Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla: Studien zum Traktat »De fide catholica contra Iudaeos« [1 ed.] 9783428505715, 9783428105717

Isidor von Sevilla, der »letzte lateinische Kirchenvater« und »Lehrmeister des Mittelalters«, hat durch seine antijüdisc

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German Pages 624 Year 2001

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Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla: Studien zum Traktat »De fide catholica contra Iudaeos« [1 ed.]
 9783428505715, 9783428105717

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WOLFRAM DREWS

Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla

BERLINER HISTORISCHE STUDIEN Herausgegeben vom Friedrich-Meinecke-lnstitut der Freien Universität Berlin und dem Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin

Band 34

Isidor von Sevilla: "Contra ludaeos". Isidor bietet sein Werk seiner Schwester Florentina dar. Nordostfrankreich (?), um 800 Nach Charles Henry Beeson (lsidor-Studien, Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 4/2, München 1913, I, 39) im neunten Jahrhundert in Corbie geschrieben. Paris. Bibliotheque Nationale (tat. 13396, fol. I v; nach Beeson St. Germain 863) Zeichnung auf Pergament; 0,27 x 0,185 m Quelle: Jean Habert/ Jean Poreher/ Wolfgang Fritz Volbach: Frühzeit des Mittelalters. Von der Völkerwanderung bis an die Schwelle der Karolingerzeit, München 1968 (Universum der Kunst, 12) Abb. 184

Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla Studien zum Traktat De fide catholica contra Iudaeos

Von

Wolfram Drews

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Drews, Wolfram: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla : Studien zum Traktat De fide catholica contra ludaeos I Wolfram Drews. Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Berliner historische Studien ; Bd. 34) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10571-0

D 188 Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6941 ISBN 3-428-10571-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2000 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Mein Dank gebührt an dieser Stelle in erster Linie Prof. Dr. Dr. h. c. Kaspar Elm und Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Schäfer für ihre Bereitschaft, das Dissertationsprojekt zu betreuen und die Arbeit zu begutachten. Außerdem danke ich den geschäftsführenden Direktoren des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität Berlin und des Instituts für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Herrn Prof. Dr. Norbert Sirnon für die Aufnahme der Monographie in die Reihe "Berliner Historische Studien". Diese Arbeit ist mit dem 2001 erstmals vergebenen Friedrich-MeineckePreis für eine hervorragende geschichtswissenschaftliehe Dissertation am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin ausgezeichnet worden. Dafür danke ich dem Friedrich-Meinecke-Institut und dem Initiator des Preises, Herrn Prof. Dr. Dietrich Kurze. Göttingen, im Juni 2001

Wolfram Drews

Inhaltsverzeichnis A. Prolegomena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Fragestellung .. . .. .. . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . II. Die Tradition der Adversus /udaeos-Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Skizzierung des historischen Kontextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abriß der Biographie des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 24 53 88 92

B. Struktur und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Datierung und Widmung . . .. . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . IV. Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Heilige Schrift . . .. . .. . .. .. . .. . .. . . .. .. . .. . . . .. . . . .. . . . b) Kirchenväter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegende Bemerkungen zur Beweisführung . . . . . . . . . . . . . . b) Das hermeneutische Modell des sensus multiplex . . . . . . . . . . . . . c) Der sensus litteraUs und die Funktion historischer und historisch-typologischer Bezüge für die Beweisführung . . . . . . . . . . . . d) Der mystische Schriftsinn . . .. .. . .. . . .. . .. .. . .. . . . . . . . .. . . . . e) Der moralische Schriftsinn ........................ ... ...... f) Die Deutung der Prophetie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Philologische Methoden .. . .. . . . .. . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . h) Die Exegese von Zahlenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auseinandersetzung mit jüdischen Einwänden . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 117 124 134 134 134 170 187 187 195

C. Theologische Positionen . . .. .. . .. . .. . .. . .. . . . .. . .. .. .. . .. . . . . . . .. . . . I. Isidors Auffassung von der fides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Taufe und Bekehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Isidors Auffassung von Juden und Judentum ............... . . . ..... 1. Grundlegende Stereotypen .. .. . .. .. . .. . .. . .. .. . . . .. . . . . . . .. . . . 2. Die Aufhebung des Alten Bundes und seiner "Sakramente" . . . . . . . 3. Das Verhältnis zwischen Juden und "Heiden" . ........... . . . .... 4. Die heilsgeschichtliche Stellung der Juden in der Gegenwart . . . . . . IV. Eschatologische Vorstellungen ... .. .............................. V. Isidors Konzeption der ecclesia in ihrem Verhältnis zu Häresie und Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

204 223 231 232 237 239 242 250 250 262 298 298 307 317 322 331 335

8

Inhaltsverzeichnis

D. De fide catholica im Kontext zeitgenössischer und patristischer Positionen gegenüber Juden und Judentum ....... .. ..................... . . 361 I. Die Zielstellung des Traktates .......... .. ...... . ........... ..... II. Grundlegende theologische Aussagen zu Juden und Judentum im Gesamtwerk Isidors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bewertung der Zwangstaufen in den Werken Isidors und im zeitgenössischen Kirchenrecht .............. .. ....................... IV. Isidors Positionen im Vergleich zur Haltung altkirchlicher und zeitgenössischer Autoren .. . ................... . ...................... 1. Die theologische Bewertung von Juden und Judentum und ihre politischen lmplikationen .. . . .. ...... . . .... ....... . ........ .. . 2. Das Verhältnis von Freiwilligkeit und Zwang bei der Bekehrung .. V. Die Funktion der Juden in Isidors Ideologie des gotischen .,Staatsvolkes" ............... . . .. ............... ... ............... .. .. . .

361

392 415 455 455 467 493

E. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 F. Anhang ...... . . . ........ . ........ . ........ .. ........ . ............. I. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

543 543 555 555

Register ................... .. ............... .. . . ................. .. 602

Abkürzungsverzeichnis Die für die Quellen verwendeten Abkürzungen orientieren sich an den Vorgaben des Thesaurus Linguae Latinae oder an den Richtlinien von Hermann Josef Frede, Kirchenschriftsteller. Verzeichnis und Siegel (Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel, 1/1), Freiburg 4 1995.

AEM AHC AHDE AHI AHR AKG AL ALMA ANRW ARNA AST b BB b Hor b Sanh b Suk BAC BAW BerR ByZ CChrCM CCL CD CHE CIC CIJ CJ

Anuario de Estudios Medievales, Barcelona 1964 ff. Annuarium Historiae Conciliorum. Internationale Zeitschrift für Konzilienforschung, Amsterdam 1969 ff. Anuario de Ia Historia del Derecho Espaiiol, Madrid 1924 ff. Anuario de Historia de Ia Iglesia, Pamp1ona 1992 ff. American Historical Review, Washington DC 1895 ff. Archiv für Kulturgeschichte, Berlin/Köln/Graz 1903 ff. Archivos Leoneses. Estudios y Documentaci6n de los Reinos Hispano-Occidentales, Le6n 1947 ff. Auteurs Latins du Moyen Äge Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der Neueren Forschung, Berlin/New York 1972 ff. Avot de-Rabbi Natan, Version A (ed. Solomon Schechter, Wien und Frankfurt/M. 1887, ND New York/Jerusalem 1997) Analeeta Sacra Tarraconensia, Barcelona 1925 ff. Talmud Bavli, Traktat Bava Batra Talmud Bavli, Traktat Horayot Talmud Bavli, Traktat Sanhedrin Talmud Bavli, Traktat Sukkah Biblioteca de Autores Cristianos, Madrid 1944 ff. Bibliothek der Alten Welt, Zürich/Stuttgart/München 1949 ff. Midrasch Bereschit Rabbah (Genesis Rabbah) Byzantinische Zeitschrift, Stuttgart/München 1892 ff. Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, Tumbout 1966 ff. Corpus Christianorum, Series Latina, Tumbout 1953 ff. La Ciudad de Dios, Madrid 1881 ff. Cuademos de Historiade Espaiia, Buenos Aires 1944 ff. Corpus iuris canonici (ed. Emil Albert Friedberg, Leipzig 1879) Corpus Inscriptionum Judaicarum. Recueil des inscriptions juives qui vont du Ille siecle avant Jesus-Christ au VUC siecle de notre ere, 1: Europe, ed. Jean-Baptiste Frey, Rom 1936, ND 1952 ff. Codex Justinianus (ed. Paul Krüger, Berlin 1877)

10 CPJ CQR CSEL CTh DA DACL DHGE DThC EE EJ EME FC FMSt FZPT GCS

HAW HJb HRG HThR HUCA HZ JAC JBL JJS JMH JQR JSJ JSNT JThS LdMA LQF

Abkürzungsverzeichnis Corpus Papyrorum Judaicorum (ed. Victor Avigdor Tcherikover et al., Cambridge/Mass. 1957 ff., ND Hildesheim 1958, 1965) The Church Quarterly Review, London 1875 ff. Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Academiae Vindobonensis, Wien 1866 ff. Codex Theodosianus (ed. Theodor Mommsen/Paul M. Meyer, Berlin 1905) Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Marburg/Kö1n 1951 ff. Dictionnaire d' Archeologie Chretienne et de Liturgie, Paris 19071953 Dictionnaire d'Histoire et de Geographie Ecclesiastiques, Paris 1912 ff. Dictionnaire de Theologie Catholique, Paris 1903-1950 Estudios Eclesiasticos. Revista de Teologia, Madrid 1922 ff. Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1972 Early Medieva1 Europe, London 1992 ff. Fantes Christiani. Zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter, Freiburg et al. 1991 ff. Frühmittelalterliche Studien, Ber1in 1967 ff. Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Fribourg 1954 ff. Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, herausgegeben von der Kirchenväter-Commission der (Königlich-)Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin (Leipzig) 1897 ff. Handbuch der Altertumswissenschaft, Nördlingen/München 1885 ff. Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft, Münster/München/ Freiburg 1880 ff. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Berlin 1964 ff. The Harvard Theological Review, Cambridge/Mass. 1908 ff. Hebrew Union College Annual, Cincinnati 1924 ff. Historische Zeitschrift, München 1859 ff. Jahrbuch für Antike und Christentum, Münster 1958 ff. Journal of Biblical Literature, Atlanta 1881 ff. Journal of Jewish Studies, London 1948 ff. Journal of Medieval History, Amsterdam 1975 ff. The Jewish Quarterly Review, Philadelphia (London) 1888 ff. Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic, and Roman Periods, Leiden 1970 ff. Journal for the Study of the New Testament, Sheffield 1978 ff. The Journal of Theological Studies, London 1899 ff. Lexikon des Mittelalters, München/Zürich 1980-1999 Liturgiegeschichtliche Quellen und Forschungen, Münster 1918 ff.

Abkürzungsverzeichnis LRV

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Lex Romana Visigothorum (ed. Gustav Friedrich Haenel, Leipzig 1849) LThK Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 1930-1938, 2 1957-1966 LV Leges Visigothorum, ed. Karl Zeumer (MGH, Leges, 1: Leges Nationum Germanicarum, 1), Hannover/Leipzig 1902 MGH, AA Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Auetores Antiquissimi MGH, LL Monumenta Germaniae Historica, Leges (Fontes Iuris Germanici Antiqui) MGH, SRM Monumenta Germaniae Historica, Scriptores Rerum Merovingicarum MGH, SS Monumenta Germaniae Historica, Scriptores MIÖG Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, München 1880 ff., Innsbruck 1948 ff. Mise. Wisig. Miscellanea Wisigothica, ed. loannes Gil (Anales de Ia Universidad Hispalense. Filosofia y Letras, 15), Sevilla 1972 MThZ Münchener Theologische Zeitschrift, Aschaffenburg 1950 ff. Nachdruck ND New Testament Studies, London 1954 ff. NTSt Oxford Ear1y Christian Texts OECT PG Jacques-Paul Migne (ed.), Patrologiae cursus completus, series Graeca, Paris 1857-1866, ND Tumbout 1959 ff. PL Jacques-Paul Migne (ed.), Patrologiae cursus completus, series Latina, Paris 1844-1855, ND Paris 1878-1890, Tumbout 1959 ff. RAC Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950 ff. RAE Revista Agustiniana de Espiritualidad, Calahorra 1960 ff. RB Revue Biblique, Paris 1892 ff. RBen Revue Benedictine, Denee (Abbaye de Maredsous) 1884 ff. RCB Revista de Cultura Biblica, Säo Paulo 1956 ff. Revue des Etudes Augustiniennes, Paris 1955 ff. REA Revue des Etudes Byzantines, Paris 1943 ff. REB Revue des Etudes Juives, Paris/Louvain 1880 ff. REJ Revista Espafiola de Teologfa, Madrid 1941 ff. RET RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 3 1956-1965 RHDFE Revue Historique du Droit Fran~ais et Etranger, Paris 1855 ff. RHE Revue d'Histoire Ecclesiastique, Louvain-la-Neuve 1900 ff. Recherehes de Theologie et Philosophie Medievales, Leuven 1933 ff. RTPM sermo s. Sources Chretiennes, ed. Henri de Lubac et al., Paris 1943 ff. SC SChH Studies in Church History, Oxford 1962/64 ff. Spanische Forschungen der Görres-Gesellschaft, Münster SFGG Studies in Medieval and Renaissance Latin, Washington DC 1933 ff. SMRL Santos Padres Espafioles SPE Studia Post-Biblica, Leiden 1959 ff. StBP Texte und Arbeiten zum Neutestamentlichen Zeitalter, Tübingen TANZ 1989 ff. Theologische Literaturzeitung, Berlin (Leipzig) 1876 ff. ThLZ

12 ThZ TRE TSAJ TSMJ TU

vc VetLat VuF WUNT ZAC ZDADL ZDP ZGW ZKG ZNW ZRGA

Abkürzungsverzeichnis Theologische Zeitschrift, Basel 1945 ff. Theologische Realenzyklopädie, Berlin 1974 ff. Texte und Studien zum Antiken Judentum, ed. Martin Hengel/Peter Schäfer, Tübingen Texts and Studies in Medieval and Early Modem Judaism, ed. Maurice-R. Hayoun/Ivan G. Marcus!Peter Schäfer, Tübingen Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, Berlin (Leipzig) 1882 ff. Vigiliae Christianae. A Review of Early Christian Life and Language, Leiden et al. 1947 ff. Vetus Latina. Aus der Geschichte der lateinischen Bibel, Freiburg 1949 ff. Vorträge und Forschungen, hg. Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Konstanz/Lindau 1955 ff. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Tübingen 1950 ff., 2. Reihe Tübingen 1976 ff. Zeitschrift für Antikes Christentum, Berlin 1997 ff. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Wiesbaden et al. 1841 ff. Zeitschrift für deutsche Philologie, Halle 1869 ff. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin 1953 ff. Zeitschrift für Kirchengeschichte, Stuttgart (Gotha) 1876 ff. Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, Berlin 1900 ff. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung, Weimar 1880 ff.

A. Prolegomena I. Entwicklung der Fragestellung Die Bedeutung Isidors von Sevilla für das europäische Mittelalter ist oft hervorgehoben worden. Sein Wirken als praeceptor medii aevi, als Übermittler und Bewahrer antiker Kultur, 1 dürfte langfristig gesehen von noch größerer Tragweite gewesen sein als das Cassiodors. 2 Nicht zuletzt die große Zahl überlieferter Handschriften seiner Werke zeugt von der Wertschätzung, deren er sich erfreute. Bereits die Väter des achten Konzils von Toledo bezeichneten ihn 653 als doctor egregius, ecclesiae catholicae novissimum decus, . . . doctrinae comparatione non infimus, et, quod maius est, in saeculorum fine doctissimus atque cum reverentia nominandus. 3 Der Beitrag des "letzten lateinischen Kirchenvaters" zur Bewahrung und Übermittlung der kirchlichen Tradition wurde nicht zuletzt dadurch anerkannt und hervorgehoben, daß ihn Papst Innozenz XIII. 1722 in den Rang eines Kirchenlehrers erhob. 4 1 Zur Geschichte des Begriffes "instituteur de l'Occident" vgl. Jacques Fontaine, Isidore de Seville et Ia culture classique dans l'Espagne wisigothique (Etudes Augustiniennes, 7), 3 Bde., Paris 1959-1983, I, 4. Zum Übergangscharakter des "isidorianischen Zeitalters" zwischen Antike und Mittelalter sowie zu antiken und mittelalterlichen Zügen der Bildung, Methodik und Weltsicht Isidors vgl. ibid., 819-830. Vgl. auch Ram6n Menendez Pidal, San Isidoro y Ia Cultura de Occidente, AL 14 (1960), 37fr391, besonders 389 f. sowie Jose Madoz, San Isidoro de Sevilla. Semblanza de su personalidad literaria, Le6n 1960, 3. 2 Vgl. Jacques Fontaine, Cassiodore et Isidore: L'Evolution de l'encyclopedisme latin du Vle au Vlle siecle, in: id., Tradition et actualite chez Isidore de Seville (Collected Studies 281, V), London 1988. Zur Bedeutung Isidors vgl. auch folgende Einschätzung Hillgarths: "lt must be considered doubtful if one can understand the Middle Ages without knowing something, at first hand, of one of their greatest teachers." (Jocelyn N. Hillgarth, The Position of Isidorian Studies: A Critical Review of the Literature 193fr1975, Studi medievali 24, 1983, 817-905, hier 895). lsidor ist einer der wenigen Autoren aus der Zeit nach dem Tode Augustins, deren Werke unter Angabe des Verfassernamens zitiert wurden; vgl. Thomas O'Loughlin, Individual Anonymity and Collective Identity. The Enigma of Early Medieval Latin Theologians, RTPM 64 (1997), 291-314, hier 305; außer Isidor wurden auch Cassian, Eucherius und Gregor der Große namentlich genannt, in späterer Zeit auch Beda Venerabilis. 3 VIII Toledo, c. 2 (ed. Gonzalo Mart(nez Dlel/Felix Rodrlguez, La colecci6n can6nica hispana, V: Concilios hispanos: Segunda parte; Monumenta Hispaniae Sacra, Serie can6nica: V, Madrid 1992, 4ll).

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A. Prolegomena

Meist wird Isidors Bedeutung für die Nachwelt mit seinem Hauptwerk, den Etymologien bzw. Origines, oder auch mit dem theologischen Kompendium der Sententiae in Verbindung gebracht. 5 Eine große Wirkung entfaltete jedoch auch seine Schrift De fide catholica contra ludaeos. 6 Ihre Untersuchung kann Voraussetzung dafür sein, das Verhältnis Isidors zum Ju4 Die Verehrung Isidors als eines Heiligen begann verhältnismäßig spät. Die frühesten Zeugnisse eines Kultes stammen aus dem 9. Jahrhundert; sein Fest wird erstmals im Kalender Recemundos von C6rdoba aus dem Jahre 961 für jene Stadt bezeugt; vgl. Angel C. Vega, Cuestiones crfticas de las biograflas isidorianas (lsidoriana. Colecci6n de Estudios sobre Isidoro de Sevilla publicados con ocasi6n del XIV Centenario de su Nacimiento por Manuel C. Dfaz y Dfaz), Le6n 1961, 75-97, hier 77. Erst die Translation der wiederaufgefundenen Reliquien Isidors nach Le6n im Jahre 1063 führte zur Verbreitung seiner Verehrung. In der nach der Translation verfaßten Abbreviatio des Ps.-Braulio heißt es: ... dignum est ut hunc sanctissimum confessorem lsidorum omnis laudibus attollat ecclesia sed maxime Hispaniarum quae prae ceteris eius specialiter saluberrima refulsit doctrina. Nam sicut Gregorius doctor Romae successit Petro ita beatus Isidorus in Hispaniarum partibus doctrina /acobo successit apostolo (ed. Eduard Anspach, Taionis et Isidori nova fragmenta et opera, Madrid 1930, 63 f.); zur Datierung der Abbreviatio in die Zeit nach der Reliquientranslation vgl. Manuel C. Dfaz y Dfaz, Isidoro en Ia Edad Media hispana, in: id., De Isidoro al siglo XI. Ocho estudios sobre Ia vida literaria peninsular (EI Albir Universal, 3), Barcelona 1976, 141-201, hier 188. Nach der Uberführung seiner Gebeine in die Hauptstadt des Königreiches Le6n, wo neben seiner Grabkirche der Pante6n de los Reyes errichtet wurde, avancierte Isidor zum Patron des Reiches; zur Errichtung der Kirche San Isidoro vgl. Jose Marfa Villanueva Ltizaro, La ciudad de Le6n de romana a romanica, Le6n 1982, 111 ff. Der vorher nicht sehr volkstümliche Heilige gab der leonesischen Monarchie die Möglichkeit, ihre westgotischen Wurzeln zu betonen und diese zur Propagierung des Reconquistagedankens zu nutzen. In diesen Kontext muß auch die bei Rodrigo Ximenez de Rada überlieferte Legende eingeordnet werden, wonach Alfons VII. vor der Eroberung Baezas im August 1147 von Isidor in einer Vision die Zusicherung erhielt, der Heilige werde den christlichen Truppen im Kampf beistehe'l (Historia de Rebus Hispanie VII, 11; ed. Juan Ferntindez Valverde, CChrCM 72, Tumbout 1987, 232). 5 Zur Nachwirkung der Sententiae vgl. etwa die gleichlautenden Werke Taios von Zaragoza (noch aus dem 7. Jahrhundert) und später des Petrus Lombardus, aber auch die sehr intensive Rezeption im um 700 verfaßten Liber scintillarum des Defensor von Liguge (CCL 117, 1-234). Zur Rezeption der Sententiae, aber auch der Etymologien durch Alkuin vgl. John Cavadini, The Sources and Theology of Alcuin's De fide sanctae et individuae Trinitatis, Traditio 46 (1991), 123-146. Die Sententiae waren grundlegend für die Genese der mittelalterlichen Vorstellung vom christlichen Königtum: "II faut bien voir aussi que Ia magistrale synthese d'Isidore laissait peu de place a de nouveaux systemes politiques. Tous !es developpements futurs de l'idee de royaute, tant en Espagne au VIF siecle que dans tout Je Moyen Age, y sont en effet contenus." (Mare Reydellet, La Royaute dans Ia Iitterature latine de Sidoine Apollinaire a Isidore de Seville, Bibliotheque des Ecoles Fran~ai­ ses d'Athenes et de Rome 243, Rom 1981, 602). Zur Nachwirkung der Schrift De natura rerum vgl. William D. McCready, Bede and the Isidorian Legacy, Medieval Studies 57 (1995), 41-74. Zur Rezeption Isidors im Frühmittelalter vgl. des weiteren id., Bede, Isidore and the Epistula Cuthberti, Traditio 50 (1996), 75-94.

I. Entwicklung der Fragestellung

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dentum, wie es sich in seinen Werken und in seinem Wirken als Metropolit der Kirchenprovinz von Sevilla manifestiert, zu analysieren. 7 Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zur umfassenden Erforschung dieses Problemkreises, indem sie das Hauptaugenmerk zunächst auf den genannten Traktat richtet und vergleichend Äußerungen des Autors aus anderen Schriften berücksichtigt. Obwohl der Traktat die lange Tradition christlicher Literatur fortsetzt, die das Judentum ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, ist De fide catholica das älteste auf der Iberischen Halbinsel verfaßte und unter dem Namen ihres Autors überlieferte Werk dieser Gattung. Da Isidor über Jahrhunderte hinweg als maßgebliche Autorität angesehen wurde - nicht zuletzt dieser Tatsache ist die breite handschriftliche Überlieferung auch der Schrift De fide catholica contra ludaeos geschuldet -, trug sein Denken in nicht zu unterschätzendem Maß zur Genese der abendländischen Zivilisation bei. 8 Diese beruht - neben den drei seit langem akzeptierten "klassischen" Pfeilern Antike, Christentum und Germanen83 - auch auf jüdischen Fundamenten, die gerade in jüngerer Zeit verstärkt in den Blickpunkt des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses gerückt sind.9 Das Judentum war nicht nur über das - für die Christen - Alte Testament, sondern auch durch die Vermittlung antiken Wissens und die jahrhundertelange Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ein bestimmender Faktor der 6 Solomon Katz (The Jews in the Visigothic and Frankish Kingdoms of Spain and Gaul, Cambridge/Mass. 1937, 35) bezeichnet den Traktat sogar als .,the most important of the anti-Jewish writings produced in Spain". Maurer schätzt den Traktat folgendermaßen ein: .,... hat der große Erzbischof Isidor von Sevilla (gest. 636) die christliche Glaubensüberzeugung in ihrem Gegensatz gegen das Judentum in zwei Büchern zusammengefaßt dargestellt (fides catholica contra Judaeos), und damit die ganze bisherige Judenpolemik des Abendlandes wie in einem Arsenal für den Kampfgebrauch des kommenden Jahrtausends zusammengetragen." (Wilhelm Maurer, Kirche und Synagoge. Motive und Formen der Auseinandersetzung der Kirche mit dem Judentum im Laufe der Geschichte, Franz Delitzsch-Vorlesungen 1951, Stuttgart 1953, 27). 7 .,One of the questions most discussed in on (sie) Visigothic sturlies is the antiJudaism expressed by Isidore of Seville and the matter of forced conversions." (Rau/ Gonzalez Salinero, Catho1ic Anti-Judaism in Visigothic Spain, in: The Visigoths. Sturlies in Culture and Society, The Medieval Mediterranean 20, ed. Alberto Ferreiro, Leiden/Boston/Köln 1999, 123-150, hier 143). 8 Zur Wirkung des isidorianischen ßtßi..i.ov oßiJ8TftL !lTJ3tO'tE eav cl!lUQ'tUVU\;. 'IEQOlJOUATJ!l EL cl!!UQ'tWAO\; xat llUQUÖLÖoom, tva !!TJXE'tL TI\; 'IEQOlJOUATJ!l ai..Aa Baßui..wv ytvn. Die Christen müßten aufpassen, daß nicht auch ihnen am Ende ein Scheidebrief ausgestellt werde: ... tva !!TJ xat ~!!LV öo8ft 'ßtßÄi.ov cmomaoi.ou' (hom. in Jer. IV, 6; SC 232, 276). Im Matthäuskommentar bezieht Origenes die neutestamentliche Erzählung von der Reinigung des Tempels durch Jesus auf die Kirche, die Christus eines Tages von den christlichen Sündern reinigen werde: Ertav ö€. EllLOXE'IjJTJ'taL E3tL 'tU\; cqLUQ'tla\; ~!J.(i>v ... (comm. in Mt. XVI, 21 zu Mt 21, 12 f.; GCS 40, 546-549). 74 Vgl. beispielsweise hom. in lud. VI, I (SC 389, 152): ... posteaquam plenitudo gentium introierit, tune et Barac, id est reliquus /strahel (sie), salvus fiet. Origenes' Auslegung dieser Passage ist jedoch nicht durchgängig kohärent, denn er schwankt zwischen der Annahme der Errettung des gesamten Volkes Israel und der

oy,

II. Die Tradition der Adversus /udaeos-Literatur

39

späteren Autoren häufig vorgenommene Assoziation von Juden und Häretikern, begründet mit dem Vorwurf, beide Gruppen seien der Kirche feindlich gesinnt.75 Als einer der ersten christlichen Autoren schloß Origenes - wie schon vor ihm Melito vonSardes-aus Mt 27, 25, daß auf den Juden eine kollektive Schuld bis zum Weltende laste.76 Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß er sich der fortbestehenden engen Verbindungen zwischen Kirche und Synagoge bewußt blieb77 und - im Widerspruch zu den erwähnten judenfeindlichen Tendenzen - an anderen Stellen betont, daß Christen, die sich an Gott versündigen, eine schwerere Schuld tragen als diejenigen, die Jesus kreuzigten. 78 Der 407 verstorbene Johannes Chrysostomos ist unter den auch in späteren Jahrhunderten besonders geschätzten Kirchenvätern wohl derjenige, dessen antijüdische Verbalinjurien durch die größte Schärfe hervorstechen. Der ausgesprochen polemische Ton der in den Jahren 386 und 387 in Antiochia gehaltenen acht Predigten Adversus ludaeos ist sicher nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es sich hier nicht um eigentlich theologische Traktate handelt, sondern um eindringliche Ermahnungen an die Christen, sich vor ,judaisierenden" Tendenzen zu hüten.79 Die traditionsreiche jüdische Gemeinde in einer der Metropolen der hellenistischen Welt übte offeneines bloßen Teiles desselben; vgl. Franciseo Javier Caubet lturbe, Et sie omnis Israel salvus fieret (Rom 11 , 26). Su interpretaci6n por los escritores cristianos de los siglos III-XII, Estudios Biblicos 21 (1962), 127-150, hier 129 ff. 75 Vgl. Sel. in Ps. 126 (PG 12, 1641): Kai al..l..w~ öf: otxov ol.xoÖO!J.oUOLV ou

IJ.El:a KuQLO\J ot ELEQ6öo;m, 1:ijv 'ExxATJOLav 1tOVTJQEUO!J.EVwv· exon(aoav. 'O!J.OLW~ xai 'Iouöa'lm.

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76 Vgl. in Mt. 27, 25 (eomm. ser. 124; GCS 38, 259 f.): Propterea sanguis lesu non solum super eos faetus est, qui tune fuerunt, verum etiam super omnes generationes ludaeorum post sequentes usque ad eonsummationem (ibid., 260, 1-4). Hieronymus vennittelte diesen Gedanken der lateinischen Tradition; vgl. ep. 129, 7 (CSEL 56/1, 175): Habes, quod elegisti: usque ad finem mundi serviturus es Caesari, donee gentium introeat plenitudo et sie omnis /srahel salvus fiat, ut, qui quondam erat in caput, vertatur in caudam. Vgl. hierzu Rainer Kampling, Das Blut Christi und die Juden: Mt 27, 25 bei den lateinischsprachigen christlichen Autoren bis zu Leo dem Großen (Neutestamentliche Abhandlungen, N.F., 16), Münster 1984.

77 • • • nä.~ 'loQai]A. awe~ae•m IJ.E"ta 1:0 nA~QWIJ.a 1:Ö>v e8vwv •i]v avo~J.(av U1tOAL1tWV. TJ8ELTJ ö' av xai 1tQO~ 1:TJV EXXATJOLUV 6 Myo~. ij"tl~ EOLL euyal:TJQ ·~~ naA.m 1:wv Atyu:n:•i.wv ßamA.Et: YEVO!J.EVOL, !J.lJ dvm ev nmv UATJ8~ (dial. 68, 7; Marcovich, 188). Vgl. auch dial. 71, 1 (Marcovich, 193), wo den jüdischen Lehrern in gleicher Weise vorgeworfen wird, sie würden behaupten, die 70 Ältesten hätten falsch übersetzt: . . . !J.lJ ounE8EL!J.EVOLt; xaA.Wc; E;TJy~oem 1:a v:n:o 1:wv . . . tßöo~J.t'Jxona nQEoßu•iQwv.

IV. Argumentation

147

und so das Verständnis des hebräischen Textes erleichtern. 147 Entsprechend dem gewandelten Übersetzungsverständnis schloß sich Aquila bei seiner Übertragung so eng an den hebräischen Text an, daß er an einigen Stellen Neologismen kreierte, die seiner Meinung nach den Sinn des Hebräischen besser als bereits existierende Termini wiedergeben konnten. 148 Die Akzeptanz des hebräischen Textes durch Aquila und seine Methode werden in der rabbinischen Tradition ausgesprochen positiv gewertet: "Ziel der Gernara ist es, die Übersetzungsart Aquilas als die maßgebliche zu etablieren." 149 Da die Septuaginta jedoch durch jahrhundertelange Tradition in hohem Ansehen stand, wurde sie in den Augen des spätantiken Judentums auch durch ihre christliche Rezeption nicht ohne weiteres entwertet; vielmehr konnte sie ihre überlieferte Autorität noch lange bewahren, die nach jüdischem Verständnis aber niemals gegen diejenige der Hebräischen Bibel ausgespielt werden konnte. Dies ist der entscheidende Punkt im Zusammenhang mit der Untersuchung der Beweiskraft der bibelexegetischen Argumente Isidors. Erst vom sechsten Jahrhundert an ist die Abwendung von der Septuaginta in einigen jüdischen Quellen bezeugt. 150 Die Version Aquilas erfreute sich, wie bereits Origenes mitteilt, 151 großer Beliebtheit unter den griechischsprachigen Juden. Noch 553 gestattete Justinian in seiner Novella 146 die Be-

147 Zum Charakter der Aquilaübersetzung als Targum und zur Rezeption rabbinischer Traditionen durch Aquila und durch Symmachus vgl. Giuseppe Veltri, Der griechische Targum Aquilas. Ein Beitrag zum rabbinischen Übersetzungsverständnis, in: Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, ed. Martin Rengell Anna Maria Schwemer (WUNT 72), Tübingen 1994, 92-115 (zu Symmachus vgl. ibid. 93, Anm. 3). "Die Rabbinen würden aber mit den Christen wohl kaum darin übereinstimmen, daß die LXX und Aquila dieselbe Funktion erfüllten." (Ibid., 106). Anders als von christlichen Quellen nahegelegt sahen die Juden in den "neueren" Übersetzungen keine Konkurrenz zur Septuaginta. Zur christlichen Kritik an neuen griechischen Bibelübertragungen, die neben der Septuaginta in Gebrauch kamen, vgl. ibid., 95. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, daß Aquila, Symmachus und Theodotion bei der Revision der Septuaginta rabbinischen Lehren folgten; vgl. ibid., 109. 148 Origenes bezeichnete Aquila daher als Sklaven des hebräischen Wortes (ep. ad Afric. 4; SC 302, 526). 149 Veltri, Eine Tora für den König Talmai, 213. 150 Vgl. ibid., 214 Anm. 399 sowie 215-219. "Erst in gaönäischer (sie) Zeit findet sich eine negative Stellungnahme zur LXX, oder Tora für Talmai ... . (Ablehnende Haltungen, W.D.) entspringen dennoch lediglich einem mittelalterlichen Verständnis (unter anderen), kennzeichnen nicht ,die' herrschende Meinung." (Ibid., 216). Veltri sieht den Hauptgrund für den allmählichen Bedeutungsverlust der Septuaginta in Veränderungen in der Schul- und Synagogenpraxis; vgl. id., Der griechische Targum Aquilas, 108-111. In der Kairoer Genizah sind keine Fragmente der Septuaginta, sondern nur noch solche der Übersetzung Aquilas aufgefunden worden; vgl. Hengel, Die Septuaginta als "christliche Schriftensammlung", 206. 151 Vgl. ep. ad Afric. 4 (SC 302, 526).

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B. Struktur und Argumentation

nutzung der Übersetzung Aquilas oder der Septuaginta in der synagogalen Liturgie. 152 Vom sechsten Jahrhundert an kam es zu einer allmählichen Belebung im Gebrauch des Hebräischen, wie aus der zurückgehenden Verwendung des Griechischen in jüdischen Inschriften geschlossen werden kann. 153 In der Liturgie hatte das Hebräische jedoch stets seine Vorrangstellung behauptet, und nur zum besseren Verständnis war auf die Verlesung des hebräischen Textes eine Übersetzung gefolgt. 154 Augustin deutet in einer Predigt sogar an, daß Hebräisch (oder Aramäisch?) zu seiner Zeit in Nordafrika tatsächlich gesprochen wurde: Et si videris hominem graecum, graecam vocem

quaeris, in qua evoces verbum; si videris Iatinum, latinam vocem quaeris, in qua proferas verbum; si videris hebraeum, hebraeam vocem; si videris punicum, punicam vocem, si nosti linguas istas. Si autem non nosti, cum videris eum ante te stare, qui ipsam linguam quam non nosti solam novit, non deficis in verbo, deficis in voce.155 In der Vita Hilarii wird erwähnt, daß die Juden von Arles beim Begräbnis des verstorbenen Bischofs hebräi-

IS2 Nov. 146, I, I (Schoell, 714-718, hier 715 f.). Vgl. Simon, Verus Israel, 350; Jean Juster, Les juifs dans l'empire romain. Leur condition juridique, economique et sociale, New York 1914, 369-377; Vittore Colomi, L'uso del greco nella liturgia del giudaismo ellenistico e Ia novella 146 di Giustiniano, Annali di storia del diritto 8 (1964), 19-87; Avi-Yonah, 249 f.; Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, 205 sowie Demandt, 430 f. Nach Meinung Veltris wurde die justinianische Novella nicht durch ein bestimmtes Ereignis, sondern durch ,,Justinians theologisches und politisches Programm der Bekehrung der Juden zur christlichen Staatsreligion" veranlaßt; vgl. Giuseppe Veltri, Die Novelle 146 3tEQL 'EßQai.wv. Das Verbot des Targumvortrags in Justinians Politik, in: Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, ed. Martin Hengel/Anna Maria Schwemer (WUNT 72), Tübingen 1994, 116-130, hier 117. Veltri ist der Ansicht, daß Justinian durch seine Verordnung "als Ironie der Geschichte" ungewollt den Gebrauch des Hebräischen förderte und dazu beitrug, das Griechische allmählich zu verdrängen; vgl. Eine Tora für den König Talmai, 214 Anm. 399. ISJ Vgl. Veltri, Die Novelle 146 3tEQL 'EßQai.wv, 124 f. 154 Zum Primat des hebräischen Textes sowohl im palästinischen als auch im babylonischen Judentum vgl. Veltri, Die Novelle 146 3tEQL 'EßQai.wv, 125. Andererseits betonen Will/Orrieu.x (op. cit., 339 Anm. 31), daß sich die Kenntnis des Hebräischen im westlichen Judentum erst ab dem 9. Jahrhundert ausbreitete, als es im Gefolge der arabischen Expansion zu einer Zuwanderung von Juden aus Mesopotamien kam. Vorher hätten die europäischen Juden griechische und lateinische Bibeln benutzt, während der Synagogengottesdienst in der jeweiligen Volkssprache abgehalten worden sei. Angesichts der im folgenden angeführten Belege erscheint diese These aber eher zweifelhaft. Iss Augustinus Hipponensis, Vingt-six sermons au peuple d' Afrique, ed. Franrois Dolbeau, 488 f. Augustin berichtet außerdem davon, daß Juden als Autoritäten im Streit über die Bibelübersetzung des Hieronymus angerufen wurden (ep. 71, 4; CSEL 34/2, 252: ... consulti Hebraei possunt aliud respondere), was darauf schließen läßt, daß die Juden Nordafrikas zu dieser Zeit nicht auf eine griechische Übersetzung der Bibel angewiesen waren.

IV. Argumentation

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sehe Gesänge angestimmt hätten: ... etiam Iudaeorum concurrunt agmina copiosa. . . . Hebraeam concinentium linguam in exequiis honorandis audisse me recolo. 156 Gregor von Tours berichtet, daß König Guntram bei seinem Einzug in Orleans von den Juden in ihrer Sprache begrüßt wurde: Et hinc lingua Syrorum, hinc Latinorum, hinc etiam ipsorum Iudaeorum in diversis laudibus variae concrepabat. 157 Um welche Sprache auch immer es sich in diesen Fällen gehandelt haben mag, so scheint sie doch jedenfalls von der der christlichen Umgebung verschieden gewesen zu sein. Albert konnte für die Zeit um 800 nachweisen, daß Juden im Frankenreich die Hebräische Bibel benutzten, denn sie waren in der Lage, interessierten Christen hierüber Auskunft zu geben. 158 Angesichts dieser Quellenlage ist unsicher, welchen Bibeltext die spanischen Juden des siebten Jahrhunderts als maßgeblich ansahen; es könnte entweder eine der genannten drei nach dem Aufkommen des Christentums entstandenen griechischen Versionen, eine darauf basierende lateinische Fassung oder auch allein der hebräische Bibeltext gewesen sein. Es ist nicht sicher, ob die Septuaginta - sei es durch das gewandelte Übersetzungsverständnis, sei es durch ihren christlichen Gebrauch - bereits ihr Ansehen verloren hatte. Immerhin sah sich Julian von Toledo in seiner Schrift De comprobatione sextae aetatis genötigt, die Benutzung der Septuaginta gegen jüdische Kritik zu verteidigen, indem er die Übereinstimmung der Zeitangaben der Septuaginta mit den chronologischen Daten in den Geschichtswerken der "Heiden" betonte. 159 Für die Analyse der Argumentation Isidors bleibt festzuhalten, daß christliche Autoren, die sich theologisch mit dem Judentum auseinandersetzten, seit dem zweiten Jahrhundert den Text der Septuaginta als antijüdisches Argument ins Feld führten; sie untermauerten christliche Theologoumena mit Hilfe von Septuagintaversen und warfen Juden sogar vor, den Bibeltext absichtlich verfalscht zu haben. Wenn ein Autor also jüdische Gesprächspartner oder Leser überzeugen wollte, konnte er sich - entsprechend dem eigenen Vorverständnis von jüdischer Exegese - nicht auf die Septuaginta berufen, die nach christlicher Auffassung ja allein die kirchliche Lehre, nicht aber die Ablehnung christVita Hilarii 29 (SC 404, 156). hist. VIII, 1 (MGH, SRM, I, I, 370). 158 Vgl. ead., Adversus ludaeos in the Carolingian Empire, in: Ora Limor/Guy G. Stroumsa (eds.), Contra ludaeos. Ancient and Medieval Polemies between Christians and Jews (TSMJ 10), Tübingen 1996, 119-142. Die Feststellung Geisels, in bezug auf die Juden des merowingischen und frühkarolingischen Frankenreiches sei "von einem relativen Tiefstand autochthonen jüdisch(-fränkisch)en Geisteslebens auszugehen" (op. cit., XV), muß daher entsprechend relativiert werden, auch wenn keine hebräischen Quellen aus dieser Zeit überliefert sind. 159 sext. aet. I, 23 (CCL 115, 170): Septuaginta interpretes cum historiis gentium concordantes. 156

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B. Struktur und Argumentation

lieber Dogmen durch Juden stützte. Ein Schriftbeweis, der die zeitgenössischen Juden überzeugen wollte, mußte sich- allein schon wegen des christlichen Bildes vom Judentum - auf den hebräischen Bibeltext oder eine sich vom Übersetzungsverständnis her eng an diesen anschließende Version beziehen.160 In der älteren Forschung wurden oft schon einzelne griechische Worte in Werken Isidors als Indizien für Griechischkenntnisse gewertet, ohne daß die Möglichkeit eines Zitates aus zweiter Hand in Erwägung gezogen wurde. 161 Grundlage für diese Spekulationen über seine Sprachkenntnisse ist die hochmittelalterliche Abbreviatio, wo seine Bildung bereits zu Beginn der Vita dahingehend charakterisiert wird, er sei Latinis, grecis et hebraicis litteris instructus gewesen. 162 Brehaut zweifelte den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung schon 1912 an, indem er darauf verwies, daß Isidor sich bei Zitaten griechischer Autoren auf Übersetzungen verließ. 163 Madoz hält die direkte Benutzung originaler griechischer Quellen durch Isidor für sicher, fügt aber hinzu, daß das von ihm erreichte Niveau nicht sehr hoch gewesen sein könne. 164 Domfnguez del Val ist der Auffassung, daß Isidors Griechischkenntnisse nicht sehr fundiert waren, wobei er darauf hinweist, daß dieser die etymologischen Worterklärungen von anderen lateinischen Autoren übernahm und des öfteren durch fehlerhafte Herleitungen seine eigene 160 Im 14. Jahrhundert betonte Nikolaus von Lyra, daß der hebräische Text der Bibel die beste Argumentationsgrundlage für die Auseinandersetzung mit jüdischen Positionen darstelle; vgl. Bemhard Blumenkranz, Anti-Jewish Polemies and Legislation in the Middle Ages: Literary Fiction or Reality?, JJS 15 (1964), 125-140, hier 138. 161 Ein Beispiel für die unkritische Wiederholung legendarischer Traditionen in der älteren Literatur gibt Fidel Fita (La Biblia y San Isidoro: Nuevo estudio; Boletin de Ja Real Academia de Ja Historia 56, 1910, 471-493, hier 486): "Domina a fondo Ja lengua griega, no desconoce Ia hebrea, ni Ja aramea, o sirfaca; y allf donde lo estima conveniente, se asesora para emitir su dietarnen con los judfos de las aljamas espafiolas entonces tan numerosos." Gerade letztere These, Isidor habe sich bei den Juden Rat geholt, soll in der vorliegenden Arbeit überprüft werden. 162 Anspach, Taionis et Isidori nova fragmenta et opera, 57. Zu dieser gerade in der älteren Forschung kolportierten, aber nicht belegten Annahme vgl. Tapia Basulto, 382: "La experiencia inmediata y el contacto con los judfos, puesto que su presencia de ellos (sie) en Espaiia facilitaba a San Isidoro e imponfa al mismo tiempo el conocimiento de sus opiniones y ensefianzas para contrarrestarlas y rebatirlas." Auch Zarb (op. cit., 109) folgt dieser Iegendarischen Tradition: "Isidorus creditur habuisse aliqualem notitiam linguae hebraicae, optimeque noverat linguas graecam et Jatinam." Castan wertet Hinweise Isidors auf die Bedeutung hebräischer Worte wie Immanuel oder auf die umstrittene Übersetzung des Begriffes ~'!J/virgo als Indikatoren für Hebräischkenntnisse, ohne zu bedenken, daß es sich hier um Übernahmen, meist aus den Werken des Hieronymus, handelt; vgl. Castdn, Opusculo inedito, 329 f. 163 Vgl. Brehaut, 35 f. 164 Vgl. Madoz, San Isidoro, 8 f.

IV. Argumentation

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Unkenntnis verrät. Allerdings meint er, daß seine philologische Kompetenz soweit ging, "que podfa defenderse personalmente en casos diffciles." 165 Allerdings kann Domfnguez del Val für diese Auffassung keine überzeugenden Gründe geltend machen, zumal er selbst darauf hinweist, daß lsidors Erklärungen zuweilen fehlerhaft sind; gerade in schwierigen Fällen dürfte es ihm also schwergefallen sein, philologisch exakt zu argumentieren. Wahrscheinlich konnte Isidor Griechisch lesen, denn er übernahm Worterklärungen aus seinen Vorlagen. Es konnte nachgewiesen werden, daß er alle richtigen Worterklärungen in den Etymologien von anderen Autoren übernommen hat; zahlreiche phantastische und ungenaue Angaben verraten hingegen, daß er keine profunden Griechischkenntnisse besessen haben kann. 166 Die Tatsache, daß er die Herleitung griechischer Worte aus dem Hebräischen nicht eindeutig ausschließt, läßt es unwahrscheinlich erscheinen, daß Isidor eine dieser Sprachen beherrschte: Diapsalma quidam hebraeum verbum esse volunt quo significatur semper .. . Quidam vero Graecum verbum existimant, quo significatur intervallum psallendi. 161 Albert weist darauf hin, daß die christlichen Leser, für die er schrieb, kaum Griechisch oder Hebräisch beherrscht haben dürften, so daß sie von ihm eine Argumentation mit nichtlateinischen Texten gar nicht erwarteten; die Exegese Isidors sei für sie gerade wegen ihrer weitgehenden Beschränkung auf lateinische Belege leichter verständlich gewesen als etwa die Werke des Hieronymus. 168 Nach Hillgarth neigt die neuere Forschung zu der Annahme, daß Isidor über sehr begrenzte Griechischkenntnisse verfügte.169 Die Bibelzitate lsidors weisen zahlreiche Unterschiede zum Text der Sixto-Ciementina auf, der allerdings erst nach der endgültigen Definition des römisch-katholischen Kanons im 16. Jahrhundert fixiert wurde. Es kann nicht überraschen, daß sich des öfteren Parallelen zum Wortlaut alter spanischer Bibeln ergeben, namentlich zu den Codices Cavensis, Legionensis Dom(nguez del Val, EI helenismo, 482. "II n'a jamais eu du grec qu'une connaissance vague ... il n'a jamais appris ni jamais su Je grec." (Fontaine, Culture classique, 850). 167 etym. VI, 19, 14-15. Übereinstimmend mit einem Großteil der älteren Forschung behauptet Simon, bei den spanischen Autoren, die sich literarisch mit dem Judentum auseinandersetzten, sei "une connaissance plus precise non seulement du judaYsme et de ses institutions, mais parfois de Ia Iangue hebrai'que meme" zu konstatieren; vgl. Simon, Verus Israel, 172. Ähnlich auch noch Lubac 112, 243 Anm. 5: "Isidore et ses disciples savent l'hebreu." Als Beweis führt Lubac ihre - von ihm nicht weiter belegten - Kontakte zu den "zahlreichen" Juden der Baetica an. 168 Vgl. Albert, De fide catholica contra Judaeos, 290. 169 The Position of Isidorian Studies 1936-1975, 854 Anm. 80. Vgl. hierzu auch Dfaz y Dfaz, La cultura de Ia Espafia visig6tica del siglo VII, 841 f. 165

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B. Struktur und Argumentation

und Toletanus. Verschiedentlich enthalten Isidors Belege auch Wörter und Wendungen, die den älteren, vorhieronymianischen lateinischen Bibelübersetzungen oder den Kommentaren und Glossen älterer Kirchenväter entnommen sein dürften. 170 Hieronymus folgte bei seiner Bibelübersetzung dem Prinzip der veritas hebraica. 171 Isidor benutzt diesen Terminus nicht, aber er schätzte die Vulgata höher als alle anderen Übertragungen, allerdings nicht wegen der hebräischen Vorlage: Cuius (sc. Hieronymi) interpretatio merito caeteris antefertur, nam et verbarum tenacior, et perspicuitate clarior. 172 Mit diesen Worten bezeugt er die zunehmende Verbreitung und Durchsetzung der Übersetzung des Hieronymus in der lateinischen Christenheit, wozu sicher auch die wachsende Entfremdung von Byzanz und der griechischsprachigen Kirche beitrug. Es ist wenig wahrscheinlich, daß lsidor selbst in 170 Schon Mariana, der erste neuzeitliche Herausgeber der Werke Isidors, merkt an: "Nimirum Isidorus Editione Latina utebatur diversa a nostra, unaque ex illis, quas ionurneras fuisse, August., II de Doctrin. Christian., cap. 11, affirmat." (PL 83, 477 Anm.). 171 Diese Maxime formuliert er im prologus galeatus (Prologus Sancti Hieronymi in Libro Regum): Quamquam mihi omnino conscius non sim mutasse me quippiam de hebraica veritate. Certe, si incredulus es, lege graecos codices et latinos et confer cum his opusculis, et ubicumque inter se videris discrepare, interroga quemlibet Hebraeorum, cui magis accomodare debeas fidem (Biblia Sacra Vulgata, ed. Robert Weber, Stuttgart 1983, 364-366, hier 365 f.). Charakteristisch für die Haltung des Hieronymus - im Unterschied etwa zu Isidor - ist, daß er die Möglichkeit, einem Juden fides entgegenzubringen, einräumt. Zur Verteidigung der hebraica veritas gegenüber Augustin durch Hieronymus vgl. dessen ep. 112, 20 (CSEL 55, 389 ff.). Zum Konzept der veritas hebraea bei Gregor dem Großen vgl. in Ez. I hom. VII, 23 (CCL 142, 99). 172 etym. VI, 4, 5; Isidor überträgt hier die Worte, die Augustin auf die Itala (Vetus Latina) anwandte (doctr. christ. II, 15, 22; CCL 32, 47), auf die hieronymianische Version. Albert (De fide catholica contra Judaeos, 291) sieht in diesen Worten das Eingeständnis Isidors, daß er des Hebräischen nicht mächtig war; dieser Schluß ist jedoch keineswegs zwingend. Seine Wertschätzung der Übersetzung des Hieronymus hinderte ihn jedoch nicht daran, an anderer Stelle die auf den Aristeasbrief zurückgehende Tradition vom göttlichen Ursprung der Septuaginta zu referieren; vgl. etym. VI, 3-4. Vgl. auch eccl. off. I, 12, 8 (CCL 113, 13): De hebraeo autem in Latinum eloquium tantummodo Hieranimus presbiter sacras scripturas convertit, cuius editionem generaliter omnes ecclesiae usquequaque utuntur, pro eo quod veracior sit in sententiis et clarior in verbis. Die große Bedeutung, die Isidor der hebräischen Sprache beimaß, wird auch etym. VI, 19, 20 ersichtlich: Die beiden Worte Amen und Halleluia dürften nicht in eine andere Sprache übersetzt werden propter sanctiorem tarnen auctoritatem. Auch hier hängt er von Augustin (doctr. christ. II, 11, 16; CCL 32, 42) ab, der die Übertragung beider Begriffe ebenfalls propter sanctiorem auctoritatem untersagt. Die Absicht des Hieronymus - nicht zuletzt auch bei der Übertragung des Psalters - bestand darin, christlichen Disputanten bei der Auseinandersetzung mit Juden einen Zugang zur Bedeutung des hebräischen Textes zu verschaffen; vgl. Lubac I/2, 241 Anm. [13].

IV. Argumentation

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der Lage war, mehrere lateinische Versionen kritisch mit dem griechischen und hebräischen Paralleltext zu vergleichen. Insofern genügt er dem Anspruch Augustins nicht, der von lateinischsprachigen Exegeten folgendes verlangte: Et latinae quidem linguae homines . . . duabus aliis ad Scripturarum divinarum cognitionem opus habent, hebraea scilicet et graeca, ut ad exemplaria praecedentia recurratur, si quam dubitationem adtulerit latinarum interpretum injinita varietas. 113 Ein besonderes Problem stellt der Psalter dar. Er war eines der bekanntesten biblischen Bücher, wozu nicht nur der schulische Unterricht, der mit dem Auswendiglernen der Psalmen begann, sondern auch der häufige liturgische Gebrauch der Texte beitrug; daher konnten ältere, traditionelle Textfassungen der Vetus Latina nur schwer durch neue verdrängt werden. 174 Der lateinische Psalter der Alten Kirche beruhte auf der Septuaginta. Hieronymus nahm zunächst auf der Grundlage der in der Hexapla des Origenes enthaltenen Septuagintafassung eine Revision des lateinischen Textes vor, die vom neunten Jahrhundert an als Psalterium Gallicanum bezeichnet wurde, 175 bevor er eine eigene, neue Übersetzung auf der Grundlage des hebräischen Textes in Angriff nahm. Ayuso kam zu dem Ergebnis, daß der vorhieronymianische Psalter von einem griechischen Text abhängt, der mit keiner der heute bekannten Fassungen bzw. Rezensionen der Septuaginta übereinstimmt. 176 Nach Auskunft der hochmittelalterlichen Abbreviatio soll Isidor auch eine Edition des Psalters vorgenommen haben: Quartam psalterii translationem edidit. 171 Wahrscheinlich werden hier die Übersetzung des Hierony173 doctr. christ. II, 11, 16 (CCL 32, 42). Isidor selbst hängt etym. IX, 1, 3 von dieser Passage ab; vgl. infra, S. 154 f. 174 Ayuso weist darauf hin, daß das von Hieronymus übersetzte Psalterium ex Hebraico weder in der Liturgie verwendet noch in den Werken altkirchlicher Autoren zitiert wurde; vgl. id., Problemas del texto biblico, 186. 175 Zu diesem Problem vgl. Ayuso Marazuela, Vetus Latina V, 37-39, der aber noch die von der Forschung mittlerweile aufgegebene These vertritt, nach der Hieronymus auch die Redaktion des auf einer älteren lateinischen Bibelversion beruhenden Psalterium Romanum zugeschrieben wurde. Zu anderen Positionen vgl. W. Thiele, Lateinische altkirchliche Bibelübersetzungen (RGG 1, 3 1957, 1196 f.) sowie Kar/ Th. Schäfer, Lateinische Bibelübersetzungen (LThK 2, 1958, 380-384, bes. 382). 176 Vgl. Ayuso Marazuela, Vetus Latina V, 36 f. Überraschend mutet daher die folgende kategorische Feststellung an: ,,EI Saiterio de Ia Vetus Latina, con relaci6n al de los LXX, no s61o representa una versi6n literal, sino una versi6n servil." (lbid., 36). 177 Anspach, Taionis et Isidori nova fragmenta et opera, 59 f. Vgl. auch den für eine Edition der Psalmen verfaßten Prolog Origenes quondam ille, kritisch editiert bei Ayuso Marazuela, Vetus Latina, V, 328 f. Die meisten Forscher halten diesen Prolog für authentisch, vgl. Ayuso, Problemas del texto biblico, 181. Nach Ayuso und Anspach ist diese vierte Version identisch mit dem westgotischen oder mozara-

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B. Struktur und Argumentation

mus und das Psalterium Romanum und Gallicanum mit der Arbeit lsidors in eine Reihe gestellt. Isidor soll einen synoptischen Text erstellt haben, bestehend aus einer Übersetzung aufgrund der Septuaginta und der Übertragung des Hieronymus aus dem Hebräischen. Aus dem mit diakritischen Zeichen versehenen Text ging der unterschiedliche Wortlaut beider Versionen hervor. 178 Während er sich bei der Überarbeitung der Vulgata vom Ideal der hebraica veritas leiten ließ, orientierte er sich bei der von ihm erstellten Version des Psalters an der Vetus Latina, mithin an einem auf der Septuaginta fußenden Text, dem er allerdings das Psalterium ex Hebraico gegenüberstellte.179 Der von Isidor erstellte Text der auf der Septuaginta beruhenden Fassung war der Ausgangspunkt für die Entwicklung des westgotischen Psalters, der in späterer Zeit der mozarabische genannt wurde. 180 Wie die folgende Passage zeigt, folgte Isidor nicht ausschließlich dem Ideal der veritas hebraica, denn er vertrat die These, daß man durch Kollation der verschiedenen Fassungen unklare Stellen aufhellen und dem Verständnis des ursprünglichen Textes näher kommen könne: Unde et propter obscuritatem Sanetarum Scripturarum harum trium linguarum cognitio necessaria est, ut ad alteram recurratur dum siquam dubitationem nominis bischen Psalter; vgl. Ayuso, Problemas del texto biblico, 187. Germain Marin präsentiert in seinem Aufsatz "La part de Saint Isidore dans Ia constitution du texte du psautier mozarabe" (Miscellanea lsidoriana. Homenaje a S. Isidoro de Sevilla en el XIII centenario de su muerte - 636- 4 de abril - 1936, Rom 1936, 151-163) auf den Seiten 154 f. eine neue, kritische Edition des genannten Prologs Origenes quondam ille, dessen Echtheit er - im Unterschied zu den übrigen, unter Isidors Namen verbreiteten Prologen - überzeugend verteidigt. Es ist unwahrscheinlich, daß Isidor den Psalter selbst neu übersetzt hat; vgl. ibid., 163. Allerdings weist Ayuso Marazuela (Vetus Latina I, 146-147) darauf hin, daß sowohl interpretatio als auch versio und editio die Bedeutung "Übersetzung" haben können. 178 Vgl. Isidors Prolog Origenes quondam ille: /pse studio delectatus psalmorum librum duorum translationum conpingere malui sive ut LXX interpretes vel ceteri transtulerunt sive ut in hebreo legitur et a sanctissimo iheronimo in Iatinum sermonem interpretatum agnoscitur (Ayuso Marazuela, Vetus 1atina V, 328). 179 In bezug auf die Psalmzitate Isidors bemerkt Ayuso, daß dieser niemals aus dem Psalterium ex Hebraico zitiert - was durch eine Analyse des Traktates De fide catholica in dieser zugespitzten Formulierung nicht bestätigt wird - und daß die Passagen oft dem gallikanischen Psalter ähneln, was aber auch auf Kopisten zurückgehen könne; vgl. Problemas del texto biblico, 188. Gerade auf der Iberischen Halbinsel war andererseits der Einfluß des Psalterium iuxta Hebraeos groß, wie eine Anzahl mittelalterlicher spanischer Bibelhandschriften beweisen, die den "mozarabischen" dem "hebräischen" Psalter gegenüberstellen, wobei ersterer zuweilen unter dem Einfluß der Übersetzung des Hieronymus modifiziert ist; vgl. Morin, La part de Saint Isidore, 161 f. 180 Die ist die Meinung Ayusos: "Creemos que San Isidoro hizo una recensi6n del Saiterio Mozarabe. No nos ha quedado ejemplar alguno de ella .. . tal vez la mejor fuente de la misma haya que buscarla en las citas de Isidoro." (Problemas del texto biblico, 190 f.).

IV. Argumentation

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vel interpretationis sermo unius linguae adtulerit. 181 Die Bedeutung der drei Sprachen ergibt sich für Isidor daraus, daß die Inschrift des Kreuzes Christi in ihnen abgefaßt war; daher seien sie linguae sacrae. 182 Mit dieser Auffassung nähert er sich der Position Augustins, für den es undenkbar war, die veritas mit allein einer Sprache zu identifizieren, da seiner Meinung nach alle Sprachen nur dem Bereich der auf die eigentliche res verweisenden signa angehörten. 183 Die Frage danach, welchen Bibeltext Isidor seinen eigenen exegetischen und dogmatischen Schriften zugrunde legte, ist eng verbunden mit dem Problem seiner Arbeitsweise. Es wurde bereits erwähnt, daß ein und dieselbe Bibelstelle mitunter in unterschiedlichem Wortlaut zitiert wird. Manchmal sind die Modifikationen durch die Argumentation bedingt, denn er scheute sich nicht, den Bibeltext den Zwecken seiner Beweisführung anzupassen. 184 In anderen Fällen scheinen ihm jedoch unterschiedliche Versionen vorgelegen zu haben. Dieses Phänomen ist durch die Methodik Isidors erklärbar. Aller Wahrscheinlichkeit nach griff er bei seiner Arbeit auf Exzerpte 181 etym. IX, 1, 3 (Reydellet, 33, der auf die Quelle bei Augustin, doctr. christ. li, 11, 16 verweist). 182 etym. IX, 1, 3. Die Inspiration der Septuaginta behandelt Isidor auch eccl. o.ff I, 12, 5 (CCL 113, 12): Atque ita omnes libri interpretati per Spiritum sanctum in-

venti sunt ut non solum in tellectu, verum etiam in sermonibus consonantes invenirentur. Haec fuit prima interpretatio vera ac divina. Augustin betont wiederholt die Inspiration der Septuaginta; vgl. z. B. civ. Dei XV, 23 (CCL 48, 491) sowie ibid. XVIII, 43. 45. 48 (CCL 48, 639-641). Grundlegend für die Ansicht, daß sowohl dem hebräischen als auch dem griechischen Bibeltext Autorität zukomme, war bereits folgende Äußerung des Origenes: Duplex quippe scriptura est: .. . Oportet igitur et id quod in usu est, atque in Ecclesiis legitur, exponere; et hoc quod in Hebraeis codicibus invenitur, intactum non praeterire (in }er. hom. XI; PL 25, 664). 183 Zur augustinischen Sprachtheorie und zu seiner Auffassung von den res et signa vgl. Schutz-Flügel, The Latin Old Testament Tradition, 659 f. 184 Schon Arevalo bemerkte, daß Isidor den Bibeltext mitunter verändert. Er bezieht sich auf eine Stelle, wo nach der Vulgata die Weisheit spricht (Prov 8, 24): Et ego iam concepta eram, wo Isidor aber - bezogen auf Christus als die Weisheit stattdessen conceptus schrieb; im Hebräischen und Griechischen ist das Genus nicht erkennbar. Cyprian (testim. li, 1; CCL 3, 29) bringt dieselbe Stelle in einer Version, aus der das grammatikalische Geschlecht ebenfalls nicht hervorgeht. Arevalo kommentiert: "lsidorus masculino genere fortasse dixit, ut de Filio Dei intelligeretur." (PL 83, 454 Anm.). Ähnliches bemerkte vor ihm schon Mariana in bezug auf die Stelle Ps 142, 3, wo Isidor den Numerus vom Singular zum Plural hin veränderte: "Isidorus, ut puto, cum hos numeros alternari saepe videret, locum legit numero multitudinis, quo modo instituto magis favebat." (PL 83, 491 Anm.). Mariana erkannte somit das interessegeleitete Vorgehen Isidors, der seiner Absicht (institutum) unter Umständen den Vorrang vor dem genauen Wortlaut des Bibeltextes einräumte. Diese These vertritt Mariana auch an anderem Ort: "Isidorus autem ... Christum matutino tempore in vitam rediisse . .. casum mutavit." (PL 83, 493 Anm.) Er bezieht sich hier auf den Ablativus temporis Quasi diluculo praeparatus est ifid. cath. I, 54, 2), ein Zitat aus Hos 6, 3, wo die Vulgata diluculum liest.

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B. Struktur und Argumentation

zurück, die er während der Lektüre anfertigte. Möglicherweise legte er seine Exzerptensammlung an, ohne bereits ein bestimmtes literarisches Projekt vor Augen zu haben; später konnte er diese Kollektion dann für verschiedene Werke nutzen. Denkbar ist auch, daß das Exzerpieren zumindest teilweise von Mitarbeitern übernommen wurde. Angesichts der vielfältigen Verpflichtungen seines Amtes hätte er sein umfangreiches Werk nicht ohne die Hilfe eines Scriptoriums verfassen können. 185 Besondere Formen der isidorianischen Bibelzitate können demnach auch aus Texten anderer Autoren übernommen sein. 186 Außerdem verließ er sich auf seine Erinnerung an früher Gelesenes; insbesondere geläufige, häufig benutze Texte zitierte er aus dem Gedächtnis. 187 Es muß für jeden Fall gesondert untersucht werden, ob die Veränderung eines Zitates einem Erinnerungsfehler anzulasten ist oder absichtlich vorgenommen wurde, um die Argumentation zu erleichtern oder dem Ideal der brevitas und delectatio lectoris zu entsprechen. Im Hinblick auf den von Isidor zitierten Bibeltext ergibt sich aus beiden Methoden - dem Exzerpieren und dem Zitieren aus dem Gedächtnis - die Möglichkeit, daß er unbewußt - verschiedene Versionen anführen konnte, insbesondere wenn er das Zitat nicht nochmals anband des Bibeltextes überprüfte. Die Tatsache, daß eine Passage innerhalb des Traktates in unterschiedlichen Fassungen vorliegt, wäre somit eine Folge der Arbeitsweise Isidors, der oft nicht auf den "Originaltext" zurückgriff, sondern von ihm oder anderen erstellte Zitatensammlungen konsultierte oder sich auf das eigene Gedächtnis verließ.188 Als Beispiel sei hier die Passage Jes 6, 9-10 angeführt: 18~ Vgl. quaest. in Ex., praef, 1 (PL 83, 287): ... ex libris maiorum breviter excepta perstrinximus. Zur Technik des Arbeitens mit Exzerpten, die in der Spätantike im Mittelmerraum weit verbreitet war, vgl. Fontaine, Culture classique, 765. Der Autor spricht von einer ,"civilisation du digest' avant Ia lettre, en Orient comme en Occident." Die Technik des dejlorare (aveo/..oyE'i:v) war bereits im Hellenismus verbreitet; vgl. ibid., 767. Isidor selbst verwendet im Vorwort zu den Allegoriae die Wendung breviter dejlorata (PL 83, 97 f.). "Les methodes d'Isidore restent donc semblables a celles que l'eruditon greco-romaine venait d'employer durant un millenaire." (Fontaine, Culture classique, 770). 186 Fontaine konstatiert dies in bezug auf De natura rerum insbesondere für Hiobzitate, die Isidor aus Gregors des Großen Moralia in Job übernimmt; vgl. Isidore de Seville: Traite de Ia Nature, 14. 187 ,,La mayoria de las veces citaba por reminiscencias de lectura." (Garda Villada, La obra, 36). Zur Trainierung des Gedächtnisses als Teil der Schulbildung im Westgotenreich vgl. Dlaz y Dlaz, lntroducci6n general, 84: "Un ejercicio muy particular de Ia memoria, a saber, el de educarla para que pueda retener no textos continuados . . . sino eierneotos de erudici6n que aprovechar en cualquier momento." Isidor schreibt in der an Sisebut gerichteten praefatio der ersten Fassung der Etymologien, er habe sein Werk verfaßt ex veteris lectionis recordatione collectum atque ita in quibusdam locis adnotatum, sicut extat conscriptum stilo maiorum (Lindsay, ep. VI).

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IV Argumentation 0

fido catho I, 18, 3 sowie II, 21, 1 (nach der Septuaginta)

fido catho II, 5, 4 sowie II, 6, 4 (nach der Vulgata)

Auditione audietis, et non intelligetis, et Audite audientes, et nolite intelligere; et cementes videbitis, et non scietis; incras- videte visionern, et nolite cognoscere; exsaturn est enirn cor populi huiuso 189 caeca cor populi huius 0

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In verschiedenen Fassungen zitiert Isidor auch Jes 42, 1-4: fido catho I, 33, I

fido catho I, 15, 7

ftdo catho I, 30, 1

Non clamabit, neque audiet quis in plateis vocern eius; calarnum quassaturn non conteret, et linurnfurnigans non exstinguet; sed in veritate proferet iudiciurn, quousque ponarn in te"a iudicium, et in nornine eius gentes sperabunto Parallelen zur Septuaginta ergeben sich insbesondere im letzten Teil: xat btt 1:!p övo!J.a"tL avwu

Arundinern quassa- Non clamabit, nec tarn non conteret, audiet quis in platet linurn furnigans eis vocern eiuso non exstingueto

ESVT] EArtLOUOLV

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fido catho II, 2, 7 (nach der Vulgata) Ecce, servus rneus, suscipiarn eurn, electus rneus, cornplacuit sibi in illo anima rnea, dedi spiriturn rneurn super eurn, iudiciurn gentibus proferet, non clamabit, neque accipiet personarn, nec audietur foris vox eius, calarnurn quassaturn non conteret, et linurn furnigans non exstingueto In veritate educet iudiciurn, non est tristis, nec turbulentus, donec ponat in terra iudicium, et Iegern eius insulae exspectabunto

188 Im Hinblick auf die Etymologien bemerkt Fontaine, daß die unterschiedlichen Methoden Isidors (genaue Zitierung von Exzerpten, kursorische Relektüre von Notizen, Zitat aus dem Gedächtnis) zu Ungenauigkeiten und zuweilen auch zu Brüchen in der Argumentation führen; vgl. Culture classique, 780 ffo Schon Mariana bemerkte, daß lsidor bei seiner Arbeit verschiedene Versionen des Bibeltextes benutzte und den Text eigenständig veränderte: uoo o ab Isidoro testimonia adducuntur, prout cornmodius erat, aut promptius memoria suggerebat. Sed et reliquis divinarum Scripturarum libris promiscue Hieronymi versione, et antiqua Vulgata Latina Editione utitur Saepe enim ex variis interpretationibus unum testimonium contexit." (PL 83, 453 Anmo)o 189 Eine ähnliche Version zitiert Cyprian testirno I, 3 (CCL 3, 8): Aure audietis et non intellegetis et videntes videbitis et non videbitiso lncrassavit enirn cor populi huiuso 190 In mehreren Punkten stimmt auch die Version Cyprians (testirno II, 13; CCL 3, 46) mit dieser Stelle überein: Non clamabit, neque audiet quis in plateis vocern eiuso Harundinern quassatarn non confringet et linurn furnigans non extinguet sed in veritate proferet iudiciurno Fulgebit et non quassabitur, quoadusque ponat in terra iudiciurn, et in nornine eius gentes credento 0

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B. Struktur und Argumentation

Manchmal verwendet Isidor verschiedene Textfassungen derselben Bibelstelle in unterschiedlichen Werken. Ein charakteristischer Fall ist Gn 49, 10, ein Vers, der auch von anderen Kirchenvätern wie Justin Martyr, Origenes und Augustin in zwei Fassungen zitiert wird. Es handelt sich um die bekannte Passage aus dem Jakobssegen, deren Version nach der Vulgata wie folgt lautet: Non auferetur sceptrum de Juda et dux de femoribus eius, donec veniat qui mittendus est, et ipse erit expectatio gentium. In den Quaestiones in Genesin verwendet Isidor mehrere Fassungen dieser Stelle nebeneinander, zusätzlich zu der Vulgataversion qui mittendus est auch die beiden Varianten quae reposita sunt und cui repositum est, die auf unterschiedliche griechische Übersetzungen zurückgehen: Während der überlieferte Septuagintatext ta a:rtOXEL!-tEVa autcp lautet - diese Lesart wird aber nur von einer Minderheit der Kirchenväter zitiert -, übersetzt die häufiger gebrachte Version 4} a:n:oxm:m. 191 In De fide catholica bringt Isidor an beiden Stellen, wo er diesen Vers zitiert, nur die Vulgatafassung. 192 Wenn er mehrmals dieselbe Passage unter falschem Namen zitiert oder dasselbe Zitat einmal dem richtigen, ein anderes Mal aber einem anderen Autor zuschreibt, könnte dies auf eine fehlerhafte Vorlage zurückgehen, aber auch dadurch erklärt werden, daß Isidor aus dem Gedächtnis zitiert. 193 Letztere Methode könnte auch dafür verantwortlich sein, daß er Zitate aus demselben biblischen Buch in ihrem Verhältnis zueinander falsch angibt. So bringt er an einer Stelle zunächst ein Zitat aus Jes 11, 10, dem ein anderes 191 quaest. in Gen. 31, 21-23 (PL 83, 280): ... donec veniant, quae reposita sunt ei ... donec veniret, cui repositum est ... qui mittendus erat. Vgl. hierzu auch Adolf Posnanski, Schiloh. Ein Beitrag zur Geschichte der Messiaslehre, 1: Die Auslegung von Genesis 49, lO im Altertume bis zu Ende des Mittelalters, Leipzig 1904, 21 f., dessen Übersicht ich die Angaben über die Häufigkeit der einzelnen Versionen bei verschiedenen Autoren entnehme. Der hebräische Text dieser Stelle ist unklar (:"1?'111 10'-'::J ,P); er wurde im Verlauf der Geschichte auf sehr unterschiedliche Weise übersetzt und interpretiert; vgl. hierzu Posnanski, passim. Vgl. hierzu neuerdings auch Kenneth Edmund Pomykala, The Davidic Dynasty Tradition in Early Judaism. Its History and Significance for Messianism (Early Judaism and its Literature, 7), Atlanta 1995, 23. Cyprian verwendet die Fassung quoadusque veniant deposita illi (testim. I, 21; CCL 3, 22). Tertullian zitiert diesen Vers in seinem Traktat Adversus ludaeos nicht. 192 Vgl. fid. cath. I, 8, l (PL 83, 464) sowie fid. cath. II, 2, l (PL 83, 503). Hieronymus zitiert den Vers in seinen Kommentaren stets nach der Septuaginta, nicht in der von ihm selbst übersetzten Fassung; vgl. Posnanski, 61--65. 193 So bezeichnet Isidor das Zitat Donec plenitudo gentium introeat, et sie omnis Israel salvus fiat (Rom 11, 25-26; fid. cath. II, 4, l; PL 83, 508) als Jesajastelle. Schon Mariana wies darauf hin, daß es in der Fortsetzung des Römerbriefes heißt Sicut scripturn est Veniet ex Sion qui eripiat avertet impietates ab Jacob, was Isidor an die Passage Jes 59, 20 erinnert haben könnte; Et venerit Sion redemptor et eis qui redeuni ab iniquitate in lacob, deren Septuagintafassung Paulus Rom 11, 26 zitiert: xat ill;EL EVEXEV ~LWV 6 Q'UO!!EVO~ xat a:n:OcrtQE'IjiEL&oeßda~ &:n:o Iaxwß.

IV. Argumentation

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aus Jes 5, 26 folgt, das aber mit den Worten et post alia eingeleitet wird, wodurch er suggeriert, daß das spätere Zitat dem früheren auch innerhalb des Buches Jesaja folgt, während in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall ist. 194 In einigen Fällen schreibt er einen Text einem falschen Autor zu; so beispielsweise Testis falsus non erit impunitus (Prov 19, 5), pro eo quod vendidit argento iustum (Am 2, 6), was er mit den Worten Et /saias de Juda dicit einleitet. 195 Offenbar folgt er hier einer Vorlage, zumal er dieselbe Kombination der zwei Texte auch an früherer Stelle des Traktates anführt. 196 Wenn es den Zwecken seiner Beweisführung entspricht, verändert Isidor Bibelzitate, indem er Passagen und Worte ausläßt oder eigene Kommentare einschiebt. Ein Beispiel für die Veränderung des Bibeltextes ist der Schluß des ersten Kapitels des zweiten Buches, als er die Juden auffordert, den bekehrten ,.Heiden" nachzueifern: Erubescant ludaei gentium conversarum aemulatores, tandemque convicti cognoscant atque audiant in Deuteronomio Dominum proclamantem: Eritis gentes ad caput, incredulus autem populus ad caudam. 191 Das Deuteronomium spricht allerdings im Singular vom Fremdling (advena, '"U, JtQOO~A.uw;; Dtn 28, 43). Die Version der Vulgata lautet: lpse erit in caput et tu eris in caudam. Isidor verändert den Text interpretierend, indem er statt .,Fremdling" ,.Völker" schreibt (was in gewisser Hinsicht durch die griechische Variante von den ,.Hinzugekommenen" nahegelegt wird) und den Grund für die Umkehrung der Hierarchie durch das von ihm hinzugefügte Attribut ,.ungläubig" kennzeichnet. 198 Die Veränderung des Bibeltextes zu Argumentationszwecken wird auch an folgender Stelle sichtbar, die Isidor Gott selbst in den Mund legt: Propitius ero illis, verumtamen vivo ego, et vivit nomen meum, quia implebitur gloria mea omnis terra. 199 Er bezieht diese Stelle auf das alte und das neue Gottesvolk - einerseits sage Gott den Juden seine Gnade zu, andererseits sehe er die Ausbreitung des Christentums über den ganzen Erdkreis voraus. Etwas unscharf ist die Verbindung beider Aussagen durch die Konjunktion verumtamen. Die gesamte Stelle weicht erheblich vom Wortlaut der Vulgata und vom hebräischen Text ab. Nach dem Vulgatatext sagt nicht Gott seine Gnade zu, sondern Mose erinnert ihn an die Gnade, die er den Israeliten seit dem Auszug aus Ägypten erwiesen hat (sicut propitius fuisti). Im Hebräischen findet sich kein Äquivalent dieser Wendung, sie ist aber eine Vgl. fid. cath. II, 2, 4 (PL 83, 504). fid. cath. I, 26, 2 (PL 83, 481 ). 196 Vgl. fid. cath. I, 20, 2 (PL 83, 478). 197 Dtn 28, 44 (jid. cath. II, 1, 15; PL 83, 503). 198 Dieselbe Veränderung nimmt auch Cyprian vor, vgl. testim. I, 21 (CCL 3, 22): Eritis gentes in caput, incredulus autem populus in cauda. 199 Num 14, 19. 21 (jid. cath. li, 1, 1; PL 83, 499). 194

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B. Struktur und Argumentation

sinngemäße Erweiterung des übrigen Satzes, die schon in der Septuaginta in den Text eingefügt wurde. Denkbar ist, daß Isidor hier eine Vorlage verkürzt wiedergibt; möglich ist aber auch, daß er den Bibeltext den Erfordernissen seiner Argumentation angepaßt hat. Obwohl er oft der Vulgata folgt, rekurriert er mitunter auf eine andere, wahrscheinlich ältere lateinische Bibelübersetzung, die dem Griechischen näher steht. So will er die Existenz der Trinität anband folgender Stelle beweisen: Ecce ... puer meus, suscipiam eum, dilectus meus, complacuit sibi in illo anima mea, dedi spiritum meum super eum?00 Anstelle von puer liest die Vulgata servus, womit sie dem hebräischen ~ entspricht. Die von Isidor an dieser Stelle benutzte Vorlage dürfte jedoch auf das griechische Jta'i:~ zurückgehen, das sowohl mit puer als auch mit servus wiedergegeben werden kann. 201 Nur die griechische Version macht die Jesajastelle für die Argumentation brauchbar, denn nur die Lesart puer stellt einen Bezug zu filius, d. h. zur zweiten Person der Trinität, her. An einer anderen Stelle des Traktates übernimmt Isidor jedoch den Wortlaut der Vulgata in einem ähnlich gelagerten Fall. Er zitiert Jes 52, 13: Ecce intelliget servus meus.202 Er schreibt hier nicht puer, weil die Übersetzung servus seiner Argumentation entgegenkommt, denn er behandelt nicht die Gottessohnschaft Christi wofür die Übersetzung puer besser geeignet ist -, sondern die Niedrigkeit und Bescheidenheit Christi bei seiner ersten Ankunft - quod pauper et abiectus prima adventu venit. An anderen Stellen gibt es weitere Indizien für die Nähe des von ihm zitierten Bibeltextes zur griechischen Bibel. Beispielsweise schreibt er evangelizare pauperibus misit me (Jes 61, 1), wo die Vulgata ad adnuntiandum mansuetis misit me übersetzt. Hieronymus folgt hier der hebräischen Vorlage,203 wohingegen Isidors Version Parallelen zur Septuagintafassung aufweist, die an dieser Stelle EuayyEÄ.i.aaa8m Jt"tooxot:~ lautet. Allerdings übernimmt er an anderer Stelle die Fassung der Vulgata desselben Verses. 204 In diesem Zusammenhang läßt sich keine inhaltliche Tendenz erkennen, die die Auswahl einer bestimmten Übersetzung veranlaßt haben könnte, wie dies bei der unterschiedlichen Wiedergabe von ~ bzw. Jta'i:~ mit servus oder puer der Fall war. Jes 42, 1 (jid. cath. I, 4, 8; PL 83, 459). Die Übersetzung von ~ durch :rta'i:~. das wiederum unterschiedlich als "Knabe" oder "Knecht" wiedergegeben wird, findet sich auch in anderen biblischen Büchern. Als Beispiel sei hier auf 4 Esra 7, 28 und 13, 32 verwiesen; vgl. die Übersicht bei Michael Edward Stone, A Commentary on the Book of Fourth Ezra, ed. Frank Moore Cross, Minneapolis 1990, 208. 202 fid. cath. I, 15, 1 (PL 83, 473). Das lateinische servus steht hier für ~ bzw. 2oo 201

xa'i:~.

mansuetus kommt dem Begriff 1Jl7 näher als pauper. fid. cath. I, 16, 1 (PL 83, 475).

2°3 C"l.lP ~?; 204

IV. Argumentation

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Eine ältere, auf der Septuaginta beruhende lateinische Fassung lag Isidor auch bei der Zitierung der Stelle Jes 50, 5 vor: Non sum .. contumax, neque contradico. 205 Dies entspricht genau der griechischen Version: €yro öe oux cmtLe& ouöe av·nMyw. Die Vulgata hingegen übersetzt: Ego autem non contradico, retrorsum non abii. Hieronymus gibt im zweiten Teil dieses Zitats das Hebräische exakt wieder, das contradico des ersten Teils scheint jedoch dem zweiten Teil der Septuagintafassung zu entstammen, denn ;-no sollte mit "widerspenstig sein" übersetzt werden. Um zu belegen, daß Christus der Schlüssel zum Verständnis der Schrift ist, führt Isidor ein Habakukzitat an: lustus enim ex fide mea vivet. 206 Die Vulgatafassung dieser Stelle lautet allerdings lustus autem in fide sua vivet, wodurch das hebräische 1nl10N::l exakt wiedergegeben wird. Die in De fide catholica zitierte Fassung aber folgt der Septuaginta, die EX rri.m:em~ f..LOU übersetzt. Nur der griechische Text ermöglicht also die explizite Deutung auf die fides Christi hin. Der Beweis, daß Christus gemäß den alttestamentlichen Voraussagen zwischen zwei Räubern gekreuzigt werden sollte, beruht ebenfalls auf dem Text der Septuaginta. Der Autor zitiert Hab 3, 2 mit den Worten In medio ... duorum animalium cognosceris, und fügt als Deutung hinzu id est, in medio duorum latronum?07 Die Vulgata (in medio annorum notum facies) folgt an dieser Stelle dem Hebräischen (rm trJIU ::1,\?::l), wohingegen Isidors Text der griechischen Fassung entspricht (Ev f..LEO

~amö d~ ~. oux eon euota oUöe eumaot~QLOV oUöe i.eQatda, ö~f...ov ÖtL €1;€/...L:rtev