun haben: (S1a): Symbole sind eine distinkte Menge von Anschauungen, die Begriffen auf eine A priori-Weise unterlegt werden. (aus [4.1]) (S1b): Symbole enthalten indirekte Darstellungen von Begriffen. (aus [4.1]) (S2): Auf der Grundlage des doppelten Geschfts der Urteilskraft kann der Gegenstand einer sinnlichen Anschauung Symbol eines anderen Begriffs werden. (aus [4.2] und [4.7]) (S3): Durch indirekte Darstellungen nach einer Analogie enthalten bestimmte Ausdrcke ein Symbol fr die Reflexion. (aus [4.6])
Des Weiteren kommt noch einige Male in § 59 das Adjektiv „symbolisch“ vor.236 (S4): In einer symbolischen Hypotypose werden Vernunftbegriffen, denen keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, sinnliche Anschauungen unterlegt. (aus [2]) (S5): Ein despotischer Staat wird durch eine Handmhle bloß symbolisch vorgestellt. (aus [4.2]) (S6): Eine bestimmte Weise der intuitiven Erkenntnis ist symbolisch als Vorstellung nach einer bloßen Analogie. (aus KU, 5: 352,34 – 36 bzw. [Fn.3]) (S7): Unsere Erkenntnis von Gott ist bloß symbolisch. (aus KU, 5: 353,2 – 12 bzw. [4.8])
Im Blick auf (S1a) und (S1b) wird man zunchst sagen mssen: Symbole sind Anschauungen, wobei diese Anschauungen nicht in derjenigen Relation zu dem von ihnen mental reprsentierten Gegenstand stehen, wie es bei denselben Anschauungen der Fall ist, wenn sie einen empirischen Gegenstand mental reprsentieren.237 Die Anschauung der Handmhle 236 Ich liste hier allerdings nicht alle Vorkommen auf. Die Vorkommen, in denen von „symbolischer Hypotypose“ oder „symbolischer Vorstellungsart“ die Rede ist, lassen sich unter (S4) und (S5) subsumieren. 237 In einem Band, der verschiedene Texte aus Kulturwissenschaften und sthetik zum Symbolbegriff versammelt, finden sich in der Einleitung der Herausgeber auch
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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bleibt als solche mentale Reprsentation des Gegenstands der Handmhle.238 Dadurch, dass sie Symbol fr den despotischen Staat wird, sieht die Anschauung nicht anders aus bzw. ihr phnomenaler Gehalt ndert sich nicht. Sie wird als Anschauung einer Handmhle zum Symbol, indem sie dem Begriff des despotischen Staats unterlegt wird. Was sich an der Anschauung der Handmhle als Symbol somit verndert, ist die Tatsache, dass sie durch das Unterlegen den entsprechenden Begriff versinnlicht und somit eine indirekte Darstellung eines Begriffs beinhaltet. Diese Versinnlichung hat allerdings nicht den Status der Anschauung eines empirischen einige berlegungen zu Kants Symbolbegriff auf der Grundlage von KU, § 59 und § 49. Die Herausgeber vertreten die These, dass Symbole als indirekte Anschauungen, die Vernunftbegriffen unterlegt sind, keine Begriffe, sondern – mit Hinweis auf § 49 – sthetische Ideen sind. So wie der Vernunftidee keine Anschauung korrespondiere, so korrespondiere der symbolischen Anschauung kein Begriff, sondern eine sthetische Idee. Vgl. Berndt et al. 2009, 26 – 27. In hnlicher Weise behaupten auch andere Autoren zumindest eine hnlichkeit von Symbolen und sthetischen Ideen. Vgl. Chignell 2008, 105 – 106; Ward 1972, 154 – 155. An dieser These sind zwei Punkte problematisch. In keinem der beiden Paragraphen der KU wird ein Zusammenhang zwischen dem Symbolbegriff und der sthetischen Idee hergestellt. Wo liegt die textliche Evidenz fr diese These? Des Weiteren folgt aus der Tatsache, dass sthetische Ideen und Symbole jeweils Anschauungen sind, denen keine Begriffe korrespondieren, nicht, dass Symbole als Anschauungen sthetische Ideen sind. Denn es ist offensichtlich, dass Symbole und sthetische Ideen verschiedene Arten von Anschauungen sind, die zwar einige Eigenschaften gemeinsam haben, was aber nicht zur Behauptung einer qualitativen Identitt von Symbolen und sthetischen Ideen ausreichend ist. Auf der Grundlage von § 57 (vgl. dazu Kapitel 1.3.4) oder auch § 49 wird deutlich, dass sthetische Ideen Anschauungen der Einbildungskraft sind, denen kein Begriff adquat ist, whrend Symbole laut § 59 empirische Anschauungen sind, die von der Urteilskraft einem Begriff unterlegt werden, dem sie zwar nicht korrespondieren, den sie aber doch zumindest indirekt darstellen. Aber auch, wenn man nur eine hnlichkeit von Symbolen und sthetischen Ideen behauptet, muss man doch gleichzeitig einrumen, dass sthetische Ideen im Gegensatz zu Symbolen keine Anschauungen sind, die einem Begriff unterlegt werden und diesen dadurch indirekt darstellen. Vgl. gegen die These einer hnlichkeit von sthetischen Ideen und Symbolen auch Wicks 2007, 175. 238 Frank und Zanetti sprechen in ihrem Kommentar davon, dass „durch“ das Symbol die „indirekte Anschauung, die normalerweise dem Begriff ›Mhle‹ entspricht“, an die Stelle der Anschauung trete, die dem Begriff des despotischen Staats unmittelbar fehle. (vgl. Frank et al. 2009, 1262). Folgt man der Formulierung von Frank und Zanetti scheinen Symbol und Anschauung der Handmhle zwei verschiedene Entitten zu sein, ohne das deutlich wird, worin die Verschiedenheit besteht. Es ist aber entscheidend, dass es sich um dieselbe Anschauung handelt, die nur in verschiedenen Relationen zum mental reprsentierten Gegenstand steht.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Begriffs. Unter anderem deswegen fhrt Kant wohl den Begriff der Darstellung fr beide Arten von Hypotyposen ein, um den Unterschied zwischen der Art und Weise, wie ,Beispiele‘ empirische Begriffe versinnlichen und der Art und Weise, wie Schemate und Symbole reine Verstandesbegriffe und Vernunftbegriffe versinnlichen, terminologisch sichtbar zu machen. Die Anschauung der Handmhle ist also einerseits Beispiel fr den empirischen Begriff der Handmhle, kann aber andererseits Darstellung des Begriffs des despotischen Staats sein. Wenn man sagt, dass eine Handmhle den Begriff des despotischen Staats indirekt darstellt, drckt man mit „darstellt“ einen neuen Gegenstandsbezug der Anschauung der Handmhle aus, den die Anschauung auf der Grundlage des doppelten Geschfts bekommt. Weil es sich allerdings nicht um eine korrespondierende Anschauung handelt, kann man nicht sagen (wie bei einem Schema): Die Anschauung der Handmhle veranschaulicht uns den despotischen Staat auf eine relativ unmittelbare Weise. Den Unterschied zum Schema kennzeichnet Kant mit der Aussage, dass Symbole indirekte (und nicht direkte) Darstellungen des Begriffs ,enthalten‘. Die Eigenart dieses indirekten Bezugs der unterlegten Anschauung auf den Gegenstand besteht darin, dass der Bezug auf den ganz anderen Gegenstand nicht offenkundig ist. Wenn ich in der Kche eines Freundes stehe, auf seine alte Handmhle zeige und sage: „Diese Handmhle ist ein Symbol fr den despotischen Staat“, werde ich wohl erst einmal eine verwunderte Rckfrage erhalten: „Warum sagst Du das? Wie meinst Du das?“ Selbst wenn wir gerade im Gesprch ber die Ungerechtigkeiten in den absolutistischen europischen Staaten der frhen Neuzeit waren, werde ich die Bedeutung meiner Aussage erlutern mssen und beantworten, warum oder in welcher Rcksicht die Handmhle ein Symbol des despotischen Staats ist. Diese Erluterung lsst sich als Rekonstruktion des doppelten Geschfts der Urteilskraft und damit des Vorgangs der Symbolisierung verstehen. Wer ein Symbol – im Kant’schen Sinne – gebraucht, wird damit rechnen mssen, dass er diesen Vorgang des Unterlegens explizit machen muss. Auch (S2) lsst sich so verstehen, dass innerhalb des doppelten Geschfts der Urteilskraft eine Anschauung einen neuen Gegenstandsbezug bekommt und so zum Symbol wird. Durch die Anwendung der Regel der Reflexion ist es mçglich, dass eine Anschauung einem ganz anderen Begriff unterlegt werden kann. (S3) kann ebenfalls auf dem Hintergrund der These interpretiert werden, dass Symbole Anschauungen mit einem alternativen Gegenstandsbezug sind. Wenn Kant hier von „Ausdruck“ spricht, ist damit
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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– bezogen auf das Beispiel – zunchst der Ausdruck „Handmhle“ gemeint, der auf der Grundlage einer Analogie ein Symbol fr die Reflexion enthlt. An dieser Stelle ist es sinnvoll, einen kurzen Blick in einen Absatz von § 59 zu werfen, den ich mit Absicht bisher ausgelassen habe, weil Kant sich dort kurz mit einem anderen Symbolbegriff auseinandersetzt, von dem er sich mit seinem Symbolbegriff abgrenzt.239 „[3.1] Es ist ein von den neueren Logikern zwar angenommener, aber sinnverkehrender, unrechter Gebrauch des Worts s y m b o l i s c h , wenn man es der i n t u i t i v e n Vorstellungsart entgegensetzt; denn die symbolische ist nur eine Art der intuitiven. [3.2] Die letztere (die intuitive) kann nmlich in die s c h e m a t i s c h e und in die s y m b o l i s c h e Vorstellungsart eingeteilt werden. [3.3] Beide sind Hypotyposen, d.i. Darstellungen (exhibitiones); nicht bloße C h a r a k t e r i s m e n , d.i. Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts in der Anschauung des Objekts Gehçriges enthalten, sondern nur jenen nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht, zum Mittel der Reproduktion dienen; dergleichen sind entweder Worte oder sichtbare (algebraische, selbst mimische) Zeichen, als bloße A u s d r c k e fr Begriffe.“240
Wenn Kant hier von „intuitiver Vorstellungsart“ spricht, ist damit – im Unterschied zur diskursiven Vorstellungsart – die Vorstellungsart gemeint, bei der man sich durch Anschauungen etwas vorstellt.241 Den Ausdruck „exhibitiones“ verwendet Kant als Synonym fr den Ausdruck „Darstellungen“. Man kann hier ex negativo Folgendes ber symbolische (und auch ber schematische) Hypotyposen lernen: Beide sind keine Bezeichnungen von Begriffen durch begleitende sinnliche Zeichen oder keine bloßen Ausdrcke fr Begriffe, die nichts ,in der Anschauung des Objekts Gehçriges enthalten’. Ein Symbol ist also nicht einfach nur Wort oder sichtbares Zeichen, das so auf einen Begriff Bezug nimmt, dass die sinnlichen Zeichen den Begriff nur ,begleiten‘. Wenn ein sinnliches Zeichen einen Begriff in diesem Sinn „begleitet“, bedeutet das, dass die sinnlichen Zeichen nichts enthalten, was zur Anschauung des bezeichneten Gegenstands gehçrt.242 Aufgrund der offenkundigen Abgrenzung von Hypoty239 Vgl. dazu in der Einleitung Kapitel A.2. 240 KU, 5: 351,32 – 352,7. In der Akademie-Ausgabe steht auf Seite 352 in Zeile 3 „zu“ statt „in“ wie in der Meiner-Ausgabe, so dass es in der Akademie-Ausgabe heißt: „zu der Anschauung des Objekts Gehçriges“. In der Meiner-Ausgabe findet sich keine Angabe zu dieser Variante. Evtl. handelt es sich um einen Druckfehler. 241 Zur Unterscheidung der verschiedenen Vorstellungsarten bei Kant vgl. KrV, B 376 – 377 (3: 249,37 – 250,14). 242 Bahr definiert „Symbol […] fr Kant“ als „ein Zeichenverhltnis, das eine hnlichkeitsbeziehung zwischen Symbol und Symbolisiertem indiziert, die nach der
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
posen und Charakterismen, um die es in [3.3] geht, die noch durch solche rhetorischen Ausdrcke wie „gar“ unterstrichen wird, ist es plausibel, dass man positiv ber die beiden Arten der Hypotypose behaupten kann: Die schematischen oder symbolischen Darstellungen von Begriffen enthalten etwas, was zur Anschauung des dargestellten Objekts ,gehçrt‘. Von dieser Aussage aus dem dritten Absatz von § 59 her kann die Aussage aus [4.6] bzw. (S3) so verstanden werden, dass der Ausdruck „Handmhle“ durch das doppelte Geschft der Urteilskraft etwas enthlt, was zur Anschauung des dargestellten Gegenstands ,gehçrt‘. Da es in (S1a) hieß, dass Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen enthalten, lsst sich auch sagen: Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt eine Anschauung, die durch das doppelte Geschft der Urteilskraft wiederum eine indirekte Darstellung des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats beinhaltet. Nachdem es sich dabei allerdings nur um eine indirekte Darstellung des Begriffs des despotischen Staats handelt, kann das, was in diesem Fall zur Anschauung des despotischen Staats ,gehçrt‘, nicht so verstanden werden, dass wir durch die symbolische Hypotypose den Gegenstand in seiner spezifischen Kausalitt anschauen kçnnten. In diesem Sinne der Handmhle als vermeintliches Beispiel fr die Kausalitt des despotischen Staats enthlt das Symbol nichts, was zur Anschauung des Gegenstands gehçrt; denn wir haben keine Anschauung der Kausalitt des despotischen Staats. Die Anschauung der Handmhle ist kein Beispiel fr den Begriff des despotischen Staats. Trotzdem kann die Anschauung der Handmhle auf den Begriff des despotischen Staats durch das doppelte Geschft der Urteilskraft bezogen werden. Es ist nicht willkrlich, dass man die Kausalitt eines despotischen Staats mit einer Handmhle symbolisiert. Es gbe gewiss auch andere Symbole dafr. ber das Symbol der Handmhle lsst sich aber aufgrund der Rekonstruktion der zugrundeAnalogie einer Schematisierung gewonnen wurde, aber auf keinen Fall mit dieser Schematisierung selbst verwechselt werden darf.“ (Bahr 2004b, 279 – 280). Diese Rekonstruktion der Kantischen Definition von „Symbol“ ist missverstndlich und gibt die fr Kant zentralen Bestandteile dieses Begriffs nicht wieder. Zunchst ist fr Kant das Symbol nicht in erster Linie ein Zeichen, wie soeben ausgefhrt, sondern eine Anschauung oder Vorstellung, die in einem bestimmten Verhltnis zu einem Begriff steht. Des Weiteren enthlt Bahrs Formulierung „Zeichenverhltnis, das eine hnlichkeitsbeziehung zwischen Symbol und Symbolisiertem indiziert“ einen Zirkel, weil der Symbolbegriff im Definiens vorkommt. Schließlich fehlt in dieser Definition die aus KU, § 59 folgende Bedeutung der Analogie fr den Symbolbegriff. Bahr spricht nur von einer „hnlichkeitsbeziehung“ statt von Analogie.
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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liegenden Analogie in jedem Fall sagen, dass es zum Ausdruck bringt, wie man sich die spezifische Kausalitt eines despotischen Staats anschaulich vorstellen kann. Und insofern kann man auch sagen, dass die symbolische Hypotypose des Begriffs des despotischen Staats etwas enthlt, was zur Anschauung des despotischen Staats ,gehçrt‘. In dem Ausdruck, der ein Symbol fr die Reflexion enthlt, ist somit eine Anschauung, eine indirekte Darstellung oder eben etwas, was zur Anschauung des Gegenstands ,gehçrt‘, enthalten. Dieser Inhalt ist auf eine bestimmte Weise zu interpretieren, nmlich vor dem Hintergrund einer vorhergehenden Symbolisierung eines Begriffs. Fr Kant sind Symbole also nicht in erster Linie sprachliche Entitten. Die Ausdrcke sind nur die sprachlichen Trger der eigentlichen Symbole. Und diese wiederum sind Anschauungen. In diesem Sinne sind dann auch (S5) und (S6) zu verstehen. Eine symbolische Vorstellung ist kein Begriff, sondern eine Anschauung. Es handelt sich allerdings ,bloß‘ um symbolische Vorstellungen bzw. um Vorstellungen ,nach einer bloßen Analogie‘. Diese Einschrnkung ist wichtig, um die symbolische Vorstellung von einer schematischen Vorstellung oder anderen anschaulichen Vorstellungen abzugrenzen, weil die symbolische Vorstellung als Anschauung eben keine korrespondierende Anschauung des Gegenstands ist, auf den sie Bezug nimmt, sondern nur eine indirekte Darstellung desselben. Ihre Bezugnahme auf den Gegenstand bedarf der Erluterung durch eine Rekonstruktion des doppelten Geschfts der Urteilskraft und der zugrundeliegenden Analogie, die diese Bezugnahme berhaupt erst ermçglichen. Einerseits ,enthalten‘ oder beinhalten sprachliche Ausdrcke indirekte Darstellungen von Begriffen; andererseits ,enthlt‘ oder beinhaltet die sinnliche Anschauung einer Handmhle, wenn man sie mittels des doppelten Geschfts der Urteilskraft dem Begriff des despotischen Staats unterlegt, eine indirekte Darstellung dieses Begriffs. Ich mçchte zusammenfassend folgende Definition von „Symbol“ auf der Grundlage der Interpretation von § 59 vorschlagen: Ein Symbol ist eine Anschauung, die auf der Grundlage einer Analogie durch das doppelte Geschft der Urteilskraft einem Begriff unterlegt wird, wobei die unterlegte Anschauung dem Begriff nicht korrespondiert bzw. ihm nicht angemessen ist. Durch dieses Unterlegen stellt diese Anschauung den Begriff auf indirekte Weise dar.
Man kann noch hinzufgen:
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Trger von Symbolen sind sprachliche Ausdrcke. Dass Ausdrcke Symbole enthalten, kann gezeigt werden, indem der Vorgang der Symbolisierung (das doppelte Geschft der Urteilskraft inklusive der zugrundeliegenden Analogie), durch den die Anschauung ihre neue Bezugnahme bekommt, rekonstruiert wird.
1.7.2 Was kann symbolisiert werden? Was kann durch Symbole versinnlicht werden, wenn man diese im definierten Sinne versteht? Ich komme hier auf wichtige Beobachtungen aus den Kapiteln 1.4.4 und 1.4.7 zu den verschiedenen Begriffsarten zurck. Wie im vorigen Unterkapitel stellen wir zunchst die wichtigsten Aussagen zum Thema zusammen: (B1): Die objektive Realitt der Vernunftbegriffe kann zum Zweck der theoretischen Erkenntnis dieser Vernunftbegriffe unmçglich aufgewiesen werden, weil den Vernunftbegriffen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. (aus [1.4]) (B2): In der symbolischen Hypotypose wird einem Begriff, den nur die Vernunft denken kann, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen ist, eine sinnliche Anschauung unterlegt. (aus [2]) (B3): Die symbolische Hypotypose ist eine Darstellung von Begriffen und nicht bloß eine Bezeichnung der Begriffe durch sinnliche Zeichen, welche die Begriffe begleiten, wobei diese sinnliche Zeichen nichts enthalten, was zur Anschauung des Gegenstands gehçrt. (aus [3.2]) (B4a): Symbole sind Anschauungen, die man Begriffen auf eine A priori-Weise unterlegt. (aus [4.1]) (B4b): Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs. (aus [4.1]) (B5): Ein Gegenstand einer sinnlichen Anschauung ist aufgrund des doppelten Geschfts der Urteilskraft Symbol von einem ganz anderen Gegenstand. (aus [4.2]) (B6a): Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. (aus [4.6]) (B6b): Durch eine Analogie enthlt ein Ausdruck im Fall einer symbolischen Hypotypose nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion. (aus [4.6]) (B7): Bestimmte Wçrter sind symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe wegen einer bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. (aus [4.7])
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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Zunchst fallen in § 59 insgesamt zwei fr diese Frage wichtige Punkte auf. Erstens spricht Kant in [4.2] bzw. in (B5) davon, dass ein Gegenstand einen ganz anderen Gegenstand symbolisieren kann, whrend sonst in § 59 immer davon die Rede ist, dass Begriffe symbolisiert werden. Zweitens sind die Beispiele fr Begriffe, die symbolisiert werden, sehr disparat: Kant spricht ausdrcklich von vier Beispielen: dem monarchischen Staat, dem despotischen Staat, Gott und dem Sittlich-Guten. Dazu kommen noch die in [4.7] genannten Wçrter „Grund“, „abhngen“, „woraus fließen“ und „Substanz“, die als Wçrter bezeichnet werden, die symbolische Ausdrcke fr Begriffe sind. Zu dem ersten Punkt hatte ich in Kapitel 1.4.7 behauptet, dass es Kants Ausfhrungen zum Symbol folgend keine allgemeinen Symbole fr Gegenstnde gibt. Eine hnlichkeit zwischen einer Handmhle und einem despotischen Staat besteht nur in der Hinsicht, dass beide derselben spezifischen Kausalitt, nmlich einer mechanischen Kausalitt, gehorchen. Wenn das Entscheidende am doppelten Geschft der Urteilskraft ist, dass die Regel der Reflexion ber einen Gegenstand und seine Kausalitt auf einen anderen Gegenstand angewendet wird, weil in genau diesem Punkt eine hnlichkeit zwischen beiden Gegenstnden besteht, dann drfte klar sein, dass der Gegenstand der Handmhle den Gegenstand des despotischen Staats in genau dieser Hinsicht symbolisiert. Das aber bedeutet, dass die Handmhle den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats symbolisiert. Es ist also festzuhalten, dass nach Kants Symboltheorie in § 59 Begriffe symbolisiert werden. Mit Ausnahme von (B5) beziehen sich alle oben aufgefhrten Aussagen ausdrcklich auf Begriffe als dasjenige, was symbolisiert werden kann. Weil nun (B2) sich im Text von § 59 direkt an (B1) anschließt, kann man den Eindruck gewinnen, dass die symbolische Hypotypose nicht nur das Problem lçst, dass Vernunftbegriffen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann, sondern dass Kant auch behauptet, dass die symbolische Hypotypose nur bei Vernunftbegriffen zur Anwendung kommt. Damit komme ich zum zweiten Punkt. Dass Kant die Mçglichkeit der Versinnlichung von Begriffen durch Symbole dabei gewissermaßen gegen (B2) nicht nur Vernunftbegriffen vorbehalten will, zeigt sich allerdings in mehreren der hier rekonstruierten Aussagen.243 So heißt es in (B6a), dass 243 Auch Bielefeldt betont, dass symbolische Vorstellungen auf vielfltige Weise in unseren Alltagserfahrungen vorkommen und nicht nur auf Vernunftbegriffe beschrnkt sind. Er meint auch, dass symbolische Vorstellungen oft nur eine spie-
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unsere Sprache voller solcher indirekter Darstellungen von Begriffen nach einer Analogie ist. Es liegt nahe, vor dem Hintergrund dieser Aussage die faktische Vielfalt der Beispiele fr die Symbolisierung von Begriffen zu interpretieren. In (B7) wird das doppelte Geschft der Urteilskraft und damit die symbolische Hypotypose rekapituliert und von den ,ganz anderen Begriffen‘, die symbolisiert werden, ausgesagt, dass ihnen ,vielleicht nie‘ eine Anschauung korrespondieren kçnne. Es ist ein Unterschied, ob behauptet wird, dass einem Begriff vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann, oder ob man wie in (B2) sagt, dass einem Begriff keine Anschauung angemessen sein kann. In Kapitel 1.4.7 habe ich Aussage (B7) so interpretiert, dass nicht nur solche Begriffe, denen mit Sicherheit nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann, symbolisiert werden kçnnen, sondern auch Begriffe, denen Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen, also empirische Begriffe. Somit kann man aus (B7) – ebenfalls im Gegensatz zu (B2) – lernen, dass es keine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung eines Begriffs ist, dass einem Begriff prinzipiell keine Anschauung direkt korrespondieren kann. Das Verfahren der Symbolisierung kann also nicht nur auf Vernunftbegriffe, sondern auf verschiedene Begriffsarten angewendet werden. Dass Kant in (B2) nur von der symbolischen Hypotypose hinsichtlich der Vernunftbegriffe spricht, lsst sich dadurch erklren, dass Kant in § 59 zeigen will, dass man mittels der symbolischen Hypotypose auch Vernunftbegriffen Anschauungen unterlegen kann, was eben nicht heißt, dass nur Vernunftbegriffe symbolisiert werden kçnnen.244 lerische Weise seien, Dinge zu beschreiben, obwohl wir diese Dinge auch genauer definieren kçnnten. Vgl. Bielefeldt 2003, 37 – 38; 179 – 181. Ziche geht noch ein wenig weiter und behauptet gerade auf der Grundlage von [4.6] und [4.7] und der dort aufgefhrten Vielfalt der Symbole, dass sich Metaphern aus der Philosophie nicht einfach verbannen lassen. Vgl. Ziche 2005, 397. 244 Ein Großteil der Sekundrliteratur bersieht in der Interpretation von KU, § 59 die Stze [4.6] und [4.7] bzw. die Rede davon, dass unsere Sprache voller symbolischer Vorstellungen sei. Damit einhergehend wird dann § 59 gewissermaßen als Antwort auf den ersten Absatz gelesen, in dem die Problematik angesprochen wird, dass Vernunftbegriffen keine Anschauungen direkt korrespondieren, wir diese aber zur Realitt von Begriffen bençtigen. Bahr behauptet, dass es im fr das Symbol relevanten reflexiven Urteil um die Darstellung von prinzipiell Unanschaulichem im darstellenden Vollzug einer Deutung gehe (vgl. Bahr 2004b, 273). Bahr bezieht sich zwar wenig spter auf die von Kant genannten Beispiele aus Satz [4.7], bersieht dabei aber, dass die dort genannten symbolischen Ausdrcke sehr wohl Begriffe indirekt darstellen, die nicht prinzipiell unanschaulich sein mssen. Auch Forschner vertritt die These, dass die symbolische Darstellung auf Ver-
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Von welchen Begriffsarten ist in § 59 die Rede? Neben „Gott“ und dem „Sittlich-Guten“ als Vernunftbegriffen, die auf jeden Fall nicht-anschaulich sind, liegt mit dem despotischen Staat ein Begriff vor, ber dessen Status wir keine sichere Auskunft geben kçnnen. Man kann lediglich sagen, dass wir keine Anschauung der Kausalitt eines despotischen Staats haben, so dass es sich bei dem symbolisierten Begriff des despotischen Staats nicht um einen empirischen Begriff handeln kann. Dieses Los der Unanschaulichkeit teilt der despotische Staat allerdings mit den anderen Begriffsarten aus § 59. Was die Beispiele aus unserer Sprache aus [4.7] betrifft, also „Grund“, „abhngen“, „woraus fließen“ und „Substanz“, handelt es sich bei ihnen um symbolische Ausdrcke fr Kategorien oder logische Beziehungen. Es ist somit auch mçglich, reine Verstandesbegriffe zu symbolisieren. Die Beispiele machen klar dass auch in diesem Fall den symbolisierten Begriffen keine Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, wie der durch „woraus fließen“ symbolisch ausgedrckten logischen Folgerungsbeziehung eine Anschauung direkt korrespondieren kçnnte.245 Mein Fazit ist somit: Prinzipiell kçnnen alle Begriffsarten (empirische Begriffe, Verstandesbegriffe, Vernunftbegriffe) symbolisiert werden. Die Symbolisierung ist unabhngig davon, ob dem zu symbolisierenden Begriff auch Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen oder nicht.
1.7.3 Was leistet ein Symbol? Was kçnnen Symbole als indirekte Darstellungen von Begriffen leisten? Auch hier ist es wieder hilfreich, sich die zentralen Aussagen aus § 59 vor Augen zu fhren: nunftbegriffe beschrnkt ist, denen keine sinnliche Anschauung angemessen sei (vgl. dazu Forschner 2007, 45; Forschner 2010, 128). Vgl. dazu hnlich Bornmller 2007, 163; Gasch 2003, 211; Kang 1985, 144; E. Mller 2001a, 597; Recki 2001, 160; Recki 2008, 195; Tomberg 2001, 37 – 38. 245 Bahr interpretiert die Beispiele aus [4.7] als Besinnung auf die metaphorische Struktur deutender Darstellungsvollzge (vgl. Bahr 2004b, 284 – 285). Sie nimmt die Passage darberhinaus als Beleg dafr in Anspruch, dass nach Kant jedes Sprechen im Grunde metaphorisch sei. Auf die Frage, ob und wie man Kants Symbolbegriff mit dem Begriff der Metapher in Zusammenhang bringen kann, gehe ich kurz in Kapitel 1.10.2 ein.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
(D1): Die objektive Realitt der Vernunftbegriffe kann zum Zweck der theoretischen Erkenntnis dieser Vernunftbegriffe unmçglich aufgewiesen werden, weil den Vernunftbegriffen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann. (aus [1.4]) (D2): Die symbolische Hypotypose unterlegt einem Vernunftbegriff, dem keine sinnliche Anschauung angemessen gegeben werden kann, eine solche sinnliche Anschauung. (aus [2] und [4.1]) (D3): Die symbolische Vorstellungsart ist eine intuitive Vorstellungsart. (aus [3.1]) (D4): Eine intuitive Erkenntnisart ist symbolisch als Vorstellung nach einer bloßen Analogie. (aus der Fußnote zu [3.3] und [4.3]) (D5): Symbole enthalten indirekte Darstellungen des Begriffs. (aus [4.1]) (D6): Durch indirekte Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck ein Symbol fr die Reflexion. (aus [4.6]) (D7): Alle unsere Erkenntnis von Gott ist bloß symbolisch. (aus [4.8])
Von (D1) her legt sich – allerdings nur mit Blick auf die Vernunftbegriffe – die Vermutung nahe, dass Symbole die Funktion haben, die objektive Realitt von Begriffen auf eine alternative Weise aufzuweisen. Die anderen Aussagen darber, was ein Symbol leistet, sind jedoch sehr allgemein gehalten. In den meisten der hier aufgelisteten Aussagen ist von „Vorstellung“ oder „Vorstellungsart“ und nur in (D4), einer Fußnote zum dritten Absatz von § 59, ist von „Erkenntnis“ die Rede: „Das Intuitive der Erkenntnis muß dem Diskursiven (nicht dem Symbolischen) entgegen gesetzt werden. Das erstere ist nun entweder s c h e m a t i s c h durch D e m o n s t r a t i o n ; oder s y m b o l i s c h als Vorstellung nach einer bloßen A n a l o g i e .“246
Aber auch diese Aussage ist unspezifisch. Sie lsst sich vor dem Hintergrund von Kants Einteilung der verschiedenen Arten von Vorstellungen so verstehen, dass Kant hier zunchst zwischen intuitiver bzw. anschaulicher und begrifflicher Erkenntnis und dann innerhalb der intuitiven Erkenntnisart noch einmal zwischen schematischen und symbolischen Vorstellungen unterscheidet.247 Was er hier genau unter „Erkenntnis“ versteht, wird nicht deutlich. Sicher ist nur, dass er sowohl ber die symbolische als auch ber die schematische Vorstellungsart spricht, wenn er vom „Intuitiven der Erkenntnis“ redet. 246 KU, 5: 352,34 – 36. 247 Vgl. KrV, B 376 – 377 (3: 249,37 – 250,14).
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Ist der Ausdruck, der die Funktion von Symbolen auf den Punkt bringt, somit der Begriff der indirekten Darstellung, wie er in (D5) und (D6) vorliegt?248 In Kapitel 1.3.5 wurde der Begriff der Darstellung etwas ausfhrlicher eingefhrt. Durch die Darstellung oder Demonstration eines Verstandesbegriffs in einer korrespondierenden Anschauung kçnnen wir dessen objektive Realitt aufweisen und den entsprechenden Gegenstand theoretisch erkennen. In KU, § 59 ergnzt Kant diesen Darstellungsbegriff mit dem Adjektiv „direkt“ und spricht von „direkter Darstellung“ hinsichtlich der Schemate.249 Wenn nun im Fall der indirekten Darstellung das fr die Direktheit der direkten Darstellung notwendige Element – die korrespondierende Anschauung – fehlt, und wir bei der indirekten Darstellung dagegen nur mit einer Analogie einer direkten Anschauung arbeiten, wie wir in § 59, [4.7] lesen kçnnen, dann scheint es nicht mehr mçglich zu sein, dass wir durch eine indirekte Darstellung eines Begriffs dessen objektive Realitt in theoretischer Rcksicht aufweisen. Was aber kann eine indirekte Darstellung eines Begriffs dann noch leisten, wenn es offensichtlich nicht mehr darum gehen kann, die objektive Realitt in theoretischer Rcksicht aufzuweisen? Kant gibt uns auf diese Frage in KU, § 59 keine direkte Antwort. Wir kçnnen nur versuchen, uns unseren eigenen Reim auf die Funktion eines Symbols zu machen. Betrachten wir zunchst die Versinnlichung des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats durch die Anschauung einer Handmhle. Weil wir die Wirkungen des despotischen Staats in dieser Welt beobachten kçnnen, ist es mçglich, die Ursache-Wirkungs-Relation im Fall des despotischen Staats mit einer anderen Ursache-WirkungsRelation in ein identisches Verhltnis zu bringen, was bedeutet, dass die Regel, die den Ursache-Wirkungs-Relationen zugrundliegt, dieselbe ist. Dabei ist die Handmhle nur ein mçgliches Beispiel fr einen konkreten Gegenstand, der auf entsprechende Weise Ursache fr Wirkungen ist. Andere Beispiele sind prinzipiell denkbar. Die Analogie erlaubt uns, die Ursache-Wirkungs-Relation des despotischen Staats zu denken. Man kann also formulieren: (1) „Der despotische Staat verhlt sich zu seinen Wirkungen, wie sich eine Handmhle zu ihren Wirkungen verhlt.“
248 In Kapitel 1.5 hatte ich gezeigt, dass „indirekte Darstellung“ und „symbolische Hypotypose“ dasselbe bedeuten. 249 KU, 5: 352,8 – 10.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Unterlegt man auf der Grundlage dieser Analogie dem Begriff des despotischen Staats die Anschauung einer Handmhle, kann man außerdem sagen: (2) „Ein despotischer Staat funktioniert von seiner Kausalitt her wie eine Handmhle.“
Schließlich kann man sich eine Situation vorstellen, in der man auf die Frage nach der Kausalitt eines despotischen Staats schlicht antwortet: (3) „Wenn Du wissen willst, welche Kausalitt ein despotischer Staat hat, schau‘ Dir diese Handmhle an!“
Wenn wir wie in (1) von der Analogie sprechen, mittels deren wir uns den Begriff des despotischen Staats denken, geben wir den gedanklichen Weg relativ genau wieder, auf welche Weise wir diesen Begriff denken kçnnen. Der Genauigkeit entspricht jedoch auch eine gewisse Abstraktheit; eine Analogie nachzuvollziehen oder gewissermaßen nachzurechnen, erfordert in erster Linie eine Anstrengung unseres Verstandes. Wenn wir hingegen die Handmhle als Symbol gebrauchen, also wie in (2) und (3), wirft dieser Gebrauch fr denjenigen, der das Symbol und die zugrundeliegende Analogie nicht kennt, zunchst Fragen auf. Durch den Hinweis auf eine bestimmte Anschauung unter einer bestimmten Rcksicht, nmlich der Frage nach der Kausalitt eines despotischen Staats, ist demjenigen, der das Symbol nicht kennt, jedoch der Schlssel zum Verstndnis des Symbols mitgeliefert. Er kann, indem er sich eine Handmhle vorstellt oder eine solche sieht und sich zugleich fragt, welche Kausalitt ein solcher Gegenstand hat, das Symbol entschlsseln.250 Ich mçchte zwei Besonderheiten des Symbols hervorheben, die sich aus diesen berlegungen ergeben. Erstens wird durch den Gebrauch des Symbols im Unterschied zum Nachrechnen der Analogie die Sinnlichkeit des Menschen angesprochen. Der Zugang zur Analogie ber das Symbol ist sicherlich unmittelbarer und womçglich sogar leichter, als wenn man die relativ abstrakte Aussage ber die Analogie selbst verstehen muss. Zweitens fungiert das Symbol – ganz im Sinn von § 59, [4.6], wo es heißt, dass ein Ausdruck ein Symbol fr die Reflexion enthlt – als eine Art Abkrzung zur 250 Dagegen meint Bornmller, dass wir im Gebrauch des Ausdrucks „Handmhle“ auf eine praktische Erkenntnis des despotischen Staats abzielen. Bornmller interpretiert das Beispiel der Handmhle vom letzten Satz des vierten Absatzes [4.8] her, in dem von der symbolischen Erkenntnis von Gott die Rede ist. Diese Interpretation ist interessant, Bornmller erlutert seine Interpretation allerdings nicht nher. Vgl. Bornmller 2007, 163.
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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Analogie. Es gengt, wenn ich die Handmhle als Symbol fr den Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats in irgendeiner Weise benenne. Ich muss die Analogie nicht selbst wiedergeben, sondern kann dem Adressaten meiner Aussage die Rekonstruktion der Analogie berlassen. Das Symbol hat also im Fall der Symbolisierung des Begriffs des despotischen Staats durch eine Handmhle durchaus die heuristische Funktion einer anschaulichen Verlebendigung des dargestellten Begriffs fr denjenigen, der die entsprechende Analogie noch nicht kennt.251 Auch wenn Kant dazu kein Wort sagt, kann man sich sehr gut vorstellen, dass Symbole und die damit verbundene Ansprache menschlicher Sinnlichkeit das Verstehen von Analogien befçrdern. Wir werden im zweiten Teil der Arbeit sehen, dass diese berlegung mit Blick auf die Rolle, die Kant symbolischen Vorstellungen in der christlichen Glaubenslehre zuschreibt, an Plausibilitt gewinnt.252 Im Fall der reinen Verstandesbegriffe und logischen Beziehungen aus [4.7], also „Grund“, „abhngen“, „woraus fließen“ und „Substanz“, ist es noch schwieriger, Genaueres zur Funktion der Symbole zu sagen, weil Kant diese Beispiele nicht erlutert. Die Analogie, die der Symbolisierung zugrunde liegt, lsst sich mangels nherer Hinweise kaum rekonstruieren. Auch hier kann man jedoch annehmen, dass wir durch die symbolischen Ausdrcke, z. B. „woraus fließen“ als symbolischer Ausdruck fr die logische Folgerung, eine Art lebendige Darstellung der jeweiligen Begriffe erhalten. Wir kçnnen den Begriff durch das Symbol auf eine relativ unkomplizierte Weise anschaulich machen. Ob das Symbol notwendig ist, um diesen Begriffen berhaupt Anschauungen unterlegen zu kçnnen oder um ihre objektive Realitt aufzuweisen, ist fraglich. So ist die objektive Realitt der reinen Verstandesbegriffe auf jeden Fall ber die Schematisierung dieser Begriffe gewhrleistet.253
251 Mit Blick auf das rhetorische Verfahren der Hypotypose, auf das Kant sich hier bezieht, schreibt Bahr, dass dieses eine Veranschaulichung bedeute, bei der das lebhaft Dargestellte so vorgefhrt werde, dass es sich selbst zu prsentieren scheine, wobei dieses Scheinen, dieses Vorgeben von etwas, das in der Reprsentation abwesend ist, die allgemeinste Form der Hypotyposis kennzeichne. Die Hypotypose suggeriere unmittelbare Anschauung und verberge systematisch ihre Medialitt. Vgl. Bahr 2004b, 270. Vgl. dazu auch Einleitung Kapitel B.3. 252 Vgl. dazu Kapitel 2.4.2 bis Kapitel 2.4.4. 253 Wie es sich bei den logischen Beziehungen verhlt, kann hier nicht nher untersucht werden.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Fr den despotischen Staat und die Verstandesbegriffe gilt also, dass in ihrem Fall das Symbol die Funktion hat, den entsprechenden Begriff auf eine unkomplizierte Weise anschaulich zu machen. Wir kçnnen uns durch das Symbol den entsprechenden Begriff womçglich besser vorstellen, als wenn wir jeweils eine Aussage ber die dem Symbol zugrundeliegende Analogie verstehen mssten. Es ist dagegen unplausibel, dass die Symbolisierung hier die Aufgabe hat, auch die objektive Realitt der Begriffe aufzuweisen; denn die objektive Realitt kann zumindest bei den Verstandesbegriffen auch auf andere Weise (mittels der Schematisierung) aufgewiesen werden. Die fr diese Arbeit interessanteste Frage hinsichtlich der Aufgabe der Symbole ist: Muss man die Tatsache, dass Kant die symbolische Hypotypose im zweiten Absatz von § 59 hinsichtlich der nicht-anschaulichen Vernunftbegriffe einfhrt, so verstehen, dass die symbolische Hypotypose die Aufgabe hat, das Problem zu lçsen, dass laut des ersten Absatzes dadurch entsteht, dass den Vernunftbegriffen keine Anschauung angemessen gegeben werden kann? Kçnnen Symbole also die objektive Realitt der Vernunftbegriffe in theoretischer Hinsicht aufweisen? Ich hatte diese Frage weiter oben in diesem Unterkapitel zwar bereits verneint. Es lohnt sich allerdings, sie noch einmal kurz zu bedenken. Zu dieser Frage ist (D7) bzw. der Satz [4.8] interessant. Denn dort ist von einer symbolischen Erkenntnis von Gott die Rede. Auf dem Hintergrund unserer gerade angestellten berlegungen zum Begriff der indirekten Darstellung wird man jedoch auch mit Blick auf die Vernunftidee des hçchsten Wesens sagen mssen, dass nur durch eine direkte Darstellung die objektive Realitt der Idee aufgezeigt werden kann. Sofern sich die symbolische Erkenntnis von Gott einer Analogie mit einer direkten Anschauung zur Darstellung der Vernunftidee bedient, ist ein Aufweis der objektiven Realitt in theoretischer Rcksicht nicht mçglich. Dient die symbolische Erkenntnis von Gott also auch lediglich der anschaulichen Verlebendigung der Idee? Warum spricht Kant dann von einer symbolischen Erkenntnis von Gott? Gerade die Vernunftidee Gottes bringt gegenber den anderen Begriffen, die symbolisiert werden, das Problem mit sich, dass sie mit dem Menschen nur die Gattung eines Dings berhaupt gemeinsam hat.254 Es ist zwar allen in § 59 genannten Begriffsarten gemeinsam, dass wir keine direkten korrespondierenden Anschauungen von ihnen haben. Trotzdem haben die Vernunftideen insofern einen anderen Status als der despotische Staat und die reinen Verstan254 Vgl. KU, 5: 464,32 – 41; vgl. auch Kapitel 1.2.4.
1.7 Kants Symbolbegriff in KU, § 59 – eine dreiteilige Auswertung
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desbegriffe, als ihre Gegenstnde keine sinnlich-bedingte Kausalitt wie der despotische Staat haben und ihnen anders als den Verstandesbegriffen keine korrespondierenden Anschauungen durch eine schematische Hypotypose unterlegt werden kçnnen. Es gibt jedoch zwei Mçglichkeiten, eine Anschaulichkeit der Vernunftidee Gottes in Erwgung zu ziehen. Die eine Alternative wre der Hinweis auf eine mçgliche Offenbarung der Vernunftidee des hçchsten Wesens in der Geschichte, in der sich Gott sozusagen selbst anschaulich machen wrde, so dass man davon sprechen kçnnte, dass auch Gott vielleicht eine Anschauung direkt korrespondieren kçnnte. Die andere Alternative bestnde darin, die Wirkungen des hçchsten Wesens in der Welt als eine Art Anschauungen des hçchsten Wesens zu verstehen. Die Anschaulichkeit der Wirkungen des hçchsten Wesens ist ja in jedem Fall fr ein Denken Gottes nach der Analogie vorausgesetzt und ein Denken Gottes nach der Analogie ist laut KU, § 90 mçglich. Beide Alternativen sehen sich allerdings – von der Kant’schen Philosophie her gesehen – massiven Problemen ausgesetzt. Der Einwand gegen die erste Alternative braucht nur darauf zu verweisen, dass Kant in § 90 ber die Vernunftidee Gottes sagt, dass sie kein Weltwesen ist und mit allen Weltwesen nur die Gattung eines Dings berhaupt gemeinsam hat. Solange diese Voraussetzung gilt und nicht klar ist, wie ein solches ,Ding‘ wie Gott sich trotzdem in Form von Anschauungen zeigen kçnnte, ist es im Ausgang von der KU nicht plausibel, in epistemologischer Perspektive von der Mçglichkeit einer Offenbarung Gottes in der empirischen Welt auszugehen.255 Gegen die zweite Alternative kann man anfhren, dass keine Analogie nçtig wre, um die Kausalitt Gottes zu denken, wenn wir in seinen Wirkungen seine Urschlichkeit direkt feststellen kçnnten. Gerade weil wir keine Anschauungen der Idee Gottes haben, brauchen wir die Analogie. Deswegen kann man – zumindest auf der Grundlage der hier diskutierten Textstellen – nicht denken, dass wir in den Wirkungen des 255 Kant behauptet weder in der KU noch in der Religionsschrift, wo er sich am ausfhrlichsten mit dem Thema Offenbarung und Religion auseinandersetzt, dass es ontologisch unmçglich sei, dass sich ein moralischer Welturheber in der empirischen Welt zeige (vgl. dazu seine Unterscheidungen zu verschiedenen Typen von Religionsphilosophie in RGV, 6: 154,5 – 155,15). Eine solche Behauptung wre die eines „Naturalisten“, wohingegen Kant sich als „reinen Rationalisten“ in dieser Frage einordnet. Entscheidend fr Kant ist vielmehr: Selbst wenn eine solche Offenbarung mçglich ist, heißt das nicht, dass wir diese Offenbarung auch als solche erkennen kçnnen, also durch die bernatrliche Offenbarung zu Wissen ber Gott gelangen.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
hçchsten Wesens das Wesen selbst so unmittelbar wahrnehmen kçnnen, wie wir Menschen uns unserer eigenen Kausalitt bewusst sind. Wenn die symbolische Hypotypose die ,Versinnlichung‘ von Begriffen zum Ziel hat, wird man auf dem Hintergrund dieser berlegungen somit in Erwgung ziehen mssen, dass der unterschiedliche Status der verschiedenen Begriffsarten auch Auswirkungen auf den jeweiligen Status der Symbole hat.256 Mit dieser Frage – die auch darauf abzielt, ob symbolische Darstellungen der Vernunftidee Gottes ebenso wie bei den anderen Begriffsarten die Aufgabe der Verlebendigung der Vorstellung des jeweiligen Begriffs haben – sowie der Frage nach der Bedeutung der Rede von einer bloß symbolischen Erkenntnis von Gott werden wir uns im zweiten Teil der Arbeit beschftigen. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass man auch im Fall der Vernunftideen durch eine indirekte Darstellung der Begriffe die objektive Realitt dieser Begriffe in theoretischer Rcksicht nicht aufweisen kann. Als Antwort auf die Frage, was Symbole leisten kçnnen, lsst sich Folgendes formulieren: Symbole als indirekte Darstellungen von Begriffen dienen nicht dazu, die objektive Realitt der dargestellten Begriffe in theoretischer Absicht aufzuweisen. Fr Begriffe wie den der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats sowie die Verstandesbegriffe kann man sagen, dass Symbole in ihrem Fall die Funktion haben, den jeweiligen Begriff auf unkomplizierte und lebendige Weise anschaulich zu machen.
Im nchsten Kapitel werde ich die bisherige Interpretation von KU, § 59 mit einem fr den Symbolbegriff und den Zusammenhang mit der Analogie wichtigen Text aus der Preisschrift ins Gesprch bringen.
1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift Die im Jahr 1804 von Friedrich Theodor Rink herausgegebene Antwort Kants auf die 1791 von der Kçniglichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ausgeschriebene Preisfrage Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolff ’s Zeiten in Deutschland gemacht hat? (abgekrzt: Preisschrift) enthlt unter der berschrift „Von der Art, 256 Auch Forschner deutet zumindest an, dass die symbolische Veranschaulichung auf den verschiedenen Ebenen und in den verschiedenen Bereichen des Vernunftgebrauchs eine je eigene, besondere Rolle spiele, wobei er sich auf die Beispiele des despotischen Staats und Gottes in KU, § 59 bezieht. Vgl. Forschner 2008, 77.
1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift
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den reinen Verstandes- und Vernunftbegriffen objective Realitt zu verschaffen“ eine fr die Interpretation von § 59 beraus aufschlussreiche Passage: „[1.1] Einen reinen Begriff des Verstandes, als an einem Gegenstande mçglicher Erfahrung denkbar vorstellen, heißt, ihm objective Realitt verschaffen, und berhaupt, ihn darstellen. [1.2] Wo man dieses nicht zu leisten vermag, ist der Begriff leer, d.i. er reicht zu keinem Erkenntniß zu. [1.3] Diese Handlung, wenn die objective Realitt dem Begriff geradezu (directe) durch die demselben correspondirende Anschauung zugetheilt, d.i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematism; kann er aber nicht unmittelbar, sondern nur in seinen Folgen (indirecte) dargestellt werden, so kann sie die Symbolisirung des Begriffs genannt werden. [1.4] Das erste findet bey Begriffen des Sinnlichen statt, das zweyte ist eine Nothhlfe fr Begriffe des bersinnlichen, die also eigentlich nicht dargestellt, und in keiner mçglichen Erfahrung gegeben werden kçnnen, aber doch nothwendig zu einem Erkenntnisse gehçren, wenn es auch blos als ein praktisches mçglich wre. [2] Das Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffes) ist eine Vorstellung des Gegenstandes nach der Analogie, d.i. dem gleichen Verhltnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst, zu seinen Folgen beygelegt wird, obgleich die Gegenstnde selbst von ganz verschiedener Art sind, z. B. wenn ich gewisse Producte der Natur, wie etwa die organisirten Dinge, Thiere oder Pflanzen, in Verhltniß auf ihre Ursache, mir wie eine Uhr, im Verhltniß auf den Menschen, als Urheber, vorstellig mache, nmlich das Verhltniß der Kausalitt berhaupt, als Kategorie, in beyden eben dasselbe, aber das Subject dieses Verhltnisses, nach seiner innern Beschaffenheit mir unbekannt bleibt, jenes also allein, diese aber gar nicht dargestellt werden kann. [3] Auf diese Art kann ich vom bersinnlichen, z. B. von Gott, zwar eigentlich kein theoretisches Erkenntniß, aber doch ein Erkenntniß nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken nothwendig ist, haben; wobey die Kategorien zum Grunde liegen, weil sie zur Form des Denkens nothwendig gehçren, dieses mag auf das Sinnliche oder bersinnliche gerichtet seyn, ob sie gleich, und gerade eben darum, weil sie fr sich noch keinen Gegenstand bestimmen, kein Erkenntniß ausmachen.“257
Kant hat im Jahr 1793, also kurz nach dem Erscheinen der KU 1790, an der Beantwortung der besagten Preisfrage gearbeitet.258 Nicht nur das Datum, sondern auch der Inhalte der gerade zitierten Passage lassen eine inhaltliche Nhe zur KU erahnen. Man kann sogar im Aufbau dieser drei Abstze des Abschnitts den Aufbau des ersten Teils von KU, § 59 bis [4.8] wiedererkennen, wenn man mçchte. Im ersten Absatz geht es wie zu Anfang von 257 FM, 20: 279,25 – 280,20. 258 Vgl. zur Entstehung der Preisschrift Kuehn 2002, 376 – 377.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
§ 59 (in [1] und [2]) um die objektive Realitt von Verstandes- und Vernunftbegriffen und die Art und Weise, wie diese zunchst nicht-anschaulichen Begriffe dargestellt werden kçnnen. Der zweite Absatz erlutert dann, was man sich unter einem „Symbol“ einer „Idee (oder eines Vernunftbegriffs)“ vorzustellen hat (hnlich wie § 59, [4]) und im dritten Absatz schließlich, auf den wir im zweiten Teil der Arbeit eingehen werden, geht Kant ausdrcklich auf das bersinnliche bzw. Gott ein, was wir in § 59 am Schluss von [4] beobachten kçnnen. Kant beginnt die Passage aus der Preisschrift in [1.1] mit einer Aussage ber einen reinen Verstandesbegriff: Einen reinen Verstandesbegriff an einem Gegenstand mçglicher Erfahrung als ,denkbar vorstellen‘, heißt, dem reinen Verstandesbegriff objektive Realitt zu verschaffen ,und berhaupt, ihn darstellen‘.259 Die Aussage von [1.2] lautet: Wo man die Darstellung des Begriffs nicht leisten kann, ist der Begriff leer bzw. er ist zu keiner Erkenntnis zureichend. Wenn es also nicht mçglich ist, einen Begriff an einem Gegenstand mçglicher Erfahrung als ,denkbar vorzustellen‘, kann man ihm keine objektive Realitt verschaffen und somit bleibt der Begriff leer.260 Die Formulierung, dass der Begriff „leer“ ist, lsst darauf schließen, dass es sich bei der Erkenntnis, zu welcher der leere Begriff nicht zureicht, um die theoretische Erkenntnis handelt. Ohne die Mçglichkeit der Darstellung bleibt dieser Begriff ohne Anschauung, was heißt, dass man ihn nicht auf theoretische Weise erkennen kann. Diese Aussagen treffen sich mit Aussagen aus dem ersten Absatz von KU, § 59. Die Preisschrift verschrft allerdings noch einmal die Aussage, dass ohne Korrespondenz von Anschauung und Begriff keinerlei theoretische Erkenntnis mçglich ist. Bemerkenswert ist dabei, dass Kant hier 259 Diese letzten Worte von [1.1] lassen sich so deuten, dass der Vorgang, einen reinen Verstandesbegriff an einem Gegenstand mçglicher Erfahrung als denkbar vorzustellen, generell bedeutet, einen reinen Verstandesbegriff darzustellen. Die Formulierungen „Einen Begriff darstellen“, „einem Begriff objektive Realitt verschaffen“ und „einen Begriff an einem Gegenstand mçglicher Erfahrung als denkbar vorstellen“ beziehen sich also alle auf denselben Vorgang. Diese Auffassung von „darstellen“ stimmt mit dem Darstellungsbegriff der KU berein. Vgl. dazu Kapitel 1.3.7. Sich einen reinen Verstandesbegriff an einem Gegenstand mçglicher Erfahrung als denkbar vorzustellen, kann man mit Blick auf KU, § 59 auch als das Unterlegen des Begriffs mit einer dem Begriff korrespondierenden Anschauung auffassen. 260 Das ist eine hnlich starke Aussage wie im ersten Absatz von § 59. Im Kapitel 1.3.3 habe ich zu diesem Absatz die These vertreten, dass es notwendige und hinreichende Bedingung fr :die objektive Realitt eines Begriffs ist, dass diesem Begriff Anschauungen gegeben werden kçnnen.
1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift
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„Darstellung“ oder „darstellen“ in der Bedeutung von „direkte Darstellung“ aus § 59 verwendet. Kçnnen Vernunftbegriffe also nicht dargestellt werden? Die folgenden beiden Stze [1.3] und [1.4] geben eine erste Antwort darauf. Kant unterscheidet zwischen zwei Handlungen. Wenn die objektive Realitt dem Begriff ,geradezu (directe)‘ durch die dem Begriff korrespondierende Anschauung zugeteilt wird bzw. der Begriff ,unmittelbar dargestellt‘ wird, heißt die Handlung ,Schematismus‘. Kann der Begriff nicht unmittelbar, sondern nur ,in seinen Folgen (indirecte)‘ dargestellt werden, kann die Handlung ,Symbolisierung des Begriffs‘ genannt werden. Interessant ist hier die jeweilige Erluterung der lateinischen Ausdrcke „directe“ und „indirecte“. Der Ausdruck „directe“ bedeutet „geradezu“ bzw. die Unmittelbarkeit der Darstellung eines Verstandesbegriffs durch eine korrespondierende Anschauung.261 Der Ausdruck „indirecte“ bedeutet einerseits, dass etwas nicht unmittelbar, und andererseits, dass etwas nur ,in seinen Folgen‘ dargestellt werden kann. Welche ,Folgen‘ sind hier gemeint? Natrlich denkt man hier sofort an KU, § 90 und die Folgen oder Wirkungen von Ursachen, die man in einer Analogie zueinander ins Verhltnis setzt. Dieser Gedanke erweist sich als plausibel, da Kant im zweiten Absatz mehrfach von „Folgen“ im Zusammenhang mit der Bildung einer Analogie spricht. Allerdings ist zunchst etwas irritierend, dass Kant schreibt, dass Begriffe des bersinnlichen ,in ihren Folgen‘ dargestellt werden. Werden die Begriffe durch ihre Folgen oder im Ausgang von ihren Folgen dargestellt? Die Beispiele in [2] zeigen, dass Kant nicht meint, dass die Folgen selbst die Begriffe darstellen, wir also durch die Folgen die Begriffe darstellen. Es geht darum, dass im Ausgang von den Folgen der Begriffe des bersinnlichen die Analogie erst mçglich wird. Man kçnnte den Ausdruck „in ihren Folgen“ also so bersetzen: In der Art und Weise der Folgen stellt sich die Urschlichkeit der Begriffe des bersinnlichen dar. Die mit „Schematism“ bezeichnete Handlung findet bei Begriffen des Sinnlichen statt, whrend die Symbolisierung als ,Nothilfe fr Begriffe des bersinnlichen‘ aufgefasst wird. Fr diese Begriffe des bersinnlichen gilt außerdem, dass sie ei-
261 Der Ausdruck „geradezu (directe)“ bestimmt adverbial die Art und Weise der ,Zuteilung‘ der objektiven Realitt zum Begriff durch die Anschauung. Diese Art und Weise des ,Zuteilens‘ wird wiederum mit dem Akkusativobjekt „durch etc.“ beschrieben. Die Direktheit des Zuteilens besteht also im Korrespondieren von Anschauung und Begriff.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
gentlich nicht dargestellt und in keiner mçglichen Erfahrung gegeben werden kçnnen.262 Die Hauptaussage zur Symbolisierung von Begriffen im ersten Absatz ist also: Begriffe des bersinnlichen kçnnen nur in ihren Folgen bzw. indirekt dargestellt werden. Es handelt sich dabei um eine ,Nothilfe‘ hinsichtlich der objektiven Realitt dieser Begriffe, weil diese Begriffe eigentlich nicht dargestellt werden kçnnen. Die Preisschrift untersttzt damit die bisherige Interpretation und bringt an zwei Stellen wichtige Przisierungen an: Erstens lsst sich die Indirektheit der Darstellung bei der Symbolisierung von Begriffen in einen Zusammenhang mit der dem Symbol zugrundeliegenden Analogie bringen; denn die Indirektheit besteht in der Darstellung der Urschlichkeit eines bersinnlichen Begriffs im Ausgang von seinen Folgen. Zweitens handelt es sich bei der Symbolisierung von bersinnlichen Begriffen um eine ,Nothilfe‘. Die bersinnlichen Begriffe gehçren notwendig zu einer bloß praktischen Erkenntnis. Deswegen mssen sie objektive Realitt haben, die ihnen aber auf gewçhnlichem Weg (wie bei den reinen Verstandesbegriffen) nicht verschafft werden kann. Dabei wird in der Preisschrift nicht hinreichend deutlich, ob es sich um dieselbe objektive Realitt handelt, die einerseits reinen Verstandesbegriffen und andererseits Begriffen des bersinnlichen verschafft wird. Der zweite Absatz des hier interpretierten Abschnittes aus der Preisschrift erlutert, was man sich unter dem ,Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffs)‘ vorzustellen hat.263 Wir kçnnen den Absatz in vier Teilstze aufteilen. Kant definiert im ersten Teilsatz „Symbol“ zunchst folgendermaßen: Das Symbol eines Vernunftbegriffs ist eine Vorstellung des Gegenstands nach der Analogie.
Ein Symbol ist also eine Vorstellung. Vorstellungen kçnnen, mssen aber nicht unbedingt Anschauungen sein. Vor dem Hintergrund dessen, dass man sich – wie im Beispiel beschrieben – die Ursache von Naturprodukten wie eine Uhr im Verhltnis auf einen menschlichen Uhrmacher vorstellen kann, ist jedoch davon auszugehen, dass Kant hier Anschauungen meint, die als Symbole im Sinne von KU, § 59 nach einer Analogie indirekte 262 Die Aussage dieses Satzes [1.4], dass die Begriffe des bersinnlichen zu einer praktischen Erkenntnis gehçren, klammere ich an dieser Stelle aus. Ich komme in Kapitel 2.3.2 darauf zurck. 263 Ebenso wie im ersten Absatz von KU, § 59 gebraucht Kant hier sowohl „Vernunftbegriff“ als auch „Idee“. Ich werde im Folgenden nur „Vernunftbegriff“ verwenden.
1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift
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Darstellungen von Vernunftbegriffen enthalten. Welcher Gegenstand hier vorgestellt wird und was unter „Analogie“ zu verstehen ist, ergibt sich aus einer Interpretation des den Ausdruck „Analogie“ erluternden, mit „d.i.“ eingeleiteten zweiten Teilsatzes. Das Symbol ist eine Vorstellung des Gegenstands nach der Analogie bzw. nach „dem gleichen Verhltnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst, zu seinen Folgen beygelegt wird, obgleich die Gegenstnde selbst von ganz verschiedener Art sind.“264
Unter Einbeziehung des Beispiels, das den dritten, folgenden Teilsatz bildet, lsst sich dieser verschachtelte Teilsatz relativ leicht auflçsen.265 Er lsst sich zunchst in die beiden Verhltnisse der Analogie aufteilen: Das Symbol ist eine Vorstellung des Gegenstands nach dem gleichen Verhltnis (a) zu gewissen Folgen, als dasjenige Verhltnis (b) ist, welches dem Gegenstand an sich selbst, zu seinen Folgen beigelegt wird.
Auf der einen Seite haben wir also das Verhltnis des symbolisch vorgestellten Gegenstands zu ,gewissen‘ Folgen und auf der anderen Seite das Verhltnis, das einem Gegenstand ,an sich selbst zu seinen Folgen‘ beigelegt wird.266 Das Verhltnis (a) ist das gleiche Verhltnis wie das Verhltnis (b).267 Aus dieser Rekonstruktion und der Tatsache, dass im letzten Teil des zitierten Satzes von „Gegenstnden“ die Rede ist, erhellt, dass wir es im Verhltnis (a) mit einem anderen Gegenstand als im Verhltnis (b) zu tun
264 FM, 20: 280, 4 – 7. 265 Im Beispiel werden Produkte der Natur im Verhltnis auf ihre Ursache vorgestellt, wie man sich eine Uhr im Verhltnis auf ihren Urheber, den Menschen vorstellt. Die Ursache der Produkte der Natur wird also nach der Analogie eines Menschen und genauer: Uhrmachers vorgestellt. 266 Den Ausdruck „an sich selbst“ interpretiere ich hier adverbial. Es geht nicht um den Gegenstand an sich selbst, dem ein Verhltnis zu seinen Folgen beigelegt wird. Es geht darum, dass das Verhltnis dem Gegenstand auf eine An-sich-selbst-Weise beigelegt wird, was ein anderer Ausdruck dafr ist, dass wir durch die Erkenntnis dieses Verhltnisses den Gegenstand und seinen Begriff theoretisch bestimmen kçnnen. Genau das unterscheidet diesen Gegenstand von dem Gegenstand, den wir uns nur nach der Analogie vorstellen kçnnen. Wir kçnnen zwar auch in seinem Fall die Ursache-Wirkungs-Relation bestimmen. Aber wir kçnnen dem Gegenstand nur nach der Analogie die entsprechende Kausalitt zuschreiben. Der Gegensatz ist also der zwischen „einem Gegenstand ein Verhltnis an sich selbst beilegen“ und „einem Gegenstand ein Verhltnis nach der Analogie beilegen“. 267 Den Ausdruck „als“ verstehe ich hier komparativisch hinsichtlich der Gleichheit der Verhltnisse.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
haben.268 Der Gegenstand, dem das Verhltnis an sich selbst beigelegt wird, ist dabei der Gegenstand, der nicht symbolisiert wird. Der nach einer Analogie vorgestellte Gegenstand ist der zu symbolisierende Gegenstand. Fr beide Gegenstnde gilt, dass sie von ganz verschiedener Art sind. Mit Blick auf den ersten Absatz, wo davon die Rede war, dass bersinnliche Begriffe durch die Symbolisierung dargestellt werden, kann man annehmen, dass hier ein Vernunftbegriff symbolisch vorgestellt wird. Kants Definitionen von „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift lassen sich somit folgendermaßen zusammenfassen: Das Symbol eines Vernunftbegriffs ist eine Vorstellung des Vernunftbegriffs nach der Analogie. Diese Analogie besteht in der Gleichheit der Verhltnisse zwischen dem nach der Analogie vorgestellten Gegenstand des Vernunftbegriffs und seinen Folgen einerseits und einem anderen Gegenstand (einer sinnlichen Anschauung) und seinen Folgen andererseits. Das Verhltnis zwischen Grund und Folge ist in beiden Fllen gleich, obwohl die Gegenstnde selbst von verschiedener Art sind.
Der zweite Absatz schließt mit dem folgenden, insgesamt vierten Teilsatz: „nmlich das Verhltniß der Kausalitt berhaupt, als Kategorie, in beyden eben dasselbe, aber das Subject dieses Verhltnisses, nach seiner innern Beschaffenheit mir unbekannt bleibt, jenes also allein, diese aber gar nicht dargestellt werden kann.“.269
Es gibt mehrere Mçglichkeiten, wie dieser vierte Teilsatz an die anderen Teilstze anschließen kçnnte. Sinnvoll erscheint der Bezug entweder auf den unmittelbar vorhergehenden dritten Teilsatz mit dem Beispiel oder auf den zweiten Teilsatz, in dem die Analogie erlutert wird, weil Kant hier im vierten Teilsatz vom „Verhltnis der Kausalitt berhaupt“ spricht, das in beiden Verhltnissen dasselbe ist. Kant kontrastiert hier die Aussage, dass das Verhltnis der Kausalitt berhaupt als Kategorie in beiden Verhltnissen dasselbe ist, mit der Aussage, dass das Subjekt des Verhltnisses zwischen dem Gegenstand des Vernunftbegriffs und seinen Folgen nach seiner inneren Beschaffenheit unerkannt bleibt, so dass nur das Verhltnis und nicht die innere Beschaffenheit dargestellt werden kann.270 Damit unterstreicht Kant, dass der 268 Weil Kant hier jeweils von einem bestimmten Gegenstand spricht („des“, „dem“) kann der Eindruck entstehen, es handle sich dabei um denselben Gegenstand. 269 FM, 20: 280,10 – 13. 270 Das mit dem Ausdruck „dieses Verhltnis“ bezeichnete Verhltnis kann sachlich nur das Verhltnis des Gegenstands des Vernunftbegriffs zu seinen Folgen sein. Dass Kant sich darauf mit „dieses“ bezieht ist irritierend. Denn das Verhltnis, auf
1.8 „Symbol“ und „Analogie“ in der Preisschrift
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Gegenstand des Vernunftbegriffs kein Gegenstand ist, dem wir eine bestimmte Kausalitt ,an sich selbst‘ beilegen kçnnen. Seine innere Beschaffenheit bleibt undarstellbar. Lediglich das Verhltnis kann durch die Analogie dargestellt werden. An diesem vierten Teilsatz sind zwei Aussagen bemerkenswert: (1) Das Verhltnis der Kausalitt berhaupt bzw. als Kategorie ist in beiden Verhltnissen der Analogie dasselbe. (2) Nicht das Subjekt des Verhltnisses kann nach seiner inneren Beschaffenheit dargestellt werden, sondern nur das Verhltnis. Die Aussage (1) steht in einem gewissen Kontrast zur Interpretation des doppelten Geschfts der Urteilskraft in § 59. In Kapitel 1.4 habe ich behauptet, dass das identische Verhltnis gerade im Verhltnis der spezifischen Kausalitt besteht, welches den empirischen Begriff des einen Gegenstands und die Anwendung der Regel auf den ganz anderen Gegenstand voraussetzt. Es ist also von § 59 her nicht nur das Verhltnis der Kausalitt berhaupt, sondern auch das Verhltnis der spezifischen Kausalitt dasselbe Verhltnis. Die Aussage in der Preisschrift ist zwar richtig, geht aber hinsichtlich der Bestimmung der Analogie nicht weit genug. Wre nur die Kategorie der Kausalitt in beiden Verhltnissen dieselbe, htten wir das Problem, dass dann jede Ursache-Wirkungs-Relation zu jeder anderen Ursache-Wirkungs-Relation in Analogie gebracht werden kçnnte, so dass auch ein mechanisches Verhltnis von Ursache und Wirkung in Analogie zum Verhltnis von Produkten der Natur und der Ursache der Produkte der Natur stnde. Mit der Aussage (2) kann noch einmal der Unterschied zwischen der direkten und der indirekten Darstellung in der Preisschrift deutlich gemacht werden. Wenn die innere Beschaffenheit des Gegenstands des Vernunftbegriffs unerkannt bleibt und nicht dargestellt werden kann, sondern nur das Verhltnis zwischen diesem Gegenstand und seinen Folgen, wie kann man dann noch von einer indirekten Darstellung von Vernunftbegriffen sprechen? Die Lçsung fr dieses Problem ist, dass Kant in diesem vierten Teilsatz von [2] „darstellen“ in zwei Bedeutungen gebraucht. Die innere Beschaffenheit des Gegenstands der Idee kann nicht direkt dargestellt werden, weil dazu die korrespondierende Anschauung fehlt. Dargestellt werden kann nur das Verhltnis der Idee zur Welt, was nichts anderes ist als eine indirekte Darstellung der Idee in ihren Folgen.271 das „dieses“ grammatikalisch Bezug nehmen msste, wre das Verhltnis der Kausalitt berhaupt. 271 Was Kant mit der Darstellung eines Verhltnisses meint, erfahren wir an dieser Stelle nicht. Ich werde darauf in Kapitel 2.3.2 zurckkommen.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Dieser Gebrauch von „darstellen“ macht wiederum deutlich, dass Kant unter „darstellen“ hier in erster Linie „direkt darstellen“ versteht. Der Vergleich der Interpretation von KU, § 59 mit dem Abschnitt aus der Preisschrift hat somit keine grçßeren Differenzen zwischen beiden Texten hinsichtlich des Symbolbegriffs zu Tage gefçrdert. Auch in der Preisschrift ist der Status einer Vorstellung als Symbol abhngig von einer Analogie. Die Analogie wird wie in der KU als Proportionalittsanalogie beschrieben. Interessant sind jedoch die Differenzen im Detail. Kant bringt in der Preisschrift die Symbolisierung von Begriffen nicht ausdrcklich mit einer Ttigkeit der Urteilskraft und einer zweifachen Reflexion in Verbindung. Des Weiteren geht er mit keinem Wort auf die Vielfalt von Begriffen ein, die symbolisiert werden kçnnen. Er spricht von der Symbolisierung von Begriffen nur hinsichtlich der Begriffe des bersinnlichen, bringt mit der Ursache der Produkte der Natur ein Beispiel fr eine Symbolisierung von Begriffen, das klar auf einen solchen Begriff bezogen ist, und spricht auch im dritten Absatz vom „bersinnlichen‘ bzw. ,Gott“, von dem auf die Art und Weise der Symbolisierung eine Erkenntnis nach der Analogie mçglich ist.272 Aus der Tatsache, dass Kant hier nur von dieser Begriffsart im Zusammenhang mit Symbolisierung spricht, kann man allerdings nicht schließen, dass nicht auch andere Begriffsarten als Vernunftbegriffe symbolisiert werden kçnnen.273 Bemerkenswert an diesem Abschnitt aus der Preisschrift ist schließlich, dass Kant hervorhebt, dass es sich bei der Symbolisierung von bersinn272 Allerdings beginnt Kant den dritten Absatz mit der Formulierung „Auf diese Art kann ich vom bersinnlichen, z. B. von Gott, etc.“. Warum sollte Kant den Text mit dieser Formulierung beginnen, wenn doch vçllig klar ist, dass die Symbolisierung ausschließlich ein Verfahren ist, das bei Begriffen des bersinnlichen zur Anwendung kommt? Die Formulierung kann so verstanden werden, dass Kant eigentlich davon ausgeht, dass verschiedene Begriffsarten symbolisiert werden kçnnen, dass er jedoch betont, dass auf diese Art auch bersinnliche Begriffe symbolisiert werden kçnnen. Die Formulierung kann aber auch anders interpretiert werden: Er nennt die bersinnlichen Begriffe deswegen noch einmal, weil wir eben mittels der Symbolisierung eine Erkenntnis nach der Analogie von diesen Begriffen haben. Diese Aussage wrde an den letzten Satz des ersten Absatzes anknpfen, wo es hieß, dass bersinnliche Begriffe notwendig zu einer praktischen Erkenntnis gehçren. Letztere Interpretation ist plausibler, hat aber zur Konsequenz, dass Kant in diesem Abschnitt aus der Preisschrift nur von bersinnlichen Begriffen spricht, die symbolisiert werden kçnnen. 273 Gerade die Tatsache, dass Kant von der Symbolisierung als Nothilfe bei bersinnlichen Begriffen spricht, kçnnte man so auslegen, dass eben im Fall der bersinnlichen Begriffe das Verfahren der Symbolisierung eine Nothilfe ist – whrend in anderen Fllen die Symbolisierung von Begriffen keine Nothilfe ist.
1.9 Zusammenfassung des ersten Teils
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lichen Begriffen um eine Nothilfe handelt, und dass er durch seinen Gebrauch von „Darstellung“ oder „darstellen“ implizit anzeigt, dass die indirekte Darstellung keine gewçhnliche Art der Darstellung ist. Die indirekte Darstellung leistet jedenfalls nicht das, was die direkte Darstellung zu leisten vermag. Was es genau mit der Nothilfe fr notwendig anzunehmende bersinnliche Begriffe auf sich hat, werde ich genauer im zweiten Teil der Arbeit in Kapitel 2.3.2 untersuchen, wo dann auch der dritte Absatz dieses Abschnitts aus der Preisschrift interpretiert wird. 1.8.1 Zusammenfassung Als Ergnzungen und Differenzierungen zur Interpretation von KU, § 59 lsst sich aus der Interpretation der Preisschrift Folgendes festhalten: 1. Wenn Kant von „indirekter Darstellung von Begriffen“ spricht, ist damit eine Darstellung von Begriffen ,in‘ ihren ,Folgen‘ oder Wirkungen gemeint, also eine Darstellung, die ihren Ausgang von den Wirkungen nimmt. Wir kçnnen im Fall der indirekten Darstellung nicht die innere Beschaffenheit der Begriffe, sondern im Ausgang von den Wirkungen lediglich das Verhltnis darstellen, in dem die Begriffe zu etwas stehen. 2. Symbole sind lediglich Mittel oder eine ,Nothilfe‘, um den Begriffen, denen sie ,dienen‘ sollen, Bedeutung zu verschaffen bzw. eine praktische Erkenntnis mçglich zu machen. 3. In der Preisschrift ist die Rede davon, dass die beiden Verhltnisse der Analogie in der Kategorie der Kausalitt bereinstimmen. Diese Aussage steht in einer gewissen Spannung zu KU, § 59. In meiner Interpretation von KU, § 59 habe ich die spezifische Kausalitt von Gegenstnden als identisch angenommen. Allerdings ist durch diesen Bezug auf die Analogie als Identitt zwischen zwei Ursache-Wirkungs-Relationen in der Preisschrift die These besttigt, dass die Analogie, um die es im doppelten Geschft der Urteilskraft geht, eine solche Proportionalittsanalogie ist.
1.9 Zusammenfassung des ersten Teils Die Interpretation von KU, § 59 und der in diesem Text vorkommenden Begriffen „Symbol“ und „Analogie“ bildet die Grundlage fr den Fortgang der Untersuchung. Deswegen sollen in diesem Abschnitt die wichtigsten Ergebnisse der Interpretation von KU, § 59 sowie der hinzugezogenen Textstellen ausfhrlich zusammengefasst werden.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
1. Kants Symboltheorie, wie er sie in KU, § 59 entwickelt, steht im Kontext des Problems, dass nicht allen Begriffsarten in gleicher Weise objektive Realitt bzw. Gegenstandsbezug zukommt (siehe dazu Kapitel 1.3). Als Aussage dazu habe ich formuliert: Um die objektive Realitt eines Begriffs zum Zweck der theoretischen Erkenntnis des Gegenstands dieses Begriffs zu beweisen, ist es notwendig und hinreichend, dass dem Begriff Anschauungen auf angemessene Weise gegeben werden.
Kant hebt dabei die Vernunftbegriffe bzw. Ideen hervor. Fr sie gilt, dass ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann, so dass es unmçglich ist, ihre objektive Realitt zum Zweck ihrer theoretischen Erkenntnis aufzuweisen. 2. Kants Symbolbegriff ist aufs Engste mit der Rede vom doppelten Geschft der Urteilskraft und dem Analogiebegriff verbunden, wie in Kapitel 1.4 deutlich wurde. In der Interpretation wurde das Beispiel der Symbolisierung des despotischen Staats durch eine Handmhle auf die theoretisch-abstrakten Formulierungen der beiden Schritte des doppelten Geschfts der Urteilskraft angewendet. Dadurch hat sich folgende Rekonstruktion der beiden Schritte ergeben: DG1: Der empirische Begriff der sinnlichen Anschauung bzw. der spezifischen Kausalitt der Handmhle wird auf die Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) angewendet. Wir schreiben der Handmhle (als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung) eine spezifische Kausalitt zu. DG2 : Die bloße Regel der Reflexion ber die Anschauung der Handmhle bzw. die spezifische Kausalitt der Handmhle wird auf den despotischen Staat angewendet, i. e. die Reflexion ber die Handmhle wird auf den Begriff des despotischen Staats bertragen, wobei gilt: Der Gegenstand Handmhle ist nur das Symbol des Gegenstands despotischer Staat. Auf diese Weise wird der Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats indirekt dargestellt.
Ergebnis dieses doppelten Geschfts der Urteilskraft ist ein Symbol, das eine indirekte Darstellung eines Begriffs enthlt. Im konkreten Fall enthlt das Symbol der Handmhle eine indirekte Darstellung des Begriffs der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats. Im Kapitel 1.5 wurde gezeigt, dass die Ausdrcke „indirekte Darstellung eines Begriffs“ und „symbolische Hypotypose eines Begriffs“ dasselbe bedeuten. Mit ihnen ist jeweils das beschrieben, was die Anschauungen enthalten, die im doppelten Geschft den Begriffen unterlegt werden. Außerdem enthalten bestimmte sprachliche Ausdrcke aufgrund des Vorgangs der Symbolisierung ein Symbol fr die im doppelten Geschft
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der Urteilskraft geleistete Reflexion. Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt ein ,Symbol fr die Reflexion‘ ber die Kausalitt des despotischen Staats, sofern das Ergebnis des doppelten Geschfts der Urteilskraft ist, dass die Anschauung einer Handmhle den empirischen Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats indirekt darstellt. Symbolische sprachliche Ausdrcke enthalten somit symbolische Hypotyposen oder indirekte Darstellungen von Begriffen. 3. Mit der Interpretation eines Textstcks aus KU, § 90 habe ich in Kapitel 1.2 versucht, die Bedeutung von „Analogie“ zu klren, zu der Kant in § 59 nichts Nheres sagt. „Analogie“ wurde folgendermaßen definiert: Eine Analogie besteht in der (qualitativen) Identitt eines Verhltnisses von U (rsache)1 zu einer W(irkung)1 mit einem Verhltnis U(rsache)2 zu einer W (irkung)2.
Auch die Preisschrift besttigt, dass Kant im Kontext seiner Symboltheorie eine Proportionalittsanalogie im Sinn hat, wenn er von „Analogie“ spricht. Bedingung fr die Feststellung, dass eine solche Analogie zwischen zwei Verhltnissen vorliegt, ist die hnlichkeit der Wirkungen: Notwendige und hinreichende Bedingung fr die Feststellung, dass eine Analogie zwischen den Verhltnissen U1 : W1 und U2 : W2 besteht, ist, dass die jeweiligen Wirkungen W1 und W2 einander hnlich sind.
Des Weiteren ist hervorzuheben, dass Kant zwischen einem Analogieschluss und einem Denken nach der Analogie unterscheidet. Ein Analogieschluss ist nur dann zulssig, wenn U1 und U2 zu derselben Gattung gehçren. Das wiederum setzt voraus, dass U1 und U2 einige Eigenschaften gemeinsam haben, auf deren Grundlage beide zu derselben Gattung gehçren. Somit ist jeweils nach der gattungsmßigen Rcksicht zu unterscheiden, in der ein Analogieschluss gezogen werden soll. Unter der Rcksicht, dass Menschen und Tiere Weltwesen sind, kann man auch den Tieren mit einem Analogieschluss zusprechen, dass sie nach Vorstellungen handeln. Unter der Rcksicht, dass Menschen und Tiere Vernunftwesen sind, kann man sich nur nach der Analogie denken, dass Tiere so etwas wie Vernunft haben, das wir aber eigentlich „Instinkt“ nennen. Bei der Analogie von Gott und Mensch ist es nur mçglich, Gott nach der Analogie eines Verstandes zu denken, weil wir mit Gott nur den Gattungsbegriff eines Dings berhaupt gemeinsam haben. Deswegen kann ihm die Eigenschaft des Verstandes nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung, wie wir sie beim Menschen kennen, zugesprochen werden. 4. Ein wichtiges Ergebnis dieses ersten Teils ist, dass nach § 59 jede Symbolisierung eines Begriffs eine Analogie zur Voraussetzung hat. Jede
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Analogie hat sozusagen das Zeug zu einer Symbolisierung von Begriffen. Wenn ich den Begriff der spezifischen Kausalitt eines Gegenstands analogisch denke, dann kann ich diesen Begriff auch mittels einer in der Analogie involvierten Anschauung symbolisch darstellen. Ich muss von dieser Mçglichkeit aber keinen Gebrauch machen. Fr das Beispiel der Symbolisierung des despotischen Staats habe ich diese Analogie so rekonstruiert: Ursache1 (Handmhle) : Wirkung1 (zermahlene Kaffeebohnen) = Ursache2 (despotischer Staat) : Wirkung2 (unterdrckte Untertanen)
Die Analogie bildet die Grundlage dafr, dass eine Anschauung zum Symbol eines Begriffs werden kann. Das Verhltnis der Analogie zum doppelten Geschft der Urteilskraft habe ich in Kapitel 1.6 so interpretiert, dass das doppelte Geschft und somit die Reflexion ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und die Anwendung der Regel der Reflexion auf den anderen Gegenstand Bestandteile der Analogie sind. Der erste Schritt bzw. die Reflexion ber den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung entspricht der Feststellung der Ursache-Wirkungs-Relation bzw. des empirischen Begriffs eines der beiden Verhltnisse der Analogie. Die Anwendung der Regel der Reflexion auf den ganz anderen Gegenstand bzw. der zweite Schritt ergibt sich aus der hnlichkeit der Wirkungen der beiden Verhltnisse: Wir kçnnen auf dieser Grundlage urteilen, dass bei beiden Gegenstnden dieselbe Regel gilt, ber sie und ihre Kausalitt zu reflektieren. 5. Als Definition von „Symbol“ habe ich formuliert: Ein Symbol ist eine Anschauung, die auf der Grundlage einer Analogie durch das doppelte Geschft der Urteilskraft einem Begriff unterlegt wird, wobei die unterlegte Anschauung dem Begriff nicht korrespondiert bzw. ihm nicht angemessen ist. Durch dieses Unterlegen stellt diese Anschauung den Begriff auf indirekte Weise dar.
Trger von Symbolen sind sprachliche Ausdrcke. Dass Ausdrcke Symbole enthalten, kann gezeigt werden, indem der Vorgang der Symbolisierung (das doppelte Geschft der Urteilskraft inklusive der zugrundeliegenden Analogie), durch den die Anschauung ihre neue Bezugnahme bekommt, rekonstruiert wird. Entscheidend an den Anschauungen, die Symbole sind, ist, dass sie durch das doppelte Geschft der Urteilskraft einen neuen Gegenstandsbezug bekommen, der jedoch so beschaffen ist, dass sie dem symbolisierten Begriff nicht korrespondieren oder ihn direkt darstellen, sondern ihn nur indirekt darstellen. Die Anschauung einer Handmhle sieht gewisserma-
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ßen dadurch, dass sie Symbol eines despotischen Staats ist, nicht anders aus. Sie verweist zunchst auf den Gegenstand der Handmhle; indem sie durch die Symbolisierung dem Begriff des despotischen Staats unterlegt wurde, verweist sie jedoch auch auf den Gegenstand des despotischen Staats. Auch ein Blick in die Preisschrift hat diese Definition von „Symbol“ besttigt. Die Preisschrift hebt hervor, dass Symbole Mittel oder ,Nothilfen‘ sind, um den Begriffen Bedeutung zu verschaffen. Symbole haben also keinen intrinsischen Wert, sondern lediglich eine dienende Funktion. 6. Besonders wichtig fr den zweiten Teil der Arbeit sind die in Kapitel 1.7 diskutierten Fragen, was genau eigentlich symbolisiert werden kann und welche Funktion Symbole haben kçnnen. Letztere Frage stand v. a. deswegen im Raum, weil Kant gleich zu Beginn des § 59 sagt, dass es unmçglich ist, die objektive Realitt von Vernunftbegriffen in theoretischer Rcksicht aufzuweisen, und er im Anschluss an diese These dann den Begriff der symbolischen Hypotypose mit Blick auf die Vernunftbegriffe einfhrt. Zur Frage danach, was symbolisiert werden kann, habe ich folgende These aufgestellt: Prinzipiell kçnnen alle Begriffsarten (empirische Begriffe, Verstandesbegriffe, Vernunftbegriffe) symbolisiert werden. Die Symbolisierung ist unabhngig davon, ob dem zu symbolisierenden Begriff auch Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen oder nicht.
An dieser These ist zunchst wichtig, dass es fr Kant keine allgemeinen Symbole fr Gegenstnde gibt, sondern dass Symbole immer Gegenstnde unter einer bestimmten Rcksicht symbolisieren, was nichts anderes heißt, als dass Symbole Begriffe indirekt darstellen. So symbolisiert die Handmhle nicht den despotischen Staat an sich, sondern stellt seine spezifische Kausalitt indirekt dar. Des Weiteren zeigen nicht zuletzt die Beispiele fr Symbole oder symbolisierte Begriffe, die Kant in § 59 anfhrt, dass prinzipiell alle Arten von Begriffen symbolisiert werden kçnnen. Kant selber spricht im vierten Absatz davon, dass unsere Sprache voller solcher indirekter Darstellungen nach einer Analogie sei. Die symbolische Hypotypose ist also nicht exklusiv auf die Vernunftbegriffe beschrnkt. Darber hinaus ist es fr die Mçglichkeit der Symbolisierung auch nicht wichtig, ob dem zu symbolisierenden Begriff Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen oder nicht. Was die Beispiele aus § 59 betrifft, ist klar, dass ihnen keine Anschauungen wie im Fall von empirischen Begriffen direkt korrespondieren kçnnen. Allerdings zeigt die Einschrnkung in § 59
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
[4.7], dass den zu symbolisierendem Begriff ,vielleicht nie‘ eine Anschauung direkt korrespondieren kann, dass wir nicht behaupten kçnnen, es handle sich um eine notwendige Bedingung fr die Symbolisierung eines Begriffs, dass ihm keine Anschauung direkt korrespondieren kann. Warum sollte man auch die Symbolisierung von Begriffen auf diese Art und Weise einschrnken? Es spricht nichts dagegen, auch solche Begriffe zu symbolisieren, denen Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen, die also empirische Begriffe sind – gerade wenn es eine Aufgabe von Symbolen ist, den entsprechenden Begriffe auf eine lebendige Weise darzustellen. Man kçnnte also zumindest sagen, dass es der Regelfall einer Symbolisierung ist, dass den symbolisierten Begriffen keine Anschauungen direkt korrespondieren kçnnen. Allerdings kçnnte es sein, dass die Symbolisierung im Fall der Vernunftbegriffe eine besondere Funktion hat. In der Preisschrift war von einer ,Nothilfe‘ fr Begriffe des bersinnlichen die Rede. Zur Frage nach der Funktion des Symbols habe ich festgehalten: Symbole als indirekte Darstellungen von Begriffen dienen nicht dazu, die objektive Realitt der dargestellten Begriffe in theoretischer Absicht aufzuweisen. Fr Begriffe wie den der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats sowie die Verstandesbegriffe kann man sagen, dass Symbole in ihrem Fall die Funktion haben, den jeweiligen Begriff auf unkomplizierte und lebendige Weise anschaulich zu machen.
Aus den bisherigen Textinterpretationen wurde deutlich, dass es nicht Aufgabe der indirekten Darstellung von Begriffen sein kann, deren objektive Realitt in theoretischer Absicht aufzuweisen. Auch fr die Vernunftbegriffe scheidet die Mçglichkeit aus, dass ihr Mangel, dass ihnen keine sinnliche Anschauung angemessen gegeben werden kann, durch ein Symbol kompensiert werden kçnnte. Wozu dienen Symbole dann? Fr das Beispiel der Symbolisierung der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats durch eine Handmhle lsst sich vermuten, dass durch die Symbolisierung der entsprechende Begriff auf eine lebendige Weise dargestellt wird. Das Symbol spricht die Sinnlichkeit des Menschen an. Es fungiert als ,Symbol fr die Reflexion‘, wie es in § 59 [4.7] hieß, fasst also in sich den abstrakten Vorgang der Analogie zusammen. Derjenige, der ein Symbol verstehen will, kann selbstndig ausgehend von der unterlegten Anschauung die zugrundeliegende Analogie rekonstruieren. Symbole beleben damit unsere sprachlichen Ausdruckmçglichkeiten. Sie fgen der Analogie keine neue Erkenntnis hinzu, sondern bringen zum Ausdruck, was durch eine Analogie von einem Gegenstand gedacht werden kann.
1.10 Themen der Sekundrliteratur
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Was die Vernunftbegriffe betrifft, konnte bisher noch keine positive Aussage darber getroffen werden, wozu Symbole in ihrem Fall dienen kçnnten. Es ist durchaus mçglich, dass es auch in ihrem Fall lediglich um eine lebendige Darstellung des Begriffs geht. Um das zu untersuchen, ist es u. a. nçtig, den Satz [4.8] und damit die Aussage, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, genauer zu interpretieren. Genau damit wird der zweite Teil der Arbeit beginnen.
1.10 Themen der Sekundrliteratur 1.10.1 Symbol und Perspektivitt Die Frage, inwiefern das Verfahren der Symbolisierung bei Kant ein rein individuell-perspektivisches Verfahren ist, wird von Petra Bahr aufgeworfen. Bahr interpretiert den symbolischen Darstellungsvollzug als einen reflexiven Bildgebungsprozess, in den als Urteilsform ein Moment der Interpretativitt und der Perspektivitt eingezeichnet sei.274 Im Akt des Deutens symbolisiere sich die Idee der Freiheit in der interpretativen Aneignung der Welt. Somit seien Symbole in ihrer Geltungskraft abhngig vom Akt des Symbolisierens am Ort der reflektierenden Urteilskraft bzw. vom Symbolisierenden und seinem Standpunkt.275 Diese Perspektivitt sieht sie in Kants Beschreibung des doppelten Geschfts der Urteilskraft in KU, § 59 [4] bzw. KU, 5: 352,8 – 25 ausgedrckt: „Das Symbol erfllt sich daher nicht in der Anschauung selbst, sondern in der Reflexion auf dieses Verhltnis, das als bergang transparent bleibt. In jenem bergang baut sich das hnlichkeitsverhltnis nmlich allererst auf. Wenn die symbolische Bedeutung eines so entstandenen Bildes vor allem auf der Reflexion beruht, die in diesem Bild vergegenwrtigt wird, dann ist sie nicht von ostentativer, auf das Objekt hinweisender Art, vielmehr zeigt sie invertierenden Charakter und weist auf das Subjekt zurck, der die symbolische Verbindung hergestellt hat.“276
Legt man KU, § 59 hier zugrunde, ist nicht klar zu erkennen, warum das Symbol nach Bahr auf dasjenige Subjekt zurckverweisen soll, das ,die symbolische Verbindung hergestellt hat‘. Die Verwendung von „Subjekt“ bei Bahr ist vielmehr sehr irritierend: Meint Bahr damit ein Subjekt im 274 Vgl. Bahr 2004b, 272. 275 Vgl. Bahr 2004b, 284. 276 Bahr 2004b, 280.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Sinne einer Entitt mit einer bestimmten mentalen Ausstattung wie Verstand etc., die als Typ in verschiedenen Token vorkommen kann, oder ist eher eine individuelle, geschichtliche, konkrete Entitt und somit ein Token eines Typs gemeint? Ich wrde gegen die Unklarheit dessen, was Bahr hier unter „Subjekt“ versteht, die in meiner Interpretation stark gemachte Verbindung des Symbolbegriffs mit der Analogie betonen, wonach das Symbol den komplexen Vorgang des doppelten Geschfts der Urteilskraft und der dort impliziten Analogie anschaulich zusammenfasst. Das wiederum heißt, dass das Symbol weder auf ein Objekt noch auf eine konkrete Entitt, sondern auf einen kognitiven Vorgang und somit eher auf ein Subjekt im Sinne eines Typs verweist. Auch wenn das konkrete Subjekt, das z. B. die Symbolisierung der Kausalitt des despotischen Staats durch eine Handmhle vorgenommen hat, diesen kognitiven Vorgang fr sich behlt und diese Symbolisierung somit subjektiv – im Sinne von „individuell-geschichtlich“ – bleibt, ist der kognitive Vorgang eben nichts Subjektives in dem Sinne, dass die Symbolisierung nur von diesem Subjekt vorgenommen werden kçnnte. Denn zur Reflexion auf die Kausalitt eines despotischen Staats ist nach Kant jedes Vernunftwesen prinzipiell fhig. Wenn man somit von einer Perspektivitt hinsichtlich des Kant’schen Symbolbegriffs sprechen mçchte, muss gleichzeitig transparent sein, dass damit die Perspektivitt von menschlicher Subjektivitt im Allgemeinen bzw. als Typ gemeint ist. 1.10.2 Der Kant’sche Symbolbegriff als „Metapher“ und das Ausblenden der Bedeutung der Analogie fr Kants Symboltheorie Zwei Seiten aus einem wichtigen Werk von Hans Blumenberg verdienen eine eigene Untersuchung. Auf den Seiten 10 und 11 der Einleitung zu seinen Paradigmen zu einer Metaphorologie (1960) schreibt Blumenberg, dass der mit Kant vertraute Leser sich an den § 59 der KU erinnert findet, wenn Blumenberg auf den vorhergehenden Seiten den Begriff der „absoluten Metapher“ einfhrt.277 So kurz und knapp diese Bemerkung Blumenbergs ist, so hufig taucht sie in der Sekundrliteratur zu KU, § 59 auf und hat ihre eigene Rezeptionsgeschichte erfahren, was damit zusammenhngt, dass die Paradigmen die erste wichtige Schrift Blumenbergs zum Begriff der Metapher und der Metaphorologie darstellt.278 277 Vgl. im Folgenden Blumenberg 1960, 10 – 11. 278 Vgl. z. B. Recki 2008, 197.
1.10 Themen der Sekundrliteratur
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Unter „Metaphern“ versteht Blumenberg sprachliche Ausdrcke mit einer bertragenen Bedeutung. In diesem Sinne ist z. B. der in einem bestimmten Kontext verwendete Ausdruck „Licht“ eine Metapher fr die Wahrheit. Eine „absolute Metapher“ ist ein sprachlicher Ausdruck, der einen semantischen Gehalt hat, der sich der Ausdruckskraft einer begrifflich-objektivierenden Sprache entziehen. Es gibt fr Blumenberg somit eine Dimension des unbegrifflich Metaphorischen, die von bestimmten sprachlichen Ausdrcken aufgerufen wird, wobei sich diese Ausdrcke nicht in eine begrifflich-objektivierende Sprache bersetzen lassen.279 Blumenberg gibt im Rahmen seiner kurzen Hinweise auf § 59 zwar zu, dass der Ausdruck „Metapher“ bei Kant nicht vorkommt. Er findet seine Definition von „absoluter Metapher“ jedoch in folgendem Satzteil aus § 59 wieder: „bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen ganz anderen Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“280 An dieser Gleichsetzung ist zunchst irritierend, dass Kant mit dem Satzteil nicht den symbolischen Ausdruck selbst bezeichnet, sondern das Verfahren der Symbolisierung, das einen symbolischen Ausdruck zum Ergebnis hat. Diese Verwechslung von Verfahren und Ergebnis des doppelten Geschfts der Urteilskraft erklrt sich allerdings aus dem offensichtlichen Interesse von Blumenberg, Kants Rede von einer „bertragung der Reflexion“ hervorzuheben, weil sich dieser Ausdruck gut an seine Auffassung von absoluten Metaphern anschließt: „Dann aber kçnnen Metaphern, zunchst rein hypothetisch, auch Grundbestnde der philosophischen Sprache sein, ,bertragungen‘, die sich nicht ins Eigentliche, in die Logizitt zurckholen lassen.“281
Es ist mit Sicherheit richtig, dass symbolische Vorstellungen Kant zufolge eine eigenstndige, epistemologische Rolle spielen.282 Problematisch ist allerdings, dass Blumenberg in diesen wenigen Stzen zu § 59 den Kant’schen Text zitiert oder paraphrasiert, ohne ihn genauer zu interpretieren, was mit Sicherheit das Verhltnis des Kant’schen Symbol- zu seinem 279 Das ist der Grund, warum Blumenberg von einer „absoluten“ Metapher spricht. Vgl. dazu auch Wetz 1993, 17 – 22. 280 Blumenberg 1960, 10. 281 Blumenberg 1960, 9. 282 In der Sekundrliteratur wird Blumenbergs Metapherntheorie auch als „Epistemologietheorie der Metapher“ bezeichnet. Vgl. dazu Rolf 2005, 243 – 258.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Blumenberg’schen Metaphernbegriff weiter erhellt htte.283 Denn so wie Blumenberg hier mit dem Kant’schen Text umgeht, ist die Gleichsetzung seines Metaphernbegriffs mit dem Kant’schen Symbolbegriff willkrlich. Der Text aus § 59 scheint Blumenberg eher zu eigenen Gedanken inspiriert als zu einer wirklichen Anstrengung der Interpretation motiviert zu haben. Dafr mag auch der letzte Satz der hier entscheidenden Passage bei Blumenberg stehen: „Im Anschluss […] steht der Satz, der zu den hier vorzulegenden Untersuchungen den ersten Anstoß gegeben hat: „Dies Geschft ist bis jetzt noch wenig auseinander gesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient…“.284
Als eine ernsthafte Interpretation des Kant’schen Textes sind die Seiten aus Blumenbergs Paradigmen zu einer Metaphorologie also kaum anzusehen. Allerdings lsst sich die berechtigte Frage stellen, ob Blumenbergs Intuition zutreffend ist, dass sich bei Kant und insbesondere in KU, § 59 sein Konzept der absoluten Metapher findet. Da eine umfassende und genaue Interpretation des Blumenberg’schen Metaphernbegriffs hier nicht mçglich ist, werde ich lediglich auf einen Punkt abheben, an dem jedoch deutlich wird, dass Blumenbergs Begriff der absoluten Metapher kein philosophiegeschichtlicher Doppelgnger von Kants Symbolbegriff ist.285 Wenn Blumenberg mit seiner These Recht htte, msste auch der Kant’sche Symbolbegriff in eine „begreifend-begrifflich nicht erfllbare Lcke und Leerstelle“ einspringen.286 Wenn Blumenberg von „absoluter Metapher“ spricht, dann drckt er damit eine strikte Trennung zwischen Logos und „Phantasie“ bzw. zwischen Begriffen und Metaphern als irre283 Wenn Blumenberg den Text interpretiert, sind diese Interpretationen zum Teil nicht sehr exakt. So interpretiert er KU, 5: 352,10 – 16 so, dass man an der Metapher als Modell in pragmatischer Funktion eine „Regel der Reflexion“ gewinnen soll, die sich im Gebrauch der Vernunftidee „anwenden“ lsst. Vgl. Blumenberg 1960, 10. Der Kant‘sche Text sagt allerdings etwas anderes aus. Wir gewinnen nicht am Symbol eine Regel der Reflexion, die wir im Gebrauch der Vernunftidee anwenden. Vielmehr gewinnen wir die Regel der Reflexion an einem Gegenstand der sinnlichen Anschauung. Und wir wenden diese Regel der Reflexion auf den Gegenstand an, dessen Begriff wir symbolisch darstellen wollen; wir wenden sie nicht im Gebrauch der Vernunftidee an. 284 Blumenberg 1960, 11. 285 Es geht im Folgenden also nicht darum, Blumenbergs Theorie einer systematischen Kritik zu unterziehen, sondern lediglich darum, seine Rekrutierung von KU, § 59 als philosophiegeschichtliche Autoritt fr seinen Metaphernbegriff in Frage zu stellen. 286 Blumenberg 1960, 131.
1.10 Themen der Sekundrliteratur
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duziblen, unbegrifflichen Grundbestnden der Sprache aus. Genau diese strikte Trennung findet sich in Kants Symbolbegriff nicht wieder – und zwar dank der Analogie, welche die Grundlage symbolischer Vorstellungen ist.287 Symbole sind zwar Anschauungen und somit etwas Nicht-Begriffliches, das Begriffen unterlegt wird. Weil diese Anschauungen aber auf der Grundlage einer Analogie einem Begriff unterlegt werden, sind sie als Anschauungen, die einen Begriff indirekt darstellen, an einen begrifflichlogischen Vorgang gekoppelt. Die Pointe in KU, § 59 ist ja gerade die, dass wir durch eine Rekonstruktion der zugrunde liegenden Analogie bzw. des doppelten Geschfts der Urteilskraft die symbolische Darstellung der Kausalitt eines despotischen Staats durch eine Handmhle verstehen kçnnen. Deswegen spricht Kant in § 59 auch davon, dass ein Ausdruck, der etwas indirekt nach einer Analogie darstellt, ein „Symbol fr die Reflexion enthlt“.288 Das Symbol ersetzt die Analogie nicht, sondern ist Ergebnis einer Analogie und somit eines begrifflich-logischen Vorgangs.289 Deswegen ist § 59 als Beleg fr die strikte Trennung von Phantasie und Logos ungeeignet. Ein Grund fr diese Fehlinterpretation mag nicht zuletzt darin liegen, dass Blumenberg den Analogiebegriff in seiner Bedeutung fr den Kant’schen Symbolbegriff vçllig bergeht.290 287 Blumenberg selbst unterscheidet zwischen „Phantasie“ und „Logos“. Vgl. Blumenberg 1960, 10. 288 KU, 5: 352,27 – 28. Diese Aussage habe ich so interpretiert, dass eine symbolische Vorstellung eines Begriffs fr die im doppelten Geschft der Urteilskraft geleistete zweifache Reflexion steht. Das Symbol fasst diesen Vorgang in sich zusammen. Vgl. dazu auch Kapitel 1.4.7. 289 Auch Gasch, der Symbole als „transcendental figure“ bezeichnet und den Zusammenhang von Analogie und Symbol betont, wrde sich an dieser Stelle wohl gegen Blumenberg wenden. Vgl. Gasch 2003, 215. Ebenso kritisiert Ziche u. a. auf der Grundlage seiner Interpretation von KU, § 59 Blumenbergs Auffassung und stellt dagegen, dass Metaphern zum Prozess der begrifflichen Durchdringung eines Gegenstands gehçren. Vgl. Ziche 2005, 406. 290 Nicht nur bei Blumenberg, sondern auch bei anderen Autoren finden wir genau diese Bedeutung der Analogie fr das Verstndnis des Kantischen Symbolbegriffs nur am Rande behandelt. So betont Recki zwar den Zusammenhang zwischen Analogie und Symbol und interpretiert die Aussage, das Schçne sei das Symbol des Sittlich-Guten, im Sinne einer Analogie des sthetischen mit dem moralischen Urteil. Vgl. Recki 2001, 162 – 170. So berzeugend ihre Analyse der besagten Aussage zunchst ist, so unklar bleibt doch erstens die genaue Bedeutung von „Analogie“ in § 59 und zweitens das genaue Verhltnis von Analogie und Symbol. Auch in ihrem Beitrag zu einem Kommentar der KU findet sich mehrfach der Hinweis, dass die hnlichkeitsbeziehung, die ein Symbol indiziere, analogisch sei. Was jedoch genau eine analogische hnlichkeitsbeziehung sein soll, erfhrt der
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
Eine differenzierte, sprachphilosophisch reflektierte Auseinandersetzung mit dem Metaphernbegriff in der Philosophie hat Paul Ziche vorgelegt, wobei er sich in seinen berlegungen zu großen Teilen auf KU, § 59 sttzt. Fr ihn ist es legitim, Kants Rede von indirekten symbolischen Darstellungen als Rede von Metaphern zu deuten, sofern Kant in § 59 auf das Repertoire traditioneller Rhetorik und Stilkunde zurckgreift und dabei eine bestimmte Art figurativer Rede im Blick hat: die der bertragenen oder indirekten Rede.291 Leider fehlt aber auch bei Ziche eine Untersuchung des Zusammenhangs des Symbolbegriffs mit dem Verfahren der Analogie. Das mag seine Ursache u. a. darin haben, dass Ziche seine Studie v. a. auf die Stze [4.6.] und [4.7] konzentriert und sich somit mit den symbolischen Ausdrcken „Grund“, „Substanz“ etc. beschftigt, ohne auf das ,doppelte Geschft‘ und das Beispiel des despotischen Staats einzugehen. Umso interessanter sind die Ergebnisse seiner berlegungen zur Funktion von Metaphern. Das erste Ergebnis formuliert Ziche folgendermaßen: Metaphern dienen in der Philosophie dazu, relationale Bestimmungen zu veranschaulichen.292 In Kant’scher Sprache kann man vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieses ersten Teils in gleicher Weise sagen: Symbole veranschaulichen (Proportionalitts-)Analogien, sofern Analogien Relationen zwischen zwei Relationen herstellen. Als weiteres Ergebnis hlt Ziche fest, dass Metaphern in philosophischen Texten im Wesentlichen eine abstrahierende Funktion bernehmen. Das metaphorisch Bezeichnete werde nicht in den Anschauungsbereich der Metapher aufgenommen, sondern in der gemeinsamen Betrachtung von Metapher und dem metaphorisch Bezeichneten erçffne sich ein neuer, nicht mehr einfach konkret-anschaulicher Horizont. Ziche verortet die Metapher in philosophischen Kontexten zwischen strikter Logik und Anschaulichkeit. Metaphern haben Anteil an beiden Bereichen und kçnnen zwischen beiden Leser nicht. Vgl. Recki 2008, 196. Es gibt jedoch andere Autoren, die den Begriff der Analogie als grundlegend fr Kants Symboltheorie einschtzen. Vgl. Despland 1973, 148 – 153; Dçrflinger 2004b, 167; Gadamer 1972, 70 – 71; Gasch 2003, 211 – 213; Kang 1985, 148; Pringe 2007, 23; Wenzel 2005, 117. 291 Vgl. Ziche 2005, 398. Ziche grenzt dabei auch die Metapher von anderen Arten figurativer Rede ab. Irritierend ist dabei allerdings, dass Ziche den Metaphernbegriff u. a. vom Begriff des Symbols abgrenzt. Damit kann er allerdings nicht den Kant‘schen Symbolbegriff meinen; denn der Kant‘sche Symbolbegriff soll ja gerade als ein Begriff der Metapher interpretiert werden. 292 Vgl. Ziche 2005, 401 – 404.
1.10 Themen der Sekundrliteratur
209
vermitteln.293 Auch dieses zweite Ergebnis der berlegungen Ziches lsst sich mit einem Hinweis auf die Bedeutung der Analogie fr die Symbolisierung von Begriffen verstrken. Symbole fassen den abstrakten Vorgang einer Analogiebildung anschaulich in sich zusammen. Sie verbinden somit den Bereich der Anschauungen mit dem Bereich des begrifflich-logischen Denkens. Ziche htte beide Ergebnisse noch deutlicher am Kant’schen Text festmachen kçnnen, wenn er die Bedeutung der Analogie in seiner Interpretation bercksichtigt htte. Annemarie Pieper dagegen macht in ihrem Aufsatz zur Methode der Analogie bei Kant deutlich, dass gerade KU, § 59 die Funktion von Analogien so anschaulich erlutere wie keine andere Stelle bei Kant. Der Verweisungscharakter des Symbols habe die Form der Analogie.294 Bemerkenswert ist ihr abschließendes Urteil zu Kants Verwendung der Methode der Analogie.295 Pieper meint, dass Kant mittels der Methode der Analogie die Grenze einer kritisch auf Erfahrung bezogenen Transzendentalphilosophie markiert habe. Diese durch die reflektierende Urteilskraft gezogene Grenze ermçgliche eine Einbeziehung des Transzendenten in das menschliche Wissen, verwehre jedoch einen direkten Zugriff auf das jenseits der Grenze Befindliche. Abschließend schreibt sie: „Nach Kant meinte man im deutschen Idealismus, der Analogie nicht mehr zu bedrfen, da das spekulative Denken sich eine intellektuelle Anschauung erfand, die das bersinnliche an sich selbst zugnglich machen sollte. Vielleicht wurde dabei bersehen, daß sich die Vorstellung eines anschauenden Verstandes wiederum einer Analogie verdankt, insofern ihr die Annahme zugrunde liegt, daß es sich mit dem ,Schauen‘ des Intellekts genau gleich verhlt wie mit dem ,Sehen‘ des Auges.“296
Ziche dagegen meint mit Blick auf die von ihm bei Kant diagnostizierte Funktion von Metaphern als Vermittlern zwischen strikter Logik und Anschaulichkeit, dass von daher auch einsichtig gemacht werden kçnne, warum die Denker des Nach-Kant’schen Idealismus sich dieses Stilmittels 293 Vgl. Ziche 2005, 404 – 407. Vgl. dagegen Wicks 2007, 173, der den Vorgang der Symbolisierung vom „genius-inspired, metaphor-related, mystifying creation of aestehtic ideas“ abgrenzt. Er beruft sich dabei v. a. auf das Beispiel der Handmhle, dass einen zu „mechanistic and literalistic flavor“ habe, um von einer Metapher zu sprechen. 294 Vgl. Pieper 1996, 103 – 107. 295 Vgl. Pieper 1996, 112. 296 Pieper 1996, 112. hnlich wrde auch Kang argumentieren, der Kants Symboltheorie in KU, § 59 klar vom Begriff der intellektuellen Anschauung abgrenzt. Vgl. Kang 1985, 144 – 146.
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1. „Symbol“ und „Analogie“ in Kants Philosophie
der Metapher so ausgiebig bedienten. Er verweist ausdrcklich auf Hegel, obwohl er gleichzeitig zugibt, dass Hegel die Phantasterei durch Analogien kritisiert habe. Ziche sieht gerade im Konzept der intellektuellen Anschauung einen zentralen Anknpfungspunkt an Kant. Die intellektuelle Anschauung sei systematisch genau an dem Punkt angesiedelt, den Kant zur Rechtfertigung bertragener Redeweisen annehme: als Vermittlung zwischen Anschauung und Begriff, ohne mit einer der beiden Seiten zu koinzidieren.297 Gegen Ziche und mit Pieper wrde ich einen deutlichen Unterschied zwischen Kants Methode der Analogie und dem Begriff der intellektuellen Anschauung sehen. Ob man darber hinaus behaupten kann, dass Kants Symbolbegriff im Sinne der Metapher im Idealismus weitergewirkt habe, msste eine Untersuchung entsprechender Texte zeigen. Insgesamt mçchte ich vor dem Hintergrund meiner Untersuchungen zu Kants Symbolbegriff behaupten, dass es zwar mçglich ist, bei Kant von „Metapher“ statt von „Symbol“ zu sprechen, wenn „Metapher“ entsprechend des Kant’schen Symbolbegriffs definiert wird. Ich halte es jedoch nicht fr sinnvoll, diesen Nicht-Kant’schen Begriff einzufhren, nicht zuletzt, weil man den eingefhrten Metaphernbegriff mit dem fr Kants Symboltheorie zentralen Begriff der Analogie inhaltlich verbinden msste.298 Nur eine eingehende Interpretation der Kant’schen Ausdrcke vor dem Hintergrund eines entsprechenden Metaphernbegriffs kçnnte die Legitimitt aufweisen, die bei aller inhaltlichen Nhe unterschiedlichen begriffsgeschichtlichen Traditionen zu nivellieren, die hinter den Ausdrcken „Analogie“, „Symbol“ und „Metapher“ stehen. Auch in systematischer Hinsicht lassen sich Einwnde gegen die vorschnelle Gleichsetzung der Bedeutungen von „Analogie“, „Symbol“ und „Metapher“ formulieren.299 So kçnnte man mit William P. Alston darauf 297 Vgl. Ziche 2005, 406. 298 Allerdings gibt es in der zeitgençssischen Sprachphilosophie eine Auffassung von metaphorischer Bedeutung von Ausdrcken, die „infinite polysemy“-Theorie, welche die polysemischen Bedeutungen eines und desselben Ausdrucks systematisch durch Analogien miteinander verbunden sieht. Vgl. Lycan 2004, 222 – 224. Cazeaux knpft an diese Tradition an, wenn er Kants Symbolbegriff in diesem Sinne als Metapher versteht, dabei aber auf die Bedeutung der Analogie fr diesen Metaphernbegriff abhebt. Vgl. Cazeaux 2004. 299 Faktisch ist es so, dass v. a. in der gegenwrtigen religionsphilosophischen Literatur die Ausdrcke „Metapher“ und „Analogie“ teils synonym gebraucht werden, teils klar voneinander unterschieden werden. Es gibt somit keinen einheitlichen Gebrauch. Vgl. dazu Kreiner 2006, 95.
1.10 Themen der Sekundrliteratur
211
hinweisen, dass die Unterscheidung der wçrtlichen oder metaphorischen Bedeutung von Ausdrcken auf einer anderen Ebene angesiedelt ist als die Unterscheidung zwischen Univozitt, quivozitt und Analogizitt.300 Whrend wir fr die zuletzt genannte Unterscheidung immer einen mindestens zweimaligen Gebrauch eines Ausdrucks und somit die Relation zwischen den Vorkommen untersuchen, reicht fr die Feststellung der wçrtlichen oder metaphorischen Bedeutung ein singulrer Gebrauch eines Ausdrucks aus. Alston ist außerdem der Auffassung, dass die Tradition analoger Rede von Gott gerade aufweisen soll, wie wir unsere Rede von Gott wçrtlich (und nicht metaphorisch) verstehen und dabei doch die vçllige Andersheit Gottes bercksichtigen kçnnen. Ich mçchte die Diskussion an dieser Stelle nicht vertiefen, sondern nur deutlich machen, dass man sich vor einer zu schnellen Gleichsetzung der verschiedenen Begriffe hten sollte.301 Bei der Frage, in welchen Zusammenhang sich der Kant’sche Symbolbegriff mit dem Begriff der Metapher bringen lsst, darf der Kant-immanente Zusammenhang des Symbolbegriffs mit dem Analogiebegriff jedenfalls nicht ausgeklammert werden.
300 Vgl. Alston 2005, 236 – 241; Alston 1989a, 39 – 63. 301 Ich werde im Ausblick am Schluss der Arbeit auf die Frage nach dem Verhltnis des Kantischen Analogie- und Symbolbegriffs zur Unterscheidung von wçrtlicher und metaphorischer Rede zurckkommen.
Zweiter Teil
2. Die symbolische Erkenntnis Gottes 2.1 Problemaufriss Kants bergang von einer generellen Auseinandersetzung mit dem Symbolbegriff zur Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59 ist relativ abrupt. Man erwartet nicht unbedingt, dass Kant vor der Aussage, auf welche der § 59 zusteuert – dass das Schçne das Symbol des Sittlich-Guten sei –, auf die Erkenntnis Gottes zu sprechen kommt. Allerdings ist es auch kein Zufall, dass Kant gegen Ende seiner allgemeinen berlegungen zum Symbolbegriff in § 59 diese Aussage ber die Erkenntnis Gottes trifft. Denn die Einfhrung des Symbolbegriffs in § 59 lsst sich als Antwort auf das Problem verstehen, dass die objektive Realitt von Vernunftbegriffen nicht aufgewiesen werden kann, weil ihnen keine Anschauungen korrespondieren. Durch die symbolische Hypotypose kann einem Vernunftbegriff eine Anschauung zumindest unterlegt werden. Auch wenn es auf den zweiten Blick also nicht unplausibel ist, dass Kant in § 59 von einer bloß symbolischen Erkenntnis von Gott spricht, bleibt die Irritation, dass Kant in der Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft der KU, wo er ausfhrlich auf die Mçglichkeit der Erkenntnis Gottes eingeht, zwar hufig von einem analogischen Denken des hçchsten Wesens spricht, der Symbolbegriff aber dort nicht mehr auftaucht. Auch in anderen Werken, in denen der Symbolbegriff im Kontext von Kants philosophischer Theologie vorkommt, ist von einer symbolischen Erkenntnis Gottes explizit nicht die Rede. Im zweiten Teil der Arbeit werde ich mich v. a. mit der Frage auseinandersetzen, wie sich Kants Symboltheorie und die Methode der Analogie, die wir aus KU, § 59 und der Methodenlehre der KU im ersten Teil der Arbeit rekonstruiert haben, zur Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott in § 59 verhalten und welche Rolle Symbol und Analogie fr Kants philosophische Theologie und Religionsphilosophie spielen. Auch die beiden in Kapitel 1.7 aufgeworfenen Fragen, was symbolisiert werden kann und welche Funktion Symbole haben, sind fr diesen zweiten Teil noch einmal wichtig. Kant bringt nur an wenigen Stellen seines Werks den Symbolbegriff in einen Zusammenhang mit der Erkenntnis Gottes. Dagegen finden wir in der Religionsschrift an einigen Stellen die Rede von „Symbolen“ oder
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
„symbolischen Vorstellungen“ im Christentum. So bezeichnet Kant die Vorstellung der Jungfrauengeburt als Symbol der sich ber die „Versuchung zum Bçsen erhebenden […] Menschheit“.1 In welchem Verhltnis stehen diese religiçsen Symbole zu den symbolischen Vorstellungen der Kausalitt Gottes? Mit Blick auf die Funktion des Symbols wurde im ersten Teil formuliert, dass Symbole unsere Sinnlichkeit ansprechen und unsere sprachlichen Ausdrucksmçglichkeiten bereichern, indem sie anschaulich zum Ausdruck bringen, wie bestimmte Gegenstnde nach einer Analogie gedacht werden kçnnen. Geht es auch bei der symbolischen Erkenntnis von Gott und den religiçsen Symbolen um eine lebendige Darstellung eines Begriffs oder hat das Symbol eine erkenntniskonstitutive Funktion fr die Erkenntnis Gottes, wie die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott nahelegen kçnnte? Bei aller Konzentration auf den Kant’schen Symbolbegriff wird es wichtig sein, auch das Verhltnis von Symbol und Analogie in Kants philosophischer Theologie im Auge zu behalten. Ich beginne den zweiten Teil dieser Arbeit mit einer Interpretation des noch ausstehenden Satzes [4.8] aus KU, § 59. Dabei werde ich einen ausfhrlichen Blick auf die Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft der KU werfen, in der Kant ausfhrlich auf die Vernunftidee Gottes zu sprechen kommt. Wie sich zeigen wird, ist ohne diesen Blick an den Schluss der KU ein angemessenes Verstndnis des Satzes [4.8] aus § 59 kaum mçglich. In Kapitel 2.3 werden anschließend einige Textstellen interpretiert, die nicht aus der KU stammen, aber fr das Verstndnis der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott aufschlussreich sind. Schließlich werde ich in Kapitel 2.4 die Frage diskutieren, in welchem Verhltnis eine symbolische Erkenntnis von Gott zu den symbolischen Vorstellungen im Bereich der christlichen Religion steht, von denen Kant in der Religionsschrift spricht.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“ „[4.8] Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropo1
RGV, 6: 80,39 – 40.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
217
morphism, so wie, wenn er alles Intuitive weglßt, in den Deism, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.“2
Der Satz scheint das in § 59 zuvor ber den Symbolbegriff Gesagte auf die Idee Gottes bzw. die Erkenntnis dieser Idee anzuwenden. Offensichtlich ist [4.8] durch den Doppelpunkt in zwei große Satzteile unterteilt. Dabei fllt ins Auge, dass beide Satzteile durch die Konjunktionen „Wenn […]: so […]“ miteinander verknpft sind, dass der Satz also konditional formuliert ist. Wir kçnnen somit davon ausgehen, dass der erste Satzteil (=A) eine im Folgenden genauer zu bestimmende Bedingung oder Voraussetzung fr die Wahrheit der Aussage des zweiten Satzteils (=B) formuliert: (A) Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstands ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): (B) so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
Es spricht auf den ersten Blick einiges dafr, dieses Satzgefge so zu verstehen, dass es ein komprimiertes Argument enthlt – wobei (B) im ersten Teil („so ist alle“ etc.) die Konklusion enthlt. Auf diese Interpretationshypothese werde ich spter noch zurckkommen. Wenn ich im Folgenden davon spreche, dass in (A) eine Bedingung fr (B) formuliert wird, ist dies zunchst allgemein-grammatikalisch und nicht in einem strengen aussagenlogischen Sinn (im Sinne eines Antecedens) zu verstehen. Betrachten wir (A) genauer, so fllt auf, dass die Klammer, welche die Teilaussage (A) – dass man eine bloße Vorstellungsart Erkenntnis nennen darf – erlutert, ebenfalls konditional formuliert ist. Die Klammer fhrt die Bedingung dafr an, in welchem Fall man eine bloße Vorstellungsart Erkenntnis nennen darf. Auch hier gilt, dass ich „Bedingung“ in einem allgemein-grammatikalischen Sinn verwende. Man kann (A) als eigenstndige Aussage (A*) – also unter Absehen von der logischen und grammatikalischen Verknpfung mit (B) – folgendermaßen umformulieren: 2
KU, 5: 353,2 – 12. Der Text der Meiner-Ausgabe weicht an zwei Stellen orthographisch vom Text der Akademie-Ausgabe ab: In 353,7 steht nach „symbolisch“ statt des Kommas ein Semikolon. In 353,11 steht nach „Absicht“ ein Komma.
218
2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
(A*) Wenn eine bloße Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, ist, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Ich beginne die Interpretation des Satzes [4.8] aus § 59 mit dem ersten Teil des Satzes (bis zum Doppelpunkt) bzw. mit (A*).3 2.2.1 Eine „bloße Vorstellungsart“, die man „Erkenntnis nennen darf“ Es gibt eine Reihe interpretatorischer Unklarheiten im ersten Teil des Satzes bzw. in (A*).4 Was meint Kant hier mit „einer bloßen Vorstellungsart“? In KU, § 59 [3] ist von der schematischen und der symbolischen Hypotypose als intuitiven Vorstellungsarten die Rede. Die Vorstellungen sind in diesen Fllen also jeweils Anschauungen, die auf bestimmte Weise Begriffen unterlegt werden. Man kçnnte also sagen, dass Vorstellungsarten die jeweilige Art und Weise sind, wie man sich Gegenstnde vorstellt. Kant versteht unter „Vorstellungen“ oder „Vorstellungsarten“ an anderer Stelle auch Begriffe, ja sogar Ideen.5 Der Ausdruck „Vorstellungsart“ ist hier in [4.8] derart unbestimmt, dass er keinem Bezugswort eindeutig zugeordnet werden kann. Hilft die Charakterisierung als ,bloße Vorstellungsart‘ weiter? In KU, § 62 heißt es:
3
4
5
Ich unterscheide im Folgenden also einerseits zwischen (A) und (B) als den beiden tatschlichen Teilen des Satzes § 59, [4.8], also auch inklusive der logischen Verknpfung beider Teilstze, und andererseits zwischen (A*) und (B*). Mit dem „*“ kennzeichne ich die beiden Teilstze als eigenstndige Aussagen, wobei von ihrer faktischen logischen Verknpfung abgesehen wird. Eine erste Unklarheit habe ich mit der Rekonstruktion von (A*) bereits entschieden: Ist eine ,bloße Vorstellungsart‘ oder eine Erkenntnis („sie“) kein Prinzip der theoretischen, sondern der praktischen Bestimmung des Gegenstands? Inhaltlich ergibt die Aussage, dass man eine bloße Vorstellungsart als ein Prinzip der praktischen Bestimmung von Gegenstnden verstehen kann, eindeutig mehr Sinn. Das erhellt auch daraus, dass man die theoretische oder praktische Bestimmung des Gegenstands als Erkenntnis des Gegenstands auffassen kann. Dann kçnnte man die Aussage so umformulieren: Sie ist nicht ein Prinzip der theoretischen, sondern der praktischen Erkenntnis (des Gegenstands). Setzt man nun fr „sie“ die beiden Kandidaten ein, sieht man schnell, dass die Substitution mit „Erkenntnis‘ nicht zu einer sinnvollen Aussage fhrt. Vgl. KrV, B 376 – 377 (3: 249,27 – 250,14).
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
219
„Nun sollte uns zwar eben diese Harmonie, weil sie, aller dieser Zweckmßigkeit ungeachtet, dennoch nicht empirisch, sondern a priori erkannt wird, von selbst darauf bringen, daß der Raum, durch dessen Bestimmung (vermittelst der Einbildungskraft gemß einem Begriffe) das Objekt allein mçglich war, nicht eine Beschaffenheit der Dinge außer mir, sondern eine bloße Vorstellungsart in mir sei, und ich also in die Figur, die ich e i n e m B e g r i f f e a n g e m e s s e n zeichne, d.i. in meine eigene Vorstellungsart von dem, was mir ußerlich, es sei an sich, was es wolle, gegeben wird, die Z w e c k m ß i g k e i t h i n e i n b r i n g e , nicht von diesem ber dieselbe empirisch belehrt werde, folglich zu jener keinen besonderen Zweck außer mir am Objekte bedrfe.“6
Der Raum wird hier nicht als eine Beschaffenheit der Dinge außer mir, sondern als „eine bloße Vorstellungsart in mir“ bezeichnet. In der Einleitung der KU bezeichnet Kant den Raum als die „bloße Form a priori der Mçglichkeit“ der Anschauung von Gegenstnden.7 Wenn die reine Anschauung des Raumes die Bedingung der Mçglichkeit fr die Anschaulichkeit von Objekten berhaupt ist und als „bloße Vorstellungsart in mir“ bezeichnet wird, dann bedeutet „bloße Vorstellungsart in mir“ hier so viel wie eine rein subjektive Vorstellungsart. Diese rein subjektive Vorstellungsart zeigt keine Beschaffenheit von Dingen außer mir an und ihr entspricht objektiv kein Gegenstand einer Anschauung.8 Sie ist als solche subjektive Vorstellungsart also gerade dadurch gekennzeichnet, dass der entsprechenden Vorstellung – in diesem Fall der reinen Anschauung des Raumes – kein Gegenstand einer Anschauung entspricht. Zunchst kann also angenommen werden, dass die ,bloße Vorstellungsart‘ in § 59 eine Vorstellungsart ist, die eben nur eine ,Vorstellungsart in mir‘ ist, die also keine Beschaffenheit der Dinge außer mir anzeigt. Der Ausdruck „bloße“ ist so zu verstehen, dass damit angezeigt wird, dass sich die entsprechende Art, wie ich mir einen Gegenstand vorstelle, nicht auf einen Gegenstand der Welt bezieht. 6 7 8
KU, 5: 364,37 – 365,11. KU, 5: 189,13 – 14. Vgl. dazu auch KrV, B 38 – 40 (3: 52,20 – 53,29). Es gibt noch eine Stelle aus der EEKU, welche diese Interpretation von „bloßer Vorstellungsart“ als eine rein subjektive Vorstellungsart besttigt: „Es wird also die s t h e t i k der reflectirenden Urtheilskraft einen Theil der Critik dieses Vermçgens beschftigen, so wie die L o g i k eben desselben Vermçgens, unter dem Namen der Te l e o l o g i e , den andern Theil derselben ausmacht. Bei beiden aber wird die Natur selbst als technisch, d.i. als zweckmßig in ihren Producten betrachtet, einmal subjectiv, in Absicht auf die bloße Vorstellungsart des Subjects, in dem zweiten Falle aber, als objectiv zweckmßig in Beziehung auf die Mçglichkeit des Gegenstandes selbst.“ (EEKU, 20: 249,9 – 16). Vgl. dazu ganz hnlich auch Prol, 4: 293, 20 – 27; 341,18 – 342,6.
220
2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Lesen wir [4.8] und damit auch die Aussage (A*) nun strker vom unmittelbaren Kontext her, kçnnen wir noch einen Schritt weiter gehen. Denn Kant spricht in [4.7] ja von einer bestimmten Vorstellungsart: der symbolischen Hypotypose.9 Die symbolische Hypotypose lsst sich nach dem Rckblick in KU, § 62 problemlos als eine bloße Vorstellungsart in mir auffassen. Gerade fr die symbolische Hypotypose gilt, dass sich die Art und Weise, wie ich mir z. B. die Kausalitt eines despotischen Staats vorstelle, nicht auf einen Gegenstand der Welt bezieht. Die Kausalitt des despotischen Staats wird durch die symbolische Vorstellung einer Handmhle nur indirekt dargestellt. (A*) kann somit folgendermaßen umformuliert werden: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, ist, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Im Folgenden werde ich untersuchen, was es bedeutet, dass eine solche subjektive Vorstellungsart nicht ein ,Prinzip […] der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, […], sondern der praktischen‘ sei. Dazu wird insbesondere ein genauerer Blick in die Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft nçtig sein. 2.2.2 Die „praktische Bestimmung“ dessen, was die Idee Gottes fr uns und ihren zweckmßigen Gebrauch bedeutet Es ist zunchst unklar, wie die Formulierung in der Klammer von (A) „sondern der praktischen“ zu ergnzen ist. Es gibt zwei Mçglichkeiten: 1) Wenn eine bloße Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, was er an sich sei, sondern der praktischen Bestimmung des Gegenstands, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, ist, dann etc. 2) Wenn eine bloße Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, was er an sich sei, sondern der praktischen Bestimmung, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, ist, dann etc.
Weil die entsprechende Formulierung „sondern der praktischen“ kontrastierend auf den Anfang der Klammer und die Formulierung „wenn […] 9
Vgl. dazu erneut KU, 5: 352,28 – 353,2.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
221
nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes“ Bezug nimmt, gibt es die beiden Mçglichkeiten, nach „praktischen“ entweder nur „Bestimmung“ oder „Bestimmung des Gegenstands“ zu ergnzen. Beide Ergnzungen scheinen zunchst sinnvoll zu sein, und es ist auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen, welche von beiden die inhaltlich zutreffende ist. Einen Hinweis darauf, dass man sich fr die zweite Alternative entscheiden sollte, bieten die beiden interrogativ formulierten Nebenstze, welche erlutern, was es mit der theoretischen Bestimmung des Gegenstands und der praktischen Bestimmung (des Gegenstands) auf sich hat. Whrend die theoretische Bestimmung des Gegenstands eine Antwort auf die Frage gibt, was der Gegenstand an sich sei, antwortet die praktische Bestimmung (des Gegenstands) darauf, was ,die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll‘. Dabei ist die Erluterung der theoretischen Bestimmung eines Gegenstands mit „was er an sich sei“ irritierend, weil Kant damit natrlich nicht meint, dass wir in der theoretischen Bestimmung eines Gegenstands nach dem Ding an sich jenseits seiner Erscheinung fragen. Es geht hier mit der Unterscheidung von „[Gegenstand] an sich“ und „Idee [des Gegenstands] fr uns“ vielmehr darum, ob wir mit Blick darauf, wie etwas Objekt unserer Erkenntnis sein kann, die Begriffe mit den Objekten oder mit unserem Erkenntnisvermçgen vergleichen, wie Kant es in KU, § 91 ausdrckt.10 Im ersten Fall – dem Normalfall einer theoretischen Erkenntnis – machen wir eine Aussage ber die Natur oder das Wesen des Gegenstands. Wir sagen z. B. auf der Grundlage einer Wahrnehmung einer Handmhle, dass diese Handmhle eine Kurbel hat oder dass sie einer mechanischen Kausalitt gehorcht. Whrend sich nun die theoretische Bestimmung des Gegenstands auf den Gegenstand selbst richtet – Was ist der Gegenstand ,an sich‘? –, geht es in dem Satz, der die praktische Bestimmung (des Gegenstands) erlutert, nicht um den Gegenstand selbst (,an sich‘), sondern darum, was die ,Idee von ihm fr uns etc. werden soll‘. Diese Formulierung kann man im Sinne eines „sein soll“ oder „bedeuten soll“ interpretieren.11 Es geht bei der 10 Vgl. KU, 5: 467,4 – 11. Es ist hier leider nicht mçglich, nher auf diese Unterscheidung und ihren Zusammenhang mit der Funktion der Urteilskraft einzugehen. Vgl. zu dieser Unterscheidung auch KU, 5: 462,35 – 463,14. Zumindest auf die Rede von einer Erkenntnis ,fr uns‘ werde ich spter noch zu sprechen kommen. 11 Im Grimm’schen Wçrterbuch finden sich hnliche Formulierungen, die auf diese Interpretation hindeuten. Vgl. z. B. „ist mir auch mein liebchen hold,’s war doch, als wenn’s nicht werden sollt“ (Kçrner). „ich sah wohl, dasz dies ein bettchen fr
222
2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
praktischen Bestimmung (des Gegenstands) also darum, was die Idee des Gegenstands („von ihm“) ,fr uns‘ und ihren („derselben“) zweckmßigen Gebrauch sein oder bedeuten soll. Was man sich inhaltlich unter dieser Aussage genauer vorzustellen hat, wird uns gleich noch interessieren. An dieser Stelle ist lediglich die Beobachtung wichtig, dass die Erluterung der praktischen Bestimmung (des Gegenstands) in Form des Nebensatzes zeigt, dass diese praktische Bestimmung nicht in einer Bestimmung des Gegenstands selbst wie bei der theoretischen Bestimmung besteht, sondern in einer Bestimmung dessen, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet. Daraus wird ersichtlich, dass der zweiten der oben angefhrten Alternativen zur Ergnzung von „sondern der praktischen“ der Vorzug gegenber der ersten Alternative zu geben ist. (A*) kann somit folgendermaßen umformuliert werden: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands – Was ist die Natur des Gegenstands? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Vergleicht man (A*) und (B) bzw. den ersten und den zweiten Teil von [4.8] miteinander, muss nun auffallen, dass in (A*) allgemein von einer theoretischen oder praktischen Bestimmung des Gegenstands bzw. dessen, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet, die Rede ist, whrend es in (B) konkret um die ,Erkenntnis von Gott‘ geht. Dieser Umstand lsst sich so verstehen, dass (A*) eine allgemeine Bedingung formuliert, die prinzipiell fr verschiedene Gegenstnde gilt, whrend (B) als die damit verknpfte bedingte Aussage einen bestimmten Gegenstand gewissermaßen als Beispiel herausgreift. Aus dieser Beobachtung ergibt sich des Weiteren, dass man auch (B) allgemeiner formulieren kann, so dass nicht nur fr die Erkenntnis von Gott, sondern auch fr andere Gegenstnde, welche die Bedingung (A*) erfllen, gilt, dass ihre Erkenntnis ,bloß symbolisch‘ ist. Diese mçgliche allgemeine Formulierung von (B) ist hier nicht weiter von Interesse. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass es in [4.8] um eine symbolische Vorstellungsart geht, die Prinzip der praktischen Bestimmung dessen ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet.12 mich werden sollte“ (Brentano). „er aber (Hans Unwirrsch) wuszte nicht, wer sie waren, und was sie ihm werden sollten“ (W. Raabe). Vgl. Grimm, Grimm 1854 – 1960, Bd. 29, Sp. 221 – 234. 12 Andere Alternativen, um welchen Gegenstand es in [4.8] gehen kçnnte, bieten sich nicht an. Fr „Gott“ spricht, dass von ihm konkret im zweiten Teil von [4.8] die
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Was kann es nun heißen, dass eine symbolische Vorstellungsart Prinzip der praktischen Bestimmung dessen ist, was die Idee Gottes fr uns und ihren zweckmßigen Gebrauch bedeutet? Um diese Frage zu beantworten, mssen wir einen Blick in die Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft werfen. Ich werde dazu ausfhrlicher auf einen Abschnitt aus § 88 sowie krzer auf andere Stellen aus § 88 sowie aus § 91 und der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie eingehen. In der Methodenlehre diskutiert Kant u. a. seinen moralischen Beweis des Daseins Gottes. Ohne an dieser Stelle nher auf diesen in den §§ 84 bis 91 der KU erluterten moralischen Beweis und auf den Zusammenhang mit dem Postulat des Daseins Gottes aus der KpV eingehen zu kçnnen, soll hier zumindest kurz daran erinnert werden, was der Grundgedanke des moralischen Arguments oder Gottesbeweises aus der KU ist.13 In KU, § 84 fhrt Kant den Begriff des Endzwecks ein. Unter „Endzweck“ versteht er einen Zweck, der keines anderen Zwecks als Bedingung seiner Mçglichkeit bedarf.14 Konkret geht es ihm in § 84 um den Endzweck des Daseins der Welt bzw. der Schçpfung. Kant zufolge kann nur vom Menschen oder von anderen Vernunftwesen unter moralischen Gesetzen ausgehend nicht weiter gefragt werden, wozu die Menschen oder Vernunftwesen existieren. Somit hat der Mensch als Vernunftwesen unter moralischen Gesetzen den Zweck seines Daseins in sich selbst und kann insofern als Endzweck der Schçpfung gedacht werden.15 In KU, § 87 formuliert Kant den, wie er es in der KU nennt, moralischen Beweis vom Dasein Gottes. Die moralische Teleologie untersucht die Beziehung unserer eigenen, menschlichen Kausalitt auf Zwecke und den Endzweck, „der von uns in der Welt beabsichtigt werden muss“, wobei gilt, dass diese Beziehung, oder genauer: diese innere Gesetzmßigkeit zwischen der Kausalitt von Vernunftwesen und den Zwecken „keiner verstndigen Ursache außer uns“ bedarf und a priori erkannt werden kann.16 Eine wichtige Eigenart dieser Beziehung zwischen unserer Kausalitt und dem
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Rede ist und die Deutung von (A*) mit Gott als dem Gegenstand, dessen Verhltnis zu uns Menschen praktisch bestimmt wird, ist beraus plausibel, wie dieses und das folgende Kapitel zeigen wird. Ohne das hier nher ausfhren zu kçnnen, wrde ich allerdings die These vertreten, dass die KpV und die KU im Kern dasselbe moralische Argument fr die Existenz Gottes anfhren. Vgl. dazu auch Kang 1985, Ricken 2002, Ricken 2003, 193 – 210. Vgl. KU, 5: 434,7 – 8. Vgl. KU, 5: 435,25 – 436,2. KU, 5: 447,34; 447,23 – 24.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Endzweck ist nun, dass das moralische Gesetz den Endzweck bedingungslos vorschreibt bzw. uns a priori einen Endzweck bestimmt, „welchem nachzustreben es uns verbindlich macht, und dieser ist das h ç c h s t e durch Freiheit mçgliche G u t i n d e r We l t .“17
Wie verhlt sich die Rede vom Menschen als Endzweck der Schçpfung zur Rede vom Endzweck als dem hçchsten durch Freiheit mçglichen Gut, das wir erstreben sollen? Ohne diese wichtige Frage hier erschçpfend diskutieren zu kçnnen, mçchte ich folgende Interpretationshypothese anbieten: Es handelt sich hier um zwei verschiedene Perspektiven auf dasselbe Phnomen, dass es moralische Vernunftwesen gibt. In einer ontologischen Perspektive ergibt sich aus der Tatsache, dass alle moralischen Vernunftwesen einer Kausalitt aus Freiheit mchtig sind, dass moralische Vernunftwesen sich als Endzweck der Schçpfung denken lassen. In einer moralphilosophischen Perspektive impliziert die Tatsache der Kausalitt aus Freiheit, dass moralische Vernunftwesen einen bestimmten moralischen Endzweck anstreben sollen. Man kçnnte auch zwischen einer objektiven (Endzweck der Schçpfung) und einer subjektiven (moralischer Endzweck) Perspektive auf das Phnomen, dass es moralische Vernunftwesen gibt, unterscheiden. Im Folgenden werde ich die ontologische Perspektive ausklammern und mich auf den Begriff des moralischen Endzwecks konzentrieren, weil dieser Begriff fr den moralischen Beweis des Daseins Gottes entscheidend ist. Kant unterscheidet im Fortgang von KU, § 87 zwischen zwei Erfordernissen des durch das moralische Gesetz aufgegebenen moralischen Endzwecks: Sittlichkeit bzw. die Wrdigkeit, glckselig zu sein, als objektive und Glckseligkeit als subjektive Bedingung, sich unter dem moralischen Gesetz einen Endzweck zu setzen.18 Fr diese beiden Erfordernisse gelte jedoch, dass wir uns nicht vorstellen kçnnten, wie die Wrdigkeit, glckselig zu sein, und die Glckseligkeit durch bloße Naturursachen miteinander verknpft werden kçnnten. Kant folgert daraus, dass der Begriff der praktischen Notwendigkeit des moralischen Endzwecks und der theoretische Begriff der physischen Mçglichkeit der Bewirkung des moralischen Endzwecks nicht identisch sind und gewissermaßen unverbunden einander gegenber stehen. Wenn wir mit unserer Freiheit, das 17 KU, 5: 450,7 – 9. 18 Vgl. KU, 5: 450,10 – 25. Diese Bestimmung des hçchsten Guts in der Welt ist fast identisch mit den sehr viel ausfhrlicheren berlegungen zu diesem Begriff in der KpV. Vgl. dazu KpV, 5: 110,12 – 113,12.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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hçchste Gut zu erstreben, somit keine andere Kausalitt als die der Natur verknpfen kçnnen, gebietet uns unsere praktische Vernunft einen moralischen Endzweck, dessen Mçglichkeit in der Welt kaum denkbar erscheint. Aus dieser Problematik heraus, dass wir uns die ontologische Koordination von Natur- und menschlicher Kausalitt hinsichtlich des moralischen Endzwecks des hçchsten Guts zunchst nicht vorstellen kçnnen, aber doch irgendwie vorstellen mssen, folgert Kant nun, dass wir eine moralische Weltursache oder einen moralischen Welturheber anzunehmen haben.19 Durch die Annahme des Daseins eines moralischen Welturhebers kçnnen wir uns vorstellen, auf welche Weise Sittlichkeit und Glckseligkeit im hçchsten Gut miteinander verknpft sind und wie es mçglich ist, dass derjenige, der wrdig ist, glckselig zu sein, prinzipiell auch glckselig werden kann. Zusammengefasst geht es beim moralischen Argument fr das Dasein Gottes also darum, dass das vom moralischen Gesetz gebotene Objekt der reinen praktischen Vernunft (in der KpV) bzw. der gebotene moralische Endzweck (in der KU) vom Menschen nur zu verwirklichen ist, wenn man als Bedingung der Mçglichkeit dieses Zwecks die Existenz eines hçchsten Wesens mit den Eigenschaften Verstand und Wille annimmt.20 Dabei versteht Kant unter der „Mçglichkeit“ des moralischen Endzwecks die ,Ausfhrbarkeit‘ des moralischen Endzwecks. Die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks ist in der KU also in einem ontologischen Sinn zu interpretieren.21 Kant spricht auch davon, dass, soweit uns das moralische Gesetz notwendig einen Endzweck vorsetzt, auch die Annahme der Existenz eines moralischen Welturhebers notwendig sei.22 Damit will er aber nicht behaupten, es handle sich beim moralischen Argument um einen „objektivgltigen Beweis vom Dasein Gottes“, der dem „Zweifelglubigen“ beweisen wolle, dass ein Gott sei. Weil das Argument aufgrund des moralischen Gesetzes und des gebotenen Endzwecks notwendig ist, ist es fr Kant ein subjektives bzw. fr moralische Vernunftwesen hinreichendes Argument.23 Diese Betonung, es handle sich um ein subjektives, fr moralische 19 20 21 22 23
KU, 5: 450,26 – 30. Deswegen nennt Kant das hçchste Wesen in der KU „moralischer Welturheber“. Vgl. dazu KU, 5: 455,5 – 12. Vgl. KU, 5: 450,26 – 30. Vgl. KU, 5: 450,33 – 34; 451,32 – 37. Es ist leider nicht ganz klar, was Kant in der Fußnote unter „objektiv-gltig“ versteht. Will er aussagen, dass das moralische
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Wesen hinreichendes Argument, lsst sich mit Hilfe der KpV noch einmal przisieren. Kant unterscheidet im Kontext der Erluterung des Postulats vom Dasein Gottes zwischen einer objektiven und einer subjektiven moralischen oder praktischen Notwendigkeit.24 Es sei keine Pflicht und somit in einem objektiven Sinn moralisch nicht notwendig, an einen moralischen Welturheber zu glauben, so wie wir andererseits verpflichtet sind, das hçchste Gut in der Welt zu befçrdern. Vielmehr sei mit dieser Pflicht, das hçchste Gut zu befçrdern, notwendig das Vernunftbedrfnis verbunden, die Mçglichkeit des hçchsten Guts vorauszusetzen. Unsere praktische Vernunft zwingt uns gewissermaßen dazu, eine theoretische Aussage ber die Mçglichkeit des hçchsten Guts zu machen; sie erlegt uns jedoch keine Pflicht auf, einen Vernunftglauben an Gott zu haben.25 Vor diesem Hintergrund lsst sich auch die Konstruktion des moralischen Arguments als ein ,Postulat der reinen praktischen Vernunft‘ in der KpV verstehen. Ein solches Postulat ist nach Kant ein theoretischer, als solcher aber nicht zu beweisender Satz, sofern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetz unzertrennlich anhngt.26 Auch wenn die Postulate der reinen praktischen Vernunft sich theoretisch nicht beweisen lassen, haben sie doch bedeutende Konsequenzen fr die Ideen der spekulativen Vernunft: „Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern Vo r a u s s e t z u n g e n in notwendig praktischer Rcksicht, erweitern also zwar nicht das spekulative Erkenntnis, geben aber den Ideen der spekulativen Vernunft i m a l l g e m e i n e n (vermittelst ihrer Beziehung auf das Praktische) objektive
Argument kein objektiv gltiges Argument fr die theoretische Vernunft ist, oder soll es nicht objektiv gltig fr die praktische Vernunft sein? Gegen die Annahme, er wende sich hier gegen ein objektiv-gltiges Argument in theoretischer Rcksicht, spricht, dass es im nheren Kontext nicht um die Physikotheologie oder andere Ansprche geht, das Dasein Gottes durch die theoretische Vernunft beweisen zu wollen. Mit Blick auf den Text, den die Fußnote kommentiert, scheint es Kant um die Unterscheidung zwischen der Notwendigkeit, mit der das moralische Gesetz uns einen moralischen Endzweck vorschreibt, und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, das Dasein Gottes anzunehmen, zu gehen. 24 Vgl. KpV, 5: 125,22 – 126,13. 25 Ich komme in Kapitel 2.2.3 auf die Eigenart dieser subjektiven moralischen Notwendigkeit ausfhrlich zu sprechen. Was passiert, wenn man sich dieser Frage verweigert, erlutert Kant in der Fortsetzung von KU, § 87, wenn er die Weigerung, eine Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes anzunehmen, an einem ,rechtschaffenen Mann‘ durchspielt. Vgl. KU, 5: 452,8 – 453,5. 26 Vgl. KpV, 5: 122,22 – 25.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Realitt, und berechtigen sie zu Begriffen, deren Mçglichkeit auch nur zu behaupten sie sich sonst nicht anmaßen kçnnte.“27
Obwohl die Postulate nur in praktischer Rcksicht notwendige Voraussetzungen ohne theoretische Beweisbarkeit sind, geben sie den Ideen der spekulativen Vernunft durch die Beziehung der Ideen auf das Praktische objektive Realitt. Eine subjektive praktische Notwendigkeit, das Dasein Gottes als Voraussetzung der Mçglichkeit des hçchsten Guts anzunehmen, ist also vçllig ausreichend, um die objektive Realitt eines moralischen Welturhebers zu behaupten.28 Das Postulat des Daseins Gottes in der KpV bzw. in hnlicher Weise das moralische Argument fr das Dasein Gottes in der KU entsprechen somit dem sich aus dem moralischen Gesetz notwendig ergebenden Vernunftbedrfnis, sich die Mçglichkeit des hçchsten Guts bzw. des moralischen Endzwecks zu denken. Somit ist es in einem subjektiven Sinn moralisch notwendig, das Dasein Gottes anzunehmen. Wenn ich im Folgenden von einer „subjektiv-praktischen Notwendigkeit“ spreche, ist „subjektiv“ in diesem beschriebenen Sinn gemeint. Nachdem Kant in KU, § 87 das moralische Argument vorgestellt hat, macht er sich in § 88 daran, die Gltigkeit dieses moralischen Beweises zu beschrnken, was heißt, dass er genauer erlutert, was wir auf der Grundlage dieses Beweises behaupten kçnnen und was nicht. Diese Erçrterung – insbesondere die zweite Hlfte von § 88 ab Seite 456 in der Akademie-Ausgabe – ist fr die Frage nach der Bedeutung von „praktischer Bestimmung“ interessant. „Wohl aber kçnnen wir sagen: daß, n a c h d e r B e s c h a f f e n h e i t u n s e r e s Ve r n u n f t v e r m ç g e n s , wir uns die Mçglichkeit einer solchen a u f d a s m o r a l i s c h e G e s e t z und dessen Objekt bezogenen Zweckmßigkeit, als in diesem Endzwecke ist, ohne einen Welturheber und Regierer, der zugleich moralischer Gesetzgeber ist, gar nicht begreiflich machen kçnnen. 27 KpV, 5: 132,13 – 18. 28 Sptestens an dieser Stelle wird deutlich, wie sehr sich Kants Auffassung von Subjektivitt von einer heute gelufigen Verwendung, auch in der Philosophie, unterscheidet. Wird heute z. B. zwischen einer „objektiven“ und einer „subjektiven“ Aussage unterschieden, ist damit meist die Unterscheidung zwischen einer „rational-wissenschaftlich begrndeten“ Aussage und einer „nicht wissenschaftlich begrndeten und vom Standpunkt des Aussagenden abhngigen“Aussage gemeint. Hingegen ist bei Kant meist der Mensch als moralisches Vernunftwesen das Subjekt, und somit sind subjektiv gltige Argumente rationale Argumente, die Aussagen ber die objektive Realitt, i. e. fr Kant ber die Wirklichkeit von Gegenstnden, enthalten.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Die Wirklichkeit eines hçchsten moralisch-gesetzgebenden Urhebers ist also bloß f r d e n p r a k t i s c h e n G e b r a u c h unserer Vernunft hinreichend dargetan, ohne in Ansehung des Daseins desselben etwas theoretisch zu bestimmen. Denn diese bedarf zur Mçglichkeit ihres Zwecks, der uns auch ohnedas durch ihre eigene Gesetzgebung aufgegeben ist, einer Idee, wodurch das Hindernis, aus dem Unvermçgen ihrer Befolgung nach dem bloßen Naturbegriffe von der Welt (fr die reflektierende Urteilskraft hinreichend) weggerumt wird; und diese Idee bekommt dadurch praktische Realitt, wenn ihr gleich alle Mittel, ihr eine solche in theoretischer Absicht zur Erklrung der Natur und Bestimmung der obersten Ursache zu verschaffen, fr die spekulative Erkenntnis gnzlich abgehen.“29
Wir kçnnen uns ,nach der Beschaffenheit unseres Vernunftvermçgens‘ die Mçglichkeit eines moralischen Endzwecks nur unter der Annahme eines moralischen Welturhebers denken. Das wiederum bedeutet („also“), dass die Wirklichkeit eines moralischen Welturhebers ,bloß fr den praktischen Gebrauch unserer Vernunft hinreichend dargetan‘ ist. An dieser Stelle ist natrlich interessant, dass Kant davon spricht, dass die Wirklichkeit fr den praktischen Gebrauch unserer Vernunft hinreichend ,dargetan‘ ist. Im ersten Absatz von KU, § 59 war die Rede davon, dass die objektive Realitt der Ideen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis nicht ,dargetan‘ bzw. nicht aufgewiesen werden kann.30 Nun lesen wir, ganz hnlich wie gerade noch in der KpV, dass die objektive Realitt einer Vernunftidee, nmlich eines moralischen Welturhebers, fr den praktischen Gebrauch der Vernunft hinreichend ,dargetan‘ werden kann. Was in theoretischer Absicht nicht funktioniert, scheint in praktischer Rcksicht kein Problem zu sein. Dass die objektive Realitt auf diese Weise aufgewiesen werden kann, begrndet Kant damit („denn“), dass die Vernunft zur Mçglichkeit des moralischen Endzwecks („ihres Zwecks“) einer Idee bedarf, welche die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks gewhrleistet.31 Die Idee Gottes 29 KU, 5: 455,32 – 456,11. 30 Vgl. dazu Kapitel 1.3.1. 31 Dass die Idee die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks gewhrleistet, ist die Kehrseite der im Text formulierten Aussage, dass durch die Idee ein ,Hindernis‘ weggerumt wird. Das ,Hindernis‘, das durch die Idee ,weggerumt wird‘, ergibt sich aus dem ,Unvermçgen‘ des Menschen, die Gesetzgebung der Vernunft zu befolgen („ihrer Befolgung“), sich den moralischen Endzweck zum Zweck aller Handlungen zu setzen. Der Grund fr das Unvermçgen des Menschen und das entsprechende Hindernis ist genauer, dass der Mensch diese Gesetzgebung der Vernunft ,nach dem bloßen Naturbegriffe von der Welt‘ nicht befolgen kann. Damit ist gemeint, dass wir, wenn wir die Welt im Ausgang vom Naturbegriff und den sich daraus ergebenden Naturgesetzen sowie der sich daraus ergebenden Naturteleologie begreifen, nicht die Mçglichkeit bzw. Ausfhrbarkeit eines mo-
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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bekommt also dadurch ,praktische Realitt‘, dass die Vernunft dieser Idee hinsichtlich des moralischen Endzwecks bedarf. Der Beschrnkung der Gltigkeit des moralischen Arguments auf den praktischen Gebrauch der Vernunft korrespondiert dabei, was Kant im zitierten Text mehrfach betont, dass wir hinsichtlich des Daseins eines moralischen Welturhebers nichts theoretisch bestimmen kçnnen. Die Vernunft hat keine Mittel, der Idee eines moralischen Welturhebers eine objektive Realitt in theoretischer Absicht fr die spekulative Erkenntnis zu verschaffen. Aus diesem Text wird deutlich, wie wichtig die Unterscheidung von theoretischer Erkenntnis oder theoretischem Gebrauch der Vernunft und praktischer Erkenntnis oder praktischem Gebrauch der Vernunft hinsichtlich der Idee Gottes ist. Unser Vernunftvermçgen ist so beschaffen, dass die Vernunft hinsichtlich der Mçglichkeit oder Ausfhrbarkeit des von der praktischen Vernunft gebotenen moralischen Endzwecks der Idee eines moralischen Welturhebers bedarf. Dadurch, dass wir in dieser moralischen Perspektive das Dasein eines entsprechenden Gegenstands der Idee annehmen mssen, bekommt die Idee eines moralischen Welturhebers praktische Realitt. Mit Blick auf § 59, [4.8] kann also festgehalten werden, dass in § 88 einer Idee aufgrund der Beschaffenheit unseres Vernunftvermçgens praktische Realitt zugesprochen wird, wobei gleichzeitig ausgeschlossen wird, dass man dadurch den Gegenstand der Idee theoretisch bestimmen kçnnte. Kurz nach dem aus § 88 zitierten Abschnitt erlutert Kant, was er unter der objektiven Realitt der Idee Gottes als eines moralischen Welturhebers genauer versteht:32 „[7.1] Hierbei ist nun zu Verhtung eines leicht eintretenden Mißverstndnisses hçchst nçtig anzumerken, daß wir erstlich diese Eigenschaften des hçchsten Wesens nur nach der Analogie d e n k e n kçnnen. [7.2] Denn wie wollten wir seine Natur, wovon uns die Erfahrung nichts hnliches zeigen kann, erforschen? [7.3] Zweitens, daß wir es durch dieselbe auch nur denken, ralischen Endzwecks der Schçpfung denken kçnnen. Die Natur als solche kooperiert nicht mit der von uns geforderten Absicht, den moralischen Endzweck in der Welt zu verwirklichen. Wenn wir innerhalb der Grenzen der theoretischen Erkenntnis bleiben, kommen wir nicht zu einem Begriff wie den eines moralischen Endzwecks. Kant macht in der Methodenlehre der KU und insbesondere in § 88 deutlich, dass der Begriff des Endzwecks ein Begriff der praktischen Vernunft ist, der uns durch das moralische Gesetz auferlegt wird, weswegen wir einen moralischen Grund haben, uns einen moralischen Endzweck der Welt als Schçpfung zu denken. Vgl. dazu KU, 5: 454,34 – 455,12. 32 Ich gehe im Folgenden auf den Großteil des Absatzes [7] des § 88 (KU, 5: 456,23 – 458,3) nher ein.
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nicht danach e r k e n n e n und sie ihm etwa theoretisch beilegen kçnnen; denn das wre fr die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht unserer Vernunft, um, was die oberste Weltursache a n s i c h sei, einzusehen.“33
Kant spricht zunchst von einem ,leicht eintretenden‘ Missverstndnis, dem er auf zweifache Weise vorbeugen will. Er formuliert dieses Missverstndnis in Satz [7.2] in Form einer rhetorischen Frage. Es besteht darin, dass man meint, man kçnne die Natur des hçchsten Wesens, ,wovon uns die Erfahrung nichts hnliches zeigen kann‘, erforschen. In [7.1] findet sich die erste Anmerkung zur Vorbeugung des Missverstndnisses: dass man ,erstlich diese Eigenschaften des hçchsten Wesens nur nach der Analogie denken‘ kann.34 Um das Missverstndnis ganz auszurumen, ist offensichtlich noch eine weitere Anmerkung nçtig. In [7.3] macht Kant deutlich, dass wir das hçchste Wesen durch die Analogie nur denken und nicht nach einer Analogie erkennen kçnnen, wobei Letzteres bedeutete, dem hçchsten Wesen die Eigenschaften theoretisch beizulegen.35 Das theoretische Beilegen oder Erkennen nach der Analogie wre fr die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht erforderlich, um einzusehen, was die ,oberste Weltursache an sich‘ sei.36 Es ist etwas irritierend, dass Kant in [7.1] von einem Missverstndnis spricht, aber zwei Anmerkungen in [7.1] bis [7.3] macht, um dieses Missverstndnis auszurumen: 33 KU, 5: 456,23 – 30. 34 Dabei sind „diese Eigenschaften“ diejenigen Eigenschaften, die wir dem hçchsten Wesen als moralischem Welturheber, der eine entsprechende Kausalitt hat, zusprechen mssen. Dass Kant damit die Eigenschaften Verstand und Wille meint, die notwendige Eigenschaften eines moralischen Vernunftwesens sind, wird in [7.6] deutlich. 35 Das „die“ kçnnte sich sowohl auf die ,Eigenschaften‘ des hçchsten Wesens als auch auf die ,Analogie‘ beziehen. Es scheint aber keinen Sinn zu ergeben, dass man dem hçchsten Wesen eine Analogie theoretisch oder anders beilegt. Man denkt oder erkennt etwas nach einer Analogie, aber legt eine Analogie nicht einem Gegenstand bei, weil der Gegenstand selbst Bestandteil der Analogie als Identitt von zwei Verhltnissen ist. Es wre seltsam, einem Gegenstand etwas beizulegen, wovon er selbst ein Teil ist. Dagegen spricht Kant in [7.5] und [7.6] mehrfach davon, dass man einem Gegenstand Eigenschaften beilegt. Deswegen ist es plausibel, auch hier davon auszugehen, dass es um das Beilegen von Eigenschaften geht – was im Fall des hçchsten Wesens jedoch nicht mçglich ist. 36 Vorlnder ergnzt [7.3] laut Klemme folgendermaßen: „denn das wre fr die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht unserer Vernunft nçtig, um, was die oberste Weltursache an sich sei, einzusehen“. Ich schließe mich dieser Interpretation der Bedeutung von „das wre fr die bestimmende Urteilskraft“ im Sinne von „das wre fr die bestimmende Urteilskraft nçtig“ an. Vgl. Kant 2009a, 389.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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(1) Wir kçnnen die Eigenschaften des hçchsten Wesens nur nach der Analogie denken. Das bedeutet, dass wir seine Natur, wovon uns die Erfahrung nichts hnliches zeigt, nicht erforschen kçnnen. (2) Wir kçnnen das hçchste Wesen durch die Analogie nur denken und nicht nach der Analogie erkennen und die Eigenschaften dem hçchsten Wesen theoretisch beilegen, wie es die bestimmende Urteilskraft in spekulativer Absicht unserer Vernunft vornehmen wrde. Das bedeutet, dass wir nicht einsehen kçnnen, was die oberste Weltursache an sich ist.
In der ersten Anmerkung geht es um den Status der Eigenschaften des hçchsten Wesens, whrend die zweite Anmerkung das hçchste Wesen selbst zum Thema hat. Worin genau besteht der Unterschied zwischen den beiden Anmerkungen? Htte es nicht ausgereicht, nur die erste Anmerkung zu machen? Ich mçchte diese Fragen im Rckblick auf den § 90 und die dortige Unterscheidung zwischen einem Denken nach der Analogie und einem Analogieschluss zu beantworten versuchen.37 In § 90 behauptet Kant, dass wir die Art und Weise, wie Tiere Ursachen ihrer Handlungen sind, nach der Analogie mit einem menschlichen Verstand denken kçnnen. Es ist jedoch nicht mçglich, darauf zu schließen, dass die Tiere tatschlich einen Verstand haben, weil sie nicht zur selben Gattung der Vernunftwesen wie wir Menschen gehçren, was wiederum Voraussetzung fr einen Analogieschluss wre. Dagegen kçnnen wir nach der Analogie denken und darauf schließen, dass Tiere wie wir Menschen nach Vorstellungen handeln. Wenn wir die Analogie zwischen Mensch und Tier in dieser Hinsicht konstruieren, ist ein Analogieschluss mçglich, weil beide zur selben Gattung der Sinnenwesen gehçren. Jeder Analogieschluss impliziert also ein Denken nach der Analogie. Aber nicht jedes Denken nach der Analogie impliziert einen Analogieschluss. Im Denken nach der Analogie wird eine Eigenschaft nach einer Analogie an einem Gegenstand vorgestellt, ohne dass dem Gegenstand diese Eigenschaft zugesprochen wird. Wir kçnnen uns die Art und Weise, wie Tiere Ursachen ihrer Handlungen sind, so vorstellen, als ob sie einen Verstand htten – obwohl wir wissen, dass bei Tieren kein Verstand, sondern ein Instinkt „Grund des tierischen Kunstvermçgens“ ist, wie es in § 90 heißt.38 Im Analogieschluss wird die analogisch vorgestellte Eigenschaft dem Gegenstand auch zugesprochen. Mittels der Analogie kçnnen
37 Vgl. dazu KU, 5: 464,10 – 41 sowie die Kapitel 1.2.2 bis 1.2.4. 38 KU, 5: 464,18.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
wir den Tieren die Eigenschaft des Nach-Vorstellungen-Handelns so zusprechen, wie wir uns Menschen diese Eigenschaft zusprechen.39 Der Unterschied zwischen dem Denken nach der Analogie und dem Analogieschluss ist also derjenige zwischen dem – wie Kant es mit Blick auf die Kausalitt des hçchsten Wesens in § 90 ausdrckt – ,Verbot‘, dem Gegenstand die Eigenschaft in der eigentlichen Bedeutung zuzusprechen, und der ,Erlaubnis‘, dem Gegenstand die Eigenschaft in der eigentlichen Bedeutung zuzusprechen, wobei Letzteres impliziert, dass wir auf diese Weise den Gegenstand theoretisch bestimmen.40 Angewandt auf die Anmerkungen zum Missverstndnis aus § 88 und die damit verbundenen Fragen bedeutet diese Unterscheidung, dass wir zunchst mit der ersten Anmerkung davon ausgehen, dass wir Gott nicht so bestimmen kçnnen wie Gegenstnde, von denen wir Anschauungen oder Erfahrung haben. Die erste Anmerkung macht den grundstzlichen Kontrast zwischen dem Denken von Eigenschaften nach der Analogie und der Erforschung der Natur von Gegenstnden bzw. der theoretischen Erkenntnis von Gegenstnden auf der Grundlage von Anschauungen deutlich. Das Missverstndnis, um das es im Fall der ersten Anmerkung geht, betrifft also die falsche Einschtzung von nach der Analogie gedachten Eigenschaften als Eigenschaften, mit denen wir die Natur Gottes erforschen kçnnten, so als ob wir Anschauungen von ihm htten.41 Dieses Missverstndnis auszurumen reicht aber nicht aus, um zu verhindern, dass wir auf anderem Wege versuchen, mit diesen Eigenschaften Gott theoretisch zu bestimmen. Es gibt ja, so scheint es, die Mçglichkeit, dass man auf die nach der Analogie an Gott gedachten Eigenschaften schließen kann, was bedeutet, dass wir ihm aufgrund dieses Schlusses die Eigenschaften doch theoretisch zusprechen kçnnen. Deswegen ist die zweite Anmerkung nçtig, die eben deutlich macht, dass keinerlei epistemologische Mçglichkeit offensteht, Gott theoretisch zu 39 Der epistemologische Status der Aussage, dass Tiere nach Vorstellungen handeln, ist jedoch ein anderer als der Status der entsprechenden Aussage ber Menschen. Wir wissen in unserem Fall auf eine andere Weise, was es bedeutet, nach Vorstellungen zu handeln, weil wir uns unserer Wirkungsart unmittelbar bewusst sind. Im Fall der Tiere gelangen wir nur aufgrund eines Analogieschlusses zu der entsprechenden berzeugung. 40 Vgl. dazu KU, 5: 465,19 – 23. 41 Dieses Missverstndnis wird Kant spter in § 88 als „Anthropomorphism“ bezeichnen. Auch in § 59 ist mit „Anthropomorphism“ dieses Missverstndnis gemeint.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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bestimmen.42 Wenn Kant betont, dass wir Gott nur nach der Analogie denken und ihn nicht nach der Analogie erkennen, will er genau dieses Schlupfloch einer theoretischen Beilegung von Prdikaten aufgrund eines Analogieschlusses verschließen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass wir auf keinerlei Weise einsehen kçnnen, was die oberste Weltursache an sich ist. Es ist – wie es in § 90 sinngemß heißt – epistemologisch verboten, Gott bestimmte Prdikate wie Verstand und Wille in ihrer eigentlichen Bedeutung beizulegen. Das in der zweiten Anmerkung behobene Missverstndnis betrifft also nicht den Status der Eigenschaften Gottes im Vergleich mit Eigenschaften von Gegenstnden der sinnlichen Anschauung, sondern die falsche Einschtzung der Reichweite der Analogie, mittels deren wir Eigenschaften an Gott denken. Sie reicht eben nicht wie beim Vergleich von Mensch und Tier bezglich des Handelns nach Vorstellungen so weit, dass wir nach der Analogie auf bestimmte Eigenschaften Gottes schließen und ihn auf diese Weise theoretisch erkennen kçnnen. Wir kçnnen die Eigenschaften, die wir nach der Analogie an ihm denken, eben nur nach der Analogie an ihm denken. Nachdem diese Unterscheidung und das ,leicht eintretende‘ Missverstndnis in seiner zweifachen Hinsicht erlutert wurde, kçnnen wir in der Interpretation des Textes fortfahren. In [7.4] grenzt Kant die Frage nach der Art der praktischen Realitt des hçchsten Wesens und seiner Eigenschaften, von dem Versuch ab, die oberste Weltursache theoretisch zu bestimmen: „[7.4] Hier aber ist es nur darum zu tun, welchen Begriff wir uns nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen von demselben [hçchsten Wesen, SM] zu machen, und ob wir seine Existenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine praktische Vernunft, ohne alle solche Voraussetzung, a priori nach allen Krften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur praktische Realitt zu verschaffen, d.i. nur eine beabsichtigte Wirkung als mçglich denken zu kçnnen.“43
Kant unterscheidet in Form von zwei indirekten Interrogativstzen, worum es ihm geht: (1) Welchen Begriff des hçchsten Wesens mssen wir uns nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen machen? (2) Mssen wir die Existenz des hçchsten Wesens annehmen, um einem Zweck, den uns reine praktische Vernunft – zunchst ohne Voraussetzung der Existenz eines hçchsten Wesens – a priori nach allen Krften zu bewirken 42 Die Frage, was es damit auf sich hat, dass dieses theoretische Beilegen etwas mit der bestimmenden Urteilskraft zu tun hat, kann dabei ausgeklammert werden. 43 KU, 5: 456,31 – 36.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
auferlegt, lediglich praktische Realitt zu verschaffen, was bedeutet, nur eine beabsichtigte Wirkung als mçglich denken zu kçnnen?
(1) fragt nach der Eigenart des Begriffs des hçchsten Wesens, den wir uns in Abhngigkeit von der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen zu machen haben. (2) fragt hingegen nach der Existenz dieses hçchsten Wesens, die wir hinsichtlich eines bestimmten Zwecks („um zu […] verschaffen“) annehmen. Dabei drfte aus den bisherigen Interpretationen zu § 88 klar geworden sein, dass es sich bei (2) um eine rhetorische Frage handelt, whrend (1) eine tatschlich noch genauer zu beantwortende Frage formuliert, deren Beantwortung mit dazu beitrgt, das ,leicht eintretende‘ Missverstndnis bezglich des epistemologischen Status der Eigenschaften Gottes zu vermeiden. Der Zweck der Annahme der Existenz eines hçchsten Wesens ist der moralische Endzweck, den uns die praktische Vernunft zu bewirken gebietet und dem durch die Annahme der Existenz des hçchsten Wesens ,gleichfalls nur praktische Realitt‘ verschafft werden soll. Die praktische Vernunft gebietet diese Verwirklichung des moralischen Endzwecks dabei ,ohne alle solche Voraussetzung‘, i. e. unabhngig vom mçglichen Dasein eines hçchsten Wesens.44 Dass wir dem moralischen Endzweck mit der Annahme der Existenz des hçchsten Wesens ,gleichfalls nur praktische Realitt‘ verschaffen, wird noch erlutert durch die Aussage, dass wir durch diese Annahme ,nur eine beabsichtigte Wirkung als mçglich‘ denken kçnnen. Dabei handelt es sich lediglich um eine ,nur praktische Realitt‘, weil der moralische Endzweck uns ohne jede andere Voraussetzung durch unsere praktische Vernunft geboten ist: So wie der moralische Endzweck durch reine praktische Vernunft dem Menschen zu bewirken auferlegt wird, so geht es auch nur darum, dem moralischen Endzweck praktische – und nicht etwa theoretische – Realitt zu verschaffen. Dem moralischen Endzweck nur praktische Realitt zu verschaffen, bedeutet wiederum, dass wir uns lediglich darum bemhen mssen, die Mçglichkeit eines mora-
44 Mit dieser Einschrnkung „ohne alle solche Voraussetzung“ stellt Kant klar, dass sich der Begriff eines moralischen Endzwecks allein aus dem moralischen Gesetz ergibt. Der Begriff eines hçchsten Wesens ist fr Kant in keiner Weise notwendig, um den Begriff eines moralischen Endzwecks zu definieren. Er kommt erst dann ins Spiel, wenn es darum geht, eine ,beabsichtigte Wirkung als mçglich‘ zu denken, also wenn es nicht um seine logische, sondern um seine ontologische Mçglichkeit geht.
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lischen Endzwecks als eine vom Menschen beabsichtigte Wirkung seiner Handlungen denken zu kçnnen.45 Die Aussagen (1) und (2) aus [7.4] stecken somit die Erwartungen ab, die wir nach Kant an die Gltigkeit und den Zweck des moralischen Beweises und den entsprechenden Begriff des hçchsten Wesens haben kçnnen: Die Annahme der Existenz des hçchsten Wesen hat ihren Zweck darin, dass wir dadurch die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks denken kçnnen. Dieser Zweck macht den moralischen Beweis zu einem in praktischer Rcksicht gltigen Beweis. Der Begriff, den wir uns vom hçchsten Wesen machen kçnnen, hngt von der ,Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ ab. Beide zusammen – die Annahme der Existenz, um dem moralischen Endzweck praktische Realitt zu verschaffen, und der Begriff, den wir uns nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen machen kçnnen – stellen das moralische Argument dar. Wir nehmen nicht irgendein hçchstes Wesen an, um die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks denken zu kçnnen, sondern ein hçchstes Wesen mit den Eigenschaften, die den moralischen Endzweck bzw. die beabsichtigte Wirkung mçglich machen. Die ,Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ kommt dabei auf zweifache Weise ins Spiel. Einerseits fordert die praktische Vernunft, dass der moralische Endzweck mçglich bzw. ausfhrbar sei, weswegen die Bedingungen – also auch ein moralischer Welturheber – dieser Ausfhrbarkeit ebenso wie der moralische Endzweck praktische Realitt haben.46 Andererseits ist ein solcher moralischer Welturheber kein Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, sondern eine Idee der reinen praktischen Vernunft, so dass eine theoretische Erkenntnis dieser Entitt nicht mçglich ist. Die ,Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ legt uns fr die Be45 Ich folge in der Frage, was praktische oder eine andere Realitt haben kann, dem Kant‘schen Sprachgebrauch. Allerdings gilt fr Kant, dass nicht Gegenstnde, sondern Begriffe oder Erkenntnisse objektive Realitt haben. Deswegen muss man sich hier hinzudenken, dass Kant die Vernunftidee des moralischen Endzwecks meint, der praktische Realitt verschafft werden soll. Entsprechend heißt es in § 91: „Dagegen ist der von uns zu bewirkende Endzweck, das, wodurch wir allein wrdig werden kçnnen, selbst Endzweck einer Schçpfung zu sein, eine Idee, die fr uns in praktischer Beziehung objektive Realitt hat, und Sache“. (KU, 5: 469,27 – 31). Vgl. dazu auch Kapitel 1.3.4. 46 In einem zuvor in diesem Unterkapitel zitierten Satz hatte Kant von der ,Beschaffenheit unseres Vernunftvermçgens‘ gesprochen, dass wir uns die Mçglichkeit eines moralischen Endzwecks ohne einen moralischen Welturheber nicht begreiflich machen kçnnen. Vgl. KU, 5: 455,32 – 37.
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stimmung des hçchsten Wesens durch Begriffe gewissermaßen auf die Methode der Analogie fest. Die sich daraus ergebende These ist, dass fr Kant die Annahme der Existenz eines hçchsten Wesens nach dem moralischen Argument und das analogische Denken dieses hçchsten Wesens mit den bestimmten Eigenschaften eines moralischen Welturhebers zwei Seiten derselben Medaille sind: Das hçchste Wesen, dessen Existenz wir nach dem moralischen Argument annehmen, kann nur mit den Eigenschaften eines moralischen Welturhebers, nmlich Verstand und Wille, analogisch gedacht werden.47 Dass diese Idee eines moralischen Welturhebers objektiv-praktische Realitt hat, impliziert auch, dass die Eigenschaften, die ein solcher moralischer Welturheber hat, praktische Realitt haben. Der aufschlussreiche Abschnitt aus § 88 endet folgendermaßen: „[7.5] Immerhin mag jener Begriff [des hçchsten Wesens, SM] fr die spekulative Vernunft berschwenglich sein; auch mçgen die Eigenschaften, die wir dem dadurch gedachten Wesen beilegen, objektiv gebraucht, einen Anthropomorphism in sich verbergen; die Absicht ihres Gebrauchs ist auch nicht, seine fr uns unerreichbare Natur, sondern uns selbst und unseren Willen danach bestimmen zu wollen. [7.6] So wie wir eine Ursache nach dem Begriffe, den wir von der Wirkung haben (aber nur in Ansehung ihrer Relation zu dieser), benennen, ohne darum die innere Beschaffenheit derselben durch die Eigenschaften, die uns von dergleichen Ursachen einzig und allein bekannt und durch Erfahrung gegeben werden mssen, innerlich bestimmen zu wollen; so wie wir z. B. der Seele unter anderen auch eine vim locomotivam beilegen, weil wirklich Bewegungen des Kçrpers entspringen, deren Ursache in ihren Vorstellungen liegt, ohne ihr darum die einzige Art, wie wir bewegende Krfte kennen (nmlich durch Anziehung, Druck, Stoß, mithin Bewegung, welche jederzeit ein ausgedehntes Wesen voraussetzen), beilegen zu wollen: – ebenso werden w i r e t w a s , das den Grund der Mçglichkeit und der praktischen Realitt, d.i. der Ausfhrbarkeit eines notwendigen moralischen Endzwecks enthlt, annehmen mssen; dieses aber, nach Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung, uns als ein weises, nach moralischen Gesetzen die Welt beherrschendes Wesen denken kçnnen, und der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen gemß als von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken mssen, um nur das Ve r h l t n i s dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum Objekte u n s e r e r praktischen Vernunft auszudrcken; ohne doch dadurch die einzige uns bekannte Kausalitt dieser Art, nmlich einen Verstand und Willen, ihm darum theoretisch beilegen, ja selbst auch nur die an ihm gedachte Kausalitt in Ansehung dessen, was f r u n s Endzweck ist, als in diesem Wesen selbst von der Kausalitt in Ansehung der Natur (und deren Zweckbestimmungen ber47 Deswegen werde ich im Folgenden nicht weiter zwischen „hçchstes Wesen“ und „moralischer Welturheber“ unterscheiden.
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haupt) objektiv unterscheiden zu wollen, sondern diesen Unterschied nur als subjektiv notwendig, fr die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermçgens und gltig fr die reflektierende, nicht fr die objektiv bestimmende Urteilskraft annehmen kçnnen.“48
Nachdem ich im nchsten Unterkapitel ausfhrlicher auf [7.5] eingehen werde, interessiert hier noch der nicht eben bersichtliche Satz [7.6]. Er sagt im Wesentlichen folgenden Vergleich zwischen dem Benennen einer Ursache (der Seele) nach der Analogie und dem Denken Gottes nach der Analogie aus: So wie wir der Seele eine bewegende Kraft beilegen, ohne der Seele die einzige Art, wie wir bewegende Krfte kennen (durch Anziehung, Druck etc.) beilegen zu wollen, ebenso mssen wir ein hçchstes Wesen annehmen, das wir nur als moralischen Welturheber denken kçnnen, ohne dadurch diesem Wesen die einzige uns bekannte Kausalitt dieser Art, nmlich Verstand und Willen, theoretisch beizulegen.
Kant will zunchst darauf hinweisen, dass wir auch in anderen Fllen Gegenstnden (wie der Seele) Eigenschaften zusprechen, diese Gegenstnde aber nicht ,in ihren inneren Eigenschaften‘ bzw. theoretisch bestimmen wollen. Das gilt nun auch fr die Annahme eines ,etwas‘, das den ,Grund der Mçglichkeit und der praktischen Realitt‘ des moralischen Endzwecks enthlt, den wir uns als moralischen Welturheber denken kçnnen. Außer diesem Vergleich enthlt der Satz noch einige aufschlussreiche Aussagen ber die Art und Weise der begrifflichen Bestimmung des moralischen Welturhebers. So differenziert Kant hier zwischen dem Denkenkçnnen dieses Etwas als eines moralischen Welturhebers nach der Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung und dem Denkenmssen dieses Etwas nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen als eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge, womit aber nur das Verhltnis dieses ,alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens‘ zum moralischen Endzweck ausgedrckt wird. Dieser Differenzierung zwischen einem Denkenmssen und einem Denkenkçnnen innerhalb des moralischen Arguments entspricht die Differenzierung der beiden Fragen (1) und (2), die in Satz [7.4] enthalten sind. Wir nehmen die Existenz dieses Etwas in der Hinsicht an, dass es den Grund der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks enthlt. Deswegen kçnnen wir uns dieses Etwas nur als einen moralischen Welturheber denken. Dieses nicht beliebige Denkenkçnnen folgt der Beschaffenheit der 48 KU, 5: 456,37 – 457,31.
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vom hçchsten Wesen erwarteten Wirkung, nmlich der Ermçglichung des moralischen Endzwecks. Die Eigenart des hçchsten Wesens als moralischer Welturheber hngt vom moralischen Argument ab. Damit allein ist jedoch noch nicht ausgesagt, welchen Status die Eigenschaften haben, die man dem hçchsten Wesen als moralischem Welturheber zuspricht. Dazu ist es nçtig, sich einen Begriff dieses moralischen Welturhebers zu machen, also festzustellen, was wir an und mit diesem moralischen Welturheber erkennen. Das wiederum bedeutet, dass die Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen ins Spiel kommt. Unsere Erkenntnisvermçgen lassen in diesem Fall nur eine ganz bestimmte Art und Weise zu, das hçchste Wesen als einen moralischen Welturheber zu denken. Dabei gehçrt der Finalsatz „um nur das Verhltnis […] auszudrcken“ zum Verstndnis dieser Art und Weise dazu, der sich so umformulieren lsst: Wir mssen uns dieses Etwas, das den Grund der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks enthlt, bzw. den moralischen Welturheber als eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken und zwar so und nur so, dass wir dadurch das Verhltnis dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum moralischen Endzweck ausdrcken.
Es geht bei diesem Denkenmssen des hçchsten Wesens also um die Bestimmung der Kausalitt des hçchsten Wesens nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen, was entsprechende Eigenschaften und eine bestimmte Weise der Zuschreibung dieser Eigenschaften impliziert. Der Begriff, den wir uns vom hçchsten Wesen zu machen haben und von dem hier in § 88 die Rede ist, ist der Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens. Wir finden hier wie in § 90 und in § 59 den Begriff der Kausalitt aus Vernunft, den wir auf Gott analogisch anwenden kçnnen, im Zentrum von Kants philosophischer Theologie. Das hçchste Wesen muss bestimmte Eigenschaften haben, die der Ermçglichung des moralischen Endzwecks entsprechen. Wir brauchen, um den moralischen Endzweck als mçglich denken zu kçnnen, also nicht irgendein hçchstes Wesen, sondern ein bestimmtes. Obwohl wir das hçchste Wesen somit auf eine bestimmte Weise, nmlich als ein Wesen, das eine Kausalitt aus Vernunft im Verhltnis zur Natur und zu uns Menschen hat, denken mssen, kçnnen wir dem hçchsten Wesen die entsprechenden Eigenschaften, Verstand und Willen, nicht auf theoretische Weise zuschreiben; wir kçnnen ber den moralischen Welturheber und seine Eigenschaften nicht so sprechen, wie wir ber Tische oder Handmhlen sprechen. Indem wir dem hçchsten Wesen die ,einzige uns bekannte Kausalitt dieser Art‘, die nçtig ist, um sich einen
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moralischen Welturheber denken zu kçnnen, zusprechen, mssen wir uns bewusst sein, dass wir mit diesem Zuschreiben einer bestimmten Kausalitt nur das Verhltnis von hçchstem Wesen und moralischem Endzweck ausdrcken und keine Aussage ber das hçchste Wesen an sich bzw. ber seine Natur machen.49 Die Aussage des Finalsatzes lsst sich somit folgendermaßen rekonstruieren: Wir mssen uns den moralischen Welturheber als eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken und zwar so und nur so, dass wir dadurch das Verhltnis dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum moralischen Endzweck ausdrcken.
Die Rede von einem ,Verhltnis‘ erinnert natrlich an die Methode der Analogie. Wenn eine Analogie eine Identitt von Verhltnissen ist, dann kçnnen wir im vorliegenden Fall die Eigenschaften Verstand und Wille deswegen nach der Analogie an Gott denken, weil die beiden Verhltnisse der Analogie identisch sind. Die hier im Hintergrund stehende Analogie lsst sich aus [7.6] gewinnen. Es ist die Analogie zwischen einer obersten Weltursache im Verhltnis zum ,Objekt unserer praktischen Vernunft‘ und dem Menschen im Verhltnis zu seinen zweckmßigen Produkten in der Welt. Weil wir also die Kausalitt aus Vernunft, die wir bei uns Menschen kennen, mittels einer Analogie an Gott denken kçnnen, drcken die entsprechenden Eigenschaften, die wir Gott nach dieser Analogie beilegen, das Verhltnis Gottes zum moralischen Endzweck aus, das mit dem Verhltnis zwischen dem Menschen und seinen zweckmßigen Produkten identisch ist.50 An dieser Stelle wird also erneut deutlich, wie eng das moralische Argument und die Methode der Analogie miteinander verbunden sind. Die Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen zwingt uns den Gedanken auf, dass Gott eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge ist. Sie lsst uns diesen Gedanken allerdings nur so fassen, dass wir das hçchste Wesen als moralischen Welturheber in Analogie zum Menschen und seinem zweckmßigen Handeln denken.
49 Ich gehe in Kapitel 2.3.1 noch auf einen Text aus den Prolegomena ein, in dem eine zentrale These lautet, dass wir das hçchste Wesen als personales hçchstes Wesen nur im Verhltnis zu unserer Sinnenwelt denken und dabei nur das Verhltnis selbst bestimmen kçnnen. 50 Kant spricht von der „einzigen uns bekannten Kausalitt dieser Art, nmlich Verstand und Willen“ mit Blick auf das Verhltnis des moralischen Welturhebers zum Objekt unserer praktischen Vernunft.
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Ich mçchte hier kurz auf ein Problem des Kant’schen Analogiebegriffs und seiner Anwendung in der philosophischen Theologie zu sprechen kommen, das bereits kurz im Kapitel 1.2.2 angeklungen ist. Es ist klar, dass wir das hçchste Wesen so denken kçnnen und mssen, dass wir ihm eine Kausalitt aus Vernunft nur nach einer Analogie zusprechen. Die Analogie, um die es hier geht, besteht in der Identitt („=“) zwischen dem Verhltnis des hçchsten Wesens zum moralischen Endzweck einerseits (UG : WG) und dem Verhltnis des Menschen zu seinen zweckmßigen Produkten andererseits (UM : WM). Wir denken das hçchste Wesen UG und seine Kausalitt UG : WG nach der Analogie UG : WG = UM : WM. Auf welche Weise erkennen oder denken wir jedoch die Identitt der Verhltnisse, also „=“?51 In Kapitel 1.2.2 habe ich die These aufgestellt, dass es zur Feststellung der Identitt der Verhltnisse ausreicht, dass die jeweiligen Wirkungen einander hnlich sind. Welchen genauen Status hat diese Feststellung der hnlichkeit von moralischem Endzweck und zweckmßigen menschlichen Produkten? Ergibt sich die Feststellung mçglicherweise daraus, dass der moralische Endzweck als Wirkung des hçchsten Wesens nicht irgendein Gegenstand, sondern das gebotene Objekt unserer praktischen Vernunft ist? Es klingt plausibel, dass es die moralische Teleologie ist, die Kant ab § 84 in der Methodenlehre der KU erlutert, auf deren Grundlage wir die hnlichkeit der Wirkungen nicht theoretisch, sondern praktisch feststellen.52 Denn die Tatsache, dass wir berhaupt eine solche Analogie auf51 Auch Bahr diagnostiziert dieses Problem bei Kant. Sie spricht von einer voranalogischen Seinsstruktur als Voraussetzung einer Proportionalittsanalogie. Allerdings stellt sie Kant angesichts dieser Beobachtung vor ein merkwrdiges Dilemma: Entweder gebe es ohne diese Identitt einer voranalogischen Seinsstruktur keinen Einstieg in die Analogiebildung oder das erste Teilverhltnis msse verstehbar sein, um dann das zweite Teilverhltnis bilden zu kçnnen. Das zweite Horn des Dilemmas, das Bahr diagnostiziert, ist jedoch gerade Voraussetzung der Analogiebildung, wie meine Interpretation der fr die KU entscheidenden Stellen zum Analogiebegriff im Kapitel 1.2 gezeigt haben. Man kann eine Proportionalittsanalogie berhaupt nur dann bilden, wenn zumindest eines der Teilverhltnisse bekannt ist. Vgl. Bahr 2004b, 282 – 283. Langthaler geht im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der Kritik des spten Schelling an Kants Religionsphilosophie auf dieses Problem ein. Vgl. Langthaler 2004, 533 – 535. In systematischer Perspektive taucht das Problem bei der Frage auf, ob das analogische Sprechen ber einen Gegenstand nicht eine Art univoken Kern hat, der die Prdikation ermçglicht. Ich komme im Ausblick auf diese Frage zurck. 52 Beim Objekt unserer praktischen Vernunft bzw. beim moralischen Endzweck handelt es sich zunchst um eine Vernunftidee, die wir als eine ,beabsichtigte
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stellen, verdanken wir ja der reinen praktischen Vernunft, die uns etwas zu verwirklichen auferlegt, was ohne die Annahme der Existenz eines hçchsten Wesens nicht zu begreifen ist. Wenn Kant in [7.6] davon spricht, dass wir uns dieses hçchste Wesen ,nach Beschaffenheit der von ihm erwarteten Wirkung‘ nur als einen moralischen Welturheber mit entsprechender Kausalitt denken kçnnen und wir diese Wirkung von ihm erwarten, weil uns unsere praktische Vernunft sonst ein Objekt vorschreiben wrde, das keine praktische Realitt hat, dann unterstellen wir dem hçchsten Wesen eine Wirkung, die eigentlich unsere Wirkung sein sollte. Wir kçnnen uns aber unmçglich vorstellen, auf welche Weise die beiden Erfordernisse des moralischen Endzwecks, nmlich Sittlichkeit und Glckseligkeit, durch Naturursachen miteinander verknpft werden kçnnten. Nach ,dem bloßen Naturbegriffe von der Welt‘ sind wir Menschen nicht in der Lage, das unbedingte Gebot der praktischen Vernunft zu befolgen, den moralischen Endzweck in der Welt zu verwirklichen.53 Wir Menschen als moralische Subjekte kçnnen also gewissermaßen nicht anders, als davon auszugehen, dass es eine Entitt gibt, welche das prinzipiell verwirklichen kann, wozu wir Menschen nicht in der Lage sind, was aber ausfhrbar sein muss, damit wir uns als moralische Vernunftwesen verstehen kçnnen. Die hnlichkeit der Wirkungen der beiden Verhltnisse UG : WG und UM : WM, wodurch es erst mçglich wird, von einer Identitt der Verhltnisse und damit von einer Analogie zu sprechen, wird also durch die praktische Vernunft infolge der moralischen Teleologie und der praktischen Notwendigkeit, den moralischen Endzweck als mçglich denken zu kçnnen, festgestellt oder besser: unterstellt.54 Ich komme im Ausblick noch einmal auf dieses Thema zurck. In diesem Unterkapitel sollte der Hintergrund der Rede von einer „praktischen Bestimmung“ dessen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet, in Wirkung‘ unserer Handlungen annehmen, zu deren praktischer Realitt wir aber eben die Existenz eines hçchsten Wesens annehmen mssen. 53 Vgl. dazu erneut die Rede vom Hindernis des Unvermçgens, den moralischen Endzweck nach dem Naturbegriff von der Welt zu verwirklichen. Vgl. KU, 5: 456,6 – 8. 54 Auch White geht auf die Frage ein, wie die vollkommene hnlichkeit der Verhltnisse in der Analogie zwischen gçttlicher und menschlicher Kausalitt zu verstehen ist. Er kommt zu einem hnlichen Ergebnis wie diese Studie, wonach das Entscheidende ist, dass die jeweiligen Verhltnisse der Analogie in rein kausalen Begriffen ausgesagt werden. Allerdings geht er nicht auf den Ursprung dieser Analogie in der praktischen Vernunft ein, welcher erst deutlich macht, wie wir die hnlichkeit der Wirkungen gçttlicher und menschlicher Kausalitt feststellen kçnnen. Vgl. White 2010, 131 – 134.
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einem ersten Schritt ein wenig ausgeleuchtet werden. Es ist davon auszugehen, dass das moralische Argument fr die Existenz eines moralischen Welturhebers, wie Kant es in der Methodenlehre der KU erçrtert, wichtige Hinweise fr die Interpretation von KU § 59 [4.8] geben kann. Ich habe somit versucht, in aller Krze das moralische Argument und seine weitere Diskussion mit Blick auf den Begriff und die Eigenschaften eines hçchsten Wesens darzustellen und zu interpretieren. Unsere praktische Vernunft gebietet uns kategorisch, uns die Idee eines moralischen Endzwecks zum Objekt aller unserer Handlungen zu machen. Damit der moralische Endzweck mçglich ist, muss man die Existenz eines Etwas annehmen, das die beabsichtigte Wirkung, den moralischen Endzweck, mçglich bzw. ausfhrbar macht. Entsprechend kçnnen wir uns dieses Etwas nur als einen moralischen Welturheber denken, der die Ausfhrbarkeit dieses Endzwecks gewhrleistet. Wir mssen ihn uns allerdings ,nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ auf eine bestimmte Weise denken: als eine von der Natur unterschiedene Ursache, die wir aber nur analogisch als eine Kausalitt aus Vernunft denken kçnnen. Den Begriff, den wir uns von diesem Wesen vor dem Hintergrund des moralischen Arguments machen, ist also der Begriff eines hçchsten Wesens mit einer bestimmten Kausalitt: der Begriff eines moralischen Welturhebers. Dieser Begriff und die Eigenschaften, die mit ihm verbunden sind, nmlich Verstand und Wille, dienen jedoch nicht zu einer theoretischen Erkenntnis dieses hçchsten Wesens. Die Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen lsst nur zu, diese Eigenschaften nach der Analogie an ihm zu denken. Auch eine theoretische Erkenntnis auf der Grundlage eines Analogieschlusses ist nicht mçglich. Das moralische Argument fr die Existenz eines moralischen Welturhebers ist also hinsichtlich der Mçglichkeit des Denkens der Eigenschaften dieses moralischen Welturhebers eng mit der Methode der Analogie verbunden. Das folgende Unterkapitel wird das Verstndnis der Rede von der ,praktischen Bestimmung‘ dessen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet, weiter vertiefen.
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2.2.3 Die moralisch-existentielle Bedeutung der praktischen Erkenntnis Gottes In [7.5] spricht Kant zunchst ber den Begriff des hçchsten Wesens, den wir uns nach der ,Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ zu machen haben. „[7.5] Immerhin mag jener Begriff [des hçchsten Wesens, SM] fr die spekulative Vernunft berschwenglich sein; auch mçgen die Eigenschaften, die wir dem dadurch gedachten Wesen beilegen, objektiv gebraucht, einen Anthropomorphism in sich verbergen; die Absicht ihres Gebrauchs ist auch nicht, seine fr uns unerreichbare Natur, sondern uns selbst und unseren Willen danach bestimmen zu wollen.“55
Kant gesteht zu, dass der Begriff des hçchsten Wesens fr die spekulative Vernunft ,berschwenglich‘ ist. Damit bezieht sich Kant bereits auf den Begriff des hçchsten Wesens, wie wir ihn nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen bestimmen kçnnen und mssen: Der Begriff des hçchsten Wesens ist eine Vernunftidee, die nur in praktischer Rcksicht objektive Realitt hat und auch nur in dieser praktischen Rcksicht zu bestimmen ist. Deswegen ist der Begriff fr die spekulative bzw. theoretische Vernunft ,berschwenglich‘. Kant gesteht des Weiteren zu, dass die Eigenschaften, die wir dem durch den entsprechenden Begriff („dadurch“) gedachten Wesen beilegen, ,einen Anthropomorphism in sich verbergen‘, wenn man sie objektiv gebraucht. Mit dieser Formulierung meint Kant, dass derjenige, der diese Eigenschaften objektiv gebraucht, mçglicherweise nicht merkt, dass er die Eigenschaften anthropomorph missversteht. Der objektive, anthropomorphistische Gebrauch der Eigenschaften besteht darin, dass wir die fr uns unerreichbare Natur des hçchsten Wesens bestimmen wollen. Allerdings ist ein objektiver Gebrauch dieser Eigenschaften nicht beabsichtigt, was schon aus [7.1] und [7.2] ersichtlich wurde: Die Eigenschaften des hçchsten Wesens nur nach einer Analogie denken zu kçnnen, impliziert fr Kant bereits, dass wir mittels der so gedachten Eigenschaften zu keiner theoretischen Erkenntnis des hçchsten Wesens kommen. Warum spricht Kant hier von einer „Absicht des Gebrauchs“? Im vorigen Satz hieß es – in Form einer rhetorischen Frage formuliert –, dass wir die Existenz eines hçchsten Wesens annehmen, um dem moralischen Endzweck praktische Realitt zu verschaffen. Ich habe dieses „um […] zu verschaffen“ so interpretiert, dass damit der Zweck der Annahme der 55 KU, 5: 456,37 – 457,5.
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Existenz des hçchsten Wesens ausgedrckt wird. Man kann jedoch anstatt von einem „Zweck“ auch von einer „Absicht“ sprechen, die hinter der Annahme der Existenz eines hçchsten Wesens steht. Es handelt sich dabei genauer um eine Absicht der reinen praktischen Vernunft, welche bestimmte Bedingungen der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks – nmlich u. a. einen moralischen Welturheber – annehmen muss. Genau zu dieser Absicht der praktischen Vernunft werden die Eigenschaften gebraucht, also entsprechend der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen bestimmt. Diese Absicht besteht nun nicht darin, durch die Eigenschaften etwas ber die Natur des hçchsten Wesens oder darber, was es an sich ist, auszusagen. Sie besteht vielmehr darin, ,uns selbst und unseren Willen danach bestimmen zu wollen‘. Damit formuliert Kant, was es bedeutet, dass wir uns im Ausgang vom moralischen Argument einen entsprechenden Begriff vom hçchsten Wesen machen. Die Pointe an dieser Art der Bestimmung ist, dass wir nicht den Gegenstand, also Gott selbst bestimmen, indem wir ihm bestimmte Eigenschaften nach der Analogie zusprechen. Wir legen Gott diese Eigenschaften vielmehr bei, um ,uns selbst und unseren Willen‘ zu bestimmen. Wie lsst sich diese Formulierung verstehen, dass wir uns selbst und unseren Willen bestimmen, indem wir Gott bestimmte Eigenschaften nach einer Analogie beilegen? Die Grundlage fr ein Verstndnis dieser Formulierung ist, dass wir die Existenz des hçchsten Wesens annehmen, um dem moralischen Endzweck als der beabsichtigten Wirkung unserer Handlungen praktische Realitt zu verschaffen. Durch das moralische Argument und die mit ihm verbundene Annahme der Existenz eines moralischen Welturhebers ist der moralische Endzweck als unbedingtes Gebot der reinen praktischen Vernunft fr den Menschen mçglich. Wir kçnnen uns also den moralischen Endzweck zum Objekt unserer Handlungen machen. Indem wir die Existenz eines moralischen Welturhebers und seiner analogisch gedachten Eigenschaften Verstand und Wille annehmen, bestimmen wir uns selbst als moralische Vernunftwesen, die sich durch reine praktische Vernunft das Gesetz und den Endzweck ihrer Handlungen vorschreiben lassen kçnnen; wir bestimmen durch diese Annahme unseren Willen, sofern das, was uns die praktische Vernunft in der Welt zu befçrdern vorschreibt, nun tatschlich als in der Welt mçglicher Endzweck aller unserer Handlungen gewhrleistet ist. Damit liegen auf den ersten Blick zwei Bedeutungen von „bestimmen“ vor: Einerseits bestimmen wir Eigenschaften des hçchsten Wesens und genauer: das Verhltnis zwischen hçchstem Wesen und Welt oder mora-
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lischen Endzweck; andererseits bestimmen wir ,uns selbst und unseren Willen‘. Die letztere Verwendung lsst sich in ihrer Bedeutung allerdings problemlos an die erste Verwendung anbinden. Wenn wir einen Gegenstand bestimmen, dann sprechen wir ihm nicht-beliebige Eigenschaften zu. In gewisser Hinsicht sprechen wir uns und unserem Willen auch nichtbeliebige Eigenschaften zu, wenn wir ,uns selbst und unseren Willen‘ mittels der analogisch gedachten Eigenschaften des hçchsten Wesens bestimmen. Denn wir sprechen uns hier die Eigenschaft zu, dass der unbedingt gebotene moralische Endzweck unseres Handelns von uns prinzipiell verwirklicht werden kann, und dass unsere praktische Vernunft uns somit etwas anzustreben auferlegt, was fr uns als endliche, moralische Vernunftwesen mçglich ist. An dieser Stelle kann man die Aussage aus KU, § 88, dass wir uns selbst und unseren Willen durch den Gebrauch der nach der Analogie an Gott gedachten Eigenschaften bestimmen, mit dem ersten Teil von § 59 [4.8] bzw. mit (A*) ins Gesprch bringen: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands – Was ist die Natur des Gegenstands? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Die berlegungen zum moralischen Argument und zu KU, § 88 kçnnen zu verstehen helfen, was Kant in § 59 mit der „praktischen Bestimmung“ meint. Folgende Interpretation bietet sich an: Indem wir mittels des moralischen Arguments zu einem Begriff Gottes mit bestimmten Eigenschaften gelangen, beantworten wir die Frage, was die Idee Gottes fr uns als moralische Vernunftwesen bedeutet; denn was Gott an sich oder seiner Natur nach sei, kçnnen wir mittels des moralischen Arguments gerade nicht bestimmen. Und wir beantworten mittels des moralischen Arguments und des sich daraus ergebenden Begriff Gottes auch die Frage, was der zweckmßige Gebrauch der Idee Gottes ist; denn das moralische Argument dient ja gerade dem Zweck oder der Absicht, durch die Annahme der Existenz eines moralischen Welturhebers dem moralischen Endzweck praktische Realitt zu verschaffen. Außerdem lsst sich die Rede von der „praktischen Bestimmung“ von § 88 [7.5] her interpretieren. Praktisch zu bestimmen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet, heißt demnach, dass wir uns selbst und unseren Willen mittels der Annahme eines moralischen Welturhebers bestimmen, dem wir nach der Analogie bestimmte Eigenschaften zusprechen.
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Es wird somit immer deutlicher, dass es bei der praktischen Bestimmung in § 59 [4.8] nicht um eine praktische Bestimmung Gottes geht, sondern um uns Menschen als moralische Vernunftwesen im Verhltnis zu Gott und damit um eine Bestimmung dieses Verhltnisses. Da Kant in § 59 [4.8] die praktische Bestimmung als Frage danach versteht, was die Idee Gottes ,fr uns‘ bedeutet, kann man auch einen Zusammenhang zur Rede von einer Erkenntnis ,fr uns‘ in der Methodenlehre der KU herstellen. „Wenn wir bloß auf die Art sehen, wie etwas f r u n s (nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskrfte) Objekt der Erkenntnis (res cognoscibilis) sein kann: so werden alsdann die Begriffe nicht mit den Objekten, sondern bloß mit unseren Erkenntnisvermçgen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen Vorstellung (in theoretischer oder praktischer Absicht) machen kçnnen, zusammengehalten; und die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei oder nicht, ist keine Frage, die die Mçglichkeit der Dinge selbst, sondern unserer Erkenntnis derselben angeht.“56
Der § 91 der Methodenlehre hat, nachdem im § 90 erlutert wurde, wie man die berzeugung vom Dasein eines moralischen Welturhebers nicht zu verstehen hat, die berzeugung vom Dasein eines moralischen Welturhebers als eines moralischen Glaubens zum Thema. Kant rechnet dabei ausschließlich den moralischen Endzweck und seine Bedingungen, also den moralischen Welturheber und die Unsterblichkeit der Seele, zu den Glaubenssachen. Mit dem ersten, gerade zitierten Absatz bereitet Kant den Leser darauf vor, dass er im Folgenden den moralischen Glauben als eine bestimmte Form von Erkenntnis versteht. Wichtig fr diese bestimmte Form von Erkenntnis ist, dass wir ,bloß auf die Art sehen, wie etwas fr uns (nach der subjektiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskrfte) Objekt der Erkenntnis […] sein kann‘. Das bedeutet konkret, dass die Begriffe, die wir auf die Objekte anwenden, mittels deren wir also etwas an den Objekten erkennen wollen, nicht mit den Objekten ,zusammengehalten‘, i. e. dass die Begriffe in ihrer Aussagekraft nicht daran gemessen werden, was sie an dem Gegenstand selbst erkennen lassen. Wenn wir auf die Art sehen, wie etwas fr uns Objekt der Erkenntnis sein kann, vergleichen wir die Begriffe lediglich mit unseren Erkenntnisvermçgen und dem Gebrauch, den die Erkenntnisvermçgen von der gegebenen (begrifflichen) Vorstellung machen kçnnen. Wir messen die Aussagekraft der Begriffe also daran, was sie fr unser Erkenntnisvermçgen leisten und welche Bedeutung der Gebrauch der ent56 KU, 5: 467,4 – 11.
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sprechenden Vorstellungen fr unser Erkenntnisvermçgen hat. Dadurch bekommt auch die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei oder nicht, eine neue Bedeutung. Sie betrifft nicht die Mçglichkeit der Dinge selbst, sondern nur unsere Erkenntnis der Dinge. Etwas ist also dann ein erkennbares Wesen, wenn die ,subjektive Beschaffenheit unserer Vorstellungskrfte‘ uns dieses Wesen als ein Objekt der Erkenntnis gewissermaßen vorsetzt. Dieses Vorsetzen eines Objekts der Erkenntnis kommt nun insbesondere der praktischen Vernunft zu. In einem spteren Teil von § 91 bezeichnet Kant das hçchste Gut bzw. den moralischen Endzweck und die Bedingungen der Mçglichkeit dieser gebotenen Wirkung, also einen moralischen Welturheber und die Unsterblichkeit der Seele, als „Glaubenssachen“ und somit als Ideen, „die fr uns in praktischer Beziehung objektive Realitt“ haben.57 Allerdings erlutert Kant hier in diesem ersten Absatz aus § 91 in einer Klammer, dass man in ,theoretischer oder praktischer Absicht‘ Gebrauch von den Begriffen machen kçnne, mittels deren wir das Objekt erkennen wollen. Es scheint also so zu sein, dass nicht nur in praktischer, sondern auch in theoretischer Perspektive etwas ,fr uns‘ Objekt der Erkenntnis sein kann. Wir mssen somit zwischen einer „Erkenntnis fr uns“ als Oberbegriff einerseits und einer „Erkenntnis fr uns in praktischer Absicht“ und einer „Erkenntnis fr uns in theoretischer Absicht“ als Unterbegriffen andererseits unterscheiden.58 Diese berlegungen zur Rede von einer Erkenntnis ,fr uns‘ zeigen eine Mçglichkeit auf, die beiden in § 59 [4.8] unterschiedlichen Verwendungsweisen von „Bestimmung“ oder „bestimmen“ einander zuzuordnen. Demnach wrde es sich bei der theoretischen Bestimmung des Gegenstands, wie der Nebensatz auch verdeutlicht, um eine Erkenntnis ,an sich‘ bzw. der Natur des jeweiligen Gegenstands handeln, whrend die praktische Bestimmung auf eine Erkenntnis ,fr uns‘ hinausluft, was sich mit der im Nebensatz formulierten Frage nach der Bedeutung der Idee fr uns und ihrem zweckmßigen Gebrauch deckt. 57 KU, 5: 469,10 – 14; 30 – 31. Dabei bezieht sich das Zitat zunchst nur auf die Idee des moralischen Endzwecks. Nachdem aber fr die Bedingungen der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks dasselbe gilt wie fr den moralischen Endzweck, kann man diese Aussage auf alle drei Ideen, die Glaubenssachen sind, beziehen. Vgl. zu der ganzen Thematik aus § 91 KU, 5: 469,1 – 470,18. 58 Ein Beispiel fr ein Objekt, das in theoretischer Absicht Objekt der Erkenntnis ,fr uns‘ ist, sind die transzendentalen Ideen, sofern man sie als regulative Begriffe der theoretischen Vernunft versteht.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Entscheidend ist nun, dass die Rede von einer theoretischen Bestimmung Gottes epistemologisch fr Kant nicht mçglich ist. Wir kçnnen Gott als Gegenstand nicht bestimmen, kçnnen und mssen aber von der Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermçgens her Gott ,als von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge‘ denken.59 Wenn wir Gott bestimmte Eigenschaften zusprechen, dann geht es nicht darum, eine Aussage ber ihn zu machen, sondern darum, dass wir dadurch etwas ber das Verhltnis Gottes zu uns als moralischen Vernunftwesen aussagen, was die Idee Gottes ,fr uns‘ bedeutet. Das aber heißt nichts anderes, als dass wir uns mit diesem Begriff eines moralischen Welturhebers als Vernunftwesen unter dem moralischen Gesetz und dem von ihm unbedingt gebotenen Objekt der reinen praktischen Vernunft verstehen kçnnen. Indem wir praktisch bestimmen, was die Idee Gottes fr uns und ihren zweckmßigen Gebrauch bedeutet, bestimmen wir uns selbst als moralische Vernunftwesen. Ich mçchte diese berlegungen zur Bedeutung von „praktische Bestimmung“ folgendermaßen zusammenfassen: Praktisch zu bestimmen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, bedeutet, auf der Grundlage des moralischen Arguments Gott analogisch als einen moralischen Welturheber mit Verstand und Willen zu denken und dadurch uns selbst und unseren Willen im Hinblick auf den moralischen Endzweck als dem gebotenen Objekt unserer praktischen Vernunft zu bestimmen.
Zwei weitere Textstellen aus der Methodenlehre, aus § 87 und eine Stelle aus § 91 kçnnen diese moralisch-existentielle Bedeutung der praktischen Erkenntnis des hçchsten Wesens ,fr uns‘ als einer Selbstbestimmung als moralische Vernunftwesen verdeutlichen: „Wir kçnnen also einen rechtschaffenen Mann (wie etwa den Spinoza) annehmen, der sich fest berredet hlt: es sei kein Gott und (weil es in Ansehung des Objekts der Moralitt auf einerlei Folge hinausluft) auch kein knftiges Leben; wie wird er seine eigene innere Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz, welches er ttig verehrt, beurteilen? Er verlangt von Befolgung desselben fr sich keinen Vorteil, weder in dieser noch in einer andern Welt; uneigenntzig will er vielmehr nur das Gute stiften, wozu jenes heilige Gesetz allen seinen Krften die Richtung gibt. Aber sein Bestreben ist begrenzt; und von der Natur kann er zwar hin und wieder einen zuflligen Beitritt, niemals aber eine gesetzmßige und nach bestndigen Regeln (so wie innerlich seine Maximen sind und sein mssen) eintreffende Zusammenstimmung zu dem Zwecke erwarten, welchen zu bewirken er sich doch verbunden und angetrieben fhlt. […] Den Zweck also, den dieser Wohlgesinnte in Befolgung der 59 Vgl. dazu erneut § 88 [7.6] bzw. KU, 5: 457,20 – 21.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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moralischen Gesetze vor Augen hatte und haben sollte, mßte er allerdings als unmçglich aufgeben, oder will er auch hierin dem Rufe seiner sittlichen inneren Bestimmung anhnglich bleiben und die Achtung, welche das sittliche Gesetz ihm unmittelbar zum Gehorchen einflçßt, nicht durch die Nichtigkeit des einzigen, ihrer hohen Forderung angemessenen idealischen Endzwecks schwchen (welches ohne einen der moralischen Gesinnung widerfahrenden Abbruch nicht geschehen kann): so muß er, welches er auch gar wohl tun kann, indem es an sich wenigstens nicht widersprechend ist, in praktischer Absicht, d.i. um sich wenigstens von der Mçglichkeit des ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen Begriff zu machen, das Dasein eines m o r a l i s c h e n Welturhebers, d.i. Gottes annehmen.“60 „Glaube (als habitus, nicht als actus) ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Frwahrhalten desjenigen, was fr das theoretische Erkenntnis unzugnglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des Gemts, das, was zur Mçglichkeit des hçchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen*; […] * Er ist ein Vertrauen auf die Verheißung des moralischen Gesetzes; aber nicht als eine solche, die in demselben enthalten ist, sondern die ich hineinlege, und zwar aus moralisch hinreichendem Grunde. Denn ein Endzweck kann durch kein Gesetz der Vernunft geboten sein, ohne daß diese zugleich die Erreichbarkeit desselben, wenn gleich ungewiß, verspreche und hiermit auch das Frwahrhalten der einzigen Bedingungen berechtige, unter denen unsere Vernunft sich diese allein denken kann.“61
In der ersten Stelle aus dem letzten Teil von § 87 fhrt Kant das Dilemma vor, in dem sich, seiner Meinung nach, ein ,rechtschaffener‘ Atheist befindet.62 Will er ein rechtschaffener Mensch sein, dann stçßt er in seinem Bestreben nach der Umsetzung des moralischen Endzwecks auf Grenzen, welche die Ausfhrbarkeit dieses gebotenen Zwecks fundamental in Frage stellen. Entweder gibt er nun den vom moralischen Gesetz gebotenen Zweck und damit seine Rechtschaffenheit als unmçglich auf; oder er bleibt dem ,Ruf seiner inneren sittlichen Bestimmung anhnglich‘ und nimmt in praktischer Absicht das Dasein eines moralischen Welturhebers an. Die ,Absicht des Gebrauchs‘ der Eigenschaften des hçchsten Wesens als eines moralischen Welturhebers hat also, obwohl wir dem hçchsten Wesen diese 60 KU, 5: 452,8 – 20; 452,30 – 453,5. 61 KU, 5: 471,3 – 8; 34 – 39. 62 Ein solcher ,rechtschaffener‘Atheist wre fr Kant jemand, der eine Ethik aus reiner praktischer Vernunft vertritt, also das moralische Gesetz ,ttig verehrt‘, aber dadurch auch an das unbedingt gebotene Objekt der reinen praktischen Vernunft, die Befçrderung des hçchsten Guts, gebunden ist.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Eigenschaften nicht theoretisch beilegen kçnnen, fundamentale Folgen fr unser Selbstverstndnis als moralische Vernunftwesen. Die zweite Stelle aus § 91 fhrt diese Folge des Gebrauchs der Eigenschaften des moralischen Welturhebers, um uns selbst und unseren Willen zu bestimmen, nher aus. Das Resultat dieses Gebrauchs ist ein Glaube als ein ,beharrlicher Grundsatz des Gemts‘, die Wahrheit der berzeugung anzunehmen, dass ein moralischer Welturheber existiert. In der dazugehçrigen Fußnote erlutert Kant diesen Begriff des Glaubens – in Anlehnung an den Begriff „fides“ aus der christlich-theologischen Tradition, wie sich im weiteren Verlauf der Fußnote herausstellt – als ein Vertrauen auf die ,Verheißung des moralischen Gesetzes‘, was man auch so interpretieren kann, dass man sich selbst in einem emphatischen Sinn als moralisches Vernunftwesen versteht. Die Methodenlehre der KU verortet die Bedeutung des moralischen Arguments fr die Existenz Gottes also klar in einer moralisch-existentiellen Dimension. Die Frage nach der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks der Schçpfung ist in gewisser Weise die Frage nach dem Sinn des Lebens, das fr Menschen immer das Leben eines moralischen Vernunftwesen ist. Das moralische Argument wirkt in dieser Frage zumindest sinnbegrndend, weil es zeigt, dass der unbedingt gebotene moralische Endzweck in der Welt mçglich ist. 2.2.4 Zwischenergebnis: Die praktische Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gott und dem moralischen Endzweck In den letzten drei Unterkapiteln habe ich versucht, unter Zuhilfenahme einiger Texte aus der Methodenlehre der KU den ersten Teil von § 59 [4.8] zu interpretieren. „[4.8] Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphism, so wie, wenn er alles Intuitive weglßt, in den Deism, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.“63
63 KU, 5: 353,2 – 12. Der Text der Meiner-Ausgabe weicht an zwei Stellen ortho-
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Den ersten Teil von [4.8] habe ich folgendermaßen rekonstruiert: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung des Gegenstands – Was ist die Natur des Gegenstands? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Mit einer „bloßen Vorstellungsart“ meint Kant hier die symbolische Hypotypose, von der er im unmittelbar vorhergehenden Satz [4.7] gesprochen hat. Die symbolische Hypotypose ist insofern eine ,bloße Vorstellungsart‘, als ihr kein Gegenstand einer Anschauung in der Welt entspricht und sie nur auf indirekte Weise einen Begriff darstellt.64 Die Formulierung „sondern der praktischen“ wird am besten so ergnzt und verstanden, dass es um die praktische Bestimmung geht, was die Idee des Gegenstands fr uns bedeutet und was der zweckmßige Gebrauch der Idee ist. Festzuhalten ist auch, dass Kant im zweiten Teil von [4.8] ber die Erkenntnis von „Gott“ spricht, whrend im ersten Teil, der eine Bedingung fr die Aussage des zweiten Teils formuliert, der Ausdruck „Gegenstand“ vorkommt.65 Somit ist es plausibel, dass man die Aussage (A*), die eine wichtige Bedingung fr die Aussage (B) enthlt, von (B) und der ,Erkenntnis von Gott‘ her lesen kann. Die Grnde zugunsten der Hypothese, dass [4.8] eine konkrete Aussage darber macht, dass wir praktisch bestimmen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet etc., werden in der Rckschau noch einmal klarer. Eine symbolische Vorstellungsart soll Prinzip der praktischen Bestimmung sein. Von einer solchen symbolischen Hypotypose ist im zweiten Teil von [4.8] indirekt die Rede, wenn Kant davor warnt, die als symbolisch bezeichnete Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand und Wille ,fr schematisch‘ zu nehmen.66 Kant ist der Auffassung, dass wir uns Gottes Eigenschaften Verstand und Wille symbolisch vorstellen kçnnen. Inwiefern ist nun diese symbolische Vorstellungsart des hçchsten Wesens mit den graphisch vom Text der Akademie-Ausgabe ab. In 353,7 steht nach „symbolisch“ ein Semikolon und kein Komma. In 353,11 steht nach „Absicht“ ein Komma. 64 Vgl. dazu Kapitel 2.2.1. 65 So konkret der zweite Teil von [4.8] also ber die Erkenntnis eines bestimmten Gegenstands spricht, so allgemein ist hingegen der erste Teil von [4.8] bzw. (A*) gehalten. Diesen Umstand habe ich so gedeutet, dass die verallgemeinerte Aussage von [4.8], dass man eine symbolische Vorstellungsart, wenn sie Prinzip der praktischen Bestimmung ist, Erkenntnis und noch genauer: symbolische Erkenntnis nennen darf, nicht nur fr Gott gilt. 66 Auf den zweiten Teil des Satzes gehe ich in Kapitel 2.2.5 ein.
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Eigenschaften Verstand und Wille ein Prinzip der praktischen Bestimmung?67 Ich mçchte die Rede von der symbolischen Vorstellungsart als „Prinzip“ der praktischen Bestimmung so verstehen, dass die symbolische Vorstellungsart des hçchsten Wesens als eine Implikation der Analogie zur praktischen Bestimmung dessen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, dazugehçrt. In der Interpretation zu § 88 im Kapitel 2.2.2 wurde ein enger Zusammenhang des moralischen Arguments mit der Methode der Analogie festgestellt. Eine wichtige Aussage aus diesem § 88 habe ich so rekonstruiert: Wir mssen uns den moralischen Welturheber als eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken und zwar so und nur so, dass wir dadurch das Verhltnis dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum moralischen Endzweck ausdrcken.68
Wenn wir Gott nach einer Analogie denken und ihm auf diese Weise Eigenschaften zusprechen, dann drcken wir genau dieses Verhltnis zwischen Gott und dem moralischen Endzweck aus, das eines der beiden Verhltnisse der Analogie ist.69 Von diesem Verhltnis zwischen Gott und moralischem Endzweck ist auch die Rede, wenn wir uns mit § 59 [4.8] fragen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und worin ihr zweckmßiger Gebrauch liegt. Indem wir diese beiden Fragen beantworten, bestimmen wir das Verhltnis zwischen Gott und unserem moralischen Endzweck. Denn der zweckmßige Gebrauch der Idee Gottes und ihre Bedeutung fr uns bestehen darin, uns das hçchste Wesen so zu denken, dass es dem moralischen Endzweck praktische Realitt verschafft bzw. dass wir ihn uns als mçglich denken kçnnen. Deswegen bestimmen wir das Verhltnis als das einer Kausalitt aus Vernunft, was seinen Ausdruck aber nur in Form eines analogischen Denkens dieser Kausalitt am hçchsten Wesen finden kann. Sofern sich aus dieser Analogie entsprechende symbolische Vorstellungen des Verstandes und des Willens Gottes ergeben, kann man nun behaupten, dass die symbolische Vorstellungsart grundlegend zur prakti67 Ich verstehe den Ausdruck „Prinzip“ dabei in diesem Kontext in einem nichttechnischen Sinn. Kant meint mit „Prinzip“ hier schlicht „Grundsatz“. Außerdem verstehe ich die Formulierung „Prinzip der praktischen Bestimmung des Gegenstands“ im Sinne eines Genetivus subjectivus. Die symbolische Vorstellungsart ist also nicht eine Art außenstehendes Prinzip fr die praktische Bestimmung, sondern gehçrt grundstzlich zur praktischen Bestimmung von Gegenstnden dazu. 68 Vgl. KU, 5: 457,15 – 23. 69 Das andere Verhltnis der Analogie ist das Verhltnis des Menschen zu seinen zweckmßigen Produkten. Vgl. dazu auch den Schluss von Kapitel 2.2.2.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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schen Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gott und dem moralischen Endzweck dazugehçrt. Man kann die Aussage, dass die symbolische Vorstellungsart als Prinzip zur praktischen Bestimmung dazugehçrt, auch als Kontrast zu einer Aussage im ersten Absatz von KU, § 59 deuten: „[1.4] Verlangt man gar, daß die objektive Realitt der Vernunftbegriffe, d.i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmçgliches, weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.“70
Die objektive Realitt von Vernunftbegriffen in theoretischer Rcksicht aufzuweisen, ist unmçglich, weil ihnen keine korrespondierenden Anschauungen gegeben werden kçnnen. Durch die Analogie und die symbolische Vorstellungsart wird diese Unmçglichkeit zwar nicht aufgehoben. Aber immerhin wird es dadurch mçglich, das Verhltnis zwischen einer Idee und uns als moralischen Vernunftwesen zu denken und auszudrcken. 71 Zwischen der theoretischen Bestimmung eines Gegenstands, die zu einer theoretischen Erkenntnis des Gegenstands ,an sich‘ fhrt, und der praktischen Bestimmung eines Verhltnisses, das eine praktische Erkenntnis dieses Verhltnisses ,fr uns‘ zur Folge hat, wird in § 59 [4.8] also klar unterschieden. Des Weiteren ist noch anzufgen, dass ich die Rede von der „praktischen Bestimmung“ auf dem Hintergrund einer Aussage aus § 88 interpretiert habe, dass wir ,uns selbst und unseren Willen‘ bestimmen, indem wir dem hçchsten Wesen die Eigenschaften Verstand und Wille zusprechen. Mit den §§ 88 und 91 im Hintergrund ließ sich eine Definition von „praktischer Bestimmung“ in § 59 finden: Praktisch zu bestimmen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, bedeutet, auf der Grundlage des moralischen Arguments Gott analogisch als einen moralischen Welturheber mit Verstand und Willen zu denken und dadurch uns selbst und unseren Willen im Hinblick auf den moralischen Endzweck als dem gebotenen Objekt unserer praktischen Vernunft zu bestimmen.
70 KU, 5: 351,18 – 22. 71 Pringe kommt in seiner Studie ebenfalls zu dem Ergebnis, dass wir mittels von Symbolen nur Verhltnisse zwischen dem symbolisierten Objekt und dem, was in der Anschauung gegeben ist, darstellen. Er kommt zu diesem Ergebnis allerdings durch eine Interpretation der KrV, ohne dabei nher auf KU, § 59 und die Methodenlehre der KU einzugehen. Vgl. Pringe 2007, 24 – 34.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Wir kçnnen durch die Analogie das hçchste Wesen nach der Analogie als einen moralischen Welturheber denken und gelangen so zu einer Erkenntnis Gottes ,fr uns‘; andererseits bestimmen wir dadurch eben nicht das hçchste Wesen, sondern einerseits das Verhltnis zwischen ihm und dem moralischen Endzweck und andererseits uns selbst, sofern wir durch das moralische Argument den moralischen Endzweck als mçglich denken kçnnen. Vor dem Hintergrund der berlegungen der letzten Seiten mçchte ich den ersten Teil von § 59 [4.8] bzw. (A*) noch einmal umformulieren: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung Gottes – Was ist die Natur Gottes? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Vier Punkte sind fr diese Zusammenfassung noch erwhnenswert. Zunchst hat die Aussage des ersten Teils von [4.8] offensichtlich die Struktur eines Konditionals oder Bikonditionals. Wenn eine symbolische Vorstellungsart Prinzip der praktischen Bestimmung etc. ist, dann kann man eine solche Vorstellungsart Erkenntnis nennen.
Kçnnen wir noch genauer sagen, ob das Antecedens nur eine hinreichende oder eine notwendige und hinreichende Bedingung formuliert? Auch hier kann wieder der Beginn von § 91 helfen.72 Kant unterscheidet dort zwischen einer Erkenntnis der Gegenstnde, was sie an sich sind, und einer Erkenntnis von Objekten fr uns. Eine Erkenntnis der Gegenstnde im ersteren Sinn entspricht ihrer ,theoretischen Bestimmung‘ in [4.8]. Wenn nun in [4.8] fr die ,bloße Vorstellungsart‘, die man Erkenntnis nennen darf, explizit ausgeschlossen wird, dass sie Prinzip der theoretischen Bestimmung von Gegenstnden sein kann, und nur die Alternative brig bleibt, dass sie Prinzip der praktischen Bestimmung ist, dann besteht darin die notwendige und hinreichende Bedingung dafr, dass man eine bloße, symbolische Vorstellungsart Erkenntnis nennen kann. Auch sachlich ist es plausibel, dass eine symbolische Vorstellungsart nur unter der Voraussetzung, dass es um eine praktische Bestimmung geht, eine Erkenntnisart ist. Denn in theoretischer Rcksicht sind korrespondierende Anschauungen die notwendige und hinreichende Bedingung, um einem Begriff objektive Realitt zu verschaffen.73 Es gibt also keine theoretische Erkenntnis eines 72 Vgl. KU, 5: 467,4 – 11 und zur Interpretation Kapitel 2.2.3. 73 Vgl. dazu Kapitel 1.3.
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Gegenstands ohne korrespondierende Anschauungen. Im Fall einer symbolischen Vorstellungsart, die Begriffe nur indirekt darstellt und ihnen keine korrespondierenden Anschauungen gibt, fehlt in theoretischer Rcksicht die entscheidende Bedingung, um von einer theoretischen Erkenntnis durch eine bloße Vorstellungsart sprechen zu kçnnen. Dass wir tatschlich von einer praktischen Erkenntnis Gottes ,fr uns‘ sprechen kçnnen, zeigt v. a. die folgende Stelle aus der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie auf den beiden letzten Seiten der Methodenlehre und somit der KU: „Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja muß ich mir wohl in gewisser anderer Rcksicht selbst ein bersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu wollen; wenn nmlich diese Bestimmung seiner Kausalitt eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige, aber fr Sinnenwesen unausfhrbare Absicht enthlt: da alsdann ein Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalitt mçglich ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch n u r i n R c k s i c h t a u f d i e s e (als moralische) alle erforderliche Realitt hat.“74
Mit dieser Stelle komme ich auf den zweiten erwhnenswerten Punkt zu sprechen: Die enge Verbindung von moralischem Argument, der Methode der Analogie und der praktischen Erkenntnis Gottes. Kant spricht hier hinsichtlich des moralischen Arguments ausdrcklich von einer ,Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie)‘. Diese Erkenntnis hat nur in praktischer Beziehung alle erforderliche Realitt und ist somit eine praktische Erkenntnis Gottes.75 Dabei handelt es sich genauer um eine Erkenntnis Gottes und seines Daseins ,durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalitt‘. Bereits in den ersten Zeilen des Zitats wird deutlich: Wenn die Bestimmung der Kausalitt eines hçchsten Wesens die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks betrifft, dann kçnnen und mssen wir uns sogar ein hçchstes Wesen in ,gewisser‘, also praktischer Rcksicht nach der Analogie mit einem Verstand denken. Drittens mçchte ich darauf hinweisen, dass Kant sowohl in § 88 als auch in der zuletzt zitierten Stelle aus der Allgemeinen Anmerkung deutlich macht, dass die fr ihn zentralen Eigenschaften des hçchsten Wesens mit 74 KU, 5: 484,31 – 485,3. 75 Als Bezugswort fr „welches“ kommt grammatikalisch außer „Erkenntnis“ noch „Dasein“ in Frage. Sachlich jedoch haben fr Kant Begriffe oder Erkenntnisse objektive Realitt, also Gegenstandsbezug. Vgl. zur praktischen Erkenntnis Gottes auch den Anfang der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie KU, 5: 475,9 – 23.
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der Kausalitt zusammenhngen, die wir ihm infolge der ihm unterstellten beabsichtigten Wirkung bzw. infolge des moralischen Endzwecks in praktischer Absicht zusprechen mssen. In § 88 hieß es dazu, dass wir dem hçchsten Wesen „die einzige uns bekannte Kausalitt dieser Art, nmlich einen Verstand und Willen“ nicht theoretisch beilegen, sondern mit dieser uns bekannten Kausalitt lediglich „das Ve r h l t n i s dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum Objekte u n s e r e r praktischen Vernunft“ ausdrcken.76 Auch in der Allgemeinen Anmerkung ist von der „Bestimmung seiner Kausalitt“ die Rede, weswegen wir das hçchste Wesen ,nach der Analogie mit einem Verstande‘ denken kçnnen. Die Eigenschaften Verstand und Wille tauchen im zweiten Teil von [4.8] ebenfalls auf. Auch fr § 59 ist also davon auszugehen, dass der Begriff von Gott, den Kant dort im Blick hat, der eines moralischen Welturhebers mit einer entsprechenden Kausalitt ist. Viertens ist noch anzumerken, dass fr die Rede von einer praktischen Erkenntnis Gottes hnliches gilt wie fr die Rede von einer praktischen Bestimmung Gottes. Es wird von Kant in dem Zitat ausgeschlossen, dass wir Gott durch die analogisch an ihm gedachten Eigenschaften theoretisch erkennen kçnnen. Entsprechend kann sich die durch die Bestimmung der Kausalitt des moralischen Welturhebers und der analogisch an ihm gedachten Eigenschaften mçgliche Erkenntnis nicht auf den Gegenstand Gott beziehen, sondern strenggenommen nur auf das Verhltnis zwischen Gott und uns Menschen. Die praktische Erkenntnis von Gott ist eine Erkenntnis unseres Verhltnisses als moralische Vernunftwesen zu Gott. 2.2.5 Warum ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch? In diesem und im nchsten Unterkapitel wird der zweite Teil von KU, § 59 [4.8] im Vordergrund stehen. „[4.8] Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstandes ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropo-
76 KU, 5: 457,21 – 24.
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morphism, so wie, wenn er alles Intuitive weglßt, in den Deism, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.“77
Dieser Satz wurde in zwei Teilstze unterteilt: (A) Wenn man eine bloße Vorstellungsart schon Erkenntnis nennen darf (welches, wenn sie ein Prinzip nicht der theoretischen Bestimmung des Gegenstands ist, was er an sich sei, sondern der praktischen, was die Idee von ihm fr uns und den zweckmßigen Gebrauch derselben werden soll, wohl erlaubt ist): (B) so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch, und der, welcher sie mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
(B) zerfllt in zwei durch ein „und“ miteinander verbundene Hauptstze: (B1): So ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch. (B2): Der, welcher die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
Dabei ist (B1) der Teil von (B), der syntaktisch an den vorigen Teil (A) von [4.8] anschließt. Im nchsten Unterkapitel werde ich (B2) inhaltlich genauer in den Blick zu nehmen. In diesem Unterkapitel mçchte ich zunchst (B1) in seinem syntaktischen Zusammenhang mit (A*) untersuchen: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung Gottes – Was ist die Natur Gottes? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen.
Fr diese Untersuchung verkrze ich (A*) entsprechend und fhre (A*) und (B1) zusammen: (A*B1): Wenn man eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis nennen darf (was erlaubt ist, wenn die symbolische Vorstellungsart Prinzip der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist): so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Ich hatte zu Beginn von Kapitel 2.2 schon darauf hingewiesen, dass die beiden Teile von [4.8] in einer Art konditionalem Zusammenhang mit77 KU, 5: 353,2 – 12.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
einander stehen, was die Formulierung „Wenn […]: So“ anzeigt. Wie genau ist dieser konditionale Zusammenhang zu verstehen? Welcher Gedankengang steht hinter diesem Satz? Ausgehend von der Rekonstruktion (A*B1) liegt folgender Gedankengang bzw. folgendes Argument nahe, das hinter dem Satz [4.8] zu stehen scheint: (1) Man darf eine symbolische Vorstellungsart, die ein Prinzip der praktischen Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gott und moralischem Endzweck ist, Erkenntnis nennen. (2) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist ein Prinzip der praktischen Bestimmung, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist. (3) Also ist all unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Interpretiert man (A*B1) auf diese Weise als Argument, wird zunchst deutlich, dass der Schluss von (1) und (2) eigentlich anders lauten msste: (3*) Also darf man die symbolische Vorstellungsart Gottes Erkenntnis nennen.
Daraus ergibt sich zunchst die Frage, ob das Argument, das hinter [4.8] steht, in der rekonstruierten Form gltig ist. Das scheint nicht der Fall zu sein. Denn aus (1) und (2) folgt nur, dass man die symbolische Vorstellungsart Gottes Erkenntnis nennen kann, was impliziert, dass eine bestimmte Erkenntnis von Gott bloß symbolisch ist. Es folgt aber nicht, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch ist. Es wird sich allerdings leicht zeigen lassen, durch welche Modifizierung das Argument gltig wird. Wenn wir Kant hier wohlwollend interpretieren, kçnnen wir es bei der Feststellung belassen, dass Kant sein Argument in [4.8] nur unvollstndig wiedergibt. Fr die Modifizierung des Arguments ist es nçtig, dass wir uns (B1) unabhngig von seiner syntaktischen Verknpfung mit (A*) etwas genauer ansehen. (B1): So ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Wenn Kant in (B1) davon spricht, dass ,alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch‘ sei, dann ergeben sich auf den ersten Blick drei erluterungsbedrftige Begriffe: ,Erkenntnis‘, ,alle unsere Erkenntnis von Gott‘ und ,bloß symbolisch‘. Der Ausdruck „Erkenntnis“ ist dabei am einfachsten zu verstehen. Da Kant in (A*) den Ausdruck bereits gebraucht hat, ist davon auszugehen, dass mit „Erkenntnis“ in (B1) dasselbe wie in (A*) gemeint ist. Bei der
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Interpretation des ersten Teils von [4.8] wurde deutlich, dass die Rede von einer theoretischen Bestimmung des Gegenstands auf eine theoretische Erkenntnis des Gegenstands ,an sich‘ hinausluft, whrend fr die praktische Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gott und uns gilt, dass wir diese Erkenntnis an einem anderen Maßstab messen mssen: Wir erkennen hier keinen Gegenstand, sondern das Verhltnis zwischen Gott und uns und bestimmen dadurch uns selbst als moralische Vernunftwesen.78 Diese Erkenntnisart bezeichnet Kant als eine Erkenntnis ,fr uns‘, weil wir diese Erkenntnisart danach bewerten mssen, wie etwas nach der ,subjektiven Beschaffenheit unserer Vorstellungskrfte‘ ein Objekt der Erkenntnis sein kann. Die praktische Erkenntnis Gottes, die sich aus dem moralischen Argument ergibt, ist insofern eine Erkenntnis Gottes ,fr uns‘, als wir uns wegen der ,Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermçgens‘ nur unter der Annahme eines moralischen Welturhebers die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks ,begreiflich‘ machen kçnnen.79 Diese ,subjektive Beschaffenheit‘ der Erkenntnis Gottes verleiht dieser Erkenntnis Realitt in praktischer Rcksicht und ist gleichzeitig der Grund dafr, dass bestimmte Eigenschaften, nmlich Verstand und Wille, analogisch erkannt werden. Kant meint in (B1) also eine praktische Erkenntnis von Gott, die bloß symbolisch sei.80 Allerdings betont Kant: ,all unsere Erkenntnis von Gott‘ sei bloß symbolisch. Auf welche Weise kommt diese All-Aussage in die Kant’sche Argumentation hinein? Zunchst scheint relativ klar zu sein, was Kant mit der All-Aussage meint: Es gibt keine Erkenntnis von Gott, die nicht bloß symbolisch ist. Es ist in den vorhergehenden Kapiteln bereits angeklungen, dass die fr Kant einzig mçgliche Erkenntnis von Gott, die dem hçchsten Wesen Realitt verschafft, eine praktische Erkenntnis nach der Analogie ist.81 Das wird am Schluss der KU in der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie noch einmal besonders deutlich.82 Die Frage, ob eine theoretische Erkenntnis von Gott symbolisch sein kçnnte, erbrigt sich fr Kant deswegen, weil wir auf theoretischem Wege zu keinerlei Form einer Erkenntnis eines personalen Welturhebers gelangen.83 Der Versuch einer 78 Vgl. dazu erneut den ersten Absatz von § 91 (KU, 5: 467,4 – 14), der in Kapitel 2.2.3 interpretiert wurde. 79 Vgl. dazu erneut KU, 5: 455,32 – 37. 80 Den Zusatz, dass es eine praktische Erkenntnis ,fr uns‘ ist, lasse ich weg, um die Darstellung nicht komplizierter zu machen. 81 Vgl. dazu Kapitel 2.2.2. 82 Vgl. KU, 5: 475,1 – 485,19. 83 Die Allgemeine Anmerkung ist eine zusammenfassende Darstellung, welche Bedeutung das moralische Argument fr das Dasein Gottes in der philosophischen
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theoretischen Bestimmung Gottes fhrt laut § 88 in einen Anthropomorphismus.84 Vor diesem Hintergrund ergnze ich das hinter KU, § 59 [4.8] stehende Argument auf folgende Weise: (1) Man darf eine symbolische Vorstellungsart, die ein Prinzip der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, Erkenntnis nennen. (2) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist ein Prinzip der praktischen Bestimmung, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist. (3*) Also darf man die symbolische Vorstellungsart Gottes Erkenntnis nennen. (4*) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist eine praktische Erkenntnis Gottes. (5*) Die praktische Erkenntnis Gottes ist die einzige Erkenntnis Gottes. (6*) Also ist die symbolische Vorstellungsart Gottes die einzige Erkenntnis Gottes. Theologie im Vergleich zu Gottesbeweisen aus der theoretischen Vernunft hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass alle Beweise, die von einem metaphysischen oder von einem physischen Naturbegriff und damit von der Mçglichkeit einer theoretischen Erkenntnis des hçchsten Wesens ausgehen, scheitern – allerdings aus verschiedenen Grnden. Der ontologische und der kosmologische Beweis, die von einem metaphysischen Naturbegriff ausgehen, scheitern zunchst an der „Sophisterei in beiden Schlssen“ (KU, 5: 476,11 – 12). Diese Bemerkung ist ein Hinweis auf Kants Auseinandersetzung mit diesen Argumenten in der KrV. Aber, so gesteht Kant zu, selbst wenn sich diese Argumente berzeugend vertreten ließen, kçnnten sie niemals ber die jeweiligen philosophischen Schulen hinaus Einfluss auf den ,gesunden Verstand‘ und das ,gemeine Wesen‘ haben. Kant ist also der Auffassung, dass diese Beweise zustzlich zu anderen Schwierigkeiten zu abstrakt und voraussetzungsreich sind, als dass sie auch ber die Gelehrtenkreise hinaus eingngig wren. Diese Eingngigkeit schreibt Kant dem physikotheologischen Argument, das von einem physischen Naturbegriffe ausgeht, durchaus zu. Das Problem des physikotheologischen Beweises besteht jedoch darin, dass man durch diese Argumentation nicht zum Begriff einer obersten Weltursache nach moralischen Gesetzen gelangt, die den Erfordernissen der moralischen Teleologie und der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks angemessen ist. Wir erhalten auf diesem Weg nur den unbestimmten Begriff eines hçchsten Wesens, das irgendwie durch einen Verstand Ursache der Naturordnung ist. Allein das moralische Argument ist nicht nur in hçchstem Maße eingngig, sondern fhrt auch zu einem Begriff des hçchsten Wesens, der fr eine Theologie und fr Religion tauglich ist (vgl. KU, 5: 480,37 – 481,24). Dabei fhrt es allerdings lediglich zu einer praktischen Erkenntnis bzw. einem moralischen Vernunftglauben bezglich des hçchsten Wesens. 84 Vgl. KU, 5: 456,37 – 457,5.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
261
(7) Also ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Die Aussagen (3*) bis (6*) sind notwendig zu ergnzen, damit man in (7) auf die Aussage, dass alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, gltig schließen kann. Angesichts der Tatsache, dass sich die Lcke im Argument inhaltlich problemlos schließen lsst, kann man fragen, warum Kant in KU, § 59 das Argument zugunsten der Aussage, dass all unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch sei, nur unvollstndig wiedergibt. Setzt er bei seinen Lesern einfach voraus, dass diese seine philosophische Theologie inklusive der nachfolgenden Methodenlehre kennen und seine verkrzten Aussagen in § 59 einfach in Gedanken ergnzen? Oder hat die Verkrzung des Gedankengangs schlicht rhetorische Grnde? Ich komme am Schluss dieses Unterkapitels noch einmal auf diese Fragen zurck. Dass Kant darauf schließt, dass die praktische Erkenntnis Gottes ,bloß symbolisch‘ ist, lsst sich auf zwei verschiedene Weisen verstehen. Das „bloß“ kann als eine Betonung dessen gelesen werden, dass eine symbolische Vorstellungsart die einzige Erkenntnis Gottes darstellt. Nachdem wir in § 59 immer wieder lesen, dass etwas ,nur‘ oder ,bloß‘ ein Symbol ist, ist eine andere Interpretation jedoch plausibler.85 Die besagten Ausdrcke in § 59 zeigen jeweils an, dass trotz der Tatsache, dass bei der Symbolisierung eines Begriffs eine Anschauung beteiligt ist, diese Anschauung nicht den Status eines Schemas oder einer direkten Anschauung hat. Man kann die Rede von einer ,bloß‘ symbolischen Erkenntnis von Gott also auch so interpretieren, dass man die dem Begriff der Kausalitt Gottes unterlegten Anschauungen keinesfalls als Schemata missverstehen darf. Wir kçnnen die Kausalitt eines moralischen Welturhebers nur indirekt darstellen, also im Wissen darum, dass die unterlegten Anschauungen dem Begriff der Kausalitt Gottes nicht angemessen sind. Auch ein Vorausblick auf den noch nicht nher erluterten Teilsatz (B2) zeigt, dass man das „bloß“ auf diese Weise lesen kann; denn dort wird betont, dass die Gott beigelegten Eigenschaften nur an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen und deshalb nicht ,fr schematisch‘ genommen werden drfen. Ich mçchte 85 Vgl. z. B. [4.2] „von dem der erstere nur [Hervorhebung von mir, SM] das Symbol ist“; [4.3] „in beiden Fllen aber nur [Hervorhebung von mir, SM] symbolisch vorgestellt“; [4.6] „sondern bloß [Hervorhebung von mir, SM] ein Symbol fr die Reflexion enthlt“. Auch die Aussage aus [4.7], dass bestimmte Wçrter symbolische Hypotyposen nicht mittels einer direkten Anschauung, sondern ,nur nach einer Analogie mit derselben‘ sind, lsst sich in diesem Sinne verstehen.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
somit dafr pldieren, das „bloß“ als eine Betonung der Abgrenzung von der schematischen Darstellung von Begriffen zu lesen.86 Es gibt noch eine wichtige Anfrage an Kants Verwendung von „symbolisch“. Symbole sind Anschauungen, die nicht-anschaulichen Begriffen unterlegt werden. Fr eine Symbolisierung des Begriffs der Kausalitt des hçchsten Wesens bençtigen wir also Anschauungen menschlicher Kausalitt, die diesem Begriff dann unterlegt werden. Inwiefern kann man jedoch von Anschauungen unserer menschlichen Kausalitt sprechen, die als Symbole verwendet werden kçnnen? Ich mçchte zumindest kurz auf diesen Punkt eingehen. Kant scheint keinen Unterschied zwischen den Anschauungen einer Handmhle, die dem Begriff der Kausalitt des despotischen Staats unterlegt werden, und den wie auch immer gearteten Anschauungen menschlicher Kausalitt zu machen. Er spricht in § 90 davon, dass uns bekannt sei, auf welche Weise wir Menschen Ursachen von Wirkungen seien, oder auch, dass wir uns dessen unmittelbar bewusst seien.87 Doch was genau meint Kant damit? Interessant ist zu dieser Frage die Allgemeine Anmerkung. Im letzten Teil dieses Stcks aus der KU erlutert Kant, wie man sich den Gebrauch der Kategorien mit Blick auf Gott vorzustellen hat.88 Grundstzlich gelte, dass die Kategorien nur in Anwendung auf Gegenstnde der sinnlichen Anschauung Erkenntnis hervorbringen wrden. Deswegen entstehe ein scheinbarer Widerspruch, wenn man die Kategorien in Gestalt der Rede von einer Kausalitt des hçchsten Wesens nun auf ein bersinnliches Wesen anwende. Diesen scheinbaren Widerspruch kçnne man jedoch zum Verschwinden bringen, „wenn man sie hier zu einem Erkenntnis Gottes, aber nicht in theoretischer (nach dem, was seine uns unerforschliche Natur an sich sei), sondern lediglich in praktischer Absicht gebraucht sieht.“89 Im Rahmen dieser Erluterung kommt er auch darauf zu sprechen, dass wir uns aufgrund der physischen und der moralischen Teleologie der Welt eine oberste Weltursache denken, die kausal durch einen Verstand wirksam ist. Die Kategorie, durch die wir die 86 Auch Recki weist auf den hufigen Gebrauch von „bloß“ und „nur“ in KU, § 59 hin. Sie interpretiert diese Ausdrcke hnlich. Sie stnden nicht fr eine Abwertung des Symbols, sondern zeigten an, dass das symbolische Verfahren der Darstellung und die damit verbundene Erkenntnis vom epistemologisch maßgeblichen Begriff von empirischer Erkenntnis als Erfahrung zu unterscheiden sei. Vgl. Recki 2008, 198 – 199. 87 Vgl. KU, 5: 464, 16 – 17; 24 – 25. 88 Vgl. KU, 5: 482,3 – 485,19. 89 KU, 5: 482,21 – 24.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
263
Kausalitt der obersten Weltursache als die einer Kausalitt aus Vernunft bestimmten, liefere jedoch keine Erkenntnis darber, was Gott an sich bzw. seine Natur sei.90 Kant vergleicht nun die Art und Weise, wie wir an der obersten Weltursache einen Verstand denken, mit der Art und Weise, wie wir die Kausalitt von Menschen bestimmen: „Wenn ich die Kausalitt des Menschen in Ansehung gewisser Produkte, welche nur durch absichtliche Zweckmßigkeit erklrlich sind, dadurch bestimme, daß ich sie als einen Verstand desselben denke, so brauche ich nicht dabei stehen zu bleiben, sondern kann ihm dieses Prdikat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen. Denn ich weiß, daß Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben und durch den Verstand unter einen Begriff und hiermit unter eine Regel gebracht werden; daß dieser Begriff nur das gemeinsame Merkmal (mit Weglassung des Besonderen) enthalte und also diskursiv sei; daß die Regeln, um gegebene Vorstellungen unter ein Bewußtsein berhaupt zu bringen, von ihm noch vor jenen Anschauungen gegeben werden u.s.w.: ich lege also diese Eigenschaft dem Menschen bei als eine solche, wodurch ich ihn e r k e n n e . Will ich nun aber ein bersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz d e n k e n , so ist dieses in gewisser Rcksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein erlaubt, sondern auch unvermeidlich; aber ihm Verstand beizulegen und es dadurch, als durch eine Eigenschaft desselben, e r k e n n e n zu kçnnen sich schmeicheln, ist keineswegs erlaubt: weil ich alsdann alle jene Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen muß, mithin das Prdikat, das nur zur Bestimmung des Menschen dient, auf ein bersinnliches Objekt gar nicht bezogen werden kann, und also durch eine so bestimmte Kausalitt, was Gott sei, gar nicht erkannt werden kann. Und so geht es mit allen Kategorien, die gar keine Bedeutung zum Erkenntnis in theoretischer Rcksicht haben kçnnen, wenn sie nicht auf Gegenstnde mçglicher Erfahrung angewandt werden.“91
Zunchst sehen wir beim Menschen bestimmte Produkte seiner Handlungen, die nur durch die Unterstellung einer absichtlichen Zweckmßigkeit der Handlung erklrbar sind. Wenn man nun die Kausalitt des Menschen bestimmen will, kann man sie nicht nur als eine Kausalitt aus Vernunft denken, sondern dem Menschen ,dieses Prdikat als wohlbekannte Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen‘.92 Im folgenden Satz („Denn“) wird diese Aussage erlutert. Kant zufolge wissen wir, dass wir einen Verstand haben, der auf bestimmte Weise funktioniert. Diese Funktionsweise lsst sich durch eine Kritik der reinen theoretischen Vernunft erheben, worauf die Beispiele Bezug nehmen. Weil wir dieses 90 Lediglich die moralische Teleologie fhrt – wie in diesem Kapitel schon mehrfach erçrtert – zu einer praktischen Erkenntnis Gottes. 91 KU, 5: 484,7 – 31. 92 „Ihm“, „desselben“ und „ihn“ beziehen sich jeweils auf den Menschen.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Wissen um unsere Kausalitt haben, kçnnen wir uns das Prdikat einer Kausalitt aus Vernunft problemlos zusprechen. Im darauffolgenden Satz formuliert Kant, warum wir Gott die Eigenschaft eines Verstandes nicht beilegen kçnnen: „weil ich alsdann alle jene Bedingungen, unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen muß“. Mit „jene Bedingungen“ meint Kant die im vorherigen Satz aufgezhlten Beispiele der Funktionsweise des menschlichen Verstandes, die allesamt die menschliche Sinnlichkeit zur Voraussetzung haben. Was uns Menschen von Gott unterscheidet, ist somit, dass wir uns als sinnliche Wesen bei unserer Verstandesttigkeit in der Welt beobachten kçnnen und insofern Anschauungen unserer Kausalitt aus Vernunft haben.93 Mit der Rekonstruktion des Arguments hinter § 59 [4.8] sowie den Interpretationen zu den einzelnen Begriffen liegt eine gute Erklrung fr die faktische Gestalt des Kant’schen Textes vor, die letztlich einen wichtigen Teil des Arguments unterschlgt. Die Tatsache, dass er das Argument hinter [4.8] nicht vollstndig wiedergibt und stattdessen betont, dass ,alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch‘ sei, kçnnte rhetorische Grnde innerhalb des § 59 haben. Nachdem Kant zu Beginn von § 59 den Vernunftideen das Problem attestiert hat, dass ihre objektive Realitt fr die theoretische Erkenntnis nicht aufgewiesen werden kann, und der Begriff Gottes den Status einer Vernunftidee hat, liegt es nahe, von der Symbolisierung von Vernunftbegriffen und ihrer indirekten Darstellung eine Lçsung fr dieses Problem zu erwarten. Nun kann eine Symbolisierung von Begriffen den Begriffen zwar keine objektive Realitt in theoretischer Perspektive verschaffen. Aber sie ist immerhin Bestandteil einer praktischen Erkenntnis einer Vernunftidee, die sich als „symbolisch“ oder auch „analogisch“ qualifizieren lsst. Man kann [4.8] also als Antwort auf die Frage lesen, wie die objektive Realitt von Vernunftbegriffen anders als durch korrespondierende Anschauungen aufgezeigt werden kann: durch eine praktische Erkenntnis einer Idee, die sich einer symbolischen Vorstellungsart bedient. Gerade vor dem Hintergrund, dass man eine symbolische Vorstellungsart nur dann 93 In der KpV spricht Kant davon, dass wir die Prdikate Verstand und Willen, mit denen wir die Idee Gottes bestimmen, „von unserer eigenen Natur“ hernehmen. Wir kçnnen diese Vermçgen des Verstandes und des Willens „i n i h r e r A u s b u n g empirisch beobachten“. Vgl. KpV, 5: 137,1 – 12. hnlich wie in der KU heißt es dann aber, dass wir, um die Bedeutung dieser Prdikate im Fall Gottes zu verstehen, von allem Psychologischen, was diesen Prdikaten anhaftet, abstrahieren mssen. Vgl. dazu KpV, 5: 137, 10 – 32. Leider ist es in dieser Arbeit nicht mçglich, ausfhrlicher auf diese interessante Stelle einzugehen.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Erkenntnis nennen kann, wenn sie Prinzip einer praktischen Bestimmung ist, sollte aber deutlich geworden sein, dass es ohne Kants philosophischtheologische berlegungen in der Methodenlehre der KU schwierig ist, die Aussage von [4.8] zu verstehen. Dadurch wird [4.8] – abgesehen davon, dass der Satz ohnehin wie eine Randbemerkung am Schluss der berlegungen Kants zum Symbolbegriff und unmittelbar vor der eigentlichen These des Paragraphen steht – noch einmal rtselhafter. Warum hat Kant die Aussage von der symbolischen Erkenntnis von Gott in der Methodenlehre nicht nochmals aufgegriffen? Hngt es damit zusammen, dass fr Kant die Kontinuitt von einem Denken eines Begriffs nach einer Analogie zu einer Symbolisierung des Begriffs so offensichtlich ist, dass er meint, nicht mehr ausdrcklich wiederholen zu mssen, dass wir in praktischer Rcksicht eine symbolische Erkenntnis von Gott haben? Man kann noch weiter fragen: Wie sinnvoll ist es berhaupt, von einer „symbolischen Erkenntnis“ von Gott zu sprechen? Kant unterscheidet in der KU sonst nur zwischen theoretischer und praktischer Erkenntnis. Die Rekonstruktion des Gedankengangs von [4.8] im letzten Unterkapitel hat gezeigt, dass es sich bei der symbolischen Erkenntnis von Gott um eine Erkenntnisart handelt, die sich problemlos in die Kant’sche Systematik der Erkenntnisarten einordnen lsst; es handelt sich bei der symbolischen Erkenntnis von Gott also keineswegs um eine neue Erkenntnisart. Das, was Kant hier als symbolische Erkenntnis von Gott bezeichnet, ist eine Erkenntnis Gottes ,fr uns‘, die sich aus der moralischen Teleologie speist, in praktischer Absicht die Existenz eines moralischen Welturhebers annimmt und seine Kausalitt ,nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ analogisch bestimmt. Mit der Attribution „symbolisch“ wird lediglich ein Aspekt der praktischen Erkenntnis von Gott hervorgehoben. Ich komme im Ausblick am Ende der Arbeit auf diese Fragen zurck. 2.2.6 Eine ,bloß‘ symbolische Erkenntnis Gottes als Mittelweg zwischen Deismus und Anthropomorphismus In diesem Unterkapitel wenden wir uns dem letzten Teil des Satzes [4.8] bzw. (B2) zu. (B2): Der, welcher die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Der zweite Teil von (B) lsst sich als (B2) als ein eigenstndiger Hauptsatz formulieren. Er trifft gegenber (B1) eine eigenstndige Aussage, verweist jedoch ber das Pronomen „sie“ grammatikalisch auf (B1) zurck.94 (B1): So ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Ergnzt man noch einige fehlende Worte, kann man (B2) als eigenstndigen Hauptsatz (B*2) folgendermaßen rekonstruieren: (B*2): Derjenige, welcher die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie er, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus gert, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
Zunchst ist hervorzuheben, dass Kant hier die Erkenntnis von Gott, von der er in (B1) ausgesagt hat, sie sei ,bloß symbolisch‘, mit bestimmten Eigenschaften in Zusammenhang bringt, von denen wir aus der Methodenlehre der KU wissen, dass sie nach der Analogie an Gott gedacht werden: Verstand und Wille. Denn es heißt, dass derjenige, der die Erkenntnis von Gott ,mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw. […] fr schematisch nimmt‘, in den Anthropomorphismus ,gert‘. Zur symbolischen Erkenntnis von Gott gehçren also die Eigenschaften ,Verstand, Wille usw.‘ dazu, ,die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen‘. Diese Einsicht ist allerdings nicht sehr berraschend, weil die Interpretation von § 59 im ersten Teil dieser Arbeit u. a. zum Ergebnis hatte, dass eine Analogie Grundlage der Symbolisierung von Begriffen ist. Wenn wir somit Gott analogisch als ein hçchstes Wesen mit Verstand und Wille denken kçnnen, spricht nichts dagegen, dass wir auf der Grundlage dieser Analogie seine Kausalitt auch mittels symbolischer Vorstellungen indirekt darstellen kçnnen. Irritierend ist an dieser Stelle, dass Kant nicht wie sonst, wenn er von der Bestimmung der Kausalitt des hçchsten Wesens spricht, lediglich von „Verstand“ und „Willen“ spricht, sondern an eine Fortsetzung der Aufzhlung der Eigenschaften denkt, sofern er ein „usw.“ hinter „Verstand, Wille“ setzt. An welche Eigenschaften denkt Kant hier noch? Handelt es sich um weitere Eigenschaften, die der Bestimmung der Kausalitt des hçchsten Wesens nach einer Analogie dienen? Oder handelt es sich mçglicherweise um Eigenschaften, die etwas anderes am hçchsten Wesen 94 Auf die Eigenstndigkeit der Aussage von (B2) weist auch ein interessantes textkritisches Detail hin: In der Akademie-Ausgabe steht nach „symbolisch“ ein Semikolon und kein Komma wie in der Meiner-Ausgabe.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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als seine Kausalitt analogisch bestimmen? Kant sagt ber die Eigenschaften, die zur symbolischen Erkenntnis von Gott gehçren, hier nur aus, dass sie ,allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen‘. Die betreffenden Eigenschaften bzw. Begriffe haben also nur dann objektive Realitt und ermçglichen eine theoretische Erkenntnis eines Gegenstands, wenn sie auf Gegenstnde der sinnlichen Anschauung angewendet werden.95 Diese Aussage hilft jedoch kaum weiter, genauer einzugrenzen, welche Eigenschaften außer Verstand und Wille hinter dem „usw.“ stehen kçnnten. Natrlich kann man darauf hinweisen, dass Kant an vielen anderen Stellen, in der KU v. a. in der Methodenlehre, eine praktische Erkenntnis Gottes ausschließlich mit der Bestimmung der Kausalitt des hçchsten Wesens und somit mit den Eigenschaften Verstand und Wille in Zusammenhang bringt.96 Es gibt also gute Grnde dafr, das „usw.“ nicht so wichtig zu nehmen. Die Irritation kann uns jedoch auf eine wichtige Frage fhren, die wir im Verlauf dieses zweiten Teils diskutieren mssen: Welche Eigenschaften Gottes kçnnen wir symbolisch erkennen? Zhlen nur die Eigenschaften Verstand und Wille und damit die Bestimmungen der Kausalitt des hçchsten Wesens zur symbolischen Erkenntnis von Gott? Oder gibt es auch andere Begriffe, mit denen wir das hçchste Wesen nach einer Analogie bestimmen und die wir uns auf dieser Grundlage durch Symbole indirekt darstellen kçnnen? Diese Fragen drngen sich nicht zuletzt deswegen auf, weil nach heutigem Sprachgebrauch nichts dagegen zu sprechen scheint, alle mçglichen Gottesbilder z. B. jdisch-christlicher Provenienz wie etwa den barmherzigen Vater, den Richter etc. als symbolische Vorstellungen Gottes zu bezeichnen. Umso mehr ist Vorsicht geboten. Denn in dieser Arbeit geht es zunchst um den Kant’schen Symbolbegriff und seine Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott. Deswegen mssen diese Fragen mit Blick auf die Eigenschaften bedacht werden, die Kant selbst in Zusammenhang mit der Bestimmung des hçchsten Wesens bringt. Zu denken ist dabei an die verschiedenen so genannten All-Prdikate, die von Gott ausgesagt werden kçnnen (Allmacht, Allwissenheit etc.), oder auch an 95 Wie wir gerade in der Allgemeinen Anmerkung gelesen haben, kçnnen wir dem Menschen die Eigenschaft des Verstandes beilegen und ihn dadurch erkennen, weil uns der Verstand als Eigenschaft ,wohlbekannt‘ ist. 96 Vgl. dazu erneut die Stelle aus § 88, die in den Kapiteln 2.2.2 bis 2.2.3 interpretiert wurde: KU, 5: 457,5 – 31. Vgl. außerdem KU, 5: 484,31 – 485,3.
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solche Eigenschaften wie Liebe oder dass Gott dreifaltig ist.97 Dabei ist allerdings immer zu fragen, ob es sich jeweils um Eigenschaften handelt, durch deren Gebrauch wir uns selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen – mit anderen Worten: ob wir durch die entsprechenden Eigenschaften das hçchste Wesen in praktischer Absicht erkennen oder ob die Eigenschaften andere Aufgaben haben. Ich komme auf diese Fragen und die entsprechenden Textstellen im Kapitel 2.4 zurck. ber die Erkenntnis von Gott mit den besagten Eigenschaften, die wir eigentlich nur Menschen zusprechen kçnnen, sagt Kant in (B*2) nun, dass derjenige, der diese Erkenntnis ,fr schematisch‘ nimmt, einem Anthropomorphismus verfllt.98 Die Erkenntnis von Gott „fr schematisch“ zu nehmen bedeutet vor dem Hintergrund von Kants Symboltheorie aus § 59, dass wir die Anschauungen, die wir dem Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens unterlegt haben, als dem Begriff korrespondierende Anschauungen auffassen. Dadurch halten wir die Anschauungen fr schematische Hypotyposen, welche den Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens direkt darstellen. Es handelt sich bei dem Fr-schematisch-Nehmen gewissermaßen um eine Fehlinterpretation des Status der mit den Eigenschaften verbundenen Anschauungen. Nur im Fall der Prdizierung dieser Eigenschaften vom Menschen korrespondieren die unterlegten Anschauungen dem Begriff der Kausalitt des Menschen. Aus der Tatsache heraus, dass es sich beim Menschen so verhlt, folgt aber eben nicht, dass es sich auch beim hçchsten Wesen so verhlt. Wir greifen in der Analogie zwar auf die vom Menschen ausgesagten Eigenschaften zurck. Der springende Punkt an der Relation der Analogie ist aber der, dass wir die hnlichkeit der Wirkungen feststellen kçnnen, uns jedoch im Fall des hçchsten Wesens gerade nicht bekannt ist, auf welche Weise es Ursache seiner Wirkungen ist. Kçnnten wir die 97 Vgl. zu den All-Prdikaten KU, 5: 444,12 – 32; KpV, 5: 139,20 – 140,16. Zur Eigenschaft Liebe vgl. Prol, 4: 357,30 – 358,37; RGV, 6: 64,35 – 65,42; Zur Dreifaltigkeit vgl. RGV, 6: 139,13 – 147,14; Anth, 7: 172,31 – 37. 98 In den Prolegomena bezeichnet Kant den hier in KU, § 59 genannten Anthropomorphismus als „dogmatischen Anthropomorphismus“. Der dogmatische Anthropomorphismus besteht in den Prolegomena darin, dass wir dem hçchsten Wesen, das kein Gegenstand der Erfahrung ist, Eigenschaften auf eine Weise zusprechen, wie wir diese Eigenschaften Gegenstnden der Erfahrung blicherweise zusprechen. Auch hier werden die Eigenschaften also flschlicherweise ,fr schematisch‘ genommen bzw. als den Verstandesbegriffen korrespondierende Anschauungen missverstanden. Vgl. Prol, 4: 357,8 – 16. Auf den in diesem Kontext der Prolegomena eingefhrten Begriff des symbolischen Anthropomorphismus komme ich bei der Interpretation dieser Stelle in Kapitel 2.3.1 zurck.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Kausalitt des hçchsten Wesens durch einen Begriff bestimmen, dem wir korrespondierende Anschauungen geben kçnnen, bruchten wir die Analogie nicht. Weil der Kausalitt des hçchsten Wesens aber keine Anschauungen korrespondieren kçnnen, weil es kein Weltwesen mit sinnlichbedingter Kausalitt ist, gilt fr die ihm unterlegten Anschauungen erst recht, dass sie den Begriff nur indirekt darstellen. Diese Fehlinterpretation hat einen ,Anthropomorphismus‘ zur Folge. Dieser Ausdruck ist uns bereits bei der Interpretation von § 88 in Kapitel 2.2.3 begegnet. Dort ging es um eine falsche Einschtzung der ,Absicht des Gebrauchs‘ der Eigenschaften, die wir dem hçchsten Wesen nach der Analogie zusprechen, um dadurch ,uns selbst‘ zu bestimmen. Wenn wir, statt dieser ,Absicht des Gebrauchs‘ der Eigenschaften zu folgen, die fr uns unerreichbare Natur des hçchsten Wesens mittels der Eigenschaften Verstand und Wille bestimmen wollen, dann machen wir einen anthropomorphistischen Gebrauch von diesen Eigenschaften.99 Aus dem Vergleich mit anderen Textstellen außerhalb der KU wird deutlich, dass „Anthropomorphismus“ wohl auch in § 59 bedeutet, dass man sich das hçchste Wesen auf eine Weise vorstellt, die nicht dem entspricht, wie wir das hçchste Wesen auf der Grundlage der reinen theoretischen und praktischen Vernunft denken kçnnen und mssen.100 Der Anthropomorphismus, der sich aus dem Fr-schematisch-Nehmen in § 59 ergibt, ist dabei jedoch nur eine Mçglichkeit, sich eine der Kritik der reinen theoretischen und praktischen Vernunft nicht angemessene Vorstellung Gottes zu machen, die hier darin besteht, dass wir Gott wie einen Gegenstand der sinnlichen Anschauung erkennen wollen. In § 89 der KU schreibt Kant: „Die Einschrnkung der Vernunft in Ansehung aller unserer Ideen vom bersinnlichen auf die Bedingungen ihres praktischen Gebrauchs hat, was die Idee von Gott betrifft, den unverkennbaren Nutzen: daß sie verhtet, daß T h e o l o g i e sich nicht in Theosophie (in vernunftverwirrende berschwengliche Begriffe) versteige, oder zur Dmonologie (einer anthropomorphistischen Vorstellungsart des hçchsten Wesens) herabsinke; daß R e l i g i o n nicht in T h e u r g i e (ein schwrmerischer Wahn, von anderen bersinnlichen Wesen Gefhl und auf sie wiederum Einfluß haben zu kçnnen) oder in I d o l o l a t r i e (ein aberglubischer Wahn, dem hçchsten Wesen sich durch andere Mittel als durch eine moralische Gesinnung wohlgefllig machen zu kçnnen) gerate*.
99 Vgl. KU, 5: 456,37 – 457,5. 100 Vgl. dazu Kapitel 2.3.1.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
*Abgçtterei in praktischem Verstande ist noch immer diejenige Religion, welche sich das hçchste Wesen mit Eigenschaften denkt, nach denen noch etwas anderes als Moralitt die fr sich taugliche Bedingung sein kçnne, seinem Willen in dem, was der Mensch zu tun vermag, gemß zu sein. Denn so rein und frei von sinnlichen Bildern man auch in theoretischer Rcksicht jenen Begriff gefaßt haben mag, so ist er in praktischer alsdann dennoch als ein I d o l , d.i. der Beschaffenheit seines Willens nach anthropomorphistisch vorgestellt.“101
Diese Stelle aus § 89 erçffnet noch eine Dimension des Anthropomorphismus, die vielleicht in § 59 nicht explizit angesprochen wird, aber v. a. in der Religionsschrift ein wichtiges Thema ist.102 Ich mçchte diese Dimension des Anthropomorphismus zumindest kurz andeuten. Kant widmet mehr oder weniger den ganzen zweiten Teil des Vierten Stcks der Religionsschrift dem Anthropomorphismus und seinen Folgen fr Religion und Moral. Kant unterscheidet dabei zwischen dem Anthropomorphismus „in der theoretischen Vorstellung von Gott“ und seiner Natur, die fr den Menschen kaum zu vermeiden, aber harmlos sei, solange er eben nur eine theoretische Vorstellung von Gott bleibe, und dem Anthropomorphismus „in Ansehung unseres praktischen Verhltnisses zu seinem Willen“.103 Der Anthropomorphismus ,in der theoretischen Vorstellung von Gott‘ entspricht dabei prima facie dem Fr-schematisch-Nehmen der nach der Analogie an Gott gedachten Eigenschaften Verstand und Wille aus § 59. In KU, § 89 geht es um den Anthropomorphismus, der Einfluss auf unser ,praktisches Verhltnis zu seinem Willen‘ hat; hier wird also das hçchste Wesen ,der Beschaffenheit seines Willens nach anthropomorphistisch vorgestellt‘. Das hat laut § 89 zur Konsequenz, dass wir uns die Beschaffenheit seines Willens so vorstellen, dass noch etwas anderes als die Moralitt eines Menschen Bedingung dafr ist, dass wir Gottes Willen gemß leben.104 Kant bezeichnet in der Religionsschrift diesen Anthropomorphismus als gefhrlich fr unsere Moralitt:
101 102 103 104
KU, 5: 459,12 – 22; 30 – 36. Vgl. RGV, 6: 168,14 – 169,8. RGV, 6: 168,17. Kant gibt in der Religionsschrift eine Reihe von Beispielen fr diese ,Hinzugesellung‘ weiterer Bedingungen als die der Moralitt des Menschen. In RGV, 6: 103,9 – 35 beschreibt Kant diese anthropomorphistische Vorstellung der Beschaffenheit von Gottes Willen so, dass wir uns Gott vorstellen wie einen ,großen Herrn der Welt‘, der ein besonderes Bedrfnis habe, von seinen Untertanen geehrt und durch Unterwrfigkeitsbezeugungen gepriesen zu werden.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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„denn da m a c h e n w i r u n s e i n e n G o t t , wie wir ihn am leichtesten zu unserem Vorteil gewinnen zu kçnnen, und der beschwerlichen ununterbrochenen Bemhung, auf das Innerste unsrer moralischen Gesinnung zu wirken, berhoben zu werden glauben. Der Grundsatz, den der Mensch sich fr dieses Verhltnis gewçhnlich macht, ist: daß durch alles, was wir lediglich darum tun, um der Gottheit wohl zu gefallen (wenn es nur nicht eben der Moralitt geradezu widerstreitet, ob es gleich dazu nicht das mindeste beitrgt), wir Gott unsere Dienstwilligkeit als gehorsame und eben darum wohlgefllige Untertanen beweisen, also auch Gott (in potentia) dienen.“105
Diese Einschtzung findet sich auch in § 89. Kant scheut sich nicht, von „Abgçtterei“ zu sprechen. Dabei ist seine Bemerkung interessant, dass der in praktischer Hinsicht gefhrliche Anthropomorphismus ein im theoretischen Sinne nicht-anthropomorphistischer Anthropomorphismus sein kann, der sich also bemht, den Begriff des hçchsten Wesens ,so rein und frei von sinnlichen Bildern‘ als irgend mçglich zu fassen. Kehren wir zurck zu § 59 und zu (B*2). Wenn Kant das Fr-Schematisch-Nehmen der Eigenschaften, die an Gott nach einer Analogie gedacht werden, mit einem Anthropomorphismus in Verbindung bringt, ist damit zunchst ein Anthropomorphismus in theoretischer (und nicht in praktischer) Hinsicht gemeint. Kant nennt außer dem Anthropomorphismus noch eine andere Alternative, in die man ,geraten‘ kann. Handelt es sich beim Anthropomorphismus eher um eine Fehlinterpretation des Status der mit diesen Eigenschaften verbundenen Anschauungen der ,Erkenntnis‘ von Gott, schlgt der ,Deismus‘ einen vçllig anderen Weg in der Erkenntnis von Gott ein. Unter „Deismus“ versteht man in der Philosophiegeschichte in der Regel eine philosophisch-theologische Position, die den Begriff Gottes allein im Ausgang von der philosophischen oder wissenschaftlichen Erkenntnis der Welt fasst, und die man historisch in der Philosophie der Aufklrung v. a. in Großbritannien festmacht. Eine wichtige Implikation des Deismus in Gegenberstellung zum Theismus ist dabei, dass der Deismus Gott nicht als ein personales hçchstes Wesen denkt.106 105 RGV, 6: 168,18 – 19; 169,1 – 8. 106 Vgl. dazu Grtzel et al. 1999, 33; Westphal 1999, 111 – 113; Thiselton 2005, 61 – 62. Gegen dieses Verstndnis von „Deismus“ und gegen eine allzu schnelle Zustimmung zu der Aussage, dass Kant ein Theist und kein Deist gewesen sei, hat sich Allen Wood gewandt. Er hat behauptet, dass sowohl Kant als auch die Mehrzahl seiner Interpreten ein unzureichendes Verstndnis von „Deismus“ htten. Der Ausdruck werde – auch von Kant – hufig abwertend gebraucht. Wood versucht dagegen zu zeigen, warum Kant in einem bestimmten Sinn ein Deist gewesen sei. Vgl. dazu Wood 1991. Ohne die interessante These von Wood hier nher dis-
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Um in den ,Deismus‘ zu geraten, muss man nach Kant ,alles Intuitive‘ weglassen, wodurch dann ,berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.‘ „Alles Intuitive“ wegzulassen, bedeutet dabei, alles Anschauliche wegzulassen. Weil es hier in § 59 [4.8] in erster Linie darum geht, alles Anschauliche von der Erkenntnis Gottes wegzulassen, ergibt sich Folgendes: Wir mssen darauf verzichten, dem hçchsten Wesen Eigenschaften zuzuschreiben, die in irgendeiner Weise mit Anschauungen verbunden sind.107 Diese Aussage macht noch einmal deutlich, dass die kutieren zu kçnnen, sehe ich folgende Schwierigkeit in seiner These (vgl. zu dieser Schwierigkeit der These von Wood auch O’Neill 1997b). Diejenigen Deisten, auf die sich Wood beruft, um Kant als einen „Deisten“ bezeichnen zu kçnnen, bezeichnen den Deismus z. B. als „the opinion of those that acknowledge one God, without the reception of any revealed religion“ (vgl. Wood 1991, 2). Deisten kommen religionsphilosophisch demnach vçllig ohne eine Offenbarungsreligion aus. Diese Position scheint dem zu entsprechen, was Kant in der Religionsschrift als „Rationalismus“ bezeichnet (vgl. RGV, 6: 154,4 – 7). Kant selbst bezeichnet seine eigene Position jedoch dem gegenber als die eines reinen Rationalismus (vgl. RGV, 6: 154,7 – 155,4). Der reine Rationalismus lsst die Mçglichkeit bernatrlicher gçttlicher Offenbarung zu, behauptet aber, dass es ,zur Religion‘ nicht notwendig sei, diese bernatrliche gçttliche Offenbarung zu kennen und fr wirklich anzunehmen. Es ist mir daher nicht klar, wie Kant trotz eines modifizierten Begriffs von „Deismus“ ein Deist sein soll. Wood versteht diesen Begriff des reinen Rationalismus an besagter Stelle brigens falsch: Er erlutert den Begriff so, dass der reine Rationalismus die Wirklichkeit bernatrlicher Offenbarung anerkenne (vgl. Wood 1991, 11), weswegen Wood meint, dass ein reiner Rationalismus unmçglich Kants eigener Position entsprechen kçnne. Diese Fehlinterpretation kommt wohl dadurch zustande, dass Wood den Bezug von „diese“ in RGV, 6: 154,9 falsch interpretiert. Nach Woods Interpretation bezieht sich „diese“ auf „Wirklichkeit aller bernatrlichen gçttlichen Offenbarung“. Das ist grammatikalisch mçglich, produziert aber auf inhaltlicher Ebene eine wenig sinnvolle Aussage. Denn nach Woods Interpretation wrde der reine Rationalist behaupten, dass es ,zur Religion‘ nicht notwendig erforderlich sei, die Wirklichkeit der bernatrlichen gçttlichen Offenbarung fr wirklich anzunehmen – was dem Text eine wenig plausible Aussage unterstellen wrde. Grammatikalisch mçglich und inhaltlich plausibler ist, dass „diese“ sich nur auf die „bernatrliche gçttliche Offenbarung“ ohne modale Qualifikation („Wirklichkeit“) bezieht; denn so ergibt sich die Aussage, dass es fr den reinen Rationalisten hinsichtlich seines Verstndnisses von Religion nicht notwendig erforderlich sei, die bernatrliche gçttliche Offenbarung fr wirklich anzunehmen. Zur These, dass Kant sich in der Religionsschrift als reiner Rationalist versteht, vgl. auch Siitonen 2001. 107 Kant schreibt „wodurch berall [meine Hervorhebung, SM] nichts […] erkannt wird.“ Vom Kontext her liegt es nahe, die Aussage, dass wir nach dem Verzicht auf alles Intuitive nichts mehr erkennen kçnnen, auf das hçchste Wesen zu beziehen. Das „berall“ lsst sich vor diesem Hintergrund so deuten, dass es um ein „berall“ im Bereich mçglicher Erkenntnis geht, dass also durch das Weglassen des Intui-
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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mçgliche Erkenntnis von Gott, von der Kant in § 59 [4.8] spricht, mit einer intuitiven Vorstellungsart verbunden ist, auch wenn die Anschauungen dabei lediglich den Status von Symbolen oder indirekten Darstellungen von Begriffen haben. Das Weglassen alles Intuitiven fhrt zu einem Deismus. Ein prominentes Vorkommen dieses Begriffs findet sich in den Prolegomena. 108 In den §§ 57 und 58 grenzt Kant seine eigene philosophische Theologie einerseits von der Kritik David Humes an der philosophischen Theologie in dessen Dialogues concerning Natural Religion und andererseits von einem Deismus ab. Diesen definiert Kant folgendermaßen: „Wir wollen ein Beispiel vom Begriffe des hçchsten Wesens hernehmen. Der d e i s t i s c h e Begriff ist ein ganz reiner Vernunftbegriff, welcher aber nur ein Ding, das alle Realitt enthlt, vorstellt, ohne deren eine einzige bestimmen zu kçnnen, weil dazu das Beispiel aus der Sinnenwelt entlehnt werden mßte, in welchem Falle ich es immer nur mit einem Gegenstande der Sinne, nicht aber mit etwas ganz Ungleichartigem, was gar nicht ein Gegenstand der Sinne sein kann, zu tun haben wrde.“109
Im deistischen Begriff des hçchsten Wesens wird ein Ding gedacht, das alle Realitt enthlt. An anderer Stelle in den Prolegomena schreibt Kant, dass der deistische Begriff des Urwesens darin bestehe, dass „man sich das Urwesen durch lauter ontologische Prdikate, der Substanz, Ursache etc. denkt“110. Indem man sich das hçchste Wesen als Ding, das alle Realitt enthlt, bzw. als einen reinen Vernunftbegriff durch die ontologischen Prdikate denkt, lsst sich allerdings keine dieser Realitten bzw. seiner Eigenschaften bestimmen. Wir kçnnen also auf der Grundlage des deistischen Begriffs keinerlei Aussagen ber die Eigenschaften des hçchsten Wesens machen. Eine Erkenntnis des deistisch gedachten hçchsten Wesens in theoretischer Absicht ist somit nicht mçglich, weil wir dazu, wie es oben im Zitat heißt, ein Beispiel aus der Sinnenwelt entlehnen mssten, was sich aber bei einem Gegenstand, der kein Gegenstand der Sinne sein kann, von tiven in allen Bereichen mçglicher Erkenntnis des hçchsten Wesens keine Erkenntnis mehr mçglich ist. Der Nachsatz „auch nicht in praktischer Absicht“ untersttzt diese Interpretation, weil er deutlich macht, dass selbst eine praktische Erkenntnis ohne ein wie auch immer geartetes Involviertsein von Anschauungen nicht mehr mçglich ist. 108 Außer im § 59 der KU und in den Prolegomena kommt der Ausdruck in Kants gedruckten Werken noch in der KrV vor. Vgl. KrV, B 659 – 660 (3: 420,3 – 23); B 660 – 661 (421,5 – 16); B 668 (425,22 – 31); B 703 (445,31 – 446,7). 109 Prol, 4: 355,15 – 22. 110 Prol, 4: 358,13 – 15.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
selbst verbietet. Wir kçnnen mittels des reinen Vernunftbegriffs eines hçchsten Wesens aber auch in praktischer Absicht nichts erkennen, weil wir auch dazu Anschauungen bençtigten. Denn wir denken uns auf der Grundlage der moralischen Teleologie das hçchste Wesen mit den Eigenschaften, die ein hçchstes Wesen haben muss, um dem moralischen Endzweck praktische Realitt zu verschaffen. Diese Eigenschaften kçnnen wir ihm nur nach einer Analogie mit menschlichen Eigenschaften, von denen wir Anschauungen haben, zusprechen. Somit sind auch fr eine praktische Erkenntnis des hçchsten Wesens Anschauungen erforderlich, weswegen nach dem Weglassen alles Intuitiven eben auch in praktischer Absicht nichts erkannt werden kann.111 Nachdem nun auch (B*2) eingehend interpretiert wurde, werfen wir noch einmal einen Blick auf (B*) als Ganzes: (B*) So ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch und derjenige, welcher die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie er, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus gert, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
Kant bezeichnet in (B*) ,alle unsere Erkenntnis von Gott‘, die sich aus der moralischen Teleologie und dem moralischen Argument ergibt, als eine ,bloß‘ symbolische Erkenntnis von Gott. Das impliziert, dass die Erkenntnis, die wir vom hçchsten Wesen haben kçnnen, nmlich die praktische Erkenntnis, als solche symbolische Erkenntnis ist. Der Grund dafr ist, dass zur praktischen Erkenntnis des hçchsten Wesens die Bestimmung der Kausalitt dieses Wesens nach einer Analogie dazugehçrt. Auf der Grundlage dieser Analogie ist es mçglich, dem Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens Anschauungen zu unterlegen und den Begriff dadurch indirekt darzustellen. Kant rechnet zu dieser symbolischen Erkenntnis von Gott die Eigenschaften Verstand und Wille ausdrcklich hinzu. Wir kçnnen diese Aussage so verstehen, dass die Anschauungen, die wir von unserem menschlichen Verstand und Willen haben, dem Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens unterlegt werden, sofern wir nach einer Analogie diese Eigenschaften am hçchsten Wesen denken kçnnen. Auf der 111 Angesichts dieser klaren Abgrenzung der symbolischen Erkenntnis Gottes von einer deistischen Position ist umso erstaunlicher, dass Recki behauptet, dass Kant in KU, § 59 nur einen Fall einer Veranschaulichung von Ideen durch symbolische Darstellung zeige: die Versinnlichung der Freiheit im Medium des sthetischen Gefhls, die Kant im zweiten Teil von § 59 erlutert. Vgl. Recki 2008, 199.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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Grundlage einer Analogie werden unsere Anschauungen unseres Verstandes und Willens zu symbolischen Darstellungen der Kausalitt des hçchsten Wesens. Ich habe außerdem darauf hingewiesen, dass Kant nicht nur Verstand und Wille als die zentralen Eigenschaften aufzhlt, mit denen wir die Kausalitt des hçchsten Wesens bestimmen kçnnen. Das „usw.“ scheint anzudeuten, dass noch andere Eigenschaften zur symbolischen Erkenntnis von Gott gehçren. Auch wenn es gute Grnde dafr gibt, dieses „usw.“ nicht allzu ernst zu nehmen, wirft es doch folgende Fragen auf: Zhlen nur die Eigenschaften Verstand und Wille und damit die Bestimmungen der Kausalitt des hçchsten Wesens zur symbolischen Erkenntnis von Gott? Oder gibt es auch andere Begriffe, mit denen wir das hçchste Wesen nach einer Analogie bestimmen und die wir uns auf dieser Grundlage durch Symbole indirekt darstellen kçnnen? Ich komme im Kapitel 2.4 auf diese Fragen zurck. Die Aussage, die Erkenntnis von Gott sei ,bloß symbolisch‘, impliziert des Weiteren, dass man die Anschauungen, die der Kausalitt des hçchsten Wesens unterlegt werden, keinesfalls als schematische Vorstellungen missverstehen darf. Das ist fr den zweiten Teil von (B*) wichtig, in dem Kant die symbolische Erkenntnis von Gott von einem Anthropomorphismus einerseits und einem Deismus andererseits abgrenzt. Kant versteht unter „Anthropomorphismus“ im Allgemeinen, dass man sich das hçchste Wesen auf eine Weise vorstellt, die dem hçchsten Wesen nicht entspricht, wie wir es auf der Grundlage der reinen theoretischen und praktischen Vernunft denken kçnnen und mssen. Der Anthropomorphismus hier in § 59 besteht in einer Art Fehlinterpretation des Status der Anschauungen, die wir der Kausalitt des hçchsten Wesens unterlegen. Wir verstehen die symbolischen Vorstellungen als schematische Vorstellungen, die ebenfalls Begriffen unterlegt werden, im Gegensatz zu den symbolischen Vorstellungen aber den unterlegten Begriffen korrespondieren. Das wiederum setzt voraus, dass wir mit Gegenstnden der sinnlichen Anschauung zu tun haben, um deren begriffliche Bestimmung es geht. Wir kommen jedoch ber die symbolischen Vorstellungen nicht zu einer objektiven Realitt der Kausalitt des hçchsten Wesens. Wir stellen diese Kausalitt nur indirekt dar. Nur an ,Weltwesen‘ bzw. an uns Menschen beweisen die Eigenschaften Verstand und Wille objektive Realitt. Die symbolischen Vorstellungen Gottes ,fr schematisch‘ zu nehmen, bedeutet also, so zu tun, als sei Gott ein Gegenstand der sinnlichen Anschauung und als korrespondierten seinen begrifflichen Bestimmungen Anschauungen.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Der Deismus hingegen verzichtet auf jegliche Involvierung von Anschauungen in eine Erkenntnis des hçchsten Wesens und denkt Gott nur als einen reinen Vernunftbegriff durch ontologische Prdikate. Durch dieses Denken des hçchsten Wesens lsst sich jedoch nichts an ihm erkennen. Auch die Eigenschaften, die wir an einem hçchsten Wesen aufgrund der moralischen Teleologie denken mssen, kçnnen im Deismus nicht vorgestellt werden, weil diese Eigenschaften nach einer Analogie an Gott gedacht werden, was das Involviertsein von Anschauungen in die Erkenntnis des hçchsten Wesens impliziert. Abschließend mçchte ich nun die in (B*) ausgesagte Konstellation von symbolischer Erkenntnis von Gott einerseits und den beiden falschen Alternativen des Anthropomorphismus und des Deismus mit einem wichtigen Gedanken aus den Prolegomena interpretieren. Kant setzt sich in den schon hufiger zitierten §§ 57 und 58 mit Humes Religionskritik auseinander. Das von Hume aufgeworfene Problem identifiziert er folgendermaßen: „Seine [Humes, SM] gefhrlichen Argumente beziehen sich insgesamt auf den Anthropomorphismus, von dem er dafr hlt, er sei von dem Theismus unabtrennlich und mache ihn in sich selbst widersprechend; ließe man ihn aber weg, so fiele dieser hiermit auch, und es bliebe nichts als ein Deismus brig, aus dem man nichts machen, der uns zu nichts ntzen und zu gar keinen Fundamenten der Religion und Sitten dienen kann.“112
Hume stellt den Vertreter einer natrlichen oder philosophischen Theologie vor folgendes Dilemma: Entweder vertritt man einen Theismus bzw. die These von der Existenz eines personalen Schçpfergottes und damit auch einen Anthropomorphismus, der den Theismus in sich widersprchlich macht; oder man bescheidet sich mit einem Deismus, also der These, dass es ein hçchstes Wesen gibt, das wir aber nicht nher bestimmen kçnnen und das uns deshalb ,nichts ntzt‘. Kants antwortet auf dieses Dilemma in den Prolegomena, indem er das erste Horn des Dilemmas angreift, um es als nicht triftig aufzuweisen: Der Theismus ist nicht notwendigerweise mit einem dogmatischen Anthropomorphismus verbunden. Es gibt eine Mçglichkeit, zu einem gegenber dem Deismus gehaltvollen Begriff des hçchsten Wesens zu kommen, ohne das hçchste Wesen dabei so zu bestimmen, wie man Gegenstnde der sinnlichen Anschauung bestimmt. Diese Mçglichkeit hngt mit einer Erkenntnis nach der Analogie zusam-
112 Prol, 4: 356,21 – 27.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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men. Kant bezeichnet sie auch als „symbolischen Anthropomorphismus.“113 Es spricht alles dafr, diesen symbolischen Anthropomorphismus mit der Kant’schen Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59 in Verbindung zu bringen; ich komme darauf zurck. An dieser Stelle geht es mir v. a. darum, dass vor dem Hintergrund der Prolegomena die in KU, § 59 [4.8] geschilderte Konstellation noch einmal in ein anderes Licht rckt. Die Rede von der symbolischen Erkenntnis von Gott erscheint als Mçglichkeit, den Theismus vor dem Anthropomorphismusvorwurf und dem entsprechenden Verzicht auf jegliche Anschauungen in der Erkenntnis von Gott in Form des Deismus zu bewahren. Kant bezeichnet am Ende von Prolegomena, § 58 seine Auflçsung des von Hume aufgestellten Dilemmas als „Mittelweg“: „Kritik der Vernunft bezeichnet hier den wahren Mittelweg zwischen dem Dogmatismus, den H u m e bekmpfte, und dem Skeptizismus, den er dagegen einfhren wollte; einen Mittelweg, der nicht wie andere Mittelwege, die man gleichsam mechanisch (etwas von einem und etwas von dem andern) sich selbst zu bestimmen anrt, und wodurch kein Mensch eines Besseren belehrt wird, sondern einen solchen, den man nach Prinzipien genau bestimmen kann.“114
In einem hnlichen Sinne lsst sich auch die Kennzeichnung unserer Erkenntnis von Gott als symbolische Erkenntnis von Gott als eine Art Mittelweg zwischen einem Dogmatismus einerseits, der unsere anschauliche Rede ber Gottes Eigenschaften ,fr schematisch‘ nimmt, und einem Skeptizismus andererseits verstehen, der uns zum Verzicht auf alles Anschauliche und somit in den Deismus drngt.115 Durch diesen Mittelweg einer symbolischen Erkenntnis von Gott ist eine theistische philosophische 113 Prol, 4: 357,8 – 16. 114 Prol, 4: 360,9 – 15. 115 Leider ist es hier nicht mçglich, auf die nicht leicht zu interpretierenden Dialogues von Hume nher einzugehen. Es spricht jedoch einiges dafr, dass die von Kant in den Prolegomena getroffene Unterscheidung zwischen Dogmatismus und Skeptizismus mit der Unterscheidung von Anthropomorphismus und Deismus aus KU, § 59 eng verwandt ist. Kant verwendet in KU, § 59 zwar den Ausdruck „Skeptizismus“ nicht. Es ist auch nicht klar, ob Kant den Skeptizismus, den Hume in den Dialogues einfhren wollte, als eine letztlich deistische Position qualifizieren wrde. Allerdings diagnostiziert Kant, dass Hume in der Gestalt des Philo in den Dialogues den deistischen Begriff eines Urwesens einrumt (vgl. Prol, 4: 358,11 – 26), so dass man gerade mit Blick auf den Schluss der Dialogues behaupten kann, dass Hume in Gestalt von Philo eine deistische Position zu vertreten scheint. Vgl. zur Interpretation der Dialogues auch Ricken 2003, 246 – 251.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Theologie mçglich, die nicht (dogmatisch) anthropomorphistisch ist, gleichzeitig aber auf eine reflektierte Weise die Sinnlichkeit des Menschen durch die Methode der Analogie einbezieht. 2.2.7 Zusammenfassung Die Aufgabe dieses Kapitels 2.2 war, die Interpretation des fr diese Studie zentralen Teils von KU, § 59 mit der Untersuchung des Satzes [4.8] abzuschließen.116 Innerhalb dieses Satzes haben wir zwischen zwei Teilen (A) und (B) unterschieden, die durch die Konjunktionen „Wenn […]: So“ logisch miteinander verknpft sind. Diese beiden Teile des Satzes wurden als separate Aussagen (A*) und (B*) so rekonstruiert: (A*) Wenn eine symbolische Vorstellungsart nicht ein Prinzip der theoretischen Bestimmung Gottes – Was ist die Natur Gottes? –, sondern der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht, dann ist es wohl erlaubt, eine symbolische Vorstellungsart Erkenntnis zu nennen. (B*) So ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch und derjenige, welcher die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand, Wille usw., die allein an Weltwesen ihre objektive Realitt beweisen, fr schematisch nimmt, gert in den Anthropomorphismus, so wie er, wenn er alles Intuitive weglsst, in den Deismus gert, wodurch berall nichts, auch nicht in praktischer Absicht erkannt wird.
Ein wichtiges Ergebnis dieses Kapitels war die Rekonstruktion des Gedankengangs, der § 59 [4.8] zugrunde liegt. Es ist offensichtlich, dass das Argument, das Kant mit [4.8] zum Ausdruck bringt – in der folgenden Rekonstruktion die Aussagen (1), (2) und (7) –, ungltig oder – wohlwollend interpretiert – unvollstndig ist. Allerdings lsst sich das Argument mit Blick auf Kants philosophische Theologie in der Methodenlehre der KU ohne Schwierigkeiten ergnzen, so dass es gltig wird: (1) Man darf eine symbolische Vorstellungsart, die ein Prinzip der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, Erkenntnis nennen. (2) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist ein Prinzip der praktischen Bestimmung, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist. (3*) Also darf man die symbolische Vorstellungsart Gottes Erkenntnis nennen. 116 Vgl. KU, 5: 353,2 – 12.
2.2 „so ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch“
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(4*) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist eine praktische Erkenntnis Gottes. (5*) Die praktische Erkenntnis Gottes ist die einzige Erkenntnis Gottes. (6*) Also ist die symbolische Vorstellungsart Gottes die einzige Erkenntnis Gottes. (7) Also ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Im ersten Teil bzw. in (A*) formuliert Kant die Bedingung, unter der man eine ,bloße Vorstellungsart‘ als Erkenntnis bezeichnen kann. Eine ,bloße Vorstellungsart‘ ist dabei eine bestimmte Weise, sich Gegenstnde vorzustellen, von der gilt, dass sie keine Beschaffenheit von Gegenstnden in der empirischen Welt anzeigt. Die ,bloße Vorstellungsart‘, die Kant hier konkret meint, ist die symbolische Hypotypose oder Vorstellungsart, von der im vorherigen Satz die Rede war. Wenn man unter „Erkenntnis“ hier „theoretische Erkenntnis“ versteht, ist die Aussage, dass man eine solche ,bloße Vorstellungsart‘ Erkenntnis nennen darf, verwunderlich. Allerdings umfasst Kants Erkenntnisbegriff nicht nur eine theoretische Erkenntnis von Gegenstnden, was sie an sich bzw. ihrer Natur nach sind, sondern auch eine Erkenntnis von Gegenstnden ,fr uns‘. Bei dieser Erkenntnisart werden die Begriffe nicht mit den Objekten, sondern lediglich mit unseren Erkenntnisvermçgen und dem Gebrauch, den unsere Erkenntnisvermçgen von den Begriffen in theoretischer oder praktischer Absicht machen kçnnen, ,zusammengehalten‘.117 Die Begriffe haben bei dieser Erkenntnisart also nicht die Funktion, die Gegenstnde objektiv in ihrer Anschaulichkeit zu bestimmen. Genau um diese Erkenntnisart und die andere Funktion der Begriffe geht es in (A*). Die Bedingung dafr, dass man eine symbolische Vorstellungsart im besagten Sinn als Erkenntnis verstehen kann, ist, dass die symbolische Vorstellungsart ein Prinzip der praktischen (und nicht der theoretischen) Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und worin ihr fr uns zweckmßiger Gebrauch besteht. Die Funktion der praktischen Bestimmung ist also nicht, einen Gegenstand, sondern das Verhltnis zwischen der Idee Gottes und uns Menschen zu bestimmen. Die Bedeutung von „praktische Bestimmung“ habe ich anhand der Interpretation eines Abschnitts aus KU, § 88 inhaltlich erhellt und folgendermaßen definiert: Praktisch zu bestimmen, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, bedeutet, auf der Grundlage des moralischen 117 Vgl. KU, 5: 467,4 – 14.
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Arguments Gott analogisch als einen moralischen Welturheber mit Verstand und Willen zu denken und dadurch uns selbst und unseren Willen im Hinblick auf den moralischen Endzweck als dem gebotenen Objekt unserer praktischen Vernunft zu bestimmen.
Im Hintergrund der Rede von der praktischen Bestimmung steht zunchst Kants moralische Teleologie und das moralische Argument fr die Existenz eines moralischen Welturhebers. Das moralische Argument wiederum impliziert ,nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermçgen‘ eine bestimmte Art und Weise, uns einen Begriff des hçchsten Wesens zu machen: eine Analogie. Wir kçnnen die Eigenschaften, die ein hçchstes Wesen haben muss, um Bedingung der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks zu sein, nur analogisch denken. Das heißt gleichzeitig, dass wir sie dem hçchsten Wesen nicht an sich zusprechen kçnnen. Die Absicht, dem hçchsten Wesen diese Eigenschaften zuzusprechen, besteht nach Kant auch gar nicht in einer theoretischen Erkenntnis des hçchsten Wesens, sondern vielmehr darin, durch die Eigenschaften ,uns selbst und unseren Willen zu bestimmen‘. Diese Aussage habe ich in einem moralisch-existentiellen Sinn gedeutet: Wir denken uns einen moralischen Welturheber mit der Absicht, uns als moralische Vernunftwesen verstehen zu kçnnen, die auf die ,Verheißung‘ des moralischen Gesetzes vertrauen kçnnen. Die Alternativen zu dieser Selbstbestimmung wren entweder Verzweiflung oder die Ablehnung des moralischen Gesetzes als einer Vorschrift, die etwas gebietet, das wir nicht umsetzen kçnnen. Von einer praktischen Bestimmung des Verhltnisses der Idee Gottes zu uns Menschen zu sprechen, bedeutet somit zweierlei: (1) Wir bestimmen die Kausalitt Gottes bzw. sein Verhltnis zu uns als moralischen Vernunftwesen, die den moralischen Endzweck in der Welt erstreben sollen, aufgrund einer Analogie, so dass es nicht mçglich ist, die entsprechenden Eigenschaften Gott tatschlich zuzusprechen. Es ist aber mçglich, das Verhltnis zwischen Gott und dem moralischen Endzweck analogisch als Verhltnis eines moralischen Welturhebers mit einer Kausalitt aus Vernunft zu seiner Schçpfung zu denken. (2) Gleichzeitig bestimmen wir uns selbst dadurch, dass wir das hçchste Wesen nach einer Analogie als moralischen Welturheber denken. Das moralische Argument und die symbolische Vorstellung Gottes als moralischer Welturheber lassen uns auf die Verheißung des moralischen Gesetzes hoffen, dass wir das hçchste Gut bzw. den moralischen Endzweck in unserem Handeln anstreben sollen und kçnnen. Es ist somit wichtig festzuhalten, dass die Tatsache, dass wir von einer symbolischen Erkenntnis von Gott sprechen kçnnen, ihre Voraussetzung
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darin hat, dass die symbolische Vorstellungsart ,Prinzip‘ der praktischen Bestimmung des Verhltnisses und somit essentieller Bestandteil der praktischen Erkenntnis Gottes ist. Wir erkennen also nur insofern durch die symbolischen Vorstellungen eines Verstandes und eines Willens Eigenschaften Gottes, als diese symbolischen Vorstellungen ihre Grundlage in einer Analogie haben, welche sich wiederum aus der moralischen Teleologie und dem moralischen Argument ergibt. In (B*) grenzt Kant die von ihm als ,bloß symbolisch‘ gekennzeichnete Erkenntnis von Gott, welche die Eigenschaften Verstand und Wille einschließt, vom Anthropomorphismus und vom Deismus ab. Der Anthropomorphismus nimmt dabei das „bloß symbolisch“ nicht ernst, sofern er die Anschauungen, die mit den Eigenschaften verbunden sind, als schematische Vorstellungen der Kausalitt Gottes interpretiert. Der Deismus hingegen verzichtet ganz darauf, Anschauungen in die Erkenntnis von Gott zu involvieren. Deswegen kann man mittels eines Deismus nichts am hçchsten Wesen erkennen. Es ist ein reiner und somit leerer Vernunftbegriff. Die symbolische Erkenntnis von Gott erscheint mit Blick auf die Prolegomena daher als eine Art Mittelweg zwischen Anthropomorphismus und Deismus, wodurch es mçglich ist, einerseits Theist zu sein, und andererseits die Erkenntnis dieses hçchsten Wesens von der Erkenntnis von Gegenstnden der sinnlichen Anschauung zu unterscheiden. Die Mçglichkeit, Begriffe symbolisieren zu kçnnen, ist somit wesentlich fr diese Unterscheidung und fr Kants philosophische Theologie insgesamt. Dadurch wird zugleich deutlich, dass Anschauungen zu einer praktischen Erkenntnis von Gott dazugehçren – auch wenn sie als Anschauungen in diesem Fall nicht die erkenntniskonstitutive Rolle spielen, die ihnen bei der theoretischen Erkenntnis von Gegenstnden zukommt. Sie gehçren nur insofern zur praktischen Erkenntnis von Gott, als sie Anschauungen der auf Gott nach einer Analogie bertragenen Eigenschaften sind. Dieses Ergebnis ist wichtig, weil der Ausdruck „symbolische Erkenntnis“ insinuieren kçnnte, es handelte sich hier um eine neue Erkenntnisart Gottes. Eine wichtige Anregung aus der Untersuchung von (B*) ist die Frage welche Eigenschaften Gottes wir symbolisch erkennen kçnnen: nur seine Kausalitt oder auch andere Eigenschaften? Ich komme in Kapitel 2.4 auf diese Frage zurck. Die Frage, was genau die Analogie sei, welche die Grundlage der symbolischen Erkenntnis von Gott als moralischer Welturheber mit Verstand und Wille bilde, lsst sich hingegen schon jetzt beantworten. Die Analogie, um die es hier geht, besteht in der Identitt („=“) zwischen dem Verhltnis des hçchsten Wesens zum moralischen Endzweck einerseits (UG : WG) und dem Verhltnis des Menschen zu seinen
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zweckmßigen Produkten andererseits (UM : WM). Auf der Grundlage dieser Analogie kçnnen wir nun die Anschauungen, die wir von unserer Kausalitt haben, dem Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens unterlegen. Wir bertragen die Reflexion ber uns auf den ,ganz anderen‘ Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens, dem keine Anschauung direkt korrespondieren kann, weil das hçchste Wesen kein Gegenstand der Erfahrung ist. Somit erhalten wir durch die dem Begriff unterlegten Anschauungen unseres Verstandes und Willens eine indirekte Darstellung und somit symbolische Vorstellung der Eigenschaften Verstand und Wille des hçchsten Wesens. Abschließend mçchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass ich mich in der Interpretation von [4.8] ganz auf das Beispiel der symbolischen Vorstellungsart von Gott, die wir als Erkenntnis ansehen kçnnen, beschrnkt habe. Prinzipiell lsst sich die mit dem Satz getroffene Aussage auch auf andere Gegenstnde wie z. B. den despotischen Staat anwenden, in deren Fall man dann auch sagen kçnnte, dass ihre Erkenntnis bloß symbolisch sei. Allerdings hat die Erkenntnis Gottes andere Konsequenzen fr das Selbstverstndnis des Menschen als die Erkenntnis der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats.118
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott außerhalb von KU, § 59 In diesem Kapitel wird es darum gehen, die Interpretation der Kant’schen Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 mit einigen ausgewhlten Textstellen aus anderen Werken zu vergleichen. Das Hauptkriterium fr die Auswahl der Textstellen ist, dass sie einen deutlichen thematischen und terminologischen Bezug sowohl auf den Symboloder Analogiebegriff als auch auf Kants philosophische Theologie und die Eigenart einer Erkenntnis Gottes haben. Wir werden dabei auch auf eine Stelle aus der Preisschrift zurckkommen, die bereits im ersten Teil kurz interpretiert wurde.
118 Ich gehe auf diese Kontinuitt des Symbols als ein Mittel, das zu Erkenntnis beitrgt, und den unterschiedlichen Status, den verschiedene Symbole haben, im Kapitel 2.4 am Beispiel der symbolischen Vorstellungen im Christentum im Vergleich zur symbolischen Erkenntnis von Gott ein.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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2.3.1 Prolegomena: Symbolischer Anthropomorphismus und Erkenntnis Gottes nach der Analogie Die §§ 57 bis 60 der Prolegomena bezeichnet Kant als „Beschluss“ des dritten Teils der transzendentalen Hauptfrage der Prolegomena. Dieser dritte Teil der transzendentalen Hauptfrage lautet: „Wie ist Metaphysik berhaupt mçglich?“. Kant hat im Rahmen dieses dritten Teils den Status der transzendentalen Vernunftideen und die Dialektik der reinen Vernunft erçrtert. Als Thema dieses Beschlusses gibt Kant noch genauer „Von der Grenzbestimmung der reinen Vernunft“ an.119 Kant reflektiert hier zum Abschluss seiner Auseinandersetzung mit den Vernunftideen ber die Mçglichkeit, von einer Erkenntnis der Ideen zu sprechen. Ausgangspunkt ist dabei das Problem, dass wir die Ideen annehmen mssen, weil nur in ihnen die Vernunft „Vollendung und Befriedigung“ ihrer Fragen findet.120 Andererseits aber ist nicht klar, wie wir uns epistemisch auf die Gegenstnde, die den Inhalt dieser Ideen ausmachen und die keine Gegenstnde mçglicher Erfahrung sind, beziehen kçnnen. Kant umreißt diese Problematik und die Lçsung dazu in § 57 folgendermaßen: „Da wir nun aber diese Verstandeswesen nach dem, was sie an sich selbst sein mçgen, d.i. bestimmt, niemals erkennen kçnnen, gleichwohl aber solche im Verhltnis auf die Sinnenwelt dennoch annehmen und durch die Vernunft damit verknpfen mssen, so werden wir doch wenigstens diese Verknpfung vermittelst solcher Begriffe denken kçnnen, die ihr Verhltnis zur Sinnenwelt ausdrcken. Denn denken wir das Verstandeswesen durch nichts als reine Verstandesbegriffe, so denken wir uns dadurch wirklich nichts Bestimmtes, mithin ist unser Begriff ohne Bedeutung; denken wir es uns durch Eigenschaften, die von der Sinnenwelt entlehnt sind, so ist es nicht mehr Verstandeswesen, es wird als eines von den Phnomenen gedacht und gehçrt zur Sinnenwelt. Wir wollen ein Beispiel vom Begriffe des hçchsten Wesens hernehmen.“121
Kant bezeichnet die Ideen hier als „Verstandeswesen“, wobei ein weiter Begriff von „Verstand“ zugrunde gelegt wird, der sowohl den Verstand im engeren Sinn als auch die Vernunft umfasst.122 Man erkennt auf Anhieb ein hnliches Dilemma wie in KU, § 59 [4.8]: Denken wir eine Idee nur durch 119 120 121 122
Vgl. Prol, 4: 350,18 – 19. Prol, 4: 354,36 – 37. Prol, 4: 355,5 – 16. Auch an anderer Stelle gebraucht Kant einen hnlich weiten Begriff des Verstandes. Vgl. dazu z. B. Anth, 7: 191,9 – 23. Ich kann dieser Verwendung von „Verstand“ hier nicht weiter nachgehen.
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reine Verstandesbegriffe, denken wir dadurch nichts Bestimmtes und die Idee bleibt ein Begriff ohne Bedeutung – dasselbe Schicksal ereilt, wie wir im Kapitel 2.2.6 gesehen haben, die Idee des hçchsten Wesens, wenn wir es deistisch zu denken versuchen. Denken wir eine Idee hingegen durch Eigenschaften, die wir aus der empirischen Welt gewinnen, gehen wir mit ihr um, als wre sie ein Phnomen der Sinnenwelt – worin der Anthropomorphismus bezglich der Idee des hçchsten Wesens besteht, wenn wir die Eigenschaften, die wir ihm zusprechen, ,fr schematisch nehmen‘, wie es in KU, § 59 [4.8] hieß. Wir kçnnen die Ideen also nicht auf theoretischem Weg bzw. was sie ,an sich selbst sein mçgen‘ erkennen, mssen sie aber im Verhltnis zur Sinnenwelt annehmen und kçnnen die Verknpfung von Ideen und Sinnenwelt durch Begriffe denken, die dieses Verhltnis ausdrcken. Mit dem Begriff des hçchsten Wesens, als einem Beispiel fr diesen besonderen Status der Ideen, beschftigt sich Kant dann direkt im Anschluss an das Zitat. Aus diesen Vorbemerkungen zu der hier interessanten Stelle aus den Prolegomena wird bereits deutlich, dass die Fragestellung, in deren Kontext Kant auf die Idee des hçchsten Wesens zu sprechen kommt, in den Prolegomena etwas anders gelagert ist als in der KU. Der Kontext der philosophischen Theologie, die Kant in der KU entwickelt, ist der einer Untersuchung der teleologischen Urteilskraft und zwar sowohl in natur- als auch in moralteleologischer Rcksicht. In den Prolegomena hingegen geht es um die Frage, wie Metaphysik mçglich ist und noch genauer, ob es mçglich ist, dass unser Denken in bestimmten Begriffen wie den Vernunftideen gewissermaßen zur Ruhe kommen kann. Kants Auseinandersetzung mit Hume’s Kritik an der natrlichen Theologie im Fortgang von § 57 knpft an die These an, dass wir Ideen auf theoretischem Weg nicht erkennen kçnnen, aber die Verknpfung von Ideen und Sinnenwelt durch Begriffe denken kçnnen, die dieses Verhltnis ausdrcken. Ich zitiere ein lngeres Textstck vom Ende des § 57 und vom Beginn des § 58, in dem deutlich wird, wie zentral der Analogie- und anscheinend auch der Symbolbegriff fr Kants philosophische Theologie und die Frage nach der Erkenntnis Gottes in den Prolegomena sind: „[15.1] Wir halten uns aber auf dieser Grenze [des erlaubten Vernunftgebrauchs, SM], wenn wir unser Urteil bloß auf das Verhltnis einschrnken, welches die Welt zu einem Wesen haben mag, dessen Begriff selbst außer aller Erkenntnis liegt, deren wir innerhalb der Welt fhig sind. [15.2] Denn alsdann eignen wir dem hçchsten Wesen keine von den Eigenschaften a n s i c h s e l b s t zu, durch die wir uns Gegenstnde der Erfahrung denken, und vermeiden dadurch den d o g m a t i s c h e n Anthropomorphismus; wir legen sie aber
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dennoch dem Verhltnis desselben zur Welt bei und erlauben uns einen s y m b o l i s c h e n Anthropomorphismus, der in der Tat nur die Sprache und nicht das Objekt selbst angeht. [16] Wenn ich sage: wir sind gençtigt, die Welt so anzusehen, a l s o b sie das Werk eines hçchsten Verstandes und Willens sei, so sage ich wirklich nichts mehr als: wie sich verhlt eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment zum Knstler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (oder alles das, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Erscheinungen ausmacht) zu dem Unbekannten, das ich also hierdurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es fr mich ist, nmlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Teil bin, erkenne. § 58. [1.1] Eine solche Erkenntnis ist die n a c h d e r A n a l o g i e , welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene hnlichkeit zweier Dinge, sondern eine vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen bedeutet*. [1.2] Vermittelst dieser Analogie bleibt doch ein f r u n s hinlnglich bestimmter Begriff von dem hçchsten Wesen brig, ob wir gleich alles weggelassen haben, was ihn schlechthin und a n s i c h s e l b s t b e s t i m m e n kçnnte; denn wir bestimmen ihn doch respektiv auf die Welt und mithin auf uns, und mehr ist uns auch nicht nçtig. [1.3] Die Angriffe, welche H u m e auf diejenigen tut, welche diesen Begriff absolut bestimmen wollen, indem sie die Materialien dazu von sich selbst und der Welt entlehnen, treffen uns nicht; auch kann er uns nicht vorwerfen, es bleibe uns gar nichts brig, wenn man uns den objektiven Anthropomorphismus von dem Begriffe des hçchsten Wesens wegnhme. * [Fn.1] So ist eine Analogie zwischen dem rechtlichen Verhltnisse menschlicher Handlungen und dem mechanischen Verhltnisse der bewegenden Krfte: ich kann gegen einen andern niemals etwas tun, ohne ihm ein Recht zu geben, unter den nmlichen Bedingungen eben dasselbe gegen mich zu tun; ebenso wie kein Kçrper auf einen anderen mit seiner bewegenden Kraft wirken kann, ohne dadurch zu verursachen, daß der andere ihm ebensoviel entgegenwirke. [Fn.2] Hier sind Recht und bewegende Kraft ganz unhnliche Dinge, aber in ihrem Verhltnisse ist doch vçllige hnlichkeit. [Fn.3] Vermittelst einer solchen Analogie kann ich daher einen Verhltnisbegriff von Dingen, die mir absolut unbekannt sind, geben. [Fn.4] Z.B. wie sich verhlt die Befçrderung des Glcks der Kinder =a zu der Liebe der Eltern =b, so die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts =c zu dem Unbekannten in Gott =x, welches wir Liebe nennen; nicht als wenn es die mindeste hnlichkeit mit irgendeiner menschlichen Neigung htte; sondern weil wir das Verhltnis derselben zur Welt demjenigen hnlich setzen kçnnen, was Dinge der Welt untereinander haben. [Fn.5] Der Verhltnisbegriff aber ist hier eine bloße Kategorie, nmlich der Begriff der Ursache, der nichts mit Sinnlichkeit zu tun hat.“123 123 Prol, 4: 357,8 – 358,10.28 – 37. Im Text der Akademie-Ausgabe finden sich zwei
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Kant bringt die besagte Lçsung fr das Problem der Erkenntnis von Ideen – die Beschrnkung des Urteils auf das Verhltnis von Idee und Sinnenwelt – in [15.2] in Verbindung zu der Frage, auf welche Weise wir dem hçchsten Wesen Eigenschaften zusprechen. Um welche Eigenschaften es sich dabei handelt, erfhrt man in [16]: Es geht – wie auch in der KU – um Verstand und Willen als Eigenschaften eines personalen hçchsten Wesens, das eine Kausalitt aus Vernunft hat.124 Diese Eigenschaften kçnnen dem hçchsten Wesen auf zweierlei Weise zugesprochen werden. Die erste Weise ,eignet‘ dem hçchsten Wesen die Eigenschaften an sich selbst zu. Kant bringt diese Weise der Prdikation mit dem ,dogmatischen Anthropomorphismus‘ in Zusammenhang. Damit ist, wie ich schon in Kapitel 2.2.6 angedeutet habe, derselbe Anthropomorphismus gemeint, von dem sowohl in KU, § 59 als auch in KU, § 88 die Rede gewesen ist. Wir gebrauchen die Eigenschaften, ,durch die wir uns Gegenstnde der Erfahrung denken‘, zur Bestimmung der Natur des hçchsten Wesens und gehen mit ihm wie mit einem Gegenstand der Erfahrung um.125 In diesem Sinne ,geht‘ der dogmatische Anthropomorphismus, wie es in [15.2] heißt, das ,Objekt selbst‘ an. Der dogmatische Anthropomorphismus ist allerdings hinsichtlich der Frage, wie eine Erkenntnis der Ideen mçglich ist, gerade zu vermeiden. Die Lçsung des Problems, wonach wir lediglich das Verhltnis der Ideen zur Sinnenwelt denken, bedient sich einer anderen Weise, dem hçchsten Wesen Eigenschaften ,beizulegen‘: Die Eigenschaften werden dem Verhltnis des hçchsten Wesens zur Welt zugesprochen. In welchem Zusamerwhnenswerte Abweichungen gegenber dem Text der Meiner-Ausgabe. (1) In 358,34 steht im Text der Akademie-Ausgabe vor „sondern“ statt eines Semikolons ein Komma. (2) In derselben Zeile steht im Text der Akademie-Ausgabe anstelle von „derselben“ „desselben“. 124 Dabei geht Kant bereits vor dem Zitat mit dem Beginn seiner Diskussion der Idee des hçchsten Wesens, also ab 355,17, davon aus, dass der theistische Begriff des hçchsten Wesens auf die Bestimmung seiner Kausalitt abzielt. 125 Interessant ist, dass Kant hier von Eigenschaften spricht, ,durch die wir uns Gegenstnde der Erfahrung denken‘. Nachdem klar ist, dass Kant hier Verstand und Wille als Eigenschaften meint, impliziert diese Aussage, dass wir mittels der Eigenschaften Verstand und Wille gewçhnlich uns Menschen als Gegenstnde der Erfahrung denken. Damit ist ein Problem angeschnitten, das ich schon in Kapitel 2.2.6 kurz erwhnt habe. Fr Kant scheint es wie in der KU auch in den Prolegomena kein Problem darzustellen, dass die Eigenschaften Verstand und Wille, die wir von uns Menschen und unserer Kausalitt her kennen und die wir Gott nur nach der Analogie als Eigenschaften zuschreiben kçnnen, mit Anschauungen in Verbindung gebracht werden.
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menhang steht die Aussage in Satz [15.2], dass wir die Eigenschaften dem Verhltnis des hçchsten Wesens zur Welt zusprechen, zu dem mit „und“ beigeordneten Satz („und erlauben uns einen symbolischen Anthropomorphismus, der in der Tat nur die Sprache und nicht das Objekt selbst angeht“)? Besteht der symbolische Anthropomorphismus darin, dass wir die Eigenschaften dem Verhltnis zusprechen oder ist der symbolische Anthropomorphismus davon unterschieden, erlauben wir uns sozusagen zustzlich zum Zusprechen der Eigenschaften einen symbolischen Anthropomorphismus? Zunchst ist der Ausdruck „symbolischer Anthropomorphismus“ interessant. Der Ausdruck kommt in Kants Werken sonst nicht vor und ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens ist „Anthropomorphismus“ im Kontext von Kants Religionsphilosophie und philosophischer Theologie meistens ein negativ konnotierter Ausdruck.126 Hier aber verwendet er den Ausdruck in Zusammenhang mit einem legitimen Verfahren, dem hçchsten Wesen Eigenschaften zuzusprechen. Dass Kant bei der Verwendung dieses Ausdrucks nicht ganz wohl zu Mute ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass er schreibt, dass wir uns den symbolischen Anthropomorphismus lediglich ,erlauben‘; er ist uns nicht geboten. Zweitens kommt der Ausdruck „symbolisch“ oder „Symbol“ nur an dieser Stelle der Prolegomena vor. Wenn Kant im Fortgang des zitierten Textes nher ausfhrt, was er unter einem symbolischen Anthropomorphismus versteht, greift er nicht mehr auf den Symbol-, sondern auf den Analogiebegriff zurck. Hinsichtlich der Rede davon, dass die Eigenschaften dem Verhltnis zugesprochen werden, ist an folgende (rekonstruierte) Aussage aus KU, § 88 [7.6] zu erinnern: Wir mssen uns den moralischen Welturheber als eine von der Natur unterschiedene Ursache der Dinge denken und zwar so und nur so, dass wir dadurch das Verhltnis dieses alle unsere Erkenntnisvermçgen bersteigenden Wesens zum moralischen Endzweck ausdrcken.127
Auch die Aussage aus KU, § 59 [4.8], dass eine symbolische Vorstellungsart als Erkenntnis bezeichnet werden kann, wenn sie Prinzip einer praktischen Bestimmung dessen ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet, habe ich so interpretiert, dass es bei dieser praktischen Bestimmung um die Bestimmung des Verhltnisses zwischen der Idee Gottes und uns Menschen als 126 Vgl. dazu insbesondere das Vierte Stck der Religionsschrift und Kapitel 2.2.6. 127 Vgl. dazu Kapitel 2.2.2.
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moralische Vernunftwesen geht. Bei diesem Vergleich ist allerdings zu bercksichtigen, dass Kant in den Prolegomena nicht wie in der KU vom moralischen Endzweck, sondern von der Welt spricht, zu der das hçchste Wesen in Relation steht.128 Trotz dieser Differenz ist jedoch offenkundig, dass Kant sowohl in den Prolegomena als auch in der KU das legitime Verfahren, dem hçchsten Wesen Verstand und Willen zuzusprechen, so versteht, dass wir diese Eigenschaften nicht dem hçchsten Wesen selbst, sondern dem Verhltnis zwischen dem hçchsten Wesen und der Welt bzw. dem moralischen Endzweck zusprechen. Die Rede von „Verhltnis“ in [15.2] deutet auch an, dass es in den Prolegomena (hnlich wie in der KU) einen Zusammenhang zwischen dem symbolischen Anthropomorphismus und einer Analogie gibt. Bevor ich darauf eingehe, ist jedoch interessant, dass Kant ebenfalls in [15.2] ber den symbolischen Anthropomorphismus sagt, dass er nicht das Objekt, sondern nur die Sprache angehe. Diese Aussage bringt auf den Punkt, weswegen der symbolische Anthropomorphismus anders als ein dogmatischer Anthropomorphismus ,erlaubt‘ ist und nicht vermieden werden muss. Das Anthropomorphe am symbolischen Anthropomorphismus betrifft lediglich die Sprache und nicht das hçchste Wesen selbst. Wir machen uns gewissermaßen keinen Gott, sondern sprechen nur ber ihn. Das konstruierende Element jedes Anthropomorphismus, das im Fall des dogmatischen Anthropomorphismus darauf abzielt, einen bersinnlichen Gegenstand auf sinnliche Weise zu bestimmen, richtet sich im symbolischen Anthropomorphismus auf das Sprechen ber diesen bersinnlichen Gegenstand. Wie dieses Sprechen aussieht, fhrt Kant in § 57 [16] vor. Kant stellt eine Aussage („Wenn ich sage: wir sind gençtigt etc.“) und ihre legitime Interpretation („so sage ich wirklich nichts mehr als“) vor. Die Aussage lsst sich auch so formulieren: Wir kçnnen aus bestimmten Grnden nicht anders, als die Welt als Produkt eines hçchsten Verstandes und Willens
128 Im darauffolgenden Satz [16] ist von der „Sinnenwelt (oder von alldem, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Erscheinungen ausmacht)“ die Rede. Meint Kant mit „Welt“ und „Sinnenwelt“ in diesem Kontext also dasselbe? Alles spricht dafr, denn einen anderen Begriff von Welt als den der Sinnenwelt als eines Inbegriffs aller Erscheinungen hier anzunehmen, ist ußerst unplausibel. Infrage kme z. B. noch Welt im Sinne von intelligibler Welt. Zu „Sinnenwelt“ vgl. auch Prol, 4: 342,15 – 18.
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anzusehen.129 Kant deutet dabei mit der Verwendung des gesperrt gedruckten „als ob“ bereits die Richtung an, in der diese Aussage interpretiert werden soll.130 Wir sprechen zwar so, als ob wir eine Aussage ber das hçchste Wesen machen, faktisch sagen wir damit jedoch etwas anderes aus. Nach Kant besteht die Bedeutung dieser Als-ob-Aussage darin, dass das Verhltnis zwischen einer Uhr und einem Knstler dem Verhltnis von Sinnenwelt und dem ,Unbekannten‘ hnlich ist.131 Die eigentliche Bedeutung der Als-ob-Aussage lsst sich somit als eine hnlichkeit zweier Verhltnisse und damit als eine Analogie rekonstruieren.132 Die beiden Abstze [15] und [16] aus § 57 erhellen zweierlei. Zunchst macht gerade das Beispiel aus [16] klar, dass der Unterschied zwischen dem dogmatischen und dem symbolischen Anthropomorphismus in einem unterschiedlichen Verstndnis des Zusammenhangs von Sprache und Objekt im Fall der Eigenschaften des hçchsten Wesens besteht. Whrend der symbolische Anthropomorphismus zwischen dem Sprechen ber die Welt, als wre sie Werk eines hçchsten Verstandes und Willens, und dem Objekt dieser Aussage, nmlich der hnlichkeit der beiden Verhltnisse, unterscheidet, fallen beim dogmatischen Anthropomorphismus Sprache und Objekt undifferenziert zusammen. Eine Aussage ber die Kausalitt des hçchsten Wesens wird so verstanden, als ob sie sich auf das hçchste Wesen selbst beziehen wrde. Deswegen ist die Formulierung einer entsprechenden Aussage mittels des „als ob“ von Bedeutung, weil dieser Ausdruck die Aussage bereits so imprgniert, dass derjenige, der die Aussage verstehen will, dahin gelenkt wird, von einem Unterschied zwischen Sprache und Objekt auszugehen. Ferner ist interessant, dass Kant hier die mit „als ob“ eingeleitete symbolisch-anthropomorphistische Aussage ber Gott und ihre legitime 129 Allerdings nçtigt uns in den Prolegomena anders als in der KU nicht die moralische Teleologie, sondern das Bedrfnis der Vernunft nach Metaphysik bzw. nach einer Art Ruhe im Denken zu dieser Aussage. 130 Im Anhang zur transzendentalen Dialektik der KrV verwendet Kant ebenfalls Alsob-Formulierungen, um den eigentmlichen Status der transzendentalen Vernunftideen als regulativer Prinzipien zu beschreiben. Vgl. dazu KrV, B 707 – 716 (3: 448,19 – 453,26). Vgl. dazu auch Hçffe 2004b, 272 – 277; Horstmann 1998, 536 – 537. 131 Mit dem „Unbekannten“ ist hier das hçchste Wesen als die unbekannte Ursache gemeint. 132 Das unterstreicht auch der erste Satz des § 58, der direkt an diesen Satz § 57 [16] anschließt, wenn es heißt: „Eine solche Erkenntnis ist die n a c h d e r A n a l o g i e “ etc. Das „solche“ bezieht sich hier offenkundig auf den vorhergehenden Text, also § 57 [16], nicht zuletzt, weil das letzte Wort von § 57 [16] „erkenne“ lautet.
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Interpretation nebeneinander stellt. Die legitime Interpretation der symbolisch-anthropomorphistischen Aussage besteht dabei in einer Wiedergabe der Analogie, die zwischen dem Verhltnis von Knstler und Uhr einerseits und dem Verhltnis des ,Unbekannten‘ zur Sinnenwelt andererseits festgestellt wird.133 Die sprachliche Rekonstruktion dieser Analogie nach dem Doppelpunkt ist dabei im Vergleich mit der symbolisch-anthropomorphistischen Als-ob-Aussage eher umstndlich, wenn auch sachlich richtig. Ich mçchte dieses Nebeneinander der Als-ob-Aussage und ihrer legitimen Interpretation im Sinne des im ersten Teils dieser Arbeit erluterten Verhltnisses von Analogie und Symbol interpretieren.134 Symbole haben eine Analogie zur Grundlage. Die Aufgabe von Symbolen besteht darin, Begriffe indirekt darzustellen und dadurch Begriffe auf eine anschauliche, lebendige Weise vorzustellen, whrend die zugrundeliegende Analogie ein recht abstrakter Vorgang ist. Ebenso scheint es hier Aufgabe des symbolischen Anthropomorphismus zu sein, eine komplizierte Aussage ber die hnlichkeit zweier Verhltnisse in eine anschauliche Form zu bringen. Der symbolische Anthropomorphismus ,erlaubt‘ uns – zumindest hinsichtlich der hier in den Prolegomena genannten Eigenschaften Verstand und Wille –, in Form einer Als-ob-Aussage ber die Kausalitt des hçchsten Wesens zu sprechen, ohne dabei jedoch zu vergessen, dass diese Redeweise nur eine sprachlich-anschauliche Ausgestaltung einer Analogie ist. Damit habe ich auch die weiter oben gestellte Frage beantwortet, wie die Formulierung in § 57 [15.2] zu verstehen ist, dass wir die Eigenschaften dem Verhltnis des hçchsten Wesens zur Welt beilegen und uns einen symbolischen Anthropomorphismus erlauben: Man kann in sachlicher Hinsicht zwischen der Bestimmung des Verhltnisses zwischen hçchstem Wesen und Sinnenwelt einerseits und der symbolisch-anthropomorphistischen Als-ob-Aussage andererseits unterscheiden. Diese Unterscheidung ergibt sich nicht zuletzt daraus, weil in der Als-ob-Aussage die Eigenschaften nicht dem Verhltnis, sondern dem hçchsten Wesen zugesprochen werden. Dieser sachlichen Unterscheidung korrespondiert allerdings ein enger Zusammenhang zwischen der analogischen Bestimmung des Verhltnisses und dem symbolischen Anthropomorphismus: Um die Bedeutung der Als-ob-Aussage („so sage ich wirklich nichts mehr als“) und damit der symbolisch-anthropomorphistischen Rede von einem hçchsten 133 Dass es sich dabei um eine Analogie handelt, wird deutlich, wenn man den Beginn von § 58 und die Fußnote mit dazu nimmt. 134 Vgl. dazu Kapitel 1.6.
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Verstand und Willen zu verstehen, muss die entsprechende Analogie rekonstruiert werden. Ist somit die Analogie, nach der ich erkenne, was das (unbekannte) hçchste Wesen ,fr mich ist‘, wie es in § 57 [16] heißt, etwas Nicht-Anthropomorphes in Abgrenzung zum symbolischen Anthropomorphismus? Kçnnte man nicht gerade mit Blick darauf, dass wir nach der Analogie nur erkennen, was das hçchste Wesen ,fr mich‘ ist, auch von einem „analogischen Anthropomorphismus“ sprechen? Die Beantwortung dieser Frage hngt von der Bedeutung von „Anthropomorphismus“ ab. Folgt man dem Kant’schen Gebrauch des Ausdrucks, meint Kant mit „Anthropomorphismus“ nicht nur in den Prolegomena meistens die Spielart eines Anthropomorphismus, die er hier in [15.2] als „d o g m a t i s c h e n Anthropomorphismus“ bezeichnet. Im dogmatischen Anthropomorphismus erzeugen oder konstruieren wir einen Gegenstand des hçchsten Wesens mit den Eigenschaften Verstand und Wille. Der symbolische Anthropomorphismus betrifft im Unterschied zum dogmatischen Anthropomorphismus ,nur die Sprache und nicht das Objekt selbst‘. Wie schon vorhin formuliert, machen wir uns mittels des symbolischen Anthropomorphismus keinen Gott mit bestimmten Eigenschaften bzw. ein Bild von Gott, sondern sprechen nur ber ihn, als ob er bestimmte Eigenschaften htte. Wir machen uns in gewisser Hinsicht eine Sprache, mit der wir auf anschauliche Weise ausdrcken kçnnen, in welchem Verhltnis das hçchste Wesen zur Sinnenwelt steht.135 Dieser konstruierte Charakter eines mçglichen vernnftigen Sprechens ber das hçchste Wesen wird jedoch im Sprechen bereits mit reflektiert, indem wir uns das hçchste Wesen so vorstellen, als ob es bestimmte Eigenschaften htte. Der symbolische Anthropomorphismus stellt somit nur indirekt – nmlich hinsichtlich seiner legitimen Interpretation als Ausdruck einer Analogie – einen Anspruch, eine Erkenntnis zu formulieren, whrend der dogmatische Anthropomorphismus mit dem Anspruch, das hçchste Wesen zu bestimmen, fehl geht. Die analogische Bestimmung des hçchsten Wesens ist hingegen eine Erkenntnis, indem mit der Analogie das Verhltnis zwischen hçchstem Wesen und Sinnenwelt bestimmt werden kann. Diese Bestimmung eines Verhltnisses ist weder die Konstruktion eines Objekts noch die eines Sprechens ber ein Objekt und in diesem Sinne kein Anthropomorphismus. Als nchstes mçchte ich noch einmal genauer das Verhltnis des symbolischen Anthropomorphismus aus den Prolegomena zum Symbol135 Vgl. dazu auch Theis 2004, 103 – 105.
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begriff aus KU, § 59 untersuchen.136 Im Vergleich mit KU, § 59, aber auch mit der Preisschrift fllt zunchst auf, dass der Aspekt der indirekten Darstellung von Begriffen durch Symbole bzw. der Status eines Symbols als eine einem anderen Begriff unterlegte Anschauung in den Prolegomena fehlt. Kant bringt den symbolischen Anthropomorphismus vielmehr mit einer bestimmten Weise, ber das hçchste Wesen zu sprechen, in Zusammenhang, was wiederum in KU, § 59 oder in der Preisschrift nicht so deutlich zum Thema gemacht wird. Da Kant auch nur an dieser Stelle der Prolegomena den Ausdruck „symbolisch“ gebraucht und ihn nicht weiter erlutert, kann man die Frage stellen, ob Kant in diesem Werk aus dem Jahr 1783 mit „symbolisch“ dasselbe meint wie mit den entsprechenden Ausdrcken aus der sieben Jahre spter verçffentlichten KU oder der fast zeitgleich mit der KU entstandenen Preisschrift. Diese Frage hat ihre Ursache jedoch lediglich in der Beobachtung, dass Kant hier nicht ausdrcklich auf die Eigenart eines Symbols als einer Anschauung, die einen Begriff indirekt darstellt, eingeht, whrend Kant in KU, § 59 gerade betont, dass Symbole Anschauungen sind. Ich mçchte hier kurz versuchen, einen plausiblen Zusammenhang zwischen dem Symbolbegriff aus KU, § 59 und der Rede von einem symbolischen Anthropomorphismus aus den Prolegomena herzustellen, ohne einfach davon auszugehen, dass Kant mit beidem dasselbe meint.137 Dazu ist ein kurzer Rckblick auf zwei Stze aus dem vierten Absatz von KU, § 59 und die Interpretation dieser Stelle aus dem ersten Teil hilfreich.138 „[4.6] Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt. [4.7] So sind die Wçrter G r u n d (Sttze, Basis), a b h n g e n (von oben gehalten werden), woraus fl i e ß e n (statt folgen), S u b s t a n z (wie Locke sich ausdrckt: der Trger der Akzidenzen) und unzhlige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrcke fr Begriffe nicht vermittelst einer direkten Anschauung, sondern nur nach einer Analogie mit derselben, d.i. der bertragung der Reflexion ber einen Gegenstand der Anschauung auf einen 136 Auf das Verhltnis des Symbolbegriffs aus KU, § 59 sowie der Preisschrift zum symbolischen Anthropomorphismus der Prolegomena komme ich auch in Kapitel 2.3.2 zu sprechen. 137 Vgl. dagegen Bielefeldt und Bahr, die ohne einen interpretatorischen Abgleich der Texte Kants Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott unter die berschrift des symbolischen Anthropomorphismus stellen. Vgl. Bahr 2004b, 286 – 292; Bielefeldt 2003, 173 – 174. 138 Vgl. dazu im Folgenden Kapitel 1.4.7.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann.“139
Die Aussage von [4.6] hatte ich mit Blick auf das Beispiel der Handmhle so rekonstruiert: [4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt der Ausdruck „Handmhle“ bloß ein Symbol fr die geleistete Reflexion.
Hier wird deutlich, dass das Symbol als Anschauung, die einem Begriff unterlegt wird, und der Ausdruck, der gewissermaßen der sprachliche Trger dieser Anschauung ist, eng zusammenhngen. Denn das Symbol ist in einem Ausdruck enthalten. Im nachfolgenden Satz [4.7] identifiziert Kant weiterhin bestimmte Worte als ,symbolische Hypotyposen und Ausdrcke‘, nennt also den Aspekt der anschaulichen Darstellung und des sprachlichen Ausdrucks in einem Atemzug. Fr Kant sind symbolische Darstellungen und symbolische Ausdrcke somit aufs Engste verknpft, eben weil die indirekten Darstellungen in den Ausdrcken enthalten sind. Andererseits sind indirekte Darstellung und sprachlicher Ausdruck sachlich voneinander zu unterscheiden. Der wichtigste Punkt ist, dass eine indirekte Darstellung eines Begriffs keine sprachliche Entitt ist. Wenn Kant von „Darstellung“ spricht, meint er damit eine Anschauung, die entweder auf direkte oder indirekte Weise einen Begriff, dem keine direkte Anschauung wie bei einem empirischen Begriff entspricht, anschaulich vorstellt.140 Dazu kommt dann noch, dass ein Ausdruck nicht einfach automatisch ein Symbol enthlt. Der Ausdruck „Handmhle“ kann einerseits auf eine Handmhle als Gegenstand einer sinnlichen Anschauung Bezug nehmen. Andererseits kann er ein ,Symbol fr die Reflexion‘ enthalten, wenn – wie im Beispiel – zuvor ber die Handmhle reflektiert und die Regel der Reflexion auf den despotischen Staat angewendet wurde. Dass eine solche Reflexion stattgefunden hat, lsst sich dadurch herausfinden, dass wir versuchen, das doppelte Geschft der Urteilskraft und die zugrundeliegende Analogie zu rekonstruieren. Wenn uns diese Rekonstruktion nicht gelingt, kann ein Ausdruck auch kein Symbol enthalten; denn wir wrden in diesem Fall nicht verstehen, warum der Ausdruck „Handmhle“ etwas mit einem despotischen Staat zu tun haben soll. Von dieser Stelle aus KU, § 59 ausgehend wird also deutlich, dass zwischen einem Symbol als Anschauung und seinem sprachlichen Aus139 KU, 5: 352,25 – 353,2. 140 Vgl. dazu Kapitel 1.3.5 und 1.5.
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druck sachlich zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung finden wir in den Prolegomena nicht explizit. Dabei ist allerdings zu bercksichtigen, dass sich Kant in KU, § 59 relativ ausfhrlich mit dem Symbolbegriff beschftigt, whrend er ihn in den Prolegomena an einer zentralen Stelle ein einziges Mal verwendet. Da aber auch in KU, § 59 ausgesagt wird, dass Symbole sprachlich ausgedrckt werden, lsst sich von KU, § 59 aus problemlos behaupten, dass die in den Prolegomena betonte sprachliche Dimension des Symbolischen in Kontinuitt zu den Aussagen aus KU, § 59 steht. Die Prolegomena werfen allerdings strker als KU, § 59 ein Licht auf den Zusammenhang von Sprache und Symbol, indem sie den symbolischen Anthropormorphismus als eine bestimmte Weise des Redens oder Sprechens ber das hçchste Wesen auffassen. Das Symbolische am symbolischen Anthropomorphismus vor dem Hintergrund von KU, § 59 besteht eben darin, dass wir in der Als-ob-Aussage die Kausalitt des hçchsten Wesens nur indirekt darstellen. Gerade die Formulierung mittels des „als ob“ macht diese Indirektheit der Darstellung im Sinne von KU, § 59 deutlich. Kant schließt den Absatz [16] im § 57 der Prolegomena mit einem Relativsatz, der an das ,Unbekannte‘ anschließt und erlutert, wie das Unbekannte ,hierdurch‘ erkannt wird. „[16] Wenn ich sage: wir sind gençtigt, die Welt so anzusehen, a l s o b sie das Werk eines hçchsten Verstandes und Willens sei, so sage ich wirklich nichts mehr als: wie sich verhlt eine Uhr, ein Schiff, ein Regiment zum Knstler, Baumeister, Befehlshaber, so die Sinnenwelt (oder alles das, was die Grundlage dieses Inbegriffs von Erscheinungen ausmacht) zu dem Unbekannten, das ich also hierdurch zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es fr mich ist, nmlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Teil bin, erkenne. § 58. [1.1] Eine solche Erkenntnis ist die n a c h d e r A n a l o g i e , welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene hnlichkeit zweier Dinge, sondern eine vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen bedeutet.“141
Das „hierdurch“ bezieht sich dabei auf die hnlichkeit zwischen den Verhltnissen bzw. auf die Analogie. Auch der sich unmittelbar anschließende erste Satz von § 58 unterstreicht, dass das Mittel, wodurch das Unbekannte erkannt wird, die Analogie ist: ,Eine solche Erkenntnis ist die 141 Prol, 4: 357,17 – 29.
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nach der Analogie‘. Die Aussage des Relativsatzes am Ende von [16] lautet also: Das Unbekannte wird durch eine Analogie zwar nicht nach dem, was es an sich selbst ist, aber doch nach dem, was es fr mich ist, nmlich in Ansehung der Welt, davon ich ein Teil bin, erkannt.
Wie in der KU taucht auch in den Prolegomena im Kontext der Rede von einer symbolischen oder analogen Erkenntnis von Gott die Unterscheidung von „Erkenntnis eines Gegenstands an sich“ und „Erkenntnis eines Gegenstands fr mich bzw. fr uns“ auf. Auch im zweiten Satz von Prolegomena, § 58 kommt diese Unterscheidung vor: „[1.2] Vermittelst dieser Analogie bleibt doch ein f r u n s hinlnglich bestimmter Begriff von dem hçchsten Wesen brig, ob wir gleich alles weggelassen haben, was ihn schlechthin und a n s i c h s e l b s t b e s t i m m e n kçnnte; denn wir bestimmen ihn doch respektiv auf die Welt und mithin auf uns, und mehr ist uns auch nicht nçtig.“142
Kant bringt sowohl in § 57 [16] als auch in § 58 [1.2] die Erkenntnis oder Bestimmung des hçchsten Wesens ,fr mich‘ in Zusammenhang mit uns Menschen als eines ,Teils‘ der Welt. In der Methodenlehre der KU war die Erkenntnis Gottes ,fr uns‘ eine praktische Erkenntnis, durch die wir uns selbst und unseren Willen bestimmen, um uns als moralische Vernunftwesen den moralischen Endzweck zum Objekt all unserer Handlungen machen zu kçnnen. Welchen Charakter hat die Erkenntnis ,fr uns‘ in den Prolegomena? Zunchst lsst sich das „fr mich“ bzw. das „fr uns“ sowohl in [16] als auch in [1.2] so verstehen, dass das hçchste Wesen in Relation zur Welt steht. Indem es in dieser Relation bestimmt wird, bestimmen wir ,mithin‘ auch die Relation von uns Menschen zum hçchsten Wesen, sofern wir eben ein Teil der Welt sind. Ich interpretiere diese Aussage so, dass es bei dieser Erkenntnis ,fr uns‘ darum geht, dass wir Menschen als Teile der Sinnenwelt diese Sinnenwelt verstehen wollen. Kant fasst dieses VerstehenWollen zu Beginn von Prolegomena, § 57 in folgende rhetorische Frage: „Endlich, wer sieht nicht bei der durchgngigen Zuflligkeit und Abhngigkeit alles dessen, was er nur nach Erfahrungsprinzipien denken und annehmen mag, die Unmçglichkeit, bei diesen stehen zu bleiben, und fhlt sich nicht notgedrungen, unerachtet alles Verbots, sich nicht in transszendente Ideen zu verlieren, dennoch ber alle Begriffe, die er durch Erfahrung rechtfertigen kann, noch in dem Begriffe eines Wesens Ruhe und Befriedigung zu suchen, davon die Idee zwar an sich selbst der Mçglichkeit nach nicht eingesehen, obgleich auch nicht widerlegt werden kann, weil sie ein bloßes Verstandes142 Prol, 4: 357,29 – 358,5.
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wesen betrifft, ohne die aber die Vernunft auf immer unbefriedigt bleiben mßte.“143
Das Bedrfnis der Vernunft nach Ruhe und Befriedigung im Begriff eines hçchsten Wesens ist an dieser Stelle wohl als ein Bedrfnis nach theoretischer Erkenntnis zu verstehen. Somit wre also die Metaphysik, die hinsichtlich des hçchsten Wesens mçglich ist, als eine theoretische Erkenntnis des hçchsten Wesens ,fr uns‘ zu verstehen.144 Kant macht dabei in § 58 [1.2] deutlich, dass durch die Erkenntnis des hçchsten Wesens nach einer Analogie ein ,fr uns hinlnglich bestimmter Begriff‘ brig bleibt, obwohl wir alles weggelassen haben, was den Begriff an sich selbst bestimmen kçnnte. Der Grund dafr („denn“), dass ein fr uns hinreichend bestimmter Begriff brig bleibt, ist, dass wir den Begriff ,respektiv auf die Welt und mithin auf uns‘ bestimmen. Mehr sei in diesem Fall nicht nçtig. Damit unterstreicht Kant, dass es auch im Bereich der theoretischen Erkenntnis legitim ist, auf das Verfahren der Analogie und eine sich daraus ergebende Erkenntnis des hçchsten Wesens ,fr uns‘ zurckzugreifen. Wir kommen ber die Analogie zu einem hinreichend bestimmten Begriff des hçchsten Wesens, der die Anforderungen der nach Ruhe und Befriedigung suchenden Vernunft erfllt.145 Die Analogie steht
143 Prol, 4: 352,10 – 20. 144 Dass Kant auch in der KU eine Erkenntnis ,fr uns‘ in theoretischer Rcksicht kennt, hat der Beginn von § 91 gezeigt. Vgl. KU, 5: 467,4 – 11. 145 Pieper, deren Interpretation der §§ 57 bis 59 aus den Prolegomena ich im Wesentlichen teile, interpretiert Kants Rede in Prol, 4: 359,9 – 14, dass wir dem hçchsten Wesen Vernunft nach der Analogie beilegen, im Sinne eines Analogieschlusses gemß dem Prinzip, dass Gleiches nur durch Gleiches hervorgebracht werden kçnne. Vgl. Pieper 1996, 100 – 103. In diesem Urteil wrde ich Pieper widersprechen. Kant unterscheidet in den entsprechenden Abschnitten der Prolegomena zwar nicht ausdrcklich zwischen einem Analogieschluss und einer Erkenntnis nach der Analogie. Allerdings erscheint es auf dem Hintergrund meiner berlegungen in Kapitel 1.2 zu Kants Unterscheidung von Analogieschlssen und dem analogischen Denken plausibler, dass die Rede von einer „Erkenntnis […] n a c h d e r A n a l o g i e “ in den Prolegomena im Sinne eines analogischen Denkens der Eigenschaften Gottes und nicht im Sinne eines Analogieschlusses zu verstehen ist. Denn beim Analogieschluss kçnnen wir – um das Beispiel aus KU, § 90 zu nehmen – die mittels eines Analogieschlusses auf die Biber bertragene Eigenschaft, dass sie nach Vorstellungen handeln, genauso auf die Biber anwenden wie auf uns Menschen. Wir legen den Bibern die durch einen Analogieschluss erkannte Eigenschaft also gerade nicht analogisch bei. In den Prolegomena heißt es dagegen, dass wir dem hçchsten Wesen Vernunft nach der Analogie beilegen. Vor dem Hintergrund von KU, § 90 deutet also alles darauf hin, dass wir auch den Pro-
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somit im Zentrum der Strategie von Kants Verteidigung eines nichtdogmatisch-anthropomorphistischen Theismus. Ich mçchte noch kurz auf den noch nicht besprochenen Teil des Zitats und damit auf die Fußnote und Kants Ausfhrungen zur Analogie eingehen. Den Satz § 58 [1.1] habe ich bereits im Kontext der Untersuchung des Analogiebegriffs in KU, § 90 kurz interpretiert.146 Kant definiert die Analogie, die bei der Erkenntnis des unbekannten hçchsten Wesens verwendet wird, gegen die gelufige Auffassung („wie man das Wort gemeiniglich nimmt“) als eine vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen. Die Fußnote, die sich an diesen Satz anschließt, hat die Aufgabe, die Aussage von [1.1], dass es bei einer Analogie um die vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen zwei ganz unhnlichen Dingen geht, zu erlutern. In ihren ersten beiden Stzen thematisiert die Fußnote zunchst anhand eines Beispiels, dass die Unhnlichkeit der in der Analogie involvierten Dinge nichts ber die mçgliche hnlichkeit der kausalen Verhltnisse, in denen sie stehen, aussagt. Die drei folgenden Stze wollen wir uns etwas genauer ansehen: „[Fn.3] Vermittelst einer solchen Analogie kann ich daher einen Verhltnisbegriff von Dingen, die mir absolut unbekannt sind, geben. [Fn.4] Z.B. wie sich verhlt die Befçrderung des Glcks der Kinder =a zu der Liebe der Eltern =b, so die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts =c zu dem Unbekannten in Gott =x, welches wir Liebe nennen; nicht als wenn es die mindeste hnlichkeit mit irgendeiner menschlichen Neigung htte; sondern weil wir das Verhltnis derselben zur Welt demjenigen hnlich setzen kçnnen, was Dinge der Welt untereinander haben. [Fn.5] Der Verhltnisbegriff aber ist hier eine bloße Kategorie, nmlich der Begriff der Ursache, der nichts mit Sinnlichkeit zu tun hat.“147
In [Fn.3] heißt es zunchst, dass man mittels einer Analogie einen Verhltnisbegriff von absolut unbekannten Dingen geben kann. Was Kant damit meint, illustriert er im folgenden Satz mit einem Beispiel. Die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts verhlt sich zu dem Unbekannten in Gott, das wir Liebe nennen, wie sich die Befçrderung des Glcks der Kinder zur Liebe der Eltern verhlt. Der Verhltnisbegriff ist in diesem Beispiel der Begriff des Verhltnisses des Unbekannten in Gott, das wir Liebe nennen, zur Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts. Dabei macht Kant mit der Rede von dem „Unbekannten in Gott […], welches wir Liebe legomena zufolge bestimmte Eigenschaften Gottes nur nach einer Analogie denken kçnnen. 146 Vgl. dazu Kapitel 1.2.1. 147 Prol, 4: 358,29 – 37.
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nennen“ klar, dass wir die unbekannte Ursache der menschlichen Wohlfahrt in Gott nur Liebe nennen. Die Art und Weise, wie Gott Ursache dieser Wohlfahrt ist, bleibt uns unbekannt, was Kant dadurch unterstreicht, dass man die Benennung nicht so verstehen drfte, als wenn diese unbekannte Ursache die ,mindeste hnlichkeit mit irgendeiner menschlichen Neigung htte‘. Dass wir das Unbekannte in Gott so bezeichnen kçnnen, begrndet Kant damit, dass ,wir das Verhltnis derselben zur Welt demjenigen hnlich setzen kçnnen, was Dinge der Welt untereinander haben.‘ In diesem Satzteil von [Fn.4] finden sich einige interpretatorische Unklarheiten. Klar ist, dass nach „demjenigen“ das Wort „Verhltnis“ zu ergnzen ist. Dann stellt sich die Frage, worauf sich „derselben“ bezieht. Dazu kommt, dass in der Akademie-Ausgabe statt „derselben“ „desselben“ steht. Nehmen wir diese Textvariante auch in den Blick ergeben sich folgende sachlich sinnvolle Zuordnungen des fraglichen Pronomens:148 (Meiner-Ausgabe): Wir kçnnen das Verhltnis der(selben) Liebe (Gottes) zur Welt demjenigen Verhltnis hnlich setzen, was Dinge der Welt untereinander haben. (Akademie-Ausgabe). Wir kçnnen das Verhltnis (desselben) Gottes bzw. des Unbekannten in Gott zur Welt demjenigen Verhltnis hnlich setzen, was Dinge der Welt untereinander haben.
Da es sich bei der Liebe nur um eine Bezeichnung der eigentlich unbekannten Urschlichkeit Gottes fr die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts handelt, fllt es schwer, die Textvariante aus der Meiner-Ausgabe zu akzeptieren. Denn wir bezeichnen die unbekannte Urschlichkeit Gottes ja erst auf der Grundlage der hnlichsetzung der Verhltnisse als „Liebe“. Deswegen kann man eigentlich nicht davon sprechen, dass das Verhltnis der Liebe Gottes zur Welt dem Verhltnis, was Dinge der Welt untereinander haben‘, als hnlich gesetzt wird. Die Variante aus der Akademie-Ausgabe ergibt dagegen einen plausibleren Text. Wenn man die beiden Satzteile nach dem Beispiel, die jeweils durch ein Semikolon voneinander getrennt werden, als Begrndung der Aussage auffasst, dass wir das Unbekannte in Gott Liebe nennen drfen, kann man diese Begrndung mit der Variante der Akademie-Ausgabe folgendermaßen rekonstruieren:
148 Gerade fr „derselben“ finden sich im Kontext des Satzes keine anderen sinnvollen Zuordnungen. Grammatikalisch kmen noch „hnlichkeit“ oder „Neigung“ in Betracht. Diese Alternativen ergeben aber sachlich keinen Sinn.
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Der Grund dafr, dass wir das Unbekannte in Gott Liebe nennen kçnnen, ist nicht, dass dieses Unbekannte irgendeine hnlichkeit mit einer sinnlichen Neigung hat. Der Grund ist vielmehr der, dass wir das Verhltnis des(selben) Unbekannten in Gott dem Verhltnis hnlich setzen kçnnen, das Dinge der Welt untereinander haben.
Diese rekonstruierte Aussage weist deutliche bereinstimmungen mit der Interpretation von § 57 [15] und [16] auf, wonach wir zwischen der Analogie und der Bestimmung des Verhltnisses zwischen dem hçchsten Wesen und der Welt mittels Eigenschaften einerseits und der sprachlichen Artikulation dieser Bestimmung bzw. dem symbolischen Anthropomorphismus andererseits unterscheiden kçnnen. Der Grund fr die Benennung des Unbekannten in Gott als „Liebe“ ist die hnlichsetzung der Verhltnisse, womit nichts anderes als die Analogie gemeint ist, wodurch wir einen Verhltnisbegriff Gottes allererst bestimmen kçnnen. Denn Gott und Mensch sind sich als Dinge ganz unhnlich, was auch die Analogie nicht ndern kann. Infolge dieser Analogie kçnnen wir uns nun aber erlauben so ber das Unbekannte in Gott zu reden, als sei es eine Liebe Gottes zur Welt oder zur Menschheit. Im letzten Satz der Fußnote erwhnt Kant den Verhltnisbegriff Gottes, um den es hier geht. Der Verhltnisbegriff ist in Abgrenzung („aber“) zu der Benennung der Urschlichkeit Gottes als Liebe eine ,bloße Kategorie, nmlich der Begriff der Ursache, der nichts mit Sinnlichkeit zu tun hat.‘. Diesen Begriff der Urschlichkeit des hçchsten Wesens vermag die Analogie zwischen Mensch und Gott zu bestimmen. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass der mit dieser Analogie bestimmte Verhltnisbegriff Gottes zur Welt spezifischer ist, als der Verhltnisbegriff, der in der Analogie in § 57 [16] bestimmt wurde. Dort ging es um das Verhltnis des unbekannten hçchsten Wesens zur Sinnenwelt in Analogie zum Verhltnis eines Knstlers zu einer Uhr. Whrend diese Analogie aus Absatz [16] das grundlegende Verhltnis des hçchsten Wesens zur Welt bestimmt, benennt die Analogie in der Fußnote eine spezifische Wirkung, die ,Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts‘, so dass auch der Verhltnisbegriff spezifischer sein muss als nur der einer Kausalitt aus Vernunft. Allerdings impliziert die Rede von einer nach einer Analogie gedachten Urschlichkeit Gottes fr die ,Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts‘, dass wir im Sinne von [16] Gott analogisch als ein hçchstes Wesen mit Verstand und Willen ,fr uns‘ erkennen kçnnen. Die Fußnote, die v. a. die Aufgabe hatte, die Aussage von [1.1] zu erlutern, dass in einer Analogie hnlichkeit und Unhnlichkeit zueinander gehçren, vertieft somit noch einmal den am Schluss von § 57 auf-
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gezeigten Zusammenhang wie auch die Unterscheidung von Analogie und symbolischem Anthropomorphismus. Es handelt sich bei Gott und Mensch um vçllig unhnliche Dinge. In einem symbolisch-anthropomorphistischen Sinne sprechen wir auf dem Hintergrund der ,Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts‘ von einer „Liebe“ in Gott. Diese Bezeichnung des ,Unbekannten in Gott‘ zeigt jedoch nicht irgendeine hnlichkeit mit einer menschlichen Neigung an. Vielmehr grndet diese Bezeichnung in etwas gnzlich Nicht-Sinnlichem, einer ,bloßen Kategorie‘: dem Begriff des Verhltnisses zwischen Gott und der Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts. Auf diesen Begriff kommt man, wenn man dieses Verhltnis demjenigen Verhltnis hnlich setzt, das ,Dinge der Welt untereinander‘ bzw. Menschen untereinander haben. Eine Analogie ermçglicht somit, den Verhltnisbegriff zwischen Gott und dem menschlichen Wohlergehen zu bestimmen, und auf diesem Hintergrund ist es dann mçglich, diesen Verhltnisbegriff mittels der Bezeichnung als „Liebe“ indirekt darzustellen, sofern wir die entsprechende Anschauung menschlicher Liebe dem analogisch bestimmten Verhltnisbegriff unterlegen. Abschließend lsst sich Folgendes festhalten: Auch wenn die Perspektive der Prolegomena auf die Erkenntnis des hçchsten Wesens eine andere als in der KU ist – in den Prolegomena geht es um die Frage, wie Metaphysik berhaupt mçglich ist; in der KU wird gefragt, welche Implikationen die praktische Realitt des moralischen Endzwecks hat – kann man durchaus behaupten, dass die Erkenntnis des hçchsten Wesens hnlich aufgefasst wird. Das hngt v. a. damit zusammen, dass auch fr die Prolegomena eine Erkenntnis des hçchsten Wesens bzw. die Bestimmung seines Begriffs nur ber die Methode der Analogie mçglich ist. Die Analogie wird dabei in beiden Schriften identisch als die vollkommene hnlichkeit zweier Verhltnisse zwischen ganz unhnlichen Dingen definiert. Die Eigenschaften des hçchsten Wesens, um die es jeweils geht, sind auch dieselben: Verstand und Wille, also die Eigenschaften, die notwendig sind, um einer Entitt eine Kausalitt aus Vernunft zusprechen zu kçnnen.149 Sowohl in den Prolegomena als auch in der KU ist klar, dass nur das Verhltnis zwischen dem hçchsten Wesen und der Sinnenwelt bzw. dem moralischem 149 Allerdings nennen die Prolegomena zustzlich noch eine weitere Analogie, in der es um die spezifische Wirkung der ,Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts geht‘. Diese Analogie kommt in den Texten der KU nicht vor. Allerdings impliziert die besagte Analogie aus den Prolegomena die grundlegende Analogie, nach der wir das Verhltnis zwischen dem hçchsten Wesen und der Welt aus das einer Kausalitt aus Vernunft bestimmen kçnnen.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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Endzweck und nicht das hçchste Wesen an sich selbst bestimmt werden kann, was eine Erkenntnis Gottes nach einer Analogie ,fr uns‘ impliziert. Dabei ist diese Erkenntnis ,fr uns‘ in den Prolegomena eher eine theoretische, whrend es sich in der KU eindeutig um eine praktische Erkenntnis Gottes handelt. Whrend also die Methode der Analogie in ihrer Bedeutung fr die Mçglichkeit einer Erkenntnis des hçchsten Wesens in den Prolegomena prominent ist, hat der Symbolbegriff nur einen sehr kurzen und fast verhaltenen Auftritt in Form des Ausdrucks „symbolischer Anthropomorphismus“. Kant bezeichnet damit die Art und Weise, wie wir uns erlauben, ber das hçchste Wesen, unter der Voraussetzung einer analogischen Erkenntnis des hçchsten Wesens, zu sprechen. Wir kçnnen die Welt betrachten, als ob sie Werk eines hçchsten Verstandes und Willens sei. Der Unterschied zwischen dem dogmatischen und dem symbolischen Anthropomorphismus besteht darin, dass der symbolische Anthropomorphismus auf die Differenz zwischen der Rede ber das hçchste Wesen und dem hçchsten Wesen selbst reflektiert, indem er mittels der Formulierung der Aussage mit der Konjunktion „als ob“ anzeigt, dass es sich nicht um eine gewçhnliche Prdikation von Eigenschaften handelt. Wir sprechen nur ber Gott, als ob er diese Eigenschaften htte. Wenn wir so ber ihn sprechen bedeutet das aber nicht, dass er diese Eigenschaften tatschlich hat. Die eigentliche Bedeutung der Aussage ber die Eigenschaften Gottes muss dadurch rekonstruiert werden, dass die zugrundeliegende Analogie aufgeschlsselt wird.150 Die Aufgabe des symbolischen Anthropomorphismus lsst sich vor dem Hintergrund von KU, § 59 als die einer lebendigen Darstellung des komplexen Vorgangs einer Analogie verstehen. Es ist sehr viel einfacher und wirkt anschaulicher, davon zu sprechen, dass wir die Welt betrachten, als ob sie Werk eines hçchsten Verstandes und Willens wre, als die zugrunde liegende Analogie wiederzugeben. Dass Kant diese Redeweise als „Anthropomorphismus“ bezeichnet und den Ausdruck „symbolischer Anthropomorphismus“ weder in den Prolegomena noch in anderen Werken verwendet, ist dabei in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zunchst steht diese Bezeichnung dafr, dass wir unser Sprechen ber Gott, als ob er bestimmte Eigenschaften habe, als eine Art sprachliche Konstruktion verstehen mssen. Sie steht allerdings auch fr die von Kant oft beschworene Gefahr der Missdeutung von Anthropomorphismen, dass also der Unterschied zwischen symbolischer und 150 Vgl. dazu auch Winter 2000c, 410 – 411, der das Kant’sche „als-ob“ an dieser Stelle als Schlsselwort fr die Verhltnisanalogie interpretiert.
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schematischer Hypotypose aus welchen Grnden auch immer bersehen wird – weswegen Kant an anderen Stellen wohl Abstand von diesem positiv konnotierten Begriff des Anthropomorphismus genommen hat.151 2.3.2 Preisschrift: Symbolische Darstellungen als Nothilfe fr Begriffe des bersinnlichen Der Text aus der Preisschrift wurde bereits in Kapitel 1.8 interpretiert. Betrachten wir ihn ein weiteres Mal: „[1.1] Einen reinen Begriff des Verstandes, als an einem Gegenstande mçglicher Erfahrung denkbar vorstellen, heißt, ihm objective Realitt verschaffen, und berhaupt, ihn darstellen. [1.2] Wo man dieses nicht zu leisten vermag, ist der Begriff leer, d.i. er reicht zu keinem Erkenntniß zu. [1.3] Diese Handlung, wenn die objective Realitt dem Begriff geradezu (directe) durch die demselben correspondirende Anschauung zugetheilt, d.i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematism; kann er aber nicht unmittelbar, sondern nur in seinen Folgen (indirecte) dargestellt werden, so kann sie die Symbolisirung des Begriffs genannt werden. [1.4] Das erste findet bey Begriffen des Sinnlichen statt, das zweyte ist eine Nothhlfe fr Begriffe des bersinnlichen, die also eigentlich nicht dargestellt, und in keiner mçglichen Erfahrung gegeben werden kçnnen, aber doch nothwendig zu einem Erkenntnisse gehçren, wenn es auch blos als ein praktisches mçglich wre. [2] Das Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffes) ist eine Vorstellung des Gegenstandes nach der Analogie, d.i. dem gleichen Verhltnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst, zu seinen Folgen beygelegt wird, obgleich die Gegenstnde selbst von ganz verschiedener Art sind, z. B. wenn ich gewisse Producte der Natur, wie etwa die organisirten Dinge, Thiere oder Pflanzen, in Verhltniß auf ihre Ursache, mir wie eine Uhr, im Verhltniß auf den Menschen, als Urheber, vorstellig mache, nmlich das Verhltniß der Kausalitt berhaupt, als Kategorie, in beyden eben dasselbe, aber das Subject dieses Verhltnisses, nach seiner innern Beschaffenheit mir unbekannt bleibt, jenes also allein, diese aber gar nicht dargestellt werden kann. [3] Auf diese Art kann ich vom bersinnlichen, z. B. von Gott, zwar eigentlich kein theoretisches Erkenntniß, aber doch ein Erkenntniß nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken nothwendig ist, haben; wobey die Kategorien zum Grunde liegen, weil sie zur Form des Denkens nothwendig gehçren, dieses mag auf das Sinnliche oder
151 Vgl. dazu auch Wood 1970, 164.
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bersinnliche gerichtet seyn, ob sie gleich, und gerade eben darum, weil sie fr sich noch keinen Gegenstand bestimmen, kein Erkenntniß ausmachen.“152
Interessant ist hier v. a. der dritte Absatz, der in Kapitel 1.8 noch nicht interpretiert wurde, sowie der Satz [1.4] und der zweite Absatz. Auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse der Kapitel 2.2 und 2.3 lsst sich der Satz [1.4] nun noch besser verstehen. Das Thema des ersten Absatzes ist zunchst die Frage, wie wir Begriffen objektive Realitt verschaffen kçnnen. Die Symbolisierung von Begriffen ist mit Blick darauf, wie Begriffen objektive Realitt verschafft werden kann, eine ,Nothilfe‘ fr Begriffe des bersinnlichen, die notwendig ,zu einem Erkenntnisse gehçren, wenn es auch blos als ein praktisches mçglich wre‘. Diesen letzten Teil des Satzes hatte ich in Kapitel 1.8 so interpretiert, dass Kant hier ber eine mçgliche praktische Erkenntnis des bersinnlichen spricht. Die Aussage von [1.4] lautet also: Die Symbolisierung von Begriffen ist eine Nothilfe fr Begriffe des bersinnlichen, die notwendig zu einer praktischen Erkenntnis gehçren.
Die Begriffe des bersinnlichen, die notwendig zu einer praktischen Erkenntnis gehçren, kçnnen dabei auch die Eigenschaften Gottes sein, von dem im zweiten und dritten Absatz die Rede ist. Bemerkenswert ist, dass Kant die Symbolisierung von Begriffen als „Nothilfe“ fr die Begriffe des bersinnlichen bezeichnet. Auf dem Hintergrund der Prolegomena und der Methodenlehre der KU kçnnte man meinen, dass die eigentlich wichtige Leistung mit Blick auf die Begriffe des bersinnlichen die Bildung der Analogie ist. Kant bezieht hier jedoch das Unterlegen des Begriffs des bersinnlichen mit einer Anschauung, die aus der zugrunde liegenden Analogie stammt, ausdrcklich in die ,Nothilfe‘ mit ein. Diese Aussage der Preisschrift hat ihre Parallele in KU, § 59, wo von einer symbolischen Erkenntnis von Gott auf dem Hintergrund einer praktischen Bestimmung dessen die Rede ist, was die Idee Gottes fr uns Menschen als moralische Vernunftwesen bedeutet. In Kapitel 1.8 hatte ich bei der Interpretation dieser Stelle moniert, dass Kant im ersten Absatz des Textes nicht hinreichend deutlich macht, ob es sich um dieselbe objektive Realitt handelt, die einerseits reinen Verstandesbegriffen und andererseits Begriffen des bersinnlichen verschafft wird. Ruft man sich Kants grundlegende Unterscheidung zwischen einer theoretischen Erkenntnis, der hier die Schematisierung oder direkte Darstellung eines Begriffs entspricht, und einer Erkenntnis ,fr uns‘ aus der 152 FM, 20: 279,25 – 280,20.
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KU in Erinnerung, dann wird man mit Blick auf die Realitt der bersinnlichen Begriffe von einer subjektiv-praktischen Realitt ausgehen mssen, hinsichtlich derer die Symbolisierung von Begriffen als ,Nothilfe‘ dient.153 Ein nochmaliger Blick in den zweiten Absatz zeigt weiterhin, dass Kant in der Preisschrift – hnlich wie in KU, § 59 – betont, dass lediglich das ,Verhltnis der Kausalitt‘ und nicht das Subjekt dieses Verhltnisses und seine innere Beschaffenheit dargestellt werden kann. In der Preisschrift kommt – im Unterschied zu den Prolegomena – der Darstellungsbegriff ins Spiel, der ja auch in KU, § 59 prominent ist: Das Symbol ist eine indirekte Darstellung eines Begriffs bzw. eines Verhltnisses. Wir kçnnen somit nicht von einer symbolischen Darstellung Gottes, sondern nur von einer symbolischen Darstellung des Begriffs seiner Kausalitt sprechen. Beiden Textstellen ist auch – wie bereits in Kapitel 1.8 ausgefhrt – gemeinsam, dass der Symbolbegriff vom Begriff der Analogie abhngt: Das Symbol einer Idee definiert Kant im zweiten Absatz dieses Textes als „Vorstellung des Gegenstandes nach der Analogie“. Auf der Grundlage der Preisschrift kann somit behauptet werden: Mittels der Analogie bestimmen wir das Verhltnis des bersinnlichen zur Welt. Mittels eines Symbols stellen wir dieses Verhltnis auf indirekte Weise dar. Die Symbolisierung des analogisch gedachten Verhltnisses gehçrt zur Erkenntnis des hçchsten Wesens dazu. Abschließend will ich noch kurz auf den dritten Absatz des Textes eingehen. Kant sagt hier aus, dass man auf ,diese Art‘, womit die im zweiten Absatz erluterte Symbolisierung von Begriffen nach einer Analogie gemeint ist, vom bersinnlichen und somit auch von Gott eine ,Erkenntnis nach der Analogie‘ haben kann, ,die der Vernunft zu denken notwendig ist‘. Kant spricht also wie in den Prolegomena ausdrcklich von einer „Erkenntnis nach der Analogie“. Dabei heißt es im Text ausdrcklich, dass diese Erkenntnis keine theoretische Erkenntnis sei. Vielmehr gilt fr diese Erkenntnis nach der Analogie, dass sie ,der Vernunft zu denken notwendig‘ ist, wobei mit dieser Notwendigkeit, etwas zu denken, eine subjektivpraktische Notwendigkeit gemeint ist.154 Kant ordnet also hier – wenn auch 153 Vgl. dazu Kapitel 2.2.2. 154 Als Subjekt dieses Nebensatzes in [3] („die“) kommen „Erkenntnis“, „Analogie“ und der zusammengesetzte Begriff „Erkenntnis nach der Analogie“ infrage. Grammatikalisch und inhaltlich lassen sich alle drei Bezge plausibilisieren. Fr den Bezug auf „Erkenntnis nach der Analogie“ spricht, dass man bei einem Relativsatz, der einem solchen zusammengesetzten Begriff folgt, erwartet, dass mit
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weniger deutlich als in der KU – die Erkenntnis Gottes nach der Analogie der praktischen Vernunft und ihrem Bedrfnis zu, aufgrund der moralischen Teleologie die Existenz eines moralischen Welturhebers anzunehmen. Kant schließt diesen Absatz mit der Bemerkung, dass auch bei dieser Erkenntnis Gottes nach der Analogie die Kategorien zugrundeliegen, ohne dabei eine (theoretische) Erkenntnis des Gegenstands zu ermçglichen. Denn dazu wren wiederum Anschauungen nçtig.155 Die erneute Interpretation der Preisschrift hat somit noch einmal vor Augen gefhrt, dass die Symbolisierung von Begriffen kein berflssiges Anhngsel einer Analogie, sondern ,Nothilfe‘ bei Begriffen des bersinnlichen ist. Wenn wir Gott nach der Analogie in praktischer Absicht erkennen wollen, gehçren auch bestimmte Begriffe des bersinnlichen notwendig dazu, was fr Kant impliziert, dass mangels einer direkten Darstellung dieser Begriffe eine ,Nothilfe‘ zumindest eine indirekte Darstellung der Begriffe ermçglichen muss.156 dem Relativsatz der ganze Begriff und nicht nur eines seiner Bestandteile erlutert wird. Weiterhin hat Kant bereits in [1.4] von Begriffen des bersinnlichen, die ,notwendig‘ zu einer praktischen Erkenntnis gehçren, gesprochen. Das zeigt auf inhaltlicher Ebene, dass Notwendigkeit und Erkenntnis miteinander zusammenhngen. Außerdem weist [1.4] darauf hin, dass mit der Notwendigkeit, etwas zu denken, hier eine subjektiv-praktische Notwendigkeit – im Sinne von KpV, 5: 125,22 – 34; vgl. dazu Kapitel 2.2.2 – gemeint ist. Versteht man das notwendige Denken hier als ein solches subjektiv-praktisches notwendiges Denken, lçst sich auch die Irritation auf, die sich sonst bei der Aussage ergeben wrde, dass wir eine Erkenntnis notwendig denken mssen. Dann geht es hier nmlich um ein Bedrfnis der praktischen Vernunft, das uns dazu fhrt, die Mçglichkeit einer Erkenntnis des hçchsten Wesens nach der Analogie anzunehmen. Diese Aussage deckt sich wiederum mit der Beobachtung aus dem ersten Teil, dass Kant sich an dieser Stelle der Preisschrift sehr eng an die KU anlehnt (vgl. dazu Kapitel 1.8). Eine Parallelstelle zu dieser Aussage, dass eine Erkenntnis nach der Analogie unserer Vernunft zu denken notwendig ist, findet sich in KU, 5: 484,31 – 485,3. 155 Auf die Tatsache, dass auch einer praktischen Erkenntnis Gottes die Kategorien zugrunde liegen, wenn auch anders als im Fall der theoretischen Erkenntnis eines Gegenstands, geht Kant auch in KpV, 5: 136, 9 – 35 und in KU, 5: 482,16 – 485,3 ein. Auch bei einer praktischen Erkenntnis sind die Kategorien als notwendige Form des Denkens involviert. 156 Diese Aussage aus der Preisschrift kçnnte im Konflikt zu einer Aussage aus der KpV stehen. Vgl. dazu KpV, 5: 137,1 – 32. Dort heißt es, dass von dem psychologischen Aspekt der auf Gott angewendeten Eigenschaften „abstrahiert“ werden muss, damit diese Eigenschaften zu einer praktischen Erkenntnis Gottes gehçren. In der KpV ist allerdings keine Rede von einer Symbolisierung der mit den Eigenschaften Gottes verbundenen Begriffe, und Kants dortige Warnung vor einer „Versinnlichung“ der Vernunftideen bezieht sich – von KU, § 59 her gelesen – auf ein il-
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2.3.3 Religionsschrift: Der Schematismus der Analogie In der Religionsschrift gibt es einige Vorkommen von „Symbol“ oder „symbolisch“. Meist geht es dabei sehr konkret um bestimmte symbolische Vorstellungen im Christentum wie z. B. die Jungfrauengeburt als symbolische Vorstellung der ber ihre sinnlichen Antriebe triumphierenden Menschheit.157 Auf einige dieser Stellen komme ich in Kapitel 2.4 zurck. Hier soll es zunchst um die beiden Stellen gehen, an denen sich etwas ber den theoretischen Hintergrund von Kants Symbolverstndnis in der Religionsschrift in Erfahrung bringen lsst. Die erste und deutlich lngere Stelle stammt aus dem Zweiten Stck der Religionsschrift, in dem es um den Kampf des guten Prinzips mit dem bçsen Prinzip um die Herrschaft ber den Menschen geht. Kant interpretiert hier Dogmen aus zwei Bereichen der christlichen Theologie. Zunchst geht es ihm um die christliche Lehre von der Erlçsung durch den stellvertretenden Tod Jesu Christi am Kreuz. Im Zusammenhang damit geht er jedoch auch im Abschnitt b) Objektive Realitt dieser Idee auf eine zentrale christologische Lehre, nmlich die vom wahren Menschsein und wahren Gottsein Jesu ein. Kant deutet diese Lehre so, dass Jesus nur dann als ein nachzuahmendes Beispiel fr das Ideal der Gott wohlgeflligen Menschheit dienen kann, wenn er ganz und gar Mensch ist und man das Gçttliche an ihm als seine reine moralische Gesinnung versteht. Dieser „menschliche Lehrer“, wie Kant ihn auch nennt, ist somit ein Beispiel in der Erfahrung fr die menschliche Erreichbarkeit des Ideals der moralischen Vollkommenheit, die den Menschen mçglich ist.158 In diesem Kontext erlutert nun Kant mit einer sehr langen Fußnote, wie genau das Verhltnis des Ideals der sittlichen Vollkommenheit zu seinem menschlichen Beispiel in der Erfahrung zu denken ist. „[3.6] Zwar wrde der Gedanke: daß jener gçttliche Mensch im wirklichen Besitze dieser Hoheit und Seligkeit von Ewigkeit war (und sie nicht allererst durch solche Leiden verdienen durfte), daß er sich derselben fr lauter Unwrdige, ja sogar fr seine Feinde willig entußerte, um sie vom ewigen Verderben zu erretten, unser Gemt zur Bewunderung, Liebe und Dankbarkeit gegen ihn stimmen mssen; imgleichen wrde die Idee eines Verhaltens nach einer so vollkommenen Regel der Sittlichkeit fr uns allerdings auch als Vorschrift zur Befolgung geltend, er selbst aber n i c h t a l s B e i s p i e l legitimes Fr-Schematisch-Nehmen der Eigenschaften und nicht auf eine womçglich legitime symbolische Darstellung der entsprechenden Begriffe. 157 Vgl. dazu RGV, 6: 80,13 – 40. Vgl. auch Kapitel 2.4.2. 158 RGV, 6: 65,1 – 3; 66,1 – 18.
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der Nachahmung, mithin auch nicht als Beweis der Tunlichkeit und Erreichbarkeit eines so reinen und hohen moralischen Guts fr u n s , uns vorgestellt werden kçnnen*. * [Fn.1] Es ist freilich eine Beschrnktheit der menschlichen Vernunft, die doch einmal von ihr nicht zu trennen ist: daß wir uns keinen moralischen Wert von Belange an den Handlungen einer Person denken kçnnen, ohne zugleich sie, oder ihre ußerung auf menschliche Weise vorstellig zu machen; obzwar damit eben nicht behauptet werden will, daß es an sich kat‘ altheian auch so bewandt sei; denn wir bedrfen, um uns bersinnliche Beschaffenheiten faßlich zu machen, immer einer gewissen Analogie mit Naturwesen. [Fn.2] So legt ein philosophischer Dichter dem Menschen, sofern er einen Hang zum Bçsen in sich zu bekmpfen hat, selbst darum, wenn er ihn nur zu berwltigen weiß, einen hçheren Rang auf der moralischen Stufenleiter der Wesen bei, als selbst den Himmelsbewohnern, die, vermçge der Heiligkeit ihrer Natur, ber alle mçgliche Verleitung weggesetzt sind. (Die Welt mit ihren Mngeln – ist besser als ein Reich von willenlosen Engeln. H a l l e r ). – [Fn.3] Zu dieser Vorstellungsart bequemt sich auch die Schrift, um die Liebe Gottes zum menschlichen Geschlecht uns ihrem Grade nach faßlich zu machen, indem sie ihm die hçchste Aufopferung beilegt, die nur ein liebendes Wesen tun kann, um selbst Unwrdige glcklich zu machen („Also hat Gott die Welt geliebt,“ u.s.w.): ob wir uns gleich durch die Vernunft keinen Begriff davon machen kçnnen, wie ein allgenugsames Wesen etwas von dem, was zu seiner Seligkeit gehçrt, aufopfern, und sich eines Besitzes berauben kçnne. [Fn.4] Das ist der S c h e m a t i s m d e r A n a l o g i e (zur Erluterung), den wir nicht entbehren kçnnen. [Fn.5] Diesen aber in einen S c h e m a t i s m d e r O b j e k t b e s t i m m u n g (zur Erweiterung unseres Erkenntnisses) zu verwandeln ist A n t h r o p o m o r p h i s m , der in moralischer Absicht (in der Religion) von den nachteiligsten Folgen ist. – [Fn.6] Hier will ich nur noch beilufig anmerken, daß man im Aufsteigen vom Sinnlichen zum bersinnlichen zwar wohl s c h e m a t i s i e r e n ( einen Begriff durch Analogie mit etwas Sinnlichem faßlich machen), schlechterdings aber nicht nach der Analogie von dem, was dem ersteren zukommt, daß es auch dem letzteren beigelegt werden msse, s c h l i e ß e n ( und so seinen Begriff e r w e i t e r n ) kçnne, und dieses zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ein solcher Schluß w i d e r alle Analogie laufen wrde, der daraus, weil wir ein Schema zu einem Begriffe, um ihn uns verstndlich zu machen (durch ein Beispiel zu belegen), notwendig brauchen, die Folge ziehen wollte, daß es auch notwendig dem Gegenstande selbst, als sein Prdikat zukommen msse. [Fn.7] Ich kann nmlich nicht sagen: so wie ich mir die Ursache einer Pflanze (oder jedes organischen Geschçpfes und berhaupt der zweckvollen Welt) nicht anders f a ß l i c h m a c h e n kann, als nach der Analogie eines Knstlers in Beziehung auf sein Werk (eine Uhr), nmlich dadurch, daß ich ihr Verstand beilege: so muß auch die Ursache selbst (der Pflanze, der Welt berhaupt) Verstand h a b e n ; d.i. ihr Verstand beizulegen, ist nicht bloß eine Bedingung meiner Faßlichkeit, sondern der Mçglichkeit Ursache zu sein selbst. [Fn.8] Zwischen dem Verhltnisse aber eines Schema zu seinem Begriffe und dem Verhltnisse eben dieses Schema des Begriffs zur Sache selbst ist gar keine Analogie, sondern ein gewaltiger Sprung
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(metabasis eis allo genos), der gerade in den Anthropomorphism hineinfhrt, wovon ich die Beweise anderwrts gegeben habe.“159
Von besonderem Interesse ist hier natrlich die Bedeutung von „Schematism der Analogie“ und das Verhltnis dieses Begriffes zum Symbol- und Analogiebegriff in der KU. Beginnen wir mit einem kurzen Blick auf den Anfang der Fußnote. Kant spricht in [Fn.1] von einer „Beschrnktheit der menschlichen Vernunft“, die dafr verantwortlich sei, dass wir Menschen uns keinen moralischen Wert an den Handlungen irgendeiner Person denken kçnnen, wenn wir diese Person oder ihre ußerung uns nicht ,auf menschliche Weise‘ vorstellen. Sich diese Person ,auf menschliche Weise‘ vorzustellen, bedeutet dabei, Vorstellungen von menschlichen Personen zu verwenden, um sich diese Person vorzustellen. Diese Vorstellungsart impliziert allerdings nicht, dass es an sich bzw. kat‘ altheian auch so bewandt sei‘.160 Wir sollten also aus dieser Art der Vorstellung einer Person, die wir uns als moralisch zurechenbares Vernunftwesen denken mçchten, nicht schließen, dass wir durch ihre Vorstellung als menschliches Wesen bestimmen, was die besagte Person tatschlich oder an sich ist. Als Grund dafr, dass wir diese Vorstellung nicht als eine Bestimmung der Person an sich auffassen sollten, gibt Kant an, dass wir ,um uns bersinnliche Beschaffenheiten fasslich zu machen, immer einer gewissen Analogie mit Naturwesen‘ bedrfen. Mit dieser Aussage ordnet Kant die Beschrnktheit der Vernunft hinsichtlich der Vorstellung einer moralisch handelnden Person als einen Fall einer generellen Beschrnktheit unserer Vernunft ein: Wir bedrfen immer, wenn wir uns bersinnliche ,Beschaffenheiten‘ bzw. Eigenschaften ,fasslich‘ machen wollen, einer Analogie mit Naturwesen, was in diesem Fall bedeutet, dass wir auf Vorstellungen von menschlichen Personen zurckgreifen. Bereits dieser erste Satz legt einen Vergleich zur KU und der Frage nach der Realitt der Vernunftideen nahe. Von KU, § 59 her ist klar, dass es nicht mçglich ist, Vernunftideen und ihren bersinnlichen ,Beschaffenheiten‘ objektive Realitt in theoretischer Absicht zu verschaffen. Der Vernunftidee Gottes gesteht Kant in der Methodenlehre der KU eine subjektivpraktische Realitt zu, sofern der moralische Endzweck und die Bedingungen seiner Mçglichkeit durch das moralische Argument praktische 159 RGV, 6: 64,24 – 36; 65,4 – 42. 160 Den Ausdruck „kat‘ altheian“ gebraucht Kant auch in der KU in § 90 (KU, 5: 462,35 – 463,14) und bezeichnet damit einen Beweis, der zeigen soll, was ein Gegenstand an sich ist. Vgl. dazu auch KrV, B 767 (3: 484,22 – 29).
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Realitt haben. In § 59 spricht er schließlich von einer bloß symbolischen Vorstellungsart Gottes, die wir Erkenntnis nennen drfen, weil es sich dabei um eine praktische Bestimmung dessen handelt, was die Idee Gottes fr uns Menschen als moralische Vernunftwesen bedeutet. In der Religionsschrift heißt es in [Fn.1], dass wir uns Personen ,vorstellig […] machen‘ und im Weiteren, dass wir uns ,bersinnliche Beschaffenheiten fasslich […] machen‘. Den Ausdruck „etwas fasslich machen“ verwendet Kant noch hufiger in dieser Fußnote. Zu Beginn von [Fn.3] spricht er im Blick auf dieses Fasslichmachen auch von einer ,Vorstellungsart‘. Wir kçnnen diesen Vorgang, sich Vernunftideen und ihre Eigenschaften analogisch ,fasslich‘ zu machen, also ganz im Sinne der symbolischen Vorstellungsart aus KU, § 59 verstehen. Dass Kant hier von ,fasslich […] machen‘ spricht, ist dabei gegenber der Rede von einer Vorstellungsart eine Spezifikation: Dieser Ausdruck scheint zu betonen, dass wir durch die Analogie und die damit verbundenen Vorstellungen versuchen, das hçchste Wesen gewissermaßen einzufassen, auf eine genauer zu bestimmende Weise zu begreifen. Ich werde dennoch im Folgenden statt von „Fasslichmachen“ von „vorstellbar machen“ sprechen, u. a. weil Kant selbst in der Fußnote hinsichtlich des ,Fasslichmachens‘ auch von einem ,Vorstelligmachen‘ und von einer ,Vorstellungsart‘ spricht. Im nachfolgenden Satz erlutert Kant diese conditio humana der Beschrnktheit der Vernunft mit einem Beispiel. Das Beispiel unterstreicht dabei noch einmal die im Bezugstext der Fußnote getroffene Aussage, dass Jesus Christus nur dann ein Beispiel fr das Ideal der sittlichen Vollkommenheit sein kann, wenn er gerade kein gçttliches Wesen, sondern lediglich ein menschlicher Lehrer ist. Der Vers von Haller bringt das dadurch zum Ausdruck, dass er dem Menschen mit seinem Hang zum Bçsen einen hçheren moralischen Rang einrumt als den Engeln, die aufgrund der Heiligkeit ihrer Natur frei von einem Hang zum Bçsen und somit gerade keine menschlichen Wesen sind.161 Mit dem Beispiel will Kant aussagen, dass wir, wenn wir den Handlungen einer Person moralischen Wert zuschreiben wollen, nicht anders kçnnen, als diese Person uns auf menschliche Weise vorzustellen, weil wir sonst womçglich gar keinen moralischen Wert an ihren Handlungen – wie im Fall von Engeln – denken kçnnten. Die Beschrnktheit unserer menschlichen Vernunft korrespondiert gewissermaßen der Mçglichkeit einer moralisch-praktischen Erkenntnis. 161 Zu diesem Zitat vgl. die Anmerkungen von Stangneth in der Meiner-Ausgabe Kant 2003a, 287.
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In [Fn.3] knpft Kant an dieses Vorstellbarmachen von bersinnlichen Qualitten nach ,einer gewissen Analogie mit Naturwesen‘ an, wenn er schreibt, dass sich ,zu dieser Vorstellungsart‘ auch die Bibel ,bequemt‘, wenn sie die Liebe Gottes zu den Menschen ihrem Ausmaß nach auf bestimmte Weise vorstellt. Kant bezieht sich hier offenkundig („Also hat Gott die Welt geliebt usw.“) auf die Stelle Joh 3,16 – 17, die ich hier in der bersetzung von Martin Luther in der Fassung aus dem Jahr 1912 wiedergebe: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde.“162
Laut Kant wird hier Gott die ,hçchste Aufopferung‘ beigelegt, die nur ein liebendes Wesen ,tun‘ kann, um sogar dieser Liebe Unwrdige glcklich zu machen. Die ,hçchste Aufopferung‘ besteht darin, dass Gott seinen Sohn fr das Leben der Menschen hingibt. Dass wir Gott zusprechen, dass er ein solch großes Opfer aus Liebe zu den Menschen bringt, darf aber nicht so verstanden werden, als ob wir uns durch die Vernunft einen Begriff davon machen kçnnten, wie ein ,allgenugsames Wesen‘ etwas, was zu seiner Seligkeit gehçrt, opfern und sich so eines Besitzes berauben kçnne. Dass Gott ein „allgenugsames Wesen“ ist, soll bedeuten, dass Gott – im Gegensatz zum Menschen – keinerlei Bedrfnisse hat, sich selbst genug ist.163 Der ,Besitz‘, dessen sich das hçchste Wesen beraubt, den er hingibt, ist sein Sohn. Wenn ein Wesen aber sich selbst genug ist, ist es schwer zu verstehen, wie ein solches Wesen etwas von seiner gewissermaßen bedrfnislosen Seligkeit aufopfern kann bzw. wie ein solches Wesen sich etwas beraubt,
162 Joh 3, 16 – 17. bersetzung: Luther Bibel, 1912. Vgl. dazu auch die hilfreichen Anmerkungen von Stangneth zu Kants Bibel und der von ihm verwendeten Lutherbersetzung in Kant 2003a, 305 – 308. 163 Vgl. dazu aus dem Eintrag im Grimm’schen Wçrterbuch: „2) anders genugsamkeit z. b. eines gottes, der ’sich selbst genug ist’: hierin aber liegt zugleich ein ausdruck der gçttlichen genugsamkeit, welche die zur nahrung unsers kçrpers bestimmten theile nicht vonnçthen hat. WINCKELMANN 4, 95; von der hçhe seiner genugsamkeit (des vaticanischen Apollo) geht sein erhabener blick wie ins unendliche, weit ber seinen sieg hinaus. 6, 260. gesteigert allgenugsamkeit (s. allgenugsam vorhin): alles entzckte mich so wie es war, ich freute mich ohne aussicht, ohne hoffnung … wie von allgenugsamkeit umgeben. JACOBI Woldemar 2, 29. selbstgenugsamkeit LAVATER phys. fr. 1, 119.“ (Grimm, Grimm 1854 – 1960, Bd. 5, Sp. 3516).
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wenn es seinen Sohn hingibt. Denn wenn es sich selbst genug ist, kann ein solches Opfer dieses Wesen auch nicht schmerzen.164 Kant unterstreicht mit dieser Aussage von [Fn.3] zweierlei. Einerseits sagt Kant, dass wir uns keinen Begriff von dem, was in der Bibelstelle geschildert wird, machen kçnnen. Andererseits hebt er jedoch hervor, dass die Aufgabe dieser Bibelstelle und der damit verbundenen Vorstellungen von Gottes Liebe zu den Menschen darin besteht, dass wir uns bersinnliche Beschaffenheiten wie bestimmte Eigenschaften Gottes analogisch vorstellbar machen. Die Rede davon, sich ,bersinnliche Beschaffenheiten fasslich‘ zu machen, darf keinesfalls so verstanden werden, dass wir mittels der Rede von einer totalen Hingabe Gottes an die Menschheit zu einem entsprechenden Begriff Gottes gelangen oder genauer: diesen Begriff Gottes bestimmen kçnnen. Im Rckblick auf die Prolegomena kçnnte man hier ergnzen, dass man sich mit dieser Bibelstelle eine symbolisch-anthropomorphistische Ausdrucksweise erlaubt, indem ber Gott gesprochen wird, als ob er ein zum ußersten bereiter, hingebungsvoller Vater sei. Man muss zwischen der symbolischen Vorstellung der Liebe Gottes und der Mçglichkeit einer Bestimmung Gottes durch diese Vorstellung unterscheiden. An diesem Beispiel aus der Fußnote der Religionsschrift ist bemerkenswert, dass es hier nicht darum geht, sich das kausale Verhltnis zwischen Gott und Welt vorzustellen, sondern darum, sich ,die Liebe Gottes zum menschlichen Geschlecht uns ihrem Grade nach fasslich‘ zu machen. Natrlich kann man annehmen, dass eine Reflexion ber die Liebe Gottes eine Reflexion ber sein kausales Verhltnis zur Welt voraussetzt. Denn nur ein Wesen, das die entsprechenden Eigenschaften hat, wozu zumindest auch Verstand und Wille gehçren, kann auch lieben. Es stellt sich trotzdem die Frage was es bedeutet, dass Gott die Menschen liebt. Impliziert „Liebe“ nicht von vornherein eine emotionale Seite Gottes, weswegen er gar nicht ,allgenugsam‘ sein kann? Ich mçchte diese Frage wenigstens kurz auf dem 164 Innerhalb der christlichen Theologie wird schon seit frhester Zeit diskutiert, wie die Transzendenz Gottes und seine vçllig Ungleichartigkeit mit dem Menschen und der Welt in Verhltnis zu seiner Offenbarung in der Geschichte, besonders in Jesus Christus, zu verstehen ist. Es ist an dieser Stelle leider nicht mçglich, auf die theologische Problematik der Kant‘schen Ausfhrungen einzugehen. Ich mçchte aber zumindest erwhnen, dass die Kant‘sche Position aus christlich-theologischer Perspektive problematisch ist, weil sie ein zentrales Element christlicher Offenbarungstheologie verneint: dass ein transzendenter Gott leiden kann, mitleiden mit seinem Volk Israel und mit seinem Sohn am Kreuz.
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Hintergrund von zwei anderen Textstellen aus der Religionsschrift zu beantworten versuchen: „Man muß mit allen Krften der heiligen Gesinnung eines Gott wohlgeflligen Lebenswandels nachstreben, um glauben zu kçnnen, daß die (uns schon durch die Vernunft versicherte) Liebe desselben zur Menschheit, sofern sie seinem Willen nach allem ihrem Vermçgen nachstrebt, in Rcksicht auf die redliche Gesinnung, den Mangel der Tat, auf welche Art es auch sei, ergnzen werde.“165 „Das hçchste, fr Menschen nie vçllig erreichbare, Ziel der moralischen Vollkommenheit endlicher Geschçpfe ist aber die Liebe des Gesetzes. Dieser Idee gemß wrde es in der Religion ein Glaubensprinzip sein: „Gott ist die Liebe“; in ihm kann man den Liebenden (mit der Liebe des moralischen Wo h l g e f a l l e n s an Menschen, sofern sie seinem heiligen Gesetze adquat sind), den Va t e r ; ferner, in ihm, so fern er sich in seiner alles erhaltenden Idee, dem von ihm selbst gezeugten und geliebten Urbilde der Menschheit, darstellt, seinen S o h n [ … ] v e r e h r e n “.166
Aus diesen Stellen wird deutlich, dass Kant unter der ,Liebe‘, die Gott ausbt, eine Liebe ,des moralischen Wohlgefallens an Menschen‘ versteht, sofern die Menschen sich dem moralischen Gesetz entsprechend verhalten. Es handelt sich also um eine Art praktisch-vernnftiger Liebe, sofern sich das Wohlgefallen auf den moralischen Status des Menschen bezieht. Lsst sich dieses Wohlgefallen noch mit der ,Allgenugsamkeit‘ Gottes in Einklang bringen? Das hngt davon ab, was man unter diesem „moralischen Wohlgefallen“ genauer versteht. Es ist hier nicht mçglich, fr die Fragestellung aber auch nicht nçtig, nher auf dieses Problem einzugehen.167 Im folgenden Satz kommt der fr diese Arbeit zentrale Ausdruck der Fußnote vor. Kant bezeichnet offensichtlich die Vorstellungsart, die er am Beispiel der Liebe Gottes vorgefhrt hat, als „Schematism der Analogie (zur Erluterung), den wir nicht entbehren kçnnen.“ An diesem kurzen Satz sind drei Dinge bemerkenswert. Zunchst ist der Ausdruck „Schematism der Analogie“ interessant, weil Kant damit offensichtlich das bezeichnet, was wir in KU, § 59 sowie in der Preisschrift als symbolische Vorstellungsart 165 RGV, 6: 120,10 – 16. 166 RGV, 6: 145,18 – 146,1. 167 Ich mçchte wenigstens eine Mçglichkeit anmerken, wie man die ,Allgenugsamkeit‘ mit diesem moralischen Wohlgefallen verbinden kann. Man kçnnte das moralische Wohlgefallen am Verhalten der Menschen so deuten, dass Gott sich in diesem Wohlgefallen selbst gefllt, sofern er der oberste moralische Gesetzgeber ist. Gott liebt also letztlich das Gesetz und darin sich selbst. Genau diese Liebe des Gesetzes ist auch nach dem zweiten Zitat aus der Religionsschrift das nie erreichbare Ziel des Menschen. Zum Begriff der Liebe des Wohlgefallens vgl. auch Schçnecker 2010.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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oder symbolische Hypotypose kennengelernt haben.168 Die symbolische Hypotypose wird aber in beiden genannten Schriften deutlich von der schematischen Hypotypose unterschieden. Dazu kommt, dass Kant in KU, § 59 ausdrcklich davor warnt, die Eigenschaften, die wir an Gott symbolisch erkennen, ,fr schematisch‘ zu nehmen. Ist der Ausdruck „Schematism der Analogie“ also eine Art hçlzernes Eisen? Eine Antwort auf diese Frage lsst sich finden, wenn wir den nchsten Satz in die Interpretation mit einbeziehen. In [Fn.5] grenzt Kant den ,Schematismus der Analogie‘ bezglich der Liebe Gottes von einem ,Schematism der Objektbestimmung (zur Erweiterung unserer Erkenntnis)‘ ab, der nach Kant gleichbedeutend mit einem Anthropomorphismus ist, ,der in moralischer Absicht (in der Religion) von den nachteiligsten Folgen ist.‘ Aus dieser Gegenberstellung des Schematismus der Analogie und des Schematismus der Objektbestimmung kann man deutlich erkennen, dass Kant hier – mit KU, § 59 gesprochen – die Symbolisierung und die Schematisierung von Begriffen einander gegenberstellt. In KU, § 59 hatte Kant u. a. formuliert, dass Schemate direkte Darstellungen von Begriffen durch das Unterlegen eines Begriffs mit einer korrespondierenden Anschauung enthalten, whrend Symbole indirekte Darstellungen von Begriffen mittels einer Analogie sind.169 Kant verwendet „Schematism“ in der Religionsschrift offensichtlich in einer anderen Bedeutung als an den anderen einschlgigen Textstellen aus der KU. Das zeigt sich auch in [Fn.6], wo Kant „schematisieren“ paraphrasiert mit „einen Begriff durch Analogie mit etwas Sinnlichem faßlich machen.“170 Er bringt ganz 168 Der Ausdruck „Schematism der Analogie“ kommt in Kants Werken sonst nur noch in in den Beilagen der Preisschrift, noch genauer in den Randanmerkungen dieser Beilagen, vor: „Zum Prinzip der Erkenntniß, die a priori synthetisch ist, gehçrt, daß die Zusammensetzung das einzige a priori ist, was, wenn es nach Raum und Zeit berhaupt geschieht, von uns gemacht werden muß. Das Erkenntniß aber fr die Erfahrung enthlt den Schematism, entweder den realen Schematism (transscendental), oder den Schematism nach der Analogie (symbolisch). – Die objective Realitt der Categorie ist theoretisch, die der Idee ist nur praktisch. – Natur und Freyheit.“ (FM, 20: 332,30 – 36). Diese Stelle zeigt, dass Kant den ,Schematism nach der Analogie‘ mit dem Symbolbegriff ausdrcklich in Zusammenhang bringt. Vgl. dazu auch Chignell 2010, 114 – 115, der ebenfalls die These vertritt, dass Kant mit „Schematism der Analogie“ in der Religionsschrift dasselbe meint wie in KU, § 59 und der Preisschrift mit „symbolischer Hypotypose“ oder „symbolischer Vorstellungsart“. 169 Vgl. dazu Kapitel 1.5. 170 Dabei ist zunchst irritierend, dass Kant in [Fn.6] ber das Schematisieren allgemein zu sprechen scheint und das ganz selbstverstndlich mit einer Analogie in
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
selbstverstndlich den Vorgang des Schematisierens in einen Zusammenhang mit der Analogie. Stellt man in Rechnung, dass Schema und Symbol laut KU, § 59 intuitive Vorstellungsarten von Begriffen sind, kçnnte man „Schematism“ in der Religionsschrift mit „intuitive Vorstellungsart“ wiedergeben.171 Das gilt dann auch fr den Ausdruck „Schema“, der in der Fußnote hufiger vorkommt, der dann so viel wie „intuitive Vorstellung“ bedeutet. Wir mssen somit zwischen einer engen und einer weiten Bedeutung von „Schematism“ unterscheiden: Im engeren Sinn, wie wir den Ausdruck z. B. im Schematismus-Kapitel der KrV oder implizit auch in KU, § 59 vorfinden, bedeutet „Schematism“ den Vorgang der direkten Darstellung von Begriffen durch korrespondierende Anschauungen. Im weiteren Sinn, wie der Ausdruck hier in der Religionsschrift verwendet wird, ist „Schematism“ der berbegriff fr die schematische und die symbolische Darstellung und somit fr die intuitive, anschauliche Vorstellungsart von Begriffen, wobei dieser berbegriff entsprechend spezifiziert werden kann (Schematismus der Analogie und Schematismus der Objektbestimmung).172 Die Spezifikation deutet jeweils die Methode an, deren wir uns zur Vorstellung des
Verbindung bringt. Im vierten Absatz von KU, § 59 wird dagegen deutlich, dass die Methode der Analogie gerade das ist, was die symbolische von der schematischen Hypotypose unterscheidet. Allerdings ist in der Religionsschrift der Kontext zu beachten. Kant spricht ber das Schematisieren beim ,Aufsteigen vom Sinnlichen zum bersinnlichen‘ und meint mit diesem „bersinnlichen“, wie der Fortgang der Fußnote zeigt, die Ursache der Welt bzw. das hçchste Wesen. Von daher spricht Kant in [Fn.6] nicht ber das Schematisieren allgemein, was auch die schematische Hypotypose umfassen wrde, sondern nur ber den Schematismus der Analogie. 171 Dafr spricht auch eine weitere Textstelle aus der Religionsschrift, in der Kant „Schema“ und „Vorstellung“ gleichsetzt: „Daher kann eine Menge in jener Absicht vereinigter Menschen noch nicht das ethische gemeine Wesen selbst, sondern nur eine besondere Gesellschaft heißen, die zur Einhelligkeit mit allen Menschen (ja aller endlichen vernnftigen Wesen) hinstrebt, um ein absolutes ethisches Ganze zu errichten, wovon jede partiale Gesellschaft nur eine Vorstellung oder ein Schema ist, weil eine jede selbst wiederum im Verhltnis auf andere dieser Art als im ethischen Naturzustande samt allen Unvollkommenheiten desselben befindlich vorgestellt werden kann (wie es auch mit verschiedenen politischen Staaten, die in keiner Verbindung durch ein çffentliches Vçlkerrecht stehen, eben so bewandt ist).“ (RGV, 6: 96,20 – 29). 172 Vgl. dazu auch Forschner 2007, 51.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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Begriffs bedienen.173 Das wird auch dadurch deutlich, dass in den beiden Klammern die Absicht des jeweiligen Schematismus (zur Erluterung und zur Erweiterung unserer Erkenntnis) angegeben wird. Fr diese Parallelisierung der Unterscheidung von Schematismus der Analogie und Schematismus der Objektbestimmung mit der Unterscheidung von Symbol und Schema spricht auch, dass Kant vor der Verwandlung des Schematismus der Analogie in den Schematismus der Objektbestimmung als Anthropomorphismus warnt. Ganz hnlich grenzt Kant in KU, § 59 die symbolische Erkenntnis von Gott von der Interpretation der Eigenschaften Gottes als schematische Vorstellungen der Kausalitt Gottes ab, was auch einen Anthropomorphismus zur Folge hat. Kant meint hier in der Religionsschrift wie in KU, § 59 den dogmatischen Anthropomorphismus, der in der illegitimen ,Erweiterung unseres Erkenntnisses‘ besteht. Wir deuten in diesem Fall die Bibelstelle so, als ob Gott tatschlich seinen Sohn fr das Leben der Menschen aufopfert, anstatt im biblischen Wort eine bloß symbolische Vorstellungsart der Liebe Gottes zum Menschengeschlecht ausgedrckt zu sehen. Durch diese Zuschreibung bestimmen wir Gott, als ob wir ein empirisches Objekt bestimmen wrden, und versuchen dadurch unsere theoretische Erkenntnis auf illegitime Weise zu erweitern. Dass diese illegitime Erweiterung unserer Erkenntnis moralisch nachteilige Folgen im Bereich der Religion hat, ist ein zentrales Thema der Religionsschrift und des Streits der Fakultten. 174 Ich komme jetzt zu [Fn.4] und zum Schematismus der Analogie zurck. Es ist deutlich geworden, dass sich der Schematismus der Analogie der Methode der Analogie zuordnen lsst. Nicht zuletzt daraus erhellt, dass die ,Vorstellungsart‘ der Liebe Gottes in der Bibel als eine symbolische Vorstellungsart zu verstehen ist, obwohl der Symbolbegriff hier nicht auftaucht. Letzteres ist umso verwunderlicher, als Kant nirgendwo sonst in der Religionsschrift ausfhrlicher auf die Theorie der symbolischen Darstellungen oder Vorstellungen eingeht, von denen er vielfach konkret spricht. Nichtsdestotrotz kann man den Vorgang der Symbolisierung von Begriffen problemlos in den Schematismus der Analogie integrieren, wie Kant ihn in der Religionsschrift schildert. Wir unterlegen dem Begriff der 173 Die Methode der Objektbestimmung entspricht dabei dem Unterlegen eines Begriffs mit einer korrespondierenden Anschauung, wodurch der Gegenstand der Anschauung zugleich bestimmt wird. 174 Ich hatte schon weiter oben angedeutet, dass Kant in der KU nur am Rande auf diese moralische Dimension des Anthropomorphismus hinweist. Vgl. dazu Kapitel 2.2.6 und KU, 5: 459,12 – 22; 30 – 36.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Liebe Gottes zum Menschengeschlecht – auf der Grundlage einer Analogie dieses Verhltnisses zwischen Gott und Menschen zur hçchstmçglich denkbaren Liebe zwischen Menschen – Anschauungen einer hçchsten Aufopferung: der Opferung des eigenen Sohnes. Dadurch erhlt man eine indirekte Darstellung des Begriffs dieser Liebe. Diese indirekte Darstellung lsst sich dann so ausdrcken, dass wir ber Gott sprechen, als ob er seinen Sohn tatschlich fr das Leben der Menschen opfern wrde.175 Von daher kçnnte man die biblische Rede mit den Prolegomena als einen symbolischen Anthropomorphismus bezeichnen, wobei Kant der Bibel wohl vorwerfen wrde, dass sie so formulieren msste, dass das Symbolische an dieser Rede ber Gott zum Ausdruck kommt – z. B. mittels der Formulierung mit einem „als ob“. Kant bezeichnet die Absicht des Schematismus der Analogie in der Klammer als „Erluterung“. Wenn wir uns also die Liebe Gottes zum menschlichen Geschlecht auf eine bestimmte Weise vorstellen oder eben ,fasslich‘ machen, dann erlutern wir den entsprechenden Begriff. Ebenso wie in den Prolegomena wird der Ausdruck „Darstellung“ zur Bezeichnung dessen, was ein Symbol leistet, hier nicht verwendet. Er findet sich zwar an einer anderen Stellen der Religionsschrift, an der sogar von einer „symbolischen Darstellung“ die Rede ist.176 Er fehlt aber in dieser Fußnote, welche hinsichtlich des theoretischen Zusammenhangs von Analogie, Symbol und Erkenntnis Gottes in der Religionsschrift die meisten Informationen enthlt. Das, was Kant hier mit „Erluterung“ meint, scheint eine hnliche Bedeutung wie der Ausdruck „faßlich machen“ zu haben. Nimmt man beide Ausdrcke zusammen, fllt außerdem auf, dass sie gegenber dem Begriff der Darstellung, welcher immer auf eine direkte oder indirekte Versinnlichung eines Begriffs Bezug nimmt, eher in den Bereich des Sprachlichen weisen. Etwas erlutern oder fasslich machen, geschieht am ehesten – wenn auch nicht nur – im Medium der Sprache. Und nicht zuletzt gebraucht Kant hier ein Beispiel aus einem sprachlichen Medium, 175 In den Prolegomena trifft man in der Fußnote zu Beginn von § 58 ebenfalls das Beispiel der Liebe Gottes an. Dort hat Kant die Analogie so formuliert, dass wir auf der einen Seite der Analogie das Verhltnis der Liebe der Eltern zur Befçrderung des Glcks der Kinder und auf der anderen Seite das Verhltnis des Unbekannten in Gott, das wir Liebe nennen, zur Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts vorliegen haben. Vgl. dazu Prol, 4: 358,29 – 35 und Kapitel 2.3.1. Allerdings geht es hier in der Religionsschrift noch um eine Steigerung gegenber dieser Analogie, denn die Liebe Gottes soll in ihrer hçchsten Aufopferung vorgestellt werden. 176 Vgl. RGV, 6: 176,7.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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nmlich der Bibel, um zu zeigen, wie der Schematismus der Analogie funktioniert. Das ist ein interessanter Anknpfungspunkt an die Prolegomena, wo wir ebenfalls deutlich gesehen haben, dass der symbolische Anthropomorphismus auf das Sprechen ber das hçchste Wesen bezogen wird. Damit ergibt sich folgendes Bild: KU, § 59 sowie die Preisschrift fhren den Analogiebegriff und mit ihm den Symbolbegriff hinsichtlich des Problems der Erkenntnis Gottes ein, wobei sie das Symbol ausdrcklich als eine Darstellung oder Versinnlichung eines Begriffs auf der Grundlage einer Analogie einfhren. Die Prolegomena und die Religionsschrift hingegen rcken beide den Analogiebegriff ins Zentrum und weisen dem Symbolbegriff gegenber der Analogie eher eine Nebenrolle hinsichtlich des Problems der Erkenntnis Gottes zu.177 In beiden Schriften fehlt der Darstellungsbegriff. Allerdings ist in der Religionsschrift durch die Rede von einem Schematismus der Analogie angezeigt, dass es sich bei der entsprechenden Vorstellung der Liebe Gottes um eine intuitive Vorstellungsart der Liebe Gottes auf der Grundlage einer Analogie handelt. Auch Kants Formulierung in [Fn.4], dass wir den Schematismus der Analogie nicht ,entbehren‘ kçnnen, bedarf der Interpretation. In [Fn.6] heißt es mit Blick auf das vorher genannte Beispiel der Vorstellungsart der Liebe Gottes, dass wir ,ein Schema zu einem Begriffe, um ihn uns verstndlich zu machen (durch ein Beispiel zu belegen), notwendig brauchen‘. Und in [Fn.7] schreibt Kant, dass wir uns die ,Ursache einer Pflanze (oder jedes organischen Geschçpfs und berhaupt der zweckvollen Welt) nicht anders faßlich machen‘ kçnnen als auf analogische Weise. Der Schematismus der Analogie ist also unentbehrlich, weil wir uns z. B. den Begriff der Liebe Gottes nur so verstndlich machen kçnnen. Der Schematismus der Analogie ist ein notwendiges Mittel, um uns eine Vorstellung davon zu machen oder um zu begreifen, was es heißt, dass Gott die Menschen liebt. Die beiden Fragen, die sich hier natrlich sofort stellen, lauten: Meint Kant mit dieser Unentbehrlichkeit der Analogie fr das Verstndlichmachen der Liebe Gottes dasselbe wie mit der Aussage in KU, § 88, dass wir einen praktischen Gebrauch von den Eigenschaften des hçchsten Wesens (Verstand und Wille) machen, um uns selbst und unseren Willen zu bestimmen? Gilt auch fr die in § 88 gemeinten Eigenschaften Verstand und Wille, dass 177 In den Prolegomena ist lediglich von einem ,symbolischen Anthropomorphismus‘ die Rede. In der Religionsschrift kommt innerhalb der hier interpretierten theorielastigen Fußnote wider alle Erwartung der Symbolbegriff kein einziges Mal vor.
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die Analogie ein notwendiges Mittel ist, uns diese Eigenschaften verstndlich zu machen? Das Verhltnis der Aussagen zum Schematismus der Analogie in der Religionsschrift zur analogischen praktischen Erkenntnis Gottes in der KU wird Thema im nchsten Kapitel 2.4 sein. An dieser Stelle sollte aber bereits deutlich sein, dass Kant mit der Aussage zur Unentbehrlichkeit des Schematismus der Analogie etwas formuliert, was in dieser Pointiertheit im Vergleich mit der KU (und auch der Preisschrift) neu ist: Die Analogie und das Verfahren der Symbolisierung haben eine – wie ich es formulieren mçchte – hermeneutische Aufgabe. Nach den beiden Stzen [Fn.4] und [Fn.5], in denen Kant die geschilderte Vorstellungsart der Liebe Gottes in der Bibel als einen Schematismus der Analogie von einem Schematismus der Objektbestimmung abgegrenzt hat, folgt nach einem Gedankenstrich eine lngere, wie Kant es selbst nennt, ,beilufige Anmerkung‘. Das Thema dieser ,beilufigen Anmerkung‘ ist erneut die Unterscheidung des Schematismus der Analogie vom Schematismus der Objektbestimmung. [Fn.6] lsst sich der bersichtlichkeit halber in zwei Teile untergliedern: „[Fn.6.1] Hier will ich nur noch beilufig anmerken, daß man im Aufsteigen vom Sinnlichen zum bersinnlichen zwar wohl s c h e m a t i s i e r e n ( einen Begriff durch Analogie mit etwas Sinnlichem faßlich machen), schlechterdings aber nicht nach der Analogie von dem, was dem ersteren zukommt, daß es auch dem letzteren beigelegt werden msse, s c h l i e ß e n ( und so seinen Begriff e r w e i t e r n ) kçnne, [Fn 6.2] und dieses zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil ein solcher Schluß w i d e r alle Analogie laufen wrde, der daraus, weil wir ein Schema zu einem Begriffe, um ihn uns verstndlich zu machen (durch ein Beispiel zu belegen), notwendig brauchen, die Folge ziehen wollte, daß es auch notwendig dem Gegenstande selbst, als sein Prdikat zukommen msse.“178
Diese beiden Teile lassen sich in ihrer Aussage zunchst folgendermaßen rekonstruieren: [Fn 6.1] Im Aufsteigen vom Sinnlichen zum bersinnlichen kann man schematisieren (einen Begriff durch Analogie mit etwas Sinnlichem fasslich machen). Man kann aber nicht nach der Analogie schließen (und auf diese Weise seinen Begriff erweitern), dass das, was dem Sinnlichen zukommt, auch dem bersinnlichen zukommen muss.179
178 RGV, 6: 65,23 – 32. 179 Grammatikalisch wre auch die Zuordnung von „dem ersteren“ und „dem letzteren“ zur Klammer mit „Begriff“ und „Sinnlichem“ mçglich. Der Bezug von „dem
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[Fn 6.2] Man kann nur schematisieren und nicht schließen, weil ein solcher Schluss jeglicher Analogie zuwider laufen wrde. Ein solcher Schluss wrde aus der Tatsache, dass wir ein Schema notwendig brauchen, um uns einen Begriff verstndlich zu machen (durch ein Beispiel zu belegen), die Folge ziehen, dass das Schema auch notwendig dem Gegenstand selbst als sein Prdikat zukommen msse.
Diese Aussagen erinnern zunchst an den Unterschied zwischen „etwas nach der Analogie denken“ und „nach der Analogie schließen“ in KU, § 90.180 Sie begrnden inhaltlich, warum der Schematismus der Analogie bezglich der Vorstellung der Liebe Gottes nicht in einen Schematismus der Objektbestimmung umgewandelt werden kann. Zunchst stellt Kant klar, dass es mçglich und legitim ist, einen Begriff des bersinnlichen durch Analogie mit etwas Sinnlichem verstndlich zu machen bzw. zu schematisieren. Dieser Vorgang des Schematisierens ist vergleichbar mit dem, was Kant in KU, § 90 als die Mçglichkeit bezeichnet, zwei ungleichartige Dinge in die Relation einer Analogie zueinander zu bringen und auf diese Weise das eine analogisch zum anderen zu denken. 181 Das Verstndlichmachen mithilfe einer Analogie zu etwas Sinnlichem ist jedoch strikt davon zu unterscheiden, dem bersinnlichen die analogisch gedachten Eigenschaften so zuzusprechen, wie wir sie dem Sinnlichen zusprechen, das Teil der Analogie ist. Das Beispiel, das Kant im Auge hat und das er in [Fn.7] anfhrt, ist wiederum das Verhltnis eines Knstlers zu seinem Werk und das Verhltnis der Welt zu ihrer Ursache. Man kann beide Verhltnisse in eine Analogie zueinander bringen, sofern beide Verhltnisse eine Kausalitt aus Vernunft implizieren und daher einander hnlich sind. Wenn wir das tun, mssen wir uns jedoch bewusst sein, dass wir uns die Weltursache auf diese Weise nur ,fasslich‘ machen, indem wir ihr Verstand als Eigenschaft beilegen. Das Schematisieren und Verstndlichmachen von Begriffen des bersinnlichen berechtigt nicht dazu, daraus zu schließen, dass die Ursache selbst Verstand hat. Wrde man das tun, wre der Vorgang, der Ursache der Welt Verstand beizulegen, nicht nur eine ,Bedingung meiner Fasslichkeit‘, sondern eine Bedingung der Mçglichkeit ,Ursache zu sein selbst‘. Mit der Rede von einer „Bedingung meiner Faßlichkeit“ meint Kant folgendes: Wenn wir die Eigenschaft des Verstandes dem hçchsten Wesen analogisch zuschreiben, dann kçnnen wir ersteren“ und „dem letzteren“ auf das „Sinnliche“ und „bersinnliche“ ergibt inhaltlich jedoch am meisten Sinn. 180 Vgl. dazu hnlich Bojanowski 2010, 101 – 103. 181 Vgl. dazu Kapitel 1.2.2 und 1.2.4.
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verstehen, was es bedeutet, dass etwas Ursache der Welt ist. Die Rede von einer Bedingung der Mçglichkeit ,Ursache zu sein selbst‘ ist dagegen so zu interpretieren, dass wir, indem wir vom hçchsten Wesen Verstand als Eigenschaft prdizieren, die Bedingung der Mçglichkeit angeben, unter der ein hçchstes Wesen tatschlich Ursache der Welt ist. Wenn wir z. B. von einer Handmhle aussagen, dass sie auf mechanische Weise Ursache ihrer Wirkungen ist, dann geben wir die Bedingung der Mçglichkeit an, unter der eine Handmhle selbst auf diese Weise Ursache ist. Genau so kçnnen wir nach [Fn.7] von der Ursache der Welt aber gerade nicht sprechen. Diese in [Fn.7] getroffene Unterscheidung des Schematisierens als Bedingung des Verstehens einerseits und des Schematisierens als Angabe der Bedingung der Mçglichkeit, selbst Ursache zu sein, andererseits markiert auch das, was Kant im zweiten Teil von [Fn.6] als den ,Grund‘ dafr bezeichnet, dass man das Schematisieren nicht als einen Schluss verstehen kann. Ein solcher Schluss wrde ,wider alle Analogie laufen‘. Das klingt zunchst irritierend; denn auch ein Analogieschluss baut ja, wie in Kapitel 1.2 gezeigt wurde, auf einer Analogie auf. Deswegen ist die Aussage wohl so zu interpretieren, dass ein Analogieschluss ,wider alle Analogie‘ geht, die eben nur ein Verstndlichmachen eines Begriffs ermçglicht. Der illegitime Analogieschluss folgert aus der Tatsache – so Kant weiter im zweiten Teil von [Fn.6] – dass wir notwendig ein Schema zu einem Begriff brauchen, um uns den Begriff verstndlich zu machen, dass das Schema auch notwendig dem Gegenstand selbst als sein Prdikat zukommen muss.182 Mit [Fn.7] gesprochen wird aus einer Bedingung des Verstehens eines Begriffs eine Bedingung der Mçglichkeit des Gegenstands gemacht. 182 Interessant am zweiten Teil von [Fn.6] ist u. a., dass Kant hier das Verstndlichmachen mit „durch ein Beispiel […] belegen“ in der Klammer erlutert. Auch von Jesus Christus ist im Zweiten Stck der Religionsschrift als „Beispiel“ der Nachahmung des Ideals sittlicher Vollkommenheit die Rede (vgl. RGV, 6: 64,32). Kant hat am Anfang von KU, § 59 ausschließlich die Anschauungen, die empirischen Begriffen direkt korrespondieren, als „Beispiele“ bezeichnet. Geht man von diesem Verstndnis von „Beispiel“ aus, bieten sich zwei Interpretationsmçglichkeiten an: (1) Kant gebraucht in dieser Fußnote der Religionsschrift „Beispiel“ auf eine andere Weise als in KU, § 59. Denn das Verstndlichmachen eines Begriffs durch ein Schema hat ja gerade nicht zum Ziel, dass wir das Schema dem Gegenstand als Prdikat zusprechen wollen. Genau das aber geschieht, wenn wir einem empirischen Begriff ein Beispiel geben, wenn wir also z. B. der Handmhle die Eigenschaft zusprechen, auf mechanische Weise Ursache von Wirkungen zu sein. „Beispiel“ wrde in der Fußnote also so viel bedeuten wie „Anschauung“ oder „Vorstellung“. Sich einen Begriff durch ein Schema verstndlich zu machen, kann man also so verstehen, dass man den Begriff durch eine Anschauung zu belegen
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In KU, § 59 hat Kant diesen Vorgang als ein Fr-schematisch-Nehmen der praktischen Erkenntnis Gottes und der entsprechenden Eigenschaften Verstand und Wille aufgefasst. Hier nennt er diesen Vorgang, den er wenige Stze vorher als „Schematism der Objektbestimmung“ bezeichnet hat, einen Analogieschluss, wodurch wir unsere Begriffe zu erweitern suchen. Vor diesem Hintergrund kann man den illegitimen Analogieschluss auf Eigenschaften Gottes, wie er aus KU, § 90 bekannt ist, nun auch als eine solche illegitime Umwandlung eines Schematismus der Analogie in einen Schematismus der Objektbestimmung interpretieren. Die besagte Umwandlung nimmt wie der Analogieschluss ihren Ausgang von einem Schematismus der Analogie bzw. von einem analogischen Denken eines Gegenstands, geht dann aber darber hinaus, indem das analogisch an dem Gegenstand Gedachte dem Gegenstand an sich zugesprochen wird. Wir gehen mit der Analogie zwischen Gott und dem Knstler um, als ob sie uns eine Aussage ber Gott erlauben wrde und machen so aus einer Bedingung unseres Verstehens eine Bedingung der Mçglichkeit des Gegenstands, Ursache von Wirkungen zu sein. Damit sind die Parallelen zu KU, § 90 aber noch nicht ausgeschçpft. Der letzte Satz der Fußnote, [Fn.8], stellt die deutlichste Bezugnahme auf diesen Text aus der KU dar. Auch dieser Satz kreist um den Unterschied zwischen Schematismus der Analogie und Schematismus der Objektbestimmung. Noch genauer geht es darum, den Punkt der illegitimen Umwandlung des Schematismus der Analogie in einen Schematismus der Objektbestimmung zu identifizieren. „[Fn.8] Zwischen dem Verhltnisse aber eines Schema zu seinem Begriffe und dem Verhltnisse eben dieses Schema des Begriffs zur Sache selbst ist gar keine Analogie, sondern ein gewaltiger Sprung (metabasis eis allo genos), der gerade in
versucht. (2) „Beispiel“ wird im Sinne von KU, § 59 verwendet. Allerdings ist die Klammer dann so zu interpretieren, dass Kant hier erlutert, wie das Verstndlichmachen cum grano salis zu verstehen ist. Die Aussage wre also: Das Verstndlichmachen ist so zu verstehen, als ob wir den Begriff durch ein Beispiel belegen wollten. Das Verstndlichmachen ist gewissermaßen analogisch zu dem Vorgang zu verstehen, einer Handmhle empirische Kausalitt zuzusprechen. Das Problem an der Interpretationshypopthese (1) ist v. a., dass sich die Frage stellt, was es heißen soll, dass wir den Begriff durch eine Anschauung „belegen“. Dieser Ausdruck erinnert einfach zu sehr an den Ausdruck „dartun“, der aus KU, § 59 bekannt ist, oder den Ausdruck „beweisen“. Mittels eines analogischen Schemas einen Begriff im Sinne von KU, § 59 ,darzutun‘ ist jedoch nicht mçglich. Deswegen ist die Interpretationshypothese (2) plausibler.
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den Anthropomorphism hineinfhrt, wovon ich die Beweise anderwrts gegeben habe.“183
Auch diese Aussage ist im Kontext dessen zu lesen, dass es um das Beispiel des schematisierenden Aufsteigens vom Sinnlichen zum bersinnlichen bzw. um das analogische Denken des hçchsten Wesens geht. In diesem Fall, so Kant, besteht zwischen dem Verhltnis des Schemas des Verstandes zum Begriff der Kausalitt Gottes einerseits und dem Verhltnis dieses Schemas der Kausalitt Gottes zur Kausalitt Gottes selbst andererseits keine Analogie.184 Diese nicht-bestehende Analogie darf nicht mit derjenigen Analogie zwischen einem Knstler und Gott aus [Fn.7] verwechselt werden, die wir voraussetzen mssen, um dann weiter bestimmen zu kçnnen, ob wir aus der Analogie (zwischen Knstler und Gott) weiter auf die Kausalitt Gottes schließen kçnnen oder nicht. Mit der nicht-bestehenden Analogie in [Fn.8] formuliert Kant vielmehr den Grund, warum wir nicht nach einer Analogie zwischen einem Knstler und Gott auf die Kausalitt Gottes schließen kçnnen: Ein Analogieschluss ist nicht mçglich, weil das Verhltnis zwischen der Gott analogisch unterlegten Anschauung eines Verstandes und dem Begriff seiner Kausalitt keine Gemeinsamkeit mit dem Verhltnis dieser indirekten Darstellung der Kausalitt Gottes zur Kausalitt Gottes selbst hat. Kant sagt auch, warum hier keine Gemeinsamkeit bzw. Analogie besteht. Zwischen beiden Verhltnissen liegt ein ,gewaltiger Sprung‘. Diesen gewaltigen Sprung erlutert Kant in der Klammer mit einem Terminus technicus: Bei diesem Sprung handelt es sich um eine metabasis eis allo genos, einen bergang in eine andere Gattung.185 Auch hier liegt der Vergleich mit KU, § 90 nahe, wo das entscheidende Kriterium fr die Legitimitt eines Analogieschlusses gewesen ist, dass die beiden Dinge trotz ihrer Ungleichartigkeit unter einer bestimmten Rcksicht zur selben Gattung gehçren. Aus diesem Grund war ein Analogieschluss vom Handeln des Menschen nach Vorstellungen auf das Handeln von Tieren mçglich, weil Tiere zur selben Gattung der Lebewesen wie die Menschen gehçren und keine Maschinen sind. Dagegen ist ein Analogieschluss auf eine Kausalitt aus Vernunft bei den Tieren nicht mçglich, weil sie eben unter dieser Rcksicht nicht zur selben Gattung der Vernunftwesen wie der Mensch gehçren. ber Gott hatte Kant in KU, 183 RGV, 6: 65,38 – 42. 184 Formal handelt es sich also um folgende nicht-bestehende Proportionalittsanalogie: Schema : Begriff ¼ 6 Schema : Sache. 185 Vgl. zur bersetzung des griechischen Terminus technicus die Hinweise in Kant 2003a, 85.
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§ 90 gesagt, dass er mit dem Menschen nur eine Gattung gemeinsam htte, nmlich die eines Dings berhaupt. Diese Gemeinsamkeit der Gattung war aber schon in KU, § 90 nicht ausreichend dafr, aus dem analogischen Denken der Kausalitt Gottes darauf zu schließen, dass Gott wie der Mensch Verstand und Willen hat. Denn dafr msste Gott wie der Mensch eine sinnlich bedingte Kausalitt haben, also ein Wesen in der empirischen Welt sein, was er aber nicht ist. Vor diesem Hintergrund von KU, § 90 lsst sich die Rede von einem bergang in eine andere Gattung als Hinweis darauf verstehen, dass bei der Umwandlung des Schematismus der Analogie in einen Schematismus der Objektbestimmung bersehen wird, dass zwischen Gott und Mensch nicht die Gleichartigkeit der Gattung besteht, die nçtig wre, damit ein Analogieschluss auf die Eigenschaften Gottes zulssig ist. Oder mit anderen Worten und auf einen anderen Fall angewandt: Nur aufgrund der gemeinsamen Gattung von Mensch und Tier besteht eine Analogie zwischen dem Verhltnis des Schemas des Handelns nach Vorstellungen zum Begriff der Kausalitt der Tiere und dem Verhltnis dieses Schemas des Begriffs der Kausalitt der Tiere zur Kausalitt der Tiere selbst. Obwohl wir von den Tieren nicht in gleicher Weise wie von uns Menschen wissen, dass sie aus Vorstellungen handeln, erlaubt uns die Tatsache der gemeinsamen Gattung, dass wir den Tieren das Schema als Prdikat zusprechen kçnnen. Die Gattungszugehçrigkeit stellt also in diesem Fall die Analogie her, die im Verhltnis zwischen Gott und Mensch nicht mçglich ist, weil Gott und Mensch nur die Gattung eines Dings berhaupt gemeinsam haben. An dieser ,beilufigen Anmerkung‘ ab [Fn.6] ist bemerkenswert, dass hier sehr deutlich die Anschauungs-Dimension des Schematismus der Analogie zur Sprache kommt. Das erhellt nicht zuletzt aus dem letzten Satz der Fußnote. Auch wenn Kant nicht ausdrcklich Bezug auf KU, § 59 zu nehmen scheint, ist ihm die Dimension des Schematismus der Analogie als einer Anschauung, die einem Begriff unterlegt wird, deutlich bewusst. Er spricht mehrfach vom Zusammenhang von Schema und Begriff hinsichtlich des Schematismus der Analogie. Und in [Fn.6] heißt es ausdrcklich, dass wir uns durch das Schema den Begriff verstndlich machen. Die hermeneutische Funktion des Schematismus der Analogie liegt somit in der Anschauungs-Dimension des Kant’schen Symbolbegriffs begrndet, umfasst dabei aber auch den jeweiligen sprachlichen Ausdruck der symbolischen Vorstellung. Wenn der Schematismus der Analogie zur Erluterung und nicht zur Erweiterung bestimmter Begriffe dient, dann ist damit sowohl das Verfahren der Symbolisierung von Begriffen als auch das symbolisch-anthropomorphistische Sprechen ber diese Begriffe gemeint.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Der gewaltige Sprung fhrt nach Kant in den Anthropomorphismus hinein, wovon er ,die Beweise anderwrts gegeben‘ hat.186 Dass der Sprung zu einem (dogmatischen) Anthropomorphismus fhrt, hat Kant bereits in [Fn.5] ausgesagt. Weiterhin sprechen alle Indizien dafr, dass sich „anderwrts“ nicht auf eine Stelle innerhalb der Religionsschrift zurckbezieht, sondern vielmehr auf ein anderes Werk: nmlich die KU und insbesondere auf § 90 der KU.187 Gerade die Verwendung des Terminus technicus „bergang in eine andere Gattung“ kommt im Kontext von Kants philosophischer Theologie nur in KU, § 90 vor. Dasselbe gilt fr die Unterscheidung zwischen dem Schematismus der Analogie und dem Analogieschluss. Nach der Interpretation dieser etwas lngeren Stelle mçchte ich noch kurz auf eine weitere Stelle aus der Allgemeinen Anmerkung zum Vierten Stck der Religionsschrift eingehen. „Der wahre (moralische) Dienst Gottes, den Glubige, als zu seinem Reich gehçrige Untertanen, nicht minder aber auch (unter Freiheitsgesetzen) als Brger desselben zu leisten haben, ist zwar, sowie dieses selbst, unsichtbar, d.i. ein D i e n s t d e r H e r z e n (im Geist und in der Wahrheit), und kann nur in der Gesinnung, der Beobachtung aller wahren Pflichten, als gçttlicher Gebote, nicht in ausschließlich fr Gott bestimmten Handlungen bestehen. Allein das Unsichtbare bedarf doch beim Menschen durch etwas Sichtbares (Sinnliches) reprsentiert, ja, was noch mehr ist, durch dieses zum Behuf des Praktischen begleitet, und, obzwar es intellektuell ist, gleichsam (nach einer gewissen 186 Unklar ist der genaue Bezug von „wovon“. Hat Kant den Beweis, dass hier ein gewaltiger Sprung vorliegt, oder den Beweis, dass der gewaltige Sprung zum Anthropomorphismus fhrt, ,anderwrts‘ gegeben? Fr den Bezug auf das Vorliegen des gewaltigen Sprungs spricht, dass darin die Hauptaussage des Satzes liegt: Zwischen den besagten Verhltnissen besteht keine Analogie, ,sondern ein gewaltiger Sprung‘. Deswegen ist es plausibel davon auszugehen, dass die beiden folgenden Nebenstze diesen Sachverhalt erlutern. Der erste folgende Nebensatz, in dem es um den Anthropomorphismus geht, erlutert offenkundig die Aussage des Hauptsatzes. Wrde sich das „wovon“ auf den Anthropomorphismus beziehen, wre der letzte Satzteil somit diesem Nebensatz zum Anthropomorphismus untergeordnet und wrde ihn anstatt die Aussage des Hauptsatzes erlutern. Außerdem scheint ein Beweis, dass sich aus dem gewaltigen Sprung ein Anthropomorphismus ergibt, weniger nçtig zu sein, nicht zuletzt auch, weil Kant im ersten Teil der Fußnote ohne jegliche Anmerkung den Anthropomorphismus hinsichtlich des hçchsten Wesens bereits mit dem Schematismus der Objektbestimmung, der in diesem Fall den Sprung impliziert, zusammengebracht hat. 187 In KU, § 90 zeigt Kant u. a., dass es keine gemeinsame Gattung von Gott und Mensch gibt, die hinreichen wrde, um einen so weitreichenden Schluss wie den von den kausalen Eigenschaften des Menschen auf diejenigen Gottes zu gewhrleisten.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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Analogie) anschaulich gemacht zu werden; welches, obzwar ein nicht wohl entbehrliches, doch zugleich der Gefahr der Mißdeutung gar sehr unterworfenes Mittel ist, uns unsere Pflicht im Dienste Gottes nur vorstellig zu machen, durch einen uns berschleichenden Wa h n doch leichtlich fr den G o t t e s d i e n s t selbst gehalten, und auch gemeiniglich so benannt wird.“188
Es geht hier um den nach Kants Auffassung ,wahren […] Dienst Gottes‘, der nicht in ,ausschließlich fr Gott bestimmten Handlungen‘ wie z. B. in Gebeten, Ritualen, Opfern oder schlicht Handlungen an anderen Menschen besteht, die man nur deswegen ausfhrt, um Gott damit zu gefallen. Der wahre moralische Dienst an Gott zeigt sich fr Kant vielmehr in der Gesinnung bzw. der Beobachtung aller wahren Pflichten als gçttlicher Gebote.189 Der folgende Satz, in dem Kant die hier interessante Aussage 188 RGV, 6: 192,18 – 32. Bettina Stangneth merkt zu der Stelle „ein D i e n s t d e r H e r z e n (im Geist und in der Wahrheit)“ an, dass sowohl die Klammer als auch die Sperrung der vorhergehenden Worte ein Zusatz der zweiten Auflage der Religionsschrift ist. Vgl. dazu Kant 2003a, 260. 189 Ich kann hier nur kurz auf den Begriff der Gesinnung und die anschließende Erluterung eingehen. Es gibt mehrere Definitionen von „Gesinnung“ in der Religionsschrift. So heißt es ebenfalls im Vierten Stck, dass die ,reine Gesinnung‘ das subjektive Prinzip des guten Lebenswandels sei (vgl. RGV, 6: 176,34 – 177,1). Zu Beginn der Religionsschrift, wo der Begriff der Gesinnung von großer Bedeutung ist, wird er als „der erste subjektive Grund der Annehmung der Maximen“, der nur ein einziger sein kann und den ganzen Gebrauch der menschlichen Freiheit beeinflusst, oder als „Beschaffenheit der Willkr“ eingefhrt (vgl. RGV, 6: 25,1 – 25). Die reine oder gute Gesinnung besteht also darin, dass die Befolgung des moralischen Gesetzes allein im moralischen Gesetz selbst seine Triebfeder hat. Anders ausgedrckt: Eine moralische gute Gesinnung besteht nach Kant darin, dass der normative Grund unserer Handlungen, nmlich das moralische Gesetz, zugleich der alleinige motivierende Grund unserer Handlungen ist. Die Definition, dass die Gesinnung die Beobachtung aller wahren Pflichten als gçttlicher Gebote ist, fgt sich auf den ersten Blick nicht sofort in die Reihe der anderen Definitionen ein. Wie kann eine Gesinnung, in der die wahren Pflichten als gçttliche Gebote ,beobachtet‘ werden, noch allein das moralische Gesetz als motivierenden Grund haben? Ich mçchte eine Antwort auf diese Frage zumindest umreißen. Kant kontrastiert die Gesinnung, in welcher der wahre moralische Dienst Gottes besteht, mit Handlungen, die ausschließlich fr Gott bestimmt sind. Deswegen kann mit der Definition der Gesinnung gerade nicht gemeint sein, dass wir die Pflichten nur deswegen ,beobachten‘ oder beachten, weil sie gçttliche Gebote sind. Wrden wir nur deswegen unsere Pflicht tun, weil die Pflichten von Gott geboten sind, wren unsere Handlungen eben nur fr Gott bestimmt. Der Status der Pflichten als wahre Pflichten muss somit unabhngig davon sein, ob sie als gçttliche Gebote beachtet werden oder nicht. Deshalb lsst sich die hier in RGV, 6: 192,18 – 32 zitierte Definition von Gesinnung problemlos in die Reihe der anderen Definitionen einfgen.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
ber die sinnliche Reprsentation des Unsichtbaren macht, ist dabei als berleitung zum folgenden Absatz im Text zu verstehen, in dem es um Kants Deutung zentraler christlicher spiritueller Vollzge (das Privatgebet, die Teilnahme am Gottesdienst, die Taufe und das Abendmahl) als Pflichtbeobachtungen innerhalb des wahren moralischen Dienstes an Gott geht.190 Die hier interessante Aussage des Satzes lautet: Allein das Unsichtbare bedarf doch beim Menschen durch etwas Sichtbares (Sinnliches) reprsentiert, ja, was noch mehr ist, durch das Sichtbare zum Zweck des Praktischen begleitet zu werden, und, obwohl das Unsichtbare intellektuell ist, gleichsam (nach einer gewissen Analogie) anschaulich gemacht zu werden.
Es liegt auf der Hand, dass Kant hier das reformuliert, was er in der Fußnote im Zweiten Stck als Schematismus der Analogie erlutert hat. Dafr spricht nicht zuletzt, dass das Unsichtbare ,nach einer gewissen Analogie‘ reprsentiert oder anschaulich gemacht werden soll. Bemerkenswert ist, dass Kant hier ausdrcklich hinzufgt, dass das Sichtbare das Unsichtbare ,zum Zweck des Praktischen begleitet‘. Diese praktische Dimension des Schematismus der Analogie war in der Fußnote aus dem Zweiten Stck nur indirekt angedeutet. Sie lsst sich aber im Rckblick leicht daraus erkennen, dass der Ausgangspunkt der Fußnote das Verstndlichmachen des Ideals der moralischen Vollkommenheit durch das Beispiel des moralischen Lehrers Jesus ist und Kants Beispiel der Vorstellungsart der Liebe Gottes sich mit Sicherheit nicht so verstehen lsst, dass der Begriff zum Zweck der theoretischen Erkenntnis der Liebe Gottes veranschaulicht wird. Das ,Unsichtbare‘, das Kant hier meint, ist ebensowenig wie in der Fußnote die Kausalitt Gottes. Vielmehr geht es darum, wie es im Fortgang des Satzes heißt, ,unsere Pflicht im Dienst Gottes nur vorstellig zu machen‘. Was hier also durch Sinnliches reprsentiert oder anschaulich gemacht werden soll, ist der wahre moralische Dienst Gottes bzw. die Gesinnung, in der dieser ,Dienst der Herzen‘ besteht. Es geht also nicht um eine Eigenschaft des hçchsten Wesens, sondern vielmehr um eine moralische Eigenschaft oder Disposition des Menschen, die anschaulich gemacht werden soll, wobei diese moralische Disposition des Menschen in einem religiçsen Kontext reflektiert wird. Wie sich schon in KU, § 59 angedeutet hatte, sieht Kant das Verfahren der Symbolisierung und die Methode der Analogie in verschiedenen Bereichen menschlichen Denkens am Werk. Diejenige Anwendungsmçg190 Vgl. RGV, 6: 192,33 – 193,17.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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lichkeit, die bisher am intensivsten behandelt wurde, ist die Anwendung innerhalb seiner philosophischen Theologie und die sich daraus ergebende Rede von einer analogischen oder symbolischen praktischen Erkenntnis Gottes. Hier in der Religionsschrift kommt nun mit der Veranschaulichung des wahren moralischen Dienstes an Gott eine Anwendung innerhalb seiner Religionsphilosophie dazu, sofern Religionsphilosophie auf die Eigenart historischer Religionen reflektiert.191 hnlich wie in der Fußnote warnt Kant auch hier im Vierten Stck im letzten Teil des Zitats vor der Gefahr der falschen Interpretation dieses Mittels der analogischen Veranschaulichung. Wir gebrauchen dieses Mittel nur, um uns unsere Pflicht im Dienste Gottes vorzustellen oder verstndlich zu machen. Ein uns ,berschleichender Wahn‘ bringt uns jedoch dazu, das Mittel der Vorstellung des moralischen Gottesdienstes fr den Gottesdienst selbst zu halten und im allgemeinen Sprachgebrauch nicht etwa die moralische Gesinnung, sondern das Mittel der sinnlichen Reprsentation oder Vorstellung als „Gottesdienst“ zu bezeichnen. Mit diesem Mittel der sinnlichen Reprsentation meint Kant verschiedene Formen christlicher Frçmmigkeit, wie der Fortgang des Textes zeigt. Das Problem der falschen Interpretation betrifft also sowohl die biblische Vorstellung der Liebe Gottes oder die symbolische Erkenntnis Gottes und seiner Kausalitt als auch die Veranschaulichung der Gott wohlgeflligen Gesinnung des Menschen. Allerdings spricht Kant an dieser Stelle nicht ausdrcklich von „Anthropomorphismus“ und nennt den falsch verstandenen Dienst an Gott im ganzen Vierten Stck „Afterdienst“.192 Diese Tatsache kann man als Hinweis darauf deuten, dass Kant den Ausdruck „Anthropomorphismus“ in der Religionsschrift wie auch in den anderen Schriften, die wir untersucht haben, fr die falsche Interpretation der analogischen Vorstellung Gottes reserviert.193
191 Vgl. dazu in der Einleitung Kapitel A.1. 192 Der Ausdruck taucht bereits in der berschrift des Vierten Stcks auf („Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft des guten Prinzips, oder von Religion und Pfaffentum“, RGV, 6: 151,2) und steht im Zentrum des Zweiten Teils des Vierten Stcks, das den Titel trgt: „Vom Afterdienst Gottes in einer statutarischen Religion“ (RGV, 6: 167,31). 193 In den bisher untersuchten Schriften taucht der Ausdruck immer nur im Kontext einer anthropomorphen Vorstellung des hçchsten Wesens auf. Auch die weiteren Stellen in der Religionsschrift sind eindeutig und zeigen, dass Kant von „Anthropomorphismus“ immer mit Blick auf das hçchste Wesen spricht (vgl. RGV, 6: 141,1 – 8; 142,4 – 14; 168,14 – 169,3; 182,30 – 183,3).
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Festzuhalten ist auch noch, dass Kant die sinnliche Reprsentation des Unsichtbaren als ein „nicht wohl entbehrliches […] Mittel“ bezeichnet, um uns unsere Pflicht im Dienst Gottes vorstellen zu kçnnen. Auch diese Kennzeichnung des Verfahrens als ein nicht entbehrliches Mittel zur Vorstellung von bersinnlichen Begriffen steht im Einklang mit der Fußnote, wo davon die Rede war, dass wir den Schematismus der Analogie nicht ,entbehren‘ kçnnen, dass wir ein Schema ,notwendig brauchen‘, um uns den Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens verstndlich machen zu kçnnen.194 Abschließend lsst sich zu diesen fr den Zusammenhang von Analogie, Symbol und Erkenntnis Gottes so wichtigen Texte aus der Religionsschrift folgendes festhalten: Zunchst ist bemerkenswert, dass der Symbolbegriff selbst in beiden Texten nicht explizit auftaucht, obwohl man das auf dem Hintergrund der Thematik der Texte durchaus erwarten wrde. Kant spricht stattdessen vom „Schematism der Analogie“ oder von der sinnlichen Reprsentation von Unsichtbarem, das ,nach einer gewissen Analogie anschaulich‘ gemacht wird. Es ist jedoch offensichtlich, dass man den Schematismus der Analogie im Sinne einer symbolischen Vorstellungsart oder symbolischen Hypotypose interpretieren kann. Dabei ist wichtig, dass Kant „Schema“ und „Schematism“ in einem weiteren Sinn gebraucht als in KU, § 59: Er meint an dieser Stelle damit beide intuitive Vorstellungsarten von Begriffen, also sowohl schematische als auch symbolische Darstellungen von Begriffen. Die Aufgabe des Schematismus der Analogie besteht darin, uns ,bersinnliche Beschaffenheiten fasslich zu machen‘, wozu wir ,immer einer gewissen Analogie mit Naturwesen‘ bedrfen. Kant wertet es als eine ,Beschrnktheit der menschlichen Vernunft‘, die nicht von der Vernunft zu trennen ist, dass wir auf den Schematismus der Analogie zurckgreifen mssen, um uns Begriffe wie den einer Weltursache oder der Liebe Gottes ,fasslich‘ zu machen. Die Beschrnktheit des Schematismus der Analogie kommt dabei v. a. darin zum Ausdruck, dass er ein hermeneutisches Instrument ist, um uns bestimmte Begriffe verstndlich zu machen, sie zu erlutern.195 Indem wir z. B. mit dem Begriff der Liebe Gottes die Vorstellung einer vçlligen Aufopferung Gottes in der Hingabe seines Sohnes verbinden, kçnnen wir diesen Begriff besser verstehen. Was diese Vorstellung jedoch ber ihre hermeneutische Funktion hinaus nicht leisten kann, ist, mittels dieser Vorstellung die Liebe Gottes tatschlich zu bestimmen und so unsere 194 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 64,35 – 65,42. 195 Vgl. zu dieser Interpretation der Fußnote auch Ricken 2003, 221 – 223.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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Erkenntnis Gottes zu erweitern. Weil unsere Vernunft hinsichtlich bersinnlicher Begriffe beschrnkt ist und bleibt, ist die nach einer Analogie dem Begriff der Liebe Gottes unterlegte Vorstellung einer vçlligen Aufopferung nur ein notwendiges Mittel, uns diesen Begriff verstndlich zu machen. Dieses Verstndlichmachen ist jedoch klar unterschieden von einem Analogieschluss darauf, dass Gottes Liebe tatschlich so ist, wie wir sie uns mittels des Schematismus der Analogie vorstellen. Eine weitere Beobachtung in diesem Zusammenhang war, dass Kant in der Fußnote mit der klaren Unterscheidung von schematisch-analogischer Vorstellung und Analogieschluss wohl auf KU, § 90 anspielt, wofr nicht zuletzt spricht, dass Kant den in diesem Fall unberechtigten Analogieschluss mit dem griechischen Terminus technicus als „bergang in eine andere Gattung“ bezeichnet. Mit der Betonung des Verstndlich- oder Fasslichmachens von Begriffen hebt Kant in der Religionsschrift die hermeneutische Dimension des Symbols hervor. Dabei hat diese hermeneutische Dimension in der Religionsschrift sowohl sprachliche als auch anschauliche Zge. Auch wenn – ebensowenig wie in den Prolegomena – der Darstellungsbegriff hier keine Rolle spielt, zeigt doch gerade Kants Rede vom Schematismus und dem Verhltnis von Schema und Begriff, dass er sich in der Religionsschrift auf den v. a. in KU, § 59 entfalteten Charakter eines Symbols als einer Anschauung, die einem Begriff unterlegt wird, bezieht. Aber auch die in den Prolegomena hervorgehobene sprachliche Seite der Symbolisierung von Begriffen, nmlich die Rede von einem symbolischen Anthropomorphismus, der sich auf die Sprache bezieht, ist in der Religionsschrift gegenwrtig: einerseits dadurch, dass Kant einen biblischen Text als eine solche analogische Vorstellungsart des Begriffs der Liebe Gottes interpretiert; andererseits dadurch, dass er von einer Erluterung oder einem Verstndlichmachen von Begriffen spricht. Die Religionsschrift leistet damit in gewisser Hinsicht eine Verbindung von KU, § 59 und Preisschrift mit den Prolegomena. Die Beobachtung einer in den verschiedenen Schriften jeweils unterschiedlichen Hervorhebung der anschaulichen Dimension oder des sprachlichen Ausdrucks von Symbolen hat allerdings keine grçßeren inhaltlichen Auswirkungen auf den Symbolbegriff selbst. Oder anders ausgedrckt: Es ist nicht ersichtlich, dass sich in diesen unterschiedlichen Akzentsetzungen in den verschiedenen hier interpretierten Werken Kants eine deutliche Entwicklung oder Diskontinuitt im Gebrauch des Symbolbegriffs feststellen lsst. Es gilt, dass die anschauliche und die sprachliche Seite der Symbolisierung von Begriffen problemlos als zwei Seiten einer Medaille gedacht werden kçnnen.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Whrend in den vorangegangenen Texten, insbesondere in der KU und in der Preisschrift immer betont wurde, dass die Kausalitt Gottes analogisch gedacht oder vorgestellt wird, bekommt man in der Religionsschrift einen Einblick in die Bandbreite dessen, was schematisch-analogisch bzw. symbolisch vorgestellt werden kann. In den hier interpretierten Texten wird u. a. der Begriff der Liebe Gottes und der wahre moralische Dienst an Gott bzw. die moralische Gesinnung symbolisch dargestellt. Diese Beobachtung ist deswegen wichtig, weil zum Einen der Begriff der Liebe Gottes einen anderen Status hinsichtlich der Erkenntnis Gottes hat als der Begriff der Kausalitt Gottes: Der Begriff der Liebe Gottes setzt den Begriff einer Kausalitt Gottes aus Vernunft voraus. Zum Anderen hat das Anschaulichmachen des wahren Dienstes an Gott nur indirekt etwas mit Gott oder einem Begriff Gottes zu tun. Wir machen in erster Linie eine menschliche Disposition, nmlich die Gesinnung eines Menschen anschaulich, die als solche allerdings in einer bestimmten Relation zu Gott gedacht wird. Zwei Fragen ergeben sich abschließend aus der Interpretation der Religionsschrift im Vergleich mit den anderen interpretierten Texten. Die erste Frage betrifft den genauen Status des Symbols, den ich hier in der Religionsschrift als „hermeneutisch“ zu umschreiben versucht haben. Hat das Verfahren der Symbolisierung bei der Erkenntnis Gottes dieselbe Funktion wie beim Anschaulichmachen des Begriffs der Liebe Gottes oder des wahren moralischen Dienstes an Gott? Gilt also fr die Eigenschaften Verstand und Wille, mittels deren wir uns Gott analogisch denken, wie fr die biblische Vorstellungsart Gottes als Vater, der fr die Menschen alles tut, dass sie jeweils ein unentbehrliches hermeneutisches Mittel der Veranschaulichung von Unsichtbarem oder bersinnlichen Beschaffenheiten ist? Vor dem Hintergrund der Religionsschrift muss noch einmal berlegt werden, welche Rolle das Symbol bei der praktischen Erkenntnis von Gott in der KU spielt. Die zweite Frage zielt weiterfhrend darauf, wie sich die vielfltigen religiçsen symbolischen Vorstellungen, von denen Kant in der Religionsschrift spricht, zur symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59 verhalten und welchen epistemologischen Status einerseits die symbolischen Vorstellungen und andererseits die symbolische Erkenntnis von Gott haben: Wie verhlt sich die symbolische Erkenntnis von Gott aus KU, § 59, welche die Kausalitt Gottes betrifft, zur biblischen Vorstellungsart der Liebe Gottes, mit deren Hilfe wir uns den Begriff der Liebe Gottes verstndlich machen oder zur sinnlichen Reprsentation des wahren moralischen Dienstes an Gott in den Formen christlicher Frçmmigkeit? Beide Fragen werden das Kapitel 2.4 dieser Arbeit bestimmen.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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2.3.4 Ein Ausblick auf weitere Texte Zunchst aber mçchte ich wenigstens kurz auf einige andere Texte hinweisen, die fr einen Vergleich mit KU, § 59 interessant sind, denen ich mich hier jedoch nicht ausfhrlicher widmen kann. Ich beginne mit einem kurzen Blick auf einen Absatz aus der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht von 1798, einer von Kant selbst in die Wege geleiteten Publikation seiner Anthropologie-Vorlesungen. Unter dem § 38 Von dem Bezeichnungsvermçgen (Facultas signatrix) findet sich eine interessante Passage zum Symbol in der Religion:196 „Die wirklichen, den Sinnen vorliegenden Welterscheinungen (mit S w e d e n b o r g ) fr bloßes S y m b o l einer im Rckhalt verborgenen intelligibelen Welt ausgeben, ist S c h w r m e r e i . Aber in den Darstellungen der zur Moralitt, welche das Wesen aller Religion ausmacht, mithin zur reinen Vernunft gehçrigen Begriffe (Ideen genannt), das Symbolische vom Intellektuellen (Gottesdienst von Religion), die zwar einige Zeit hindurch ntzliche und nçtige H l l e von der Sache selbst zu unterscheiden, ist A u f k l r u n g : weil sonst ein I d e a l (der reinen praktischen Vernunft) gegen ein I d o l vertauscht und der Endzweck verfehlt wird. – Daß alle Vçlker der Erde mit dieser Vertauschung angefangen haben, und daß, wenn es darum zu tun ist, was ihre Lehrer selbst bei Abfassung ihrer heiligen Schriften wirklich gedacht haben, man sie alsdann nicht symbolisch, sondern b u c h s t b l i c h auslegen msse, ist nicht zu streiten: weil es unredlich gehandelt sein wrde, ihre Worte zu verdrehen. Wenn es aber nicht bloß um die Wa h r h a f t i g k e i t des Lehrers, sondern auch und zwar wesentlich um die Wa h r h e i t der Lehre zu tun ist, so kann und soll man diese, als bloße symbolische Vorstellungsart, durch eingefhrte Fçrmlichkeit und Gebruche jene praktischen Ideen zu begleiten, auslegen: weil sonst der intellektuelle Sinn, der den Endzweck ausmacht, verloren gehen wrde.“197
Zunchst fllt hier Kants Verweis auf Swedenborg und damit indirekt auf seine Auseinandersetzung mit diesem Autor in den Trumen eines Geis196 Am Anfang dieses § 38 stehen allgemeinere berlegungen Kants zum Bezeichnungsvermçgen. In dem Absatz Anth, 7: 191,9 – 23 kommt auch der Symbolbegriff einige Male vor. Dass der dort verwendete Symbolbegriff derselbe wie in KU, § 59 ist, erhellt durch die Definition von Symbol: Symbole seien Anschauungen, die „nur zu Mitteln der Vorstellung durch Begriffe“ dienen (Anth, 7: 191,9 – 10). Kant grenzt dort ebenso wie in KU, § 59 die symbolische Erkenntnis von der diskursiven Erkenntnisart ab. Außerdem stellt er einen Zusammenhang zwischen Symbol- und Analogiebegriff her. Insgesamt sind die berlegungen Kants zum Symbolbegriff in dem besagten Textstck sehr fragmentarisch, weswegen diese Stelle im ersten Teil der Arbeit nicht eingehender interpretiert wurde. Vgl. dazu auch ein der Einleitung Kapitel A.2. 197 Anth, 7: 191,34 – 192,17.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
tersehers auf. Diese Schrift habe ich bewusst nicht in meine Untersuchung von Kants Symbolbegriff einbezogen.198 Es wird jedoch auch ohne grçßere Einlassungen zu dieser Schrift deutlich, dass Kant hier in der Anthropologie Swedenborgs Auffassung, die empirische Welt sei ein Symbol einer rein geistigen Welt, die sozusagen hinter unserer empirischen Welt liegt, mit seiner eigenen kontrastiert. Gegen die ,Schwrmerei‘ stellt er die ,Aufklrung‘. Die Aufklrung betrifft die ,Darstellungen der zur Moralitt […], mithin zur reinen Vernunft gehçrigen Begriffe (Ideen genannt)‘. Es fllt auf, dass Kant hier von „Darstellungen“ spricht. Weiterhin ist nicht nur von den Darstellungen der Idee Gottes die Rede, sondern auch von den Darstellungen der zur Moralitt bzw. zur reinen praktischen Vernunft gehçrigen Ideen, worunter man im Hinblick auf die Methodenlehre der KU die Idee der Freiheit, der Unsterblichkeit der Seele und eines moralischen Welturhebers verstehen kann.199 Diese zur Moralitt gehçrigen Ideen machen laut Kant das Wesen aller Religion aus.200 Die ,Aufklrung‘ besteht nun in Folgendem: Nach Kant ist das ,Symbolische vom Intellektuellen (Gottesdienst von Religion)‘ und damit die fr ,einige Zeit hindurch ntzliche Hlle von der Sache selbst‘ zu unterscheiden. Die Darstellungen oder Symbole der Vernunftideen sind somit von den Ideen selbst, welche das Wesen der Religion ausmachen, zu differenzieren. Damit liegt ein weiterer deutlicher Hinweis vor, dass die Funktion der symbolischen Darstellung nicht darin besteht, einen Beitrag zur (theoretischen) Erkenntnis der symbolisch dargestellten Ideen zu leisten. Statt von „Anthropomorphismus“ zu reden, schreibt Kant hier, dass 198 Vgl. dazu in der Einleitung A.2. 199 Vgl. dazu KU, 5: 473,3 – 474,34. Vgl. dazu auch KpV, 5: 4,7 – 5,9; 134,8 – 27; 138,10 – 15. 200 Ich komme in Kapitel 2.4.1 auf den Kantischen Religionsbegriff zurck. An dieser Stelle sei zum Religionsbegriff bei Kant so viel gesagt: Kant definiert „Religion“ in der KpV, in der KU und in der Religionsschrift als „Erkenntnis aller Pflichten als gçttlicher Gebote“ (vgl. KpV, 5: 129,18 – 20; KU, 5: 481,12 – 14; RGV, 6: 153,28 – 29. Weitere Belegstellen fr diesen Religionsbegriff sind MSTL, 6: 440,7 – 9; 487,8 – 9 und SF, 7: 36,18 – 21.). Aus dem jeweiligen Kontext dieser Definitionen von „Religion“ wird dabei deutlich, dass Kant hier den Religionsbegriff aus der Perspektive seiner praktischen Philosophie definiert, wobei sich der Begriff phnomenologisch zwar durchaus an das Christentum anlehnt, aber mit Sicherheit kein christlich-theologischer oder religionswissenschaftlicher Definitionsversuch sein will. Von daher ist auch in der Anthropologie davon auszugehen, dass, wenn Kant vom Wesen ,aller Religion‘ spricht, er genau diesen philosophischen Kern der Religion als Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote meint.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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man aus dem ,Ideal (der reinen praktischen Vernunft)‘ ein ,Idol‘ mache und so den ,Endzweck‘ verfehle, wenn man die Differenz zwischen dem Symbolischen und dem Intellektuellen bersehe.201 Wer also symbolische Darstellungen von Vernunftideen nicht auf aufgeklrte Weise interpretiert, versteht diese Darstellungen entgegen ihrer eigentlich dienenden Funktion hinsichtlich des Ideals der reinen praktischen Vernunft. Kant spricht auch von der Auslegung heiliger Schriften, die als ,symbolische Vorstellungsarten‘ von praktischen Ideen angesehen werden kçnnen. ,Aufklrung‘ und die Auslegung dieser Schriften als ,symbolische Vorstellungsart‘ gehçren somit zusammen. Ein besonderer Akzent, den die Anthropologie dabei setzt, ist die Bezeichnung der symbolischen Darstellung als eine fr „einige Zeit hindurch ntzliche und nçtige H l l e “, die von der Sache selbst, nmlich den dargestellten Vernunftideen zu unterscheiden ist. Die Symbolisierung von Begriffen wird dadurch zu einem Hilfsmittel erklrt, das den symbolisierten Begriffen nicht wesentlich, sondern nur temporr ,ntzlich‘ und ,nçtig‘ ist.202 Kant verdeutlicht diese lediglich temporr dienende Funktion von Symbolen noch dadurch, dass er als Beispiel den Status von heiligen Schriften als ,bloße symbolische Vorstellungsart‘ beschreibt, welche als solche die Aufgabe haben, ,durch eingefhrte Fçrmlichkeiten und Gebruche jene praktischen Ideen zu begleiten‘. Das erinnert an die im vorigen Unterkapitel interpretierte Stelle aus dem Vierten Stck der Religionsschrift, wo ebenfalls von der ,Begleitung‘ des Unsichtbaren durch sinnliche Reprsentation die Rede war – nicht zuletzt auch, weil Kant im Kontext dieser Stelle verschiedene Formen des christlichen Gottesdienstes, die man als Beispiele fr ,Fçrmlichkeiten und Gebruche‘ ansehen kann, als 201 Im letzten Satz des Zitats heißt es, dass der ,intellektuelle Sinn‘ den ,Endzweck‘ ausmache. Das kann man wohl so verstehen, dass der ,intellektuelle Sinn‘ der drei praktischen Vernunftideen den Endzweck ausmacht. Worin kçnnte nun dieser ,intellektuelle Sinn‘ bestehen? Ich schlage im Rckblick auf die KU vor, darunter die Bedeutung der praktischen Vernunftideen fr das moralisch-praktische Selbstverstndnis des Menschen zu verstehen. Geht man davon aus, kann man auch davon sprechen, dass dieser intellektuelle Sinn den moralischen Endzweck ausmacht. Denn der moralische Endzweck als sittliche Vollkommenheit und Glckseligkeit des Einzelnen ist nur mçglich, weil der Mensch seinen Willen aus reiner praktischer Vernunft bestimmen kann (Idee der Freiheit) und weil der durch das moralische Gesetz gebotene Endzweck allen menschlichen Handelns als mçglich durch die Ideen der Unsterblichkeit der Seele und des Daseins eines moralischen Welturhebers gedacht werden kann. 202 Eventuell lsst sich in diesem Sinne auch der Ausdruck „Nothilfe“ fr Begriffe des bersinnlichen aus der Preisschrift verstehen. Vgl. dazu Kapitel 2.3.2.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
eine sinnliche Reprsentation des wahren moralischen Dienstes an Gott versteht.203 Wenn es sich bei den Symbolen nur um eine temporr ntzliche Hilfe handelt, stellt sich die Frage, ob es mçglich ist, dass wir diese Hilfe vielleicht eines Tages nicht mehr brauchen. Ich werde in den Kapiteln 2.4.3 und 2.4.4 auf diese Frage zurckkommen.204 Eine weitere Stelle, auf die ich hinweisen mçchte, stammt aus einer lngeren Fußnote der Schrift Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie aus dem Jahr 1796. „Der transscendentale Begriff von Gott, als dem a l l e r r e a l s t e n Wesen, kann in der Philosophie nicht umgangen werden, so abstract er auch ist; denn er gehçrt zum Verbande und zugleich zur Luterung aller concreten, die nachher in die angewandte Theologie und Religionslehre hineinkommen mçgen. Nun fragt sich: soll ich mir Gott als I n b e g r i f f (complexus, aggregatum) aller Realitten, oder als obersten G r u n d derselben denken? Thue ich das erstere, so muß ich von diesem Stoff, woraus ich das hçchste Wesen zusammensetze, Beispiele anfhren, damit der Begriff derselben nicht gar leer und ohne Bedeutung sei. Ich werde ihm also etwa Ve r s t a n d , oder auch einen W i l l e n u.d.g. als Realitten beilegen. Nun ist aber aller Verstand, den ich kenne, ein Vermçgen zu d e n k e n , d.i. ein discursives Vorstellungsvermçgen, oder ein solches, was durch ein Merkmal, das mehreren Dingen gemein ist (von deren Unterschiede ich also im Denken abstrahiren muß), mithin nicht ohne B e s c h r n k u n g des Subjects mçglich ist. Folglich ist ein gçttlicher Verstand nicht fr ein Denkungsvermçgen anzunehmen. Ich habe aber von einem andern Verstande, der etwa ein Anschauungsvermçgen wre, nicht den mindesten Begriff; folglich ist der von einem Verstande, den ich in dem hçchsten Wesen setze, vçllig sinnleer. – Ebenso: wenn ich in ihm eine andere Realitt, einen W i l l e n , setze, durch den er Ursache aller Dinge außer ihm ist, so muß ich einen solchen annehmen, bei welchem seine Zufriedenheit (acquiescentia) durchaus nicht vom Dasein der Dinge außer ihm abhngt; denn das wre Einschrnkung (negatio). Nun habe ich wiederum nicht den mindesten Begriff, kann auch kein Beispiel von einem Willen geben, bei welchem das Subject nicht seine Zufriedenheit auf dem G e l i n g e n seines Wollens grndete, der also nicht von dem Dasein des ußeren Gegenstandes a b h i n g e . Also ist der Begriff von einem Willen des hçchsten Wesens, als einer ihm inhrirenden Realitt, sowie der vorige entweder ein leerer, oder (welches noch schlimmer ist) ein anthropomorphistischer Begriff, der, wenn er, wie unvermeidlich ist, ins Praktische gezogen wird, alle Religion verdirbt und sie in Idololatrie verwandelt. – Mache ich mir aber vom ens realissimum den Begriff als G r u n d aller Realitt, so sage ich: Gott ist das Wesen, welches den Grund alles dessen in der Welt enthlt, w o z u w i r M e n s c h e n e i n e n Ve r s t a n d a n z u n e h m e n n ç t h i g h a b e n (z. B. alles Zweckmßigen in derselben); er ist das Wesen, von welchem das Dasein aller Weltwesen seinen Ursprung hat, 203 Vgl. RGV, 6: 192,18 – 193,3 und Kapitel 2.3.3. 204 Siehe dazu Kapitel 2.4.3.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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nicht aus der Nothwendigkeit seiner N a t u r (per emanationem), sondern nach einem Verhltnisse, wozu wir M e n s c h e n e i n e n f r e i e n W i l l e n annehmen mssen, um uns die Mçglichkeit desselben verstndlich zu machen. Hier kann uns nun, was die N a t u r des hçchsten Wesens (objectiv) sei, ganz unerforschlich und ganz außer der Sphre aller uns mçglichen theoretischen Erkenntniß gesetzt sein und doch (subjectiv) diesen Begriffen Realitt i n p r a k t i s c h e r R c k s i c h t (auf den Lebenswandel) brig bleiben; in Beziehung auf welche auch allein eine A n a l o g i e des gçttlichen Verstandes und Willens mit dem des Menschen und dessen praktischer Vernunft angenommen werden kann, ungeachtet theoretisch betrachtet dazwischen gar keine Analogie Statt findet. Aus dem moralischen Gesetz, welches uns unsere eigene Vernunft mit Autoritt vorschreibt, nicht aus der Theorie der Natur der Dinge an sich selbst geht nun der Begriff von Gott hervor, welchen uns s e l b s t z u m a c h e n die praktische reine Vernunft nçthigt.“205
Interessant an diesem Text ist die Unterscheidung zwischen zwei Alternativen, Gott als das allerrealste Wesen zu denken. Wir kçnnen Gott als ,Inbegriff‘ aller Realitt und als ,Grund‘ aller Realitt denken.206 Kant spielt zunchst ausfhrlich die erste Alternative durch. Er argumentiert insgesamt aber gegen die erste Alternative, Gott als ,Inbegriff (complexus, aggregatum) aller Realitten‘ zu denken, weil man in diesem Fall Gott z. B. die Eigenschaften des Verstandes und des Willens als Realitten beilegen wrde. Das wiederum wrde implizieren, dass man Beispiele des ,Stoffs‘ anfhren muss, woraus das hçchste Wesen ,zusammengesetzt‘ ist, damit die Begriffe „Verstand“ und „Willen“ nicht leer sind. Es ist aber nicht mçglich, Beispiele fr den gçttlichen Verstand und Willen zu geben, weil wir nur unseren eigenen menschlichen Verstand und Willen kennen und keinerlei Vorstellung davon haben, wie diese Vermçgen bei Gott beschaffen sein kçnnten. Aus dieser Unmçglichkeit, Beispiele fr den gçttlichen Verstand und Willen zu geben, folgt, dass die Begriffe eines Verstandes oder eines Willens des hçchsten Wesens entweder leer und somit ohne Bedeutung sind, weil wir eben keine Beispiele geben kçnnen, oder dass man diese Begriffe anthropomorphistisch missversteht. Der erste Fall, Gott als ,Inbegriff aller Realitten‘ zu denken, weist somit auf die Alternativen aus KU, § 59 hin, entweder die Erkenntnis von Gott mit den Eigenschaften Verstand und Wille schematisch zu interpretieren und somit anthropomorphistisch misszuverstehen oder alles Intuitive an der Erkenntnis Gottes wegzulassen und einen leeren Deismus 205 VT, 8: 400,11 – 41; 401,7 – 20. 206 Dieselbe Unterscheidung trifft Kant auch in der Preisschrift, vgl. FM, 20: 303,34 – 36.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
zu erhalten.207 Es ist bemerkenswert, dass Kant die Rede von einem „Inbegriff aller Realitt“ auswhlt, um damit den falschen Weg (Anthropomorphismus) oder den zumindest nicht sehr vielversprechenden Weg (Deismus) zu kennzeichnen. Kant hat diesen Begriff des Inbegriffs aller Realitt v. a. in der Transzendentalen Dialektik der KrV im Abschnitt ber das transzendentale Ideal verwendet.208 Mit der Stelle aus dem Vornehmen Ton unterstreicht Kant noch einmal, dass wir von der Idee eines Inbegriffs aller Realitt – die wir denken mssen, um im Bereich der theoretischen Erkenntnis davon ausgehen zu kçnnen, dass alles, was existiert, durchgngig bestimmt ist – nicht zu einem philosophisch-theologisch gehaltvollen Begriff eines hçchsten Wesens gelangen.209 Den Begriff des hçchsten Wesens, den Kant hier vorzieht, ist die zweite Alternative bzw. der Begriff des „Grundes aller Realitt“. Kant verwendet „Grund“ hier im Sinne von „Seinsgrund“: Wir mssen das Dasein eines hçchsten Wesens mit den Eigenschaften Verstand und Wille annehmen, um uns die Mçglichkeit alles Zweckmßigen oder auch eines bestimmten Verhltnisses von Gott und Welt verstndlich machen zu kçnnen. Gott ist das ,Wesen, von welchem das Dasein aller Weltwesen seinen Ursprung hat‘. Wenn wir auf diese Weise vom Grund aller Realitt sprechen, ist es, so Kant, unerheblich, dass die Natur des hçchsten Wesens ,außer der Sphre aller uns mçglichen theoretischen Erkenntnis gesetzt‘ sei. Vielmehr bleibe in dieser Rede vom Grund aller Realitt ,(subjectiv) diesen Begriffen 207 Vgl. KU, 5: 353,7 – 12. 208 Vgl. KrV, B 599 – 611 (3: 385,14 – 392,9). Kant hat in diesem Abschnitt aus der KrV u. a. deutlich gemacht, dass wir die Idee eines Inbegriffs aller Realitt zwar annehmen mssen, dass sie aber eben nur eine regulative Idee zum Gebrauch unseres Verstandes ist, dass der Inbegriff aller Realitt also selbst keine Realitt hat, die man irgendwie darstellen kçnnte: „Ein jedes D i n g aber seiner Mçglichkeit nach steht noch unter dem Grundsatze der d u r c h g n g i g e n B e s t i m m u n g , nach welchem ihm von a l l e n m ç g l i c h e n Prdicaten der D i n g e , so fern sie mit ihren Gegentheilen verglichen werden, eines zukommen muß. […] Die durchgngige Bestimmung ist folglich ein Begriff, den wir niemals in concreto seiner Totalitt nach darstellen kçnnen, und grndet sich also auf einer Idee, welche lediglich in der Vernunft ihren Sitz hat, die dem Verstande die Regel seines vollstndigen Gebrauchs vorschreibt.“ (KrV, B 599 – 600; 601 (3: 385,25 – 28; 386,16 – 20)). 209 Unter „durchgngiger Bestimmung“ versteht Kant dabei, dass jedem Ding aus der Menge aller mçglichen Prdikate jeweils eines von zwei kontradiktorischen Prdikaten zugesprochen werden kann. Eine alte braune Handmhle ist u. a. durch die Prdikate „braun“ und „alt“ bestimmt. Dass die Handmhle u. a. durch diese Prdikate durchgngig bestimmt ist, heißt nun, dass ihr nicht die Prdikate „nichtbraun“ und „nicht-alt“ zukommen.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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Realitt in praktischer Rcksicht (auf den Lebenswandel) brig‘. Die praktische Erkenntnis Gottes reicht aus, um den Begriffen „Verstand“ und „Wille“ hinsichtlich des hçchsten Wesens Realitt in praktischer Rcksicht zuzusprechen.210 Whrend der Begriff des Symbols im Vornehmen Ton fehlt, bringt Kant hier zumindest den Begriff der Analogie explizit in Zusammenhang mit der praktischen Rcksicht des Denkens des hçchsten Wesens als Grund aller Realitt: Nur in Verbindung mit dieser praktischen Rcksicht kann eine ,Analogie des gçttlichen Verstandes und Willens mit dem des Menschen und dessen praktischer Vernunft angenommen werden‘. Kant betont somit auch im Vornehmen Ton die praktisch-moralische Dimension der Erkenntnis Gottes (mit Blick ,auf den Lebenswandel‘) und dass diese Erkenntnis eine analogische Erkenntnis des hçchsten Wesens ist. Betrachten wir zum Abschluss noch einmal den letzten Satz des Zitats: „Aus dem moralischen Gesetz, welches uns unsere eigene Vernunft mit Autoritt vorschreibt, nicht aus der Theorie der Natur der Dinge an sich selbst geht nun der Begriff von Gott hervor, welchen uns s e l b s t z u m a c h e n die praktische reine Vernunft nçthigt.“211
„Gott“ ist fr Kant nicht nur ein Begriff der Moral, der uns von unserer praktischen Vernunft aufgençtigt wird, sondern außerdem ein Begriff den ,uns selbst zu machen‘ uns durch die praktische Vernunft aufgezwungen wird. Diese Rede vom Selbstmachen des Gottesbegriffs kann nicht im Sinne eines (dogmatischen) Anthropomorphismus gemeint sein, mit dem wir auf illegitime Weise versuchen, die Natur Gottes zu erkennen.212 Auch kann dieses Selbstmachen nicht so interpretiert werden, als handele es sich dabei um eine rein subjektive, kulturabhngige Form von Kontingenzbewltigung. Vielmehr handelt es sich um ein aufgezwungenes Selbstmachen des Gottesbegriffs auf der Grundlage der praktischen Vernunft; denn wir kçnnen Kant zufolge gewissermaßen nicht anders, als die Frage nach der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks auf eine bestimmte Weise zu beantworten: dass es einen personalen moralischen Welturheber 210 Diese Aussage des Vornehmen Tons ber Gott als Seinsgrund der Welt sowie der Realitt der Eigenschaften Verstand und Wille in praktischer Rcksicht stehen in deutlicher Kontinuitt zur Methodenlehre der KU. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.2. 211 VT, 8: 401,17 – 20. 212 Im Fortgang der Fußnote aus dem Vornehmen Ton erlutert Kant, wie er dieses Selbstmachen des Gottesbegriffs verstanden wissen will: in dem Sinne, dass „ein Begriff, der aus unserer Vernunft hervorgehen muss, von uns selbst gemacht sein msse“ (VT, 8: 401,26 – 27).
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
gibt, der die Mçglichkeit des moralischen Endzwecks gewhrleistet. Das ist zwar eine im Kant’schen Sinne subjektive Antwort bzw. eine Erkenntnis ,fr uns‘. Das Aufgezwungensein dieser Antwort und eines entsprechenden Gottesbegriffs vonseiten der praktischen Vernunft impliziert jedoch auch eine objektive Realitt des hçchsten Wesens in praktischer Rcksicht.213 Das Selbstmachen dieses Gottesbegriffs bzw. die praktische Erkenntnis Gottes nach der Analogie ist dabei ausgerichtet auf die Bestimmung des ,Lebenswandels‘ des Menschen und damit auf die Selbstbestimmung des Menschen als moralisches Vernunftwesen. Vor diesem Hintergrund lsst sich die Bedeutung der Analogie im Vornehmen Ton hnlich wie in der Religionsschrift verstehen: Mithilfe der Analogie machen wir uns den obersten Grund aller Realitten verstndlich und dieses Verstndlichmachen wiederum verschafft den Begriffen eines Verstandes und eines Willens Gottes die Realitt, die nçtig ist, damit wir uns durch die Annahme eines entsprechenden moralischen Welturhebers als moralische Vernunftwesen bestimmen kçnnen. Abschließend mçchte ich noch einen kurzen Blick in einen Text aus den Vorlesungen von Kant werfen.214 Dabei mssen jedoch – wie in der Einleitung bereits kurz ausgefhrt – die hermeneutischen Probleme bercksichtigt werden, die mit den Vorlesungsmitschriften verbunden sind.215 Dazu kommt, dass der hier ausgewhlte Text aus den Vorlesungen ber Metaphysik L1 nach Pçlitz im Vergleich mit den anderen hier inter-
213 Darin, dass das Selbstmachen des Gottesbegriffs nicht subjektivistisch zu interpretieren ist, sondern subjektiv und praktisch-notwendig ist, hnelt es der praktisch-rationalen Selbstgesetzgebung bzw. dem Begriff der Autonomie. Allerdings haben die Autonomie und das Selbstmachen des Gottesbegriffs insgesamt einen unterschiedlichen Stellenwert und Status in Kants Systematik der praktischen Vernunft. 214 Ich werde folgende Stelle etwas genauer untersuchen: V-MP-L1/Pçlitz, 28.1: 238,1 – 30. Weitere interessante Stellen sind (ohne Anspruch auf Vollstndigkeit): V-MP-K2/Heinze, 28.2,1: 797,12 – 800,21 (hier findet sich u. a. eine Erluterung der Rolle der Analogie bei der Erkenntnis Gottes; der Symbolbegriff taucht allerdings nicht auf ); V-Th/Volckmann, 28.2,2: 1165,18 – 1171,11 (hier wird die ,via analogiae‘ als eine von drei Weisen beschrieben, den Begriff des hçchsten Wesens zu bestimmen, wobei Kant diese via analogiae auch als „herrlichen Weg der Analogie“ bezeichnet); V-Th/Pçlitz, 28,2.2: 1019,38 – 1023,21. 215 Vgl. dazu Einleitung A.2. Deswegen gilt, dass ich, wenn ich im Folgenden die Aussagen der Vorlesungsmitschrift auf Kant beziehe, diese Zuschreibung der Aussage unter Vorbehalt zu verstehen ist.
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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pretierten Texte relativ frh zu datieren ist, nmlich in den Zeitraum vor 1780.216 „Von dem Vermçgen der Gegenbildung oder Facultate characteristica mssen wir noch etwas ausfhrlicher anmerken: Vorstellung, die als Mittel der Reproduction durch Association dient, ist ein Symbolum. Die mehrsten symbolischen Vorstellungen kommen bei der Erkenntniß von Gott vor. Diese sind insgesammt per analogiam, d.i. durch eine bereinstimmung des Verhltnisses; z.E. die Sonne war bei den alten Vçlkern ein Symbolum, eine Vorstellung der gçttlichen Vollkommenheit, indem sie, in dem großen Weltbau allenthalben gegenwrtig, vieles ertheilt (Licht und Wrme), ohne zu empfangen. So kann zum Symbol einer Republik der menschliche Kçrper dienen, in welchem alle Glieder ein Ganzes ausmachen. Eine Erkenntniß des Verstandes, welche indirecte intellectual ist und durch den Verstand erkannt wird, aber durch ein Analogon der sinnlichen Erkenntniß hervorgebracht wird, ist eine symbolische Erkenntniß, die der logischen Erkenntniß, so wie die intuitive der discursiven entgegengesetzt wird. Die Verstandeserkenntniß ist logisch, wenn sie indirecte intellectual ist, und durch ein Analogon der sinnlichen Erkenntniß hervorgebracht, aber durch den Verstand erkannt wird. Das Symbolum ist nur ein Mittel, die Intellection zu befçrdern; es dient nur der unmittelbaren Verstandeserkenntniß; mit der Zeit muß es aber wegfallen. Die Erkenntnisse aller orientalischen Nationen sind symbolisch. Wo uns also die Anschauung nicht unmittelbar erlaubt ist; da mssen wir uns per analogiam mit der symbolischen Erkenntniß behelfen. Wir kçnnen auch sagen: Die Erkenntniß ist symbolisch, wo der Gegenstand in dem Zeichen erkannt wird; aber bei der discursiven Erkenntniß sind die Zeichen nicht Symbola, indem ich in dem Zeichen nicht den Gegenstand erkenne, sondern das Zeichen mir nur die Vorstellung von dem Gegenstande hervorbringt. Z.E. das Wort Tisch ist kein Symbol, sondern nur ein Mittel, die Vorstellung des Verstandes durch Association hervorzubringen.“217
Zunchst ist zu fragen, ob sich Kants Verwendung von „Symbol“ oder „symbolisch“ einigermaßen in seine Symboltheorie aus KU, § 59 integrieren lsst. Dafr spricht zunchst, dass es heißt, dass symbolische Vorstellungen ,per analogiam, d.i. durch eine Uebereinstimmung des Verhltnisses‘ sind. Wie in den anderen hier interpretierten Texten bringt Kant den Symbolbegriff somit in einen engen Zusammenhang mit einer Analogie. Irritierend ist jedoch die Tatsache, dass Kant im ersten Satz „Symbolum“ als eine „Vorstellung, die als Mittel der Reproduction durch 216 Der Herausgeber der Vorlesung V-MP-L1/Pçlitz, Gerhard Lehmann, schließt sich der Meinung einer Dissertation aus dem Jahr 1899 von Paul Menzer an, der diese Vorlesung auf die Jahre 1778/79 oder 1779/80 datiert. Vgl. dazu AA 28,2.2: 1345 – 1346. Steve Naragon datiert diese Vorlesung mit einem Fragezeichen in die Mitte der 1770er-Jahre. Vgl. dazu Naragon 2000. 217 V-MP-L1/Pçlitz, 28.1: 238,1 – 30.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Association dient“ definiert. Diese Definition hnelt sehr stark der Definition von „Charakterismen“ bzw. „Bezeichnungen von Begriffen durch begleitende sinnliche Zeichen“ in KU, § 59.218 Nicht zuletzt handelt es sich bei dem Zitat aus der Vorlesung um einen Teil einer Abhandlung zum Vermçgen der Gegenbildung bzw. zur Facultas characteristica. 219 Allerdings ist fr Kant eine symbolische Hypotypose laut KU, § 59 gerade keine ,Bezeichnung von Begriffen durch begleitende sinnliche Zeichen‘, weil ein Symbol im Gegensatz zu einem Zeichen etwas enthlt, was zur Anschauung des symbolisierten Gegenstands gehçrt. Das Symbol bezeichnet also § 59 folgend einen Begriff nicht nur ußerlich, sondern ist diesem Begriff durch eine zugrundeliegende Analogie gewissermaßen verbunden, weswegen man von einer indirekten Darstellung eines Begriffs durch eine diesem Begriff eigentlich nicht angemessene Anschauung sprechen kann. Die Irritation wird noch dadurch verstrkt, dass Kant im letzten Satz des Zitats aussagt, dass das Wort „Tisch“ kein Symbol, sondern ein Zeichen ist, das ein Mittel dazu ist, ,die Vorstellung des Verstandes durch Association hervorzubringen‘. Whrend Kant ber die symbolische Erkenntnis sagt, dass der Gegenstand im Zeichen erkannt wird, gilt fr die diskursive Erkenntnis, dass Zeichen keine Symbola sind, was heißt, dass der Gegenstand nicht im Zeichen erkannt wird, sondern das Zeichen nur die Vorstellung vom Gegenstand hervorbringt. Kant beschreibt die Funktion eines solchen Zeichens in der diskursiven Erkenntnis, das explizit kein Symbol ist, also genau so, wie er im ersten Satz des Zitats die Funktion des Symbols beschrieben hat. Entweder widerspricht sich Kant hier selbst oder es liegen zwei Bedeutungen von „Symbol“ vor. Ich mçchte hier nicht weiter ins Detail gehen. Der offenkundige Widerspruch im Text zeigt jedoch, wie schwierig eine angemessene Interpretation der Kant’schen Vorlesungen ist.220 Klammert man den pro218 Vgl. KU, 5: 352,2 – 7. 219 In der Anthropologie ordnet Kant seine Auseinandersetzung mit dem Symbol unter die Rubrik des Bezeichnungsvermçgens bzw. der facultas signatrix. Vgl. dazu Anth, 7: 191,1 – 192,17. 220 Man kçnnte diesen offensichtlichen Widerspruch bzw. die quivozitt von „Symbol“ auch so erklren, dass sich im Widerspruch die Verwendung von „Symbol“ einerseits im Sinne der Cognitio symbolica bei Wolff und Baumgarten und andererseits in der neuen Kant‘schen Prgung des Begriffs widerspiegelt (vgl. dazu Einleitung B.1). Kant hat in den Vorlesungen zur Metaphysik ja mit den entsprechenden Kompendien von Baumgarten oder Eberhard gearbeitet. Es kçnnte sein, dass entweder Kant selbst oder dem Zuhçrer seiner Vorlesungen im ersten Satz die Verwendung des gewissermaßen alten Symbolbegriffs versehentlich
2.3 Die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott
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blematischen ersten Satz aus, ergeben sich eine Reihe von hnlichkeiten zu Kants Symboltheorie aus KU, § 59. Dazu zhlt die Abgrenzung der symbolischen von einer logischen Erkenntnis, die mit der Abgrenzung der intuitiven von der diskursiven Erkenntnis verglichen wird. Auch der bereits angefhrte enge Zusammenhang von Symbol und Analogie und die Rede davon, dass wir uns dort mittels einer symbolischen Erkenntnis behelfen mssen, wo uns die Anschauung eines Gegenstands ,nicht unmittelbar erlaubt ist‘, sprechen fr eine enge Verwandtschaft des hier ersichtlichen Kant’schen Symbolbegriffs mit dem Symbolbegriff aus KU, § 59. Interessant fr unsere Zwecke sind die Aussagen ber die Rolle des Symbols bei der Erkenntnis Gottes. Gleich zu Beginn des Zitats heißt es, dass die meisten symbolischen Vorstellungen bei der Erkenntnis von Gott vorkommen.221 Weiterhin sagt Kant, dass das Symbol nur ein Mittel ist, ,die Intellection zu befçrdern‘. Mit der Zeit msse es aber ,wegfallen‘. Diese These steht in einer gewissen Spannung dazu, dass es im bernchsten Satz heißt, dass wir uns in den Fllen, wo uns eine Anschauung nicht unmittelbar erlaubt ist ,per analogiam‘ mit der symbolischen Erkenntnis behelfen mssen. Ist das Symbol also ein temporr ntzliches Mittel, wie wir es hnlich schon in der Anthropologie in diesem Unterkapitel gehçrt haben, oder ist es ein immer notwendiges Mittel, um bestimmte Begriffe oder Gegenstnde berhaupt erkennen zu kçnnen? Genau diese Spannung in der Beurteilung der dienenden Funktion des Symbols wird sich im nchsten Kapitel auch in der Religionsschrift wiederfinden. 2.3.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel 2.3 habe ich versucht, die wesentlichen Ergebnisse der Interpretation von KU, § 59 und der Methodenlehre mit anderen einschlgigen Textstellen zu vergleichen, bei denen im Kontext von Kants philosophischer Theologie von „Analogie“, „Symbol“ und den damit verbundenen Themen die Rede ist. Im Großen und Ganzen lsst sich eine weitgehende Kontinuitt der Bedeutung von „Analogie“ und „Symbol“ festhalten. Fr den Begriff der Analogie, der in den Prolegomena und der unterlaufen ist. Es wre aber auch denkbar, dass sich Kant gegen Ende der 1770erJahre in der Entwicklung seines neuen Symbolbegriffs, den er von dem der ,neueren Logiker‘ in KU, § 59 abgrenzt, noch nicht sicher genug war, um ihn vom Symbolbegriff der ,neueren Logiker‘ abzugrenzen. 221 Als Beispiel fhrt Kant die Sonne als Symbol der gçttlichen Vollkommenheit an.
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Preisschrift hnlich wie in der KU definiert wird, ist dies offenkundig. ber den Symbolbegriff erfhrt man in der Preisschrift Nheres. Die Religionsschrift kreiert einen eigenen Ausdruck fr den Begriff einer symbolischen, intuitiven Vorstellungsart: den Schematismus der Analogie. Insgesamt hat die Interpretation einige interessante Akzente, welche die jeweiligen Schriften setzen, gerade hinsichtlich des Symbolbegriffs zu Tage gefçrdert. In den Prolegomena ist von einem „symbolischen Anthropomorphismus“ die Rede. Kant bezeichnet damit die Art und Weise, wie wir uns erlauben, ber das hçchste Wesen unter der Voraussetzung einer analogischen Erkenntnis des hçchsten Wesens zu sprechen: Wir kçnnen die Welt betrachten, als ob sie das Werk eines hçchsten Verstandes und Willens sei. Dabei grenzt Kant den Begriff des symbolischen Anthropomorphismus vom Begriff des dogmatischen Anthropomorphismus dadurch ab, dass wir im Fall des ersteren nur ber Gott sprechen, als ob er bestimmte Eigenschaften htte, whrend letzterer Gott bestimmte Eigenschaften so zuspricht, wie man einem empirischen Gegenstand Eigenschaften zuspricht. Wenn wir symbolisch-anthropomorphistisch ber das hçchste Wesen sprechen, bedeutet das eben nicht, dass das hçchste Wesen diese Eigenschaften tatschlich hat. Was wir mit der Als-ob-Aussage ber die Eigenschaften Gottes aussagen wollen, kann dadurch rekonstruiert werden, dass die zugrundeliegende Analogie aufgeschlsselt wird. Kant macht somit auch in den Prolegomena indirekt deutlich, dass das symbolisch-anthropomorphistische Sprechen ber Gott eine entsprechende analogische Erkenntnis Gottes voraussetzt. Ferner gehçrt das Bedrfnis nach einer indirekten Darstellung der Eigenschaften Gottes fr Kant zur praktischen Erkenntnis dazu. In der Preisschrift spricht er von einer ,Nothilfe‘ fr Begriffe des bersinnlichen durch die Symbolisierung. Wenn wir Gott nach der Analogie in praktischer Absicht erkennen wollen, gehçren auch bestimmte Begriffe des bersinnlichen notwendig dazu, was fr Kant impliziert, dass mangels einer direkten Darstellung dieser Begriffe eine ,Nothilfe‘ zumindest eine indirekte Darstellung der Begriffe ermçglichen muss. In der Religionsschrift heißt es, dass der Schematismus der Analogie, den man mit „symbolische Vorstellungsart“ gleichsetzen kann, zum Zweck der Erluterung oder des Verstndlichmachens von ,bersinnlichen Beschaffenheiten‘ unentbehrlich ist. Der Schematismus der Analogie ist ein notwendiges Mittel, um uns eine Vorstellung davon zu machen oder um zu begreifen, was es z. B. heißt, dass Gott die Menschen liebt. Kant spricht auch davon, dass es eine ,Bedingung meiner Fasslichkeit‘ ist, dem hçchsten Wesen einen Verstand zuzusprechen. Damit meint er, dass wir, wenn wir die Eigenschaft des
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Verstandes dem hçchsten Wesen analogisch zuschreiben, verstehen kçnnen, was es bedeutet, dass etwas Ursache der Welt ist. Ich habe deswegen auch davon gesprochen, dass der Schematismus der Analogie eine hermeneutische Funktion hinsichtlich der ,bersinnlichen Beschaffenheiten‘ wie z. B. des Begriffs der Kausalitt Gottes hat. Kant wertet es in der Religionsschrift als eine ,Beschrnktheit der menschlichen Vernunft‘, dass wir auf den Schematismus der Analogie zurckgreifen mssen, um uns Begriffe wie den einer Weltursache oder der Liebe Gottes verstndlich zu machen. Indem wir z. B. mit dem Begriff der Liebe Gottes die Vorstellung einer vçlligen Aufopferung Gottes in der Hingabe seines Sohnes verbinden, kçnnen wir diesen Begriff besser verstehen. Der Schematismus der Analogie kann jedoch ber seine hermeneutische Funktion hinaus nicht leisten, mittels dieser Vorstellung die Liebe Gottes tatschlich zu bestimmen und so unsere Erkenntnis Gottes zu erweitern. Der Schematismus der Analogie ist klar vom Schematismus der Objektbestimmung unterschieden. Wie in KU, § 59 und an anderer Stelle macht Kant in der Religionsschrift deutlich, dass wir mittels einer nach der Analogie gedachten Eigenschaften Gottes keine Aussage ber Gott selbst machen. Weil unsere Vernunft hinsichtlich bersinnlicher Begriffe beschrnkt ist, ist die nach einer Analogie an den Begriff der Liebe Gottes angelegte Vorstellung einer vçlligen Aufopferung nur ein notwendiges und hinreichendes Mittel, uns diesen Begriff verstndlich zu machen. Dieses Verstndlichmachen ist jedoch klar von einem Analogieschluss darauf unterschieden, dass Gottes Liebe tatschlich so ist, wie wir sie uns mittels des Schematismus der Analogie vorstellen. Im Vornehmen Ton spricht Kant davon, dass den Begriffen, mit denen wir Gott als Grund der Welt denken, ,in praktischer Rcksicht (auf den Lebenswandel)‘ Realitt zukommt und dass die praktische Vernunft uns dazu nçtige, uns einen Begriff von Gott selbst zu machen. Das Selbstmachen dieses Gottesbegriffs ist somit ausdrcklich auf die Selbstbestimmung des Menschen als moralisches Vernunftwesen bzw. auf die Bestimmung des ,Lebenswandels‘ des Menschen ausgerichtet. Als einen wichtigen Konvergenzpunkt der KU und der weiteren Texte, der durch die Interpretation deutlich geworden ist, mçchte ich Folgendes festhalten: Das Symbol und die ihm zugrundeliegende Analogie sind auf dem Hintergrund des moralischen Arguments der KU notwendige und hinreichende Mittel, das hçchste Wesen in praktischer Rcksicht zu erkennen und uns den Begriff eines moralischen Welturhebers verstndlich zu machen. Indem wir uns den Begriff eines moralischen Welturhebers verstndlich machen, kçnnen wir uns selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen oder verstehen. Symbol und Analogie stehen somit in einem
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essentiellen Zusammenhang mit dem Selbstverstndnis des Menschen als moralisches Vernunftwesen. Deswegen mçchte ich davon sprechen, dass man die philosophische Theologie Kants, so wie sie sich in den interpretierten Texten darstellt, als eine praktisch-hermeneutische philosophische Theologie bezeichnen kann, sofern wir uns selbst als moralische Vernunftwesen zu verstehen versuchen, wenn wir auf der Grundlage der moralischen Teleologie nach den Bedingungen dafr fragen, dass der moralische Endzweck eine reale Mçglichkeit in der Welt ist, und zur Annahme eines moralischen Welturhebers gelangen. Die Realitt eines hçchsten Wesens mit den analogisch gedachten und symbolisch dargestellten Eigenschaften Verstand und Wille in praktischer Rcksicht ist untrennbar mit der uns von unserer praktischen Vernunft aufgençtigten Frage nach der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks verbunden. Insofern dient die philosophische Theologie unter anderem dazu, unser moralisch-praktisches Selbstverstndnis in der Frage nach der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks bzw. des hçchsten Guts zu vervollstndigen, so dass wir uns entsprechend als moralische Vernunftwesen bestimmen kçnnen. Analogie und Symbol leisten in diesem Zusammenhang die zentrale hermeneutische Aufgabe, weil nur durch eine Erkenntnis Gottes nach der Analogie dem hçchsten Wesen die Eigenschaften analogisch zugesprochen und indirekt dargestellt werden kçnnen, die notwendig sind, damit der moralische Endzweck bzw. das hçchste Gut reale Mçglichkeit ist. Ich habe in Kapitel 2.3.3 zwei Fragen festgehalten, die sich aus dem Vergleich der Ergebnisse der Interpretation von KU, § 59 insbesondere mit den Texten aus der Religionsschrift ergeben. Die erste Frage betrifft die hermeneutische Funktion des Symbols: Hat das Verfahren der Symbolisierung bei der Erkenntnis Gottes in KU, § 59 dieselbe Funktion wie das Anschaulichmachen des Begriffs der Liebe Gottes oder des wahren moralischen Dienstes an Gott in der Religionsschrift? Gilt also fr die Eigenschaften Verstand und Wille, mittels deren wir uns Gott analogisch denken, wie fr die biblische Vorstellungsart Gottes als Vater, der fr die Menschen alles tut, dass sie jeweils ein unentbehrliches hermeneutisches Mittel der Veranschaulichung von Unsichtbarem oder bersinnlichen Beschaffenheiten ist? Durch einen weiteren Blick in die Religionsschrift mçchte ich im nchsten Kapitel 2.4 versuchen, die Bedeutung dieses Verstndlichmachens von bersinnlichen Beschaffenheiten und meine Rede von „hermeneutischer Funktion“ mit Blick auf den Schematismus der Analogie weiter aufzuklren. Die zweite Frage knpft an die erste Frage an: Wie verhalten sich die vielfltigen religiçsen symbolischen Vorstellungen, von denen Kant in der
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Religionsschrift spricht, zur symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59? Hat die symbolische Erkenntnis von Gott und seiner Kausalitt aus KU, § 59 denselben epistemologischen Status wie die biblische Vorstellungsart der Liebe Gottes, mit deren Hilfe wir uns den Begriff der Liebe Gottes verstndlich machen, oder wie die sinnliche Reprsentation des wahren moralischen Dienstes an Gott in den Formen christlicher Frçmmigkeit? Auch diese Frage wird im Zentrum des folgenden Kapitels 2.4 stehen.
2.4 Symbolische Erkenntnis Gottes und das menschliche Bedrfnis nach Sinnlich-Haltbarem Ziel dieses Kapitels ist, die im Verlauf des Kapitels 2.3 aufgeworfenen Fragen zu beantworten, um den epistemologischen Status der Kant’schen Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott abschließend zu bewerten. Um die beiden Fragen zu beantworten, mssen einige Textpassagen aus der Religionsschrift interpretiert werden. Die Interpretation der Texte wird dabei eher kursorisch als kommentarisch sein, weil es im Interesse der Beantwortung der besagten Fragen liegt, eine grçßere Textmenge in Augenschein zu nehmen und somit einen berblick ber bestimmte Aussagen der Religionsschrift zu bekommen. Die Interpretation der Texte aus der Religionsschrift mçchte ich dann mit den wesentlichen Ergebnissen der Interpretation von KU, § 59 und der im Kapitel 2.3 interpretierten Texte vergleichen. Zuvor mçchte ich jedoch eine fr das Verstndnis der Religionsschrift wichtige Unterscheidung erlutern: die Unterscheidung von Theologie und Religion bei Kant. 2.4.1 Das Verhltnis von philosophischer Theologie und Religion in der KU und in der Religionsschrift Ein Abschnitt aus der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie der KU macht den Unterschied von philosophischer Theologie und Religion im Verstndnis Kants gut deutlich: „Die moralische Teleologie hingegen, welche nicht minder fest gegrndet ist wie die physische, vielmehr dadurch, daß sie a priori auf von unserer Vernunft untrennbaren Prinzipien beruht, Vorzug verdient, fhrt auf das, was zur Mçglichkeit einer Theologie erfordert wird, nmlich auf einen bestimmten B e g r i f f der obersten Ursache als Weltursache nach moralischen Gesetzen,
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mithin einer solchen, die unserem moralischen Endzwecke Genge tut: wozu nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart usw. als dazu gehçrige Natureigenschaften erforderlich sind, die mit dem moralischen Endzwecke, der unendlich ist, als verbunden, mithin ihm adquat gedacht werden mssen, und kann so den Begriff eines e i n z i g e n Welturhebers, der zu einer Theologie tauglich ist, ganz allein verschaffen. Auf solche Weise fhrt eine Theologie auch unmittelbar zur R e l i g i o n , d.i. der E r k e n n t n i s u n s e r e r P f l i c h t e n a l s g ç t t l i c h e r G e b o t e : weil die Erkenntnis unserer Pflicht und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks den Begriff von Gott zuerst bestimmt hervorbringen konnte, der also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist; anstatt daß, wenn der Begriff vom Urwesen auf dem bloß theoretischen Wege (nmlich desselben als bloßer Ursache der Natur) auch bestimmt gefunden werden kçnnte, es nachher noch mit großer Schwierigkeit, vielleicht gar Unmçglichkeit, es ohne willkrliche Einschiebung zu leisten, verbunden sein wrde, diesem Wesen eine Kausalitt nach moralischen Gesetzen durch grndliche Beweise beizulegen; ohne die doch jener angeblich theologische Begriff keine Grundlage zur Religion ausmachen kann. Selbst wenn eine Religion auf diesem theoretischen Wege gegrndet werden kçnnte, wrde sie in Ansehung der Gesinnung (worin doch ihr Wesentliches besteht) wirklich von derjenigen unterschieden sein, in welcher der Begriff von Gott und die (praktische) berzeugung von seinem Dasein aus Grundideen der Sittlichkeit entspringt.“222
Kant betont hier zunchst, dass allein die moralische Teleologie zu einem solchen bestimmten Begriff der obersten Weltursache hinfhrt, der dem moralischen Endzweck entspricht und dadurch auch zu einer Theologie tauglich ist. Unter dieser Tauglichkeit zur Theologie versteht Kant dabei die „Allheit der mit einem Verstande vereinbarten Vollkommenheiten“, wie er kurz vorher schreibt.223 Ein zur Theologie tauglicher Begriff des hçchsten Wesens umfasst Kants Auffassung nach also den Begriff eines hçchsten Wesens, das Eigenschaften wie Allmacht, Allwissenheit oder Allgegenwart auf sich vereint. Dieser zur Theologie taugliche Begriff ist dabei jedoch Konsequenz der Erfordernisse der moralischen Teleologie, den Begriff eines hçchsten Wesens zu bestimmen, das dem moralischen Endzweck praktische Realitt verschafft; denn um dem moralischen Endzweck Genge zu tun, sind ,nichts weniger als Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart usw. […] erforderlich‘. Auf der Grundlage dieser moralischen Teleologie und der entsprechenden praktischen Bestimmung des Begriffs Gottes ,fhrt eine Theologie auch unmittelbar zur Religion‘. Kant konstatiert hier einen engen 222 KU, 5: 480,37 – 481,29. 223 KU, 5: 480,18 – 19.
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Zusammenhang zwischen seiner philosophischen Theologie auf der Grundlage des moralischen Arguments und einem Religionsbegriff, den er in der KpV erstmals auf diese Weise definiert, und der sich dann sowohl in der KU als auch in der Religionsschrift wiederfindet.224 Religion ist demnach die ,Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote‘. Wie die Rede von „Erkenntnis“ zu interpretieren ist, wird durch die Begrndung („weil“) erhellt, warum eine philosophische Theologie aus der praktischen Vernunft zur Religion im Kant’schen Sinne fhrt. Der ,Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote‘ geht demnach eine ,Erkenntnis unserer Pflicht und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks‘ voraus, wobei gilt, dass die letztere Erkenntnis ,den Begriff von Gott zuerst bestimmt‘ hervorgebracht hat und dieser Begriff von Gott ,schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich ist‘. Außerdem ist wichtig, dass Kant im Fall der ersten Erkenntnis von der „Erkenntnis unserer Pflicht“ im Singular spricht, whrend im zweiten Fall von der „Erkenntnis unserer Pflichten“ im Plural die Rede ist.225 Es ist hier also offensichtlich von zwei Erkenntnissen und Erkenntnisarten die Rede: von der Erkenntnis unserer Pflicht und des darin implizierten moralischen Endzwecks allen menschlichen Handelns und von der Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote. Grundlage oder Voraussetzung der Rede von einer „Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote“ ist die zuerst genannte Erkenntnis, dass wir als Vernunftwesen unter dem moralischen Gesetz der praktischen Vernunft stehen und dieses moralische Gesetz uns gegen unsere sinnlichen Antriebe unbedingt in Anspruch nimmt.226 Wir mssen also erst verstanden haben, was es bedeutet, als moralische Vernunftwesen unter dem Anspruch des moralischen Gesetzes und des gebotenen Objekts der praktischen Vernunft zu stehen, bevor wir diesen Anspruch mit dem moralischen Welturheber in Zusammenhang bringen kçnnen. Der Weg von der Erkenntnis unserer Pflicht zur Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote verluft somit auch ber den unbedingt gebotenen moralischen Endzweck, der Ausgangspunkt von Kants moralischem Argument fr das Dasein Gottes ist.227 224 Vgl. dazu Marty 1992, 52 – 53. Weitere Belegstellen in anderen Schriften Kants sind: MSTL, 6: 440,7 – 9; 487,8 – 9; SF, 7: 36,18 – 21. 225 Vgl. dazu auch die Definition von „Religion“ in der KpV, wo es heißt: „E r k e n n t n i s a l l e r P f l i c h t e n a l s g ç t t l i c h e r G e b o t e “ (KpV, 5: 129,18 – 19). 226 Vgl. dazu z. B. KpV, 5: 32,21 – 31. 227 Vgl. dazu hnlich Bielefeldt 2003, 159 – 163.
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Der Kant’sche Religionsbegriff hat damit eindeutig Kants philosophische Theologie zur Voraussetzung. Erst aus dem moralischen Argument ergibt sich ein hinreichend bestimmter Begriff von Gott, der zur Religion als Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote fhrt. Diese Abhngigkeit des Religionsbegriffs vom Begriff Gottes wird durch weitere Beobachtungen am Text besttigt. Es ist erstens wichtig zu sehen, dass Kant in seiner Definition von Religion konkrete Pflichten und nicht unsere Pflicht berhaupt im Blick hat, die als gçttliches Gebot erkannt wrde. Es geht in der Religion nicht um eine Erkenntnis unserer Pflichten als Pflicht, sondern um die Erkenntnis unserer Pflichten, deren Status als Pflicht bereits begrndet ist, als gçttlicher Gebote. Man kçnnte somit auch sagen, dass Religion eine aufgrund des moralischen Endzwecks und des moralischen Arguments legitime Erweiterung der Erkenntnis unserer Pflichten ist, so dass wir sie eben nicht nur als aus dem moralischen Gesetz folgende Gebote, sondern auch als gçttliche Gebote verstehen kçnnen.228 Kant fhrt somit in seinem Religionsbegriff seine Moralphilosophie und seine philosophische Theologie zusammen, um die durch das moralische Argument gewonnene Erkenntnis Gottes auf die Frage nach der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks anzuwenden, von der das moralische Argument seinen Ausgang genommen hat: Indem wir unsere Pflichten als gçttliche Gebote erkennen, verstehen wir zugleich, dass der moralische Endzweck, den uns das moralische Gesetz zu verwirklichen aufgibt, eine reale Mçglichkeit ist, weil ein moralischer Welturheber die Mçglichkeit der Verwirklichung des moralischen Endzwecks gewhrleistet. Der Kant’sche Religionsbegriff bringt somit einen wichtigen Gedankengang zum Abschluss, der mit Kants Entwurf einer Ethik aus reiner praktischer Vernunft beginnt, dann ber die Frage nach der Mçglichkeit des hçchsten Guts bzw. des moralischen Endzwecks unter anderem das Dasein eines moralischen Welturhebers postuliert und schließlich die Erkenntnis dieser praktischen philosophischen Theologie auf das Verstndnis unserer Pflichten anwendet.229 Mit dieser Erkenntnis unserer Pflichten als gçttli228 Zu einer hnlichen Interpretation kommt Barth 2006, 33; 36 – 37. Barth deutet Kants Gebrauch von „Erkenntnis“ allerdings im Licht einer Formulierung der Religionsdefinition in MSTL, wo von Religion als einem „Prinzip der Beurteilung aller seiner Pflichten als gçttliche Gebote“ die Rede ist (MSTL, 6: 440,8 – 9). Er spricht von einer „Beurteilungsoperation, die das gesamte autonome Normbewusstsein in eine von ihm selbst zu unterscheidende neue Sinnperspektive rckt.“ (Barth 2006, 33). 229 Bahr schreibt mit Blick auf Kants Religionsbegriff: „Im Begriff der Religion liegt der Anspruch, das Ganze der Wirklichkeit in der Einheit der Vernunft unter einen
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cher Gebote entsteht eine Art Haltung oder Einstellung des jeweiligen Subjekts gegenber den Pflichten, die es hoffen lsst, dass mit dem Bemhen um einen sittlichen Lebenswandel alles Menschenmçgliche getan ist, weil die Mçglichkeit der Wirklichkeit des moralischen Endzwecks einem moralischen Welturheber berlassen werden kann.230 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Kant die Erkenntnis unserer Verpflichtung gegenber Gott und seinen Geboten nicht erst im Religionsbegriff ansiedelt, sondern dass er schreibt, der Begriff Gottes sei ,also schon in seinem Ursprunge von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen unzertrennlich‘. Wie ist das zu verstehen? Zunchst ist wichtig zu sehen, dass Kant damit die Aussage schlussfolgernd zusammenfasst („also“), dass die ,Erkenntnis unserer Pflicht und des darin uns durch Vernunft auferlegten Endzwecks den Begriff von Gott zuerst bestimmt‘ hervorgebracht hat. Der Ursprung des Begriffs von Gott ist somit die im vorigen Absatz zusammengefasste moralische Teleologie, die in Kants moralischem Argument zu einem bestimmten Begriff Gottes fhrt, der ihren Anforderungen entspricht. Das wiederum heißt, dass das hçchste Wesen ,Weltursache nach moralischen Gesetzen‘ ist, wozu solche Eigenschaften wie Allmacht etc. gehçren. In diesem Begriff eines ,einzigen Welturhebers‘ ist bereits die ,Verbindlichkeit gegen dieses Wesen‘ so angelegt, dass der Begriff und diese Verbindlichkeit ,unzertrennlich‘ sind. Weil also der Begriff von Gott in seinem Ursprung in der moralischen Teleologie unzertrennlich ,von der Verbindlichkeit gegen dieses Wesen‘ ist, fhrt eine praktisch-rationale Theologie unmittelbar zur Religion. Es ist aus dem Textausschnitt heraus nicht einfach zu verstehen, wie genau sich diese ,Verbindlichkeit‘ aus dem Begriff eines moralischen Welturhebers, der den moralischen Endzweck mçglich macht, ergeben soll. „Verbindlichkeit gegen dieses Wesen“ bedeutet an dieser Stelle, dass man einheitlichen Zugriff zu bringen.“ (Bahr 2004b, 181). Bahr gibt nicht an, auf welchen Kantischen Text sie sich mit dieser Interpretation von Kants Religionsbegriff sttzt. Diese Interpretation lsst sich jedenfalls nicht mit Blick auf die zentralen, hier genannten Stellen in der KU und in der Religionsschrift sttzen. Bahrs Interpretation des Kantischen Religionsbegriffs wirkt eher wie eine Interpretation des Kantischen Begriffs der Vernunftidee Gottes. Vgl. dazu auch Kapitel 2.5.1. 230 Es wre an dieser Stelle interessant, Kants Rede vom Vernunftglauben an Gott als einem „habitus“ mit meiner Interpretation des Religionsbegriffs als einer Art theologischen Einstellung gegenber unseren Pflichten zu vergleichen. Leider ist das an dieser Stelle nicht mçglich. Vgl. dazu KU, 5: 471,3 – 473,2. Vgl. zu dieser Interpretation von Kants Religionsbegriff auch Despland 1973, 108 – 117, der Kants Religionsbegriff ebenfalls im Sinne einer Einstellung („attitude“) deutet.
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Gott gegenber aufgrund einer Verbundenheit in der Pflicht steht, was hier nicht im Sinne eines Wieder-Gut-Machens von etwas zu interpretieren ist, sondern als eine dauerhafte Beziehung zwischen dem moralischen Vernunftwesen und Gott verstanden werden kann.231 Doch welche Verbundenheit eines moralischen Vernunftwesens gegenber dem moralischen Welturheber ist im Begriff Gottes impliziert? Die plausibelste Antwort ist, dass im Hintergrund dieser Rede von der „Verbindlichkeit gegen dieses Wesen“ die Auffassung vom hçchsten Wesen als gesetzgebendem Oberhaupt in einem moralischen Reiche der Zwecke steht, wie Kant sie in KU, § 86 ausfhrt.232 Demnach ergibt sich aus dem moralisch-teleologisch bestimmten Prinzip der Kausalitt des hçchsten Wesens, dass wir es nicht nur als „Intelligenz und gesetzgebend fr die Natur, sondern auch als gesetzgebendes Oberhaupt in einem moralischen Reich der Zwecke denken mssen.“, wobei dieses Wesen hinsichtlich des „h ç c h s t e [ n] unter seiner Herrschaft mçglichen G u t [ s ] “ auch als allwissend, allmchtig etc. gedacht werden muss.233 Fr diese Interpretation spricht auch, dass Kant im zitierten Text aus der Allgemeinen Anmerkung ganz hnlich wie in § 86 zum Begriff Gottes als oberster ,Weltursache nach moralischen Gesetzen‘ Eigenschaften wie Allmacht etc. zugehçrig sieht, die ein oberster Gesetzgeber in einem moralischen Reich der Zwecke haben muss. Die ,Verbindlichkeit gegen dieses Wesen‘ ergibt sich somit daraus, dass der aus der moralischen Teleologie gewonnene Begriff Gottes impliziert, dass die moralische Weltursache oberster Gesetzgeber in einem moralischen Reich der Zwecke ist, dem alle moralischen Vernunftwesen angehçren und insofern dem obersten Gesetzgeber gegenber verpflichtet sind.234 Diese Art der ,Verbindlichkeit‘ gegenber Gott ist jedoch von der im Religionsbegriff gedachten Verpflichtung gegenber Gott zu unterschei231 Vgl. dazu den entsprechenden Eintrag im Grimm’schen Wçrterbuch, der zwischen einer aktiven und passiven Bedeutung unterscheidet. An dieser Stelle liegt eine passive Bedeutung von „Verbindlichkeit“ vor: „passiv, die aus dem verbinden hervorgehende verpflichtung, das verbundensein, als zustand oder obliegenheit […] ADELUNG versuch 4, 1381. beliebte zusammenstellungen, verbindlichkeiten haben jemandem oder heute gegen jemand: ich habe verbindlichkeiten gegen sie und werde es nie aus der acht lassen, dasz sie mein wahres glck .. befçrdert hat.“ (Grimm, Grimm 1854 – 1960, Bd. 25, Sp. 122 – 123). 232 Vgl. dazu KU, 5: 443,29 – 444,32. 233 KU, 5: 444,13 – 16. 234 Diese Verbindlichkeit gegenber Gott hebt dabei in keiner Weise die Verbindlichkeit moralischer Vernunftwesen gegenber dem moralischen Gesetz auf. Die Verbindlichkeit gegenber Gott als oberstem Gesetzgeber in einem moralischen Reich der Zwecke ergibt sich ja erst aus der moralischen Teleologie.
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den, auch wenn Theologie ,unmittelbar‘ zur Religion fhrt. Die Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote ist eine Deutung unserer Pflichten auf dem Hintergrund der philosophischen Theologie und des Begriffs Gottes. Wir bringen im Religionsbegriff eine Ethik aus reiner praktischer Vernunft mit einer philosophischen Theologie zusammen, die sich bestimmter, dieser Ethik inhrenter Probleme annimmt, und verstehen unsere Pflichten nun im Licht dieser philosophischen Theologie, was entsprechende Konsequenzen fr unser Selbstverstndnis als moralische Vernunftwesen hat. Der Religionsbegriff geht also ber die philosophische Theologie hinaus, weil er kein Begriff ist, der im Raum von Kants kritischer Metaphysik angesiedelt ist, sondern sozusagen eine Schnittstelle zwischen Metaphysik und Ethik darstellt, indem er eine Erkenntnis oder Hermeneutik des menschlichen Handelns in der Geschichte ist. Die philosophische Theologie leistet somit zwar die zentrale Vorarbeit fr unser Selbstverstndnis als moralische Vernunftwesen. Aber erst durch das Verstehen unserer Pflichten im Licht eines bestimmten Gottesbegriffs und somit erst durch Religion wird aus dem Gottesbegriff ein Selbstverstndnis, das nicht theoretisch ist, sondern Anwendung auf unsere conditio humana als moralische Vernunftwesen finden kann. Der Unterschied zwischen Kants philosophischer Theologie und seinem Religionsbegriff ist auch deswegen von Bedeutung, weil Kant in der Religionsschrift mit diesem Religionsbegriff arbeitet, ihn dabei weiter differenziert und in Zusammenhang mit konkreten Phnomenen aus der historischen Religion des Christentums bringt. Ich gehe hier kurz auf einen wichtigen Text zum Religionsbegriff aus dem Vierten Stck der Religionsschrift ein: „Religion ist (subjektiv betrachtet) das Erkenntnis aller unserer Pflichten a l s gçttlicher Gebote*. Diejenige, in welcher ich vorher wissen muß, daß etwas ein gçttliches Gebot sei, um es als meine Pflicht anzuerkennen, ist die g e o f f e n b a r t e (oder einer Offenbarung bençtigte) Religion: dagegen diejenige, in der ich zuvor wissen muß, daß etwas Pflicht sei, ehe ich es fr ein gçttliches Gebot anerkennen kann, ist die n a t r l i c h e R e l i g i o n . […] Wenn man die Religion nicht nach ihrem ersten Ursprunge und ihrer inneren Mçglichkeit (da sie in natrliche und geoffenbarte eingeteilt wird), sondern bloß nach der Beschaffenheit derselben, die sie der ußeren Mitteilung fhig macht, einteilt, so kann sie von zweierlei Art sein: entweder die natrliche, von der (wenn sie einmal da ist) jedermann durch seine Vernunft berzeugt werden kann, oder eine gelehrte Religion, von der man andere nur vermittelst der Gelehrsamkeit (in und durch welche sie geleitet werden mssen) berzeugen kann. – Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, denn man kann aus dem Ursprunge einer Religion allein auf ihre Tauglichkeit oder
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
Untauglichkeit, eine allgemeine Menschenreligion zu sein, nichts folgern, wohl aber aus ihrer Beschaffenheit, allgemein mitteilbar zu sein, oder nicht; die erstere Eigenschaft aber macht den wesentlichen Charakter derjenigen Religion aus, die jeden Menschen verbinden soll.“235
Wir finden in diesem Text zwei Kategorien der Einteilung von Religion: einerseits die Kategorie der subjektiven Betrachtung von Religion, die Kant im Text auch so beschreibt, dass die Religion in dieser Kategorie ,ihrem ersten Ursprunge und ihrer inneren Mçglichkeit‘ nach eingeteilt wird; andererseits spricht Kant von einer Kategorie der Beschaffenheit, die eine Religion der ußeren Mitteilung fhig macht. Man kann die erste Kategorie auch als „historisch-genetische Kategorie“ bezeichnen, da es in dieser Kategorie darum geht, Religion danach zu unterscheiden, ob man in einer temporalen („erster Ursprung“) wie sachlichen („innere Mçglichkeit“) Perspektive zuerst wissen muss, ob eine Pflicht ein gçttliches Gebot ist oder ob ein gçttliches Gebot eine Pflicht ist. Eine geoffenbarte oder Offenbarungsreligion ist dadurch Religion, dass ich im Ausgang von der berzeugung, dass eine bestimmte Handlungsanweisung ein gçttliches Gebot ist, zu der berzeugung gelange, dass diese Handlungsanweisung auch meine Pflicht ist, eben weil sie zuvor ein gçttliches Gebot ist. Das Christentum ist in Kants Augen eine solche Offenbarungsreligion. Bei einer natrlichen Religion komme ich ausgehend von der berzeugung, dass eine Handlungsanweisung meine Pflicht ist, zu der berzeugung, dass diese Handlungsanweisung auch ein gçttliches Gebot ist, eben weil ich sie zuvor als meine Pflicht erkannt habe. Kants Religionsdefinition ist hinsichtlich dieser Differenzierung die Definition einer im historisch-genetischen Sinn natrlichen oder – wie Kant an anderer Stelle sagt – Vernunftreligion. Die erste Kategorie gibt uns somit Auskunft darber, wie in einer Religion berzeugungen intern gerechtfertigt werden kçnnen, ohne dass dabei die Frage gestellt wird, welchen epistemologischen Status die jeweilige interne Rechtfertigung hat. Die zweite der genannten Kategorien fragt dagegen nicht nach der Genese oder der internen Rechtfertigung, sondern nach dem epistemologischen Status der Rechtfertigung und somit nach der externen Rechtfertigung von religiçsen berzeugungen, und lsst sich deswegen als „epistemologische Kategorie“ bezeichnen. Kann jedermann durch seine Vernunft von einer Religion berzeugt werden, dann liegt eine im Sinn dieser Kategorie natrliche Religion vor. Kann man nur durch 235 RGV, 6: 153,28 – 29; 154,1 – 5; 155,16 – 29. Die Fußnote zu ,Gebote‘ im ersten Satz des Zitats bzw. in 153,29 lasse ich hier aus.
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,Gelehrsamkeit (in und durch welche sie geleitet werden mssen)‘ von einer Religion berzeugt werden, also z. B. durch die Autoritt von heiligen Schriften (oder religiçsen Amtstrgern, welche diese Schriften verstehen und auslegen kçnnen), dann liegt eine gelehrte Religion vor. Dabei spricht Kant im Kontext dieser Textstelle auch von einer gelehrten Religion als einer Religion, die „ihrer inneren Beschaffenheit wegen nur als geoffenbart angesehen werden kann“236. Man kann somit mit Blick auf das, was Kant „gelehrte Religion“ nennt, auch von einer „geoffenbarten Religion“ in dem Sinne sprechen, dass ihre berzeugungen einen solchen epistemologischen Status haben, dass sie nur mit dem Hinweis auf gçttliche Offenbarung (z. B. ein besonderes Ereignis in der Geschichte etc.) und in keiner Weise rational gerechtfertigt werden kçnnen. Und auch wenn Kant die Mçglichkeit einer Offenbarung nicht kategorisch ausschließt, so ist es fr sein Verstndnis von Religion nicht notwendig, die Inhalte dieser Offenbarung zu kennen und die Offenbarung als eine wirkliche Offenbarung anzunehmen.237 Diese beiden Kategorien und die in ihnen mçglichen Unterscheidungen erlauben es Kant nun, von einer historischen Religion wie dem Christentum ein differenziertes Bild seiner historisch-genetischen wie epistemologischen Verfassung zu zeichnen.238 Diese Differenziertheit deutet sich im Zitat dadurch an, dass Kant deutlich macht, dass man nicht aus dem Ursprung einer Religion, sondern nur aus ihrer Beschaffenheit, ,allgemein mitteilbar‘ zu sein, auf ihre Tauglichkeit zu einer allgemeinen Menschenreligion schließen kann. Nur die Frage nach der Mçglichkeit der rationalen Rechtfertigung von religiçsen berzeugungen kann erweisen, ob eine historische Religion zur allgemeinen Menschenreligion taugt oder nicht. Das aber wiederum bedeutet, dass es mçglich ist, dass eine Religion in historisch-genetischer Hinsicht eine geoffenbarte Religion ist, in epis236 RGV, 6: 156,9 – 10. 237 Kant unterscheidet kurz nach der gerade zitierten Stelle zwischen verschiedenen philosophischen Positionen hinsichtlich des Verhltnisses von natrlicher und gelehrter Religion. Seine eigene Position bezeichnet er dabei als die eines „reinen Rationalisten“ (vgl. RGV, 6: 154,5 – 155,4). Der reine Rationalist geht im Gegensatz zum Naturalisten von der Mçglichkeit einer Offenbarung aus, behauptet jedoch im Gegensatz zum reinen Supranaturalisten, „daß sie [die bernatrliche gçttliche Offenbarung, SM] zu kennen und fr wirklich anzunehmen, zur Religion nicht notwendig erfordert wird“ (RGV, 6: 154,9 – 155,1). 238 Unter „historischer Religion“ verstehe ich im Folgenden, um Verwechslungen mit dem Kantischen Gebrauch von „Religion“ zu vermeiden, Religionen wie das Christentum, das Judentum, den Islam etc.
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temologischer Hinsicht aber eine natrliche, weil wir feststellen, das es mçglich ist, die berzeugungen dieser Religion rational zu rechtfertigen, obwohl diese berzeugungen intern mit dem Hinweis auf gçttliche Offenbarung gerechtfertigt werden.239 Hinsichtlich des Christentums kommt Kant zu folgendem Urteil: „Also werden wir selbst eine geoffenbarte Religion einerseits noch als n a t r l i c h e , andererseits aber als g e l e h r t e Religion betrachten, prfen, und, was, oder wie viel ihr von der einen oder der anderen Quelle zustehe, unterscheiden kçnnen.“240
Das Christentum ist seinem Selbstverstndnis nach und somit in historisch-genetischer Perspektive eine Offenbarungsreligion. Es kann in epistemologischer Hinsicht jedoch als natrliche und als gelehrte Religion untersucht werden, um herauszufinden, ob sich bestimmte christliche Glaubensberzeugungen in dieser Perspektive nur mit Verweis auf eine gçttliche Offenbarung oder ob sie sich auch rational rechtfertigen lassen. Mit dem Zitat formuliert Kant auch das Programm der Religionsschrift insgesamt. Das aus der Vorrede zur zweiten Auflage bekannte Bild der beiden konzentrischen Kreise versucht dieses Vorgehen Kants anschaulich darzustellen.241 Dort heißt es, dass man Offenbarung als eine weitere Sphre des Glaubens einer historischen Religion verstehen kann, die eine engere Sphre des Glaubens, die der Vernunft, in sich schließt. Ausgehend davon kçnne man nun etwas, das fr eine Offenbarung gehalten wird, „an moralische Begriffe bloß fragmentarisch halten und sehen, ob dieses nicht zu demselben reinen Ve r n u n f t s y s t e m der Religion“ zurckfhrt.242 Man nimmt also bestimmte berzeugungen aus dem ußeren Kreis, die zunchst mit dem Hinweis auf Offenbarung geglaubt werden, setzt diese berzeugungen der praktischen Vernunft aus, und sieht dann, ob die auf diese Weise interpretierten berzeugungen immer noch in den ußeren Kreis gehçren oder in den inneren Kreis integriert werden kçnnen, ob sie sich also in epistemologischer Hinsicht der natrlichen oder der gelehrten Religion zurechnen lassen.
239 Vgl. dazu das dem Zitat folgende Textstck RGV, 6: 155,30 – 156,16. 240 RGV, 6: 156,22 – 25. Das Zitat stammt aus der berleitung zu Kants Untersuchung der christlichen Religion als natrlicher und als gelehrter Religion. 241 Vgl. RGV, 6: 12,6 – 13,11. Vgl. dazu auch Winter 2005, der dort die Herkunft der Veranschaulichung des Verhltnisses von Religions- und Offenbarungsglauben mit den konzentrischen Kreisen genauer untersucht. 242 RGV, 6: 12,19 – 21.
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Kants Durchgang durch verschiedene christliche Glaubenslehren in den vier Stcken der Religionsschrift hat somit ein entsprechend ausdifferenziertes Bild der Rationalitt christlicher Glaubensberzeugungen zum Ergebnis. Die Unterscheidungen innerhalb des Religionsbegriffs und die damit ermçglichte differenzierte Herangehensweise an historische Religionen ermçglichen Kant eine Kritik der Offenbarungsreligion des Christentums, welche die spezifisch interne Rechtfertigung von Glaubensberzeugungen des Christentums zur Kenntnis nimmt, aber trotzdem als Kritik den Maßstab seiner praktischen Philosophie – und damit auch seiner philosophischen Theologie – an die Offenbarungsreligion anlegt. Dies fhrt im Endeffekt zu einem differenzierten Bild einer Offenbarungsreligion, wonach einige berzeugungen sich praktisch-rational rechtfertigen lassen, whrend andere berzeugungen keinerlei rationale Rechtfertigung, sondern hçchstens eine Rechtfertigung mit Hinweis auf eine Offenbarung oder auf die Autoritt einer heiligen Schrift, zulassen. Warum sind diese Differenzierungen des Religionsbegriffs und die damit verbundenen berlegungen von Bedeutung fr die in Kapitel 2.3 aufgeworfenen Fragen nach der hermeneutischen Funktion des Symbols in der Religionsschrift und dem Verhltnis dieser hermeneutischen Funktion des Symbols zur Rede von einer praktischen Erkenntnis Gottes? Ich mçchte hier auf eine wichtige Vernderung in den Texten aus der Religionsschrift, die zur Interpretation anstehen, gegenber den Texten v. a. aus der KU hinweisen. Whrend in der KpV und in der KU im Rahmen von Kants philosophischer Theologie nur der Begriff der natrlichen oder Vernunftreligion vorkommt, differenziert sich in der Religionsschrift die Perspektive auf solche Begriffe wie „Gott“, „Religion“ etc. aus. Kant nimmt Religion hier auch als ein historisches Phnomen wahr und untersucht dabei v.a die historische Religion des Christentums. Diese Vernderung der Perspektive auf Religion ist fr die Interpretation der Texte aus der Religionsschrift in Erinnerung zu behalten. Wo innerhalb der genannten Differenzierungen im Religionsbegriff ist Kants Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 prima facie einzuordnen? Die Antwort drfte klar sein: Sofern die symbolische Erkenntnis von Gott eine praktische Erkenntnis ist, gehçrt diese Erkenntnis, in den inneren Kreis bzw. zur natrlichen oder Vernunftreligion im epistemologischen Sinn. Wo die symbolischen Vorstellungen aus der Religionsschrift anzusiedeln sind, wird nun genauer zu untersuchen sein.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
2.4.2 Symbole, symbolische Vorstellungen und Darstellungen in Kants Interpretation des Christentums im Rahmen der Religionsschrift Ausdrcke wie „Symbol“, „symbolische Vorstellung“, „symbolische Darstellung“ oder „symbolische Bedeutung“ kommen in der Religionsschrift insgesamt 13-mal vor.243 Ich mçchte in diesem Unterkapitel die Verwendung dieser Ausdrcke in der Religionsschrift mit den Interpretationsergebnissen zu KU, § 59 und zu den in Kapitel 2.3 interpretierten Textstellen vergleichen.244 Von den besagten Textstellen aus der Religionsschrift sind sechs mit Kants Interpretation christlicher Glaubenslehren oder der Bibel verbunden: In 6: 80,39 geht es um die Lehre von der Jungfrauengeburt, in 6: 134,16; 136,7; 136,11 um die Eschatologie bzw. genauer um die Lehre vom kommenden Reich Gottes, in 6: 142,13 um die Trinitt; und in 6: 110,29 deutet Kant die Rede vom „Feind“ in Psalm 59 als Symbol.245 Weitere vier Textstellen stehen im Kontext allgemeiner berlegungen zur Rolle des Symbols in einer Offenbarungsreligion (6: 102,14; 111,28; 171,30 – 31 und 176,7). Eine Textstelle schließlich spricht von der Deu243 Vgl. RGV, 6: 80,39; 102,14; 110,29; 111,5 – 6; 111,28; 134,16; 136,7; 136,11; 142,13; 145,11; 171,30 – 31; 176,7; 189,20. Von diesen Belegen lassen sich zwei ausklammern (RGV, 6: 145,11 und RGV, 6: 189,20), bei denen „Symbol“ im Sinne von „Glaubenssymbol“ oder „Bekenntniszeichen“ verwendet wird, so dass immerhin noch elf Textstellen brig bleiben, die prinzipiell fr eine nhere Interpretation interessant sind. Zu dieser Bedeutung von „Symbol“ vgl. auch Einleitung B.1. 244 Dabei klammere ich zwei wichtige Schematisierungen – im Sinne des Schematismus der Analogie – von praktischen Vernunftbegriffen aus: die symbolische Vorstellung der moralischen Vollkommenheit in der Person Jesu Christi sowie die symbolische Vorstellung des hçchsten gemeinschaftlichen Guts im Reich Gottes auf Erden bzw. eines ethischen Gemeinwesens in der Kirche. Kant benennt beide Vorstellungen zumindest am Rande als solche Schematisierungen. Kants Ausfhrungen zur Christologie und zur Ekklesiologie fllen jeweils den grçßten Teil des Zweiten und Dritten Stcks. Eine sorgfltige Interpretation der entsprechenden Textstellen wrde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vgl. zu beiden Stcken der Religionsschrift Baumgartner 1992; Baumgartner 1996; Ricken 2003, 219 – 227; Silber 1965; Wood 1970, 187 – 201 sowie die entsprechenden Beitrge in Hçffe 2010. 245 Vor dem Hintergrund der Interpretation der Textstelle zum Schematismus der Analogie aus der Religionsschrift kçnnte man auch noch viele weitere Kantische Auslegungen christlicher Glaubenslehren mit dem Symbolbegriff zumindest indirekt in Zusammenhang bringen. Ich halte mich hier jedoch bewusst an die Stellen, in denen Kant den Ausdruck tatschlich gebraucht.
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tung des Polytheismus als symbolischer Vorstellung des einen gçttlichen Wesens (6: 111,5 – 6). Ich mçchte mit der Interpretation der vier Textstellen beginnen, die allgemeinere Aussagen Kants zum Symbolbegriff in der Religionsschrift enthalten und im Anschluss daran mehr oder weniger ausfhrlich einige der verbleibenden Textstellen untersuchen, in denen Kant Inhalte christlicher Glaubenslehren als symbolische Vorstellungen deutet. Dabei werde ich nur auf die Aspekte in den Textstellen zu sprechen kommen, die fr das Verstndnis des Symbolbegriffs in der Religionsschrift relevant sind. Die Interpretation wird also relativ kursorisch sein. Die erste Textstelle stammt aus dem Dritten Stck und genauer aus dem Paragraphen, in dem Kant die ,Kennzeichen der wahren Kirche‘ bzw. die Kennzeichen des ethischen Gemeinwesens unter der gçttlichen Gesetzgebung erlutert.246 „Die Erfordernisse, mithin auch die Kennzeichen der wahren Kirche sind folgende: […] 4. Die M o d a l i t t derselben, die U n v e r n d e r l i c h k e i t ihrer Ko n s t i t u t i o n nach, doch mit dem Vorbehalt der nach Zeit und Umstnden abzundernden, bloß die A d m i n i s t r a t i o n derselben betreffenden zuflligen Anordnungen, wozu sie doch auch die sicheren Grundstze schon in sich selbst (in der Idee ihres Zwecks) a priori enthalten muß. (Also unter ursprnglichen, einmal, gleich als durch ein Gesetzbuch, çffentlich zur Vorschrift gemachten Gesetzen, nicht willkrlichen Symbolen, die, weil ihnen die Authentizitt mangelt, zufllig, dem Widerspruche ausgesetzt und vernderlich sind.)“247
Kant systematisiert die ,Kennzeichen‘ nach der Kategorientafel aus der KrV (Quantitt, Qualitt, Relation, Modalitt). Unter dem Punkt „Modalitt“ fhrt Kant die ,Unvernderlichkeit‘ der Verfassung der Kirche an, die in ,ursprnglichen, einmal, gleich als durch ein Gesetzbuch, çffentlich zur Vorschrift gemachten Gesetzen‘ besteht. Dieser Unvernderlichkeit der Verfassung der Kirche stellt Kant die nach Zeit und Umstnden sich wandelnden ,zuflligen Anordnungen‘ hinsichtlich der ,Administration‘ der Kirche gegenber. Die zuflligen Anordnungen, welche die Admi246 Es ist hier nicht mçglich, auf Kants Interpretation der christlichen Glaubenslehre von der Kirche als ethisches Gemeinwesen unter einer gçttlichen Gesetzgebung nher einzugehen. Zu diesem wichtigen Teil der Religionsschrift vgl. z. B. Wood 1970, 182 – 200; Baumgartner 1992; Baumgartner 1996 und die entsprechenden Beitrge in Hçffe 2010. 247 RGV, 6: 101,25 – 26; 102,7 – 15.
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nistration der Kirche betreffen, bringt Kant indirekt in Zusammenhang mit ,willkrlichen Symbolen, die, weil ihnen die Authentizitt mangelt, zufllig, dem Widerspruche ausgesetzt und vernderlich sind.‘ Symbole sind somit willkrlich, zufllig, ihnen kann widersprochen werden und sie kçnnen verndert werden. Der Grund dafr ist die mangelnde ,Authentizitt‘. Darunter versteht Kant einige Seiten spter die Auslegung der heiligen Schrift durch die Vernunftreligion, die im Gegensatz zur doktrinalen Auslegung der heiligen Schrift durch die Schriftgelehrsamkeit steht.248 „Authentizitt“ bedeutet also so viel wie „in Kontinuitt zur Vernunftreligion stehend“. Die Symbole scheinen somit in dem Sinne auf die Seite der gelehrten Religion zu gehçren, dass sie sich nicht rational, sondern nur mit Hinweis auf gçttliche Offenbarung oder Gelehrsamkeit rechtfertigen lassen. Die zweite Textstelle stammt aus dem sechsten Paragraphen des Dritten Stcks, in dem Kant erlutert, was es bedeutet, dass der reine Religionsglaube den Kirchenglauben auslegen soll. „Um aber nun mit einem solchen empirischen Glauben, den uns dem Ansehen nach ein Ungefhr in die Hnde gespielt hat, die Grundlage eines moralischen Glaubens zu vereinigen (er sei nun Zweck oder nur Hilfsmittel), dazu wird eine Auslegung der uns zu Hnden gekommenen Offenbarung erfordert, d.i. durchgngige Deutung derselben zu einem Sinn, der mit den allgemeinen praktischen Regeln einer reinen Vernunftreligion zusammenstimmt. Denn das Theoretische des Kirchenglaubens kann uns moralisch nicht interessieren, wenn es nicht zur Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote (was das Wesentliche aller Religion ausmacht) hinwirkt. […] Auch kann man dergleichen Auslegungen nicht der Unredlichkeit beschuldigen, vorausgesetzt, daß man nicht behaupten will, der Sinn, den wir den Symbolen des Volksglaubens oder auch heiligen Bchern geben, sei von ihnen auch durchaus so beabsichtigt worden, sondern dieses dahin gestellt sein lßt und nur die M ç g l i c h k e i t , die Verfasser derselben so zu verstehen, annimmt. Denn selbst das Lesen dieser heiligen Schriften, oder die Erkundigung nach ihrem Inhalt, hat zur Endabsicht, bessere Menschen zu machen; das Historische aber, was dazu nichts beitrgt, ist etwas an sich ganz Gleichgltiges, mit dem man es halten kann, wie man will.“249
Kant hat die beiden Begriffe „Religionsglaube“ und „Kirchenglaube“ im vorhergehenden Paragraphen des Dritten Stcks eingefhrt. Unter einem „r e i n e n R e l i g i o n s g l a u b e n “ versteht Kant einen Glauben, auf dessen Grundlage eine allgemeine Kirche gegrndet werden kann, „weil er ein 248 Vgl. RGV, 6: 114,18 – 24. 249 RGV, 6: 110,1 – 10; 111,26 – 35.
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bloßer Vernunftglaube ist, der sich jedermann zur berzeugung mitteilen lßt“.250 Der Religionsglaube ist somit identisch mit den berzeugungen, die sich im inneren der beiden konzentrischen Kreise befinden bzw. die sich der natrlichen Religion im epistemologischen Sinn zuordnen lassen. „Kirchenglaube“ hingegen ist ein anderer Ausdruck fr „h i s t o r i s c h e r ( O f f e n b a r u n g s -) G l a u b e n “, der „a m b e s t e n a u f e i n e h e i l i g e S c h r i f t g e g r n d e t “ wird.251 „Kirchenglaube“ nimmt somit Bezug auf die Menge der religiçsen berzeugungen, die infolge der philosophischen Kritik im ußeren der beiden konzentrischen Kreise zu verorten sind, die sich also nicht rational, sondern nur mit Bezug auf eine vermeintliche gçttliche Offenbarung oder die Autoritt einer heiligen Schrift oder die von Schriftgelehrten rechtfertigen lassen. In der zitierten Textstelle ist zu Beginn interessant, dass Kant vom „empirischen Glauben“ statt vom historischen oder Kirchenglauben spricht. Wohl deswegen heißt es dann weiter, dass das ,Theoretische des Kirchenglaubens‘ uns moralisch nur dann interessieren kann, wenn der Kirchenglaube auf die Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote, was das Wesentliche aller Religion ausmache, hinwirkt. Damit ist zweierlei ausgesagt: Erstens hat der Offenbarungs- oder Kirchenglaube empirischen oder theoretischen Charakter, was bedeutet, dass er nicht zum Wesentlichen einer Religion im Sinne Kants gehçrt.252 Zweitens hat der Kirchenglaube nur dann einen Bezug zu Religion im Sinne einer Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote, wenn er ,moralisch interessiert‘ und ,zur Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote […] hinwirkt‘. Der Satz, in dem diese Aussage enthalten ist, begrndet („Denn“), warum eine ,durchgngige Deutung‘ der ,uns zu Hnden gekommenen Offenbarung […] zu einem Sinn, der mit den allgemeinen praktischen Regeln einer reinen Vernunftreligion zusammenstimmt‘, erforderlich ist. Mit dieser ,Deutung‘ meint Kant, dass berzeugungen, die blicherweise intern mit dem Hinweis auf Offenbarung gerechtfertigt werden, moralisch interpretiert werden, um zu untersuchen, ob diese berzeugungen einen Sinn haben, der mit den praktischen Regeln der 250 RGV, 6: 102,34 – 103,1. 251 RGV, 6: 102,31 – 33. 252 Kant bemht sich nicht zuletzt durch seine epistemologische Unterscheidung zwischen der natrlichen und der gelehrten Religion darum, einen rational rechtfertigbaren religiçsen Glauben klar auf der Seite der praktischen Vernunft anzusiedeln, wohingegen die theoretische Vernunft den Offenbarungsglauben nicht rechtfertigen kann.
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Vernunftreligion ,zusammenstimmt‘.253 Ergebnis dieser Auslegung ist, dass solche berzeugungen wie z. B. die, dass der Erlçser der Menschheit ohne Erbsnde von einer Jungfrau geboren wurde, in einer Hinsicht zur natrlichen Religion im epistemologischen Sinne und in anderer Hinsicht zur gelehrten Religion im epistemologischen Sinne gehçren. Die entsprechende berzeugung gehçrt in der Hinsicht zur natrlichen Religion im epistemologischen Sinne und damit zum reinen praktischen Religionsglauben, als sie durch die Auslegung die Bedeutung einer „Idee […] der sich selbst ber die Versuchung zum Bçsen erhebenden […] Menschheit“ bekommt.254 Die berzeugung gehçrt in anderer Hinsicht zur gelehrten Religion im epistemologischen Sinne und somit zum Kirchenglauben, als sie eine problematische Theorie ber eine bernatrliche Zeugung und Vererbung des moralischen Fehlers des Menschen impliziert.255 Es leuchtet unmittelbar ein, dass der zuerst genannte Aspekt der Beispiel-berzeugung, der aufgrund der Auslegung zum Religionsglauben gerechnet werden kann, mit dem ,Sinn‘ der praktischen Regeln der Vernunftreligion ,zusammenstimmt‘. Inwiefern ,stimmt‘ jedoch der andere Aspekt, der aufgrund der Auslegung zum Kirchenglauben gerechnet werden muss, durch diese Auslegung mit den praktischen Regeln der Vernunftreligion ,zusammen‘? Genau das wird im anschließenden Satz begrndet („Denn“): Das ,Theoretische des Kirchenglaubens‘ kann niemals zur natrlichen Religion gehçren, aber es kann uns zumindest ,moralisch interessieren‘, nmlich dann, wenn es ,zur Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote […] hinwirkt‘. Der Kirchenglaube hat also eine instrumentelle Funktion, indem er in noch genauer zu bestimmender Weise den Religionsglauben des Menschen strkt. Diese Aussage Kants ber den Kirchenglauben mçchte ich mit einem Ausdruck zusammenfassen, den Kant in der Religionsschrift und im Streit der Fakultten verwendet, um die Funktion des Kirchenglaubens gegenber dem Religionsglauben zu bezeichnen: Der Kirchenglaube hat die Funktion eines ,Vehikels‘.256 Diese Funktion hat er, sofern er auf die Erfllung aller
253 Eine andere Beschreibung fr diese Art der Auslegung der Offenbarung findet sich, wie bereits im Kapitel 2.4.1 angesprochen, im Bild von den zwei konzentrischen Kreisen in der Vorrede zur zweiten Auflage der Religionsschrift wieder. 254 RGV, 6: 80,38 – 40. 255 Ich gehe auf die entsprechende Textstelle in diesem Unterkapitel noch genauer ein. 256 Vgl. RGV, 6: 118,22 – 27; 123,7 – 13. Vgl. auch SF, 7: 42,23 – 34. An anderer Stelle im Streit der Fakultten spricht Kant auch vom Kirchenglauben als „Organon“ und dem Religionsglauben als „Kanon“. Vgl. dazu SF, 7: 36,32 – 37,5. Zum
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Menschenpflichten als gçttlicher Gebote und damit auf die gewissermaßen gelebte Vernunftreligion hinwirken soll.257 Er ist somit ein Mittel zum Zweck der Fçrderung des Religionsglaubens. Kant gesteht selbst zu, dass diese Auslegung oft gezwungen oder unredlich erscheint. In der Fortsetzung des Zitats weist er den Vorwurf der Unredlichkeit aber zurck. Die Interpretation wre dann unredlich, wenn man den biblischen Autoren die praktisch-rationale Bedeutung der Texte als ihre eigentliche Autorenintention unterstellen wrde. Darum geht es Kant aber nicht. Es reicht fr Kants Zwecke vçllig aus, dass es mçglich ist, die Autoren im Sinne der moralischen Auslegung der Texte zu verstehen. In diesem Kontext des Unredlichkeitsvorwurfs verwendet Kant nun wieder den Ausdruck „Symbol“. Mit Blick auf die praktisch-rationale Interpretation heiliger Schriften ist die Rede vom ,Sinn, den wir den Symbolen des Volksglaubens oder auch heiligen Bchern geben‘. Es ist zunchst unklar, was genau die ,Symbole des Volksglaubens‘ sein sollen.258 Deutlich wird jedoch, dass die Symbole des Volks- bzw. des Kirchenglaubens nicht von sich aus denjenigen ,Sinn, der mit den allgemeinen praktischen Regeln einer reinen Vernunftreligion zusammenstimmt‘ enthalten, der Kants Meinung nach allein das Wesen von Religion ausmacht. Man kçnnte diese Symbole auch anders als auf praktisch-rationale Weise interpretieren. Allerdings sind sie nur in ihrem praktisch-rationalen Sinn von Interesse. Die nchste Textstelle stammt aus § 2 des Zweiten Teils des Vierten Stcks, in dem Kant das dem „R e l i g i o n s w a h n e e n t g e g e n g e s e t z t e m o r a l i s c h e P r i n z i p d e r R e l i g i o n “ erlutert.259 „Die Vernunft lßt uns e r s t l i c h in Ansehung des Mangels eigener Gerechtigkeit (die vor Gott gilt), nicht ganz ohne Trost. Sie sagt: daß, wer in einer wahrhaften der Pflicht ergebenen Gesinnung so viel, als in seinem Vermçgen steht, tut, um (wenigstens in einer bestndigen Annherung zur vollstndigen Angemessenheit mit dem Gesetze) seiner Verbindlichkeit ein Genge zu leisten, hoffen drfe, was nicht in seinem Vermçgen steht, das werde von der hçchsten Weisheit a u f i r g e n d e i n e We i s e (welche die Gesinnung dieser Verhltnis von Religion und Offenbarung im Streit der Fakultten vgl. Ricken 1992. 257 Ich komme in der Interpretation einer weiteren Stelle aus diesem Abschnitt des Dritten Stcks auf diese Funktion des Kirchenglaubens als Vehikel zurck. Siehe dazu Kapitel 2.4.3. 258 Im Vorausblick auf weitere Textstellen, die wir in diesem Unterkapitel interpretieren, kann man z. B. die Lehre von der Jungfrauengeburt als ein solches Symbol des Volksglaubens deuten. 259 RGV, 6: 170,13 – 14.
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bestndigen Annherung unwandelbar machen kann) ergnzt werden, ohne daß sie sich doch anmaßt, die Art zu bestimmen, und zu wissen, worin sie bestehe, welche vielleicht so geheimnisvoll sein kann, daß Gott sie uns hçchstens in einer symbolischen Vorstellung, worin das Praktische allein fr uns verstndlich ist, offenbaren kçnnte, indessen, daß wir theoretisch, was dieses Verhltnis Gottes zum Menschen an sich sei, gar nicht fassen und Begriffe damit verbinden kçnnten, wenn er uns ein solches Geheimnis auch entdecken wollte.“260
In einem einzigen sehr langen Satz fhrt Kant aus, warum uns die Vernunft hinsichtlich unseres Mangels an eigener Gerechtigkeit nicht ganz ohne Trost lsst.261 Dabei spielt zumindest indirekt der Rekurs auf eine ,symbolische Vorstellung‘ eine Rolle. Es geht um die Art und Weise, wie die hçchste Weisheit ,auf irgend eine Weise‘ die menschlichen Bemhungen um ein Handeln aus einer reinen Gesinnung ergnzt. Diese Art und Weise der Ergnzung kann sich die Vernunft nicht zu bestimmen anmaßen. Die Art und Weise der Ergnzung kçnnte vielmehr so geheimnisvoll sein, dass ,Gott sie uns hçchstens in einer symbolischen Vorstellung, worin das Praktische allein fr uns verstndlich ist, offenbaren kçnnte‘. Kant bringt hier eine symbolische Vorstellung in Zusammenhang mit der Rede von einer Offenbarung. Dabei ist bemerkenswert, dass Gott uns diese Art und Weise der Ergnzung ,hçchstens‘ in einer symbolischen Vorstellung ,offenbaren kçnnte‘. Es handelt sich bei einer solchen Offenbarung also nur um eine Art von ußerster Mçglichkeit, wie uns diese Art und Weise bekannt werden kçnnte. Das, was uns Gott in einer symbolischen Vorstellung ber seine Ergnzung unserer moralischen Vollkommenheit offenbaren kçnnte, ist dabei nur in praktischer Beziehung fr uns ,verstndlich‘. In theoretischer Perspektive jedoch kçnnen wir diese Ergnzung ,gar nicht fassen und Begriffe damit verbinden‘, selbst wenn uns Gott ein solches ,Geheimnis‘ zeigen wollte. Daraus erhellt, dass Kant „offenbaren“ hier im historisch-genetischen Sinne verwendet; denn die Offenbarung der Art und Weise der gçttlichen Ergnzung lsst sich auf der epistemologischen Ebene in praktischer Hinsicht verstndlich und so all260 RGV, 6: 171,20 – 34. 261 Die Rede vom ,Mangel eigener Gerechtigkeit‘ hngt mit Kants berlegungen im Ersten und Zweiten Stck der Religionsschrift zusammen. Das Hauptproblem dort ist die Mçglichkeit, angesichts des Hangs zum Bçsen in der menschlichen Natur trotzdem den Forderungen des moralischen Gesetzes nach moralischer Vollkommenheit gerecht werden zu kçnnen. Ich kann diesen Zusammenhang hier nicht ausfhrlicher darstellen. Eine gute Darstellung der Themen der ersten beiden Stcke der Religionsschrift findet sich bei Grtzel et al. 1999, 48 – 52; Ricken 2003, 115 – 123 und in Hçffe 2010.
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gemein mitteilbar machen, whrend der theoretische Aspekt, wie das Verhltnis zwischen Gott und Mensch an sich ist, unbegreiflich bleibt und epistemologisch in den Bereich der gelehrten Religion gehçren wrde. Fr die Rolle der symbolischen Vorstellung hinsichtlich der gçttlichen Ergnzung unserer moralischen Vollkommenheit bedeutet dies, dass sie genau in dieser Spannung zwischen ihrer Verstndlichkeit in praktischer Hinsicht und ihrer Unbegreiflichkeit in theoretischer Hinsicht steht: Ist die Vorstellung, dass Gott unser Bemhen um moralische Vollkommenheit ergnzt, als symbolische Vorstellung identifiziert, so ist diese Vorstellung nur in praktischer Hinsicht verstndlich, whrend die theoretische Seite dieser Vorstellung, also wie man sich Gottes Eingreifen genau vorzustellen hat, ein Geheimnis ist und rational unzugnglich bleibt. Auch wenn an dieser symbolischen Vorstellung nur das Praktische fr uns verstndlich ist, gehçrt die theoretische Dimension der symbolischen Vorstellung dennoch dazu. Was Kant hier konkret unter einer „symbolischer Vorstellung“ versteht, erçrtert er nicht. Man kann jedoch festhalten, dass Kant in diesem Text symbolische Vorstellungen allgemein als Trger von praktischen Offenbarungen auffasst, wobei nur ihre praktisch-rationale Bedeutung verstndlich ist, whrend die theoretisch-rationale Bedeutung dieser Vorstellungen als ein Geheimnis unverstndlich bleibt. Der vierte Text ist aus dem § 3 entnommen, welcher der Erluterung des moralischen Prinzips der Religion aus dem § 2 nun die Analyse des „P f a f f e n t u m s “ als „R e g i m e n t i m A f t e r d i e n s t d e s g u t e n P r i n z i p s “ folgen lsst.262 „Die Verehrung mchtiger unsichtbarer Wesen, welche dem hilflosen Menschen durch die natrliche auf dem Bewußtsein seines Unvermçgens gegrndete Furcht abgençtigt wurde, fing nicht sogleich mit einer Religion, sondern von einem knechtischen Gottes- (oder Gçtzen-) Dienste an, welcher, wenn er eine gewisse çffentlichgesetzliche Form bekommen hatte, ein Te m p e l d i e n s t , und nur, nachdem mit diesen Gesetzen allmhlich die moralische Bildung der Menschen verbunden worden, ein K i r c h e n d i e n s t wurde: denen beiden ein Geschichtsglaube zum Grunde liegt, bis man endlich diesen bloß fr provisorisch, und in ihm die symbolische Darstellung und das Mittel der Befçrderung eines reinen Religionsglaubens, zu sehen a n g e f a n g e n hat.“263
Kant lsst § 3 mit dem zitierten Texstck beginnen. Er unterteilt die Religionsgeschichte hier in drei Epochen: die Epoche eines ,knechtischen 262 RGV, 6: 175,23 – 24. 263 RGV, 6: 175,25 – 176,9.
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Gottesdienstes‘ bzw. ,Tempeldienstes‘, der die Epoche des ,Kirchendienstes‘ folgt, bis eine Epoche anbricht, wo man den historischen Glauben, der dem Kirchendienst zugrunde liegt ,bloß fr provisorisch, und in ihm die symbolische Darstellung und das Mittel der Befçrderung eines reinen Religionsglaubens, zu sehen angefangen hat.‘ Von Interesse ist hier die letzte Epoche, die Kant offensichtlich fr seine zeitgençssische Epoche hlt.264 Als ein solches Zeugnis eines anfnglichen ,Sehens‘ bzw. einer entsprechenden Interpretation des ,Kirchendienstes‘ und des ,Geschichtsglaubens‘ lsst sich Kants Religionsschrift selbst einordnen. Im Geschichts- oder Kirchenglauben wird nun ,die symbolische Darstellung und das Mittel der Befçrderung eines reinen Religionsglaubens‘ gesehen. Das ist zunchst so zu verstehen, dass der Kirchenglaube den grundlegenden Status einer symbolischen Darstellung eines reinen Religionsglaubens hat. Das heißt, dass diejenigen berzeugungen, die sich nur mit Hinweis auf eine bernatrliche Offenbarung, auf heilige Schriften oder Gelehrsamkeit extern rechtfertigen lassen bzw. zur gelehrten Religion gehçren, symbolische Darstellungen von berzeugungen des reinen Religionsglaubens sind – so hnlich, wie in KU, § 59 unterlegte Anschauungen Begriffe indirekt darstellen. In einem Atemzug nennt Kant hier „Geschichtsglauben“, „symbolische Darstellung“ und „Mittel der Befçrderung eines reinen Religionsglaubens“. Er erwhnt somit ausdrcklich die Vehikel-Funktion des Kirchenglaubens gegenber dem Religionsglauben, die bereits in der Textstelle aus dem Dritten Stck angeklungen ist. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der symbolischen Darstellung des Religionsglaubens im Kirchenglauben und dessen Funktion als Mittel zur Befçrderung des Religionsglaubens? Diese Frage werde ich im nchsten Unterkapitel abschließend zu beantworten versuchen. Auch auf einen weiteren Punkt werde ich erst dort nher eingehen: Kants Bemerkung, dass der Kirchenglaube in der neuen Epoche als provisorisch gesehen wird. Wenn der Kirchenglaube als provisorisch – vermutlich gegenber dem Religionsglauben – zu gelten hat, wrde das implizieren, dass auch die symbolische Darstellung des Religionsglaubens durch den Kirchenglauben provisorisch ist? Gibt es also einen Religionsglauben, der ohne symbolische Darstellung durch einen Kirchenglauben auskommt? 264 Das erhellt daraus, dass er nicht schreibt, es sei wnschenswert, dass alle den Geschichtsglauben als symbolische Darstellung des Religionsglaubens sehen, sondern dass man endlich dieses Verhltnis zwischen historischem und Religionsglauben ,zu sehen angefangen hat‘.
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Festzuhalten bleibt, dass Kant hier den Kirchenglauben als symbolische Darstellung des Religionsglaubens bezeichnet und damit erstens den Symbolbegriff erneut ausdrcklich dem Kirchenglauben zuordnet und zweitens eine Aussage darber trifft, was symbolisch dargestellt wird: der Religionsglaube. Nachdem bisher Textstellen aus der Religionsschrift in Augenschein genommen wurden, in denen Kant sich eher allgemein ber „Symbole“, „symbolische Vorstellungen“ oder „symbolische Darstellungen“ im Christentum geußert hat, komme ich nun auf die Texte zu sprechen, in denen Kant bestimmte christliche Glaubenslehren mit dem Symbolbegriff in Zusammenhang bringt: „Eine vom angeborenen Hange zum Bçsen freie Person so als mçglich sich zu denken, daß man sie von einer jungfrulichen Mutter gebren lßt, ist eine Idee der, sich zu einem schwer zu erklrenden und doch auch nicht abzuleugnenden gleichsam moralischen Instinkt, bequemenden Vernunft; da wir nmlich die natrliche Zeugung, weil sie ohne Sinnenlust beider Teile nicht geschehen kann, uns aber doch auch (fr die Wrde der Menschheit) in gar zu nahe Verwandtschaft mit der allgemeinen Tiergattung zu bringen scheint, als etwas ansehen, dessen wir uns zu s c h m e n haben – ein Vorstellung, die gewiß die eigentliche Ursache von der vermeinten Heiligkeit des Mçnchsstandes geworden ist – welches uns also etwas Unmoralisches, mit der Vollkommenheit eines Menschen nicht Vereinbares, doch in seine Natur Eingepfropftes und also sich auch auf seine Nachkommen als eine bçse Anlage Vererbendes zu sein deucht. – Dieser dunklen (von einer Seite bloß sinnlichen, von der anderen aber doch moralischen, mithin intellektuellen) Vorstellung ist nun die Idee einer von keiner Geschlechtsgemeinschaft abhngigen (jungfrulichen) Geburt eines mit keinem moralischen Fehler behafteten Kindes wohl angemessen, aber nicht ohne Schwierigkeit in der Theorie (in Ansehung deren aber etwas zu bestimmen in praktischer Absicht gar nicht nçtig ist). […] Wozu aber alle diese Theorie, dafr oder dawider, wenn es fr das Praktische genug ist, jene Idee als Symbol der sich selbst ber die Versuchung zum Bçsen erhebenden (diesem siegreich widerstehenden) Menschheit, uns zum Muster vorzustellen?“265
Kant interpretiert hier die Lehre von der jungfrulichen Geburt Jesu durch Maria im Sinne einer ,Idee‘ einer sich zu einem ,gleichsam moralischen Instinkt, bequemenden‘ Vernunft. Durch diese Idee kçnnen wir uns Kant zufolge besser vorstellen, wie es mçglich sei, dass ein Mensch vom angeborenen Hang zum Bçsen gnzlich frei ist, weil wir die ,natrliche Zeugung‘ als etwas ansehen, dessen wir uns schmen mssen und das mit der 265 RGV, 6: 80,13 – 28;37 – 40.
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Vollkommenheit eines Menschen nicht vereinbar ist. Durch die wundersame bernatrliche Geburt wird Jesus dem Makel enthoben, der sonst allen Menschen anhaftet. Kant betont allerdings, dass die Theorie, die man aufstellen muss, um die These zu vertreten, dass durch eine von der natrlichen Zeugung unabhngige Geburt Jesu auch der sonst bei Menschen angeborene Hang zum Bçsen hinfllig ist, mit grçßeren Schwierigkeiten verbunden ist.266 Was Kant an dieser Idee der Jungfrauengeburt bemerkenswert findet, ist nicht die damit verbundene Theorie, sondern die praktische Dimension der Idee. In praktischer Hinsicht sei es genug, dass wir uns die Idee der Jungfrauengeburt zum ,Muster‘ oder Beispiel nehmen: ,als Symbol der sich selbst ber die Versuchung zum Bçsen erhebenden […] Menschheit‘. Das Symbol ist hier also die Idee der Jungfrauengeburt selbst. Das klingt zunchst etwas verwunderlich, weil bisher – z. B. mit Blick auf die transzendentale Vernunftidee Gottes in der KU – immer nur von Symbolisierungen von Ideen die Rede war. Was genau also meint Kant an dieser Stelle mit ,Symbol‘? Die naheliegende Auflçsung der Irritation, dass eine Idee als Symbol bezeichnet wird, ist, dass Kant „Idee“ hier in einem anderen Sinne gebraucht als in der KU oder in den anderen Kritiken, wo er von den transzendentalen Vernunftideen Gottes, der Seele und der Freiheit spricht. Kant bezeichnet diese Idee zwar als eine ,Idee der […] Vernunft‘, rumt aber gleichzeitig ein, dass sich hier die Vernunft zu einem schwer zu erklrenden, aber nicht zu leugnenden moralischen Instinkt bequeme. Von daher hat diese Idee in ihrer schwer zu erklrenden Herkunft einen anderen Status als z. B. die regulative Idee eines hçchsten Wesens. Weiterhin dient die Idee selbst uns als eine Art anschauliches Beispiel der sich selbst ber die Versuchung zum Bçsen erhebenden und dem Bçsen siegreich widerstehenden Menschen. Dasjenige, was symbolisiert wird, ist somit ein moralischer und damit ein Vernunftbegriff. Es scheint sinnvoll zu sein, Kants Rede von einer „Idee“ der Jungfrauengeburt im Sinne einer „Vorstellung“ der Offenbarungsreligion des Christentums zu interpretieren. Wenn man diese Vorstellung moralisch interpretiert, erscheint sie als Symbol der dem Bçsen siegreich widerstehenden Menschheit bzw. eines moralischen Begriffs und damit als anschauliches Beispiel menschlicher Mçglichkeit, moralische Vollkommenheit zu erstreben. Mit „Symbol“ ist an dieser Stelle somit eine Idee im Sinne 266 Diese Schwierigkeiten, die hier nicht weiter zu interessieren brauchen, erlutert Kant in dem Textstck, das im Zitat ausgeklammert wurde (RGV, 6: 80,29 – 37).
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einer Vorstellung gemeint, die einen Begriff anschaulich macht. Im Vergleich mit den symbolischen Vorstellungen, die wir aus KU, § 59 kennen, ist dieses Symbol allerdings etwas komplexer. Wichtig ist, dass diese Veranschaulichung die Aufgabe hat, ein Beispiel fr einen moralischen Begriff zu geben. Darin liegt ,das Praktische‘ der Idee der Jungfrauengeburt. Als Bestandteil des Kirchenglaubens hat das Symbole die Funktion eines ,Vehikels‘. Das Theoretische an diesem Kirchenglauben, also die Vorstellung einer bernatrlichen Geburt, die auf theoretischer Ebene schwer zu begrnden ist, interessiert Kant nur insofern moralisch, als es als Symbol der sich ber die Versuchung zum Bçsen erhebenden Menschheit auf die Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote und damit auf das Wesentliche der Religion hinwirkt.267 In der zweiten Textstelle interpretiert Kant die christliche Glaubenslehre von einem kommenden Reich Gottes: „Das Himmelreich wird zuletzt auch, was die Leitung der Vorsehung betrifft, in dieser Geschichte nicht allein als in einer zwar zu gewissen Zeiten verweilten, aber nie ganz unterbrochenen Annherung, sondern auch in seinem Eintritte vorgestellt. Man kann es nun als eine bloß zur grçßeren Belebung der Hoffnung und Muts und Nachstrebung zu demselben abgezweckte symbolische Vorstellung auslegen, wenn dieser Geschichtserzhlung noch eine Weissagung (gleich als in sibyllinischen Bchern) von der Vollendung dieser großen Weltvernderung in dem Gemlde eines sichtbaren Reichs Gottes auf Erden (unter der Regierung seines wieder herabgekommenen Stellvertreters und Statthalters) und der Glckseligkeit, die unter ihm nach Absonderung und Ausstoßung der Rebellen, die ihren Widerstand noch einmal versuchen, hier auf Erden genossen werden soll, samt der gnzlichen Vertilgung derselben und ihres Anfhrers (in der Apokalypse) beigefgt wird, und so das E n d e d e r We l t den Beschluß der Geschichte macht. […] Diese Vorstellung einer Geschichtserzhlung der Nachwelt, die selbst keine Geschichte ist, ist ein schçnes Ideal der durch Einfhrung der wahren allgemeinen Religion bewirkten moralischen, im Glauben v o r a u s g e s e h e n e n Weltepoche, bis zu ihrer Vollendung, die wir nicht als empirische Vollendung a b s e h e n , sondern auf die wir nur im kontinuierlichen Fortschreiten und Annherung zum hçchsten auf Erden mçglichen Guten (worin nichts Mystisches ist, sondern alles auf moralische Weise natrlich zugeht) h i n a u s s e h e n , d.i. dazu Anstalt machen kçnnen. Die Erscheinung des Antichrists, der Chiliasm, die Ankndigung der Nahheit des Weltendes kçnnen vor der Vernunft ihre gute symbolische Bedeutung annehmen, und die letztere, als ein (so wie das Lebensende, ob nahe oder fern) nicht vorher zu sehendes Ereignis vorgestellt, drckt sehr gut die Notwendigkeit aus, jederzeit darauf in Bereitschaft zu stehen, in der Tat aber (wenn man diesem Symbol 267 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 110,1 – 10.
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den intellektuellen Sinn unterlegt) uns jederzeit wirklich als berufene Brger eines gçttlichen (ethischen) Staats anzusehen. „Wenn kommt nun also das Reich Gottes?“ – „Das Reich Gottes kommt nicht in sichtbarer Gestalt. Man wird auch nicht sagen: siehe hier, oder da ist es. D e n n s e h e t , d a s R e i c h G o t t e s i s t i n w e n d i g i n e u c h ! “ (Luc. 17, 21 bis 22).“268
Insgesamt ist dreimal in dieser Passage von „Symbol“ oder entsprechenden Derivaten die Rede. Kant unterscheidet zunchst zwischen einer ,Geschichtserzhlung‘ vom Himmelreich im Christentum – wonach in der Geschichte sowohl eine ,nie ganz unterbrochene Annherung‘ an das Himmelreich als auch der Eintritt des Himmelreichs in der Geschichte vorgestellt wird – einerseits und der Beifgung einer symbolischen Vorstellung zu dieser Geschichtserzhlung andererseits. Diese beigefgte symbolische Vorstellung besteht nach Kant in einer ,Weissagung […] von der Vollendung dieser großen Weltvernderung in dem Gemlde eines sichtbaren Reichs Gottes auf Erden‘. Die christliche Lehre von einem Reich Gottes hat also hnlich wie die Lehre von der Jungfrauengeburt fr Kant eine moralische Seite, die hier mit der historischen Mçglichkeit eines Reichs Gottes auf Erden zu tun hat. Zu dieser historischen Mçglichkeit kommt dann aber ,zur grçßeren Belebung der Hoffnung und des Muts und Nachstrebung‘ hinsichtlich des Reichs Gottes die symbolische Vorstellung eines Weltendes und der damit verbundenen Glckseligkeit hinzu. Diese symbolische Vorstellung tritt zwar im Kleid einer ,Geschichtserzhlung der Nachwelt‘ auf, beschreibt aber keine Realgeschichte, weil sie ein Ende der Welt auf bestimmte Weise weissagen will. Die symbolische Vorstellung der ,Weissagung […] eines sichtbaren Reichs Gottes auf Erden‘ kann hier also wie in KU, § 59 als eine Anschauung verstanden werden, die einem Begriff, in diesem Fall dem Begriff der geschichtlichen Mçglichkeit eines Reichs Gottes auf Erden unterlegt wird. hnlich wie mit Blick auf die Jungfrauengeburt spricht Kant im zweiten Teil des Zitats von dieser symbolischen ,Vorstellung einer Geschichtserzhlung der Nachwelt‘ als einem ,schçnen Ideal‘ einer im ,Glauben vorausgesehenden Weltepoche‘, deren empirische Vollendung wir nicht ,absehen‘ kçnnen, sondern auf die wir nur ,hinaussehen‘ kçnnen. Die mit diesem Ideal verbundenen Vorstellungen wie die ,Erscheinung des Antichrists‘ und andere kçnnen vor der Vernunft ,ihre gute symbolische Bedeutung‘ annehmen. Diese Aussage mçchte ich ex negativo so verstehen, dass die Vorstellungen keinesfalls als Erzhlungen historischer Gegebenheiten und somit Vorhersagung empirischer Ereignisse interpretiert werden 268 RGV, 6: 134,11 – 25; 135,24 – 136,16.
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drfen, wenn sie vor der Vernunft eine Bedeutung annehmen sollen. Anders herum gilt jedoch, dass auch wenn diese Vorstellungen keine Bedeutung fr die theoretische Vernunft und die Bestimmung von empirischen Gegebenheiten haben, sie doch eine Bedeutung ,vor der Vernunft‘ annehmen kçnnen: nmlich eine ,symbolische Bedeutung‘. Wenn solche Vorstellungen wie die ,Erscheinung des Antichrists‘ vor der Vernunft ,ihre gute symbolische Bedeutung‘ annehmen kçnnen, ist damit also gemeint, dass die entsprechende Vorstellung ganz im Sinne von KU, § 59 als symbolische und nicht als schematische Vorstellung oder als Beispiel fr einen empirischen Begriff interpretiert werden kann. Die Aussage zeigt auch, dass die moralische Interpretation christlicher Glaubenslehren nicht einfach zu einer Trennung zwischen rationalen moralischen und irrationalen symbolischen Gehalten von berzeugungen fhrt. Vielmehr impliziert die durch die praktische Vernunft herbeigefhrte Unterscheidung zwischen Religions- und Kirchenglauben, dass bestimme symbolische Vorstellungen des Kirchenglaubens in ihrer Relation zum Religionsglauben eine mit der praktischen Vernunft erfassbare Bedeutung haben – die allerdings nicht darin besteht, dass wir mit diesen Vorstellungen geschichtliche Ereignisse beschreiben, sondern darin, dass diese Vorstellungen unsere Hoffnung und unseren Mut hinsichtlich des Religionsglaubens strken. Kant geht noch etwas genauer ins Detail und sagt von der Ankndigung der Nhe des Weltendes, dass sie, als ein nicht vorherzusehendes Ereignis vorgestellt, sehr gut die Notwendigkeit ausdrcke, ,jederzeit darauf in Bereitschaft zu stehen, in der Tat aber (wenn man diesem Symbol den intellektuellen Sinn unterlegt) uns jederzeit wirklich als berufene Brger eines gçttlichen (ethischen) Staats anzusehen.‘ Kant deutet die Glaubensberzeugung der Nhe des Weltendes also als eine symbolische Vorstellung, die eine Notwendigkeit ausdrckt bzw. der ein intellektueller Sinn unterlegt ist. Die ausgedrckte Notwendigkeit bzw. der intellektuelle Sinn ist in diesem Fall eine moralisch-praktische Notwendigkeit. Sie besteht darin, dass wir uns jederzeit als berufene Brger eines gçttlichen Staats ansehen sollen, was heißt, dass wir uns zu jedem Zeitpunkt als moralische Vernunftwesen verstehen sollen, die unter dem Anspruch einer gçttlichen Gesetzgebung stehen. Auf diese Weise gewinnt die Vorstellung eines nahenden Weltendes, wie sie sich in den biblischen Schriften zeigt, vor der Vernunft ,ihre gute symbolische Bedeutung‘ und stellt als symbolische Vorstellung den Begriff der besagten Notwendigkeit indirekt dar. Wenn Kant davon spricht, dass eine bestimmte biblische Vorstellung eine symbolische Bedeutung annimmt, ist damit gemeint, dass der ent-
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sprechenden Vorstellung durch die moralisch-praktische Interpretation ein ,intellektueller Sinn‘ unterlegt wird, der nicht von selbst in dieser Vorstellung enthalten ist. Die Vorstellung nimmt den unterlegten Sinn lediglich aufgrund der Interpretation an und drckt dann in dieser Perspektive diesen Sinn aus.269 Es gibt somit einen engen Zusammenhang von moralisch-praktischer Interpretation des Kirchenglaubens und der Rede von Symbolen, symbolischen Vorstellungen oder Bedeutungen im Kirchenglauben. Bevor ich zur nchsten Textstelle aus der Allgemeinen Anmerkung des Dritten Stcks komme, in der Kant die christliche Trinittslehre als symbolische Vorstellung einer praktischen Idee interpretiert, mçchte ich zunchst etwas zur Unterscheidung von „Offenbarung“ und „Geheimnis“ in dieser Allgemeinen Anmerkung sagen. Kant behauptet dort, dass man die çffentliche „Bekanntmachung“ der christlichen Glaubenslehre hinsichtlich der Trinitt als „Offenbarung“ desjenigen bezeichnen kçnnte, „was fr Menschen durch ihre eigene Schuld bis dahin Geheimnis war“.270 Wenn Kant die christliche Glaubenslehre in dieser Weise charakterisiert, meint er damit die bereits moralisch interpretierte christliche Glaubenslehre, sofern er nmlich hier ber die Trinittslehre als Ausdruck des moralischen Verhltnisses Gottes zum menschlichen Geschlecht nachdenkt.271 Was çffentlich bekannt gemacht wird und als Offenbarung bezeichnet werden kann, sind also gerade keine berzeugungen einer gelehrten Religion, die sich zu ihrer externen Rechtfertigung nur auf Gelehrsamkeit oder heilige 269 Diese Nicht-Selbstverstndlichkeit der symbolischen Bedeutung spielt Kant in gewisser Weise am Schluss des Zitats mit Hilfe eines Bibelzitats nach. Kant gibt auf verkrzte Weise zwei Verse aus dem Lukas-Evangelium wieder. Ein Phariser spricht Jesus auf seine Predigt vom Reich Gottes an und deutet diese Predigt so, dass Jesus das Kommen der gçttlichen Herrschaft in die Welt ganz konkret vorhersagt und bestimmte Aussagen darber macht. In Kants Augen hat der Phariser Jesu Predigt nicht symbolisch, sondern als eine theoretische Aussage ber die Zukunft der Welt interpretiert. Kant macht sich nun Jesu Antwort zu eigen, die darauf hinausluft, das Reich Gottes nicht in erster Linie als eine ußere, irgendwann in der kommenden Geschichte auftretende Gegebenheit zu verstehen, sondern als etwas, das konkret in jedem Menschen beginnt, wenn er zu Gott umkehrt. Nach Kants Verstndnis gibt Jesus hier seiner eigenen Predigt eine symbolische Bedeutung und zeigt selbst, dass seine Predigt in einem moralischpraktischen Sinn zu verstehen ist. Kant versteht die Rede vom inneren Reich Gottes, wie die dem Text folgende Fußnote zeigt, im Sinne eines moralischen Reichs Gottes. Vgl. RGV, 6: 136,17 – 27. 270 RGV, 6: 141,6 – 8. 271 Vgl. RGV, 6: 140,1 – 2.
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Schriften berufen kçnnen. Vielmehr gilt fr diese als „Offenbarung“ bezeichneten berzeugungen, dass sie im epistemologischen Sinn zur natrlichen Religion gehçren, obwohl sie in historisch-genetischer Perspektive berzeugungen einer Offenbarungsreligion sind. Kant bezeichnet mit „Offenbarung“ also das Zutagetreten der praktischen Rationalitt von religiçsen berzeugungen durch den Vorgang der moralischen Auslegung. Ich mçchte diesen Begriff von Offenbarung im Folgenden als „praktische Offenbarung“ bezeichnen.272 Dass es sinnvoll ist, diese alternative Verwendung von „Offenbarung“ als „praktische Offenbarung“ zu bezeichnen, wird an einer anderen kurzen Stelle aus der Allgemeinen Anmerkung deutlich, mit der Kant seine Interpretation der Trinittslehre einleitet: „Nur das, was man zwar in praktischer Beziehung ganz wohl verstehen und einsehen kann, was aber in theoretischer Absicht (zur Bestimmung der Natur des Objekts an sich) alle unsere Begriffe bersteigt, ist Geheimnis (in einer Beziehung) und kann doch (in einer anderen) geoffenbart werden.“273
Was an der Trinittslehre in praktischer Hinsicht verstndlich ist, kann als in praktischer Hinsicht „geoffenbart“ bezeichnet werden, sofern es moralisch interpretiert werden kann. Was an der Trinittslehre in theoretischer Hinsicht unsere Begriffe bersteigt, nmlich der Versuch, mittels dieser Lehre die Natur Gottes zu bestimmen, ist und bleibt fr Kant dagegen ,Geheimnis‘. Der Begriff des Geheimnisses wird somit – wie der Begriff der Offenbarung – epistemologisch verwendet, nmlich mit Bezug auf die theoretisch-rationale Dimension der Trinittslehre. Betrachten wir nun, in welcher Weise die christliche Trinittslehre von Kant als eine symbolische Vorstellung interpretiert wird. „Wenn aber eben dieser Glaube (an eine gçttliche Dreieinigkeit) nicht bloß als Vorstellung einer praktischen Idee, sondern als ein solcher, der das, was Gott 272 Es ist dabei wichtig in Erinnerung zu behalten, dass Kant in der besagten Textstelle RGV, 6: 141,6 – 8, in der er diese alternative Verwendung von „Offenbarung“ einfhrt, davon spricht, dass man die Bekanntmachung Offenbarung ,nennen‘ kann. Er spricht zwar, wie wir im nchsten kurzen Zitat sehen werden, auch ganz selbstverstndlich davon, dass die praktische Bedeutung der Trinittslehre ,geoffenbart‘ wird. Dass er aber an der Stelle, an der er diese Verwendung einfhrt, nur von einer Mçglichkeit der Bezeichnung eines Sachverhalts als „Offenbarung“ spricht, verdeutlicht, dass es sich um eine Offenbarung im bertragenen Sinne handelt. Kant spielt hier sprachlich mit den Konnotationen des im Christentum verwendeten Offenbarungsbegriffs und versucht ihn fr seine Zwecke umzuprgen. 273 RGV, 6: 142,14 – 18.
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an sich selbst sei, vorstellen solle, betrachtet wrde, so wrde er ein alle menschlichen Begriffe bersteigendes, mithin einer Offenbarung fr die menschliche Fassungskraft unfhiges Geheimnis sein und als ein solches in diesem Betracht angekndigt werden kçnnen. Der Glaube an dasselbe als Erweiterung der theoretischen Erkenntnis von der gçttlichen Natur wrde nur das Bekenntnis zu einem den Menschen ganz unverstndlichen, und, wenn sie es zu verstehen meinen, anthropomorphistischen Symbol eines Kirchenglaubens sein, wodurch fr die sittliche Besserung nicht das mindeste ausgerichtet wrde.“274
Versteht man den Glauben an eine gçttliche Dreieinigkeit nicht als die ,Vorstellung einer praktischen Idee‘, sondern als Vorstellung dessen, was ,Gott an sich selbst sei‘, wrde der Glaube an eine gçttliche Dreieinigkeit ein alle ,menschlichen Begriffe bersteigendes, mithin einer Offenbarung fr die menschliche Fassungskraft unfhiges Geheimnis sein‘.275 Kant geht von der Mçglichkeit des Glaubens an die gçttliche Dreieinigkeit als einer ,Offenbarung fr die menschliche Fassungskraft‘ aus, hat damit allerdings eine praktische Offenbarung im Sinn, also das Zutagetreten der praktischen Rationalitt von religiçsen berzeugungen durch den Vorgang der moralischen Auslegung. Wird der Glaube an die Dreifaltigkeit jedoch im Sinne verschiedener berzeugungen interpretiert, die eine Aussage ber die Natur Gottes machen, ist der Glaube ein alle Begriffe bersteigendes Geheimnis und sollte auch als ein solcher ,angekndigt‘ werden – was sich hier wohl so verstehen lsst, dass der Glaube an die Dreieinigkeit gegenber den Glubigen als ein Geheimnis hinsichtlich seiner Aussagekraft ber die Natur Gottes kommuniziert werden sollte. Den Glauben als ein solches Geheimnis aufzufassen und den glubigen Menschen entsprechend zu vermitteln, ist unproblematisch. Denn wenn unsere berzeugungen ber die gçttliche Trinitt in theoretischer Perspektive eben nicht auf Aussagen ber die Natur Gottes hinauslaufen, sondern als ein Geheimnis reflektiert werden und ein rationaler Zugang in praktischer Perspektive gesucht wird, verfallen wir nicht einer anthropomorphistischen Interpretation dieser Glaubenslehre. Von einer anthropomorphistischen Fehlinterpretation ist erst im nchsten Satz des Zitats die Rede. Demnach wre der Glaube an das Geheimnis als Erweiterung der theoretischen Erkenntnis von der gçttlichen Natur das Bekenntnis zu einem gnzlich unverstndlichen und fr den Fall, dass man durch diesen Glauben etwas theoretisch zu erkennen meint, ,anthropomorphistischen 274 RGV, 6: 142,4 – 14. 275 Welche praktische Idee, die durch die Trinittslehre vorgestellt wird, Kant hier meint, werde ich gleich noch nher beleuchten.
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Symbol eines Kirchenglaubens‘. Die Vorstellungen, die mit der Trinittslehre verbunden sind, kçnnen als schematische Vorstellungen missverstanden werden. Mit dem „anthropmorphistischen Symbol“ meint Kant hier also das ,Theoretische des Kirchenglaubens‘ hinsichtlich der Trinittslehre, sofern es als Erweiterung der theoretischen Erkenntnis der Natur Gottes und eben nicht als Geheimnis begriffen wird.276 Welche Vorstellungen, die mit der Trinittslehre verbunden sind, kçnnen als ein solches ,anthropomorphistisches Symbol eines Kirchenglaubens‘ missverstanden werden? „Dieser Idee gemß wrde es in der Religion ein Glaubensprinzip sein: „Gott ist die Liebe“; in ihm kann man den Liebenden (mit der Liebe des moralischen Wo h l g e f a l l e n s an Menschen, sofern sie seinem heiligen Gesetze adquat sind), den Va t e r ; ferner, in ihm, sofern er sich in seiner alles erhaltenden Idee, dem von ihm selbst gezeugten und geliebten Urbilde der Menschheit, darstellt, seinen S o h n ; endlich auch, sofern er dieses Wohlgefallen auf die Bedingung der bereinstimmung der Menschen mit der Bedingung jener Liebe des Wohlgefallens einschrnkt, und dadurch als auf Weisheit gegrndete Liebe beweist, den h e i l i g e n G e i s t v e r e h r e n ; eigentlich aber nicht in so vielfacher Persçnlichkeit a n r u f e n (denn das wrde eine Verschiedenheit der Wesen andeuten, er ist aber immer nur ein einiger Gegenstand), wohl aber im Namen des von ihm selbst ber alles verehrten, geliebten Gegenstandes, mit dem es Wunsch und zugleich Pflicht ist, in moralischer Vereinigung zu stehen.“277
Die berzeugung, dass Gott als Vater, Sohn und Geist auf verschiedene Weise verehrt wird, wird auf anthropomorphistische Weise so interpretiert, dass Gott tatschlich eine ,vielfache Persçnlichkeit‘ ist, so dass Gott auch in dieser vielfachen Persçnlichkeit angerufen wird. Diese Auffassung und die sich daraus ergebende Anrufung Gottes wrde aber eine ,Verschiedenheit der Wesen‘ andeuten, die zum Begriff Gottes als eines ,einigen Gegenstands‘ im Widerspruch steht. Die anthropomorphistische Interpretation der Trinitt besteht fr Kant somit darin, dass der Rede von drei gçttlichen Personen tatschlich eine vielfache Persçnlichkeit in Gott entspricht. Zweierlei ist hier bemerkenswert: Erstens identifiziert Kant das Problem der anthropomorphen Deutung des Trinittsglaubens mit der Auf276 Es heißt „Der Glaube an dasselbe als Erweiterung […] wrde nur das Bekenntnis zu einem […] anthropomorphistischen Symbol eines Kirchenglaubens sein“. Der ,Glaube an‘ das Geheimnis als Erweiterung der theoretischen Erkenntnis wird im Satz also als ein ,Bekenntnis zu‘ einem anthropomorphistischen Symbol eines Kirchenglaubens identifiziert. Somit entspricht dem ,anthropomorphistischen Symbol‘ die Interpretation des Geheimnisses als ,Erweiterung‘ etc. 277 Vgl. RGV, 6: 145,20 – 147,3.
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fassung, es handle sich bei Vater, Sohn und Geist um eine vielfache Persçnlichkeit in Gott, was seiner Meinung nach einen Widerspruch zu der philosophisch-theologischen Auffassung von der Einheit des gçttlichen Wesens darstellt.278 Zweitens unterscheidet Kant zwischen einer legitimen Verehrung von Vater, Sohn und Geist, die sich aus seiner moralischen Interpretation der Trinittslehre ergibt, und einer Anrufung einer ,vielfachen Persçnlichkeit‘. Die gewissermaßen unkommentierte Anrufung eines dreifaltigen Gottes z. B. im Gottesdienst oder im Gebet scheint somit das Problem zu sein, was aus dem letzten Teil des Zitats erhellt, wo es sinngemß heißt, dass eine Anrufung im „Namen des von ihm [Gott, SM] selbst ber alles verehrten, geliebten Gegenstands“, also im Namen des moralischen Gesetzes unproblematisch ist. Kants Aussage zur Dreieinigkeit als ,anthropomorphistisches Symbol eines Kirchenglaubens‘ kann man so interpretieren, dass erst im Fall der Annahme einer Erweiterung der theoretischen Erkenntnis durch den Glauben an die Dreifaltigkeit dieser Glauben zu einem Symbol wird. Allerdings kennzeichnet Kant den so verstandenen Glauben an die Dreifaltigkeit ausdrcklich als ein ,anthropomorphistisches Symbol‘. Gerade in der Interpretation der vorhergehenden Textstelle aus der Religionsschrift wurde deutlich, dass fr Kant Vorstellungen sehr wohl vor der Vernunft eine ,symbolische Bedeutung‘ annehmen kçnnen, wenn ihre theoretischanschauliche Seite eben als indirekte Darstellung von Begriffen und nicht als Schema oder Beispiel fr einen Begriff verstanden wird. Der Glaube an die Dreifaltigkeit wird somit nur dann zu einem anthropomorphistischen Symbol eines Kirchenglaubens, wenn die Menschen meinen, das Geheimnis verstehen zu kçnnen bzw. wenn der Glaube an das Geheimnis als Erweiterung der theoretischen Erkenntnis angesehen wird. Man kann also in Anschluss an andere Aussagen Kants behaupten, dass die Interpretation der Trinittslehre als ,Vorstellung einer praktischen Idee‘ die Trinittslehre zur symbolischen Vorstellung eines Kirchenglaubens macht, das die Aufgabe hat, den Religionsglauben und die praktische Idee im Menschen zu beleben. In dieser fr Kant legitimen Deutung des Trinittsglaubens ist die theoretische Seite der entsprechenden berzeugungen, z. B. dass wir es mit drei gçttlichen Persçnlichkeiten zu tun haben, ein 278 Es ist an dieser Stelle nicht mçglich, dem theologischen Hintergrund der Kant‘schen Deutung der Trinittslehre nachzugehen. Das Verhltnis des klassisch-metaphysischen Gottesprdikats der Einfachheit zur Dreifaltigkeit Gottes hat in der Philosophie- und Theologiegeschichte eine breite Auseinandersetzung gefunden. Vgl. dazu Stump 1999.
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recht verstandenes Geheimnis, das als Geheimnis den Status einer symbolischen Vorstellung hat. Die Textstellen aus der Allgemeinen Anmerkung zum Dritten Stck unterscheiden sich von den zuvor behandelten Textstellen dadurch, dass mit der Trinittslehre eine christliche Glaubenslehre vorliegt, welche direkt die Natur und somit Eigenschaften Gottes betrifft, whrend z. B. Vorstellungen ber das Weltende oder die Jungfrauengeburt nur mittelbar Aussagen ber die Natur Gottes beinhalten. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich Kants Deutung der Trinittslehre in der Religionsschrift zur Rede von der symbolischen Erkenntnis Gottes in der KU verhlt. Kant ordnet in der Allgemeinen Anmerkung des Dritten Stcks die Trinittslehre einerseits als symbolische „Vorstellung einer praktischen Idee“ ein, ohne die praktische Idee genau zu benennen, und spricht andererseits nirgendwo positiv von einer (symbolischen) Erkenntnis Gottes, die durch die Trinittslehre womçglich zum Ausdruck kommen kçnnte.279 Als praktische Idee, die in der Trinittslehre zum Ausdruck kommt, kann man das „moralische Verhalten Gottes zum menschlichen Geschlechte“ auffassen.280 In diesem Sinne legt Kant die drei gçttlichen Personen in ihrer moralischen Funktionalitt gegenber dem Menschen in seinem Streben nach moralischer Vollkommenheit – Gott Vater als Gesetzgeber, Gott Sohn als gtiger Herrscher, Gott Heiliger Geist als gerechter Richter – aus: „Daß der Mensch durchs moralische Gesetz zum guten Lebenswandel berufen sei, daß er durch unauslçschliche Achtung fr dasselbe, die in ihm liegt, auch zum Zutrauen gegen diesen guten Geist und zur Hoffnung, ihm, wie es auch zugehe, genug tun zu kçnnen, Verheißung in sich finde, endlich, daß er, die letztere Erwartung mit dem strengen Gebot des ersteren zusammenhaltend, sich, als zur Rechenschaft vor einen Richter gefordert, bestndig prfen msse: darber belehren, und dahin treiben zugleich Vernunft, Herz und Gewissen. Es ist unbescheiden, zu verlangen, daß uns noch mehr erçffnet werde, und wenn dieses geschehen sein sollte, mßte er es nicht zum allgemeinen menschlichen Bedrfnis zhlen. Obzwar aber jenes, alle genannte in einer Formel befassende, große Geheimnis jedem Menschen durch seine Vernunft als praktisch notwendige Religionsidee begreiflich gemacht werden kann, so kann man doch sagen, daß es, um moralische Grundlage der Religion, vornehmlich einer çffentlichen zu werden, damals allererst offenbart worden, als es ç f f e n t l i c h gelehrt, und zum Symbol einer ganz neuen Religionsepoche gemacht wurde.“281
279 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 142,5. 280 Vgl. RGV, 6: 140,1 – 2. 281 RGV, 6: 144,14 – 145,11. Vgl. dazu auch den Kontext der Stelle ab 142,14.
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Die praktische Idee, welche durch die symbolische Vorstellung einer gçttlichen Dreifaltigkeit zum Ausdruck kommt oder offenbart wird, ist somit die Mçglichkeit des Strebens nach moralischer Vollkommenheit trotz des radikalen Bçsen in der menschlichen Natur. Es scheint also der Fall zu sein, dass die praktische Idee, welche durch die Trinittslehre zum Ausdruck kommt, mit der Idee Gottes und seinen in praktischer Rcksicht notwendig anzunehmenden Eigenschaften, wie wir sie aus der KU kennen, nur indirekt zu tun hat. Kant bezeichnet die praktische Idee hier auch als eine „praktisch notwendige Religionsidee“, was man als ein weiteres Indiz dafr ansehen kann, dass die Trinittslehre keine praktische Erkenntnis Gottes im Sinne der KU darstellt, sondern eine praktische Erkenntnis Gottes vielmehr voraussetzt. Denn wie in Kapitel 2.4.1 deutlich wurde, setzt Kants Religionsbegriff und somit auch die Rede von einem Religionsglauben mit entsprechenden praktisch-rationalen Inhalten eine Erkenntnis Gottes bereits voraus. Welches Bild ergibt sich abschließend aus den Beobachtungen zu den Vorkommen von „Symbol“ und seinen Derivaten wie „symbolische Vorstellung“ etc. in der Religionsschrift? In den zuletzt interpretierten Texten konnte man sehen, was Kant in der Religionsschrift konkret unter „Symbolen“ oder „symbolischen Vorstellungen“ versteht. Ein Symbol ist z. B. die Idee – im Sinne einer anschaulichen Vorstellung – der Jungfrauengeburt, mit der wir uns die sich ber die Versuchung zum Bçsen erhebende Menschheit vorstellen. Die Trinitt bezeichnet Kant zumindest indirekt als symbolische Vorstellung einer praktischen Idee, und die Ankndigung des bevorstehenden Weltendes in der christlichen Eschatologie ist als Symbol Ausdruck einer moralisch-praktischen Notwendigkeit, sich jederzeit als Brger eines gçttlichen ethischen Staats zu verstehen. Es handelt sich in allen Fllen um die anschauliche Seite von bestimmten berzeugungen aus der christlichen Glaubenslehre. hnlich wie in KU, § 59 scheinen Symbole hier Anschauungen zu sein, die etwas Intellektuelles oder eine praktische Idee indirekt darstellen. In allen interpretierten Texten haben symbolische Vorstellungen den Status willkrlicher und vernderlicher Vorstellungen – im Gegensatz zur Bestndigkeit und Unwandelbarkeit der Ideen oder Begriffe, die sie ausdrcken. Das kann man v. a. daran ablesen, dass Kant die Symbole auf die Seite der gelehrten Religion im epistemologischen Sinn bzw. auf die Seite des historischen oder Kirchenglaubens stellt. Dieses ,Theoretische des Kirchenglaubens‘ ist als theoretische Dimension der entsprechenden berzeugungen fr Kant religionsphilosophisch nur indirekt interessant: nmlich insofern der Kirchenglaube entweder auf eine bestimmte Weise
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interpretiert werden kann, die ihn in einen Zusammenhang mit der natrlichen Religion bringt oder indem vor den schdlichen Folgen einer buchstblichen Interpretation des Kirchenglaubens gewarnt wird.282 Weil nach Kant das ,Theoretische des Kirchenglaubens‘ uns mit Hinblick auf die Vernunftreligion und das bedeutet: moralisch nur dann interessieren kann, wenn es „zur Erfllung aller Menschenpflichten als gçttlicher Gebote (was das Wesentliche aller Religion ausmacht) hinwirkt“, also den Religionsglauben und die gelebte Vernunftreligion befçrdert, macht der Kirchenglaube als solcher einen bestimmten Umgang nçtig, der entsprechende Auswirkungen auf den Status vieler berzeugungen in historischen Religionen bzw. des Christentums hat.283 Das erste wichtige Element dieses Umgangs ist, dass bestimmte berzeugungen, die zum Kirchenglauben zu zhlen sind, nur dann symbolische Vorstellungen sind, wenn ihr Bezug auf den Religionsglauben sichtbar gemacht wird. Das geschieht durch eine moralisch-praktische Interpretation dieser berzeugungen. Eine konkrete Vorstellung des Kirchenglaubens wie die Ankndigung der Nhe des Weltendes nimmt aufgrund der moralisch-praktischen Interpretation eine symbolische Bedeutung vor der Vernunft an, indem ihr ein intellektueller Sinn unterlegt wird. In diesem Unterlegen wird deutlich, dass diese Vorstellung mit den Mitteln einer Weissagung, wie das Weltende genau abluft etc. den intellektuellen Sinn ausdrcken kann, dass wir Menschen uns zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens so verstehen mssen, als seien wir Brger in einem gçttlichen Staat auf Erden. Erst durch diese moralisch-praktische Interpretation des Kirchenglaubens kommt der mçgliche Status bestimmter berzeugungen als jeweils symbolischer Darstellungen von Inhalten eines reinen praktischen Religionsglaubens zum Vorschein. Der Kirchenglaube ist nicht an sich symbolische Vorstellung von etwas anderem. Bestimmte berzeugungen des Christentums, die sich nur mit Verweis auf eine vermeintliche bernatrliche Offenbarung, auf heilige Schriften oder Gelehrsamkeit extern rechtfertigen lassen, kçnnen somit als symbolische Darstellungen von Inhalten des reinen Religionsglaubens interpretiert werden. Kant betont dabei, dass er nicht behaupten wolle, dass die Bibel von ihren Autoren als eine Art symbolisches Buch geschrieben 282 Diese Kritik einer buchstblichen Auslegung der heiligen Schriften ist v. a. Thema des Vierten Stcks der Religionsschrift, auf das wir hier nur am Rande eingegangen sind. 283 RGV, 6: 110,8 – 10.
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worden sei, sondern dass es ihm darauf ankomme, dass der Text die Mçglichkeit einer solchen moralisch-praktischen Interpretation zulsst.284 Eine symbolische Vorstellung steht somit in der Spannung, dass sie einerseits Trger einer praktischen Offenbarung ist, also etwas zutage treten lsst, was in den Untiefen unserer praktischen Vernunft prinzipiell verborgen liegt, andererseits in ihrer theoretischen Bedeutung aber Geheimnis bleibt. Damit formuliert Kant die Auffassung, dass es nicht mçglich ist, zu verstehen, was bestimmte berzeugungen wie die von der Jungfrauengeburt in ihrer theoretischen Dimension bedeuten, selbst wenn uns Gott dadurch etwas offenbaren wollte. Kant meint, dass wir in dieser Hinsicht Gott nicht verstehen kçnnten, es aber religionsphilosophisch auch nicht nçtig ist, diese theoretische Bedeutung zu erhellen. Ein zweites Element dieses Umgangs mit dem Kirchenglauben ergibt sich direkt aus dem Zusammenhang von moralisch-praktischer Interpretation der Bibel und der Aufdeckung ihrer symbolischen Bedeutung. Wenn wir die Bibel auf moralische Weise interpretieren, dann kann die theoretische Dimension z. B. der Rede von der Jungfrauengeburt nicht mehr in ihrer vermeintlichen theoretischen Bedeutung interessieren, sondern nur noch in ihrer symbolischen Bedeutung. Verstehen wir die Jungfrauengeburt nun aber als symbolische Vorstellung, bleibt die theoretische, anschauliche Dimension dieser Vorstellung gerade erhalten. In ihrer nunmehr symbolischen Bedeutung schreibt Kant einer solchen Vorstellung an verschiedenen Stellen die Funktion eines ,Vehikels‘ zu. Damit ist ausgedrckt, dass der Kirchenglaube moralisch nur dann interessieren kann, wenn er den Menschen motiviert, dem Religionsglauben gemß zu leben. Fr diese Motivation, Belebung oder auch Befçrderung des Religionsglaubens scheint nun gerade die anschauliche Seite einer symbolischen Vorstellung verantwortlich zu sein. Im nchsten Unterkapitel mçchte ich auf diesen Zusammenhang von Veranschaulichung und Belebung des Religionsglaubens etwas genauer eingehen. Zuvor muss aber noch kurz die Frage gestellt werden, ob fr die symbolischen Vorstellungen, von denen in der Religionsschrift die Rede war, dasselbe wie fr die symbolischen Vorstellungen aus der KU gilt: dass ihnen eine Analogie zugrundeliegt. An keiner der betreffenden Stellen hat Kant von einer solchen Analogie ausdrcklich gesprochen. Daraus folgt natrlich nicht, dass sich die jeweiligen Analogien nicht rekonstruieren lassen. Es spricht alles dafr, dass es in diesem Punkt, dass Symbolen Analogien zugrunde liegen, keinen Unterschied zwischen der KU und der Religi284 Vgl. dazu RGV, 6: 111,26 – 35.
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onsschrift gibt.285 Nicht zuletzt sollte man in Erinnerung behalten, dass Kant in der in Kapitel 2.3.3 interpretierten Fußnote aus dem Zweiten Stck, wo man inhaltlich eigentlich erwarten wrde, dass Kant den Symbolbegriff einfhrt, vom Schematismus der Analogie spricht. Ich mçchte das kurz am Beispiel von Kants Deutung der christlichen Lehre von der Jungfrauengeburt vorfhren.286 Die praktische Idee, welche durch die Vorstellung einer Jungfrauengeburt symbolisch dargestellt wird, ist der Begriff einer der Versuchung zum Bçsen widerstehenden Menschheit. Die zugrundliegende Analogie lsst sich folgendermaßen formulieren: Die Vorstellung der jungfrulichen Geburt der Person Jesus von Nazareth verhlt sich zu seiner Freiheit vom angeborenen Hang zum Bçsen wie sich der Begriff einer der Versuchung zum Bçsen widerstehenden Menschheit zur Mçglichkeit der „Revolution“ der Gesinnung und damit zur grundlegenden nderung des Lebenswandels verhlt.287 Die vollkommene hnlichkeit beider Verhltnisse besteht darin, dass es jeweils um die Relation zwischen der Mçglichkeitsbedingung und der realen Mçglichkeit der berwindung des angeborenen Hangs zum Bçsen geht. 2.4.3 Der epistemologische Status des religiçsen Symbols in der Religionsschrift Um ein abschließendes Urteil ber den Status religiçser Symbole in der Religionsschrift fllen zu kçnnen, vergleichen wir zunchst zwei Stellen aus dem Zweiten und Vierten Stck, die bereits in Kapitel 2.3.3 interpretiert wurden, mit dem Beginn des sechsten Paragraphen aus dem ersten Teil des Dritten Stcks.
285 In Kapitel 2.3.3 wurde bereits eine Stelle aus der Religionsschrift interpretiert, an der Kant ausdrcklich schreibt, dass „das Unsichtbare […] beim Menschen durch etwas Sichtbares (Sinnliches) reprsentiert, ja, was noch mehr ist, durch dieses zum Behuf des Praktischen begleitet, und, obzwar es intellektuell ist, gleichsam (nach einer gewissen Analogie) anschaulich gemacht zu werden“ bedrfe (RGV, 6: 192,24 – 28). 286 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 80,13 – 40. 287 Diese Analogie setzt die Moralpsychologie des Ersten und Zweiten Stcks der Religionsschrift voraus, worauf ich hier nicht nher eingehen kann. Eine Zusammenfassung findet sich in Hçffe 2004a, 252 – 258; Grtzel et al. 1999, 48 – 51; Rawls 2004, 380 – 400; Rentsch 2005, 124 – 139. Zur Rede von einer „Revolution“ der Gesinnung vgl. RGV, 6: 47,18 – 28.
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Zunchst die beiden bekannten Stellen aus dem Zweiten und Vierten Stck: „Es ist freilich eine Beschrnktheit der menschlichen Vernunft, die doch einmal von ihr nicht zu trennen ist: daß wir uns keinen moralischen Wert von Belange an den Handlungen einer Person denken kçnnen, ohne zugleich sie, oder ihre ußerung auf menschliche Weise vorstellig zu machen; obzwar damit eben nicht behauptet werden will, daß es an sich kat‘ altheian auch so bewandt sei; denn wir bedrfen, um uns bersinnliche Beschaffenheiten faßlich zu machen, immer einer gewissen Analogie mit Naturwesen. […] Ich kann nmlich nicht sagen: so wie ich mir die Ursache einer Pflanze (oder jedes organischen Geschçpfes und berhaupt der zweckvollen Welt) nicht anders f a ß l i c h m a c h e n kann, als nach der Analogie eines Knstlers in Beziehung auf sein Werk (eine Uhr), nmlich dadurch, daß ich ihr Verstand beilege: so muß auch die Ursache selbst (der Pflanze, der Welt berhaupt) Verstand h a b e n ; d.i. ihr Verstand beizulegen, ist nicht bloß eine Bedingung meiner Faßlichkeit, sondern der Mçglichkeit Ursache zu sein selbst.“288 „Allein das Unsichtbare bedarf doch beim Menschen durch etwas Sichtbares (Sinnliches) reprsentiert, ja, was noch mehr ist, durch dieses zum Behuf des Praktischen begleitet, und, obzwar es intellektuell ist, gleichsam (nach einer gewissen Analogie) anschaulich gemacht zu werden; welches, obzwar ein nicht wohl entbehrliches, doch zugleich der Gefahr der Mißdeutung gar sehr unterworfenes Mittel ist, uns unsere Pflicht im Dienste Gottes nur vorstellig zu machen, durch einen uns berschleichenden Wa h n doch leichtlich fr den G o t t e s d i e n s t selbst gehalten, und auch gemeiniglich so benannt wird.“289
Und nun der Beginn des sechsten Paragraphen des Dritten Stcks: „Wir haben angemerkt, daß, obzwar eine Kirche das wichtigste Merkmal ihrer Wahrheit, nmlich das eines rechtmßigen Anspruchs auf Allgemeinheit entbehrt, wenn sie sich auf einen Offenbarungsglauben, der als historischer (obwohl durch Schrift weit ausgebreiteter und der sptesten Nachkommenschaft zugesicherter) Glaube, doch keiner allgemeinen berzeugenden Mitteilung fhig ist, grndet: dennoch wegen des natrlichen Bedrfnisses aller Menschen, zu den hçchsten Vernunftbegriffen und Grnden immer etwas S i n n l i c h h a l t b a r e s , irgend eine Erfahrungsbesttigung u.d.g. zu verlangen (worauf man bei der Absicht, einen Glauben allgemein zu i n t r o d u z i e r e n , wirklich auch Rcksicht nehmen muß), irgend ein historischer Kirchenglaube, den man auch gemeiniglich schon vor sich findet, msse benutzt werden.“290
Wie sich bereits in Kapitel 2.3.3 zeigen ließ, bringt Kant im Zweiten Stck den Schematismus der Analogie in Verbindung mit einer Art hermeneu288 RGV, 6: 64,35 – 65,8; 65,32 – 38. 289 RGV, 6: 192,24 – 32. 290 RGV, 6: 109,20 – 31.
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tischen Notwendigkeit aufseiten des Menschen: Wir bedrfen immer einer ,gewissen Analogie mit Naturwesen‘, um uns ,bersinnliche Beschaffenheiten‘ verstndlich zu machen; wir kçnnen uns die Ursache einer ,zweckvollen Welt‘ nicht anders verstndlich machen als ,nach der Analogie eines Knstlers mit Bezug auf sein Werk‘. Es ist eine ,Bedingung meiner Fasslichkeit‘, der angenommenen Ursache der Welt Verstand als Eigenschaft zuzusprechen. Die zweite Textstelle spricht von einer Art generellem Bedrfnis beim Menschen, dass das Unsichtbare sinnlich reprsentiert und nach einer Analogie anschaulich gemacht wird. Dabei handle es sich um ein unentbehrliches Mittel, uns einen Begriff wie den des moralischen Dienstes an Gott vorzustellen. Bereits aus den ersten beiden Textstellen lsst sich also klar ablesen, dass die Verwendung des Schematismus der Analogie unentbehrlich ist, wenn wir uns Vernunftbegriffe wie den der Ursache einer zweckvollen Welt verstndlich machen wollen. In diesem Sinne habe ich im Kapitel 2.3 auch von einer hermeneutischen Funktion des Symbols und damit auch der Analogie gesprochen. Genau diese hermeneutische Funktion des Symbols wird nun offensichtlich auch im dritten Text mit Blick auf das Verhltnis von Religionsund Kirchenglauben beschrieben und noch etwas genauer auf den Punkt gebracht. Kant schreibt hier von einem „natrlichen Bedrfnis aller Menschen, zu den hçchsten Vernunftbegriffen und Grnden immer etwas S i n n l i c h h a l t b a r e s , irgend eine Erfahrungsbesttigung u.d.g. zu verlangen.“ Wegen dieses natrlichen Bedrfnisses msse ,irgend ein historischer Kirchenglaube‘ benutzt werden.291 Das bedeutet konkret, dass z. B. die Lehre von der Jungfrauengeburt als Inhalt des Kirchenglaubens genau diesem natrlichen Bedrfnis nach ,Sinnlichhaltbarem‘ entgegenkommt. Legt man die Lehre von der Jungfrauengeburt moralisch-praktisch aus, wodurch dieser Inhalt des Kirchenglaubens vor der Vernunft symbolische Bedeutung gewinnt, wird zwar deutlich, was damit ausgesagt wird: nmlich dass die Menschheit sich vom angeborenen Hang zum Bçsen eman291 Im vorausgegangenen fnften Paragraphen hat Kant festgestellt, dass (normativ) allein ein reiner Religionsglauben eine allgemeine Kirche grnden kann, dass aber „eine besondere Schwche der menschlichen Natur“ (RGV, 6: 103,5 – 6) daran schuld sei, dass man faktisch auf einem solchen reinen Religionsglauben allein keine Kirche grnden kçnne. Es sei nicht zu ndern, dass ein „statutarischer K i r c h e n g l a u b e dem reinen Religionsglauben, als Vehikel und Mittel der çffentlichen Vereinigung der Menschen zur Befçrderung des letzteren beigegeben werde“ (RGV, 6: 106,31 – 34). In diesem Sinne kann und muss der Kirchenglaube als Vehikel oder Mittel benutzt werden, um eine allgemeine Kirche zu grnden.
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zipieren kann. Doch diese praktisch-rationale Aussage reicht dem Menschen eben nicht aus; er verlangt nach ,Erfahrungsbesttigung‘. Dass Kant hier von einem Verlangen oder natrlichen Bedrfnis spricht, lsst sich so interpretieren, dass es fr Kant zur conditio humana gehçrt, sich mittels unserer Sinnesorgane auf die Welt zu beziehen, um auf diese Weise Gegenstnde dieser Welt zu erkennen. Den grçßten Teil unseres Wissens ber die Welt erlangen wir ber Wahrnehmungen bzw. Anschauungen und Begriffe. In dieser Hinsicht ist die theoretische Erkenntnis von Gegenstnden das Paradigma von Erkenntnis, weil wir daran gewçhnt sind, auf diese Weise zu Erkenntnis zu gelangen. Deswegen ist es nur natrlich, dass wir auch im Fall der ,hçchsten Vernunftbegriffe‘ nach Anschauungen dieser Vernunftbegriffe verlangen. Das Verfahren der Symbolisierung von Begriffen bzw. die Interpretation von bestimmten Inhalten einer Glaubenslehre als symbolische Vorstellungen kommt genau diesem natrlichen Bedrfnis entgegen.292 Kant konstatiert diesen Zusammenhang zwar nicht ausdrcklich. Aber auf der Grundlage all dessen, was sich bisher ber den Kant’schen Symbolbegriff und seine Verwendung in der Religionsschrift in Erfahrung bringen ließ, liegt dieser Zusammenhang auf der Hand. Mittels der Symbolisierung werden bestimmten Begriffen, die sonst unanschaulich blieben, Anschauungen auf der Grundlage einer Analogie unterlegt, so dass man zumindest etwas ,Sinnlichhaltbares‘ in Zusammenhang mit dem Begriff hat, auch wenn die auf diese Weise unterlegte Anschauung wie die Vorstellung einer Jungfrauengeburt kein empirisches Beispiel des Begriffs sein kann. Das ,Sinnlichhaltbare‘, das wir ber die Symbolisierung von Begriffen erhalten, ist dabei keine Erfahrungsbesttigung; insofern kçnnen symbolische Vorstellungen das Verlangen nach Erfahrungsbesttigung nicht erfllen. Aber immerhin kçnnen sie die Begriffe verstndlich machen. Dabei gilt natrlich, dass wir faktisch nicht von den Vernunftbegriffen ausgehen, dann nach Symbolisierungen suchen und auf diese Weise einen Kirchenglauben konstruieren. Vielmehr rekonstruieren wir durch die moralischpraktische Interpretation bestimmte Inhalte des Kirchenglaubens als mçgliche symbolische Vorstellungen von praktischen Vernunftideen. Mit Blick auf die Religionsschrift kann somit ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verfahren der Symbolisierung von Begriffen und dem natrlichen Bedrfnis nach ,Sinnlichhaltbarem‘ hergestellt werden. Das Verstndlichmachen durch die Symbolisierung lsst sich vor dem Hintergrund der Rede von einem natrlichen Bedrfnis nach ,Sinnlich292 Vgl. dazu hnlich Dçrflinger 2004b, 166 – 168; Dçrflinger 2006, 159 – 163.
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haltbarem‘ folgendermaßen weiter interpretieren: Wenn wir uns durch den Schematismus der Analogie und entsprechende symbolische Vorstellungen wie der Nhe des Weltendes Begriffe verstndlich machen, dann wollen wir uns die Intension dieser nicht-anschaulichen Begriffe anschaulich machen trotz ihrer Nicht-Anschaulichkeit. Unsere praktische Vernunft fhrt uns auf den Begriff, dass wir uns als moralische Vernunftwesen jederzeit als unter dem moralischen Gesetz stehend begreifen sollen. Was das sinnlichanschaulich bedeutet, lsst sich nicht mit Hinweis auf eine korrespondierende Anschauung dieser Begriffe erhellen. Trotzdem drngt es uns – im Sinne des natrlichen Bedrfnisses nach ,Sinnlichhaltbarem‘ –, irgendeinen sinnlichen Anhaltspunkt fr diese Begriffe zu haben. Das einzige Verfahren, das hier Abhilfe schaffen und einen sinnlichen Anhaltspunkt geben kann, ist das Verfahren der Analogie, auf dessen Grundlage wir wenigstens eine symbolische, indirekte Darstellung der Begriffe erhalten, was allerdings weit hinter einer wirklichen Erfahrungsbesttigung der Begriffe zurckbleibt. Sich ,bersinnliche Beschaffenheiten‘ verstndlich zu machen, heißt also, sich Vernunftbegriffe auf indirekte, nmlich analogisch-symbolische Weise anschaulich zu machen. In diesem analogisch-symbolischen Anschaulichmachen von Vernunftbegriffen besteht die hermeneutische Funktion symbolischer Vorstellungen. Im Blick darauf, dass Kant an verschiedenen Stellen der Religionsschrift davon spricht, dass der Kirchenglaube ein Mittel ist, den Religionsglauben zu befçrdern, kommt zu dieser hermeneutischen Funktion symbolischer Vorstellungen noch ihre Funktion als ,Vehikel‘ fr den Religionsglauben hinzu.293 Diese Funktion als ,Vehikel‘ besteht wiederum darin, dass der Kirchenglaube, als symbolische Vorstellung verstanden, z. B. Hoffnung und Mut belebt, dem Reich Gottes nachzustreben, oder die Tugendgesinnung strkt.294 Nach Kants Auffassung soll der Kirchenglaube auf die Handlungsmotivation des Menschen wirken, seinen Willen von moralisch-praktischen Begriffen bestimmen zu lassen. Eigentlich sollte der reine Religionsglaube motivational ausreichend sein. Aber anscheinend greift auch in dieser Frage der Motivation das natrliche Bedrfnis des Menschen nach ,Sinnlichhaltbarem‘. Der empirisch-historische Kirchenglaube liefert – unter der Voraussetzung einer entsprechenden moralisch-praktischen Interpretation – unseren Sinnen nicht nur eine indirekte Anschaulichkeit von praktischen Vernunftbegriffen, sondern auch eine affektiv-emotional einzuschtzende Unterstt293 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 175,25 – 176,9. 294 Vgl. RGV, 6: 134,11 – 25; 183,13 – 19.
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zung, gemß den symbolisierten Begriffen zu handeln und zu leben. Ebenso wie z. B. die Ankndigung vom Weltende nicht als eine theoretische Aussage buchstblich genommen werden darf, so darf sie in ihrer affektiv-emotionalen Dimension praktisch nicht wçrtlich genommen werden. Wir sollen nicht deswegen Gottes Geboten gehorchen, weil das Weltgericht nahe ist und wir deswegen untadelig leben sollten, sondern weil Gottes Gebote den Status von Pflichten haben; aber die Vorstellung eines solchen Weltgerichts kann, moralisch und somit als symbolische Vorstellung fr eine praktische Idee interpretiert, die Motivation zu einem Leben nach dem moralischen Gesetz und der Vernunftreligion fçrdern. Der Kirchenglaube darf also nicht selbst zum motivationalen Grund eines moralischen Lebenswandels werden, sondern er kann die Entwicklung einer reinen moralischen Motivation bzw. eines reinen Religionsglaubens nur untersttzen. Wenn nun das Symbol in der Religionsschrift die beschriebene hermeneutische Funktion hat, stellt sich natrlich die Frage, ob der epistemologische Status des Symbols sozusagen stark genug ist, um das Symbol nicht nur zum unentbehrlichen, sondern auch zu einem notwendigen Mittel zu machen. Kant selbst macht sich an verschiedenen Stellen in der Religionsschrift Gedanken darber, ob Religion einen Kirchenglauben nur als eine Art Propdeutikum braucht, das sich dann nach getaner Arbeit von selbst erledigt, oder ob der Kirchenglaube als symbolische Darstellung von Inhalten des Religionsglaubens zur Religion dazugehçrt.295 Wie wichtig ist diese hermeneutische Funktion des Symbols und damit der Symbolbegriff selbst fr Kants Religionsphilosophie und seinen Begriff einer Vernunftreligion? Folgender Text kann bei dem Versuch einer Antwort auf diese Frage hilfreich sein: „Die Scheidung der Guten von den Bçsen, die, whrend der Fortschritte der Kirche zu ihrer Vollkommenheit, diesem Zwecke nicht zutrglich gewesen sein wrde (indem die Vermischung beider untereinander gerade dazu nçtig war, teils um den ersteren zum Wetzstein der Tugend zu dienen, teils um die anderen durch ihr Beispiel vom Bçsen abzuziehen), wird nach vollendeter Errichtung des gçttlichen Staats, als die letzte Folge derselben vorgestellt; wo noch der letzte Beweis seiner Festigkeit, als Macht betrachtet, sein Sieg ber alle ußeren Feinde, die eben sowohl auch als in einem Staate (dem Hçllenstaat) betrachtet werden, hinzugefgt wird, womit dann alles Erdenleben ein Ende hat, indem „der letzte Feind (der guten Menschen), der Tod, aufgehoben wird“, und an beiden Teilen, dem einen zum Heil, dem anderen zum Verderben, Unsterblichkeit anhebt, die Form einer Kirche selbst aufgelçst 295 Am ausfhrlichsten diskutiert Kant diese Frage im siebten Paragraphen des ersten Teils des Dritten Stcks (vgl. RGV, 6: 115,1 – 124,5.
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wird, der Statthalter auf Erden mit denen zu ihm als Himmelsbrger erhobenen Menschen in eine Klasse tritt, und so Gott alles in allem ist.* *Dieser Ausdruck kann (wenn man das Geheimnisvolle, ber alle Grenzen mçglicher Erfahrung Hinausreichende, bloß zur heiligen G e s c h i c h t e der Menschheit Gehçrige, uns also p r a k t i s c h nichts Angehende bei Seite setzt) so verstanden werden, daß der Geschichtsglaube, der, als Kirchenglaube, ein heiliges Buch zum Leitbande der Menschen bedarf, aber eben dadurch die Einheit und Allgemeinheit der Kirche verhindert, selbst aufhçren, und in einen reinen, fr alle Welt gleich einleuchtenden Religionsglauben bergehen werde; wohin wir dann schon jetzt, durch anhaltende Entwickelung der reinen Vernunftreligion aus jener gegenwrtig noch nicht entbehrlichen Hlle, fleißig arbeiten sollen. † † Nicht daß er aufhçre (denn vielleicht mag er als Vehikel immer ntzlich und nçtig sein), sondern aufhçren kçnne; womit nur die innere Festigkeit des reinen moralischen Glaubens gemeint ist.“296
Von Interesse sind hier v. a. die beiden Fußnoten. In der ersten Fußnote aus der ersten Auflage der Religionsschrift von 1793 deutet Kant eine Aussage aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus. Die biblische Stelle lautet: „Nun ist aber Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen. Sintemal durch einen Menschen der Tod und durch einen Menschen die Auferstehung der Toten kommt. Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling Christus; darnach die Christo angehçren, wenn er kommen wird; darnach das Ende, wenn er das Reich Gott und dem Vater berantworten wird, wenn er aufheben wird alle Herrschaft und alle Obrigkeit und Gewalt. Er muß aber herrschen, bis daß er ,alle seine Feinde unter seine Fße lege‘. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod. Denn ,er hat ihm alles unter seine Fße getan‘. Wenn er aber sagt, daß es alles untertan sei, ist’s offenbar, daß ausgenommen ist, der ihm alles untergetan hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles untergetan hat, auf daß Gott sei alles in allen.“297
Kant deutet die Aussage, dass am Ende Christus Gott das Reich bergibt und so alle Herrschaft, Obrigkeit und Gewalt aufgehoben wird und insbesondere den ,Ausdruck‘, dass Gott alles in allen sei, in der ersten Fußnote 296 RGV, 6: 135,9 – 23; 27 – 38. 297 1 Kor 15,20 – 28. bersetzung: Luther Bibel, 1912. Vgl. zu Kants Bibel die instruktiven Anmerkungen von Stangneth in Kant 2003a, 305 – 308. Zu dem von Kant zitierten Vers vgl. Kant 2003a, 318. Die von mir benutzte Luther-bersetzung aus dem Jahr 1912 ist in der bersetzung von 1 Kor 15,26 und 15,28 identisch mit der bersetzung, die Kant verwendete.
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so, dass der Geschichts- oder Kirchenglaube selbst aufhçrt. Er werde in einen reinen, fr alle Welt einleuchtenden Religionsglauben bergehen. Auf dieses Ziel hin sollen wir jetzt schon durch ausdauernde Entwicklung der reinen Vernunftreligion aus der gegenwrtig noch nicht entbehrlichen Hlle des Kirchenglaubens ,fleißig arbeiten‘. Es ist fr Kant also mçglich und zugleich wnschenswert, dass der Kirchenglaube als ,Hlle‘ des einzig wahren Religionsglaubens irgendwann nicht mehr nçtig ist. Das natrliche Bedrfnis des Menschen nach ,Sinnlichhaltbarem‘, dem der Kirchenglaube mit seinen symbolischen Vorstellungen von praktischen Vernunftideen entgegenkommt, kann berwunden werden, auch wenn wir gegenwrtig den Kirchenglauben noch als Vehikel brauchen. Somit scheinen auch symbolische Vorstellungen fr die Vernunftreligion nur temporr unentbehrlich und prinzipiell verzichtbar zu sein.298 In der zweiten Auflage der Religionsschrift von 1794 przisiert oder besser: korrigiert Kant seine eigene Fußnote aus der ersten Auflage. In der Fußnote aus der ersten Auflage lautete die Aussage: Der Ausdruck „Gott wird alles in allen sein“ kann so verstanden werden, dass der Geschichtsglaube selbst aufhçren und in einen reinen Religionsglauben bergehen werde.
In der Fußnote aus der zweiten Auflage korrigiert Kant diese Aussage folgendermaßen: Der Ausdruck „Gott wird alles in allen sein“ kann so verstanden werden, dass der Geschichtsglauben aufhçren kçnne, nicht dass er tatschlich aufhçrt. Denn vielleicht ist er als Vehikel immer nçtig und ntzlich.
Diese Korrektur der Aussage ist hçchst bemerkenswert.299 Der Kirchenglaube ist nicht faktisch unentbehrlich und prinzipiell verzichtbar, sondern mçglicherweise immer („aufhçren kçnne“) unentbehrlich und unverzichtbar. Diese modale Aufweichung der Aussage aus der ersten Fußnote ist entscheidend. Symbolische Vorstellungen wrden somit mçglicherweise immer ntzlich und nçtig fr die Religion sein und nicht nur fr eine bestimmte Zeit (bis der Mensch sich aus seinem Bedrfnis nach ,Sinn-
298 Vgl. dazu auch Dçrflinger 2006. Dçrflinger diagnostiziert in der Religionsschrift ein Spannungsverhltnis zwischen Kants Optimismus hinsichtlich der Mçglichkeit einer reinen Vernunftreligion einerseits und seinem Pessimismus hinsichtlich der Mçglichkeit ihrer Etablierung angesichts des Bedrfnisses nach ,Sinnlichhaltbarem‘ andererseits. 299 Vgl. dazu auch Forschner 2007, 58 – 59; Forschner 2008.
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lichhaltbarem‘ gewissermaßen herausreflektiert hat).300 Selbst wenn man sich vorstellt, dass eine historische Religion wie das Christentum infolge seiner moralisch-praktischen Interpretation immer strker als eine im Kern natrliche Religion erscheint, kçnnten somit symbolische Vorstellungen weiterhin ihre hermeneutischen Aufgaben wahrnehmen und helfen, dass wir unser Leben von praktischen Vernunftbegriffen bestimmen lassen.301 Worauf es Kant bei der Rede vom ,Aufhçren‘ des Kirchenglaubens in der Fußnote aus der zweiten Auflage ankommt, ist die ,innere Festigkeit des reinen moralischen Glaubens‘. Diese Rede von der Festigkeit des reinen moralischen Glaubens ermçglicht es ihm, einzurumen, dass der Kirchenglaube mçglicherweise als Vehikel immer ntzlich sei. Denn damit ist implizit gesagt, dass der Status des Kirchenglaubens als Vehikel eben nicht zulsst, dass der Kirchenglaube jemals motivational an die Stelle des Religionsglaubens tritt; denn dann wre er kein Vehikel mehr, sondern der Zweck. Der Kirchenglaube hat nur hinfhrende und untersttzende Funktion, auch wenn er diese Funktion mçglicherweise immer und nicht nur zeitlich begrenzt hat. Das Ziel, das Kant hier wohl vor Augen steht, ist, dass die Menschen in ihrer religiçsen Biographie irgendwann so weit sind, dass sie sich in ihrem Lebenswandel allein durch praktische Vernunftbe300 Dierksmeier sieht die bergeordnete Botschaft der Religionsschrift darin, dass jeder, der seine eigene praktische Unbedingtheit in Augenschein nehme, dies durch die Brille gewisser Symbole tue, welche ohne individuelle existentielle Betroffenheit leer, ohne regulative moralische Leitideen aber blind und irrefhrend seien. Mit einem Ausdruck Schellings („per posterius“) interpretiert er den Status des Symbols in der Religionsschrift, das er am Beispiel von Kants Interpretation Jesu als Symbol fr die moralische Vollkommenheit erlutert, folgendermaßen: Die apriorischallgemeine Idee der moralischen Vollkommenheit konkretisiere sich nur vermittels eines konkreten Ideals „per posterius“ zu einer sinnhaften Wirklichkeit des jeweiligen Subjekts. Nur ber die konkrete symbolische Auseinandersetzung mit sich selbst verwandle das Individuum das abstrakt-unbedingte An-Sich der moralischen Forderung in ein sinnstiftendes Fr-Mich. Er rumt dem Symbol in der Religionsschrift somit einen epistemologisch sehr starken Status ein. Gemessen an der hier interpretierten Fußnote aus dem Dritten Stck wrde ich die Interpretation Dierksmeiers im Sinne der modalen Einschrnkung relativieren, dass religiçse symbolische Vorstellungen nur ,vielleicht […] immer ntzlich und nçtig‘ sind. Vgl. Dierksmeier 2005, 80 – 85. 301 Auch Jrgen Habermas ist in seiner Auseinandersetzung mit Kants Religionsphilosophie auf diese Fußnote und ihre Pointe nicht eingegangen. Er kommt dagegen zu dem Urteil, dass Kant in der Religionsschrift dem Kirchenglauben eine rein instrumentelle Funktion einrume und sich die epistemische Abhngigkeit der praktischen Vernunft vom historischen Vorschuss der positiven Religionen nicht eingestehe. Vgl. Habermas 2005, 231 – 232.
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griffe motivieren lassen, was der ,inneren Festigkeit‘ des Religionsglaubens entspricht, obwohl sie weiterhin zur Erbauung in der Bibel lesen oder in den Gottesdienst gehen. Welches Gesamtbild vom epistemologischen Status von Symbolen in der Religionsschrift liegt am Ende dieses Unterkapitels vor? Ich habe den Status des Symbols zum Einen als hermeneutisch, zum Anderen als Vehikel fr die Befçrderung des Religionsglaubens zu umschreiben versucht. Symbolische Vorstellungen kçnnen helfen, Vernunftbegriffe anschaulich und somit verstndlich zu machen. Aufgrund des menschlichen natrlichen Bedrfnisses nach ,Sinnlichhaltbarem‘, wie es zu Beginn des sechsten Paragraphen des Dritten Stcks heißt, ist es nçtig, dass wir uns abstrakte praktische Vernunftbegriffe wie den Begriff der ber den Hang zum Bçsen triumphierenden Menschheit zumindest indirekt anschaulich machen.302 Weiterhin kçnnen sie uns in unseren Bemhungen untersttzen, der Vernunftreligion gemß zu leben, weil sie uns affektiv-emotional ansprechen.303 Die Interpretation der Fußnote aus dem Dritten Stck hat gezeigt, dass Kant seine These, dass der Kirchenglaube prinzipiell in den Religionsglauben bergehen kann, auf eine bestimmte Weise verstanden wissen mçchte: Es geht ihm darum, dass es zumindest mçglich ist, dass der Kirchenglaube in den Religionsglauben bergeht. Mit dieser modalen Einschrnkung verbindet Kant jedoch die Aussage, dass der Kirchenglaube und somit auch die symbolischen Vorstellungen praktischer Begriffe als Vehikel mçglicherweise immer ntzlich und nçtig sind. 2.4.4 Zum Verhltnis von symbolischer Erkenntnis Gottes und religiçsen symbolischen Vorstellungen bei Kant In Kapitel 2.3 habe ich zwei Fragen formuliert, die in diesem Kapitel beantwortet werden sollten. Beide Fragen ergaben sich aus dem Vergleich der Ergebnisse der Interpretation von KU, § 59 mit den in Kapitel 2.3 ausgewhlten Texten. Die erste Frage betraf dabei den genauen Status des Symbols, den wir mit Blick auf die in Kapitel 2.3 untersuchte Fußnote aus dem Zweiten Stck der Religionsschrift als „hermeneutisch“ zu umschreiben versucht haben.304 Vor dem Hintergrund der beiden letzten Unterkapitel 302 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 109,20 – 31. 303 Rajiva spricht in seiner Interpretation der Rolle des Kirchenglaubens von „Verlebendigung“. Vgl. Rajiva 2005. 304 Vgl. RGV, 6: 64,35 – 65,42. Siehe dazu Kapitel 2.3.3.
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und der Aussagen, die zum generellen Status des Symbols in der Religionsschrift formuliert werden konnten, kann die erste Frage folgendermaßen konkretisiert werden: Gilt fr die Eigenschaften Verstand und Wille, mittels deren wir uns Gott analogisch denken, dasselbe wie fr die Vorstellung einer Jungfrauengeburt als Symbol der ber den Hang zum Bçsen trimphierenden Menschheit: nmlich, dass symbolische Darstellungen ein unentbehrliches hermeneutisches Mittel der Veranschaulichung von Unsichtbarem oder bersinnlichen Beschaffenheiten sind? Hat auch die Vorstellung eines personalen moralischen Welturhebers die Funktion, den reinen Religionsglauben zu beleben? Ich beginne mit der hermeneutischen Funktion symbolischer Vorstellungen, die in der Fußnote aus dem Zweiten Stck der Religionsschrift, im Vornehmen Ton und in weiteren Texten aus der Religionsschrift beschrieben wurde.305 Es scheint relativ unproblematisch zu sein, die Aufgabe symbolischer Vorstellungen auch mit Blick auf Kants philosophische Theologie als „hermeneutisch“ zu bezeichnen, da Kant selbst in der Religionsschrift mit Blick auf die unbekannte Ursache einer zweckvollen Welt davon spricht, dass wir uns diese Ursache nur nach einer Analogie ,fasslich‘ oder verstndlich machen kçnnen.306 Kant lsst sich zwar in KU, § 59 nur indirekt zu dieser Funktion aus. Im Rckblick von den Interpretationen der Preisschrift und der Religionsschrift auf § 59 ist es jedoch ußerst plausibel, § 59 in diesem Licht zu verstehen. Das kann man sich am ersten Absatz von § 59 klar machen. Kant hat dort ein bestimmtes Problem hinsichtlich der objektiven Realitt der Vernunftbegriffe im Vergleich mit empirischen und Verstandesbegriffen aufgeworfen: „[1.1] Die Realitt unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert. [1.2] Sind es empirische Begriffe, so heißen die letzteren B e i s p i e l e . [1.3] Sind jene reine Verstandesbegriffe, so werden die letzteren S c h e m a t e genannt. [1.4] Verlangt man gar, daß die objektive Realitt der Vernunftbegriffe, d.i. der Ideen, und zwar zum Behuf des theoretischen Erkenntnisses derselben dargetan werde, so begehrt man etwas Unmçgliches, weil ihnen schlechterdings keine Anschauung angemessen gegeben werden kann.“307
Es ist nicht mçglich, die objektive Realitt von Ideen zum Zweck ihrer theoretischen Erkenntnis aufzuweisen. Auch die symbolische Hypotypose kann fr diesen Umstand keine Abhilfe leisten. Doch welche Alternative 305 Vgl. dazu die Kapitel 2.3.3 und 2.3.4. 306 Vgl. RGV, 6: 64,35 – 65,42. 307 KU, 5: 351,15 – 22.
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erçffnet dann die diesem Absatz folgende Einfhrung des Symbolbegriffs? Im ersten Teil der Arbeit wurde deutlich, dass Kant gerade durch die Wahl des Ausdrucks „indirekte Darstellung“ fr das, was Symbole leisten kçnnen, eine Alternative beschreibt, die sich zwar von der Schematisierung von Begriffen in einer direkten Darstellung unterscheidet, mit dieser aber die Anschaulichkeit teilt, die dem dargestellten Begriff gegeben wird.308 Auch mit Blick auf die symbolische Hypotypose spricht Kant von einer „Versinnlichung“.309 Whrend der Aspekt der Versinnlichung oder Veranschaulichung des Begriffs durch den Ausdruck „Darstellung“ zur Geltung gebracht wird, hngt die Rede von einer „indirekten Darstellung“ mit dem Verfahren der Analogie zusammen, das die Grundlage fr die Symbolisierung von Begriffen ist: Die dem Begriff unterlegte Anschauung steht in einem analogischen und nicht in einem direkten, demonstrativen Verhltnis zum Begriff. Will man ein Symbol verstehen, muss man diese analogische Relation zwischen der symbolischen Vorstellung und dem indirekt dargestellten Begriff rekonstruieren. Die Analogie ist das Mittel, mit dem es mçglich ist, uns auf Vernunftbegriffe zu beziehen, so dass es im Fall der Vernunftidee Gottes immerhin mçglich ist, Gott nach einer Analogie zu denken. Wollten wir uns auf das hçchste Wesen mit seinen an ihm nach der Analogie gedachten Eigenschaften immer so beziehen, dass wir diese Analogie nicht nur kognitiv jeweils rekonstruieren, sondern auch sprachlich wiedergeben, wre dieser Vorgang enorm aufwendig und kompliziert. Dahingegen ließ sich bereits im ersten Teil der Arbeit zeigen, dass die indirekte Darstellung des Begriffs durch eine Anschauung eine gewissermaßen elegante Weise der Zusammenfassung oder Abkrzung der Analogie ist. In diesem Sinn lsst sich auch eine weitere Aussage aus KU, § 59 interpretieren: „[4.6] Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigentliche Schema fr den Begriff, sondern bloß ein Symbol fr die Reflexion enthlt.“310
Den Satz habe ich in Kapitel 1.4.5 mit Blick auf seine Aussage ber Symbole folgendermaßen rekonstruiert:
308 Vgl. dazu die Kapitel 1.3.7 und 1.7.3. 309 KU, 5: 351,23 – 24. 310 KU, 5: 352,25 – 28.
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[4.6] Unsere Sprache ist voller indirekter Darstellungen nach einer Analogie. Durch diese indirekten Darstellungen nach einer Analogie enthlt z. B. der Ausdruck „Handmhle“ bloß ein Symbol fr die geleistete Reflexion.
Der Ausdruck „Handmhle“ enthlt insofern ein Symbol fr die Reflexion, als der komplizierte Vorgang des doppelten Geschfts der Urteilskraft einen Begriff der spezifischen Kausalitt des despotischen Staats zum Ergebnis hat, wobei der Begriff durch die Anschauung einer Handmhle indirekt dargestellt wird. Der Ausdruck „Handmhle“ fasst, sofern er ein Symbol fr die geleistete Reflexion enthlt, diesen komplizierten Vorgang in sich. Was das bedeutet, kann man sich folgendermaßen vorstellen. Wenn ich gegenber jemandem auf eine Handmhle zeige und sage, dass diese Handmhle doch ein gutes Symbol fr einen despotischen Staat sei, wird er mich zunchst fragen, wie ich das genau meine. Ich kçnnte meine These dann dahingehend przisieren, dass ich sage, die Handmhle sei ein gutes Symbol fr die Funktionsweise eines despotischen Staats – und meine These durch ein Bedienen der Handmhle noch unterstreichen. Fr denjenigen, der diese Informationen bekommt, wird es in der Regel ausreichen, in der Handmhle ein Symbol fr die spezifische Kausalitt des despotischen Staats zu sehen. Ich muss nicht das doppelte Geschft der Urteilskraft, das nçtig ist, um in einer Handmhle eine symbolische Vorstellung eines despotischen Staats zu sehen, vor meinem Gegenber ausbreiten. Welches Bild ergibt sich, wenn man diesen im ersten Teil der Arbeit anhand von KU, § 59 herausgearbeiteten Status des Symbols, der auch fr die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott gilt, mit den Erkenntnissen aus der Interpretation der Religionsschrift vergleicht? Ich glaube, dass man auch die Funktion, die Kant in KU, § 59 dem Symbol zuweist, als „hermeneutisch“ beschreiben kann. Kant fhrt das Verfahren der Symbolisierung von Begriffen nicht ein, um die objektive Realitt von Vernunftbegriffen zum Zweck der theoretischen Erkenntnis aufzuweisen. Vielmehr scheint das analogische Denken der Kausalitt des hçchsten Wesens und die damit einhergehende Symbolisierung dieses Begriffs in den Eigenschaften des Verstandes und des Willens einem Verstndlichmachen – im Sinne der Religionsschrift – des Begriffs zu dienen. Wir kçnnen kein Beispiel und keine direkte Darstellung angeben, die dem Begriff dieser Kausalitt direkt korrespondiert.311 Gleichzeitig zwingt uns unsere praktische Vernunft aber den Begriff einer bestimmten Kausalitt des hçchsten 311 Vgl. zur Unterscheidung von „Beispiel“, „direkter“ und „indirekter Darstellung“ erneut Kapitel 1.3.5, 1.7.3 und 1.8.
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Wesens auf. Um den Begriff zumindest denken zu kçnnen, stellt eine Analogie einen Zusammenhang zwischen dem nicht-anschaulichen Begriff der Kausalitt des hçchsten Wesens und einer Anschauung her, die dann erlaubt, diese Anschauung (eines menschlichen Verstandes und Willens) dem Begriff der Kausalitt Gottes zu unterlegen. Dieses Denkenkçnnen der Kausalitt Gottes nach einer Analogie wiederum ist zureichend fr eine praktische Erkenntnis Gottes, die nicht darin besteht, mittels der Eigenschaften, die Gott nach der Analogie zugesprochen werden, die Natur Gottes zu bestimmen, sondern vielmehr darin, uns Menschen als moralische Vernunftwesen durch diese Erkenntnis zu bestimmen. Die Methode der Analogie ist ein Weg, Vernunftbegriffe zumindest denken und verstehen zu kçnnen. Die Symbolisierung der entsprechenden Begriffe ist dabei jeweils Resultat einer Analogie. Somit ist auch die eigentliche hermeneutische Funktion bei der Methode der Analogie zu sehen.312 Allerdings kann die Zusammenfassung des abstrakten doppelten Geschfts der Urteilskraft im Symbol als eine lebendige und eben anschauliche Darstellung des analogischen Reflexionsvorgangs interpretiert werden, so dass auch die indirekte Darstellung von Begriffen als Ergebnis einer Analogie am hermeneutischen Geschft der Analogie Anteil hat. Vor dem Hintergrund der Rede von einem natrlichen Bedrfnis nach ,Sinnlichhaltbarem‘ in der Religionsschrift wird man sogar sagen mssen, dass nur schwer auf Symbole zu verzichten ist, wenn man Gott nach der Analogie denkt.313 Denn Symbole sind in gewissem Sinne anschauliche Schlssel zu einer im Hintergrund stehenden Analogie. Es ist einfacher, im Wissen um den symbolischen Status der entsprechenden Vorstellungen von einem hçchsten Wesen mit Verstand und Willen zu sprechen, als die im Hintergrund stehende Analogie auszuformulieren. Allerdings kçnnen die entsprechenden Vorstellungen eines menschlichen Verstandes und Willens diese Funktion als anschauliche Schlssel zur Analogie nur dann erfllen, wenn sie entsprechend als Symbole – und nicht als Schemata – verstanden und entschlsselt werden. Es kann somit festgehalten werden: Vor dem Hintergrund der Interpretation verschiedener Texte Kants spricht alles dafr, dass Analogie und 312 Das wird auch durch die beiden Texte aus der Religionsschrift, die in Kapitel 2.3.3 interpretiert wurden, indirekt untersttzt (vgl. RGV, 6: 64,35 – 65,42; 192,18 – 32). Denn auch dort war immer nur von der Analogie oder vom Schematismus der Analogie hinsichtlich des Sichtbarmachens oder Verstndlichmachens von bersinnlichen Beschaffenheiten die Rede. 313 Vgl. dazu erneut RGV, 6: 109,20 – 31.
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Symbol in Kants philosophischer Theologie und Religionsphilosophie immer auch eine hermeneutische Funktion haben.314 Ob es um die Kausalitt Gottes, das Verhltnis Gottes zur Menschheit oder darum geht, dass der Mensch jederzeit unter dem Anspruch eines gçttlichen Gesetzgebers steht – in allen Fllen kann mittels einer Analogie das Unsichtbare anschaulich und damit verstndlich gemacht werden, wobei die Symbolisierung eines Begriffs als Ergebnis der Analogie den komplizierten Prozess des analogischen Verstndlichmachens gewissermaßen in sich in Form einer einzelnen indirekten Darstellung des Begriffs zusammenfasst. Das Symbol ist eine Art anschauliches Konzentrat der Analogie, dessen Bedeutung aber nur in Rckbindung an die Analogie entschlsselt werden kann. Das Verstndlich- und Anschaulichmachen fhrt dabei keinesfalls zu einer theoretischen Erkenntnis der symbolisierten Begriffe. Mit Bezug auf Kants Rede von einer symbolischen Erkenntnis Gottes in KU, § 59 scheint es jedoch einen Zusammenhang zwischen der Symbolisierung der Vernunftidee und der praktischen Erkenntnis Gottes zu geben. Damit komme ich auf die zweite Frage zurck, die am Ende von Kapitel 2.3 formuliert wurde, und die ebenso wie die erste Frage nun weiter konkretisiert werden kann: Wie verhalten sich die vielfltigen religiçsen symbolischen Vorstellungen, von denen Kant in der Religionsschrift spricht, zur symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59? Hat die symbolische Erkenntnis von Gott und seiner Kausalitt aus KU, § 59 denselben epistemologischen Status wie die sinnliche Reprsentation des wahren moralischen Dienstes an Gott in den verschiedenen Formen christlicher Frçmmigkeit oder wie die Vorstellung der dreifachen moralischen Qualitt des Verhltnisses zwischen Gott und Menschheit in der Trinittslehre? Im Hintergrund dieser Frage steht nicht zuletzt die Tatsache, dass in der Forschungsliteratur 314 Ich beschrnke diese These auf Kants philosophische Theologie und Religionsphilosophie, weil der Fokus dieser Arbeit auf bestimmten Texten liegt, die diese Bereiche des Kant‘schen philosophischen Denkens behandeln. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass bei einer Ausweitung der Untersuchung auf weitere Texte sich zeigt, dass Analogie und Symbol bei Kant prinzipiell eine hermeneutische Funktion im Sinne eines Anschaulich- und Verstndlichmachens von nicht-anschaulichen Begriffen haben. Auch Thçnissen spricht im Zusammenhang seiner kursorischen Interpretation von KU, § 59 davon, dass Symbole „der Reflexion als hermeneutische Hilfsmittel“ dienen, „so dass eine Veranschaulichung eines durch direkte Anschauung nie erfassbaren Begriffs ermçglicht wird.“ (Thçnissen 2008, 175). Die Rede von Symbolen als hermeneutischen Hilfsmitteln ist dabei offensichtlich fr ihn darin begrndet, dass es um die Veranschaulichung von Begriffen geht. Vgl. dazu auch Ziche 2005, auf den sich Thçnissen ausdrcklich bezieht.
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meistens allgemein von der Funktion der Analogie und des Symbols in Kants Religionsphilosophie die Rede ist, ohne dass bisher der Versuch unternommen worden wre, zwischen KU, § 59 und der Religionsschrift bzw. zwischen Kants philosophischer Theologie und seiner Religionsphilosophie zu unterscheiden.315 Wenn man in die Methodenlehre der KU und dort besonders in § 87 und in die Allgemeine Anmerkung zur Teleologie blickt, wird klar, dass fr Kant das moralische Argument fr das Dasein Gottes die einzige Mçglichkeit darstellt, mit Hilfe der Vernunft das Problem zu lçsen, dass eine Ethik aus reiner praktischer Vernunft an der Frage nach der Mçglichkeit der Wirklichkeit eines moralischen Endzwecks zu scheitern droht.316 In KU, § 87 konstruiert er den Fall eines „rechtschaffenen Mannes“, der der Auffassung ist, dass es keinen Gott und kein knftiges Leben gebe, aber trotzdem seiner inneren „Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz“ folgen mçchte.317 Kant stellt diesen Menschen vor die Alternative, entweder diese Zweckbestimmung durch das moralische Gesetz, also den moralischen Endzweck als gebotenen Zweck moralischen Handelns, aufzugeben oder eben „in praktischer Absicht […] das Dasein eines m o r a l i s c h e n Welturhebers, d.i. Gottes“ anzunehmen.318 In der Allgemeinen Anmerkung zur Teleologie diskutiert Kant noch einmal zusammenfassend den „Rang“ des moralischen Arguments unter den anderen Argumenten fr das Dasein Gottes in der Philosophie. Dabei macht er deutlich, dass die theoretische Vernunft kein Argument zu fhren vermag, das einen bestimmten Begriff eines hçchsten Wesens zum Ergebnis hat. Die Problematik, wie es mçglich sein kann, den vom moralischen Gesetz gebotenen Endzweck in seinem Handeln anzustreben, fhrt dagegen zu einem „bestimmten B e g r i f f der obersten Ursache als Weltursache nach moralischen Gesetzen“, der als ein Begriff der Moral gleichzeitig ein Begriff ist, der zur Mçglichkeit einer Theologie erforderlich ist.319 In dem Begriff des hçchsten Wesens, der Ergebnis des moralischen Arguments ist, treffen sich somit die Kant’sche Lçsung des Problems der Realisierbarkeit des moralischen Endzwecks mit dem theistischen Gottesbegriff der philosophischen und christlichen Tradition. Kants moralisches Argument ist untrennbar und gewissermaßen exklusiv mit einem theistischen Gottesbegriff ver315 316 317 318 319
Vgl. dazu Kapitel 2.6.1. Vgl. dazu erneut Kapitel 2.2.3. KU, 5: 452,8; 11 – 12. KU, 5: 453,2 – 4. KU, 5: 481,4 – 5.
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bunden. Ein deistischer, apersonaler Gottesbegriff kann die Problematik der Realisierbarkeit des moralischen Endzwecks nicht lçsen. Besonders deutlich wird diese Verbindung von moralischer Teleologie und Theismus in einem der letzten Stze der KU: „Es ist also wohl eine Ethikotheologie mçglich; denn die Moral kann zwar mit ihrer Regel, aber nicht mit der Endabsicht, welche eben dieselbe auferlegt, ohne Theologie bestehen, ohne die Vernunft in Ansehung der letzteren im Bloßen zu lassen.“320
Was Kant in KU, § 59 als „bloß symbolische“ Erkenntnis von Gott bezeichnet, nmlich die Erkenntnis eines hçchsten Wesens, das nach der Analogie mit den Eigenschaften eines Verstandes und Willens als moralischer Welturheber gedacht wird, ist weder verzichtbar noch beliebig, sondern die einzig mçgliche Antwort auf die Problematik der Realisierbarkeit des moralischen Endzwecks.321 Gilt diese Aussage auch fr die in der Religionsschrift genannten symbolischen Vorstellungen praktischer Ideen? Im Zusammenhang mit Kants Deutung der Trinittslehre war die Rede davon, dass die Vorstellung einer dreifachen Persçnlichkeit Gottes eine praktisch notwendige Religionsidee symbolisiere. Diese praktisch notwendige Religionsidee ist das moralische Verhltnis Gottes zur Menschheit. Kant verweist in einer Fußnote auf Vorstellungen der Idee einer dreifachen moralischen Qualitt des hçchsten Wesens außerhalb des Christentums: „Man kann nicht wohl den Grund angeben, warum so viele alte Vçlker in dieser Idee bereinkamen, wenn es nicht der ist, daß sie in der allgemeinen Menschenvernunft liegt, wenn man sich eine Volks- und (nach der Analogie mit derselben) eine Weltregierung denken will. Die Religion des Z o r o a s t e r hatte diese drei gçttlichen Personen: Ormuzd, Mithra und Arihman, die Hi n d u i s c h e den Brahma, Wischnu und Siewen (nur mit dem Unterschiede, daß j e n e die dritte Person nicht bloß als Urheber des b e l s , sofern es Strafe ist, sondern selbst des M o r a l i s c h b ç s e n , wofr der Mensch bestraft wird; d i e s e aber sie bloß als richtend und strafend vorstellt). Die g y p t i s c h e hatte ihre P h t a , K n e p h und N e i t h , wovon, so viel die Dunkelheit der Nachrichten aus den ltesten Zeiten dieses Volks erraten lßt, das erste den von der Materie unterschiedenen Geist, als We l t s c h ç p f e r, das 320 KU, 5: 485,4 – 7. 321 Kants Position ist selbstverstndlich von prinzipiell religionsphilosophisch-systematischen berlegungen zum Verhltnis von Moral und Religion zu unterscheiden. Es mag sein, dass es mçglich ist, eine Ethik aus reiner praktischer Vernunft anders als durch ein moralisches Argument hinsichtlich des hçchsten Guts abzusichern. Diese Diskussion kann aber in einer Studie, die in erster Linie Kants Position zu verstehen sucht, nicht gefhrt werden.
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zweite Prinzip die erhaltende und r e g i e r e n d e Gtigkeit, das dritte die jene einschrnkende Weisheit, d.i. G e r e c h t i g k e i t , vorstellen sollte. Die Go t i s c h e verehrte ihren O d i n (Allvater), ihre F r e y a (auch F r e y e r, die Gte) und T h o r, den richtenden (strafenden) Gott. Selbst die J u d e n scheinen in den letzten Zeiten ihrer hierarchischen Verfassung diesen Ideen nachgegangen zu sein. Denn in der Anklage der Phariser: daß Christus sich einen S o h n G o t t e s genannt habe, scheinen sie auf die Lehre, daß Gott einen Sohn habe, kein besonderes Gewicht der Beschuldigung zu legen, sondern nur darauf, daß Er dieser Sohn Gottes habe sein wollen.“322
Die Vernunftidee einer dreifachen moralischen Qualitt des hçchsten Wesens scheint auf verschiedene Weisen symbolisiert werden zu kçnnen. Zwar haben alle von Kant hier genannten Vorstellungen dieser Idee hnlichkeiten miteinander. Im Gegensatz zur Bestimmung des Begriffs eines hçchsten Wesens, das die Verwirklichung des moralischen Endzwecks garantiert, ist es im Fall der Idee einer dreifachen moralischen Qualitt des hçchsten Wesens jedoch nicht notwendig, dass die Idee auf eine ausschließliche Weise nach der Analogie gedacht wird. hnliches ließe sich fr die Idee der ber den Hang zum Bçsen triumphierenden Menschheit oder ber den wahren moralischen Dienst an Gott sagen. Es spricht im Fall dieser praktischen Vernunftideen nichts dagegen, dass man sie sich auf verschiedene Weise nach einer Analogie denken und dann entsprechend symbolisch vorstellen kann. Somit kann man an dieser Stelle bereits einen Unterschied zwischen der indirekten Darstellung der Eigenschaften eines moralischen Welturhebers aus KU, § 59 und symbolischen Vorstellungen von praktischen Vernunftideen aus der Religionsschrift festhalten: Es gibt Kant zufolge genau eine mçgliche Analogie und entsprechend eine mçgliche Art der Symbolisierung des Begriffs eines hçchsten Wesens, das die Realisierbarkeit des moralischen Endzwecks garantiert, whrend die Symbolisierung anderer praktischer Vernunftideen, die fr Kants Auffassung von Religion eine Rolle spielen, sich verschiedener Vorstellungen bedienen kann. Ein weiterer Unterschied ergibt sich, wenn bedacht wird, dass die praktische Erkenntnis Gottes und die damit verbundene Analogie fr Kant unverzichtbar sind. In Kapitel 2.4.3 bin ich auf eine Fußnote aus der Religionsschrift eingegangen, in der Kant andeutet, dass der Kirchenglaube vielleicht ,immer ntzlich und nçtig‘ ist.323 Dieses Zugestndnis impliziert einerseits eine Aufwertung des Kirchenglaubens; denn er ist als Vehikel, den Religionsglauben zu beleben, mçglicherweise immer ntzlich und 322 RGV, 6: 140,27 – 141,37. 323 Vgl. RGV, 6: 135,36 – 38.
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nçtig. Vergleicht man diese Aussage andererseits mit den Aussagen Kants ber den Begriff eines moralischen Weltturhebers in der KU, wird folgendes klar: Die analogische Vorstellung des hçchsten Wesens als einer Weltursache mit Verstand und Willen hat das Zugestndnis, dass sie womçglich immer ntzlich sei, nicht nçtig, weil sie unverzichtbar ist. Auch wenn sich sowohl fr Kants philosophische Theologie als auch fr seine Religionsphilosophie eine hnliche hermeneutische Funktion von Analogie und Symbol feststellen ließ, bestehen also Unterschiede hinsichtlich des jeweiligen Status der Analogien und Symbole, mit denen bestimmte Ideen veranschaulicht werden. Diese Unterschiede lassen sich als Symptome einer wichtigen Eigenart der symbolischen Erkenntnis von Gott verstehen. Diese Eigenart der symbolischen Erkenntnis von Gott gegenber der Flle symbolischer Vorstellungen, wie Kant sie in der Offenbarungsreligion des Christentums diagnostiziert, besteht darin, dass es sich um eine praktische Erkenntnis Gottes handelt, whrend die anderen symbolischen Vorstellungen sich nicht ausdrcklich auf eine Erkenntnis Gottes beziehen. Man kann zwar sagen, dass wir z. B. durch die Vorstellung einer Jungfrauengeburt die praktische Idee der ber ihre sinnlichen Neigungen triumphierenden Menschheit fr uns praktisch erkennen. Aber die praktische Erkenntnis dieser Idee ist eben keine Erkenntnis Gottes. Wir mssen, was den jeweiligen Status der nach der Analogie gedachten und symbolisierten Begriffe betrifft, immer bercksichtigen, welcher Begriff zu welchem Zweck analogisch gedacht oder symbolisiert wird. Kant fhrt in KU, § 59 das Verfahren der Symbolisierung zwar im Kontext der Problematik ein, wie Vernunftbegriffen Realitt verschafft werden kann. Er spricht aber im § 59 davon, dass unsere Sprache voller indirekter Darstellungen von Begriffen nach einer Analogie sei.324 Diese Vielfalt von Symbolen in unserer Sprache schließt die allgemeine Funktion des Symbols ein, dass wir uns dadurch jeweils Begriffe auf indirekte Weise anschaulich machen. Der Hinweis auf diese Vielfalt und die Beispiele, die Kant anfhrt („Grund“, „abhngen“ etc.) zeigen jedoch auch, dass nicht jedes Symbol einen Vernunftbegriff vom Rang einer der drei transzendentalen Vernunftideen indirekt darstellt und dass man auch nicht bei jedem Symbol annehmen muss, dass wir mittels der dargestellten Begriffe etwas in praktischer Rcksicht erkennen. Gerade bei den in § 59 genannten Beispielen scheint es eher um das von Kant in der Religionsschrift genannte Bedrfnis nach ,Sinnlichhaltbarem‘ zu gehen, dem wir mit den von Kant genannten symbolischen Ausdrcken nachkommen. Die symbolischen 324 Vgl. KU, 5: 352,25 – 28.
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Ausdrcke helfen uns, den symbolisierten Begriff, von dem wir keine gewçhnlichen Anschauungen haben, besser zu verstehen. Bei den Beispielen symbolischer Vorstellungen im Christentum aus der Religionsschrift gilt hingegen, dass sie jeweils eine praktische Idee darstellen. In diesen Fllen religiçser symbolischer Vorstellungen kann man also davon ausgehen, dass wir durch die indirekt dargestellten praktischen Begriffe zu entsprechenden praktischen Erkenntnissen gelangen – auch wenn es sich nicht um eine Erkenntnis Gottes handelt – und uns selbst als moralische Vernunftwesen durch diese Erkenntnis bestimmen. Die ,bloß symbolische‘ Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 ist gegenber allen symbolischen Vorstellungen von praktischen Religionsideen, die in der Religionsschrift genannt werden, somit dadurch ausgezeichnet, dass wir uns als moralische Vernunftwesen ohne die Annahme eines auf bestimmte Weise gedachten hçchsten Wesens nicht selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen kçnnen. Die Vernunftidee eines hçchsten Wesens hat fr Kant fundamentale Bedeutung fr eine rationale Ethik. Auch wenn die Grundlage der praktischen Erkenntnis von Gott das moralische Argument ist, gibt es einige Aussagen Kants, welche die Analogie dabei nicht einfach nur als eine sekundre anschauliche Zugabe zum moralischen Argument erscheinen lassen: „Aber nach der Analogie mit einem Verstande kann ich, ja muß ich mir wohl in gewisser anderer Rcksicht selbst ein bersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch theoretisch erkennen zu wollen; wenn nmlich diese Bestimmung seiner Kausalitt eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige, aber fr Sinnenwesen unausfhrbare Absicht enthlt: da alsdann ein Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalitt mçglich ist, welches in praktischer Beziehung, aber auch n u r i n R c k s i c h t a u f d i e s e (als moralische) alle erforderliche Realitt hat.“325
Auch in den Prolegomena und in der Preisschrift spricht Kant von einer Erkenntnis Gottes nach der Analogie. 326 Im Zitat aus der KU lsst sich die Zusammengehçrigkeit von moralischem Argument und Analogie besonders gut rekonstruieren. Wenn man die Aussage des Satzes rekonstruiert, lsst sich eine konditionale Aussage erkennen: Wenn die Bestimmung der Kausalitt des hçchsten Wesens eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch-notwendige und fr Sinnenwesen un325 KU, 5: 484,31 – 485,3. 326 Vgl. Prol, 4: 357,8 – 29; FM, 20: 279,25 – 280,20. Vgl. dazu auch die Kapitel 2.3.1 und 2.3.2.
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ausfhrbare Absicht, nmlich den moralischen Endzweck, voraussetzt, dann kann ich oder muss ich sogar ein bersinnliches Wesen nach der Analogie mit einem Verstand denken, ohne das bersinnliche Wesen dadurch theoretisch erkennen zu wollen.
Kant sagt hier deutlich, dass wir uns mit Bezug auf das Antecedens der Aussage ein bersinnliches Wesen nach der Analogie mit einem Verstand denken mssen. Erst das Denken eines hçchsten Wesens mit Eigenschaften, die wir in eine Analogie mit menschlichen kausalen Eigenschaften bringen kçnnen, ermçglicht die Lçsung des Problems, dass der vom moralischen Gesetz gebotene Endzweck in der Welt womçglich nicht verwirklicht werden kann. Die hermeneutische Funktion, die Analogien und Symbole in Kants philosophischer Theologie haben, wird somit im Rahmen des moralischen Arguments und des Begriffs eines hçchsten Wesens, auf den das Argument zusteuert, essentiell und unverzichtbar. Warum genau verhlt es sich so? An dieser Stelle komme ich noch einmal auf die sich aus KU, § 59 ergebende Frage zurck, welche Art von Realitt Vernunftbegriffe oder Ideen durch das Verfahren der Analogie und der Symbolisierung bekommen.327 Im gerade zitierten Text aus den letzten Seiten der KU finden wir die ausdrckliche Aussage, dass auf der Grundlage der moralischen Teleologie und des moralischen Arguments eine Erkenntnis Gottes ,durch bloß nach der Analogie an ihm gedachte Eigenschaften und Bestimmungen seiner Kausalitt mçglich ist‘, wobei fr diese Erkenntnis Gottes gilt, dass sie nur in moralisch-praktischer Beziehung ,alle erforderliche Realitt‘ hat.328 Das schon mehrfach zitierte Textstck aus der Preisschrift liefert einen weiteren, allerdings etwas vagen Hinweis auf den Beitrag der Analogie zur Realitt des Begriffs Gottes: „Einen reinen Begriff des Verstandes, als an einem Gegenstande mçglicher Erfahrung denkbar vorstellen, heißt, ihm objective Realitt verschaffen, und berhaupt, ihn darstellen. Wo man dieses nicht zu leisten vermag, ist der Begriff leer, d.i. er reicht zu keinem Erkenntniß zu. Diese Handlung, wenn die objective Realitt dem Begriff geradezu (directe) durch die demselben correspondirende Anschauung zugetheilt, d.i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematism; kann er aber nicht unmittelbar, sondern nur in seinen Folgen (indirecte) dargestellt werden, so kann sie die Symbolisirung des Begriffs genannt werden. Das erste findet bey Begriffen des Sinnlichen statt, das zweyte ist eine Nothhlfe fr Begriffe des bersinnlichen, die also eigentlich 327 Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.2. 328 Der Bezug im Zitat von ,welches‘ auf ,Erkenntnis‘ ist eindeutig, weil der grammatikalisch mçgliche Bezug auf ,Dasein‘ inhaltlich keinen Sinn ergibt.
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nicht dargestellt, und in keiner mçglichen Erfahrung gegeben werden kçnnen, aber doch nothwendig zu einem Erkenntnisse gehçren, wenn es auch blos als ein praktisches mçglich wre.“329
Kant trifft hier – hnlich wie im ersten Absatz von KU, § 59 – keine eindeutige Aussage darber, welche Art von Realitt symbolisch dargestellten Begriffen des bersinnlichen zukommt. Es ist nur von einer ,Nothilfe‘ die Rede, die sich aber genau auf den Umstand zu beziehen scheint, dass Begriffen des bersinnlichen nicht durch Schemata objektive Realitt verschafft werden kann. Was genau impliziert diese Nothilfe? Diese Frage lsst sich mit der Interpretation eines Abschnitts aus der KpV beantworten: „Zu jedem Gebrauch der Vernunft in Ansehung eines Gegenstandes werden reine Verstandesbegriffe (K a t e g o r i e n ) erfodert, ohne die kein Gegenstand gedacht werden kann. Diese kçnnen zum theoretischen Gebrauche der Vernunft, d.i. zu dergleichen Erkenntnis nur angewandt werden, so fern ihnen zugleich Anschauung (die jederzeit sinnlich ist) untergelegt wird, und also bloß, um durch sie ein Objekt mçglicher Erfahrung vorzustellen. Nun sind hier aber I d e e n der Vernunft, die in gar keiner Erfahrung gegeben werden kçnnen, das, was ich durch Kategorien denken mßte, um es zu erkennen. Allein es ist hier auch nicht um das theoretische Erkenntnis der Objekte dieser Ideen, sondern nur darum, daß sie berhaupt Objekte haben, zu tun. Diese Realitt verschafft reine praktische Vernunft, und hiebei hat die theoretische Vernunft nichts weiter zu tun, als jene Objekte durch Kategorien bloß zu d e n k e n , welches, wie wir sonst deutlich gewiesen haben, ganz wohl, ohne Anschauung (weder sinnliche, noch bersinnliche) zu bedrfen, angeht, weil die Kategorien im reinen Verstande unabhngig und vor aller Anschauung, lediglich als dem Vermçgen zu denken, ihren Sitz und Ursprung haben, und sie immer nur ein Objekt berhaupt bedeuten, a u f w e l c h e A r t e s u n s a u c h i m m e r g e g e b e n w e r d e n m a g . Nun ist den Kategorien, so fern sie auf jene Ideen angewandt werden sollen, zwar kein Objekt in der Anschauung zu geben mçglich; es ist ihnen aber doch, d a ß e i n s o l c h e s w i r k l i c h s e i , mithin die Kategorie, als eine bloße Gedankenform, hier nicht leer sei, sondern Bedeutung habe, durch ein Objekt, welches die praktische Vernunft im Begriffe des hçchsten Guts ungezweifelt darbietet, die R e a l i t t d e r B e g r i f f e , die zum Behuf der Mçglichkeit des hçchsten Guts gehçren, hinreichend gesichert, ohne gleichwohl durch diesen Zuwachs die mindeste Erweiterung des Erkenntnisses nach theoretischen Grundstzen zu bewirken.“330
Das in diesem Abschnitt behandelte Problem besteht darin, dass die Vernunft einen Gegenstand immer nur durch die Kategorien denken kann. Damit die Kategorien angewandt werden kçnnen, muss ferner ein Ge329 FM, 20: 279,25 – 280,2. 330 KpV, 5: 136,9 – 35. Vgl. dazu auch KU, 5: 482,16 – 485,3.
2.4 Symbolische Erkenntnis Gottes
401
genstand gegeben sein. Dieses Gegebensein besteht im Bereich der theoretischen Erkenntnis in Anschauungen der Gegenstnde. Die Vernunftideen und insbesondere die Idee Gottes sind aber keine Gegenstnde, die in der Anschauung gegeben werden kçnnen. Somit stellt sich die Frage, auf welche alternative Weise die Gegenstnde der Ideen gegeben werden kçnnen, damit sie durch die Kategorien gedacht werden kçnnen. Kant lçst das Problem auf, indem er konstatiert, dass es ,hier‘ im Unterschied zur theoretischen Erkenntnis lediglich darum gehe, dass die Idee Gottes berhaupt einen Gegenstand hat.331 Diese Realitt ,verschafft‘ die praktische Vernunft im Begriff des hçchsten Guts; denn zur Mçglichkeit des hçchsten Guts gehçren bestimmte Begriffe, wodurch deren Realitt ,hinreichend gesichert‘ ist. Die theoretische Vernunft hat dabei nichts weiter zu tun, als den Gegenstand der Idee Gottes ,durch Kategorien bloß zu denken‘. Auch wenn dadurch der Gegenstand in theoretischer Hinsicht nicht erkannt wird, reicht diese auf praktisch-rationalem Wege ,verschaffte‘ Realitt des Begriffs Gottes aus, dass die Kategorien als bloße Gedankenformen nicht leer sind, sondern Bedeutung haben. Entscheidend ist, dass die Kategorien ,ein Objekt berhaupt bedeuten, auf welche Art es uns auch immer gegeben werden mag.‘ Wenn der Begriff des hçchsten Guts hinreichend fr die Behauptung der Realitt der Idee Gottes ist und die auf die Idee angewandten Kategorien nicht leer sind, sondern Bedeutung haben, dann impliziert das Gegebensein des Gegenstands eben nicht nur die Existenz, sondern auch bestimmte Eigenschaften dieses Gegenstands. Die Existenz und die Eigenschaften Gottes lassen sich in der KpV wie in der KU nicht voneinander isolieren, weil der Begriff des hçchsten Guts bzw. des moralischen Endzwecks als eine Bedingung seiner realen Mçglichkeit einen bestimmten Begriff eines hçchsten Wesens voraussetzt. Die Bestimmung dieser Eigenschaften impliziert in der KpV, dass wir die Idee Gottes durch Prdikate bestimmen, die wir „von unserer eigenen Natur“ hernehmen, was Kant in direktem Anschluss an dieses Textstck der KpV erwhnt, allerdings ohne ausdrcklich auf die Methode der Analogie einzugehen.332 Vor dem Hintergrund, dass man sich in der Methodenlehre der KU ebenfalls Prdikate ,von unserer eigenen Natur‘ bedient, um Gott nach einer Analogie mit bestimmten Eigenschaften zu denken, ist es jedoch legitim, auch diese Stelle 331 Kant spricht hier zwar allgemein von den Vernunftideen. Ich konzentriere mich in meiner Interpretation jedoch auf die Idee Gottes. 332 KpV, 5: 137,1 – 6.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
aus der KpV so zu interpretieren, dass zur Bestimmung der Eigenschaften des hçchsten Wesens die Methode der Analogie notwendig ist. Hinsichtlich der Bedeutung der Idee Gottes fr Kants praktische Philosophie kçnnen wir somit auf der Grundlage der KU (§ 59 und Methodenlehre) und der Preisschrift festhalten: Die ,Nothilfe‘ der Analogie und der Symbolisierung von bersinnlichen Begriffen ist ein essentieller Bestandteil der sich aus dem moralischen Argument ergebenden praktischen Erkenntnis Gottes. Die ,Nothilfe‘ setzt genau an dem Punkt an, wo die praktische Vernunft mittels des Begriffs des moralischen Endzwecks die Realitt eines Garanten des moralischen Endzwecks postuliert und wir uns die entsprechenden Eigenschaften dieses hçchsten Wesens irgendwie vorstellen mssen. Weil wir keine Anschauungen des postulierten hçchsten Wesens haben, muss eine ,Nothilfe‘ zum Einsatz kommen. Wir kçnnen gewissermaßen nicht anders, als das hçchste Wesen nach der Analogie eines moralischen Welturhebers mit den Eigenschaften Verstand und Wille zu denken und dadurch uns selbst als moralische Vernunftwesen zu bestimmen. Daraus ergibt sich der besondere Status, den die symbolischen Vorstellungen des hçchsten Wesens als ein moralischer Welturheber mit Verstand und Willen im Unterschied zu den symbolischen Vorstellungen etwa der Dreieinigkeit oder der Jungfrauengeburt haben. Dieser besondere Status impliziert, dass die Vorstellung des hçchsten Wesens in der Konsequenz des moralischen Arguments als personaler, moralischer Welturheber nicht austauschbar gegen andere mçgliche symbolische Vorstellungen ist; weiterhin impliziert dieser besondere Status, dass die analogischsymbolische Vorstellung des hçchsten Wesens als ein moralischer Welturheber nicht mçglicherweise immer ntzlich und nçtig ist – wie symbolische Vorstellungen, die zum Kirchenglauben gehçren –, sondern grundstzlich zur subjektiv-praktischen Notwendigkeit der Annahme eines hçchsten Wesens dazugehçrt. 2.4.5 Zusammenfassung Ich habe dieses Kapitel unter zwei Leitfragen gestellt. Die erste Frage lautete: Hat das Verfahren der Symbolisierung bei der Erkenntnis Gottes, wie es in KU, § 59 beschrieben wird, dieselbe Funktion wie das Anschaulichmachen des Begriffs der Liebe Gottes oder des wahren moralischen Dienstes an Gott in der Religionsschrift? Kçnnen wir also hinsichtlich des fr Kants Symbolbegriff zentralen Textes aus KU, § 59 ebenso wie mit
2.4 Symbolische Erkenntnis Gottes
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Blick auf die Texte aus der Religionsschrift von einer „hermeneutischen“ Funktion des Symbols sprechen? Die zweite Frage ergibt sich aus der ersten: Wie verhalten sich die vielfltigen religiçsen symbolischen Vorstellungen, von denen Kant in der Religionsschrift spricht, zur symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59? Hat die symbolische Erkenntnis von Gott und seiner Kausalitt aus KU, § 59 denselben epistemologischen Status wie die sinnliche Reprsentation des wahren moralischen Dienstes an Gott in den verschiedenen Formen christlicher Frçmmigkeit oder wie die Vorstellung der dreifachen moralischen Qualitt des Verhltnisses zwischen Gott und Menschheit in der Trinittslehre? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mich in diesem Kapitel v. a. Texten aus der Religionsschrift zugewendet. Im Kapitel 2.4.1 habe ich dabei zunchst das Verhltnis von Kants philosophischer Theologie und seinem Religionsbegriff bestimmt. Der Kant’sche Religionsbegriff als ,Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote‘ hat sowohl die Erkenntnis unserer Pflicht als Pflicht oder eine Ethik aus reiner praktischer Vernunft als auch die philosophisch-theologische Erkenntnis eines moralischen Welturhebers zur Voraussetzung. Die Rede von einer Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote habe ich dabei im Sinne eines Verstehens oder Deutens unserer moralischen Pflichten im Lichte der philosophischen Theologie interpretiert. In der Religion gelangen wir zu einer Art Einstellung gegenber unseren Pflichten, die uns hoffen lsst, dass mit dem Bemhen um einen sittlichen Lebenswandel alles Menschenmçgliche getan ist, weil die Mçglichkeit der Wirklichkeit des moralischen Endzwecks einem moralischen Welturheber berlassen werden kann. Kant unterscheidet in der Religionsschrift ferner zwischen Offenbarungsreligion und natrlicher oder Vernunftreligion in zwei Rcksichten. In historisch-genetischer Perspektive zeichnet sich eine Offenbarungsreligion dadurch aus, dass die berzeugung, dass es meine Pflicht ist, eine Handlung zu tun, dadurch intern gerechtfertigt wird, dass es ein gçttliches Gebot ist, eine Handlung zu tun. Eine Vernunftreligion besteht in dieser Perspektive darin, dass die berzeugung, dass es gçttliches Gebot ist, eine Handlung zu tun, dadurch intern gerechtfertigt wird, dass es meine moralische Pflicht ist, eine Handlung zu tun. In einer anderen, nmlich epistemologischen Rcksicht wird dagegen eine historische Religion dahingehend untersucht, ob sich ihre berzeugungen extern bzw. praktischrational rechtfertigen lassen oder nicht. Fr eine Offenbarungs- oder gelehrte Religion gilt dabei, dass sich ihre berzeugungen nicht rational, sondern nur mit Hinweis auf eine bernatrliche gçttliche Offenbarung oder auf die Autoritt von heiligen Schriften oder berufenen Schriftge-
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lehrten rechtfertigen lassen. Die berzeugungen einer natrlichen Religion in epistemologischer Rcksicht lassen sich dagegen extern bzw. praktischrational rechtfertigen. Das Christentum ist fr Kant in historisch-genetischer Perspektive eine Offenbarungsreligion, deren berzeugungen sich hinsichtlich ihres epistemologischen Status in berzeugungen einer Vernunft- und in berzeugungen einer gelehrten Religion unterscheiden lassen, was Kant in der Vorrede zur Religionsschrift mit dem Bild der beiden konzentrischen Kreise anschaulich beschreibt. Dabei bezeichnet er diejenigen Glaubenslehren, die zur natrlichen Religion im epistemologischen Sinn gehçren, als „Religionsglauben“ und diejenigen Glaubenslehren, die zur gelehrten Religion im epistemologischen Sinn gehçren, als „Kirchenglauben“. Durch diese Unterscheidung ist es Kant mçglich, eine angemessene philosophische Untersuchung historischer Religionen wie des Christentums und damit ,philosophische Religionslehre‘, wie Kant es nennt, oder Religionsphilosophie zu betreiben.333 In Kapitel 2.4.2 habe ich einige Kennzeichen von Symbolen oder symbolischen Vorstellungen herausgearbeitet, wie Kant sie in der Religionsschrift einfhrt: Symbole sind demnach historisch kontingente, austausch- und wandelbare anschauliche Vorstellungen praktischer Begriffe. Kant benennt einerseits konkrete symbolische Vorstellungen (wie die Jungfrauengeburt, Vorstellung des Weltendes etc.), andererseits sieht er den Kirchenglauben als Ganzes als symbolische Darstellung des Religionsglaubens an. Wenn Kant in diesem Kontext von symbolischen Vorstellungen spricht, handelt es sich um die anschauliche Seite von bestimmten berzeugungen der christlichen Glaubenslehre. hnlich wie in KU, § 59 scheinen Symbole Anschauungen zu sein, die etwas Intellektuelles oder genauer: einen praktischen Begriff indirekt darstellen. Es spricht des Weiteren alles dafr, dass auch in der Religionsschrift Symbolen Analogien zugrunde liegen. Nicht zuletzt kann man anfhren, dass Kant in der inhaltlich fr den Symbolbegriff in der Religionsschrift wichtigen Fußnote aus dem Zweiten Stck vom Schematismus der Analogie spricht (siehe dazu Kapitel 2.3.3). Die Vorstellungen des Kirchenglaubens sind einerseits offen fr eine theoretisch-buchstbliche Auslegung, die Kant als anthropomorphistisch ablehnt. Andererseits ist es mçglich, die Vorstellungen als symbolische Vorstellungen und Darstellungen von praktischen Ideen zu deuten. Legt man die christliche Glaubenslehre entsprechend moralisch aus, ist allerdings nur die praktisch-rationale Bedeutung der symbolischen Vorstel333 Vgl. RGV, 6: 10,20 – 27.
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lungen verstndlich, whrend die theoretische Bedeutung dieser Vorstellungen als ein ,Geheimnis‘ unverstndlich bleibt. Die Rede davon, dass eine bestimmte biblische Vorstellung eine symbolische Bedeutung ,annimmt‘, impliziert, dass der entsprechenden Vorstellung durch die moralischpraktische Interpretation ein ,intellektueller Sinn‘ unterlegt wird, der nicht von selbst in dieser Vorstellung enthalten ist, dieser Vorstellung aber unterlegt werden kann. Fr Kant erfordert der Kirchenglaube des Christentums einen bestimmten Umgang, der erstens darin besteht, dass der Religionsglaube der Ausleger des Kirchenglaubens ist. Aufgrund dieser Auslegung ist es mçglich, dass man bestimmte Vorstellungen, die mit christlichen Glaubenslehren verbunden sind, als symbolische Darstellungen von Inhalten eines reinen praktischen Religionsglaubens verstehen kann. Diejenigen berzeugungen des Christentums, die sich nur mit Verweis auf eine vermeintliche bernatrliche Offenbarung, auf heilige Schriften oder Gelehrsamkeit extern rechtfertigen lassen, kçnnen somit prinzipiell als symbolische Darstellungen von Inhalten des reinen Religionsglaubens bzw. von praktischen Ideen interpretiert werden. Zweitens lsst sich der angemessene Umgang mit dem Kirchenglauben so charakterisieren, dass man ihm die Funktion eines ,Vehikels‘ einrumt. Mit diesem Ausdruck verdeutlicht Kant, dass der Kirchenglaube moralisch nur dann interessieren kann, wenn er den Menschen motiviert, dem Religionsglauben gemß zu leben. Wenn wir die Bibel auf moralische Weise interpretieren, dann interessiert die theoretisch-anschauliche Dimension der Rede z. B. von der Jungfrauengeburt nicht mehr in ihrer Bedeutung fr eine vermeintlich theoretische Erkenntnis, bleibt aber als Bestandteil einer nunmehr symbolischen Vorstellung erhalten – und das ist fr die hermeneutische Funktion des Kirchenglaubens offensichtlich von Bedeutung. Denn fr diese Motivation, Belebung oder auch Befçrderung des Religionsglaubens scheint gerade die anschauliche Seite einer symbolischen Vorstellung verantwortlich zu sein. Ebenfalls in der Religionsschrift spricht Kant davon, dass es ein natrliches Bedrfnis aller Menschen sei, zu Vernunftbegriffen und Grnden immer auch etwas ,Sinnlichhaltbares‘ bzw. eine ,Erfahrungsbesttigung‘ zu verlangen. Diese Aussage aus dem Dritten Stck hat in Kapitel 2.4.3 eine genauere Beschreibung des epistemologischen Status symbolischer Vorstellungen in der Religionsschrift veranlasst. Weil wir unsere Erkenntnisse ber die Welt zu einem großen Teil ber Anschauungen gewinnen, bertragen wir die mit diesem Erkenntnisweg verbundenen Ansprche auch auf Entitten wie ein hçchstes Wesen, das aber kein Gegenstand der
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sinnlichen Welt ist. Das Verfahren der Symbolisierung von Begriffen bzw. die Interpretation von bestimmten Vorstellungen einer Glaubenslehre als symbolische Vorstellungen kommt nun genau diesem natrlichen Bedrfnis entgegen, ohne dass der Anspruch erhoben werden drfte, die Symbolisierung kçnne uns eine theoretische Erkenntnis eines Gegenstands ermçglichen. Kant spricht davon, dass wir uns mittels des Schematismus der Analogie bestimmte ,bersinnliche Beschaffenheiten‘ lediglich ,fasslich‘ oder verstndlich machen. Sich ,bersinnliche Beschaffenheiten‘ verstndlich zu machen und sich Vernunftbegriffe auf analogisch-symbolische Weise anschaulich zu machen, sind also zwei Seiten derselben Medaille. In diesem analogischsymbolischen Anschaulichmachen von Vernunftbegriffen besteht genauerhin die hermeneutische Funktion symbolischer Vorstellungen. Zusammen mit der Funktion als ,Vehikel‘ fr den Religionsglauben, die Kant symbolischen Vorstellungen zuweist, lsst sich mit diesen beiden Funktionen der epistemologische Status symbolischer Vorstellungen in der Religionsschrift positiv umreißen. Aus beiden Funktionen ergab sich die Frage, auf welche Weise genau symbolische Vorstellungen Kants Auffassung nach zu einer historischen Religion dazugehçren. Sind symbolische Vorstellungen entbehrlich oder unentbehrlich zur Fçrderung des Religionsglaubens? Eine Interpretation einer Fußnote aus dem Dritten Stck hat gezeigt, dass der Kirchenglaube ein mçglicherweise immer unentbehrliches und unverzichtbares ,Vehikel‘ ist. In Kapitel 2.4.4. habe ich schließlich versucht, auf der Grundlage der vorangegangenen Kapitel die beiden zu Beginn dieser Zusammenfassung genannten Fragen zu beantworten. Die erste Frage habe ich so beantwortet, dass wir davon ausgehen kçnnen, dass sowohl in der KU als auch in der Religionsschrift Symbole eine hermeneutische Funktion haben. Ob es sich dabei um die Jungfrauengeburt oder die indirekte Darstellung des Begriffs der Kausalitt Gottes handelt – in allen Fllen ist die Methode der Analogie der Weg, einen praktischen Begriff denken und verstehen zu kçnnen. Somit liegt die eigentliche hermeneutische Leistung bei der Analogie, wobei die Symbolisierung eines Begriffs als Ergebnis der Analogie den komplizierten Prozess des analogischen Verstndlichmachens in Form einer einzelnen indirekten Darstellung des Begriffs zusammenfasst. Das Symbol dient als eine Art anschauliches Erinnerungszeichen an die dem Symbol zugrunde liegende relativ abstrakte Analogie, dessen Bedeutung aber nur in Rckbindung an die Analogie entschlsselt werden kann. Die zweite Frage nach dem Verhltnis der symbolischen Erkenntnis von Gott zu den symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift wurde
2.5 Zusammenfassung des zweiten Teils
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zunchst mit dem Hinweis beantwortet, dass jeweils zu bercksichtigen ist, welcher Begriff zu welchem Zweck analogisch gedacht oder symbolisiert wird. In KU, § 59 handelt es sich um eine praktische Erkenntnis Gottes whrend die symbolischen Vorstellungen aus der Religionsschrift sich nicht ausdrcklich auf eine Erkenntnis Gottes beziehen. Was die ,bloß symbolische‘ Erkenntnis von Gott in § 59 gegenber allen symbolischen Vorstellungen von praktischen Religionsideen in der Religionsschrift auszeichnet, ist die Tatsache, dass wir uns ohne die Annahme eines auf bestimmte Weise gedachten hçchsten Wesens nicht selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen kçnnen. Die Idee eines analogisch als moralischer Welturheber gedachten hçchsten Wesens hat fr Kant fundamentale Bedeutung fr eine rationale Ethik. Aus dieser Eigenart des symbolisierten Begriffs ergibt sich der besondere Status, den die symbolische Erkenntnis Gottes hat. Die hermeneutische Funktion der symbolischen Vorstellung eines moralischen Welturhebers wird auf der Grundlage der moralischen Teleologie und des moralischen Arguments essentiell und prinzipiell unverzichtbar. Genau das gilt fr die hermeneutische Funktion der symbolischen Vorstellungen praktischer Begriffe in der Religionsschrift nicht. Diese symbolischen Vorstellungen sind vernderbar und nur mçglicherweise immer ntzlich und nçtig. Symbole haben je nach dem Begriff, den sie indirekt darstellen, einen unterschiedlichen Status. Schließlich wurde dieser Status hinsichtlich der praktischen Erkenntnis Gottes noch dahingehend besttigt, dass die ,Nothilfe‘, die Analogie und Symbolisierung von bersinnlichen Begriffen laut der Preisschrift leisten, essentieller Bestandteil der sich aus dem moralischen Argument ergebenden praktischen Erkenntnis Gottes ist, wodurch wir uns selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen. Erst durch die Analogie kann der bersinnliche Begriff eines hçchsten Wesens so gedacht werden, dass es als moralischer Welturheber Mçglichkeitsbedingung des moralischen Endzwecks ist.
2.5 Zusammenfassung des zweiten Teils Das Ziel des zweiten Teils dieser Arbeit war, die Interpretationsergebnisse des ersten Teils zu Kants Analogie- und Symbolbegriff auf die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott und von symbolischen Vorstellungen in Kants philosophischer Theologie und Religionsphilosophie anzuwenden. Als zentrale Ergebnisse dieses zweiten Teils mçchte ich folgende festhalten:
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
1. Im Zentrum von Kapitel 2.2 stand die Interpretation von KU, § 59 [4.8].334 Der Satz bringt ein Argument zum Ausdruck, das ich folgendermaßen rekonstruiert habe: (1) Man darf eine symbolische Vorstellungsart, die ein Prinzip der praktischen Bestimmung ist, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist, Erkenntnis nennen. (2) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist ein Prinzip der praktischen Bestimmung, was die Idee Gottes fr uns bedeutet und was ihr zweckmßiger Gebrauch ist. (3*) Also darf man die symbolische Vorstellungsart Gottes Erkenntnis nennen. (4*) Die symbolische Vorstellungsart Gottes ist eine praktische Erkenntnis Gottes. (5*) Die praktische Erkenntnis Gottes ist die einzige Erkenntnis Gottes. (6*) Also ist die symbolische Vorstellungsart Gottes die einzige Erkenntnis Gottes. (7) Also ist alle unsere Erkenntnis von Gott bloß symbolisch.
Ein wichtiges Ergebnis dieses zweiten Teils ist, dass die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott Kants philosophische Theologie aus der Methodenlehre der KU voraussetzt. Das wird auch in der Rekonstruktion des Arguments sichtbar. Die Aussage von KU, § 59 [4.8] ist nur verstndlich, wenn man weiß, dass Kant hier auf die moralische Teleologie und das moralische Argument fr das Dasein Gottes aus der Methodenlehre vorgreift. Daraus erhellt zweierlei: Erstens fhrt Kant mit der Rede von einer symbolischen Erkenntnis Gottes keine neue Erkenntnisart Gottes im Vergleich mit der praktischen Erkenntnis Gottes ein, von der die Methodenlehre handelt. Die symbolische Erkenntnis Gottes ist eine praktische symbolische Erkenntnis von Gott. Zweitens macht die Attribution als symbolische Erkenntnis deutlich, dass Symbole und damit die indirekte Darstellung der Idee Gottes zur praktischen Erkenntnis Gottes hinzugehçren. 2. Der Blick in die Methodenlehre der KU in Kapitel 2.2 hat gezeigt, dass Kant dort anstelle von einer symbolischen Erkenntnis Gottes davon spricht, dass wir das hçchste Wesen nach einer Analogie mit einem moralischen Welturheber mit Verstand und Willen denken bzw. in praktischer Rcksicht erkennen. Auch in den Prolegomena, der Preisschrift und der Religionsschrift bringt Kant die praktische Erkenntnis Gottes in erster Linie 334 Vgl. KU, 5: 353,2 – 12.
2.5 Zusammenfassung des zweiten Teils
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mit einer Analogie in Verbindung. Somit ist plausibel, dass auch die symbolische Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 auf einer Analogie aufbaut. Die Realitt des hçchsten Wesens ist durch die unbedingte Forderung der praktischen Vernunft gewhrleistet, den moralischen Endzweck in seinem Handeln anzustreben. Dieses hçchste Wesen muss jedoch so gedacht und vorgestellt werden, dass es Seinsgrund der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks ist. Genau dazu dient die ,Nothilfe‘, wie Kant es in der Preisschrift formuliert, der Analogie und der Symbolisierung von ,bersinnlichen Begriffen‘ und somit sind die Methode der Analogie und der Symbolisierung essentielle Bestandteile der praktischen Erkenntnis Gottes. Die symbolischen Vorstellungen der Kausalitt Gottes in Form eines gçttlichen Verstandes und Willens haben dabei nicht die erkenntniskonstitutive Funktion, die Anschauungen bei der Erkenntnis empirischer Gegenstnde haben. Dennoch ist die Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott insofern legitim, als wir durch die symbolischen Vorstellungen eine indirekte Darstellung der Kausalitt Gottes erhalten und diese indirekte Darstellung auf der entsprechenden Analogie und dem moralischen Argument beruht – wodurch wir zwar nur zu einer praktischen Erkenntnis Gottes ,fr uns‘ gelangen, die jedoch ausreicht, um uns durch diese Erkenntnis als moralische Vernunftwesen selbst zu bestimmen. Mit Blick auf die Prolegomena erscheint die symbolische Erkenntnis oder der symbolische Anthropomorphismus hinsichtlich des hçchsten Wesens als eine Art Mittelweg zwischen Anthropomorphismus und Deismus, wodurch es mçglich ist, einerseits Theist zu sein, und andererseits die Erkenntnis dieses hçchsten Wesens von der Erkenntnis von Gegenstnden der sinnlichen Anschauung zu unterscheiden. Die Mçglichkeit, Begriffe symbolisieren zu kçnnen, ist somit wesentlich fr diese Unterscheidung und fr Kants philosophische Theologie insgesamt. 3. Weil es die Analogie und erst im Gefolge der Analogie die Symbolisierung des Begriffs Gottes ist, welche uns den Begriff des hçchsten Wesens in praktischer Hinsicht denken lsst, msste man eigentlich mit Blick auf KU, § 59 eher von einer analogischen anstatt von einer symbolischen Erkenntnis Gottes sprechen. Das wird nicht zuletzt darin deutlich, dass Kant in den in Kapitel 2.3 interpretierten Textstellen fast immer von einem „Denken Gottes nach der Analogie“ oder von einer „Erkenntnis nach der Analogie“ spricht. Die Attribution der Erkenntnis Gottes als ,bloß symbolisch‘ in KU, § 59 ist einmalig in Kants Werken. Wie bereits im ersten Teil dieser Arbeit deutlich wurde, ist diese Attribution zwar legitim, weil sich die Symbolisierung von Begriffen aus der Methode der Analogie ergibt. Aber wenn man sich entscheiden msste, ob die praktische Er-
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
kenntnis Gottes eher als eine symbolische Erkenntnis oder als eine Erkenntnis nach der Analogie zu bezeichnen ist, msste man vor dem Hintergrund der Kant’schen Theorie fr Letzteres pldieren. Das Symbolische der Erkenntnis Gottes verdankt sich der Analogie. 4. Die Absicht, dem hçchsten Wesen die Eigenschaften des Verstandes und des Willens zuzusprechen, besteht nach Kant nicht in einer theoretischen Erkenntnis des hçchsten Wesens, sondern vielmehr darin, durch die Eigenschaften ,uns selbst und unseren Willen zu bestimmen‘. Diese Aussage aus KU, § 88 habe ich in einem moralisch-existentiellen Sinn gedeutet: Wir denken uns einen moralischen Welturheber mit der Absicht, uns als moralische Vernunftwesen verstehen zu kçnnen, die auf die ,Verheißung‘ des moralischen Gesetzes vertrauen. Die Alternativen zu dieser Selbstbestimmung wren entweder Verzweiflung oder die Ablehnung des moralischen Gesetzes als einer Vorschrift, die etwas gebietet, das wir nicht umsetzen kçnnen. Kants Religionsbegriff, wie er in Kapitel 2.4 analysiert wurde, schließt an diese Eigenart seiner philosophischen Theologie an. Religion als ,Erkenntnis aller unserer Pflichten als gçttlicher Gebote‘ ist eine Deutung unserer moralischen Pflichten, deren Geltung unabhngig von Gott ist, im Licht der Annahme der Existenz eines moralischen Welturhebers. In der Religion gelangen wir zu einer Art Einstellung gegenber unseren Pflichten, die uns hoffen lsst, dass mit dem Bemhen um einen sittlichen Lebenswandel alles Menschenmçgliche getan ist, weil die Mçglichkeit der Wirklichkeit des moralischen Endzwecks einem moralischen Welturheber berlassen werden kann. 5. Die Interpretation von Texten aus den Prolegomena, der Preisschrift und der Religionsschrift in den Kapiteln 2.3 und 2.4 hat das Verstndnis von Analogie und Symbol im Kontext von Kants philosophischer Theologie und Religionsphilosophie um wichtige Erkenntnisse bereichert. Die Untersuchung der Religionsschrift hat dabei gezeigt, dass es fr Kant nicht nur eine analogische Erkenntnis oder symbolische Vorstellung der Idee Gottes gibt, sondern dass er eine ganze Reihe von Vorstellungen, die mit berzeugungen der christlichen Glaubenslehre verbunden sind, als symbolische Vorstellungen von praktischen Begriffen oder ,Religionsideen‘ deutet. Bestimmte Vorstellungen wie z. B. die Ankndigung der Nhe des Weltendes kçnnen nach Kant eine symbolische Bedeutung annehmen, wenn man sie moralisch interpretiert. Kant rechnet die symbolische Vorstellung von solchen praktischen Begriffen dem Kirchenglauben zu, der fr ihn nicht das Wesentliche der Religion ausmacht, der jedoch, wenn er in das richtige Verhltnis zum Religionsglauben gesetzt wird, eine wichtige Funktion hat.
2.5 Zusammenfassung des zweiten Teils
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6. Als Funktion des Symbols wurde im Kapitel 1.7.3 angenommen, dass symbolische Vorstellungen auf lebendige und anschauliche Weise den relativ abstrakten Vorgang des analogischen Denkens eines Begriffs darstellen. Diese Vermutung hat sich im zweiten Teil besttigt. In den Prolegomena spricht Kant von einem ,symbolischen Anthropomorphismus‘ bezglich der Erkenntnis des hçchsten Wesens. Damit meint er, dass wir nur ber Gott sprechen, als ob er bestimmte Eigenschaften htte. Die Preisschrift spricht von einer ,Nothilfe‘ fr Begriffe des bersinnlichen durch die Symbolisierung. In der Religionsschrift heißt es, dass der ,Schematismus der Analogie‘ zum Zweck der Erluterung oder des Verstndlichmachens von ,bersinnlichen Beschaffenheiten‘ unentbehrlich ist. Die Rede vom Schematismus der Analogie hat dabei auch gezeigt, dass Kant in der Religionsschrift wie in der KU Analogien als Grundlage von Symbolen annimmt. Der Schematismus der Analogie ist ein notwendiges Mittel, uns eine Vorstellung davon zu machen, was es z. B. heißt, dass Gott die Menschen liebt. Deswegen habe ich im Kapitel 2.3 auch davon gesprochen, dass symbolische Vorstellungen und damit auch die Analogie fr Kant eine hermeneutische Funktion hinsichtlich ,bersinnlicher Beschaffenheiten‘ wie z. B. Eigenschaften des hçchsten Wesens haben. Diese hermeneutische Funktion ließ sich noch durch eine Textstelle aus dem Dritten Stck der Religionsschrift unterstreichen, wo davon die Rede ist, dass es ein natrliches Bedrfnis aller Menschen sei, zu Vernunftbegriffen und Grnden immer auch etwas ,Sinnlichhaltbares‘ zu verlangen. Der Kirchenglauben bzw. die symbolische Vorstellung einer praktischen Idee kommt genau diesem natrlichen Bedrfnis entgegen. Er motiviert das Subjekt, nach dem Religionsglauben zu leben. Kant bezeichnet diese Funktion des Kirchenglaubens und damit auch symbolischer Vorstellungen in historischen Religionen als die Funktion eines ,Vehikels‘ zur Befçrderung des Religionsglaubens. Diese hermeneutische Funktion hat der Kirchenglaube aber nur insofern, als er durch den Religionsglauben bzw. moralisch interpretiert wird und er dadurch eine symbolische Bedeutung annimmt. 7. Im Lauf des Kapitels 2.3 und 2.4 haben sich zwei Fragen herauskristallisiert, die beide den Vergleich der symbolischen Vorstellungen aus der Religionsschrift mit der Rede von der symbolischen Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 betreffen. Die erste Frage nahm die als „hermeneutisch“ bezeichnete Funktion von symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift in den Blick und verglich diese Funktion mit der Funktion des Symbols bei der Erkenntnis Gottes in KU, § 59. Die Frage konnte so beantwortet werden, dass man auf der Grundlage der in dieser Arbeit
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
interpretierten Texte auf jeden Fall davon sprechen kann, dass alle Symbole in Kants Religionsphilosophie und philosophischer Theologie eine hermeneutische Funktion haben. Ob es sich dabei um die symbolischen Vorstellungen eines gçttlichen Verstandes und Willens handelt oder um die Vorstellung einer Jungfrauengeburt – in allen Fllen haben diese Vorstellungen die Aufgabe, uns ,bersinnliche Beschaffenheiten‘ oder praktische Begriffe verstndlich zu machen. Dabei muss man jedoch przisieren, dass die eigentlich hermeneutische Leistung bei der Analogie liegt; denn sie stellt den kognitiven Zusammenhang zwischen zwei vçllig unterschiedlichen Gegenstnden und Verhltnissen her, auf dessen Grundlage das Symbol eines Begriffs den komplizierten Prozess des analogischen Verstndlichmachens in sich zusammenfasst und auf anschauliche Weise zugnglich macht. Das Symbol dient als eine Art anschauliches Erinnerungszeichen an die dem Symbol zugrunde liegende relativ abstrakte Analogie, dessen Bedeutung aber nur in Rckbindung an die Analogie entschlsselt werden kann. Die zweite Frage betraf den epistemologischen Status der symbolischen Vorstellungen aus der Religionsschrift einerseits und der symbolischen Erkenntnis von Gott aus KU, § 59 andererseits. Die Antwort auf die zweite Frage zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen symbolischen Vorstellungen und der symbolischen Erkenntnis von Gott an. Was die ,bloß symbolische‘ Erkenntnis von Gott gegenber allen symbolischen Vorstellungen auszeichnet, ist die Tatsache, dass wir uns ohne die Annahme eines auf bestimmte Weise gedachten hçchsten Wesens nicht selbst als moralische Vernunftwesen bestimmen kçnnen. Aus dieser Eigenart des symbolisierten Begriffs ergibt sich der besondere Status, den die symbolische Erkenntnis Gottes hat. Die symbolischen Vorstellungen des Verstandes und Willens eines moralischen Welturhebers auf der Grundlage des moralischen Arguments und einer entsprechenden Analogie gehçren essentiell zum Begriff des hçchsten Wesens und sind prinzipiell unverzichtbar. Nur ein auf diese Weise gedachtes hçchstes Wesen ist Garant der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks und kann zu unserer Selbstbestimmung als moralische Vernunftwesen dienen. Die symbolischen Vorstellungen aus der Religionsschrift sind dagegen vernderlich und nur mçglicherweise immer ntzlich und nçtig. Es ist nach Kant prinzipiell mçglich, dass z. B. die von der Vorstellung einer Jungfrauengeburt dargestellte Idee einer ihren sinnlichen Antrieben widerstehenden Menschheit durch eine andere symbolische Vorstellung dargestellt werden kann. 8. In der Konsequenz der Interpretation von KU, § 59 sowie der anderen Kant’schen Texte zu Symbol und Analogie habe ich Kants philo-
2.6 Themen der Sekundrliteratur
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sophische Theologie als eine praktisch-hermeneutische philosophische Theologie bezeichnet. Mit dieser Bezeichnung versuche ich, die wichtige Erkenntnis aus diesem zweiten Teil festzuhalten, dass wir uns selbst als moralische Vernunftwesen zu verstehen versuchen, wenn wir auf der Grundlage der moralischen Teleologie nach den Bedingungen dafr fragen, dass der moralische Endzweck eine reale Mçglichkeit in der Welt ist, und so zur Annahme eines moralischen Welturhebers gelangen. Die entsprechende Erkenntnis Gottes in praktischer Rcksicht ist dabei auf bestimmte Erkenntnismittel angewiesen, die ein solches Selbstverstndnis ermçglichen, ohne dass dabei die Grenzen der Vernunft auf illegitime Weise erweitert werden. Wir kçnnen Gott nicht so wie einen empirischen Gegenstand erkennen und ihm entsprechend bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Deswegen ist die Methode der Analogie und daran anknpfend die Symbolisierung von Begriffen ein essentieller Bestandteil dieser praktischen Erkenntnis Gottes und des Versuchs, uns selbst als moralische Vernunftwesen zu verstehen.
2.6 Themen der Sekundrliteratur 2.6.1 Wird die Religion in der KU versinnlicht oder sthetisiert? Ernst Mller hat in verschiedenen Verçffentlichungen seine These dargelegt, dass Kant in der KU die auf dem Gefhl beruhende Religion depotenziert, indem er die Religion in ein distanzhaft-interesseloses, sthetisches Gefhl berfhrt.335 Insgesamt deutet Mller, ohne Unterschiede zwischen der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59 und der Rede von symbolischen Vorstellungen in der Religionsschrift zu machen, religiçse Glaubensinhalte als sthetisch-anschauliche Symbolisierungen der Vernunftideen. Des Weiteren interpretiert er die Genese des Symbolbegriffs in Kants Werk so, dass Kant den Symbolbegriff als Modell entworfen habe, um religiçse Ideen zugleich zu erklren und zu depotenzieren.336 Als Beleg fr seine These von der sthetischen Depotenzierung der Religion fhrt er u. a. den Kontext der Rede von einer symbolischen Erkenntnis von Gott in KU, § 59 an. Die entsprechende Passage aus § 59 sei zwar vom folgenden Satz und der Aussage, dass das Schçne Symbol des SittlichGuten sei, durch einen Absatz getrennt und es sei auch deswegen gewagt, 335 Vgl. dazu im Folgenden E. Mller 1999, E. Mller 2001 und E. Mller 2004. 336 E. Mller 2004, 129 – 134
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„die Kritik der anthropomorphistischen Religion und die Einsicht in die praktische Ineffizienz des abstrakten Deismus als einen Grund dafr zu benennen, daß Kant eben das Schçne als Symbol des Guten an die Stelle Gottes setzen wollte.“337
Dennoch sieht Mller in der Tatsache, dass die sthetik zum Medium wird, in dem die Vernunftideen indirekt dargestellt werden kçnnen, die Mçglichkeit angelegt, dass der sthetik Funktionen zugewiesen werden, die traditionell Metaphysik oder Religion hatten.338 An anderer Stelle bekennt er sich eindeutig zu der Interpretation dieser Textstelle, dass Kant hier die religiçsen Symbolisierungen durch das sthetische Symbol ersetzen wolle.339 Dass sich ber den Symbolbegriff ein Zusammenhang zwischen Kants sthetik im ersten Teil und Kants philosophischer Theologie im zweiten Teil der KU herstellen lsst, kann nicht bestritten werden. Allerdings ist dieser Zusammenhang meines Erachtens nicht so weitreichend, wie Mller meint. Das wird bereits dadurch deutlich, dass die Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft der KU die dort diskutierten philosophischen Probleme gegenber der Kritik der sthetischen Urteilskraft vçllig eigenstndig behandelt. Die entscheidenden Elemente von Kants philosophischer Theologie aus der Methodenlehre sind das moralische Argument fr das Dasein Gottes und die damit einhergehende analogische Erkenntnis Gottes, die wiederum einen bestimmten Begriff des Glaubens und der Religion zur Folge hat. Der Symbolbegriff kommt in der Methodenlehre nicht mehr vor. Ich sehe nicht, wie sich Mllers weitreichende These auf der Grundlage des Textes der KU begrnden lsst. Auch sachlich spricht einiges gegen die These von Mller. Meine Interpretation hat gezeigt, dass auch in der KU die Grundlage fr Kants philosophische Theologie die moralische Teleologie und damit der Begriff des moralischen Endzwecks ist. hnlich wie in der KpV sichert die praktische Vernunft die Realitt eines moralischen Welturhebers. Dass dieser moralische Welturheber nur unter Zuhilfenahme unserer Sinnlichkeit in einer Analogie gedacht werden kann, bedeutet nicht notwendig, dass symbolische Vorstellungen, wie Mller schreibt, lediglich „Resultat einer produktiven Phantasie“ sind.340 337 E. Mller 1999, 563. An anderer Stelle bietet Mller drei verschiedene Interpretationsvarianten fr das Verhltnis von [4.8] zum nachfolgenden Absatz an, ohne aber deutlich zu machen, welche Variante er aus welchen Grnden bevorzugt. Vgl. E. Mller 2001, 597 – 598. 338 Vgl. E. Mller 2004, 125. 339 Vgl. E. Mller 2001, 603. 340 E. Mller 2004, 127.
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Mller bersieht in seiner Interpretation die ontologische Grundlage der Rede von der symbolischen Erkenntnis von Gott in § 59 im moralischen Argument fr die Existenz Gottes in der Methodenlehre. Petra Bahr macht ihre These, dass die KU einen besonderen Einschnitt in Kants Auseinandersetzung mit Religion darstelle, anders als Mller, aber in einer hnlichen Tendenz, an der Affinitt des Symbols zur sthetik fest: „In der Kritik der Urteilskraft verschiebt sich die Funktion der Religion, so die These, von der Bedingung des Seins zur Ermçglichung des Sinns, und zwar nicht mehr, wie in der Kritik der praktischen Vernunft, trotz und jenseits der Sphre des Sinnlichen, sondern in dieser Sphre, und zwar nicht nur in handlungstrchtiger Bewhrung, sondern auch in bedeutsamkeitsgenerierender, sinnlich-anmutender Gestaltung. […] Die Theorie symbolisierender Darstellung, die das Medium jener Deutung im sthetischen Urteil ist, hat notwendig religionstheoretische Implikationen.“341
Bahr ist Recht darin zu geben, dass Kant in der KpV gegenber der KU die analogische Dimension der Erkenntnis Gottes nicht ausgefhrt hat. Allerdings ist nicht klar, was mit der Behauptung gemeint ist, dass mit der Theorie symbolischer Darstellung in der KU notwendig religionstheoretische Implikationen in Richtung einer ,bedeutsamkeitsgenerierenden, sinnlich-anmutenden Gestaltung‘ verbunden seien. Kant spricht in KU, § 59 nur von einer symbolischen Erkenntnis von Gott. Vom Religionsbegriff ist, wie in Kapitel 2.4.1 ausgefhrt, erst in der Methodenlehre der KU die Rede und dort kommt der Symbolbegriff nicht vor. Außerdem beschrnkt Kant seine Rede von symbolischer Darstellung in KU, § 59 auf die Eigenschaften Gottes. Von symbolischen Darstellungen im Bereich der Religion ist erst in der Religionsschrift die Rede, so dass man die von Bahr diagnostizierten ,notwendig religionstheoretischen Implikationen‘ eher dort festmachen kçnnte. In Kapitel 2.4.1 ist deutlich geworden, dass Kant in der Religionsschrift seinen Religionsbegriff auf historische Religionen anwendet und sich dieser Begriff dadurch weiter differenziert. Welche religionstheoretischen Implikationen diese Differenzierung hat, kann hier jedoch nicht weiter diskutiert werden.
341 Bahr 2004b, 190.
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2.6.2 Ist Kant ein theologischer Anti-Realist? Eine weitere bemerkenswerte Interpretationstendenz in der Sekundrliteratur geht dahin, Kant u. a. mit Hinweis auf seine Symboltheorie als eine Art theologischen Anti-Realisten zu interpretieren. Bei Petra Bahr lsst sich diese Tendenz an zwei Textstellen festmachen, in denen sie ausdrcklich auf KU, § 59 [4.8] eingeht. Dabei deutet sie den Text so: „In seiner [Kants, SM] Kritik an einer Metaphysik des ,anwesenden Seins‘ endet Kant schließlich in einer Philosophie des Bildermachens. Der Mensch als homo pictor, der sich ein Bild von der Welt macht, indem er diese in einem unendlichen Prozeß reprsentationalen Bestimmens und wieder Unbestimmtwerdens deutet, findet im Anthropomorphismus sein hçchstes Gleichnis: in der anthropomorphen Gleichnisrede deutet er sein Gottesbewußtsein, indem er es externalisiert. ,Gott‘ wird im Bild eines vernnftigen, menschenhnlichen Wesens zur Ansicht gebracht.“342
Mit Blick auf Kants allgemeine Ausfhrungen zum Symbolbegriff kann man der These, dass Kant dem Menschen als ,homo pictor‘ in KU, § 59 ein gewisses Recht widerfahren lsst, vielleicht noch zustimmen. Allerdings ist nicht klar, was Bahr damit meint, dass Gott im ,Bild eines vernnftigen, menschenhnlichen Wesens‘ ,zur Ansicht gebracht‘ wird. Kant spricht nirgendwo davon, dass wir uns ein solches ,Bild‘ machen. Vielmehr heißt es in KU, § 59, dass die Erkenntnis Gottes mit den Eigenschaften Verstand, Wille etc. symbolisch sei, was nichts anderes bedeutet, als dass wir bestimmte Eigenschaften Gottes symbolisch darstellen. Problematisch an dieser Textstelle ist ferner die Rede von „Gottesbewusstsein“ sowie die These, dass in der anthropomorphen Gleichnisrede dieses Gottesbewusstsein ,externalisiert‘ werde. Zunchst ist festzuhalten, dass „Gottesbewusstsein“ kein Kant’scher Begriff ist. Außerdem ist nicht klar, ob Bahr hier vom ,Gottesbewusstsein‘ eines moralischen Vernunftwesens spricht, das sich aus einer Kritik der praktischen Vernunft ergibt und somit ein in gewisser Hinsicht transzendentales, praktisch-rationales Gottesbewusstsein aller Menschen ist, oder vom ,Gottesbewusstsein‘ eines individuellen Menschen. Hier wiederholt sich die Unklarheit hinsichtlich von Bahrs Verwendung des Subjektbegriffs.343 Fr beide Begriffe gilt von Kant aus gesehen, dass sie sich nicht auf ein konkret, individuell-historisches Subjekt bzw. Gottesbewusstsein beziehen lassen. Außerdem ist die 342 Bahr 2004b, 288. 343 Vgl. Kapitel 1.10.1.
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Rede von einer „Externalisierung“ dieses Gottesbewusstseins in der ,anthropomorphen Gleichnisrede‘ missverstndlich. Ist „Externalisierung“ so zu verstehen, dass, wie es im letzten Satz ihres Zitats heißt, Gott im Bild ,zur Ansicht gebracht‘ wird? Was aber ist dann Gott im Gottesbewusstsein jenseits dieser Externalisierung? Etwas bildlos Unbestimmtes, wovon der homo pictor sich ein Bild macht? Folgt man KU, § 59 und der Methodenlehre der KU, kann man sich ohne die Annahme und das analogische Denken bestimmter Eigenschaften des hçchsten Wesens nicht vorstellen, wie der Mensch den moralischen Endzweck erreichen kçnne. Das bedeutet in meiner Interpretation der Texte, dass bereits der Begriff Gottes zutiefst mit der Analogie und damit auch mit der Symbolisierung der Kausalitt des hçchsten Wesens verbunden ist. Wenn das stimmt, kann die symbolische Erkenntnis von Gott bei Kant gerade nicht als eine Externalisierung von einem unbestimmten Gottesbewusstsein aufgefasst werden; vielmehr ist der Gottesbegriff immer schon nach der Analogie als ein hçchstes Wesen mit bestimmten Eigenschaften gedacht. Folgt man Bahrs zugespitzter These, dass wir in der anthropomorphsymbolischen Gleichnisrede von Gott unser Gottesbewusstsein externalisieren, erscheint Kant als eine Art Idealist oder als theologischer AntiRealist in epistemologischer Perspektive. Die systematisch-theologischen Absichten hinter Bahrs Kant-Interpretation – nmlich Kant als Protagonisten einer bestimmten Denkform der Theologie zu deuten – und ihrer These finden ihren deutlichsten Ausdruck am Schluss des besagten Kapitels, wo Bahr die „metaphorische Darstellungsform“, die sie in KU, § 59 gegeben sieht, auf ihre „theorietrchtigen Implikate“ hinsichtlich der (zeitgençssischen) Theologie untersucht: „Der anthropomorphen Redeweise entspricht […] die Denkform einer Theologie, die durch das Feuer der Vernunftkritik gegangen ist und um die grundstzliche Interpretativitt ihrer Reflexions- und Artikulationsbemhungen weiß, hinter der kein prae-interpretatives, vor-metaphorisches Seinsverstndnis mehr steht, ob man es nun Gott, Seele oder Welt nennt. […] So verdichtet sich in der Theorie der symbolischen Darstellung das Ganze der Kantischen Metaphysikkritik, nach der es das Sein als solches nicht mehr unabhngig von seinen symbolischen Deutungen gibt, die gleichwohl von gleicher Relevanz fr das Selbstverstndnis des Subjekts in seiner Welt sind.“344
Dass das Ganze der Kant’schen Metaphysikkritik darin besteht, dass es ,das Sein als solches nicht mehr unabhngig von seinen symbolischen Deutungen gibt‘, ist eine in mehrfacher Hinsicht problematische These. Zu344 Bahr 2004b, 289.
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nchst: Was genau ist die textliche Grundlage fr die Rede von einem ,Ganzen‘ der Kant’schen Metaphysikkritik, wonach es das Sein als solches nicht mehr unabhngig von seinen symbolischen Deutungen gbe? In KU, § 59, also in dem Text, auf den sich Bahr in dem Kapitel sttzt, ist von einer solchen Abhngigkeit keine Rede. Nimmt man Bahr beim Wort, behauptet sie außerdem, dass diese Abhngigkeit ontologisch zu verstehen ist („nach der es das Sein als solches nicht mehr unabhngig … von seinen symbolischen Deutungen gibt [meine Hervorhebungen, SM]“). Kant wre somit ein theologischer Antirealist in ontologischer Hinsicht, was bedeutet, dass Gott keine von unserem Bewusstsein unabhngige Entitt ist, die unsere Aussagen ber sie wahr oder falsch macht. Vielmehr existiert Gott und ist, was er ist, abhngig von unseren symbolischen Deutungen von ihm. Ein solcher theologischer Antirealismus scheint mir allerdings nicht die Position Kants zu sein. Im Kapitel 2.2.2 habe ich zu zeigen versucht, dass Kant in der Methodenlehre der KU ein Argument fr die Existenz Gottes entwickelt, das gerade dadurch das Problem der Mçglichkeit des moralischen Endzwecks lçst, dass es auf das Dasein eines hçchsten Wesens schließt.345 Es finden sich an den entsprechenden Stellen keinerlei antirealistische Untertçne, die darauf hindeuten wrden, dass Kant dieses Dasein als ein vom menschlichen Denken ontologisch abhngiges Dasein versteht. Aus der Tatsache, dass wir uns den Begriff von Gott im Sinne des Vornehmen Tons ,selbst machen‘ bzw. wir uns bezglich des hçchsten Wesens einen symbolischen Anthropomorphismus erlauben, folgt bei Kant nicht, dass wir uns die Existenz Gottes gewissermaßen vormachen, sondern lediglich, dass unsere Erkenntnis Gottes vor dem Hintergrund der Mçglichkeiten unserer Erkenntnisvermçgen zu verstehen ist. Wre der moralische Welturheber ein bloßes Konstrukt in dem Sinne, dass wir etwas als existierend setzen, was dann unser Problem mit dem moralischen Endzweck lçsen soll, wrde Kant eine Art Projektionsthese vertreten. Selbst wenn man genauer zeigen muss, in welchem Sinne Kant ein theologischer Realist ist, so kann man in aller Krze hier doch behaupten, dass Kants philosophische Theologie eher zu einem Realismus als zu dem von Bahr skizzierten Anti-Realismus neigt.346 345 Zusammengefasst findet sich das Argument in KU, § 87 (KU, 5: 447,16 – 450,30). 346 Vgl. dazu auch White 2010, 129 – 131, der Kants Theorie religiçser Sprache mit Frank Ramseys Auffassung von Theorien ber die empirische Welt vergleicht. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen Kant und Ramsey oder genauer einer „Ramseyfication“ von Kants Theorie religiçser Sprache gibt. Eine „Ramseyfication“ einer Theorie sei hufig Teil einer
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Eine hnliche Interpretationstendenz mit den entsprechenden Schwierigkeiten verfolgt Ulrich Barth, auch wenn er sich nicht ausdrcklich auf KU, § 59 in seinen Thesen bezieht.347 Er interpretiert die Kant’sche Religionsformel („Erkenntnis unserer Pflichten als gçttliche Gebote“) so, dass sich darin ein berschritt des sittlichen Bewusstseins zur religiçsen Selbstdeutung ausdrckt. Der Mensch kçnne sein „eigenes Verbundensein durch das autonome Sittengesetz – um eine Wendung Schleiermachers aufzugreifen – gleichsam zurckschieben auf den postulierten Welturheber als des ,Grundes aller Verbindlichkeit berhaupt‘ (KpV, 226).“348 Daraus ergibt sich fr ihn eine klare Deutungskomponente der Religionsdefinition, die er dann noch mit dem Begriff des Symbols und der Analogie in Zusammenhang bringt. Dabei setzt er die Rede von einer Symbolisierung der Idee eines ethischen Gemeinwesens als Reich oder Volk Gottes in der Religionsschrift mit der Rede davon, dass Gott nur nach der Analogie mit einem Gesetzgeber aller vernnftigen Weltwesen die Eigenschaft eines moralischen Welturhebers beigelegt werden kçnne, gleich und spricht von einem einzigen Verfahren, das hier zur Anwendung gelange.349 So kommt er zu der These: „Religiçses Bewusstsein – im Sinne eines Prinzips der Beurteilung moralischer Pflichten als gçttlicher Gebote – verkçrpert somit ein hochkomplexes Gefge reflektierender und symbolisierender Deutungsleistungen.“350
hnlich wie Bahr verknpft Barth die Interpretation von Kants Religionsbegriff oder -theorie als Begriff eines religiçsen Bewusstseins, das Wirklichkeit auf bestimmte Weise symbolisierend deutet, mit der These, dass „Kants praktische Bedeutungs- und Postulatentheorie […] unter idealistischen Erkenntnisbedingungen“ bzw. unter einer bestimmten Selbstdeutung von Subjektivitt steht.351 Daraus ergibt sich fr ihn: „Jener eigentmliche Realismus der Ethik, ihrer Gegenstands- und Bedeutungstheorie, ruht somit auf deutungstheoretischen Prmissen, welche aller-
347 348 349 350 351
reduktionistischen oder anti-realistischen Strategie. Dagegen meint White: „But Kant is assigning an essential role to „cause“ in his account, and cause is a paradigmatically intensional notion. With this, Kant’s theology remains committed to a transcendent deity, even if in the limited form of there being something behind the scene governing the phenomena.“ (White 2010, 130). White rumt damit einen theologischen Realismus bei Kant ein. Im Folgenden beziehe ich mich auf Barth 2006. Barth 2006, 32. Vgl. Barth 2006, 36 – 37. Barth 2006, 37. Barth 2006, 40.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
erst den Eintritt in die Sphre der praktischen Einstellung ermçglichen und von dieser immer schon beansprucht sind, wo sie zum Bewusstsein ihrer selbst gelangt. […] Der praktisch-realistische Zuschnitt der Postulatenlehre und Ethikotheologie insgesamt beseitigt nicht, sondern besttigt eher – wenn auch in anderer Weise – den […] deutungstheoretischen Grundzug von Kants Religionsauffassung.“352
Entsprechend sieht Barth Kant auch als den „Vater des modernen deutungstheoretischen Religionsbegriffs“.353 Meine Kritik an Barths Kant-Interpretation ist analog zur Kritik an Bahr gelagert. Ich stimme Barth in seiner generellen Interpretation des Kant’schen Religionsbegriffs zu, dass Kant damit eine Deutung von Moral zum Ausdruck bringt. Allerdings trifft Barth hnlich wie Bahr keinerlei erkennbare Unterscheidung zwischen dem unterschiedlichen Kant-immanent systematischen Status des Gottesbegriffs einerseits und des Religionsbegriffs andererseits. Vielmehr subsumiert Barth Kants philosophische Theologie unter den Begriff eines religiçsen Bewusstseins, der wiederum kein Kant’scher Begriff ist. Diese Tendenz, mittels des Begriffs eines religiçsen Bewusstseins die ontologische Seite – immerhin geht es um ein Argument fr das Dasein Gottes – der Kant’schen Religionsphilosophie zugunsten eines letztlich Nach-Kant’schen Paradigmas einer emphatischen Subjektphilosophie in den Hintergrund zu drngen, korrespondiert der klaren These, dass die Grundlagen von Kants praktischer Philosophie und philosophischen Theologie insgesamt als Selbstdeutung von Subjektivitt zu verstehen seien.354 Mit Blick auf den sehr engen Ausschnitt der in dieser Arbeit behandelten Texte – auf die sich Barth in seinen Thesen allerdings wenig bezieht; er whlt andere Texte – mçchte ich behaupten, dass Kant sehr bewusst von einer „Erkenntnis“ mit Bezug auf die Definition von „Religion“ spricht. Die praktische Erkenntnis unserer Pflichten als gçttlicher Gebote setzt uns in den Stand, uns als moralische Vernunftwesen zu verstehen. In meiner Interpretation der Texte Kants ist damit etwas anderes gemeint als die bloße Selbstdeutung von Subjektivitt. Denn nach Kant verstehen wir uns als moralische Vernunftwesen, wenn die Mçglichkeit der Wirklichkeit des moralischen Endzwecks durch einen moralischen Welturheber garantiert wird, der existiert, auch wenn wir seine Existenz nur mittels eines praktischmoralischen Arguments aufweisen kçnnen und infolgedessen nur an ihn 352 Barth 2006, 41. 353 Barth 2006, 42. 354 Vgl. dazu auch die hnlich gelagerte Kant-Interpretation von Danz in Danz 2008.
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glauben und nichts von ihm wissen kçnnen. So sehr sich Kants philosophische Theologie von einem naiven theologischen Realismus unterscheidet, so wenig luft sie auf einen Idealismus hinaus, bei dem Wirklichkeit und menschliche Subjektivitt in eins fallen oder die Rede von Gott als eine bloße „Form der menschlichen Selbstdeutung“ verstanden wird.355 Gott existiert fr Kant außerhalb unseres Bewusstseins, weswegen Kant auch davon spricht, dass die „Erkenntnis Gottes und seines Daseins (Theologie) […] in praktischer Rcksicht, aber auch n u r i n R c k s i c h t a u f d i e s e (als moralische) alle erforderliche Realitt hat.“356 Unsere analogische Erkenntnis Gottes ist zwar durch unsere Subjektivitt vermittelt. Daraus folgt aber nicht, dass sie keine objektive Realitt bzw. keinen Gegenstandsbezug hat. Die Realitt Gottes ist eben eine Realitt in praktischer Rcksicht, die von der Realitt empirischer Gegenstnde unterschieden ist. Sowohl Bahr als auch Barth verstehen Kants Symbolbegriff auf dem Hintergrund von Schleiermacher sowie dessen Religionsbegriff und KantKritik.357 Bahr sieht „bei allen zu konzedierenden Unterschieden zu Kant“ Schleiermacher „in einer Linie mit dessen [Kants, SM] Perspektivismus.“358 Diese ,Unterschiede‘ bestehen nicht zuletzt darin – worauf Bahr auch hinweist –, dass Schleiermacher z. B. in den Reden ber die Religion indirekt Kants Rckbindung der Religion an die praktische Vernunft und die Moral kritisiert.359 In den Reden bestimmt Schleiermacher Religion als „Sinn und Geschmack frs Unendliche“ und sieht ihr Wesen im Gegensatz zu Metaphysik und Moral nicht im Denken oder Handeln, sondern in „Anschauung und Gefhl“.360 Religion ist fr ihn als ein solcher ,Sinn‘ eine eigene Form von Bewusstsein.361 So deutlich also die Unterschiede zwischen Kant und Schleiermacher hinsichtlich des Religionsbegriffs sind, so verwunderlich sollten die Bemhungen stimmen, ber eine bestimmte Deutung von KU, § 59 und Kants Symbolbegriff Kant einen Schleier-
355 So versteht Danz Kants philosophische Theologie, der somit in einer hnlichen Interpretationstradition wie Bahr und Barth steht. Vgl. Danz 2008, 84. 356 KU, 5: 484,37 – 485,3. 357 Vgl. dazu Bahr 2004a, 116 – 117; Barth 2006, 32. 358 Bahr 2004a, 117. 359 Vgl. dazu Bahr 2004a, 117 – 118. Vgl. Schleiermacher 1958, 107 – 108 (Seitenangaben der ersten Auflage von 1799). 360 Schleiermacher 1958, 53; 50 (Seitenangaben der ersten Auflage von 1799). 361 Vgl. Schleiermacher 1958, 37 (Seitenangaben der ersten Auflage von 1799).
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
macher’schen Perspektivismus unterzuschieben.362 Diese Tendenz hat jedoch einen gewissen Rckhalt in der Rezeption der KU in der protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts, worauf Bahr ausdrcklich hinweist.363 Ein weiterer Anknpfungspunkt fr diese Tendenz, Kant als theologischen Anti-Realisten anzusehen, ist die von Hans Vaihinger entwickelte „Philosophie des Als-Ob“. In dem gleichnamigen, erkenntnistheoretisch angelegten Werk (erstmals 1911 erschienen), das einige philosophiegeschichtliche Exkurse u. a. zu Kant bietet, stellt Vaihinger u. a. die These auf, dass Schleiermachers Deutung der christlichen Dogmen als „analogischer Fiktionen“ sehr eng mit der Kant’schen Philosophie zusammenhinge.364 Mit Blick auf diese „analogischen Fiktionen“ bei Schleiermacher schreibt Vaihinger: „So wird also z. B. das Verhltnis Gottes zur Welt, das fr den P h i l o s o p h e n Schleiermacher vollstndig unerkennbar ist, von dem T h e o l o g e n Schleiermacher nach der Analogie des Vaters zu seinem Kinde aufgefasst u.s.w. Es ist dies keine rationalistische Umdeutung der Dogmen, sondern eine f e i n e e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e Wendung, ein K u n s t g r i f f , durch den Schleiermacher Tausende dem Christentum erhalten hat. „Gott“ ist nicht „Vater“ der Menschen, aber er ist so zu betrachten und zu behandeln, als ob er es wre; diese Wendung hat dann wieder ungeheure Wichtigkeit fr die religiçse P r a x i s und den Kult.“365 362 Zur Abgrenzung der Kantischen Religionsphilosophie von Schleiermachers Religionsphilosophie vgl. auch Wood 1970, 203 – 204. 363 Bahr 2004a, 119 – 121. 364 Vgl. Vaihinger 1927, 41. Dabei fhrt Vaihinger den Ausdruck „analogische Fiktion“ ein, um den seiner Meinung nach zentralen Aspekt der Theologie Schleiermachers zu bezeichnen, wobei er zugibt, dass Schleiermacher seine Methode nicht so bezeichnet. Unter einer „Fiktion“ versteht Vaihinger „psychische Gebilde“ und genauer: „Kunstbegriffe“ oder „Hilfsbegriffe“, die Produkte der Ttigkeit des Denkens sind. (Vaihinger 1927, 18). Die analogischen Fiktionen, die er in Schleiermachers Theologie gegeben sieht, sind dabei eine von verschiedenen Arten von Fiktionen. Fiktionen sind somit mentale Entitten wie z. B. Vorstellungen, die Produkte mentaler Operationen sind. Fr diese mentalen Entitten gilt nach Vaihinger weiterhin, dass sie Vorstellungsgebilde sind, die in epistemologischer Perspektive in der Wirklichkeit keinen Vertreter finden; sie sind kein Abbild der Wirklichkeit. Fiktionen sind Mittel, mit denen wir uns in der Welt besser orientieren kçnnen, die den Organismen dazu dienen, ihr Leben zu vervollkommnen. Vgl. Vaihinger 1927, 21 – 24. Vaihinger formuliert mit seiner Theorie der Fiktion somit einen grundlegenden Anti-Realismus bezglich des epistemologischen Status von Fiktionen. 365 Vaihinger 1927, 41.
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Auch wenn Vaihingers Schleiermacher-Interpretation zutreffend sein sollte – was hier nicht weiter untersucht werden kann –, ist ihm doch darin zu widersprechen, dass in dieser Auffassung von „analogischen Fiktionen“ eine Nhe zur Kant’schen Philosophie gegeben sei. Zwar stellt sich die Frage, was Vaihinger unter einer „Nhe“ zur Kant’schen Philosophie versteht. Als Anzeichen einer besonderen Nhe kann jedenfalls nicht die von Vaihinger rekonstruierte Aussage Schleiermachers gewertet werden, dass das Verhltnis Gottes zur Welt in philosophischer Hinsicht vollstndig unerkennbar sei, whrend in theologischer Perspektive dieses Verhltnis auf eine bestimmte Weise ausgedrckt werden kçnne. Fr Kant ist das Verhltnis zwischen Gott und Welt in philosophischer Perspektive gerade nicht vollstndig unerkennbar, sondern als kausales Verhltnisses bestimmbar.366 Dass das kausale Verhltnis zwischen Gott und Welt in praktischer Rcksicht bestimmbar ist, ist ja gerade die Voraussetzung dafr, dass eine Analogie mçglich ist, durch die wir Gott nach der Analogie bestimmte Eigenschaften zusprechen kçnnen. Vaihinger geht in der Philosophie des Als-ob auch ausdrcklich auf einige Werke Kants ein, den er als einen wichtigen Gewhrsmann seiner Theorie der Fiktion ansieht.367 So interpretiert er z. B. die Unterscheidung von Schematismus der Analogie und Schematismus der Objektbestimmung aus der in Kapitel 2.3.3 interpretierten Fußnote der Religionsschrift so, dass Kant dort aussage, dass die religiçsen Fiktionen nicht in Dogmen verwandelt werden drften. Aus dem „Als-ob“ drfe kein „Dass“ gemacht werden. Das „Vorstellungsgebude“ des Schematismus der Analogie sei ein „Luftschloss, eine Fata Morgana, aber eine notwendige und zweckmßige Vorstellungs- und Ausdrucksweise“.368 Kants Deutung der Lehre von der Jungfrauengeburt interpretiert Vaihinger ebenfalls so, dass Kant mit seiner Deutung zeige, dass diese Lehre eine zweckmßige Fiktion und ein schçner, sinnreicher und ntzlicher Mythos sei.369 Vaihinger interpretiert allerdings 366 Vgl. dazu Kapitel 2.2.2, 2.2.3 und 2.3.1. 367 Es ist hier nicht mçglich, die breit angelegte erkenntnistheoretische Position Vaihingers, die er mit einem ausfhrlichen Durchgang durch Kants Werke zu sttzen versucht, insgesamt zu wrdigen. Insbesondere msste man ausfhrlicher auf Vaihingers Deutung des Kantischen Begriffs der objektiven Realitt eingehen. Ich beschrnke mich hier auf die Teile von Vaihingers Buch, in denen er auf die fr diese Arbeit wichtigen Texte eingeht. Zur Kritik an Vaihinger vgl. auch Winter 2000c, 410 – 411. Winter interpretiert den Kantischen Ausdruck „als-ob“ dabei als Schlsselwort fr die Proportionalittsanalogie. 368 Vaihinger 1927, 659. 369 Vaihinger 1927, 661.
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2. Die symbolische Erkenntnis Gottes
nicht nur christliche Dogmen, sondern auch die Vernunftideen als Fiktionen: „Es ist aber ,nur um die Belebung der Gesinnung zu einem Gott […] wohlgeflligen Lebenswandel zu tun, wozu jene Rede n u r e i n M i t t e l f r d i e E i n b i l d u n g s k r a f t ist.‘ Im Grunde genommen ist fr Kant die ganze Religion nebst ihren beiden fundamentalen Ideen, Gott und Unsterblichkeit, und nebst allen sich daraus ergebenden besonderen religiçsen Ideen – ,nur ein Mittel fr die Einbildungskraft‘, so dass zum Schluss mit diesem Ausdruck das Resultat der ganzen Kantischen Religionsphilosophie noch recht treffend zusammengefasst ist.“370
Diese sehr pointiert formulierte Gesamteinschtzung von Kants Religionsphilosophie lsst sich jedoch gerade nicht mit der Textstelle aus der Religionsschrift belegen, auf die Vaihinger sich im Zitat bezieht.371 Die zitierte Textstelle steht im Kontext von Kants moralischer Interpretation der christlichen Praxis des Privatgebets. Die „Rede“, von der im Zitat gesprochen wird, ist die Rede zu Gott bzw. das Gebet, das fr Kant eine verbale Einkleidung des Wunsches ist, Gott in unserem Reden und Handeln wohlgefllig zu sein.372 Kant unterscheidet an dieser Stelle der Religionsschrift also schlicht zwischen Religions- und Kirchenglauben und sagt lediglich ber den Kirchenglauben, aber mit keiner Silbe ber die Inhalte des Religionsglaubens, also u. a. die Vernunftideen, aus, sie seien ein ,Mittel fr die Einbildungskraft‘. Abschließend sei noch Vaihingers Resmee seiner Interpretation des auch in dieser Arbeit wichtigen Textes aus der Preisschrift angefhrt: „Die Kantische Rechtfertigung der religiçsen Vorstellungen ist eine rein fiktive, oder vielleicht klarer gesagt, f i k t i o n a l i s t i s c h e : sie sind ihm praktisch zweckmßige F i k t i o n e n ; dagegen alle vor- und nachKant’sche Rechtfertigung der religiçsen Begriffe und Urteile ist eine r a t i o n a l i s t i s c h e : sie sind rational begrndete H y p o t h e s e n . […] der echte und eigentliche Kantische Kritizismus zieht berhaupt keine t h e o r e t i s c h e n Schlsse, sondern lehrt: du musst so h a n d e l n , a l s o b es einen Gott u.s.w. gbe. Darin besteht Kants kritischer Pragmatismus.“373
Dieses Urteil beleuchtet noch einmal die Pointe von Vaihingers Einschtzung, dass die Idee Gottes ein ,Mittel fr die Einbildungskraft‘ sei: Die Idee geht darin auf, ein bloßes Mittel zum moralischen Zweck zu sein. 370 371 372 373
Vaihinger 1927, 667. Vgl. RGV, 6: 197,22 – 198,14. Vgl. dazu RGV, 6: 194,29 – 198,14. Vaihinger 1927, 680 – 681. Dabei interpretiert Vaihinger auch KU, § 59 als Besttigung dieser Kant-Interpretation. Vgl. Vaihinger 1927, 672 – 673.
2.6 Themen der Sekundrliteratur
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Erkenntnis wird durch die als Fiktion verstandene Idee Gottes nicht vermittelt. Meine Interpretation von KU, § 59 und der Prolegomena hat allerdings gezeigt, dass Kant mit seiner philosophischen Theologie das von Hume aufgewiesene Dilemma, dass die natrliche Theologie entweder in einem Deismus oder in einem Anthropomorphismus endet, so lçst, dass er seine eigene theistische Position als eine Erkenntnis Gottes mithilfe der Methode der Analogie und der Symbolisierung von Begriffen versteht. Das analogische Denken der Eigenschaften Gottes ist fr Kant dabei gerade kein Analogieschluss auf bestimmte Eigenschaften Gottes. Es dient dazu, uns als moralische Vernunftwesen zu verstehen. Diese Selbstbestimmung mithilfe der Methode der Analogie hat Kant als eine praktische Form von Erkenntnis verstanden. Die Pointe der Kant’schen philosophischen Theologie liegt also gerade darin, einen kognitiven Zugang zum hçchsten Wesen zu begrnden, der nicht an die klassischen theoretisch-rationalen Gottesbeweise anknpft. Auf der Grundlage der in dieser Arbeit interpretierten Texte fllt es somit schwer, Vaihingers These nachzuvollziehen, dass die Funktion der Erkenntnis Gottes von Kant rein instrumentalistisch oder pragmatistisch verstanden werde.
Ausblick Die Ergebnisse des ersten und zweiten Teils wurden in philosophiegeschichtlicher Hinsicht bereits in eigenen Kapiteln zusammengefasst. In diesem kurzen Ausblick mçchte ich abschließend zwei Thesen formulieren. Beide Thesen werden Ergebnisse dieser Arbeit an aktuelle philosophischtheologische und religionsphilosophische Fragen anzuknpfen versuchen. Sie dienen dazu, Kants philosophische Theologie und Religionsphilosophie abschließend als einen moderaten theologischen Realismus zu deuten.
I. Die analoge Erkenntnis und Rede von Gott ist ein Mittelweg zwischen einem naiven religiçsen Realismus und einem theologischen Anti-Realismus In philosophisch-theologischer und religionsphilosophischer Hinsicht berhrt Kants Konzept einer analogischen oder symbolischen Erkenntnis Gottes das Verhltnis von menschlicher Erkenntnis und ihrem sprachlichen Ausdruck zur Transzendenz Gottes: Auf welche Weise kann Gott erkannt werden? Kçnnen Aussagen ber Gott Wahrheitsanspruch erheben oder mssen sie anders verstanden werden? Falls sie Wahrheitsanspruch erheben: Auf wen oder was nehmen wir mit „Gott“ Bezug und wie lsst sich diese Bezugnahme verstehen? Welche Eigenschaften oder Prdikate kçnnen wir auf welche kognitiv nachvollziehbare Weise Gott zuschreiben?1 Die systematische Relevanz der Kant’schen berlegungen fr diese epistemologischen und sprachphilosophischen Fragen der philosophischen Theologie und Religionsphilosophie wird nicht zuletzt an seiner Auseinandersetzung mit Humes Dialogues on Natural Religion in den Prolegomena deutlich. Wie in Kapitel 2.2.6 gezeigt, meint Kant mit seiner Rede vom symbolischen Anthropomorphismus oder einer symbolischen Erkenntnis von Gott einen ,Mittelweg‘ zwischen einem dogmatischen Anthropomorphismus oder schlicht Dogmatismus einerseits und einem aus dem
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Vgl. dazu auch Alston 2005, 221.
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Skeptizismus stammenden Deismus andererseits gefunden zu haben.2 Die von Kant gemiedenen Positionen lassen sich dabei durchaus auf die in der heutigen analytischen Religionsphilosophie gefhrte Realismus-/AntiRealismus-Debatte beziehen. Dem Dogmatismus wrde eine naiv realistische Position entsprechen, die davon ausgeht, dass wir Gott auf hnliche Weise erkennen kçnnen wie einen empirischen Gegenstand. Die Gott zugeschriebenen Eigenschaften wie die eines Verstandes oder eines Willens wrden demnach Gott auf univoke Weise im Vergleich mit den entsprechenden menschlichen Eigenschaften zugesprochen werden. Der Skeptizismus, der bei Hume zu einer agnostisch-deistischen Position fhrt, ließe sich hingegen als eine Spielart eines theologischen Anti-Realismus in epistemologischer Hinsicht identifizieren. Die Existenz eines theistisch verstandenen Gottes lsst sich demnach rational weder beweisen noch widerlegen. Die menschliche Vernunft gelangt hçchstens zur Erkenntnis der Existenz eines hçchsten Wesens, dessen Eigenschaften sich aber nicht nher bestimmen lassen. berzeugungen, die wir ber dieses Wesen bilden, haben keinen kognitiven Gehalt, sondern z. B. eine wichtige emotionale oder sthetische Bedeutung. Entsprechend wrden Ausdrcke wie „Verstand“ oder „Willen“, die wir auf dieses hçchste Wesen anwenden, im Verhltnis zu den entsprechenden Ausdrcken, die wir auf uns Menschen anwenden, eine quivoke Bedeutung haben. Die Verknpfung epistemologischer mit sprachphilosophischen Fragen ist dabei von den Kant’schen berlegungen selbst vorgegeben. Gerade in der Interpretation der Prolegomena wurde deutlich, dass die Rede von einer analogischen Erkenntnis Gottes bei Kant auch eine entsprechende Rekonstruktion unseres Sprechens von Gott impliziert. Die Strke des Kant’schen Mittelwegs besteht nun darin, dass er einerseits die Gefahren eines naiven, anthropomorphistischen Realismus durch die moralische Interpretation religiçser berzeugungen bndigt, andererseits aber die sinnliche Dimension historischer Religionen, und genauer: des Christentums, wrdigt.3 Ich mçchte den Kant’schen Mittelweg als eine Art moderaten theologischen Realismus deuten. Er entbehrt als ein solcher Mittelweg nicht einer gewissen Ambivalenz: Er ist realistisch 2 3
Vgl. dazu erneut Prol, 4: 360,9 – 15. Weil Kant in erster Linie das Christentum als historische Religion in der Religionsschrift philosophisch untersucht hat, werde ich im Folgenden nur noch vom Christentum sprechen, auch wenn – gegen Kant – nicht auszuschließen ist, dass sich vieles von dem, was Kant in der Religionsschrift ber das Christentum sagt, auch auf andere theistische historische Religionen bertragen lsst.
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in dem Sinne, dass wir Gott in praktischer Rcksicht erkennen kçnnen. Und er ist kritisch gegenber einem naiven Realismus in dem Sinne, dass diese Erkenntnis analogisch oder symbolisch ist und somit einen anderen epistemologischen Status als gewçhnliche theoretische Erkenntnis hat. Genau diese Ambivalenz macht die philosophisch-theologische Tradition der analogen Erkenntnis und Rede von Gott in religionsphilosophischer wie philosophisch-theologischer Hinsicht attraktiv. Sie entspricht der Intuition vieler religiçser Menschen, die ihre religiçse berzeugungen weder als empirische Tatsachenbehauptungen noch als Projektionen oder soziale Konstruktionen verstehen. Sie bringt jedoch auch die Schwierigkeit mit sich, dass sie sich auf dem Grat zwischen einem naiven Realismus und einem Anti-Realismus halten muss.4 Zu dieser Gratwanderung gehçrt dabei auch die wichtige, hier nur im Ansatz diskutierbare Frage, ob sich Kants Konzept einer symbolischen oder analogischen Rede ber Gott eher im Sinne einer wçrtlichen Bedeutung solcher Ausdrcke wie „Verstand“ oder „Willen“ oder eher im Sinne einer metaphorischen Bedeutung interpretieren lsst. Dabei sei noch einmal daran erinnert, dass die Unterscheidung zwischen der univoken, quivoken und analogen Verwendung von Ausdrcken auf einer anderen Ebene liegt, als die Unterscheidung zwischen der wçrtlichen und metaphorischen Bedeutung von Ausdrcken.5 Whrend fr die zuerst genannte Unterscheidung immer ein mindestens zweimaliger Gebrauch eines Ausdrucks und somit die Relation zwischen den Vorkommen untersucht wird, reicht fr die Feststellung der wçrtlichen oder metaphorischen Bedeutung der
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Vgl. dazu auch das Urteil von White ber Kants Theorie religiçser Sprache. Sie sei „perhaps the simplest and most elegant account of religious language that anyone has offered.“ (White 2010, 134). Kant kçnne zwar alle Spuren eines Anthropomorphismus in der religiçsen Sprache mit seiner Theorie auslçschen. „But if he has sedulously avoided the Scylla of anthropomorphism, his account of religion is inevitably sucked into the Charybdis of extreme anthropocentrism.“ (White 2010, 136). Mit diesem Anthropozentrismus meint White dabei Kants Zugang zur Religion, wonach alles, was wir ber Gott sagen kçnnen, in Begriffen der Auswirkungen der Existenz und Aktivitt Gottes auf die Menschheit interpretiert werden msse. Vgl. White 2010, 134 – 136. Man mag Kants praktisch-rationalen Zugang zu Gott wie White als einen extremen Anthropozentrismus auffassen. Wenn die Alternative dazu aber ein skeptischer Anti-Realismus oder ein dogmatisch-naiver Realismus ist, scheint der schmale Grad der praktischen Vernunft und des damit verbundenen gewissermaßen menschlichen Antlitzes von Kants philosophischer Theologie doch alles in allem hinnehmbar zu sein. Vgl. dazu Kapitel 1.10.2.
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singulre Gebrauch eines Ausdrucks aus. Es ist somit mçglich, dass ein analog gebrauchter Ausdruck wçrtliche Bedeutung hat. Nehmen wir als Beispiele, um den Unterschied zwischen wçrtlicher und metaphorischer Bedeutung zu erlutern, die beiden Aussagen „Gott ist Person mit Verstand und Willen“ und „Gott ist mein Fels“. Prima facie wrden viele der These, dass die zweite Aussage eine metaphorische und nicht eine wçrtlich zu verstehende Aussage ist, zustimmen. Das Prdikat „ist mein Fels“ ist metaphorisch, weil der Sprecher offensichtlich nicht meint, was er sagt; er behauptet nicht, dass Gott eine große Gesteinsformation ist, sondern z. B. dass er Gott vertraut. Das Prdikat „ist mein Fels“ hat eine genauer zu bestimmende bertragene Bedeutung, wenn es auf Gott angewendet wird. Ein wçrtliches Verstndnis des Prdikats wrde der Aussage eine absurde Bedeutung zuschreiben, wohingegen eine nichtwçrtliche, metaphorische Interpretation der Aussage eine religiçs sehr wichtige Bedeutung beimisst. Da es sich bei dieser Aussage um eine typische religiçse Aussage handelt, wird schnell deutlich, wie allgegenwrtig und unverzichtbar metaphorische Rede in der religiçsen Sprache ist. Gilt nun dasselbe auch fr die erste Aussage? Meint auch derjenige, der Gott als Person mit Verstand und Willen bezeichnet und Gott somit die Eigenschaften zuschreibt, die wir Kant zufolge an Gott analogisch denken kçnnen, nicht das, was er sagt? Will er nicht behaupten, dass es sich so verhlt, dass Gott Person ist? Wie kann man auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie die Frage beantworten, ob man die Aussage, Gott sei eine Person mit Verstand und Willen ist, wçrtlich oder metaphorisch verstehen soll? Da sich ein in diesem Rahmen schnelles und angemessenes Urteil aufgrund der Unbersichtlichkeit der verschiedenen Metapherntheorien kaum fllen lsst, werde ich hier nur ein kurzes Pldoyer dafr halten, Kants Konzept einer symbolischen oder analogischen Erkenntnis Gottes tendentiell auf der Seite einer wçrtlichen Bedeutung der analog zugeschriebenen Prdikate einzuordnen.6 6
Vgl. zu dieser Unbersichtlichkeit und den damit verbundenen Problemen, eine Definition von „Metapher“ zu finden v. a. das zweite Kapitel der ausfhrlichen Studie von Janet Martin Soskice (Soskice 1987). Dazu kommt, dass es gerade in der religionsphilosophischen Literatur keinen einheitlichen Gebrauch von „Analogie“ oder „Metapher“ gibt; teils werden beide Ausdrcke klar voneinander unterschieden; teils werden sie wie Synonyme gebraucht. Vgl. dazu Kreiner 2006, 95; Swinburne 2007, 38. Einen systematisierenden, disziplinbergreifenden berblick ber die Legion der Metapherntheorien bietet Rolf 2005. Je nachdem, fr welche der Theorien man sich entscheidet und wie man den Begriff definiert, ist es
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Armin Kreiner hat in seiner philosophisch-theologischen Untersuchung des analogen Sprechens ber Gott folgendes hervorgehoben.7 Zunchst sei ein wichtiger Grundzug dieser Tradition analogen Redens von Gott, wahrheitsfhige Aussagen ber Gott treffen zu kçnnen, ohne dabei Gott auf die Ebene des Geschaffenen gewissermaßen herabzuziehen. Wer also die Aussage trifft, dass Gott Person sei, meint das, was er sagt. Er behauptet von Gott, dass er Person sei, ist sich aber dessen bewusst, dass „Person“ in dieser Aussage nicht univok mit „Person“ in der Aussage zu verstehen ist, dass Menschen Personen sind. Weiterhin verpflichtet man sich Kreiner zufolge in der Regel auf die ontologische Annahme einer gewissen hnlichkeit zwischen Gott und Welt. Nur in dem Maße, in dem sich das Geschçpfliche nicht radikal vom Schçpfer unterscheide, kçnne, so Kreiner, die analoge Rede semantisch gehaltvoll sein. Die hnlichkeit zwischen Schçpfer und Geschçpf sei aber nicht symmetrisch zu verstehen. Man kçnne nicht im selben Sinne behaupten, dass die Schçpfung ihrem Schçpfer hnlich ist, wie, dass der Schçpfer seiner Schçpfung hnlich sei. Die analoge Bedeutung von „Verstand“ in der Aussage „Das hçchste Wesen hat einen Verstand“ gegenber der Aussage „Der Mensch hat einen Verstand“ impliziert somit sowohl eine hnlichkeit zwischen menschlichem und gçttlichem Verstand als auch eine signifikante Unhnlichkeit. In seiner sprachphilosophischen Rekonstruktion und Aktualisierung dieser Eigenart der Analogie hat Richard Swinburne – hnlich wie William P. Alston8 – die Unterscheidung von „univok“, „quivok“ und „analog“ auf der Seite der wçrtlichen Bedeutung von Ausdrcken angesiedelt, wobei jeweils zwei Vorkommen bzw. Token eines Ausdruckstyps miteinander verglichen werden:
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durchaus mçglich, das Kantische Verstndnis analogischer oder symbolischer Erkenntnis Gottes unter den Begriff der metaphorischen Rede von Gott zu bringen. Vgl. dazu z. B. die Arbeitsdefinition von „Metapher“, die Soskice in ihrer Studie zugrundelegt: „metaphor is that figure of speech whereby we speak about one thing in terms which are seen to be suggestive of another.“ (Soskice 1987, 15). Wie bereits in Kapitel 1.10.2 angedeutet, ist die Gleichsetzung von „Analogie“, „Symbol“ und „Metapher“ einerseits in der Rezeption von KU, § 59 bei Blumenberg und anderen Autoren und andererseits in zeitgençssischer sprachphilosophischer und religionsphilosophischer Literatur problematisch, sofern die aus der philosophischen Tradition klar geprgten Traditionen hinter diesen Ausdrcken tendentiell nivelliert und vorschnell miteinander vermischt werden. Vgl. im Folgenden Kreiner 2006, 77 – 83. Vgl. dazu Alston 2005, 236 – 241. Vgl. auch Kapitel 1.10.2.
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„It seems a natural use of the terms ,univocal‘, ,analogical‘, and ,equivocal‘, consonant with their role in the history of comment on language, to mark cases where a given token word ,¦‘ is used in the same sense as, in a similar sense to, and in a dissimilar sense from another token ,¦‘ of the same type. I shall say that a word ,¦‘ is used on two occasions in a univocal sense if it is used in the same sense, in an analogical sense if it is used in a similar sense, in an equivocal sense if it is used in a dissimilar sense. […] two token words of the same type are used (with respect to each other) univocally […] if and only if there are the same semantic and syntactic criteria for their use; analogically if and only if there are largely the same semantic and syntactic criteria for their use; and equivocally if and only if there are largely dissemilar semantic and syntactic criteria for their use.“9
Ob die Verwendung zweier Ausdrcke analogisch zu verstehen ist, sei somit „a matter of degree“ im Vergleich zu Univozitt und quivozitt.10 Kreiner hat diese Rekonstruktion und ihre Konsequenzen in seiner Kritik der analogen Rede von Gott etwas genauer ausgefhrt.11 Kreiner geht von der Aussage „Gott ist ¦“ aus, wobei „¦“ ein bestimmtes Prdikat wie „ist Person“ meint. ¦ umfasse nun dem genannten Verstndnis von Analogie zufolge mehrere sog. Konnotationen, von denen einige auf Gott zutreffen, andere hingegen nicht. Die einzelnen Konnotationen von ¦ seien die Prdikate ¦1, ¦2, … ¦n. Der Personbegriff umfasst in der Regel solche Konnotationen wie ¦1 = besitzt einen Kçrper, ¦2 = kann sittlich schlecht handeln, ¦3 = kann erkennen oder ¦4 = hat bestimmte Intentionen. Geht man Kreiner zufolge nun davon aus, dass der Personbegriff im beschriebenen Sinne mehrere Konnotationen umfasst, impliziert die Aussage, dass Gott Person sei, in der Regel nicht, dass alle Konnotationen auf Gott zutreffen. Genau in diesem Sinne kçnnte man die beiden Token „Person“ in den Aussagen „Menschen sind Personen“ und „Gott ist eine Person“ als analog bezeichnen: Es gibt eine berschneidung der Konnotationen des Ausdrucks, die von ihrem Ausmaß her nicht auf eine Univozitt der Token schließen lsst, aber so signifikant ist, dass man nicht behaupten kann, „Person“ wrde in beiden Aussagen quivok gebraucht. Kreiner identifiziert nun als die entscheidende Frage, ob der Sprecher in der Lage ist, die intendierten hnlichkeiten und berschneidungen zu erlutern oder nicht, ob er sich also auf bestimmte Konnotationen festlegen kann oder nicht.12 Gott als Person im analogen Sinn zu verstehen, wrde 9 10 11 12
Swinburne 2007, 38; 42. Swinburne 2007, 41. Vgl. im Folgenden Kreiner 2006, 85 – 91. Wenn Kreiner mit dieser Zuspitzung auf die besagte Frage recht htte, wre die Konsequenz, dass nur wenige religiçse Menschen ihr Reden ber Gott als „analoge
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somit bedeuten, dass Gott in bestimmter Hinsicht als Person beschrieben werden kann und in anderer Hinsicht nicht. Konkret hieße das, dass sich der Sprecher auf die Konnotationen ¦3 und ¦4 festlegt und die Konnotationen ¦1 und ¦2 ausschließt. Mit diesen sprachphilosophischen berlegungen kann man zunchst ohne grçßere ontologische Voraussetzungen rekonstruieren, was in der Tradition als hnlichkeit und Unhnlichkeit zwischen Gott und Welt oder Gott und Mensch bezeichnet wurde. Die Bedeutung analogisch verwendeter Ausdrcke lsst sich auf diese Weise einigermaßen festmachen. Kreiner stellt jedoch zurecht die Frage, ob man mit dieser Rekonstruktion der analogen Rede ber Gott die analoge Redeweise nicht bereits hinter sich gelassen htte. Klammert man das Problem von nicht weiter analysierbaren und somit gewissermaßen konnotationslosen Prdikaten aus, stelle sich bei genauerem Hinsehen sehr rasch das Problem, dass diejenigen Bedeutungen der Konnotationen von „Person“, welche eine hnlichkeit der beiden Token herstellen, genauer bestimmbar sein mssen.13 Wenn man z. B. Gott und dem Menschen im Sinne von ¦4 Intentionalitt als eine Konnotation von „Person“ zuspricht, stellt sich die Frage, was „Intentionalitt“ mit Bezug auf Gott und „Intentionalitt“ mit Bezug auf den Menschen bedeutet. Man hat gewissermaßen keine andere Wahl, als bei der Frage, was die Konnotationen im einzelnen jeweils bedeuten, irgendwann auf eine Ebene univoker Bedeutung beider Token von „Intentionalitt“ zu stoßen, wenn man damit im Hinblick auf Gott einen semantischen Gehalt verbinden will. Kreiner gesteht zu, dass die bergnge zwischen univoker und analoger Rede fließend sein kçnnen. Entscheidend sei allerdings, dass die „analoge Redeweise irgendwo aufhçren muss, um eine einigermaßen umrissene Bedeutung zu bekommen.“14 Rede“ bezeichnen kçnnten. Denn in der Regel wird es fr religiçse Menschen nur schwer mçglich sein, die Konnotationen z. B. von „Person“ zu explizieren. Kreiner bercksichtigt an dieser Stelle nicht die Mçglichkeit, dass ein Sprecher innerhalb einer Glaubensgemeinschaft auch dann in seinem analogen Gebrauch von „Person“ mit Bezug auf Gott gerechtfertigt sein kçnnte, wenn er nicht selbst die Analogie zu rekonstruieren vermag, sondern auf eine Interpretationsgemeinschaft oder herausragende Vertreter seiner Religion verweisen kann, die eine solche Rekonstruktion leisten kçnnen. Dieser soziale Aspekt der Rechtfertigung religiçser berzeugungen oder des spezifischen Gebrauchs bestimmter Ausdrcke kann andererseits aber nicht als Entschuldigung fr das fehlende eigene Bemhen dienen, sich den Glauben rational anzueignen. 13 Vgl. zum Problem nicht weiter analysierbarer Prdikate wie dem Seinsprdikat Kreiner 2006, 87 – 89. 14 Kreiner 2006, 89.
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In dem Maße aber, in dem die analoge Redeweise teilweise in eine univoke Redeweise bersetzbar ist, wird sie laut Kreiner „parasitr“, sofern sie nur dann sinnvoll ist, wenn prinzipiell die Mçglichkeit besteht, sie in eine univoke Redeweise zu bersetzen. Und diese Mçglichkeit wiederum muss gegeben sein, weil eine analoge Rede ber Gott hnlichkeiten zwischen menschlichen und gçttlichen Personen voraussetzt. Kreiner diagnostiziert diesen Schwebezustand der Analogie zwischen hnlichkeit und Unhnlichkeit abschließend als „chronisch instabil.“15 Wenn die hnlichkeiten nicht ausbuchstabiert werden kçnnten, tendiere die Analogie in Richtung quivozitt, was dann zur Konsequenz hat, dass die Eigenschaften Gottes letztlich unbeschreibbar fr den Menschen sind. Wrde man sie jedoch ausbuchstabieren, tendiere die Analogie in Richtung Univozitt.16 Gerade die Rekonstruktion der analogen Rede ber Gott mit dem Konzept der Konnotationen macht also deutlich, dass man die analoge Rede von Gott auf die Seite der wçrtlichen Bedeutung der Prdikate einordnen kann.17 Mittels der Konnotationen der beiden Verwendungsweisen von „¦“ bzw. „ist Person“ lsst sich genau rekonstruieren, was mit „Gott ist Person“ gemeint ist und was nicht. Die hnlichkeiten und die Unhnlichkeiten, die der analogen Verwendung zugrundeliegen, lassen sich klar identifizieren. In diesem Sinne resmiert auch Kreiner: „Der Unterschied zwischen Analogie und Metapher scheint in gewisser Hinsicht radikal zu sein: Denn bei der analogen Verwendung eines Ausdrucks ist ein wçrtliches Verstndnis durchaus mçglich, vielleicht sogar bedenklich naheliegend. Ein wçrtliches Verstndnis einer metaphorischen Verwendung wrde hingegen zu offensichtlichen Absurditten fhren. In anderer Hinsicht ist der Unterschied jedoch nur ein gradueller. Denn in beiden Fllen spielen hnlichkeiten die ausschlaggebende Rolle: Bei der analogen Verwendung scheinen die hnlichkeiten so groß zu sein, dass die Unhnlichkeit betont werden muss. Bei der metaphorischen Verwendung scheinen hingegen zu-
15 Kreiner 2006, 90. 16 Genau in diesem Sinne lsst sich Alstons Vorschlag verstehen, von einer „partial univocity“ bestimmter auf Gott angewendeter Ausdrcke auszugehen. Er bedient sich dabei u. a. einer funktionalistischen Interpretation psychischer Zustnde. Der funktionalistisch verstandene Begriff des Willens lsst sich univok sowohl uns Menschen als auch Gott zuschreiben. Vgl. dazu Alston 2005, 234 – 236; Alston 1989b, 64 – 102. 17 Auch nach von Kutschera impliziert die analoge Verwendung von Prdikaten deren wçrtlichen Sinn. Vgl. von Kutschera 1991, 74 – 75.
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nchst die Unhnlichkeiten so eklatant zu sein, dass die hnlichkeiten entdeckt werden mssen.“18
Kants Rede von analogischer oder symbolischer Erkenntnis Gottes lsst sich prima facie mit dieser sprachphilosophischen Rekonstruktion und den genannten Problemen hinsichtlich des „chronisch instabilen“ Zustandes der Analogie identifizieren. Auch Kant geht es bei seiner Rede von der analogischen Erkenntnis Gottes um einen klaren semantischen Inhalt der entsprechenden Ausdrcke. Wenn wir Gott einen Verstand und einen Willen analogisch zuschreiben, behaupten wir damit, dass es sich um eine Erkenntnis Gottes in praktischer Rcksicht handelt. In genau dieser Rcksicht beanspruchen die Aussagen Wahrheit. „Verstand“ und „Wille“ kçnnen zwar nur analogisch an Gott gedacht und Gott nicht so zugeschrieben werden, wie wir diese Ausdrcke Menschen zuschreiben, was sich gewissermaßen von selbst ergibt, weil die Ausdrcke ja sonst univok und gerade nicht analog verwendet wrden. Nichtsdestotrotz kann durch die Rekonstruktion der Proportionalittsanalogie genau nachvollzogen werden, worin die hnlichkeit zwischen den verschiedenen Verwendungsweisen besteht. Genau diese Rekonstruktion fhrt aber auf das von Kreiner diagnostizierte Problem, dass der Analogie immer auch die univoke Verwendung bestimmter Ausdrcke, die als Konnotationen zur Analogie dazugehçren, zugrunde liegt. Diese Tendenz zur Univozitt lsst sich bei Kant an der in Kapitel 2.2.2 angesprochenen Frage festmachen, wie die vollkommene hnlichkeit der beiden Verhltnisse der Analogie genau zu bestimmen ist. Ich habe dort argumentiert, dass wir die vollkommene hnlichkeit der Verhltnisse Kant zufolge auf der Grundlage der moralischen Teleologie feststellen: Der moralische Endzweck kann als Wirkung nur in einem bestimmten Verhltnis zu seiner Ursache, nmlich dem einer praktischrationalen Kausalitt gedacht werden. Dadurch kçnnen wir in einem univoken Sinn davon sprechen, dass Gott einerseits und Menschen andererseits zu bestimmten Wirkungen im Verhltnis einer praktisch-rationalen Kausalitt stehen. Inwiefern dieser auch bei Kant festzustellende „chronisch instabile“ Charakter der analogen Rede ber Gott ein grçßeres systematisches Problem fr seine Konzeption der analogischen Erkenntnis Gottes darstellt, kann hier nicht weiter diskutiert werden. Andererseits wird man Kreiner zurckfragen mssen, ob die beiden Alternativen in syste18 Kreiner 2006, 95. Kreiner widmet einen eigenen Abschnitt der metaphorischen Bedeutung der Rede ber Gott, vgl. Kreiner 2006, 91 – 98.
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matischer Hinsicht – die Unbeschreibbarkeitsthese einerseits und eine Position wie die Alstons, der von einer „partial univocity“ spricht, andererseits – mit ihrer vermeintlichen Stabilitt nicht andere Probleme mit sich bringen. Es spricht somit vieles dafr, dass Kant die Aussage „Gott ist Person mit Verstand und Willen“ von der Aussage „Gott ist mein Fels“ dadurch unterscheiden wrde, dass die Prdikate in der ersten Aussage wçrtliche Bedeutung haben: Gott kann Personalitt mit Verstand und Willen zugesprochen werden, auch wenn es sich dabei um eine analogische Prdikation handelt. Mit Kreiner wrde ich allerdings zugestehen, dass der Unterschied zwischen einer eher wçrtlichen und einer eher metaphorischen Bedeutung von analog verwendeten Ausdrcken wohl nur graduell ist. Dieses Zugestndnis kçnnte sich in der Untersuchung der symbolischen Vorstellungen niederschlagen, die Kant in der Religionsschrift bei seiner Interpretation des Christentums identifiziert. Anknpfend an die in Kapitel 2.4.4 dargelegte Unterscheidung des epistemologischen Status der symbolischen Erkenntnis Gottes einerseits und der symbolischen Vorstellungen im Christentum andererseits kçnnte man durchaus die These aufstellen, dass die vernderbaren und nur mçglicherweise immer ntzlichen und nçtigen Vorstellungen des Kirchenglaubens keine wçrtliche, sondern eine metaphorische Bedeutung beanspruchen. Diese These ist aber aus den in Kapitel 2.4.4 erarbeiteten Grnden von der These zu unterscheiden, dass jegliche Rede ber Gott oder ber andere religiçse Entitten bei Kant „panmetaphorische“ Bedeutung htte.19
19 Unter einer panmetaphorischen Position wird die Auffassung verstanden, dass alles Reden von Gott metaphorisch ist und es keinerlei Aussagen ber ihn gibt, in dem die enthaltenen Prdikate wçrtliche Bedeutung haben. In der gegenwrtigen philosophischen Theologie und Religionsphilosophie wird diese Auffassung z. B. von Sallie McFague vertreten (McFague 1982). Kreiner nennt noch einige weitere Beispiele. Vgl. Kreiner 2006, 96. Vgl. zur Kritik dieser Position auch Alston 1989c, 17 – 38.
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II. Kants Einfhrung des Symbolbegriffs in seine philosophische Theologie und Religionsphilosophie stellt hçchstens eine indirekte Aufwertung des Eigenwerts des Sinnlichen im Christentum dar Ganz ohne Zweifel hat Kant in seiner Religionsschrift die Bedeutung des Sinnlichen in den historischen Religionen gewrdigt, was im zweiten Teil der Arbeit in Kapitel 2.4 deutlich geworden ist. Er gesteht dem Menschen ein ,Bedrfnis nach Sinnlich-Haltbarem‘ auch in religiçsen Dingen zu. Das, was Kant im Christentum als ,Kirchenglauben‘ und als anschauliche symbolische Vorstellung von ,praktischen Religionsideen‘ identifiziert, hat eine mçglicherweise ,immer ntzliche und nçtige‘ Funktion bei der Etablierung des reinen Religionsglaubens. Als Vehikel oder hermeneutischdidaktisches Mittel ist der Kirchenglaube Kant willkommen, solange er vom Religionsglauben her ausgelegt wird, was bedeutet, dass zentrale christliche Glaubenslehren moralisch interpretiert werden. Nicht zuletzt fhrt Kant in der Religionsschrift vor, dass gerade die Bibel mit ihren Geschichten und Bildern der praktischen Vernunft hilft, bestimmte praktisch-rationale Probleme wie die Frage nach der Herkunft des Bçsen im Menschen, der Erreichbarkeit einer individuellen moralischen Vollkommenheit oder dem Verhltnis des nach Tugend strebenden Einzelnen zur Gemeinschaft aller Menschen zu entdecken. Die in der neuzeitlichen Philosophie oft behauptete Dichotomie zwischen Vernunft und Offenbarung, Geschichte oder Erfahrung hat Kant mit dieser Wrdigung des Sinnlichen im Christentum aber nicht berwunden. Es wre abwegig, Kant hier als Vorlufer von Schleiermacher oder gar William James und damit von Positionen darzustellen, die religiçsen Erfahrungen oder Gefhlen eine epistemologisch signifikante Rolle zuweisen.20 Kant will mit seiner Charakterisierung der sinnlich-anschaulichen Seite des Christentums als Vehikel bestimmten Ritualen oder auch Gefhlen beim Lesen der Bibel mit Sicherheit nicht den Status einrumen, dass man durch die Gefhle oder die Teilnahme an einer religiçsen Praxis einen unmittelbaren, nicht-inferentiellen und kognitiv relevanten Zugang zu Gott bekommt. Gleichzeitig ist sich Kant bewusst, dass das ,Bedrfnis nach Sinnlich-Haltbarem‘ zur conditio humana gehçrt. Ohne die Fußnote 20 Dass fr James religiçse Erfahrungen auch einen Zugang zu einer anderen Wirklichkeit darstellen, wird v. a. in den Gifford-Lectures zur Vielfalt der religiçsen Erfahrung deutlich. Vgl. dazu James 1997 und die Interpretation der Vorlesungen II, III sowie XVIff von Friedo Ricken in Ricken 2003, 64 – 76.
II. Kants Einfhrung des Symbolbegriffs in seine philosophische Theologie
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aus dem Dritten Stck der Religionsschrift, die ich in Kapitel 2.4.3 interpretiert habe, in ihrer Bedeutung berstrapazieren zu wollen, wird man doch einrumen kçnnen, dass Kant dem Kirchenglauben nicht einfach nur einen temporren, propdeutischen Wert zugesteht, der erlischt, wenn die Menschen begonnen haben, die christliche Glaubenslehre moralisch zu interpretieren. Vielmehr lsst sich die Verhltnisbestimmung von Religions- und Kirchenglauben in der Religionsschrift durchaus so verstehen, dass Kant die die Motivation zum Leben nach dem Religionsglauben untersttzende Kraft und verstndlichmachende Wirkung der biblischen Bilder oder des Gottesdienstes in ihrer dauerhaften Bedeutung fr die Vernunftreligion anerkennt. Der Kirchenglaube bleibt zwar Vehikel und ausgerichtet darauf, die Festigkeit des moralischen Glaubens so weit zu strken, dass der Religionsglaube idealiter alleine motivational zu einem tugendhaften Lebenswandel hinreichend ist. Dennoch wrdigt Kant den sinnlichen Aspekt historischer Religionen und gewinnt ihm doch einiges mehr ab als so manche seiner Zeitgenossen.21 Kants Verhltnisbestimmung von Religions- und Kirchenglauben im Sinne der hermeneutisch-vermittelnden Funktion des Kirchenglaubens lsst sich indirekt als eine Aufwertung der sinnlich-historischen Dimension von Religion verstehen. Nach Despland macht gerade Kants Einsicht, dass das Wissen von Gott symbolischer Natur und dass die religiçse Welt eine Welt von Symbolen sei, den Schlssel zum Verstndnis der historischen Position seiner Religionsphilosophie aus.22 Auch wenn Kant nur Anstze einer systematischen Symboltheorie vorgelegt habe, habe er Religionsphilosophie als neues, auf den Menschen, die Geschichte und die Kultur zentriertes Untersuchungsfeld schaffen kçnnen und so die moderne religiçse Welt von den Unzulnglichkeiten des mittelalterlichen Supranaturalismus befreien kçnnen. Diesem Urteil von Despland schließe ich mich an. Es gibt allerdings auch gute Grnde, Kants Skepsis gegenber der Erfahrungs- und Gefhlsdimension des Christentums kritisch zu beurteilen – gerade angesichts seines praktisch-rationalen Zugangs zu Religion. Denn wenn der Glaube an Gott der moralischen Bestimmung des Menschen Sinn verleiht, scheint es naheliegend zu sein, nicht nur die kognitive, sondern auch die konative (willentliche) und emotionale Seite dieses Sinngebens in die religionsphilosophische Reflexion einzubeziehen. In 21 Auch in dieser Hinsicht ist ein Vergleich mit Hume’s Religionsphilosophie lohnenswert. Vgl. dazu v. a. die Natural History of Religion. 22 Vgl. Despland 1973, 152; 260 – 262.
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dieser Hinsicht ergibt sich auch noch einmal eine neue Perspektive auf die wichtige Rolle der metaphorischen Rede im Christentum: Ohne Bilder, Gleichnisse, Erzhlungen wrde ein Großteil der Emotionen und Einstellungen, die in religiçsen Lebensformen wie dem Christentum vorkommen, keinen angemessenen Ausdruck finden.23 Dieser Tatsache sollte phnomenologisch in der Religionsphilosophie Rechnung getragen werden. Mit John Cottingham und Vincent Brmmer wrde ich dafr argumentieren, dass sich die Anerkennung der Bedeutung metaphorischer oder figurativer Rede ber Gott dabei durchaus mit einem theologischen Realismus verbinden lsst – nicht zuletzt weil der religiçse Bezug auf die Wirklichkeit Gottes – wie man von Kant lernen kann – eng mit einem praktisch-rationalen Bezug auf Wirklichkeit und nicht mit einem theoretisch-naturwissenschaftlichen Bezug auf Wirklichkeit verwandt ist.24 Dabei muss diese Verwandtschaft von Moral und Religion weder in dem Sinne verstanden werden, dass man religiçs sein muss, um moralisch sein zu kçnnen, noch in dem Sinne, dass Religion einfach in Moral aufgeht. Kants philosophischer Zugang zu Religion und zum Christentum ist in anderer Hinsicht gleichwohl ein wichtiges Korrektiv fr einen allzu sehr auf Erfahrung, sthetik oder Autoritt bedachten Umgang mit Religion. Das folgende, bereits in Kapitel 2.3.4 kurz interpretierte Stck aus der Anthropologie klingt zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch sehr aktuell: „Aber in den Darstellungen der zur Moralitt, welche das Wesen aller Religion ausmacht, mithin zur reinen Vernunft gehçrigen Begriffe (Ideen genannt), das Symbolische vom Intellektuellen (Gottesdienst von Religion), die zwar einige Zeit hindurch ntzliche und nçtige H l l e von der Sache selbst zu unterscheiden, ist A u f k l r u n g “.25
Fr Kant besteht ,Aufklrung‘ darin, sowohl ,das Symbolische vom Intellektuellen‘ und damit die Darstellung vom Dargestellten zu unter23 Vgl. dazu auch Cottingham 2005, 79 – 101. 24 Aus der Tatsache, dass wir mit bestimmten narrativen Elementen oder Metaphern unseren Gefhlen oder Einstellungen Gott gegenber Ausdruck verleihen, folgt nicht notwendig, dass diese narrativen Elemente oder Metaphern nichts anderes als Projektionen oder Konstruktionen ohne Bezug auf eine subjektunabhngige Wirklichkeit sind. Dieser Schluss setzt bereits voraus, dass religiçse Gefhle und Einstellungen per se subjektivistisch zu interpretieren sind. Vgl. zur Verbindung einer grundstzlich realistischen Position mit der Anerkennung der Bedeutung von metaphorischer Rede Brmmer 2008, 161 – 182; Cottingham 2005, 88 – 101. Zur Verwandtschaft der religiçsen mit einer moralischen Lebensform vgl. auch Ricken 2007, 95 – 109 und Cottingham 2009, 99 – 124. 25 Anth, 7: 191,36 – 192,5.
II. Kants Einfhrung des Symbolbegriffs in seine philosophische Theologie
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scheiden, als auch den rational einholbaren Sinn des christlichen Offenbarungsglaubens nicht verloren zu geben. Diese ,Aufklrung‘ ist in weiten Teilen der christlichen Theologien rezipiert worden und zumindest in unseren Breitengraden drfte sie inzwischen weitestgehend Bestandteil der Mentalitt zeitgençssischen Christseins sein. In einigen christlichen Konfessionen gibt es jedoch gegenwrtig Tendenzen, diese ,Aufklrung‘ – zum Teil in der argumentativen Spur einer ,Dialektik der Aufklrung‘ – zu relativieren und wieder als Gegnerin der Religion anzusehen. Zum Beispiel wird die historisch-kritische Interpretation von Bibel und Tradition zurckgewiesen und stattdessen werden die Autoritt der unmittelbaren Gotteserfahrung, der ununterbrochen berlieferten Tradition oder auch des kirchlichen Lehramts als Rechtfertigung bestimmter berzeugungen betont. Gegen die Annherung von Christentum und skularer Vernunft wird auch mitunter eingewandt, dass diese dem homo religiosus nicht gerecht werde.26 Auch wenn Kants Religionsphilosophie – geschweige denn die Religionsphilosophie irgendeines anderen Autoren – der Vielfltigkeit und Komplexitt des Christentums nicht bis ins Letzte gerecht wird, kann man ihr nicht nachsagen, dass sie die conditio humana aus den Augen verliere. Im Gegenteil: Kant nimmt mit seiner praktisch-hermeneutischen Religionsphilosophie das menschliche Bedrfnis ernst, nach einem personalen Gott als moralischem Welturheber zu fragen. Er verbindet dieses Bedrfnis jedoch mit einem anderen, zutiefst menschlichen Bedrfnis: nmlich berzeugungen auf ihre Rationalitt hin zu berprfen und dies auch im Diskurs von anderen einzufordern. Der Rekurs auf Autoritt mag andere Bedrfnisse befriedigen. Dem zuletzt genannten Bedrfnis kommt er sicherlich weniger entgegen. Angesichts der gerade genannten Tendenzen ermahnt die Kant’sche Rede von ,Aufklrung‘ im Bereich der Religion auf eine rgerliche, aber vielleicht auch heilsame Weise dazu, das intellektuelle Potential der Erkenntnis, dass „Moral unausbleiblich zur Religion“27 fhrt, nicht zu vergessen und fr die intellektuelle Selbstvergewisserung in einer pluralistischen Gesellschaft zu nutzen. Die enge Verwandtschaft der moralischen mit der religiçsen Lebensform erçffnet – jenseits der von Habermas propagierten lediglich ,rettenden Aneignung‘ des semantischen Potentials der religiçsen berlieferung fr die postskulare Gesellschaft – religiçsen Menschen eine Grundlage, sich selbst als religiçse Menschen rational 26 Vgl. dazu von katholischer Seite z. B. Mosebach 2004, 19 – 50. 27 RGV, 6: 8,37.
440
Ausblick
verantwortlich zu verstehen und gleichzeitig verstndlich zu machen. Dieses Potential gerade auch der Kant’schen Religionsphilosophie kann nicht hoch genug geschtzt werden.
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Abkrzungsverzeichnis Kants Werke werden nach den gngigen Sigellata abgekrzt (vgl. dazu das Siglenverzeichnis unter http://www.kant.uni-mainz.de/). Alle Zitate (bis auf Zitate aus der KrV) sind nach folgendem Schema ausgewiesen: Siglum, Band der Akademie-Ausgabe: Seite(n), Zeile(n). Beispiel: KU, 5: 351,15 – 22. Die KrV wird nach der Originalpaginierung (A/B) zitiert, wobei in Klammern Band und Seite(n) sowie Zeile(n) in der Akademie-Ausgabe ergnzt werden. Beispiel: KrV, B 17 (3: 38,8 – 12).
Verzeichnis der Sigellata: AA Anth EEKU FM Log KpV KrV KU MSRL MSTL Prol Refl RGV SF
= Akademie-Ausgabe = Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (AA Band 7) = Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (AA Band 20) = Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolf ’s Zeiten in Deutschland gemacht hat? (AA Band 20) = Jaesche-Logik (AA Band 9) = Kritik der praktischen Vernunft (AA Band 5) = Kritik der reinen Vernunft (AA Bnde 3 und 4) = Kritik der Urteilskraft (AA Band 5) = Metaphysik der Sitten – Metaphysische Anfangsgrnde der Rechtslehre (AA Band 6) = Metaphysik der Sitten – Metaphysische Anfangsgrnde der Tugendlehre (AA Band 6) = Prolegomena zu einer jeden knftigen Metaphysik (AA Band 4) = Reflexionen (AA Bnde 14 bis 19) = Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (AA Band 6) = Der Streit der Fakultten (AA Band 7)
Abkrzungsverzeichnis
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= Trume eines Geistersehers (AA Band 2) = Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie (AA Band 8) V-MP-K2/Heinze = Vorlesungen zur Metaphysik K2 (Heinze, Schlapp) (AA Band 28) V-MP-L1/Pçlitz = Vorlesungen zur Metaphysik L1 (Pçlitz) (AA Band 28) V-Th/Volckmann = Vorlesungen zur natrlichen Theologie Volckmann nach Baumbach (AA Band 28) V-Th/Pçlitz = Vorlesungen zur philosophischen Religionslehre Pçlitz (AA Band 28)
TG VT
Sachregister* Analogie 5, 11, 19f., 25–27, 30–34, 37, 41, 42–75, 98, 100–104, 108f., 113, 128, 132f., 135–140, 146, 149, 153, 157–171, 175–178, 180, 182–187, 188–197, 199–202, 204, 206–211, 215f., 229–242, 243–245, 252–256, 261, 265–271, 274–276, 278, 280–286, 288–297, 299–305, 307–310, 312–326, 328f., 335, 337–344, 378–383, 389–399, 401f., 404, 406–414, 417, 419, 422f., 425, 429–434 – Analogieschluss 31, 43f., 51–69, 71–75, 159–161, 170, 199, 231–233, 242, 296, 318–324, 329, 343, 425 – Attributionsanalogie 25–27, 72 – Erkenntnis nach der Analogie 2, 37, 196, 259, 276, 296, 301, 304f., 337, 342, 409f., 414, 421, 427, 429, 434 – Proportionalittsanalogie 25–27, 31, 45, 51, 72, 155, 163, 196f., 199, 240, 322, 423, 434 – Schematismus der Analogie 35, 306, 313–319, 321, 323f., 326, 328f., 342–344, 356, 380f., 383, 392, 406, 411, 423 Anthromorphismus – Dogmatischer Anthropomorphismus 268, 286, 288f., 291, 342, 426 – Symbolischer Anthropomorphismus 268, 277, 283, 287–292, *
294, 299–301, 316f., 329, 342, 409, 411, 418, 426 Anti-Realismus 37, 418f., 422, 426–428 Ausdruck 42, 101, 103, 111, 135–145, 148, 150, 153–155, 157, 160, 164f., 168f., 172, 174f., 177–185, 198–200, 202, 204–207, 210–211, 292f., 329, 426–435 Begriff – empirischer Begriff 47, 75f., 83, 85f., 117f., 120, 122–134, 136, 143–149, 154, 158, 162, 166f., 171, 174, 180f., 195, 198–202, 293, 320, 369, 389 – Vernunftbegriff 31f., 41, 50, 75f., 78–81, 84–87, 89, 91, 94f., 97–101, 107, 110f., 135f., 143–146, 149, 152–154, 156f., 172–174, 178–182, 186, 188–190, 192, 194–196, 198, 201f., 215, 253, 264, 273f., 276, 281, 302, 356, 366, 380–383, 387–392, 397, 399, 405f., 411 – Verstandesbegriff 31f., 75f., 80f., 86f., 89–92, 94–97, 99–101, 111, 118, 120, 123, 127, 134f., 140–145, 149f., 152, 154, 156f., 174, 181, 183, 185f., 188, 190–192, 201f., 268, 283f., 303, 389, 400 Bestimmung – praktische Bestimmung 34, 218, 220–223, 227, 241f., 245–248,
Textstellen, die fr ein bestimmtes Stichwort besonders relevant sind, sind fett hervorgehoben.
Sachregister
250–254, 257–260, 278–281, 287, 303, 309, 346, 408 Christentum 2f., 5f., 21, 24, 35f., 216, 282, 306, 332, 351–356, 365f., 368, 371, 377, 387, 395, 397f., 404f., 422, 427, 435–439 Darstellung 10, 20f., 23, 26, 28–30, 77, 81, 83, 92–97, 99–101, 149–152, 157, 163, 174–176, 178, 180, 183, 185f., 190–192, 195–197, 203, 216, 259, 262, 293f., 301, 316f., 331–333, 356, 362, 390, 392, 404, 415, 438 – direkte Darstellung 95–97, 99, 145, 150, 156, 183, 186, 190, 197, 303, 305, 313f., 342, 390f. – indirekte Darstellung 28, 32, 42, 94–96, 98–100, 102f., 112, 131f., 134–136, 138, 140, 146, 148–151, 153–158, 163–165, 172f., 176–178, 180–183, 186, 188, 192, 195, 197–199, 201f., 264, 273, 282, 292f., 304f., 313, 316, 322, 340, 342, 374, 383, 390–393, 396f., 406, 408f. Deismus 34, 217, 257, 265f., 271–278, 281, 335f., 409, 414, 425, 427 Demonstration 90, 92–94, 150, 155, 163, 182f. Dreieinigkeit 36, 268, 356, 370–374, 376, 402 Einbildungskraft 87, 92, 173, 175, 219, 424 Endzweck – moralischer Endzweck 27, 34f., 88, 224–229, 234–250, 252–256, 258–260, 274, 280f., 287f., 295, 300f., 308, 333, 337f., 344, 346–349, 394–396, 399, 401–403, 407, 409f., 412–414, 417f., 420, 434 Erkenntnis – Erkenntnisvermçgen 69, 71, 76f., 80f., 87, 116, 119, 129f., 221,
455
233–239, 242–244, 246–248, 252, 256, 259, 265, 279f., 287, 418 – Erkenntnis Gottes siehe unter „Gott“ – Theoretische Erkenntnis 41, 44, 76, 80–86, 88, 94–98, 153, 178, 182, 190, 198, 221, 228f., 232, 235, 242f., 249, 253–255, 259f., 264, 267, 279–281, 296, 303–305, 315, 326, 336, 372–374, 382, 389, 391, 400f., 405f., 410, 428 Gesetz – moralisches Gesetz 79, 223–227, 229, 234, 236, 248–250, 260, 280, 312, 325, 333, 335, 337, 345–350, 362, 374f., 383f., 394, 399, 410 Gesinnung 249, 269, 271, 306, 312, 324–327, 330, 346, 361f., 379, 424 Glaube 92, 226, 249f., 271, 310, 312, 358f., 364, 367f., 371–374, 380, 391, 421, 432, 437 – moralischer Glaube 226, 246, 260, 349, 359 Gott 1–8, 11–15, 19f., 26f., 30f., 33–35, 37, 41, 43f., 51, 54, 56f., 62–64, 68, 71f., 75, 81, 83, 87–89, 95, 97, 100, 134, 136, 153f., 157, 168–172, 179, 181f., 184, 186–190, 196, 199, 203, 211, 215–217, 220, 222–229, 232f., 237–239, 241f., 244–246, 248–289, 291f., 295, 297–313, 315–319, 321–330, 332, 334–339, 341–351, 355f., 361–363, 366–368, 370–376, 378, 380f., 383–386, 389–399, 401–403, 406–439 – Eigenschaft Gottes 3–5, 35f., 233f., 267, 281, 296f., 301, 303, 305, 311, 315, 321, 323, 342f., 375, 401, 416, 425, 433 – Gottesbeweis 71, 223, 260, 425 – Moralisches Argument fr die Existenz Gottes 34, 37, 43, 72, 223, 225–227, 229, 235–239, 242,
456
Sachregister
244f., 248, 250, 252–255, 259f., 274, 280f., 308, 343, 347–349, 394f., 398f., 402, 407–409, 412, 414f., 420 – Praktische Erkenntnis Gottes 243, 255, 259–261, 263, 267, 279, 301, 305, 321, 327, 337f., 355, 376, 392, 396f., 402, 407–410, 413 – Symbolische Erkenntnis Gottes 2, 8, 10, 19, 37, 215, 265, 274, 327, 345, 375, 388, 393, 407–409, 412, 426, 430, 434f. Hermeneutik 4, 10, 14f., 35–37, 318, 323, 328–330, 338, 343f., 351, 355, 381, 383f., 387–389, 391–393, 397, 399, 403, 405–407, 411–413, 436f., 439 Hçchstes Gut 224–227, 247, 249, 280, 344, 348, 395, 400f. Hypotypose 20, 23, 28–30, 42, 92, 97, 101, 140, 149–152, 154–157, 174–176, 185, 313 – schematische Hypotypose 91, 95, 101, 103, 139, 141, 149–153, 155–157, 164, 186, 268, 302, 314 – symbolische Hypotypose 13, 28, 32, 90f., 95, 98–100, 102f., 108, 112f., 128f., 139f., 149–157, 164–167, 171f., 176–180, 182f., 186f., 198f., 201, 215, 218, 220, 251, 261, 279, 292f., 313, 328, 340, 389f. Idee 1, 32, 36, 50, 75–77, 79, 86–89, 91f., 96–98, 100, 110–112, 142f., 146, 149, 153, 168f., 173, 186f., 189, 192, 195, 198, 203, 216–218, 220–223, 226–229, 235f., 241f., 245–248, 250–254, 256–258, 260, 264, 269, 274, 278–280, 283f., 286f., 295, 302–304, 306, 309, 312f., 331–333, 336, 357, 360, 365–367, 370–376, 379, 384, 387, 389, 395–402, 404f., 407f., 410–413, 419, 424f., 438 – Vernunftidee 34, 77, 81, 87–89, 92, 94f., 97, 100, 111, 134f.,
142–145, 149, 169, 173, 186–188, 205f., 216, 228, 235, 240, 243, 264, 283f., 289, 305, 308f., 332f., 349, 366, 382, 386, 390, 393, 396–398, 401, 413f., 424 Kausalitt 44, 46f., 53, 63, 66–72, 75–77, 79, 99, 110, 114, 117–131, 133–135, 137f., 144f., 147–149, 156, 159–165, 169–171, 176, 179, 181, 184, 186f., 189, 193–195, 197f., 200, 204, 207, 216, 220f., 223–225, 230, 232, 236–242, 252, 255f., 261–269, 274f., 280–282, 286, 289f., 294, 299f., 302, 304, 315, 319, 321–323, 326–328, 330, 343, 345f., 350, 391–393, 398f., 403, 406, 409, 417, 434 – Kategorie der Kausalitt 46f., 124, 127, 130, 147, 195, 197 – spezifische Kausalitt 32, 46–48, 75, 112, 123–127, 129–135, 137–139, 145–148, 158, 160, 162, 165–167, 171, 176f., 179, 183f., 188, 195, 198f., 201f., 282, 391 Kirchenglauben 36, 358–361, 364f., 367, 369f., 372–374, 376–378, 381f., 384, 386–388, 396, 402, 404f., 410f., 424, 435–437 Kommentarische Interpretation 7–11, 33 Korrespondenz von Begriffen und Anschauungen 28, 31, 77, 87, 89–91, 92–97, 99, 101, 131, 138, 141–143, 149–151, 153, 155, 174, 177, 183, 186, 190f., 195, 253–255, 264, 268f. 313–315 – Direkte Korrespondenz von Begriffen und Anschauungen 141–145 Metapher 33, 145, 180f., 204–211, 417, 428–430, 433–435, 438 Metaphysik 4f., 7, 15, 87, 188, 260, 283f., 289, 296, 300, 338, 340, 351, 374, 414, 416, 421, 452f.
Sachregister
Moral 270, 337, 394f., 420f., 438f. – moralische Teleologie 34f., 223, 240f., 260, 262f., 265, 274, 276, 280f., 289, 305, 344–346, 349f., 395, 399, 407f., 413f., 434 Notwendigkeit 119, 129, 224, 226f., 241, 304f., 367, 369, 376, 381 – subjektiv-praktische Notwendigkeit 227, 402 Offenbarung 36, 187, 272, 311, 351, 353–355, 358–364, 370–372, 377f., 403, 405, 436 Paritas rationis 44, 55–58, 60f., 63–65, 68, 70, 74f. Philosophische Theologie 1–5, 11f., 14f, 19, 27, 35–37, 44, 67, 72, 215f., 238, 240, 260f., 265, 271, 273, 276, 278, 281f., 284, 287, 324, 327, 336, 341, 344f., 347f., 351, 355, 374, 389, 393f., 397, 399, 403, 407–410, 412–414, 418, 420f., 425f., 428, , 430, 435f. Postulat 223, 226f. Realismus 37, 418–421, 426–428, 438 Reflexion 15f., 32f., 42, 46, 58, 60–65, 98, 103f., 108f., 112–119, 121f., 125–140, 146–151, 153f., 156, 158, 161f., 164–167, 169–172, 175, 177f., 182, 184, 196, 198, 200, 202–205, 207, 261, 282, 292f., 311, 390f., 393, 417, 437, 452 – Regel der Reflexion 98, 100, 104–106, 109, 112–114, 122, 125f., 128–133, 137f., 146–148, 158, 161–163, 167, 170f., 174, 179, 198, 200, 205f., 293 Regel 18, 29, 42, 49–51, 61f., 66, 98f., 110, 113–116, 119–126, 128–133, 137, 139, 142, 145, 147, 149f., 155f., 159f., 162–165, 167, 170f., 183, 195, 200, 248,
457
263, 271, 306, 336, 358–361, 391, 395, 430–432 Religion 3–8, 36f., 187, 216, 260, 269f., 272f., 276, 307, 312f., 315, 327, 331f., 334, 345–355, 358–361, 363f., 367, 369f., 373, 375–377, 381, 384, 386f., 395f., 403f., 410, 413–415, 420f., 424, 426, 428, 432, 437–439, 452 – Historische Religion 6, 36, 327, 351, 353–355, 377, 387, 403f., 406, 411, 415, 427, 436f. – Natrliche Religion 36, 352, 355, 358–361, 371, 377, 384–388, 403f., 437 – Religionsglauben 36, 358, 360f., 363–365, 369, 374, 376–378, 381, 383–389, 396, 404–406, 410f., 424, 436f. Religionsphilosophie 2–7, 10–12, 14, 19, 27, 37, 187, 210, 215, 240, 272, 287, 327, 376, 378, 384, 387, 393–395, 397, 404, 407, 410, 412, 420, 422, 424, 426–430, 435–440 Schema 1, 10, 13, 31f., 75f., 85f., 90, 95, 97–101, 103, 108, 113, 117, 120, 127, 129, 135f., 139–141, 145, 149f., 152f., 155, 158, 163–165, 174–178, 182f., 216–218, 250f., 256f., 261f., 265f., 268–271, 274f., 277f., 281, 284, 292, 306f., 313–315, 317–323, 328–330, 335, 369, 373f., 389f., 392, 400, 452 Schematismus der Analogie siehe unter „Analogie“ Symbol 1f., 5f., 10–15, 17, 19–24, 28, 30, 32f., 35–37, 41f., 50, 90, 95, 98–106, 109, 111–114, 120, 123, 125–128, 131–140, 144–146, 148–155, 157f., 163–186, 188f., 192–195, 197f., 200–210, 215f., 253, 261f., 267, 273, 275, 282, 287, 290, 292–294, 302, 304, 306, 308, 313–317, 328–334, 337, 339–341, 343f., 355–358, 361, 365–370,
458
Sachregister
372–376, 378f., 381, 384, 387–394, 397, 399, 403f., 406–408, 410–415, 419, 430, 437 – Symbolischer Anthropomorphismus siehe unter „Anthropomorphismus“ – Symbolische Darstellung 6, 36, 95, 136, 140, 156, 170, 176, 180, 188, 207f., 274f., 293, 302, 304, 306, 314–316, 328, 332f., 356, 363–365, 377, 384, 389, 404f., 415, 417 – Symbolisierung 32f., 35, 37, 41f., 97, 101–104, 122f., 125, 131, 133, 135–139, 144–149, 151, 153f., 156f., 160f., 163, 165–168, 170, 174, 177f., 180f., 185f., 191f., 194, 196, 198–205, 208f., 261f., 264–266, 303–305, 313, 315, 318, 323, 326, 329f., 333, 342, 344, 366, 382, 390–393, 396f., 399, 402, 406f., 409, 411, 413f., 417, 419, 425 Theismus 34, 271, 276f., 281, 297, 395, 409 bersinnliches 33, 87, 92, 189–192, 196, 202, 209, 269, 302–305, 307, 314, 318f., 322, 333, 342, 399f., 411 Urteilskraft 1, 9f., 12, 14, 32, 42, 46, 92, 97f., 100, 102–104, 109, 113, 115f., 118–120, 124, 127f., 130, 133, 136, 146f., 150–152,
155–158, 160f., 163, 167f., 173, 196, 215f., 220f., 223, 284, 414f., 452 – Bestimmende Urteilskraft 115, 119, 124, 147, 230f., 233, 237 – Doppeltes Geschft der Urteilskraft 14, 18, 32, 41f., 46, 97–100, 102–109, 112–115, 119, 121–129, 131–133, 136, 138–140, 146f., 149, 154f., 157f., 161–168, 170–172, 174, 176–180, 195, 197–200, 203–205, 207f., 293, 391f. – Reflektierende Urteilskraft 115, 117–119, 124f., 127, 147, 203, 209, 228 Vorstellung 28, 43, 47, 50, 53, 55, 57, 64–67, 69, 72, 74f., 82–84, 86f., 92, 115–118, 120, 124, 126, 130f., 147, 160, 172, 176f., 182, 188f., 192–195, 199, 209, 216, 218f., 231–233, 236, 246f., 263, 269f., 275, 281, 296, 302, 304, 308f., 311, 314f., 317, 319f., 322f., 327–329, 331, 335, 339f., 342f., 356, 363, 365–379, 382, 384, 389, 392f., 395–397, 402–406, 410–412, 422–424, 435 – Intuitive Vorstellungsart 23, 28, 175, 182, 218, 273, 314, 317, 328, 342 Zeichen 18, 21–24, 36, 64, 136, 169, 175f., 178, 339f.
Personenregister Adorno, Theodor Wiesengrund VII Allison, Henry E. 18 Alston, William P. 210f., 426, 430, 433, 435 Ameriks, Karl 67 Aristoteles 21, 26, 72 Bahr, Petra 2, 15, 19f., 28, 30, 33, 37, 78, 92, 126, 152, 155, 163, 175f., 180f., 185, 203f., 240, 292, 348f., 415–422 Barth, Ulrich 37, 72, 348, 419–421 Baumgarten, Alexander Gottlieb 20, 22, 30, 340 Baumgartner, Hans Michael 356f. Berndt, Frauke 20, 173 Bielefeldt, Heiner 19, 125, 179f., 292, 347 Blumenberg, Hans 33, 204–207, 430 Bojanowski, Jochen 319 Bornmller, Falk 19, 69, 78, 107, 151, 181, 184 Brmmer, Vincent 438 Byrne, Peter 10, 15, 19, 51 Cajetan, Thomas 26f. Cassirer, Ernst 24 Cazeaux, Clive 19, 210 Chignell, Andrew 19, 41, 173, 313 Cicero 21, 29 Cohen, Ted 19 Cottingham, John 438 Crusius, Christian August 23 Danz, Christian 19, 420f. Despland, Michel 3f., 19, 162, 207, 349, 437 Dierksmeier, Claus 15, 19, 387 Dçrflinger, Bernd 19, 207, 382, 386
Eberhard, Johann August Ernst, Norbert 26 Ess, Charles 19 Esser, Andrea 19 Evren, Sahan 19
340
Ferr, Frederick 19 Fischer, Norbert 5, 10 Fischer, Peter 19 Flint, Thomas P. 5 Forschner, Maximilian 10, 19, 91, 129, 180f., 188, 314, 386 Fçrster, Eckart 10 Frank, Manfred 19, 152, 155, 162, 173 Gadamer, Hans-Georg 6, 20, 23f., 207 Gasch, Rodolphe 2, 9, 19f., 28f., 92, 101, 107, 151, 162, 181, 207 Gill, Jerry H. 19 Goethe, Johann Wolfgang von 22f., 29 Grtzel, Stephan 10, 271, 362, 379 Grimm, Jacob und Wilhelm 221f., 310, 350 Gulick, Walter B. 19 Guyer, Paul 19 Habermas, Jrgen 387, 439 Hafner, Bernhard Jonas 19 Hake, Ann-Kathrin 19 Hertz, Heinrich 24 Hinske, Norbert 58 Hçffe, Otfried 289, 356f., 362, 379 Horstmann, Rolf-Peter 289 Hume, David 273, 276f., 284f., 425–427, 437 James, William
436
460
Personenregister
Jung, Matthias 6 Jngel, Eberhard 72 Kang, Yæong-An 19, 162, 181, 207, 209, 223 Klemme, Heiner F. 16, 121, 230 Klopstock, Friedrich Gottlieb 28f. Kluxen, Wolfgang 25, 27 Kreiner, Armin 210, 429–435 Kuehn, Manfred 189 Kutschera, Franz von 433 Lambert, Johann Heinrich 23 Langthaler, Rudolf 19, 240 Lausberg, Heinrich 29 Leibniz, Gottfried Wilhelm 22f. Lutz-Bachmann, Matthias 4 Lycan, William G. 210 Marty, FranÅois 347 McFague, Sallie 435 Meier-Oeser, Stephan 20, 22f. Model, Anselm 19f. Mosebach, Martin 439 Mller, Ernst 15, 19, 37, 181, 413–415 Mller, Klaus 5 Naragon, Steve 15, 339 Nieraad, Jrgen 28 O‘Neill, Onora
19, 272
Paetzold, Heinz 24 Pater, Wim A. de 25f. Pelc, Jerzy 24 Peters, Jens-Peter 19, 24 Pieper, Annemarie 19, 25, 43, 67, 134, 138, 209f., 296 Pringe, Hernn 19, 127, 162, 207, 253 Rajiva, Suma 15, 19, 388 Rawls, John 379 Recki, Birgit 2, 9, 19, 125, 151, 181, 204, 207, 262, 274 Rentsch, Thomas 5, 379 Reuchlin, Johannes 22
Ricken, Friedo 7f., 10, 19, 223, 277, 328, 356, 361f., 436, 438 Rolf, Eckard 20, 22–24, 205, 429 Rossi, Philip 10 Rueger, Alexander 19 Schelling, Friedrich Wilhelm Josef 240, 387 Schiller, Friedrich 23, 29 Schlegel, August Wilhelm von 22 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 419, 421–423, 436 Schmidt, Josef 5 Scholz, Oliver R. 23f. Schçnecker, Dieter 7, 312 Schwaiger, Clemens 15 Siitonen, Arto 272 Silber, John R. 19, 356 Soskice, Janet Martin 429f. Specht, Ernst Konrad 19, 25 Stangneth, Bettina 19, 309f., 325, 385 Stark, Werner 15 Stump, Eleonore 374 Swedenborg, Emanuel 22, 331f. Swinburne, Richard 429–431 Takeda, Sueo 19, 25 Taliaferro, Charles 5, 10 Tetens, Johannes Nikolaus 23 Theis, Robert 291 Theissmann, Udo 28f. Thiselton, Anthony C. 271 Thomas von Aquin 25f. Thçnissen, Wolfgang 19, 393 Todorov, Tzvetan 22–24 Tomberg, Markus 19, 101, 181 Trakakis, Nick 10 Troeltsch, Ernst 4, 19 Vaihinger, Hans 37, 422–425 Villers, Jrgen 19 Vischer, Friedrich Theodor 24 Vossenkuhl, Wilhelm 19 Ward, Keith 19, 173 Wenzel, Christian Helmut 207
19, 162,
Personenregister
Westphal, Merold 271 Wetz, Franz Josef 205 White, Roger M. 19, 241, 418f., 428 Wicks, Robert 19, 67, 123, 173, 208 Wimmer, Reiner 10, 19 Winter, Aloysius 10, 19, 67, 301, 354, 423
Wolff, Christian Wood, Allen W. 356f., 422
461 22f., 188, 340 10, 19, 271f., 302,
Zanetti, Veronique 19, 152, 173 Ziche, Paul 19, 145, 180, 207–210, 393