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German Pages [249] Year 2019
Mario Klarer (Hg.)
Kaiser Maximilian I. und das Ambraser Heldenbuch
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar
Publiziert mit der Unterstützung durch : Amt der Tiroler Landesregierung Österreichische Akademie der Wissenschaften Universität Innsbruck Stadt Innsbruck
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildungen : Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXVr (Details). © 2019 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat : Patricia Simon, Langerwehe Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-23266-7
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Mario Klarer Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch. Paradoxien und Anachronismen eines außergewöhnlichen Kunstwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
AUFTRÄGE UND AUSFÜHRUNGEN Hubert Alisade Zur Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs. Die Beauftragung Hans Rieds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Aaron Tratter Buchschmuck, Lagen, leere Seite. Was kodikologische Merkmale über den Entstehungsprozess des Ambraser Heldenbuchs verraten können.. . . . . . . . . 37
TEXTE UND TEXTUREN Jan-Dirk Müller Alte Heldenbücher im Kreis Maximilians. Zu einer umstrittenen Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Klaus Amann Reflexionen über den Hof. Zur Organisation des Ambraser Heldenbuchs . . . . . 61
UNIKATE UND ÜBERSETZUNGEN Kurt Gärtner Der Ambraser Erec – eine Kompilation? Zu einer Ausgabe des Ereck von Hans Ried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5
Inhalt
Stephan Müller Prominente Unikate. Zu den (verlorenen) Vorlagen des Ambraser Heldenbuchs und dem heldenbuch zu Runkelstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
GENRES UND GENDER Max Schiendorfer Nur Allotria inmitten höfischer Hochepik? Die Schwankdichtungen des Ambraser Heldenbuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Michael Dallapiazza Die Böse Frau/Daz buoch von dem übeln wîbe. Der arme Mann im Geschlechterkampf?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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HELDEN UND HERRSCHER Heinz Noflatscher Maximilian – Held aller Helden? Ein Kaiser erfindet sich neu . . . . . . . . . .
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Larry Silver Ein moderner Heldenkaiser. Maximilians Theuerdank als frühneuzeitliches Heldenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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BILDER UND BUCHSTABEN
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Kristina Domanski Zwischen Naturstudium und Dekor. Kunsthistorische Bemerkungen zum gemalten Buchschmuck im Ambraser Heldenbuch.. . . . . . . . . . . . . . . .
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Mario Klarer Vom Buchstaben zum Text. Die Handschrift von Hans Ried und die Transkription des Ambraser Heldenbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
GEDACHTNUS UND GEDANKEN Mario Klarer Vom Umgang mit der Gedachtnus. Translatio imperii und mittelalterliche Gehirnanatomie im Ambraser Heldenbuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bibliographie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Werk- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Danksagung Die Publikation dieses Sammelbands geht auf mehrere Forschungsprojekte zurück: das go!digital-Projekt „Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset“ (Projektleitung Mario Klarer) (www.uibk.ac.at/projects/ahb/) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie das von Stadt Innsbruck und Land Tirol geförderte Projekt „Maximilian-goes-digital“ (Projektleitung Mario Klarer) im Rahmen des 500. Todestags Kaiser Maximilians 2019. Weitere Unterstützung für eine Konferenz und diesen Band gewährte die Universität Innsbruck bzw. die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät. Neben diesen Institutionen gebührt folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank für ihre Unterstützung: Hubert Alisade, Veronika Führer, Ingrid Führer, David Messner, Alexandra Ohlenschläger, Julia Ott, Bernadette Rangger, Claudia Sojer, Aaron Tratter und Almyria Wilhelm. Sie haben in unterschiedlichen Phasen von der Vorbereitung bis zur Drucklegung zum erfolgreichen Abschluss der Publikation beigetragen.
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Mario Klarer
Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch Paradoxien und Anachronismen eines außergewöhnlichen Kunstwerks
Das Ambraser Heldenbuch ist so wie jedes große Kunstwerk zutiefst widersprüchlich und unzeitgemäß. Gerade das Ungereimte, Unlogische und Fragwürdige dieser wichtigen Sammelhandschrift der mittelalterlichen deutschsprachigen Literatur steht im Zentrum des vorliegenden Sammelbands. Neueste Forschungsbeiträge nehmen sich anlässlich des 500. Todestags Kaiser Maximilians I. zentraler Fragestellungen dieses von ihm in Auftrag gegebenen Prunkkodex an. Zu den hier behandelten Dimensionen des Heldenbuchs zählen ‚Materialität‘ mit Buchbindung und Layout, ‚Historisches‘ im Umfeld der Beauftragung und Durchführung der Niederschrift, ‚Konzeptionelles‘ wie Art und Zusammensetzung der Texte, ‚Kunsthistorisches‘ anhand von Buchschmuck und Abbildungen, ‚Literaturwissenschaftliches‘ über gattungsspezifische und editionsphilologische Blickwinkel sowie ‚Kulturwissenschaftliches‘ im Bereich Intention und Wirkung.
Medium Bereits das Material oder Medium des Ambraser Heldenbuchs als fünfhundertseitige Pergament-Prunkhandschrift erscheint anachronistisch. Maximilian hat Anfang des 16. Jahrhunderts den Zöllner Hans Ried aus Bozen mit der Abschrift des Ambraser Heldenbuchs beauftragt. Das Unzeitgemäße an diesem Unterfangen ist, dass der Buchdruck bereits seit einem halben Jahrhundert in voller Blüte stand. 50 Jahre nach Erfindung dieser neuen Kulturtechnik einen handgeschriebenen großformatigen Kodex in diesem Umfang in Auftrag zu geben, stellt sich gegen den fortschrittlichen Stand der Buchtechnik am Beginn des 16. Jahrhunderts. Auch Papier hat Pergament schon lange als vorherrschendes Textmedium abgelöst. Vor dem Hintergrund, dass Maximilian in seinen autobiographisch motivierten Werken Theuerdank (Abb. 1) und Weißkunig (Abb. 2) den Buchdruck bzw. dessen Möglichkeiten ausreizt, erscheint sein Auftrag für eine mittelalterliche Prunkhandschrift geradezu nostalgisch. Man kann diesen Rückgriff Maximilians auf ein überkommenes Medium und Handwerk im Grunde nur mit heutigen Hobbyfotografen vergleichen, die trotz ausgereifter Digitalfotografie lieber auf analoge Techniken mit Negativ und Fotopapier zurückgreifen. 11
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Abb. 1: Theuerdank (kolorierter Druck auf Pergament, 1517), Theuerdank entkommt einer von Unfalos Gehilfen verursachten Lawine (Kap. 36). Abb. 2: Weißkunig (Druck, 1775), „Kaiser Maximilian ehret das Andenken der Vorväter“ (fol. XY).
Textarten Ebenfalls ungewöhnlich ist die Textnatur der im Ambraser Heldenbuch überlieferten Literatur. Mit seinen 25 Werken stellt das Heldenbuch wahrscheinlich eine der umfangreichsten Sammlungen mittelalterlicher deutschsprachiger Literaturdenkmäler dar (Abb. 3). Darunter befinden sich Werke wie das Nibelungenlied, Meier Helmbrecht oder Iwein. Einzigartig ist auch, dass von den 25 im Heldenbuch aufgezeichneten Texten zwei Drittel Unikate sind. Diese Texte sind somit ausschließlich im Heldenbuch überliefert. Dazu gehören so wichtige Werke aus dem deutschen Mittelalter wie Erec, Kudrun oder Moriz von Craûn (Abb. 4), die zum absoluten Kanon mittelhochdeutscher Literatur zählen. Maximilian war sich wohl kaum bewusst, dass sein „helldenpuch“ (Unterkircher 1973, Tafel I/2) so viele Texte für die Nachwelt bewahren würde. Es hätte ihm aber sicherlich gefallen, da sein Kulturschaffen und alle seine künstlerischen Auftragswerke, wie er es selbst im Weißkunig ausdrückte, der „gedachtnus“ (Schultz 1966, Kap. 24, 66) verpflichtet waren. Gemeint ist damit Gedächtnis im Sinne von Andenken und Erinnerung. Im Fall des Ambraser Heldenbuchs war es Wissen über 12
Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Abb. 3: Ambraser Heldenbuch, Tabŭla des Heldenpuͦ chs, die Texte und Kapitel des Heldenbuchs auflistet (fol. I*r).
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Mario Klarer
Abb. 4: Ambraser Heldenbuch, Beginn des unikal im Ambraser Heldenbuch überlieferten Moriz von Craûn (fol. IIv).
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Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Geschichte – oder istory, wie Maximilian es nannte –, das es für das kulturelle Gedächtnis der Zukunft zu bewahren galt. ‚Geschichte‘ oder ‚Geschichten‘ vermengen sich hier auf eine Art und Weise, die natürlich unserem modernen Geschichtsbewusstsein nur teilweise entspricht.
Sprache Anachronistisch am Textspeicher Ambraser Heldenbuch erscheint auch, dass Hans Ried zwischen 1504 und 1516 mittelhochdeutsche Texte aus dem 12. und 13. Jahrhundert nicht in ihrem ursprünglich mittelhochdeutschen Wortbestand niedergeschrieben hat. Vielmehr hat sich Hans Ried auf eine wiederum anachronistische Art und Weise diese Vorlagen in eine frühneuhochdeutsche literarische Sprache ‚anverwandelt‘. Dies zeigt sich auch für Nichtexperten zum Beispiel in den wohlbekannten Eingangsversen des Nibelungenlieds, die im Heldenbuch folgendermaßen wiedergegeben sind: „Es ist in alten mären wunders vil gesagt“ (Abb. 8, fol. XCVra ll. 2–4). Der mittelhochdeutsche Text, den die meisten von uns noch aus der Schulzeit kennen, lautet aber: „Uns ist in alten mæren wunders vil geseit“ (Hennig 1977, Str. 1, V. 1). Das bedeutet, dass unikal überlieferte Texte wie zum Beispiel Kudrun oder Erec im Ambraser Heldenbuch nur in ihrer frühneuzeitlichen ‚Übersetzung‘ durch Hans Ried erhalten sind (Abb. 5). Heutigen Leserinnen und Lesern steht dieser mittelalterlichen Texte also nur in jener eigenständigen Version des Bozner Zöllners Hans Ried zur Verfügung, die dieser für Maximilian angefertigt hat. Vielleicht sollte dem Kaiser die Lektüre dieser schwer verständlichen alten Texte durch eine modernere oder modernisierende Sprache erleichtert werden.
Schreiber Es ist auch aus heutiger Sicht ungewöhnlich, aber dennoch bezeichnend, dass Maximilian einen Zöllner mit der Niederschrift dieser Textsammlung betraut hat. So wie ein Zöllner an regionalen Grenzen positioniert ist, um den Austausch von materiellen Gütern zu übersehen, ist der Zollschreiber Ried verantwortlich, geistige Güter aus einer anderen Epoche über zeitliche Grenzen zu begleiten. Diese Grenzen trennen einmal das Mittelalter von der frühen Neuzeit, aber auch das Zeitalter Maximilians von unserer Gegenwart – also 500 Jahre nach dem Tod des Kaisers. Dass Hans Ried auch manchmal die Grenzen seiner eigenen Belastbarkeit als Zöllner erreichte, betont eine einzige persönliche Notiz, die sich gegen Ende eines Zollrevers findet: „Die Wagner, Vnd Sämer […] schelten mich, vnd den Gegenzollner schmächlich, 15
Mario Klarer
Abb. 5: Ambraser Heldenbuch, Beginn der unikal im Ambraser Heldenbuch überlieferten Kudrun (fol. CXLr).
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Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Abb. 6: Zollrevers (1506), Hans Rieds sehr persönliche Klage seinen Berufsstand als Zöllner betreffend (fol. 7r).
lauffen vnns an mit werhaffter handt, vnd troen vnns gar graussamlich, müessen darnach von den Bürgern, Iren Wirten hie, auch veracht, vnd verunglimpht sein, also werden wir von Yederman verschmächt, vnd verhasst“ (Abb. 6). Wie dieser Eintrag zeigt, waren auch Hans Rieds Aufgabengebiete aus heutiger Sicht widersprüchlich bis gegensätzlich. Als Urkundenschreiber war sein Betätigungsfeld nicht primär auf literarische Texte ausgerichtet. Hans Ried begegnet uns ganz im Gegenteil als Verfasser von Dienstreversen, Registern und Urkunden. Zu diesen Gebrauchstexten zählt auch eine fünfzigseitige Prachturkunde im Umfeld von Maximilians Chefdiplomaten Ritter Florian von Waldauf, die Ried gleich mehrmals ausfertigte (Abb. 7). Die Gegenüberstellung des Ried’schen Urkundenmaterials mit dem Ambraser Heldenbuch lässt wiederum Aussagen über Eigenheiten der von Ried im Heldenbuch benutzten Sprache zu, die eine Zwitterstellung zwischen frühneuhochdeutscher Kanzleisprache und mittelhochdeutschem literarischen Sprachgebrauch einnimmt. Hans Ried hat sozusagen seine eigene literarische Sprache für das Ambraser Heldenbuch erfunden, in die er seine Vorlagen ‚übersetzte‘. Anachronistisch ist daher auch, was Generationen von Herausgebern mittelhochdeutscher Texte anhand des Ambraser Heldenbuchs versucht haben, nämlich ausgehend von den frühneuhochdeutschen Versionen im Heldenbuch Texte wie z. B. Hartmanns von Aue Erec in ihren mittelhochdeutschen Urzustand zurückzuübersetzen. Alle verbindlichen Textausgaben der unikal im Heldenbuch überlieferten Werke wie Moriz von Craûn, Kudrun oder Erec sind also Rekonstruktionen möglicher mittelhochdeutscher Vorlagen, von denen Hans Ried ‚abgeschrieben‘ haben könnte. Um die Mechanismen oder Regeln der Ried’schen Anverwandlung mittelhochdeutscher Texte systematisch zu erfassen, ist es notwendig, die Textgestalt der Werke im Ambraser Heldenbuch zeichengetreu darzustellen. Dies ist unter anderem 17
Mario Klarer
Abb. 7: Stiftbrief für die Unserliebfrauenkapelle in der Nikolauskirche zu Hall (1501), ausgefertigt von Hans Ried.
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Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Abb. 8: Ambraser Heldenbuch, Beginn des Nibelungenlieds (fol. XCVr). Abb. 9: Transkription : Beginn des Nibelungenlieds.
die Aufgabe des dreijährigen go!digital-Projekts „Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset“ (Projektleitung Mario Klarer), das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert wird, und des Projekts „Maximilian-goes-digital“ (Projektleitung Mario Klarer), das Stadt Innsbruck und Land Tirol im Rahmen des Maximilianjubiläums 2019 finanzieren.1 Über die in den Projekten angefertigten allographischen, d.h. zeichengetreuen Transkriptionen, die wichtige Texte der Schreiberhand von Hans Ried dokumentieren, wird eine breite Textbasis sowohl für computerlinguistische als auch editionsphilologische Arbeiten bereitgestellt (Abb. 8 und 9).
Bebilderung Aber nicht nur die Sprache des Heldenbuchs, sondern auch die Inhalte der Sammelhandschrift erscheinen aus heutiger Sicht widersprüchlich. Dies zeigt sich bereits auf den ersten oberflächlichen Blick. Auf dem Titelbild des Heldenbuchs sieht man wie zu erwarten Ritter in Rüstungen – in anderen Worten, Helden, wie sie einem Heldenbuch zu entsprechen scheinen (Abb. 10)2.
1 www.uibk.ac.at/projects/ahb/ (letzter Zugriff: 03.12.2018). 2 Vieles spricht dafür, dass dieses Frontispiz eine spätere Einfügung darstellt. Vgl. dazu den Aufsatz von Aaron Tratter in diesem Sammelband.
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Mario Klarer
Abb. 10: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt des Frontispiz, das Ritter in altertümlichen Rüstungen zeigt (fol. V*v). Abb. 11: Ambraser Heldenbuch, Margerite (Leucanthemum) (fol. CCXXVr). Abb. 12: Ambraser Heldenbuch, Heuschrecke (fol. CIXr).
Aber bereits wenige Blätter weiter wird klar, dass die anderen, wunderbar ausgeführten Buchillustrationen im Ambraser Heldenbuch auf den folgenden 500 Seiten ganz andere Schwerpunkte setzen. Es sind nämlich Abbildungen, die im krassen Gegensatz zu all dem stehen, was damals oder heute von einem Heldenbuch zu erwarten wäre. Die Darstellungen zeigen vor allem Blumen (Abb. 11) und Insekten (Abb. 12) oder deren kombinierte bildliche Anordnung (Abb. 13). Dazwischen finden sich einige wenige Darstellungen von Frauen (Abb. 14) und Männern (Abb. 15 und 16) sowie engelartiger Wesen (Abb. 17), die alle keinerlei heldenhafte Züge besitzen. Die Illuminationen würden viel eher zu einem der vielen mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Kräuter- oder Heilpflanzenbücher passen. Die Abbildungen erscheinen daher kaum als Illustrationen zum Text, sondern nehmen eher den paradoxen Charakter inhaltlicher Kontrapunkte an. Die Abbildungen des Heldenbuchs erinnern an die ausführliche Beschreibung einer Wiese in Tristan und Isolde. Gottfried von Straßburg nennt sie eine ‚Augenweide‘: „Diu saelige ougenweide / diu machete ûf der heide / vil manegen man 20
Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Abb. 13: Ambraser Heldenbuch, Taubnessel mit Schmetterling (fol. XCVv). Abb. 14: Ambraser Heldenbuch, stehender weiblicher Akt mit Jahresschild 1517 (fol. CCXVr). Abb. 15: Ambraser Heldenbuch, Mann in antikischer Kleidung (fol. CCXXXIIIIr). Abb. 16: Ambraser Heldenbuch, Bote, der einen Brief überbringt (fol. CCXXXVv). Abb. 17: Ambraser Heldenbuch, musizierender Putto (fol. CLXXXVIIr).
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Mario Klarer
vrech unde vruot, / manc edele herze hôhgemuot“ (Maurer 1986, V. 641–644) („Diese wahre Augenweide, / machte auf dem offenen Land / viele Männer keck und kühn, / stimmte noble Herzen hoch“) (Kühn 1998, V. 641–644). Interessanterweise ist der Text Tristan und Isolde nicht im Ambraser Heldenbuch aufgenommen. Dies ist bemerkenswert, da die Geschichte ja Teil der Freskenzyklen auf Schloss Runkelstein ist, die Maximilian offensichtlich so sehr beeindruckten, dass er deren Restaurierung in Auftrag gab (Abb. 18). Die von Insekten umschwirrten Pflanzenabbildungen, die das Ambraser Heldenbuch zieren, erscheinen wie ein Zitat der nicht vorhandenen Tristangeschichte. Diese Behauptung gehört natürlich in den Bereich der Spekulationen. Kaum zu widerlegen ist Abb. 18: Fresko in Runkelstein (1388–1410), der jedoch die Tatsache, dass die wunderbaverwundete Tristan wird von Isolde und ren Bilder von Blüten und flatterndem Brangäne aufgefunden. Kleingetier im Heldenbuch auf jeden Fall eine wahre Augenweide darstellen. Die Pflanzendarstellungen könnten aber auch ein unkonventioneller Verweis auf den Kodex als Textsammlung oder Anthologie (griech. ‚Blütenlese‘) sein. Die textliche Blütenlese des Ambraser Heldenbuchs in Form einer Textzusammenstellung würde sich damit auf der Ebene des Buchschmucks über die Pflanzen bzw. Blütendarstellungen nahtlos fortsetzen. Interessanterweise verwenden frühzeitliche Heldenbücher auch den Begriff ‚verblümt‘, um auf die allegorisch-übertragende Bedeutung von Heldentexten hinzuweisen.3 Damit wären die Texthandlungen als ‚verschlüsselte‘ bzw. literarisch verdecke aber im Kern wahre Vorbilder für den Adel zu lesen bzw. auszulegen.
3 Vgl. den Aufsatz von Jan-Dirk Müller in diesem Band auf S. 51, der Cyriacus Spangenberg Adelsspiegel (1591) zitiert: „Vnd diese Leut haben etliche der alten Helden Thaten Reimweis / doch wunderbarlich verbluemet / beschrieben“ (fol. 172v) (Siehe dazu auch Müller 1982, 11).
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Einleitung: Das Ambraser Heldenbuch
Gattung Das Ambraser Heldenbuch ist nicht nur in Bezug auf seine bildlichen Inhalte widersprüchlich, sondern auch im Hinblick auf die Texte innerhalb des Kodex. Die Sammelhandschrift umfasst natürlich Heldenepen im wahrsten Sinne des Wortes wie zum Beispiel das Nibelungenlied oder Iwein; aber es beinhaltet auch schwankartige Dichtungen wie den Pfaffen Amis des Strickers, der alles andere als heldenhafte Züge aufweist und sogar Episoden der später populären Narrendichtung Till Eulenspiegel vorwegnimmt.4 Meier Helmbrecht, ein weiterer Text im Heldenbuch, erscheint wiederum wie eine mittelalterliche Version des Don Quijote mit einem ins Kriminelle tendierenden Möchtegern-Ritter als Protagonisten (Abb. 19). Viele Texte im Heldenbuch sind also auf den ersten Blick nur schwer mit Heldentum in Verbindung zu bringen bzw. erweisen sich schlussendlich als Parodien bzw. Kritik falschverstandener Ritterlichkeit oder Heldenhaftigkeit. Das Ambraser Heldenbuch ist auch anachronistisch und paradox, weil es ritterliche Ideale zu einer Zeit propagiert und höfische Epik thematisiert, Abb. 19: Ambraser Heldenbuch, als das Rittertum in seiner mittelalterlichen Form junger Mann als Illustration zum Existenzberechtigung verlor oder bereits verloren Meier Helmbrecht. hatte. Maximilian selbst ist bestes Beispiel dieses Umbruchs, weshalb er gerne in der populären Kultur als ‚letzter Ritter und erster Kanonier‘ bezeichnet wird. Vielleicht sind daher Texte wie Meier Helmbrecht oder Pfaffe Amis, die um die Kehrseiten von Heldentum kreisen, Ausdruck dieser Verunsicherung Maximilians und seines Zeitalters. Der vorliegende Sammelband kann sich nur einiger der großen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten des Ambraser Heldenbuchs annehmen und kleine Teilaspekte beleuchten. Die folgenden Beiträge sind nach sieben großen Bereichen geordnet und versuchen, ein möglichst breites Spektrum an Fragestellungen zu diesem außergewöhnlichen Kunstwerk punktuell zu beleuchten: (I) Aufträge und Ausführungen, (II) Texte und Texturen, (III) Unikate und Übersetzungen, (IV) Genres 4 Zur Komplexität des Begriffs ‚Heldenbuch‘ vgl. den Aufsatz von Jan-Dirk Müller in diesem Band.
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Mario Klarer
und Gender, (V) Helden und Herrscher, (VI) Bilder und Buchstaben sowie (VII) Gedachtnus und Gedanken. Trotz neuer Forschungsergebnisse in diesen Aufsätzen werden große Rätsel rund um den Kodex weiterbestehen, womit das Ambraser Heldenbuch auch langfristig nicht Gefahr läuft, die Aura eines großen und enigmatischen Kunstwerks zu verlieren.
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AU F T R ÄG E U N D AU S F Ü H R U N G E N
Hubert Alisade
Zur Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs Die Beauftragung Hans Rieds
Die mit der Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs und seinem Schreiber Hans Ried in Verbindung stehenden Archivalien sind zu einem guten Teil seit Langem bekannt. Eine erste unvollständige und in vielen Details mangelhafte Zusammenstellung dieser Dokumente wurde der Fachwelt vom Tiroler Archivar und Kunsthistoriker David von Schönherr im Jahr 1864 präsentiert, supplementiert durch die Veröffentlichung einer Reihe von Urkundenregesten 20 Jahre später.1 Seither wurde mehrfach der Versuch unternommen, den Entstehungsprozess der von Kaiser Maximilian I. in Auftrag gegebenen Prunkhandschrift aufzuhellen. Zu nennen sind hier aus neuerer Zeit besonders die Forschungsbeiträge von Martin Wierschin (2005), Helmut Weihnacht (1979), Ulrich Seelbach (1987), Martin Schubert (2008 ; 2018) und Angela Mura (2007). Bei all diesen Arbeiten zeigte sich deutlich ein eklatantes Missverhältnis zwischen der relativen Fülle der vorhandenen Dokumente einerseits und dem aus ihnen gewinnbaren Ertrag an ‚harten‘ Fakten hinsichtlich der Schreibtätigkeit Rieds am Ambraser Heldenbuch sowie der hinter dem Projekt stehenden Intention Maximilians andererseits. Dieser missliche Umstand hat naturgemäß einen weiten Raum für zum Teil weitreichende Spekulationen eröffnet. Vorliegender Beitrag beabsichtigt keine neue umfassende Bearbeitung des Quellenmaterials, sondern möchte lediglich in Auseinandersetzung mit einzelnen, in den oben genannten Arbeiten aufgestellten Ansichten auf die Problematik der Ausfüllung von historischen Kenntnislücken mithilfe von mehr oder minder wahrscheinlichen, aber letztlich nicht verifizierbaren Annahmen hinweisen. Der Fokus liegt dabei auf der frühen Phase der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs, d. h. auf Maximilians Beauftragungen aus den Jahren 1502 und 1504 und den damit zusammenhängenden Interpretationsproblemen.
1 Schönherr 1864; 1884, Va, Nr. 549, IXa, Nr. 603–604, XVIb, Nr. 681, XXb, Nr. 734, XXIa, Nr. 739, 741, XXIIa, Nr. 751, XXXVIa–b, Nr. 886, XXXIXa, Nr. 915, XLVIa, Nr. 965–966, LIb, Nr. 1012, 1014, LVIa, Nr. 1051, LXVb, Nr. 1152, LXVIb, Nr. 1167, LXIXb, Nr. 1195, LXXVIa, Nr. 1234–1235.
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Hubert Alisade
Der Beginn des Heldenbuch-Projekts Wann Kaiser Maximilian I. zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt hat, die heute unter dem Namen Ambraser Heldenbuch bekannte literarische Sammlung anfertigen zu lassen, entzieht sich unserer Kenntnis. Wohl mit Recht wurde aber wiederholt darauf hingewiesen, dass sein Besuch auf Schloss Runkelstein im Jahr 1501 mit konkreten Plänen zur Verwirklichung dieses Vorhabens in engem Zusammenhang stehen könnte. Es wäre in der Tat nicht verwunderlich, wenn von der Betrachtung des herrlichen Freskenzyklus auf Runkelstein, dessen Restaurierung Maximilian im Anschluss an seinen Besuch verfügte, eine entscheidende Anregung zu solch einem Vorhaben ausgegangen wäre. Einen Wink könnte folgende aus dem Jahr 1502 stammende, von Maximilian seinem Sekretär Marx Treitzsaurwein diktierte Notiz liefern: „Item daz sloss Runcklstein mit dem (ge)mel lassen zu vernewen von wegen der guten allten istory und dieselb istory in schrift zu wegen bringen.“2 Liegt hier neben dem Auftrag, die Runkelsteiner Fresken zu restaurieren, auch ein Hinweis auf das spätere Ambraser Heldenbuch vor oder zielt der Auftrag, „dieselb istory in schrift zu wegen zu bringen“3, auf ein nie ausgeführtes, inhaltlich von den Fresken inspiriertes literarisches Werk? Da das Ambraser Heldenbuch nur äußerst wenige inhaltliche Berührungspunkte mit den Runkelsteiner Fresken hat (siehe Schubert 2008, 102), dürfte es sicherer sein, Letzteres anzunehmen. Schließlich sei noch auf einen etwas rätselhaften Eintrag in dem ebenfalls aus der Feder von Marx Treitzsaurwein stammenden Verzeichnis der Bücher Maximilians von 1508 hingewiesen. Der Eintrag lautet: „Die exposicz iber daz heldenbuch zu Rucklstain“.4 Schubert (2008, 102) nimmt an, dass es sich dabei „wohl [um] ein Exposé einer an den Fresken orientierten Textzusammenstellung“ handelt. Folgt man dieser Annahme, so wäre mit „heldenbuch“5 der Runkelsteiner Freskenzyklus gemeint und es bestünde folglich kein Zusammenhang mit dem Ambraser Heldenbuch. Es stellt sich jedoch zudem die Frage, ob unter exposicz ein ‚Exposé‘ im modernen Sinne zu verstehen ist. Könnte es sich bei dieser exposicz nicht ebenso gut um eine Interpretation der als heldenbuch bezeichneten Runkelsteiner Fresken handeln? Da die exposicz bisher nicht aufgefunden werden konnte, sind wir bezüglich ihres Inhalts und ihres möglichen Zusammenhangs mit der Notiz im Gedenkbuch von 1502 oder sogar mit dem Ambraser Heldenbuch lediglich auf Vermutungen angewiesen. Der erste wirklich konkrete Beleg der Absicht Maximilians, das spätere Ambraser Heldenbuch anfertigen zu lassen, ist das oft diskutierte und in mehrfacher Hinsicht 2 Gedenkbuch I, Suppl. 13, fol. 33v (Signaturangabe und Zitat nach Wierschin 2005, 103, FN 12, 115). 3 Gedenkbuch I, Suppl. 13, fol. 33v (Signaturangabe und Zitat nach Wierschin 2005, 103, FN 12, 115). Eine von der Wierschins leicht abweichende Transkription der Notiz findet sich bei Mura 2007, 70. 4 Österreichische Nationalbibliothek, Cod. vind. 2834, unnummeriertes Blatt zwischen fol. 76 und 77 (Signaturangabe und Zitat nach Gottlieb 1900b, 42–43). 5 Ebd.
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Zur Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs
Abb. 20: Urkunde Kaiser Maximilians (1502), erstmalige Beauftragung zur Abfassung eines Heldenbuchs.
eine crux interpretum darstellende Füssener Mandat vom 15. April 1502. In diesem an Wilhelm von Oy, den „stablmaister“ (Zeremonienmeister?) von Maximilians zweiter Gattin Bianca Maria Sforza gerichteten Schriftstück ist zunächst die Rede von einem Befehl an Paul von Liechtenstein, „das helldenpuch an der Etsch ausschreiben Zulassen“ (Abb. 20).6 Wilhelm von Oy erhält dann von Maximilian die Anweisung, seinen Schreiber „hinein an die Etsch“ zu schicken, um „beruerts heldenpuch daselbst abtzuschreiben“. Dieses Dokument wirft eine Reihe von Fragen auf, die kaum mit letzter Sicherheit beantwortbar sind. Wird der Ausdruck „hel(l)denpuch“ für eine Vorlage oder für das erst herzustellende Endprodukt der Schreibtätigkeit, also das spätere Ambraser Heldenbuch verwendet? Ist von einem „an der Etsch“ befindlichen „helldenpuch“ die Rede, das „ausgeschrieben“ bzw. „abgeschrieben“ werden soll, oder bezeichnet „an der Etsch“ den Ort, an dem der Schreiber seine Arbeit zu verrichten hat? Was bedeuten die beiden von Maximilian verwendeten Verben ‚ausschreiben‘ und ‚abschreiben‘ (vgl. Schubert 2008, 103)? Wie ist die Ortsbezeichnung „an der Etsch“ präzise zu verstehen? Hinsichtlich letzterer Frage hat Angela Mura in überzeugender Weise dafür argumentiert, dass der Ausdruck „an der Etsch“ nicht zwingend eine Lokalität in unmittelbarer Nähe zum Fluss Etsch bedeuten muss, sondern auch für den gesamten südlichen Teil Tirols (‚Land an der Etsch‘) stehen kann (Mura 2007, 64). Den Grund des Misserfolges dieser ersten maximilianischen Initiative in Richtung Ambraser Heldenbuch kennen wir nicht. Wierschins Ansicht, „[d]ie von Maximilian vernachlässigte, ihm unbequeme und gleichgültige Bianca Maria und ihr Hofmarschall von Oy(e) werden die königliche Anweisung, den Hofschreiber hinein an die Etsch zu schicken, schlichtweg ignoriert haben“ (2005, 120), ist zwar möglich, lässt sich jedoch weder verifizieren noch falsifizieren. 6 Wien, Österreichisches Staatsarchiv, Memoriale oder Gedenkbuch Kaiser Maximilians I. (1502), folio 282r (alte Foliierung: CClvij bzw. 257). Vgl. Abb. 20 für nachfolgende Zitationen.
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Hubert Alisade
Abb. 21: Urkunde Kaiser Maximilians (1501), Auftrag Maximilians an Hans Ried, den Stiftbrief für Florian Waldauf von Waldenstein anzufertigen.
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Zur Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs
Abb. 22: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Innsbruck, Stadtarchiv, Urk. 587, S. 33, der vielleicht nicht aus der Hand von Hans Ried stammt.
Die Beauftragung Hans Rieds Erst zwei Jahre nach dem Füssener Mandat, am 14. April 1504, unternahm Maximilian einen zweiten – diesmal erfolgreichen – Versuch, seine Heldenbuch-Idee in die Tat umzusetzen. Diesmal wird explizit der erstmals 1496 als Innsbrucker Kanzleischreiber erwähnte7 und ab Februar 1500 als Zöllner am Eisack in Bozen tätige8 Hans Ried beauftragt, „ain Puech in pergamen zu Schreiben“ (zitiert nach Wierschin 2005, 144, Anhang B). Ried hatte bereits im Jahr 1501 von Maximilian den Auftrag erhalten, für Florian Waldauf von Waldenstein den Stiftbrief für die Kapelle zu Unserer Lieben Frau in der Stadtpfarrkirche Hall in Tirol (heute ‚Waldaufkapelle‘ genannt) auszufertigen und hatte damit sein Können als Schreiber unter Beweis gestellt.9 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass dieser Stiftbrief in Angela Muras Argumentation, dass auch das Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs von Hans Ried stammt, eine nicht unwichtige Rolle spielt (siehe Mura 2007, 96–110, Anhang II). Mura scheint jedoch bei ihrer Arbeit lediglich ein Exemplar des Stiftbriefes (Innsbruck, Stadtarchiv, Urk. 587) verwendet zu haben und fraglos vorauszusetzen, dass dieses von Hans Ried geschrieben wurde. Die Angelegenheit ist allerdings bei näherem Begutachten verwickelter als erwartet. Zunächst sticht die Diskrepanz zwischen dem Auftrag Maximilians an Hans Ried, „zwen Stifftbrief “ (Abb. 21)10 auszufertigen, und der Angabe des Stiftbriefes selbst, es „sind also dieser brief vier in gleichem laut in Libelsweyse gemacht“ (Abb. 22), in die Augen. Zudem nährt ein erster Vergleich zwischen mehreren Exemplaren des Stiftbriefes11 den Verdacht, dass nicht alle diese Exemplare von Hans Ried ausgefertigt 7 Siehe Wierschin 2005, 144, Anhang C; Mura 2007, 79, Nr. 4. 8 Siehe Wierschin 2005, 144–145, Anhang D, E, F, Mura 2007, 80–81, Nr. 9–16. 9 Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Entbieten und Befehle 1501, folio 245v; siehe Abb. 21. 10 Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Entbieten und Befehle 1501, folio 245v; siehe Abb. 21. 11 Beim Verfassen vorliegender Arbeit standen drei Exemplare des Stiftbriefes in Form von Scans zur Ver-
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Abb. 23: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Brixen, Diözesanarchiv, ADK Lade 88, folio 3r, der vielleicht nicht aus der Hand von Hans Ried stammt.
Abb. 24: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Hall in Tirol, Stadtarchiv, Urk. 304, folio 2r, der mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Hand von Hans Ried stammt.
sein könnten.12 So ist etwa der Schriftcharakter des Brixener Exemplares (Abb. 23) von dem des Haller Exemplares (Abb. 24) durchaus verschieden. Entweder hat der Schreiber bei der Ausfertigung der verschiedenen Exemplare die Schrift geändert, was selbstverständlich möglich, aber doch erklärungsbedürftig ist, da es sich ja nur um mehrere, mutmaßlich zur gleichen Zeit geschriebene Exemplare ein und derselben Urkunde handelt. Oder aber es war neben Hans Ried noch mindestens ein anonymer weiterer Schreiber bei der Ausfertigung des Haller Stiftbriefes am Werk. Nur eine umfassende paläographische Untersuchung aller Exemplare des Stiftbriefes inklusive des Konzepts (Tiroler Landesarchiv, Urk. I 5669) kann zur Klärung dieses Problems beitragen. fügung: (1) Innsbruck, Stadtarchiv, Urk. 587; (2) Hall in Tirol, Stadtarchiv, Urk. 304; (3) Brixen, Diözesanarchiv, ADK Lade 88. 12 em. o. Univ.-Prof. Hans Moser (Innsbruck) hat meinen Anfangsverdacht wohlwollend aufgenommen und eine weitere Untersuchung der Angelegenheit angeregt.
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Die Vorlage(n), der Entstehungsort und die Betreuung des Ambraser Heldenbuch-Projekts Die Frage nach dem Entstehungsort des Ambraser Heldenbuchs ist, wenn man sie in einem weiten Sinn fasst, leicht zu beantworten: Tirol. Zieht man weiterhin in Betracht, dass in Maximilians erstem, im April 1502 ausgestellten Mandat davon die Rede ist, einen Schreiber „hinein an die Etsch“ (Abb. 20) zu Paul von Liechtenstein zu schicken und 1504 schließlich der Bozner Zöllner Hans Ried mit dem Schreiben des Heldenbuchs betraut wird, dann liegt es nahe, dem südlichen Teil Tirols, zumindest was den Beginn des Projekts betrifft, eine wie auch immer geartete besondere Bedeutung hinsichtlich der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs beizumessen. Damit sind aber die Möglichkeiten, den genauen Entstehungsort der Handschrift etwas weiter einzugrenzen, schon nahezu erschöpft. Für Angela Muras Vermutung, dass die Residenz der Liechtensteiner in der Bozner Innenstadt (heute Musterplatz Nr. 4) als Arbeitsort Hans Rieds infrage kommen könnte (Mura 2007, 67), fehlt jeder Beleg in den vorhandenen Quellen. Noch weniger als über den Entstehungsort lässt sich über Herkunft, Beschaffenheit und Anzahl der Vorlagen des Ambraser Heldenbuchs sagen. Ulrich Seelbach hat den Versuch unternommen, mit einer Art Ausschlussverfahren die Herkunft der Vorlagen im Allgemeinen zu bestimmen. Er vertritt den Standpunkt, dass einzig und allein Bibliotheken infrage kämen, deren Bücher Maximilian nicht einfach beschlagnahmen (Klöster und innenpolitische Feinde) oder anderweitig durch gewisse Gegenleistungen in seinen Besitz bringen (Gelehrtenbibliotheken), sondern lediglich entleihen konnte, was nur bei Bibliotheken befreundeter Adelshäuser der Fall gewesen sei (Seelbach 1987, 107). Seelbach geht dabei von der problematischen Voraussetzung aus, dass Maximilian Handschriften, die bereits in seinem Besitz waren oder die er beschlagnahmen konnte, nicht hätte abschreiben lassen müssen und auch faktisch nicht hätte abschreiben lassen. Schon allein die Konzeption des Ambraser Heldenbuchs als einheitlich gestaltete Sammlung mit prachtvoller äußerer Ausstattung dürfte jedoch diese Annahme Seelbachs entkräften. Eine Zusammenfügung mehrerer in seinem Besitz befindlicher Handschriften von unterschiedlichem Alter, Schriftcharakter und Zustand hätte wohl kaum der Vorstellung Maximilians von einem Heldenbuch entsprochen, mit dem er sich selbst ein Denkmal setzen wollte. Außerdem erscheint es fraglich, ob Maximilian nicht auch Mittel und Wege hätte finden können, Bücher befreundeter Adeliger in seinen Besitz zu bringen. Auf die Büchersammlung des aus Tirol stammenden, seit 1467 aber im schwäbischen Mindelheim ansässigen Adelsgeschlechtes der Frundsberger hat Angela Mura den Blick gelenkt und die Vermutung ausgesprochen, dass sich dort Vorlagen für das Ambraser Heldenbuch befunden haben könnten (Mura 2007, 74–76). Da Georg I. von Frundsberg im Zeitraum der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs 33
Hubert Alisade
Pfleger von Schloss Runkelstein war, ist ein Zusammenhang nicht von vornherein auszuschließen. Mura begeht allerdings den Fehler aus der Erwähnung zweier Heldenbücher in einem 1589 anlässlich der Streitigkeiten zwischen den Fuggern und den Maxlrainern um das Frundsberg’sche Erbe erstellten Inventar der in Mindelheim befindlichen Büchersammlung der Frundsberger, mit Gewissheit zu behaupten, diese Heldenbücher hätten sich zur Zeit der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs im Besitz Georgs I. von Frundsberg befunden und kämen somit als mögliche Vorlagen für dasselbe infrage (Mura 2007, 76). Es ist aber nicht statthaft, von einem Bibliotheksinventar aus dem Jahr 1589 Rückschlüsse auf die Ausstattung derselben Bibliothek etwa acht Jahrzehnte vorher zu ziehen. Dazu kommt noch der bedauerliche Umstand, dass die Büchersammlung der Frundsberger seit Langem verschollen ist und folglich der genaue Inhalt der 1589 in ihr vorhandenen zwei Heldenbücher nicht mehr festgestellt werden kann. Zuletzt sei noch in aller Kürze auf die Frage nach der Betreuung des Ambraser Heldenbuch-Projekts eingegangen. Wer sind die Personen, die die Sammlung konzipiert, die Vorlagen ausgewählt und die Ausführung des Vorhabens überwacht haben? Martin Wierschin hat sehr selbstbewusst die These vorgetragen, es komme eigentlich nur Florian Waldauf (bis zu seinem Tod 1509) als ‚Koordinator‘ des Projekts infrage, scheint aber das Problematische seiner Ansicht zu fühlen, wenn er schreibt: „Der studierte Bauernsohn Waldauf war weder literarisch noch humanistisch geschult“ (Wierschin 2005, 133). Die einzige Persönlichkeit, die außer Kaiser Maximilian und Hans Ried mit dem Ambraser Heldenbuch namentlich in Verbindung gebracht werden kann, ist Paul von Liechtenstein. Im Füssener Mandat von 1502 (siehe oben) erscheint er als derjenige, der von Maximilian auserwählt wurde, das Heldenbuch anfertigen zu lassen. Ob er beim ‚Neustart‘ des Projekts im Jahr 1504 immer noch mit dieser Funktion betraut war, entzieht sich freilich unserer Kenntnis. Quellenmäßig gesichert ist lediglich, dass Hans Ried während der Entstehungszeit des Ambraser Heldenbuchs mit Paul von Liechtenstein durch die Erteilung von Schreibunterricht an dessen Sohn in Verbindung stand (Mura 2007, 91, Nr. 52).
Fazit Das Ergebnis dieses Beitrages ist ernüchternd. Ein Blick auf die vorhandenen Quellen führt unweigerlich zu der Erkenntnis, dass jeder über den nackten Wortlaut der Dokumente hinausgehende Versuch einer Rekonstruktion des Entstehungsprozesses des Ambraser Heldenbuchs mit Annahmen arbeiten muss, die eine mehr oder minder große Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen können, letztlich aber nicht aus dem Bereich des Hypothetischen herauskommen. Was unzweifelhaft feststeht, ist letztlich nur, dass Maximilian I. der Auftraggeber der Prachthandschrift 34
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war und der Bozner Zöllner Hans Ried diese zwischen 1504 und 1516, dem Jahr seines Todes, in Tirol geschrieben hat. Dazu kommen noch einige Informationen bezüglich des Schreiberlohnes, der kaiserlichen Erlaubnis an Hans Ried, sich (ab 1505) den Schreibort nach eigenem Gutdünken zu wählen, sowie 1517 als Jahr der Ausführung der Illuminationen durch einen Buchmaler mit den Initialen ‚VF‘. Bezüglich der hinter dem Ambraser Heldenbuch-Projekt stehenden Intention Maximilians wird es wegen des Mangels an internen wie externen Indizien angebracht sein, sich der allgemein gehaltenen Einschätzung von Elisabeth Lienert anzuschließen: „Sammelinteresse und Maximilians gedechtnus-Programm scheinen dabei Hand in Hand zu gehen“ (2010, 98). Alles Weitere, d. h. die Herkunft und Beschaffenheit der Vorlagen sowie deren Auswahl durch etwaige ‚literarische Beiräte‘ und nicht zuletzt das konkrete Ausmaß der Einflussnahme Maximilians selbst auf das von ihm initiierte Projekt, entzieht sich unserer genaueren Kenntnis. Nur die Auffindung neuen Quellenmaterials könnte Licht in dieses Dunkel bringen.
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Buchschmuck, Lagen, leere Seiten Was kodikologische Merkmale über den Entstehungsprozess des Ambraser Heldenbuchs verraten können
Im Englischen gibt es die Redewendung, dass man ein Buch nicht nach seinem äußeren Erscheinungsbild beurteilen solle. Im Falle des Ambraser Heldenbuchs lassen sich jedoch einige interessante Schlüsse aus den kodikologischen Merkmalen des Kodex ziehen, sodass es sich lohnt, diese genauer zu betrachten. Im Folgenden wird die von Kaiser Maximilian I. im Jahre 1504 in Auftrag gegebene und 1517 vollendete Sammelhandschrift untersucht, um ihren Entstehungsprozess besser verstehen zu können. Dabei werden auffällige Merkmale des Kodex herausgegriffen und analysiert. Ausgehend vom Aufbau des Ambraser Heldenbuchs über das Inhaltsverzeichnis, den Buchschmuck, die Lagen sowie das Fehlen von Textstellen und Seiten wird versucht, ein Bild des Entstehungsprozesses nachzuzeichnen, wobei immer wieder Querverweise zwischen den einzelnen Ergebnissen der Untersuchung hergestellt werden. Schlussendlich sollen dadurch Erkenntnisse über den Entstehungsprozess gewonnen werden, über den erstaunlich wenig gesicherte Informationen vorliegen, während bei anderen Auftragsarbeiten Maximilians I. eine reichhaltige Quellenlage vorherrscht.
Aufbau und Umfang des Kodex Das Ambraser Heldenbuch wurde auf 243 Pergamentblättern, die jeweils 460 mm mal 360 mm messen, vom Bozner Zöllner Hans Ried zwischen 1504 und 1516 ausgefertigt. Aus der Größe der Blätter und ihrem Umfang ergibt sich, dass für die Herstellung des Buchs mindestens 122 Kalbsfelle notwendig waren, also pro Doppelblatt ein Kalbsfell (Unterkircher 1973, 14). Doppelblätter wurden zu Lagen übereinandergelegt und gefaltet. Nach der Anzahl der Doppelblätter, die eine Lage bilden, wird eine Lage benannt. So nennt man eine Lage aus zwei Doppelblättern bestehend Binio. Dabei ergeben sich vier Blätter bzw. acht Seiten, die beschrieben werden können. Ein Ternio besteht aus drei Doppelblättern (sechs Blättern), während ein Quaternio aus vier Doppelblättern (acht Blättern) und ein Quinternio aus fünf Doppelblättern (zehn Blättern) besteht. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Lagen des Ambraser Heldenbuchs Quaternionen (Unterkircher 1973, 14). Früher wurden nicht wie heute bei einem Buch üblich die Seiten, sondern die Blätter gezählt. Es finden 37
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Abb. 25: Schematische Darstellung eines Quaternios.
sich dafür auf den Vorderseiten (recto) in der rechten oberen Ecke römische Zahlen, während die Rückseiten (verso) nicht nummeriert wurden.
Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs Die erste Lage des Ambraser Heldenbuchs bildet eine Binio (vier Blätter), die mit der „Tabŭla des Heldenpuͦchs“ (fol. I*r bis fol. IV*v) das Inhaltsverzeichnis enthält (Abb. 26), welches in zwei Spalten ausgeführt ist (Unterkircher 1973, 14). Entgegen der heute üblichen Einteilung des Ambraser Heldenbuchs in 25 Einzeltitel hat das Inhaltsverzeichnis 120 Einträge. Dies erklärt sich dadurch, dass nicht nur die einzelnen Texte, sondern auch die Kapitel der Texte eingetragen sind. Dabei stehen nicht Überschriften im heutigen Sinne im Inhaltsverzeichnis, sondern die ersten Worte des jeweiligen Textes, die als Incipit bezeichnet werden. Dies kann von der Nennung eines Namens bis zu einer kurzen Zusammenfassung des Inhaltes reichen. So steht zu Beginn des Nibelungenlieds: „Ditʒ Puech Heÿſſet Chꝛimhilt“ (fol. XCVra l. 1). Die heutige Bezeichnung des Textes stammt von den letzten Worten einer der ältesten Überlieferungen, die „daz ist der Nibelunge liet“ (Reichert 2017, 330) lauten, wobei liet ‚Gesangstrophe‘ bzw. ‚strophisches Gedicht‘ meint (Lexer 1872, Sp. 1913). Eine vergleichbar alte Handschrift endet dagegen mit den Worten „daz ist der Nibelunge nôt“ (Reichert 2017, 330). Nôt bedeutete im Mittelhochdeutschen ‚Drangsal, Mühe, Not, Leid, Qual, Beschwernis, Gefahr‘, aber auch ‚die Not des Kampfes, der Kampf ‘ oder ‚Gewalt‘ (Lexer 1876, Sp. 103; Hennig 2014, 237) und ähnelt in seiner Bedeutung damit dem Wort Agonie. Die einzelnen Kapitel der Texte Nibelungenlied, Kudrun, Biterolf und Dietleib, Ortnit sowie Wolfdietrich werden âventiuren genannt. Das mittelhochdeutsche Wort âventiure wurde als ritterliches Fachwort aus fran38
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zösisch aventure entlehnt, dem mit mittellateinisch *adventūra das lateinische Partizip Futur von advenīre ‚herankommen, sich ereignen‘ zugrunde liegt. Das englische Wort adventure stammt von derselben Wurzel ab (Kluge 2011, 4). Das Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs gibt nicht alle Incipits wieder und teilweise ist die Reihenfolge nicht eingehalten. Außerdem unterscheiden sich manche Incipits der Texte geringfügig von den Eintragungen im Inhaltsverzeichnis. So lautet etwa der Eintrag des Nibelungenlieds: „Daɞ Puech von Chꝛimhildin von Bŭrgundieŋ“ (fol. I*rb l. 9). Wolframs von Eschenbach Titurel besitzt kein Incipit und ist nicht im Inhaltsverzeichnis gelistet, während der Priesterkönig Johannes, obwohl auch ohne Incipit beginnend, sich als letzter Eintrag mit „Von dem Reichtuͦmb Prieſter Johanns“ (fol. IV*vb l. 3) im Inhalts- Abb. 26: Ambraser Heldenbuch, Tabŭla des Heldenpuͦ chs verzeichnis befindet. Beim Priesterkönig Jo- (fol. I*r). hannes fällt auf, dass vier Zeilen zu Beginn des Textes frei gelassen wurden (Abb. 27). Dies legt die Vermutung nahe, dass ein Incipit an dieser Stelle intendiert war. Des Weiteren scheint es, als wären die Stellen für die Incipits während des Schreibprozesses frei gelassen worden, um sie später mit roter Tinte nachtragen zu können, wie es das Incipit des Moriz von Craûn nahelegt (Abb. 28). Dieses ist unvollständig an den Beginn des Textes eingetragen worden, während der entsprechende Eintrag im Inhaltsverzeichnis deutlich ausführlicher ausfällt (Abb. 29, Schubert 2008, 109). Es wurde wohl zu wenig Platz für das Incipit gelassen, wenn man allgemein davon ausgeht, dass die Incipits erst später eingetragen wurden. Nicht bei allen Texten befindet sich das Incipit in derselben Spalte wie der Anfang des folgenden Textes, sondern bei einigen am Ende der vorhergehenden Spalte, während der eigentliche Text am Anfang einer neuen Spalte einsetzt. Das Incipit kann sich dabei auch auf der vorherigen Seite befinden, wenn ein Text in der ersten Spalte einer Seite beginnt. Die vorher erwähnte falsche Reihenfolge der Incipits im Inhaltsverzeichnis betrifft Hartmanns von Aue Die Klage, die sich im Inhaltsverzeichnis an sechster Stelle befindet, obwohl sie der vierte Text ist. Beim Nibelungenlied sind zwar alle Incipits der âventiuren im Inhaltsverzeichnis gelistet, jedoch fehlen nach den ersten 17 âventiuren acht Einträge, die erst nach den sechs letzten âventiuren und der Nibelungenklage 39
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Abb. 27: Ambraser Heldenbuch, Beginn des Priesterkönigs Johannes (fol. CCXXXVv). Abb. 28: Ambraser Heldenbuch, Beginn des Moriz von Craûn (fol. IIv). Abb. 29: Ambraser Heldenbuch, Eintrag des Moriz von Craûn im Inhaltsverzeichnis (fol. I*r).
gelistet sind. Diese acht fehlenden Incipits sind all jene Incipits, die sich innerhalb der Lage von fol. CXII bis fol. CXIX befinden (Schubert 2008, 108). Dieser Umstand legt den Schluss nahe, dass der Kodex zum Zeitpunkt der Entstehung des Inhaltsverzeichnisses noch nicht gebunden war, wodurch Lagen leichter verschoben werden konnten (Schubert 2018, 115). Dabei stellt sich die Frage, warum dieser Fehler später nicht behoben wurde, falls er überhaupt als solcher angesehen oder erkannt wurde.
Frontispiz Nach dem Inhaltsverzeichnis folgt ein eingeklebtes Einzelblatt, dessen Vorderseite leer ist und auf dessen Rückseite zwei bewaffnete Ritter in Rüstung abgebildet sind (Unterkircher 1973, 14). Umgeben werden die Ritter von gewundenen Ästen, die goldene Blätter und Granatäpfel tragen. Die Granatäpfel deuten unmittelbar auf Kaiser Maximilian I. hin, die eine seiner Impresen (bildlicher Wahlspruch) waren. So hält Maximilian I. auf dem Porträt, welches Albrecht Dürer 1519 nach dem Tode des Kaisers fertigstellte und das sich heute im Kunsthistorischen Museum Wien befindet, in der linken Hand einen Granatapfel (Abb. 31, Unterkircher 1973, 18). Der hellblaue Hintergrund des Bildes wird unten durch einen perspektivisch nach hinten verlaufenden grauen Sockel begrenzt, auf dem die beiden Ritter stehen. 40
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Die Äste, die oben zusammengebunden sind, begrenzen den Hintergrund in die anderen Richtungen. Außerhalb der Äste sind nicht nur der Hintergrund, sondern auch die anderen Gegenstände wie die Waffen oder die Schilde abgeschnitten. Dadurch wird der Eindruck erzeugt, als befänden sich die Ritter in einem Schaukasten, der den Fokus auf die dargestellten Personen richtet, und erweckt Assoziationen an die Heldenrüstkammer auf Schloss Ambras, die Maximilians I. Urenkel Erzherzog Ferdinand II. errichten ließ. Über den abgebildeten Rittern hängt an den zusammengebundenen Ästen an einer Masche das Tiroler Wappen. Die ältesten erhaltenen Darstellungen des Tiroler Adlers stammen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, jedoch noch nicht in seiner späteren Ausprägung (Hye 2009, 12). Die älteste bekannte Abbildung des Tiroler Adlers mit Krone liegt mit einem Siegel einer Urkunde von 1411 vor (Hye 2009, 57). In Abb. 30: Ambraser Heldenbuch, Frontispiz (fol. V*v). dieser Form ist er auch im Ambraser Heldenbuch abgebildet und gleicht damit dem heutigen Tiroler Landeswappen bis auf den Lorbeerkranz, welcher erstmals 1521 an einem Fresko als Dekoration des Tiroler Wappenschildes in Erscheinung tritt (Hye 2009, 90). Das Tiroler Landeswappengesetz vom 17. Mai 2006 legt in § 1 die Form des Tiroler Landeswappens mit „im silbernen Schild der golden gekrönte und bewehrte rote Adler mit goldenen Flügelspangen mit Kleeblattenden und einem grünen Kranz hinter dem Kopf “ fest. Interessanterweise ist der Tiroler Adler und nicht das kaiserliche Wappen Maximilians I. mit dem Doppeladler im Frontispiz des Ambraser Heldenbuchs abgebildet.
Verzierung der Schrift Der Anfang eines Textes bzw. einer âventiure wird nicht nur durch ein Incipit, sondern auch durch eine Initiale markiert. Initialen sind schmuckhaft gemalte Großbuchstaben mit einer Höhe von sechs bis acht Zeilen (Abb. 27), die der Illuminator nachträglich eingefügt hat, wie vom Schreiber notierte Kleinbuchstaben als Markierungen neben den Initialen nahelegen. Es ist eher unwahrscheinlich, jedoch nicht auszuschließen, dass Hans Ried selbst die Illuminierungen vornahm. Insgesamt ent41
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Abb. 31: Gemälde von Albrecht Dürer (1519), Porträt Kaiser Maximilians I.
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Abb. 32: Ambraser Heldenbuch, Beginn der zweiten âventiure des Nibelungenlieds (fol. XCVr). Abb. 33: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt des Nibelungenlieds mit Lombarden (fol. XCVr).
hält das Ambraser Heldenbuch 123 Initialen, die sehr unterschiedlich ausgeführt sind (Unterkircher 1973, 17). Des Weiteren sind viele Texte durch Lombarden, kleinere, weniger stark ausgeprägte Initialen, segmentiert. Sie dienen unter anderem dazu, Strophenanfänge zu markieren. Im Nibelungenlied lässt sich dabei eine interessante Entdeckung feststellen, die etwas über die Vorlage des Textes bzw. die Vorgangsweise Hans Rieds verraten könnte. Nur eine Lombarde (Abb. 32) im Nibelungenlied misst drei Zeilen an Höhe, während alle anderen Lombarden dieses Textes bloß eine Zeile hoch sind (Abb. 33), sieht man von zwei Fällen auf fol. CIIIv und fol. CXIIr ab, bei denen der Buchstabe I etwas größer ausfällt. Eben jene größere Lombarde markiert den Anfang der zweiten âventiure des Textes. Dadurch, dass die Strophe nicht mit einem Incipit oder einer Initiale versehen ist, wird eigentlich nicht darauf hingewiesen, dass eine neue âventiure beginnt. Jedoch bildet diese Lombarde aufgrund ihrer Größe eine deutlichere Zäsur als die restlichen Lombarden im Text. Es dürfte wohl kein Zufall gewesen sein, dass Hans Ried für diese Lombarde mehr Platz als für die anderen ließ. Offen bleibt trotzdem die Frage, aus welchem Grund er dies tat. In den anderen Texten des Ambraser Heldenbuchs sind die Lombarden eine bis wenige Zeilen hoch. Außerdem sind von fol. XCVr bis einschließlich fol. CCXIIIIv sehr viele Majuskeln durch rote Striche, sogenannte Rubrizierungen, oder seltener durch blaue Striche versehen (Abb. 32 und 33, Unterkircher 1973, 17). Dieser Bereich umfasst die Texte Nibelungenlied, Nibelungenklage, Kudrun, Biterolf und Dietleib, Ortnit sowie Wolfdietrich. Diese Texte bilden zusammen mit Dietrichs Flucht und der Rabenschlacht den Abschnitt der Heldenepen im Ambraser Heldenbuch und sind darüber hinaus mit Ausnahme der Nibelungenklage jene Texte, die in âventiuren gegliedert sind. Auf fol. LXXVIv befindet sich die einzige Rubrizierung außerhalb des zuvor genannten Textblockes.
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Abb. 34: Ambraser Heldenbuch, Illumination mit Datierung (fol. CCXVr). Abb. 35: Ambraser Heldenbuch, Foliierung und Illumination (fol. CCVIIIIr).
Randverzierungen Neben den Initialen, Lombarden und Rubrizierungen fallen auch Randverzierungen mit Bildern von Menschen, Tieren und Pflanzen unter den Buchschmuck, die jedoch alle erst nach dem Schreibprozess ausgeführt und 1517 vollendet wurden. Darauf deuten neben den bereits erwähnten kleinen Buchstaben, die Hans Ried dem Illuminator als Anmerkung für die zu malenden Initialen und Lombarden hinterließ, das Bild einer Frau mit der Jahreszahl 1517 (Abb. 34) hin, während Hans Ried bereits 1516 verschied. Außerdem lässt sich schließen, dass die Folionummern eingetragen wurden, nachdem die Arbeiten an den Illuminationen abgeschlossen waren, wie auf fol. CCVIIIIr ersichtlich ist (Abb. 35, Schubert 2008, 109). Nur so lässt sich plausibel erklären, warum die Folionummer um die Illumination herum geschrieben wurde. Betrachtet man die Folionummern des Inhaltsverzeichnisses, fällt des Weiteren auf, dass die Tinte der Zahlen teilweise deutlich satter ist als jene der Incipits, was darauf schließen lässt, dass sie nicht zeitgleich eingetragen wurden. Es erscheint unplausibel, dass Incipits und Folionummern zwar gleichzeitig geschrieben, aber mit unterschiedlicher Tinte oder einer anderen Feder ausgeführt wurden. Das Inhaltsverzeichnis könnte durchaus von Hans Ried selbst stammen, während die Folionummern im Inhaltsverzeichnis nach seinem Tod von jemand anderem geschrieben wurden, ebenso wie die Zahlen am oberen rechten Seitenrand (Schubert 2018, 112). Insgesamt sind 118 Seiten des Ambraser Heldenbuchs mit Randverzierungen versehen. Das sind genau diejenigen Seiten, die auch schmuckvolle Initialen enthalten. Einzige Ausnahmen bilden dabei mit fol. CXVr eine Seite, auf der sich Randschmuck befindet, obwohl keine Initiale vorhanden ist, 44
Buchschmuck, Lagen, leere Seiten
sowie mit fol. CLr der umgekehrte Fall, wo trotz Initiale keine Randverzierungen hinzugefügt wurden (Unterkircher 1973, 18). Diese Initiale markiert den Beginn der 13. âventiure von Kudrun, die jedoch nicht im Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs gelistet ist, da kein Incipit sie einleitet. Dadurch fehlt eine der 32 âventiuren der Kudrun im Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs. Eine weitere Seite ohne Randschmuck ist mit fol. IIv jene Seite, auf der Moriz von Craûn beginnt (Abb. 28). Abb. 36: Ambraser Heldenbuch, Beginn der Dieser Text ist der einzige der Hand- Frauenehre (fol. Ir). schrift, bei dem keine Initiale, sondern eine Lombarde nach einem Incipit folgt, sodass diese Seite als einzige Seite, auf der ein neuer Text beginnt, keinen Randschmuck enthält. Jedoch ließ Hans Ried an der betreffenden Stelle nicht genügend Platz für eine Initiale. Betrachtet man Strickers Die Frauenehre (Abb. 36), den Text vor Moriz von Craûn, ergibt sich, dass Hans Ried auch bei diesem Text kaum Platz für eine Initiale ließ, sodass diese größtenteils außerhalb der Textspalte realisiert werden musste. Wahrscheinlich hat Hans Ried seine Vorgangsweise nach den ersten beiden Texten geändert, da alle weiteren Texte mit einer Initiale innerhalb der Textspalte beginnen.
Lagen Wie bereits erwähnt, folgt auf die erste Lage (Binio) ein eingeklebtes Zusatzblatt mit dem Frontispiz, bevor die Texte des Ambraser Heldenbuchs beginnen. 30 Lagen folgen, die bis auf zwei Ausnahmen Quaternionen (acht Blätter) sind. Die 15. Lage (fol. CV bis fol. CXI) zählt jedoch nur sieben Blätter, da zwischen fol. CVIIIv und fol. CIXr ein Blatt entfernt wurde. Dies geschah ohne Textverlust, sodass anzunehmen ist, dass das entfernte Blatt Mängel aufwies, die nur dadurch korrigiert werden konnten, indem der Text auf ein neues Blatt geschrieben wurde. Ebenso wurde zwischen fol. CXXVIIv und fol. CXXIXr ein Blatt entfernt, sodass die 18. Lage (fol. CXXIX bis fol. CXXXV) ebenfalls nur sieben Blätter umfasst (Unterkircher 1973, 14). Daraus, dass in dieser Lage kein Blatt die Nummer CXXVIII trägt, kann geschlossen werden, dass das Blatt nach der Nummerierung der Blätter entfernt wurde, während das entfernte Blatt der 15. Lage vor der Nummerierung entfernt wurde. Das fehlende Blatt der 18. Lage war wahrscheinlich leer, wie es die Seite zuvor und die Seiten 45
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danach sind. Zwei Blätter wurden mit CLIII nummeriert, sodass sich gegen Ende des Heldenbuchs die korrekte Zählung der Blätter ergibt. Die 29. Lage (fol. CCXV bis fol. CCXXIIII) ist ein Quinternio (zehn Blätter), auf dessen erster Seite Die böse Frau beginnt (Unterkircher 1973, 14). Dies ist zudem interessant, da sonst nur der erste Text des Heldenbuchs zu Beginn einer Lage anfängt. Die böse Frau bildet ferner den Übergang zwischen den heldenepischen Texten und der Kleinepiksammlung (Schubert 2018, 111). Außerdem enthält sie die Illumination mit Datierung (Abb. 34). Die darauffolgende 30. Lage (fol. CCXXV bis fol. CCXXX) ist dagegen ein Ternio (sechs Blätter) und das letzte Blatt der 31. Lage (fol. CCXXXI bis fol. CCXXXVIII), welches nicht beschrieben ist, ist mit einer Papierseite verklebt und bildet das Ende des Ambraser Heldenbuchs (Unterkircher 1973, 14).
Leere Seiten Durch das fehlende Incipit der zweiten âventiure des Nibelungenlieds stimmt die Zählung der âventiuren im Ambraser Heldenbuch nicht mit denen der meisten Editionen überein. Darüber hinaus ist das Nibelungenlied nicht vollständig im Ambraser Heldenbuch überliefert. Es fehlen die âventiuren 30, 32 bis 34 sowie das Ende des Textes mit den âventiuren 37 bis 39, sodass nur 32 der 39 âventiuren im Ambraser Heldenbuch überliefert sind. Jedoch ließ Hans Ried an den entsprechenden Stellen exakt so viel Platz frei, wie notwendig gewesen wäre, um die intendierten Textpassagen nachtragen zu können (Abb. 37). Hierbei stellt sich natürlich die Frage, warum diese Passagen nicht mit dem restlichen Text zugleich eingetragen werden konnten. Vielleicht lag es an der Vorlage, die an den entsprechenden Stellen nicht den gewünschten Kriterien entsprach. Im Inhaltsverzeichnis wurde dagegen kein Platz für die fehlenden âventiuren gelassen, was ein Hinweis sein könnte, dass das Inhaltsverzeichnis doch nicht von Hans Ried stammt, denn Ried war sich offensichtlich bewusst, wie viele âventiuren in das Inhaltsverzeichnis nachzutragen gewesen wären. Auffällig am Nibelungenlied ist außerdem, dass zwischen den âventiuren oft relativ viel Platz gelassen wurde. Dieser Platz reicht bis zu einer halben Spalte, während sonst im Kodex nur wenige Zeilen zwischen den âventiuren frei sind. Wie bereits vorher genannt, wurde eine der Seiten, die für das Ende des Nibelungenlieds frei gelassen wurde, aus dem Ambraser Heldenbuch herausgetrennt. Vor dem Nibelungenlied befindet sich im Ambraser Heldenbuch die Rabenschlacht, die in drei weiteren Handschriften überliefert ist. Zwischen diesen beiden Texten wurden von Hans Ried zwei komplette Blätter, insgesamt 16 Textspalten, leer gelassen. In zwei anderen Überlieferungen der Rabenschlacht ist nur eine weitere Strophe überliefert, die mit der Zeile „Hie mit hat ein ende ditze mære“ (Lienert und Wolter 2005, Str. 1139, V. 6) endet, während in der vierten Handschrift die letzten 46
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Abb. 37: Ambraser Heldenbuch, Beginn der 31. âventiure des Nibelungenlieds (fol. CXXIIIr).
15 Strophen fehlen. Da bei der Rabenschlacht im Ambraser Heldenbuch kaum Text fehlt und der Anfang des Nibelungenlieds vollständig überliefert ist, außerdem keines der Blätter aufgrund der Lagen nachträglich hinzugefügt oder entfernt worden sein kann, ohne dass dabei Textverlust entstanden wäre, stellt sich die Frage, ob der Platz für einen zusätzlichen Text frei gelassen wurde. Dieser Text müsste jedoch relativ kurz sein, sind die heldenepischen Texte des Abschnittes, in den sich die Rabenschlacht und das Nibelungenlied eingliedern, doch deutlich länger.
Mise en page Hans Ried ist besonders ökonomisch in der Ausführung des Ambraser Heldenbuchs vorgegangen, sodass das Pergament bestmöglich ausgenutzt wurde, ohne dabei gänzlich auf ästhetische Aspekte zu verzichten. Die drei Textspalten einer Seite zu je 66 bis 68 Zeilen wurden fast immer vollständig beschrieben und nur wenige Zwischenräume frei gelassen (Unterkircher 1973, 14). Jedoch ergaben sich einige Umbrüche der Texte, die dem Layout eines modernen Buches widersprechen würden, bzw. ließ Hans Ried zwischen einigen Texten doch größere Abstände, damit der darauffolgende Text auf einer neuen Seite beginnen konnte. Dies ist bei einigen heute wichtig erscheinenden Texten der Fall, während bei anderen Texten kaum Stellen zwischen den Übergängen frei gelassen wurden, sodass sich kein eindeutiges Muster erkennen lässt. Wie bereits eingangs erwähnt, schrieb Hans Ried des Öfteren ein Incipit auf die vorhergehende Seite und ließ den Text nebst Initiale auf der nächsten beginnen. Bei den Texten, bei denen dies der Fall ist, wird das Incipit jedoch nicht mit der Seite im Inhaltsverzeichnis vermerkt, auf der es geschrieben steht, sondern mit jener Seite, auf der sich die Initiale befindet. Auf den letzten Seiten des Ambraser Heldenbuchs fällt auf, dass ein Incipit von fol. CCXVIIr nicht in das Inhaltsverzeichnis übertragen wurde. Dieses Incipit markiert keinen neuen Text, sondern nur einen Abschnitt innerhalb eines Textes und wurde wohl deshalb zu Recht nicht in das Inhaltsverzeichnis aufgenommen, da es keine wesentliche Orientierung schafft. 47
Aaron Tratter
Des Weiteren wurde auf fol. CCXVIIIv eine Initiale ausgestaltet und vor dieser Platz für ein mögliches Incipit gelassen, welches aber nicht ausgeführt wurde. Es findet sich kein Hinweis auf dieses mögliche Incipit im Inhaltsverzeichnis des Ambraser Heldenbuchs. Die beiden zuletzt beschriebenen Fälle können jedoch nicht mit anderen Handschriften verglichen werden, da diese Texte Herrands von Wildonie im Ambraser Heldenbuch unikal überliefert sind.
Fazit Natürlich kann nicht ausschließlich aus den kodikologischen Merkmalen der Entstehungsprozess des Ambraser Heldenbuchs rekonstruiert werden. Dennoch lassen die dargelegten Betrachtungen Rückschlüsse auf die Vorgangsweise Hans Rieds zu, sodass sich erkennen lässt, dass er die Texte wohl der Reihe nach niederschrieb, Platz für Incipits, Initialen und Lombarden ließ sowie sich sehr bewusst war, wie viel Platz er für verunreinigte Textstellen aus seinen Vorlagen frei lassen musste, damit er diese später nachtragen könnte. Des Weiteren lässt sich schlussfolgern, dass nach Abschluss der Schreibarbeit der Randschmuck ausgestaltet wurde, da dieser praktisch nur auf denjenigen Seiten ausgeführt ist, die auch Initialen enthalten. Abschließend wurden die Blätter des Kodex foliiert. Für weitere Schlussfolgerungen müssten textexterne Kriterien wie Korrespondenzen Maximilians I. oder sonstige Aufzeichnungen mitberücksichtigt werden. Da es aber kaum Dokumente bezüglich der Entstehung des Kodex oder der Auswahl der Texte und ihrer Vorlagen gibt, könnten besonders die Methoden aus dem Bereich der digital humanities dabei helfen, Erkenntnisse zu liefern, indem Transkriptionen eines Textes des Ambraser Heldenbuchs, der auch in anderen Handschriften überliefert ist, miteinander verglichen werden und somit möglicherweise Rückschlüsse auf Vorlagen oder Texteingriffe Hans Rieds gezogen werden können. Jedoch werden Fragen über die Intention Kaiser Maximilians I. wohl niemals restlos geklärt werden können.
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TEXTE UND TEXTUREN
Abb. 38: Theuerdank (kolorierter Druck auf Pergament, 1517), König Romreich und seine Tochter Ehrenreich (Kap. 1).
Jan-Dirk Müller
Alte Heldenbücher im Kreis Maximilians Zu einer umstrittenen Bezeichnung
Maximilian I. hat nicht nur die Sammlung mittelalterlicher Epen im Ambraser Heldenbuch in Auftrag gegeben, sondern selbst ein Heldenbuch verfasst oder verfassen lassen. Der Versroman Theuerdank1 erzählt die Geschichte eines jungen Ritters, der auf Brautfahrt geht und auf dem Weg zur Dame Erenreich zahlreiche Abenteuer zu bestehen hat; diese Abenteuer heißen hier gferlichheiten. Es sind gefährliche Situationen, die Maximilian I. im Laufe seines Lebens zu bewältigen hatte. Sie sind aus ihrem biographischen Zusammenhang gelöst und alle als Stationen einer Ritterfahrt erzählt, an deren Ende der junge Ritter von seiner Dame als bester aller Ritter gekrönt wird. Hinter Theuerdank verbirgt sich der Kaiser, hinter Erenreich seine erste Frau, Maria von Burgund, hinter Romreich ihr Vater Herzog Karl der Kühne und hinter Theuerdanks Gegnern, drei Hauptleuten mit Namen Fürwittig, Unfalo und Neidelhart, die ihn auf seinem Weg zu Erenreich aufzuhalten versuchen, verschiedene Feinde, die Maximilian zu überwinden hatte, aber auch andere Widrigkeiten, denen er im Laufe seines Lebens begegnete. Gewidmet ist es durch den letzten Bearbeiter Melchior Pfinzing dem Thronerben Karl (V.), doch aufgeschrieben ist es für „alle adenliche mennschliche gemuet“ – also alle Menschen adligen Gemüts, alle, die begierig sind, „alt geschicht vnnd Teürlich getatten / durch mechtig vnd hochgeborn Fursten vnd herren volbracht / so die beschriben werdn zuo lesen“ (Theuerdank, fol. A2r), um ihnen nachzufolgen und mit ihnen um Ehre zu wetteifern. So habe er, sagt der Vorredner, sich vorgenommen, Eines loblichen Teüern vnnd hochberuembten Helds vnnd Ritters mit Namen herr Teuerdannckh geschicht history vnd getatten (die Ich den maysten tayl gesehen / vnd von glaubhafften personen die in gegenwertigkait gewesen sein gehoert hab) in form mass vnd weis der heldenpuecher (als vormalen durch vil beschehn ist) in verporgner gestalt zuobeschreiben Dan Ich für onnot bey mir geacht / den gantzen grundt offenlichen vnd menniglichen an den tag zuolegen. (Theuerdank, fol. A2r)
Ähnliches wiederholt er in einem Nachwort, der Clavis, die aufdeckt, was hinter den einzelnen Erzählungen von gefährlichen Abenteuern steht, verschlüsselt, weil Verwandte der Akteure noch leben, dann „das auch mit solhem puoch/ denen so vorzeiten 1 Zitate aus dem Theuerdank in diesem Aufsatz nach der Ausgabe von Musper 1968.
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die allten heldenpuecher geschriben haben nachgeuolgt wurde / dann mich bedunckt das dem gemain man nit not sey den grundt zuouersten“ (Theuerdank, fol. A1v.). Man darf annehmen, dass, was Pfinzing über den Theuerdank sagt, als typisch für Heldenbücher gilt: eine alte Geschichte von Abenteuern, die ein Held bestanden hat. Sie ist historia, hat einen historisch gesicherten Kern, der durch adtestatio rei visae und glaubwürdige Zeugenaussagen gesichert ist, erzählt ihn aber verschlüsselt, in verporgner weis, nicht jedermann verständlich; doch ist in einem Anhang eine Clavis, ein ‚Schlüssel‘ hinzugefügt, der zu jedem Ereignis sagt, was es bedewt, d. h. welches historische Ereignis dahintersteckt. Wo einer Episode kein bestimmtes historisches Faktum entspricht, wird sie poetisch gestelt, poetisch, poeterey u. a. genannt, d. h. ‚Erfindung‘ mit besonderer Bedeutung (vgl. Theuerdank, fol. A4r, A6v, A7v, A8v). Was erzählt wird, ist exklusiv, nicht für jedermann bestimmt. Solche Geschichtsdarstellungen gab es viele in der Vergangenheit (vormalen durch vil beschehen). Der Theuerdank steht also in einer alten literarischen Tradition, der der ‚alten Heldenbücher‘ (Müller 1982). Das lässt sich Punkt für Punkt auf die Sammlung mittelalterlicher Epen und Romane übertragen, mit deren Abschrift Maximilian Hans Ried betraute, auf das Ambraser Heldenbuch. Ich rekapituliere kurz: die Spuren des Ambraser Heldenbuchs lassen sich bis ins Jahr 1502 zurückverfolgen, als Maximilian am 15. April in einem Brief an Wilhelm von Oy, den Stablmaister der Königin Bianca Maria erstmals den Auftrag erwähnt, das „helldenpuch an der Etsch ausschreiben zu lassen“, den er Paul von Liechtenstein gegeben habe und zu dessen Ausführung Wilhelm von Oy seinen Schreiber „an die Etsch“ beordern möge.2 Es ist umstritten, ob dieses helldenpuch an der Etsch die Vorlage des von Hans Ried geschriebenen Ambraser Heldenbuchs oder unbestimmter ein Genre meint, zu dem verschiedene Vorlagen möglicherweise aus der Region beitragen (Mura 2007, 59–61). Jedenfalls fällt auf, dass die Bezeichnungen des Projekts stark variieren: wenn allgemein vom Auftrag die Rede ist, heißt es nur „ain Puech in pergamen“, „vnnser puech“ oder einfach „ain Puech“.3 Paul von Liechtenstein nennt es „recken puech“,4 Ried selbst und wieder Paul von Liechtenstein sprechen von „Risenpuech“, Maximilian von „vnnserm Heldenpuech“.5 Bei dieser Sorglosigkeit der Bezeichnung sollte man ihr keine allzu große terminologische Genauigkeit zuschreiben. Die Bezeichnungen helden puech, recken puech und risen puech passen allesamt in den Vorstellungsbereich heroischer Epik und können deshalb als Synonyme aufgefasst werden. 2 Ich gebe die einschlägigen Dokumente nach der Transkription von Wierschin (1976) wieder; die Dokumente 568–570; der Brief 568; zu Oy 493. 3 Vgl. die Belege bei Wierschin 1976, 568 f. (5.4.1504; 18.6.1504; 7.6.1505; 16.12.1507). 4 Der Beleg (26.4.1504) fehlt bei Wierschin (1976); vgl. Mura 2007, 65. 5 Mura 2007, 63; Wierschin 1976, 569: 25.4.1506 (fehlt bei Wierschin 1976): 20.9.1509; 10.6.1515.
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Alte Heldenbücher im Kreis Maximilians
Was sind Heldenbücher? ‚Heldenbuch‘ ist im 15. und 16. Jahrhundert allerdings keine Gattungsbezeichnung im Sinne gegenwärtiger Gattungstheorie. Heldenbücher enthalten nicht ausschließlich Heldenepik, wie sie heute landläufig verstanden wird, nämlich ein Korpus von Epen mit ‚heimischem‘ Sagenstoff, also vornehmlich Geschichten um Dietrich von Bern oder seine Verwandten Hugdietrich und Wolfdietrich, Wolfdietrichs Vorgänger Ortnit, dazu das Nibelungenlied und die Kudrun, wenn auch vermutlich auf diesen Texten der Schwerpunkt von Heldenbüchern lag. Schon um 1300 gibt es Spuren von Sammlungen solcher Texte, „eine aufwendige Pergamenthandschrift […], von der Reste mit Text aus dem ‚Ortnit‘, dem ‚Wolfdietrich‘, dem ‚Eckenlied‘ und der ‚Virginal‘ erhalten sind“.6 Erst aus dem 15. Jahrhundert sind ähnliche Sammlungen überliefert: die Handschriften des Dresdner Heldenbuchs des Kaspar von der Rhön (ca. 1472) und Lienhard Scheubls Heldenbuch (um 1480/90), zwei (1870 verbrannte) Straßburger Handschriften, das Heldenbuch des Diebold von Hanowe (um 1480) und der Straßburger Cod. Bibl. Johann B 81 (1476), sowie schließlich der Druck (1479), der bis zum Ende des 16. Jahrhunderts noch sechsmal nachgedruckt wurde. Die Sammelhandschrift von Kaspar von der Rhön und Lienhard Scheubl enthalten auch Texte nicht-heldenepischer Provenienz (Antelan, Lorengel, Herzog Ernst).7 Das Heldenbuch des Diebold von Hanowe hängt nach einem ersten Teil mit der sogenannten Heldenbuchprosa, Ortnit, Wolfdietrich, Rosengarten, Laurin und Sigenot, noch den Pfaffen Amis des Stricker, eine Episode aus dem Spruchgedicht Salman und Markolf und den Anfang einer weiteren Erzählung an, die andere Straßburger Handschrift neben Ortnit, Wolfdietrich und Rosengarten noch das sogenannte Spielmannsepos Salman und Morolf (Heinzle 1981, Sp. 953 f.). Im gedruckten Heldenbuch, das – wie sonst nur noch die Handschrift des Diebolt von Hanowe – den Titel Heldenbuch trägt, fehlt deren Anhang. Es hat die Terminologie geprägt, sodass man unter ‚Heldenbuch‘ meist eine Sammlung von Epen aus dem heimischen Sagenkreis versteht. Durch die sogenannte Heldenbuchprosa im Druck und bei Diebold von Hanau wird dieser Eindruck noch unterstützt, denn sie enthält Material aus anderen Epen des Sagenkreises, darunter des Nibelungenlieds. Aus diesem Befund hat man beschlossen, dass die Bezeichnung ‚Heldenbuch‘ eigentlich nur der Sammlung von Heldenepen aus dem heimischen Stoffkreis zukomme, die im Ambraser Heldenbuch eine geschlossene Gruppe bilden (Nr. 8–15). 6 Heinzle 1987a, 205–221; nach Heinzle (1987a) auch die folgenden Angaben. Zur Rezeptionsgeschichte des Terminus und des namengebenden Werks in der Frühen Neuzeit: vgl. Haustein (1989); zur Verbreitung des Heldenbuch-Drucks 117 f. 7 Im Dresdner Heldenbuch ist der Herzog Ernst zwar nachträglich hinzugefügt worden (Haustein 1989, 5), aber auch das ist Zeugnis für das zeitgenössische Sammelinteresse und war, wie andere Hss. zeigen, offenbar unproblematisch.
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Auf sie habe sich Maximilians Auftrag an Hans Ried bezogen; an „jene eigentlichen Heldendichtungen“8 hätten sich dann die übrigen Erzählungen angelagert. Diese stoffliche Einschränkung des Terminus ist historisch unrichtig, denn die meisten anderen Heldenbücher enthalten auch Erzählungen anderer Provenienz. Mindestens die vorausgehenden Erzählungen und Romane (1–7), d. h. der gesamte erste Teil des Ambraser Heldenbuchs, wird durch das zeitgenössische Verständnis von ‚Heldenbuch‘ gedeckt. Anders die folgenden Texte, die möglicherweise später (etwa aus der Liechtenstein’schen Hausüberlieferung) angehängt wurden. Heldenbücher können auch Geschichten von König Artus und seiner Tafelrunde heißen (Heinzle 1987b, 208). Ein Wiener Bücherverzeichnis nennt den Willehalm „heldenbuch“, spricht von „Titurel helden buech“ oder dem „helden buech Gamereth“ [Parzival], bezeichnet aber das Heldenepos Hugdietrich [Teil des Wolfdietrich] als „histori“.9 Im Katalog (1596) der Bibliotheksbestände der Grafen von Zimmern, die Wilhelm von Zimmern Erzherzog Ferdinand von Tirol vermachte, erscheint der Jüngere Titurel (Nr. 55) als „Ein teutsches auf pergamen geschriebnes heldenbuch, reimens weis“, der Epenzyklus um Guillaume d’Orange (Nr. 63) wird als „Ein alts deutsch uneingebunden heldenbuch in regal papier“ genannt.10 Cyriacus Spangenberg (1591) rechnet in seinem Adelsspiegel die Literatur um König Artus zu den Heldenbüchern: Dieweil aber in den alten deutschen Heldenbuechern / Reimen vnd Liedern / offt der Ritter der Taffelrunde gedacht wird / kann ich nicht allerding vnterlassen / derselben dieses orts auch zu gedencken.11
Artus ist einer der drei „Fuernembsten Helden der Christen“, neben Karl d. Gr. und Gottfried von Bouillon. An seinem Hof versammeln sich die „dapffersten vnd streitbarsten Helden vnd Ritter“ (Spangenberg 1591, fol. 327v) – beide Termini werden offenbar synonym gebraucht. Spangenberg bringt als Beleg aus Heldenbüchern ein längeres Zitat aus dem Artusroman Wigalois, in dem ein ‚Vorfahre‘ seiner eigenen Gönner, der Grafen von Mansfeld, auftritt. Die Heldenbücher erklärt er zu historischen Texten, in denen wie in der Antike unter dem Namen eines Helden die Taten vieler Helden zusammengefasst sein können: 8 Unterkircher 1954, 12; diese ältere Auffassung besteht noch bei Menhardt 1958, 319. 9 Gottlieb 1900a, 104; vgl. Müller 1982, 111 (mit Anm. 7, 322). 10 Modern 1902, 165 bzw. 174. Andere Einträge sind in Bezug auf den Inhalt unbestimmter Nr. 9: „Ein alts geschrieben buch, reimensweis von den alten helden“; Nr. 47: „Ein teutsches gedicht reimensweis von vielen heroibus geschrieben“ und Nr. 55: „Ein teutsches auf pergamen geschriebnes heldenbuch, reimensweis“ (hierzu Menhardt 1958, 319). 11 Spangenberg 1591, fol. 327r; zu Spangenbergs Heldenbuchbegriff vgl. auch Haustein 1989, 6–8, 119– 124.
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Solche gestalt hat es auch mit den deutschen Heldenbuechern / vnd folgt darumb nicht / weil es etwa einer nicht begreiffen noch zusamen reimen kann / das es darumb alles muesse erdichtet vnd erlogen sein. (Spangenberg 1591, fol. 329r)
Er betrachtet nahezu die gesamte mittelalterliche Literatur als Medium der Adelserziehung: den Minnesang (der „Meistersänger“ [Spangenberg 1591, fol. 172r] Walther von der Vogelweide usw.), die höfische Epik, Chanson de geste, Lehrdichtung, Allegorien usw. Dabei scheint ‚Heldenbuch‘ eine Art Oberbegriff für die verschiedensten Typen mittelalterlicher Epik zu sein: Vnd diese Leut haben etliche der alten Helden Thaten Reimweis / doch wunderbarlich verbluemet / beschrieben. Wie denn dauon noch verhanden / das Heldenbuch / der groß vnd kleine Rosengarten / der huernen Sigfried / der Hildebrand / vnd Dietherich von Bern / von Koenig Etzel / vnd dem Wunderer / Keyser Karlen vnd Rolandes / Koenig Lois vnd des Markisen / Hern Wiglois / vnd Grauen Hoiern des roten / Herzog Heinrichs des Lewen / vnd anderer Brunschwigischn Herren Historia / etc. (Spangenberg 1594, fol. 172v).
Im Folgenden nennt Spangenberg noch Iwein, Erec, König Rother und sogar Prosa romane wie Galmy, Tristrant sowie Parcifall (1594, fol. 172v). Sie alle sind „wunderbarlich verbluemet“ (ebd.), sodass die Zusammenstellung implizit eine ähnliche Auffassung von Heldenbuch voraussetzt wie der Theuerdank, nämlich ‚verdeckte (poetisch verschlüsselte) Geschichte großer Herren aus der Vergangenheit‘. Am Beispiel des Laurin gibt er eine allegorische Auslegung der Zauberdinge, die angeblich verdeckt Laurins Regentenkunst anzeigen. Heldenbücher sind in Poetischer weis gefasst.12 Schließlich kann man noch einige Belege aus der Bibliothek der Grafen von Frundsberg anführen, in der Mura Vorlagen für Hans Ried vermutet, deren Inventar „Ain geschriben Buech von alten Helden“ und ein „Heldenbuech mit seinen Figuren“ verzeichnet, ohne dass man sie bestimmten Texten zuordnen kann, aber auch einen gedruckten Wolfdietrich als „Historia“.13
12 So auch in seiner Mansfeldischen Chronica, fol. 16r/v, 17r. 13 Mura 2007, 75. Georg von Frundsberg war seit 1500 Pfleger von Schloss Runkelstein und hielt sich zur Zeit der Abfassung des Ambraser Heldenbuchs in Südtirol auf. Es ist unbekannt, wie viel von der Mindelheimer Sammlung der Familie aus Georgs Sammeltätigkeit stammt.
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Die Ambraser Sammlung Damit sind wir beim Ambraser Heldenbuch, das ja ein breites Spektrum von Erzählungen enthält. Die Forschung hat unterschiedliche thematische Blöcke identifiziert, die möglicherweise entstehungsgeschichtlich zu trennen sind. Trotzdem: die Sammlung insgesamt heißt so. Auch in einem Inventar Erzherzog Ferdinands von Tirol 1596 wird sie als „das hölden Puech“ (Menhardt 1961, 1477) verzeichnet. In der Vorgeschichte der Sammlung spielt das verlorene sogenannte helldenpuch an der Etsch eine Rolle. Wie es sich zum späteren Ambraser Heldenbuch verhält, ist umstritten. Menhardt sieht es als Vorlage der (heldenepischen) Texte 8–15 an, des zweiten Teils also, der Heldenepen, eingefügt zwischen höfischer Epik, die vorausgeht, und den nachfolgenden Mären, die einen eher heterogenen Eindruck machen, sowie einem Fragment des Priester-Johann-Briefs.14 Man schreibt diesem Teil eine klarere gattungsmäßige, d. h. heldenepische Profilierung zu, die im Ambraser Heldenbuch verwischt sei,15 indem andere Texte hinzutraten. Ebenso möglich ist daher, dass ‚Heldenbuch‘ gattungsgeschichtlich unspezifisch ist und ‚an der Etsch‘ den Auffindungs- oder Aufbewahrungsort eines Heldenbuchs unbestimmten Inhalts meint. Man scheint im Maximilian-Kreis die Bezeichnung ‚Heldenbuch‘ in einem weiten Sinn gebraucht zu haben.16 Bei heldenpuch kommt es offenbar nicht auf die mediale Gestalt an, sondern auf einen bestimmten Stoff und die monumentalisierende und ‚poetische‘ Weise seiner Darstellung. In diesem Sinne ist auch eine Notiz in einem der Gedenkbücher Maximilians, in denen er Pläne und Einfälle notierte, über das von Vintler mit Fresken prächtig ausgestattete Schloss Runkelstein zu verstehen: „Item das Sloss Runcklstain mit dem mel [Gemälde] lassen zu vernewen wegen der guten alten Istory und diesselb Istory in schrift zu wegen bringen“.17 Die Fresken sollen restauriert werden, ihr historischer Inhalt aufgezeichnet. Das aber setzt eine exposicz, eine Erklärung, voraus. Im Verzeichnis der Bücher, die laut Marx Treitzsaurwein Maximilian 14 Menhardt 1958, 321. Mit Unterkircher (1954) betrachtet Menhardt (1958) das Ambraser Heldenbuch und das Heldenbuch an der Etsch als zwei unterschiedliche Bücher; dagegen Wierschin 1976, 495, der bezweifelt, dass damit ein einzelnes Buch, das als Vorlage diente, gemeint sei. Menhardt (1958) sieht 320 f. die Nibelungen-Handschrift O (Fragm.) als Rest des Heldenbuchs an der Etsch an. 15 Janota 1978, Sp. 325 f. Dann aber fällt auf, dass diese Sammlung erst an zweiter Stelle steht, und außerdem nicht am Lagenanfang (Wierschin 1976, 559) und folglich erst später, nach dem Artus-Teil, geschrieben worden sein kann. Wie kann sich dann die früheste Nachricht auf sie beziehen? 16 Vgl. oben S. 52. Als deutungsbedürftig erwies sich besonders die vom Inhalt nicht gedeckte Bezeichnung Riesenbuch. Zur Geschichte seiner Deutung siehe Wierschin 1976, 560 f. Wierschin (1976) selbst meint, sie spiegele „Rieds psychische Einstellung dem Manuskript gegenüber“ wegen des riesenhaften Unternehmens und des „Stapels ungebundener Lagen“, die er produziert hatte und noch produzieren musste (561). Eher handelt es sich um eine assoziativ motivierte Alternative zu ‚Heldenbuch‘ (vgl. S. 52). 17 Gedenkbuch 1502, XLII, Nr. 230, fol. 33v; Gottlieb 1900a, 55.
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noch schreiben wollte, findet sich auch der Plan einer „exposicz iber das heldenbuch zu Rucklstain“.18 Damit ist kein ‚Exposé‘ gemeint „für die Anlage einer Sammlung eben jener volkssprachlichen Texte, deren bildliche Vergegenwärtigung an den Wänden Runkelsteins zu sehen bzw. neu im Entstehen war“,19 sondern es wird auf die Notwendigkeit verwiesen, die Gemälde in der Burg zu entschlüsseln; exposicz ist nämlich ein Terminus allegorisierender Textauslegung, wie Maximilian sie auf den Theuerdank anwendet, um den historischen Kern herauszuschälen. Auch der Gemäldezyklus heißt, wenn natürlich auch nicht im Ganzen, heldenbuch: einige Gemälde stellen höfische Unterhaltung Abb. 39: Fresko in Runkelstein (1388–1410), Die drei und Gestalten wie Margarethe Maultasch aus stärksten Riesen. der Geschichte Tirols dar, aber es gibt auch Bilder zu Heldenbüchern: der neun vorzüglichsten Helden, drei christlicher, drei jüdischer und drei antiker, der drei bekanntesten Liebespaare, der stärksten Riesen, der bekanntesten Zwerge – das Personal des gedruckten wie des Ambraser Heldenbuchs ist versammelt, daneben Figuren aus den höfischen Romanen Tristan, Garel und Wilhelm von Orlens, exemplarische Geschichten von der Liebe großer Herren. Als Bedeutungskern von ‚Heldenbuch‘ hat sich herauskristallisiert: Heldenbücher enthalten ‚alte‘, im Kern wahre Geschichten von ‚Helden‘; es sind vornehmlich Geschichten von Königen und Fürsten und sie sind in verdeckter, ‚poetischer‘ (und deshalb auslegungsbedürftiger) Form erzählt. Insofern sind sie Teil historischer memoria, die jedoch über diesen Typus hinausweisen. Maximilian ließ seine eigene Geschichte in Form eines heldenpuch beschreiben, doch regte er zahlreiche weitere im engeren Sinne historiographische Forschungsunternehmen an. An erster Stelle steht die Erforschung der eigenen Genealogie, die das Haus Habsburg auf die biblischen Urväter, die Könige Trojas und die Gralssippe zurückführen und seinen Vorrang vor allen anderen europäischen Dynastien erweisen sollte. Der Freiburger Jakob Mennel stellte nicht nur die Namen und Geschichten des stam und seiner Nebenlinien, sondern ebenso von Heiligen aus dem habsburgischen Verwandtenverband in fünf dicken Folianten zusammen. Auch die künstlerischen Aufträge Maximilians haben 18 Cod. Vind. 2834, fol. 76 r/v; abgedruckt bei Gottlieb 1900a, 43. 19 So Wierschin 1976, 494: er bringt das ‚Exposé‘ mit dem „heldenpuch-Vorhaben“ und dem dort erwähnten Heldenpuch an der Etsch zusammen. ‚Heldenbuch‘ kann aber auch nur das Gemälde meinen.
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immer einen historischen Hintergrund. In seiner in Innsbruck gezeigten Grablege wollte er hervorragende Ahnen aus seinem Geschlecht versammeln, jedoch auch König Artus und der Ostgotenherrscher Dietrich von Bern fügen sich von Ferne diesem Kontext ein. Deshalb spricht er auch von „kunig Arthos cronicken“ (Gedenkbuch 1502, fol. 42r), denn ihn interessiert nicht der Romanheld, sondern der königliche Verwandte. Dass Heldenbücher ‚alte‘ Historien enthielten, war auch der Heldenbuchprosa aus dem gedruckten Heldenbuch und der mit diesem verwandten Handschrift des Diebold von Hanowe zu entnehmen. Diese erzählt nämlich eine Art ‚Herogonie‘, eine Urgeschichte, die in Konkurrenz zum Bericht der Genesis steht: Gott habe im Anfang Zwerge erschaffen, damit sie die Welt zivilisierten, und ihnen zu ihrem Schutz gegen wilde Tiere und Drachen Riesen beigegeben; die Riesen aber hätten sich gegen die Zwerge empört, sodass Gott Helden schaffen musste, die die Zwerge gegen die Riesen verteidigten. Sie waren tapfer, beschützten Witwen und Waisen und übten sich auch in Kampfspielen: es ist ouch zuo wissen daz die risen [recte: heilden] allesamen woren keiser vnd kinge vnd herzogen vnd grofen vnd herren vnd dienslùtte vnd ritter vnd knehtte vnd woren all samen edel lùtte vnd wartt nie kein pure nie kein heild vnd do von sind all heren vnd aller adel komen.20
Das aber bedeutet, dass die Heldenbücher eine immer noch aktuelle Vorgeschichte der Gegenwart enthalten. Sie sind eine besondere Form von gedechtnus, die im Zentrum von Maximilians kunstgeschichtlichen, literarischen und historiographischen Bemühungen steht. Wenn er in seinem Weißkunig die Sorge seines alter Ego, des jungen Weißkunig, für die Memoria (gedechtnus) beschreibt, dann geht es vornehmlich um das Andenken von Kaisern, Königen und Fürsten: „Der jung weiß kunig fraget in seiner jugent gar oft von den kuniglichn geschlechten, dann er het gern gewist, wie ain jedes kuniglich vnd furstlich geschlecht von anfang herkumen were“ (Theuerdank, 225). Ihm geht es – analog zu den Humanisten – vor allem um Wiederherstellung verschütteter Traditionen: Verrer nachdem vor langen zeiten die unglaubign und nemlichn die grossn herrn inen nach irer gewonhait in manigerlay weiß gedächtnus machn haben lassen, die dann je zu zeitenn
20 So die handschriftliche Fassung der Heldenbuchprosa, Heinzle 1987b, Bd. 2, 225–240, hier 227. In der handschriftlichen wie in der gedruckten Fassung sind es die Riesen, die mit dem Adel verbunden werden, erst im Fortgang werden sie durch die Helden ersetzt. Das ist ein Fehler, denn die Riesen sind böse, eine auf die Riesen zurückführende Genealogie würde den Adel beschädigen; zur deshalb notwendigen Konjektur Müller 2012, 545–547.
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durch heerzug oder durch ander sachn zerprochn wordn sein, […] hat er bevolen, dieselben gedächtnusn widerum zu vernewen […] Desgleichn hat er auch ainem jeden kayser, kunig und fursten, die von anfang bisher regiert haben, ire guete täten zu einer gedächtnus von newem widerumb beschreiben lassen. (Theuerdank, 225)
„In manigerlay weiß“ (Theuerdank, 225): das schließt unterschiedliche Formen ein, keineswegs nur im engeren Sinne historiographische Texte, sondern auch Statuen, Holzschnitte und Miniaturen (die beiden großen Triumphwerke), das bronzene Totengeleit und die geplante Totenliturgie, Münzen und eben auch – Heldenbücher. Unter diesem Aspekt sind die Titel einiger Texte im Ambraser Heldenbuch von Interesse. Bei einigen Werktiteln fällt nämlich auf, dass nicht die Protagonisten im Zentrum stehen, sondern die Könige, an deren Hof sie sind oder die erwähnt werden.21 So erscheint die Versnovelle Moriz von Craûn unter dem Titel „Von kúnig Nero ainem Wúettrich“ (fol. IIva ll. 1–2). Der Titel des Iwein lautet „Von kúnig Artus Hochzeit. auch von seinem Recht. desgleichen Hofgesind. vnd gescháfften“ (fol. Vvc ll. 3–5 ab imo), bevor einzelne Artusritter, darunter herr Yban, genannt werden. Über den Erec (und das Fragment des Mantel) heißt es: „aber von kuenic Artus. vnd seinem Hofgesind. Auch Helden vnd handlungen als von her Gabein. khay. Yrecken […]“ (fol. XXVIIIrb ll. 7–10 ab imo). Dietrichs Flucht wird mit dem Namen des Spitzenahns angekündigt: „Von Dietwart, kunig in Romischin landt vnd daranach von seinem Sun Perner Diettrich. Vnd auch Erenreich“22, „seinem vngetrewen vetter“ (fol. Lvc l. 4). Die Rabenschlacht handelt „Aber von dem Perner. Vnnd kuenig Erennreich seinem vngetreueen Vettern“ (fol. LXXVrb ll. 1–3), der Ortnit heißt Kunig Ottnides Puech. Die Titel könnten auf den Kern der Heldenbuch-Vorstellung Maximilians verweisen: poetische Bewahrung von Erinnerung. Eine gattungsgeschichtlich engere und präzisere Bedeutung von ‚Heldenbuch‘ lag nicht in seinem Interesse. Der Terminus wurde im 18. und 19. Jahrhundert entweder auf Texte des gedruckten Heldenbuchs angewandt oder, ausgehend von diesen, auf verwandte heldenepische Texte ausgeweitet, doch nicht mehr so weit gefasst wie in den Bibliothekskatalogen des 16. Jahrhunderts und noch bei Spangenberg.
21 Menhardt 1961, 1469–1478; vgl. Unterkircher 1954, 5–8; Müller 1982, 196 f. 22 Fol. Lvc ll. 1–3; Ermrichs Name ist hier ähnlich allegorisch gedeutet wie der Name Orendels in der Heldenbuchprosa; vgl. Müller 2012, 549 f.
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Klaus Amann
Reflexionen über den Hof Zur Organisation des Ambraser Heldenbuchs
Die Ausgangslage Seit dem Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Ambraser Heldenbuch wird die Germanistik von der Frage nach den Kriterien von Aufnahme und Anordnung der darin enthaltenen 25 Texte1 umgetrieben (Kaminski 2009; Masse 2015). Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass die Abfolge der Texte in dem Risenpúch2 nicht zufällig gewählt ist. Wenn sich hier und da womöglich der Verdacht auf Inkonsequenzen und Brüche aufdrängt, liegt das daran, dass heute Gliederungsprinzipien nach Kategorien wie Gattung, Autor, Chronologie und andere mehr an Textsammlungen angelegt werden, die zur Zeit der Entstehung der Handschrift keine Rolle spielten. Welche Kategorien für Aufnahme und Anordnung von Texten im Ambraser Heldenbuch leitend waren, wissen wir nicht; es kann lediglich versucht werden, diese möglichst stringent nachzuzeichnen. Bis heute hat sich, auch wenn es immer wieder Gegenstimmen gab und gibt, der Konsens einer groben und behelfsmäßigen Einteilung nach (Unter-)Gattungen gehalten. Das ergibt vier ‚Blöcke‘ mit Texten aus 1. höfischer Epik, 2. Heldenepik, 3. Kleinepik sowie 4. einem nicht näher einzuordnenden ‚Anhang‘.3 Löst man sich jedoch von diesem (modernen) Verständnis der Einteilung nach Gattungen, stellt sich heraus, dass wir es wohl mit einer komplexen Gemengelage von in erster Linie inhaltlichen, aber auch von zeitlich sowie regional motivierten Kriterien zu tun haben: inhaltlich wird erstens die Frage nach dem richtigen höfischen Verhalten, das für Maximilian I. keineswegs eine Angelegenheit längst vergangener Tage war, verhandelt, zweitens ist die Beschränkung auf Texte des 13. Jahrhunderts, in dem die Habsburger mit Rudolf I. erstmals den römisch-deutschen König stellten und damit das Interregnum (1254–1273) beendeten, auffällig und drittens die Bevorzugung von Texten, die sich irgendwie – entweder über den Autor 1 Nach dem Verständnis der Handschrift selbst sind es 24, da Der Mantel und Erec ja als e i n Text gelten. Siehe dazu weiter unten sowie Hammer et al. 2017, XX. 2 So dessen Schreiber Hans Ried; zitiert nach Mura 2007, 119. 3 Zu dieser ‚klassischen‘ Einteilung siehe Gärtner 2007, 200 f. Dagegen aber mit guten Gründen Reinitzer 2000, IX–XII, dem ich hier zum Teil folge.
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oder die Verortung der Handlung – an die habsburgischen Erblande anschließen lassen. Die zeitliche und die geographische Dimension lassen sich somit unmittelbar an die Habsburger und damit an Maximilian rückbinden. Leitende Motive, die in vielen, wenn nicht in allen Texten vorherrschen, sind einerseits das Verhältnis zwischen den Geschlechtern sowie andererseits die zwischenmenschliche und lehensrechtliche triuwe (Treue, Verlässlichkeit), die aus mehreren Blickwinkeln und in unterschiedlichen Facetten behandelt und beleuchtet werden. Die Texte folgen hier so etwas wie einem dialektisch-didaktischen Grundgerüst: in loser Abfolge treten neben den rein erzählenden Texten auch ausgesprochen theoretisch-reflexive Texte auf, die die Epen kommentierend flankieren, und auch die Erzählungen selbst kommentieren einander, indem sie dasselbe Problem aus unterschiedlichen Perspektiven behandeln.
Das Ambraser Heldenbuch als Diskurs über das höfische Leben Die Auswahl und vor allem die Anordnung der Texte lassen sich auch in die sogenannte gedechtnus-Konzeption Maximilians4 und seine Stilisierung als ‚(letzter) Ritter‘ (Müller 1982, 212–228) einreihen. D. h., die Handschrift erweist sich „als eine nach inhaltlichen Gesichtspunkten von Maximilian selbst konzipierte Textsammlung“ (Reinitzer 2000, IX). Während die Frage nach der konkreten programmatischen Beteiligung Maximilians offenbleiben muss, soll hier die Frage nach der inhaltlichen Abfolge der Texte aufgegriffen und etwas vertieft werden.5 Diese entwickeln sich thematisch aus sich heraus, die Übergänge können, wenn man sich an inhaltliche Kriterien hält, plausibel gemacht werden, wobei manche Abschnitte als ‚Scharniere‘ zu den nächstfolgenden fungieren. Aus der Reflexion über die höfische minne und ihr Verhältnis zur ritterlichen Bewährung in der Welt der âventiure entwickelt sich ein bis in die heldenepischen Texte reichender Diskurs über die triuwe. Von der Gefolgschaftstreue schwenkt der Fokus weiter auf die regionale Dimension der habsburgischen Erblande, womit gattungsübergreifend die Heldenepik mit der Kleinepik verklammert wird. Dort kommt dann erneut das Thema des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern zur Sprache, bevor dieses wiederum in die politische Dimension transferiert wird, wenn Ständeproblematik bzw. Vasallenverhältnisse besprochen werden. Dieses ‚Programm‘ kulminiert schlussendlich in einer Reflexion über die Dichtkunst sowie einer persönlichen politischen Utopie Kaiser Maximilians. 4 Müller 1982, 196 f.; siehe auch Wierschin 1976. 5 An dieser Stelle möchte ich den Innsbrucker Studierenden meines Seminars zum Ambraser Heldenbuch (Wintersemester 2017/18) sehr herzlich für ihren Input und ihre Diskussionsfreude danken.
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Öffnet man das Ambraser Heldenbuch auf fol. Ir, also nach der „Tabula des Heldenpůchs“ (dem Inhaltsverzeichnis), kann man schon so etwas wie ein inhaltliches Programm erahnen (Abb. 40). Links sieht man ein Bild von zwei Rittern, die zwar voll gerüstet, offenbar aber nicht zum Kampf bereit sind; einer trägt das Schwert in der Scheide, der andere auf der Schulter, die Visiere sind offen, beide stützen sich lässig auf ihre Schilde, sind einander zugewandt und sprechen offenbar miteinander. Über ihnen prangt der Tiroler Adler, als Rankenwerk sind Granatäpfel dargestellt, seit jeher ein Symbol für Liebe und Erotik. Rechts findet sich der Beginn der Frauenehre, eines minnetheoretischen Textes des Strickers, mit der Abbildung alpiner Fauna (Gämsen und ein Bär) (Abb. 41). Neben der Betonung der regionalen Verankerung der Handschrift in Tirol bzw. dem Alpenraum durch Tiere und Abb. 40: Ambraser Heldenbuch, Frontispiz mit zwei Wappen werden hier mindestens zwei Aspekte gerüsteten Rittern (fol. V*v). des hochmittelalterlichen höfischen Lebens ausgestellt: Ritterlichkeit, Minne (die durch den Text selbst thematisiert wird, aber auch durch die Granatäpfel im Bild) und eventuell auch der diskursiv-aushandelnde Charakter der Literatur im Bild der miteinander sprechenden Männer. Damit ist der Grundtenor der Handschrift festgelegt. Die Ritter diskutieren über das Wesen höfischer Lebensweise, die in den Texten näher umrissen wird.
Die höfische Liebe Im ersten Text, der Frauenehre des Strickers, werden die Frauen als Mittelpunkt der höfischen Welt gepriesen, die die wahre vröude, die höfische Hochstimmung, vermitteln und deswegen von den Männern verehrt werden sollen. Einer ersten Probe wird die Minnethematik im Moriz von Craûn eines anonymen Autors des frühen 13. Jahrhunderts unterzogen. Der Titelheld stellt sich in den Dienst einer Gräfin von Beamunt, die von ihm die Bewährung im Turnier verlangt. Diese Aufgabe erfüllt er und fordert daraufhin seinen ‚Lohn‘ in Form von (sexueller) Zuwendung von seiner Minneherrin. Dieser Lohn bleibt ihm aber deswegen versagt, weil er – erschöpft von den Anstrengungen des Turnierkampfes – in ihrer Kemenate einschläft, während er 63
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Abb. 41: Ambraser Heldenbuch, Beginn der Frauenehre mit alpiner Fauna (Gämsen und ein Bär) (fol. Ir).
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auf sie wartet. Daraufhin wendet er sich von der Gräfin, sehr zu deren Leidwesen, zornig ab. Auf diese missglückte Minnegeschichte folgt sogleich die nächste, etwas erfreulicher verlaufende, nämlich Hartmanns von Aue Iwein. Hier vernachlässigt der Titelheld zwar die Minne zunächst, indem er sich zu sehr der ritterlichen Bewährung, der âventiure, verschreibt. Doch wird ihm die Gelegenheit zur Wiedergutmachung seiner Fehler gegeben, die er auch nützt, und schlussendlich vermag er als Landesherr an der Seite seiner Frau Laudine beide Pole in Einklang zu bringen. Die beiden folgenden Texte sind wieder theoretischer Natur; einer geht auf Hartmann selbst zurück, der andere wohl eher nicht (vgl. aber Schiendorfer 2007, 167 f.), nämlich Die Klage und Das Büchlein. Der erste Traktat verhandelt in Form eines Zwiegesprächs zwischen Herz und Leib das Wesen der Liebe. Nach gegenseitigen Vorwürfen sehen beide ein, dass nur gemeinsames Vorgehen zum Erfolg führen könne. Das rechte Mittelmaß zwischen den Bedürfnissen des jeweils anderen ist gefragt: exakt das Grundthema des vorangehenden Iwein. Weit unernster gehalten ist Das Büchlein, deswegen aber kaum weniger relevant für das Programm des Ambraser Heldenbuchs. Ein Ritter beklagt sich über das Ende einer Liebesbeziehung, die wegen allzu eifriger ‚Aufpasser‘ bei Hofe gescheitert ist. Während er selber Trost bei anderen Frauen sucht, ermahnt er seine Geliebte, ihm die Treue zu halten.
Die höfische Treue Damit ist ein weiteres, wenn nicht überhaupt das dominante Thema des Ambraser Heldenbuchs angesprochen: die triuwe, ursprünglich ein Begriff des feudalen Lehenssystems, der die Treue zum Gefolgsherrn bzw. Gefolgsmann bezeichnet, wird auf die zwischenmenschliche, besser: zwischengeschlechtliche Ebene übertragen. Liebende (insbesondere adlige Männer), so die Forderung, sollen ‚treu‘ sein, die Liebe soll exklusiv nur für die Partnerin oder den Partner reserviert sein. Gleichzeitig aber wird auch die ‚alte‘, lehensrechtliche Bedeutung der Treue immer wieder aufgerufen, wenn in den heldenepischen Texten von Treuebruch und Verrat die Rede ist. Doch zunächst folgen noch zwei Erzählwerke, die von ehelicher Treue handeln und im Kontext des Ambraser Heldenbuchs als e i n Text verstanden wurden: die anonyme Erzählung Der Mantel und Hartmanns von Aue Erec, der ohne die sonst übliche einleitende Überschrift direkt an den Mantel anschließt. Beide Werke erzählen von der hervorragenden Treue der Grafentochter Enite zu ihrem Mann Erec. Damit ist nun tatsächlich ein erster Block von zusammengehörigen Texten abgeschlossen, die unter verschiedensten Prämissen das Wesen der höfischen Liebe aushandeln, und es beginnt ein zweiter Teil, der weitaus umfangreichste ‚heldenepische‘. Der Bruch ist allerdings keineswegs so hart, wie man das vielleicht aus gattungstheoretischer Perspektive vermuten könnte, denn thematisch knüpft das Epos von Diet65
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richs Flucht durchaus an den Erec an, was schon in der Titelei des Werks auf fol. Lv deutlich wird: „Von Dietwart Kuͣnig in Roͣmiſchem Lanndt / Vnd darnach von ſeinem Sŭn Perner Diettrich / Vnd auch Erenreich ſeinem vngetrewen Vetter“ (meine Hervorhebung). Das Thema der Treue bzw. des Verrats wird weitergeführt, nun allerdings unter politisch-militärischen Vorzeichen. Erenreich6 übt Untreue bzw. Verrat, indem er die Herrschaft über Oberitalien usurpiert, die eigentlich seinem Neffen Dietrich zusteht. Die folgende Schlacht gewinnt dieser zwar, doch muss er sein Land räumen, um seine gefangenen Gefolgsleute nicht zu gefährden, und geht an den Hof des Hunnenkönigs Etzel. Der solcherart treue Dietrich muss nun immer wieder gegen ‚abgefallene‘ – untreue – Gefolgsleute vorgehen, siegt, kehrt aber an den Etzelhof zurück. Dort setzt auch die Handlung des nachfolgenden Epos ein, der Rabenschlacht. Etzel verhilft Dietrich zu einem Heer, mit dessen Hilfe er endgültig sein Land zurückerobern soll – die entsprechende Schlacht wird bei Raben (Ravenna) ausgetragen. In Dietrichs Aufgebot befinden sich auch die beiden Söhne Etzels, Scharpf und Ort, sowie Dietrichs noch minderjähriger Bruder Diether. Dietrich verbürgt sich für die Sicherheit der ‚Kinder‘, doch diesen gelingt es, sich seiner Obhut zu entziehen. Sie stellen den Verräter Witege und werden von diesem getötet. Unter langen Klagen kehrt Dietrich nach der – erfolgreichen – Schlacht nun endgültig an den Hof Etzels zurück. Hier finden wir Dietrich von Bern dann wieder im Nibelungenlied, in dem ebenfalls die Treue eine überragende Rolle spielt – und die Minne. Kriemhild muss sich bekanntlich zwischen der Loyalität zu ihrem ermordeten Mann Siegfried und der zu ihrer Herkunftsfamilie in Gestalt ihrer drei Brüder entscheiden; der Konflikt endet für Letztere in der Katastrophe. Nachdem diese drei Epen in ihrer richtigen ‚historischen‘ Abfolge geboten werden, können sie gewissermaßen als Einheit gesehen werden: Dietrich wird aus seinem Land vertrieben, erobert es zurück, kehrt aber wieder an den Hunnenhof zurück, an dem sich das Drama rund um den Untergang der Nibelungen abspielt. Das ‚Scharnier‘ zum übernächsten Text, der Kudrun, bildet die meist mit dem Nibelungenlied gemeinsam überlieferte Klage, die das Geschehen des Epos reflektiert und in der Kriemhild, die sich im zweiten Teil des Nibelungenlieds von der vorbildlichen höfischen Frau in eine ‚Teufelin‘ (vâlandinne) verwandelt, wegen ihrer triuwe zu Siegfried teils Rechtfertigung erfährt. Nibelungenlied, Klage und Kudrun müssen ihrerseits als Einheit aufgefasst werden, denn die Kudrun wird meist als Komplementär- oder Gegentext zum Nibelungenlied gelesen. Das wird im Ambraser Heldenbuch schon durch die Titelgebung ausgedrückt: während das Nibelungenlied hier mit „Ditz Puech Heÿſſet Chrimhilt“ 6 Erenreich wird im Ambraser Heldenbuch durchgehend der Gegenspieler Dietrichs von Bern genannt, der in anderen Textzeugen als Ermrich auftritt; die Figur geht auf den ostgotischen König Ermanarich (gest. 376) zurück. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die weibliche Hauptfigur in Maximilians Theuerdank ebenfalls Erenreich heißt – oder sollte das gewollt sein?
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Abb. 42: Ambraser Heldenbuch, Beginn des Nibelungenliedes (fol. XCVr). Abb. 43: Ambraser Heldenbuch, Beginn der Kudrun (fol. CXLr).
(fol. XCVra l. 1) eingeführt wird, ist die Kudrun mit „Ditz puech iſt von Chautrůn“ (fol. CXLra l. 1) überschrieben (Abb. 42 und 43). Der Beginn der Kudrun lehnt sich überdies zu Beginn an das Nibelungenlied an, wenn es heißt: „Es wůchs in Eyer lanndt [d. i. Irland] ein reicher kuͣnig her“ (fol. CXLra ll. 2–4). Die analoge Stelle im Nibelungenlied: „Es wuchs in Burgunden Ein vil edel Magedin“ (fol. XCVra ll. 11– 13). Ansonsten aber könnten die beiden Protagonistinnen verschiedener nicht sein. Während sich Kriemhilds Treue zu Siegfried in rasender Rachsucht äußert, wird Kudrun zur großen Versöhnerin. Mit König Herwig verlobt, wird sie noch vor der Hochzeit vom Königssohn Hartmut entführt und zur Heirat gedrängt. Als Kudrun sich weigert, wird sie von ihm und seiner Mutter 13 Jahre lang gequält und gedemütigt, bevor es Herwig gelingt, sie zu befreien. Doch statt sich zu rächen, stiftet Kudrun Frieden, indem sie eine Reihe von Eheschließungen einfädelt.
Das regionale Programm Die drei folgenden heldenepischen Texte – Biterolf und Dietleib, Ortnit und Wolfdietrich – wenden das Programm der Handschrift nun mehr ins Regionale, denn alle drei Texte entstammen dem südostdeutsch-österreichischen Raum, den habsburgischen Erblanden. Doch die Thematik der Treue – und auch der Rache – ist wenigstens im ersten dieser Texte greifbar, wenn sich der König von Toledo, Biterolf, und sein Sohn Dietleib in den Dienst Etzels stellen und diesem hervorragend dienen. Zum lôn für ihren treuen dienst erhalten sie am Schluss der Romanhandlung die Steiermark zu Lehen – es ist daran zu erinnern, dass Maximilian als Enkel Ernsts des Eisernen (1377–1424) der steirischen Linie der Habsburger entstammte. Und es ist mit diesem letzten Text, in dem Dietrich von Bern eine Rolle spielt, ebenfalls daran zu erinnern, dass dieser und König Artus, dessen Hof der zentrale Bezugsort im Iwein und im Erec ist, sich unter die ‚Vorfahren‘ Maximilians einreihen, die dem Kaiser im Innsbrucker Grabdenkmal das letzte Geleit geben. 67
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Abb. 44: Ambraser Heldenbuch, Initiale mit dem Kopf eines alten Mannes (fol. CCXVr). Abb. 45: Ambraser Heldenbuch, Nackte junge Frau mit Fiedel (fol. CCXVr).
Mit dem Doppelepos von Ortnit und Wolfdietrich bleiben wir weiter im regionalen Rahmen Oberitaliens bzw. Südtirols, wo die Handlung (neben dem Orient) vorwiegend angesiedelt ist und wo sie auch bildlichen Niederschlag in den Fresken des Sommerhauses auf Schloss Runkelstein bei Bozen gefunden hat (Domanski und Krenn 2000, 106), die Maximilian vernewen wollte (Müller 1982, 197). Dieser Rahmen wird auch in den folgenden Abschnitten beibehalten, denn der erste Text, der unter die – moderne – Kategorie der ‚Kleinepik‘ fällt, bildet einerseits eine Klammer zur höfischen und heldenepischen Literatur, andererseits stammt er ziemlich sicher aus Tirol: Die böse Frau eines literarisch hochgebildeten Anonymus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts schildert mit zahlreichen Anspielungen auf diese Erzähltraditionen grotesk-komische Szenen einer unglücklichen Ehe, aus der der Mann ausbrechen möchte und statt zu Hause lieber in einer Innsbrucker Kneipe bei Bozner Wein säße. Zu Beginn des Textes steht ein Bildprogramm, das mutatis mutandis auch für die beiden folgenden gelten könnte. Auf fol. CCXVr findet sich ein nach links blickender Kopf eines alten Mannes, der in die Initiale ‚D‘ eingeschrieben ist (Abb. 44), am rechten Rand die Darstellung einer nackten jungen Frau mit einer Fiedel, die sich nach rechts wendet (Abb. 45). Mann und Frau schauen also voneinander weg, die Frau wird als jung und verführerisch dargestellt, der Mann als alt und verbittert. Das sind zwei Klischeefiguren der Märendichtung, die auch in den beiden ersten Geschichten Herrands von Wildonie auftreten. Herrand von Wildonie entstammte dem steirischen Hochadel und mit seinen vier kurzen Texten haben wir hier so etwas wie einen Œuvre-Block vorliegen: Die treue Gattin und Der betrogene Gatte sind spiegelbildlich aufeinander bezogen; in beiden kommen ein alter, hässlicher (bzw. sich selbst für hässlich haltender) Mann und eine schöne junge Frau vor. Während sich in der ersten Geschichte die Frau durch besondere Treue (!) zu ihrem Mann auszeichnet, indem sie sich ein Auge aussticht, um diesem an Hässlichkeit gleich zu sein, betrügt die Frau des zweiten Märe 68
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ihren Mann mit einem jungen Ritter und macht ihn, der die beiden in flagranti ertappt, auch noch glauben, er habe sich alles nur eingebildet.
Die ständische Ordnung der Gesellschaft Die nächsten beiden Erzählungen Herrands, Der nackte Kaiser und Die Katze, lassen sich ebenfalls aufeinander beziehen und auch hier geht es um das rechte Gefüge in der Welt, von der Privatheit ehelicher Beziehungen auf die politische Ebene der Gesellschaft gehoben. In beiden Fällen handelt es sich um Exempelerzählungen, die das Verhältnis zwischen Lehensherr und Lehensmann (triuwe!) aus je unterschiedlicher Perspektive beleuchtet. Im ersten Text wird ein Kaiser, der seine Herrscherpflichten aus Eigennutz vernachlässigt, von einem Engel aus seinem Amt gejagt und landet nackt auf der Straße. Der Insignien seiner weltlichen Macht beraubt, wird er von den Leuten gedemütigt, bis er seinen Fehler einsieht und die Herrschaft geläutert wieder antritt. In der Tierfabel Die Katze macht sich ein mit seiner (Ehe-)Herrin unzufriedener Kater auf die Suche nach einer passenderen Partnerin, um nach mehreren Stationen einsehen zu müssen, dass er – seinem Herkommen und Stand entsprechend – bei der Katze am besten aufgehoben ist. Die Frage nach dem gottgegebenen ordo, den der Mensch nicht verlassen darf, wird bekanntlich in Wernhers des Gärtners grausiger Moritat vom Helmbrecht aufgegriffen, doch in der Textabfolge des Ambraser Heldenbuchs wird zunächst das in der Katze ebenfalls mitschwingende Minnethema nochmals – zum vorletzten Mal in dieser Textsammlung – behandelt, und zwar in Ulrichs von Liechtenstein Frauenbuch. Damit wird neben der Thematik an die familiären Bande zwischen Ulrich und Herrand angeknüpft (Herrand war Ulrichs Schwiegersohn), gleichzeitig aber auch der Boden für den Helmbrecht bereitet. Denn Ulrich beginnt seinen halb theoretischen, halb erzählenden Text mit einer laudatio temporis acti, die im Helmbrecht ebenfalls an prominenter Stelle eingebaut ist. In einem Streitgespräch zwischen einem Ritter und einer höfischen Dame beklagt Ersterer, dass das Verhältnis zwischen Frauen und Männern im Gegensatz zu früher gestört sei; die Damen zögen sich zurück, was die Ritter in tiefe Verunsicherung und Trauer stürze. Selbst wenn Ulrichs Text versöhnlich endet: es bleibt die Erkenntnis einer aus den Fugen geratenen Welt, und dies betrifft nicht nur das Geschlechterverhältnis, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der von ständischer Gebundenheit geprägt ist. Das ist das Thema des Helmbrecht, in dem der Titelheld, ein Bauernbursche, seinen Stand verlassen will. Er schließt sich einer Bande von Raubrittern an und überzieht die umliegenden Bauern mit Plünderung und Mord. Schließlich greift die Obrigkeit ein, Helmbrecht wird geblendet und verstümmelt und gelangt so wieder nach Hause. Dort wird er allerdings vom Vater als dem Vertreter des ordo verstoßen und 69
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weggeschickt; einige Bauern, die er früher schikaniert und ausgeraubt hat, erkennen ihn und hängen ihn am nächsten Baum auf. Eindringlich und drastisch wird hier das Thema der Katze variiert: der Mensch möge bei dem bleiben, was ihm von Gott zugeteilt wurde, er solle seinem Herrn, seinem Stand und nicht zuletzt seiner Frau treu bleiben. Aus seinem Stand quasi verdrängt wird der Titelheld im Pfaffen Amis des Strickers; fast unnötig zu sagen, dass auch dieser Zyklus von Schwänken mit einem Lob früherer Zeiten beginnt. Der Lehensherr des Pfarrers Amis, der Bischof, zwingt seinen Untergebenen durch allerlei Schikanen dazu, mehr Geld zu beschaffen, um die gewohnte höfische Freigebigkeit (milte) weiter ausüben zu können, woraufhin Amis lügend und betrügend die Welt durchstreift und seine Opfer statt mit Gewalt mit List und Tücke materiell und auch körperlich schädigt. Er verhält sich also, anders als Helmbrecht, mehr oder weniger unfreiwillig nicht seinem Stand gemäß – nicht er, der Lehensmann, lässt es an der gebotenen triuwe missen, sondern sein Herr, der damit die Betrügereien des Pfaffen, die für die Opfer immer schlimmer enden, erst in Gang setzt.
Maximilians Hof- und Gesellschaftsutopie Die beiden letzten Texte des Ambraser Heldenbuchs, Wolframs von Eschenbach Titurel-Fragment und der Priesterkönig Johannes wurden von der Forschung gern als ‚Anhang‘ gesehen. Wolframs Titurel scheint, da er eindeutig unter dem Block ‚Höfisches‘ firmieren müsste, an der falschen Stelle platziert und der Presbyterbrief fällt überhaupt aus dem Rahmen der im Ambraser Heldenbuch tradierten Gattungen. Es herrscht immerhin weitgehend Einigkeit darüber, dass sich diese beiden Texte wenigstens aufeinander beziehen lassen, denn im Jüngeren Titurel, der zur Zeit Maximilians noch als Werk Wolframs galt, sind sowohl Wolframs Titurel als auch der Presbyterbrief eingearbeitet. Außerdem entstammt der Priesterkönig Johannes, der in Indien über ein riesiges, wunderbares und vor allem christliches Reich herrscht, dem Gralsgeschlecht, dessen Geschichte im Titurel (und im Parzival) erzählt wird und als dessen Spross sich auch Maximilian sehen wollte. Statt ‚Anhang‘ sei hier der Begriff ‚Zusammenfassung und Ausblick‘ vorgeschlagen. Private und politische Dimensionen des Höfischen spielen in beiden Werken eine Rolle und verbinden sie so mit dem Rest der Sammlung. Im Titurel wird die höfische Minne problematisiert, indem sich der junge Schionatulander im Dienst seiner Minneherrin Sigune, der Cousine Parzivals, in eine aussichtslose queste stürzt, die letztlich mit seinem (und Sigunes) Tod endet. Die Aufgabe des Minneritters besteht hier darin, einen entlaufenen Jagdhund wieder einzufangen, auf dessen meterlanger Leine eine Liebesgeschichte aufgezeichnet ist, die Sigune unbedingt zu 70
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Ende lesen will, womit auch die höfische Literatur nicht ganz aus der Verantwortung entlassen wird. Der Presbyterbrief hingegen propagiert die politische Utopie eines cäsaropapistischen Gemeinwesens, in dem alles aufs Beste geordnet ist und in dem sämtliche Aspekte des höfischen und religiösen Lebens in Einklang gebracht werden. Diese Utopie entspricht ganz der Agenda Maximilians, der sich 1511 sogar um das Papstamt beworben hatte (Wiesflecker 1991, 170) und als oberster geistlicher und weltlicher Herrscher die Nachfolge des Priesterkönigs antreten wollte. Selbstverständlich könnte man weitere mögliche Deutungen des inhaltlichen Gesamtzusammenhangs des Ambraser Heldenbuchs versuchen, doch eines scheint mir schwer bestreitbar: es ist jedenfalls die Absicht zu erkennen, die Texte in einer wie auch immer gearteten Logik aufeinander folgen zu lassen. Das Thema eines Textes ergibt sich zwanglos aus dem Vorgänger und leitet seinerseits zum Nachfolger über. Dabei werden thematische Schwerpunkte etabliert, die zum Teil durchaus mit der herkömmlichen Einteilung nach Gattungen in Einklang stehen. Die Brüche zwischen diesen Blöcken aber sind meines Erachtens bei Weitem nicht so stark, wie sie von einer solchen Einteilung suggeriert werden. Vielmehr versucht das Ambraser Heldenbuch eine Rückschau auf höfische Tugenden des hohen Mittelalters, die einerseits in Maximilians eigenen Erzählwerken Weißkunig und Theuerdank aktualisiert, andererseits aber in eine politische Utopie umgedeutet werden.
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U N I K AT E U N D Ü B E R S E T Z U N G E N
Abb. 46: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Mantel und Erec (fol. XXVIIIr).
Kurt Gärtner
Der Ambraser Erec – eine Kompilation? Zu einer Ausgabe des Ereck von Hans Ried
Textkritische Bewertung der Überlieferung Auf 45 der 50 Blätter des ersten Bereichs im Ambraser Heldenbuch sind nur Werke Hartmanns überliefert. Sieht man von den beiden Werken am Anfang des Kodex sowie vom pseudo-hartmannschen Zweiten Büchlein und dem Mantel-Fragment ab, so liegt ein ausgesprochener Œuvre-Block vor (vgl. Gärtner 2007), der als erster Teil des Kodex vermutlich in zwei Etappen aus den Vorlagen abgeschrieben wurde, die Erste mit dem Iwein im Sommer 1504, die Zweite von der Klage bis zum Erec im Sommer 1505 (Wierschin 1976, 560). Im Hinblick auf die Vorlagen Rieds für den ersten Teil des Kodex lässt sich eine Sammelhandschrift oder gar Œuvre-Handschrift als Vorlage wohl nicht ganz ausschließen, zumindest jedoch dürfen als Vorstufen Überlieferungsgemeinschaften angenommen werden: so gut wie sicher ist die von Mantel und Erec, um die es im Folgenden geht, und wohl auch die von Klage und (Zweitem) Büchlein. Die in solchen Kombinationen überlieferten Werke haben jedoch ihre jeweils eigene Textgeschichte; die textkritische Bewertung der Überlieferung muss daher immer auch den einzelnen Text in den Mittelpunkt rücken, um die Kopistenleistung Rieds einzuschätzen. Die Basis für eine solche Bewertung zu liefern, ist das Ziel des Innsbrucker Transkriptionsprojekts, das der vollständigen Erfassung des Ambraser Heldenbuchs gewidmet ist.1 Das Projekt wird die schon mehrfach geforderte umfassende Untersuchung der gesamten Handschrift2 mit ihren unterschiedlichen Werken ermöglichen, und es wird entscheidend dazu beitragen, das Ausmaß der lexikalischen und morphologischen Veränderungen, die Ried vorgenommen hat, besser zu beurteilen. Je älter Rieds Vorlagen waren, umso schwerer dürfte ihm an vielen Stellen ihr Verständnis gewesen sein. Oft hat er, wenn er etwas nicht verstand, nur ganz mechanisch und ohne Rücksicht auf den Sinn einen älteren Lautstand in den seinen umgesetzt, wie die vielen falschen Diphthongierungen zeigen. Ebenso hat er die Flexion 1 go!digital-Projekt „Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset“ (Projektleitung Mario Klarer), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (2017–2019). 2 Vgl. Leitzmann 1935, 189; Gärtner 2006, XX; Gärtner 2007, 206–208; Hess 2011, 179; Schubert 2008, 120; Homeyer und Knor 2015; Hammer 2015, Anm. 11 u. a.
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modernisiert. Viele Einzelverse, die im Ambraser Heldenbuch fehlen, können teils schon in seiner Vorlage gefehlt haben oder von ihm selbst versehentlich ausgelassen worden sein; in jedem Falle aber zeigen sie, dass ihn Lücken nicht stören und er den Versbestand nie antastet. Einerseits kopierte er also ziemlich treu und konservierend, andererseits war er auch durchaus bemüht, den Text seiner alten Vorlagen für seine Zeitgenossen verständlich zu machen. Seine Kopierarbeit repräsentiert also durchaus einen Aneignungsprozess (vgl. Gärtner 2019). Über seine Zuverlässigkeit als Schreiber hat das vor wenigen Jahren durch Angela Mura (2007) bekannt gemachte umfangreiche Zollregister von seiner Hand neue Einsichten gebracht und mit den negativen Urteilen der älteren Forschung endgültig aufgeräumt (vgl. Wierschin 1976, 564). Die jetzt allgemein anerkannte Sorgfalt Rieds beim Abschreiben spricht generell für die textkritische Qualität des Ambraser Heldenbuchs. Über die Vorlagen, die Hans Ried für seine Abschriften vor sich hatte, lässt sich bei den vielen nur unikal überlieferten Texten des Kodex wohl hauptsächlich durch die Ergebnisse der vergleichenden Untersuchungen zu den mehrfach überlieferten Werken Aufschluss gewinnen. Für den Text des frühestens um 1180 datierbaren Erec ist wegen der unterschiedlichen Textqualität mit Vorstufen zu rechnen, ebenso für die vermutlich um 1230 entstandene deutsche Mantel-Version.3 Diese wurde früher Heinrich von dem Türlin zugeschrieben, dessen Becherprobe und Handschuhprobe in der Crône (Felder 2012, V. 918–3199 bzw. 22990–24719) sich stilistisch und inhaltlich eng mit dem Mantel berühren. Die Zuschreibung wurde von der Forschung zuletzt jedoch abgelehnt.4
Der Überlieferungsverbund von Mantel und Erec Die Kombination von Mantel und Erec wird im Ambraser Heldenbuch in der Rubrik unter einer gemeinsamen Inhaltsangabe vor dem Mantel Blatt XXVIIIrb angekündigt (Abb. 47):5 Aber von kuͣnig Artus·vnd seinem Hofgesind·| auch Helden vnd hand=lungen·| Als von her Gabein·| Khaÿ Yrecken·| eins Mantlshalben·| so kuͣnig Artus haus fraw̆·| vnd ander fraw̆en anlegen mŭesten·| dardurch man Ynnen ward Irer trew·| Sŭnderlich von Erick·| vnd seiner hausfraw̆en ein tail ain schŏn lesen. 3 Die Datierung des Mantel ist umstritten; die Entstehung ist wohl bald nach der Crône zu datieren, die Gudrun Felder „um 1230“ (Heinrich von dem Türlin 2012, IX) ansetzt. 4 Kratz 1977; Schröder 1995, 127–129; Mentzel-Reuters 1989, 31–36. 5 Gleicher Eintrag in der Tabula I*r.
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Die beiden Werke gehen dann auf Blatt XXXrb, Z. 56, ohne Markierung oder redaktionelle Verfugung ineinander über. Werner Schröder (1995, 167) nimmt im Hinblick auf die Rubrik an, dass die „Ambraser Symbiose“ von Mantel und Erec von einem Kompilator stammt: „An dem Factum einer beabsichtigten Kompilation von Mantel und Erec ist nach dem Wortlaut der gemeinsamen Überschrift nicht zu zweifeln“. Joachim Bumke rechnet darüber hinaus auch mit der Möglichkeit, Abb. 47: Ambraser Heldenbuch,
daß der deutsche Mantel gar nicht als selbstän- Inhaltsangabe für Mantel und Erec (fol. XXVIIIrb). dige Verserzählung geplant war, sondern von vornherein im Hinblick auf den Erec gedichtet worden ist. Dann wäre der Mantel kein Fragment, sondern der sekundär hinzugedichtete Erec-Anfang. […] Es ist auch möglich, daß erst der Erec-Redaktor den Mantel und Erec zusammengefügt hat, den Mantel-Text im Hinblick auf den Erec umgearbeitet […] hat (Bumke 2006, 12).
Sonja Glauch (2009, 355) rechnet im Hinblick auf den verlorenen Anfang des Erec und den nicht kenntlich gemachten Bruch beim Übergang vom Mantel zum Erec mit einem „Blätter- oder Lagenverlust [...] Wegen der beide Male arthurischen Thematik hat Hans Ried den Fehler in seiner Vorlage offenkundig gar nicht bemerkt, er setzt die Romanchimäre aus Mantel und Erec jedenfalls unter eine Überschrift.“ Die editorischen Konsequenzen wären im Hinblick auf die Kompilations-Hypothese wie die Zudichter- bzw. Redaktor-Hypothese grundsätzlich zu überdenken. Die Herausgeber der neuen Ereck-Ausgabe, Andreas Hammer, Victor Millet und Timo Reuvekamp-Felber (2017), haben das getan und die Kombination von Mantel und Erec als „ e i n e n Text“, als „eine planvolle Texteinheit“ (XIX) ediert, wie sie in ihrer Verklammerung durch die zitierte Rubrik naheliege. Diese ‚Texteinheit‘ soll von dem Kompilator bzw. Zudichter oder Redaktor intendiert gewesen sein. Bei diesem müsste es sich im Hinblick auf die von der Forschung allgemein angenommenen alten Vorlagen Hans Rieds um einen literarisch kompetenten Bearbeiter aus dem 13. Jahrhundert gehandelt haben, dessen Kompilation Ried dann in seine Tiroler Schreibsprache des 16. Jahrhunderts umgesetzt habe. Auch wenn es an der Nahtstelle nur „einen kleinen inhaltlichen Bruch“ (XIX) „zwischen zwei vormals getrennten Texteinheiten“ (Hammer et al. 2017, XX, Anm. 29) gebe, spreche der Überlieferungsbefund im Ambraser Heldenbuch für eine einzige Texteinheit. Die Herausgeber halten es sogar für möglich, dass Hartmann selbst als Autor 77
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dieser einzigen Texteinheit infrage kommt: „Selbst die Möglichkeit, dass der Ereck mit Mantelprobe bereits von Hartmann von Aue stammt, ist zumindest nicht völlig auszuschließen“ (XX), aber doch „äußerst unwahrscheinlich“ (Hammer et al. 2017, XXI), und sie gehen sogar noch weiter, indem sie es für möglich halten, dass bereits die Mantelprobe im Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven (2009, V. 5708–6225) Folie für „einen Ereck mit Mantelepisode“ gewesen sein könnte (Hammer et al. 2017, XX). Das würde bedeuten, dass diese ‚Texteinheit‘ schon vor 1200 existiert haben müsste. Das sind freilich Spekulationen, die philologisch unhaltbar sind schon aus dem Grunde, dass der Mantel-Prolog mit seinen sicheren Bezügen auf den Iwein-Prolog6 und im Hinblick auf die Parallelen in der Festschilderung der beiden Werke (Manuwald 2015, 461 f.) wesentlich später zu datieren ist. Zudem sind die unterschiedlichen Quellentexte von Mantel und Erec zu beachten.
Quellentext – Mantel Die Vorlage für den Mantel (vgl. Warnatsch 1883; Schröder 1995) war der Fabliau Du mantel mautaillié, an den sich für V. 6–230 (Wulff 1885, 358–363) der Mantel mit V. 128–632 (Warnatsch 1883, 13–37) eng anschließt, sich in der eigentlichen Mantelprobe aber nur in Splittern auf den französischen Text bezieht und ganz ohne Anhalt im Fabliau am Ende Enite und Erec einführt mit einem unorganisch wirkenden redaktionellen Anschluss (fol. XXXrb l. 25–27; Warnatsch 1883, V. 955–957): Nu was es an den zeiten · daz Eerech frawen eniten : fúr den künig prachte ·
Nu was ez an den zîten daz Êrec frowen Ênîten für den künec brâhte
„Nun war es hohe Zeit, dass Erec Enite vor den König führte.“ Der Mantel läuft also ganz auf Enite zu, die schließlich besser als alle anderen Damen die Tugendprobe besteht bis auf eine Kleinigkeit („ir gebrast an dem soume / kûme drîer vinger“ (Warnatsch 1883, V. 966 f.)). Keii, der ihr den Mantel umgelegt hatte, bezichtigt sie deshalb, dass auch sie vom rechten Weg abgekommen sei. Keii ist im Mantel zu einer Zentralfigur geworden. In der Becherprobe der Crône wird er wohl als „zuhtlôs“, aber dennoch „manhaft“ (Felder 2012, V. 1522 bzw. 1525) charakterisiert und in Schutz genommen als Mitglied des Artushofes, auch wenn viele ihn wegen seiner Böswilligkeit verleumden (V. 1540). Im Mantel dagegen „ist er auf dem Wege zu einer Schwankfigur“; wegen seines schlechten Benehmens und seines kuriosen Out-
6 Vgl. Warnatsch 1883, 87–89; Hammer 2015, 436–440.
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Der Ambraser Erec – eine Kompilation?
fits (V. 261–266) wird er zum Clown, zu einer Lachfigur, die bei den Mahlzeiten „an einem Katzentisch“ sitzen muss.7 Nach dem Auftritt Enites wird mit einem weiteren durch eine Lombarde eingeleiteten Abschnitt das gehässige Porträt Keiis, das der Mantel-Dichter von dem zuhtlôsen Spötter zeichnet (vgl. Schröder 1995, 174), nochmals erweitert. Mit dem Vers „sîne wort muost man fliehen“ (Warnatsch 1883, V. 904) endet der MantelTeil, an den sich abrupt und mit Störung des Interpunktionssystems von Kolon und Punkt am Versende „bî ir und bî ir wîben“ (vgl. Gärtner 2006; Mertens 2008; Scholz 2004, V. 1) der Erec-Teil anschließt.8 – Die Einführung Enites, die ohne Anhalt im Fabliau ist, sehen die Herausgeber der Neuausgabe mit Recht als „wichtigstes Indiz einer Zusammengehörigkeit von Mantel- und Ereckhandlung“ (Hammer et al. 2017, XXI). Aber der evidente Bruch beim Übergang und – wie die Herausgeber einräumen (XX) – der im Hinblick auf Stil und Reimwortschatz ganz anders als der Erec-Teil gestaltete Mantel-Teil (vgl. Manuwald 2015) stehen der Annahme einer genuinen Texteinheit entgegen; ausschlaggebend ist letztlich eben doch das Faktum der Überlieferungsgemeinschaft im Ambraser Heldenbuch (vgl. Reuvekamp-Felber 2016, 228).
Quellentext – Erec Die Vorlage für den Erec ist Chrétiens Artusroman Erec et Enide (Chrétien de Troyes 1987). Dieser repräsentiert eine ganz andere und viel früher rezipierte Gattungstradition als der Fabliau. Dieser wurde erst mit dem Märe im Deutschen etabliert. In seinen Umkreis gehören Texte, wie sie ebenfalls im Hartmann-Block des Ambraser Heldenbuchs9 und im dritten Teil des Ambraser Heldenbuchs mit der Kleinepiksammlung (vor allem den Mären Herrands von Wildonie) überliefert sind. Der Ambraser Erec geht ganz sicher auf eine Textstufe zurück, die vor dem abrupten Übergang auch einen Prolog umfasste, denn nachdem Erec im Kampf um den Sperberpreis den besiegten Iders zur Königin geschickt hat, der er sich unterwerfen soll, wird vom Erzähler nachgetragen (V. 1099–1103): „Nû was er [Artus] ze sînem 7 Schröder 1995, 174; vgl. auch Schiendorfer 2007, 164 f. 8 Der Erec-Teil schließt sich keineswegs „nahtlos an die vorausgehenden 1000 Verse [sc. des Mantel-Teils; KG] an“ bzw. unmittelbar vorher „Wieso spricht man [sc. die bisherige Forschung; KG] Hartmann diese 1000 Verse ab?“ (Reuvekamp-Felber 2016, 228). Eingeräumt wird dann aber doch: „Möglicherweise gehört die Mantel-Episode nicht zum Kernbestand des Textes [d. h. der ‚Texteinheit‘ von Mantel und Erec; KG], mit größerer Wahrscheinlichkeit aber doch. Mit Gewissheit wird sich diese Frage nicht beantworten lassen.“ (Reuvekamp-Felber 2016, 236). 9 Mauritius von Craûn (Reinitzer 2000) und das im Ambraser Heldenbuch mit zahlreichen Zusatzversen aufgeschwellte Exzerpt aus Strickers Frauenehre (vgl. Hofmann 1975, 117–155).
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hûse / wider entwichen in daz lant, / daz was Karadigân genant, / dô der hirz was gejaget, / als iu ê was gesaget“. Das entspricht dem Beginn der eigentlichen Erzählung, die dem Prolog bei Chrétien folgt: „Au jor de Pasque, au tans novel, / a Quaradigan, son chastel, / ot li rois Artus cort tenue“. „Am Ostertag, zur Wiederkehr der schönen Jahreszeit, hielt König Artus in seinem Schloß Cardigan Hof “ (Chrétien de Troyes 1987, 5 f., V. 27–29). Im kurzen Prolog heißt es bei Chrétien von der Geschichte, die er erzählen will: „d’Erec, le fil de Lac, est li contes“. „Von Erec, dem Sohne Lacs, handelt die Erzählung“ (Chrétien de Troyes 1987, 5 f., V. 19) Auch dafür gibt es eine Entsprechung, und zwar am überlieferten Anfang in Hartmanns Erec: „diz was Êrec fil de roi Lac, / der frümekeit und sælden phlac, / durch den diu rede erhaben ist“ (vgl. Gärtner 2006; Mertens 2008; Scholz 2004, V. 2, 4). Zuvor muss nach der von Chrétien ganz abweichend angelegten Erec-Gestalt (vgl. Bumke 2006, 96) von einem jungen Ritter die Rede gewesen sein, der sich bei der Königin und ihren Damen befand („bî ir und bî ir wîben“ (V. 1)).10 Der abrupte Übergang vom Mantel zum Erec lässt sich daher nur mit einem Textverlust erklären (siehe auch Glauch 2009, 355), dem zumindest der Anfang des Erec zum Opfer gefallen ist. Volker Mertens (2008, 627 f.) rekonstruiert das defekte Reimpaar durch: „sô muoste er [der junge Ritter] belîben“; das Reimwort belîben bietet unter den ganz wenigen Reimpartnern des Reimtyps -îben (vgl. Boggs 1979, 712) die einzig plausible Wahl (siehe auch Bartsch 1862, 141). Die Herausgeber der Neuausgabe beurteilen „nicht einmal die Waise an der postulierten Bruchstelle zwischen der Mantel-Episode und Erecks Ausritt mit Ginover“ als „eine tatsächlich substantielle, sinnentstellende Lücke“ im Erzähltext (Hammer et al. 2017, XVII) und verwerfen daher die Ergänzung von Mertens (2008, 627 f., Anm. 20). Gleichwohl ist die im Ambraser Heldenbuch bezeugte Verbindung von Mantel und Erec, ob sie als Kompilation, deren redaktionelle Verfugung vermisst wird, oder ob der Mantel als sekundäre Hinzudichtung zum Erec gesehen wird oder als „Prologersatz“ (Mertens 2008, 626), als etwas Zusammengehöriges zu betrachten. Wie die Untersuchungen von Ingeborg Hess (2011; 2016, 51–56) und Henrike Manuwald (2015) zum Verhältnis von Mantel und Erec gezeigt haben, kann eine solche Betrachtung zu neuen Einsichten in die Genese des Überlieferungsverbundes im Ambraser Heldenbuch führen, dem zumindest eine Überlieferungsgemeinschaft als Vorstufe einer Kompilation zugrunde lag. 10 Der reimlose Vers „bî ir und bî ir wîben“ (Gärtner 2006; Mertens 2008; Scholz 2004, V. 1) bezieht sich im Unterschied zu Chrétien nicht auf eine Dreiergruppe aus Königin, einer Jungfrau und dem etwas später folgenden Erec, sondern auf ein weibliches Gefolge, aus dem Ginover eine Jungfrau auswählt (V. 23), die sie zu dem fremden Ritter mit seiner Dame und dem Zwerg schickt. V. 1 kann daher syntaktisch enger an V. 2 angeschlossen werden (Reimbrechung!); das Demonstrativ diz bezieht sich auf den wohl vorher erwähnten jungen Ritter, der nun mit seinem Namen eingeführt wird. Vgl. z. St. auch Ineke Hess (2011, 177).
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Der Ambraser Erec – eine Kompilation? Wenn die im Titel des Beitrags gestellte Frage, ob der Erec im Ambraser Heldenbuch eine Kompilation (Werner Schröder) darstellt, bejaht wird, dann stellt sich die weitere Frage: auf welcher editorischen Grundlage soll nun diese Kompilation von allen an Hartmanns (?) Erec Interessierten künftig gelesen und interpretiert werden? Die Herausgeber der Neuausgabe haben in einer radikalen Abkehr von der traditionellen Erec-Philologie Mantel und Erec als ‚Texteinheit‘ ediert und diese mit einer neuen fortlaufen Verszählung versehen; die bisherige Verszählung des Erec wird wohl am rechten Rande mitgeführt, aber alle Referenzen in Einleitung und Kommentar beziehen sich auf die neue Verszählung. Das führt dazu, dass die Brücken zur bisherigen Erec-Forschung weitgehend abgebrochen werden. Die neue ‚textgeschichtliche Ausgabe‘ repräsentiert die Textgeschichte insofern, als die Fragmente parallel zum edierten Text des Ambraser Heldenbuchs mit abgedruckt werden, die Fragmente des Mitteldeutschen Erec in einem Anhang (Hammer et al. 2017, 569–588). Die Abweichungen der Fragmente W III–VI, V und K (vgl. XXX–XXXII) vom edierten Text nach dem Ambraser Heldenbuch werden damit bequem überblickbar. Aber textkritische Verfahren wie der Variantenvergleich spielen nur am Rande eine Rolle. Es wird auch an kaum noch verständlichen Stellen am Überlieferten festgehalten und nur selten in den Text eingegriffen. Der im Ambraser Heldenbuch überlieferte Wortlaut wird allerdings der Lesbarkeit zuliebe in beträchtlichem Umfang reguliert; dem „Graphiehorror“ (Ruh 1984, 252) vieler Editoren wird damit Tribut gezollt; den Bedürfnissen der Sprachwissenschaftler kommt der edierte Text daher nur bedingt entgegen.11 Ziel der Edition ist – mit erheblichen Abstrichen im Hinblick auf die Schreibsprache12 – ein frühneuhochdeutscher Text in der Bearbeitung durch Hans Ried.13 Thomas Bein (2018, 288) hat in seiner Rezension bei aller Berechtigung des editorischen Unternehmens auf den „provozierenden Titel“ der Ausgabe hingewiesen: 11 Die Herausgeber haben freundlicherweise Roy Boggs und mir die Transkription für das HartmannPortal zur Verfügung gestellt. Doch die Einpflege in das Portal ist aufwendig im Hinblick auf die in den Daten kodierten Superskripte und vor allem auf die für die Forschung unverzichtbare Einfügung der etablierten Referenzen; denn es ist nicht zu erwarten, dass künftig der Erec bzw. Ereck nach der Verszählung der Neuausgabe zitiert wird. 12 Schon Regulierungen wie der u/v-Ausgleich führen zu unhistorischen Formen z. B. bei einer hochfrequenten Konjunktion wie und, für die Ried stets bzw. schreibt, eine bis ins 19. Jahrhundert verbreitete Graphie. Noch gravierender ist die Vereinfachung der nicht durch das Neuhochdeutsche gestützten Varianz bei Doppelkonsonanz wie hilffe > hilfe, wodurch ein charakteristisches Merkmal der Schreibsprache Rieds getilgt wird. 13 Vgl. als Beispiel für eine Edition ohne substantielle graphematische Abstriche an den Leithandschriften: Schröder 1999.
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‚Hartmann von Aue: Ereck‘. „Der Eigenname Ereck – mit ‚ck‘ – verweist augenblicklich in das frühe 16. Jahrhundert“ und nicht auf einen Dichter um 1200, den wir als Hartmann von Aue kennen. „Ich betrachte den Titel ‚Hartmann von Aue: Ereck‘ als kalkulierte Provokation der Herausgeber – und provoziere zurück: hätte man nicht konsequenter schreiben müssen: ‚Hans Ried im Auftrag von Maximilian I.: Erec‘?“ (Bein 2018, 288). Die Edition der Überlieferungsgemeinschaft als ‚Texteinheit‘ unter dem Autornamen Hartmanns lässt nur den Schluss zu, dass Hartmann von Aue auch als Autor des Mantel gilt. Das haben die Ereck-Herausgeber, wie oben erwähnt, durchaus für möglich gehalten; aber „da hœret ouch geloube zuo“ (Cormeau 1966, (Lieder) V. 66, 12), denn einer philologischen Nachprüfung auf der Grundlage unserer nicht geringen Kenntnis von Sprache und Stil Hartmanns hält das nicht im geringsten stand. Die Frage, ob es sich bei der Überlieferungsgemeinschaft von Mantel und Erec schon um eine Kompilation handelt, muss aus meiner Sicht vorerst offenbleiben. Im Ambraser Heldenbuch gehören Mantel und Erec wohl zusammen, und der Mantel ist unzweifelhaft bezogen auf den Erec, aber es handelt sich jeweils um eigene Texte, die auch als solche zu edieren wären. Die Neuausgabe regt jedoch dazu an, einer neuen kritischen Ausgabe des Erec in einem weiteren Anhang (neben dem Abdruck der Fragmente des Mitteldeutschen Erec) eine kritische Edition des Mantel beizugeben. Im Falle des Erec wäre in der künftigen Neuausgabe noch näher zum überlieferten Wortlaut des Ambraser Heldenbuchs zurückzukehren; für den Mantel sind detaillierte Untersuchungen erforderlich, die vom Wortlaut des Ambraser Heldenbuchs ausgehen. Die Recherchen über den digitalen Volltext, der im Innsbrucker Projekt erstellt wird, bieten dafür die besten Voraussetzungen.
Die Reimgrammatik als Basis für Konjekturen im Mantel Im Hinblick auf den Grad der Normalisierung sollten reimgrammatische Untersuchungen maßgebend sein. In ihrer Auseinandersetzung mit der traditionellen rekonstruierenden Textkritik spielt für die Herausgeber des neuen Ereck die Reimgrammatik so gut wie keine Rolle (vgl. Bein 2018, 293, Anm. 29). Zur Eruierung dessen, was Ried in seinen Vorlagen, die wohl alle aus dem 13. Jahrhundert stammen,14 nicht (mehr) verstanden hat, braucht man aber Reimstudien.15 Bei der 14 Vgl. zum Alter der Vorlagen zuletzt Schubert (2008, 114–119), und Glauch (2009, 357), die den in A = Ambraser Heldenbuch überlieferten Text „als direkte und genaue Abschrift einer Handschrift des 13. Jahrhunderts“ begreift, die sie mit der Vorstufensigle *A bezeichnet und auf „spätestens 1250“ datiert. 15 „Ohne den reim wäre fast keine geschichte unserer sprache auszuführen“, schreibt Jacob Grimm (1870, VII) 1822 in der Vorrede zu seiner ‚Deutschen Grammatik‘.
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Beurteilung von Unverständlichem und dem, was ihm vorausging, gehört neben Sach- und Sprachkenntnis als verlässliches Element der Wortlaut der Reimzone, der nicht ignoriert werden darf, wie ich an V. 365 zeigen möchte, der durch eine gewagte Konjektur der Herausgeber verschlimmbessert wird. Im Kontext ist vom Gang zur Pfingstmesse die Rede, bei dem sich die Ritter darüber streiten, welche von den Damen die schönste sei;16 die Diskussion findet ihr Ende, als sie am Münster angelangt sind; ich zitiere V. 363–372 nach der Handschrift Blatt XXIXra, die Wortformen, um die es geht, sind unterstrichen (meine Hervorhebung): 365 367 372
hie verendet ſich der ſtrit : v́ ntz ſÿ komen damit · an daz munſter da churit : der Ertzbiſchof ſang · einen gotlichen anfang : der was geordnet mit geſange · in dem kreutzgange : Do das was gelaiſte · daz von dem heiligen gaiſte : Fron Ambt ward an gehaben […]
Im edierten Text wird die Stelle so wiedergegeben (Hammer et al. 2017, V. 363– 372), mit Übersetzung (meine Hervorhebung): 365 367 372
hie verendet sich der strit, úntz si komen damit an daz munster, da churie der Ertzbischof sang, einen gotlichen anfang, der was geordnet mit gesange in dem kreutzgange. Do das was gelaiste, daz von dem heiligen gaiste Fron Ambt ward an gehaben, […]
365 367 372
So verläuft der Streit, bis sie alle zum Münster gelangen, wo der Erzbischof das Kyrie sang, ein göttlicher Anfang, der mit Gesang im Kreuzgang platziert war. Nachdem das Hochamt vom Heiligen Geist gefeiert worden war, […]
16 „das ſchöneſte weÿb“ (V. 357), „die ſchöneſt“ (V. 360); möglicherweise schon ein Hinweis auf Enite, die zwei Schönheitspreise gewinnt, Erec (vgl. Gärtner 2006; Mertens 2008; Scholz 2004, V. 1604–1609): „ez was vrouwe Ênîte / diu aller schœniste maget / diu ie, sô man saget, / in des küneges hof kam“; vgl. Wigalois (Kapteyn 1926, V. 6309–6313): „der herre Hartman giht, / daz wær gar ûz dem strîte / ezn wære vrouwe Ênîte / ze Karidôl diu schœnste maget, / als im sîn meister hêt gesaget.“
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Im Kommentar zu V. 365 wird die Konjektur churit > churie begründet: Das handschriftliche Churit ist nicht belegt, die Bedeutung ist unklar. Will man die Reimbindung erhalten, so muss man auf Latinismen zurückgreifen, wie Warnatsch 1883 und Schröder 1995, die in introit konjizieren. Die minimalsten denkbaren Eingriffe sind chunt (dem als Adv. die Endung fehlen würde), churt (‚kurz‘), Churt (der Name des Bischofs) oder, wie von uns vorgezogen, churie (aus mhd. kyrie). (Hammer et al. 2017, 592)
Das einzige sichere Element, auf dem eine Besserung von churit basieren muss, ist die Reimsilbe -it. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dies von den Herausgebern ignoriert und ein Unreim „damit : churie“ (V. 364–365) in Kauf genommen wird, der im Hinblick auf die Reimtechnik des Mantel ausgeschlossen ist. Die Erörterung der übrigen Konjekturmöglichkeiten beruht auf absurden Spekulationen.17 Die Konjektur introit ‚Introitus‘18 von Warnatsch (1883, 23), dem sich Schröder (1995, 144) anschließt, ist auch vom Kontext der Stelle her, nämlich der Schilderung der Pfingstmesse am Artushof, bestens begründet. Es handelt sich um einen liturgischen Terminus, den Anfangsgesang der Messe, wie mit „anfang“ (V. 367) erläutert wird; „götlicher anfang“ (V. 367) deutet auf den Introitus für die Pfingstmesse, der mit „Spiritus Domini replevit orbem terrarum“ (Psalm 67, 2) beginnt. Die Messe beginnt also mit dem Introitus, der im Kreuzgang gesungen wird. Es folgt dann die Beschreibung des (Geld-)Opfers, das im Mittelalter zum Altar gebracht wurde. Anschließend erfolgt die „wandlúnge“ (V. 387 f.), und nachdem die Anwesenden die Messe gehört haben und der Bischof die Händewaschung vorgenommen hat,19 geleitet er die Königin mit ihrem Gefolge wieder zum Hof; Artus „vnd das geſinde“ (V. 397) benutzen wie gewöhnlich getrennt von den Frauen den gegenüberliegenden Eingang zum Festsaal (V. 389–397). Die Übersetzung von V. 370–372 „Nachdem das Hochamt vom Heiligen Geist gefeiert worden war“ (Hammer et al. 2017, 23) im Plusquamperfekt ist falsch, denn die Messe ist noch nicht beendet, sondern beginnt eigentlich erst.
17 Ein mhd. kyrie ist nicht belegt; der liturgische Bittruf κύριε ἐλέησον wird mhd. verkürzt als kriel, kyrleis(e) wiedergegeben, vgl. Lexer 1992, Bd. 1, 158 s. v. kirjelêîson, kyrjelêîson. 18 Belege für introit siehe Frühneuhochdeutsches Wörterbuch (Goebel, Lobenstein-Reichmann und Reichmann 1997, Bd. 8, Sp. 179; der Beleg aus dem Mantel ist nachgewiesen im Findebuch (Gärtner et al. 1992, 188), das ebenso wenig berücksichtigt wird wie das neue Mittelhochdeutsche Wörterbuch (Gärtner, Grubmüller und Stackmann 2006 ff.), das in Lieferungen seit 2006 erscheint. 19 Vgl. besonders den Beleg aus dem Oberdeutschen Servatius (V. 734–737): „die trophen, die nider fluzzen, / da im entwuoch der ewarte, / die hulfen die siechen harte, / wurden sie da mite gesprenget.“
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Die liturgische Szenerie, die im Fabliau nur gestreift wird (Wulff 1885, V. 70– 75.79 f.)20, wird kenntnisreich und ausführlich vom Mantel-Dichter beschrieben (V. 365–397). Erst V. 389–397 wird der oben beschriebene Ausgang der Messe dargestellt (Blatt XXIXra) (meine Hervorhebung): da ſÿ die meſſe vernamen : 390 vnd ſich entwaffent der Bischof · da belait Er wider ze hof : 392 vol Siboroÿ in eÿlin · jm gieng nach die künigin : vnd mit jr die frawen all · Anderhalb in den Sal : künig Artus gieng nach gewontem ſite · vnd das geſinde damitte :
An dem überlieferten „entwaffent“ (V. 390) nehmen alle Herausgeber keinen Anstoß, es kann aber unmöglich entwâfenen ‚entwaffnen‘ bedeuten. Die Ereck-Herausgeber übersetzen: „Nachdem die Messe gelesen war und der Bischof seine Soutane abgelegt hatte, führte er das volle ciborium in Eile zum Hof “ (Hammer et al. 2017, 23). Reflexives entwâfenen kann niemals ‚die Soutane ablegen‘ bedeuten. Der Text ist offenbar korrupt, dem entwaffent liegt vermutlich ein nicht mehr verstandenes entwagen het zugrunde, eine Form des starken Verbs entwâhen (Lexer 1992, Bd. 1, 593); im liturgischen Kontext bedeutete dies also ‚die (Hände-)Waschung vorgenommen hatte‘. Noch schwieriger ist das Verständnis von V. 392, der von den Herausgebern normalisiert, aber sonst ohne Änderung in den edierten Text gesetzt wird: „vol Siboroi in eilin“. Dazu der Kommentar (Hammer et al. 2017, 592): „Siboroi, handschriftlich Siboroÿ, meint das ciborium, ein monstranzähnliches Gefäß zur Aufbewahrung von geweihten Hostien. Man muss sich hier offenbar eine Prozession von der Kirche zum Hof vorstellen, mit dem Bischof und seiner Monstranz an der Spitze.“
20 Die Szene im Zusammenhang nach der Edition von Burgess und Brook (2013, V. 72–82): „Au matin [am Pfingstsonntag], quant il fu grant jor, / Resont a la cort assemblé, / Et o le roi en sont alé / Tuit ensemble a la mestre iglise. / La roïne vet le servise / O ses puceles escouter. / Je ne veil ci plus demorer / Ne de noient fere lonc conte. / Si con l’estoire le raconte, / Quant li servises fu finez, / Si sont tuit a l’ostel alez, / Et la roïne en a menees / En ses chambres encortinees / Les puceles toutes o lui.“ „Am Morgen, als es voller Tag war, versammelten sich wieder alle am Hof, und mit dem König sind alle zusammen zur Hauptkirche gegangen. Die Königin geht mit ihren Jungfrauen die Messe zu hören. Ich will hier nicht weiter verweilen noch ohne Grund einen langen Bericht geben. Wie die Quelle uns erzählt, sind, als die Messe zu Ende war, alle zu ihrem Quartier gegangen; und die Königin ging in ihre mit Wandteppichen geschmückten Gemächer, die Jungfrauen alle mit sich führend.“
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Dem überlieferten „Siboroÿ“ (V. 392) liegt wohl lat. ciborium zugrunde, wie es in der Crône V. 15699 als „cibôrie“ (Felder 2012) belegt ist,21 und von Gudrun Felder als ‚baldachinartige Überdachung oberhalb der Tür‘ gedeutet wird, analog zur lateinischen Hauptbedeutung von ciborium als Altarziborium, der von Säulen getragenen Überdachung des Altars; die spätere Bedeutung als Aufbewahrungsgefäß für konsekrierte Hostien erhielt es metonymisch, weil es zumeist unter dem Altarziborium aufgehängt wurde (vgl. Dürig 1983, 2062 f.). Mit einer Monstranz hat es also nichts zu tun. Das dem „Siboroÿ“ (V. 392) folgende „in eÿlin“ (V. 392) verstehen die Herausgeber wie auch wohl Schröder (1995, 145) als „in îlen“ ‚in Eile‘, eine grammatisch wie semantisch ungewöhnliche Fügung, die im Mittelhochdeutschen auch gar nicht nachweisbar ist. Der Reim „in eÿlin : künigin“ (V. 392–393) = mhd. in îlen : künigîn ist im Hinblick auf die Reimtechnik des Mantel auch ausgeschlossen. Warnatsch (1883, 24) konjiziert mit Hinweis auf Lanzelet (Zatzikhoven 2009, V. 4119) und Crône V. 15690 das Adjektiv „ônichelîn“ (Felder 2012) ‚aus Onyx‘ und liest Mantel V. 391 f. „dô beleit ers [= er sie, Hs. er] wider ze hof, / von [Hs. vol] der zibôrje ônichelîn [Hs. Siboroÿ in eÿlin]“, „darauf führte er sie (die der Messe beigewohnt hatten) vom Altarziborium aus Onyx zurück zum Hof “ (Warnatsch 1883; Schröder 1995). Nur so lässt sich V. 391 f. verständlich machen, solange keine andere Besserung gefunden wird, die aber ebenfalls vom Reimtyp -în ausgehen müsste.
Resümee und Ausblick Die Bedeutung des Reims für die philologische Kritik der Überlieferung kann nicht einfach ignoriert werden, wie es die Ereck-Herausgeber getan haben. Konjekturen erfordern aber nicht nur eine auf Reimstudien beruhende Sprachkenntnis, sondern auch eine gründliche Sachkenntnis, wie ich zu zeigen versucht habe. In dieser Hinsicht bleibt für den Mantel noch viel zu tun. Wenn der Text als Anhang einer künftigen kritischen Erec-Ausgabe beigegeben werden soll, ist eine kritische Neuedition des Mantel erforderlich, die mit einem ausführlichen Kommentar ausgestattet ist, der auch das Verhältnis von Mantel und Erec weitergehend klärt und nicht zuletzt auch den Fabliau wie schon Warnatsch (1883) heranzieht. Was den mittelhochdeutschen Text betrifft, so wird das Innsbrucker Projekt durch die Erstellung der Volltexttranskription des Ambraser Heldenbuchs in vielen Fällen dazu beitragen, Textverderbnisse besser zu durchschauen und deren Ursachen zu ermitteln. Ob man jetzt die 21 Die Hs. P hat tyborie, mit leicht erklärbarer Verschreibung aufgrund der ähnlichen Graphien von c und t. Ausführlich z. St. vgl. Felder 2006, 421. Der Beleg mit zahlreichen anderen Belegen ist verzeichnet bei Lexer 1992, Bd. 3, 1099 f. s. v. zibôrje.
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Verbindung von Mantel und Erec als Kompilation22 oder eng auf einander bezogene Überlieferungsgemeinschaft bezeichnen soll, scheint eine zweitrangige Frage. Auch wenn der Mantel auf keinen Fall einem Autor Hartmann zugeschrieben werden darf, besteht das Verdienst der neuen Ausgabe darin, mit der jüngeren Forschung23 Fragen aufgeworfen zu haben, die zu neuen Einsichten über das Verhältnis von Mantel und Erec im Ambraser Heldenbuch führen dürften.
22 Wie sie in der Wolfenbütteler Handschrift des Erec vorliegt, in deren Text Teile aus dem Mitteldeutschen Erec Hartmanns Text ersetzen. 23 Vgl. besonders die Beiträge von Schiendorfer 2007, Hess 2011 und Manuwald 2015.
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Abb. 48: Fragment O (13. Jh.), des Nibelungenlieds, das wahrscheinlich Hans Ried als Vorlage gedient hat.
Stephan Müller
Prominente Unikate Zu den (verlorenen) Vorlagen des Ambraser Heldenbuchs und dem heldenbuch zu Runkelstein
Von den vielen Geheimnissen, mit denen die Forschung zum Ambraser Heldenbuch konfrontiert ist, sticht eine Frage besonders hervor: wo sind die Vorlagen Hans Rieds geblieben? Diese Frage ist doppelt brisant. Zum einen haben wir tatsächlich nur ein Fragment des Nibelungenlieds, das als direkte Vorlage Hans Rieds gilt (Zimmerl 1930). Es liegt heute in Krakau (früher in Berlin) mit der Signatur Bibl. Jagiellońska, Berol. mgq 792 (Abb. 48). Zum anderen enthält das Ambraser Heldenbuch viele Texte, die nur dort überliefert sind, also Unikate. Das ist insofern erstaunlich, da einige dieser Texte im Mittelalter sehr bekannt waren, oft zitiert wurden und sich trotzdem ausschließlich im Ambraser Heldenbuch finden. 14 Texte sind dabei wirkliche Unikate:
Unikate des Heldenbuchs 1. Moriz von Craûn 2. Hartmann von Aue: Die Klage (Das Büchlein) 3. Das Büchlein (Das sogenannte zweite Büchlein) 4. Der Mantel 5. Kudrun 6. Biterolf und Dietleib 7. Wolfdietrich (A) 8. Die böse Frau 9. Herrand von Wildonie: Die treue Gattin 10. Herrand von Wildonie: Der betrogene Gatte 11. Herrand von Wildonie: Der nackte Kaiser 12. Herrand von Wildonie: Die Katze 13. Ulrich von Liechtenstein: Frauenbuch 14. Priesterkönig Johannes
In einem weiteren Sinne könnte man als Unikate auch die Texte verstehen, die außerhalb des Ambraser Heldenbuchs nur in Fragmenten überliefert sind (wie beim Erec) oder im Ambraser Heldenbuch eine einzigartige Redaktion eines Textes (wie 89
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bei der Frauenehre) oder einen einzigartig unbearbeitet-ursprünglichen Textzustand darstellen (wie beim Helmbrecht).1 Ich rechne nur den Erec zu den Unikaten, gehe also von 15 Texten aus (Klinger 2002, 255–260), da sich am Erec das Problem, um das es mir geht, sehr gut zeigen lässt. Hartmann von Aue hat zwei Artusepen geschrieben, die sehr bekannt wurden, den Erec und den Iwein. Beide sind im Ambraser Heldenbuch enthalten. Der Iwein ist darüber hinaus mehr als 30-mal überliefert, der Erec dagegen nur in drei weiteren kleineren Fragmenten und selbst der Text im Ambraser Heldenbuch ist nicht vollständig, da ihm der Anfang fehlt. Beide Texte sind gleich bekannt, der eine wurde ein Überlieferungserfolg, der andere ist selten und nur fragmentarisch überliefert. Wie kann das sein? Hans Ried musste vom Erec eine fast komplette Vorlage gehabt haben, aber die ist verschwunden. Und mehr noch: auch bei den echten Unikaten finden sich wichtige Werke der mittelhochdeutschen Literatur, wie die Kudrun oder Hartmanns Klage. Wäre das Ambraser Heldenbuch verschollen, wären auch diese Texte für immer verloren! Wie kann man diesen Widerspruch zwischen der Prominenz der Texte und ihrer unikalen Überlieferung erklären?
Spekulationen über die verlorenen Vorlagen Man hat die Frage nach den verlorenen Vorlagen auf vielerlei Weise zu erklären versucht. Vom Zufall (Wierschin 1976, 429–441, 493–507, 557–570) bis hin zur bewussten Vernichtung der Vorlagen (Miedema 2006, 85–106, 93, Anm. 13) reichen die Spekulationen. Dass so ähnliche Texte wie der Erec und Iwein einmal selten, einmal oft überliefert sind, spricht eher für Zufall, aber dass fast kein von Ried benutztes Material zu greifen ist, scheint eher System zu haben und motivierte zu regelrechten ‚Krimis‘ wie jenem von Nicola Kaminski, die mit einer Art inszeniert zufälligem Überlieferungsverlust rechnet, der dann für das Endprodukt, also das Ambraser Heldenbuch, eine besondere Prominenz produziere (2009, 189–196). Etwas vorsichtiger sind Ansätze wie jener von Ingeborg Glier (1971, 389–392), auf den Martin Schubert (2008, 99–120) – wenn auch einschränkend – wieder aufmerksam gemacht hat: im Ambraser Heldenbuch finden sich nur Texte des 12. und 13. Jahrhunderts, keine späteren. Das setzt entweder eine genaue literaturgeschichtliche Kenntnis voraus oder entsteht – so Glier (1971) – einfach durch die Auswahl der Handschriften. Im 14. Jahrhundert wird das teure Pergament immer häufiger durch Papier ersetzt; vielleicht hat man als Vorlagen systematisch nach alten Pergamenthandschriften gesucht, in denen dann nur alte Texte erhalten waren. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass die Ambraser Fassung oft auf besonders alte 1 Die Positionen zusammengestellt bei Kaminski 2009, 179–199.
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und gute Textfassungen zurückgeht, wie etwa beim Nibelungenlied. Diese reizvolle Vorstellung erklärt aber nur die vielen Unikate, die in Form einer alten Pergamenthandschrift vielleicht nur einmal erhalten waren, nicht aber, wo die Vorlagen blieben. Auch für die Frage nach den verlorenen Vorlagen hat man schon früh eine einfache Antwort versucht (Zingerle 1883, 136–142): man dachte sich nämlich, dass es nur eine Vorlage gab. Nur eine Handschrift kann leicht verschwinden, aber das würde das Problem der Unikate nicht lösen, denn wo wären die Vorlagen dieser älteren Handschrift geblieben? Zudem würde die Leistung Hans Rieds doch sehr geschmälert, wenn man sich vorstellte, dass er in über zehn Jahren nicht mehr als nur ein einziges altes Buch bearbeitete. Die neuere Forschung hat dies eindeutig widerlegt und nach Untersuchungen von Inhalt, Sprache und vor allem Layout rechnet man mit etwa acht Vorlagen (Seelbach 1987, 106), in denen auch mehrere Texte zusammengestellt waren: einer Sammlung also, die aus Sammlungen hervorging, was auch die Unwahrscheinlichkeit des Vorlagenverlusts geringer macht, denn acht Handschriften können leichter verschwinden als maximal 25, denn so viele Texte beinhaltet das Ambraser Heldenbuch ja. Die Idee der einen Vorlage, wenn sie auch nicht zutreffend ist, scheint mir aber dennoch eine Spur für die Erklärung der verlorenen Vorlagen und der vielen Unikate zu beinhalten: die Forschung hat diese einzige Vorlage nämlich historisch nachzuweisen versucht und sich dabei auf eine Quelle aus dem Jahr 1502 berufen. In einem Brief fordert Maximilian den Hofmarschall Wilhelm von Oy auf, das „helldenpuch an der Etsch ausschreiben zulassen“2. Das kann man auf zwei Weisen verstehen. Entweder geht es um ein ‚Heldenbuch an der Etsch‘ (Variante 1), das abgeschrieben werden soll, oder um ein ‚Heldenbuch‘, das ‚an der Etsch‘ abgeschrieben werden soll (Variante 2).3 Liest man die erste Variante, hat man einen Namen für die Quelle: ‚Heldenbuch an der Etsch‘, und tatsächlich hat man sich viele Gedanken über deren Aussehen gemacht (Janota 1978). Selbst wenn man sie nicht ins „Reich der Legende“ (Kaminski 2009, 187) verweist, sie kann nicht mehr als die eine Vorlage gelten, bestenfalls die eines Teils. Es gibt aber gute Argumente für Variante 2 (Wierschin 1976, 495). Dann wäre der Ort, an dem die Abschrift gemacht werden soll, gemeint – an der Etsch eben – und das brachte die Forschung auf einen Ort, der ebenfalls mit einer Sammlung deutschsprachiger mittelalterlicher Erzählungen in Verbindung gebracht wird: mit Burg Runkelstein bei Bozen.
2 Der Text zitiert und besprochen bei Schubert 2008, 102. 3 Schubert (2008, 103) weist darauf hin, dass „ausschreiben“ im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch im Sinne von „eine Schreibhandlung abschließen“ belegt ist, was aber meines Erachtens auch einen Abschreibevorgang meinen kann.
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Die Rolle der Fresken auf Burg Runkelstein Die Verbindung des Schreibauftrags von 1502 mit Runkelstein beruht zwar nur auf einer Indizienkette, aber doch auf keiner schlechten. Runkelstein ist berühmt für seine Fresken, die von 1388 bis 1410 entstanden und teilweise auf berühmte mittelhochdeutsche Texte zurückgehen, namentlich auf den Tristan (Abb. 49), auf den Wigalois und auf den Garel des Pleier. Runkelstein liegt bei Bozen, nahe dem Zusammenfluss von Etsch und Eisack, was natürlich nicht viel besagt, aber in dem Brief von 1502 wird Paul von Liechtenstein mit dem Heldenbuchprojekt in Verbindung gebracht – und dessen Familie übernahm 1538 die Burg Runkelstein und könnte sie schon vorher in Besitz gehabt haben oder zumindest mit ihr in Verbindung stehen. Wir wissen nicht genau, wer Runkelstein am Anfang des 16. Jahrhunderts tatsächlich verwaltete. Georg von Frundsberg, der selbst als Unterverwalter eingesetzt war, setzte wiederum Unterpfleger ein, von denen wir den ersten aber erst 1512 namentlich kennen (Landi 2000, 475). Mehr noch: Maximilian hatte 1501 Runkelstein besucht und war von den Fresken so begeistert, dass er 1502 den Auftrag gab, die Fresken zu restaurieren und die „allte istory“ (Schubert 2008, 101) aufschreiben zu lassen. Ob und wie dieses Zusammenschreiben je stattfand, kann man nicht sagen, aber immerhin haben wir 1508 das Zeugnis über „Die exposicz iber das heldenbuch zu Rucklstein“ als Eintrag in einer Liste von Büchern Maximilians (der Eintrag davor ist „her Dietrich von Bern buch“) (Gottlieb 1900b, 43). Exposicz wird man als Beschreibung und Erläuterung des ‚Runkelsteiner Heldenbuchs‘ verstehen, wie immer man sich dabei die Verbindung von Text und Fresken auch genau vorstellen mag. Man hat an dem Projekt irgendwie gearbeitet, selbst wenn es vielleicht nie als helldenpuch in Form eines umfangreichen Buches fertig geworden sein sollte und inhaltlich nichts mit dem Ambraser Heldenbuch zu tun hat, denn die auf Runkelstein gemalten Stoffe finden sich ja gerade nicht im Ambraser Heldenbuch. Oder sollten die Projekte sich vielleicht ergänzen? Jenseits aller Spekulation haben wir also Maximilians Interesse an Runkelstein (an den allten istory und dem exposicz zum heldenbuch) und den Schreibauftrag für ein helldenpuch von 1502. Und dies alles an der Etsch, die bei Bozen in die Eisack fließt, also an dem Ort, an dem Hans Ried wenig später am Ambraser Heldenbuch schrieb; wobei wir über die Ausführung dieses Auftrags, den er 1504 erhielt und 1515 fertigstellte, gut informiert sind (Wierschin 1976, 495). Man könnte also annehmen, dass der Auftrag von 1502 nicht erfüllt wurde und deshalb 1504 Hans Ried engagiert wurde (Schubert 2008, 103). Sieht man einen Zusammenhang zwischen dem Auftrag für das helldenpuch an der Etsch und Runkelstein, dann muss man aber feststellen, dass auch dieser Plan weiter ausgeführt wurde. Bemühungen um die Gemälde auf Runkelstein sind im Gedenkbuch von 1502 und aus den Jahren 1504 und 1508 bezeugt, auch wenn die Zahlung von 300 Gulden Rheinisch von 92
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1508 vom Tiroler Landeshauptmann Paul von Liechtenstein widerrufen wird, da das Geld einfach nicht da war bzw. für etwas anderes gebraucht wurde. Eine Geldnot übrigens, die typisch für Maximilian ist (Müller 2000, 462) und die seine Räte wiederholt zum Eingreifen zwang, auch wenn Maximilian im Weißkunig darauf besteht, dass man in Sachen „Gedechtnus“ (Müller 2000, 459) nicht sparen sollte: „das gelt das erspart wirdt in meiner gedechtnus das ist ein unndertruckung meiner kunftigen gedächtnus“ (Schultz 1888, 66). Auch der Erhalt der Bilderburg Runkelstein diente dem „Gedechtnus“ (Müller 2000, 459) Maximilians, der sein Wappen in die Fresken integrieren ließ. Runkelstein und das Ambraser Heldenbuch sind wohl nicht nur in ihrem „literarischen Horizont“ (Müller 2000, 466) verwandt, sondern sind zwei Projekte, die zur gleichen Zeit, Abb. 49: Fresko in Runkelstein (1388–1410), Tristan kämpft gegen den Drachen. am (nahezu) gleichen Ort an etwas arbeiten, das mit dem gleichen Begriff bezeichnet wird: helldenpuch. Die Aufgabenstellung unterschied sich dabei: Runkelstein als eine Art ‚Buch zum Film‘, das Ambraser Heldenpuch als produktive, aktualisierende Textsammlung. Der Stoff, mit dem man dabei umzugehen hatte, war derselbe, nämlich mittelhochdeutsche Texte des 12. und 13. Jahrhunderts. Aber kannte man die Geschichten von Tristan, Wigalois und Garel so gut, dass man aus den Bildern einen Text machen konnte? Oder musste man sich auf die Suche nach Handschriften mit diesen Texten machen? Ganz so, wie das im Weißkunig beschrieben ist, dass nämlich „gelert leut“ ausgesendet werden, um „in allen stiften, klostern, puechern und bey gelerten leutn“ nach Texten zu suchen, die „zu er und lob denen kuniglichn und furstlichn geschlechten“ (Schultz 1888, 66) taugen. Wenn dem so wäre, dann wäre man bei der Suche nach Tristan, Wigalois und Garel auch auf der Spur jener Texte, die die Vorlagen für Hans Ried werden sollten. Natürlich muss das spekulativ bleiben, aber kann man sich nicht vorstellen, dass man auf diese Weise auf eine Reihe von Handschriften mit mittelhochdeutschen Erzähltexten stieß, die mit Runkelstein nichts zu tun hatten? Dass so, zwei Jahre, nachdem Maximilian auf die Stoffe auf Runkelstein aufmerksam geworden war und an ihnen arbeiten ließ, die Idee einer breiteren mittelhochdeutschen Textsammlung aufkam? Das mag so sein oder auch nicht, völlig unabhängig sollte man sich die 93
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Projekte nicht denken, auch wenn sie sich in der Dimension der praktischen Umsetzung unterscheiden. Auf Runkelstein wurde an den Bildern gearbeitet und an einem Heldenbuch, von dem mindestens ein exposicz in Maximilians Besitz gelangte. Und man war dabei wohl freizügig und hat eingegriffen, nicht nur, indem man Maximilians Wappen nachtrug. Das war nicht etwa unhistorisch, sondern der normale Umgang, denn der „Gedanke historischer Authentizität ist dem 16. Jahrhundert noch fremd“ (Müller 2000, 462). So auch Hans Ried: er hat nicht einfach abgeschrieben, sondern die Texte sprachlich modernisiert und auch über die Ebene des Wortlautes hinaus an ihnen gearbeitet. Auch für Rieds Arbeit muss man von vernewen sprechen, von „Erneuern“, das Jan-Dirk Müller als programmatischen Begriff für Runkelstein beschreibt (Müller 2000, 462) und das im Weißkunig den Auftrag bezeichnet, die „gedächtnus“ der Vorfahren zu „vernewen“ (Schultz 1888, 66). Die Philologie hat alle Hände voll zu tun, um die erneuernde Arbeit Hans Rieds im Verhältnis zu den verlorenen Vorlagen zu beschreiben.4 Man zog also aus, brachte mittelhochdeutsche Texte nach Bozen und arbeitete mit und an ihnen. Dabei ging es nicht um eine bloße Sammlung und Dokumentation. Maximilian ist zwar berühmt für Sammelaktionen, die auch institutionalisiert sind, wie etwa in dem „Gedechtnus-Sack“, der sich in einer Hofordnung von 1523 findet und „in den alles gestopft werden sollte, was als offizieller Schriftverkehr aufhebenswert schien“ (Müller 1998, 118); aber es wird auch geordnet, in eine endgültige Form gebracht, wie in den Gedenkbüchern Maximilians, in die wohl viele Zettel und Notizen in einem Buchganzen Eingang fanden. Das entsprach sicher auch dem Arbeitsalltag des Zollschreibers Hans Ried, der Ordnung und Verbindlichkeit in das Chaos des alltäglichen Geschäftsschrifttums zu bringen hatte.
Die Arbeit und Aufgabe von Hans Ried Das Ambraser Heldenbuch ist keine Abschrift, sondern – wie die Bilder und das heldenbuch auf Runkelstein – eine Arbeit an einer neuen Form für etwas Altes. Keine bloße Reproduktion, sondern eine Transformation in einen neuen, zeitgemäßen Zustand im Kontext von Maximilians Gedechtnus-Werk (Müller 1982). Diese Arbeit am Text hat in der Handschrift nicht nur auf Wortebene deutliche Spuren hinterlassen. Im Nibelungenliedteil etwa fehlen die Aventiuren 30 (Blätter CXXIIva, Zeile 56 – CXXIIIra), 32 bis 34 (Blätter CXXIVrb, LI–CXXVvc) und 37 bis 39 (Blätter CXXVIIva, XXI–CXXXIva, Zeile 6) (vgl. Abb. 50 und 51). Hier hat Ried Platz gelassen, 4 Thornton 1962; das go!digital-Projekt „Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset“ (Projektleitung Mario Klarer) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (2017– 2019) wird gerade die Arbeit an diesem Problem nun erstmals auf eine solide Datenbasis stellen.
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und zwar kurioserweise exakt so kalkuliert, dass die fehlenden Aventiuren hineinpassen würden.5 Vielleicht war seine vorliegende Handschrift hier defekt, er konnte aber am Rest erkennen, wie viel Text verloren gegangen war und bereitete eine potentielle Ergänzung vor, indem er Platz ließ. Eine solche Ergänzung eines defekten Textes durch eine andere Handschrift können wir wenig später im Falle des Gießener Iwein beobachten:6 hier fehlt eine Lage, die dann ein Schreiber im Jahre 1531 nicht ohne Bauchgrimmen ergänzt hat, wie er uns selbst in einem Nachtrag hinzufügt: „1531, 11. September hab ich den defekt erfilt aus aim alten buoch. Vielicht vil falsch“ (siehe Abb. 52 und 53). Die Kenntnis anderer Handschriften mittelhochdeutscher Texte und ein produktiver Austausch sind für das 16. Jahrhundert sicher Abb. 50: Ambraser Heldenbuch, nicht die Regel, aber doch möglich. freigelassener Platz für Aventiure 30 des Rieds Arbeit am Text war kein Spaß! Gut Nibelungenlieds (fol. CXXII). dokumentiert ist seine Bezahlung, seine Freistellung vom Zollamt, bis zu einer Erlaubnis 1505 zu Sumerziten sich im Intal aufzuhalten, also vor der Südtiroler Hitze über den Brenner zu fliehen. Seine singuläre Arbeit wurde dabei von der Forschung unterschiedlich gewürdigt – von „raffinierter Faulpelz“ bis zum „regelmäßigsten Schreiber seiner Zeit“ gehen die Urteile.7 Jedenfalls hatte er etwas vor sich, das wahrscheinlich vor ihm sonst noch keiner vor sich hatte: eine ganze Reihe von Pergamenthandschriften mit mittelhochdeutschen literarischen Texten des Hochmittelalters. Andernorts wurden zu diesen Zeiten solche Manuskripte noch zerschnitten und als Makulatur verwendet. Auch Ried wird sie in ihrer vorliegenden Gestalt kaum als historische Artefakte gewürdigt haben, sondern als Träger von Texten, die er mühevoll zu bearbeiten hatte, so zu „vernewen“ (Müller 2000, 462), also in eine neue
5 Schubert 2008, 111. Kaminski (2009, 182) leitet daraus ab, dass Ried zwei Nibelungenlied-Handschriften vorlagen, was jedoch nicht sein muss. Warum hätte Ried dann nicht einfach die Handschrift gewechselt oder den so wichtigen Text nicht später nachgetragen? 6 Gießen, Universitätsbibl., Hs. 97. 7 Nachweise bei Schubert 2008, 103–105.
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Abb. 51: Ambraser Heldenbuch, freigelassener Platz für Aventiure 30 des Nibelungenlieds (fol. CXXIIIr).
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Abb. 52: Gießener Iwein (13. Jh.), von einem Schreiber im Jahr 1531 ergänzte Textlücke.
Form zu bringen, wie auf andere Weise die Stoffe desselben literarischen Milieus auf Runkelstein. Die Arbeit am Text war aber auch Arbeit am Material – und zwar an einem widerspenstigen! Wer mittelalterliche Handschriften kennt, weiß, was ich meine (vor allem, wenn man sich die neuzeitlichen Zusätze wie Signaturen, Blattzählungen oder gar Katalogbeschreibungen wegdenkt). Ohne Inhaltsverzeichnis, Seitenzählung, Verszählung sind Handschriften von Erzähltexten gedacht für eine Lektüre vom Anfang bis zum Ende, für den sukzessiven Vortrag, nicht aber für eine systematische Arbeit an der Erneuerung ihrer Inhalte. Leicht verliert man sich in den monoton aussehenden Verskolumnen, die oft auf sehr ähnlichen Reimen enden. Um wie viel einfacher ist es da, in der Vorlage abgeschriebene Verse und Texte abzuhaken, bei Pausen einen Strich zu machen und so das alte Schriftbild zu verunzieren. Und: mittelalterliche Handschriften abzuschreiben ist auch deshalb kein Vergnügen, weil sie sich sozusagen körperlich dagegen wehren und sich nicht einfach offen auf den Schreibtisch legen lassen. Einfacher ist, den Körper, also die Bindung, aufzu97
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lösen: Google Books und andere Massendigitalisierungsinitiativen schneiden Buchblöcke auf und geben die Papierstapel in Durchlaufscanner. Oder: Faksimiles von Handschriften hat man früher nur erstellt, wenn sie ohnehin zu Restaurationszwecken aufgebunden waren. Abb. 53: Gießener Iwein (13. Jh.), Die flachen Seiten sind Freunde der ReproSchreiberspruch aus dem Jahr 1531. duktion, die Bindungen von Pergamenthandschriften sind Feinde derselben, sie lassen Kodizes zuklappen, wenn man nicht dagegenwirkt. Sollte Ried diesen Kampf vermieden haben? Böser Wille wäre es nicht gewesen, in die alten Kodizes zu schreiben oder sie gar zu zerlegen, sondern eine pragmatisch nachvollziehbare Maßnahme, die ihm half, den Texten eine neue Gestalt zu geben, sie verständlich zu machen. Der einzigen Handschrift, die Ried wohl benutzt hat – das Nibelungenfragment O –, jedenfalls ist genau das widerfahren und sie endete als Bucheinband (Abb. 48). Sicher wird man sich bei der vorhandenen Quellenlage nicht werden können, aber die Geschichte, die ich versucht habe zu entwerfen, ist doch eine Möglichkeit, die einiges neu verbindet: zwei Projekte in Bozen8 – Runkelstein und Ried. Das eine ist, ausgelöst durch die alten Bilder auf Runkelstein, vielleicht dann auch Auslöser des anderen. Derselbe Gegenstand jedenfalls, der in beiden Fällen im Kontext von Maximilians Gedechtnus-Programm steht, das nicht das Alte um des Alten willen bewahren wollte, sondern es zum Teil einer Zukunft machte, die sich in der Tradition Maximilians verstehen sollte. Dass dabei etwas verändert wurde oder verloren ging, liegt in der Natur der Sache.
8 Zur Rolle Bozens für das Ambraser Heldenbuch vgl. Mura 2007.
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GENRES UND GENDER
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Nur Allotria inmitten höfischer Hochepik? Die Schwankdichtungen des Ambraser Heldenbuchs
Von den insgesamt 25 literarischen Texten des Ambraser Heldenbuchs gelten vor allem drei aus der Abteilung ‚Kleinepisches aus österreichischer Provenienz‘ gemeinhin als genuine Schwankdichtungen: Nr. 16: Die böse Frau – oder Das puech von dem vͤ beln weibe, wie der Schreiber Hans Ried es übertitelt hat –, Nr. 18: Der betrogene Gatte Herrands von Wildonie sowie Nr. 23: Der Pfaffe Amis des Strickers. Die hier im Folgenden bevorzugte, weiter gefasste Definition versteht unter dem Begriff ‚Schwank‘ dagegen keinen fix vorgegebenen Abb. 54: Der Pfaffe Amis (Druck, 1478), Gattungstyp, sondern eine ‚schwankhaft‘ (ko- Strickers Pfaffe Amis überlistet den ihn misch, parodistisch, satirisch, burlesk oder auf die Probe stellenden Bischof. Ähnliches) geprägte Erzählhaltung, die sich in beliebigen literarischen Genres wie Märchen, Novellen, Dramen, Fabeln, literarischen Briefen usw. äußern kann (vgl. Janota 1977, 407). Legt man dieses offenere Begriffsverständnis zugrunde, darf mit der Tierfabel Die Katze (Nr. 20) ein zweiter Text Herrands (Fischer 1969a) zu den Schwankdichtungen gerechnet werden. Zudem rücken drei anonyme Werke aus der Abteilung ‚Höfisches‘ dann ebenfalls mit ins Blickfeld: Nr. 2: Mauritius von Craun, Nr. 5: Das (zweite) Büchlein und Nr. 6: Der Mantel. Gleich in mehrfacher Hinsicht etwas am Rande der so formierten Werkgruppe ist der Pfaffe Amis anzusiedeln (Abb. 54). Zum einen wurde er von den sieben genannten Dichtungen als einzige außer im Ambraser Heldenbuch noch in mehreren weiteren Handschriften überliefert (vgl. Kamihara 1978, 1–21). Zweitens besteht er nicht aus einer in sich geschlossenen Einzelepisode, sondern bildet einen elfteiligen, durch die Titelfigur eher locker zusammengehaltenen Schwankzyklus. Und drittens geht es einzig bei diesem Text nicht um die Problematik amouröser Geschlechterbeziehungen, sondern um eine Art Schelmenkarriere, in deren Verlauf der listige Titelheld Amis seinen Mitmenschen Mal um Mal ihr Hab und Gut abzuknöpfen versteht, um damit seine – für einen kleinen Dorfpfarrer eigentlich ja ganz unstandesgemäße – fürstliche Hofhaltung finanzieren zu können. 101
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Ebenso steht auch das puech von dem vͤ beln weibe etwas für sich. Zwar wird darin durchaus ein problembeladenes Geschlechterverhältnis thematisiert, doch von Liebe kann dabei längst keine Rede mehr sein. Gezeigt wird der tagtägliche, immer wieder in Gewalttätigkeiten eskalierende Machtkampf zweier Eheleute, in welchem sich der Mann seiner Partnerin regelmäßig geschlagen geben muss, sodass er letztlich vollends kapituliert und damit der paradox ‚verkehrten Welt‘ der Frauenherrschaft zum dauerhaften Durchbruch verhilft.
Herrand von Wildonie: Die Katze (Ambraser Heldenbuch Nr. 20) Im Folgenden richtet sich das Hauptaugenmerk aber auf die fünf übrigen Dichtungen, und ein erster ausführlicherer Blick gilt der schwankhaften Tierfabel Die Katze (Abb. 55). Wie es in mittelalterlicher Dichtung generell die Regel darstellt, hat Herrand von Wildonie deren Plot nicht frei erfunden. So zeigt etwa der Vergleich mit der etwas älteren Stoffbearbeitung des Strickers, dass bereits diese die im Kern gleichen Erzählmotive enthält und vielleicht sogar Herrands unmittelbare Vorlage gebildet haben könnte. Nach der Ankündigung, er wolle von der allerhoffärtigsten Kreatur berichten, von der man seit Adams Fall gehört habe, springt der Stricker alsbald in medias res. Der Held, ein junger und wohl durchaus stattlicher Kater, sucht Rat bei einer weisen Füchsin. Anlass dazu ist, dass er sich selbst – warum auch immer – für ein in jeder Hinsicht unvergleichliches, unübertreffliches Geschöpf hält: ‚Ich besitze alleine mehr Tugenden als alle anderen zusammen. Wenn ich sie erst einmal aufzuzählen beginne, werde ich nie an ein Ende gelangen‘ (vgl. V. 15–22). Diese hehre Selbsteinschätzung birgt nun freilich ihre Tücken, indem der absolut einmalige Kater, der seinesgleichen nicht kennt, in der Isolation zu vereinsamen droht. Eben darum sucht er den Beistand der Füchsin: ‚So gerne ich mir auch eine passende Frau erwählen würde, kann niemand eine solche für mich finden. Was ist das edelste Wesen dieser Welt? Einzig und allein dessen Tochter wäre meiner würdig‘ (vgl. Ehrismann 1992, V. 23–32). Diese Exposition erinnert strukturell auffallend an jene einer anderen mittelalterlichen Erzählgattung, der sogenannten Brautwerbungsepik. Einer von deren strahlendsten Helden ist der blühende Jüngling König Rother, den alle Vorzüge von Schönheit, Klugheit, Stärke usw. auszeichnen. Nicht zuletzt aber ist er der vornehmste und mächtigste Herrscher der ganzen westlichen Christenheit, dem nicht weniger als 72 Unterkönige Lehensdienst leisten. Bei ihm stellt die Suche nach einer rundum ebenbürtigen Braut in der Tat ein echtes Problem dar. Wo in aller Welt kann sie gefunden werden? Logischerweise wäre dies höchstens jenseits des vertrauten christlich-römischen Abendlandes überhaupt denkbar. Da ergreift einer der Ratsherren das Wort: ‚Ich kenne bei Gott jenseits des östlichen Meeres, zu Konstantinopel, die unvergleichlich edle 102
Nur Allotria inmitten höfischer Hochepik?
Abb. 55: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Herrands Fabel Die Katze samt zugehöriger Illustration (fol. CCXVIIIIv).
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Tochter eines reichen Königs‘ (vgl. Bennewitz 2000, V. 64–67), womit dieser Berater namens Lupolt natürlich die designierte Thronerbin des oströmisch-byzantinischen Reichs ins Auge gefasst hat. Lupolt verkörpert, abstrahierend gesprochen, die in allen typischen Brautwerbungsepen obligate Rollenfigur des sogenannten ‚Nenners‘ (vgl. Schmid-Cadalbert 1985, 84–86), der aufgrund seiner Welterfahrenheit das vom Helden anzustrebende Ziel treffsicher zu bestimmen vermag. Ganz in diesem Sinne hat nun also Strickers Kater auf Freiersfüßen die Füchsin zu seinem Nenner designiert. Und diese erfüllt ihre Aufgabe denn auch perfekt, freilich in unvorhergesehener Weise. Sie verwickelt den Kater in ein raffiniert gesteuertes Zwiegespräch und schickt ihn gleichsam auf eine Geistreise. ‚Wenn du das edelste, mächtigste Wesen suchst, dann wäre vielleicht an die Sonne zu denken‘ (vgl. V. 34–38). Enthusiastisch stimmt der Kater zu, um sich dann aber doch noch zu vergewissern, ob denn wirklich niemand der Macht der Sonne zu trotzen vermöge. ‚Nun ja,‘ räumt die Füchsin ein, ‚da gibt es natürlich den Nebel, der das Sonnenlicht verdüstert‘ (vgl. Ehrismann 1992, V. 46–50). Auf die neuerliche Reaktion des Katers bringt sie den Wind ins Spiel, der den Nebel vertreibt. Es folgen das Gemäuer eines Steinhauses, an dem der Wind wirkungslos abprallt, und schließlich die Maus, die eben dieses Gemäuer unterwühlen und zum Einsturz bringen kann. Die Maus wiederum kennt ein Wesen, vor dessen tödlicher Macht sie erzittert: die Katze. So hat der heiratswillige Kater auf abenteuerlichen, wenn auch nur imaginierten Umwegen die ihm einzig gemäße und ebenbürtige Partnerin doch noch glücklich gefunden. Auch bei Herrand von Wildonie beschreitet der Held den auf den ersten Blick gleichen Stationenweg. Allerdings finden sich bei ihm eben doch manche Varianten, deren zwei von besonderer struktureller Bedeutung sind: zum einen wird Herrands Kater nicht auf eine Geistreise geschickt, ja bei ihm fehlt überhaupt die Figur des Nenners. Der Kater zieht vielmehr aus eigenen Stücken auf Brautschau. Er selbst wirbt zunächst um die scheinbar mächtigste Braut, die Sonne (also nicht um deren Tochter). Und die Sonne ihrerseits dirigiert ihn an Frau Nebel weiter usw. Strickers Dialog ist hier in Aktion umgesetzt, die Geistreise zu einer ‚realen‘ Aventiurefahrt geworden. Strukturell noch einschneidender ist die zweite Variante: bei Herrand kann die Figur des Katers nicht mehr als eine König-Rother-Persiflage gelesen werden, denn bei ihm ist er schon zu Beginn der Erzählung ein gestandener Ehemann – Ehemann der Katze natürlich. Hier muss man sich also eine Vorgeschichte hinzudenken: offenbar ist im Leben des Katers ein gravierender Wertewandel eingetreten, sei es durch plötzliche Eingebung, sei es allmählich durch die Abstumpfungen des Alltags. Er ist in eine eigentliche Sinnkrise gestürzt und, damit zusammenhängend, in eine – wenn auch nur einseitig von ihm so erfahrene – Ehekrise. Seine Gattin, die sich träge auf der Ofenbank räkelt, widert ihn jetzt geradezu an, und er beschließt, sich nach Höherem umzuschauen. Was sich hier am Horizont abzeichnet, ist mindestens potentiell d i e klassische Konstellation der Eheschwankdichtung: das Dreieck. 104
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Statt an die Protagonisten der Brautwerbungsdichtungen könnte man sich bei Herrands Kater weit naheliegender an die typische Identitätskrise der Artusromanhelden erinnert fühlen. Ebenso wie die famosen Ritter der Tafelrunde hatte er das Ziel seiner Bestimmung, rein vordergründig betrachtet, schon erreicht (so wie sich etwa der jugendliche Iwein Hand und Land der Herrscherin Laudine erstritten hatte). Ebenso wie diese war er aufgrund einer tiefer liegenden inneren Insuffizienz, die letztlich auf mangelnder Selbsterkenntnis beruhte, dafür nicht reif gewesen. Und wie diese musste er auf einer (freilich persiflierten) Aventiurefahrt zuerst in seine eigentliche Existenz hineinwachsen, um den ihm von Gott bestimmten Platz in der Schöpfung nicht nur äußerlich besetzen, sondern nun auch adäquat ausfüllen zu können. Ganz in diesem Sinne interpretiert dann auch der Schlussvers der Stricker’schen Fassung die Conversio des reumütigen Katers: „dô kêrte der kater wider / und lie sîn hôchgemüete nider, / dô er bevant, wer er was“ (Ehrismann 1992, V. 155–157). Zum guten Ende hatte er schließlich doch noch ‚erkannt, wer er ist‘. Denn mangelnde Selbsterkenntnis verleitet nur allzu leicht zu Hochmut, die bekanntlich vor dem Fall kommt – eine schlichte, doch zeitlos gültige Lebenswahrheit.
Herrand von Wildonie: Der betrogene Gatte (Ambraser Heldenbuch Nr. 18) Im Prolog seiner zweiten Schwankdichtung treibt Herrand von Wildonie (Abb. 56) mit eben dem Begriff der Wahrheit, dem er hier eine poetologische Qualität beimisst, ein schalkhaftes Spiel. Wer eine Aventiure erzählen will, doziert er, der sollte tunlichst darauf bedacht sein, ihren Wahrheitsgehalt auch glaubhaft bezeugen zu können. Denn was vielleicht ein ‚hübscher‘, ein adlig-höfischer Zuhörer noch als wahr zu akzeptieren bereit wäre, würde andernfalls ein unhöfischer als pure Lügengeschichte abtun mit dem saloppen Einwand, es sei schließlich kein Augenzeuge dabei gewesen (jedenfalls niemand, so ist vorgreifend zu ergänzen, der ein Interesse gehabt hätte, diese Aventiure weiterzukolportieren). Diesen Punkt der Argumentation – in welchem Herrand seinem natürlich adligen Primärpublikum augenzwinkernd eine erhöhte Leichtgläubigkeit attestiert – wird der Autor zuletzt im Epilog nochmals aufgreifen. Zunächst aber kommt er auf seinen Gewährsmann zu sprechen, der ihm diese im Friaul stattgefundene Begebenheit berichtet habe, kein geringerer als „Hêr Uolrîch von Liehtenstein“ (Fischer 1969b, V. 17), der bedeutende steirische Landadlige und Herrands Schwiegervater. Nicht expliziert, aber natürlich suggeriert wird damit, dass ein derart weitberühmter und hoch geachteter Herr als Wahrheitsgarant gewiss über alle Zweifel erhaben sei. Sowohl Ulrichs als auch seine eigene Glaubwürdigkeit werden weiter unterstrichen mit der Zwischenbemerkung, Ersterer habe den Namen des Friauler Protagonisten leider nicht in Erfahrung brin105
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gen können, weshalb selbstredend auch er, Herrand, nicht etwa eigenmächtig einen solchen erfinden wolle. Gott bewahre – die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit! Die in Herrands Prolog aufgebaute Diskrepanz zu dem, was nun dem Publikum tatsächlich geboten wird, könnte eklatanter kaum sein. Es folgt nämlich eine rational alles andere denn glaubhafte Ehebruchskomödie, die Herrand zudem erneut einer bereits weit verbreiteten Erzähltradition entnommen hat. Davon, dass es sich um eine tatsächliche ‚unerhörte Begebenheit‘ im Friaul gehandelt haben soll, kann daher nicht die Rede sein. Und wovon handelt nun also diese ‚wahre‘ Geschichte, und von wem? Da wäre erstens die Figur der Gattin zu nennen, zu der es einführend heißt, dass sie außerordentlich schön war (V. 26, 35). Gewiss, wer hätte im höfischen Kontext auch anderes erwartet. Ansonsten vernehmen wir über sie vorderhand nichts Substantielles, dürfen sie uns aber getrost als edel und in der Blüte ihres Lebens stehend vorstellen. Vom Ehemann heißt es dagegen, dass er „vil alt“ (V. 28) gewesen sei. Auch bei ihm muss man sich einstweilen mit dieser minimalen Charakterisierung bescheiden, denn als nächstes stellt Herrand auch noch eine Drittperson, einen jungen Ritter vor: dieser habe „sînen sin / gewendet an ditz schœne wîp“ (Fischer 1969b, V. 34–38). Auch er sei überaus wolgestalt gewesen, was ihm bei der Dame nicht zum Nachteil geriet. Schön und schön gesellt sich gern, man ahnt es natürlich schon hier, und die Frage ist einzig, auf welche Weise das Arrangement gelingen und der alte Gatte übertölpelt werden wird. Die Lösung hierzu liefert das in der mittelalterlichen Schwankliteratur beliebte Motiv der ‚unterschobenen Braut‘. Gegen ein Lohnversprechen beauftragt die Frau eine Zofe, während der Nacht ihren Platz im Ehebett einzunehmen, während sie selbst sich hinter dem Haus mit ihrem Liebhaber vergnügt. Zwar ertappt der Mann die beiden Geliebten dennoch in flagranti, kann ihnen jedoch nichts zweifelsfrei nachweisen, zumal die an der vermeintlichen Gattin im Dunkeln vollstreckten Prügel anderntags bei der tatsächlichen Frau keinerlei Spuren hinterlassen haben. Und als diese sogar den ihr nachts als Beweisstück abgeschnittenen Haarschopf in alter Pracht und Fülle vorzuzeigen vermag, lässt sich der darob völlig perplexe Mann kleinlaut zur Einsicht bewegen, es müsse sich bei dem von ihm behaupteten Ehebruch wohl doch nur um eine krankhafte Halluzination gehandelt haben. An dieser Stelle muss nun aber nochmals das von Herrand ausdrücklich betonte fortgeschrittene Alter des Ehemanns zur Sprache gebracht werden, auf welches in der Erzählung immer wieder angespielt wird. Schon bei der geringsten körperlichen Anstrengung bricht dieser traurige Antiheld alsbald in Keuchen und Schnauben aus. Und beim Verprügeln der armen Komplizin seiner Frau hat er sich derart verausgabt, „daz er hinviel reht für tôt“ (Fischer 1969b, V. 239). Diese Ehe entspricht natürlich dem Modellfall einer klassischen Mésalliance, und wenn man sieht, wie der alte Mann, kaum hat er sich jeweils hingelegt, auch gleich zu schnarchen be106
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ginnt, so lässt dies daran zweifeln, dass er seine eheliche Pflicht, das debitum conjugale, überhaupt wahrzunehmen vermöchte. Wäre demnach die trickreiche Gattin ganz frei von Tadel und das Schwankmäre demzufolge als ‚amoralisch‘ einzustufen? Ganz auszuschließen ist dies wohl nicht, doch muss man sich gleichwohl die Frage stellen, ob die Frau an der von ihr zu erduldenden Mésalliance denn selbst ganz schuldlos sei. Dazu wäre nun auch noch jene im Epimythion nachgereichte Information zu berücksichtigen, nach der die malträtierte Zofe das ihr verheißene Schmerzensgeld nie erhalten habe. Aus ihr ergibt sich zum einen die entwaffnend plausible Lösung jenes im Prolog angeschnittenen Problems: wie kann ein so intimer und für die Beteiligten ehrenrühriger Fall überhaupt publik werden? Ganz einfach: aus Rache der um ihren sauer verdienten Lohn Geprellten. Diese Rückkehr des Schlusses zum Anfang jener pseudophilosophischen Wahrheitsdebatte ist Herrands eigentliche Schlusspointe. Dadurch fällt zuletzt Abb. 56: Manessische Liederhandschrift aber auch ein neues Schlaglicht auf die weib- (ca. 1300–1340), Ritter Herrand von Wildonie. liche Protagonistin, da nun deren Egozentrik und materielle Habgier recht unverblümt zutage treten. Womöglich hatte es sich aus ihrer Sicht von vornherein um eine reine Geldheirat gehandelt, und damit hätte sie dann ebenso ihr Teil zu der unseligen Verbindung willentlich beigetragen wie der alte Schwerenöter, der sich aus eitlem Hochmut die Hauszierde einer jugendlich blühenden Schönheit zuzulegen anmaßte. Bei beiden könnte man sich jedenfalls durchaus an jenen überheblichen Kater zurückerinnert fühlen, der sich erst nach einer heilsamen geistigen Irrfahrt auf die ihm allein gemäße Partnersuche unter seinesgleichen besonnen hatte. Mauritius von Craun (Ambraser Heldenbuch Nr. 2) Nun wäre der Blick also noch auf jene erste Textabteilung des Ambraser Heldenbuchs zu richten, die meist mit dem prinzipiell als ‚seriös‘ gehandelten Etikett ‚Höfisches‘ versehen wird. Dennoch mangelt es auch in der anonymen Erzählung Mauritius von Craun durchaus nicht an Elementen schwankhaften Erzählens, ganz im Gegenteil. 107
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Umso schwerer begreiflich ist, dass die Forschung darüber seit Generationen standhaft hinwegzusehen oder sie als vereinzelte launige Einsprengsel zu bagatellisieren pflegt (vgl. Bauschke 1999). Hanns Fischer (1983) wies 1968 den Mauritius seiner Unterkategorie des ‚höfisch-galanten‘ Märe zu, und ganz ähnlich verbuchte ihn ein Jahr danach Karl-Heinz Schirmer (1969) als ‚höfisch-ernste‘ Märe, dies Seite an Seite mit Hero und Leander, Pyramus und Thisbe, dem Herzmäre Konrads von Würzburg, dem Schüler von Paris sowie der Frauentreue (vgl. Köpf 1978, 82 f.), lauter todtraurigen Melodramen, von deren weiblichen wie männlichen Protagonisten auch nicht ein einziger einem gewaltsam-tragischen Ende entgeht. Womit sollte sich aber ein Mauritius von Craun, dem der Status eines klassisch tragischen Helden doch gewiss nicht füglich zugesprochen werden kann, die Aufnahme in diesen beklagenswerten Minnemärtyrer-Kreis verdient haben? Oder nach der anderen Seite hin gefragt: weshalb wohl hat man diese Erzählung bislang meist als weithin todernste Erörterung des höfischen Minnewesens zu erweisen versucht bzw. von vornherein als solche vorausgesetzt? Am adligen Personal wird es nicht liegen, denn, wie schon Herrands Betrogener Gatte gezeigt hat, auch das höfische Milieu schließt eine schwankhafte Behandlung ja keineswegs kategorisch aus. Eher liegt es wohl an der Annahme, der Verfasser habe seinen Plot an einem spitzfindig theoretisierenden ‚Minnekasus‘ des Pariser Hofgeistlichen Andreas Capellanus ausgerichtet. Die in diesem weit verbreitetem lateinischem Traktat De amore aufgeworfene Frage, ob der aufopferungsvolle Minnedienst zu Ehren einer Dame diese zwingend zu einer gleichwertigen Gegenleistung verpflichte, wird grundsätzlich bejaht. In der Erzählung hingegen verweigert die umworbene Gräfin, nachdem sie durch eine von Mauritius begangene ‚Minnesünde‘ brüskiert wurde, ihm den zustehenden Liebeslohn. Diesen weiß er sich dann mittels List und Machtdemonstration zwar trotzdem noch zu verschaffen, doch nur, um die Dame unmittelbar danach mit Verachtung und bleibendem Liebesentzug zu strafen. Tatsächlich sind die (teilweise gegenläufig gewendeten) Analogien zwischen dem Kasus und der Erzählung unübersehbar. Aber selbst wenn, wie postuliert, der deutsche Verfasser tatsächlich eine bewusste Bezugnahme intendiert haben sollte, bliebe immer noch reiflich in Erwägung zu ziehen, ob er damit den Kasus vielleicht gar nicht affirmativ zu illustrieren, sondern im Gegenteil spöttisch ad absurdum zu führen plante. Ja, es wäre sogar ebenso gut denkbar, dass er dies – gegebenenfalls in völliger Unkenntnis des De amore-Traktats – vielmehr mit seiner mutmaßlichen direkten Stoffvorlage beabsichtigte. Das der deutschen Bearbeitung zugrunde liegende, novellistisch zugespitzte Fabliau Du chevalier qui recovra l’amor de sa dame (Klein 1999) umfasst ganze 254 Verse, während im Mauritius der Titelheld in Vers 270 überhaupt erstmals genannt wird, jedoch nur um ein paar Zeilen später erneut einem ausgedehnten (in puncto Seriosität übrigens ebenfalls äußerst suspekten) minnedidaktischen Exkurs weichen zu 108
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müssen. Nun begegnen die inhaltlichen Abweichungen und Zusätze gegenüber dem Fabliau derart massiert, dass die Forschung wiederholt eine verlorene französische Fassung als direkte Vorlage vermutete, die dem bereits weitgehend entsprochen habe (vgl. Borck 1961; Ruh 1970). Wozu aber bedarf es dieser angenommenen Zwischenstufe? Warum sollte ein deutscher Dichter weniger als ein französischer befähigt sein, seine Quelle nach Gutdünken um- und auszubauen, indem er etwa – dieser Quelle quasi zum Trutz – entscheidende Schlüsselstellen frech in ihr Gegenteil verkehrte oder, wenn ihn die Fabulierlaune überkam, allerhand burleske Intermezzi einschob? Dies könnte etwa gleich zu Beginn der Fall gewesen sein, wo das Fabliau einsetzt mit: „Sans plus longuement deslaier / M’estuet conter d’un chevalier“ (Klein 1999, V. 1 f.). ‚Ohne langen Aufschub will ich sogleich von einem Ritter erzählen.‘ Während also der französische Dichter mit Zeile 2 in sein Erzählthema einsteigt, präludiert und präludiert sein deutscher Bearbeiter, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, führt den Leser auf einen Holzweg und wieder zurück, auf den nächsten – kurz: er macht mit ironischer Keckheit das schiere Gegenteil. Oder: ab Zeile 27 des Fabliau bittet der Held seine Dame, ein Turnier veranstalten zu dürfen, und zwar als Tjostgegner ihres Ehemanns, auf dass sie sehe, wer von beiden der bessere und ihrer Liebe würdigere Ritter ist. Im Mauritius äußert umgekehrt die Gräfin von Beamunt diesen Wunsch, weil sie angeblich zeit ihres Lebens noch nie ein Turnier gesehen habe, während andererseits Mauritius doch unermüdlich ganz Frankreich von einer zur nächsten Veranstaltung durchstreift hat. Der Ehemann hier ist nicht als ernstzunehmender Gegner und Rivale relevant, sondern zunächst hauptsächlich als unglückseliger Verursacher eines tödlichen Sportunfalls beim Turnier; sein nagendes Gewissen lässt ihn daraufhin keine Ruhe mehr finden, und als der ins gräfliche Schlafgemach vorgedrungene Mauritius sich ihm als der Geist des Verstorbenen ausgibt, stößt er sich vor Schreck dermaßen fürchterlich das Schienbein an der Bettkante, dass er ohnmächtig zu Boden sinkt und Mauritius den somit im Ehebett freigewordenen Platz erben kann. Und so weiter und so fort, einschließlich des konträren Ausgangs, wo sich im Fabliau alles in Minne auflöst und der Held die Aussicht auf künftigen Liebeslohn zurückgewonnen hat, während der Schluss des Mauritius mit seinen wiederum mehrfach gelegten falschen Fährten wohl bei den weitaus meisten Rezipienten vor allem Ratlosigkeit zurücklässt. Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass sein unbekannter Verfasser es genau darauf angelegt haben könnte. Vielleicht plante er gar nicht, der französischen Thesenerzählung eine eigene und möglichst schlüssig präsentierte Antithese gegenüberzustellen, sondern eher jene These – bzw. das ja in der Tat etwas exaltierte Genre Thesenerzählung – parodistisch der Lächerlichkeit preiszugeben.
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Der Mantel (Ambraser Heldenbuch Nr. 6) Die höfische Adelsgesellschaft und ihre Standeskultur in schwankhafter Manier zu karikieren, erweist sich demnach bei Herrand und dem wohl ebenfalls (dienst)adligen Mauritius-Verfasser als eine offensichtlich reizvolle Option literarisch-fiktionaler Gegenentwürfe. Und davon bleibt selbst die seit Chrestien de Troyes zum ultimativen Idealbild hochstilisierte Artusgesellschaft und -literatur nicht verschont. Ein schlagendes Beispiel dazu liefert die heute wieder zumeist und wohl auch zu Recht als anonym taxierte Erzählung Der Mantel (vgl. Schröder 1985, 963–965). Auch dass es sich dabei nicht bloß um den Anfang eines ansonsten verlorenen LancelotRomans handelt, sondern um eine erweiternde Bearbeitung des Fabliau Du mantel mautaillié, darf heute als weitgehender Forschungskonsens gelten (vgl. Kasper 1995, 111 f.). Allerdings sieht man sich dann wiederum – wie beim Mauritius – mit einem auffallend ‚langatmigen Prolog‘ konfrontiert. „Damit ist die Geschichte ziemlich ‚kopflastig‘ geworden und der ‚bedeutungsvolle‘ Eingang ist eine schlechte Vorbereitung auf eine einfach geartete Episode“ (Kratz 1977, 5). Aber vielleicht geht es ja auch hier wieder gerade darum, die Rezipienten zuerst an der Nase herumzuführen, um ihre bewusst irregeleiteten Erwartungen dann desto effektvoller unterlaufen zu können. Ähnlich wie z. B. im Iwein bietet der Mantel-Prolog primär eine enthusiastische Artus-Apotheose, ehe die eigentliche Erzählhandlung – ebenfalls wie dort – mit der Schilderung eines der legendären Artus-Pfingstfeste einsetzt. Seiner gewohnten „site“ (V. 115) gemäß ließ der König im ganzen Reich die besten Ritter samt ihren „vriundinnen“ (V. 118) dazu einladen –, und jetzt bekommt das eben erst propagierte Idealbild auch schon den ersten Kratzer verpasst: wehe, wenn jemand es wagen sollte, der Einladung nicht Folge zu leisten! „daz muosen si geklagen / vil tiure dar nach“ (Schröder 1995, V. 121 f.). Das mussten sie teuer bezahlen, denn die Fehlbaren hatten fortan mit einem Hausverbot am Artushof zu rechnen. Die Einladung entspricht de facto einer Vorladung. Schon diese kleine Fußnote stellt gegenüber dem Fabliau eine Zutat dar, und auch im Folgenden sind es gerade die drastischsten Passagen, die offenbar durchweg auf des deutschen Bearbeiters eigenes Konto gehen. Dies gilt auch für die einführende Charakteristik des in der Artusepik seit jeher berühmt-berüchtigten Seneschalls Keie, der sich hier – in nochmaliger Steigerung seines an sich schon ramponierten Rufes – eigentlich gar nicht mehr richtig zur Tafelrunde dazuzählen darf und, von allen andern verachtet und geschnitten, meist griesgrämig am abgesonderten Katzentisch vor sich hin grollt: „doch hete er besunder / einen tisch da er saz. / ze der tavelen er niht az“ (V. 255–257). Als sehr eigenwillig werden auch Keies Kleidermode und namentlich sein Haar beschrieben, welches er zu einem langen „zopfe gevlohten“ (V. 266) hat. Von ihm selbst anscheinend als schmückendes Attribut verstanden, wirkt diese exotische Haartracht aber zugleich 110
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als entlarvendes Stigma. An Keies Zopf konnten ihn nämlich auch all die fremden Gäste unschwer identifizieren und so seiner ‚eiterspeienden Zunge‘ (V. 277) und „sines herzen galle“ (Schröder 1995, V. 281) wohlweislich aus dem Weg gehen. Es folgt – wiederum ganz ähnlich wie im Iwein – eine ausführliche Auflistung der Festtagsvergnügungen und des Kirchgangs, den die Ritter vornehmlich zur kritischen Begutachtung der schönen Edeldamen nützen. Nach beendeter Messe sind dann alle hungrig und daher verständlicherweise darüber verdrossen, dass Artus die Tafel dennoch nicht eröffnen will, ohne vorher eine âventiure erlebt zu haben. Erneut pocht der König hiermit reichlich herrisch auf seine gewohnte „site“ (V. 447), und als sich nun die erhoffte Aventiure in Gestalt eines fremden Ritters tatsächlich ankündigt, dürfte diese der versammelten Festgesellschaft bald gründlich den Appetit verschlagen haben: der Fremdling überbringt als Geschenk einen geheimnisvollen, von einer, wie es heißt, den Frauen übelwollenden Fee gefertigten Mantel, verbunden mit der Bedingung, dass alle am Hof weilenden Damen ihn anprobieren sollen. Nur einer einschränkungslos treu liebenden Frau wird er korrekt sitzen, allen übrigen aber schief anstehen (Schröder 1995, V. 592). Natürlich bekommen nun alle ihre Abreibung verpasst, zuvorderst die reihenweise als treulos gebrandmarkten Damen, angeführt von der Königin Ginover. Nicht weniger hart trifft es aber zugleich die Männer, die sich als gehörnt und entehrt überführt sehen, die andererseits aber auch wechselseitig an besagten Treuebrüchen beteiligt sein dürften (man denke an Ginovers Affäre mit Lancelot). Kurz: der Artushof entlarvt sich als exemplarischer Hort von Unzucht und Doppelmoral, angeführt von einem tyrannisch veranlagten König, dem gleichwohl die Zügel aus der Hand gleiten und der nicht so recht weiß, ob er über dem ganzen Chaos nun lachen oder heulen soll: „Artus der lachete / tougen in der leide“ (Schröder 1995, V. 773 f.). Mit der überschwänglichen Apotheose des Prologs kontrastiert das im Anschluss daran farbenreich entworfene Bild des Artushofes natürlich aufs Grellste. Umso bedauernswerter ist es, dass sich wegen einer Überlieferungspanne das vermutlich besonders turbulent inszenierte Finale dieser schwankhaften Artus-Götterdämmerung nicht erhalten hat. Das (zweite) Büchlein (Ambraser Heldenbuch Nr. 5) Zum Schluss verbleibt nun noch das sogenannte zweite Büchlein, welches gattungstypologisch am treffendsten als Parodie eines literarischen Liebesbriefs einzuordnen ist. Man darf gewiss davon ausgehen, dass dieses eigenartige Werk mit vollem Bedacht direkt an den seriösen Minnedisput der Klage Hartmanns von Aue (Nr. 4) angeschlossen wurde, den der dafür verantwortliche Redaktor also wohl für den Verfasser hielt. Der germanistischen Forschung hingegen gilt der kapriziöse kleine Text gemeinhin als ‚unecht‘. 111
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Der Inhalt [...] ist die Liebesklage eines Ritters, nicht über erfolgloses Werben, sondern über die Trennung eines glücklichen Minneverhältnisses durch die ‚huote‘; ‚herzeliep‘ hat zu ‚herzeleit‘ geführt. Dennoch kann sich der Ritter nicht aus dem Minneverhältnis lösen – auch nicht durch neue Minnebeziehungen – und ermahnt am Ende des Gedichts die Geliebte, ihm treu zu bleiben. (Zutt 1978, 1107 f.)
Aus dieser ebenfalls höchst bemerkenswerten Dichtung sei lediglich eine Sequenz exemplarisch hervorgehoben, welche die in ihrer Harmlosigkeit ausgesprochen irreführende Inhaltsangabe Herta Zutts (1978) zurechtzurücken nötigt. Wohlverstanden, wir haben es hier mit einer gegenseitigen und früher bereits erfüllten, jetzt aber durch die nicht näher konkretisierte Sozialkontrolle (huote) unterbundenen Liebesbeziehung zu tun. Da eine direkte Kontaktaufnahme daher verunmöglicht ist, will der fiktive Schreiber die nach wie vor Verehrte mit einem Brief seiner weiterhin unverbrüchlichen Treue versichern. Und worin besteht nun der in seinen Augen schlagendste Liebesbeweis? Darin, dass er – wie offenbar mehrfach erlebt – in den Armen anderer Frauen nie recht bei der Sache sei, obschon sich die von ihm auserkorenen Trösterinnen durchaus nicht zu verstecken bräuchten, auch nicht vor seiner ‚einzig wahren Geliebten‘ (Wolff 1972, V. 516–522). Selbst inmitten dieser amourösen Beschäftigungstherapieversuche sei er keinen Augenblick imstande, sie, die Adressatin, aus seinen Gedanken zu verscheuchen (V. 534), ja es sei ihm darob sogar wiederholt der peinliche Fauxpas unterlaufen, seine jeweilige Bettgespielin mit ihrem Namen anzusprechen. Und der nächste Schlenker folgt sogleich: von der gerade aktuellen Ersatzgeliebten zur Rede gestellt, habe er listig „manegen ungestabten eit“ (Wolff 1972, V. 536–540) schon so manchen Meineid auf sich geladen und seine angeblich einzig wahre, mit dem Brief umworbene Dame mithin kühlen Blutes verleugnet. Notabene: solcherlei berichtet er ihr mit sichtlichem Stolz auf seine unvergleichliche Leidensfähigkeit, um sie damit für künftig wieder erhofftes gemeinsames Liebesglück warmzuhalten! Mehr als nur offenkundig manifestiert das Büchlein eine konsequent durchgehaltene ironische Distanz des realen Verfassers zu seinem fiktiven Ich-Erzähler, den er Zug um Zug sich selbst bloßstellen und zum Narren machen lässt. Damit kontrastiert andererseits aber wiederum die geradezu phänomenale rhetorische Beschlagenheit, mit der er ihn gleichzeitig ausstattet. In dieser Hinsicht kann sich der Erzähler des Büchleins gar ohne Scheu mit demjenigen von Hartmanns Klage vergleichen lassen; ja er erreicht, gemäß der einschlägigen Untersuchung Klaus Hufelands, dessen Raffinesse „mindestens in gleichem Maße“ (1995, 72). Damit schleicht sich eine längst verabschiedet geglaubte Frage vielleicht doch wieder zurück ins Tagesgeschäft der Forschung: ist es denn wirklich eine derart ausgemachte Sache, dass dieses hochinteressante Werklein keinesfalls von Hartmann stammen kann? Oder geht der Einfall, auf die strenge Klage-Tragödie das heiter-befreiende ‚Satyrspiel‘ des Büchleins folgen 112
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zu lassen, womöglich doch auf ihn zurück? Auf alle Fälle würde Hartmann der von souveräner Stilsicherheit ebenso wie von sprühender Fantasie und launigem Esprit zeugende Text ganz und gar nicht zur Schande gereichen. Hat also das Ambraser Heldenbuch – neben dem Erec und der Klage – vielleicht wirklich einem weiteren Werk des großen Hartmann von Aue im Alleingang das Überleben gesichert? Mit Sicherheit sind jedenfalls sowohl die beiden zu Anfang besprochenen Ehekrisenszenarien Herrands von Wildonie als auch der Mauritius, der Mantel und das Büchlein ausschließlich im Ambraser Heldenbuch erhalten geblieben. Auch mit ihnen haben somit Kaiser Maximilian und sein Zöllner Hans Ried äußerst merk-würdige Texte, die unser Bild mittelalterlicher Schwankliteratur nicht unbeträchtlich bereichern, vor dem ansonsten unausweichlichen spurlosen Untergang bewahrt. An der Schwelle zur Neuzeit müssen in Maximilians Augen außer den klassischen Großformen der Heldenepen und Artusromane ganz offensichtlich auch die kleineren schwankhaften Erzählformate verschiedener Gattungstypen und Stilrichtungen ihren nicht zu verachtenden Beitrag zum repräsentativen Gesamtbild mittelalterlicher höfischer Dichtkunst geleistet haben. Und diese Sicht der Dinge zu teilen, dürfte wohl auch heute noch kaum gänzlich falsch sein.
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Abb. 57: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Die Böse Frau (fol. CCXVr).
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Die Böse Frau/Daz buoch von dem übeln wîbe Der arme Mann im Geschlechterkampf?
Der Verserzählung Das Puech von dem übeln weibe wird in der Forschung seit 1913 Die böse Frau1 genannt und ist eines der 15 Unikate des Ambraser Heldenbuchs. Dieser Titel, besonders vielleicht dessen lange Zeit geltende neuhochdeutsche Form, hätte einerseits das Interesse von Forschung und Publikum auf sich ziehen müssen, lässt aber andererseits zumindest vordergründig eine Reihe nur allzu bekannter Stereotype erwarten, die einer Rezeption dann wohl hinderlich waren. Der auf den zweiten Blick sich als völlig untypisch entpuppenden Geschichte war zwar im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts eine gewisse Aufmerksamkeit vergönnt, danach aber wurde sie für lange Zeit weitgehend vergessen. Auch die völlig neu bearbeitete Ausgabe von 1968 konnte daran kaum etwas ändern, und merkwürdigerweise geriet sie auch nie ins Blickfeld der Genderforschung. Wo sie dennoch erwähnt wird, finden sich so gut wie ausschließlich Interpretationen, die sich allein auf eben jene Stereotype stützen.2 Diesem kleinen Werk, dessen breite Kenntnis der klassischen, höfischen wie der heldenepischen Traditionen natürlich früh erkannt wurde, ist nicht einmal im Zuge des in den letzten 20 Jahren wieder enorm gestiegenen Interesses an der Kurzerzählung3 eine Neuentdeckung beschieden gewesen. Als Entstehungsdatum des 820 Verse zählenden Werkchens gilt die Zeit bald nach 1250, was jedoch infrage gestellt werden muss, und als Entstehungsort nimmt man das Tirol nördlich des Brenners an, vielleicht weil einmal vom Genuss des „vil guoten Bôzenære“ (Ebbinghaus 1968, V. 553), also des guten Bozner Weins in einer Innsbrucker Schenke die Rede ist.4 1 Die zweite, neubearbeitete Auflage des Textes, besorgt von Ernst A. Ebbinghaus (1968), hat jedoch die alte Diktion Daz buoch von dem übeln wîbe bevorzugt. 2 Die wichtigsten Arbeiten dazu sind von Ebbinghaus (1968) in seiner Edition aufgelistet. Unter den Erwähnungen in Literaturgeschichten sind vor allem die bei Ehrismann 1935, 115 f. zu nennen sowie die von de Boor 1962, 282 f. Eine Ausnahme, allerdings eine sehr gewichtige aus allerjüngster Zeit (Kerth 2004), wird hier genauer zu beachten sein. 3 Die Diskussion zur Märendichtung kann in den hier genannten Arbeiten verfolgt werden, etwa auch bei Haug und Wachinger 1993. 4 Schon Schröder 1913 und später de Boor 1962, 282–284 haben aufgrund sprachlicher und stilistischer Merkmale eine Nähe zum orts- und zeitgleichen (und vermeintlich auch inhaltlich nahestehenden) Weinschwelg behauptet, einer ‚Trinkerrede‘ in Reimpaarversen aus dem späten 13. Jahrhundert, im Voralpenland lokalisiert. Schröder (1913) wie de Boor (1962) behaupten auch, der unbekannte Autor müsse wohl mit dem der Bösen Frau identisch sein.
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Inhalt der Verserzählung Geschildert wird der hemmungslose Ehekrieg zwischen einer körperlich überlegenen Frau und ihrem tapfer kämpfenden und von einer glücklichen Ehe träumenden Mann. Er ist das erzählende Ich, und er stellt seinem Leiden die aus der ihm offenbar bestens bekannten höfischen Literatur stammenden Ideale der Geschlechterbeziehungen und der Liebe gegenüber. Vor allem aus der Tristangeschichte schöpft er seine zahlreichen literarischen Anspielungen, etwa den umgekehrten Liebestrank, der hier am Anfang allen Krieges steht. Der Text wurde mit der höfischen Dorfpoesie in Verbindung gebracht, und unwidersprochen gilt bislang, dass der Schauplatz des Kampfes die Hauptstube eines Bauernhofes ist,5 in welchem der Mann „eingefangen“ und „in einem höchst prosaischen Ehestand allen Derbheiten und Rohheiten seines Hausdrachens ausgesetzt“ (Schröder 1913, 80) sei, in ihm also „ein gutes Stück Satire gegen die höfische Welt und höfische Dichtung“ (Rosenfeld 1978, 964–966) stecke, es sich um einen Schwank handele. Es ginge in der Bösen Frau um folgende inhaltliche Konstellation: Die Dichtung schildert die böse, dem Ehemann überlegene und ihn trotz aller Gegenwehr beherrschende Frau als Urtypus und legt mit viel Humor, großer Anschaulichkeit und erstaunlicher Variationsfähigkeit den hoffnungslosen Ehekrieg im Munde des unglücklichen Gatten dar. Die Wirkung beruht auf dem Kontrast. (Rosenfeld 1978, 964)
Nach einer ersten, flüchtigen Lektüre möchte man dem vielleicht zustimmen, auch wenn Formulierungen wie „Frau als Urtyp“, „Hausdrachen“ oder „große Anschaulichkeit“ (Rosenfeld 1978, 964)6 in einer wissenschaftlichen Studie irritieren, doch schon bei einer etwas aufmerksameren Lektüre werden sich erhebliche Zweifel an dieser Sicht einstellen. In unserem Text finden sich kaum Verse, die eine deutliche Nähe zu den nicht nur in mittelhochdeutscher Literatur weitverbreiteten Motiven der bösen Frau belegen könnten, also zum Motiv des übeln wîbes, der nach Herrschaft strebenden und damit Gottes Ordnung bedrohenden Frau.7 Als Märe betrachtet, wurde Die böse Frau dem Themenkreis ‚Eheliche Kraft- und Treueproben‘ zugeschlagen und gerät damit in 5 Genau genommen lässt nur wenig an ‚Dorfpoesie‘ denken, und ebenso wenig darf es als gesichert gelten, dass die Handelnden wirklich Bauern in ihrem häuslichen Umfeld sind. Die genannten Gerätschaften sowie die Tätigkeiten wären auch in einem städtischen Haus denkbar. Dazu kommt, dass zumindest ein Vers eher für ein merkantiles Umfeld sprechen würde, siehe unten. 6 Es ist anzumerken, dass ausgerechnet Kerth (2004) in ihrer Analyse der intertextuellen Strukturen in diesen Duktus zurückfällt, wenn sie den Mann als „Pantoffelhelden“ (Kerth 2004, etwa 276) wie schon zuvor de Boor (1962, 282) bezeichnet. 7 In einer materialreichen Studie von 1912 (Brietzmann 1967) sind Texte mit den entsprechenden Stereo-
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Der arme Mann im Geschlechterkampf?
die Nachbarschaft von Erzählungen wie Die böse Adelheid, Sibotes Frauenzucht, Hasenbraten, Beringer, Drei listige Frauen und anderen mehr. In einer grundlegenden Untersuchung zur Märendichtung wurde das die „Rebellion listiger oder streitbarer Ehefrauen gegen die traditionelle Gehorsamspflicht des Weibes“8 genannt. Die böse Frau, zusammen mit einigen weiteren Mären, stellte dabei jenen Sonderfall dar, bei dem am Ende die Frau die Oberhand gewinnt. Gattungstypisch war damit die Festlegung unserer Erzählung als Schwankmäre erfolgt, was aber problematisch ist. Von einer Auflehnung der Frau gegen männliche Herrschaft kann in all den Mären, denen Die böse Frau damit zugerechnet wird, nicht die Rede sein. Alle diese Frauen dienen als warnendes Beispiel für weibliche wie männliche Verhaltensweisen, welche die patriarchalische und damit die soziale Ordnung gefährden und die stets exemplarisch bestraft werden. Man denke nur an das Ende der bösen Adelheid in den Fluten des Lech.
Struktur der Verserzählung Unser stilistisch wie auch sprachlich durch großen Formwillen sich auszeichnendes Werk ist in zwei ungleich große Hauptteile gegliedert, zu dem noch eine Exposition und ein Schlussteil hinzukommen, die beide etwa gleich lang sind. Der Einführungsabschnitt (V. 1–19) beschreibt, durchaus ironisch, die Ehe als von Gott gewollte Ordnung, wie sie das erzählende Ich, das im Folgenden sein körperliches Martyrium im Kampf mit der Frau in Worte zu fassen versucht, in den buochen gelesen haben will: „Ez was ein süeziu stunde / dô got der ê begunde“ (Ebbinghaus 1968, V. 1 f.), ein süßer Moment sei es gewesen, als Gott die Ehe erschuf. Die Verse 20–282 beschreiben die Unvereinbarkeit beider Eheleute, die schon früh in dem Satz gipfelt: „wir haben ungelîchen muot“ (V. 60), wir haben nichts miteinander gemein.9 Die ewige Feindschaft, die zwischen ihnen schon seit der Hochzeit herrscht, wird in diesem Teil durch eine Vielzahl antithetischer Paare der Art: „spriche ich ‚guot‘, sî sprichet ‚sûr‘, / spriche ich ‚sûr‘, si sprichet ‚guot‘“ (V. 58 f.) beschrieben, ein Stilmittel, das in der späteren Eheliteratur häufig begegnet: die Frau typen in der Literatur des deutschen Mittelalters beschrieben worden. Vgl. auch Ziegeler 1985, 82, 84; Wenzel 1999. 8 Fischer 1983, 96. Dass ein Begriff wie Rebellion natürlich völlig abwegig ist, da er zumindest unbeabsichtigt das Aufbegehren gegen die Ordnung als Sinnangebot des Textes suggeriert, braucht nicht betont zu werden. Es ist in diesen Texten nirgendwo etwa schon die frühneuzeitliche starke Frau intendiert (vgl. Haag 1999, 244–246), die bewusst gegen die männliche Ordnung rebellierte. Vgl. dazu Brinker-von der Heyde 1999, 34–46. 9 Hier ist wohl ein direkter Bezug zu sehen zu den häufigen Beteuerungen der Liebenden in Gottfrieds Tristan, eins zu sein, tatsächlich e i n Herz und e i n e Seele, wenn auch in zwei Körpern.
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sagt und tut immer das Gegenteil dessen, was der Mann sagt oder tut. Als zum ersten Mal der gewalttätige Charakter des Kampfes erscheint, der Mann von der Frau offen mit körperlicher Gewalt traktiert wird, nicht etwa mit Worten oder List, heißt es: „also trage wir immer haz / ich gên ir und sî gên mir. / slah ich sî eines, sî sleht mich zwir“ (V. 70–72). ‚Wir tragen nur Hass füreinander, ich gegen sie und sie gegen mich. Schlag ich sie einmal. So schlägt sie zweimal zurück.‘ Was er will, das geschieht nie, allein die Frau bestimmt, und will er einmal mit ihr gemelîchen, also wohl zärtlich sein, Spaß im sexuellen Sinn haben, passiert Folgendes: „sô sleht sî mir slege vil / ûf hende und ûf die knübele“ (Ebbinghaus 1968, V. 148–149), er wird verprügelt. Im zweiten Teil (Ebbinghaus 1968, V. 283–780/800) wird eine Reihe von sechs sich steigernden Kämpfen der Eheleute beschrieben, die bisweilen wie in der höfischen Tradition âventiure genannt werden und die den Mann am Ende fast das Leben gekostet hätten, wenn Verwandte beider nicht dazwischengegangen wären. Nachdem sie ihm schon eine Rippe entzwei geschlagen hatte, heißt es weiter: mit slegen tet sî mir vil wê, noch drî stunt dicker dan der snê ûz den lüften snîte sluoc sî mit dem schîte 625 ûf mich slege âne zal. heiâ wie slac nâch slage hal! (Ebbinghaus 1968, V. 621–626)10
Die eindrucksvollste Szene ist dabei wohl das einen Ritterkampf parodierende Duell beider in der Stube, bei dem als Waffen die zufällig greifbaren Gerätschaften dienen, der schürstap und die krucken. Der erbarmungslose, wilde Kampf folgt unzweideutig literarischen Vorbildern, wie etwa der Turnierpersiflage in Wittenwilers Ring.11 Grotesk wird es jedoch gegen Ende, als die Frau verlangt: „und wilt du mir niht dienen / als einer frouwen ir eigen kneht: / dîn antlütze wirt sô sleht / sam nie nase kœme dran“ (V. 760–763). ‚Und willst du mir nicht so dienen wie ein Ritter seiner Dame, so schlag ich dir dein Gesicht so flach, als wäre nie eine Nase dran gewesen.‘ Ebenso droht sie ihm die Augen auszureißen. Als der Mann am Ende endlich fragt: „waz rechet ir, frouwe, an mir?“ (Ebbinghaus 1968, V. 811), was hab ich euch getan, das ihr an mir rächen wollt, folgt die beunruhigende Antwort und der nicht weniger beunruhigende Schluss:
10 ‚Mit ihren Hieben hat sie mir sehr weh getan, dreimal so heftig wie bei dichtem Schneefall die Flocken schlug sie auf mich mit dem Scheit ein. Heia, wie klang da Schlag auf Schlag.‘ 11 Der Kampf hier ist allerdings weder grotesk noch lächerlich. Anders Kerth (2004). Sie erkennt durchaus richtungsweisende Parallelen zum Ring.
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sî sprach ‚hâst du rede in dir? mich müet dîn klaffen sêre. swîc! du muost unêre 815 mit schaden laden in daz hûz‘. dô sweic ich alsam ein mûs und redete dô nie mêre, wan ich vorhte sêre, ob ich ein wortel spræche 820 daz sî den fride bræche. (Ebbinghaus 1968, V. 812–820)12
Geschlechterkampf und die Geschlechterrollen Der Ehekampf kann sicherlich zu den Formen des höfischen Romans wie auch der Heldenepik und ihrer Sinnsysteme in Bezug gesetzt werden, eben auch als Parodie, in erster Linie aber muss, will man sich möglichen Sinnangeboten nähern, die gegen jede Tradition stehende Beschreibung und Konstruktion des Geschlechterkampfes auffallen. Man kann dem Text nur dann gerecht werden, wenn man ihn vor der Tristandichtung Gottfrieds zu sehen versucht.13 Erst danach wird sich vielleicht klären lassen, welche Bedeutung er für das Ambraser Heldenbuch hat.14 Weibliche „Herrschaft“, denn davon handelt Die böse Frau, ist schon begrifflich ein Paradox (Brinker-von der Heyde 1999, 47 f.). Thematisierte weibliche Herrschaft über den Mann ist als Verkehrung der gottgewollten Geschlechterordnung immer ein Zeichen für eine elementare Bedrohung der sozialen Ordnung, die nicht hingenommen werden kann. Die in vielen Beispielen der mittelalterlichen Dichtung dargestellten Konstellationen bestehen entweder in einer verkehrten Geschlechterordnung, sogar in einem Rollentausch, in welchem der Mann, etwa weil er zu sanft ist, seinen Willen nicht durchsetzen kann, sein Rollenverhalten also defizitär ist, oder am Beginn einer Ge12 ‚Sprichst du weiter? Mir geht dein Gekläffe auf den Geist. Schweig! Schande und Schaden bringst du ins Haus. Seitdem schweig ich wie eine Maus und redete nie mehr ein Wort, da ich fürchtete, auch nur bei einem Wörtlein meinerseits würde sie den Frieden wieder brechen.‘ 13 Kerths (2004) Verdienst ist es auch, den zwar da und dort schon früher vermuteten Bezug zum Roman Gottfrieds konkretisiert und den Tristan als d e n Prätext des unbekannten Autors wahrscheinlich gemacht zu haben. Die Zitierung des Tristan als Prätext verdiente aber eine noch weitergehende Untersuchung. Vgl. Dallapiazza 2007, 179. 14 Der dritte Teil der von Hans Ried zusammengestellten Textsammlung wird gemeinhin als Nebenprodukt der Recherche „nach alten Werken für die beiden ersten Teile in heimischen Adelsbibliotheken“ gesehen, durch die auch diese zutage gefördert worden wären, vgl. Janota 1978, 325, bzw. er entspringe dem Interesse für lokale, tirolische Werke.
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schichte kann ein anmaßendes, nicht rollenkonformes Verhalten der Frau dargestellt werden, welches der Mann dann unverzüglich und letztlich mit allen Mitteln, auch äußerster Gewalt, bekämpfen und korrigieren muss. Es ist die Pflicht des Mannes, die böse Frau zu einer guten zu machen und damit für die Wiederherstellung der Ordnung zu sorgen. Schafft er das nicht, wird er im Text explizit oder implizit dafür verurteilt oder bestraft. Was in der Bösen Frau auf den ersten Blick noch wie ein, wenn auch extremes Beispiel zur übel wîp-Thematik erscheinen mochte, widerspricht auf den zweiten fast allem, was es in vergleichbaren Texten erlaubt, die Geschlechterkonstellationen auf das bekannte patriarchalische Herrschaftsmodell zurückzuführen. Mären, in denen die Frau am Ende die Oberhand behält, sind so kodifiziert, dass auch nicht der geringste Zweifel daran bestehen kann, wie eine solche Verkehrung der Ordnung zu begreifen wäre, als warnendes Negativbeispiel eben.15 In unserem Text aber ist das signifikant anders. Zwar wird die Frau ‚böse‘ genannt, mehr als einmal, doch fehlen hier völlig irgendwelche negativen Attribute jenseits ihrer Weigerung, sich dem Mann unterzuordnen und auf Gewaltanwendung gegen ihn zu verzichten. Zur Charakterisierung der bösen, eben auch moralisch und im christlichen Sinne bösen Frau hält die Tradition einen komplexen Beschreibungskatalog bereit, den wir mehr oder weniger vollständig oder variiert in allen Texten finden, denen man Die böse Frau an die Seite stellen will. Zu den wichtigsten und häufigsten Stereotypen gehören vor allem sexuell konnotierte Muster, weibliche Untreue, die aus sexueller Gier erwächst, die Frau als Reiterin16, sodann Eitelkeit und Putzsucht17 und einiges mehr. Stets wird der Laster- und Untatenkatalog der Frau begleitet von gelehrten, meist biblischen Zitaten, mit denen dem Publikum unmissverständlich erklärt wird, warum es so verwerflich ist, wenn die Frau etwa Mann werden will. All dies fehlt in unserem Text. Auf jede Art von Herabwürdigung der Frau wird verzichtet, und auch über ihr Äußeres erfährt das Publikum nichts, womit sich der Text eines weiteren Stereotyps begibt, eine Frau negativ zu charakterisieren. Unzweideutig haben wir es mit einem nicht rollenkonformen Verhalten der Frau zu tun, doch passt die Rolle des Mannes keineswegs in den üblichen Schematismus, wie auch der Text auf eine negative Konnotation ‚beider‘ Verhalten verzichtet. Im Grunde verhält sich der Mann durchaus rollenkonform. Er ist auch kein Pantoffel15 Dies geschieht meist in Form einer klärenden und nichts im Ungewissen lassenden Belehrung, dass dies eben die Verkehrung der göttlichen oder sozialen Ordnung sei, und meist ist damit auch eine extrem negative Schilderung der bösen Frau verbunden bzw. des seine soziale Position gefährdenden ‚bösen‘, also ‚schlechten‘ Mannes. Beispiele bei Brietzmann 1967, 120–122. 16 Siehe dazu vor allem Brinker-von der Heyde 1999. 17 Siehe dazu die ausführlichen Auflistungen bei Brietzmann 1967, etwa 149 f., der allerdings auch in der Bösen Frau diese Eigenschaften zu finden glaubt.
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held, er kämpft verbissen und zu allem entschlossen, er hat die Herausforderung angenommen, ihm fehlt eben nur die physische, rein körperliche Kraft, die Frau in den ehelichen Kämpfen zu überwinden. Die Frau ist zu einem übermächtigen Gegner geworden. Im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischem Verhalten ist eine Stelle besonders hervorzuheben, an der wohl eindeutig vom Vorwurf der Frau die Rede ist, der Mann vernachlässige seine wirtschaftlichen Pflichten Frau und Kindern gegenüber. Die Szene spielt an einem Abend, als der Mann von einem Fest zurückkehrt und die Frau offenbar in froher Erwartung, er habe ihr etwas mitgebracht, ihren Hass zu vergessen scheint und ihn freundlich empfängt. Sie küsst ihn gar und nennt ihn „trûtgeselle“ (V. 455), aber ihre Freude verfliegt schnell: „warumbe hâst du mir niht brâht? / und ist dir ninder des gedâht / wes ich sol leben und dîniu kint?“ (V. 465– 467). Sie wirft ihm also vor, seinen wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten ihr und den Kindern gegenüber nicht nachzukommen, was wenig später in abgewandelter Form wiederholt wird (Ebbinghaus 1968, V. 506–508). Damit umreißt der Text zum einen ein häusliches Ambiente, das nicht notwendig bäuerlich sein muss. Es handelt sich eher um ein städtisches Haus oder um einen Haushalt des Kleinadels. Im Text wird dabei auch Sexualität als Teil der beschriebenen häuslichen Gemeinschaft thematisiert (vgl. dazu etwa Ebbinghaus 1968, V. 147– 149). Nicht zuletzt aus diesem Grund kann unsere Erzählung den allerdings erst später überlieferten und weit verbreiteten Ehelehren als Prätext gedient haben. Völlig aus dem Rahmen vergleichbarer Texte aber fällt die Selbstreflexion des Mannes, seine Vision einer idealen Zweierbeziehung: „ir beider riuwe, ob diu sô stêt / daz diu sîn durch ir herze gêt / und diu ir hinwider durch das sîn“ (Ebbinghaus 1968, V. 233–235).18 Dies ist eben nicht die bekannte und erwartbare männliche Sicht, die sich eine botmäßige Frau erträumt; die letzten Zeilen sind, gerade in der Betonung des Wortes herze ein klarer Bezug zu Gottfried: das Ideal wäre die gegenseitige Anteilnahme am Schmerz des anderen. Auch wenn die Bezüge zum Tristanstoff auf den Tristan Eilharts von Oberge zu verweisen scheinen, sind zahlreiche Stellen nur in Bezug auf Gottfried erklärbar. Als auf Gottfried bezogen muss auch die umfangreiche Anti-Minneallegorie gesehen werden, die allegorische Ausdeutung des Hochzeitsfrühstücks (Ebbinghaus 1968, V. 25–46), auch wenn sie in keinem Detail direkt auf den Tristan verweist, und dann ist es der Minnetrank selbst, den beide zu sich nehmen und der doch auch wieder nur ein Anti-Minnetrank ist, denn er bewirkt Hass und dauert ein Leben lang.
18 ‚Ihr beider Schmerz, damit sollte so bestellt sein, dass der seine auch durch ihr Herz geht, und der ihre durch sein Herz.‘
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Ein kritischer Kommentar zu den gesellschaftlichen Verhältnissen? Gibt es ein Sinnpotential in der Bösen Frau und wie könnte man es ausloten? Was kann als gesicherte Erkenntnis gelten? Was den Text besonders auszeichnet, ist seine Normwidrigkeit, und damit gerät dieser in eine Gegenposition zum typischen Märe, in dem am Ende Ordnung gestiftet werden muss (Grubmüller 1993, 51–54). Hier aber wird die dargestellte gestörte Ordnung nicht mehr korrigiert. Schon durch die Erzählweise fällt die Geschichte aus dem üblichen Schema heraus. Strikt in der ersten Person gehalten, wird alles Gesagte relativiert, da die Perspektive eine rein subjektive bleibt. Damit wird es auch verunmöglicht, den Leser mit einem objektiven Mehrwissen auszustatten. Gleichwohl erlaubt es eine doppelte Perspektivierung, denn in der Rede des Mannes wird eine zweite Sicht erkennbar, die offenbar diejenige der Frau ist: ohne dass der Mann dies zu bemerken scheint, gibt er Reaktionen der Frau wieder, die von seinem defizitären Verhalten als Ehemann und Ernährer der Familie zu sprechen scheinen. Vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Ehe- und Frauendiskurses betrachtet,19 fällt die Reichhaltigkeit der sozialen wie ideologischen Modelle auf, die unser Text zitiert. Ironisiert erscheint als erstes kulturelles Modell der Ehe dasjenige der Kirche, daneben tritt aber sogleich der historisch immer mehr auf die Kleinfamilie bezogene Diskurs über den ehelichen Haushalt und die dort verlangte Trennung der Rollen. In beiden wird Defizitäres angedeutet: die Ironie des Ich-Erzählers stellt das von Gott gewollte Heilsmodell der Ehe unmissverständlich infrage, während die umrissene Familiensituation sozial unzureichendes Verhalten des Mannes beklagt. Höfische Idealvorstellungen werden aufgerufen, um ihre Unmöglichkeit zu demonstrieren. Auf der Handlungsebene wird demonstriert, wie beide Eheleute all diesen Idealvorgaben stracks zuwiderhandeln, gezwungen dazu von einem Minnetrank, der ihnen wie in der Tristantradition einen Gutteil von Verantwortlichkeit abnimmt.
19 Vgl. Schnell 1994 und 1998; Dallapiazza 1988/89, 352 f.
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HELDEN UND HERRSCHER
Abb. 58: Ambraser Heldenbuch, Amor fängt Kapitalhirsch: der Held und König im Tier (fol. CLXVv).
Heinz Noflatscher
Maximilian – Held aller Helden? Ein Kaiser erfindet sich neu
Das Zeitalter und Historiographisches Das Zeitalter oder die Bewegung der europäischen Renaissance gelten gemeinhin als eine Epoche, in der menschliche Individuen sich freier entfalteten. Diese Einschätzung hat im 19. Jahrhundert vor allem Jacob Burckhardt vertreten. Sie ist seither hinterfragt worden, konnte sich aber als eine von mehreren Signaturen der Ära behaupten. Das Interesse der Zeit an Helden, Heroen und Divinisierungen würde dazu passen. Es findet sich nicht nur an den Höfen von mächtigen Fürsten, sondern ebenso beim Adel auf dem Land: wenn etwa die Familie der Cles bei Trient einen Sohn Hildebrand (*1457) nannte. Und sein Vater trug den Namen des drachentötenden Retters Georg, eines Lieblingsheiligen des europäischen Adels. Natürlich konnten weiterhin auch Gruppen Identitäten bilden und Freiräume schaffen, besonders wenn sie familial konfiguriert waren. So erneuerte die Renaissance antike und christliche Vorstellungen von Gruppen wie jene Laokoons, des Aeneas oder des Abendmahls (Wojciehowski 2011). Zu nennen wären ebenso das bekannte Familienbildnis Maximilians I. oder das letzte Geleit für dessen Grabeskirche. Aber wann ereignete sich Renaissance als Wiedergeburt überhaupt? Peter Burke hat bereits vor Längerem dafür plädiert, bei diesem „Ensemble an Veränderungen“ (1990, 15) je nach Fragestellung längere Zeiträume zu beachten. So schlug er die Phase von etwa 1000 bis 1800 vor, damit eine Longue Durée, die man andernorts Alteuropa genannt hat. Norbert Elias (1939) hatte in dem Zusammenhang von europäischer Zivilisationsbildung gesprochen. Trotz lang anhaltender Erscheinungen erkannte Burke jedoch ebenfalls eine besonders dichte Rezeption der Klassik im 15. und 16. Jahrhundert an. Und er bestätigte mit Giorgio Vasari einen noch präziseren Schwerpunkt mit den Jahrzehnten um 1500 (Burke 1990, 100, 102). Diese Deutung hat sich bis heute gehalten. Wie im Falle der Aufklärung, so hat die Wissenschaft seit Jüngerem auch das Phänomen der Renaissance pluralisiert und auf Hybride (Burke 2016, 17) hingewiesen. Wir sprechen von Renaissancen oder Wiedergeburten. Sie betreffen nicht nur deren europäische, regionale Ausprägungen, also Aneignungen, Verzögerungen oder Ungleichzeitigkeiten. Insofern folgt diese Rede einer (auch) selbstgewählten Provinzialisierung Europas. Solche erweiterten Deutungen sind im Umfeld der Glo125
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balisierung und teils der Dekolonisation entstanden. Hier hat besonders der Sozialanthropologe Jack Goody (2010) den durch Rückschau erfolgten emanzipatorischen Wandel der Renaissance weltweit im Sinne vieler Renaissancen, in anderen Kulturen, zu parallelisieren versucht.
Renaissance und Helden? Allgemein gelten die Jahrzehnte um 1500 als eine Zeit beschleunigten Wandels, der Transformation, wenn nicht als eine Periode des grundlegenden Umbruchs. Die Horizonte erweiterten sich, nicht nur geographisch, weltweit, sondern auch im näheren, europäischen Umfeld. Europa wuchs deutlich zusammen. Die politischen Beziehungen verdichteten sich: durch neue Formen der Kommunikation, wie die institutionalisierte Diplomatie, das Druckereiwesen oder schnellere Verbindungen. Die politischen Bündnisse wechselten nun rasch. Monarchen triumphierten hämisch, dass anders als Republiken sie und ihre Reiche schneller entscheiden und handeln könnten. Ziemlich genau in diese Phase des Wandels fiel die Regierungszeit Kaiser Maximilians I. Krieg als Mittel der Politik schien in den Hintergrund getreten zu sein. In Italien spielten Condottieri mit ihren Söldnertruppen sozusagen Catinaccio und hegten den Krieg ein, somit ohne offensiv zu werden. Die Utopier des Thomas Morus, eines Staatsmannes, verabscheuten Kriege aufs Höchste und als ganz bestialisch (1983, 115). Nichts sei so unrühmlich, wie im Krieg Ruhm zu suchen. Insofern kannten sie keine oder kaum traditionelle Helden. Eine verbesserte Kommunikation ließ somit Kriege zugunsten von balancierender äußerer Politik als vermeidbar erscheinen. Ein neues Leitbild, das des pater patriae, des fürsorglichen, friedlichen Herrschers, kam in Mode oder wurde wie in Frankreich nach innen hin verbreitet (Le Fur 2001, 163–171). Ein erfolgreiches ‚Ende der Geschichte‘ (Fukuyama 1992) schien eingetreten oder vielmehr erreicht zu sein – das freilich in alter Tradition auch aus ganz anderer Richtung, als baldiges Weltenende durch das Jüngste Gericht, gedeutet wurde. Die Verwaltung differenzierte sich und wurde kollegialer. Besondere Aufmerksamkeit richtete man auf die Finanzen. In Summe, am öffentlichen Horizont zeichnete sich der heute sogenannte frühmoderne Staat ab. Der Trend der Epoche verlief in Richtung neuer Rationalität. Daher passten vergangene Heroen, besonders Einzelkämpfer und Kriegshelden, eigentlich nicht mehr in das politische Denken der Zeit. Ein Diplomat war und ist üblicherweise kein Held, sollte es auch nicht sein. Oder um es mit Max Weber in seiner Religionssoziologie zu formulieren: die „Irrationalität der Aventiure und des Verhängnisses“ (1980, 256) war ordnungsfremd. Dennoch scheinen in den Jahrzehnten um 1500 alte, eben individualisierende Heldengeschichten großen Anklang 126
Maximilian – Held aller Helden?
gefunden zu haben. Das Sammeln von vergangenen kühnen Taten lag im Trend des Humanismus, der sich nicht nur den Heroen der Antike, sondern bald auch jenen der eigenen Regionen zuwandte. Auch Maximilian ließ alte Heldenmären beharrlich sammeln, vielmehr Burgen und administrative Bauten wie das Bozner Amtshaus (Schneider 2008, 21 f.) damit schmücken oder deren Fresken wiederbeleben. Er insistierte geradezu auf der Niederschrift des später sogenannten Ambraser Heldenbuchs (Weihnacht 1979, 470, 483). Und er nannte dafür sogar einen weiteren Grund: um die istori-Gemälde wie auf Runkelstein erneuern (Regesta Imperii XIV, 4, 1 n. 16338, Abs. 2), sie also besser verstehen zu können. War diese Epoche somit heldensüchtig? Anscheinend deren Elitegesellschaften. Ohne hierin sich in zeitgenössischen Moralismen verhängen zu wollen: ein deutliches Bedürfnis zu gefallen wurde sichtbar. Solche Körperbetontheit hatte Johan Huizinga (1975, 50) bereits für das 15. Jahrhundert hervorgehoben. Huizinga brachte dazu den Traum- und Projektionsdiskurs, wie er um 1900 vorherrschte, in seine Deutungen ein. Demnach zählten ebenso Heldenlieder oder volkssprachliche Heldenepik zum „schönen Schein“ (Huizinga 1975, 50) des Zeitalters, besonders der höfischen Gesellschaft. Das neue und allgemeine Interesse an Körpern brachten Künstler deutlich zum Ausdruck. Es entsprach einem gesteigerten Bewusstsein oder umgekehrt – so würden derzeit, unter ihren Prämissen, auch einige Hirnforscher die Renaissance vermutlich deuten. Körpergestaltung wie Bodystyling und -building aber kann (muss natürlich nicht) Heldendenken erzeugen und formen. Tatsächlich schrieb sich eine figurbetonte heroische Mentalität gerade der adeligen und aufstrebenden politischen Elite bis weit in das Abb. 59: Zeichnung im Gebetbuch Maximilians von Albrecht Dürer (1515), 16. Jahrhundert fort. hybrider Krieger aus Sumatra-Brasilien: Noch ein anderer Grund oder Hinweis für Kohärenzen der exotische Held und der edle Wilde. zwischen der Renaissance und Heldenmentalität wäre zu nennen. Wie erwähnt haben bereits die Geisteswissenschaften des 19. Jahrhunderts die rückblickende und vergleichende Renaissance mit dem neuen Streben nach Individualität und Freiheit, insofern auch mit der beschleunigten Monetarisierung der Gesellschaft verknüpft. Falls es ihn so gab, sublimierte ein solcher profilreicher, selbstbewussterer Renaissancemensch, ein uomo geniale oder universale, herkömmliches 127
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Heldenverhalten. Gemäß Zeitgeist war ein neuer, zivilisierter Heroe ein homo proactivus, nicht contemplativus oder gar reactivus, ein zielstrebiger Nimmerruh wie Leonardo. Wohl auch deshalb war dieses Selbstbild als strahlendes, etwas egozentrisches Individuum jenem des alten, kraftstrotzenden und schlagfertigen Recken verwandt.
Kaiser Maximilian und seine Heroen Wenn wir dies alles zu bündeln versuchen, so war es durchaus folgerichtig, wenn zeitgenössische Fürsten möglichst viele dieser alten Krafthelden um sich versammeln und sie kunstvoll miteinander verschränken ließen – gleich, aus welcher Zeit oder Gegend sie stammten. So auch Maximilian. Recht deutlich ist dies im Konzept seiner Grabeskirche (Schauerte 2011) zu erkennen. Neben ruhmreichen männlichen und weiblichen Verwandten, heiligen und profanen Heldinnen und Helden sollten ihm genauso die ehernen Abbilder von antiken und späteren heroischen Vorgängern im Kaiser- und Königtum das letzte Geleit geben. Eine solche, häufende Vorstellung und Praxis setzte sich anscheinend durch und verbreitete sich bis in das ferne Lateinamerika. Dort hybridisierte und glokalisierte sich die Renaissance der klassischen Helden; wie im Kloster San Francisco in Mexiko Stadt, im Kenotaph Karls V., der damals soeben verstorben war. Das Grabmal versammelte eine Schar von Göttern, Helden und Herrschern: so Jupiter, Herkules, Huitzilopochtli und Cäsar, Alexander VI., Ferdinand von Aragon, Atahualpa und weitere mehr (Roeck 2017, 905). Aber genügte dies alles, um vergangene Taten außerdem kühn in verporgner gestalt zu „verkleiden“ (Müller 1982, 111), auf zwar durchsichtige „poetische Art“ (Fürbeth 2009, 155) zu instrumentalisieren; vielmehr, um sie von Grund auf zu erfinden? Ein bayerischer Chronist, der sein Handwerk ernst und streng nahm, schrieb vorsorglich an den Rand eines solchen Textes: es sei alles erdicht. Wie auch immer: eine solche wohl auch augenzwinkernde Insistenz wie jene Maximilians spiegelte eine zeitgenössische Krise, besonders der adeligen, monarchischen Gesellschaft und des Königtums wider. Insofern dienten Heroen, heldisches Gehabe und Heldenmären der eigenen Legitimation. Die ständische Ordnung schien sich um 1500 zu verkehren, dunkle Prophezeiungen verunsicherten. Deshalb sollten alte und neue Helden ablenkend gegenwirken. Oder europäisch betrachtet: die politisch eher ruhigen Zeiten eines Kaisers Friedrich III. schienen vorbei zu sein. Es entstanden ungewohnte Verflechtungen und Abhängigkeiten, partizipative Bewegungen der Bürger bis hin zu den gewaltsamen Aufständen auf dem Land gerade im früheren 16. Jahrhundert, dann die Reformation. Der neuen Adelskritik hatte sich ebenso König Maximilian zu stellen. Die Gleichheit aller Menschen seit Adam und Eva sowie im Tod erkannte er an – ihn habe 128
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Gott aber auserwählt, ihm als König eine besondere Ehre gegeben. Dasselbe Wirken der Vorsehung nahm er offenbar auch für seine Rolle oder Aufgabe als Heroe an. Ähnlich hatten bereits die Griechen ihre Wettkämpfer gedeutet: deren Kräfte stammten von den Göttern, diese griffen ein und führten zum Erfolg (Nitschke 1981, 195). Insofern bildeten ‚Götter, Helden und Könige‘ sinngemäß nach wie vor oder wieder eine gängige Wortfolge. Solche neuen Herausforderungen oder gefährlichkeiten (Füssel 2003) drohten zudem durch den Wandel des Kriegswesens wie durch die Erfindung der Armbrust und überhaupt die Feuerwaffen. Maximilian stellte sich ihm und wurde in dieser Kriegsführung ein guter Kenner, vor allem der Artillerie. So stieg er in der Schlacht bei Guinegate 1479 vom Sattel ab und focht zu Fuß (Wiesflecker 1971, 148). In den Niederlanden hatte er den damals modernsten Geschützpark (Marti 2008, 323) kennengelernt. Auch in seinem autobiographischen Werk vermittelte er sich mehrfach als Helden der neuartigen, wunderbaren Geschütze. Aber musste um 1500 ein König überhaupt ein Held sein? Soweit ich sehe, eigentlich nicht oder nicht mehr. Zwar erschien Louis XII. auf Abb. 60: Zeichnung im Gebetbuch dem venezianischen Schlachtfeld als strahlen- Maximilians von Albrecht Dürer (1515), der gepanzerte, heilige Held: Georg mit der Feldherr und siegte. Allerdings sah sich dem erlegten Drachen. Maximilian als Anweiser anderer Könige, folglich sollte er eben auch im Feld und sonst an Abb. 61: Zeichnung im Gebetbuch Maximilians von Albrecht Dürer (1515), Geschicklichkeit überragen. So trug er Baje- Herkules, Held aller Helden, bezwingt zid II. einen Zweikampf an (Wiesflecker 1975, den Nemëischen Löwen. 156) – ein unfaires Ansinnen übrigens, da der osmanische Sultan deutlich älter war. Nun betraf die erwähnte Sozialkritik seiner Zeit zwar nicht seine Rolle als Kaiser. Wohl aber gefährdete die verstärkte oder strenggenommen erste Globalisierung um 1500 den kaiserlichen Vorrang (Kleinschmidt 2008), zumal sie kaum lenkbar war und mehr zufällig verlief. Demnach erfassten die neuen Herausforderungen, das ‚heidnische‘ Osmanische Reich und der Globalisierungsstress, wenn wir so wollen, 129
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auch oder gerade den Kaiser und dessen Rollen, wie als Oberhaupt aller christlichen Herrscher. Oder eurozentrisch gesehen: ein Wandel ‚weltweiter‘ Führungsideale und monarchischer Werte, ein neuer Wettstreit der europäischen Könige setzten ein. Daher hatte sich selbst ein Kaiser neu zu erfinden. Im Zuge solcher Veränderungen sah sich ein Ferdinand als König von Aragon und Regent von Kastilien bereits als Beherrscher der Meere. Der russische Großfürst hatte schon unter Kaiser Friedrich III. den Zarentitel angenommen, Maximilian erkannte ihn fallweise an (von Reiche 2002). Später versuchten Karl V. und Gattinara, der Krise durch die Idee eines universalen Kaisertums zu begegnen: das bekannte plus ultra, Karls Devise, wies auf die Räume jenseits von Gibraltar hin. Schon Maximilian hatte hierzu eine Herrschaft der 1500 Inseln zu propagieren versucht und dies über seine Mutter mit seiner portugiesischen Verwandtschaft begründet. Der Kaiser somit als Verlierer, als Opfer der Globalisierung, und wie reagierte er? In diesem Umfeld können wir eine Reihe von ‚großen‘ Gesten und Taten Maximilians beobachten. Letztlich konnte ein römisch-deutscher König einen solchen Wettbewerb unter Monarchen nicht gewinnen, selbst mittels Italien nicht: Italien gehöre ihm (und nicht dem französischen König oder anderen), quae mea est, betonte Maximilian. Jedoch war der Handlungsspielraum Italiens und seiner Staaten durch die Expansion des Osmanischen Reiches im Mittelmeer deutlich eingeschränkt. Wohl auch deswegen ‚provinzialisierte‘ sich Maximilian und zog sich mehr auf Europa zurück: denn zum Unterschied von seinen Standesgenossen konnte sich der Habsburger auf Schaumünzen tatsächlich Herr über zahlreiche Provinzen Europas nennen (Noflatscher 2011b, 20). Unter den europäischen Königen verklärte sich der verunsicherte Kaiser zudem als überragender Held, wie bezüglich der schroffen Berge. Er war stolz, auf dem höchsten Gebirge Europas, den Alpen – „auf dem höchsten gepirg Europia“ (Egg und Pfaundler 1992b, 62) – gewesen zu sein. Maximilian bezog sich hierin auf den Gepatschferner in den Ötztaler Alpen. Der Gletscher erstreckt sich heute auf einer Fläche von rund 18 Quadratkilometer. Dort habe er – da auf dem riesigen Schneeund Eisfeld auf einer Höhe von rund 3000 Metern – das Erdreich, also die Erde nicht mehr berührt. Dieser Hinweis sollte wohl an Alexanders des Großen Luftfahrt oder Himmelsreise erinnern, der damit „glaubte, dem Himmel nahe zu sein“ (LuckHuyse 1997, 121). Unter seinesgleichen verfeinerte sich der Großmonarch auch als Held oder edler Wilder des Waldes, der Jagdtiere, Vögel und Pflanzen. In seiner Innsbrucker Hofburg am Rennweg ließ er den zweiten Stock erhöhen und zu einem großen Saal gestalten. Diesen sowie ähnlich die eine und andere Burg auf dem Land ließ er mit Bäumen und Wäldern, Jägern und Geflügel ausmalen (Werkner 1982, 119). Insofern betrat Held Maximilian 1496 in Genua auf seinem Italienzug auch ein Schiff, um zudem als Herr des Meeres gegen das störrische Florenz in Richtung Livorno zu segeln, 130
Maximilian – Held aller Helden?
und er hat diese gefährlichkeit fast nicht überlebt. Die Venezianer wiederum schätzten dieses Verhalten zwar als wagemutig, freilich als unklug und darum als eines Kaisers unwürdig ein1. Hierin zeigten sich wiederum die Diskrepanzen zwischen heldenhafter âventiure und Weber’scher Rationalität. Aber wie stand es, wirklich gesehen, mit der Konkurrenz der nichtchristlichen großmächtigen Herrscher? Faktisch gaben Maximilians deutschsprachige Zeitgenossen dem Sultan in Konstantinopel den Titel eines Kaisers. Der chinesische Kaiser war dem Habsburger ansatzweise über entsprechendes Wissen in Italien und die Erzählungen Marco Polos bekannt: der Milione war gerade während seiner niederländischen Regentschaft 1485 in Antwerpen in einer frühen Ausgabe erschienen. Gegenüber diesen Herausforderungen stilisierte sich Maximilian mit Christus als dem König aller Könige und stellte sich so auch über die heidnischen Herrscher. Ein Vorbild dafür war ihm der mythische, christliche Priesterkönig Johannes im fernen Indien oder Äthiopien, der ebenso „herre aller künige“ (Amann 2007, 134) gewesen war. Folgerichtig erhöhte er sich Abb. 62: Zeichnung im Gebetbuch in den allerletzten Jahren auch als Makler der Maximilians von Albrecht Altdorfer (1515), großen christlichen Konflikte, als Friedenskai- Herkules (Maximilian), müde, alt und zerschlissen. ser – eine Rolle, die ihm neben dem Papst soweit zustand. Ähnlich hatte der Papst bereits 1494 die neuen erdumspannenden Konflikte zwischen Maximilians Verwandten in Portugal und Spanien durch einen weltweiten Teilungsvertrag zu lösen versucht. Was lag daher näher, als alle Helden dieser Erde um sich zu versammeln? Zudem: höfische oder humanistische Adulatoren wie Celtis priesen Maximilian als weitaus stärker als Herkules (Müller 2009, 5 f.), den antiken Helden aller Helden, vielmehr als divus, göttlich. Daher unterstützte auch Maximilians „heldenpuech“ oder „rysenpuech“ (Weihnacht 1979, 478, 481 f.) diese vereinnehmende Strategie. Langfristig, aus der Sicht speziell des wissenschaftlichen Gedächtnisses gesehen, behielt der 1 Regesta Imperii XIV2 n. 4517; Chronicon 1738, Sp. 39.
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verunsicherte Großkönig damit sogar Recht: in dieser prunkvoll gestalteten Handschrift haben sich gleich mehrere Geschichten von Helden als Unikat erhalten, wie wir heute leider wissen. Aber wie fand Maximilian zu dieser Strategie? Bereits die Burgunderherzöge Philipp der Gute und Karl der Kühne hatten solche Heldenlieder und Chroniken gesammelt und sie in repräsentativen Handschriften darbieten lassen. An ihren Höfen ahmten Tafel- und Ritterspiele mit Heldenrollen antike Historien nach. Die Säle und Kriegszelte schmückten Tapisserien, auf denen Götter und Heroen zu bewundern waren (Franke und Welzel 2008, 55 f.). Maximilian lernte dieses Ambiente während seiner niederländischen Zeit kennen. Aber auch von Herzog Sigmund von Tirol, seinem Vetter, ist ein Reckenbuch bekannt (Janota 1978, Sp. 326). Vor allem Maximilians Schwiegervater Karl hatte sich wiederbelebtes Antikes von italienischen Fürsten wie den Sforza angeeignet. So stellte sich – wie sinngemäß später Maximilian – ein Francesco Sforza als mitten unter antiken Feldherren sitzend dar (Bertelli et al. 1985, 21). Der herre aller künige hatte somit den Vorteil, für seine eigene Inszenierung oder Erfindung aus zwei oder eigentlich drei Quellen schöpfen zu können: aus einer gewissen humanistischen Tradition am Hof seines Vaters, später vor allem aus der reichen burgundischen Rezeption sowie über seine zweite Frau Bianca Maria unmittelbar aus der Renaissancebewegung in Italien – sofern die finanziellen Mittel reichten. Insoweit vereinte Maximilian „zwei Renaissancen“, falls wir der These einer italienischen und niederländischen Renaissance folgen; oder wohl besser: Maximilians Hof hatte wegen seiner personellen Zusammensetzung und seiner Reisetätigkeit von den Niederlanden bis nach Italien beste Chancen eines „kulturellen Austausches“ (Burke 1998, 71–74). Es galt aber nicht nur, alle greifbaren Helden und Heroen um sich zu versammeln, sondern die besten bei sich zu haben. So sind in Schloss Runkelstein bei Bozen die jeweils drei Besten oder Stärksten unter den Helden, Rittern, Riesen und weiteren Triaden abgebildet (Torggler 2016). Auch hierin setzte ein neuer Wettlauf ein. Nächst der Westminster Abbey stellte man noch 1953 (Elizabeth II, 2018) eine ganze Reihe von furchterregenden mythischen Tieren auf. Sie sollten als loyale, gezähmte beasts den Krönungsakt Königin Elizabeths beschützen. Als Vorbilder der mannshohen Skulpturen hatten die zehn Bestien Henry’s VIII. in Hampton Court gedient. Unter solchen Tieren und Bestien führte ein Kaiser neben anderen Fürsten den Helden der Lüfte, den Adler, und diesen sogar in doppelter, janusgesichtiger Ausführung im Wappen. Nicht ohne Kritik. Der bürgerliche Erasmus konterkarierte diese Wahl, indem er den Adler als räuberisch und kampfeslustig beschrieb (Erasmus 1981, Zl. 383 f.). Unter den menschlichen Helden wiederum zählten bei europäischen Fürsten im weiteren Sinn der unschlagbare Herkules, im engeren politischen 132
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Sinn der Ländereroberer Alexander und Cäsar zur ersten Wahl. Vor allem Herkules wurde beliebt. Der Gestalt des Herkules hatten sich seit dem 12. und 13. Jahrhundert Städte wie Venedig oder Florenz bemächtigt. Karl der Kühne (Franke 2008, 304) und sein Schwiegersohn, der spätere Kaiser, nahmen den Stadtstaaten dieses Vorbild sozusagen ab – sinnigerweise stiegen die Florentiner auf David um. Die französischen Könige vermarkteten Herkules jedoch ebenso. Insofern zählte dieser Heroe künftig mehr zum adeligen, aristokratischen Narrativ. Maximilian wiederum verengte Herkules (Silver 2008, 127 f.) teils protonational und inszenierte sich – zumal als König – auch als Hercules Germanicus. Hier wurden Ansätze des späteren Helden ‚fürs Vaterland‘ sichtbar. Maximilians Enkel und Nachfahren verstärkten den Kult um Herkules. Aber auch Alexander diente weiterhin als ein wichtiges Vorbild und sollte es bei den Habsburgern bis in das späte 16. Jahrhundert bleiben (Noflatscher 2011a). Um abschließend noch die Perspektive zu wechseln: wie waren die Außenbilder des Kaisers, aus Sicht seiner (zeitweiligen) Gegner? Louis XII. charakterisierte ihn einmal als einen nebensächlichen Dummkopf, somit als das Gegenteil eines Helden, da er nur von Krieg rede, ohne ihn führen zu können – dazu war Machiavelli anderer Meinung. Der cholerische Julius II. nannte Maximilian ein blödes Schaf und dummes Kind, das man leicht steuern könne: rückte er ihn damit in die Nähe eines fantastischen Helden, eines Orlando furioso (Ariosto 1516)? Maximilian entgegnete und nannte den Papst einen Säufer. Julius wiederum quittierte, jener werde nicht einmal mit einem Fässchen Wein fertig (Hollegger 2005, 251–254). Wie auch immer, und wenn wir den Ausfall mit einer zeitgenössischen Metapher positiv wenden: der groß kaiser, wie ihn Holbein d. Ä. einmal nannte (Lieb und Stange 1960, Abb. 335), war demnach kein Kannenheld oder riter der krausen. Seine Tochter Margarete, Machiavelli und viele andere Gesandten wiederum kritisierten bzw. fürchteten Maximilians – vielfach wohl gespielte – variabilité (Gachard 1852, Nr. 543), die wankelmütige Unberechenbarkeit in der Diplomatie und Politik. Bereits in den Niederlanden hatten Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies des jungen Maximilian Verstellung, leichtfertige Versprechen und somit würdelose Unverbindlichkeit gerügt. Außerdem warnten ihn seine Ordensbrüder vor tollkühnem und für ihn gefährlichem Wagemut im Feld (Sterchi 2005, 436 f.). War Maximilian daher ein „Alter Redlicher Teütscher Held“, wie im Dreißigjährigen Krieg Philander von Sittewalt (1643, 357) die alten Helden zweideutig beschrieb? In der politischen Praxis sicher nicht.
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Ausblick Aber wie ging es weiter? Vorwiegend Monarchen und ihre Gesellschaften pflegten fernerhin die Geschichten antiker und jüngerer Helden. Wie im Bildungswesen der Universitäten setzte auch in der Spätrenaissance eine sogenannte Aristokratisierung ein. Insofern wirkte die Renaissance auch hierin traditionsbildend. Die Reformation und die Konfessionalisierung bzw. die Reformatoren (im weiteren Sinn) färbten die antiken Heroen nicht wesentlich um. Auch sie beließen den Fürsten ihre alten Heroen und jüngeren Recken. Freilich trat ihre Bedeutung zurück. So war es wohl kein Zufall, wenn in einem Index zur ‚Höfischen Gesellschaft‘ des Norbert Elias (1981) das Lemma ‚Held‘ fehlt. Der Autor thematisierte in seinem Werk mit dem Schwerpunkt auf dem 17. Jahrhundert das Thema nur mehr am Rande. Im Sinn rationaler Politikgestaltung war in Frankreich das Duell verboten worden. Zweikämpfe zwischen Fürsten wurden auch gedanklich obsolet. Gleichwohl bot König Henri von Navarra, der spätere Vater des Religionsfriedens mit den Hugenotten, dem Herzog von Guise 1585 noch einen solchen an (Elias 1981, 225). Eine überragende Gestalt blieb Herkules, wie noch für Kaiser Karl VI. und sein Selbstbild. Hingegen verschwand im 17. Jahrhundert der Hofnarr zugunsten der distanzierten Würde des Monarchen. Überhaupt verlor das traditionelle, christliche Kaisertum im Konzert der europäischen Mächte stark an Bedeutung, es wurde pluralisiert. Das Ende ist bekannt, Kaiser Franz legte 1806 dessen Krone des Heiligen Römischen Reiches nieder. Dadurch war eine Erfindung als Kaiser hinfällig und grundlos geworden.
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Ein moderner Heldenkaiser Maximilians Theuerdank als frühneuzeitliches Heldenbuch1
Kaiser Maximilian, von späteren Jahrhunderten als ‚der letzte Ritter‘ bejubelt, schuf seine eigene Version des Ritterepos: den Theuerdank (1517).2 Aufwendig illustriert von einer Gruppe führender Künstler aus Augsburg, wurde dieses Projekt vom Kaiser selbst aufmerksam verfolgt, aber auch vor Ort von seinem loyalen Berater, dem gebildeten Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger, beaufsichtigt.3 Als Hommage an das mittelalterliche Buch ahmte der Text, zusätzlich zu den zahlreichen Holzschnitten, die jede Episode der Heldengeschichte begleiten, die berühmte Kanzleischrift nach: Er wurde mit einem neuen Frakturschriftsatz nach der Kalligraphie des Schreibers Leonhard Wagner gedruckt, der für den Gebrauch ausschließlich Maximilian vorbehalten war.4 Die Lettern wurden nach exakten Anweisungen des Druckers Hans Schönsperger geschnitten und umfassten verschiedene Varianten jedes Buchstaben mit beweglichen Schnörkeln. Auf diese Weise wurden die Unregelmäßigkeiten und Variationen handgeschriebener Texte nachempfunden. Als die Holzschnitte koloriert wurden, geschah das ebenfalls in der Art mittelalterlicher Miniaturen (Abb. 63, Theuerdank, Kap. 102). Um welche Art von Geschichte es sich beim Theuerdank handelt, erläutert der ursprüngliche Herausgeber des Textes, Melchior Pfinzing, in seiner einführenden Widmung an den zukünftigen Kaiser Karl V., den Enkel Maximilians: Eines loblichen Teüern unnd hochberümbten Helds unnd Ritters mit Namen herr Teuerdannckh geschicht history und getatten […] in form mass und weis der heldenpücher (als vormalen durch vil beschehn ist) in verporgner gestalt zubeschreiben. (Theuerdank, 139)
1 Die deutsche Übersetzung aus dem Englischen hat Alexandra Ohlenschläger besorgt. 2 Zitate aus dem Theuerdank in diesem Aufsatz nach der Ausgabe von Haltaus 1836 (online). Faksimiles mit Kommentar: Laschitzer 1888; Musper 1968; Füssel 2003. Zum Stellenwert der Literatur für Maximilian siehe Müller 1982, bes. 108–130, 159–169. 3 Zu Maximilians Projekten und Peutinger siehe Silver 2008, 1–40, zum Theuerdank ebd., 7. Zur Rolle Hans Burgkmairs in diesem und anderen Projekten siehe Silver 2012 mit weiterer Literatur. Andere bedeutende Künstler der Stadt waren Leonhard Beck und Hans Schäufelein, ebd., 285, Nr. 73. Siehe auch Musper 1968, 13–21 und Füssel 2003, 42–46. 4 Fichtenau 1961; Wehmer 1962, 244–275; Geck 1968, 23–27.
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Abb. 63: Theuerdank (kolorierter Druck auf Pergament, 1517), Theuerdank besiegt einen Ritter im Fußkampf (Kap. 102).
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Der Prinz, als der erste anvisierte Leser, sollte von dem Werk inspiriert werden „und darbey leer und underweysung nehmen“ (Theuerdank, 139).
Die Geschichte und Abenteuer von Theuerdank Die Geschichte des Titelhelden ist gleichsam der Inbegriff des höfischen Romans. Seine Reise gilt zwar seiner Braut, der edlen Prinzessin Ehrenreich, doch während er unterwegs ist, widerfährt ihm durch den Einfluss seiner unzuverlässigen Begleiter Fürwittig, Unfalo und Neidelhart eine Reihe von Unfällen und Missgeschicken. Deren Namen enthüllen bereits, wie es bei allen Figuren in der Verserzählung der Fall ist, ihren schändlichen Charakter (Plautus: nomen est omen). Sie geben sich als Gesandte vom Hof Ehrenreichs aus, wollen dem Helden aber in Wirklichkeit schaden und verschwören sich als seine Feinde gegen ihn, geleitet von einem ‚bösen Geist‘. Der Reihe nach bringt jeder von ihnen Theuerdank in lebensbedrohliche Situationen, denen der Held jedes Mal, wenn auch knapp, entkommt, oft Abb. 64: Theuerdank (Druck, 1519), Theuerdank wird bei der Jagd von einem nur durch seine körperliche Leistungsfähig- Eber angegriffen (Kap. 61). keit. Der Großteil dieser Gefahren entsteht aus angesehenen Betätigungen des Adels heraus, die einem solchen Helden angemessen sind und auch zu den bevorzugten Beschäftigungen Maximilians gehörten, insbesondere die zahlreichen Jagden.5 In diesen konnte man zu Friedenszeiten seine kriegerischen Fertigkeiten unter Beweis stellen: Reiten, Mut und Schießkunst. Meistens – in 15 der sogenannten Aventiuren – sind in Theuerdanks Jagden Gämsen die Beute, deren Lebensraum in den Bergen auch seine Fähigkeiten im Überwinden von schroffen Gipfeln und Schluchten auf die Probe stellt. In anderen Jagden werden bedrohlichere Tiere verfolgt: acht Eber (Abb. 64, Kap. 61), drei Bären und fünf Hirsche und sogar zwei Löwen (Theuerdank, Kap. 16, 42).
5 Zu Maximilians Vorlieben siehe Silver 2008, 169–182; Michel und Sternath 2012, 314 f., Nr. 90; Schack 1963; Dörnhöffer 1897, 1–55.
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Weitere Gefahren betreffen unzuverlässige Transportmittel, ob scheuende Pferde (Kap. 47, 51, 54) oder Schiffe, die im Sturm sinken (Kap. 32, 43, 46, 64, 72). Defekte Waffen stellen ebenfalls ein Risiko dar, wie schadhafte Armbrüste (Kap. 34, 44) und mehrere explodierende Kanonen oder Musketen (Abb. 65, Kap. 39, 50, 57), die den Helden gefährden. Explodierendes Schießpulver taucht auch in zwei arrangierten Unfällen auf (Kap. 58, 60), und durch Neidelhart wird Theuerdank feindlichem Beschuss ausgesetzt (Theuerdank, Kap. 76, 78, 79, 80). All diese neueren Technologien stellen natürlich eine Modernisierung der Waffen dar, wie sie in den traditionellen mittelhochdeutschen Ritterromanen verfügbar sind (in erster Abb. 65: Theuerdank (Druck, 1519), Linie Klingen). In jenem Teil der Geschichte, Theuerdank entgeht nur knapp den in dem Neidelhart auftritt, zeigt Theuerdank Splittern einer explodierenden Kanone (Kap. 50). jedoch ebenso das althergebrachte ritterliche Können in der Schlacht: er stellt sich sowohl Duellen (Theuerdank, Kap. 77, 83) als auch Turnieren6 und beweist bei Angriffen seinen Mut, wobei allerdings in den geschilderten Kämpfen die frühneuzeitlichen Techniken von Stadtbefestigungen und Belagerungen vorkommen.7 Das Erbe der ritterlichen Bräuche liegt auch dem Erzählrahmen des Theuerdank zugrunde, von der anfänglichen Abreise vom Königshof seines Vaters bis zum Schlussteil, in dem der Held am Hof Ehrenreichs angekommen ist und um die Braut wirbt (Abb. 66, Theuerdank, Kap. 98). Während der ganzen Reise wird er von seinem vertrauenswürdigen Gehilfen begleitet, einem Herold namens Ehrenhold. Als Theuerdank die Einladung erhält, Ehrenreich aufzusuchen, stellt er fest, dass er eine solche Aufforderung von literarischen Vorbildern kennt: „Dann yetz ist komen der tag, / Das Ich wol bewern mag / Das, so Ich aus den Chronicken / Gelernt hab unnd historien.“ (Kap. 8.45–48). Doch er will auch die Gunst der Braut gewinnen und sie nicht sehen, bevor er sich durch seine Taten vor ihr verdient gemacht hat: „Ich voel Sy nicht beschawen, / Ich hab dann vor souil than / Güter sach, das Sy moeg han / Mich zü der Ee mit eren.“ (Kap. 8, ll. 50–54). Im folgenden Kapitel (Kap. 9) weist ihn sein Vater an, sich als rit6 Theuerdank, Kap. 81, 82, 84, 86, 87, 88, 90, 91, 93, 94. 7 Duffy 1996; allgemein: Vale 1981, bes. 129–146; Parker 1988.
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terlicher Held (Kap. 9.27) zu beweisen, indem er „ritterlich tatt“ (Theuerdank, Kap. 9.31) vollbringt. Selbst das Übernatürliche tritt am Anfang des Textes in Erscheinung, in Gestalt des Teufels, der als Gelehrter verkleidet Theuerdank dreimal in Versuchung führt: mit dem Verlangen, dem Ruhm und der Macht. Theuerdank weist diese jedoch zurück und entscheidet sich stattdessen für die Tugenden Vernunft, göttliche Ehre und Gerechtigkeit. Im Schlussteil, als Theuerdank am Hof Ehrenreichs angelangt ist, nimmt er nach dem herzlichen Empfang durch die Heldin die Herausforderung eines Turniers mit Lanzen und Schwertern an und bezwingt erfolgreich seine Gegner. Ehrenreich zeichnet ihn mit einem Lorbeerkranz (laurus) aus, der als kostbarer als Silber oder Gold gilt:
Abb. 66: Theuerdank (kolorierter Druck auf Pergament, 1517), Ankunft Theuerdanks am Hof Ehrenreichs (Kap. 98).
Unser vorfarn haben die Cron / Gar vil für kostlicher gehon, / Dann Silber oder das gold rot. / Wer ein erlich sach gethan hot, / Unnd hie auf der erden sein zeit / Verschliessen mit krieg unnd in streyt, / Erlich aus Ritterlichen müt / Vor allen schanden hat behüt, / Den haen Sy begabt damit, / Mit Eren nach der Romer syt. (Theuerdank, Kap. 107.13–22).
Als Ehrenhold ihr die ganze Geschichte der Reise erzählt hat, welche er selbst in einem Buch wie dem Theuerdank festgehalten hat, werden die drei böswilligen Hauptleute Fürwittig, Unfalo und Neidelhart verurteilt und hingerichtet. Fräulein Ehrenreich erkennt ihren Helden als „khüene mann an“ (Kap. 113.8), der dem Tod getrotzt und „der welt eer“ (Kap. 113.19) verdient hat. Doch erst, wenn Theuerdank sein Gelöbnis erfüllt hat, im Namen der „goettlich eer“ (Kap. 113.48) ein großes Heer im Kreuzzug gegen die Ungläubigen anzuführen, werden er und seine Gemahlin vereint sein. In Kap. 115 bekräftigt ihn ein Engel – ganz wie am Anfang seiner Abenteuer ein Teufel ihn in Versuchung führt – in seinem Entschluss zum Feldzug. Der vorletzte Holzschnitt, ein Werk Leonard Becks (Abb. 67, Theuerdank, Kap. 117), zeigt den jungen Ritter im Profil, wie er unter dem Banner des Heiligen Georg reitend mit seinem Heer aufbricht.8 8 Die Komposition orientiert sich an Hans Burgkmairs Holzschnitt mit dem Reiterporträt im Profil, geschaffen 1508 anlässlich der Kaiserkrönung, welches von einem Bild des berittenen Heiligen Georg er-
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Abb. 67: Theuerdank (kolorierter Druck auf Pergament, 1517), Theuerdank an der Spitze seines Heeres (Kap. 117). Abb. 68: Theuerdank (Druck, 1519), Theuerdank auf Schwertern stehend (Kap. 118).
Das Buch endet mit einem Holzschnitt Hans Burgkmairs (Abb. 68, Theuerdank, Kap. 118), auf dem Theuerdank zu sehen ist, wie er auf 14 Schwertern steht, begleitet von Ehrenhold am linken Bildrand. Der Text stellt einen Ausblick in die Zukunft dar, in dem der Held erklärt, von Gott geschützt worden zu sein, sodass er große Taten für den Glauben vollbringen könne: Ich glaub, got hab im anfanng gewist,/ Das Er durch disen khüenen Heldt / Wel würcken noch in diser welt/ Vil sah, der Christenheit zügüt, / Darumb Er biszher hat behüt […] (Theuerdank, Kap. 118.54–58)
Als Leserin und Leser kann man erkennen, wie viele der Motive des Theuerdank von den ritterlichen und geistigen Werten der Heldenbücher abzuleiten sind oder von den, wie Maximilian sie bezeichnete, „guten alten istory“.9 Pfinzing erklärt in seinem Vorwort, dass Maximilians eigene Taten für die Aufnahme in den Theuergänzt wird – dabei handelt es sich um einen der ersten Drucke in Farbe; Michel und Sternath 2012, 348–353, Nr. 112–113; Landau und Parshall 1994, 184–191. 9 Silver 1986, 71–106. Maximilian finanzierte auch die Restaurierung der Wandmalereien auf Schloss Runkelstein, welche Szenen aus literarischen Werken darstellen; er besuchte den Ort 1501. Haug et al. 1982.
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dank leicht beschönigt wurden, und er fügte einen Clavis (Schlüssel) zur Identität der erscheinenden Personen hinzu, ergänzt mit dem Hinweis, dass die Übereinstimmung mit Vorbildern aus der mittelalterlichen deutschen Literatur angestrebt wurde: „in form mass und weis der heldenpücher (als vormalen durch vil beschehen ist) in verporgner gestalt zu beschreiben“.10
Das Genre des Theuerdanks und des Ambraser Heldenbuchs Jene Handschrift, die heute als das Ambraser Heldenbuch bekannt ist, wurde von Maximilian als Maßnahme der Bewahrung von Texten in Auftrag gegeben. Er wandte sich an einen professionellen Schreiber, um „ein puech in pergament zu schreiben lassen“.11 Bereits am 15. April 1502 drückte er diesen Wunsch in einem Brief aus, vielleicht in Bezug auf eine andere Sammlung von Quellentexten, aber schlussendlich wurde im Jahr 1504 der Bozner Kanzleischreiber Hans Ried (gest. 1516) mit der Aufgabe betraut.12 Das Buch nahm über zwölf Jahre hinweg seine Gestalt an und erhielt die Illustrationen Ende 1517, wie das auf f. CCXVr auf einem Randbild festgehaltene Datum verrät. Die 25 im Ambraser Heldenbuch enthaltenen Texte unterscheiden sich beträchtlich – von Heldenepen wie dem Nibelungenlied oder Dietrichs Flucht bis hin zu höfischen Romanen, oft in der Art des Artusromans, vielleicht sogar aus verschiedenen Textquellen entnommen und im Ambraser Heldenbuch zusammengefügt (de Boor 1979). Die ersten zwei Zeilen zweier einzelner Texte nennen explizit den Namen Arthurs13, und mehrere andere14 berufen sich auf Dietrich von Bern, der auch von Maximilian als sein Vorfahre betrachtet wurde (siehe unten). Wie erwähnt spielt der Theuerdank in einer Welt ohne Magie, Riesen oder Feen (obwohl ein Engel und ein Teufel in Erscheinung treten) und steht damit der Spielmannsdichtung, wie z. B. den Erzählungen um Dietrich von Bern, näher. Zugleich findet die zeitgenössische Realität mit ihren Jagden und ihrer Kriegsführung Eingang. Dennoch bleibt der Held ein chevalier errant, der die âventiure oder ritterlich tatt sucht, während er von Tieren, unerbittlichen Feinden und Turniergegnern bedrängt wird. Die Brautwerbung findet sich in mehreren bekannten mittelhochdeutschen Texten, die zum Kreis der Artusromane gehören, wie dem Iwein und dem Wigalois. Dass der Held am Ende der Geschichte von Fräulein Ehrenreich mit Lorbeer 10 11 12 13 14
Zitat nach Müller 1982, 111, siehe auch ebd. 111–115, 190–197. Faksimile: Unterkircher 1973; Wierschin 1976, 429–441, 493–507, 557–570. Unterkircher 1973, Kommentar, 5, 24, Regest, Nr. 6–8. Iwein, Nr. 3; Der Mantel, Nr. 6 und Erec, Nr. 7. (Diese Nummerierung folgt Unterkircher 1973) Ditetrichs Flucht, Nr. 8; Die Rabenschlacht, Nr. 9; Die Klage, Nr. 11. (Diese Nummerierung folgt Unterkircher 1973)
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gekrönt wird, stellt die modernere Variante des Ritterschlags in den Artusromanen dar. Schließlich gipfelt die geistige Suche des Helden in einem Kreuzzug, übereinstimmend mit dem christlichen Ethos etwa des Parzifal. Der Schwerpunkt des Theuerdank liegt nichtsdestotrotz auf dem weltlichen Ruhm und Beweisen der Tapferkeit, nicht auf der göttlichen Vorsehung.
Wahrheit oder Fiktion im Theuerdank Sowohl König Artus als auch Theoderich der Große (oder Dietrich von Bern in den deutschen Legenden über den ostgotischen König) waren für Maximilian von großer Bedeutung, nicht nur als Vorbilder von siegreichen und ritterlichen Königen, sondern auch als angebliche Vorfahren. Tatsächlich war Maximilian von der Dietrichlegende gleichermaßen fasziniert wie Kaiser Augustus von der Aeneis.15 Dementsprechend sind beide Sagenfiguren als ganzfigurige, überlebensgroße Bronzeplastiken unter den anderen fürstlichen und königlichen Vorfahren zu finden, welche das Kenotaph Maximilians in der Hofkirche in Innsbruck umgeben.16 Bezeichnenderweise wurden diese zwei Figuren von keinem Geringeren als Albrecht Dürer entworfen und von der Nürnberger Gießerei von Peter Vischer dem Älteren in Bronze gegossen (wofür allerdings in beiden Fällen der Nachweis fehlt).17 Die Texte, die Maximilian für das Ambraser Heldenbuch zusammenstellen ließ, fanden also ihren Widerhall in den anderen vom Kaiser in Auftrag gegebenen Kunstwerken. Die fließende Grenze zwischen Erfindung und historischer Tatsache – oder zwischen den beiden Bedeutungen des Begriffs ‚Geschichte‘ – bildete einen Teil seines Bestrebens nach dem literarischen oder visuellen Gedenken an seine Person, dem gedechtnus.18 Insbesondere stellten die Texte aus dem Ambraser Heldenbuch Vorbilder zur Verfügung, die Kaiser Maximilians Anspruch auf ritterliches Verhalten, Heldentaten und fürstliches Blut seiner Vorfahren beeinflussten. Si non è vero, è ben trovato. 15 Zu den nicht umgesetzten Plänen einer lateinischen Theodoriceis von Conrad Celtis siehe Müller 1982, 174; siehe auch die unveröffentlichte Bachelorarbeit von Martin 2010. 16 Die grundlegende Studie ist Oberhammer 1935; siehe auch Scheicher 1986, 359–426; Seipel 2002; Wood 2008, 306–325, bes. 324 f. 17 Erhalten ist Dürers Zeichnung von Prinz Ottoprecht (1515), dem halb-legendenhaften Sohn eines burgundischen Königs, der als der erste Habsburgerfürst galt (Berlin, Bronzefigur nie ausgeführt), Wood 2008, 319–321. Sie passt zu zwei Zeichnungen Dürers für Albrecht IV. (Liverpool, Berlin) und einer Holzfigur von Hans Leinberger, Michel und Sternath 2012, 360 f., Nr. 119. Ottoprecht (Odobert) und Artus gehören auch zu den Figuren, die um 1515 herum als Miniatur (Albrecht Altdorfer) und Holzschnitt (Hans Burgkmair) für die Triumphprozessionen Maximilians entworfen wurden. 18 Müller 1982, 191–203; Silver 2008. Zum schmalen Grat zwischen Geschichte und Fiktion siehe Wood 2008 und Martin 2010, 141–146; siehe auch Haug 2002, 115–131 und Spiegel 1993.
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B I L D E R U N D B U C H S TA B E N
Kristina Domanski
Zwischen Naturstudium und Dekor Kunsthistorische Bemerkungen zum gemalten Buchschmuck im Ambraser Heldenbuch1
Die künstlerische Ausstattung des Ambraser Heldenbuchs stand lange Zeit im Schatten der literaturwissenschaftlichen Forschung, die sich vorrangig auf die erstaunliche Anzahl der ausschließlich in diesem Sammelband überlieferten Romane, Epen und Mären konzentrierte.2 Doch auch die buchmalerische Ausstattung des Codex verdient Beachtung, denn die Randdekorationen präsentieren auf über 100 Seiten nicht nur eine Fülle von Motiven, sondern auch die Bandbreite jener künstlerischen Fragen, mit denen sich Maler und Illuminatoren in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts beschäftigten. Dass an der Ausstattung der Handschrift mehrere Künstler beteiligt waren, ist aufgrund stilistischer, maltechnischer und nicht zuletzt auch qualitativer Uneinheitlichkeit kaum zu übersehen. Locker auf dem Pergamentgrund verstreut und von einzelnen Goldpollen umspielt, finden sich Blumen und Kräuter, Vögel, Insekten und Vierbeiner, Putten sowie einige wenige ganzfigurige Darstellungen. Aus der Vielzahl der dekorierten Seiten stechen einige Pflanzendarstellungen von außerordentlich präziser Naturbeobachtung hervor, für die die zeitgenössische Kunstproduktion nördlich der Alpen nur wenig Vergleiche bereithält. Nicht zuletzt ihretwegen rückt bei der Frage nach dem Entstehungsort der Buchmalerei zuvorderst die Stadt Nürnberg in den Blick. Dort findet sich in der Nachfolge der Werkstätten Hans Pleydenwurffs und Michael Wolgemuts sowie im zeitgenössischen Umfeld Albrecht Dürers eine Reihe von Malern – vom sogenannten Pirckheimer Meister bis zu Nikolaus Glockendon –, zu denen sich stilistische und motivische Bezüge herstellen lassen. Damit wird keineswegs infrage gestellt, dass die Herstellung des Textes, d. h. die gesamte Schreibarbeit, durch Hans Ried in Bozen erfolgte. Die örtliche Trennung der einzelnen Arbeitsschritte, von Schreiben, Illuminieren bzw. Illustrieren und Binden, war eine durchaus übliche Praxis, zudem ist nicht nur für die Objekte, sondern ebenso für die Maler und Illustratoren mit Mobilität zu rechnen. 1 Der Beitrag präsentiert im Wesentlichen Forschungsergebnisse früherer Publikationen, vgl. den Eintrag Heldenbücher in: KdiH (Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters) 6 (2015) Nr. 53.0.4., 381–389, Taf. 53.Ib–53.II; Domanski 2014a, 271–282; Domanski 2014b, 249–255. Für großzügige Unterstützung bei der botanischen Bestimmung sei Dr. Heinz Schneider, Basel, herzlich gedankt. 2 Vgl. in jüngerer Zeit: Fritsch-Rößler 2007; Schubert 2008, 99–120.
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Abb. 69: Ambraser Heldenbuch, Frontispiz mit zwei gewappneten Recken, vielleicht Dietrich von Bern und Hildebrand (fol. V*v).
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Abb. 70: Ambraser Heldenbuch, Textbeginn (Frauenehre), Rankenbordüre mit verschiedenen Blüten, Streublumen, Gämsen und Bär (fol. Ir).
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Heldenhafte Ouvertüre: das Titelbild Beim Aufschlagen des Kodex treten dem Betrachter auf dem Titelbild im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis zwei gewappnete Recken in Harnisch entgegen (Abb. 69 und 70). Von den beiden Kämpfern, die sich auf ihre Schilde stützen, hält der Linke eine Stange, die typische Waffe der Riesen, während sein Gegenüber das blanke Schwert geschultert hat. Die beiden Gestalten, die Erich Egg vorschlagsweise als die Tiroler Riesen Haymon und Thyrsus identifizieren wollte (Egg und Pfaundler 1992a, 114), sind wohl eher in allgemeiner Weise als Verkörperungen der heroischen Protagonisten der Textsammlung zu deuten, fehlen ihnen doch aussagekräftige Attribute oder Wappen, die sie mit den genannten Sagengestalten verbinden würden. Außerdem handelt es sich bei dem Bildthema um eine typische Eröffnung für die Gattung ‚Heldenbuch‘, denn eine Versammlung von Hauptfiguren bildet auch in der dritten gedruckten Heldenbuchausgabe, die 1509 in Straßburg bei Heinrich Gran erschien, den Auftakt (Gran und Knobloch 2018, f. A1v; VD 16 H 1566). Während auf dem Holzschnitt Heinrich Grans unter den sieben Anwesenden mit einem Zwerg sowie einer nackten und einer bekleideten Dame auch spektakuläre Figuren zu sehen sind, beschränkt sich das Ambraser Heldenbuch an derselben Stelle auf eine sehr unspezifische Darstellung zweier Recken. Allenfalls die aus Granatapfelzweigen gebildete Ranke wie auch das Tiroler Wappen verweisen als individualisierende Attribute auf Maximilian I., den Auftraggeber und Adressaten des heroischen Sammelbandes. Die namenlosen Krieger als bildliche Ouvertüre des ‚Riesenbuchs‘, wie zeitgenössische Quellen den Sammelband wahrscheinlich seines Überformats wie auch des heroischen Inhalts wegen bezeichnen (Weihnacht 1979, 481), mögen daher vielleicht am ehesten als Exempel für die großartigen Vorläufer des Habsburger Herrscherhauses aufgefasst werden, wie sie Maximilian I. auch anderweitig in seine Genealogie einreihte, etwa die von Hans Burgkmair d. Ä. zwischen 1509 und 1512 geschaffene Genealogie Kaiser Maximilians I. Wollte man denn unbedingt in den beiden Helden konkrete Personifikationen sehen, läge wohl eine Identifizierung als Dietrich von Bern im Gespräch mit Hildebrand am nächsten, da diese zu den prominentesten Figuren der Heldenepen zählen. Der Ostgotenkönig Theoderich, den die Zeitgenossen als historische Entsprechung des Epenhelden Dietrich von Bern betrachteten, fand in ähnlich fantastischer Rüstung schließlich auch am späteren Grabmal Maximilians in Innsbruck Aufstellung – in Gestalt einer Bronzeplastik Peter Vischers.
Blütenpracht: ein Panorama zeitgenössischer Buchdekoration Nach dem ganzseitigen Titelbild mit den beiden namenlosen Helden folgt der Buchschmuck der Gliederung der literarischen Werke und dient damit in mittelalterli148
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cher Weise der optischen Strukturierung und der Orientierung des Benutzers. Gemeinsam mit den Initialen, für die reichlich Pinselgold verwendet wurde, und den in roter Tinte farbig abgesetzten Überschriften zeigt die malerische Dekoration den Beginn eines neuen Werkes oder einer Aventüre an. Jedoch ist bei der Verteilung der verschiedenen Elemente – der Pflanzen, Figuren und Tiere – über die Handschrift kein deutliches Muster zu erkennen (Abb. 71). Ebenso ist für die Verwendung der unterschiedlichen Dekorationsschemata, ob Rankenbordüre, Bas de page-Miniatur oder Naturstudie, keine systematische Abfolge zu entdecken. Bis auf die letzte Lage der Handschrift, die ab Blatt CCXV eine Sammlung von Mären enthält, scheinen Sujet, Umfang und Platzierung der dekorativen Elemente nicht in Zusammenhang mit den Erzählungen der Texte zu stehen. Nur für diesen letzten Teil des Codex lassen sich vereinzelt lockere Verbindungen zwischen den erzählten Inhalten und den dargestellten Sujets konstruieren (siehe unten). Über das ganze Manuskript aber verteilen sich Seiten, die mit Streublumen unterschiedlicher Gattungen in der Art der Gent-Brügger-Bordüren verziert sind. Allerdings sind die Blüten hier auf dem Pergamentgrund freigestellt und nicht – wie sonst üblich – in einen illusionistischen Rahmen eingebettet. Diese mitunter stark stilisierten Streublumen gehören meist zum traditionellen Repertoire der Buchmaler: Rose (Abb. 79, fol. CLVr), Margerite (Abb. 81 und 88, fol. CLXIIIv und CCXXVr), Veilchen (fol. CLXXXIIv), Borretsch (fol. CCXv) sowie Bittersüß und Gänseblümchen (fol. CCXIIv); ferner sind vereinzelte, einander stark ähnelnde Fantasieblüten dargestellt (z. B. fol. CCIXr, CCXVIIIr, CCXXXIVr). Die Streublumen sind in Kombination sowohl mit miniaturistischen Tierdarstellungen in der Art von Bas de page-Illuminationen (Abb. 81, fol. CLXIIIv) wie auch mit lebensgroßen Insekten zu finden. Die Kombination am rechten Blattrand von Blatt LIr (Abb. 72) bietet daher einen repräsentativen Querschnitt durch das Panorama der Motive, Maltechniken und Darstellungsweisen. Von oben nach unten sind dort zusammengestellt: ein miniaturhafter Vogel schwer bestimmbarer Art, eine Sumpfdotterblume (Caltha palustris) von naturalistischer Präzision mit leichten Goldhöhungen, eine Biene in Trompe l’œil-Manier, ein Falter mit illusionistischem Schattenwurf und eine eher schematische Streublume, die am ehesten als Abbild eines Kleinen Immergrün (Vinca minor) zu interpretieren wäre.
Abb. 71: Ambraser Heldenbuch, Wiesensalbei (Salvia pratensis oder sclarea), Meerkatze mit Birne und Elster (fol. XXVIv).
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Abb. 72: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Dietrichs Flucht mit Randdekoration. Sumpfdotterblume (Caltha palustris), dazu ein unbestimmbarer Vogel, eine Biene in Trompe-l’œil-Manier, ein Falter und eine Streublume, vielleicht ein Kleines Immergrün (Vinca minor) (fol. LIr).
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Im hinteren Teil, vereinzelt schon ab Blatt CLV, vor allem aber nach Blatt CC werden häufiger Blütenranken mit runden, stilisierten Windungen platziert, denen Insekten in natürlicher Größe, Vögel im Miniaturformat oder auch Putten in antikischen Posen beigegeben sind (Abb. 83, f. CCIIIv). Unter den vielen geschmückten Blättern hebt sich in etwa der Mitte des Kodex eine lose Folge von rund 50 Einzeldarstellungen blühender Pflanzen in annähernd natürlicher Größe ab, die sich wie schon die Sumpfdotterblume (Abb. 73) aufgrund ihrer naturnahen Wiedergabe und der Kombination mit maßstäblich passenden Insekten von der für die Zeit typischen Buchdekoration mit Zier- und Blütenranken deutlich abhebt. Nur in einigen Fällen sind dabei Gattungen abgebildet, die wie die rote Nelke (Dianthus caryophyllus) (Abb. 74, fol. CIIIr) in der Tafelmalerei eine lange Tradition besitzen, da sie in der mittelalterlichen Exegese mit dem christlichen Heilsgeschehen verknüpft und entsprechend ausgelegt wurden. Bereits seit Beginn des 15. Jahrhunderts breiten sich vereinzelt auf Altarretabeln zu Füßen der Heiligen Blumenwiesen aus, die präzise Naturbeobachtung mit exegetischer Metaphorik aufladen, wenn Bildthemen wie der Paradiesgarten, Maria im Rosenhag oder auch einzelne Heilige veranschaulicht werden. Typischerweise geben die Tafelbilder dabei – wie schon das Paradiesgärtlein eines oberrheinischen Meisters von 1410 bis 14203 – Form, Farbe, Textur und Disposition der Blätter, Blüten und Staubgefäße mit großer Genauigkeit und Detailbeobachtung wieder, während ihren Stängel ebenso wie bei der Nelke des Heldenbuchs ein paar unspezifische Grashälmchen verdecken. Weitere Beispiele für diese Darstellungstradition bietet das Heldenbuch mit einer Schlüsselblume (Primula veris) (Abb. 76, fol. CXVv), der Weißen Taubnessel (Lamium album) (fol. CXXVIv), einer Holunderschwertlilie (Iris sambucina) (Abb. 78, fol. CLIII*r), dem Enzian (Gentiana verna) (fol. CXLv) oder dem Aronstab (Arum maculatum) (fol. CLXXVIv). Der Topf mit Safran (Crocus sativus)
Abb. 73: Ambraser Heldenbuch, Detailansicht der Randdekoration: Sumpfdotterblume (Caltha palustris), Biene in Trompe-l’œil-Manier (fol. LIr).
3 Vgl. Das Paradiesgärtlein (Frankfurt am Main, Städel Museum: Inv.-Nr. HM 54); Gallwitz 1992, 183– 186.
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Abb. 74: Ambraser Heldenbuch, rote Nelke (Dianthus caryophyllus), dazu Falter und Raubvogel (fol. CIIIr).
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Abb. 75: Ambraser Heldenbuch, Aronstab (Arum maculatum) mit Falter (fol. CVIIv).
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Abb. 76: Ambraser Heldenbuch, Himmelsschlüssel (Primula veris) (fol. CXVv).
(fol. CXCVIIr), der aus einem luxuriösen Interieur des 15. Jahrhunderts herausgeschnitten scheint, lässt sich ebenfalls unter diese Naturdarstellungen auf hohem künstlerischem Niveau einreihen, für die nur wenige Tafelmaler wie etwa Hans Pleydenwurff und Michael Wolgemut in Nürnberg über wohlgehütete Bildvorlagen verfügten.4 4 Vgl. für die Holunderschwertlilie (CIIr) Hans Pleydenwurffs Hl. Thomas von Aquin (St. Lorenz Kir-
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Wettstreiten mit Natur, Kunst und Künstlern Zu den Pflanzendarstellungen, die aufgrund ihrer präzisen Naturnähe aus der zeitgenössischen Kunstproduktion herausragen, gehören eine Holunderschwertlilie (Iris sambucina) (fol. CIIr), der Aronstab (Arum maculatum) (Abb. 75, fol. CVIIv) und ein Waldstorchschnabel (Geranium sylvaticum) (fol. CXLVv). Weiterhin fallen außer der bereits erwähnten Sumpfdotterblume (Abb. 72) eine Weiße Taubnessel (Lamium album) (fol. CXXVIv), ein Salomonssiegel (Polygonatum multiflorum) (Abb. 77, fol. CXLIv), die Lichtnelke (Melandrium diurnum) (fol. CXLIIIr), der Zottige Klappertopf (Rhinanthus alectorolophus) (fol. CXLVIv), das Schöllkraut (Chelidonium majus) (fol. CXLVIIr), die Margerite (Leucanthemum vulgare) (fol. CLIr), das Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis) (fol. CLXXXIIr) und eine weitere Lichtnelke (fol. CCXv) auf. Durch die Genauigkeit dieser Naturstudien, die es erlaubt, nicht nur die botanische Gattung (genus), sondern auch die Art (species) zu bestimmen, erweist sich in einigen Fällen, etwa beim Salomonssiegel (Abb. 77) oder dem Waldstorchschnabel, dass es sich nicht um die im Mittelalter als Heilmittel verwendeten Arten dieser Gattungen handelt. Als Bildvorlagen scheiden daher die mittelalterlichen Kräuterbücher, die Medizinalpflanzen verzeichnen, beschreiben und bildlich wiedergeben, wie die 1485 bei Peter Schöffer in Mainz erschienene Druckausgabe des Gart der Gesuntheit (Johannes von Cuba et al. 1485; GW M09766), aus. Doch nicht nur beim Salomonssiegel (Abb. 77) und dem Waldstorchschnabel handelt es sich um Arten, die sich weder durch heilsgeschichtliche Bedeutsamkeit noch durch medizinische Nutzbarkeit auszeichnen. Weitere Beispiele ausgesprochen gewöhnlicher Pflanzen, die dem heutigen Sprachgebrauch nach als „Unkraut“ zu bezeichnen wären, führen der Zottige Klappertopf (fol. CXLVIv) oder das Wiesenschaumkraut (fol. CLXXXIIr) vor. Für die Aufwertung beliebiger Gräser und Unkräuter zum künstlerischen Sujet mit dem Anspruch, an ihnen Natur mit illusionistischer Perfektion wiederzugeben, bieten zu Beginn des 16. Jahrhunderts vor allem die Naturstudien Albrecht Dürers, insbesondere dessen Großes Rasenstück5, oder ein Aquarell aus dem Umfeld Mathias Grünewalds Anknüpfungspunkte.6 Größtmögliche Naturhaftigkeit, also eine den Betrachter täuschende Wirklichkeitsnähe als erklärtes Ziel der Malerei, wie es die Abhandlungen zur Kunst unter Bezug auf antike Autoren wie Plinius forderten, fand zwar nicht erst mit der Wende zum 16. Jahrhundert auch nördlich der Alpen che zu Nürnberg, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum: Nr. Gm 130) sowie: Hess und Eser 2012, 383–387, Kat.-Nr. 84. 5 Koreny 1985, 178 f., Kat.-Nr. 61; für neuere Literatur vgl. Robison und Schröder 2013, 134 f., Kat.-Nr. 37. 6 Potsdam-Sanssouci, Staatliche Schlösser und Gärten, Aquarellsammlung Inv. 536c, sowie ein weiteres Aquarell eines Rasenstückes, Potsdam-Sanssouci, Staatliche Schlösser und Gärten, Aquarellsammlung Inv. 536b, vgl. dazu Koreny 1985, 182–185, Kat.-Nr. 63–64.
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Abb. 77: Ambraser Heldenbuch, Salomonssiegel (Polygonatum multiflorum) mit Falter (fol. CXLIv).
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einen Niederschlag. Doch wird dieser Anspruch höchster Mimesis als Ausweis vollendeter Kunstfertigkeit in den ersten Jahrzehnten von Künstlern in vielfältigen Varianten vorgetragen. So gehören zur genauen Beobachtung der unspektakulären Kräuter und Wiesenblumen gleichfalls Verfallserscheinungen oder Beschädigungen, die dem abgebildeten Exemplar eine geradezu eigene Individualität verleihen, wenn etwa der Prozess des Verwelkens an der Holunderschwertlilie (fol. CIIr) oder die Beschädigung durch Schneckenfraß an einigen Blättern der Roten Lichtnelke (fol. CXLIIIr) zu erkennen ist. Der Wettstreit der Künstler mit der Natur schließt auch die Überbietung des Naturvorbildes ein, indem der Kunstwerkcharakter des Abbildes zur Schau gestellt wird. Eine der Möglichkeiten, das Dargestellte als Schöpfung des Künstlers durch malerische Mittel kenntlich zu machen, die in der damaligen Tafelmalerei wie auch im Ambraser Heldenbuch genutzt wird, ist die Reduktion der Farbe auf Grautöne. Außer beim Aronstab (Abb. 75) wurde gleichfalls beim Schöllkraut (fol. CXLVIIr), dem Klappertopf (fol. CXLVIv) und dem Zweig einer Edelkastanie (fol. CXLVIIIv) nur beim Blütenstand nicht auf eine Kolorierung verzichtet, sodass beim Pflanzenporträt die farbige Blüte gleichsam dem menschlichen Gesicht entspricht. Für die hier präsentierte Spielart der Farblosigkeit, die Halbgrisaille, bietet in der zeitgenössischen Tafelmalerei das Annenretabel des in Antwerpen tätigen Meisters von Abb. 78: Ambraser Heldenbuch, Frankfurt7 einen Vergleich, an dem sich zudem mögliche Holunderiris (Iris sambucina) mit Falter Vermittlungswege künstlerischer Diskurse nachzeichnen (fol. CLIII*r). lassen. Bei den Heiligen auf den Außenseiten des Altars zu Ehren der heiligen Sippe wurden nur Gesichter, Haare und Hände in natürlichem Kolorit ausgestaltet. Spätestens seit 1506 stand der Flügelaltar in der Frankfurter Dominikanerkirche und damit in unmittelbarer Nähe der Familiengrabstätte der Familie Heller, für die der Frankfurter Bürger Jacob Heller wiederum zwischen 1507 und 1511 ein Retabel in Auftrag gab.8 Während für den Heller-Altar Albrecht Dürer 7 Meister von Frankfurt, St. Odilia and St. Cecilia (Frankfurt am Main, Historisches Museum: Inv.Nr. B259–261). 8 Zum Heller-Altar (Frankfurt am Main, Historisches Museum: Inv.-Nr. B0265-72): Decker 1996; Sander und Schulz 2013, 219–223, Kat.-Nr. 8.1A–B; 224 f.
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die Mitteltafel anfertigte, führte Mathias Grünewald die Standflügel in Grisaille aus und platzierte dabei als explizite Vorführung künstlerischer Brillanz zwei weibliche Heilige auf einer üppigen, aber grautönigen Wiese.9 Das Gegenüber aufwendiger Stiftungen, namhafter Künstler und künstlerischen Wettstreits vermag eine Vorstellung vom Hintergrund zu geben, vor dem die Naturstudien des Ambraser Heldenbuchs entstanden sein dürften. Dass ein solcher künstlerischer Wettkampf ausdrücklich im Rahmen einer Buchausstattung ausgetragen wurde, dokumentiert unter den Buchprojekten Kaiser Maximilians I. das zwischen 1513 bis 1515 angefertigte jüngere Gebetbuch (Lange-Krach 2017). Dort wurde die Künstlerkonkurrenz geradewegs zum Konzept der Buchdekoration erhoben, indem die Gestaltung den renommiertesten Künstlern übertragen wurde. Neben Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä. und Hans Baldung Grien füllten Jörg Breu d. Ä., Hans Burgkmair d. Ä. und Albrecht Altdorfer die Seitenränder mit grotesken und figürlichen Randbordüren, die in farbiger Tinte die Möglichkeiten einer weiteren Variante der Farbreduktion, die Monochromie, auslotet.
Kompilation und Kopie: druckgraphische Vorlagen Deuten bereits einige der Pflanzendarstellungen aufgrund der exklusiven Auswahl und Ausführung auf eine Entstehung der Buchdekoration in Nürnberg, so lässt sich diese Lokalisierung über eine Reihe von Motiven und ihren Malstil erhärten. Allerdings ist festzustellen, dass das Heldenbuch offenbar im Zuge der Illuminierung durch die Hände mehrerer Buchmaler wanderte, von denen einige auf einen breiten Fundus und exzellente Fähigkeiten zurückgreifen konnten, andere einen sehr begrenzten Motivschatz möglichst effizient ausschlachten mussten. Wie sich schon beim Blick auf das erwähnte Blatt mit Sumpfdotter, Biene, Falter und Immergrün (Abb. 72) zeigt, vermag eine Sortierung der Motive und der verschiedenen Modi von Randdekoration kaum zu gelingen, da Größe, Anzahl und Zusammenstellung der Einzelelemente beträchtlich variieren. Zudem legen bereits bei diesem Blatt auffällige Differenzen in der Feinheit der Strichführung und der plastischen Ausarbeitung den Verdacht nahe, die beiden Blumen stammten von verschiedenen Händen. Ab Blatt CLVr (Abb. 79) finden sich verstreut immer wieder Putten in unterschiedlichen Posen auf den Seitenrändern. Der kleine geflügelte Knabe, der auf allen vieren krabbelt und dem Betrachter sein bloßes Hinterteil darbietet, wird begleitet von einer Rose, die mit abgewandtem Blüteninneren gleichsam im ‚verlorenen Profil‘ gezeigt wird, während daneben ein nach rechts wegspringender Hase dem Betrach9 Zu den Tafeln von Matthias Grünewald, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 2007, Kat.-Nr. 4 und 5, 131– 135, 140 f.
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ter seinen Rücken darbietet. Zu den drei Motiven, die Variationen zum künstlerischen Thema der Rückansicht vorführen, fügt sich die Darstellung des Löwen am unteren Seitenrand nicht ohne Weiteres, zumal sie – wenig naturalistisch – eher an eine Goldschmiedearbeit denken lässt. Bei der reizvollen Kombination der Hinterteile, in der die künstlerische Herausforderung der überraschenden oder verkehrten Ansicht exemplarisch an verschiedenen Motivgattungen durchgespielt wird, handelt es sich jedoch keineswegs um eigene Erfindungen des Malers, da sich sowohl Hase wie Putto auf zeitgenössische Vorlagen aus der Druckgraphik zurückführen lassen. Für den Hasen kann ein Holzschnitt Albrecht Dürers aus der zwischen 1502 und 1505 entstandenen Serie zum Marienleben, die Verehrung Mariens durch Engel und Heilige, nachgewiesen werden.10 Beim Putto hingegen handelt es sich um eine Kopie nach einem 1509 datierten Holzschnitt Lucas Cranachs, der die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten zeigt.11 Der vormalige Engel, aus dem ursprünglichen Kontext gelöst, nun ein beflügelter Nackedei, stimmt in der Zeichentechnik mit den übrigen Motiven überein. Hier wie dort wird mit feinen, dicht an dicht gesetzten Bögen Plastizität in einer Weise herausgearbeitet, die an den Meister denken lässt, der für Willibald Pirckheimer einige griechische Drucke ausschmückte.12 Gleich mehrere Zitate aus druckgraphischen Vorlagen berühmter Zeitgenossen, die durch ihre Datierung einen Hinweis auf die zeitliche Entstehung der Buchmalerei geben, werden hier mit spielerischer Eleganz in farbiger Fassung vorgeführt, sodass sich der Maler als Kenner und Könner gleichermaßen erweist. Der erwähnte Holzschnitt Lucas Cranachs, auf dem die Engel den unterschiedlichsten Beschäftigungen – vom gemeinsamen Lesen und Musizieren bis zum Ausschlecken eines Tellers – nachgehen, diente im Ambraser Heldenbuch für vier weitere Blätter als Vorlage (Abb. 81 und 84) (vgl. fol. CLXIIIv, CLXVv, CLXXIVr, CLXXXIIv). Nicht immer allerdings gelang die Umsetzung, bei der zum Teil eine nunmehr oxydierte Silberauflage für die lichten Höhungen verwendet wurde, mit derselben Stimmigkeit. Der Engel, der, ursprünglich Blüten sammelnd, nun auf Blatt CLXIIIv (Abb. 81) auf dem Rücken eines Löwen zum Schlummern – oder zum Lausen desselben? – platziert wurde, hängt ein wenig in der Luft. Der Löwe seinerseits geht ebenfalls auf einen Holzschnitt Lucas Cranachs, seinen 1509 datierten Sündenfall, 10 Schoch, Mende und Scherbaum 2004, Nr. 185; siehe Dürers Mariens Verehrung im Virtuellen Kupferstichkabinett mit weiteren Nachweisen: http://kk.haum-bs.de/?id=a-duerer-ab3-h0137 (letzter Zugriff: 03.12.2018). 11 Geisberg 1923–1930, Nr. 540; siehe Cranachs Ruhe auf der Flucht nach Ägypten im Virtuellen Kupferstichkabinett mit weiteren Nachweisen: http://kk.haum-bs.de/?id=l-cranach-d-ae-ab3-0002 (letzter Zugriff: 03.12.2018). 12 Zu den Aristoteles-Drucken und der Zuschreibungsdiskussion in jüngerer Zeit: Eser und Grebe 2008, 80–87, Kat.-Nr. 19–23; Merkl 1999, 375–379.
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Abb. 79: Ambraser Heldenbuch, Randdekoration mit Putto, Rose, Hase und lagerndem Löwen (fol. CLVr).
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zurück.13 Derselben Vorlage wurden auch die Hirsche entlehnt, die in verschiedenen Posen auf vier weiteren Blättern präsentiert werden (Abb. 80, vgl. fol. CLVv, CLXv, CLXVv, CLXVIIv). Deutliche Unterschiede in der Ausführung sind auch hier zu bemerken, etwa zwischen dem Hirschen (Abb. 82, f. CLXVv), an dessen Fell – zumal dem Brusthaar – sich die Strähnen duftig bauschen und einzelne Haare zu differenzieren sind, und dem lagernden Artgenossen (Abb. 80, fol. CLXv), dessen Körper mithilfe markanter Bögen als plastische Form ausgearbeitet wurde. Weitere Übernahmen aus der Druckgraphik lassen sich benennen: der Affe (Abb. 71, fol. XXVIv) und der Stelzenläufer (fol. CCIXv) entstammen älteren Kupferstichen Albrecht Dürers, der Madonna mit der Meerkatze14 und dem Der Traum des Doktors,15 die noch vor der Jahrhundertwende entstanden. Für den mit Pfeil und Bogen bewaffneten Putto (fol. CCXVIIr) hingegen diente nochmals ein Holzschnitt Lukas Cranachs, diesmal die 1506 datierte Dar- Abb. 80: Ambraser Heldenbuch, lagernder stellung von Venus und Amor, als Vorlage.16 Hirsch (fol. CLXv). Wie bei einer Gruppe knabenhafter Genien in statuarischen Posen (vgl. auch: fol. CCIVv, CCVv, CCVIr, CCVIv), für die eine druckgraphische Vorlage bislang zwar nicht nachgewiesen, aber wohl vorausgesetzt werden kann, ist hier die Gewichtsverteilung zwischen Stand- und Spielbein nicht immer schlüssig wiedergegeben (Abb. 83). Ebenso gelingen die Proportionen und Verkürzungen zuweilen nicht vollständig. Beim gezeigten Beispiel musste sogar die 13 Geisberg 1923–1930, Nr. 537; siehe Cranachs Adam und Eva im Paradies im Virtuellen Kupferstichkabinett mit weiteren Nachweisen: http://kk.haum-bs.de/?id=l-cranach-d-ae-ab3-0001 (letzter Zugriff: 03.12.2018). 14 Schoch, Mende und Scherbaum 2004, Nr. 20; siehe Dürers Maria mit der Meerkatze im Virtuellen Kupferstichkabinett mit weiteren Nachweisen: http://kk.haum-bs.de/?id=a-duerer-ab3-0075 (letzter Zugriff: 03.12.2018). 15 Schoch, Mende und Scherbaum 2004, Nr. 18; siehe Dürers Der Traum des Doktors im Virtuellen Kupferstichkabinett mit weiteren Nachweisen: http://kk.haum-bs.de/?id=a-duerer-ab3-0124 (letzter Zugriff: 03.12.2018). 16 Abb. bei Koepplin und Falk 1974–1976, Kat.-Nr. 555.
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Abb. 81: Ambraser Heldenbuch, Randdekoration mit Margerite, Vogel, lagerndem Löwen und Putto (fol. CLXIIIv).
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Fußstellung deutlich korrigiert werden, wie die unvollständige Rasur erkennen lässt. Die schwankende Qualität bei der künstlerischen Umsetzung der Vorlagen, bei der im konkreten Fall vielleicht an Mitglieder der Familie Glockendon zu denken wäre, zieht sich durch den gesamten Band, nimmt gegen Ende tendenziell zu und geht bei den Pflanzen mit einem sichtbar geringeren Interesse an naturalistischer Wiedergabe einher. So ist auf Blatt CCIIIv oberhalb des naschenden Puttos der Rote Holunder (Sambucus racemosa) botanisch recht gut zu identifizieren (Abb. 83), trotz deutlicher Stilisierung seiner Fruchtrispen zu gleichmäßig gerundeten Kugeln. Doch entspricht die ornamentale Führung des Zweiges als verschlungene Ranke dem natürlichen Wuchs in keiner Weise. Bei einigen Blumen im hinteren Teil des Manuskriptes leidet zudem die Originalität, denn sie greifen wiederholt auf bereits im vorderen Teil vorhandene Exemplare zurück, wobei es vereinzelt zu Ungenauigkeiten hinsichtlich der zugehörigen Blattformen kommt. So werden auf Blatt CXCVIr beispielsweise die Blüten einer vorangehenden Margerite (fol. CLIr) inklusive der Anordnung der Blütenblätter zwar exakt kopiert, aber wiederum in eine ornamental gewundene Ranke integriert.17
Illustration oder Dekoration: die Märensammlung
Abb. 82: Ambraser Heldenbuch, Hirsch und Putto mit Seilschlinge (fol. CLXVv).
Das Blatt CCXV (Abb. 85), das erste Blatt der letzten Lage, kann in mehrfacher Hinsicht als Scharnierstelle des Kodex betrachtet werden, denn mit dem Puech von dem übeln weibe setzt nicht nur ein neuer Text ein, sondern zugleich die dritte literarische Gattung, die im Ambraser Heldenbuch vertreten ist. Nach den höfischen Romanen (fol. Ir–Lv) und der Heldenepik (fol. LIr–CCXIVv) beginnt hier die Sammlung von Mären, an die mit der Genealogie der Gralskönige aus dem Titurel Wolframs von Eschenbach und dem Presbyterbrief des sagenhaften Priesterkönigs Johannes zwei genealogisch-apologetische Texte anschließen (Schubert 2008, 99–120; Amann 2007, 129–148). Nicht nur, dass sich in der Folge abgesehen von den Putten die wenigen figürlichen Darstellungen finden, just auf diesem Blatt ist der einzige Verweis auf einen 17 Weitere Beispiele: fol. CCVv und CXLIIr, CCXIr und CVv, CCXIIIr sowie CCXVIIr und CXVIv, CCXIVr und CXLVv.
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Abb. 83: Ambraser Heldenbuch, Putto mit Frucht, Ranke mit Rotem Holunder (Sambucus racemosa) (fol. CCIIIv).
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Maler angebracht. Neben einem weiblichen Akt hängt an einem Baum eine Tafel mit der Jahreszahl 1517 und dem Monogramm VF. Ob die Initialen tatsächlich für Ulrich Funk stehen, einen Fass- und Schildermaler, der zwischen 1509 und 1525 in Schwaz (Tirol) nachgewiesen ist,18 mag bezweifelt werden. Denn auch für die zum Vergleich herangezogenen illuminierten Urkunden, deren Figuren und Blütenranken deutliche stilistische Ähnlichkeiten aufweisen, bleibt eine Zuschreibung an Ulrich Funk fragwürdig, da sich die für ihn belegten Aufträge Abb. 84: Ambraser Heldenbuch, zwei Putten neben einem Veilchen (fol. nicht auf Brief- oder Buchmalerei beziehen CLXXXIIr). (Merkl 1999, 22 f., Nr. 7 und Nr. 10). Die figürlichen Darstellungen auf den Seitenrändern greifen – wie schon das Titelbild mit der Anlehnung an die Druckausgabe des Heldenbuchs – eine Illustrationsform auf, die für den Buchtyp der Märensammlung im 15. Jahrhundert bekannt ist.19 Auswahl und Ikonographie zeugen dabei im Ambraser Heldenbuch nur sehr eingeschränkt von Textkenntnis. Die unbekleidete Musikantin mit der Fiedel, die dem bösen Weib zugeordnet ist, könnte sicher als Anspielung auf weibliche Verführungskünste gelesen werden. Doch einem unmittelbaren Textbezug steht entgegen, dass weder eine Fiedel noch ein Musikinstrument anderer Art erwähnt werden. Eine Brücke zum narrativen Inhalt schlägt hingegen der unbekleidete, aber mit der Bügelkrone gekrönte Kaiser (Abb. 87, f. CCXVIIIv), zu dessen Füßen ein Badewedel liegt, da dieser an eine Situation aus dem Märe vom Nackten Kaiser anknüpft, in dem der Kaiser durch eine Verwechslung seine Kleider im Badehaus verliert. Der Hahn mit gespreizten Flügeln zu Beginn des Märe vom Betrogenen Gatten (Abb. 86, fol. CCXVIIv) mag als bildliche Metapher für einen Hahnrei verstanden werden, gehört aber zugleich zu den beliebten Motiven im zeitgenössischen Buchschmuck. Gleiches gilt für die Katze (fol. CCXIXv), die sich als Verweis auf den Titel des Märe Die Katze auffassen lässt, ebenso wie der Bote mit Brief und Lanze (fol. CCXXXVv) als Überbringer des Presbyterbriefs verstanden werden kann. Über einen nur mäßigen inhaltlichen Bezug verfügt die Darstellung des blonden Jünglings zu Beginn der Märe vom Meier Helmbrecht Wernhers der Gärtner (Abb. 88, fol. CCXXVr), denn dem barhäuptigen Protagonisten fehlt das wichtigste Attribut 18 Egg 1983, 99–103; Egg 1954, 136; Unterkircher 1955, 183 f. 19 Z. B. die 1456 datierte Sammelhandschrift, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32001; Faksimile: Wolf 1972; vgl. zur Handschrift auch: http://www.handschriftencensus. de/4211 (letzter Zugriff: 03.12.2018), mit Links zu einigen Randillustrationen.
165
Kristina Domanski
Abb. 85: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Die böse Frau, weiblicher Akt mit Fiedel, Künstlermonogramm, Löwenzahn (fol. CCXV).
166
Zwischen Naturstudium und Dekor
Abb. 86: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Der betrogene Gatte, Hahn und Ackerstiefmütterchen (Viola arvensis) (fol. CCXVIIv).
Abb. 87: Ambraser Heldenbuch, Beginn von Der nackte Kaiser, Kaiser mit Badewedel, Rückansicht einer Sumpfdotterblume (?) (fol. CCXVIIIv).
der Erzählung: die gestickte Haube, an der sich die Handlung entzündet. Gleiches gilt für den zweiten weiblichen Akt, die Musikantin (fol. CCXXIXr) mit Flöte und Trommel, denn im Schwankroman Pfaffe Amis des Strickers tritt weder eine Flötenspielerin auf, noch spielt die Verführung durch weibliche Reize eine nennenswerte Rolle. Ohne inhaltlichen Bezug bleibt gleichfalls die Darstellung des Mannes in antikischem Waffenrock zu Beginn des Titurel (fol. CCXXXIVr). Mit der Stange als Waffe und dem flatternden Tuch als Kopfbedeckung erinnert er eher an einen Riesen als an einen der an der Gralssuche beteiligten Ritter der Tafelrunde um König Artus. Wie schon bei den beiden Recken des Titelbildes begegnen hier wiederholt Figuren, deren Auftreten sich eher durch tradierte Vorbilder für ihre Funktion innerhalb des Layouts oder des Buchtyps denn durch inhaltliche Bezüge erklären lässt. 167
Kristina Domanski
Fazit: Konzeption und Uneinheitlichkeit In einer Zusammenschau der Motive und Malweisen ist ein stringentes Konzept für die buchkünstlerische Ausstattung des Ambraser Heldenbuchs in seiner heutigen Gestalt kaum auszumachen. Die Überlagerung mehrerer Intentionen – herrscherliche Selbstdarstellung, enzyklopädisches Interesse für das literarische Erbe und Arbeit am persönlichen Gedächtniswerk – mag hierfür ebenso bedeutsam sein wie deren wechselnde Prominenz und die Verlagerung des kaiserlichen Interesses auf neue Kunst-, Sammlungs- und Repräsentationsprojekte. Möglicherweise war zunächst an eine individualisierte, auf den Kaiser zugeschnittene Version der Gattung ‚Heldenbuch‘ gedacht, in der repräsentative Ansprüche – das Großfolioformat und die eigenwillige Auswahl – mit literaturhistorischen Interessen – überwiegend seltene Werke des 13. Jahrhunderts – in einem buchkünstlerischen Medium – der kalligraphisch anspruchsvollen und künstlerisch innovativ dekorierten Handschrift – verknüpft werden konnten. Für ein solches Gesamtkonzept, ein literarisches ‚Florilegium‘, bieten die hochkarätigen Pflanzendarstellungen im Mittelteil des Manuskriptes als Blütenlese eine malerische Entsprechung und damit einen adäquaten Rahmen. Die wenigen Parallelen, die sich zu den herausragenden Naturstudien Abb. 88: Ambraser Heldenbuch, Jüngling und den in ihnen vorgetragenen kunsttheoreund Margerite, Beginn von Meier tischen Hintergründen ziehen lassen, führen Helmbrecht (fol. CCXXVr). nach Nürnberg und in das Umfeld Albrecht Dürers. Dass dieses Konzept nicht durchgehalten wurde, vermag bei einem Blick auf andere künstlerische Vorhaben des Kaisers, die wie das Buchprojekt Weißkunig oder das Grabmal in Innsbruck unvollendet blieben, nicht zu überraschen. Vielleicht geriet die Fertigstellung des 1504 begonnenen Heldenbuchs durch die Vorrangigkeit anderer Buchaufträge wie dem jüngeren Gebetbuch, dem Freydal oder dem Theuerdank in den Hintergrund. Im Kern schei168
Zwischen Naturstudium und Dekor
nen im Ambraser Heldenbuch aber bereits jene Themen angelegt, die in den ambitionierten, innovativen Buchprojekten Maximilians I. in der Folgezeit ausgebreitet werden, sodass es als Auftakt einer Reihe von Objekten betrachtet werden kann, in denen sich literarisches Konzept, kalligraphische Präzision, mediale Extravaganz und künstlerische Reflexion verbinden sollten.
169
Mario Klarer
Vom Buchstaben zum Text Die Handschrift von Hans Ried und die Transkription des Ambraser Heldenbuchs
Am Beginn des 16. Jahrhunderts hat Maximilian I. den Zöllner Hans Ried mit der Niederschrift des Ambraser Heldenbuchs beauftragt. Bemerkenswert an dieser prunkvollen Sammelhandschrift ist die Tatsache, dass sie in e i n e r Hand von Hans Ried über einen langen Zeitraum von 1504 bis 1516 verfasst wurde und auf 500 Seiten hinsichtlich Qualität und Erscheinungsbild größte Konsistenz aufweist. Ungewöhnlich ist auch die weitere Manuskriptlage zum Schreiber, da neben dem Ambraser Heldenbuch auch eine relativ große Zahl von Urkunden und Gebrauchstexten aus der Feder von Hans Ried überliefert ist. Diesen glücklichen Umstand macht sich das ÖAW-go!digital-Forschungsprojekt „Ambraser Heldenbuch – Transkription und wissenschaftliches Datenset“ (Projektleitung Mario Klarer) zunutze. Erstmals wird hierbei das gesamte Ambraser Heldenbuch mit neuester digitaler Technologie allographisch, d. h. zeichengetreu transkribiert und ein Referenzkorpus digital zusammengestellt. Damit wird es möglich, alle Texte des Ambraser Heldenbuchs – vor allem auch die unikal überlieferten – zeichengetreu gemäß der Ried’schen-Schreibweise computerlesbar abzubilden. Hierbei kommt die in Innsbruck mitentwickelte Transkriptionssoftware ‚Transkri bus‘ zum Einsatz, die mit einem benutzerfreundlichen Computerinterface die Transkription in Form von komplexen standardisierten TEI-Datensätzen gemäß der ‚Text Encoding Initiative‘ zulässt. Dabei werden alle Buchstaben bzw. Zeichen, die Hans Ried verwendete, genauestens transkribiert und mit zusätzlichen Metadaten wie Größe von Lombarden und Initialen, Farbe von Rubrizierungen aber auch Abkürzungen, Zweifelsfälle, Versumbrüche, Zeilenumbrüche etc. exakt erfasst. Zusätzlich erlaubt das Programm eine Verlinkung des transkribierten Textes auf Zeilenoder Wortebene mit der jeweiligen Zeile bzw. dem jeweiligen Wort im Bildscan des Manuskripts. Damit ist die Grundlage für vielfältige weitere wissenschaftliche oder editorische Arbeiten rund um das Ambraser Heldenbuch gelegt. Die Transkription dieser großen mittelalterlichen Textmenge in einer homogenen Handschrift sowie autographische Textquellen außerhalb des Ambraser Heldenbuchs durch den Schreiber Hans Ried eröffnen Literaturwissenschaft, Linguistik, Editionsphilologie, aber auch kunsthistorischen und kodikologischen Forschungen ein einzigartiges Korpus. Im Folgenden soll die Handschrift Hans Rieds im Ambraser Heldenbuch vorgestellt werden, wobei ein kurzer Überblick über die von Ried verwendeten Buchsta171
Mario Klarer
ben und Zeichen gegeben wird.1 Es zeigt sich hier, dass sich trotz großer Homogenität der Ried’schen Schrift dennoch viele graphische Eigenwilligkeiten im Ambraser Heldenbuch finden. Hierzu zählen unter anderem vier verschiedene Buchstabenvarianten für den Laut ‚s‘, zwei Varianten für ‚r‘, eine Zahl von Superskripten, die über Buchstaben platziert werden, sowie eine schwer abzugrenzende Zahl von Großbuchstabenvarianten innerhalb des Heldenbuchs. Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, insbesondere bei den Großbuchstaben, da hier Hans Ried wie viele andere Schreiber seiner Zeit einen sehr großen Improvisationsreichtum praktizierte, der es schwer macht, gerade innerhalb der ohnedies generell spärlich verwendeten Großbuchstaben eigenständige Varianten klar voneinander abzugrenzen. Aufgrund des Facettenreichtums der verwendeten Zeichen und Buchstaben bedient sich die Transkription des Ambraser Heldenbuchs der Schriftart Junicode. Diese folgt größtenteils den Empfehlungen der ‚Medieval Unicode Font Initiative‘ mit einer großen Anzahl differenzierter Zeichen, die für die Transkription von mediävistischen Texten international verwendet wird. Im Folgenden sollen die Handschrift Hans Rieds in einem leicht verständlichen Überblick dargestellt und die wichtigsten verwendeten Zeichen im Ambraser Heldenbuch dokumentiert werden. Der hier gewährte ‚Einblick‘ in die aktuell laufende Transkription muss als eine Momentaufnahme angesehen werden. Immer wieder werden während der Transkription neuer Manuskriptseiten Varianten und Modifikationen von Buchstaben gefunden, welche es erst zu kategorisieren gilt. Eine endgültige Fixierung der Transkriptionszeichen kann erst bei der Publikation der finalen Edition des Ambraser Heldenbuchs erfolgen.
Kleinbuchstaben Im Nachfolgenden werden beispielhaft Ausschnitte aus dem Ambraser Heldenbuch Transkriptionen gegenübergestellt. Dies soll nicht nur Einblicke in das Projekt gewähren, sondern auch einige Aspekte und Herausforderungen näher veranschaulichen. Abbildung 89 zeigt einen Manuskriptausschnitt aus dem Nibelungenlied (fol. XCVr) und Abbildung 90 dessen Transkription. Hierbei ist besonders die Varianz des Kleinbuchstabens ‚s‘ bemerkenswert: in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen wurde der Kleinbuchstabe ‚s‘ von Hans Ried in vier verschiedenen Varianten geschrieben. In den Wörtern „Ross“ (in Zeile 5), „des“ (in Zeile 6 in Abb. 89 und 90) und „Seyfrids“ (in Zeile 6) tritt mit einem langen ‚s‘ eine kontextsensitive Va1 Für die Systematisierung dieses Überblicks zur Ried’schen Verwendung von Buchstaben und Zeichen im Ambraser Heldenbuch haben die Projektmitarbeiter Hubert Alisade und Aaron Tratter wertvollen Input geleistet.
172
Vom Buchstaben zum Text
Abb. 89: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt aus dem Nibelungenlied (fol. XCVv). Abb. 90: Transkription des obigen Ausschnitts.
riante des Buchstabens ‚s‘ auf. Kontextsensitiv bedeutet in diesem Fall, dass es auf die Stellung des Buchstabens ‚s‘ im Wort ankommt, ob es als langes oder rundes ‚s‘ geschrieben wird. Ansonsten treten drei unterschiedliche graphische Varianten des runden ‚s‘ auf. Ähnliches ist auch bei dem Buchstaben ‚r‘ zu erwähnen, für welchen es zwei Varianten gibt (wie zum Beispiel „morg[e]n“ [in Zeile 1] und „Wurms“ [in Zeile 2] in Abb. 89 und 90). Die einzelnen Buchstaben bzw. deren Varianten im Ambraser Heldenbuch weisen eine relativ hohe Konsistenz auf, sodass es in der Regel nicht schwerfällt, diese voneinander zu unterscheiden. Die Tabelle auf den nächsten beiden Seiten gibt einen Überblick über die von Hans Ried verwendeten Kleinbuchstaben, wobei jeweils in der linken Hälfte das Transkriptionszeichen und in der rechten Hälfte ein Abbildungsbeispiel, wie es im Manuskript zu finden ist, dargestellt wird:
173
Mario Klarer
Zeichen
Abbildungsbeispiel
Zeichen
i
a
fol. XCVrb l. 11
fol. XCVra l. 18 ab imo
b fol. XCVrb l. 11
j
fol. XCVrb l. 7 ab imo
fol. XCVra l. 18 ab imo
l
d
fol. XCVrb l. 1
fol. XCVrb l. 5 ab imo
m
∂ fol. XXXVrc l. 16 ab imo
fol. XCVrb l. 1
ɱ
e fol. XCVrc l. 8
fol. XCVrb l. 5 ab imo
g fol. XCVra l. 21
174
fol. XLIrb l. 4 ab imo
n
f
ɧ
fol. XCVra l. 22
k
c
h
Abbildungsbeispiel
fol. XCVrc l. 1
ŋ
fol. XCVra l. 2
o fol. XCVrc l. 28
fol. XCVra l. 8
p fol. XCVrc l. 25
fol. XXXVra l. 1 ab imo
Vom Buchstaben zum Text
Zeichen
Abbildungsbeispiel
q fol. CLIII*va l. 11
r
Zeichen
ꜩ
v
fol. XCVra l. 30 ab imo
σ ſ ß t
fol. XCVrc l. 2
fol. XCVra l. 6
s ɞ
fol. XXXVra l. 23
u fol. XCVra l. 21
ꝛ
Abbildungsbeispiel
fol. XCVra l. 9
ỽ w
fol. XCVrc l. 15
ⱳ
fol. XCVrc l. 15
fol. XCVrc l. 16 ab imo
fol. XVIIrc l. 5 ab imo
fol. XVIIrc l. 5 ab imo
fol. LIvc l. 21 ab imo
fol. LIIvc l. 1 ab imo
fol. XCVrb l. 1
fol. CXXXIIrb l. 21
x fol. CLXXIvc l. 10
y
fol. XCVra l. 4 ab imo
z fol. XCVrb l. 11 ab imo
ʒ
fol. XCVra l. 4 ab imo
175
Mario Klarer
Großbuchstaben Da es zur Zeit der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs keine verbindlichen Orthographieregeln gab, darf es nicht verwundern, dass auch bei der Großschreibung keine konsequenten Regeln befolgt wurden. Abbildung 91 und 92 zeigen zum Beispiel in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen drei unterschiedliche Varianten des Großbuchstabens ‚G‘.
Abb. 91: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt aus dem Nibelungenlied (fol. XCVr). Abb. 92: Transkription des obigen Ausschnitts.
Die Transkription versucht, so gut es geht, zwischen Groß- und Kleinbuchstaben zu unterscheiden und Rieds Verwendung möglichst exakt abzubilden, ohne auf Inhalt oder heutige Orthographieregeln Rücksicht zu nehmen.2 Die folgende Tabelle gibt verschiedene Großbuchstaben überblicksartig mit einigen ihrer Varianten wieder: Zeichen Abbildungsbeispiel
A
fol. CXLVIIIra l. 32 ab imo
Zeichen Abbildungsbeispiel
D
fol. CXXXIvb l. 5
B
fol CXCIIra l. 18
fol. LIIIra l. 23
E fol. XCVva l. 34 ab imo
C
fol. XCVva l. 25
F fol. XCVva l. 24 ab imo
fol. XCVrb l. 6 ab imo
2 Insgesamt ist hervorzuheben, dass die Großbuchstaben einen sehr großen Variantenreichtum aufweisen und damit deren genaue Abbildung eine Herausforderung für das Transkriptionsprojekt darstellen.
176
Vom Buchstaben zum Text
Zeichen Abbildungsbeispiel
Zeichen Abbildungsbeispiel
P G
fol. XCVvb l. 10
fol. CVIIIra l. 22
fol. CXVra l. 25
R
H fol. XCVra l. 5
I
fol. CLXXXVIvb l. 28 ab imo
fol. CVIIIIra l. 2 ab imo
S
fol. XCVrc l. 17 ab imo
fol. XCVrc l. 6
T
J fol. XCVva l. 15
K
fol. CXLVIIIrb l. 19
V fol. XCVra l. 15
fol. CXLVIIIrb l. 20
W
L fol. CXLVIra l. 32
fol. CXLVIIIra l. 31 ab imo
Y
M fol. XCVrb l. 16
N
O
fol. CXLVIra l. 28 ab imo
fol. CLXXXVvb l. 33
Z fol. XXIIIIrb l. 13 ab imo
fol. CLXVIIvb l. 37 ab imo
177
Mario Klarer
Superskripta Eine große Herausforderung für die Transkription sind die über den Buchstaben geschriebenen diakritischen Zeichen oder Superskripta. In der Transkription werden verschiedene Superskripta unterschieden: Trema, Breve, Superskriptum ‚o‘, Super skriptum ‚a‘, Nasalstrich und er-Haken:
Zeichen
̈
Abbildungsbeispiel
Zeichen
fol. XLVIIra l. 19 ab imo
̄
fol. XLVva l. 12
fol. CXCVIIrb l. 22 ab imo
ˀ
fol. CXCVIIvb l. 20 ab imo
ͦ
fol. CVXra l. 29
fol. CXVIra l. 23
fol. CXCIIIIrc l. 17 ab imo
fol. CXVra l. 33 ab imo
fol. CXVIIra l. 18 ab imo
ᷓ
fol. CXVIra l. 4 ab imo
fol. CXVIrb l. 11
178
Abbildungsbeispiel
̆
fol. CXVIra l. 16
fol. CXVIrb l. 14
fol. CXCVIIvb l. 28 ab imo
Vom Buchstaben zum Text
Abb. 93: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt aus dem Nibelungenlied (fol. XCVr). Abb. 94: Transkription des obigen Ausschnitts.
Vor allem das Breve und das Superskriptum ‚o‘ weisen eine sehr starke Varianz auf, sodass rein graphisch nicht immer eindeutig bestimmt werden kann, um welches Superskriptum es sich handelt. Neben der Federführung des Schreibers werden beispielsweise phonetische Merkmale als Kriterien herangezogen, um diese Fälle zu behandeln. In der Abbildung 93 und 94 treten alle zuvor genannten Superskripta auf. Bei den Wörtern „schon“ (in Zeile 2) und „ergrummen“ (in Zeile 3) wird die Problematik deutlich: aufgrund der dünnen Strichstärke und der relativ großen Varianz dieser Zeichen bleibt stets ein gewisser Interpretationsspielraum bestehen.
Interpunktionen Ebenso, wie es bei der Orthographie keine Vereinheitlichung gibt, geht Hans Ried auch in der Verwendung von Punkten und Strichen nicht immer systematisch vor. Da Versenden und Zeilenenden im Ambraser Heldenbuch nicht zusammenfallen, benutzt Hans Ried Interpunktionszeichen vor allem zur Kenntlichmachung von Versenden wie nach „Magedin“ (in Zeile 3), „gesin“ (in Zeile 5), „weib“ (in Zeile 6) und „leib“ (in Zeile 8) und Strophenenden wie nach „leib“ (in Zeile 8) in Abb. 95 und 96.
179
Mario Klarer
Abb. 95: Ambraser Heldenbuch, Ausschnitt aus dem Nibelungenlied (fol. XCVr). Abb. 96: Transkription des obigen Ausschnitts.
Zeichen Abbildungsbeispiel
⸗ · : ∧
180
fol. CXVIIrc l. 16
Informationen zum Zeichen Der Doppelbindestrich markiert eine Worttrennung, wobei das Wort in der nächsten Zeile fortgeführt wird.
fol. XLVvb l. 13
Dieser Punkt markiert in der Regel das Ende eines Verses.
fol. XCVrb l. 32 ab imo
Der Schrägstrich markiert eine Zäsur innerhalb eines Verses oder auch das Ende eines Verses.
fol. XLVra l. 15 ab imo
Der Doppelpunkt markiert das Ende eines Verses bzw. das Ende einer Strophe.
fol. XXIIvb l. 34
Dieses Zeichen markiert eine Einfügung im laufenden Text.
Vom Buchstaben zum Text
Abb. 97: Ambraser Heldenbuch, Initiale ‚M‘, die eine Höhe von sieben Zeilen hat und dementsprechend in der Transkription als ‚siebenzeilige Initiale‘ getaggt wird (fol. XXIIv).
Metadaten Ein weiteres wesentliches Merkmal des Transkriptionsprojekts sind Zusatzinformationen in Form von Tags, die eine Aufbereitung des Datenmaterials erlauben, die es bis dato für das Ambraser Heldenbuch noch nicht gibt: mittels der Transkriptionssoftware werden bestimmte Buchstaben, Zeichen, Wörter oder Zeilen annotiert. Diese werden ausgewählt und mit entsprechenden Tags versehen, um so ein für Editionen international standardisiertes Datenset zu erzeugen. So wird zum Beispiel beim Taggen einer Initiale die Anzahl der Zeilen, welche die Initiale überragen, als Maßzahl für die Höhe der Initiale herangezogen (Abb. 97). Insgesamt exemplifiziert das obige Beispiel, dass nicht nur die zeichengetreue Transkription im Fokus des Projekts steht, sondern auch die weitere Annotation des Manuskripts bzw. des Datenmaterials, sodass später verschiedene Ausgabenformate der Transkriptionen erzeugt werden können. Um dies gewährleisten zu können, werden relevante Textstellen mit verschiedensten Tags versehen. Die Konzentration liegt dabei besonders auf der Zeichenebene (Größe, Farbe, Form) und nicht auf einer inhaltlichen Ebene (wie z. B. Personennamen, Orte etc.). Neben Initialen werden so unter anderem auch Lombarden, Rubrizierungen, Vers- und Strophenenden, Abbreviaturen, Einfügungen, Missgriffe, Unklarheiten sowie Incipits und Explicits getaggt, sodass eine noch nie erreichte Fülle an Daten für weitere Korpusanalysen zur Verfügung gestellt werden kann. Einen (unvollständigen) Überblick über die aktuell gesammelten Metadaten bietet die folgende Tabelle:
181
Mario Klarer
Abbildungsbeispiel
fol. XCVra l. 1
Zusatzinformation Anfänge von Texten Die Textanfänge werden mit einem entsprechenden Tag ausgewiesen. Dabei wird kein Text, sondern der Beginn der ersten Zeile eines Textes annotiert. Anfänge von âventiuren Ebenso werden die Anfänge von âventiuren annotiert.
fol. XCVva ll. 29–33
fol. XCVra l. 4
Versenden und Strophen Punkte und Striche Hans Rieds, die das Ende eines Verses oder einer Strophe markieren, werden mit einem Tag versehen, um später gewünschte Ausgabeformate der transkribierten Texte als Fließtexte oder in Form von Verszeilen zu ermöglichen.
fol. XCVra l. 11
fol. XCVra l. 8
Zäsuren Ebenso weisen einige Texte Zäsuren innerhalb eines Verses auf. Diese Zäsuren werden getaggt, auch wenn ein entsprechendes Zeichen in Handschrift fehlen sollte. Bei der Identifizierung von Zäsuren wird hauptsächlich auf bestehende Editionen der Texte zurückgegriffen. Initialen Initialen markieren den Beginn eines Textes oder Kapitels (âventiuren). Diese schmuckhaften, gemalten Großbuchstaben erhalten einen speziellen Tag, der auch die Anzahl der Zeilen, welche die Initiale überragt (hier sechs Zeilen), berücksichtigt.
fol. XCVr ll. 2–7
fol. CCXXIXrc ll. 11–13
fol. CCXXIXrc ll. 24–26
182
Lombarden Lombarden treten zu Beginn eines Absatzes oder einer Strophe auf. Sie sind abwechselnd durch rote und blaue Großbuchstaben dargestellt, die über eine oder mehrere Zeilen ragen und nicht ausgeschmückt sind. Auch diese werden mit einem speziellen Tag versehen, wobei sowohl Farbe (rot oder blau) als auch Höhe berücksichtigt werden.
Vom Buchstaben zum Text
Abbildungsbeispiel
fol. XCVra l. 5
Zusatzinformation Rubrizierungen Rubrizierungen sind Markierungen von Großbuchstaben und vereinzelt auch von Kleinbuchstaben durch rote oder blaue Striche. Diese Buchstaben werden zuerst wie gewöhnliche Groß- oder Kleinbuchstaben transkribiert und dann als Rubrizierung unter Berücksichtigung der Farbe (rot oder blau) getaggt.
fol. XCVrc l. 22
fol. XCVra l. 13
Abbreviaturen Im Ambraser Heldenbuch lassen sich zwei Formen von Abkürzungen finden. Am häufigsten treten Nasalstriche über einem ‚n‘ am Ende einer Zeile auf, mit denen gerne die Auslassung eines ‚e‘ vor dem ‚n‘ angezeigt wird. Wie hier im Beispiel „all[e]n“. Daneben können er-Haken über dem letzten Buchstaben eines Wortes eine Abbreviatur markieren. Wie hier am Beispiel „herren“. Diese Abbreviaturen können sowohl innerhalb einer Zeile als auch am Ende einer Zeile auftreten. Das abgekürzte Wort wird mit einem Tag versehen, der die Abbreviatur auflöst.
fol. CXCIIIIrc l. 17 ab imo
fol. XCVva ll. 29–31
Incipits und Explicits Zu Beginn der Texte im Ambraser Heldenbuch stehen häufig sogenannte Incipits als einleitende Worte. Diese sind in roter Farbe geschrieben. Zusätzlich können Explicits am Ende eines Textes stehen. Die entsprechenden Textabschnitte werden mittels eines Tags als solche markiert.
fol. CLXIIIIrb ll. 15–16 ab imo
Leerzeilen Im Ambraser Heldenbuch gibt es immer wieder leere Zeilen, die von Hans Ried nicht beschrieben wurden. Diese leeren Zeilen werden mit einem entsprechenden Tag ausgewiesen, der auch die Anzahl der leeren Zeilen (hier drei Zeilen) berücksichtigt.
fol. XXIIvb l. 34
Einfügungen Wenn im laufenden Manuskripttext nachträglich ein Wort, wie hier z. B. „aus“, eingefügt wurde, wird dies mit einem zusätzlichen Tag gekennzeichnet.
fol. CCVIvc l. 22
Markierung von Missgriffen Offensichtliche Schreibfehler Hans Rieds (z. B.: „kunigin“ mit überflüssigem Haken am Ende des Wortes) werden mit einem Tag markiert. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass damit keine Rechtschreibfehler im heutigen Sinn gemeint sind, da es zur Zeit der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs noch keine verbindliche Orthographie gab.
183
Mario Klarer
Wissenschaftliche Relevanz der Gesamttranskription des Ambraser Heldenbuchs Obwohl alle Texte des Ambraser Heldenbuchs in älteren gedruckten Editionen (meist in normalisierter Form) zugänglich sind, gibt es neben vereinzelten exakten Transkriptionen ausgewählter Werke keine umfassende gedruckte oder online zugängliche Gesamttranskription. Folgende teilweise digitale Einzeleditionen verfolgen eine ähnliche Zielsetzung wie das ÖAW-go!digital-Projekt: Erec-Transkription von Brigitte Edrich-Porzberg im Hartmann von Aue-Portal3, die neue Ereck-Ausgabe (Hammer et al. 2017) sowie Transkription des Nibelungenlieds aus dem Ambraser Heldenbuch in der Dissertation von Roswitha Pritz (2009). Insbesondere die unternommene Fokussierung auf den exakten graphemischen Bestand und die Identifikation von Idiosynkrasien in diesen Einzeltexttranskriptionen bilden die Grundlage für die geplante Gesamttranskription des Kodex.4 Allerdings liegen z. B. die besagten Transkriptionen nur teilweise in allographischer Form vor, ansonsten gibt es sie nur in Form einer PDF-Datei. Die Möglichkeiten der Bearbeitung, die eine allographische digitale Transkription erlaubt, und vor allem die Berücksichtigung a l l e r Texte des Kodex stellen daher ganz wesentliche Erweiterungen dar. Seit vielen Jahren mehren sich Stimmen, die einer Gesamttranskription des Ambraser Heldenbuchs höchste Priorität zusprechen (z. B. Leitzmann 1935; Gärtner 2007; Mura 2007). Vor allem Susanne Homeyer und Inta Knor (2015) haben vielfältige (vor allem editionsphilologische) Gründe für eine möglichst baldige „minutiöse Transkription“ (99) des Ambraser Heldenbuchs sowie der Ried’schen Autographe als „dringendes Forschungsdesiderat“ (Gärtner 2007, 98) ins Feld geführt. Eine Gesamtausgabe des Ambraser Heldenbuchs als quellentreue digital verfügbare Transkription ist aus folgenden Gründen von hoher wissenschaftlicher Relevanz: 1. Umfangreichster Kodex mittelhochdeutscher Literatur: Das Ambraser Heldenbuch ist mit 25 wichtigen mittelalterlichen literarischen Erzähltexten, von denen 15 als Unikate ausschließlich im Ambraser Heldenbuch überliefert sind, der umfangreichste Kodex (ca. 500.000 Wörter) seiner Art.
3 Diese komplexe Transkription weist darüber hinaus eine vollständige Lemmatisierung auf und erfüllt höchste Ansprüche an ein digitales Großkorpus. Siehe dazu http://www.fgcu.edu/rboggs/Hartmann// Erec/ErMain/ErHome.asp (letzter Zugriff: 03.12.2018). 4 Sehr hilfreich sind hierfür die Kodierungsvorschläge von Gärtner (2014) zusammen mit den Arbeiten von Gärtner (2006; 2007; 2014), Thornton (1962), Muckenhirn (1993), Mura (2007) und Moser (1977)
184
Vom Buchstaben zum Text
2. Großkorpus in einer Schreiberhand: In einer Hand bzw. von einem einzelnen Schreiber verfasst bietet das Ambraser Heldenbuch zusammen mit den Urkunden Hans Rieds eine exzellente Materialbasis für ein allographisches Großkorpus unter Berücksichtigung aller graphemischen Realisierungsmöglichkeiten der Ried’schen Handschrift. 3. Spezifika des Schreibers: Persönliche und dialektologische Spezifika des Schreibers Hans Ried erlauben weitere literaturhistorische und sprachwissenschaftliche Untersuchungen dieses einzigartigen Textkorpus. Aufbauend auf Thornton (1962) hat die digitale Gesamttranskription daher exakte manuskriptspezifische Grapheme, Superskripte, Diakritika und Interpunktionszeichen zu berücksichtigen. 4. Zeitliche und geographische Übergangszone: Das Ambraser Heldenbuch ist einer der wenigen territorialen bzw. sprachlich liminalen Großtexte in der Übergangszeit vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. An der südlichen Peripherie des deutschen Sprachraums angesiedelt eignet sich der Text in Form eines digitalen Großkorpus besonders für dialektologische Untersuchungen bzw. impliziert vielfältige Fragestellungen im Bereich phonologischer, morphologischer und lexematischer Veränderungen vom Mittelhochdeutschen zum Frühneuhochdeutschen. 5. Literarische Sprache Rieds: Die Sprachform der von Hans Ried niedergeschriebenen Texte deckt sich nicht mit dem Mittelhochdeutsch seiner Vorlagen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Im Ambraser Heldenbuch manifestiert sich eine offensichtlich literarische Sprache des frühen 16. Jahrhunderts, die sich von anderen überlieferten Autographen Rieds (aus einem dezidiert nicht-literarischen Kontext) abhebt. Die Eigenheiten gegenüber dem gesprochenen oder geschriebenen Frühneuhochdeutsch des süddeutschen Raums am Beginn des 16. Jahrhunderts sowie die Unterschiede zum (standardisierten oder regionalen) mittelhochdeutschen Sprachgebrauch machen das Ambraser Heldenbuch zu einem einzigartigen linguistischen bzw. dialektologischen Korpus. Bereits 1935 forderte daher Leitzmann eine „zusammenfassende Untersuchung“ und „Gesamtbeurteilung“ (189) der Sprache des Ambraser Heldenbuchs. 6. Unikale Überlieferung: Der Großteil der bisherigen Einzeleditionen von unikalen Werken des Ambraser Heldenbuchs versucht, eine Rücktransposition in ein normalisiertes Mittelhochdeutsch zu vollführen (vgl. Bein 2015). Es gibt folglich bisher keine vollständige 185
Mario Klarer
Edition a l l e r Texte des Ambraser Heldenbuchs in einer getreuen Transkription des Manuskriptbestands ohne den Versuch einer Normalisierung oder Standardisierung. Gerade für die unikal im Ambraser Heldenbuch überlieferten Texte (wie z. B. Hartmanns Erec) sehen Homeyer und Knor (2015) das große Potential einer digitalen Gesamttranskription: „[F]ehlt doch bisher die Gesamtschau auf den Schreibusus Rieds im Rahmen seiner Abschrift des ‚Ambraser Heldenbuches‘, um mögliche Vorlagenreflexe von Texteingriffen, Wortschatzwandel oder individuellen Schreibgewohnheiten zu trennen“ (98). Damit wird das ÖAW-Transkriptionsprojekt anschlussfähig für Editionsbemühungen von Einzeltexten des Ambraser Heldenbuchs wie zum Beispiel die der Arbeitsgruppe um Reuvekamp-Felber zu Hartmanns Erec. So betont Gärtner (2006, VII) im Vorwort seiner 7. Auflage des Erec mit Verweis auf Leitzmann die Notwendigkeit, Einzeltexteditionen vor dem Hintergrund „der gesamten Überlieferung der Ambraser Handschrift“ zu erarbeiten. Zusammenfassend ist einer der unmittelbaren Hauptgründe, warum eine akribische allographische, das heißt alle Buchstabenvarianten berücksichtigende Transkription im Fall des Ambraser Heldenbuchs wichtig ist, dass zwei Drittel der Texte im Ambraser Heldenbuch ausschließlich unikal überliefert sind und daher für Editionsphilologen die einzige Quelle für die Rekonstruktion mittelalterlicher Vorlagen Hans Rieds darstellen. Hierzu können zukünftig auf der Basis des Textkorpus großangelegte computerlinguistische Analysen durchgeführt werden. Damit lassen sich zum Beispiel Mechanismen der Ried’schen Sprache, die er für die Niederschrift seiner Texte im Ambraser Heldenbuch verwendet hat, als systematisches Regelwerk ableiten und ‚Formeln‘ für die ‚Übersetzung‘ Rieds in seine frühneuhochdeutsche literarische Sprache postulieren. Im Umkehrschluss können diese Regeln dann für die Rekonstruktion seiner (nicht mehr überlieferten) Vorlagen herangezogen und die Qualität von Editionen der unikal überlieferten Werke verfeinert und geschärft werden. Darüber hinaus lässt das standardisierte Korpus eine Vielzahl derzeit noch nicht absehbarer computerunterstützter Untersuchungen zu und legt damit einen Grundstein für zukünftige Forschungsprojekte in unterschiedlichen Disziplinen rund um das Ambraser Heldenbuch.
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G E DA C H T N U S U N D G E DA N K E N
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Vom Umgang mit der Gedachtnus Translatio imperii und mittelalterliche Gehirnanatomie im Ambraser Heldenbuch
Bereits bei der Anweisung an Paul von Liechtenstein im Jahr 1502, ein „helldenpuch an der Etsch ausschreiben zulassen“ (Unterkircher 1973, Tafel I/2), verknüpfte Maximilian die Sammelhandschrift, die wir heute als Ambraser Heldenbuch bezeichnen, mit dem Konzept ‚Heldentum‘, das vor allem mit Maximilians persönlicher Selbststilisierung ursächlich verwoben ist. Ebenfalls direkt mit dem Selbstverständnis Maximilians aufs Engste verstrickt ist der immer wieder auftauchende Begriff Gedachtnus, der besonders die großen künstlerischen Auftragswerke Maximilians legitimieren sollte. Im folgenden Aufsatz wird diesen beiden zentralen Konzepten von Heldentum und Andenken mit Blick auf das Ambraser Heldenbuch anhand einiger ausgewählter literarischer Werke dieses Prachtkodex näher nachgegangen. Eines der großen Rätsel rund um das Ambraser Heldenbuch ist die Frage nach der Auswahl der Texte oder anders ausgedrückt, warum sich bestimmte Werke im Heldenbuch befinden, die auf den ersten Blick nur bedingt mit Heldentum zu tun haben. Zu diesen Texten zählen neben anderen Meier Helmbrecht von Wernher dem Gärtner, welches eine pervertierte Ritterlichkeit zum Inhalt hat, aber auch der Pfaffe Amis des Strickers, das mit seinem betrügerischen Protagonisten eher der Schwankdichtung als der Heldenepik zuzuordnen ist. Es ist natürlich nicht Aufgabe dieses Aufsatzes, eine Antwort auf die Beweggründe für die generelle Textauswahl im Heldenbuch zu suchen. Zu viele offene Fragen bestimmen die Problematik. Auch ist es vollkommen unklar, wer die Selektion der Texte übernommen hat und was die eigentlichen Kriterien für die Aufnahme in die Sammelhandschrift gewesen sein könnten. Wir wissen aber, dass alle Auftragswerke, die im Umfeld Kaiser Maximilians entstanden sind, als Teil des vielzitierten maximilianischen Gedachtnus-Konzepts zu verstehen sind, wie es eindringlich im Weißkunig zum Ausdruck gebracht wird: Wer ime in seinem leben kain gedachtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben menschen wird mit dem glockendon vergessen, und darumb so wird das gelt, so ich auf gedechtnus ausgib, nit verloren, aber das gelt, das erspart wird in meinem gedachtnus, das ist ein undertruckung meine kunftigen gedächtnus, und was ich in meinem leben in meiner gedächtnus nit volbring, das wird nach meinem tod weder durch dich oder ander nit erstat. (Schultz 1966, Kap. 24, 66)
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Gerade Konstruktion und Beschaffenheit des ‚Kulturellen Gedächtnisses‘ sind in den letzten Jahrzehnten in kulturwissenschaftlichen Studien ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Der folgende Aufsatz versucht bewusst, dieses Konzept, das für Maximilian grundlegend war und einen seiner wichtigsten Beweggründe für kulturelles Schaffen und politisches Handeln darstellte, in Hinblick auf das Ambraser Heldenbuch nicht anachronistisch über moderne Kulturtheorie zu ergründen. Vielmehr soll unter Zuhilfenahme mittelalterlicher Diskurse einerseits der Begriff Gedachtnus im maximilianischen Sinn als globales bewahrendes Andenken beleuchtet, andererseits aber auch als persönliche Gedanken- bzw. Gedächtnisleistung des Individuums gemäß mittelalterlicher gehirnanatomischer Vorstellungen nachgezeichnet werden.
Moriz von Craûn und die Helden der translatio imperii Das Ambraser Heldenbuch scheint in seiner Konzeption und Rahmung sowie auch in punktuellen Inhalten immer wieder auf das Konzept des Gedächtnisses bzw. der Erinnerung zurückzukommen. Bereits der zweite Text des Ambraser Heldenbuchs, das anonyme Moriz von Craûn, das der heldenepischen Tradition verpflichtet ist, beginnt mit einer Aufzählung großer ritterähnlicher Gestalten (Classen 1992, V. 1–260). Genannt werden trojanische Heroen wie Hektor und Paris als Ausgangspunkt des Rittertums in Griechenland, das dann über Rom mit Julius Caesar bis zu Karl dem Großen sowie Oliver und Roland als den mittelalterlichen Verkörperungen von Ritterlichkeit weitergezeichnet wird: ze Kriechen huop sich ritterschaft, dô sie Troie mit kraft besâzen durch ein vrouwen. dâ mohte man wol schouwen manegen Kriechen nâch sage, die gelîche wurben alle tage umbe ritterlîchen prîs. Ector unt Pârîs, Elênus unde Deiphobus unde ir bruoder Trôilus, die küenen nôtvesten, die werten den gesten vor der mûre dicke ir velt unt gâben solichez widergelt
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In Griechenland begann das Rittertum, als man Troja mit großer Kraft um einer Frau willen belagerte. Dort konnte man, wie uns die Sage berichtet, so manche Griechen sehen, die jeden Tag um höchste ritterliche Anerkennung rangen. Hektor und Paris, Helenus und Deïphobus Und ihr Bruder Troïlus, Diese tapferen Kämpfer Wehrten sich oft gegen die Feinde im Kampf draußen vor den Mauern. Ihre Verteidigung war so erfolgreich (Classen 1992, V. 13–26
Vom Umgang mit der Gedachtnus
Es handelt sich hier um eine Version der weitverbreiteten mittelalterlichen Vorstellung von translatio imperii als Tradierung von Weltherrschaft. Hierbei wird die Abfolge imperialen Anspruchs über ritterähnliche Figuren festgemacht, die grob gesprochen von biblischen bzw. griechisch-römischen Personen über Karl den Großen auf die jeweilige mittelalterliche oder frühneuzeitliche Gegenwart des Kaisertums projiziert werden. Diese Vorstellung von Vorläufern mittelalterlicher Ritterlichkeit findet vielfältige literarische Verarbeitung wie z. B. im Annolied des Bischofs von Köln.1 Aber auch im näheren Umfeld Kaiser Maximilians hat die translatio-imperii-Konzeption einen besonderen Stellenwert, was sich unter anderem in seinen genealogischen Interessen, Forschungsaufträgen und künstlerischen Auftragswerken niederschlägt. Eine von Maximilians fixen Ideen war, seine politischen Ansprüche über eine genealogische Legitimation abzuleiten. Dazu hat Maximilian über Jahre Historiker und Humanisten beschäftigt, die anhand seiner vermeintlichen Ahnen eine Abstammung von Karl dem Großen über die Merowinger und römische Adelsgeschlechter bis hin zu trojanischen und biblischen Heldenfiguren nachzeichnen sollten (Wierschin 2005, 114). Diese ‚Ergebnisse‘ fanden in vielfältiger Weise künstlerischen Niederschlag in den Entwürfen für die Statuen, die sein Grabmal flankieren sollten, aber auch in Druckgraphiken wie der Ehrenpforte und dem Triumphzug. Die translatio-imperii-Vorstellung taucht auch in Form eines Freskenzyklus in Schloss Runkelstein bei Bozen auf. Maximilians Gedenkbuch dokumentiert, dass diese Wandmalereien auf Schloss Runkelstein bei Maximilian großes Interesse ausgelöst haben. So sind Maximilians Anweisungen überliefert, die als Auftrag für eine schriftlich-inhaltliche Dokumentation („istory“) der in Runkelstein befindlichen Wandmalereien zu verstehen sind und eine Renovierung („vernewen“) der Fresken miteinbeziehen. „Item daz sloss Runcklstein mit dem (ge)mel lassen zu vernewen von wegen der guten allten istory und dieselb istory in schrift zu wegen bringen.“2 Die Brüder Franz und Niklaus Vintler haben 1388 Umbau und bildliche Ausgestaltung der Burg Runkelstein mit den umfangreichsten profanen Freskenzyklen des mittelalterlichen Alpenraums eingeleitet. Berühmt sind unter anderem figürliche Darstellungen im ‚Badehaus‘, umfangreiche Jagd- und Festszenen sowie zwei große Freskenzyklen im Sommerhaus, die sich literarischer Texte annehmen. Zu den literarischen Umsetzungen zählen Garel vom blühenden Tal von Pleier, einem lokalen 1 Das Annolied (Nellmann 2005, Kap. 8–33) aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts nennt vier Weltzeitalter, nämlich das babylonische, persische, griechische und römische, die teleologisch auf die Gegenwart, d. h. auf die Zeit und das Wirken des Bischofs Anno von Köln ausgerichtet sind. Die Identifizierung dieser vier Weltreiche wiederum geht auf Hieronymus‚ Commentarium in Danielem I, 2, 38–40 zurück. 2 Gedenkbuch I, Suppl. 13, fol. 33v (Signaturangabe und Zitat nach Wierschin 2005, 103, FN 12, 115).
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Abb. 98: Fresko in Runkelstein (1388–1410), Garel-Zyklus: König Artus und seine Tafelrunde.
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Abb. 99: Fresko in Runkelstein (1388–1410), Tristan kämpft gegen den Drachen.
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Dichter, dessen Werk hier als Freskenzyklus dargestellt ist (Abb. 98), sowie die bekannte Geschichte von Tristan und Isolde, die in Räumen des Sommerhauses in Terra-Verde-Technik bildlich umgesetzt wurde (Abb. 99). Des Weiteren findet sich am Balkon des Sommerhauses auf Runkelstein eine großflächige Außendarstellung der translatio-imperii-Konzeption (Abb. 100 und 101). Ganz der Vorstellung der mittelalterlichen Tradition von Herrschaftsabfolge verpflichtet sind biblische, griechisch-römische und mittelalterliche reale und sagenhafte Personengruppen in Form von Dreiergruppen als insgesamt neun TriaAbb. 100: Fresko in Runkelstein (1388– 1410), Dietrich von Bern, Siegfried und den dargestellt. Es besteht also eine mögliche Dietleib von Steier mit ihren Schwertern. Verbindung zwischen diesem Bildzyklus in Schloss Runkelstein, der die maximilianische Konzeption von Herrschaft und Ritterlichkeit widerspiegelt, und Moriz von Craûn als einen der einleitenden Texte im Ambraser Heldenbuch. Diese Vorstellung einer Abfolge von Heldentum taucht später auf transformierte Art und Weise in weiteren Werken im Ambraser Heldenbuch wieder auf. Es gibt natürlich keine Beweise, dass Maximilian insbesondere von den Darstellungen der Heroen-Triaden auf dem Balkon von Schloss Runkelstein direkt beeinflusst war oder dass diese spezifischen Darstellungen Abb. 101: Fresko in Runkelstein (1388– 1410), König Artus, Karl der Große und sein besonderes Interesse geweckt hatten. Es Gottfried von Bouillon. zeigt sich jedoch vielfältig in Maximilians Auftragswerken, dass er sich der Herrschaftsabfolge bewusst war und diese betonen wollte. Auch bei seinem Grabmal und vor allem bei den Statuen, die dieses Grabmal umrahmen sollten, war er sehr darauf bedacht, Genealogisches im weitesten Sinne des Wortes hervorzuheben, wobei es ihm vor allem um seine persönliche, teils ins Mythologische tendierende Abstammung oder Verwandtschaft ging (Abb. 102). Auch im Kaiserdenkmal für den Dom zu Speyer, der als Kaisergrablege einen Teil von Maximilians translatio-Idee darstellte, versuchte Maximilian, eine Tradi194
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tionslinie römisch-deutschen Kaisertums zu skizzieren (Abb. 103).3 Das unvollendet gebliebene Denkmal war als eine rotundenartige Gruppierung von Marmorskulpturen angelegt, wie in der digitalen Rekonstruktion zu sehen ist (Abb. 104). Man könnte die maximilianische Betonung der translatio-imperii-Vorstellung noch weiterverfolgen, indem man Maximilians Jagdschloss in Martinsbühel bei Zirl in Tirol ebenfalls in diesen Kontext stellt. Das Gebäude wurde auf einer römischen Befestigungsanlage errichtet (Abb. 105). Wie eine zeitgenössische Zeichnung zeigt, standen in der Mitte des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich noch Überreste eines römischen Tempels in unmittelbarer Nähe zum Jagdschloss (Abb. 106). Martinsbühel versinnbildlicht somit Maximilians Bestreben, sich auf der Basis des römisch-antiken Erbes anzusiedeln und auf diesem Fundament ein Bauwerk zu bewohnen, das wie sein Herrschaftsanspruch auf der Idee des römischen Kaisertums fußt. Abb. 102: Bronzefigur des MaximilianDie Auseinandersetzung mit Herrschafts- Grabdenkmals von Peter Vischer (1513), und Heldentradition, die sich gerade in der König Artus als (fiktiver) Vorfahre Maximilians. translatio-imperii-Konzeption zeigt, manifestiert sich auch im Ambraser Heldenbuch auf vielfältige Weise. Wie bereits erwähnt, nimmt das anonyme Moriz von Craûn diese Herrschaftsabfolge als Einstieg zu den nachfolgenden Werken auf und zeichnet damit auch einen einleitenden inhaltlichen Rahmen für das helldenpuch als Ganzes. Wie wir sehen werden, tauchen gegen Ende des Ambraser Heldenbuchs die translatioimperii-Vorstellungen als parodistisch-pervertierende Adaptionen noch einmal auf.
3 Die Fragmente dieser maximilianischen Auftragsarbeit, die der beauftragte Künstler Hans Valkenauer nie zur Gänze fertigstellen konnte, wurden von Univ.-Prof. Klaus Hanke an der Universität Innsbruck erstmals in Form eines hochauflösenden 3-D-Scans vermessen und digital rekonstruiert.
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Abb. 103: 3-D-Vermessung (Laserscan) einer Figur des Kaiserdenkmals von Hans Valkenauer in Salzburg.
Abb. 105: Maximilians Jagdschloss in Martinsbühel bei Zirl in Tirol.
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Abb. 104: Digitale Rekonstruktion des von Hans Valkenauer in Teilen ausgeführten Kaiserdenkmals für den Dom zu Speyer.
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Abb. 106: Aquarellierte Federzeichnung von Sebastian Scheel (1546), Schloss Martinsbühel und Schloss Fragenstein, im Hintergrund die Martinswand.
Meier Helmbrecht: die translatio-imperii-Idee eines Narren Eine parodistische Variation der translatio-Vorstellung findet sich im Meier Helmbrecht von Wernher dem Gärtner im letzten Viertel der Sammelhandschrift. Der Protagonist Meier Helmbrecht verkörpert keinen echten Ritter, sondern einen Bauerntölpel, der sich lediglich danach sehnt, in den Ritterstand aufsteigen zu können. Er kleidet sich in seiner Fehleinschätzung wie ein Edelmann, wobei ein Teil seiner Kostümierung eine wunderschön bestickte Haube ist, die am Beginn des Textes auf über 100 Versen penibel beschrieben wird. Dabei handelt es sich um eine der größten und umfangreichsten Ekphrasen, also literarischen Bildbeschreibungen, in der mittelhochdeutschen Literatur (Klarer 1999a; 2001; 2004). In der Forschung ist man mehrheitlich davon überzeugt, dass die Haubenpassage erst im Nachhinein eingefügt wurde. Es könnte sich aber bei der Haubenbeschreibung auch um einen Schlüssel zum Verständnis des gesamten Textes handeln (Klarer 1999b). Sehen wir uns daher die Haubenbeschreibung genauer an, deren fünf bildliche Darstellungen in drei Hauptgruppen eingeteilt werden können:
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(I) Rückseite der Haube: auf der rückwärtigen Seite der Haube am Hinterkopf sieht man drei Bildzyklen. Auf der Seite des rechten Ohrs befinden sich vom trojanischen Sagenkreis inspirierte Darstellungen: dem selben geutôren was gegen dem zeswen ôren ûf die hûben genât – Welt ir nû hœren waz dâ stât? – Wie Troye wart besezzen, dô Pâris der vermezzen dem künege von Kriechen nam sîn wîp, diu im was liep alsam sîn lîp, und wie man Troye gewan und Ênêas von danne entran ûf daz mer in den kielen, und wie die türne vielen und manec steinmûre.
Diesem Bauerntölpel War auf die rechte Seite Der Kappe gestickt – Wollt ihr wirklich hören, was darauf gestickt war? –, wie Troja belagert wurde, nachdem Paris in seiner Vermessenheit dem König von Griechenland seine Frau entführt hatte, die er wie das eigene Leben liebte, und wie Troja erobert wurde und von dort allein Äneas mit den Schiffen aufs Meer entkam und wie die Türme und Steinmauern geschleift wurden. (Tschirch 2002, V. 41–53)
Die linke Seite schmücken Bilder aus dem Rolands Sagenkreis: ez stuont gegen der winstern hant wie künec Karle und Ruolant, Turpîn und Oliviere, die nôtgestalden viere, waz die wunders mit ir kraft worhten gegen der heidenschaft:
Links war zu sehen, wie vier Kampfgefährten: König Karl und Roland, Turpin und Olivier, was die für Heldentaten im grimmigen Kampf mit den Helden vollbrachten: (Tschirch 2002, V. 61–66)
Der hinterste Teil der Haube ist Abbildungen im Zusammenhang mit Dietrich von Bern gewidmet: Welt ir nû hœren waz hie stê von ener nestel her an dise
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Wollt ihr nun auch weiter hören, was hinten auf der Kappe Von Schnalle zu Schnalle zu sehen war
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(ez ist wâr daz ich iu lise) zwischen den ôren hinden? von frouwen Helchen kinden wie die wîlen vor Raben den lîp in sturme verloren haben, dô si sluoc her Witege, der küene und der unsitege, und Diethern von Berne,
(es ist wirklich wahr, was ich euch vortrage!) In ihrer Breite von einem Ohr zum andern? Von den Söhnen der Königin Helche, wie die einst im Sturm auf Ravenna ihr Leben lassen mußten, als Held Witege, der kampfwütige Haudegen, sie und Diether von Bern erschlug. (Tschirch 2002, V. 72–81)
(II) Mittelteil der Haube: der Scheitel der Haube wird von einem Band mit Vogelbildern bedeckt: hinden von dem spâne nâch der scheitel gegen dem schopfe, reht enmitten ûf dem kopfe, der lîm mit vogelen was bezogen, als si wæren dar geflogen ûz dem Spehtharte.
Hinten von den Ringellöckchen im Nacken bis zum Scheitel mitten auf dem Kopf war der Mittelstreifen der Kappe mit Vögeln bestickt; die wirkten, als wären sie eben aus dem Spessart herangeflogen (Tschirch 2002, V. 32–37)
(III) Vorderseite der Haube: die Stirnseite der Haube zeigt bildliche Szenen eines höfischen Festes mit tanzenden Rittern und Damen: noch mügt ihr hœren gerne waz der narre und der gouch truoc ûf sîner hûben ouch. Ez hêt der gotes tumbe vor an dem lîme al umbe von dem zeswen ôren hin unz an daz lenke (des ich bin mit wârheit wol bewæret; nû hœrt wie ez sich mæret), man möht ez gerne schouwen, von rittern und von frouwen. ouch was dâ niht überhaben, beidiu von meiden und von knaben
Auch könnt ihr gespannt noch weiter hören, was dieser Tölpel und Tor sonst noch auf seiner Kappe zur Schau trug. Dieser gottverlassene Narr hatte vorn am Saum ringsherum vom rechten Ohr bis hin zum linken (jedenfalls ist mir das als vollkommen glaubhaft versichert worden; hört nur, wie es weitergeht) – mit Vergnügen konnte man betrachten, wie von Rittern und adligen Damen – keiner war dort übergangen –, von Edelfräulein und Knappen
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vor an dem lîme stuont ein tanz vorn am Saum eine Tanzszene genât mit sîden, diu was glanz. mit glänzender Seide aufgestickt war. (Tschirch 2002, V. 82–96)
Da Wernher sehr detailliert über die Platzierung der einzelnen Bilder Auskunft gibt, können wir versuchen, diese dreiteilige Anordnung schematisch zu rekonstruieren. Die Bildanordnung auf Helmbrechts Haube sieht folgendermaßen aus: im vorderen Bereich der Haube – also auf der Stirn – befinden sich Darstellungen von tanzenden Rittern und Frauen. In der Mitte der Haube – am Scheitel – sind Vögel dargestellt und am hinteren Kopfteil der Haube – zwischen den beiden Ohren – befinden sich drei große Bildzyklen, die für die großen weltlichen Traditionen des mittelalterlichen Rittertums im Sinne des translatio-Gedankens stehen. Wie im Folgenden gezeigt wird, handelt es sich hier im Kontext der Gesamtanordnung der bildlichen Darstellungen um eine Parodie der translatio-Konzeption. Um der möglichen Funktion der Eingangspassage des Meier Helmbrecht auf die Spur zu kommen, ist es nötig, das Gedachtnus-Konzept Maximilians auch aus Sicht mittelalterlicher anatomischer bzw. medizinischer memoria-Vorstellungen zu beleuchten. Nur so lässt sich erklären, warum sich Wernher so große Mühe macht, den genauen Ort der einzelnen Darstellungen auf der Haube in Relation zueinander anzugeben. Die Anordnung der Bilder muss also eine tiefere Bedeutung haben, ebenso wie die Tatsache, dass Wernher Darstellungen auf einer ‚Kopfbedeckung‘ beschreibt. Es stellt sich daher die Frage, ob die Haubendarstellung auf etwas verweist, das von der Haube bedeckt wird bzw. was sich unter den jeweiligen Haubebildern im Kopf Helmbrechts befindet? Dazu ist es notwendig, gehirnanatomische Traktate des Mittelalters zu konsultieren, die darüber Auskunft geben, wie nach mittelalterlicher Auffassung ein menschliches Gehirn aufgebaut war. Gemäß dieser Vorstellung besteht das menschliche Gehirn aus drei Kammern oder Zellen, denen jeweils spezifische Funktionen zugeschrieben sind. Hinter der Stirn befindet sich die Kammer der imaginatio, also der Fantasie. Dahinter liegt der Verstand in Form der Zelle der ratio, die Gedanken einer kritischen Analyse unterzieht. Im Hinterkopf verortete man die Kammer der memoria, die für die Speicherung von Informationen zuständig ist (Abb. 107). Dieses weitverbreitete Dreikammernmodell geht auf antike und arabische medizinische Abhandlungen zurück, wird aber besonders in der mittelalterlichen enzyklopädischen Literatur einem weiten Publikum zugänglich gemacht.4 So fasst zum Beispiel Konrad von Megenberg in
4 Diese Vorstellung von den drei Gerhirnkammern hat sich übrigens teilweise bis ins 18. Jahrhundert gehalten und sogar noch für die Einteilung der Wissenschaften in der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert Pate gestanden.
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Abb. 107: Margarita philosophica (Druck, 1503), Darstellung der drei Gehirnkammern.
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seinem Buch der Natur Mitte des 14. Jahrhunderts die Kammernlehre in deutscher Sprache folgendermaßen zusammen: Die Hirnschale hat drei kleine Kammern. Die eine ist vorn in dem Kopf, und darin ist die Kraft der Seele, die da fantastica oder imaginaria heißt, das bedeutet soviel wie ‚die Bildnerin‘, weil sie das Bild und Abbild aller erkennbaren Dinge hervorbringt. Das zweite Kämmerchen befindet sich mitten in dem Kopf und in ihm befindet sich die Kraft der Seele, die da intellectualis heißt, das ist die Vernunft. Das dritte Kämmerchen befindet sich ganz hinten in dem Kopf und darin ist die Kraft der Seele, die da memorialis heißt, das ist das Gedächtnis. Diese drei Kräfte der Seele bewahren den ganzen Schatz der Erkenntnis (Sollbach 1995, 38).5
Versuchen wir nun, diese mittelalterlichen gehirnanatomischen Vorstellungen der drei Kammern des Gehirns mit den Bildgruppen auf Helmbrechts Haube zur Deckung zu bringen: Imaginatio
Ratio
tanzende Ritter und vögel damen
Memoria
Helden um Troja Helden um Dietrich Helden um Roland
Dort, wo im Gehirn die Zelle der memoria oder, wie Maximilian sagen würde, der Gedachtnus angesiedelt ist, zeigt Helmbrechts Haube Abbildungen der ritterlichen 5 „Diu hirnschal hât dreu kämerlein. daz ain ist vorn in dem haupt, und in dem ist der sêl kraft, die dâ haizt fantastica oder imaginaria, daz ist als vil gesprochen sam deu pilderinne, dar umb daz si aller bekantleicher ding pild und geleichung in sich samnet. daz ander kämerlein ist ze mittelst in dem haupt und in dem ist der sêl kraft, die dâ haizt intellectualis, daz ist vernunft. daz dritt kämerlein ist ze hinderst in dem haupt und in dem ist der sêl kraft, die dâ haizt memorialis, daz ist gedæchtnüss“ (Pfeiffer 1861, 4 f.).
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Abb. 108: Fresko in Runkelstein (1388–1410), Reigentanz-Darstellung im ‚Turniersaal‘.
Traditionen oder der translatio imperii. Soweit wäre dies nichts Ungewöhnliches, da es sich hier um jene Traditionen handelt, aus der das Rittertum sich ganz im Sinne Maximilians ableiten sollte. Anders ausgedrückt sollte nach mittelalterlicher Auffassung bei jedem Ritter die Kammer der memoria mit diesen Inhalten gefüllt sein. Was jedoch den Möchtegernritter Helmbrecht im Negativen auszeichnet, ist seine Dummheit – also das Fehlen von Verstand. Auf dem mittleren Teil der Haube, wo nach mittelalterlicher Vorstellung die ratio oder der Verstand angesiedelt ist, befinden sich bei Helmbrecht Vögel. So wie es heute noch heißt: ‚Jemand hat einen Vogel‘, gab es zur Zeit der Abfassung des Textes im Mittelhochdeutschen ebenfalls eine Verbindung zwischen Dummheit und einem Vogel.6 Und hier sieht man nun die große Fehlleistung des Helmbrecht’schen Gehirns, das ja das Gehirn eines Narren darstellt, bei dem die Zelle der ratio nicht funktioniert. In seiner Dummheit glaubt der Bauerntölpel, wahrhaftig zum Ritter mutieren zu können, indem er dem Raubrittertum nachgeht. 6 Das mittelhochdeutsche Wort „gouch“ (‚Kuckuck‘) im Sinne von ‚Narr‘ in Vers 83 der Haubenbeschreibung wurde bereits in Wernhers Quelle Neidhart von Reuental, Winterlied (12, II, 10; 13, V, 7 und 20, III, 10) verwendet (siehe auch Klarer 1999b, Fn. 23).
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Alles, was Helmbrecht von den ritterlichen Traditionen in seiner memoria ableitet, sind materielle Aspekte wie tanzende Ritter und Burgfräulein, die auf der Stirnseite der Haube dargestellt sind und damit örtlich mit der Gehirnkammer der imaginatio zusammenfallen. Die Fantasievorstellungen Helmbrechts erinnern an die Reigentanz-Darstellung im ‚Tourniersaal‘ von Schloss Runkelstein, die ebenfalls tanzende Edelmänner und Frauen zeigt (Abb. 109). Helmbrecht imaginiert in seiner Fantasie aufgrund fehlender ratio einen für ihn nicht standesgemäßen Zustand und interpretiert die Traditionen des Rittertums falsch, weil er sie auf seine persönlichen materiellen Annehmlichkeiten reduziert. Wernher der Gärtner eröffnet in der Haubenbeschreibung wie in einer Röntgenaufnahme den Blick in das Gehirn eines Narren, der die Heldenhaftigkeit des Rittertums falsch auffasst. Damit kann die Haubenbeschreibung im Meier Helmbrecht einerseits als Pathologie von gehirnanatomischen bzw. gehirnphysiologischen Vorgängen erklärt, andererseits aber als Warnung verstanden werden, wie der Umgang mit dem translatio-Gedanken oder der Gedachtnus nicht erfolgen sollte.
Der Pfaffe Amis: eine illegitime Vereinnahmung der translatio imperii-Idee Direkt anschließend an Meier Helmbrecht im Ambraser Heldenbuch folgt der Pfaffe Amis des Strickers – ein Text, der in den Bereich der Schwankdichtung gehört und ebenfalls eine sehr eigenwillige Transformation der translatio-imperii-Konzeption aufweist (vgl. Klarer 2008). Protagonist des episodischen Textes ist der englische Priester Amis, der unterschiedlichste âventiuren in England und auf dem Kontinent durchlebt, wobei er die Figur Till Eulenspiegels vorwegnimmt, der gleichfalls die mit ihm in Kontakt tretenden Personen auf närrische Weise übertölpelt und betrügt. Eine Episode sei hier herausgegriffen, die auch später in Till Eulenspiegel übernommen wurde: es handelt sich um eine Version der Geschichte Des Kaisers neue Kleider, in der Amis gegenüber dem französischen König vorgibt, ein Maler mit einer einzigartigen Fähigkeit zu sein (Abb. 109 und 110). Seine Kunst, so Amis, liege darin, dass er Bilder malen könne, die nur Personen von legitimer Geburt sehen können. Der französische König ist begeistert und erteilt Amis den Auftrag, Räume des Palastes auszumalen. Dafür versorgt er Amis mit Proviant und bezahlt ihn reichlich für das vermeintliche Resultat. Amis rührt jedoch keinen Finger, sondern schlägt sich über mehrere Wochen den Bauch voll, ohne die Wände zu bemalen. Dann gibt er dem französischen König mit seinem gesamten Gefolge eine Führung und erklärt mündlich die ‚unsichtbaren‘ Fresken in den Palasträumen. Der französische König ist erstaunt, weil er natürlich nichts sieht – die Wände sind so leer wie vor der Beauftragung von Amis. Aber aus Angst, von unehelicher Geburt zu sein, gibt der französische König vor, die nicht vorhandenen Gemälde bestens sehen zu 204
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Abb. 109: Der Pfaffe Amis (Druck, 1478), Strickers Pfaffe Amis erklärt die Fresken, die nur für die Personen von legitimer Geburt sichtbar sind.
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können. Auch alle anderen Betrachter der Fresken im königlichen Gefolge teilen das Verhalten und die Angst des französischen Königs, indem sie ebenfalls lauthals die nicht vorhandenen Gemälde bewundern. Die vermeintlichen Fresken bestehen aus zwei großen Bildzyklen, die der Betrüger Amis genauestens erläutert. An den vier vertikalen Wänden des Saales ist wie auf den Heldentriaden auf Schloss Runkelstein oder wie am Beginn von Moriz von Craûn ein Teil der Herrschaftsabfolge im Sinne einer translatio imperii dargestellt. „Herre, daz ist von Salomone und von sinem vater Davite und von dem grozen strite, den Absolon mit im streit. Do er im jagende nach reit, do im sin har swangete, umb einen ast er sich hangete. So ist aber daz ander von dem kunge Allexander, wie er Darium uberwant und Porum von Moren lant und allez daz er da begie. Herre, so stet aber hie, swaz die kunge ie getaten, die gewalt zu Rome hatten. Do mag man aber hie sehen, waz zu Babilon ist geschen, untz daz iz die gotes rache schiede mit mancher sprache. […]“
„Herr, das hier zeigt Salomo Und seinen Vater David Und den erbitterten Kampf, den Absalom mit ihm austrug; dort verfolgte er ihn zu Pferde; dort schlang sich sein Haar um einen Ast, und er blieb hängen. Das zweite Bild zeigt König Alexander, wie er Darius und Porus von Indien besiegte, und all seine anderen Taten. Hier aber, Herr, ist gemalt, was die Könige vollbracht haben, die über Rom herrschten. Hier wiederum kann man sehen, was sich zu Babel begab, bis die Strafe Gottes es durch die Sprachverwirrung zerstreute. […]“ (Schilling 1994, V. 648–666)
Auf die Saaldecke hingegen ‚projiziert‘ Amis im wahrsten Sinn des Wortes die Gegenwart des französischen Königtums als vermeintlichen End- oder Kulminationspunkt der auf den Seitenwänden dargestellten Herrschaftsabfolge. „[…] Daz han ich allez von euh getan, swaz ich obene gemolet han. Ich han gemolet disen sal, daz ewer ritter uber al mit samt eu dar in gant und bi euh schowende stant, swer ez gesehen niht enmac, 206
„[…] Das Deckengemälde habe ich ganz Euch gewidmet: Ich habe diesen Saal abgebildet, wie Eure Ritter ihn allesamt mit Euch betreten, um Euch herumstehen und schauen und wie jeder, der das Bild nicht sehen kann,
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Abb. 110: Till Eulenspiegel (Druck, 1532), Till Eulenspiegel erklärt die Fresken, die nur für Personen von legitimer Geburt sichtbar sind.
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daz er im selber einen slac vor leide zu dem herzen tut, und ist doch vor vil wol gemut, den is zu schowen ist geschen.“ „Nu hab wirs allez wol gesehen“, doch sprach der kunich, swi hart er luge, „swer iz niht gesehen muge, den laz wir im haben daz. […]“
sich vor Kummer an die Brust schlägt und dagegen diejenigen sehr erleichtert sind, denen der Anblick vergönnt ist.“ – „Ich habe alles genau gesehen“, behauptete der König, wiewohl er log. „Wenn jemand es nicht erblicken kann, muß er sehen, wie er damit fertig wird. […]“ (Schilling 1994, V. 667–682)
Bezeichnend für das Ambraser Heldenbuch als Auftragsarbeit Maximilians erscheint diese Episode aufgrund der eigenwilligen translatio-imperii-Version. Maximilian hätte diese âventiure des Pfaffen Amis sicherlich erheitert, da sie eine perfide Spitze gegen seinen größten Gegenspieler, den König von Frankreich impliziert. Die Spannungen und Auseinandersetzungen mit dem französischen Königshaus ziehen sich wie ein Leitmotiv durch Maximilians Biographie. Sie reichen vom Kampf gegen Frankreich um Burgund nach Maximilians Heirat mit Maria von Burgund bis hin zur schmählichen Lösung der Verlobung von Maximilians Tochter mit dem französischen Königshaus durch den französischen König – um nur einige Höhepunkte dieses jahrzehntelangen Antagonismus anzuführen. Für Maximilian selbst wären diese besagten Fresken, wie sie Amis beschreibt, an sich ein vollendeter Ausdruck seines eigenen Herrschaftsverständnisses: auf der Basis des kulturellen Gedächtnisses, das in Form der translatio imperii auf den tragenden Wänden des Palasts dargestellt ist, wird auf die Decke das Hier und Jetzt der eigenen Herrschaft projiziert oder imaginiert. Der strukturelle Aufbau und vor allem die Dummheit des französischen Königs erinnern aber auch an die fehlgeleitete Imagination des Narren Helmbrecht. Durch die Figur des übertölpelten französischen Königs wird die Darstellung zur Parodie des französischen Hegemonialanspruchs, indem der Erzrivale sich selbst nicht sicher ist, ob er ein legitimer Abkömmling jener bildlichen Genealogie ist, auf die er sich berufen möchte. Maximilian hingegen kann aufgrund seiner genealogischen ‚Forschungsergebnisse‘ genau diesen Anspruch legitimieren und sein Kaisertum davon ableiten.
Priesterkönig Johannes: die Verdoppelung der translatio imperii Mit dem Stichwort ‚Kaisertum‘ fällt ein Begriff, der sich ebenfalls wie eine offene Wunde durch die Biographie Maximilians zieht. Vergeblich hat der gewählte römische König Maximilian I. versucht, in Anknüpfung an seine Vorgänger die Kaiserkrönung durch den Papst herbeizuführen. Nach langen vergeblichen Bemühungen ließ sich 208
Vom Umgang mit der Gedachtnus
Abb. 111: Karte Ost- und Zentralafrikas von Matthäus Merian (um 1640), in der Beischrift rechts unten bezeichnet als Reich des Priesterkönigs Johannes („sive Presbiteri Ioannis Imperium“).
Maximilian 1508 schließlich in Trient zum ‚Erwählten Römischen Kaiser‘ ausrufen, ohne dass es dabei zu einer Krönung durch den Papst gekommen ist. Um diesen Makel der verweigerten Kaiserkrönung durch den Papst loszuwerden, bediente sich Maximilian einer für ihn typischen Strategie – er strebte einfach zusätzlich für sich auch noch die Papstwürde an. Als gewählter Papst hätte er sowohl weltliche als auch religiöse Herrschaftsansprüche in Personalunion verkörpert. Damit wäre natürlich auch das leidige Problem der ausständigen Krönung durch den Papst elegant gelöst worden. Wie die Geschichte zeigt, ist Maximilian dieser Schachzug aber nicht gelungen. Es scheint aber, als wäre dieses neue religiös-weltliche Herrschaftsziel Maximilians in Form einer verdoppelten translatio-Idee auch in das Ambraser Heldenbuch aufgenommen worden. Es handelt sich hierbei um den Priesterkönigs Johannes, der den Abschluss des Heldenbuchs bildet und nur zwei Blätter nach dem Pfaffen Amis angesiedelt ist. Der Priesterkönig Johannes stellt eines der außergewöhnlichsten Fiktionen des Mittelalters mit Authentizitätsanspruch dar. Dieser der Fantasie eines 209
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anonymen Verfassers entsprungene Brief wurde zur Zeit der Kreuzzüge an den byzantinischen Kaiser mit der Bitte um Unterstützung für den sagenumwobenen Priesterkönig Johannes gerichtet. Johannes, so glaubte man, würde im Osten über ein paradiesisches christliches Reich herrschen und sich in einem Abwehrkampf gegen die Heiden befinden. Der Priesterkönigs Johannes beflügelte die abendländische Imagination von einem irdischen Paradies unter der Herrschaft des Presbyters Johannes im Osten Asiens oder Afrikas bis in die Neuzeit hinein. Noch auf Karten des 17. Jahrhunderts ist das Reich des Presbyters Johannes als ‚reales‘ Territorium zum Beispiel in Ostafrika verortet (Abb. 111). Im Mittelalter hatte der Priesterkönig Johannes unglaubliche Popularität und findet sich, außer in vielen anderen Quellen, in einer in Versen abgefassten Version als Abschlusstext im Ambraser Heldenbuch. Die Frage, warum Maximilian sein helldenpuch ausgerechnet mit dem Brief des Priesterkönigs Johannes abschließt, lässt sich relativ plausibel über seinen Versuch erklären, das Papsttum erlangen zu wollen. Maximilian I. dürfte in der Phase seines Strebens um die Papstwürde den Priesterkönig Johannes als eines seiner großen Vorbilder betrachtet haben (Amann 2007). Über den sagenhaften Johannes, der weltliche und religiöse Macht als Priesterkönig in sich vereint, findet das Heldenbuch über seinen Schlusstext indirekt wieder zu dem am Beginn der Sammelhandschrift in Moriz von Craûn angeklungenen translatio-imperii-Gedanken zurück. Dazwischen haben unterschiedliche Texte im Heldenbuch wie z. B. Meier Helmbrecht und der Pfaffe Amis die ‚traditionelle‘ translatio-imperii-Konzeption auf parodistisch-sarkastische Weise abgearbeitet. Der Priesterkönigs Johannes als Abschlusstext postuliert fast im Sinne eines Ausblicks die maximilianische Vision einer Verdoppelung des Weltherrschaftsgedankens durch Hinzunahme der päpstlichen Hegemonialtradition. Anhand der ausgewählten Beispiele – Moriz von Craûn, Meier Helmbrecht, Pfaffe Amis und zu einem gewissen Teil auch der Priesterkönig Johannes – sollte gezeigt werden, dass Gedachtnus-Konzepte maximilianischer Provenienz auch in Texten des Ambraser Heldenbuchs auftauchen. Ritterlichkeit, Heldentum und Weltherrschaft werden vornehmlich über die für Maximilian so zentrale translatio-imperii-Tradition erschlossen. Gleichzeitig wird dieses Andenken an eine Tradition von Heldentum mit gehirnanatomischen Gedächtnis- und Memorialkonzepten des Mittelalters verquickt. Es würde zu weit führen, aufgrund dieser Gedachtnus-Schlaglichter auf eine direkte Einflussnahme Maximilians auf die Auswahl der Texte im Ambraser Heldenbuch rückschließen zu wollen. Dazu sind die 25 im Heldenbuch überlieferten Werke thematisch zu heterogen und es ließe sich schwer argumentieren, dass alle Texte dem Gedachtnus-Konzept untergeordnet wären. Jedoch ist für die hier behandelten Werke aus dem Ambraser Heldenbuch, die eine gewisse Rahmenfunktion einnehmen, eine solche Verbindung nicht auszuschließen. 210
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Abbildungsnachweis Einleitung Mario Klarer: Das Ambraser Heldenbuch Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14:
Theuerdank (Kap. 36), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 2, fol. 83v. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Weißkunig, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 95.970, Holzschnitt Nr. [199] (zwischen S. 68 und 69). © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. I*r. Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. IIv. Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CXLr. Zollrevers, Tiroler Landesarchiv, Innsbruck, Hs. 4027, fol. 7r ll. 1, 6–9. Stiftbrief für die Unserliebfrauenkapelle in der Nikolauskirche zu Hall, Stadtarchiv, Innsbruck, Urk. 587, S. 1, Foto: Moritz Klarer. Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVra ll. 1–8. Transkription eines Ausschnittes aus dem Nibelungenlied mit dem Programm ‚Transkribus‘. Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. V*v (Detail). Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXVr (Detail). Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CIXr (Detail). Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVv (Detail). Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVr (Detail). 231
Abbildungsnachweis
Abb. 15: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXXIIIIr (Detail). Abb. 16: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXXVv (Detail). Abb. 17: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CLXXXVIIr (Detail). Abb. 18: Schloss Runkelstein, Fresko mit der Auffindung Tristans durch Isolde, Brangäne und Parnis, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 19: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXVr (Detail).
Aufträge und Ausführungen Hubert Alisade: Die Entstehungsgeschichte des Ambraser Heldenbuchs Abb. 20: Gedenkbuch Nr. 12, Finanz- und Hofkammerarchiv, Wien, fol. 282r (= 257r). Abb. 21: Oberösterreichische Kammerkopialbücher: Entbieten und Befehle (1501), Tiroler Landesarchiv, Innsbruck, fol. 20v. Abb. 22: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Stadtarchiv, Innsbruck, Urk. 587, S. 33, Foto: Moritz Klarer. Abb. 23: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Diözesanarchiv, Brixen, ADK Lade 88, fol. 3r, Foto: Jürgen Eheim. Abb. 24: Stiftbrief der Waldauf-Kapelle in Hall in Tirol (1501), Stadtarchiv, Hall in Tirol, Urk. 304, fol. 2r, Foto: Moritz Klarer. Aaron Tratter: Buchschmuck, Lagen, leere Seiten Abb. 25: Schematische Darstellung eines Quaternios. Abb. 26: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, ser. n. 2663, fol. I*r. Abb. 27: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, ser. n. 2663, fol. CCXXXVva ll. 1–7. Abb. 28: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, ser. n. 2663, fol. IIva ll. 1–12. Abb. 29: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, ser. n. 2663, fol. I*ra ll. 3–10. 232
Wien, Cod. Wien, Cod. Wien, Cod. Wien, Cod.
Abbildungsnachweis
Abb. 30: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. V*v. Abb. 31: Albrecht Dürer, Kaiser Maximilian I. (GG 825), KHM-Museumsverband, Wien. Abb. 32: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVrb ll. 13–21. Abb. 33: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVra ll. 11–19. Abb. 34: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVr (Detail). Abb. 35: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCVIIIIr (Detail). Abb. 36: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. Ira ll. 1–10. Abb. 37: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CXXIIIr.
Texte und Texturen Jan-Dirk Müller: Alte Heldenbücher im Kreis Maximilians Abb. 38: Theuerdank (Kap. 1), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 2, fol. 3r. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Abb 39: Schloss Runkelstein, Fresko mit den drei stärksten Riesen, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Klaus Amann: Reflexionen über den Hof Abb. 40: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. V*v. Abb. 41: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. Ir. Abb. 42: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. XCVr l. 1. Abb. 43: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CXLr l. 1 . Abb. 44: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CCXVr l. 1–30 .
Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. 233
Abbildungsnachweis
Abb. 45: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVr (Detail).
Unikate und Übersetzungen Kurt Gärtner: Der Ambraser Erec – eine Kompilation? Abb. 46: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XXVIIIr. Abb. 47: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XXVIIIrb ll. 59–68. Stephan Müller: Prominente Unikate Abb. 48: Biblioteka Jagiellonska, Krakau, Berol. Ms. Germ. Quart 792, Nibelungen Fragment O. Abb. 49: Schloss Runkelstein, Fresko mit Tristan im Kampf mit dem Drachen, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 50: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CXXIIv. Abb. 51: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CXXIIIr. Abb. 52: Gießener Iwein, Universitätsbibliothek der Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Hs. 97, fol. 92v und 93r. Abb. 53: Gießener Iwein, Universitätsbibliothek der Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Hs. 97, fol. 92v (Detail).
Genres und Gender Max Schiendorfer: Nur Allotria inmitten höfischer Hochepik? Abb. 54: Der Pfaffe Amis, Bayerische Staatsbibliothek, München, Rar. 422, fol. 2r CC-BY-NC-SA 4.0. Abb. 55: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVIIIIv. Abb. 56: Manessische Liederhandschrift, Universitätsbibliothek, Heidelberg, Cpg 848, fol. 201r CC-BY-SA 3.0. 234
Abbildungsnachweis
Michael Dallapiazza: Die Böse Frau/Daz buoch von dem übeln wîbe Abb. 57: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVr.
Helden und Herrscher Heinz Noflatscher: Maximilian – Held aller Helden? Abb. 58: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CLXVv. Abb. 59: Gebetbuch Maximilians, Bayerische Staatsbibliothek, München, 2o L.impr.membr.64, fol. 41r CC-BY-NC-SA 4.0. Abb. 60: Gebetbuch Maximilians, Bayerische Staatsbibliothek, München, 2o L.impr.membr.64, fol. 9r CC-BY-NC-SA 4.0. Abb. 61: Gebetbuch Maximilians, Bayerische Staatsbibliothek, München, 2o L.impr.membr.64, fol. 47r CC-BY-NC-SA 4.0. Abb. 62: Gebetbuch Maximilians, Bibliothèque municipale de Besançon, BM 67633, fol. 104r S-19- L-MSCM / 67633 RILL 000006118846. Larry Silver: Ein moderner Heldenkaiser Abb. 63: Theuerdank (Kap. 102), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 2, fol. 243v. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Abb. 64: Theuerdank (Kap. 61), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 1, Abb. 61. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Abb. 65: Theuerdank (Kap. 50), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 1, Abb. 50. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Abb. 66: Theuerdank (Kap. 98), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 2, fol. 231v. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Abb. 67: Theuerdank (Kap. 117), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 2, fol. 277r. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Foto: Watzek Photografie, Hall i. T. Abb. 68: Theuerdank (Kap. 118), Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, 42 B 1, Abb. 118. © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol.
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Abbildungsnachweis
Bilder und Buchstaben Kristina Domanski: Zwischen Naturstudium und Dekor Abb. 69: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. V*v. Abb. 70: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. Ir. Abb. 71: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. XXVIv (Detail). Abb. 72: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. LIr. Abb. 73: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. LIr (Detail). Abb. 74: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CIIIr (Detail). Abb. 75: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CVIIv (Detail). Abb. 76: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CXVv (Detail). Abb. 77: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CXLIv (Detail). Abb. 78: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLIII*r (Detail). Abb. 79: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLVr (Detail). Abb. 80: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLXv (Detail). Abb. 81: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLXIIIv (Detail). Abb. 82: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLXVv (Detail). Abb. 83: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CCIIIv. Abb. 84: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CLXXXIIr (Detail). Abb. 85: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CCXVr. Abb. 86: Ambraser Heldenbuch, Österreichische ser. n. 2663, fol. CCXVIIv (Detail). 236
Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod. Nationalbibliothek, Wien, Cod.
Abb. 87: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXVIIIv (Detail). Abb. 88: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. CCXXVr (Detail). Mario Klarer: Vom Buchstaben zum Text Abb. 89: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVvc ll. 7–12 ab imo. Abb. 90: Transkription eines Ausschnittes aus dem Nibelungenlied mit dem Programm ‚Transkribus‘. Abb. 91: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVra ll. 26–27. Abb. 92: Transkription eines Ausschnittes aus dem Nibelungenlied mit dem Programm ‚Transkribus‘. Abb. 93: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVra ll. 17–21 ab imo. Abb. 94: Transkription eines Ausschnittes aus dem Nibelungenlied mit dem Programm ‚Transkribus‘. Abb. 95: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XCVra ll. 11–18. Abb. 96: Transkription eines Ausschnittes aus dem Nibelungenlied mit dem Programm ‚Transkribus‘. Abb. 97: Ambraser Heldenbuch, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Cod. ser. n. 2663, fol. XXIIva ll. 1–7.
Gedachtnus und Gedanken Mario Klarer: Vom Umgang mit der Gedachtnus Abb. 98: Schloss Runkelstein, Fresko der Tafelrunde von König Artus, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 99: Schloss Runkelstein, Fresko mit Tristan im Kampf mit dem Drachen, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 100: Schloss Runkelstein, Fresko mit Dietrich von Bern, Siegfried und Dietleib von Steier, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 101: Schloss Runkelstein, Fresko mit König Artus, Karl dem Großen und Gotttfried von Bouillon, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. 237
Abbildungsnachweis
Abb. 102: Peter Vischer, Bronzefigur von König Artus, zum Grabdenkmal Maximilians I. gehörig, Hofkirche, Innsbruck, Foto: Tiroler Landesmuseen/Gerhard Watzek. Abb. 103: 3-D-Vermessung (Laserscan) einer Figur des Kaiserdenkmals von Hans Valkenauer in Salzburg, Foto: Klaus Hanke. Erstmals publiziert in Klaus Hanke. Michael Moser, Albert Grimm-Pitzinger und Hanke Klaus. „Das unvollendete Kaiserdenkmal für den Dom zu Speyer.“ Ars Sacra. Kunstschätze des Mittelalters aus dem Salzburg Museum. Hg. von Peter Husty und Peter Laub. Jahresschrift des Salzburg-Museums 53. Salzburg: Salzburg Museum, 2010. 209–214. Abb. 104: Digitale Rekonstruktion des von Hans Valkenauer in Teilen ausgeführten Kaiserdenkmals für den Dom zu Speyer. Erstmals publiziert in Klaus Hanke. Michael Moser, Albert Grimm-Pitzinger und Hanke Klaus. „Das unvollendete Kaiserdenkmal für den Dom zu Speyer.“ Ars Sacra. Kunstschätze des Mittelalters aus dem Salzburg Museum. Hg. von Peter Husty und Peter Laub. Jahresschrift des Salzburg-Museums 53. Salzburg: Salzburg Museum, 2010. 209–214. Abb. 105: Maximilians Jagdschloss in Martinsbühel bei Zirl in Tirol, Foto: Mario Klarer. Abb. 106: Sebastian Scheel, Schloss Martinsbühel und Schloss Fragenstein, im Hintergrund die Martinswand, in: Matthias Burglechner, Der Tiroler Adler, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, Hs. Weiß 231, Bd. 10, zwischen fol. 1310 und 1311. Abb. 107: Margarita philosophica, Bayerische Staatsbibliothek, München, Res/4° Ph. u. 114, fol. H IIr CC BY-NC-SA 4.0. Abb. 108: Schloss Runkelstein, Fresko mit Reigentanz im ‚Turniersaal‘, alle Rechte © by Stadt Bozen, Foto: Peter Daldos, Spherea3d. Abb. 109: Der Pfaffe Amis, Bayerische Staatsbibliothek, München, Rar. 422, fol. 6r CC BY-NC-SA 4.0. Abb. 110: Till Eulenspiegel, Bayerische Staatsbibliothek, München, Rar. 1641, fol. 21v CC BY-NC-SA 4.0. Abb. 111: Matthäus Merian, Karte Ost- und Zentralafrikas, Privatbesitz, Foto: Mario Klarer.
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Autorenverzeichnis Hubert Franz Xaver Alisade, geboren 1982 in Regensburg, studierte Christliche Philosophie an der Universität Innsbruck (Mag. phil. fac. theol. 2011; Lic. phil. 2015 am Institutum Philosophicum Oenipontanum). Seit 2014 ist er Projektmitarbeiter bei der Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung (DEA) der Universität Innsbruck und dort für die digitale Aufbereitung handschriftlicher Texte zuständig. Sein Schwerpunkt beim ÖAW-go!digital-Projekt Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset (2017–2019) unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Mario Klarer ist die Mitarbeit an der digitalen Transkription und Edition des Ambraser Heldenbuchs sowie die Sichtung der übrigen Autographen des Bozner Zöllners Hans Ried. Klaus Amann, geboren 1975 in Vorarlberg, ab 1994 Studium der Germanistik sowie Anglistik/Amerikanistik in Innsbruck. Mag. phil. 2001, Promotion 2006 mit einer Arbeit über das Pfäferser Passionsspielfragment, einem neu gefundenen geistlichen Spiel aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts. Habilitation 2018 mit Venia legendi: „Germanistische Mediävistik“. Seit 2006 Univ.-Ass., seit 2011 Ass.-Prof. und seit 2018 Assoz. Prof. am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck. Veröffentlichungen vorwiegend zum geistlichen und weltlichen Spiel des Mittelalters sowie zur spätmittelalterlichen Literatur und Sprache in Tirol (v. a. im Umfeld Kaiser Maximilians) und Vorarlberg (u. a. zu Hugo von Montfort und Rudolf von Ems). Michael Dallapiazza, geboren 1954 in Frankfurt am Main, ist Professor für deutsche Literatur an der Universität Bologna. Zuvor war er Professor für germanische Philologie an den Universitäten Triest und Urbino. Zentrale Gebiete seiner Forschungsaktivität sind die höfische Literatur, die deutsch-italienischen Literaturbeziehungen, Mittelalterrezeption und „Renaissancismus“, die Literatur des 20. Jahrhunderts sowie die Literaturtheorie. Einige der zahlreichen Publikationen sind: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2009. „Hans Sachs und Boccaccio. Überlegungen zu einer rezeptionsgeschichtlichen Systematik.“ Die Bedeutung der Rezeptionsliteratur für Kultur und Bildung der frühen Neuzeit. Hg. von Alfred Noe und Hans-Gert Roloff. Bern u. a.: P. Lang, 2012. 85–118; „Viola Roggenkamps Roman ‚Die Frau im Turm‘.“ Kontinuitäten, Brüche, Kontroversen. Deutsche Literatur nach dem Mauerfall. Hg. von Monika Wolting und Edward Bialek. Dresden: Neisse Verlag, 2012. 203–214. 239
Autorenverzeichnis
Kristina Domanski, 2001 Promotion in Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg mit einer Arbeit zu: Lesarten des Ruhms – Johann Zainers Holzschnittillustrationen zu Giovanni Boccaccios ‘De mulieribus claris’, (Köln u. a.: Böhlau Verlag, 2007). Seither unabhängige Wissenschaftlerin mit Publikationen zum Verhältnis von Text und Bild, zu Genderfragen und Historiographie mit Schwerpunkten in der Buch- und Wandmalerei des Mittelalters sowie der Druckgraphik und Buchillustration, etwa gemeinsam mit Margit Krenn: Liebesleid und Ritterspiel. Mittelalterliche Bilder erzählen große Geschichten (Darmstadt: Primus Verlag, 2012). Seit 2007 Autorin für den Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit Beiträgen zu Chroniken, Epen, Novellen und Gebetbüchern. Kurt Gärtner, Studium der Germanistik und ev. Theologie in Marburg, Berlin (FU) und Zürich. Promotion 1968 in Marburg über die constructio ἀπò κοινοῦ bei Wolfram von Eschenbach; 1978 Habilitation in Marburg mit einer Arbeit zur mittelhochdeutschen Marienepik; seit 1978 Professor für Ältere deutsche Philologie (Sprachgeschichte) an der Universität Trier. 1998 Gründer des Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier. Seit 2000 Mitherausgeber des neuen Mittelhochdeutschen Wörterbuchs. Einige Publikationen mit Bezug auf das Thema des Beitrags: Erec von Hartmann von Aue. Mit einem Abdruck der neuen Wolfenbütteler und Zwettler Erec-Fragmente. Hg. von Albert Leitzmann. Fortgef. von Ludwig Wolff. 7. Auflage besorgt von Kurt Gärtner. Tübingen: Niemeyer, 2006; „Der Text der Wolfenbütteler Erec-Fragmente und seine Bedeutung für die Erec-Forschung.“ Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 104 (1982): 207–230 und 359–430. Mario Klarer studierte Anglistik/Amerikanistik und Geschichte an der University of Notre Dame und Innsbruck. 1997 Habilitation für englische und amerikanische Literaturwissenschaft. Nach Gastprofessuren an der Columbia University und der University of Pennsylvania sowie Fellowships am Getty Center und National Humanities Center (USA) folgte er dem Ruf als Institutsvorstand und Ordinarius an die Université de Neuchâtel (CH). 2010 trat er die Professur für Amerikanistische Literatur- und Kulturwissenschaft in Innsbruck an. Derzeit leitet er das FWF-Projekt: European Slaves: Christians in African Pirate Encounters (ESCAPE) das ÖAW-go!digital-Projekt Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset, „Maximiliangoes-digital“ sowie das Sparkling Science Projekt SchülerInnen leiten eine Austellungsvorbereitung zu europäischen Sklaven (SLAVES). Zu seinen Publikationen zählen: An Introduction to Literary Studies (1999). 3. Aufl. London: Routledge, 2013; Ekphrasis: Bildbeschreibung als Repräsentationstheorie bei Sidney, Spenser, Lyly und Shakespeare. Tübingen: Niemeyer, 2001; Literaturgeschichte der USA. München: C. H. Beck, 2013; A Short Literary History of the United States. New York: Routledge, 2014; Christian Slaves 240
Autorenverzeichnis
among Islamic Pirates: An Anthology of Early Modern Barbary Captivity Narratives (1550-1810). New York: Columbia University Press, 2020 (im Druck). Jan-Dirk Müller, geboren 1941, Prof. em. für deutsche Philologie an der LMU München; Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Wien, Tübingen und Köln; 1968 Promotion in Köln; 1975 Habilitation in Heidelberg; Professuren in Münster (1981–1984), Hamburg (1984–1991) und München (1991–2009); Gastprofessuren/ Fellowships an der Washington University St. Louis, am Historischen Kolleg (München), in Berkeley, Lawrence (Kansas) und am IFK Wien; o. Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; korr. Mitglied der Göttinger Akademie. Hrsg. der Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (PBB bis 2013), (Mit-)Hrsg. des Reallexikons für Literaturwissenschaft und des Verfasser-Lexikons 16. Jh. Wichtigste Publikationen: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. München: W. Fink, 1982; Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes. Tübingen: Niemeyer, 1998; Minnesang und Literaturtheorie. Tübingen: De Gruyter, 2001; Höfische Kompromisse. Tübingen: Niemeyer, 2007; Mediävistische Kulturwissenschaft. Berlin: De Gruyter, 2010; Episches Erzählen. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2017. Stephan Müller, nach der Promotion in München 1997 (zu Annolied und Kaiserchronik) und der Habilitation in Dresden 2002 (zu Texten und Glossen aus der Prämonstratenserabtei Windberg) war Stephan Müller Obersassistent an der LMU München und danach Vertretungsprofessor in Konstanz und Dresden. 2001–2005 hatte er eine W3-Professur in Paderborn inne. Seit 2010 ist er Universitätsprofessor für Ältere Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Althochdeutsche Sprache und Literatur; Heldensage und Heldendichtung; Theorie und Geschichte der Überlieferung und der Schrift; Historische Erzählforschung. Geheimschriften des Mittelalters. Aktuelle Publikationen: Althochdeutsche Literatur. Eine kommentierte Anthologie. Stuttgart: Reclam, 2007; Höfische Textualität. Festschrift für Peter Strohschneider. Hg. von Beate Kellner, Ludger Lieb und Stephan Müller unter Mitarbeit von Jan Hon und Pia Selmayr. Heidelberg: Winter, 2015. Heinz Noflatscher, Studium der Geschichte und Europäischen Ethnologie in Innsbruck, Tübingen und Wien. 1981 Promotion Innsbruck. Wiss. Angestellter am Tübinger Sonderforschungsbereich „Spätmittelalter und Reformation“ 1982–1984. 1985–1991 am Landesarchiv Bozen Stipendiat am Institut für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte 1989–1990. Seit 1991 am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck. 1993 Habilitation in Österreichischer Geschichte. 2003 Habilitation in Neuerer Geschichte. Vertretung einer Professur für Neuere Geschichte an der LMU München 241
Autorenverzeichnis
1994–1995. Maßgebliche Beiträge (in Auswahl): Räte und Herrscher: Politische Eliten an den Habsburgerhöfen der österreichischen Länder 1480–1530. Mainz: Zabern, 1999;. Heinz Noflatscher, Michael A. Chisholm und Bertrand Schnerb, Hrsg. Maximilian I. 1459–1519. Wahrnehmung – Übersetzungen – Gender. Innsbruck: StudienVerlag, 2011;. „Von Maximilian I. (1459–1519). Von Maximilian zu Karl V.: der Fall »Burgund–Österreich«.“ La cour de Bourgogne et l’Europe. Le rayonnement et les limites d’un modèle culturel. Hg. von Werner Paravicini mit Beitrag von T. Hiltmann und F. Viltart. Ostfildern: Thorbecke, 2013. 721–743. Max Schiendorfer, geboren 1952; Studium der Deutschen Sprache und Literatur 1972–1978 an der Universität Zürich; danach wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter; 1982 Promotion, 1997 Habilitation. Selbstständige Publikationen (Auswahl): „Ulrich von Singenberg, Walther und Wolfram. Zur Parodie in der höfischen Literatur.“ Diss. Zürich 1982, Bonn 1983; Johannes Hadlaub. Die Gedichte des Zürcher Minnesängers. Hg., übers. und kommentiert von M. Schiendorfer. Zürich: Artemis, 1986;. Mine sinne di sint minne. Zürcher Liebesbriefe aus der Zeit des Minnesangs. Hg., übers. und kommentiert von M. Schiendorfer. Zollikon: Kranich, 1988; Die Schweizer Minnesänger. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch neu bearbeitet und hg. von M. Schiendorfer. Tübingen: Niemeyer, 1990; Eyn libliche histori von vier Kaufleuten. Übers. von M. Schiendorfer. Zollikon: Kranich, 1991. Larry Silver war Farquhar Professor für Kunstgeschichte an der Universität von Pennsylvania. Er ist Autor von Marketing Maximilian: The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor (Princeton University Press, 2008), und schrieb einen Beitrag zum Ausstellungskatalog Kaiser Maximilian und die Kunst der Dürerzeit (Albertina, 2012). Er ist Autor oder Co-Autor von Büchern über Massys (1984), Dürer (2010), Bosch (2006), Bruegel (2011), Rembrandts Schicksal (2009, mit Shelley Perlove), Rubens und Velázquez (2014, mit Aneta Georgievska-Shine) und organisierte große Ausstellungen über professionelle Kupferstecher der frühen Moderne (Graven Images: The Rise of Professional Printmakers in Antwerp and Haarlem, 1540–16; Block Gallery, 1993) sowie über übergroße Drucke in der Zeit von Dürer und Titian (Grand Scale: Monumental Prints in the Age of Dürer and Titian; Yale University Press, 2008). Aaron Tratter, Studium der Germanistik, Philosophie und Mathematik an der Universität Innsbruck. Seit 2017 ist er Mitarbeiter im ÖAW-go!digital-Projekt Ambraser Heldenbuch: Transkription und wissenschaftliches Datenset unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Mario Klarer. Der Schwerpunkt seiner Projekttätigkeit liegt in der Systematisierung der von Hans Ried verwendeten Buchstaben und Zeichen, in der Mitarbeit an der Transkription des Ambraser Heldenbuchs sowie in logistischen und organisatorischen Aufgaben. 242
Werk- und Personenregister Adam und Eva 128 Adam und Eva im Paradies 161 Adelsspiegel 22, 54 Aeneis 142 Alexander der Große, König 130, 133, 206 Alexander VI., Papst 128 Altdorfer, Albrecht 131, 142, 158 Anno II., Bischof von Köln 191 Annolied 191 Antelan 53 Artus / Arthur, König 54, 56, 58, 59, 67, 76, 79, 141 Atahualpa 128 Augustus, Kaiser 142 Bajezid II, Sultan 129 Baldung Grien, Hans 158 Beck, Leonard 135, 139 Beringer 117 Der betrogene Gatte 68, 89, 101, 105, 108, 165, 167 Bianca Maria Sforza 29, 52, 132 Biterolf 67 Biterolf und Dietleib 38, 43, 67, 89 Die böse Adelheid 117 Die böse Frau / Das puech von dem vͤ beln weibe 46, 68, 89, 101, 115 – 122, 163, 166 Buch der Natur 202 Das Büchlein 65, 75, 89, 111 – 113 Burgkmair der Ältere, Hans 135, 139, 140, 142, 148, 158 Capellanus, Andreas 108 Cäsar / Caesar 128, 133, 190 Celtis, Conrad 131, 142 Chrétien de Troyes 79, 80 Christus 131 Cles, Georg 125 Cles, Hildebrand 125 Crône 76, 78, 86
d’Alembert, Jean le Rond 200 David von Schönherr 27 De amore 108 Diderot, Denis 200 Diebold von Hanowe / Hanau 53, 58 Dietleib von Steier 67, 194 Dietrich von Bern 53, 55, 58, 66, 67, 92, 141, 142, 146, 148, 194, 198 – 199 Dietrichs Flucht 43, 59, 141, 150 Don Quijote 23 Drei listige Frauen 117 Dresdner Heldenbuch des Kaspar von der Rhön 53 Du chevalier qui recovra l’amor de sa dame 108 Du mantel mautaillié 78, 110 Dürer, Albrecht 40, 42, 127, 129, 142, 145, 155, 157 – 159, 161, 168 Eckenlied 53 Ehrenhold 138 – 140 Ehrenpforte 191 Ehrenreich 50, 137 – 139, 141 Eilhart von Oberge 121 Elizabeth II., Königin 132 Encyclopédie 200 Enite 65, 78, 79, 83 Erec 12, 15, 17, 55, 59, 61, 65 – 67, 74 – 83, 86, 87, 89, 90, 113, 141, 183, 184, 186 Erec et Enide 79 Ereck 75, 77 – 82, 85, 86, 184 Erenreich 51, 59, 66 Ermrich 59, 66 Ernst der Eiserne 67 Etzel 55, 66, 67 Ferdinand von Aragon, König 128, 130 Ferdinand von Tirol, Erzherzog 54, 56 Ferdinand II., Erzherzog 41 Florian von Waldauf, Ritter / Florian Waldauf / von Waldenstein 17, 30, 31, 34 Francesco Sforza 132 Franz I., Kaiser 134
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Werk- und Personenregister
Frauenbuch 69, 89 Die Frauenehre 45, 63, 64, 79, 90, 147 Frauentreue 108 Frauenzucht 117 Fresko / Fresken in Runkelstein 22, 28, 41, 56, 57, 68, 92, 93, 127, 191, 192 – 194, 203 Freydal 168 Friedrich III., Kaiser 128, 130 Frundsberger 33, 34, 55, 92 Fugger 34 Funk, Ulrich 165 Fürwittig 51, 137, 139 Füssener Mandat 29, 31, 34 Galmy 55 Garel 57, 92, 93, 192 Garel vom blühenden Tal 191 Gattinara 130 Gedenkbuch I 28, 29, 56, 58, 92, 191 Genealogie Kaiser Maximilians I. 148 Genesis 58 Georg I. von Frundsberg 33, 34, 55, 92 Georg, Heilige 139 Gießener Iwein 95, 97, 98 Ginover 80, 111 Glockendon, Nikolaus 145 Gottfried von Bouillon 54, 194 Gottfried von Straßburg 20, 117, 119, 121 Gran, Heinrich 148 Das große Rasenstück 155 Grünewald, Mathias 155, 158 Guillaume d’Orange (William III. von England), König 54 Habsburger 57, 61, 62, 67, 130, 131, 133, 142, 148 Hartmann von Aue 17, 39, 65, 75, 77 – 82, 87, 89, 90, 111 – 113, 184, 186 Hartmut, Prinz 67 Hasenbraten 117 Heinrich von dem Türlin 76 Hektor 190 Heldenbuch des Diebold von Hanowe / Hanau 53 helldenpuch an der Etsch 29, 52, 56, 57, 91, 92, 189 Heller, Jacob 157 Heller-Altar 157 Henri von Navarra, König 134 Henry VIII., König 132
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Herkules / Hercules Germanicus 128, 129, 131 – 134 Hero und Leander 108 Herrand von Wildonie 48, 68, 69, 79, 89, 101 – 108, 110, 113 Herwig, König 67 Herzmäre 108 Herzog Ernst 53 Hildebrand 55, 125, 146, 148 Hugdietrich 53, 54 Huitzilopochtli 128 Iders 79 Iwein 12, 23, 55, 59, 65, 67, 75, 78, 90, 95, 105, 110, 111, 141 Jörg Breu der Ältere 158 Julius II., Papst 133 Jüngeres Gebetbuch 158 Jüngeres Titurel 54, 70 Jupiter 128 Des Kaisers neue Kleider 204 Karl der Große, König 54, 190, 191, 194, 198 Karl der Kühne, Herzog 51, 132, 133 Karl V., Kaiser 51, 128, 130, 135 Karl VI., Kaiser 134 Kaspar von der Rhön 53 Die Katze 69, 70, 89, 101 – 103, 165 Keii / Keie 78, 79, 110, 111 Die Klage 39, 65, 66, 75, 89, 90, 111 – 113, 141 König Rother 55, 102, 104 König von Toledo 67 Konrad von Megenberg 200 Konrad von Würzburg 108 Kriemhild 66, 67 Kudrun 12, 15 – 17, 38, 43, 45, 53, 66, 67, 89, 90 Kunig Ottnides Puech 59 Lancelot 110, 111 Landeswappengesetz 41 Lanzelet 78, 86 Laudine 65, 105 Laurin 53, 55 Lienhard Scheubls Heldenbuch 53 Lorengel 53 Louis XII., König 129, 133 Lucas Cranach der Ältere 158, 159, 161
Werk- und Personenregister
Lupolt 104 Machiavelli 133 Madonna mit der Meerkatze 161 Manessische Liederhandschrift 107 Mansfeldische Chronica 55 Der Mantel 59, 61, 65, 74 – 82, 84 – 87, 89, 101, 110, 111, 113, 141 Margarita philosophica 201 Maria mit der Meerkatze 161 Maria von Burgund, Herzogin 51, 208 Marienleben 159 Maultasch, Margarethe von Österreich 57 Meier Helmbrecht 12, 23, 69, 90, 165, 168, 189, 197, 200, 202 – 204, 208, 210 Meister von Frankfurt 157 Mennel, Jakob 57 Mitteldeutscher Erec 81, 82, 87 Moriz von Craûn / Mauritius von Craun / Mauritius 12, 14, 17, 39, 40, 45, 59, 63, 79, 89, 101, 107 – 110, 113, 190, 194, 195, 206, 210 Morus, Thomas 126 Der nackte Kaiser 69, 89, 165, 167 Neidelhart 51, 137 – 139 Neidelhart von Reuental 203 Nibelungen-Handschrift O 56, 88, 98 Nibelungenklage 39, 43 Nibelungenlied 12, 15, 19, 23, 38, 39, 43, 46, 47, 53, 66, 67, 88, 89, 91, 94 – 96, 141, 172, 173, 176, 179, 184 Oliver 190 Orlando furioso 133 Ort 66 Ortnit / Kunig Ottnides Puech 38, 43, 53, 59, 67, 68 Paradiesgarten / Paradiesgärtlein 151 Paris 190, 198 Parzival / Parzifal / Parcifall 54, 55, 70, 142 Paul von Liechtenstein 29, 33, 34, 52, 92, 93, 189 Peter Vischer der Ältere 142, 148, 195 Peutinger, Konrad 135 Der Pfaffe Amis 23, 53, 70, 101, 167, 189, 204, 205, 208, 209, 210 Pfinzing, Melchior 51, 52, 135, 140 Philipp der Gute, Herzog 132
Pirckheimer Meister 145 Pirckheimer, Willibald 159 Pleier, Der 92, 191 Pleydenwurff, Hans 145, 154 Plinius 155 Polo, Marco 131 Presbyterbrief / Priesterkönig Johannes / PriesterJohann-Brief 39, 40, 56, 70, 71, 89, 131, 163, 165, 208 – 210 Pyramus und Thisbe 108 Rabenschlacht 43, 46, 47, 59, 66, 141 Der Ring 118 Reckenbuch 132 Roland 55, 190, 198, 202 Romreich, König 50, 51 Rosengarten 53, 55 Rudolf I., Kaiser 61 Ruhe auf der Flucht nach Ägypten 159 Runkelsteiner Heldenbuch 92 Salman und Morolf / Markolf 53 Scharpf 66 Scheubl, Lienhard 53 Schionatulander 70 Schöffer, Peter 155 Schönsperger, Hans 135 Schüler von Paris 108 Sibote von Erfurt 117 Siegfried 66, 67, 194 Sigenot 53 Sigmund von Tirol, Herzog 132 Sigune 70 Spangenberg, Cyriacus 22, 54, 55, 59 St. Odilia und St. Cecilia 157 Stiftbrief(e) 18, 30 – 32 Straßburger Cod. Bibl. Johann B 81 53 Stricker, Der 23, 45, 53, 63, 70, 79, 101 – 105, 167, 189, 204, 205 Sündenfall 159 Theoderich der Große, Ostgotenkönig 142, 148 Theuerdank 11, 12, 50 – 52, 55, 57 – 59, 66, 71, 135 – 137, 138, 139, 140, 141, 142, 168, Till Eulenspiegel 23, 204, 207 Tiroler Riesen Haymon und Thyrsus 148 Titurel 39, 54, 70, 163, 167 Der Traum des Doktors 161
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Werk- und Personenregister
Treitzsaurwein, Marx 28, 56 Die treue Gattin 68, 89 Tristan 22, 57, 92, 93, 116, 193 Tristan und Isolde 20, 22, 57, 92, 93, 116, 117, 119, 121, 122, 194 Tristrant 55 Triumphzug 191 Ulrich von Liechtenstein 69, 89 Ulrichs von Zatzikhoven 78, 86 Unfalo 12, 51, 137, 139 Urkunde Kaiser Maximilians 29, 30 Venus und Amor 161 Verehrung Mariens durch Engel und Heilige 159 Vintler, Franz 56, 191 Vintler, Niklaus 56, 191 Virginal 53 Wagner, Leonhard 135
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Walther von der Vogelweide 55 Weißkunig 11, 12, 58, 71, 93, 94, 168, 189 Wernher der Gärtner 69, 165, 189, 197, 200, 203, 204 Wigalois 54, 83, 92, 93, 124, 141 Wilhelm von Orlens 57 Wilhelm von Oy 29, 52, 91 Wilhelm von Zimmern 54 Willehalm heldenbuch 54 Winterlied 203 Wittenwiler, Heinrich 118 Wolfdietrich 38, 43, 53, 54, 55, 67, 68, 89 Wolfenbütteler Handschrift 87 Wolgemut, Michael 145, 154 Wolfram von Eschenbach 39, 70, 163 Zollrevers 15, 17 Das Zweite Büchlein / (Zweites) Büchlein 65, 75, 89, 111 – 113
MAXIMILIAN – HERRSCHER AN DER ZEITENWENDE
Johannes Helmrath | Ursula Kocher | Andrea Sieber (Hg.) Maximilians Welt Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Band 22. 2018. 300 Seiten, mit 24 Abbildungen, gebunden ISBN 978-3-8471-0884-9 Auch als eBook verfügbar
Der Band entfaltet ein facettenreiches Spektrum der Regierung Kaiser Maximilians I. unter den Themen Hofkultur, Gedächtnis, Außenpolitik und Krieg sowie Innenpolitik und Verfassung. Maximilian I. (1486/93–1519) regierte das Heilige Römische Reich über dreißig entscheidende Jahre, vom Kampf über das burgundische Erbe bis zur Reformation. Unter seiner Kriegs- und Heiratspolitik stieg das Haus Habsburg zur europäischen Großmacht auf. ›Maximilians Welt‹ erscheint als eine Welt des Übergangs, zwischen Mittelalter und Neuzeit, Tradition und Innovation. Der Kaiserhof war ein faszinierendes Modernisierungszentrum, zog Gelehrte und Künstler an: Hier entstanden unter Einfluss von Rittertum und Renaissance subtile Werke der Gedächtniskultur wie der Roman ›Weißkunig‹, das Ambraser Heldenbuch oder Dürers ›Ehrenpforte‹.
DIE NEUE GESAMTSICHT DER ÖSTERREICHISCHEN GESCHICHTE
Ernst Bruckmüller Österreichische Geschichte 2019. Ca. 600 Seiten, mit ca. 10 sw-Abb. und 10 Karten, gebunden ISBN 978-3-205-20871-6 Erscheint im September 2019
In Urgeschichte, Römerzeit und Frühmittelalter wurden Grundlagen für die Folgezeiten geschaffen. Im Hochmittelalter wuchs die Bevölkerung, neue Dörfer, neue Städte, Klöster, Burgen und neue Länder entstanden – die heutigen Bundesländer der Republik Österreich. Durch die jahrhundertelange Herrschaft der Habsburger wurden diese Länder miteinander und mit vielen anderen europäischen Regionen – Italien, Spanien, Belgien, Ungarn, Böhmen, Polen, Slowenien, Kroatien - verbunden. Die Monarchie der Habsburger ermöglichte „ihren“ Völkern trotz aller Kritik eine positive kulturelle und politische Entwicklung. Hingegen konnte die junge Republik Österreich das Erbe des kriegsbedingten Mangels nicht bewältigen, das nach dem Zerfall der Monarchie 1918 durch Bankenkrisen und politische Gegensätze verschärft wurde. Ein nationaler Konsens fehlte. Die Demokratie wich 1933 einer konservativen Diktatur. 1938 kam es zum vielfach bejubelten „Anschluss“ an Hitlers Deutschland. Doch 1945 erhielt die Republik Österreich eine „zweite Chance“.