Juan de Torquemada und Thomas de Vio Cajetan: Zwei Protagonisten der päpstlichen Gewaltenfülle
 9783050059815, 9783050059020

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Ulrich Horst

Juan de Torquemada und Thomas de Vio Cajetan

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens. Neue Folge

Band 19

Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Walter Senner OP (Federführender Herausgeber) Thomas Eggensperger OP Kaspar Elm Isnard W. Frank OP † Ulrich Horst OP

Ulrich Horst

Juan de Torquemada und Thomas de Vio Cajetan Zwei Protagonisten der päpstlichen Gewaltenfülle

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Dominikanerprovinz Teutonia.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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978-3-05-005902-0 978-3-05-005981-5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

I. Die Gewalt des Papstes in der Tradition dominikanischer Theologen . .

27

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

. . . . . . .

27 37 40 41 41 46 47

II. Der Rechts- und Lehrprimat des Papstes nach Juan de Torquemada . .

51

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Thomas von Aquin . . . . Johannes von Paris . . . . Hervaeus Natalis . . . . . Johannes von Neapel . . . Petrus de Palude . . . . . Guillelmus Petri de Godino Antonin von Florenz . . .

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Die Gewaltenfülle des Papstes . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt Die Konstanzer und Basler Superioritätsdekrete . . . . . Die Lehrautorität des Papstes . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Ursprung und Funktion des Kardinalats . . . . . Papst und Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Schisma und seine Überwindung . . . . . . . . . . . Die Legitimität der päpstlichen Sukzession . . . . . . . . Papsttum und Kirchenreform . . . . . . . . . . . . . . .

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53 63 67 75 84 90 101 103 107

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111

Historische Situation und Methode des Opusculums De comparatione Der Papst als Inhaber der höchsten Gewalt . . . . . . . . . . . . . . Papst und Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die päpstliche Lehrautorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 118 123 129 131

III. Die Gewaltenfülle des Papstes nach Thomas de Vio Cajetan 1. 2. 3. 4. 5.

. . . . . . .

. . . . . . . . .

V

6. 7. 8. 9.

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135 148 164 174

Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 191

VI

Der häretische Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auseinandersetzung mit Jacques Almain . . . . . . . . . . . . De divina institutione Romani Pontificis gegen Martin Luther . . . Zur Nachgeschichte im Dominikanerorden . . . . . . . . . . . . .

Vorwort

Über den Gegenstand und die Absichten der hier vorgelegten Untersuchung habe ich mich in der Einleitung geäußert. Angemerkt sei lediglich, dass ich mit ihr eine Lücke in meinen Forschungen – die Zeit des Übergangs vom Spätmittelalter in eine neue Phase der Primatsdiskussion – schließen möchte. Am Ende dieser Studie habe ich die angenehme Pflicht, Freunden und Helfern zu danken. Zuerst und vor allem weiß ich mich Prof. Dr. Thomas Prügl, Wien, verpflichtet, mit dem ich seit Jahren viele anregende Gespräche zu einem uns beide interessierenden Gegenstand hatte. Von seinen Publikationen zum Umfeld des Basler Konzils, seinen Literaturhinweisen und kritischen Anmerkungen habe ich in reichem Maße profitiert. Mein Mitbruder, P. Prof. Dr. Walter Senner, Rom, hat das Manuskript mit gewohnter Sorgfalt gelesen und wichtige Korrekturen angebracht. Frau Dr. Susanne Kaup, München, ist, wenn der Leihverkehr versagte, bereitwillig eingesprungen und hat mir fehlende Texte besorgt. Großen Dank schulde ich meiner Ordensprovinz Teutonia, die durch einen Zuschuss den Druck ermöglicht hat. Herr Manfred Karras im Akademie Verlag hat sich unserer Reihe „Quellen und Forschungen“ seit den Anfängen im Jahr 1991 mit großer Umsicht und Sorgfalt angenommen. Ihm und der Verlagsleitung, mit der die Herausgeber stets vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, sage ich herzlichen Dank. Ulrich Horst OP

VII

Quellen und Literatur

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Zur Einführung

Die Konzilien von Konstanz und Basel sind seit Jahren Gegenstand intensiver Forschungen zu den beteiligten Personen, Institutionen und zu den theologischen und politischen Theorien, die die Ereignisse begleiteten. Diese Arbeiten führten schließlich zu den bekannten großen Darstellungen von Walter Brandmüller und Johannes Helmrath. Beide Werke waren, wie nicht anders zu erwarten, zugleich Abschluss und Beginn zahlreicher weiterer Studien. Das gilt namentlich für Basel, wie die jüngst erschienene bibliographische Übersicht eindrucksvoll bezeugt 1. Auch die vorliegende Untersuchung hat in reichem Maße von dieser Literatur profitiert. Dankbar sei besonders der rechtshistorischen Arbeiten gedacht, die zu einem vertieften Verständnis des päpstlichen Jurisdiktions- und Lehrprimats beigetragen haben, wie ihn Juan de Torquemada in seiner Summa de Ecclesia in den Details konzipiert hat. Erst die Würdigung des Einflusses der kanonistischen Tradition auf seine Ekklesiologie bewahrt vor einem einseitigen Urteil über seine Vorstellungen von der plenitudo potestatis, wie man sie ihm später oft zugeschrieben hat, als man sein Hauptwerk als unerschöpfliches Arsenal papalistischer Argumente betrachtete und die in ihm auch enthaltenen Einschränkungen, Vorbehalte und die der Kirche und dem Konzil möglichen Maßnahmen in den Krisen des Papsttums ignorierte, weil „nicht sein konnte, was (angeblich) nicht sein durfte“. Die eigentliche Thematik der Studie leitet ein Kapitel ein, das die ekklesiologischen Texte des Aquinaten vorstellt, die sowohl der Summa de Ecclesia Torquemadas wie dem Opusculum De comparatione Cajetans als Wegmarken dienten. Auf sie folgen Überlegungen von Dominikanertheologen, die zeigen sollen, dass sich auch in ihren relativ geschlossenen Reihen Probleme ankündigen – Grenzen und Bedingungen der obersten Lehrautorität, Verhältnis des Papstes zum Konzil –, die später leidenschaftliche Kontroversen provozierten, auch wenn sich diese aus vielen anderen Quellen nährten. 1

J. Helmrath, Das Basler Konzil. W. Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418. A. Cadili, Il concilio di Basilea nella produzione storiografica. Ferner: G. Alberigo, Il movimento conciliare. E. Meuthen, Das Basler Konzil als Forschungsproblem. S. auch die beiden Sammelbände: H. Müller – J. Helmrath, Die Konzilien von Pisa und J. Dendorfer – Cl. Märtl, Nach dem Basler Konzil mit ausführlichen Literaturangaben. H. Müller, Die kirchliche Krise bietet eine präzise Darstellung der Probleme und eine Analyse der wichtigsten Literatur.

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Man hat zu Recht in Torquemada, dem großen Theologen und Mann der Kirche, einen der bedeutendsten Protagonisten der päpstlichen Vollgewalt und unerbittlichen Gegner der Basler gesehen, aber zugleich die zahlreichen Elemente aus älteren Traditionen überlesen. Das zeigt sich etwa an der Umsicht, mit der er die Rechte des Konzils und des Kardinalskollegiums zu wahren sucht. Torquemada war überzeugt, dass nur diese Institutionen in den Bedrängnissen und Wirren der Geschichte Auswege suchen und finden konnten. Zuweilen haben allein sie, wie er aus eigener Erfahrung und dem Studium kanonistischer Quellen wusste, Existenz und Fortdauer des Primats gesichert. Auch war ihm der Gedanke vertraut, dass Krisen solchen Ausmaßes nicht einer fernen Vergangenheit angehören, sondern jederzeit möglich sind. Die Kirche musste also – unter bestimmten Bedingungen freilich – ein Notstandsrecht haben, das die Primatialgewalt nicht aufhob, sondern garantierte. Schisma und Häresie des Oberhaupts waren und blieben die das höchste Amt gefährdenden Schrecken im Hintergrund. Ein weiteres Beispiel für die These, dass der römische Pontifex trotz seiner Gewaltenfülle in die ecclesia Romana und bei besonderen Problemen auch in das Konzil eingebunden ist, bieten kontroverse Standpunkte in Glaubensfragen, die der Papst nur unter Mitwirkung der genannten Instanzen entscheiden kann. Das ist deshalb so, weil die dann zu verabschiedenden Definitionen strikt verbindlichen Charakter haben und nicht mehr – anders als Akte der Jurisdiktion – revokabel sind. Für die Teilhabe kompetenter Gremien an der Wahrheitsfindung hat Torquemada eindrückliche Formulierungen gefunden, die den geschulten Kanonisten verraten. Theologen späterer Generationen werden sie bezeichnenderweise meist nicht mehr erwähnen, ein deutliches Symptom einer selektiven Lektüre der Summa de Ecclesia. Im Blick auf eine zusehends sich verengende Theorie der päpstlichen Lehrautorität war diesem selten hinreichend gewürdigten Aspekt eine der Bedeutung des Problems entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. Auf den genannten Problemen liegt der Akzent des ersten Teils unserer Untersuchung. Die diese Darstellung leitende Absicht war schließlich, die so gewonnenen Ergebnisse in einem nächsten Schritt mit Cajetans antigallikanischem Opusculum De comparatione auctoritatis papae et concilii zu vergleichen, um Gemeinsamkeiten wie Unterschiede dieser beiden folgenschweren ekklesiologischen Entwürfe schärfer zu fassen. Beide Autoren hätten gegen die herkömmliche Einordnung als Papalisten gewiss nichts einzuwenden gehabt und darin einen Ehrentitel gesehen, der Repräsentanten des Predigerordens in führenden Positionen der Kirche gut anstand. Im Charakter solcher Begriffe liegt es freilich, Differenzierungen eher zu verdecken als zu erhellen und das Besondere einer Konzeption nicht mehr recht wahrzunehmen. Das gilt, wie wir zu zeigen hoffen, für die Summa de Ecclesia Torquemadas, deren Komplexität größer ist, als es zunächst scheint. Aus der päpstlichen plenitudo potestatis ließen sich Konsequenzen ziehen, die nicht immer uni-

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former Natur waren. Torquemadas Werk ist auch darin ein Spiegel der Ereignisse und Ideen einer bewegten Zeit, die dann deutlicher in ihrer Vielfalt und Eigenart hervortreten, liest man sie, wie das hier geschehen soll, auf dem Hintergrund eines Werkes, das ebenfalls einen Papalisten zum Verfasser hat, aber nun einen, der an der Schwelle einer neuen Phase der Primatsgeschichte steht, die auf wesentlichen Elementen einer älteren basiert und sie zugleich tiefgreifend transformiert. Thomas de Vio Cajetans Opusculum De comparatione wollte einem geplanten antirömischen Konzil, das von Ideen der Parisienses inspiriert war, mit einer auf die Vollmacht des Papstes konzentrierten Gegenschrift zuvorkommen. Ob es einer Initiative Julius’ II. oder der Sorge des Dominikaners entsprang, die konziliaristische Bedrohung könnte wieder aufleben, ist unklar. Sein Autor hatte richtig erkannt, dass es das Gebot der Stunde war, an die Stelle der Summa de Ecclesia einen präzisen, kurz gefassten Traktat De auctoritate summi pontificis zu setzen, den er mit einem methodischen Programm eröffnete, das in den Ohren vieler Leser wie ein Paukenschlag geklungen haben wird. Nicht mehr die Kanonistik, sondern die Dogmatik, die systematisch-scholastische Schriftauslegung, sollte die führende Rolle in der Ekklesiologie spielen. Das heißt: Die Theologie hat sich von der bis dahin auf diesem Gebiet führenden Kanonistik zu emanzipieren. Es galt das von ihr hinterlassene und jetzt als sperrig empfundene Erbe soweit wie möglich zu liquidieren oder doch zu relativieren. Dass sich diese Absicht auch gegen Torquemada richtet, dürfte nicht zweifelhaft sein. Obschon Cajetan und der spanische Kardinal in einem grundlegenden Prinzip, in der Verteidigung der päpstlichen plenitudo potestatis, einer Meinung sind, lassen sich im Blick etwa auf die Funktionen der Konzilien oder die in Krisenzeiten möglichen Maßnahmen erhebliche Differenzen konstatieren. So ist bezeichnenderweise von einem göttlichen Ursprung des Kardinalats bei Cajetan keine Rede. Markante Unterschiede zwischen beiden Autoren ergeben sich ferner bei der Behandlung von glaubensverbindlichen Definitionen des Papstes, der nach den in De comparatione vorgetragenen Thesen nicht mehr an die in einer langen Tradition entwickelten Voraussetzungen und Bedingungen gebunden ist, denen sich noch Torquemada verpflichtet wusste. Eine wie immer geartete Mitwirkung der Kardinäle oder Theologen wird folglich von Cajetan nicht erwähnt. Möglichen Anfechtungen einer Entscheidung ist somit von vornherein der Boden entzogen. Das in späteren Diskussionen präzisierte Sicherheitsdenken, das die Kirche als unangreifbare Festung sehen möchte, hat hier seinen Anfang genommen. Häresie oder Schisma sind allerdings auch nach Cajetan die einzigen Fälle, in denen andere Instanzen für Abhilfe zu sorgen haben. Es blieb einer späteren Etappe der Primatsdiskussion vorbehalten, selbst sie auszuschließen. Cajetan hat seine Argumente in De comparatione mit einer in ähnlichen Traktaten nie mehr erreichten Konzentration, Präzision und dialektischen Meisterschaft vor-

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getragen, so dass die Möglichkeit, sein Opusculum wie die Summa de Ecclesia selektiv zu lesen, nie bestanden hat. Behauptet man zuviel, wenn man sagt, mit Cajetans Werk beginne die neuzeitliche Primats- und Infallibilitätsdiskussion?

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I. Die Gewalt des Papstes in der Tradition dominikanischer Theologen

Johannes Torquemada und Thomas de Vio Cajetan, die beiden großen Protagonisten der päpstlichen Suprematie, hatten sich als Mitglieder eines dem apostolischen Stuhl stets verbundenen Ordens den Herausforderungen ihrer Zeit zu stellen. Die Diskussionen im Umfeld von Konstanz und Basel hatten eine umfangreiche und höchst komplexe theologisch-kanonistische Literatur hervorgebracht, die in einer Phase der Beruhigung und stetigen Festigung des Primats nach einer Synthese des römischen Standpunkts verlangte, die ihren markantesten Ausdruck in der Summa de Ecclesia Torquemadas gefunden hat. Mit Cajetans De comparatione auctoritatis papae et concilii und der Apologia beginnt eine neue Etappe in der Konfrontation mit konziliaristischen Ideen gallikanischer Prägung, die zu einem im Detail rigoros konzipierten Lehr- und Jurisdiktionsprimat führte, den es in dieser Konsequenz noch nicht gegeben hatte und der Schule machen sollte. Was das bedeutet, wird im Verlauf unserer vergleichenden Studie zu erörtern sein. Dass die genannten Werke auf ihre Weise Zäsuren bezeichnen, lässt sich an Beispielen veranschaulichen, die den beiden Entwürfen vorausliegen und ältere Traditionen repräsentieren, die Gemeinsamkeiten, aber auch bemerkenswerte Differenzen aufweisen. Worin sie bestehen, soll ein Blick auf zentrale Aussagen von Theologen zeigen, die der – von einem Außenseiter abgesehen – relativ geschlossenen Schule des Dominikanerordens angehören und mit denen sowohl Torquemada wie auch Cajetan vertraut waren. Für die Geschichte des Rechts- und Lehrprimats bleiben sie bedeutsam, auch wenn die großen Kontroversen des 15. Und beginnenden 16. Jahrhunderts einen anderen Hintergrund haben und sich auf sie nur am Rande beziehen.

1. Thomas von Aquin Da Thomas für beide Theologen die klassische Autorität in Sachen des Lehr- und Jurisdiktionsprimats war, ist es angebracht, in unserer Studie die die künftige Diskussion leitenden Texte aus seinen Werken vorzustellen. Dass er sich – wie auch Bonaventura und andere – schon in seinen Pariser Anfangsjahren in besonderer Weise des Themas angenommen hat, ergab sich aus der Notwendigkeit, die Mendikantenorden als von diözesanen und parochialen Strukturen unabhängige Personalverbände im hierarchischen Aufbau der Kirche zu legitimieren. Das gelang

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nach langen Kämpfen mit dem Säkularklerus und universitären Gegnern dank päpstlicher Approbation und Privilegierung. Dies wiederum hatte eine neue Betonung primatialer Rechte zur Folge, wie sie ihren ersten Ausdruck in den Schriften zur Verteidigung der neuen Orden gefunden hat. So ist es verständlich, dass sich die Mendikanten nach den Erfahrungen ihrer Anfangsjahre stets dem apostolischen Stuhl verpflichtet wussten 1. Mehr als die Apologien jener Zeit interessieren uns wegen des größeren Einflusses auf die Nachwelt die systematischen Schriften. Ein frühes, oft variiertes Argument bietet der Sentenzenkommentar des Aquinaten. Da die Kirche ein Leib ist, muss es, um diese Einheit zu bewahren, eine Leitungsgewalt, den Papst, geben, der über den die Ortskirchen regierenden Bischöfen steht 2. Dieses Verhältnis basiert auf der Beziehung, die zwischen Petrus und den übrigen Aposteln bestand. Auch wenn Christus allen Aposteln die Vollmacht zu binden und zu lösen gegeben hat, geschah dies doch so, dass sie, um in ihr eine Ordnung zu bezeichnen, zuerst Petrus verliehen wurde, von dem sie dann auf die Apostel hinabsteigen sollte. Dass es so ist, zeigen die an Petrus im Singular gerichteten Worte „stärke deine Brüder“ (Lk 22, 32) und „weide meine Schafe“ (Jo 21, 17) 3. Das entscheidende Stichwort „hinabsteigen“ (descendere) ist gefallen, in dem die die Vollmacht vermittelnde Funktion des Petrus ausgedrückt ist. Eine für unseren Zusammenhang besonders markante Aussage findet sich ebenfalls im Sentenzenkommentar, wo Thomas fragt, wie sich eine höhere zu einer niederen Gewalt verhält. Die Antwort gibt er unter einem doppelten Aspekt. Sollte, heißt es, die niedere Gewalt ihren Ursprung ganz (ex toto) in der höheren haben, muss man schlechthin der höheren folgen. So ist es auch in den Naturdingen, in denen die Erstursache mehr in das von den Zweitursachen Bewirkte „einfließt“,

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Dazu s. Y. Congar, Aspects ecclésiologiques. J. Ratzinger, Zum Einfluß des Bettelordensstreites auf die Entwicklung der Primatslehre. S. Clasen, Der hl. Bonaventura und das Mendikantentum. M.-M. Dufeil, Guillaume de Saint-Amour. William of Saint-Amour, De periculis novissimorum temporum, Edition, Translation, and Introduction by G. Geltner. A.G. Taver, Rewriting History? Weitere Literatur bei U. Horst, Wege in die Nachfolge Christi, bes. 25–76. – Wie sehr die aktive Rolle des Aquinaten im Mendikantenstreit die Primatslehre des Aquinaten beinflusst hat, zeigt ein Vergleich mit Albertus Magnus und Hugo von St. Cher, wie sie anläßlich der Auslegung von Mt 16, 18f zum Ausdruck kommt. Dazu s. U. Horst, Albertus Magnus und Thomas von Aquin. IV Sent., d. 24, q. 3, a. 2, q.la 3. Zum Ganzen s. S.-Th. Bonino, La place du pape dans l’Église. Ad 1 … quamvis omnibus apostolis data sit communiter potestas ligandi et solvendi, tamen ut in hac potestate ordo aliquis significaretur, primo soli Petro data est, ut ostendatur quod ab eo in alios ista potestas debeat descendere.

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als es die Zweitursache selbst tut. Auf diese Weise verhält sich Gottes Macht zu dem von ihm Geschaffenen 4. Dieses Prinzip gilt ebenfalls für den Kaiser gegenüber seinem Prokonsul und für den Papst in seiner Beziehung zur geistlichen Gewalt in der Kirche. Man beachte, dass der Aquinate hier mit Bedacht ad omnem spiritualem potestatem sagt und eine potestas saecularis nicht erwähnt. Auf Grund dieser geistlichen Gewalt werden vom Papst die abgestuften Würden in der Kirche eingesetzt und geordnet. Sie ist das Fundament der Kirche 5. Dass ihm alle zu folgen haben, ist die notwendige Konsequenz. Der zweite Aspekt wird so umschrieben: Beide, die höhere und die niedere Gewalt, haben ihren Ursprung in einer höchsten Gewalt, die sie nach freiem Ermessen untereinander ordnet, wie das bei Erzbischöfen und Bischöfen der Fall ist, deren Befugnisse von Gott kommen 6. Am Ende dieser Argumentation zieht Thomas eine weitere wichtige Konklusion. Weltliche und geistliche Gewalt leiten sich beide von Gott ab. Aus diesem Grund ist die weltliche Gewalt der geistlichen insofern unterworfen, als sie ihr von Gott unterstellt ist, nämlich in allen das Seelenheil betreffenden Dingen. In dieser Hinsicht muss man ihr mehr gehorchen als einem weltlichen Machthaber. In allen auf das bürgerliche Wohl zu beziehenden Angelegenheiten ist es freilich umgekehrt 7. Diesen eindeutigen Worten schließt sich ein Nachsatz an, der gelegentlich zu Fehldeutungen im hierokratischen Sinn Anlass gegeben hat. Die eben getroffene klare Unterscheidung beider Bereiche gilt jedoch dann nicht, wenn der geistlichen Gewalt auch die weltliche verbunden ist, wie das, so hat man zu ergänzen, im Kirchenstaat der Fall ist, in dem der Papst die Spitze (apicem) beider Gewalten innehat 8. 4

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II Sent., d. 44, q. 2, a. 3, expos. text. Aut ita quod inferior potestas ex toto oriatur a superiori, et tunc tota virtus inferioris fundatur super virtutem superioris, et tunc simpliciter et in omnibus est magis obediendum quam inferiori; sicut etiam in naturalibus causa prima plus influit supra causatum causae secundae quam etiam ipsa causa secunda … et sic se habet potestas Dei ad omnem potestatem creatam. AaO. Sic etiam se habet potestas imperatoris ad potestatem proconsulis; sic etiam se habet potestas papae ad omnem spiritualem potestatem in Ecclesia: quia ab ipso papa gradus dignitatum diversi in Ecclesia et disponuntur et ordinantur; unde eius potestas est quoddam Ecclesiae fundamentum. AaO. Ad 4. Potestas spiritualis et saecularis utraque deducitur a potestate divina; et ideo intantum saecularis potestas est sub spirituali, inquantum est ei a Deo supposita, scilicet in his quae ad salutem animae pertinent; et ideo in his magis est obediendum potestati spirituali quam saeculari. In his autem quae ad bonum civile pertinent est magis obediendum potestati saeculari quam spirituali … AaO. Nisi forte potestati spirituali etiam saecularis potestas coniungatur, sicut in papa, qui utriusque potestatis apicem tenet, scilicet spiritualis et saecularis … Auf eine nähere

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In erweiterter und jetzt auch auf den Glauben der Kirche bezogenen Form führt Thomas den eben entwickelten Gedanken in der Summa contra Gentiles weiter. Zur Einheit der Kirche gehört, dass alle Christen im Glauben übereinkommen, wenn Fragen entstehen, die sie gefährden könnten. Da nun angesichts der Vielfalt von Meinungen die Möglichkeit von Spaltungen droht, muss einer sein, der die Autorität hat, ihnen entgegenzutreten und die Einheit durch sein Urteil zu sichern. Das aber schließt ein: Es muss jemand geben, der in der Kirche den Vorsitz hat, zumal Christus in allen notwendigen Dingen Vorsorge für seine Kirche getroffen hat 9. Dass dieser Garant der Einheit eine Einzelperson ist, folgt aus dem Umstand, dass die Leitung der Kirche auf die bestmögliche Art geregelt ist. Der Grund dafür liegt im Ziel eines Leitungsamts, dass sich die Untergebenen im Frieden und in der Einheit befinden. Um das zu erreichen, ist eine Einzelperson geeigneter als viele 10. Zu bedenken ist auch, dass sich die streitende Kirche von der triumphierenden ableitet und ihr ähnlich ist, weil ihr einer, Gott, vorsteht, der das Universum regiert 11. Aber, könnte man einwenden, nimmt nicht Christus diese zentrale Stellung als Haupt und Hirt der Kirche ein? Das ist gewiss richtig, aber als Argument gegen den Vorrang des Papstes ungeeignet. Christus wirkt zwar in den Sakramenten, er tauft und ist Priester, doch ist er nicht allen Gläubigen körperlich gegenwärtig. Um das zu sein, setzte er Diener ein, die die Geheimnisse verwalten, und aus demselben Grund hat er, als seine irdische Anwesenheit ein Ende nahm, einem Einzelnen den Auftrag erteilt, an seiner Stelle die Sorge für die Kirche zu übernehmen, um die „Brüder zu bestärken“ (Lk 22, 32) und „die Schafe zu weiden“ (Jo 21, 17). Schließlich hat er allein Petrus die „Schlüssel des Himmelreichs“ verheißen, um dadurch zu zeigen, dass die Schlüsselgewalt durch ihn auf andere abgeleitet werden sollte, um die Einheit der Kirche zu erhalten 12. Das heißt: Christus hat die

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Diskussion des Verhältnisses von geistlicher und weltlicher Gewalt sei verzichtet und auf die Literatur verwiesen. I.Th. Eschmann, St. Thomas Aquinas on the two Powers; Ders., St. Thomas Aquinas on Kingship IX–XXXIX. L.P. Fitzgerald, St. Thomas Aquinas and the Two Powers. J.A. Weisheipl, Thomas von Aquin 176–181. J. Miethke, Politiktheorie 25– 45. J.M. Blythe, Ideal Government and the Mixed Constitution 39–59. A. Ricklin, Machtteilung 93–109. F. Daguet, Saint Thomas. J. Finnis, Aquinas, bes. 320–331. E.-W. Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie 214–264. SCG IV 76, ed. C. Pera, vol. III, nr. 4104. AaO, nr. 4104 f. AaO, nr. 4106. Dazu s. Y. Congar, Aspects 114–145, AaO, nr. 4108. Eadem igitur ratione, quia praesentiam corporalem erat Ecclesiae subtracturus, oportuit ut alicui committeret qui loco sui universalis Ecclesiae gereret curam … (Jo 21, 17; Lk 22, 32) et ei soli promisit: Tibi dabo claves regni caelorum, ut ostenderetur potestas clavium per eum ad alios derivanda, ad conservandam Ecclesiae unitatem.

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Lehr- und Leitungsgewalt dem Erstapostel anvertraut, um sie weiter zu vermitteln. Wiederum gebraucht Thomas den Begriff des derivare, der hier wie später im strengen Sinn die Vermittlung durch Petrus und seine Nachfolger ausdrückt. Dem schließt sich – präziser als im Sentenzenkommentar – eine wichtige Ergänzung an. Obschon Christus die eben beschriebene Würde Petrus (allein) verheißen hat, soll nicht bestritten werden, dass die Gewalt auch auf andere abgeleitet wird. Das ergibt sich daraus, dass die Kirche so konstituiert wurde, dass sie die Zeiten bis zum Weltende überdauert. Daraus folgt, dass Christus die, die er „damals“ (tunc) in ihren Dienst eingesetzt hat, dazu bevollmächtigte, die ihnen übertragene Gewalt an die Nachkommenden (ad posteros) abzuleiten 13. Das will sagen: Es gibt eine von Christus direkt – ohne Vermittlung durch Petrus – übertragene Gewalt, die freilich der des Erstapostels untergeordnet ist. Der aus den Überlegungen zu ziehende Schluss ist eindeutig: Wer Petrus und seinen Nachfolgern, den römischen Bischöfen, den Gehorsam verweigert und es ablehnt, sich ihnen zu unterwerfen, macht sich eines Irrtums aus Anmaßung schuldig 14. Wir haben diese erste umfassende Äußerung des Aquinaten zum Primat deshalb so ausführlich behandelt, weil die hier vorgetragenen Argumente in dieser oder in abgewandelter Gestalt einen außerordentlichen Einfluss auf die Schule ausgeübt haben. Interessante Details zur Lehrautorität des Papstes bietet ein Quodlibet (Weihnachten 1257), in dem die Frage, ob tatsächlich alle kanonisierten Heiligen in der Schau Gottes sind, disputiert wird15. Da die Heiligsprechung mittlerweile zu den allgemein anerkannten Vorrechten des Papstes gehörte, galt es, die Möglichkeit eines Irrtums auszuschließen, um die Verehrung der Heiligen zu legitimieren. Es ist also zu untersuchen, welchen Bedingungen ein Urteil des apostolischen Stuhls in dieser Sache unterliegt. Eine erste Unterscheidung ist zu treffen: Als Privatpersonen sind die Vorsteher der Kirche in ihren Entscheiden ebenso fehlbar wie jeder andere. Berücksichtigt man jedoch die göttliche Vorsehung, die die Kirche

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AaO, nr. 4109. Non potest autem dici quod, etsi Petro hanc dignitatem dederit, tamen ad alios non derivatur. Manifestum est enim quod Christus Ecclesiam sic instituit ut esset usque ad finem saeculi duratura … Manifestum est igitur quod ita illos qui tunc erant in ministerio constituit, ut eorum potestas derivaretur ad posteros, pro utilitate Ecclesiae, usque ad finem saeculi (Mt 28, 20). AaO, nr. 4110. Quodl. IX, q. 8, ed. cit. 118f Literatur bei U. Horst, The Dominicans 73, Anm. 61. Zu Papst und Kanonisation s. A. Vauchez, La sainteté en occident 25–37. Zur Kanonisation des hl. Franz und des hl. Antonius s. R. Paciocco, „Sublimia negotia“. Für die spätere Zeit s. Th. Wetzstein, Heilige vor Gericht, bes. 203–324.

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durch den Hl. Geist leitet und sie „alle Wahrheit lehrt“ (Jo 16, 13), damit sie nicht irre, und handelt es sich um etwas Heilsnotwendiges, dann steht mit Sicherheit fest, dass das Urteil der ganzen Kirche in Glaubensdingen nicht mehr dem Irrtum unterliegt 16. Nach dieser grundsätzlichen Überlegung, der zufolge die Wahrheit in der Kirche garantiert ist, wechselt Thomas zum Papst über, der in Sachen des Glaubens die leitende Funktion innehat. So heißt es jetzt: Aus dem eben genannten Grund muss man der Sentenz des Papstes, der in Sachen des Glaubens zu entscheiden hat, „mehr“ anhängen als der Meinung irgendwelcher Theologen 17. Er handelt dann in amtlicher Eigenschaft, wie das auch der Hohepriester Kaiphas (Jo 11, 51) getan hat, der dank seiner Stellung trotz seiner bösen Gesinnung „unwissend“ prophezeit hat 18. Geht es jedoch um Dinge ohne jede Heilsbedeutung, um facta particularia, ist ein Irrtum der Kirche möglich 19. Die Kanonisation liegt nun zwischen beiden, da aber die den Heiligen zu erweisende Ehrerbietung in gewisser Weise ein Glaubensbekenntnis ist, muss man pie halten, dass die Kirche nicht einmal in diesem Grenzfall irren kann 20. Die Bedeutung des Quodlibets liegt in den Distinktionen, die es in Bezug auf den Papst und das zur Entscheidung anstehende Objekt macht. Noch nicht erörtert wird, woran man genau erkennt, dass der Papst in amtlicher Funktion spricht. Einen besonderen Rang nimmt in unserem Kontext das Opusculum Contra errores Graecorum ein, das Thomas auf Bitten Urbans IV. 1263/64 als Gutachten zu einer Sammlung griechischer Vätertexte verfasst hat, deren Unechtheit er in jenen Jahren nicht erkannte 21. Kein Zweifel, dass sie ihm damals sehr gelegen kamen, denn sie schienen deutlicher als alle überlieferten Väteraussagen ost- und westkirchlicher Herkunft den Lehr-und Rechtsprimat des römischen Stuhls zu bestätigen.

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AaO 119. Si vero consideretur divina providentia que ecclesiam suam Spiritu sancto dirigit ut non erret … de necessariis scilicet ad salutem, certum est quod iudicium ecclesie universalis errare in hiis que ad fidem pertinent, imposibile est. AaO … Unde magis est standum sentencie Pape, ad quem pertinet determinare de fide, quam in iudicio proferret, quam quorumlibet sapientum hominum in scripturis opinioni … AaO … cum Cayphas, quamvis nequam, tamen quia pontifex legatur etiam inscius prophetasse … (Jo 11, 51). Vgl. M. Schlosser, Lucerna in caligonoso loco (Reg. Kajaphas). AaO. AaO. Canonizatio vero sanctorum medium est inter hec duo; quia tamen honor quem sanctis exhibemus quedam professio fidei est, qua sanctorum gloriam credimus, pie credendum est quod nec etiam in hiis iudicium ecclesie errare possit. Zu Einzelheiten s. die Einleitung zur Edition, ed. Leon., A 5–A 65.

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Die Sätze lauten: Am Thron der römischen Bischöfe hat man zu erfragen, was wir glauben und halten müssen 22. Und: Alle Grenzen der Erde schauen auf die Kirche der Römer wie auf die Sonne; von ihr empfangen wir das Licht des katholischen und apostolischen Glaubens 23. Die aus solchen Privilegien zu ziehende Konklusion ergibt sich von selbst: Es ist heilsnotwendig, dem römischen Pontifex untertan zu sein 24. Als man im Umfeld des I. Vatikanischen Konzils den wahren Charakter der dem Opusculum zugrundeliegenden Zitatensammlung erkannte, lag der Vorwurf nahe, Thomas und seine Schule hätten das papale System und insbesondere die Infallibilitätslehre auf Fälschungen aufgebaut, so dass sich das Ganze für den kritischen Leser von allein erledigt habe 25. Dass sich Thomas und seine Gefolgsleute durch jene „Traditionszeugen“ bestätigt sahen, braucht nicht geleugnet zu werden, bestritten werden soll allerdings, dass sie die einzigen Autoritäten gewesen seien, die den Aquinaten zu seinen Thesen geführt hätten. Man denke nur an die von den Kanonisten im 13. Jahrhundert vertretene These von der Papstmonarchie mit ihrer plenitudo potestatis und den daraus sich ergebenden Folgerungen 26. Die drei Werke, die wir eingangs vorgestellt haben und vor Contra errores Graecorum liegen, enthalten im Kern die Argumente, die in den nächsten Schritten entfaltet werden. Bedacht zu werden verdient ferner der Umstand, dass Thomas die für sein Denken angeblich so maßgebenden Zitate später nicht mehr verwendet hat und zwar auch an solchen Stellen nicht, an denen er sie gut hätte gebrauchen können. Das spricht immerhin für die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, dass er sie unterdessen selbst für suspekt gehalten hat 27.

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P. II, c. 36, ed. cit. A 102 f. „Ut membra maneamus in capite nostro apostolico throno Romanorum pontificum, a quo nostrum est quaerere quid credere et quid tenere debemus“. Ed. c. A 103. „Omnes fines orbis … et ubique terrarum catholici veram fidem confitentes in ecclesiam Romanorum tamquam in solem respiciunt, et ex ipsa lumen catholicae et apostolicae fidei recipiunt“. AaO, c. 37. Ostenditur etiam quod subesse Romano pontifici sit de necessitate salutis. Den endgültigen Beweis, dass es sich um Fälschungen handelte, erbrachte F.H. Reusch, Die Fälschungen in dem Traktat des Thomas von Aquin gegen die Griechen. Zur Rolle der Texte auf dem I. Vaticanum s. C. Oeyen, Döllinger und die pseudo-kyrillischen Fälschungen. Dazu s. hier nur J.A. Watt, The Theory of Papal Monarchy; Ders., The Use, bes. 175–185 (Texte). A.M. Stickler, Alanus Anglicus als Verteidiger des monarchischen Papsttums und die Arbeiten von M. Ríos Fernández zu Huguccio. Thomas gebraucht den Terminus plenitudo potestatis schon im Sentenzenkommentar (IV, d. 7, q. 3, a. 3). Dazu s. M.B. Crowe, St. Thomas and the Greeks.

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Die den Aquinaten inspirierenden Quellen dürften andernorts zu finden sein. In der Quaestio disputata De potentia, entstanden in Paris um 1270, geht er erstmals auf die Rolle der Konzilien in der Präzisierung einer Glaubenswahrheit ein 28. Anlass ist die Frage nach dem Hervorgang des Hl. Geistes aus dem Sohn, eine Lehre, die, wie er meint, implicite im Symbolum Constantinopolitanum enthalten sei. Angesichts später aufgekommener Häresien habe man es jedoch für angebracht gehalten, die Wahrheit in einem eigenen Bekenntnis festzuhalten, zwar nicht so, als hätte man etwas hinzugefügt, sondern im Sinn einer ausdrücklichen Festlegung einer bereits einschlussweise bekannten Wahrheit 29. Diesen Gedanken verallgemeinert Thomas: So wie eine spätere Synode die Autorität hat, eine frühere zu interpretieren und Erläuterungen anzufügen, steht es in der Vollmacht des römischen Bischofs, dies ebenfalls zu tun, da er die alleinige Gewalt hat, eine Synode einzuberufen, die Beschlüsse zu bestätigen und eine Berufung zuzulassen. Bezeichnend ist die Quelle, auf die er sich hierfür beruft: Alle diese Rechte des Papstes ergeben sich aus den Akten des Konzils von Chalkedon30. Dass ein Generalkonzil zusammentritt, hält Thomas indes nicht immer für geboten, Kriege verhindern das zuweilen. In einem solchen Fall genügt es, wenn die Väter, die die Möglichkeit haben, auf einem Konzil zu erscheinen, die zur Diskussion stehende Sache entscheiden. Er denkt an die „siebte Synode“ von Konstantinopel, auf der man einen Brief des Papstes Agatho verlas und dem Inhalt zustimmte. Ähnlich verfuhr man auch in Chalkedon, wo man einem Schreiben Leos I. folgte31. Eine Mitwirkung des Papstes ist also notwendig. Weitere Einzelheiten sind noch nicht zum Problem geworden und späteren Erörterungen vorbehalten.

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Zur Datierung s. J.-P. Torrell, Initiation 293–298. De potentia, q. 10, a. 4, ad 13, ed. Quaestiones disputatae, ed. cit. 269. Zum Problem s. G. Emery, La procession du Saint-Esprit. Zur Bedeutung der altchristlichen Konzilien für die Christologie des Aquinaten s. G. Geenen, En marge du Concile de Chalcédoine; ders., Doctrinae Concilii Chalkedonensis. – Zu den von Thomas in reichem Maß zitierten Konzilstexten s. M. Morard, Thomas d’Aquin lecteur des conciles. AaO. Sicut autem posterior synodus potestatem habet interpretandi symbolum a priore synodo conditum ac ponendi aliqua ad eius explicationem, ut ex praedictis patet; ita etiam Romanus pontifex hoc sua auctoritate potest, cuius auctoritate sola synodus congregari potest, et a quo sententia synodi confirmatur et ad ipsum a synodo appellatur. Quae omnia patent ex gestis Chalcedonensis synodi. AaO … sed tamen illi qui convenerunt, quaedam dubia in fide exorta, sequentes sententiam Agathonis papae determinaverunt … Gemeint ist das sechste Konzil von Konstantinopel, das 681 das Schreiben Agathos übernommen hat. Text: D 553, 256.

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Wichtige Anmerkungen bietet der Kommentar zum Matthäusevangelium, eine Pariser Vorlesung aus dem Jahr 1269/70. Fundament der Kirche ist Christus, aber auch Petrus ist es, insofern er als dessen Vikar das Bekenntnis zum Herrn abgelegt hat. Daran haben zwar alle Apostel Anteil, das „Haus Petri“ jedoch in besonderer Weise, weil es auf einen Felsen gebaut ist und deshalb nicht zerstört werden wird 32. Diese Auszeichnung wurde auf die römische Kirche übertragen, die darum als einzige nie von einer Häresie verunstaltet worden ist 33. So gab es etwa in Konstantinopel Irrlehrer, so dass von der Mühe der Apostel nichts mehr blieb, während allein die Kirche des Petrus als Folge des Gebets Christi für ihn (Lk 22, 32) ihre Unversehrtheit bewahrt hat. Diese Fürsprache bezieht sich nun nicht nur auf die Kirche des Petrus, sondern auch auf seinen persönlichen Glauben, ja auf die ganze westliche Kirche, so dass die „Westlichen“ Petrus eine größere Verehrung schulden als den übrigen Aposteln 34. Zwischen der römischen Kirche, zu der Thomas andernorts ganz Italien rechnet und die ebenfalls an der Gebetszusage teilhat, und ihrem Vorsteher wird demnach ein Unterschied gemacht, den er aber nicht erläutert 35. Die wichtigste und folgenreichste Aussage zum päpstlichen Lehrprimat findet sich in der Summa Theologiae II–II 1, 10 – Utrum ad summum pontificem pertineat symbolum fidei ordinare –, ein Text, der in den Kommentaren zur Summa einmal der locus classicus einer sich entfaltenden Ekklesiologie werden wird 36. Dass von Zeit zu Zeit eine Neufassung des amtlichen kirchlichen Bekenntnisses erforderlich wird, folgt aus den immer wieder auftretenden Häresien. Diese editio symboli geschieht nun in concilio, auf einem Konzil, aber, so soll wohl angedeutet werden, nicht a concilio, vom Konzil allein, sondern von ihm im Einklang mit dem Papst, wie das nach Thomas in der Alten Kirche der Fall war. Der Grund ist einfach:

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Super evangelium S. Matthaei lectura, ed. cit., nr. 1384, 211. Sed specialiter Petri domus, quae est fundata super petram, non diruetur. AaO, nr. 1385, 212. Et quamvis aliae ecclesiae vituperari possint per haereticos, ecclesia tamen Romana non fuit ab haereticis depravata, quia supra petram erat fundata. AaO. Unde in Constantinopoli fuerunt haeretici, et labor apostolorum amissus erat; sola Petri ecclesia inviolata permansit … Et hoc (Lk 22, 32) non solum refertur ad ecclesiam Petri, sed ad fidem Petri et ad totam occidentalem ecclesiam. Unde credo quod occidentales maiorem reverentiam debent Petro quam aliis apostolis. In Symbolum apostolorum expositio, ed. cit., a. 9, nr. 986, 213. Et inde est quod sola ecclesia Petri (in cuius partem venit tota Italia, dum discipuli mitterentur ad praedicandum) semper fuit firma in fide: et cum in aliis partibus vel nulla fides sit, vel sit commixta multis erroribus, ecclesia tamen Petri et fide viget et ab erroribus munda est. (Vgl. Lk 22, 32). Zur Interpretation s. Y. Congar, Saint Thomas and the Infallibilty. Zur Nachgeschichte s. U. Horst, The Dominicans 43–58.

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Sache des Papstes allein ist es, ein Konzil einzuberufen, und wie man ergänzen müsste, zu bestätigen, wie es damals allgemeine Ansicht der Kanonisten war 37. Und weiter: Der ist für die Ausgabe eines Bekenntnisses zuständig, der die Autorität hat, in Glaubensdingen „abschließend“ (finaliter) zu entscheiden (determinare), so dass die dann definierte Wahrheit „mit unerschütterlichem Glauben“ (inconcussa fide) zu halten ist. Den starken Ausdruck hat Thomas bewusst im Anschluss an die Akten des Konzils von Chalkedon gewählt 38. Gedacht ist an die scholastische Disputation, bei der der Magister, nachdem das pro und contra erörtert worden war, sein magistrales Schlusswort sprach. Dass der Papst dazu autorisiert ist, wird mit einem Zitat aus dem Kirchenrecht – „alle größeren und schwierigeren Fragen sollen stets vor den apostolischen Stuhl gebracht werden“ – und dem Gebet Christi für Petrus (Lk 22, 32) begründet 39. Dieses Vorrecht muss er auch deshalb haben, weil nur so die Einheit der Kirche gewahrt werden kann, wenn einer, der ihr vorsteht, die letzte Entscheidung fällt 40. Dass diesem Artikel eine solche Nachwirkung beschieden war, hat seinen Grund darin, dass man in ihm die terminologischen und sachlichen Präzisierungen fand, die man angesichts einer komplizierten Materie brauchte. Noch kein Problem war indessen eine Rivalität zwischen Papst und Konzil. Von einer möglichen Häresie des Oberhauptes ist trotz der Existenz des c. Si papa und der Diskussionen der Kanonisten keine Rede, auch nicht von Notsituationen, in denen nur ein Konzil Abhilfe schaffen könnte. Gefragt wird auch nicht, auf welche Weise das Oberhaupt zu seinem Urteil gelangt. Ebenfalls unerörtert bleibt die für die spätere Problematik so wichtige Rolle der Kardinäle, obwohl deren Verhältnis zum Papst in der zeitgenössischen Kanonistik (Hostiensis) ausführlich behandelt wurde.

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Dazu s. H.J. Sieben, Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, bes. 255–268. II–II 1, 10 s.c. … editio symboli facta est in synodo generali … Ad illius ergo auctoritatem pertinet editio symboli ad cuius auctoritatem pertinet finaliter determinare ea quae sunt fidei, ut ab omnibus inconcussa fide teneantur. Den Ausdruck inconcussa fide verwendet Thomas bereits in De pot. 10, 4 ad 13, ed. cit. 268: praedicatio ab initio inconcussa. AaO. D 17, c. 5, (Friedberg I 52). AaO. Quae servari non posset nisi quaestio fidei de fide exorta determinetur per eum qui toti ecclesiae praeest, ut sic eius sententia a tota ecclesia firmiter teneatur. – Thomas spricht jedoch nie von einer Infallibilität des Papstes. Dazu s. P. Rodríguez, ‘Infallibilis?’

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2. Johannes von Paris Was eine neue kirchenpolitische Situation implizierte, zeigte sich in voller Schärfe erstmals anlässlich des Kampfes zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen. Die Frage, auf wessen Seite man sich stellen sollte, führte unter den französischen Dominikanern zu einem Loyalitätsdissens, aus dem als markantestes Dokument der berühmte Traktat De potestate regia et papali 1302/03 des Johannes von Paris (Quidort) hervorging 41. Er ist ein Zeichen, dass es auch im Orden verborgene Strömungen gab, die von der Mehrheitsmeinung abwichen. Die Abhandlung enthält Thesen, die ihre Brisanz erst im Lauf der Zeit entfalten sollten. Da sie 1506 in Paris im Umfeld der dortigen Dominikaner oder gar auf deren Veranlassung im Druck erschien, wird auch Cajetan von ihr Kenntnis gehabt haben 42. Das eigentliche Thema des Traktats, das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Autorität, erörtern wir hier nicht, da es in den uns vornehmlich interessierenden Kontroversen keine wesentliche Rolle spielt, wohl aber sei auf einige typische Thesen eingegangen, die für Quidorts ekklesiologische Position bezeichnend sind. Auf sie verweisen seine Überlegungen, die er zum Amtsverzicht eines Papstes anstellt, dessen Möglichkeit und Erlaubtheit durch die Abdankung Cölestins V. gegeben waren, die er allerdings nicht erwähnt43. Die daraus abgeleiteten Konklusionen lassen Absichten erkennen, die andere Autoren mit diesem Schritt nicht verbinden. Quidort möchte mit Beispielen, Autoritäten und Argumenten zeigen, dass sich aus der freiwilligen Resignation ergibt, ein Papst könne auch gegen seinen Willen abgesetzt werden44. Für die Tatsache, dass Päpste zurückgetreten sind, beruft sich Quidort auf Zeugnisse der Geschichte und das Kirchenrecht, besonders auf Huguccio45. Auch die Vernunft spricht für die Erlaubtheit: Zum Papst 41 42

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Zur Reaktion der französischen Dominikaner s. A. Dondaine, Documents. Vgl. SOPMA II 517–524. Über königliche und päpstliche Gewalt (De regia potestate et papali), ed. cit. Vgl. J. Leclercq, Jean de Paris 10–25 u. 129–131. Der erste Druck, der den Traktat enthielt, erfolgte auf Veranlassung der Pariser Dominikaner. Vgl. O. Scholz, Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen 253f, Anm. 3. Zum Traktat 275–333. J. Miethke, Polititktheorie im Mittelalter 116–126 (dort auch weitere Literatur). H.G. Walther, Imperiales Königtum 135–154. Dazu s. P. Herde, Cölestin V. (1294), bes. 127–142. S. insbesondere die gründliche Studie von M. Bertram, Die Abdankung Cölestins V. (1294) und die Kanonisten. Zwei wichtige zeitgenössische Abhandlungen sind: Aegidius Romanus, De renunciatione papae, ed. J.R. Eastman 1–28 (Einleitung), 139–362 (Edition). Petri Iohannis Olivi De renuntiatione papae, ed. L. Oliger. Ed. cit., c. XXIV, 199. Nunc vero ostendendum est multipliciter, exemplis scilicet, auctoritatibus et rationibus, quod papa possit renuntiare et etiam invitus deponi. AaO 200. Vgl. M. Bertram, Die Abdankung 14–22.

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wird jemand nur gewählt, um dem Gemeinwohl zu dienen. Vorsteher ist man zum Nutzen der Untergebenen46. Erweist sich nachher, dass der Inhaber unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen oder tritt ein Hindernis ein – etwa eine Geisteskrankheit –, muss er das Volk oder an dessen Stelle das Kardinalskollegium ersuchen, ihn von seinem Amt zu entbinden. Sollte ihm das nicht gewährt werden, so ist er gleichwohl gehalten zurückzutreten, denn eine freiwillig eingegangene Verpflichtung darf seinen Obliegenheiten nicht zum Schaden gereichen47. Aus solchen Überlegungen ergibt sich eine weitere Konsequenz. Sollte das Verhalten eines Papstes zu Unfrieden in der Kirche führen oder Spaltungen provozieren, ist er, falls er nach entsprechender Ermahnung in seinem Treiben fortfährt, zum Rücktritt zu zwingen 48. Es wäre nämlich, so begründet Quidort seine These, wenig vernünftig, einerseits zu sagen, ein Papst dürfe auch gegen den Willen des Volkes resignieren, und andererseits zu behaupten, er könne nicht abgesetzt werden, obschon das Volk dies wolle, da er das Amt nicht für seine Person hat, sondern für das Wohl aller. Wenn es um das Schicksal der Kirche geht, ist der Konsens der Kirche in Hinsicht auf eine Absetzung wirksamer als der private Entschluss des Papstes zur Resignation, dem das Volk nicht zustimmt 49. Nach Quidort sollte man freilich bedenken, dass man bei einer durch das Volk erzwungenen Deposition mit größerer Sorgfalt vorzugehen hat als bei einem Verzicht aus freien Stücken, denn in diesem Fall genügt eine Darstellung der Gründe vor dem Kardinalskollegium, das die Stelle der Kirche vertritt. Bei einer Absetzung hingegen ist es angebracht, ein Generalkonzil als höchste Instanz einzuberufen. Er selbst hält es allerdings „schlechthin“ für ausreichend, dass die Kardinäle die Amtsenthebung aussprechen, da der Papst durch ihre Stimme „gemacht“ wird50. Die Legitimität einer Absetzung resultiert ferner aus einer erweiterten Interpretation des c. Si papa, der sie für geboten erklärt, wenn ein Papst Irrlehrer geworden ist. Nach Quidort ist dieser Tatbestand auch bei schwerem Ärgernis und bei

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AaO. Ad hoc enim praeest ut prosit. AaO 200f. AaO 201. AaO. Non est rationabile dicere quod papa posset cedere et renuntiare invito populo et reclamante … et quod ipse invitus etiam de consensu populi in tali casu non posset deponi et ad cedendum compelli, quia cum ipse papa … praesit non propter se, sed propter populum, ut scilicet prosit, efficacior est consensus populi ad deponendum eum etiam invitum, si totaliter inutilis videatur, et ad eligendum alium, quam e converso voluntas ad renuntiandum populo nolente. – Zur Rolle des Volkes s. Th.J. Renna, The Populus in John of Paris’ Theory of Monarchy. A. Podlech, Die Herrschaftstheorie. AaO 201f.

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Sünde, verbunden mit der Weigerung sich zu bessern, gegeben, da moralische Verwerflichkeit und Hartnäckigkeit einer Häresie gleichkommen51. Begründet wird diese Möglichkeit so: Der papatus stellt in seinem Inhaber zwar die höchste geschaffene „Kraft“ (virtus) dar, aber diese muss so verstanden werden, dass sie in einem Kollegium oder in der Gesamtkirche auf gleiche oder größere Weise ruht. Die Zustimmung Gottes ist in einem solchen Fall vorauszusetzen. Das heißt: Die Gewaltenfülle des Oberhaupts ist in ein umfassenderes Ganzes so eingebettet, dass dieses von einem Kollegium oder „eher“ von einem Konzil abgesetzt werden kann52. In einem anderen Kontext werden wir diesem Gedanken wiederbegegnen. Nicht minder bedeutsam ist Quidorts Ansicht, dass der Papst in Glaubensdingen nichts ohne das Konzil entscheiden kann. Zwar liegt es außerhalb der Kompetenz einer Synode, dem Papst Gesetze aufzuerlegen, doch gilt dies nicht in Hinsicht auf den Glauben. Die Begründung wird mit einer bekannten Formel gegeben: Der Erdkreis ist größer als die Stadt Rom und der Papst hat mit einem Konzil höhere Autorität als der Papst allein53. Ihre eigentliche Wirkung sollten die Thesen des Johannes von Paris, die ihren nächsten Anlass in einem tagespolitischen Konflikt hatten, erst später entfalten, wie die handschriftliche Verbreitung des Traktats im 14. und vor allem im 15. Jahrhundert bezeugt 54. Wir werden ihnen in gallikanischen Kreisen wiederbegegnen. Kein Zweifel: Quidort ist den großen Wegbereitern konziliaristischer Ideen zuzurechnen.

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AaO 206 … si deprehendatur in quolibet alio vitio et admonitus non corrigeretur et ecclesiam scandalizaret et incorrigibilis esset, inde posset accusari et deponi, quia talis contumacia haeresi aequipollet. – S. die vorsichtige Differenzierung bei Augustinus Triumphus, der eine Absetzung erst dann für geboten hält, wenn der Papst unmoralisches Handeln „lobt und für erlaubt erklärt“. Vgl. M. Wilks, The Papal Monarchy 500. Zum scandalum und seinen Folgen s. L. Buisson, Potestas und caritas 125–165. AaO 207. Quod vero dicitur in principali argumento quod papatus est summa virtus creata et sic non potest auferri etc., respondeo: Licet sit summa virtus in persona, tamen est ei aequalis vel maior in collegio sive in tota ecclesia. Vel potest dici quod potest deponi a collegio vel magis a generali concilio auctoritate divina, cuius consensus supponitur et praesumitur ad deponendum ubi manifeste apparet scandalum et incorrigibilitas praesidentis. C. XX, ed. cit. 185. Nam licet concilium non possit papae legem imponere, Extra, De electione „Significasti“, et XXV, q. VI, „veniam“, tamen non intellegitur in his quae fidei sunt, eo quod orbis maior est Urbe et papa cum concilio maior est papa solo, XCIII D. „legimus“ (Friedberg I 328). SOPMA II 522.

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3. Hervaeus Natalis In eine ganz andere Richtung weisen Dominikanertheologen, die im Armutsstreit unter Johannes XXII. ebenfalls vor einer neuen Situation standen, die sie zwang, die Probleme der päpstlichen Lehrautorität und deren Voraussetzungen zu thematisieren. Einen ersten für unsere Fragestellung wichtigen Text verdanken wir Hervaeus Natalis. Sein Traktat De potestate papae (1317/18) enthält eine bemerkenswerte These, die unsere Aufmerksamkeit verdient, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie noch auf dem I. Vaticanum für heftige Diskussionen sorgte55. Auch dieses Werk wurde im Umkreis des Basler Konzils mehrfach abgeschrieben. Welchen Bedingungen, wird gefragt, unterliegt ein päpstliches Urteil, das einen Anspruch auf Verbindlichkeit erhebt? Ist es überhaupt angesichts unserer Schwäche möglich? Hervaeus Natalis konzediert, dass der Papst, handelt er aus eigenem Antrieb und als Privatperson, wie alle Menschen irren kann. Anders verhält es sich hingegen, wenn er sich vor einem solchen Schritt (durch ein Konzil?) beraten lässt und den Beistand der Gesamtkirche sucht, denn unter dieser Voraussetzung erfreut er sich der Verheißung Christi (Luk 22, 32), der kraft seines Gebets jedes Schwanken im Glauben zu verhindern weiß. Auch wird die Kirche seinen Irrtum nicht übernehmen oder es wird ihm in einem solchen Fall die Autorität entzogen, weil seinem Entscheid das geeignete Objekt fehlt. Dass es tatsächlich so ist, belegt Hervaeus Natalis mit einem historischen Beispiel. Hilarius sei gegen Papst Leo auf ein Generalkonzil gegangen, um mit dessen Autorität einem drohenden Fehlentscheid zu begegnen. Das heißt: Ein sachgerechtes Urteil des Papstes in Glaubensdingen ist nur unter der Voraussetzung bindend, dass er zuvor Rat und Hilfe der Kirche oder eines Konzils gesucht hat. Sollte er das nicht tun, handelt er lediglich als Privatperson56. 55 56

SOPMA II 231–244, bes. 241f Ag. de Guimarâes, Hervé Noël. U. Betti, L’autorità. De potestate papae 365b. Apud autem potentem errare non debet esse auctoritas contra quam non liceat opinari. Dum quod licet papa sit singularis persona et proprio motu agens possit errare, sicut dicitur de illo Leone, contra quem ivit Hilarius pictaviensis ad concilium generale; tamen papa utens concilio requirens adiutorium universalis ecclesiae Deo ordinante, qui dicit Petro „ego rogavi pro te, ut non deficiat fides tua“ (Lc 22, 32), non potest errare nec potest esse quod universalis ecclesia tanquam verum accipiat aliquid erroneum, nec tamen, si papa ut singularis persona sententiat, erroneum teneat, vel sequitur quod auctoritas eius obliget ad illam sententiam, nec etiam quod auctoritas illa sibi erranti subtrahatur, scilicet quod auctoritas sua non habet locum obligandi in tali casu, sed quod deest obiectum aptum natum autenticari: sicut non sequitur quod careat visu ille, qui non videt saporem, qui non est obiectum visus. – Zum Beispiel s. H. Fuhrmann, Die Fabel von Papst Leo. Zu den Diskussionen des Textes auf dem I. Vaticanum s. U. Betti, L’autorità.

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4. Johannes von Neapel Johannes von Neapel († ca. 1350) verdanken wir Überlegungen, ob und unter welchen Umständen eine Heiligsprechung amtlichen Charakter hat. Auf Offenbarung kann sich eine Kanonisation nicht berufen, sondern nur auf facta particularia, auf Zeugenaussagen fehlbarer Natur. Eine Zustimmung im Glauben kann man deshalb nicht fordern. Papst und Kardinäle unterliegen in dieser Hinsicht einem möglichen Irrtum. Dasselbe gilt auch in Bezug auf Glauben und Sitten, wofern sie als Privatpersonen entscheiden. Stehen sie hingegen unter göttlicher Vorsehung und handeln sie in amtlicher Funktion, so hat ihr Urteil eine die Gläubigen bindende Kraft und die Annahme des Gegenteils wäre Häresie 57. An dieser Formulierung ist zu beachten, dass das Freisein von Irrtum bei einer Kanonisation zwar formell im Papst liegt, doch haben auch die Kardinäle als Ratgeber an dem offiziellen Akt ihren Anteil und müssen darum hinzugezogen werden.

5. Petrus de Palude In präziser und dezidierter Form äußert sich auch Petrus de Palude zur Konsultationspflicht des Papstes. Anlass ist die Frage, welchen Charakter die Bulle Exiit (1279) Nikolaus III. mit ihrer Stellungnahme zum Armutsideal des Minoritenordens hat 58. Ist sie ein strikt verpflichtendes Lehrdokument mit immerwährender Gültigkeit oder unterliegt sie der Möglichkeit einer Revision oder gar einer Revokation? Auf die Hintergründe der Diskussionen unter Johannes XXII. braucht hier nicht eingegangen zu werden, da sie als bekannt vorausgesetzt werden dürfen 59. Uns kommt es auf einige Aspekte an, die deutlich machen möchten, worin Petrus de Palude die Bedingungen sieht, die ein Papst bei einem definitiven Urteil

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Quodl. II … in talibus (in rebus fidei et morum) dicendum est, quod licet absolute, pensatis solis personis Papae et Cardinalium, Papa cum ipsis errare possit, supposita tamen divina providentia, credendum est Papam errare non posse, quia Christus oravit pro Ecclesia sua (Lc 22, 32 … et dicere quod in huiusmodi Papa errare possit, esset haereticum. Zitiert nach M. Schenk, Die Unfehlbarkeit des Papstes 15. Vgl. Thomas v. A., Quodlibet IX, 16, ed. cit. 119. Dazu s. U. Horst, The Dominicans 14f. Sext. Decr., l. V, tit. XII, c. III (Friedberg II 1109–1121). Vgl. F. Elizondo, Bulla „Exiit qui seminat“. Zu Guido Terreni und den Dominikanertheologen in dieser Auseinandersetzung s. U. Horst, Evangelische Armut und päpstliches Lehramt 109–153 (dort weitere Literatur). J. Miethke, Ockhams Weg 348–427. Ferner: E. L. Wittneben, Bonagratia von Bergamo. P. Nold, Pope John XXII mit neuerer Literatur.

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zu beachten hat. So heißt es im Traktat De paupertate Christi et apostolorum, dass das Oberhaupt wie jeder Mensch (homo purus) irren kann. Weil das so ist, pflegt der Papst Gesetze und wichtige Angelegenheiten (negotia ardua) nicht „ohne den Rat der Brüder“ – gemeint sind die Kardinäle – zu erlassen oder zu entscheiden. Und weiter mit einer vielsagenden Wortwahl: Was er ohne die Hilfe jenes Gremiums „erschlichen“ hat, darf nicht als Definition der Kirche gelten60. Was Petrus de Palude zum Ausdruck bringen möchte, ergibt sich aus der damaligen Situation. So wurde die Bulle Exiit „ohne den Rat der Brüder“ erlassen. Dass sich ein entsprechender Verdacht regt, folgt aus dem Umstand, dass Nikolaus III. alle mit einer Exkommunikation belegte, die, wie das in der Schule üblich ist, über das Dokument diskutieren wollten und sich mit einer bloß grammatikalischen Interpretation nicht begnügten. Mit einem amtlichen Dokument des römischen Stuhls haben wir es demnach nicht zu tun 61. Petrus de Palude sagt auch, was er unter der ecclesia romana als regula et magistra versteht. Die römische Kirche wird nicht vom Papst allein konstituiert, da dieser – wie Petrus – „für eine gewisse Zeit“ vom Glauben abweichen kann. Sie umfasst vielmehr den Papst, die Kardinäle und die Prälaten, die zusammen das Privileg haben, in der Wahrheit des rechten Glaubens zu bleiben62. Und ferner: Irrt der Papst, so hat das Konzil das letzte Wort63. Häresien von Inhabern des höchsten Amtes sind, wie die Geschichte

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Vgl. SOPMA III 243–249. J. Dunbabin, A Hound of God. – Die folgenden Texte zitiert nach U. Horst, Evangelische Armut 137, Anm. 352 (s. ebda. 132, Anm. 336). Omnis homo purus per se errare potest. Ideo summus pontifex non consuevit iura condere nec ardua negotia sine fratrum consilio definire; ideoque illa, que ex surreptione sine fratrum consilio fecit, non debent Romane ecclesie reputari. AaO, 137, Anm. 353. Et ita fuit de decretali Exiit, que non de fratrum consilio legitur esse facta, et quia in ea sub excommunicationis pena interdicitur, ne quis de illa disputet aut discutiat aut eam glosset nec nisi grammaticaliter exponat contra morem iurium et etiam divinarum scripturarum, quod non magna suspicione carebat, ideo non est hoc diffinicioni sancte Romane ecclesie contrarium, si nulla est in melius reformata et correcta et cercius et verius declarata. AaO 143, Anm. 368. Die Verheißung Christi (Lc 22, 32) … non dicitur de eo pro persona sua, que erravit, quando postea ter Christum negavit … sed hoc dictum est pro universali ecclesia generaliter … Item hoc etiam verificatur de ecclesia Romana, que disponente deo omnium ecclesiarum caput est, regula et magistra, non quando successor Petri in sede Romana possit ad horam errare sicut Petrus, sed Romana ecclesia cum capite et membris cardinalibus et prelatis creditur non errare. Ferner aaO 144, Anm. 371: Ita nunquam visum est, quod in hiis, que sunt fidei, papa cum cardinalibus et prelatis determinavit contraria, ad quod sequeretur Romanam ecclesiam aliquando errare … AaO 143, Anm. 369. Nichilominus tamen, si summus pontifex errat, non est cuiuslibet eum corrigere nec ei errorem imponere, sed tantum concilii generalis …

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lehrt, möglich. Sie haben dann als Individuen und nicht als römische Kirche geurteilt64. Soweit wir sehen, hat sich vor Petrus de Palude kein Theologe aus dem päpstlichen Lager mit vergleichbarer Entschiedenheit zu den Bedingungen einer päpstlichen Definition verpflichtenden Charakters geäußert. Er hat Probleme und Versuche einer Lösung formuliert, die in seiner Schule in dieser oder jener Gestalt nachwirken sollten. Dass sich weitere Konflikte andeuten, zeigt der Verweis auf eine letzte Instanz, auf das Konzil, dessen Problematik freilich noch nicht weiter erörtert wird. Auch in seinem Tractatus de potestate papae (1317) äußert Petrus de Palude Ansichten, die für unser Thema von Belang sind und noch lange Gegenstand heftiger Kontroversen blieben65. Einige Hinweise – vor allem im Blick auf anschließend zu würdigende Autoren – mögen genügen. Anders als sonst bei Theologen seiner Schule üblich vertritt er die These, dass die Apostel ihre ganze Jurisdiktion von Christus direkt empfangen haben, da ihnen insgesamt der Auftrag des Herrn (Mt 18, 18) zuteil geworden ist. Der Papst hat seine Gewalt in seiner Eigenschaft als Nachfolger Petri, die Bischöfe jedoch als Nachfolger der Apostel, also nicht kraft einer Verleihung durch Petrus 66. Noch erstaunlicher: Dasselbe gilt für einfache Priester und Kuraten, die ihre Jurisdiktion ebenfalls von Christus haben, insofern sie den 72 Jüngern nachfolgen, die von ihm zur Predigt ausgesandt wurden. Sie leitet sich demnach, wie eigens unterstrichen wird, weder von Petrus noch von den Aposteln ab 67. Das heißt: Es gab

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AaO 144, Anm. 372. Set bene visus est unus papa in fide errasse ut Leo papa vel ydolotrasse ut Marcellinus papa aut heresi subscribisse sicut Liberius papa, sed non propter hoc ecclesia Romana erravit nec ydolotravit. Dazu s. auch B. Tierney, Origins of Papal Infallibility 149–153. Th. Turley, Infallibilists. Dass Petrus de Palude kein Infallibilist ist, dürfte aus den von uns zitierten Texten hervorgehen. Ediert von P.T. Stella, Tractatus de potestate papae. J. Dunbabin, A Hound of God 70–91. J. Miethke, Politiktheorie 139–148. Q. II, a. III, ed. cit. 180. Unde, cum omnes Apostoli receperunt omnem suam potestatem immediate a Christo, non solum potestatem ordinis per hoc quod dixit eius simul Hoc facite in meam commemorationem, quantum ad potestatem conficiendi, et Quorum remiseritis peccata, quoad potestatem absolvendi, sed etiam potestatem iurisdictionis in foro exteriori quando dixit, Mt. 18, Quecumque alligaveritis super terram, etc., qua ratione papa habet potestatem immediate a Christo, quia solus est successor Petri, eadem ratione alii episcopi, qui succedunt allis Apostolis. AaO. Idem, etiam, patet de simplicibus sacerdotibus et curatis, scilicet quod eorum potestas etiam iurisdictionis, sit immediate a Christo, quia et ipsi succedunt septuaginta duobus Discipulis sicut episcopi Apostolis, d. 21, c. In novo. Ipsi, autem, discipuli a

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und gibt seit den Anfängen eine vom Papst nicht vermittelte, nur von Christus ausgehende Rechtsgewalt in der Kirche, die sich so in die Zeit fortsetzt. Dass diese Meinung von anderen als nicht akzeptabel empfunden und sogleich korrigiert wurde, werden wir sehen. Der römischen Kirche oblag allerdings die Aufgabe, die Ortskirchen zu konstituieren. Dies jedoch nicht so, als verliehe sie ihnen die Rechtsgewalt, sondern indem sie ihnen ein fest umgrenztes Territorium zuwies. Heute ist dies Sache des Papstes68. Muss diese Sicht der Dinge, die nur mit von Christus und nicht von Petrus abgeleiteten Gewalten rechnet, nicht die päpstliche plenitudo potestatis mindern und eingrenzen? Der Einwand ist Petrus de Palude naturgemäß aus einer schon seit langem intensiv geführten Diskussion bekannt. Wie wird er antworten? Wird er einen Konflikt mit der Schule seines Ordens auf sich nehmen? Seine Lösung besteht darin, dass sich der Papst einer Gewalt erfreut, die er nicht von der Kirche hat, weil diese nicht geben kann, was sie selbst nicht besitzt. Tatsächlich, meint er, überschreite die Jurisdiktion Petri die der übrigen Kirchen, indem diese nur als Teilgewalt existiert, während allein im Oberhaupt die plenitudo potestatis ruht. Der Beweis, dass es sich so verhält, ist die Tatsache, dass das Konzil, auf dem sich die Gesamtkirche versammelt, aus sich keine Autorität hat, denn Vollmacht hat es nur vom Papst 69. Gefragt wird ferner, wer Inhaber des Vorrangs in der Kirche ist. Dass dieses Privileg nur dem römischen Bischof zukommt, ergibt sich aus dem Umstand, dass Petrus nach seinem Weggang aus Antiochien den Sitz des papatus nach Rom verlegte, so dass der, der zum Bischof dieser Stadt gewählt wird, stets Papst ist. Ursprünglich stand die Wahl nach allgemeinem Recht den Patriarchen als Repräsentanten der Gesamtkirche und dem römischen Klerus ratione appropriationis zu, da es aber im Lauf der Zeit schwierig wurde, die Patriarchen einzuberufen, hat der Papst die Kardinäle eingesetzt, die zusammen mit den römischen Kanonikern den Nachfolger wählen. Der Kardinalat ist also – anders als in späteren Theorien –

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Christo fuerunt immediate designati et missi ad predicandum; nec aliquis Apostolorum, nec Petrus, dedit eis potestatem de evangelio vivendi. AaO 181. Ad primum dicendum quod ecclesia romana ceteras ecclesias et dignitates instituit, non quantum ad potestatis collationem, sed quantum ad ipsarum distinctionem et ipsarum certam situationem … AaO 183. Potestas, que excedit potestatem ecclesie, non est ab ecclesia, quia nemo dat alteri quod non habet. Sed potestas pape solius excedit potestatem totius residue ecclesie, quia in omnibus aliis ecclesiis a romana ecclesia est pars potestatis, in sola romana, id est in solo papa, est plenitudo potestatis … Sed papa dat auctoritatem et robur omnibus conciliis generalibus.

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eine menschliche Institution aus praktischen Gründen70. Darin ist ferner eingeschlossen, dass die Kirche ohne den Papst weder den Sitz des papatus verlegen noch den Kardinälen das Wahlrecht entziehen kann71. Auch der Papst hat nicht die Vollmacht, proprio capite einem an Petrus ergangenen göttlichen Befehl zuwiderzuhandeln und eine Transferierung an einen anderen Ort zu veranlassen72. Gleichwohl bleibt auch nach Petrus de Palude die Sache letztlich offen, so dass sich der Papst in einer bedrängten Situation – etwa bei einer Rebellion der Römer – für eine neue Residenz entscheiden darf – und zwar nicht nur für eine gewisse Zeit, sondern für immer, so wie das Kaiser Konstantin getan hat, als er in Konstantinopel seine Hauptstadt errichtete73. Zu den wichtigsten Aufgaben eines Papstes gehört die Sorge für die Unversehrtheit des Glaubens. Um sie zu sichern, hat Christus Petrus „im Glauben gefestigt“, so dass er die Funktion einer regula ausübt. Das dem Erstapostel gewährte Privileg hat Gott dem Sitz Petri, der römischen Kirche, anvertraut, damit sie nicht „vom Glauben abweiche“ und in Zweifelsfällen ein Rekurs an sie offenstehe74. Der Wechsel von der Person Petri zum römischen Stuhl als letzter Instanz soll wohl andeuten, dass der römische Sitz „mehr“ umfasst als den individuellen Amtsinhaber, doch fehlen auch hier jene den Rat der Kardinäle betreffenden Präzisierungen nicht, die wir aus dem Tractatus de paupertate Christi et apostolorum kennen75. Ist der Papst Häretiker geworden, gilt die im c. Si papa überlieferte Doktrin: Er ist eo ipso von der Kirche „abgeschnitten“. Seine Absetzung erfolgt allerdings „eher“

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AaO 187. Unde qui in sede romana legitime constituitur, successor Petri efficitur, et per consequens plenus et perfectus vicarius Christi … Sed postquam Rome resedit, de iure communi, et ad patriarchas ratione universalis ecclesie, et ad clerum romanum ratione appropriationis, spectabat electio. Sed quia difficile erat patriarchas convocare nec erat tutum canonicis simplicibus tantum negotium committere, papa loco patriarcharum et canonicorum romanorum cardinales instituit, qui papam eligerent, ita tamen quod due partes consentirent … Zum Titel des Papstes als vicarius Christ s. M. Maccarone, Vicarius Christi, bes. 109–154. AaO 187f. AaO 189. Unde, non ex Petri, sed ex Christi electione est etiam sedes Petri; quare non potest etiam a Petro mutari. AaO 189f Zur zeitgenössischen Kontroverse s. J Miethke, Politiktheorie 143f. AaO 191. Hoc, autem, privilegium dedit Deus sedi Petri, id est romane, quod scilicet non exorbitet a fide … Propter hoc in ipsis que sunt fidei debet semper ad ecclesiam romanam recursus haberi. Von der Mitwirkung der Kardinäle spricht Petrus de Palude später: Q II, a., III, 239f. Quod, autem, papa dicit animo legis condende, et de consilio cardinalium ordinat et declarat, omnino pro lege firma tenendum est; non, autem, quod ut singularis persona, per se et motu proprio dicit aut scribit, quoniam hoc princeps vult …

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de facto als de iure, um dem Einwand zu entgehen, die Kirche habe aus sich eine Depositionsgewalt. Er hört einfach auf, Papst zu sein. Sünden anderer Art haben eine solche Wirkung nicht, sie machen aus dem Papst lediglich ein „kraftloses Haupt“ 76. Gleichwohl gibt es auch in Bezug auf sein Handeln Grenzen. Was geschieht, wenn der Papst sittlich so verkommen ist, dass dadurch die Kirche zerstört wird? Petrus de Palude erwähnt eine Reihe von Beispielen. Wollte der Papst den Kirchenschatz seinen Verwandten geben oder St. Peter zerstören, um daraus einen Palast für sie zu machen oder ihnen den Kirchenstaat schenken, muss man ihm Widerstand leisten. Eine weitere Möglichkeit, solchem Treiben Einhalt zu gebieten, ist das Gebet der Christenheit, das Gott erhören wird. Als letzter Ausweg bleibt ein von den Kardinälen einzuberufendes Konzil, um ihn seines Amtes zu entheben 77. Vollmachten und Grenzen eines Konzils sind jedoch noch kein Gegenstand weiterer Überlegungen. Petrus de Palude rechnet ebenfalls mit der Möglichkeit einer päpstlichen Selbstdeposition, eines Amtsverzichts, der aber bezeichnenderweise der Zustimmung der Kardinäle bedarf, da sich das Oberhaupt, als es die Wahl annahm, an die Kirche gebunden hat, so dass die Lösung des Verhältnisses nicht einseitig geschehen kann78.

6. Guillelmus Petri de Godino Wir haben Einzelheiten des Tractatus auch deshalb relativ ausführlich gewürdigt, weil sie schon bald zu Diskussionen Anlass gaben. Das geschah schon ein Jahr später in einem Werk des Dominikanerkardinals Guillelmus Petri de Godino, das bezeichnenderweise den Titel trägt Tractatus de causa immediata ecclesiasticae potestatis, der den Tractatus des Petrus de Palude, wie erwiesen zu sein scheint, weithin kopiert, aber zentrale Thesen korrigiert hat 79. Dem Titel De causa imme76

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AaO 195. Et nunc magis deponitur de facto, quam de iure … unde papa per hoc desinit esse caput illius corporis, quod ab illo prescinditur per heresim. Per alia autem peccata est caput languidum, quia propter hoc non desinit esse caput. AaO 196. Et esset contra eum concilium convocandum per cardinales, si ipse nollet se corrigere, ut per illud amoveretur … AaO 200. Sed potest seipsum deponere, id est potest papatui cedere et cedendo desinere esse papa, si cardinales acceptant, aliter non … Sed quia semel se obligavit ecclesie, ex illa parte renuntiare non potest, nisi de assensu cardinalium, qui representant vicem ecclesie. Zur Diskussion um das Verhältnis der beiden Traktate zueinander s. P.T. Stella, A proposito della attribuzione. S. ferner die Einleitung in die Edition von WM. D. McCready, The Theory of Papal Monarchy 7–33. Datierung auf 1318 (34f). J. Miethke, Politiktheorie 146–148 hält es auch für denkbar, dass Petrus de Palude selbst diese Korrektur vorgenommen hat.

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diata entsprechend veränderte der Verfasser die Ansicht seiner Vorlage, die Apostel hätten ihre Jurisdiktion unmittelbar von Christus dahingehend, dass sich diese vielmehr vom Erstapostel herleitet. Wäre es nicht so, erfreute sich Petrus nicht der plenitudo potestatis 80. Dasselbe gilt für die 72 Jünger, denen nicht Christus, sondern Petrus die Pfarrbezirke zugewiesen hat 81. Auch in Bezug auf die Möglichkeit einer Transferierung des Primats an einen anderen Ort verschärft der Traktat De causa die Position der Vorlage. Sie wird schließlich konzediert, falls ein vernünftiger Grund beigebracht wird, aber das Urteil, ob er hinreichend ist oder nicht, steht nicht im Ermessen des Papstes; erforderlich ist vielmehr die Zustimmung eines eigens zu diesem Zweck einzuberufenden Konzils und eine von ihm erflehte göttliche Offenbarung 82. Weitere Präzisierungen über Bedingungen, denen diese Synode unterliegt, werden bemerkenswerterweise auch hier nicht geboten. Das Konzil und sein Verhältnis zum Papst, so lässt sich aus den Überlegungen der beiden Traktate folgern, ist noch keine problematische Größe. Sicher ist indes für unseren Autor, dass die Residenz der Päpste in Avignon nicht von Dauer sein kann.

7. Antonin von Florenz Mit der Summa Theologiae Antonins von Florenz, entstanden zwischen 1440 – 1454, betreten wir einen für unser Thema besonders wichtigen Zeitraum83. In den Jahren 1430–1437 war er im Konvent Santa Maria sopra Minerva in Rom, in dessen Sakristei 1431 Papst Eugen IV. gewählt wurde. Er war also von fern Zeuge des Basler Konzils und wird die die Christenheit und den eigenen Orden bewegenden Ereignisse aufmerksam verfolgt haben, wie einschlägige Passagen seiner Summa zu 80

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Art. 2, ed. cit. 147f. Octava conclusio est de potestate iurisdictionis: quod eam alii apostoli a Christo non habuerunt immediate, sed quamcumque habuerunt a Petro habuerunt … si alii apostoli habuissent plenitudinem potestatis, Petrus non fuisset maior eis … (149). Art. 3, Tertia conclusio, ed. cit. 180 … quod scilicet ipsi a Christo immediate non habuerunt aliquam potestatem in aliquo foro … S. auch art. 6, ed. cit. 262. Unde status curatorum prout distinguitur a statu episcoporum et pape, non fuit a Christo institutus, qui nullas parochias sub episcopis distinxit, nec ipsi curati sunt a Christo instituti in suis parochiis, sed solus Petrus … Art. 4, Secunda conclusio, ed. cit. 204. Sine assensu generalis concilii super hoc specialiter convocati, et Dei revelationem super hoc invocantis, non esset talis translatio facienda. SOPMA I 80–100. Art.: Antonin (Pierozzi) v. Florenz (J. Helmrath). Art.: Antonino Pierozzi, in: DIB 3, 524 –532 (A. D’Addario). P. Howard, „Non parvum laborat formica …“. U. Horst, Papst, Bischöfe und Konzil.

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erkennen geben. Auch hier soll nur auf einige Aspekte seiner ekklesiologischen Aussagen hingewiesen werden. Ein bekanntes Argument steht am Anfang. Um die Einheit der Kirche zu erhalten, hat Christus die Rechtsgewalt Petrus allein verliehen mit der Folge, dass alle hierarchischen Akte in ihm ihren Ursprung haben, wie sich an einem Beispiel veranschaulichen lässt, in der Anordnung nämlich, dass die Apostel nur im Auftrag Petri taufen durften. Dasselbe gilt für den Predigtauftrag nach Pfingsten84. Zwar wurden alle Apostel Bischöfe, aber doch so, dass Christus zuerst Petrus mit dieser Würde betraute, während es alle anderen durch ihn wurden, so dass sich über ihn auch die Jurisdiktion in die Kirche verlängerte 85. Dass es eine Zentralgewalt geben muss, von der alle übrigen Ämter abhängen, ergibt sich ferner aus der Notwendigkeit, in Glaubensdingen definitive Urteile zu fällen. Die diesbezüglichen Gründe mit einer intensiven Nachgeschichte hat Thomas v. Aquin an zwei klassischen Stellen – Summa Theologiae II–II 1, 10 und Contra Gentes IV 76 – vorgetragen, denen sich auch Antonin anschließt. Einheit im Glauben, so schreibt er, lasse sich nur unter der Voraussetzung garantieren, dass es bei Meinungsverschiedenheiten eine Rekursmöglichkeit an eine letzte Instanz gebe, deren Urteile absolute Autorität beanspruchten 86. Unser Autor bleibt nun zur Überraschung späterer Leser – anders als sein großer Gewährsmann Thomas von Aquin – nicht bei dieser Aussage stehen, sondern fügt seinem Argument den von Hervaeus Natalis bekannten Text hinzu, den er wörtlich zitiert, wonach der Papst, „wenn er sich auf ein Konzil stützt und die Hilfe der ganzen Kirche

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Summa theologica, t. III, Tit. XXII, c. 4, § 1, Sp. 1197… ut unitas ecclesiae servaretur et a capite Petro omnis actus hierarchicus originaretur, noluit Christus eos baptizare nisi ex Petri commissione et ordinatione. – Sp. 1198. Sic ergo potest dici, quod apostoli et alii potestatem praedicandi post Pentecosten habuerunt a Petro Christo inspirante propter servandam in omnibus ecclesiae unitatem. AaO, Sp. 1201 … fecit (Christus) omnes apostolos episcopos, sed differenter, quia Petrum per se fecit episcopum, alios per Petrum. Und. Sp. 1202. Sic ad servandam ecclesiae unitatem non fecit Christus duos vel tres episcopos seu omnes apostolos, a quibus alii fierent, ut essent plura capita, sed decuit facere unum episcopum tantum, a quo ceteri fierent, et hic fuit Petrus. AaO, c. 3, § 1, Sp. 1188. Oportet enim in ecclesia ponere unum caput, ad quod pertineat declarare illa, quae sunt dubia circa quaecumque ad fidem pertinentia … Cujus ratio est, quia oportet ponere ecclesiam sic dispositam, quod tota communitas universalis ecclesiae maneat in unitate fidei et in una sententia de fide. Sed hoc non potest esse, nisi tota communitas ecclesiae haberet recursum ad unum caput, scilicet praesidem, apud quem esset auctoritas declarandi dubia. Auffallenderweise wird die Funktion eines Konzils hier nicht erwähnt.

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sucht“, nicht irren kann87. Dass diese Ansicht, inzwischen durch die Kanonisation Antonins mit Autorität versehen, von den Minoritätsbischöfen des I. Vaticanums begeistert aufgenommen wurde, versteht sich88. Dass das Verhältnis zwischen Konzil und Papst noch kontrovers ist und Ideen aus den zeitgenössischen Diskussionen auch im papalen Lager Anklang fanden, bestätigen die nachfolgenden Überlegungen. In Fragen des positiven Rechts erfreut sich der Papst eindeutiger Prärogative und steht „zweifellos“ über dem Konzil, da er als Haupt der Kirche mit der Aufgabe betraut ist, den Leib der Kirche „zu bewegen“. Umgekehrt verhält es sich in Glaubensdingen, in denen das Oberhaupt dem Konzil untergeordnet ist 89. Die Abhängigkeit ist allerdings nicht so klar, wie es scheinen möchte. So meint er – wohl in Anlehnung an Panormitanus –, dass man zum Papst und nicht zum Konzil halten solle, falls er über bessere Argumente und Autoritäten verfügt90. Es gilt aber zuweilen auch das Umgekehrte: In Glaubensdingen hat man der Aussage eines Privatmannes den Vorzug zu geben, falls dieser die besseren Schriftzeugnisse und Beweise hat 91. Der These entspricht die seit Ockham oft vertretene Meinung, dass der Glaube gelegentlich in einer einzigen Person existieren kann, so wie das Recht einer Korporation in einem Mitglied derselben verbleibt. Als Beispiel dient Maria, die, wie eine lange Tradition bezeugt, allein im Glauben verharrte, obwohl Christus vor seiner Passion für Petrus gebetet hatte, er werde nicht schwanken92.

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AaO, Sp. 1188. Dazu s. U. Betti, L’autorità. AaO, Tit. XXIII, c. 2, § 6, Sp. 1269. Nam in his, quae sunt iuris positivi indubitanter est papa supra concilium, quia ipse est caput ecclesiae. Unde licet potestas sit data papae et toti ecclesiae, papae tamen tributa est tanquam capiti, unde debet corpus moveri a dispositione capitis. – Man beachte, dass diesem Text zufolge die Kirche ebenfalls im Besitz einer potestas ist, aber der Papst erfreut sich ihrer, insofern er das Haupt ist, von dem jede Bewegung ausgeht. Und weiter: Sed in his, quae non dependunt a plena potestate papae, non est simpliciter dicendum, quod papa sit supra statuta concilii; ideo in concernentibus ad fidem concilium est supra papam. Unde papa non potest disponere contra disposita per concilium in huiusmodi. Antonin dürfte hier unter dem Einfluss des Panormitanus stehen. Dazu s. K.W. Nörr, Kirche und Konzil 25– 44. AaO, Tit. 22, c. 4, Sp. 1269 … puta tamen, quod si moveretur papa melioribus rationibus et auctoritatibus quam concilium, standum tunc esset sententiae papae … Vgl. K.W. Nörr, Kirche und Konzil 131. AaO. Nam in concernentibus fidem dictum unius privati esset praeferendum sententiae papae, si melioribus rationibus et auctoritatibus novi et veteris testamenti moveretur quam papa. AaO, Tit. 23, c. 5, Sp. 1270. Unde possibile est, quod tota fides remaneret in uno solo, ita quod verum est dicere, quia fides non deficit in ecclesia; sicut jus universitatis potest resi-

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Sollte der Papst in Häresie fallen, ist er wie ein Toter zu erachten und ipso facto als abgesetzt zu betrachten, wobei Antonin eigens vermerkt, dass diese Wirkung aus sich eintritt und nicht als Folge einer Verurteilung93. Bleibt nach der Selbstdeposition des Papstes seine Rechtsgewalt in der Kirche, so dass ein Konzil einberufen werden kann, um die Vakanz des obersten Amtes zu erklären? Nach Augustinus Triumphus und Antonin, der darin seinem Gewährsmann folgt, ist das in der Tat so, sie ruht dann im Kardinalskollegium oder im Schoß der ganzen Kirche, die das Zusammentreten einer Generalsynode veranlassen94. Es hat sich ergeben, dass die von uns untersuchten Dominikanertheologen – Johannes von Paris ausgenommen – darin übereinkommen, dass sich der Papst der obersten Jurisdiktion erfreut, auch wenn Petrus de Palude die Gewalt der Apostel und der Bischöfe von Christus und nicht von Petrus herleitet. In Hinsicht auf die päpstliche Lehrautorität sind allerdings bemerkenswerte Differenzierungen zu konstatieren, insofern alle Autoren auf ihre Weise Glaubensentscheidungen an die Mitwirkung und den Rat von Kardinälen, Bischöfen und der Kirche binden. In diesem Punkt sind dem Papst deutliche Grenzen gesetzt. Die spätere Diskussion, in Umrissen bereits erkennbar, wird sich mit solchen Fragen zu beschäftigen haben.

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dere in uno solo, aliis peccantibus, et hoc patuit post passionem Christi, ubi remansit in sola Virgine, quia omnes alii scandalizati sunt, et tamen Christus oraverat pro Petro ante passionem, ut non deficiat fides sua; ergo non dicitur ecclesia deficere nec errare, si remaneat in uno solo. – So schon Ockham, Dialogus II 25, ed. cit. 429 … quia in uno solo potest stare tota fides ecclesiae, quemadmodum tempore mortis Christi tota fides ecclesiae in sola virgine remanebat. Vgl. J. Miethke, Ockhams Weg 538–542. Augustinus Triumphus, Summa de ecclesiastica potestate, qu. XX, q. 6, ad 3, ed. cit. fol 74r. Ad tertium est dicendum, quod ecclesia non potest errare, quia si unus solus catholicus remaneret, ille esset ecclesia. – Vgl. Y. Congar, Incidence ecclésiologique. K. Binder, „Thesis, in passione Domini …“. J. Helmrath, Ecclesia enim parva esse potest, nulla esse non potest. – Eine Korporation kann in einem einzigen Mitglied existieren. Vgl. O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 497. AaO, Tit. 22, c. 5, Sp. 1208. Unde sicut homo mortuus non est homo, ita papa in haeresi deprehensus non est papa, quia ipso facto est depositus … sed quando labitur in haeresim, tunc eo ipso est praecisus ab ecclesia et desinit esse caput et tunc deponitur de facto, non de jure. Summa de ecclesiastica potestate, I p., q. 5, a. 6, ed. cit. fol 33r . Primo quidem sicut papa mortuo potestas eius remanet in collegio cardinalium vel in collegio universalis ecclesiae… sic papa in haeresi deprehensus statim ipso facto potestas eius remanet in ecclesia.

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II. Der Rechts- und Lehrprimat des Papstes nach Juan de Torquemada

Ein Blick auf Juan Torquemadas Biographie zeigt, wie eng sein Werk mit den kirchlichen und politischen Ereignissen der Zeit verbunden war. Er wurde 1388 in Valladolid in einer neuchristlichen Familie (conversos) geboren, ein Umstand, der im spanischen 15. Jahrhundert Anlass zu großen sozialen und religiösen Konflikten war, in die er später selbst mit einer Apologie der zu Christen gewordenen Juden eingegriffen hat 1. Nach Eintritt in den Dominikanerkonvent San Pablo seiner Heimatstadt hat er die Artes studiert und danach Theologie in San Esteban in Salamanca, wo er sich gründliche Kenntnisse der Werke des Aquinaten erworben hat, die seine Ekklesiologie inspirieren werden 2. Der Dominikaner und Beichtvater König Juans II. von Kastilien, Ludwig von Valladolid, hat die Begabung des Mitbruders erkannt und ihn als Mitglied der spanischen Gesandtschaft zum Konzil von Konstanz mitgenommen, wo sie am 31. März 1418 eintraf 3. Dass er die hier zirkulierenden Ideen und Entscheidungen aufmerksam registriert hat, wird er selbst in seiner Summa de Ecclesia vermerken. Gelegenheit, die konziliaristische Ekklesiologie gleichsam an ihrer Quelle kennenzulernen, gab Torquemada der sich anschließende Aufenthalt an der Universität Paris, wiederum vermittelt durch seinen Gönner Ludwig von Valladolid, seit 1419 Provinzial der spanischen Provinz. Dass im Konvent S. Jacques der Traktat des Johannes Quidort De regia potestate et papali noch in lebhafter Erinnerung war, darf man voraussetzen, zumal sich unter den Konventualen Johannes von Ragusa bis 1422 befand, bei dem er, wie manche meinen, auch Vorlesungen gehört hat 4. Verbindungen zu Johannes Gerson, Pierre d’Ailly und anderen Theoretikern des Konziliarismus sind mehr als wahrscheinlich. Hervorzuheben ist, dass sich Tor1

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Zu seiner Biographie s. V. Beltrán de Heredia, Noticias y documentos 53–55 und Anm. 3–5; ders., Colección de documentos inéditos. K. Binder, Wesen und Eigenschaften 5–35. – Zur Apologie der conversos s. Tratado contra los madianitas e ismaelitas. Einleitung von E. Pérez Ferreiro 75–118; Edition des Traktats von A. Martínez Casado 125–239. S. auch B. Netanyahu, The Origins of the Inquisition 421–485. U. Horst, Kardinal Juan de Torquemada und sein Traktat zur Verteidigung der Neuchristen (erscheint demnächst). A. Frenken, Torquemada. Vgl. V. Beltrán de Heredia, Noticias y documentos 55, Anm. 6. S. K. Binder, Konzilsgedanken 28. Zu Ludwig von Valladolid s. SOPMA III 95f. Vgl. A. Tuillier, Jean Stojkovic´ de Raguse. A. Krchnˇák, De vita et operibus 2–9. Zum Pariser Aufenthalt s. ferner Z. Strika, Johannes von Ragusa 63–69.

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quemada in Paris intensiv, wie seine Werke bezeugen, mit dem Kirchenrecht befasst haben muss. Seine Studien hat er 1425 mit dem Grad eines Magisters der Theologie abgeschlossen5. Auf dem Generalkapitel in Lyon 1431 sandte ihn der Orden als Vertreter zum Basler Konzil 6. Auch bei den Päpsten stand er in hohem Ansehen. So hat ihn Eugen IV. 1434 zum Magister Sacri Palatii ernannt und als seinen Theologen für Basel bestimmt, wo er außerdem als Orator König Juans von Kastilien fungierte. Eugen IV. kreierte ihn 1439 zum Kardinal von San Sisto 7. Die Ansichten Torquemadas über den Primat des Petrusnachfolgers und dessen Verhätnis zum Konzil, wie es zur Zeit von Konstanz und Basel sowie in den Jahren danach diskutiert wurde, sind für die Problemgeschichte besonders interessant. Der Umstand, dass er an beiden Kirchenversammlungen und danach an der von Florenz teilgenommen und bedeutende Werke zur Ekklesiologie hinterlassen hat, macht ihn zu einem wertvollen Zeugen jener Ereignisse und Kontroversen. Wie kaum ein anderer hat er die Theologen seiner Schule beeinflusst und eine Fülle von Argumenten und Problemen geboten, die noch im folgenden Jahrhundert die Diskussionen inspirierten 8. In der Darstellung seiner Kirchenkonzeption beschränken wir uns im Wesentlichen auf die 1453 abgeschlossene und bald weit verbreitete Summa de Ecclesia (SE). Welcher Rang dem Werk zukommt, zeigen – neben den Handschriften – die verschiedenen Drucke, deren vorläufig letzter in der Endphase des Trienter Konzils erschien. Dass wir uns auf sie konzentrieren, rechtfertigt sich ferner dadurch, dass sie den ausführlichsten und unmittelbarsten Widerhall der Basler Konzilsdiskussionen bietet, während die beiden anderen großen Werke, die Oratio synodalis und der Apparatus super Decretum Florentinum unionis Graecorum, 1439 bzw. 1441 in Florenz abgefasst, eine speziellere Problematik zum Gegenstand haben 9. Das zeigt sich etwa gelegentlich seiner Stellungnahme zur Verbindlichkeit des Dekrets Haec sancta, in der Torquemada Ort, Zeit, Umstände und beteiligte Personen behandelt, um daraus sein Urteil abzuleiten,

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Vgl. V. Beltrán de Heredia, Noticias y documentos 56 u. Anm. 8. Vgl. D. A. Mortier, Histoire des maîtres généraux, t. IV, 280, Anm. 4. S. auch V. Beltrán de Heredia, Noticias y documentos 56. Vgl. K. Binder, Il magistero del Sacro Palazzo. Ferner: E. Candal, Apparatus super Decretum unionis Graecorum VIII–X. – Am 30. Juni 1432 wurde T. dem Konzil inkorporiert M 31A, 128. Werkverzeichnis in SOPMA III 24–42. R. Hernández, Teólogos españoles pretridentinos 189–202. – Zur Ekklesiologie s. vor allem Th.M. Izbicki, Protector of the Faith. K. Binder, Konzilsgedanken; ders., Wesen und Eigenschaften der Kirche. Vgl. die ausführliche Einleitung bei E. Candal, Oratio synodalis de primatu XVII–XLII.

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dass der Entscheid keine dogmatischen Konsequenzen hat. Auch sonst begegnen wir vielen Hinweisen auf Personen, Ereignisse und Tendenzen, die den Geist des Konzils illustrieren.

1. Die Gewaltenfülle des Papstes Wir beginnen unsere Darstellung zentraler Themen Torquemadas mit seiner Sicht der päpstlichen plenitudo potestatis und deren Folgen für das Verständnis der Autorität der Konzilien. Dass sie von den Konziliaristen geleugnet wird, ist nach seinem Urteil die Ursache aller Irrtümer 10. Zum Beweis, dass der Papst die Gewaltenfülle besitzt, bedient er sich eines vom Aquinaten her vertrauten und oft variierten Gedankens: Gott handelt stets auf abgestufte Weise von oben nach unten über Mittelglieder, wobei die Rückkehr zum Erstprinzip in umgekehrter Abfolge geschieht 11. Eckpunkt der absteigenden Linie ist in Hinsicht auf die Verfassung der Kirche Petrus, in dem die Schlüsselgewalt in ihrer Fülle ruht und von

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SE, l. II. c., fol 184r. – Zum Problem der Gewaltenfülle s. J.A. Watt, The Theory of the Papal Monarchy 179–317. K. Pennington, Pope and Bishops, bes. 43–74. M. Wilks, The Problem of Sovereignty, bes. 254–287, 354–407. WM.D. McCready, The Papal Sovereign mit wichtigen Korrekturen an Wilks. L. Buisson, Potestas und Caritas. Kl. Schatz, Papsttum und partikularkirchliche Gewalt, bes. 64–91. A. Black, Monarchy and Community 53–84. Aegidius Romanus, De ecclesiastica potestate, l. III, c. IX– ult., ed. cit. 190–209. E. Krüger, Der Traktat „De ecclesiastica potestate“ des Aegidius Romanus, bes. 176–223. H.-X. Arqullière, Le plus ancien traité de l’Église, 2.Tl., 145–310. J. Miethke, Historischer Prozeß und zeitgenössisches Bewusstsein. F. Merzbacher, Wandlungen des Kirchenbegriffs, bes. 291–305. L. II, c. 2, fol 85va. Lex divinitatis est per prima media et per media ultima reducere … Haec enim lex sicut superiora movet et ligat ad inferiorum providentiam et curam, ita inferiora ligat ad superiorum obedientiam et curam ut omnia hoc modo sint connexa … Hoc etiam in toto corpore mystico quod est ecclesia observatur, in quo omnia ad unum diriguntur que Petri clavibus committuntur … Hec clavis uni committitur, ut plenitudo potestatis in uno ostendatur et in alios ab illo committantur secundum partem sollicitudinis ad quam vocantur … Ex quibus manifeste convincitur error dicentium principatum ecclesie non esse monarchicum. Zum Prinzip s. W.J. Hankey, Dionysius dixit. D.E. Luscombe, Thomas Aquinas. Zum Hintergrund s. R. Roques, L’univers dionysien 101–111. Zur pars sollicitudinis s. J. Rivière, In partem sollicitudinis. Zum Inhalt dieser Formel s. Kl. Schatz, Papsttum 64–91. – Zu Thomas v. A. und Torquemada s. Th. Prügl, Antonio da Cannara138–140 mit Edition der Flores Sententiarum beati Thome de auctoritate summi pontificis (141–146); ders., Die Predigten am Fest des hl. Thomas, bes. 173–199; ders., Dominicans and Thomism at the Council of Basel, bes. 374 –378.

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dem sie auf alle unter ihm stehenden Amtsinhaber abgeleitet wird. Im selben Argument ist auch der Gedanke enthalten, dass allein die monarchische Regierungsform der Kirche angemessen ist. Dass nur Petrus von Christus die höchste Gewalt erhalten hat, unterliegt ebenfalls keinem Zweifel, wie direkte und indirekte Schriftstellen belegen. So hat er Petrus nicht zuammen mit den übrigen Aposteln zum Bischof gemacht. Zwar waren sie alle bei der Verleihung (Jo 21, 15ff) anwesend, doch hat sie der Herr nicht insgesamt unmittelbar angesprochen und nur Petrus eine unbegrenzte Hirtengewalt übertragen. Obschon zu konzedieren ist, dass der Auftrag ebenfalls an die Umstehenden gerichtet wurde, ist er dennoch in dem Sinn zu verstehen, dass die Vollmacht so Petrus verliehen wurde, dass sie von ihm an andere weitergegeben werden sollte. Er allein hat die Autorität eines universalen Hirten erhalten, so dass es ihm obliegt, den einzelnen Aposteln einen jeweils eigenen pastoralen Bereich zuzuweisen. Oder schärfer: Die Gewalt des Papstes verhält sich zu der der übrigen Amtsinhaber wie Mutter, Ursprung und Wurzel 12. Sie muss deshalb unbegrenzt sein, so dass die These der „Gersonisten“ unbegründet ist, das Konzil könne zwar dem Papst die oberste Jurisdiktion nicht nehmen, aber es dürfe sie behindern, einschränken und regulieren, denn dazu wäre nur jemand berechtigt, der über ihm stünde 13. Das heißt freilich nicht, wie er-

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C. 11, fol 90ra … quia non sumus argumentati primatum beati Petri ex sola pastoralis cure commissione, sed ex eo, quod presentibus aliis apostolis nulla de illis mentione facta soli Petro indefinite curam gregis sui committit (Jo 21, 15ff) … Nec obviat huic quod Augustinus dicit, quod etiam hoc ad omnes dictum est, quia etsi ad omnes apostolos dictum esse intelligatur, hoc tamen in Petri persona tanquam a quo in alios derivanda erat potestas dictum est illis, per quod singularis prerogativa primatus Petri demonstratur in hoc, quod figuram gessit omnium aliorum … Solus enim Petrus habuit in universo orbe pascendi auctoritatem … Alii vero non universaliter, sed secundum mensuram taxandam et limitandam per Petrum … C. 34, ad 1, fol 103rb. Ad significandum ergo, quod in episcopatu Petrus erat maior aliis, non simul debuit fieri episcopus cum aliis, sed ipse a Christo solus et alii ab eo postea. C. 38, fol 106va … que potestas (pape) se habet ad reliquas sicut mater et radix et origo … Ergo sequitur, quod pape potestas immediate sit a Deo, qui auctor et fundator est ordinis ecclesiastici … C. 54, fol 109rb. Sed si quis adversariorum vellet di/ fol 199va/cere ad ista: Sicut multos sequentes Jarson audivimus dicere, cum Basilee essemus, quod etsi potestas pape per nullos homines tolli possit aut diminui, possent tamen patres in concilio congregati executionem potestatis illius impedire aut restringere aut sic regulare, ut non valeat exire in actum, nisi ut ei per per concilium generale fuerit dictatum … Preterea, quod prefata responsio nullius sit roboris vel valoris, quia sicut tollere potestatem aliquam non potest nisi potestas superior, ita nec restringere aut impedire de iure exercitium illius potest nisi superior potestas. Gersons These sei wegen ihrer weiten Verbreitung und Nachwirkung

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gänzend hinzugefügt wird, dass der Papst zu seinen Lebzeiten den Nachfolger bestimmen kann, denn dieser wird „heute“ mit Zustimmung der Kirche gewählt, wofür seit dem III. Laterankonzil eine Zweidrittelmehrheit der Kardinäle erforderlich ist 14. Die Ansicht, im Papst sei die plenitudo potestatis, sieht sich allerdings heftigen Angriffen ausgesetzt, zu deren Begründung man die Gegenthese formuliert: Die Fülle der Gewalt ist im Papst, in der Universalkirche und in dem sie repräsentierenden Konzil, wenn auch in je verschiedener Weise 15. Das heißt: Sie ist einmal im Papst wie in einem Subjekt, das sie aufnimmt und sie im Dienst für die Kirche ausübt. In der Kirche wiederum ist sie wie in einem Objekt der Wirk- und Zielursache nach. Im Konzil ist sie schließlich wie in einem Exempel, das die Kirche repräsentiert und in der sie Leitungsfunktionen innehat. Diese Formen, in denen sich die Gewalt realisiert, hängen von einem jeweils verschiedenen Zweck ab, um dessentwillen sie in ihren Trägern ruht. Im Papst hat sie die Aufgabe, der Erbauung der Kirche zu dienen, woraus sich eine wichtige und folgenschwere Kon-

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zitiert: De potestate ecclesiastica et de origine iuris, cons. XI, ed. cit. 232f. Potestas ecclesiastica in sua plenitudine est in Ecclesia sicut in fine et sicut in regulante applicationem et usum huius modi plenitudinis ecclesiasticae potestatis per seipsam vel per generale concilium ipsam repraesentans … Potest etiam dici in Ecclesia vel in concilio haec plenitudo potestatis, nedum in se formaliter, sed aliis duobis modis; videlicet quoad applicationem et quoad usum regulandum, si fortassis in abusum verti quereretur … plenitudo ecclesiasticae potestatis, si consideretur in sua latitudine, ipsa non est in solo papa, nisi quodammodo fontaliter, potestative et originaliter suo modo … Si vero consideretur haec plenitudo in sua supremitate, tunc absque ulla dubitatione plenitudo ecclesiasticae potestatis papalis superior et major est ad reliquas … Ferner: generale concilium in sua ratione formali includit de necessitate papalem auctoritatem, sive papa sit sive non sit, quia si papa est et vult facere debitum suum de convocando concilium, certe hoc debet autorizari per ipsum; si vero pertinaciter renuit in destructionem ecclesiae, jam tunc agendum est ac si non esset et remanet in ecclesia potestas ipsam congregandi et sibi providendi ac ordinandi de potestate papali secundo et tertio modis quoad applicationem et usum. COD 211. Dazu s. W. Maleczek, Die Kardinäle von 1143–1216, 111–120. Vgl. G. Wassilowsky, Die Konklavereform 43–45 (Literatur). C. 70, fol 131vb … adversarii illam (plenitudinem potestatis) impugnare multipliciter nituntur ponentes hanc conclusionem, videlicet quod plenitudo potestatis clavium non solum sit in papa capite et pastore universalis ecclesie, sed in ipsa universali ecclesia et in concilio universali. Sed istorum duplex est modus dicendi. Quidam enim numero magistrorum, qui fuerunt in concilio Constantiensi, prout ex eorum tractatibus colligitur, dicunt, quod potestatis plenitudo est sic in papa et in ecclesia universali et in concilio universali illam representante, aliter tamen et aliter.

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sequenz ergibt: Sollte dieser sein Amt missbrauchen, obliegt es dem Konzil, der Willkür Einhalt zu gebieten und Strafen zu verhängen16. In dieser Kurzversion lässt sich die konziliaristische Theorie nach Torquemada zusammenfassen. Seiner Voraussetzung nach muss er sie für „gänzlich unbegründet“ halten, weil sie Widersprüchliches in sich zu vereinen sucht, insofern ihr die Ansicht zugrundeliegt, die Gewaltenfülle sei „eigentlicher und hauptsächlicher“ in Kirche und Konzil als subiective im Papst. In Wahrheit verhält es sich umgekehrt: Eine Gewalt, die in einer Person subiective ruht, muss vorzüglicher sein als die, die in einem Objekt oder in einem Exempel liegt. So ist, um ein Beispiel zu bringen, die Fähigkeit zu heilen eher im Arzt als in einem kranken Leib oder in einem medizinischen Lehrbuch17. Falsch ist ferner, in der Kirche das Finalobjekt der päpstlichen Gewalt zu sehen, denn nicht die Kirche ist das letzte Ziel, sondern die Seligkeit der Gläubigen selbst, zu der sie ihr oberster Herr führen soll. Irrig ist auch die Annahme, die Gewaltenfülle liege in der Kirche wie in einem Spiegel, denn sie hat ihren Ort vornehmlich im Evangelium Christi, das ihr als Leitbild vorgegeben ist. Einen letzten Widerspruch impliziert schließlich die Meinung, in der Kirche und im Konzil handele es sich um ein und dieselbe Vollmacht, da 16

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AaO. Primo ergo modo, ut aiunt, plenitudo potestatis est in papa tanquam in subiecto eam recipiente et ministerialiter exercente. Secundo modo est in ecclesia tanquam in obiecto causaliter et finaliter continente. Tertio est in generali concilio tanquam in exemplo eam representante et regulariter dirigente. Primum patet, quia papa proprie loquendo est minister hanc potestatem subiective recipiens et adminstrative dispensans … Secundum patet, quia plenitudo potestatis non est causaliter et finaliter propter papam, sed papa et eius potestas propter ecclesiam et ad eam ordinatur sicut ad finem, id est ad eius edificationem … Tertium patet … quia si papa uteretur hac potestate ad destructionem ecclesie, generale concilium esset in exemplum vel speculum dictam ecclesiam representans et eius vice et nomine abusus huiusmodi plenitudinis coercens et regulans, dirigens et etiam puniens. – Torquemada beruft sich fast wörtlich auf Pierre d’Aillys Tractatus de ecclesiae, concilii generalis, romani pontificis et cardinalium potestate, ed. cit., P. III, c. 1, 950CD. Dazu s. Fr. Oakley, The Political Thought of Pierre d’Ailly, bes. 118. L.B. Pascoe, Theological Dimensions of Pierre d’Ailly’s Teaching. Zu Gerson s. G.H.M. Posthumus Meyjes, Jean Gerson 268–278. AaO, fol 132ra. Primo, nam in ea parte, in qua dicunt, quod plenitudo potestatis sit in papa ut in subiecto administrante illam et in ecclesia sicut in obiecto finali et in concilio sicut in exemplo, contradicit eorum opinioni in ea parte, in qua dicunt, quod plenitudo potestatis principalius et excellentius sit in ecclesia aut in concilio quam in papa. Patet, quia potestas quecumque proprius et principalius dicitur esse, ubi est subiective et administritative sive dispensative, quemadmodum est in artifice aut duce exercitus aut magistro operis, quam sit in obiecto sive in exemplo, sicut potestas medicandi proprius et principalius habet esse in medico quam in corpore infirmo, ad cuius curationem ordinata est, quam in libro medicine …

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eine Korrektur der päpstlichen Amtsführung eine ihr übergeordnete Gewalt zur Voraussetzung hat 18. Diese erste Auseinandersetzung mit einer relativ moderaten konziliaristischen Konzeption im Anschluss an Gerson zeigt bereits deutlich, worin Torquemada die Gefahren solcher Gedanken für eine papal orientierte Ekklesiologie sieht und wie er den Angriff auf sie abzuwehren gedenkt. Ausführlich stellt er anschließend die Gedanken von Theologen vor, die er mit despektierlichem Unterton als magistri novelli bezeichnet, womit er die Basler Widersacher meint, die sich ein altius sapere als die Konstanzer herausgenommen hätten. Ihnen wirft er vor, Ehre und Macht begehrt zu haben. Ihre Thesen haben sie in dieser Absicht so verschärft, indem sie behaupten, die päpstliche Gewaltenfülle sei in der Kirche nicht nur wie in einem Exempel, sondern wie in einem Subjekt, das sie verwaltet und ausübt. Sie beanspruchen also auch praktische Funktionen19. Aus den für eine Notsituation vorgesehenen Mitteln ist nunmehr eine normale Regierung mit die römische Kurie imitierenden Institutionen geworden. Ihre auf eine Autonomie des Konzils zielenden Schritte rechtfertigen sie mit der zentralen Ausssage, dass diesem die volle Schlüsselgewalt der ganzen Kirche, verstanden als Versammlung aller Gläubigen, in einer umfassenderen Gestalt, als sie dem Papst eignet, verliehen wurde. Als Vorbild dient ihnen ein mit Jurisdiktion und Wahlrecht ausgestattetes collegium, eine Korporation bevollmächtigter Mitglieder 20. Diese über die Konstanzer The-

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AaO. Ceterum falsum dicunt, quod ecclesia sit subiectum finale potestatis papalis, quoniam, licet potestas papalis sit ei data in edificationem ecclesie, non tamen ipsa ecclesia dicitur finis ultimus intentus potestatis eius, sed est ipsa beatitudo, ad cuius pascua ipsa universalis ecclesia per pastorem suum atque rectorem, qui est papa, est dirigenda et ducenda (Jo 21, 16) … Preterea falsum esse videtur, quod potestatis plenitudo sit in concilio sicut in exemplo et speculo, sed potius hoc modo dicenda est esse in lege Christi … Secundo, positio illa implicat contradictionem, nam in ea parte, ubi in papa et ecclesia universali et concilio ponunt unam et eandem potestatem, contradicunt ei, quod dicunt, quod concilium universale potest corrigere, coercere, refrenare et punire abusus potestatis papalis. Patet, nam cum huiusmodi non possit in papam, nisi, qui sit altioris potestatis … AaO, fol 132rb. Alii vero de numero magistrorum novellorum, qui Basilee fuerunt, altius sapere presumentes quam illi, qui fuerunt in Constantia, utpote cupidi glorie et principatus dixerunt, quod potestatis plenitudo esset in ecclesia non modo sicut in obiecto finali aut in concilio sicut in exemplo …, sed sicut in subiecto administrante et exercente, sicut practica demonstrarunt omnem papalis potestatis administrationem et exercitium sibi assumentes. – Zur Einrichtung einer die römische Kurie imitierenden Administration s. H.-J. Gilomen, Bürokratie und Korporation am Basler Konzil. S. auch St. Sudmann, Das Basler Konzil, bes. 170–248 (causae fidei). AaO. Dicunt enim, quod ipsi universali ecclesie, que dicitur collectio omnium fidelium in omnibus membris suis coniunctim, data sit potestas clavium in plenitudine etiam princi-

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sen hinausgehende Sicht des Verhältnisses zwischen Papst und Konzil charakterisiert Torquemada, ohne einzelne Autoren zu nennen, in sieben Punkten, deren gemeinsamen Kern er dann zu widerlegen sucht. So müssen alle an Petrus oder die Apostel gerichteten Verheißungen Christi auch auf die Kirche bezogen werden, die deshalb keine an bestimmte Personen gebundenen Sonderrechte zum Gegenstand haben können. Die angeblich Petrus allein zugesagte Gewaltenfülle ruht folglich nicht in ihm allein, sondern in der ganzen Kirche21. Der klassische Zeuge für die Ansicht, dass die dem Erstapostel zugeschriebene Autorität auch den Aposteln und in ihnen der Kirche zukommt, ist das berühmte Wort des hl. Augustinus, Petrus habe seine Vollmacht in Vertretung der Kirche (in figura ecclesiae) und in ihrem Namen erhalten. Das will sagen: Die Gewalt wurde der Kirche und allen Gliedern insgesamt (coniunctim) im Sinne eines Kollektivbegriffs gegeben22. Ferner: Wie Gott jedem Geschöpf die Fähigkeit verliehen hat, seine Existenz zu sichern, so auch der Kirche, die sich diesem Prinzip gemäß in ihrem Sein zu bewahren, sich gegen Zerstörung zu sichern und sich selbst zu regieren vermag. Auch verfügt sie über Mittel, einem Notstand zu begegnen und alle Angriffe zu überdauern. Das zeigt sich am Beispiel der Sedisvakanz mit der Möglichkeit einer Neuwahl des Amtsinhabers. In der der ganzen Kirche

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palius quam pape, sicut si dicamus, quod uni collegio data sit aliqua auctoritas alicuius iurisdictionis exercende vel electionis celebrande. Ad quam conclusionem probandam perlectis eorum tractatibus reperiuntur eos multis mediis in variis suppositionibus fundatis procedere. Zum Korporationsbegriff s. O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 3. Bd., 243–351. A. Black, Monarchy and Community, bes. 34–44. AaO. Prima suppositio est, quod ea, que dicta sunt Petro aut apostolis, trahenda sunt ad ecclesiam … Secunda suppositio est, quod omnia dicta Petro importantia auctoritatem eius sunt etiam dicta aliis apostolis et in illis toti ecclesie. AaO, fol 132va. Tertia suppositio est, quod omnia dicta Petro ad potestatem expectantia sunt ei dicta in figura ecclesie, id est et in nomine sive in persona ecclesie. – Fol 132vb. Quarta suppositio est, quod, que dicuntur apud sanctos doctores esse in universali ecclesia aut universali ecclesie data, intelliguntur data universali ecclesie ut universitati sive omnibus membris eius coniunctim … quia nomen ecclesie est nomen collectivum et quia signum universale videtur distribuere pro omnibus. – Augustinus, In evangelium Ioannis, tr. 124, 5, ed. cit. 684 … cuius ecclesiae Petrus apostolus, propter apostolatus sui primatum, gerebat figurata generalitate personam. Und: Ecclesia ergo quae fundatur in Christo, claves ab eo regni caelorum accepit in Petro, id est potestatem ligandi et solvendi peccata. S. auch tr. 104, 5, ed. cit. 684f und tr. 50, 12, ed. cit. 438: Petrus quando claves accepit, ecclesiam sanctam significavit. Zur konziliaristischen Auslegung der Augustinustexte s. Th.I. Izbicki, A Papalist Reading 603–614. – Ep. 53, 1, 2; Sermo 295, 2. Dazu s. F. Hofmann, Der Kirchenbegriff des hl. Augustinus 315–321. J. Ludwig, Die Primatsworte Mt 16, 18.19 in der altkirchlichen Exegese.

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eigenen Schlüsselgewalt ist das Urteilen, Binden und Lösen eingeschlossen. Im Falle von Extremsituationen muss angesichts der Vergänglichkeit des Papstes eine ihnen entsprechende Vorsorge garantiert sein, für die das Konzil steht23. Soweit die geraffte Darstellung konziliaristischer Positionen, wie sie Torquemada sieht. Ihr zentraler Gedanke besteht, um eine erste Bilanz zu ziehen, darin, dass die Gewaltenfülle in bei weitem umfassenderer Gestalt in der Kirche ruht, die sie auf beständigere und unveränderlichere Weise besitzt. Auf den Einwand, nach Lehre der Väter sei allein der Papst zur Gewaltenfülle berufen, antworten sie, dass das „allein“ lediglich den Ausschluss einzelner untergeordneter Personen meine, sich aber nicht auf die Gesamtkirche beziehe 24. Torquemada weiß, dass hinter seiner summarischen Präsentation die Mehrheit der Basler Theologen stand, auch wenn sie sich diese nicht in allem in dieser gedrängten Form zu eigen machten. Auf die Widerlegung hat er deshalb hier und in dem auf sie folgenden Teil seiner Summa, die von der Autorität und den Funktionen der Konzilien handelt, große Mühe und Scharfsinn verwandt. Dem Kern der Argumentation gemäß liegt der Nachdruck auf dem Beweis, dass die von Christus hinterlassene Vollmacht nicht in der Universalkirche, sondern auf gestufte Weise in den Amtsinhabern ruht. Den bekannten Voraussetzungen entsprechend lautet die erste These, dass die Weihe- und Sündenvergebungsgewalt von Christus, dem Haupt, in absteigender Linie den dazu autorisierten Empfängern mitgeteilt wird und aus diesem Grund nicht im ganzen Leib der Kirche und ihren Gliedern sein kann. Die sakramentale Gnade ist deshalb allein den Priestern durch die Weihe anvertraut worden, wohin23

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AaO, fol 133ra. Quinta suppositio est, quod nunquam legitur aliqua potestas data Petro nisi simul cum aliis apostolis. Fol 133rb. Sexta suppositio eorum est, quod sicut deus cuilibet creature, cui dedit certam periodum, qua determinatur, quamdiu posset vivere vel durare, dedit propriam virtutem innatam et intrinsecam, qua possit se in suo esse conservare et contra destructionem sui adversantibus resistere, ita ecclesie, quam voluit usque in finem seculi durare, dedit virtutem et potestatem, qua se in suo esse posset conservare et potestatem, qua posset se regere et potestatem, qua adversantibus sive conantibus ad sui destructionem resistere. AaO, fol 133va. Ex his omnibus concludunt, quod potestatis plenitudo non tantum apud romanum pontificem resideat, sed etiam apud universalem ecclesiam et multo principalius, utpote quia in ea est immobiliter et indefectibiliter. Unde ad auctoritates sanctorum dicentium, quod soli Petro data sit a Christo plenitudo potestatis aut quod solus romanus pontifex sit vocatus in plenitudinem potestatis, respondent, quod ly solus sit exclusio inferiorum sive particularium personarum, non autem ipsius communitatis ecclesie … AaO, fol 133rb–133va. Septima suppositio est, quod plenitudo potestatis semper debet manere in ecclesia, quia alias non videretur ecclesie sufficienter provisum. Sed in papa non potest semper manere … cum ipse non /fol 133va/ semper maneat. Ergo oportet dicere, quod maneat in ecclesia.

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gegen die kirchliche Gemeinschaft als solche nicht zur Konsekration und zur Verwaltung des Bußsakraments befähigt ist. Nur einzelne Personen haben am Priestertum Christi Anteil25. Die Ausflucht, die Kirche könne jemand beauftragen, diese Funktionen für andere zu übernehmen, hilft nicht weiter, da ein bloßer Befehl geistliche Vollmacht nicht ersetzt. Auch ist die Jurisdiktion, sei es in der Beichte oder im öffentlichen Urteil, nicht so allen Gliedern der Kirche gegeben, da diese Laien und Frauen umfasst, zumal Frauen ihrer Natur nach unfähig sind, sie zu empfangen26. Dasselbe gilt für den Fall, dass man sämtliche Glieder der Kirche als ein Ganzes nimmt, weil ein großer Teil derselben – eben die Frauen – keine Jurisdiktion haben kann 27. Wer annimmt, Gewalt sei auf eine Gemeinschaft übertragbar, möge bedenken, dass sich dann deren Glieder in gleicher Weise zu ihr verhalten müssten, wie sich das am Beispiel eines Kanonikerkapitels illustrieren lässt, in dem alle Kanoniker an der Ausübung ihrer korporativen Rechte Anteil haben. Nun ist es jedoch so, dass nicht sämtliche Gläubige, ja nicht einmal alle Kleriker und Priester über die Schlüsselgewalt verfügen, denn dann gäbe es im Kreis der Apostel keinen Unterschied und Petrus wäre nicht „mehr“ Haupt der Kirche als die übrigen. Auch hät-

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C. 71, fol 134ra. Prima conclusio sit ista: Potestas clavium ordinis, que proprie dicitur clavis coeli, quia ea fit remissio peccatorum, non est data toti corpori ecclesie, sicut singulis eius membris data sit … Gratia, que in sacramentis datur, a capite in membra descendit. Ergo solus est minister sacramentorum, in quibus gratia datur, que habet ministerium super corpus Christi verum, sed hoc est solius sacerdotis, qui consecrare eucharistiam potest … Secunda conclusio: Potestas clavium ordinis, id est potestas ligandi et solvendi a peccatis non est data universali ecclesie ut universitati sive omnibus eius membris coniunctim … Predicta potestas clavium solis sacerdotibus convenit … sed communitas ecclesie non /fol 134rb/ consecrat nec insignitur sacerdotio. Ergo non potest dici, quod universali ecclesie sint date claves sive potestas ligandi et solvendi peccata. Die These der Gegner wird mit scharfen Worten abgelehnt: Sie ist nec subiective nec formaliter nec radicaliter nec fundamentaliter, ut omnibus verbis utamur adversariorum zutreffend. AaO, fol 134va. Tertia conclusio: Potestas clavium iurisdictionis ecclesiastice sive in foro conscientie sive exterioris iudicii non est sic data universali ecclesie, quod singulis eius membris sit data ut singulis … sed non omnibus fidelibus data est potestas clavium iurisdictionis spiritualis. Patet, quia non feminis nec laicis nec clericis omnibus etiam sacerdotibus, ut patet. AaO. Quarta conclusio: Potestas iurisdictionis non est data toti ecclesie ut universitati sive omnibus membris eius simul iunctis … Nulla potestas potest convenire alicui universitati sive omnibus membris simul, ad quam est inhabilis magna pars illius universitatis.

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ten Papst und Bischöfe erst Handlungsvollmacht, wenn sich alle, Klerus und Laien, zur Beschlussfassung versammelten28. Folgte man den Voraussetzungen der Basler, würde man die monarchische Verfassung der Kirche zerstören und an die Stelle des von Christus verfügten institutum monarchicum ein regimen politicum setzen29. Auch der Gedanke, in einer Gemeinschaft teilten sich Vorsteher und Untergebene ein und dieselbe Vollmacht, führt in die Irre und hält der Kritik nicht stand. Entweder ist die der Kirche eigene Gewalt ein und dieselbe oder sie ist eine andere. Ist sie jedoch verschieden, wäre weder der Papst der eigentliche Superior noch stünde die Kirche über ihm. Genau das aber ist nach Torquemada das Dilemma, in das sich die Konziliaristen selbst gebracht haben 30. Wenn sie darauf antworten, die Gewalt im Papst und in der Kirche sei gleich, aber die Kirche habe sie auf hervorragendere Weise, nämlich unveränderlich und eindeutig (inobliquabiliter), während sie im Oberhaupt auf solche Weise nicht ist, so ist auch diese Unterscheidung abzulehnen, denn die dadurch bezeichnete Verschiedenheit würde die Vollmacht weder vergrößern noch mindern 31.

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AaO, fol 134vb. In qualibet universitate, cui data est aliqua potestas ut universitati omnes de illa universitate equaliter se habent ad ius illius potestastis. Patet, quia canonici omnes equaliter se habent in actu cuiuslibet potestatis, quam habent ut collegium, sed non omnes fideles, imo nec omnes clerici, imo nec omnes sacerdotes … equaliter se habent ad ius potestatis clavium … quoniam alias non fuisset distinctio potestatis inter apostolos nec fuisset distinctio inter sacerdotes maiores et minores nec Petrus fuisset magis caput ecclesie quam aliquis ceterorum … sequitur, quod nec papa nec ecclesie prelati possunt exire in actum sive exercitium eiusdem potestatis nisi ad minus convocatis omnibus fidelibus tam laicis quam clericis. AaO, fol 135ra. Quinta conclusio: Plenitudo potestatis clavium iurisdictionis non est data universali ecclesie ut universali sive omnibus eius membris coniunctim … Regimen ecclesie est monarchicum, sed in principatu monarchico plenitudo potestatis non est apud omnes sive apud communitatem, sicut est in regimine politico, sed solum apud unum … Si plenitudo potestatis est apud universalem ecclesiam totam, sequitur, quod non est apud papam. AaO, fol 135rb. Plenitudo potestatis, que ponitur in ecclesia, aut est una et eadem numero cum ea, que ponitur in papa, aut est alia. Sed non potest dici, quod sit alia, quia sic essent due supreme potestates sive plenitudines potestatis, quod esse non potest … Non potest etiam dici, quod sit una et eadem numero plenitudo potestatis, quia si sic tunc neque papa esset superior et prelatus ecclesie nec ecclesia potest dici superior potestate ipso romano pontifice, quod tamen adversarii volunt. AaO … licet sit eadem, quia tamen … illa potestas est excellentiori modo in ecclesia, scilicet invariabiliter et inobliquabiliter, quo modo non est in papa, ecclesia habet iurisdic /fol 135va/ tionem supra papam, non valet aliquid, … cum talis differentia … non augeat nec minuat potestatem ipsam …

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Im Anschluss an seine Überlegungen erörtert Torquemada das oft zitierte Augustinuswort, Petrus habe seine Autorität lediglich in figura ecclesiae erhalten und nicht persönlich, um dadurch auszudrücken, er respräsentiere lediglich die Kirche oder bilde sie ab wie ein im Auftrag des Papstes handelnder Legat. Auch diese Interpretation basiert auf einem Missverständnis, weil Petrus seine Gewalt nicht von der Kirche hat, als wäre er ihr Sachwalter oder Syndicus, sondern unmittelbar von Christus. Nicht sie vertritt er, sondern den Herrn der Kirche32. Im Unterschied zu den Bischöfen, die die Apostel repräsentieren, und dem Konsistorium der Kirche, dem Senat der Kardinäle, die bei Sedisvakanz den neuen Papst wählen, stellt allein Christus das Oberhaupt dar 33. Argumente und Beispiele ermöglichen es schließlich Torquemada, das die Gegner in ihren Phantasien (somnia) inspirierende Augustinuswort im richtigen Sinn zu deuten und seine eigene Primatskonzeption definitiv zu erläutern. Petrus hat nicht im Namen der Kirche und als ihr Vertreter die Schlüssel empfangen, als wäre er bloß durch sie bevollmächtigt. Er hat auch nicht, als er sie empfing, die Kirche in allen ihren Gliedern abgebildet, sondern nur deren Vornehmste, die Bischöfe und Priester. Sie wurden ihm nicht nur in seiner Person anvertraut, sondern als jemand, der sämtliche Prälaten repräsentiert, auf die seine Vollmacht übertragen werden sollte34.

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C. 75, fol 138rb. Hoc autem modo representationis sive figurationis non potest dici sine errore, quod Petrus significaverit ecclesiam, quoniam ipse, cum non ab ecclesia potestatem acceperit, sed a Christo immediate … sed Christi vices gerit et non ecclesie, sed Christi legatione fungitur non ecclesie, sed Christi vicarius est, sicut cuius auctoritate fungitur. Zum Titel vicarius Christi s. M. Maccarone, Vicarius Christi 255–262. AaO, fol 139rb. AaO, fol 139ra … dicimus, quod huiusmodi dicti Augustini non est intelligentia, quam adversarii pretendunt et in qua pro maiori parte fundant somnia sua, quoniam … beatus Petrus non ita nomine aut figura ecclesie dicitur claves suscepisse tanquam procurator aut sindicus eius, cum ipse pre ceteris omnibus tanquam caput plenius eas susceperit nec etiam, cum claves suscepit, significasse ecclesiam in omnibus membris eius, quia hoc est derisorium, sed tantum in principalioribus, videlicet episcopis et presbiteris … Sed vera et sana intelligentia illius dicti iuxta catholicam fidem hec est, quod data est Petro potestas clavium non tantum pro se, sed etiam ut significanti et figuranti universos ecclesie prelatos, in quos eius potestas derivanda esset … Fol 139rb. Ex quibus verbis clarissime colligitur, quod Petrus significando ecclesiam aliquando figurabat eam quoad aliquos tantum, non quoad omnes, et ita in proposito: Petrus quando claves accepit, ecclesiam sanctam significavit non quoad omnes, sed quoad aliquos tantum, videlicet successores eius et alios prelatos in ecclesia sancta futuros, in quos ab eo derivanda erat ipsa clavium potestas. Zu Torquemadas Interpretation der Augustinustexte s. Th.I. Izbicki, A Papalist Reading 622–634.

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Auf Grund der im Mittelpunkt von Torquemadas Ekklesiologie stehenden These von der Konzentration der Schlüsselgewalt im Papst, die in streng hierarchischer Abstufung auf die Apostel und Bischöfe vermittelt wird, beschränkt er sich auf die Widerlegung des von den Konziliaristen vertretenen Gedankens, Petrus habe die Vollmacht in figura ecclesiae stellvertretend für alle Glieder der Kirche empfangen und repräsentiere sie daher, ohne deren einziger Ursprung zu sein. Der Umstand, dass er die höchste Gewalt nur in den Bischöfen abbildet und an sie weiterleitet, schließt die Existenz einer in der Kirche unabhängig vom Papst ruhenden Gewalt aus. Sie kann deshalb auch nicht in der Versammlung der Gläubigen, im Konzil, liegen. Auf genauere Diskussionen der Idee einer Repräsentation, wie immer man sie verstehen mag, glaubt Torquemada verzichten zu können, da eine durch sie zu rechtfertigende Limitierung der päpstlichen Jurisdiktion nicht akzeptabel ist 35.

2. Das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt Hat Torquemadas Betonung der päpstlichen plenitudo potestatis Rückwirkungen auf das Verhältnis von Kirche und Staat? Legt sich nicht eine hierokratische Weltordnung unter den gemachten Voraussetzungen nahe? Das ist nicht der Fall. Sein Ideal ist ein mittlerer Weg zwischen der These, kraft seines Papats habe der römische Pontifex gar keine Herrschaft über Zeitliches und der Annahme, er habe als Vikar Christi volle Jurisdiktion über Geistliches und Weltliches auf der Erde 36. 35

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Zum Begriff der Repräsentation s. H. Hofmann, Repräsentation, bes. 264–276. W. Krämer, Konsens und Rezeption, bes. 326–337; ders., Die ekklesiologische Auseinandersetzung um die wahre Repräsentation. W. Brandmüller, Sacrosancta synodus; ders., Papst und Konzil im Großen Schisma (1378–1431). Art: Repräsentation (E. Scheerer). Th. Prügl, Modelle, bes. 274–280. H.G. Walter, Imperiales Königtum 243–260. L. II, c. 113, fol 176va. Perlectis autem diversis modis duos dicendi modos extremos inter alios reperimus. Primus est dicentium, quod romanus pontifex ratione sui principatus in solis spiritualibus consistat ita, quod nullo modo iure papatus ad temporalia se extendat. Iure papatus dicunt, quia alias bene concedunt eum in temporalibus iurisdictionem aliquam posse habere utpote in his, que donatione fidelium aut principum permissione acquisita sunt ecclesie. Secundus modus dicendi est asserentium totaliter oppositum, scilicet quod romanus pontifex iure sui principatus sive vicariatus Christi habeat in toto orbe terrarum plenam iurisdictionem non solum in spiritualibus, adjicientes, quod omnium principum secula/fol 176vb/rium iurisdictionalis potestas a papa in eos derivata est. Nos vero declinantes, quantum in nobis fuerit, has predictas vias, que nobis videntur minus probabiles … Incedentes ergo media via ponemus has duas conclusiones. Zu Vorläufern und Zeitgenossen s. M. Grabmann, Studien. Hier zitiert nach: M. Grabmann, Gesam-

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Den anzustrebenden Ausgleich umschreibt er so: Der Papst hat eine gewisse (aliqua) Rechtsgewalt im weltlichen Bereich, aber nicht in der umfassenden Weise, wie es hierokratische Theoretiker wollen, sondern nur insoweit sie erforderlich ist, um das geistliche Wohl zu erhalten, seelsorgliche Aufgaben wahrzunehmen und Sünder zu bestrafen37. Daraus folgt: Der Papst ist kraft seines apostolischen Amtes nicht Herr des Erdkreises38. Er kann sich auch nicht den Namen eines Königs oder Kaisers anmaßen39. Gegenüber Ämtern und Besitzungen von Laien hat er nicht die Freiheiten, die ihm über Kleriker gegeben sind. Auf Lehen hat er ebenfalls keinen unmittelbaren Zugriff. Auf weitere Beispiele für Grenzen seiner Vollmacht dürfen wir verzichten, da das Gemeinte hinreichend klar ist: Die Gewalt des Papstes in zeitlichen Dingen ist von grundsätzlich anderer Art als die der Fürsten, da sie Bedingungen unterliegt, die irdische Machthaber kraft ihres Prinzipats nicht zu beachten haben. Die dem römischen Pontifex gegenüber säkularen Autoritäten zukommenden Rechte in zeitlichen Dingen haben ihren Grund in seiner Weisungsbefugnis im Hinblick auf das letzte Ziel der Christenheit, die ewige Seligkeit 40. Das bewusst weit gefasste Prinzip ermöglicht ihm eine Vielfalt von Eingriffen in den staatlichen

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melte Akademieabhandlungen. T. Begnügt sich mit einer kurzen Charakterisierung der konkurrierenden Standpunkte, ohne Namen zu nennen. Ob er die hierokratischen Thesen der Dominikaner des 14. Jahrhunderts gekannt hat, bleibt offen. Dazu hier nur einige Hinweise. Zu Remigio de’ Girolami s. die Einleitung von Ch.F. Davis zur Edition von Contra falsos Ecclesiae professores III–XX. Zu Tolomeo von Lucca s. J. Miethke, Politiktheorie 86–94. Zu Guido Vernani s. F. Cheneval, Die Rezeption 117–150. Die Edition des Tractatus de potestate summi pontificis 423–445. Ferner: Th. Käppeli, Der Dantegegner. Die Edition des Tractatus de reprobatione Monarchie composite a Dante 123–146. AaO. Prima est contra primum modum dicendi, quod romanus pontifex iure principatus sui habeat iurisdictionem aliquam in temporalibus in toto orbe christiano … Secunda conclusio contra secundum modum dicendi est, quod licet papa habeat aliquo modo iurisdictionem in temporalibus in toto orbe christiano, non tamen ita amplam sive plenariam aut extensam, sicut illi de secundo modo asserunt sive dogmatizant, sed quantum necesse est pro bono spirituali conservando ipsius et aliorum, sive quantum ecclesie necessitas exigit aut debitum pastoralis officii in correctione peccatorum exposcit. AaO. Papa non sic est dicendus habere iurisdictionem in temporalibus iure papatus, ut sic dicendus sit totius orbis dominus. Fol 177va. Secunda propositio. C. 114, fol 178rb. Prima propositio est: Romanum pontificem potestatem et iurisdictionem iure papatus sui habere in temporalibus aliquo modo colligitur ex eo, quod eius principatus directivus et preceptivus sit potestati seculari in administratione sui officii secundum exigentiam finis ultimi, qui est ipsa beatitudo suprema, ad quam omnes fideles dirigendi sunt.

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Bereich, die naturgemäß keiner anderen Gerichtsinstanz unterstehen. Ihre Legitimität basiert auf dem Umstand, dass der Papst den Gipfel (apex) der geistlichen und weltlichen Gewalt innehat – eine Reminiszenz an einen Text aus dem Sentenzenkommentar des Aquinaten –, auch wenn er letztere in einer anderen Weise besitzt, als sie die Fürsten haben, insofern er sie nur unter Bedingungen, in außerordentlichen Fällen, unmittelbar anwenden darf. Er handelt dann meliori modo als säkulare Machthaber, indem er befiehlt, leitet und reguliert 41. Seine Weisungsbefugnis gründet auf seinem Amt als Hirt aller Gläubigen, in die das Recht eingeschlossen ist, über Sünden zu urteilen 42. Fürsten, die bei der Ausübung ihrer Aufgaben schuldig werden, darf er mittels kirchlicher Zensuren zur Ordnung zwingen und absetzen, falls sie sich als pflichtvergessen oder unfähig erweisen. Auch sind dem Papst – unter Berufung auf Unam sanctam Bonifaz’ VIII. – beide Schwerter anvertraut, wobei er allerdings nur die dispositio auctoritativa, nicht aber die materialis exercitatio gegen Ungläubige, Häretiker, Schismatiker und Tyrannen hat 43. Ihm obliegt ferner die Aufgabe, in allen menschliche Handlungen betreffenden Fragen, bei denen untergeordnete Instanzen verschiedener Meinung sind, zu entscheiden44. Ferner sind die Christen gehalten, dem Pontifex nicht nur in das Wohl der Kirche berührenden Notfällen beizustehen, sondern auch in Situationen, die seinen apostolischen und persönlichen Status betreffen45. Ein unwiderlegbares Zeugnis für die Legitimation des Papstes, unter den beschriebenen Umständen und Bedingungen in die staatliche Ordnung einzugreifen, sieht

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AaO, fol 178va. Ex quibus omnibus patet, quod veraciter romanus pontifex apicem habeat potestatis tam spiritualis quam secularis vel temporalis, licet temporalis non in omnibus secundum eundem modum, secundum quem habetur a principe seculari, sed modo digniori, superiori et perfectiori … non enim sic habet eam, ut exerceat eius opera immediate, nisi in aliquibus casibus … sed agit opera eius meliori modo, scilicet imperando, dirigendo et regulando ad suum finem operibus eius utendo. Zum apex potestatis s. Thomas v. A., In II Sent., d. 44, a. 3 ad 4, expos. Textus. AaO, fol 173a. Propositiones 2 u. 3. AaO, fol 179vb. Sexta propositio: Romanum pontificem habere iurisdictionem in temporalibus ex eo ostenditur, quod utrumque gladium habere dinoscitur … Fol 180ra. Pertinebit ergo dispositio auctoritativa gladii materialis adversus infideles, hereticos, schismaticos et tyrannos maxime ad romanum pontificem. Vgl. Bulle Unam sanctam, Extr. Commun. 1, 8, 1 De maioritate et obedientia (Friedberg II 1245f). AaO, fol 180ra. Septima propositio … ad eum (papam) iure summi sacerdotii spectat declarare, diffinire, et iudicare dubia et ambigua circa quascumque actiones hominum personales, que inter iudices inferiors sive clericos sive seculares variantur. AaO, fol 180rb. Octava propositio … fideles non solum tenentur subvenire romano pontifici in necessitatibus incumbentibus pro bono totius universalis ecclesie, sed etiam in necessitatibus status sui apostolici et persone.

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Torquemada dadurch gegeben, dass der Pontifex das römische Imperium von den Griechen auf die Deutschen übertragen und das Recht zur Königs- und Kaiserwahl den Fürsten verliehen hat46. Dass der Papst kraft seines Amtes zeitliche Jurisdiktion in radice besitzt, zeigt sich schließlich darin, dass er sich ihrer während der Vakanz des Imperiums „auf Zeit“ erfreut, denn sonst hätte er deren Ausübung nur als Konzession des Kaisers 47. Thesen und Beispiele belegen, dass Torquemada die Eigenständigkeit der staatlichen Ordnung gegen hierokratische Tendenzen seiner Zeit anzuerkennen bereit ist, ohne dem Papst jegliche Gewalt abzusprechen, die ihm als Oberhaupt der Kirche im Blick auf das Endziel der Christenheit „in der Wurzel“ zusteht. In säkularen Dingen ist sie allerdings an eine Reihe von Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft und muss dem Heil und dem Wohl aller dienen. Torquemada hat seine These sachlich und frei von Polemik vorgetragen, ohne anzudeuten, gegen wen sie sich richtet. Aus dem von H. Jedin edierten Opusculum gegen Rodrigo Sánchez de Arévalo wissen wir jedoch, dass er dessen hierokratische Ansichten gekannt hat. Dasselbe dürfte für die Monarchia des Dominikaners Johannes Falkenberg gelten48.

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AaO, fol 180va. Undecima propositio: Romanum pontificem habere potestatem et iurisdictionem temporalem inconvincibili testimonio arguitur ex eo, quod imperium romanum a grecis transtulit in germanos et potestatem ac ius eligendi regem imperatorem postmodum cunctis principibus contulit. T. bezieht sich auf die Dekretale Venerabilem, X, 1, 4, 34 (Friedberg II 80). AaO. Duodecima propositio: Romanus pontifex arguitur habere iure suo iurisdictionem temporalem in radice, quia vacante imperio ipse habet iurisdictionem in temporalibus … Et ex hoc clare patet, quod papa iure suo iurisdictionem habeat temporaliter, quia alias executionem in predicto casu et in aliis non haberet, nisi ei concederet imperator. In einem gegen Rodrigo Sánchez de Arévalo verfassten Opusculum hat T. den göttlichen Ursprung des Imperiums verteidigt. Vgl. H. Jedin, Juan de Torquemada und das Imperium Romanum. Das Opusculum ad honorem Romani imperii et dominorum Romanorum 267– 278. Zu R. Sánchez de Arévalo s. M. Grabmann, Studien über den Einfluß 922–937. Ferner Art.: Sánchez de Arévalo (García y García). Zu Johannes Falkenberg s. SOPMA II 418–421. Sein Werk De monarchia mundi wurde von W. Sénko ediert. S. bes. P. III, ed. cit. 150–183. Zu Falkenbergs Auseinandersetzungen mit Dantes Monarchia s. F. Cheneval, Die Rezeption der Monarchia Dantes 258–284. Zum Inhalt der Monarchia s. H. Boockmann, Johannes Falkenberg 135–154. S. auch die während des Konzils zirkulierende französische Übersetzung von De origine iurisdictionum des Durandus de S. Porciano, die der Dominikaner Laurentius Pignon angefertigt hat: Laurens Pignon, OP: Confessor of Philip the Good.

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Torquemadas Sicht des Verhältnisses zwischen geistlicher und säkularer Gewalt darf man als eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Theorie von der potestas indirecta der Kirche gegenüber dem Staat werten, wie sie später Bellarmin vertreten hat49.

3. Die Konstanzer und Basler Superioritätsdekrete Die Basler Theologen werden von Torquemadas Argumenten zugunsten der plenitudo potestatis kaum beeindruckt worden sein, da sie ihnen naturgemäß aus den konziliaren Diskussionen bekannt gewesen sind. Auch hielten sie, wie sie überzeugt waren, einen sicheren Trumpf in Händen: das Dekret Haec sancta. Für die Vertreter der päpstlichen Fraktion kam darum alles darauf an, dessen Unverbindlichkeit schon am Ursprung, in seiner Entstehungsgeschichte, zu erweisen. Torquemada hat sich deshalb ausführlich mit dem Zustandekommen von Haec sancta – auf Frequens geht er bezeichnenderweise nicht näher ein – beschäftigt und Gründe vorgelegt, die einen beträchtlichen Einfluss bis ins kommende Jahrhundert gehabt haben. Seine Interpretation hat er mit persönlichen Erinnerungen versehen, die dem Leser die Fragwürdigkeit jenes in Basel bekräftigten Dokuments vor Augen führen sollten. Da die Annahme der Konziliaristen, die Kirche sei in irgendeiner Weise Inhaber oder Teilhaber der höchsten Gewalt, als widerlegt zu gelten hat, müssen auch die Voraussetzungen von Haec sancta irrig sein. Alle Versuche, dem Dekret eine Berechtigung zuzuerkennen, sind damit prinzipiell abgetan. Die später entwickelten Theorien, dem Konstanzer Entscheid einen dogmatisch akzeptablen Sinn zu geben, hätte er für überflüssig gehalten. Die neuzeitlichen Interpretationsversuche gehen freilich andere Wege: So die These, Haec sancta sei eine Notstandsmaßnahme angesichts einer sonst nicht lösbaren Situation50. Oder die Meinung, das Dekret sei zwar gültig, aber nicht irreformabel und habe deshalb keinen definitiven Charakter 51. Auch hätte es nach Torquemada nicht der Annahme W. Brandmüllers bedurft, das Fehlen sonst üblicher theologischer Qualifizierungen – wie 49

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Vgl. F.-X. Arnold, Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin. J.C. Murray, St. Robert Bellarmine. Vgl. J. Hollnsteiner, Das Konstanzer Konzil. Zur Diskussion s. H. Riedlinger, Hermeneutische Überlegungen. W. Brandmüller, Besitzt das Konstanzer Dekret ‘Haec sancta’ dogmatische Verbindlichkeit? I.H. Pichler, Die Verbindlichkeit der Konstanzer Dekrete. Ausgewogen B. Tierney, Hermeneutics and History. S. ferner den Überblick bei A. Frenken, Die Erforschung des Konstanzer Konzils, bes. 365–389. H. Müller, Die kirchliche Krise 25–28. S. auch Th. Prügl, Ökumenisches Konzil.

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reprobare, condemnare, haereticare – und die Nichterwähnung eines Anathems, zeige, dass das Dekret „keine lehramtliche Äußerung über das Verhältnis von Papst und Konzil“ mache. Und ferner: Es handele sich lediglich um ein kanonisches Gesetz zur Herbeiführung der Union und Reform der Kirche. Schließlich sei der Satz cui (concilio) quilibet … etiam si papalis existat, obedire tenetur zu übersetzen „selbst wenn ein Inhaber der päpstlichen Würde existieren sollte“. Da es nun damals keinen allgemein anerkannten Papst gegeben habe, wollte man „die Maßnahmen des Konzils gegen jeden subjektiven Anspruch der drei Contendentes durchsetzen“ 52. Das heißt wiederum: Einen dogmatischen Anspruch hat das Dekret nicht erhoben. Uns geht es hier nicht darum, die erwähnten Deutungsversuche zu würdigen; zu illustrieren war lediglich, in welche Schwierigkeiten Haec sancta die spätere Ekklesiologie gebracht hat und wie sehr man sich bis in die Auseinandersetzungen mit gallikanischen Ideen um neue Interpretationen bemüht hat, die dem sperrigen Text die Spitze nehmen sollten53. Torquemada hingegen hat wie viele seiner Mitstreiter nicht im selben Maß die Notwendigkeit gesehen, solche Erwägungen anzustellen, da sich seinen Konstanzer Erfahrungen zufolge eine einfachere und radikalere Lösung empfahl, die das Problem mit einem Schlag aus der Welt zu schaffen versprach. Wie es scheint, wurde sie namentlich im Kreis der spanischen Delegation erörtert, die erst relativ spät von der komplexen Geschichte des Superioritätsdekrets Kenntnis hatte und für den Verzicht ihres Prätendenten plausible Gründe finden musste. Es kommt uns nicht darauf an, die von Torquemada favorisierten Argumente im Einzelnen auf ihre historische Stichhaltigkeit zu prüfen, wir möchten sie lediglich so darlegen, wie sie später im papalen Lager meist ins Feld geführt wurden und ihren Eindruck – etwa bei Cajetan – nicht verfehlten54. In einem ersten Argument wirft Torquemada seinen Gegnern vor, einen verfälschten Text des Dekrets zu bieten, in dem die Worte pro extirpatione praesentis schismatis fehlten, die die damalige Situation klar beschrieben, in der es keinen von allen anerkannten Papst gab 55. Auf dem Gedanken, es sei lediglich um die Ant-

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Das Konzil von Konstanz 1414–1418, Bd. I, 253–256. Dazu s. H. Schneider, Der Konziliarismus als Problem 27–68. Vgl. K. Binder, Konzilsgedanken 169–162. Zur Kritik an T.s Stellungnahme s. P. de Vooght, Les pouvoirs du concile 137–162. C. 99, fol 159va. Ecce manifeste, quod decretum illorum patrum non loquitur universaliter de qualibet synodo universali, sed de illa singulariter, pro cuius tempore non erat in ecclesia unus pastor totius ecclesie indubitatus. T. bezieht sich auf die Version vom 29. März 1415. Text bei G. Alberigo, Chiesa conciliare 168. Zu den Debatten um die Formulierung des Dekrets s. Th. E. Morrissey, The Decree „Haec sancta“ and Zabarella.

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wort auf das Problem jener Tage gegangen und nicht um Grundsätze der kirchlichen Verfassung, insistiert er jedoch nicht weiter, sondern schließt sich dem Urteil „sehr vieler“ aus den Obödienzen Gregors XII. und Benedikts XIII. an, dass die Dekrete nur von „einigen Vätern aus dem Anhang von Johannes XXIII. beschlossen“ worden seien und deshalb als „sehr zweifelhaft“ angesehen werden müssten56. Um seine Meinung zu bekräftigen, unterscheidet Torquemada drei Phasen im Verlauf des Konzils. In der ersten war allein Balthasar Cossa mit seinen Gefolgsleuten versammelt. Im zweiten Abschnitt hat sich Gregor XII. unter gewissen Vorbehalten dem Konzil angeschlossen. Der dritte Teil schließlich begann, als sich Petrus de Luna mit seinen Abgesandten dem neu einberufenen Konzil angeschlossen hat. In dieser Zeit war auch Torquemada, damals noch, wie er schreibt, in minoribus constitutus, anwesend57. Erst jetzt, da alle Obödienzen zusammen waren, kann man von einer in Konstanz repräsentierten Gesamtkirche sprechen58. Anzumerken ist ferner, dass die Obödienzen Gregors XII. und Benedikts XIII. in der Vollversammlung gegen den Anspruch des Konzils, wie es bisher verlaufen war, ihren Widerspruch angemeldet haben, den man auch akzeptierte. Besonders heftig hat Benedikt XIII. mit seiner Behauptung, der wahre Papst zu sein, protestiert und seine Vertreter nach Konstanz gesandt, um dort zu verlangen, in seinem Namen eine neue Synode zu berufen und Balthasar Cossa die Präsidentschaft zu entziehen59. Nach Torquemada geht daraus klar hervor, dass er Haec sancta die Anerkennung verweigert hat60. Außerdem haben die Könige, Prälaten und Fürsten, die zu Petrus de Luna, als dem eigentlichen Papst hielten, Einspruch erhoben, weil sie in der Versammlung unter Johannes XXIII. kein die Kirche

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AaO … tale decretum … est valde dubium apud multos, imo plurimorum iudicio, scilicet eorum, qui fuerunt de obedientia Gregorii et Benedicti, quoniam sicut apertissime patet ex gestis illius congregationis, decreta illa, si ita sint appellanda, facta sunt solum a patribus aliquibus obedientie Joannis XXIII. AaO, fol 159vb … fuimus nos tunc presentes in minoribus constituti. Zeugnisse persönlicher Präsenz auch l. III, c. 14, fol 193ra; c. 26, fol 200vb. AaO. Pro quo solo tempore convenientibus omnibus simul tribus obedientiis fuit certum dicere, quod universalis ecclesia representative congregata esset Constantie. Quibus tribus obedientiis tandem in nomine Christi Constantie convenientibus sub intentione celebrandi concilium universale habita est certitudo et fides apud omnes christifideles universale conci/160ra/lium universalem ecclesiam representans Constantie celebrari … . Zur Gesandschaft s. Oratio synodalis, ed. cit., nr. 7, 6f und Anm. zu Z. 1–2, 6. Benedikt XIII. hatte ein ausgeprägtes Bewusstsein von der päpstlichen Rechtsgewalt. Dazu s. D. Girgensohn, Ein Schisma ist nicht zu beenden, bes. 217ff. AaO. Quod autem hec verba et gesta domini Gregorii prefato decreto contradicant et opponantur, manifestum est.

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repräsentierendes Konzil gesehen haben. Erst nach dem Vertrag von Narbonne, als man willens war, eine neue Synode einzuberufen, waren sie bereit, in Konstanz zu erscheinen, wo sie am 30. März 1417 eintrafen61. Nun waren die Voraussetzungen geschaffen, Konstanz als universales Konzil zu akzeptieren. Die Behauptung, die Obödienz Balthasar Cossas sei die Repräsentation der Kirche, erweist sich folglich als Anmaßung62. Zu ergänzen bleibt, dass auch Johannes XXIII. nach seiner Flucht nach Schaffhausen die Konstanzer Dekrete bitter beklagt und für falsch und irrig gehalten habe 63. Dass nicht einmal das Konzil selbst an Haec sancta festgehalten hat, zeigt nach Torquemada ein Text der 40. Session vom 30. Oktober 1417, wonach der demnächst zu wählende Papst mit dem Konzil die Kirche an Haupt und römischer Kurie erneuern soll. Außerdem sollte die Frage diskutiert werden, in welchen Fällen und auf welche Weise der Papst reformiert oder abgesetzt werden kann64. Zu bedenken ist schließlich: Aus dem Umstand, dass die Konstanzer Synode nach alter Sitte von Martin V. die Bestätigung erbeten hat, muss geschlossen werden, dass sie keine Konzilssuperiorität beansprucht hat 65. Die (indirekte) Approbation sieht er in der Verurteilung der Irrtümer des Johannes Hus gegeben, der behauptet hatte, Petrus sei weder jetzt noch am Anfang Haupt der Kirche gewesen66. Das zweite Zeugnis ist die Bulle Inter cunctas aus dem Jahr 1418 67. Torquemada fügt dem hinzu, diese Auffassung decke sich mit der traditionellen Lehre der Väter und scholastischen Theologen, die in klarem Gegensatz zu den Konstanzer Beschlüssen stünden68. Eine wie auch immer geartete Interpretation von Haec sancta 61 62

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Dazu s. W. Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, Bd. II, 39–54. AaO, fol 160ra. Ex qua contradictione aliarum duarum obedientiarum clarissime percipit quisque doctus, quam presumptuosa sit illa assertio, quod illa obedientia Balthasar Constantie conveniens faceret concilium universale ecclesiam representans. AaO, fol 160ra … amaro animo conquestus est falsa quedam et erronea adversus auctoritatem romani pontificis decreta per emulos suos post recessum eius esse conclusa. COD 444. AaO, fol 160ra … imo tota synodus ex tribus obedientiis congregata statutis suis videtur designasse decretum illud nunquam in mente sua insedisse … Ecce quod manifeste datur intelligi quod synodus illa hoc discernens non approbaverit aut mente habuit illa decreta prima Constantie. Zum Problem der Konzilsbestätigung durch Martin V. s. P. de Vooght, Les pouvoirs 55–80. D, nr. 1207, 439. D, nr. 1264, 446. Eine gegenteilige Interpretation gibt Johannes von Ragusa. Dazu s. J. Santiago Madrigal Terrazas, La eclesiología de Juan de Ragusa 109f. J. Helmrath, Das Basler Konzil 460–477. AaO, fol 160rb – fol 160va … Est autem mirabile quod patres illi Constantie congregati voluerunt uno ictu non solum delere sed hereticare tantorum patrum doctrinam.

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erweist sich somit auf Grund der Entstehungsgeschichte des Dekrets als überflüssig, da es zu keiner Zeit allgemeine Anerkennung gefunden hat. Dass Torquemadas Stellungnahme zu Haec sancta kurialen Kreisen sehr gelegen kam, versteht sich. Sie wurde ihnen in den Einzelheiten bekannt, als er sie in seiner Florentiner Oratio synodalis gelegentlich seiner Disputation mit Kardinal Cesarini vortrug69. Sie gehörte von nun an zum Standardrepertoire der Gegner des Superioritätsdekrets. Zu den frühesten Zeugen dieser Rezeption ist der Dominikaner Heinrich Kalteisen zu zählen, der sie 1440/41 in sein Consilium de auctoritate papae et concilii generalis übernahm70. Die Neuauflage von Haec sancta in der 18. Sitzung des Basler Konzils am 26. Juni 1434 brachte für Torquemada eine Reihe von Problemen mit sich, deren Lösung nicht ganz so einfach war, da die Synode nicht aus Obödienzen bestand, die sich gegeneinander ausspielen ließen. Um dem Dekret auch unter den damaligen Voraussetzungen die Verbindlichkeit abzusprechen, geht er in mehreren Schritten vor. Zunächst merkt er an, dass sich das Konzil geweigert habe, die vom Papst für den Vorsitz bestimmten Präsidenten mit der ihnen zukommenden Autorität zu empfangen 71. Sodann fehle dem Beschluss die Einmütigkeit, denn zahlreiche Prälaten und hochangesehene Doktoren hätten ihm nicht zugestimmt und zwar sowohl in den Deputationen wie in den entscheidenden Sessionen, in denen die Befürworter der Dekrete als Feinde des apostolischen Stuhls auftraten, von ihrer geringen theologischen Qualifikation ganz zu schweigen72. Dieses Argument wird durch den Hinweis ergänzt, dass es keine unanimitas universalis gegeben habe. Damit meint Torquemada die Abwesenheit der kastilischen und der englischen Delegationen, deren Ankunft man nicht abgewartet habe, um möglichst rasch vollendete Tatsachen aus Furcht vor jenen Oratoren zu schaffen, weil man gewusst hätte, dass sie nicht im Sinne der „Basler“ votieren würden 73.

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Oratio synodalis, ed. cit., nr. 6–11, 5–8. Vgl. Th. Prügl, Die Ekklesiologie Heinrich Kalteisens 114f, 121f und 303f. C. 100, fol 160vb Secundo non militant prefata decreta Basiliensis concilii, eo quod concilium illud noluit recipere presidentes pape in auctoritate sua debita iuxta morem antiquorum conciliorum universalium … Dazu s. M. Decaluwe, A Successfull Defeat 152– 163. G. Alberigo, Chiesa conciliare 279–289. Th. Prügl, Il decreto di superiorità (mit reicher Literatur). Ders., Antiquis iuribus et dictis sanctorum confirmare. S. auch I. W. Frank, Der antikonziliaristische Dominikaner Leonhard Huntpichler 335–341. AaO. AaO, fol 160vb. Secundo: non fuerunt unanimitate universali conclusa, quia /161ra/ non expectata plene universali ecclesia nec integre synodo congregata, non enim expectatis plurium regum et principum oratoribus conclusa fuerunt, licet aliquos eorum noverunt iam in via constitutos, unde Basilienses cupidi renovare decreta sua … timentes domi-

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Noch schwerer wiegt der Umstand, dass der apostolische Stuhl keine Zustimmung gegeben hat, ohne die eine Synode keine Gültigkeit ihrer Beschlüsse beanspruchen kann 74. Torquemada weiß freilich, dass seine Gegner solche Argumente nicht gelten lassen, sie verweisen auf die päpstlichen Präsidenten, die, nachdem sie in der 17. Session zugelassen worden waren, geschworen hätten, die Konzilsdekrete zu verteidigen. Dass sie tatsächlich einen Eid abgelegt haben, bestreitet Torquemada nicht, betont aber, dass sie dies lediglich als Privatpersonen getan hätten, da sie sonst nicht als Präsidenten akzeptiert worden wären. Als Nuntien des Papstes hätten sie vielmehr protestiert und nicht an den Sitzungen teilnehmen wollen75. Die „Basler“ ihrerseits beriefen sich auf die Bulle Dudum sacrum vom 1. August 1433, die in der Tat bemerkenswerte Konzessionen an das Konzil enthielt 76. Dem Dokument zufolge hat das Konzil rechtmäßig begonnen und ebenso seine Fortsetzung gefunden. Die durch die Bullen Quoniam alto und Postquam divina vom 12. November angeordnete Auflösung des Konzils wird für null und nichtig erklärt. Das Konzil sollte mit seiner Arbeit fortfahren, wofür es des päpstlichen Wohlwollens versichert sein kann. Und endlich: Eugen IV. widerruft alles, was er zum Nachteil des Konzils oder gegen dessen Autorität veranlasst hat 77.

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norum Castelle et Anglie oratores, quod iam propinquos noverant pro eorum sapientia et zelo ad fidem et apostolicam sedem conclusionibus eorum non prebituros consensum practicaverunt, ut ante adventum prefatorum dominorum innovatio fieret suorum decretorum … Die Gesandtschaft kam am 26. August in Basel an. Vgl. Art: Concilio de Basilea 182. (J. Goñi). AaO, fol 161ra … decreta Basiliensium invalida esse monstrantur, eo quod eis non intervenit assensus apostolice sedis que unamquamque synodum sua auctoritate confirmat. AaO fol 161ra. Quod vero ad hoc dicunt adversarii Basilienses, quod in sessione XVII quando presidentes domini Eugenii fuerant admissi, iuraverunt defendere decreta prefati concilii et specialiter decretum de auctoritate conciliorum nullius est ponderis et inter alia ex hoc, quod, ut in gestis eiusdem concilii habetur prefati domini iuraverunt nominibus propriis, ut scilicet particulares persone et hoc necessitate maxima compulsi, quia aliter in maximum scandalum totius ecclesie non admittebantur ad presidentiam. Non autem iuraverunt illa tenere ut nuncii apostolici, imo inquantum huiusmodi potestati sunt in contrarium nec interesse voluerunt sessionibus, in quibus talia concludebantur. Dazu s. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV 19–22. M. Decaluwe, A SuccessfullDefeat 147–151. Nach H. Jedin „hat er (Eugen IV.) Die bisher von diesem Konzil erlassenen und damit auch die Konstanzer Dekrete bestätigt“, in: Bischöfliches Konzil oder Kirchenparlament? 217. AaO, fol 161ra–161rb. M 29, 78f … decernimus et declaramus praefatum generale concilium Basileense a tempore praedictae inchoationis suae legitime continuatum fuisse et esse, ac prosecutionem habere debere ad praedicta et pertinentia ad ea, perinde ac si nulla

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Wie wird Torquemada auf die ihm triumphierend vorgehaltenen Argumemte reagieren? Die Existenz der Bulle Dudum sacrum konnte er nicht leugnen, gibt sich aber überzeugt, „eine leichte Antwort“ auf die Schlüsse zu haben, die man in Basel daraus zog. Auch jetzt verweist er auf die Umstände, unter denen, wie ihm gewichtige und seriöse Mitglieder der Kurie berichtet hätten, die genannten Dokumente zustande gekommen seien, um deren Autorität zu mindern, da sie in papsttreuen Kreisen großen Anstoß erregt hatten. Den Informationen zufolge wären die Bullen „mehr“ durch Drohungen als durch freien Entscheid des Papstes verfasst worden. So hätten Andreas Donato, Orator Venedigs, und einige Kardinäle, die sich damals in der Nähe Eugens IV. befunden hätten, dem Papst aus Furcht vor einem Skandal bedeutet, sie würden ihn verlassen, konzedierte er die „Adhäsionsbullen“ nicht. Da der Papst zu dieser Zeit bettlägerig war, hätten die Kardinäle die Dokumente taliter – qualiter ausgefertigt und nach Basel gesandt 78. Obschon Torquemada das ihm Erzählte offenbar für glaubwürdig hielt, möchte er die eigene Stellungnahme auf erprobte Argumente stützen, da er wusste, dass die Angelegenheit für die Stimmung in Basel bezeichnend war. In Wahrheit habe, so führt er aus, Eugen IV. niemals den Dekreten des Konzils zugestimmt. Auch habe er sich nicht die in Basel erfundenen Thesen über die Autorität von Konzilien zu eigen gemacht 79. Nach dieser allgemein formulierten Versicherung, der apostolische Stuhl habe seine alte Linie nicht verlassen, formuliert Torquemada seine Interpretation der in den Bullen genannten Konzessionen. Aus der Erklärung, es handele sich um ein rechtmäßig verlaufendes Konzil, darf nicht auf die Approbation der Dekrete geschlossen werden, denn nach alter Synodalpraxis suchen die Väter erst am Schluss einer Synode um die Bestätigung nach80. Dass sie Eugen IV.

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dissolutio facta fuisset. Quinimo praefatam dissolutionem irritam et inanem de consilio et assensu simili declarantes, ipsum sacrum generale concilium Basiliense pure, simpliciter et cum affectu ac omni devotione et favore prosequimur et prosequi intendimus. – Quoniam alto und Postquam divina M 29, 564–567. M. Decaluwe, A Successfull Defeat 72–81. L. Bilderback, Eugene IV and the First Dissolution. G. Christianson, Cesarini 31–36. AaO, fol 161rb. Nam ut refert dominus Andreas Venetus, dominii Venetorum tunc orator, et aliqui domini cardinales tunc apud dominum Eugenium presentes timentes futurum magnum scandalum in ecclesia minati sunt prefato domino Eugenio, quod, nisi bullas adhesionis concederet, ipsum solum recedentes relinquerent. Unde prefato domino in lecto decumbente prefati domini referuntur bullas taliter qualiter expedivisse et misisse Basileam. AaO. Für die Unverbindlichkeit der Konstanzer Dekrete beruft sich Eugen IV. in Etsi dubitemus auf Torquemadas Argumente. Vgl. R. Bäumer, Die Stellungnahme Eugens IV. 348. AaO, fol 161vb.

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nicht gegeben hat, sieht Torquemada durch eine Episode bewiesen, deren Zeuge er selbst war. In der großen Disputation, die er mit Kardinal Cesarini in Florenz führte, hat dieser zugunsten der Basler auf jene Bullen verwiesen. In Gegenwart vieler Kardinäle, Prälaten und Kurialen habe Eugen IV. auf diesen Punkt persönlich geantwortet und gesagt, er habe zwar die Fortsetzung des Konzils gutgeheißen, aber nicht dessen Dekrete approbiert 81. Der Papst habe frühere Äußerungen nicht deshalb widerrufen, weil er dazu nicht autorisiert gewesen wäre, wie die Gegner unterstellten, sondern weil sich unterdessen die Gründe, die ihn seinerzeit bewogen hätten, als nicht zutreffend erwiesen hätten. Auch habe er zunächst den Versprechungen Glauben geschenkt 82. Wenn er ferner geschrieben habe, er wolle den künftigen Verlauf des Konzils mit Wohlwollen begleiten, so sei das in der Absicht geschehen, nur das zu fördern, was mit den Rechten des apostolischen Stuhls in Einklang stehe und in Abhängigkeit von ihm beschlossen werde. Schließlich sind die fraglichen Dekrete nach Torquemadas Einschätzung ungültig, weil sie sich im Widerspruch mit der klassischen Doktrin der großen Theologen befinden und vielmehr den Thesen längst verurteilter Autoren – genannt werden Marsilius von Padua und Ockham – folgen 83. Torquemada steht mit seinem Bemühen, den Papst in einer schwierigen Situation zu entlasten, nicht allein. Wie groß das Entsetzen in papsttreuen Kreisen nach Dudum sacrum gewesen sein muss, entnehmen wir einem Erklärungsversuch des Dominikaners Julianus Tallada. Er habe, schreibt er, das „Reskript“ Eugens IV. „nicht ohne Verwunderung zur Kenntnis genommen“, in dem der Papst sage, er wünsche die Fortsetzung des Konzils und wolle es „in Liebe annehmen“. Auch übertrage er ihm die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern. Diesen Schritt, fügt er hinzu, habe der Papst „vielleicht mit einer vorhersehenden Täuschung getan, um die Gemüter zu beruhigen und Ärgernisse zu vermeiden“. Ob dies ein geringeres Übel sei, überlasse er dem Urteil des Papstes, nicht ohne die Bemerkung anzuschließen, dass die Heuchelei des „ Hirten Petrus“ dem „Lehrer Paulus“ missfallen habe. Zu befürchten sei nun, dass das, was als Zeichen der Demut

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AaO. Unde ipse videlicet Eugenius Florentie in disputatione publica, de qua nos in minoribus constituti respondebamus alleganti in favorem Basiliensium reverendissimo domino Juliano de Cesarinis … presentibus dominis cardinalibus pluribusque aliis prelatis et officialibus curie ad argumentum de huiusmodi bullis respondit ita dicens: Nos quidem bene progressum concilii approbavimus volentes, ut procederet, ut inceperat, non tamen approbamus eius decreta. – Dieser Bericht bestätigt, dass die Oratio synodalis der Niederschlag einer tatsächlichen Disputation ist. Dazu s. J. Helmrath, Die lateinischen Teilnehmer des Konzils, bes. 195–197. AaO. AaO, fol 162ra.

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gedacht gewesen sei, in Wahrheit die Autorität des höchsten Amtes beeinträchtige und als rechtliche Notwendigkeit verstanden werde. Daraus könnten „viele Neuerungen“ erwachsen und schließlich den römischen Primat entleeren. Tallada schlägt nun seinerseits vor, der Papst möge Kardinäle und Theologen berufen, um die Dekrete von Konstanz und Basel zu prüfen, inwieweit sie den Beschlüssen der alten Konzilien entsprächen. Es sei nämlich keine neue Erfahrung, dass es zwischen Synoden öfter Differenzen gebe 84. Die Erklärung Torquemadas, der kranke Papst habe Drohungen nachgegeben, scheint Tallada unbekannt gewesen zu sein. Mit der Ablehnung der Basler und Konstanzer Superioritätsdekrete folgt Torquemada seiner alten, kompromisslosen Linie, wobei ihm seine auf beiden Synoden gesammelten Erfahrungen und sein kanonistisch-theologisches Wissen zu Hilfe kamen. Gleichwohl mag auffallen, dass er in unserem Zusammenhang wiederum Formalien zur Verteidigung der päpstlichen Position ins Feld führt, die die sachlichen Argumente verschärfen. In Konstanz war es eine Fraktion, die Obödienz Johannes XXIII., die die Gunst der Stunde zu nutzen wusste, um folgenschwere Dekrete zu verabschieden, während Basel deren Neuauflage durchsetzte, ohne die Ankunft der spanischen und englischen Delegation abzuwarten. Ob dann die Versammlung anders votiert hätte, fragt er nicht. Auch werden viele Zeitgenossen seine Deutung von Dudum sacrum nicht für das letzte Wort gehalten haben. In Basel ist die Bulle offenbar von vielen nicht so verstanden worden, wie Tallada bezeugt. Seine Vorbehalte lassen eine andere Sicht der Dinge erkennen. Die Meinung, die Legaten hätten nur in privater Eigenschaft fungiert, wird ebenfalls kritisch zu lesen sein.

4. Die Lehrautorität des Papstes Ehe wir uns dem Problem der höchsten Lehrautorität in seiner Summa zuwenden, sei ein Rückblick auf eine erste Erörterung des Themas durch Torquemada eingefügt. Gemeint ist die Rede, die er auf dem Mainzer Reichstag von 1439 vor den

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Zum Befremden das, Dudum sacrum auch oder gerade in papalen Kreisen erregte s. U. Horst, Autorität und Immunität 31–34. Text: Joannis de Turrecremata de potestate papae et concilii generalis, Tractatus notabilis, ed. J. Friedrich 78f. Non autem absque ammiratione vidi aliter scriptum in rescripto D. Eugenii, quo concilium Basileense se prosequi velle et caritate amplecti confitetur … Quod fortasse provida quadam simulatione actum vel dictum est ad contendandum animos insolentium et scandala evitanda … Simulatio enim Petri pastoris Pauli doctori displicuit.

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drei geistlichen Kurfürsten gehalten hat 85. Sie hatte die Absicht, die Adressaten von einer Zustimmung zu den Basler Dekreten mit dem Argument abzuhalten, dass ihnen die Approbation des Papstes fehlte 86. Schon die Worte, mit denen er sich und seine Mission vorstellt, verraten, mit welcher Autorität er in der Versammlung auftritt: Er ist nach Mainz als Orator des „apostolischen Throns“ gesandt, der sich dank göttlicher Huld einer solchen Festigkeit in der Wahrheit erfreut, dass sich sein Urteil in Glaubensdingen nicht irren kann 87. Der „jenem Sitz“ anvertraute Auftrag, „Lehrer des Glaubens“ und „Angelpunkt der Kirchen“ zu sein, gründet darin, dass er mit dem ihm zukommenden Geschenk eines „infalliblen Urteils“ ausgezeichnet worden ist 88. Es mag überraschen, dass Torquemada hier und bei der wörtlichen Wiederholung dieses Textes in der Summa den Begriff der Infallibilität verwendet, der damals für gewöhnlich in der scholastischen Theologie Gott, der hl. Schrift und der Glaubensregel reserviert wurde 89. Die Zuhörer werden den schon in der Begrüßung erhobenen Anspruch wohl kaum mit Zustimmung vernommen haben, doch dürften die theologisch-kanonistisch Versierten unter ihnen bemerkt haben, dass der Redner schon einleitend, dann aber in der Fortsetzung noch deutlicher mit Bedacht vom „apostolischen Thron“ und dem „Sitz“ gesprochen hat und nicht einfach vom Papst, und dass diese Begriffe „mehr“ umfassen als die Person, die das höchste Amt innehat. Was in der Rede gemeint ist, zeigt sich in dem Satz, dass es Sache eines auf ökumenischen Konzilien anwesenden Papstes ist, kontroverse Glaubensfragen mit einem Urteil definitiv zu beenden 90. Die Begründung wird mit einem vielsagenden Zitat nach Deut 17, 8–12 gegeben. Dort hat Gott dem Volk Israel folgende Weisung offenbart: Sollte sich ein Urteil als schwierig oder zweifelhaft erweisen und die Worte der 85

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Dazu s. H. Hürten, Die Mainzer Akzeptation und J. Helmrath, Das Basler Konzil 297–306. Ich nehme im Folgenden schon früher geäußerte Gedanken auf: Kardinal Juan de Torquemada 390–336. Text der Rede bei P. Massi, Magistero infallible 165–176. Ed. cit. 165. Tanta soliditate veritatis apostolicum thronum, cuius nos oratores sumus … clemencia divinitatis firmavit, quod … iudicium eius in hiis que fidei sunt, errare non possit. AaO. Decebat sane, ut sedes illa, que superni consilii magistra fidei et cardo omnium instituebatur ecclesiarum, in hiis que fidei sunt hominumque necessaria saluti, ab ipso omnium auctore Deo, cuius providencia in sui dispositione non fallitur, hoc preclaro infallibilitatis munere iudicii donaretur … T. hat diese gewichtigen Worte bezeichnenderweise in der SE, l. II, c. 109, fol 169vb wörtlich übernommen, vermeidet aber sonst den Begriff der infallibilitas. Zum Wortgebrauch bei Thomas s. P. Rodríguez, „Infallibilis“. AaO. 169 … ad romanos pontifices, consiliis universalibus presentes, expectat exortas fidei questiones sententia diffinitiva terminare …

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Richter Eindeutigkeit vermissen lassen, so gehe an einen Ort, mit dem nach der Glosse die Kirche gemeint ist. Hier wirst du vor einen Richter, den Pontifex, treten, der gerade sein Amt ausübt, und von ihnen, die über dich urteilen, das wahre Urteil erbitten, dem du zu folgen hast 91. Bei dem so paraphrasierten Text fällt auf, dass er zwischen dem Priester und Richter im Singular und einem Kollegium (ab eis) changiert. Torquemada folgert daraus: Auch wenn das Kollegium der Priester zusammen mit dem Pontifex die schwierigen Fragen erörtert, obliegt der Gerichtsentscheid allein dem Pontifex 92. Das heißt: Dem Gremium der Priester hat Gott zusammen mit dem Pontifex die Diskussion des umstrittenen Falles anvertraut, doch hat er dem Vorsteher das definitive Schlusswort übertragen. Oder auch: Beide, das Kollegium und sein Präses, müssen zusammenwirken, obschon Letzterer das Urteil spricht und Gehorsam fordert. Diese alttestamentliche Weisung wurde auch vom Apostelkonzil praktiziert, in dem die Basler das klassische Argument für ihre Sicht des Primats sehen. Einem Wort des hl. Hieronymus zufolge war Petrus der „Anführer“ (princeps) des von allen verabschiedeten Dekrets (Apg 15) 93. Dem Umstand, dass Petrus und die Apostel gemeinsam entschieden haben, widerspricht nicht, dass Petrus die eigentliche Rolle beim Zustandekommen gespielt hat 94. Er – und nicht die anderen – war der princeps, der „Urheber“ (A. Fürst). Und weiter: Zwischen ihm und den Aposteln bestand eine so enge Beziehung, dass dadurch sein Vorrang nicht gemindert oder gar aufgehoben worden wäre. Dieses Verhältnis und diese Zuordnung zwischen Haupt und Kollegium, wie sie jene Zusammenkunft in Jerusalem exemplarisch bezeugen, haben ihre Fortsetzung in den Konzilien gefunden, auf denen der Papst als Vorsitzender amtiert. Damals wie heute ist er „Mund der Apostel“ und „Scheitel des Kollegiums“ 95. 91

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AaO. … surge et ostende ad locum, glossa, id est ecclesiam, veniesque ad sacerdotem et iudicem, id est ad pontificem, qui fuerit illo tempore, queresque ab eis, qui iudicabunt tibi iudicii veritatem. AaO. 170. Ecce quam aperte Dominus, licet sacerdotum collectio simul cum pontifice dubiarum gravium discussionem assignaverit, uni tantum summo scilicet sacerdoti iudiciales diffinitiones, cui sub pena mortis parendum esset, attribuit. AaO. (Petrus) princeps fuit decreti de non observanda lege post evangelium. Vgl. Hieronymus, ep. 112, n. 8, ed. A. Fürst, Augustinus – Hieronymus. Epistolae mutuae 186. AaO. Dass „Petrus und die Übrigen“ in senteniam illam deveniunt non arguit quod Petrus princeps synodalis diffinitionis non fuerit. AaO. … assistentia enim, qua Spiritus Sanctus conventibus dignatur intervenire sanctorum, cum non tollat ordinem ab ecclesia, non communitatem, non connexionem totius corporis ad unum caput, nullo modo dicenda est abstulisse a Petro in conciliis apostolorum nec a successore in aliis conciliis universalibus, principatum aut presidentie dignitatem … Petrus erat os discipulorum, vertex collegii et caput apostolici chori.

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Auf dem Hintergrund der Mainzer Versammlung haben Torquemadas Worte ihre besondere Bedeutung als Kritik und Mahnung nach den Basler Zerwürfnissen. Das vorbildliche Zusammenwirken von Petrus und den Aposteln hat Basel missachtet und die enge Zuordnung beider zerstört, indem es die Bischöfe gegen den Papst ausgespielt hat. Das Apostelkollegium, auf das sich das Konzil gern beruft, bezeugt genau das Gegenteil. Dass einzelne Päpste im Verlauf der Geschichte zuweilen von der Wahrheit abgewichen sind, spricht nicht gegen das Privileg des apostolischen Stuhls, weil es sich nicht einfach auf Personen in privater Eigenschaft bezieht, es handelt sich vielmehr um eine Prärogative, die dem „Sitz“ eignet, der verbindlich nur in einem öffentlichen Urteil entscheiden kann96. Welchen Bedingungen und Voraussetzungen es zu entsprechen hat, wird später zu erörtern sein. Die Mainzer Rede ist eine wichtige Etappe in der Entwicklung von Torquemadas Konzeption des päpstlichen Lehramts, die bereits viele Elemente enthält, denen wir in der Summa in detaillierter Gestalt begegnen werden. Kehren wir nunmehr zu Torquemadas Hauptwerk zurück. Nachdem er den Anspruch, den die Konstanzer und Basler Superioritätsdekrete erhoben haben, widerlegt zu haben glaubt, wendet er sich anschließend der durch eine lange kanonistisch-theologische Tradition begründeten Konzilstheorie zu, der er eine bemerkenswerte Deutung der Lehrautorität des Papstes vorausschickt. Die kurze Erörterung der Möglichkeit und der Folgen einer Häresie des Oberhauptes soll wohl zeigen, zwischen welchen Extremen man sich bei diesem Fragenkomplex bewegt 97. Das eigentliche Interesse gilt indes zunächst dem Problem, ob und wie der römische Pontifex so vom Hl. Geist geleitet wird, dass er in Glaubensentscheiden nicht irrt. Dass er tatsächlich dieses Privileg hat, bestätigen die durch Päpste approbierten kanonischen Schriften sowie die Konzilien98. Dass er sich eines solchen Vorzugs erfreut, zeigt die an Petrus gerichtete Weisung Christi aus dem

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AaO 174. Nec obstat huius dignitatis privilegio apostolice sedis, aliquos pontifices quandoque male sensisse, quoniam hoc privilegium non est personarum secundum se, sed sedis, hoc est iudicii publici quod in apostolica sede romanus pontifex de concernentibus fidem necessitatemque salutis humane … C. 102, fol 163ra. Unde proprie loquendo nec propter heresim papa deponitur a concilio, sed potius declaratur non esse papa, cum ostenditur, quod in heresim fuit collapsus et incorrigibiliter in ea obstinatus perseverat. Fol 163rb: Et ratio est, quia in primo cadendo a petra fidei cadit a papatu … et ita efficitur minor quocumque fideli. C. 112, fol 173vb … credendum est, quod romanus pontifex in iudicio eorum, que fidei sunt, spiritu sancto regatur et per consequens in illis non erret, alias posset quis eadem facilitate dicere, quod erratum sit in electione quatuor evangeliorum et epistolarum canonis et in approbatione universalium conciliorum.

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Lukasevangelium Lk 22, 31f, die an ihn und an niemand sonst gerichtet ist, also auch nicht an die Versammlung der ganzen Kirche, denn auf sie lassen sich die Worte nicht anwenden. So hört (deficit) nicht der Glaube der Kirche auf und von einer Umkehr ist ebenfalls in Bezug auf sie keine Rede, auch hat sie nicht „Brüder“, sondern eher „Söhne“ 99. Dass Petrus „sogleich“ bei der Verleugnung seines Meisters versagt hat, ist kein wirklicher Einwand, da das nur für eine gewisse Zeit zutraf, aber nicht endgültig (finaliter). Auch wollen die Worte Christi nicht sagen, dass Petrus nicht verleugnen oder nicht fallen werde, sondern allein, dass sein Glaube letztlich Festigkeit haben werde100. Zurückgewiesen wird ferner die Ansicht, dass die den Glauben Petri betreffenden Worte nichts im Hinblick auf Nachfolger des Erstapostels besagten, weil diese nicht immer jene finale Beständigkeit gehabt hätten, von der hier die Rede ist. Dem Einwand liegt nach Torquemada ein Missverständnis zugrunde, weil der Lukastext nur vom persönlichen Glauben des Petrus spricht, aber nicht vom persönlichen Glauben der Päpste 101. Die Distinktion ist offensichtlich von großer Bedeutung und wird so erläutert: Der römische Bischof folgt Petrus nicht in dessen persönlichem Glauben und dessen Prärogativen nach, sondern nur in den seinem Sitz zugesagten Privilegien. Das heißt: Zwischen beiden besteht ein wesentlicher Unterschied. Während Petrus und die treu gebliebenen Apostel den strikt an ihre Personen gebundenen Vorzug hatten, im Glauben nicht irren zu können, erfreuen sich Papst und Bischöfe seiner so nicht 102. Dieses Privileg ist mit dem Tod der Apostel für immer vergangen. Zwischen dem Anfang in Petrus und der Folgezeit liegt demnach eine entscheidende Zäsur, denn von nun an ist die das Bleiben in der Wahrheit garantierende Präroga99

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AaO, ad 1 … hic autem Petrus erat et non alius, nec congregatio ipsa universalis ecclesie, quia verba illa non possunt adaptari illi. Tum quia fides illius non deficit, tum quia ipse non dicitur aliquando conversa, tum quia ipsa non dicitur proprie fideles in fratres habere, sed potius in filios. AaO, fol 173vb. ‘Ego rogavi pro te, Petre’, ut non neges seu ut non cadas, sed ut non deficiat fides tua, scilicet finaliter. Zur Auslegungsgeschichte s. B. Tierney, A Scriptural Text. AaO, fol 174ra. Quod vero communiter dicunt adversarii, quod expositio data de fide personali finali Petri, non valeat, quia, ut aiunt, fides personalis in aliis pontificibus, successoribus Petri, non semper habuit aut habet finalem in fide perseverantiam, est stultum dictum, quoniam textus prefatus de personali fide Petri loquitur, non de fide personali aliorum pontificum. AaO. Pro quo notandum est, quod romanus pontifex succedit beato Petro non in gratiis et prerogativis personalibus, sed in sede et officio pontificatus et per consequens in privilegiis sedis et officii. Habuit autem Petrus privilegium post resurrectionem Christi, ut in fide finaliter non deficeret sive erraret, et non solum ipse hoc habuit, sed etiam ceteri apostoli, qui cum Christo manserunt … In hoc autem privilegio romanus pontifex non succedit Petro sicut nec alii episcopi aliis apostolis.

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tive nicht mehr person-, sondern amtsgebunden. Dass es so ist, gründet in Folgendem: Petrus hatte – neben dem mit seinem Martyrium erloschenen persönlichen Privileg – in einmaliger Weise (singulariter) einen Vorrang vor allen anderen in dem Sinn, dass sich die Prärogative, im Glauben nicht zu irren, auf seinen Sitz oder seine cathedra erstreckt, auf dem die katholische Lehre immer in Kraft bleibt und unversehrt bewahrt wird 103. Darin ist eingeschlossen, dass das genannte Vorrecht keinem anderen Sitz gewährt wurde. Die Folge davon war, dass alle übrigen apostolischen Sitze im Verlauf der Geschichte „von Grund auf“ (funditus) vom rechten Glauben abgewichen sind 104. Es liegt auf der Hand, dass die eben gemachten Unterscheidungen von größter Bedeutung für das Verständnis des päpstlichen Wahrheitsanspruchs sind. Ihnen entsprechend erfreut sich nach Torquemada der Papst nicht einer persönlichen Unfehlbarkeit, sondern nur eines Privilegs, das an noch zu erörternde Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft ist. Zu fragen ist zunächst: Was ist unter dem römischen Sitz zu verstehen? Gemeint ist nicht ein geographischer Ort, sondern die Kirche, der der jeweilige Nachfolger Petri vorsteht. So wurde, als Petrus von Antiochien nach Rom ging, der Primat in die Haupstadt des Imperiums verlegt 105. Und wie ist die stets vom Irrtum frei bleibende ecclesia Romana näher zu beschreiben? Sie ist nicht, wie das die Kanonisten oft getan haben, in einem weiten Sinn als die Versammlung der über den Erdkreis zerstreuten Gläubigen zu bestimmen, sie ist vielmehr das römische Volk mit seinem Hirten. Die spezielle Gnade, immer im rechten Glauben gewesen zu sein und weiterhin zu bleiben, ist also nur der römischen Kirche gegeben worden und, wie gleich hinzuzufügen wäre, auch nicht einem Konzil 106. Diese Aussage ist freilich 103

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AaO. Habuit autem amplius singulariter Petrus super omnes alios apostolos, ut privilegium non errandi in fide se extenderet ad sedem sive cathedram eius, ita quod in cathedra sua semper catholica vigeret doctrina et in sede sua iudicium in his, que fidei sunt, ab omni macula erroris esset alienum. Hec autem prerogativa non est data sedibus aliorum apostolorum, quoniam omnes aliquo modo verecundate sunt … AaO. Omnes iste (sedes) quasi funditus defecerunt a fide, sola romana ecclesia immaculata permanet et opitulante deo permanebit semper. AaO, fol 174rb … quando Christus oravit pro fide Petri, oravit pro fide ecclesie sue, quecumque futura esset, cui Petrus tanquam princeps et caput preesse deberet … dicta prerogativa, que sedem ipsam Petri divina providentia disponente intervenientibus ipsius beati Petri meritis inseparabiliter sequitur et concomitatur. Zum Begriff der ecclesia Romana s. B.Tierney, Foundations 36–46; 149–153. K.W. Nörr, Kirche und Konzil bei Nicolaus 85f. Zur Problemgeschichte s. die Aufsatzsammlung von M. Maccarone, Romana ecclesia, bes. I, 541–670; II, 671–756 und Th. Prügl, Kalteisen 195–202. AaO, ad 5, fol 174va … cum queritur, quid vocatur ecclesia romana, cum dicitur, quod in fide errare non potest, respondetur in primo, quod non accipitur hic ecclesia romana ita

etlicher Ergänzungen bedürftig, die in der Antwort enthalten sind, mit der Torquemada dem Einwand begegnet, der Papst könne nicht nur eine falsche Meinung vertreten, sondern auch in allgemeine Zustimmung fordernden Urteilen irren. Während das eine durchaus möglich ist, ist es das andere nicht, da sich Glaubensentscheide des Oberhaupts auf den Beistand des Hl. Geistes stützen, der nicht der Person des Papstes gegeben wird, sondern seinem Amt und seinem Sitz 107.

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extento vocabulo pro fidelium illorum congregatione, qui tenent fidem, quam apostoli Rome predicaverunt. Iste enim modus vocandi ecclesiam romanam videtur esse improprius, tum quia alibi quam Rome apostoli predicaverunt fidem, quam fideles per orbem dispersi tenent et observant … Secundo dicitur, quod ecclesia romana, in qua religio christiana tempore apostolorum Petri et Pauli semper immaculata dicitur perstitisse et usque in finem seculi debere persistere, vocatur congregatio populi fidelis romani cum suo pastore … Hec enim gratia data est ecclesie romane, quod non fuit data hierosolomytane. – Vgl. Huguccio Pisanus, Summa Decretorum, ed. cit., t. I, Distinctiones I–XX, D. XVIIII, c. 9, 327. Set dico quod romana ecclesia dicitur tota catholica ecclesia que nunquam in totum erravit. Vel romana ecclesia dicitur papa et cardinales, et licet iste erraverit, non tamen cardinales, vel saltem non omnes. Zum Begriff der ecclesia romana bei Huguccio s. weitere Texte bei M. Ríos Fernández, El primado del romano pontífice 6 (1961) 88–97. – Hostiensis: Sane postmodum, immo Dominus potius, qui se in eo pati asseruit, ‘Venio’, dicens ad eum, ‘Romam iterum crucifigi’, romanam ecclesiam suo sanguine consecrasset, primatum cathedre successori reliquit totam in eo transferens plenitudinem potestatis … Et secundum hanc acceptionem vocabuli ecclesia romana non est universalis ecclesia, sed pars universalis ecclesie, prima videlicet et precipua, veluti caput in corpore; quoniam in ea plenitudo potestatis existit, ad ceteros autem pars aliqua plenitudinis derivatur. Zitiert nach J.A. Watt, The Use 177, nr. 10. Vgl. auch Th.A. Weitz, Der Traktat des Antonio Roselli 344–352. S. auch Vinzenz Ferrer Tractatus, III. p. c. I., VI. ratio, ed. cit. 102: Nam cum determinare ea que fidei sunt pertinet ad summum pontificem et ad ecclesiam romanam, sicut ad caput christianitatis, ut declarat sanctus Thomas STh II–II 1, 10, der allerdings die ecclesia romana hier gar nicht erwähnt. Umso bezeichnender, dass Vincenz Ferrer die römische Kirche hinzufügt. Über die Rolle der Kardinäle s. auch den wichtigen Text l. II, c. 3, iiia ratio, ed. cit. 73: Patet manifeste quod indubitanter omnes tenemur ad credendum simpliciter et inconcusse his que modo firmiter asserunt de papatu domini cardinales … AaO. Ad sextam obiectionem, in qua arguitur: papa potest errare in fide tenendo malam opinionem circa ea, que fidei sunt. Ergo similiter potest errare in iudicio male sententiando de fide. Respondetur negando consequentiam, licet primum sit possibile, secundum tamen non. Et ratio diversitatis est, quia assistentia Spiritus Sancti promissa a Christo non respicit personam pape, sed officium sive sedem et ideo, cum opinari sit persone, iudicare vero sit officii, licet esset possibile papam male opinari, errare tamen sententiando in iudicio de his, que sunt fidei, non est possibile stante divina promissione.

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Seine These erläutert Torquemada mit sorgfältig formulierten Distinktionen. Zunächst gibt er zu bedenken, dass es nicht einfach heißt, der Papst könne nicht irren oder falsch urteilen, sagen muss man vielmehr, dass die Lehre, die der römische Bischof oder – was dasselbe ist – der apostolische Stuhl in einem verbindlichen Urteil äußert, nicht irrig sein kann108. Die sich anschließende Präzisierung wird mit einem Wort des Papstes Agatho eingeleitet, wonach alle Gesetze des römischen Stuhls so zu erachten sind, als wären sie durch die göttliche Stimme Petri bestätigt worden109. Nicht minder aufschlussreich ist der Kommentar, den Torquemada nach einem Text des Kanonisten Guido de Baysio hinzufügt: Mit Bedacht (caute) heißt es „(Urteile) des apostolischen Stuhls“ und nicht „des Papstes“, denn unter der in einem Urteil ausgesprochenen Lehre (sententia) ist nicht etwas zu verstehen, was auf versteckte Weise, böswillig oder unüberlegt vom römischen Pontifex allein oder zusammen mit einigen Günstlingen unter Missachtung anderer, die nicht am Urteil beteiligt wurden, entschieden worden ist. Die Sache, um die es geht, muss vielmehr vom Papst, gestützt auf den Rat kluger Männer und ganz besonders der Kardinäle, erörtert worden sein. Erst dann kann das Urteil sanktioniert und veröffentlicht werden110. Die Liste mit ihren Kautelen

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AaO, fol 174vb. Ubi ceterum in hoc loco bene advertendum, quod non dicitur, quod papa errare non possit aut male sentire aut iudicare in his, que fidei sunt … sed dicitur, quod sententia, quam in iudicio romanus pontifex profert in his, que fidei sunt, errare non posssit aut quod sedis apostolice iudicium, quod idem est, errare non posse. D. 19, c. 2 Sic omnes (Friedberg I 60). Sic omnes apostolicae sedes sanctiones accipiendae sunt, tanquam ipsius voce divina Petri firmatae. AaO, fol 174vb. Super quo dicit: Archidiaconus caute dicit apostolice sedis et non dicit apostolici. Sedis autem apostolice sanctiones sive sententia in iudicio prolata a romano pontifice intelligitur non, que occulte, maliciose aut inconsulte per solum romanum pontificem aut etiam que per ipsum cum paucis sibi faventibus aliis in fraudem contemptis sive non /175ra/ vocatis ad partem profertur, sed que a romano pontifice, qui maturo et gravi virorum sapientium et maxime dominorum cardinalium primo consilio digesta et maturata sancitur et profertur. – Vgl. auch die Texte aus Torquemadas Kommentar zum Dekret: … dicendum iuxta Huguccionem quod Romana ecclesia quandoque dicitur tota ecclesia, et tunc in totum non errat, quia illa in totum errare non potest. Vel potest intelligi ecclesia Romana pro papa et cardinalibus, adhuc illa non potest in totum errare, sed bene aliqui errant, sicut hic papa (Anastasius) erravit, non cardinales, imo ipsi intelligentes eum errare communicando Photino haeretico et volendo occulte revocare Achacium recesserunt ab eo. In Gratiani decretorum primam partem doctissimi commentarii, t. I, ed. cit., zu d. 19, Secundum ecclesiae, nr. 10, 176b. – Ecclesia enim Romana sive sedes apostolica hanc praerogativam habet a Christo, quod in his que fidei sunt et necessaria ad salutem, numquam erravit, nec errare potest stante promissione divina, quae cassa esse non potest. In causarum decretalium secundam partem doctissimi commentarii. Zu C. 24,

aus der Feder eines erfahrenen Kanonisten ist sorgfältig formuliert, um möglichst alle Vorsichtsmaßnahmen gegen Willkür und ein mangelhaftes Verfahren zu treffen und so die Sicherheit zu garantieren, die etwaigen Anfechtungen von vornherein den Boden entzieht. Der Papst erfreut sich demnach keiner von rechtlichen Bindungen freien und unabhängigen Lehrautorität. Die von ihm verkündete Doktrin ist vielmehr unter allen Aspekten ein Urteil des apostolischen Stuhls, der aus dem römischen Bischof und den Gliedern seiner Kirche besteht, unter denen die Kardinäle als seine besonderen Ratgeber den ersten Platz einnehmen. Ein vom Papst allein gefälltes Urteil unter Nichtachtung einer exakt beschriebenen Vorgehensweise wäre dann seine Privatmeinung, die der Möglichkeit eines Irrtums unterliegt. Torquemada gibt sich mit den genannten Bedingungen noch nicht wirklich zufrieden. Eine Glaubensentscheidung beruht nicht nur und nicht zuerst auf Voraussetzungen, die jeder gewissenhafte Gesetzgeber zu beachten hat. Die eigentliche Garantie, den Glauben unversehrt in Sätzen formulieren zu können, liegt in der Gesamtheit der hierbei zusammenkommenden Elemente: Die Infallibilität der göttlichen Verheißung, die Verdienste des Apostels Petrus und schließlich das reife Urteil der Ratgeber, dessen sich der Papst in schwierigen Fragen bei Kardinälen und Theologen versichert 111. Dass der oberste Senat an der Entscheidung mitzuwirken hat, geht demnach eindeutig aus den Texten hervor, aber die Frage bleibt, welcher Art diese Beteiligung ist. Hat sie notwendigen Charakter oder ist sie nur in hohem Maß angemessen? Wie verhalten sich consilium und consensus zueinander? Sind sie scharf zu trennen? Eine exakte Anwort wird meist nicht gegeben.

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q. 2, A recta, 1578, t. III, 268b. Und: C. 24, q. 1, ed. 270b. Utrum quod Romanus pontifex apostolatus sui iudicio cum fratribus suis dominis cardinalibus in his quae fidei diffinierit aut constituerit, possit errorem continere. Respondeo dicendum salvo semper meliori iudicio, quod papa qui caput est et magister et dux populi christiani non potest errare in his quae de fide tenenda et credenda apostolatus sui officio publice christiano populo decerneret sive diffiniret esse credenda, sive quod apostolicae sedis iudicium in his, quae fidei sunt, est indefectibile, quod idem est. Zur Bedeutung und zum Sinn der Formel de consilio (assensu) fratrum nostrorum in den causae consistoriales s. die Beispiele bei J. B. Sägmüller, Die Thätigkeit und Stellung 46–90. S. auch W. Maleczek, Papst und Kardinalskollegium 302–324.– Der Aufsatz von E.S. Morris, The Infallibility of the Apostolic See berücksichtigt nicht hinreichend die Texte über die Zuordnung von Papst und ecclesia Romana sowie die Rolle des Kardinalskollegiums. AaO, fol 175ra. Quibus omnibus consideratis, videlicet infallibilitate divine promissionis, efficacia orationis Christi, meritorum affluentia beatissimi apostoli Petri et maturitate consilii, quod in huiusmodi arduis materiis, que fidem tangunt, cum dominis cardinalibus et aliis doctis patribus romanus pontifex semper habet, sine dubio tenendum est hoc, quod de apostolice sedis iudicio dictum est, videlicet quod in his, que fidei sunt, deficere non possit.

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Einen bemerkenswerten Fingerzeig geben indes die Wahlkapitulationen, die die Kardinäle 1464 unter Einschluss Torquemadas nach dem Tod Pius’ II. aufgestellt haben. In ihnen heißt es: „Bullen mit dem Zusatz ‘de consilio fratrum nostrorum’ bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der Kardinäle und der Unterschrift der Vorsteher der drei Kardinalsordnungen“ 112. Man hat also eine Praxis, von der man fürchtete, der künftige Papst könne sie missachten, festschreiben wollen. Dass man es für erforderlich hielt, das consilium fratrum in eine Wahlkapitulation aufzunehmen und es implizit als consensus zu deuten, bezeugt das Selbstbewusstsein des Kollegiums, zeigt allerdings auch, dass es bereits Tendenzen gab, die darin enthaltene Bedingung im Sinne eines bloßen Rates abzuschwächen. Neben dieser Sicht des höchsten Lehramtes hat es andere Versuche gegeben, ein irriges Urteil des apostolischen Stuhls auszuschließen. Manche Theologen meinten, ein solcher Fall sei gar nicht möglich, und begründen das so: Ehe er eintritt, würde Gott eine Definition zu verhindern wissen, indem er den Papst vorher sterben ließe. Auch hielt man es für denkbar, dass die Gläubigen Widerstand leisteten oder dass es ihnen gelänge, den Papst eines Besseren zu belehren. Für möglich gehalten wurde ferner, dass ihm eine Inspiration zuteil werde oder sich andere Mittel fänden, wofür man auf biblische Beispiele verweist – etwa auf Balaam (Num 22, 10–12) oder den Hohenpriester Kaiphas (Jo 11, 51), von dessen Privileg wir schon gehört haben113. Torquemada empfiehlt eine andere Lösung: Sollte ein Papst Häretiker werden, so hörte er ipso facto auf, Papst zu sein, so dass sein Urteil auch nicht als eine Äußerung des apostolischen Stuhls anzusehen wäre114. Von weiteren ähnlichen Problemen werden wir andernorts hören.

Exkurs: Ursprung und Funktion des Kardinalats Wie wir anlässlich der Frage nach der Lehrautorität des Papstes als Haupt der ecclesia Romana gesehen haben, spielt das Kollegium der Kardinäle eine wichtige Rolle, von der wir auch in anderen Zusammenhängen hören werden. Torquemada hat sich bereits im ersten Buch seiner Summa in allgemeiner Form dazu geäußert. Wo liegt der Ursprung dieses Kollegiums und welche Funktionen hat es in der

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Vgl. H.-J. Becker, Ansätze 344 (Nr. 19). AaO. Auf Einzelheiten sei hier verzichtet. Torquemada zitiert den Karmeliten Guido Terreni: Quaestio de magisterio infallibili, ed. cit. 26. Vgl. U. Horst, Evangelische Armut und päpstliches Lehramt 117–124. Th.M. Izbicki, Infallibility and the Erring Pope. AaO und fol 175rb. Auf das Problem ist später einzugehen.

Kirche? Biblische Texte und vielsagende Bilder aus beiden Testamenten liefern wichtige Stichworte. Zu beginnen ist mit dem Loblied der Hanna (1 Sam 2, 8), wo es heißt „dem Herrn gehören die Pfeiler (cardines) und auf sie hat er den Erdkreis (orbis) gelegt“ 115. Darin sieht Torquemada Würde und Stellung der domini cardinales vorherbezeichnet. Aus Eph 4, 7–12 schließt er auf die Verschiedenheit der Stände und Ämter, die es in der Kirche gibt. Ihre hierarchische Stufung hat demnach Christus begründet, woraus folgt, dass der Kardinalat nach göttlicher Anordnung seinen ekklesiologischen Ort hinter dem Papst hat und unmittelbar auf den der Apostel folgt 116. Dass Kardinalat und Apostolat unterschieden, aber eng aufeinander bezogen sind, ergibt sich schließlich aus einer näheren Betrachtung des Verhältnisses der Apostel zu Christus und zu Petrus in den einzelnen Phasen der sich formierenden Kirche des Anfangs. In der ersten Zeit – vor der Himmelfahrt des Herrn – waren die Apostel die eigentlichen Diener Christi, ihm bis ins Leiden getreu, so dass ihnen „der Thron über die zwölf Stämme Israels“ (Lk 22, 27) verheißen wurde. Der zweite Abschnitt umfasst die Zeit vor ihrer Aussendung und vor ihrem Abschied von Petrus, da sie als Stellvertreter Christi walteten und dem Erstapostel in seinem Amt als Papst beistanden 117. In der letzten Etappe trennten sie sich von ihm und gingen im Auftrag Christi in alle Welt, um, gestärkt durch die Autorität Petri, in den ihnen zugewiesenen Regionen das Wort Gottes zu verkündigen118. Für diese Einteilung

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L. I, c. 80, fol 69va. Vgl. M. García Miralles, El cardenalato de institución divina Zur Geschichte des Kardinalats: C.G. Fürst, Cardinalis. St. Kuttner, Cardinalis. J.B. Sägmüller, Die Thätigkeit und Stellung der Cardinäle. G. Mollat, Contribution à l’histoire du sacré collège. G. Alberigo, Cardinalato e collegialità, bes. 112–157. S. den informativen Überblick von W. Maleczek, Die Kardinäle; ders., Papst und Kardinalskollegium. J. Dendorfer, Papst und Kardinalskolleg. G. Soldi Rondini, Per la storia del cardinalato nel secolo XV, 7–53 Studie, 55–86 Text. Es heißt (59): Der Kardinalat ist saltem figurative de iure divino. Der Traktat wurde lange Torquemada zugeschrieben. – J.A. Watt, The Constitutional Law of the College of Cardinals; Ders., Hostiensis on „Per Venerabilem“. AaO, fol 68va … quod dominorum cardinalium status post statum papalem ad ordinem hierarchicum ex institutione divina pertinet, cum ipsi quantum ad hunc statum statui apostolico immediate succedant. AaO. Secunda apostolorum consideratio est prout ante eorum divisionem ab invicem et separationem a Petri presentia Petro tanquam Christi vices gerenti in administratione papalis officii assistebant. Zum göttlichen Ursprung des Kardinalats s. G. Alberigo, Le origine della dottrina. AaO. Tertia apostolorum consideratio est, quando ad Christi preceptum … a Petro separati eiusque auctoritate suffulti per mundi dispersi sunt ad predicandum singulas provincias in sortem predicationis accipientes …

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der Frühgeschichte beruft sich Torquemada auf die Lehre „weiser Theologen“. Angespielt ist bemerkenswerterweise auf den Traktat Pierre d’Aillys De auctoritate ecclesiae, dem er – mitunter fast wörtlich – die entscheidenden Gedanken entnimmt 119. In den beiden ersten Zeiten repräsentierte der Stand der Kardinäle – auf die damit verbundenen terminologischen Probleme wird er später eingehen –, den der Apostel, insofern sie dem römischen Bischof, dem Vikar und Nachfolger Christi, als Gehilfen (assessores), Ratgeber und Mitarbeiter zur Seite standen, Aktivitäten, die nicht nur die Würde ihres Amtes, sonden auch die hierfür zu fordernden Eigenschaften beschreiben: Reife des Urteils, Besonnenheit (tranquillitas) als Richter und Weisheit 120. Die dritte Epoche schließlich weist in die Zukunft, in die Zeit der Kirche. In ihr folgen die Bischöfe auf die Apostel, deren Stand sie repräsentieren. Ihnen obliegt es, die ihnen zugewiesenen Provinzen oder Städte zu leiten121. Aus diesen Überlegungen lässt sich auf eine Reihe von Einzelheiten schließen. Die Apostel waren zunächst Kardinäle und übten das ihnen entsprechende Amt aus und dann Bischöfe mit pastoralem Auftrag. Oder auch: Sie waren erst im apostolischen Stand, ehe sie in den der Hirten eintraten, denn vor der Passion waren sie alle Apostel. Als an Petrus der Befehl Christi erging „weide meine Schafe“ (Jo 21, 17), entstand der status pastoralis, mit dem der status apostolicus der zu Bischöfen gewordenen Apostel endete 122. Mit Beginn der Mission änderten sich auch ihre

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AaO … iuxta quorundam sapientum doctrinam. – Tractatus de ecclesiae, concilii generalis, Romani pontificis et cardinalium auctoritate, ed. cit., I. P., c. III, Sp. 134f. AaO, fol 68va .. Quantum ad primam considerationem et secundam apostolorum status dominorum cardinalium /fol 69vb/ representat apostolorum statum in hoc, quod assistunt romano pontifici, qui Christi vicarius et Petri successor est, tanquam principales assessores, consiliarii atque cooperatores in executione sacerdotalis officii coadiutores existunt … Ähnlich argumentiert auch Augustinus Triumphus, Summa de ecclesiastica potestate, q. 3, a. 1, ed. cit. fol 17vb. Cardinales vero personas apostolorum representant ut Christo et pape vicem eius gerenti personaliter assisterunt vel assistunt, et ideo convenientius electio fit per eos quam per episcopos vel alios prelatos ecclesie. AaO, fol 68vb. Quantum vero ad tertiam considerationem apostolorum episcopi succedunt apostolis statum ipsorum representantes, quorum quilibet preest alicui civitati vel provincie. AaO. Primum (corollarium) est, quod apostoli prius fuerunt cardinales quam episcopi, sive quod prius exercuerunt cardinalium officium quam episcopale. Patet hoc, quoniam apostoli prius fuerunt in statu apostolico per Christum instituti quam in pastorali, quia ante passionem omnes fuerunt apostoli, sed post passionem institutus est Petrus a Christo omnium pastor (Jo 21, 17) … et tunc status pastoralis ordinatus est in novo testamento, cum apostolicus status ante fuisset.

ursprünglichen Aufgaben. Vorher waren die Apostel Kardinäle des Erdkreises (orbis), der ganzen Kirche, und nicht einer bestimmten Stadt (urbs). Auch im Fall des Petrus verhielt es sich so, denn nunmehr wurde er kraft einer besonderen Verfügung Bischof der Stadt Rom, behielt aber sein universales Hirtenamt. In dieser doppelten Funktion stehen ihm nun Kardinäle als „geistliche Mitarbeiter“ zur Seite. Das heißt: Als Papst zählt er weiterhin – wie vor der Aussendung – zu den Kardinälen und ist gleichzeitig – anders als die ihn umgebenden Kardinäle, die sich auch jetzt in statu apostolico befinden – episcopus universalis 123. Das Ergebnis aus den Distinktionen über den Ursprung des Kardinalats lässt sich so zusammenfassen: Wie auf das Apostelkollegium der Ordo der Bischöfe folgt, insofern die Zwölf nach ihrer Aussendung zu Bischöfen wurden, so entstand der Senat der Kardinäle, insofern in ihnen jener Stand seine Fortsetzung findet, in welchem die Apostel einst als Assistenten des Petrus waren, ehe sie ihre Mission in der Kirche begannen. Aus dem einen Stand des Anfangs ist nach der Himmelfahrt des Herrn der ordo episcoporum und der status cardinalium geworden124. Diese Scheidung hat auch ein unterschiedliches Amtsverständnis zur Folge. Die Kardinäle, die cardines terrae, haben als ihre eigentliche Aufgabe den Dienst für die römische Kirche, das Haupt aller Kirchen. Wie sich „die Tür in der Angel dreht“ (Prov 26, 14), so leitet, ordnet und regiert der Papst mit Hilfe ihres Rates und ihrer Zustimmung (assensu) die ganze Kirche. Offen bleibt die Frage, mit welcher Notwendigkeit sich der Papst dieses Beistands zu bedienen hat. Muss er ihn suchen, um verbindlich handeln zu können und wie verhält er sich zu seiner plenitudo potestatis? Hier liegt zweifellos der Akzent auf einer Gemeinsamkeit, die freilich

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AaO, fol 68vb. Secundum corollarium, quod apostoli prius fuerunt cardinales orbis quam urbis. Nam sicut Petrus prius fuit papa orbis, i. e. universalis ecclesie, antequam episcopus ecclesie romane per singularem administrationem, sic et apostoli prius fuerunt cardinales quam aliquis fieret cardinalis romane urbis. Fol 69ra.Tertium corollarium est, quod papa etiam convenienter se inter cardinales connumerat … Et hac ratione status apostolicus, in quo cardinales sunt, distinguitur a pastorali statu, licet enim omnes apostoli fuerint pastores, nihilominus tamen, ut dictum est, prius fuerunt in apostolico statu. Unde summus pontifex non modo dicitur episcopus universalis ecclesie, sed etiam apostolicus nominatur. Petrus ergo et sui successores utrumque retinent statum, scl. apostolicum et pastoralem, cardinales vero ut sic apostolicum dumtaxat. AaO. Quartum corollarium est, quod in ordine hierarchico sicut cetui apostolorum succedit ordo episcoporum, inquantum fuerunt episcopi, ita illi succedit sacer senatus cardinalium quantum ad illum statum, quo apostoli assistebant Petro, antequam per orbem dividerentur, ut dictum est. Et hoc dictum sit de status dominorum cardinalium institutione, que notabatur in primo verbo beate Anne, cum dicebatur ‘domini sunt’.

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nicht weiter präziisert wird125. Die Mitwirkung im Regiment der Kirche bezieht sich demnach nicht auf einzelne Diözesen oder Regionen, sondern auf den Erdkreis, während allen übrigen Prälaten nur die Sorge für Lokalgemeinden übertragen ist. Ihre Stellung als Glieder eines Senats überragt somit alle Würden und gibt ihrem Richteramt universalen Charakter 126. 125

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AaO. Secundo describitur status cardinalium quoad dignitatem officii … Primo quidem dicuntur cardinales, quia ecclesie romane tantum serviunt … Secundo, quia sicut cardine ostium regitur … (Prov 26, 14) „ostium vertitur in cardine“, ita dominorum cardinalium consilio et assensu summus pontifex regit, disponit atque gubernat universalem ecclesiam … Ipsi enim sunt principales in ecclesia, quorum consilio et regimine tota ecclesia universaliter disponitur et gubernatur (vgl. C. VII, q. I, c. 42, Pastoralis, Friedberg I 582, und C. XXI, q. I, c. Relatio, Friedberg I 853). Ganz ähnliche Formulierungen gebraucht schon Hostiensis: Papa et ipsi Romanam ecclesiam constituunt … et pars corporis domini Papae sunt; sunt enim Cardinales pars corporis domini Papae qui super omnes est nec ab aliis iudicatur … sed cum orbem iudicant et disponunt; estque summum et excellens collegium super omnia alia unitum adeo cum Papa, quod cum ipso unum et idem est. Zitiert nach R. Grison, Il problema 127. Die Kardinäle haben also an der Gewaltenfülle des Papstes einen nicht näher beschriebenen Anteil. Explizit ist Hostiensis: Multo fortius ergo decet papam consilia fratrum suorum requirere … ut non solum papa sed et cardinales includerentur etiam in expressione plenitudinis potestatis. Zitiert nach J.A. Watt, The Use, 169, Anm. 44 mit der Interpretation: His view was that while the pope alone had been granted the plenitudo potestatis, it should be exercised with the advice of his cardinals. Auch Augustinus Triumphus lehrt, dass die Kardinäle dem Papst als Ratgeber und Helfer zur Seite stehen, doch im strengen Sinn ist er darauf nicht angewiesen. Summa de ecclesiastica potestate, q. 6, a. 5, ed. cit., fol 37 rb. Cardinales assistunt pape sicut consiliarii et famulantes et servientes sibi … Unde cardinales dicti sunt, quia sicut ‘in cardine vertitur totum ostium’, sic inter eos vertuntur negocia conciliabilia totius mundi … Dann aber heißt es ad 2, ed. cit., fol 37va. Quod non est de ratione pape ut papa determinare vel ordinare negocia ecclesie de consilio cardinalium. Patet enim sine eorum consilio talia expedire et determinare, quia Christus, cuius vicem gerit, non legimus, quod aliqua similiter de consilio apostolorum egerit vel determinaverit. Weitere Einzelheiten s. U. Horst, Die Lehrautorität des Papstes nach Augustinus von Ancona. AaO. Tertio describitur status cardinalium quoad universalitatem auctoritatis, cum subditur „et posuit super eos orbem“ (1 Kön 2, 8). Auctoritas nempe dominorum cardinalium non respicit tantum dioecesim unam aut provinciam, sed universum orbem … Alii autem prelati assumpti sunt in partem sollicitudinis, isti vero in adiutorium gubernationis totius orbis. Und c. 81, fol 69rb … domini cardinales sancte romane ecclesie pro eorum auctoritatis amplitudine iudices orbis esse dicuntur, ipsi quippe omnes fideles tam inferiores quam superiores episcopos et iam archiepiscopos et patriarchas assistentes pape coniudicant. – Eine ähnlihe Formulierung hat auch Hostiensis: Papa et ipsi Romanam ecclesiam constituunt … et pars domini Papae sunt; sunt einm Cardinales pars corporis domini Papae qui super omnes est nec ab aliis iudicatur … sed cum orbem iudi-

Die den Kardinälen zuerkannten Vorrechte in Bezug auf ihre Funktionen im Dienst des Papstes erreichen ihren Höhepunkt in der Ansicht, dass sie „Teil des Leibes des Papstes“ sind (pars corporis papae), ja sie bilden mit ihm „gleichsam eine Person“ (quasi una persona). Sie sind ihm also in einer Weise verbunden, die keine Parallele kennt. Selbst die Apostel werden in ihrem Verhältnis zu Petrus nicht so genannt127. Werden sie als Legaten mit Leitungsauftrag in einzelne Provinzen gesandt, fungieren sie dort als collaterales papae, als seine vertrautesten Mitarbeiter128. In der Antwort auf Argumente, die den göttlichen Ursprung des Kardinalats bestreiten, konzediert Torquemada, dass sich Titel und Funktionsbeschreibungen erst im Verlauf der Geschichte in der heutigen Form gebildet haben, aber in der Sache besteht eine Kontinuität mit dem apostolischen Kollegium, wie sie sich erstmals bei der Neuwahl des Matthias manifestierte, als Petrus, von den Aposteln umgeben, als deren vertex auftrat und alle, durch Gott inspiriert, ihres Amtes walteten 129.

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cant et disponunt; estque summum et excellens collegium super omnia alia unitum adeo cum Papa, quod cum ipso unum et idem est … Zitiert nach R. Grison, Il problema 127. C. 81, fol 69va. Quinto hoc magisterium sit ex eo, quod cardinales pars corporis pape esse dicuntur. Unde cum ad provincias regendas mittuntur, mitti de latere pape censentur, ut in c. Decreto II, q. VI (Friedberg I 469) beatus Gregorius dicit et beatus Bernardus de eis ad Eugenium loquens libro De consideratione (IV, 9) illos vocat collaterales pape et eius coadiutores. Nulli autem dubium est, quod hi, qui una persona censentur cum summo pontifice, omnibus aliis ecclesie prelatis honore merito veniant preferendi. – Vgl. J. Lecler, Pars corporis papae. A. Paravicini Bagliani, Il trono di Pietro 51–67; ders., Le corps du pape 81–83. – So auch Kardinal Zabarella: Ecclesia Romana, quae non censetur esse solus papa, sed ipse papa cum cardinalibus, qui sunt pars corporis papae seu ecclesiae, quia constituitur ex papa tanquam ex capite et ex cardinalibus tanquam membris. Zitiert nach W. Ullmann, The Origins of the Great Schism 203, Anm. 2. B. Tierney, Foundations of the Conciliar Theory 95, 149, 204, 211, Anm. 2, 233. Ders., A Conciliar Theory of the Thirteenth Century 431–438. J.A. Watt, The Constitutional Law of the College of Cardinals. Einschlägige Texte 152, 153, 154; Ders., Hostiensis on Per Venerabilem. Vgl. R.A. Schmutz, Medieval Papal Representatives. R.-C. Figueira, „Legatus apostolicae sedis“, bes. 531–543 (mit wichtigen Texten). F. Wasner, Fifteenth Century Texts. Zur Diskussion um die Vollmachten eines Rechtsvertreters s. G. Post, Plena potestas, bes. 103–108. C. 83, fol 69vb. Hinc est, quod cum Iudas ab apostolico collegio prevaricatus esset, beatus Petrus, vertex apostolici collegii, ceterique apostoli divinitus inspirati alium loco illius communi electione statuere curarent … Tenendum ergo est, quod cardinalium status, qui apostolico succedit, non humana, sed divina dispositione in ecclesia perseverat apostolice dignitatis prerogativa insignitur.

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Was hat Torquemada veranlasst, seine Konzeption des Kardinalats mit ihren Konsequenzen für das Papsttum, die oberste Rechts- und Lehrautorität, in dieser ekklesiologisch bedeutsamen Gestalt zu entfalten? Es war gewiss nicht der Gedanke, ein konkurrierendes Kollegium mit Ansätzen zu einer Nebenregierung zu etablieren, wie sie die Begriffe einer pars corporis papae, quasi una persona oder der collaterales papae nahelegen könnten. Beabsichtigt ist vielmehr, dem Zusammenwirken zweier Größen eine theologisch sichere Grundlage zu geben, wie das die traditionelle Vorstellung von der ecclesia Romana verlangte, in der der populus Romanus und die cardinales integrale Teile waren. Nicht zuletzt hat ihn die Geschichte des Papsttums mit ihren folgenreichen Wechselfällen – Schisma, Häresie des Papstes oder Handlungsunfähigkeit des Amtsinhabers sowie die Problematik verbindlicher Lehraussagen – bewogen, eine Instanz theologisch zu fundieren, die in aussichtslos scheinenden Situationen als Regulativ handeln kann, um die Kontinuität des Primats in allen Situationen zu garantieren. Es war deshalb geboten, das Kardinalskollegium als eine Institution zu deuten, die kraft göttlicher Einsetzung eine von allen anerkannten Autorität besitzt. In Torquemadas Thesen ist schon bald eine Gefährdung der päpstlichen Vollgewalt gesehen worden, wie ein 1464 erschienener Traktat des Teodoro de’ Lelli zeigt, der sich scharf gegen sie wendet und insbesondere den göttlichen Ursprung des Kollegiums zum Gegenstand seines Angriffs macht. Er sieht ihn vor allem durch die Tatsache widerlegt, dass der Kardinalat erst relativ spät entstanden ist und deshalb keine Implikationen für Jurisdiktion und Lehrautorität des Papstes haben kann 130. Der Abhandlung kommt insofern eine gewisse Bedeutung zu, als sich in ihr Tendenzen ankündigen, die wenig später anderswo wirksam werden sollten.

5. Papst und Konzil Zu erörtern bleibt ein weiteres zentrales Problem, dem Torquemada ein besonderes Augenmerk geschenkt hat: Das Verhältnis zwischen Papst und Konzil. Unstrittig ist unter seinen bekannten Voraussetzungen, dass Synodalbeschlüsse, um verpflichtenden Charakter zu haben, der päpstlichen Bestätigung bedürfen. Mit dieser Feststellung ist jedoch noch nicht alles gesagt. Aus den Erfahrungen der Geschichte, 130

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Ein Traktat des Bischofs von Feltre und Treviso ed. J.B. Sägmüller. Dazu s. U. Horst, Juan de Torquemada und die Lehrautorität 419–422 und vor allem Th. Prügl, Konzil und Kardinäle, bes. 210–226. S. auch im selben Band J. Dendorfer, Ambivalenzen in Domenico de’ Domenichis De episcopali dignitate 165–194. S. ferner den präzisen Überblick bei H. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, Bd. I, 60–79.

deren Tiefpunkte ihm in einer extrem schwierigen Phase persönlich vertraut waren, wusste er, dass in Not- und Konfliktsituationen Instanzen nötig waren, um allgemein akzeptierte Auswege und Lösungen zu finden. Dies war nur möglich, wenn man die scheinbar lückenlos konzipierte Theorie der päpstlichen Vollgewalt so modifizierte, dass man für Abhilfe in schweren Krisen sorgen konnte. Zunächst gibt sich Torquemada überzeugt, es werde in der Kirche keine Probleme geben, denen nur mit Hilfe eines Konzils zu begegnen wäre. Auch hält er es für kaum denkbar, dass sich ein unbezweifelbar wahrer Papst weigern würde, im Falle einer Notwendigkeit eine Synode einzuberufen131. Er konzediert jedoch, dass eine solche Zuversicht zuweilen eher Wunsch als Realität ist. In außerordentlichen Situationen ist deshalb – auch in der Theorie – eine Lösung in Betracht zu ziehen, die ihnen gerecht zu werden vermag. Welche Maßnahmen und Schritte sind, sollten sie tatsächlich erforderlich werden, legitim und mit der plenitudo potestatis vereinbar? Mindern sie nicht, wie immer man sie begründet oder wie weit oder eng man sie fasst, die unumschränkte Autorität des Papstes und öffnen sie nicht durch die Hintertür konziliaristischen Ideen den Zutritt? Dass die Gegner etwaige Konzessionen im Sinne ihrer Doktrin ausnutzten, war ihm nur zu gut bekannt. Dass Torquemada entschlossen ist, sich auch heiklen Fragen zu stellen, zeigt bereits die erste These. Sollte sich der römische Pontifex, von Kardinälen, Prälaten und Fürsten ersucht, weigern, ein Konzil zu versammeln, um eine sonst nicht zu bewältigende Krise zu beenden, so ist er als häresieverdächtig zu erachten und folglich ein dubioses Oberhaupt, so dass das Recht, angemessene Schritte zu ergreifen, an andere übergeht132. Ein vergleichbarer Fall ergäbe sich auch, wenn der Papst von gelehrten Theologen mit guten Argumenten der Irrlehre bezichtigt würde. Falls man sie nicht ohne großes Ärgernis verheimlichen oder tolerieren könnte, ist folgendes Verfahren angezeigt. Zunächst soll der Papst von den Kardinälen oder, wenn diese untätig bleiben, vom Kaiser oder den Fürsten aufgefor-

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L. III, c. 8, fol 188ra. Primo … non enim videtur possibile, quod possint pericula talia in ecclesia contingere, quibus provideri non posset nisi per concilium generale … Secundo respondetur, quod difficile valde esset piis mentibus ad credendum, quod aliquis verus romanus pontifex certificatus periclitari fidem et universalis ecclesie statum, nisi concilium generale celebraretur, nollet concilium universale congregare, cum de romano pontifice semper bene presumendum sit. AaO. Tertio dicitur, quod dato talis casus immineret ecclesie universali, tunc, si papa requisitus per dominos cardinales et per alios catholicos maxime ecclesie prelatos et principes, nollet congregare universale concilium nec dare auctoritatem congregandi, quod talis habendus esset suspectus de heresi et per consequens dubius in papatu, iam ad alios pertineret universale concilium congregare … Zu Papst und Konzilien s. die präzise Darstellung bei K. Binder, Konzilsgedanken 102–120.

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dert werden, ein öffentliches Glaubensbekenntnis abzulegen und dieses durch Bullen denen kundzutun, die Kenntnis von dem Gerücht haben. Willigt er nicht ein, ist er zu ersuchen, ein Konzil einzuberufen. Stimmt er auch dem nicht zu, haben die Kardinäle nach Torquemadas Ansicht – iudicio nostro – das Recht, diese Maßnahme selbst zu treffen. Sind sie indes dazu nicht bereit, kann der Kaiser oder Fürsten angemessene Schritte einleiten. Denkbar ist ferner, dass sich die Bischöfe aus eigener Initiative versammeln133. Da das Recht im Fall von Häresie eine öffentliche Anklage vorsieht, muss es auch einen zuständigen Richter geben, eben das zu einem objektiven Prozess verpflichtete Konzil. Hält es den Tatbestand für erwiesen, hat es dem Papst das Ergebnis mitzuteilen und ihn sodann zu ermahnen, seinem Irrtum abzuschwören. Widerruft er, ist das Verfahren einzustellen. Sollte er sich allerdings widersetzen, ist er als

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AaO, ad 3, fol 188rb. In hoc ergo casu, quando papa nollet concilium congregare, ad cardinales spectaret convocatio concilii universalis ad faciendum ea, que in tali casu necessario essent facienda. Ad 4. Ad huiusmodi nihilominus respondemus, quod in casu, in quo papa diffamatus esset vehementer et maxime apud graves et doctos viros de heresi, que infamia sine scandalo ecclesie vel pericula fidei dissimulari aut tolerari non posset, talis videtur nostro iudicio practica servanda, ut primo per cardinales requireretur aut per alios fideles illis negligentibus, ut aboleret a se predictam infamiam publice catholicam fidem confitendo, maxime circa articulos, de quo vel de quibus diffamabatur, et huiusmodi confessionem per bullas denunciaret illis, apud quos eius fama decurrit … Si vero contingeret, quod papa requisitus nollet hoc facere, tunc requirendus esset, ut congregaret concilium universale aut auctoritatem daret illud congregandi. Si hoc faceret, tunc concilium congregatum inquireret de veritate. Si vero nec congregaret nec congregandi auctoritatem dare vellet, tunc iudicio nostro domini cardinales, qui prestantiora membra ecclesie romane sunt, quibus potissime incumbit necessitatem ecclesie universalis providere et imminentibus periculis obviare, deberent convocare et congregare prelatos ecclesie ad requirendum de veritate infamie, an scl. papa veraciter esset hereticus vel an non. Ubi vero cardinales hoc nollent facere, imperator aut principes christiani possent /fol 188va/ hoc facere vel etiam ipsimet prelati ecclesie intelligentes talem vehementem suspectionem de papa possent seipsos congregare … Vgl. J.M. Moynihan, Papal Immunity 111–138. Einen interessanten, in künftige Diskussionen weisenden Text hat F. Gillmann ediert: Die Dekretglossen, hier 226. Unde cum papa sit hereticus, est quolibet catholico minor. Alii vero dicunt non esse speciale in hoc casu. Idem enim potest fieri pro quolibet peccato notorio. Set contra hoc totum obicitur: Non videtur, quod papa pro heresi possit accusari, quia eo ipso videtur aliquid esse catholice dictum, quod papa sic sentit, licet ab eius sententia discrepe(n)t universi, quia questio fidei non nisi per successorem petri est terminanda … – Einzelheiten des Verfahrens in einem berühmten Papstprozess bei T. Schmidt, Der Bonifaz-Prozess 3–12 und 119–246. Th. Prügl, Der häretische Papst und seine Immunität im Mittelalter. L. Buisson, Potestas und Caritas 166–215. Zur Geschichte s. H. Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters.

hartnäckig und unverbesserlich zu erachten. In einem nächsten Schritt sollen sich die Kardinäle von ihm abwenden und dies den Bischöfen mitteilen, woraufhin sie zur Absetzung des Papstes schreiten oder, wie es Torquemada für sachgemäßer hält, erklären, dass der Papst aufgehört hat, Papst zu sein. Ein deklaratorisches Urteil ist seiner Meinung nach richtiger, da es keinen Akt der Superiorität impliziert, denn ein solcher ist schlechthin zu verwerfen134. Die Aussagen sind eindeutiger Natur und liegen auf der traditionellen Linie der Kanonisten. In dem Torquemada besonders vertrauten Fall des Schismas ist ein anderes Vorgehen angezeigt. Ist einer der um das Amt rivalisierenden Päpste rechtmäßig gewählt worden, ist der andere als Eindringling zu betrachten, so dass es keines Konzils bedarf 135. Wollen sich jedoch zwei Prätendenten nicht dem Urteil „kluger Männer“ fügen, ist ein Generalkonzil einzuberufen. Wer das zu veranlassen hat, wird hingegen nicht gesagt. Sind jedoch beide im Besitz des papatus und werden sie auch von urteilsfähigen Personen als legitime Amtsinhaber angesehen, so ist nach Torquemadas Meinung – salvo meliori iudicio – vorzuschlagen, dass diese – und nicht die Kardinäle – die Bischöfe beider Obödienzen an einen Ort einberufen, wo sie sich als concilium constitutum versammeln, um die Entscheidung zu fällen. Sollten sich die beiden, die das Amt beanspruchen, weigern, ihr zu entsprechen, devolviert das Recht, ein Konzil einzuberufen, an die Kardinäle – selbst unter Widerspruch der Kontrahenten. Entziehen sich diese ihrer Verantwortung, können die Bischöfe zusammenkommen, um das „Feuer zu löschen“. Notfalls muss der Kaiser aus Sorge für den Frieden des Erdkreises eingreifen136. Er und der 134

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AaO, fol 188vb. Si vero nollet revocare errorem, sed pertinax et incorrigibilis in eo persisteret, tunc primo cardinales ab eo recedere debent … Secundo ipsi cardinales debent denuntiare prelatis ecclesie casum presentem et convocare eos …, tunc vero … concilium prelatorum congregatum debet iuris auctoritate procedere ad depositionem illius, ut quibusdam placet vel nobis plus gratum est iuxta iam dicta ad declarationem, quod ille non sit amplius papa et quod vacet apostolica sedes. AaO, fol 188vb–189ra. AaO, fol 189ra. Ubi vero contendentes nollent se submittere iudicio aliquorum sapientum, tunc congregandum foret concilium generale, ut de iure electionis discernat et iudicet … Si ambo contendentes essent in possessione papatus, ita quod uterque pro summo pontifice haberetur a catholicis viris, videtur nobis salvo meliori iudicio, quod ambo deberent congregare prelatos suarum obedientiarum ad aliquem locum et ex ambobus congregatis concilium constitutum iudicaret. Si vero prefati contendentes hoc facere nollent, tunc domini cardinales deberent etiam contradicentibus contendentibus concilium congregare. Ubi vero ipsi nollent aut negligentes forent, ipsi prelati ecclesie habentes zelum dei possent se congregare ad incendium extinguendum, aut ipse imperator, cuius interest, ut pax sit in urbe et fortius in toto orbe, que esse non potest stante contentione super summo pontificatu …

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römische Klerus dürfen ferner, falls der apostolische Stuhl – aus welchen Gründen auch immer – vakant ist, ein Generalkonzil einberufen, sollten sich die Kardinäle durch Flucht ihren Pflichten entzogen haben, denn in Notlagen, in denen die ordentlichen Autoritäten versagen, geht die Sorge für die Kirche an das ganze Gemeinwesen über 137. Auf diese aus der Geschichte der Kirche bekannten Notfälle glaubt Torquemada theologisch-kanonistisch bewährte Antworten gegeben zu haben. Sie sind für einen rigorosen Verfechter der päpstlichen Machtfülle erstaunlich genug, weil sie mit mehreren Instanzen rechnen, die unter weit gefassten Umständen aus eigener Initiative handeln können und müssen. Das ist einmal das Kardinalskollegium, das, mit großen Kompetenzen ausgestattet, Existenz und Funktionsfähigkeit des Primats zu erhalten und zu sichern hat. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass es seinen Aufgaben nicht gerecht wird und in Krisen versagt, so dass der oberste Senat nicht immer die gewünschte Garantie gibt. Gelegentlich obliegt es der höchsten politischen Autorität, dem Kaiser, Auswege zu finden. Die sicherste Gewähr für die Herstellung der kirchlichen Verfassung bietet erwiesenermaßen das Generalkonzil, dessen Einberufung verschiedenen Gremien – je nach den Situationen – obliegt. Die Pflicht und das Recht, unter außerordentlichen Umständen für Abhilfe zu sorgen, ist also in die Verantwortung vieler gegeben, wobei die Weisen, in denen das zu geschehen hat, so gehalten sind, dass sie der Vielfalt denkbarer Ereignisse gerecht zu werden vermögen. Das Ermessen der Beteiligten soll nicht vorschnell eingegrenzt werden. Nach Torquemada sind demnach noch Initiativen vorgesehen, die spätere Generationen von Papalisten reduzieren oder ganz verwerfen werden. Dass Lehrkontroversen eine eigene Problematik haben, die das Papstamt zuweilen mit schweren Konflikten belasteten, weiß Torquemada aus seiner für die damalige Zeit beachtlichen Kenntnis dogmatischer Streitigkeiten der Theologie- und Konziliengeschiche. Sie zeigte ihm, dass die Wahrheitsfindung ein schwieriges Unternehmen ist, wie nicht zuletzt die gegen Päpste erhobenen Häresievorwürfe belegen. Eine seit langem hochdifferenzierte Theologie mit den daraus folgenden Schulstreitigkeiten, die nach einem definitiven Urteil riefen, sowie die vom Dogma beanspruchte Endgültigkeit, die – anders als bei der Gesetzgebung – keine Revi-

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AaO, fol 189ra. Ad septimam rationem respondetur, quod in illo casu, ubi cardina/fol 189rb/les ad electionem procedere non vellent, iam provisum est a iure sufficienter … Nihilominus, ubi cardinales fugerent vel deficerent, tunc pro maiore securitate videretur convocandum universale concilium et hoc per imperatorem aut clerum romanum et ibi providendum esset necessitati ecclesie, cum in talibus necessitatibus, que respiciunt totam rempublicam deficientibus ordinariis ad ipsam rempublicam spectare videatur provisio.

sion zulässt, machten eine Entscheidung schwer. Welcher Distinktionen wird er sich bedienen, um in einem Konflikt zwischen Papst und Konzil den Mittelweg zu finden? Unbestritten war und ist, dass sich Konzilien nur versammeln, wenn das ordentliche Lehramt, Papst und Kardinäle, keine allseits befriedigende Antwort hat und einen breiten Konsens für notwendig erachtet, wie ihn eine komplexe Materie und die Union mit den Griechen verlangten. Dass das Oberhaupt unter solchen Umständen den Rat der Bischöfe zu suchen hat, war – entsprechende Formeln kennen wir bereits – allgemeine Überzeugung138. Heftig umstritten war seit Basel, wer das Recht hat, an einer Generalsynode teilzunehmen und auf ihr gleichberechtigt zu entscheiden. Die Frage gibt Anlass, gewisse konziliaristische Thesen abermals zu erörtern. Zwingend geboten ist nach Torquemada, dass dazu nur die Bischöfe als Apostelnachfolger legitimiert sind. Sie konstituieren wesentlich ein mit Lehrkompetenz ausgestattetes Konzil. Mit dem Argument, dass Konzilsbeschlüsse alle angehen, fordert man unter Berufung auf die klassische Rechtsregel quod omnes tangit, ab omnibus approbari debet, dass alle zu beteiligen sind, die es angeht139. Als guter Kanonist weiß Torquemada, wie man das Prinzip zu distinguieren hat, um es praktikabel zu machen und um der kirchlichen Verfassung zu entsprechen: Etwas ist von allen als gebilligt anzusehen, wenn es die Zustimmung der führenden Personen einer Gemeinschaft erhalten hat. Auf die Teilnahme an einem Konzil ist der zitierte Satz freilich aus einem anderen Grund nicht anzuwenden, weil er nur für Fälle gilt, in denen Rechte berührt werden, die Einzelnen zum Schaden gereichen könnten, so dass man ihnen vor einem Urteil Gehör zu schenken hat. Synodalbeschlüsse dienen jedoch dem Heil aller und benachteiligen niemand 140. Dem Begehren der Basler, Doktoren, Lizentiaten und Baccalaureaten Stimmrecht zu geben, kann darum nicht stattgegeben werden. Dass man seinerzeit diese Praxis duldete, erklärt sich aus dem zeitweise schismatischen Charakter jener Synoden. Die Ursache des in Basel entstandenen Ärgernisses ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass man so viele Unbefugte,

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C. 9, fol 189vb … quod ubi de fide agitur, papa debet requirere concilium episcoporum, quod potissimum venit intelligendum, quando ipsa fidei questio prius non fuerit per ecclesiam per se vel in simili determinata sive diffinita foretque tante difficultatis, ut papa cum collegio suo non videret plene, quod in ea parte tenendum esset. Zum spätmittelalterlichen Hintergrund der Diskussione um die Lehrautorität der Konzilien s. H.J. Sieben, Ein Hauptstück: Die Theorie vom unfehlbaren Konzil, bes. 187–190. C. 13, fol 192vb. Octavo. Que in universali concilio agenda sunt, omnes fideles videtur respicere et tangere. Ergo videtur, ut ab omnibus approbentur, que in eis constituenda sunt et omnes debeant convocari, cum regula iuris sit. Zum Prinzip s. G. Post, A Romancanonical Maxim; Y. Congar, Quod omnes tangit; A. Marongiu, Il principio. C. 14, fol 193vb.

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die zudem, wie es öfter heißt, selten qualifiziert waren, zuließ und ihnen volles Stimmrecht einräumte141. Dass es zu dieser beklagenswerten Entwicklung kam, hat, wie Torquemada bitter vermerkt, seinen Grund in der Tatsache, dass viele Bischöfe weder das Wissen noch die Klugheit haben, die ihr Amt erfordern. Man hat ferner viele berufen, die zur Teilnahme nicht legitimiert waren. Das geschah in Konstanz und Basel, so dass unversehens die Situation entstand, dass das Stimmrecht an den niederen Klerus devolvierte. Diese Absicht verfolgten mit Gewalt die novelli magistri, weil sie erkannten, dass sie, einmal im Besitz des definitiven Votums, stets die Mehrheit gehabt hätten. Diese magistri waren, wie er hinzufügt, novelli nicht dem Alter, sondern der Lehre nach, d. h. theologisch ungeeignete Neuerer. Vor diesen Leuten möge Christus seine Kirche bewahren142. Torquemada erwähnt solche Missbräuche, um abermals in Erinnerung zu rufen, dass die Gewalt eines Konzils allein vom Papst abhängt und von ihm, der alles bewegt, ausgeht. Ihm ist aufgetragen, der Kirche „die Speise darzureichen“, wie das auf einer Synode mittels Anordnungen, Korrekturen und Definitionen geschieht, andere hingegen partizipieren daran nur, wenn er es ihnen konzediert143.

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C. 15, fol 195rb. Ad 3. Basiliense vero cum fuerit toti ecclesie scandalosum, quod maxime evenit ex hac indiscreta admissione multorum ad voces diffinitivas in concilio. Zu den Teilnehmern s. J. Helmrath, Das Basler Konzil 71–178. C. 14, fol 193ra … in his nostris diebus pro dolor multi domini episcopi sive prelati maiores non tanta prudentia et sapientia splendent, quanta pro singularitate dignitatis, qua ceteris eminent, refulgere deberent, et ita hoc modo plures non prelati vocantur ad consiliandum super rebus agendis vel inquirendis veritatibus ad concilium universale, qui de iure nec venire nec interesse habent … Sed hoc nec regulariter fiendum est, nec ex consuetudine pretendant ius habere in diffinitionibus universalis concilii nec etiam cum multis hoc agendum est, alias iudicio nostro salvo semper meliori plura inconvenientia sequi possent. Primum est, quia, ut dictum est, in precedenti concilio frequenter contingeret, ut iudicium universalis ecclesie non ad vota dominorum maiorum prelatorum, sed inferiorum revolveretur et tota universalis concilii auctoritas sederet apud inferiores et minores in ecclesia, quod quantum esset periculosum et absurdum unusquisque bene doctus et sanus mente intelligit. Intelleximus tamen, cum in Basiliensi concilio fuimus, quosdam novellos magistros non etate, sed doctrina ad hoc summa violentia intendere cognoscentes, quod ad/fol 193rb/missis novellis doctrinis eorum de auctoritate conciliorum et admissione inferiorum prelatorum ad voces diffinitivas maior pars ecclesie esset semper apud eos, quotiescumque celebrarentur universalia concilia, a quo periculo dignetur ecclesiam suam sanctam Christus custodire. C. 28, fol 202rb … luce clarius percipiet quod universaliter conciliorum auctoritas a romano pontifice pendeat et emanet … Ex quo manifeste sequitur, quod habitudo romani pontificis ad universalem ecclesiam et per consequens ad universale concilium ipsam representans sit /fol 202va/ habitudo capitis ad corpus … Ergo ad solius romani

Im Konzil ruht keine Schlüsselgewalt, wie nicht mehr betont zu werden braucht, aber das ist nur eine Seite der Wahrheit. In anderer Hinsicht haben Entscheidungen einer Kirchenversammlung größeres Gewicht, weil sie von vielen Theologen beraten und dann erst von den Vätern verabschiedet werden 144. In diesem Sinn ist die Glosse zum c. Anastasius d. XIX zu interpretieren, wo es heißt: Wenn es um den Glauben geht, ist eine synodale Zusammenkunft der Väter „größer“ als der Papst. Der Satz möchte dies zum Ausdruck bringen: Einer Synode eignet ein umfassenderes unterscheidendes Urteil, als es der Papst hat. Ein solches Urteil ist nun „regelmäßiger“ (regularius) in den auf einem Konzil versammelten Vätern anzunehmen als „in einem Menschen allein, auch wenn es der Papst ist“. Daraus folgt weiter: Handelt es sich um eine kontroverse Frage und haben beide Parteien gewichtige Verteidiger ihres Standpunkts, so muss man auf eine Synode rekurrieren, da es zu gefährlich wäre, unseren Glauben dem Ermessen (arbitrio) eines Einzelnen zu überlassen. Torquemada hat den Satz wörtlich von Guido de Baysio, dem Archidiaconus, übernommen, den er auch sonst schätzt 145. Andere Kano-

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pontificis auctoritatem spectat providere et dare pabulum toti ecclesie, quod fit in universalibus conciliis disponendo, ordinando, constituendo, corrigendo, diffiniendo, interpretando et ad nullos alios dispersos sive congregatos, nisi quantum ipse principalis pastor concedit et tribuit potestatem. Ergo tota potestas universalis concilii pendet a romano pontifice sicut a capite et pastore totius ecclesie. C. 18, ad 5, fol 197ra … non ideo convocantur universalia concilia, quod in eis sit plenior auctoritas aut clavium potestas quam in sola apostolica sede, in quam totius ecclesie principatum locavit … Sed convocantur propter multa alia … inter que fit propter maiorem auctoritatem reputationis, quia que multorum sapientum studio diu deliberata atque approbata sunt et communi consensu tantorum patrum diffinita maioris auctoritatis reputantur. C. 46 ad 20, fol 218vb … que sumitur ex glossa Anastasius di. XIX respondetur, quod glossa intelligitur, quod ubi de fide agitur, conventus synodalis patrum ecclesie est maior non maioritate potestatis, sed maioritate iudicii discretionis superior ac maior ipso papa sive maioritate approbationis, secundum quam, qui maiore ratione utitur, maioris auctoritatis eius verba videntur, ut c. I, d. XX q. que iustiori ratione utitur, maior esse dicitur, licet sit minor alio respectu … Maior autem discretio et iudicium verisimiliter regularius arguitur in omnibus patribus synodi generalis quam apud unum solum hominem, etiam si sit papa. Et propter hoc, cum casus est valde dubius et habet fortes pro se utraque parte defensores, recurrendum est ad synodum, quoniam, ut ait dominus Archidiaconus in hoc loco, nimis periculosum esset fidem nostram committere arbitrio unius hominis. Super decretum volumen cum additionibus addictis, Mailand 1508, fol 22b. Dazu s. B. Tierney, Only the Truth Has Authority, bes. 85–88. Ähnliche Äußerungen von Kanonisten s. bei B. Tierney, Foundations 50, Am. 3; 55; 67. J.A. Watt, The Early Medieval Canonists, hier: 28, Doc. B: ergo ad novam heresim dampnare, opus est congregatione

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nisten zitieren ihn ebenfalls zustimmend. Sein Inhalt ist höchst bemerkenswert: Ist ein dogmatisches Problem so kontrovers, dass eine einvernehmliche Lösung nicht zu finden ist, ist der Papst allein nicht autorisiert, ein Urteil zu sprechen, er muss vielmehr eine Synode einbeziehen. Angesichts einer solchen Situation wäre sein Spruch als Stimme eines Privatmannes zu werten, der kein verbindlicher Charakter zukommt. Aber auch hier darf man aus der Angewiesenheit des Papstes auf die Mitwirkung eines Konzils nicht auf eine Limitierung in der Rechtsbefugnis schließen. In diesem Punkt ist Torquemada zu keinem Kompromiss bereit 146. Grenzen sind dem Oberhaupt lediglich in der Erkenntnisordnung gezogen, weil zu akzeptieren ist, dass zuweilen höchst subtile Probleme, die sich in der Ausübung des Lehramts stellen, große Umsicht verlangen, wie sie allein ein Konzil garantiert. Das gilt namentlich dann, wenn eine Entscheidung irreformablen Charakters ansteht. Hier haben die Väter ihre unersetzliche Funktion. Nicht minder bemerkenswert ist Torquemadas Ansicht in Bezug auf einen Dissens zwischen Papst und Konzil. Zu beachten ist in diesem Fall, wo genau die Differenz liegt. Sollte in der umstrittenen Sache schon früher durch den apostolischen Stuhl entschieden worden sein, hat man dem Urteil des Papstes „mit Festigkeit“ zu folgen, selbst wenn die ganze Welt anderer Ansicht wäre, und die Abänderungsvorschläge der Väter abzulehnen. Besteht hingegen der Gegensatz in einer noch nicht definierten Frage, die erstmals (noviter) vor ein Konzil gebracht wird, dann verdient die Synode magis regulariter Zustimmung als der Papst, da sie die besseren Möglichkeiten hat, komplexe Probleme zu diskutieren und als entscheidungsreif zu präsentieren147.

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concilii. – Eindeutig ist Huguccio: Si tamen papa precipiat ut sua sententia teneatur et non teneatur sententia concilii obediendum est ei et sua sententia est tenenda et non illa … Hoc intelligo verum esse si de articulo fidei vel de aliis que non pendent de arbitrio aliorum … Zitiert nach M. Ríos Fernández, El primado, in: Compost. 11 (1966) 49, Anm. 14. AaO, fol 219rb. Unde ex isto ordine, quem ponit glossa observandum in solutione questionis /fol 219va/, non sequitur aliqua superioritas iurisdictionis supra papam. Wenn auch die nach klugem Rat der Väter beschlossenen Konzilsdekrete größere Wertschätzung und Ansehen haben, so gilt: … non tamen propter hoc sequitur, quod concilium sit maius potestate iurisdictionis ipso papa … Exemplum huius assignare possumus in his, que papa facit cum cardinalibus in consistorio et que solus. Planum est quod maioris auctoritatis reputantur facta per papam in consistorio cum consilio dominorum cardinalium quam per eum solum facta et nihilominus eiusdem roboris et auctoritatis sunt hec et illa, cum eadem potestate sint edita. Bei den decretales et canones, die hier gemeint sind, handelt es sich um Jurisdiktionsakte. C. 64, fol 231va. Pro quo videtur nobis per distinctionem procedendum, quoniam dissensio sive discordia inter papam et patres concilii aut est in materia fidei aut non. Si in

Torquemada bleibt nun bei solchen Überlegungen nicht stehen. Mit Bedacht und gewiss in Kenntnis der Konsequenzen, die er freilich nicht erwähnt, fährt er fort: Der Pontifex muss jedem, der besser urteilt, eher beistimmen als sich selbst, wie das Beispiel des hl. Paulus lehrt, der Petrus widerstand, der sich schließlich den Argumenten fügte148. Zwar gilt der Grundsatz, dass die Wahrheit bei der Mehrheit ist, doch ist es andererseits nicht unmöglich, dass zuweilen ein Einzelner und ganz besonders der Papst bessere Gründe hat als alle übrigen zusammen. Wie wir hören werden, hat es tatsächlich eine solche Situation in den drei Tagen nach der Passion Jesu gegeben, als allein Maria den katholischen Glauben bewahrt hat 149.

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materia fidei hoc dupliciter: aut est materia illa iam diffinita prius per apostolicam sedem, quam patres concilii aut vellent refutare aut immutare, et in tali casu sit ista conclusio, quod sententie pape firmiter standum est. Fol 231vb. Unde si totus mundus sentiret contra papam, videtur quod sententie pape standum esset. – So auch Huguccio im Kommentar zu d. 19, c. 9, ed. cit. 325 … si in aliqua questione discordat concilium a sententia pape, maior est sententia concilii quam pape. Quod non credo. Set potius credo contrarium. S. auch den Text des Alanus, ed. J.A. Watt, The Early Medieval Canonists 31: Solus papa ex plenitudine potestatis sue, sine presentia sinodi vel collegii cardinalium suorum potest causas omnes civiles et criminales audire et definire … Profundam vero, fidei questionem, non sine concilio vel saltem cardinalium collegio non debet: nonne potest errare ut Anastasius? … Sed queritur, cum ipse concilio vel cardinalibus questionem fidei ventilat et contingit papam aliam habere sententiam, aliam cardinales, cuius sententia prevalebit? Respondeo, concilii vel cardinalium si omnes in concilium optione concordent. Immo etiam si maior pars, sed si tanta pars cum papa concordat, quanta est que consensit pape adhereo, et hec in questione fidei tantum. AaO, fol 231vb. Secundo modo possumus loqui, quod predicta contrarietas sit in materia fidei, sed nondum diffinita, sed que noviter per concilium veniret diffinienda. Tunc in tali casu ista ponitur conclusio secunda, quod magis regulariter standum foret iudicio patrum totius concilii quam iudicio romani pontificis … AaO. Et non modo papa universali concilio, sed etiam unicuique, qui melius sentiret, deberet credere plus quam sibi, sicut exemplum habemus de beato Petro, qui Paulo resistenti sibi rationibus acquievit … Diximus autem magis regulariter, quia non esset impossibile, quod quandoque unus homo et maxime papa multiplici respectu in aliqua materia melius sentiret ceteris omnibus. Unde secundum communem doctrinam doctorum in sola beata virgine fides mansit inviolata catholica in triduo et sanctitas ecclesie. – S. auch Nicolaus de Tudeschis: In concernentibus fidem etiam dictum unius privati esset preferendum dicto papae, si ille moveretur melioribus rationibus et auctoritatibus Novi et Veteris Testamenti. Zitiert nach Ch. Lefèbvre, L’enseignement, hier: 327, Anm. 69. Und ebda … dico etiam unum quod videbitur magis novum, quod si papa etiam in factis fidei moveretur melioribus rationibus et definitionibus et auctoritatibus quam concilium, standum esset definitioni papae.

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Obschon Torquemada an seiner Meinung festhält, die Synodalväter hätten ein besseres unterscheidendes Urteil als der Papst, macht er im Falle eines Dissenses folgenden Vorschlag zur Güte: Man soll erst dann conciliariter entscheiden, wenn sich beide Parteien in der Sache geeinigt haben150. Wie bereits angedeutet, bleibt der Glaube der Kirche im Papst selbst unter widrigen Umständen in seiner Integrität erhalten. Er wäre dann, im Besitz der richtigen Argumente, gleichsam die wahre Kirche in seiner Person, eine Aussage, für die wir das Vorbild Marias haben, die in der verzweifelten Situation der Jünger Jesu während und nach der Passion dem Glauben treu blieb. Man hat allerdings, um die Tragweite der Ereignisse recht zu würdigen, daran zu erinnern, dass Petrus zu jener Zeit noch nicht Hirt der Kirche war, wie auch die Apostel noch keine Prälaten mit Jurisdiktion waren. Außerdem: Die Apostel versagten im Glauben nicht collegialiter und ihr Verhalten kam nicht aus einer gemeinsam gegebenen Zustimmung, denn jeder handelte als Individuum. Da sie nicht hartnäckig auf ihrer Meinung beharrten, waren sie keine Häretiker151. Gesamtkirche, Papst und Konzil erfreuen sich des Privilegs, stets vom Irrtum frei zu sein, aber auf unterschiedliche Weise. In der Kirche wird die Wahrheit bei Einzelnen oder bei vielen bis ans Ende der Zeiten bleiben. Dem apostolischen Stuhl oder dem Plenarkonzil gilt diese Zusage in Bezug auf das amtliche Urteil in Glaubensdingen, denn Gott wird nicht zulassen, dass die Inhaber des Lehramts in dieser Hinsicht einem Irrtum verfallen152.

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AaO, fol 232ra. Zum Glauben Marias während der Passion s. K. Binder, Thesis, bes. 442–446 (zu Torquemada). J. Helmrath, Ecclesia enim 296–300 (zur Restlehre auf dem Basler Konzil). Über Johannes von Segovia 300ff. J. Miethke, Ockhams Weg zur Sozialphilosophie 538– 541. Y. Congar, Incidence ecclésiologique. – C. 51, fol 230va.Tum primo, quia nec Petrus tunc temporis pastor erat ecclesie nec alii apostoli erant in aliqua prelatione iurisdictionis sublimati … Tum secundo, quia apostoli deficientes non defecerunt collegialiter congregati videlicet defectu, qui ex communi consensu emanavit, sed defecerunt ut singuli … non fuerunt heretici, quia heresis non tantum dicit errorem in intellectu, sed pertinacia quasi formale principium. C. 60, ad 2, fol 228rb. Verumtamen est notandum … quod non errare sive deficere aliter videtur attribui, quando dicitur, quod universalis ecclesia errare vel deficere non potest in fide, et aliter, cum attribuitur aut apostolice sedi aut plenario concilio. Universali quidem ecclesie attribuitur, quia fides nunquam deficit de ecclesia, quoniam semper in aliquibus multis aut paucis semper permanebit usque ad finem …. Sedi vero apostolice aut plenario concilio attribuitur quoad iudicium, ita quod dicimus, quod ipse omnipotens deus hos, quibus fidei magisterium commisit, non permittet in his, que fidei sunt, errare.

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6. Das Schisma und seine Überwindung Als Zeitgenosse eines Schismas waren Torquemada die Begleitumstände und Folgen der Rivalitäten um das höchste Amt aus eigener Anschauung vertraut. Welche Schritte hatten in einer so spannungsgeladenen Situation Aussicht auf Erfolg? Zunächst empfiehlt sich eine Diskussion unter den Rivalen, um zu klären, wer von beiden verus papa ist. In der Alten Kirche war das Sache des Kaisers153. Über den Erfolg einer Suche im Kreis der Prätendenten macht sich Torquemada allerdings keine Illusionen, so dass ein anderes Gremium den Weg aus dieser verworrenen Lage suchen muss: das Konzil. Es ist namentlich dann einzuberufen, wenn der Konflikt schon lange dauert und starke politische Kräfte hinter den Rivalen stehen. Betont wird, dass man die Entscheidung nicht den Kardinälen übertragen soll, da sie dann zu Richtern in eigener Sache würden, wohl aber obliegt es ihnen, ein Konzil zu versammeln154. Eine andere Möglichkeit bietet die via compromissi, bei der die streitenden Parteien das Urteil einem Schiedsgericht mit dem Versprechen übertragen, sich dessen Votum zu unterwerfen. Es darf aus Klerikern und Laien bestehen, ohne dass die Zusammensetzung näher beschrieben wird 155. Denkbar ist auch, dass eine neu anzusetzende Wahl über den wahren Papst befindet. Zu erwägen ist ferner, alle Prätendenten zu vertreiben und zur Neuwahl zu schreiten. Selbst den Einsatz von Waffengewalt hält Torquemada für akzeptabel, falls man mit Sicherheit einen von ihnen als „Eindringling“ erachten müsste. Hat ein Schisma seine Ursache in einem politischen Konflikt unter Fürsten mit ihren jeweiligen Günstlingen, ist eine Versöhnung der Machthaber untereinander geboten, um das Ende der Spaltung herbeizuführen. Dass die via compromissi gelegentlich Erfolg hat, zeigt die erst wenige Jahre zurückliegende Beilegung des Schismas zwischen Felix V. und Nicolaus V., als es unter politischem Druck gelang, Felix V. zum Rücktritt zu bewegen156. Die lange Liste der Wege, die der Kirche offen stehen, um der größten Gefahr, die dem Primat droht, Herr zu werden, verrät eines besonders eindringlich: Das oberste Amt der Kirche hat in der Regel nicht aus sich selbst die Kraft gehabt, ein Schisma zu verhindern oder, wenn es eingetreten ist, zu beenden. Es bedarf ande153 154

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L. IV, p. I, c. X, fol 240vb. AaO, fol 241ra … quoniam huiusmodi dubii conveniens iudex videtur esse concilium … Non ipsi cardinales, quia sic essent iudices in proprio facto, nam nullus sic potest superior inveniri … vel si cardinales adeo dissentiunt, debebit concilium convocari auctoritate cardinalium. AaO, fol 241rb. AaO, fol 241vb. Dazu s. J.W. Stieber, Pope Eugenius IV 322–330. Art.: Felix V. (H. Müller). H. Müller, Die Franzosen, Frankreich, Tl. II (Register 908f, 939).

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rer Instanzen, die die Initiative ergreifen, um die Einheit herzustellen. Das heißt: Torquemada war sich bewusst, dass die päpstliche plenitudo potestatis zuweilen an Grenzen stieß und dass anderen Autoritäten, politischen und kirchlichen, die Handlungsvollmacht übertragen werden musste, wobei er deren rechtlichen Status wohl mit Absicht nicht weiter erörtert hat. Dass es schismatische Päpste gegeben hat und vermutlich auch in Zukunft geben wird, ist sicher, umstritten ist jedoch, ob ein Papst als Haupt der Kirche in ein Schisma zu fallen vermag, wenn man dieses als Trennung von der kirchlichen Einheit durch Ungehorsam definiert, denn dann müsste man annehmen, er könnte sich von seiner eigenen Person lösen. Und weiter: Ist es möglich, dass jemand, in dem die Kirche ist und auf den hin sie ist, Schismatiker wird? Nach Torquemada verhält es sich tatsächlich so, denn die Weisen, in denen man die Einheit mit der Kirche preisgibt, unterscheiden sich in der Sache157. So tritt ein Papstschisma auch ein, wenn das Oberhaupt Christus den Gehorsam verweigert und Anordnungen erlässt, die dem natürlichen oder göttlichen Recht zuwiderlaufen, oder wenn es grundlos Gebote, die die Kirche von den Aposteln, den Konzilien und der Praxis des hl. Stuhls herleitet, missachtet 158. Mit einem Sonderfall enden die Gedanken zum Schisma. Sollten sich zwei um das Papstamt streiten, von denen der eine in den Augen der Mehrheit der wahre Papst ist, so würde sich der rechtmäßige Papst als hartnäckig und pflichtvergessen erweisen, täte er nicht alles in seinen Kräften Stehende, um die Einheit der Kirche zu erhalten. Er wäre dann als ein „Förderer“ (nutritor) der Spaltung zu betrachten, so wie man dies „in unseren Tagen“ von Benedikt XIII. und Gregor XV. gesagt hat159. Die These lässt sich, um ihr größeren Nachdruck zu verleihen, noch verschärfen. Hat ein rechtmäßiger Papst einen „Eindringling“ (intrusus) als Riva-

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C. XI, fol 241vb. Vgl. Thomas v. Aquin S Th II–II 39, 1 u. 2. AaO, fol 242ra. Ergo videtur, quod papa in talibus dividendo se ab observantia universalis ecclesie cum pertinacia possit in scisma incidere … quia sicut possit incidere in heresim, ita in inobedientiam et pertinacem nonobservantiam eorum, que ordinata sunt ad communem statum ecclesie. C. 13, fol 242vb. Prima (conclusio) est, quod in casu scismatis, in quo unus est verus et indubitatus papa et alter intrusus seu contra phas ordinatus, si talis intrusus magnos et potentes habeat sequaces sive adherentes, ita ut pseudo papa non possit manu armata comprimi et non habeatur spes, quod alia via scisma sopiri possit quam per cessionem veri pontificis habeaturque certitudo, quod per cessionem veri pontificis reintegretur ecclesia et oves disperse ad unicum et sub unico pastore reducantur ovile: hoc casu romanus pontifex quantumcumque clarum et indubitatum ius habeat in papatu, videtur debere cedere papatui pro integranda unione ecclesie … /fol 243ra/. Ergo videtur, quod propter scandalum movendum scismatis de ecclesia debeat cedere papatui …

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len mit mächtigem Anhang hinter sich und besteht ferner keine Aussicht, das Schisma auf andere Weise zu beenden als durch einen Verzicht des legitimen Papstes, so wäre eine Lage entstanden, die einen außerordentlichen Schritt fordert und rechtfertigt. Der wahre Papst müsste sich, vor dieses nicht anders lösbare Problem gestellt, zu einem Amtsverzicht bereitfinden160. Diesen Preis hat er zum Wohl der Allgemeinheit zu zahlen. Resignation wäre dann eine moralische Pflicht, die jedoch ohne jeden Zwang zu erfolgen hat. In Torquemadas Augen ist dies ein Ergebnis der intensiven Diskussionen um die Abdankung Cölestins V.161

7. Die Legitimität der päpstlichen Jurisdiktion Mit welcher Sicherheit kann man sagen, dass der jeweils regierende Papst wirklich Nachfolger des hl. Petrus ist? Handelt es sich um eine Garantie, die als de fide zu gelten hat oder sind Zweifel erlaubt? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, Legitimität im strikten Sinn anzunehmen? Antworten geben Torquemadas Gedanken zu den veritates catholicae, unter denen er die unmittelbar oder mittelbar geoffenbarten Wahrheiten versteht, deren Leugnung Häresie wäre. Sie sind entweder wörtlich in der hl. Schrift enthalten oder werden aus Glaubenssätzen mit Notwendigkeit gefolgert. Da sie deduktiver Natur sind, müssen sie besonders sorgfältig beschrieben werden, um Aussagen, die ihnen entgegenstehen, als Irrlehre qualifizieren zu können. Ihr Charakter als übernatürliche Wahrheit unterscheidet sie wesentlich von Einsichten, die aus einer rationalen Betrachtung resultieren162. Die scholastische Theologie hat sie hinreichend klassifiziert, so dass Torquemada sie in seine Liste übernehmen konnte. Die damit verbundene Absicht ist leicht zu erkennen: Dem Leser soll eine Hilfe an die Hand gegeben werden, die es ihm erlaubt, die Subtilitäten theologischer Meinungen von strikt zu deutenden Lehraussagen und Irrtümern zu unterscheiden. Details brauchen uns hier nicht zu interessieren, wohl aber ist die 8. Kategorie der „katholischen Wahrheiten“, die man später als „dogmatische Tatsachen“ (facta dogmatica) bezeichnet hat, näher

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AaO, fol 243ra. Secunda conclusio, quod papa verus et indubitatus, qui non sit a fide devius, non potest cogi ad cedendum nec cedere nolens potest deponi … L. IV, P. II, c. 8, fol 249ra. C. 8, fol 249rb. Catholica veritas est, que ex divina revelationis lumine supernaturali immediate vel mediate est habita explicite in propriorum verborum forma vel implicite bona et necessaria consequentia. Dicitur autem lumine supernaturali ad differentiam veritatum, que generali quadam revelatione mediante generali lumine habentur. Zur spätmittelalterlichen Diskussion um die veritates catholicae s. A. Lang, Die theologische Prinzipienlehre 210–216.

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zu betrachten163. Die darunter zu subsumierenden Sätze sind zwar nicht, wie es heißt, absolute Dogmen zu nennen, sie haben jedoch einen engen Bezug zu ihnen und sind ihnen „nahe“. Eine „katholische Wahrheit“ in diesem Sinn ist eine Aussage, die mit einer anderen nicht zum katholischen Glauben gehörigen Wahrheit so verbunden ist, dass die daraus sich ergebende Konklusion nicht geleugnet werden kann164. Das die Definition erläuternde Beispiel zeigt, worum es geht und welcher Rang der These für die Kontinuität und Legitimität des papatus zukommt. Die Aussage, dass „jetzt Thomas de Sarzana (Nicolaus V.) Papst ist“, ist ein nach katholischer Wahrheit „schmeckender“ (sapiens) Satz, der auf einer kanonischen Wahl des ganzen Kardinalskollegiums oder mit den Stimmen von zwei Dritteln seiner Mitglieder beruht, deren rechtliche Verbindlichkeit nicht bestritten werden kann165. Damit sind freilich noch nicht alle Bedingungen erfüllt. Der neu gewählte Papst muss von der universalen Kirche als rechtmäßiger Nachfolger Petri rezipiert worden sein166. Etwaigen Anfechtungen soll also in mehrfacher Hinsicht von vornherein der Boden entzogen werden. Man beachte, dass zur electio die susceptio durch die Kirche treten muss, um ganz sicher zu sein, dass das Oberhaupt zweifelsfrei feststeht. Wie man konstatiert, dass die Rezeption des neuen Papstes abgeschlossen ist und wie lange der Schwebezustand dauern darf, wird nicht erörtert. Es versteht sich, dass man später eine solche unklare Zwischenzeit nicht akzeptieren wollte. Sind unter solchen Voraussetzungen sämtliche Bedenken hinsichtlich der Legitimität eines Papstes gegenstandslos? Torquemada erweckt hier tatsächlich den Eindruck, dass es so ist, aber in einem anderen Kontext, in dem er sich zu einem mysteriösen Fall der Papstgeschichte äußert, vertritt er eine modifizierte Position.

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C. 9, fol 250va. Dazu s. Art.: Facta dogmatica (W. Beinert). AaO, fol 250va. Octavum genus distingui potest earum veritatum, que, etsi absolute catholice non sint, sunt nihilominus catholicam veritatem sapientes, sunt enim catholicis veritatibus propinque. Unde veritas sapiens catholicam veritatem potest sic diffiniri: Veritas sapiens catholicam veritatem sive fidem ex consequenti est illa, que adiuncta sibi aliqua veritate ad fidem non pertinente, sed nihilominus, que rationabiliter negari non potest fiet veritas catholica. AaO. Exempli gratia, quia nunc in apostolica dignitate sedet magister Thomas de Sarzana. Ista ‘Thomas de Sarzana est papa’ est propositio sapiens veritatem catholicam. Patet, quoniam adiuncta sibi illa veritate, que negari non potest, videlicet quod fuerit rite et canonice electus, utputa a toto dominorum collegio vel duabus partibus, efficitur veritas catholica dicenda. AaO. Magister Thomas de Sarzana rite et canonice electus et in papam ab universali ecclesia susceptus est verus papa. Ista propositio est catholica ex determinatione universalis ecclesie.

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Gemeint ist die papissa Johanna, die durch die Literatur der Jahrhunderte geisterte und Theologen zu seltsamen Konstruktionen verleitet hat 167. Der Historiker wird aus diesem Grund den Erfindern und Verbreitern der Legende Dank wissen, da sie vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Autoren Gelegenheit gegeben hat, über Möglichkeit und Grenzen der kirchlichen Verfassung und die Notwendigkeit einer letzte Zweifel ausräumenden Rezeption durch die Kirche nachzudenken. Auch Torquemada war von der historischen Existenz jener papissa überzeugt und hat den durch sie aufgeworfenen Problemen eine aufschlussreiche Reflexion gewidmet168. Seine Frage ist zunächst weiter gefasst: Würde nicht ein insgeheim häretischer Papst, der als Exkommunizierter seine Jurisdiktion verloren hat und darum keine Ämter in gültiger Form verleihen kann, die Kirche ins Unheil stürzen, da es dann keine Rechtssicherheit mehr gäbe? Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, favorisieren Theologen die These, dass der Papst, wird er Irrlehrer, seine Vollmacht behält. Nähme man das nicht an, wären die Folgen für die Legitimität der kirchlichen Ämter genauso verhängnisvoll, wie wenn eine Frau oder ein Heide in das höchste Amt gelangten. Die durch sie entstehende Verunsicherung wäre dann nicht geringer als im Fall eines Häretikers auf dem Stuhl Petri, auch wenn dieser – anders als eine Frau oder ein Heide – gültig konsekrierte und ordinierte, wofern er die vorgeschriebenen Formen beachtete 169. Die Konsequenzen des Falles, dass ein Jude oder ein Heide ins höchste Amt gelangten, brauchen nicht erörtert zu werden. Es genügt, auf das Beispiel einer Frau auf dem Stuhl Petri zu verweisen. Lapidar heißt es: Es steht fest, dass „einmal“ eine Frau von allen Katholiken für einen Papst gehalten wurde170. Wie das geschah, ob durch Wahl oder auf sonstige Weise, sagt Torquemada nicht, auch nicht, wie sich das mit der vorhin vertretenen These in Einklang bringen lässt, die doch Rechtssicherheit in einer eng mit dem Glauben verbundenen Sache zu garantieren schien. Dass es tatsächlich eine Päpstin gegeben hat, bezweifelt er allerdings nicht, ein weiteres Zeichen, dass er selbst historische Ereignisse anzuerkennen bereit war, die mit seinen ekklesiologischen Positionen kaum zu vereinbaren

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Zur Geschichte der Legende s. M. Kerner – K. Herbers, Die Päpstin Johanna. Dazu s. E. Gössmann, „Die Päpstin Johanna“, 96f. G. verwechselt Juan de T. mit seinem Neffen Tomás de Torquemada, dem Großinquisitor! C. 20, fol 257va. Patet, quia si mulier vel paganus haberetur pro papa et de facto consecraret episcopos et ordinaret christianos ad dignitates ecclesiasticas promoveret, non minus confunderetur ecclesiastica hierarchia, quam si hereticus iure divino papatu privatus putaretur a catholicis esse papa, licet enim ordinando de facto et consecrando nulli tribueret executionem officii, verumtamen ordinem conferret, dummodo formam servaret ecclesie. AaO. Cum ergo constet, quod aliquando mulier a cunctis catholicis putabatur papa …

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waren. Die Probleme, die ein häretischer Papst mit sich brächte, wären jedenfalls geringer als die, die eine Frau anrichten würde, weil er wenigstens die Sakramente gültig spenden könnte. Die Überlegungen zu solchen Grenzfällen mit schweren dogmatischen Konsequenzen beendet Torquemada mit einer tröstlichen Auskunft: Wenn seinerzeit, als eine Frau das höchste Amt bekleidete, dank göttlicher Vorsehung keine Verwirrung in der Kirche eintrat, dann ist es noch viel unwahrscheinlicher, dass es zu einer Gefährdung der Hierarchie käme, sollte ein Häretiker Papst werden171. Fassen wir zusammen: In der Geschichte muss man zuweilen mit außergewöhnlichen Ereignissen rechnen, die sich nur schwer oder gar nicht einem System einfügen lassen, aber im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung, die mit langen Fristen rechnet, werden sie keinen dauerhaften Schaden hinterlassen und bald nur noch ein Exempel für das die Kirche erhaltende und beschützende Walten Gottes sein. Wie weit Torquemadas Primatskonzeption noch von einem absolut in sich geschlossenen System entfernt war und wie wenig man sich später geneigt zeigte, seinen Optimismus zu teilen, verraten spätere Versuche, alle Lücken zu schließen. Ein kurzer Blick auf die Nachgeschichte unseres Problems sei daher gestattet. Zwar regten sich im Lauf der Zeiten Zweifel an der Existenz der papissa, aber man wagte lange nicht, sie gänzlich ins Reich der Fabel zu verweisen. Wenigstens hypothetisch wurden mögliche Konsequenzen in vielen Varianten erörtert. So würde eine Päpstin, sollte es sie tatsächlich gegeben haben, nicht von der Kirche rezipiert und bald als Pseudoinhaberin des Amtes entlarvt werden. Auch Sorgen hinsichtlich etwa von ihr ergehender Glaubensdefinitionen zerstreute man. Denkbar ist, dass sie dogmatisch richtig urteilt, so dass die Kirche ihre Entscheidung übernimmt. Sollte sie jedoch einen Irrtum lehren, fände dieser keine allgemeine Resonanz. Eine auf die Kirche übergreifende Häresie würde Gott somit in jedem Fall zu verhindern wissen. Schließlich hätte man mit dem baldigen Tod der Päpstin zu rechnen. Garantien solcher Art gelten übrigens nicht nur für eine papissa, sondern für jeden Pseudopapst 172.

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AaO. Sic ergo constat, quod maior difficultas est, si mulier habeatur pro papa, quam si papa fiat hereticus, licet iure divino ipso facto sit papatu privatus. Et ideo si in casu superiori divina providentia ecclesiam suam protegente non est secuta totius ecclesiastice hierarchie confusio, multo minus sequeretur in casu prefato, si papa occulte esset hereticus. So ist etwa für Doninicus Báñez die Päpstin Johanna nur ein Beispiel für die Möglichkeit eines Putativpapstes und die Konsequenzen, die sich aus seiner Existenz ergeben. Dazu s. U. Horst, Die Lehrautorität des Papstes 144–146 und 177–186 (die spätere Diskussion).

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Torquemada sind solche für ein späteres Sicherheitsdenken typische Überlegungen noch fremd. Aus seiner Kenntnis der Geschichte und den Erfahrungen einer bewegten Epoche ist er bereit, die Ekklesiologie für außerordentliche Situationen offen zu halten, wobei den Konzilien eine besondere Funktion reserviert ist, wenn der papatus sich als handlungsunfähig erweisen sollte.

8. Papsttum und Kirchenreform Mit Recht hat Hubert Jedin beklagt, dass Torquemada in seiner Summa dem großen Desiderat der Stunde, der Kirchenreform, keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat 173. Zwar äußert er sich zu vielen Konflikten und scheut sich auch nicht, eigene Wege zu gehen, aber die auf dem Basler Konzil so lebhaft angestrebte Erneuerung von Personen und Institutionen ist kein Thema seiner Ekklesiologie. Über die Gründe für diese Zurückhaltung braucht man nicht lange zu rätseln. Sie liegen in seiner Sorge, konkrete Reformmaßnahmen würden die Handlungsfreiheit der Päpste zu sehr einschränken und die Ausübung primatialer Rechte gefährden. Die kompromisslose Ablehnung eines den apostolischen Stuhl bindenden decretum irritans hat diese Befürchtungen zum Hintergrund. Die Ansicht des Konzils, eine Reform der Kirche müsse a capite ihren Anfang nehmen, konkretisierte sich in Basel in der Frage, ob man die Disposition über Kirchenämter und die Vergabe von Benefizien durch den Papst so an eine Nichtigkeitsklausel binden sollte, dass Zuwiderhandlungen von vornherein keine rechtliche Wirkung haben. Von der darauf gegebenen Antwort hing nach Meinung vieler eine Reform des apostolischen Stuhls ab174. Auf Wunsch der Reformdeputation sollte der Gegenstand im Mai 1433 in öffentlichen Disputationen behandelt werden. Zu diesem Zweck war Torquemada als Redner gegen ein solches Dekret vorgesehen, während der Pariser Theologe Denis de Sabrevois den Standpunkt des Konzils zu vertreten hatte175. Man zog es jedoch vor, am 13. Juli 1433 ein Wahlrecht zu verabschieden, wonach Kirchen und Kollegien ihre Prälaten selbst wählen durften. Der Papst musste vor Übernahme seines Amtes schwören, sich danach zu

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Geschichte des Konzils von Trient I 21f. Zu Einzelheiten der Diskussionen s. W. Krämer, Konsens 24–62. S. auch J. Helmrath, Reform als Thema der Konzilien, bes. 111–131 (über Basel); ders., Das Konzil von Basel (Reg. 651). J. Miethke in der Einleitung zu: Quellen zur Kirchenreform 24–82. Zu den Vorbehalten eines konzilsfreundlichen Bischofs gegen ein decretum irritans s. E. Meuthen, Juan González, Bischof von Cádiz, bes. 279–285. Zu dem Pariser Theologen s. H. Müller, Die Franzosen II (Reg. 935).

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richten176. Torquemada hat darum seine Rede nicht gehalten, doch bleibt deren Text für seine ekklesiologische Position und seine Haltung zur Reformfrage bedeutsam177. Torquemada beginnt seine Abhandlung, wie es für ihn typisch ist, mit allgemeinen Erwägungen zum Charakter von Gesetzen, die seine These vorbereiten. Dass Gesetze dem göttlichen und dem natürlichen Recht unterliegen, versteht sich von selbst ebenso wie der Grundsatz, dass sie nur von jemand erlassen werden können, der dazu die Vollmacht hat. Auch die weiteren Eigenarten werden kaum Widerspruch gefunden haben, obschon sie den gleich einzuschlagenden Kurs andeuten. Gute Gesetze haben den Gewohnheiten des Landes zu entsprechen und sollen den Bedürfnissen der Zeit, des Ortes und der Umstände angepasst sein. Sie müssen deshalb so formuliert werden, dass sie variabel bleiben. Sie haben dem Wohl aller in der Vielfalt der Situationen zu dienen und nicht dem Nutzen einzelner Personen178. Daraus ergibt sich eine erste Konklusion: Ein so undifferenziertes Gesetz, wie es das Konzil fordert, um den Missbräuchen der römischen Kurie zu begegnen, hätte eine „Zerstreuung“ (dissipatio) der Kirche zur Folge. Was ist damit gemeint? Ein Dekret mit Nichtigkeitsklausel könnte wegen seines keine Ausnahmen zulassenden Charakters der Vielfalt menschlicher Handlungen und Umstände nicht gerecht werden. Es müsste uniformiter angewendet werden und machte Epikie unmöglich179. Theologisch schwerer wiegt das nächste Argument. Zu den Aufgaben eines Konzils gehört, die Wahrheit zu lehren und die Häresie zu bekämpfen. Das geplante Dokument widerspräche jedoch diesem Ziel, da es den Rechten, Privilegien, der Würde und der Ehre des apostolischen Stuhls abträglich wäre und zum Schisma führte, weil es die Glieder vom Haupt trennte und seinem Einfluss entzöge. Letzten Endes würde es die Einheit der Kirche zerstören180. Aber nicht nur das: Es erklärte auch göttliches Gesetz für nichtig, weil es die hierarchische Gliederung mit ihrer Über- und Unterordnung aufheben müsste. Häresie wäre das Resultat. Nach Torquemadas Einschätzung schränkt nun ein decretum irritans die Handlungsfreiheit des Papstes so ein, dass er dann nicht mehr in der Lage wäre, gute

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COD 469–472. Text der geplanten Rede M 30, 550D–593C. AaO 552A–553C. AaO 553D–554B. Non videtur bene possibile in talibus rebus cum salute reipublicae legem humanam constitui, quam nullo modo variari contingat. AaO 554B–556A.

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und geeignete Hirten zu bestellen181. Dass der Zustand der Kirche jener Jahre seine Ursache auch darin hatte, dass der apostolische Stuhl seinen Aufgaben schon lange nicht mehr gerecht geworden ist und man sich eben deshalb zu Notmaßnahmen gezwungen sah, scheint er zu ignorieren oder doch zu verharmlosen. Allen Versuchen, dem Übel mit einem radikalen Schritt zu wehren, liegt vielmehr ein falsches Verständnis von der Autorität eines Konzils zugrunde, insofern es Rechte beansprucht, die es nicht hat. Auch sollten die Anhänger des Dekrets bedenken, dass sich viele schwere Mängel in der kirchlichen Praxis aus der gegenwärtigen politischen Situation ergeben. Mehr und mehr haben sich die Fürsten Herrschaft über die Prälaten ihrer Territorien angemaßt, so dass, gelänge es ihnen, dem geplanten Gesetz Verbindlichkeit zu geben, das Kirchenrecht und mit ihm das Dispositions- und Kollationsrecht ganz in die Hand weltlicher Machthaber verlegt würde182. Die Warnung vor einem Rollentausch zwischen Primat und Fürstenwillkür ist nicht zu überhören und wird ihren Eindruck nicht ganz verfehlt haben. Im Anschluss an dieses Szenario einer Beschränkung der päpstlichen Vollgewalt mit ihren politischen Ursachen und Folgen wird Torquemada konkret und polemisch. Ein Reformgesetz sollte den Zustand der Kirche verbessern und nicht verschlechtern. Wie, fragt er, sähe die Wirklichkeit aus, nähme man dem apostolischen Stuhl die Freiheit, Ämter zu besetzen? Gewiss ist zu konzedieren, dass auch die Päpste Fehler in den Monaten gemacht haben, in denen sie allein über Benefizien und Kirchen verfügen konnten, aber die Erfahrung zeigt, dass dies „sehr viel häufiger“ geschieht, wenn andere dazu das Recht haben. So gelangten moralisch Ungeeignete und Personen ohne Bildung, Nepoten und Diener, in Positionen, denen sie nicht entsprechen. Und mit einem Seitenhieb auf die Basler Konzilsteil-

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AaO 558B … est veraciter tunc ponere in ecclesiastica politia plures potestates non reducibiles ad unum superiorem monarcham tales actus exercere valentem. Und 558C. Qui autem ratione ecclesiae privilegium ab ipso summo pontifice omnium ecclesiarum capite conatur auferre, hic proculdubio in haeresim labitur … quoniam per tale decretum irritans privatur et spoliatur sedes apostolica auctoritate dispositionis, ordinationis et provisionis ecclesiarum, quae inter privilegia sedis apostolicae videntur tenere principalitatem. Und 559D … per istud decretum irritans redditur (papa) impotens, cum per id claudatur sibi manus potestatis pascendi oves Christi, providendo plebibus de bonis pastoribus, providendi de idoneis personis pauperibus clericis de beneficiis et subvenire indigentibus de ecclesiae elemosinis. AaO 565DE … quoniam istis temporibus principes jam videntur sic dominari praelatis intra regnorum, provinciarum, sive terrarum suarum ambitum dignitates habentibus, ut decreto illo posito, universum quasi regimen ecclesiae in ecclesiarum provisione et collatione beneficiorum ad dispositionem devolveretur principum saecularium, quod esset absurdissimum.

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nehmer fährt er fort: Unter ihnen befinden sich nur wenige fähige Männer, die nicht durch den Papst ernannt worden sind, wofür sich Beispiele unter den Vätern finden ließen. Welche Verderbnis für die Kirche wäre die Folge, wenn man ihnen die Ämterbesetzung anvertraute183? Den nach einer solchen Attacke naheliegenden Schluss, die beste Lösung für die Not der Kirche läge darin, dem Papst die alleinige Sorge für das Wohl der Kirche zu überlassen, zieht Torquemada allerdings nicht. Stattdessen betont er abermals, dass dem Oberhaupt, entzöge man ihm die von Christus übergebene Vollmacht, frei zu verfügen, die Hände gebunden würden. Das aber gereichte nur den neuen Herren zum Vorteil, die dann die uneingeschränkte Gelegenheit hätten, ihre Freunde und Familien in einträgliche Würden und Pfründen zu bringen. Immer wieder variiert Torquemada sein zentrales Argument, dass ein decretum irritans die Gewaltenfülle des römischen Stuhls unterminieren würde und aus dem Petrusnachfolger ein „verstümmeltes Glied“ der Kirche machen müsste. Ein Konzil, das zwar beraten, nicht aber entscheiden kann, ist zu einer solchen Statusänderung nicht autorisiert. Maßgebend sind nach seiner Auffassung gewiss die theologischen Gründe für einen an keine Zwischeninstanz gebundenen Jurisdiktionsprimat, aber die schlechten Erfahrungen mit bischöflichen Ansprüchen und wachsenden Eigeninteressen der Fürsten sind nicht als gering zu erachten und dürften einige nachdenklich gemacht haben. Auf dem Hintergrund seiner Theorie vom Wesen und der Reichweite des päpstlichen Rechtsprimats ist Torquemadas Haltung in der Frage nach Möglichkeit und Sinn eines decretum irritans konsequent und wird niemand in Basel überrascht haben, aber angesichts des desolaten Zustands der Kirche und der Dringlichkeit einer Reform wird man doch anzumerken haben, dass er den legitimen Aspekten einer radikalen Erneuerung keinen angemessenen Platz in seiner Ekklesiologie eingeräumt hat. Von wem sollte sie ausgehen – wenn nicht a capite? Eine Antwort auf diese Frage wird nicht gegeben. Das Fehlen einer umfassenden theologischen Reflexion über Reformen mit praktischen Konsequenzen hat man später zu Recht beklagt (H. Jedin). Dieser Mangel wird auch bei anderen bedeutenden Repräsentanten seiner Schule zu konstatieren sein.

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AaO 566BC. Itaque vix reperiuntur aliqui valentes viri promoti in ecclesia, nisi per papam, de quibus exempla possunt poni in hoc sacro concilio. Quid ergo esset, si tota ecclesiarum dispositio eorum providentiae plenaria committeretur: currentibus temporibus praesentibus et considerata dispositione mundi, salva reverentia eorum, timendum esset, quod major corruptio esset in ecclesia.

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III. Die Gewaltenfülle des Papstes nach Thomas de Vio Cajetan

1. Historische Situation und Methode des Opusculums De comparatione Die papal orientierte Ekklesiologie nach Basel hatte in Torquemadas Summa de Ecclesia ein Compendium der Ekklesiologie zur Hand, das eine Fülle von historischen und dogmatischen Argumenten zugunsten des Lehr- und Jurisdiktionsprimats des Papstes enthielt. In diesem reichen Arsenal fanden die Gegner von Konstanz und Basel, was sie suchten. So etwa die Gründe für die Unverbindlichkeit von Haec sancta und Frequens, die ihnen im Kampf gegen die Konziliaristen sehr gelegen kamen. Dass man in den bewegten Zeiten das Buch selektiv las und die in ihm auch überlieferten konziliaren Elemente weithin ignorierte, gehört ebenfalls zu dessen Nachgeschichte, wie wir im Verlauf unserer Darstellung der Ekklesiologie Cajetans sehen werden. Wie sehr das Papsttum selbst bald in der Lage war, die Initiative zu ergreifen, zeigt die Bulle Execrabilis Pius’ II. von 1460, in der die Konzilsappellation mit scharfen Worten untersagt wird 1. Versuche, das Konzil gegen den Papst auszuspielen, hat es freilich noch lange gegeben 2. Als Symptom der Unruhe darf der Aufruf des Dominikaners Andreas Jamometiç aus dem Jahr 1482 gelten, eine Generalsynode zu veranstalten3. Auch in Savonarolas Predigten finden sich Gedanken, dass er das Konzil als letzte Hilfe in der verworrenen Situation seiner Tage sah4. Eine wirkliche Gefahr ging von solchen Plänen und Wünschen freilich solange nicht aus, wie sie keine politische Unterstützung erfuhren. Konziliaristische Ideen lebten namentlich an den Universitäten fort, unter denen die von Paris eine besondere Rolle spielte 5. Auch die Universität Krakau blieb ein Ort fortdauernder konzilia-

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D, nr. 1375, 1460. Zum Kontext der Bulle s. H.-J. Becker, Die Appellation 162–202. Vgl. auch H.G. Walther, Ekklesiologische Argumentationen, bes. 307–317. Vgl. H.-J. Becker, Die Appellation 203–269. Vgl. A. Stoeckliin, Der Basler Konzilsversuch. H. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, Bd. I, 80–84. J. Peterson, Zum Personalakt eines Kirchenrebellen. SOPMA I 73f. Art.: Jamometic´, in: LThK3 5, 738 (I. Tomljenovic´). Vgl. R. De Maio, Savonarola e la Curia Romana, bes. 133–146. H.-J. Becker, Die Appellation 225–229. Für die Universität Wien s. I.W. Frank, Ein antikonziliarer Traktat des Wiener Dominikaners Leonhard Huntpichler; ders., Der antikonziliaristische Dominikaner Leonhard Hunt-

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ristischer Ideen, wie eine Reihe von Traktaten eindrucksvoll bezeugt 6. In eine neue Phase traten die Diskussionen um die alten Kontroversen, als mit Billigung des französichen Königs Ludwig XII. einige Kardinäle ein Konzil für den 1. September 1511 nach Pisa einberiefen, wofür sie Rückendeckung durch Kaiser Maximilian erhielten. Die Reaktion Julius’ II. ließ nicht lange auf sich warten. Auch er kündigte ein Konzil am 18. Juli 1511 an, das am 19. April 1514 im Lateran zusammentreten sollte 7. Anlässe und Datierung markieren den Rahmen einer theologischen Abhandlung, die als eine der schärfsten Abrechnungen mit allen Spielarten des Konziliarismus zu werten ist. Gemeint ist Cajetans Opusculum De comparatione auctoritatis papae et concilii, das der damalige Generalmagister des Dominikanerordens im Sommer 1511 begonnen und am 12. Oktober desselben Jahres abgeschlossen hat. Welchen Rang man dem Werk sogleich beigemessen hat, verrät schon der Umstand, dass es noch im selben Jahr in Rom und 1512 Köln im Druck erschien 8. Zu den Umständen, die zu seiner Abfassung führten, äußert sich der Autor im Vorwort nur

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pichler, bes. 107–186; ders., Thomas Ebendorfers Obödienzansprache; ders., Wiener Konzilsappellationen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. E. Meuthen, Kölner Universitätsgeschichte, Bd. I, 167f. E. Kleineidam, Universitas Studii Erffordensis I, bes. 134–142. O. Engels, Zur Konzilsproblematik. – Vom Konziliarismus der Pariser Universität wird später zu handeln sein. Vgl. Polskie Traktaty, ed. W.W. Bucichowski. Darin: Johannes Elgot, Determinatio Basiliensis, ed. H. Anzulewicz 43–82; Jacobus de Paradiso, Determinatio Basiliensis, ed. H. Anzulewicz 83–115; Laurentius de Raciborz, Determinatio Basiliensis, ed. W. Bucichowski 116–166; Thomas de Strzempino, Determinatio Basiliensis, ed. W. Bucichowski 167–230; Benedictus Hesse, Lectura super evangelium Matthaei, ed. W. Buchichowski 231–277. Zu den Autoren und zum Krakauer Umfeld s. T. Wünsch, Konziliarismus und Polen, bes. 72–93; ders., Prinzipielle Konzilssuperiorität. Dazu s. den Überblick bei H. Jedin, Geschichte des Trienter Konzils, Bd. I, 84–92. Zu den Motiven der Kardinalsopposition s. W. Ullmann, Julius II. H.-J. Becker, Die Appellation 236–238. N.H. Minnich, Rite Convocare Procedereque; ders., Councils of the Catholic Reformation. Zu den langen Bemühungen, das Schisma zu überwinden s. ders., The Healing of the Pisan Schism. A. Landi, Concilio e papato nel Rinascimento. Zum französischen Hintergrund s. G. Mollat, Les origines du gallicanisme. Wir benutzen die Ausgabe: De comparatione auctoritatis papae et conilii, ed. cit. S. auch die englische Übersetzung der im Folgenden behandelten Kontroversen: Conciliarism and Papalism, ed. J.H. Burns – Th.I. Izbicki. – Zu Leben und Werk s. Y.-M.J. Congar, Biobibliographie de Cajétan. J. Wicks, Cajetan und die Anfänge der Reformation, bes. 10–42. E. Stöve, De Vio Tommaso. G. de Tanoüarn, Cajétan 9–126. Zu Cajetan und Pisa und Lateran V s. D.A. Mortier, Histoire des maîtres généraux, t. V, 192–207. O. de la Brosse, Le pape et le concile.

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allgemein („zur Verteidigung der Wahrheit und des apostolischen Stuhls“), auch wird nicht angedeutet, ob es auf Wunsch oder Befehl des Papstes oder aus eigener Initiative geschrieben wurde 9. Der Umstand, dass er es zeitgleich mit der Konzilsankündigung des Papstes in Angriff genommen hat, legt freilich nahe, dass dieser der Auftraggeber war. Cajetan selbst weiß, dass seine Schrift Zuspruch und Widerspruch finden wird. Selbst Theologen des eigenen Ordens haben es, wie wir hören werden, aus hier noch nicht zu erörternden Gründen zunächst kaum beachtet, ja wohl bewusst ignoriert. Zu erwarten war, dass auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts Probleme des Verhältnisses zwischen Papst und Konzil die ekklesiologischen Diskussionen beherrschten, die nach der Drohung mit einer Generalsynode gallikanischer Prägung in Erscheinung traten. Grundsätzlich neue Argumente zugunsten dieser oder jener Position wurden zwar von den Kontrahenten nicht vorgetragen, doch hat Cajetan richtig gesehen, dass in einer Situation, in der rasches und entschiedenes Handeln geboten war, eine präzise Darstellung des papalen Standpunkts fehlte, die etwa an die Stelle der Summa de Ecclesia Torquemadas treten konnte, deren Thesen er in vielen Punkten nicht teilte, ja in der jetzigen Kontroverse für gefährlich halten musste, da sie den Parisienses zu weit entgegenkamen. Eine Verschärfung vieler Positionen war die unausweichliche Folge. Cajetan war schließlich gewiss nicht verborgen geblieben, dass es an der römische Kurie und sogar im Kardinalskollegium Tendenzen gab, die an alte kanonistisch-konziliaristische Traditionen anknüpften, die er nicht billigte. Cajetan beschreibt zunächst das in seinem Opusculum zu behandelnde Programm und die Methode, mit der er vorzugehen gedenkt. Um Papst, Kirche und Konzil miteinander zu vergleichen, gilt es an erster Stelle, die Vollmacht des Papstes zu erörtern, darauf soll diese specialiter mit der der Apostel in Beziehung gesetzt werden, dann geht es generell (absolute) um deren Verhältnis zu Kirche und Konzil. Anschließend sind Sonderfälle in Bezug auf den Inhaber des obersten Amtes zu besprechen wie Häresie oder Unverbesserlichkeit sowie „Ereignisse“, die einstweilen nicht näher charakterisiert werden10. Sein Vorhaben möchte er ohne Leidenschaft, aber mit einsichtigen Gründen verwirklichen. Selten wurde vermerkt, dass Cajetan schon in der Einleitung einen gewichtigen Kurswechsel in der Diskussion ekklesiologischer Probleme ankündigt, der erhebliche inhaltliche Konsequenzen mit sich bringt. Um nicht den Eindruck zu erwecken, „er lege die Sichel in eine fremde Ernte“, bewege sich also auf dem Terrain anderer, stellt er dies fest: Sowohl die Aussage, die Autorität des Papstes sei

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In der Widmung an den Kardinalprotektor des Ordens, ed. cit., nr. 4, 14. C. I, nr. 6, 15.

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unmittelbar von Gott und in der hl. Schrift geoffenbart, wie auch die These des Konstanzer Konzils, die Gewalt der Gesamtkirche komme direkt von Gott, bezeugten, dass der Gegenstand „zuerst und hauptsächlich“ von Theologen zu behandeln ist, weil ihnen das Studium der hl. Schrift und der Werke Gottes obliegt. Erst in zweiter Hinsicht gehe es um Themen, die im Recht der Kirche niedergelegt und Sache der Kanonisten sind 11. Das heißt: Papalisten und Konziliaristen stimmen darin überein, dass die Vollmacht des Papstes bzw. der Kirche eine strikte Offenbarungswahrheit ist, die darum – anders als bisher meist praktiziert – allein in die Verantwortung der Theologen gehört. Dass sich diese Feststellung zu einem guten Teil auch gegen Torquemada richtet, sei nebenbei vermerkt. Nach dieser grundsätzlichen methodischen Positionierung fährt Cajetan fort, dass die einen großen Irrtum begingen, die die Diskussion der ekklesiologischen Thematik weithin den Juristen überließen. Er konzediert freilich, dass beide, Theologen und Kanonisten, in der Sache zu berücksichtigen und am richtigen Ort zu „ehren“ sind, wobei allerdings die Theologie den Primat hat. Sie entscheidet nach ihren eigenen Prinzipien. Letzte Instanz ist indes die Autorität der hl. Schrift, die

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AaO, nr. 7, 15. Et ne quis putet ponere me falcem in messem alienam, praemitto quod, quia auctoritas Papae immediate est a Deo revelata in sacra Scriptura, et auctoritas Ecclesiae universalis immediate dicitur esse a Deo, ut Constantiense Concilium declaravit, ideo materia ista primo et principaliter est theologorum, quorum est sacram Scripturam et divina opera scrutari, secundario autem inquantum sclicet est in sacris canonibus declarata, ad canonistas spectat. Zum Einfluss der Kanonistik auf das 16. Jh. s. R. Bäumer, Nachwirkungen. – Der Umstand, dass Cajetan das auch von Ockham gebrauchte Bild von der an eine fremde Ernte gelegten Sichel gebraucht, das sich schon im Dialogus findet, könnte darauf hinweisen, dass er die einschlägigen Kapitel jenes Werkes (cc. II–XV) gelesen hat. Dialogus, l. I, c. 7. ed. cit. 404. – Das Thema ist öfter behandelt worden. Hier nur einige Hinweise. Augustinus Triumphus, Summa de potestate ecclesiastica, q. 3, a. 5, ed. cit., fol 20ra–21ra: Utrum teneatur (collegium cardinalium) magis eligere iuristam quam theologun. Ferner: Utrum dignus magistrari in theologia teneatur scire ius canonicum, q. 8, a. 3, ed. cit., fol 303va–404ra. S. auch Gottfried v. Fontaines, Utrum per bonum iuristam melius posset regi Ecclesia quam per theologum, Quodl. X, 18, ed. cit. 395–398. Zu beiden s. M. Grabmann, Die Erörterung der Frage. Auch Dante äußert sich kritisch zum Vorrang der Texte des Dekrets mit seinen Glossen (vivagni): La Divina commedia, Paradiso, Canto IX, 133–142, ed. U. Bosco – G. Reggio 152. Dazu s. M. Maccarone, Teologia e diritto canonico. Ferner: R.J. Long, „Utrum iurista vel theologus plus proficiat ad regimen ecclesie“; ders., Ockham Redivivus or Ockham Confutator? Pierre d’Ailly, Utrum indoctus in iure divino possit iuste praeesse, ed. cit. 641–656. S. auch den Überblick bei G.H.M. Posthumus Meyjes, Exponents of Sovereignty. Zur Geschichte des Problems s. die gut dokumentierte Darstellung bei J. Miethke, Kanonistik, Ekklesiologie und politische Theorie.

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als die wahre Theologie zu gelten hat 12. Dass solche Überlegungen nicht nur die Praxis der Vergangenheit kritisieren sollen, sondern ein künftiges Programm einer Emanzipation der Ekklesiologie von der Kanonistik ausdrücken, versteht sich. Zu lange war die Diskussion um das Verhältnis von Papst und Konzil „in fremden Händen“, wobei Cajetan gewiss auch an Autoren seiner römischen Umgebung gedacht hat. Lässt sich vielleicht Genaueres sagen? Ein Beispiel für eine von einem professionellen Kanonisten abgehandelte und darum von Cajetan kritisierte Ekklesiologie haben wir in einem bemerkenswerten Kommentar zum Dekret des Kardinals Johannes Antonius de S. Georgio (1439/42–1509) 13. Seine Stellung – Kardinal seit 1493 – und der Umstand, dass er in Rom lebte und Zeitgenosse des Dominikaners war, sichern ihm in unserem Kontext Beachtung14. Hier sei nur auf einige Punkte eingegangen, die sich mit der Frage befassen, wie sich Papst und Konzil in kritischen Situationen zueinander verhalten, um mögliche Einflüsse aus einer vergangenen Epoche nachzuweisen. Das den Kommentar zu einschlägigen Distinktionen leitende Problem ist, ob ein rechtmäßig versammeltes Konzil Jurisdiktion über den Papst hat 15. Nach biblischen Vergleichen – Adam als Haupt der Frau und Christus als Haupt der Kirche – und mit Verweis auf Texte des Aristoteles und des Aquinaten wird die Kirche als Monarchie gedeutet, an deren Spitze der mit Gewaltenfülle ausgestattete Papst steht. Die Beweise, die hier nicht referiert zu werden brauchen, sind weithin durch den dominus cardinalis (Torquemada) inspiriert. Interessanter sind die Lösungen der Einwände, die der Autor gegen seine zentrale These vorträgt. In dieser Hinsicht argumentiert er souverän mit seinem reichen kanonistischen Wissen und den üblichen Autoritäten, unter denen bemerkenswerterweise Thomas v. Aquin eine zentrale Rolle spielt.

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AaO 15f. Propter quod graviter errant in hac re canonistis primo deferentes. Oportet ergo virum docilem utrosque, theologos et canonistas, in re hac perspicere, et in suo quemque loco honorando theologiae primatum dare, utpote quod ex propriis potest hoc determinare. Canonicum autem ius nonnisi ad theologiam recurrat, auctoritatem scl. sacrae Scripturae, quae vera theologia est. Dazu s. H. Jedin, Zur Entwicklung des Kirchenbegriffs 9. Commentaria super Decretum. – F.J. v. Schulte, Geschichte des canonischen Rechts II 338–341. S. Miranda, The Cardinals. E. Cerchiari, Capellani 69. Vgl. R. Bäumer, Nachwirkungen (s. Register unter Alexandrinus). – Eine größere Untersuchung wird vorbereitet. D. 15, ed. cit., fol XLIrb … quero de vulgata et multum per superiora tempora disputata questio, an concilium generale legitime congregatum supra papam iurisdictionem habet an vero contra.

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Was darf geschehen, wenn der Papst in sträflicher Weise sein Amt missbraucht, der Kirche schweren Schaden zufügt und die üblichen Mittel – Tadel und Ermahnungen – Umkehr auf seinem bösen Weg nicht bewirken? In diesem Fall haben die Kardinäle oder, sollten sie dazu nicht willens sein, „andere“, die nicht näher beschrieben werden, das Recht, ein Konzil einzuberufen. Der These folgt sogleich die Einschränkung, dass die Synode keine Befugnis hat, den Papst abzusetzen. Das kann sie nur bei erwiesener Häresie. Sollten die konziliaren Bemühungen zu keinem Sinneswandel des Pontifex führen, bleibt die Zuflucht zu Gebet, Fasten und guten Werken, die letztlich nicht vergebens sein werden. Auch darf das Konzil die Hilfe des weltlichen Arms in Anspruch nehmen, um geeignete Formen des Widerstands zu finden. Schließlich wird daran erinnert, alle Übel müssten in der Zuversicht ertragen werden, Gott selbst werde dem Zustand der Bedrängnis ein baldiges Ende bereiten16. Betont wird erneut, dass, da der Papst keine irdische Instanz über sich hat, jeder Zwang rechtlichen Charakters auszuschließen ist, Widerstand hingegen erlaubt ist 17. Mit dem in Basel erneuerten Konstanzer Superioritätsdekret kann man nicht argumentieren, da es, wie Torquemada gezeigt habe, keine Verbindlichkeit besitzt 18. Gelegentlich der Kommentierung der D. 17 nimmt Johannes Antonius abermals das Thema unter einem das Problem verschärfenden Aspekt auf. Diskutiert werden nun nicht Willkür und böse Taten, die die Kirche in Unruhe versetzen, sondern Gefahren, die der Religion selbst durch Handlungen eines Papstes drohen. Erklärt er sich in dieser Situation nach entsprechenden Ermahnungen nicht bereit – was aufgrund seiner vor allem ihm aufgetragenen Sorge für das Wohl aller kaum vorstellbar ist –, ein Konzil einzuberufen, so sind die Kardinäle legitimiert, dies zu veranlassen. Eine solche Maßnahme gebietet der Umstand, dass eine Instanz vorhanden sein muss, die den Anstoß für eine Synode gibt. Um auch jetzt die Rechte des Oberhaupts zu respektieren, soll der Papst gebeten werden, an der Versammlung teilzunehmen und sie zu autorisieren. Erscheint er nicht und weigert er sich, den ihm vorgelegten Forderungen zu entsprechen, so kann er als der Häresie verdächtig abgesetzt werden19. Die These des Johannes Antonius ist zwar nicht origi-

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Ed. cit., fol Lrab. Sextum remedium est convocare concilium. Que convocatio esset fienda per cardinales, ubi ipse papa illud nollet congregare aut per alios illis negligentibus. Et hoc non ad deponendum papam, quia iuxta superius probata talem potestatem habere concilium non potest. Septimum remedium, ed. cit., fol Lrb. AaO, fol Lrb–Lva. D 17, ed. cit., fol LXIIIIra. Et si imminente periculo christiane religionis papa non convocat, monendus est, ut faciat, quod si nolit, quod non est credendum, cum ei incumbat pre ceteris zelare bonum ecclesie …, tunc cardinales, qui sunt capitulum universalis ecclesie.

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nell – sie findet sich auch bei Torquemada –, aber das vermehrt eher ihre Brisanz in der damaligen kirchenpolitischen Situation, da sie sich auf die Autorität des dominus cardinalis berufen kann. Sie ist zudem ein Zeichen für das Selbstbewusstsein des Kardinalskollegium, das als Verfassungsorgan berechtigt ist, Schritte einzuleiten, die zur Lösung sonst nicht zu bewältigender Krisen führen. Kehren wir zum Anlass unseres Blickes auf das Werk eines zeitgenössischen Rechtsgelehrten zurück, dem seine Stellung am römischen Hof hohe Autorität verlieh. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Cajetan den kurz vor Abfassung von De comparatione erschienenen Kommentar des Johannes Antonius gekannt und in seine Kritik einer kanonistisch konzipierten Ekklesiologie einbezogen. Der in ihm vertretenen Lehre von der päpstlichen Vollgewalt hätte er im Prinzip zugestimmt, nicht aber der hier praktizierten juristischen Methode und den Argumenten, die dem Primat gewisse Grenzen setzten. Sie schienen ihm angesichts eines durch opponierende Kardinäle angesagten Konzils nicht akzeptabel. In eine ähnliche Richtung weist das damals im Entstehen begriffene Werk De concilio des Kurialen Domenico Jacobazzi, dessen Methode und Tendenzen ihm bekannt gewesen sein dürften, obwohl es erst Jahre später publiziert wurde. Der Verfasser hat es zwar im römischen Geist konzipiert, machte sich aber etliche Ansichten aus der kanonistischen Tradition – z. B. Einberufung von Konzilien, Lehrautorität des Papstes – zu eigen, die in vieler Hinsicht an Torquemada erinnern und Cajetans Widerspruch erregen mussten20. Dass am Hofe Julius’ II. Giovanni Gozzadini konziliaristische Ideen vertrat, wird ihm ebenfalls nicht verborgen geblieben sein 21. Obschon solche Gedanken 1511 noch nicht in schriftlicher Form in Rom kursierten, wird man von ihnen und ihrem traditionellen Hin-

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Fol LXIIIIrb: Et faciunt, quod videbimus c. Nunc autem d. XXIII propter difficultatem convocandi concilium, scl. quod seipsos movent, nisi sit, qui eos congreget, non est mirum, si dicimus, quod cardinales possint convocare concilium c. Sacrosancta d. XXII, ubi congregati fuerint rogare papam, ut assit et autorizet congregationem, quod si fecerit, monendus erit, ut se corrigat …, quod si neque venire neque autorizare voluerit vel se corrigere recusaverit, tanquam suspectus de heresi poterit deponi. Vgl. SE, l. III, c. 8, fol 188ra. Vgl. J. Klotzner, Kardinal Dominikus Jacobazzi. S. ferner die weiterführende Untersuchung von H.J. Sieben, Ein papalistischer Traktat am Vorabend der Reformation: Dominicus Jacobazzi. S. auch das wohl schon während des V. Lateranense begonnene Konzilswerk des Matthias Ugoni. Dazu ders., Ein konziliaristischer Traktat am Vorabend der Reformation: Matthias Ugoni, De conciliis (1511–1521). Vgl. H. Jedin, Giovanni Gozzadini; ders., Nochmals der Konziliarist. S. auch N.H. Minnich, Girolamo Massaino. F. Oakley, Conciliarism at the Fifth Lateran Council. R. Bäumer, Die Konstanzer Dekrete ‘Haec sancta’ und ‘Frequens’; ders., Nachwirkungen 205–230.

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tergrund geredet haben. Wie es sich auch verhalten haben mag, sicher ist, dass Cajetans Thesen vom Vorrang der Theologie das Ziel hatten, wichtige Elemente, die ein geschlossenes papales System gefährdeten, zu eliminieren. Ausnahmen sowie Grenzfälle, deren ekklesiologische Implikationen beträchtlich waren, sollten in ihm keinen Platz haben oder auf ein Minimum reduziert werden. Cajetans De comparatione markiert demnach auch unter methodischen Aspekten einen Wendepunkt in der Lehre vom Primat und der kirchlichen Verfassung.

2. Der Papst als Inhaber der höchsten Gewalt in der Kirche Die These Cajetans, dass die Theologie in ekklesiologischen Kontroversen die allein maßgebende Instanz ist, heißt freilich nicht, dass er das kanonische Recht zu ignorieren gedenkt – schon die große Zahl der Verweise auf die Rechtstradition spricht dagegen –, doch dominiert die systematische Argumentation im engen Anschluss an Thomas von Aquin, dem eine besondere Autorität in der Materie zukommt. Diese schon bei Torquemada zu konstatierende Tendenz, wie sie sich etwa in dessen Flores sententiarum beati Thomae de auctoritate summi pontificis manifestiert, hat hier ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht 22. Dass der Papst die oberste Gewalt in der Kirche innehat, ergibt sich namentlich aus zwei Schriftstellen (Mt 16, 18f und Jo 21, 17). Christus hätte zwar seiner Stiftung eine andere Verfassung geben können – etwa eine Volks- oder Adelsherrschaft –, doch bevorzugte er eine monarchische Struktur, indem er eine Einzelperson an die Spitze stellte, der er die Sorge für seine Herde anvertraute. Er übertrug sie nach Jo 21, 17 dem Petrus in Gegenwart der übrigen Apostel und nicht stellvertretend für sie (non in persona eorum) 23. Seine Worte zeigen, dass Petrus zum universalen Hirten bestellt wurde, dem alle untergeordnet sind. Der genannte Schrifttext ist gewiss Beweis genug, aber es gibt auch bestätigende Väteraussagen, denen Cajetan ein Argument des Aquinaten anfügt, der darlegt, dass die Leitung der Kirche durch einen Einzelnen am besten ihrem Ziel, der Einheit im Frieden,

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Vgl. Th. Prügl, Antonio da Canara 137–146. Cajetan ist ein besonders wichtiger Zeuge für die Bedeutung des Aquinaten in der römischen Renaissance. Dazu s. O. Kristeller, Le thomisme et la pensée italienne. J.W. O’Malley, Praise and Blame in Renaissance Rome (Index: Aquinas: Saint Thomas); ders., The Feast of Thomas Aquinas. J. Wicks, Thomism between Renaissance and Reformation. Zum römischen Hintergrund s. Ch.L. Stinger, Renaissance in Rome 142–144, 163–166, 158–201. C. I, nr. 9, 16 … quod Petro ut distincto ab Apostolis praesentibus, ad quos refertur comparatio, et non in persona eorum, loquebatur.

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gerecht wird. Ihn garantiert einer eher als viele 24. Christus hat diese Regierungsform gewählt, „um die Münder der Gegner zu schließen“, die ein von einem Senat oder einem freien Volk konstituiertes königliches Regiment befürworten. Die aus solchen Überlegungen abgeleiteten Konsequenzen sind eindeutig: Weder die Kirche noch die Gläubigen oder ein Generalkonzil haben diese Verfassung gegeben, sondern Christus selbst, so dass Petrus sein Vikar ist und nicht Vikar der Kirche 25. Der Abhandlung ist folglich eine klare Linie vorgezeichnet, doch weiß Cajetan, dass seine Opponenten – wer sie sind, braucht nicht gesagt zu werden – Widerspruch anmelden und auf scheinbar ganz anders lautende Schriftworte verweisen, wonach alle Apostel die gleiche Gewalt von Christus erhalten hätten. Die darauf gegebene Antwort verbindet sich mit einer zweiten Frage nach der Weise, wie die Gewalt den Jüngern übertragen wurde. Haben sie diese unmittelbar von Christus oder hat sie Petrus allein empfangen und die anderen von ihm 26? Für die Meinung, dass alle Apostel ohne jede Vermittlung die Gewalt von Christus haben, scheint die ihnen zuteil gewordene Vollmacht zu sprechen „was immer ihr auf Erden lösen werdet …“ (Mt 18, 19) und der Befehl „weide meine Schafe …“ (Jo 21, 17), ein Auftrag, der ihnen als Gemeinschaft erteilt wurde. Auch ist nur so der Umstand zu deuten, dass weder Petrus noch die Apostel dem Paulus etwas „verliehen“ haben (Gal 2, 6). Und ferner: Paulus hat in Antiochien dem Petrus „widerstanden“ (Gal 2, 11). Dass die Apostel Petrus und Johannes nach Samaria „sandten“ (Apg 16, 14), zeigt ebenfalls, dass Petrus keine Befugnis hatte, ihnen eine Weisung zu erteilen. Auch das Kirchenrecht spricht von einem par consortium, an dem alle Apostel teilhatten27. Welche Ekklesiologie die Zitate zu implizieren scheinen, braucht nicht gesagt zu werden. Ebenso kurz und prägnant stellt Cajetan die Gegenthese vor. Sie lautet: Weder haben die Apostel von Christus die gleiche Gewalt empfangen noch geschah dies auf unmittelbare Weise, beides war allein Petrus vorbehalten28. Autoren, die diese

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AaO, nr. 10, 16f. Vgl. Thomas v. A., SCG IV 76. AaO, nr. 12, 17 … sed Christus ipse … instituit tale regimen, sic ut Petrus non Ecclesiae, sed Iesu Christi vicarius esset. Zum Beweis werden das II. Konzil von Lyon und das Unionsdekret des Konzils von Florenz zitiert. Ferner Thomas v. A., Contra errores Graecorum cc. 32, 33 u. 35, ed. cit. A 101f. C. II, nr. 14, 19. AaO, nr. 18, 20. D 21, c. 2 In novo (Friedberg I 69). AaO, nr. 19, 20f. Altera extrema opinio est discordantium in utroque et dicentium quod nec parem potestatem nec immediate a Iesu Christo omnes Apostoli acceperunt potestatem, sed solus Petrus immediate a Domino Iesu Christo potestatem accepit, et omnes ei subiecti fuerunt ab ipso potestatem habentes.

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Meinung vertreten, berufen sich in allgemeiner Form auf einen im Kirchenrecht überlieferten Text des Papstes Anaclet, wonach der Pontifikat in der Kirche „zuerst“ Petrus verliehen wurde. In Hinsicht auf die Weihevollmacht – Konsekration, Absolution und Ordination – sind freilich alle Apostel gleichgestellt, weil sie ihnen gemeinsam übertragen wurde29. Ein klarer Unterschied ist jedoch in Bezug auf die Binde- und Lösegewalt zu machen. Hier stehen die Worte an alle (Mt 18, 18) der Petrus allein gewährten Vollmacht (Mt 16, 19) gegenüber, insofern dadurch ausgedrückt wird, dass sie in einer bestimmten Ordnung weitergegeben werden soll. Das heißt: Sie ist durch Petrus auf die Apostel abzuleiten30. Eine gewisse Einschränkung ihrer Ungleichheit ist freilich selbst hinsichtlich der Jurisdiktion zu machen, insofern sie darin dem Erstapostel wenigstens „ähnlich“ (similes) sind, um dessen Vorrang nicht zu gefährden. Nach Thomas v. A. gilt das ferner „irgendwie“ (aliquo modo) für die Verteidigung des Glaubens, die auch ihnen obliegt 31. Cajetans Bemühen, eine differenzierte Sicht des Amtsverständnisses vorzulegen und Einseitigkeiten zu vermeiden, mündet in einen „mittleren Weg“, dessen Richtung deutlich geworden ist. In ihrer Eigenschaft als Apostel sind sie wie Petrus, insofern man sie aber als „Schafe Christi“ in dieser Welt betrachtet, war Petrus ihr alleiniger Hirt und standen sie unter seiner Obhut. Darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen ihnen und ihm 32. Die an sie als Gemeinschaft adressierten Sendungen und Weisungen dürfen freilich nicht übersehen werden. Thomas v. A., der wichtigste Gewährsmann in dieser Sache, versichert ebenfalls, dass die Apostel die „herausragenden Diener in der Kirche“ seien, die die Leitungsgewalt, den Apostolat und die Lehrbefugnis innehätten33. Daraus ist die folgende Konklusion zu ziehen: Die Apostel erfreuten sich nicht nur der Weihegewalt, sondern auch der Jurisdiktion in Hinsicht auf das Kirchenregiment, die ihnen unmittelbar von

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AaO, nr. 20. D 21, c. 2 In novo (Friedberg I 69) AaO, nr. 21, 22. Ex ipso, inquiunt, ordine promissionis insinuat quod potestas ligandi et solvendi ordine quodam exhibenda erat, ut scilicet per Petrum ad alios derivaretur. Diese Folgerung wird durch zwei Texte des Aquinaten bekräftigt: ScG IV 76 und In IV Sent, d. 24, q. 3, a. 2, qla 3 ad 1. Angeführt wird ferner Papst Leo D 19, c. 7 Ita Dominus (Friedberg I 62) … ut in beatissimo Petro apostolorum omnium summo principaliter (huius muneris sacramentum) collocaret … AaO, nr. 22. So auch Thomas v. A. STh II–II 33, 4 ad 2 … et ideo sic Paulus Petrum non reprehendisset nisi aliquo modo par esset quantum ad fidei defensionem. S. auch In Gal, c. 2, lectio 3, nr. 77, ed. cit. 582. C. III, nr. 23, 23. Primo, inquantum Apostoli, et sic omnes fuerunt aequales. Alio modo, in quantum oves Christi, ab eo hic corporali conversatione separatae, et sic Petrus solus est pastor, et reliqui Apostoli oves sub illius cura. AaO, nr. 26, 24. So Thomas v. A., In 1Cor 12, lectio 3, nr. 755, ed. cit 377.

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Christus und nicht durch Petrus verliehen wurden34. Dass sie diese Vollmacht vom Herrn haben, ohne dass Petrus vermittelnd daran beteiligt war, ist eine wichtige Korrektur an der oft von papalen Autoren vertretenen Meinung, der zufolge jegliche Teilhabe am Amt mediante Petro geschehe. Der Apostolat hat vielmehr seinen Ursprung allein in Christus, der die Gleichheit aller im strikten Sinn begründet35. Zugleich soll den Konziliaristen und Gallikanern ein wichtiges in der Schrift bezeugtes Argument aus der Hand genommen werden. Cajetan müsste allerdings kein Meister der Distinktionen gewesen sein, wenn er seiner These, es sei simpliciter so, wie er es eben gesagt hat, nicht hinzufügte, secundum quid stehe der Annahme, ein Apostel habe einen „hervorragenderen Apostolat“ als ein anderer, nichts im Wege36. Dass etwa Paulus seine Berufung dem Auferstandenen selbst zuschreibt (Gal 1, 1) gibt ihm zwar einen besonderen Rang im Kreis der Jünger, doch folgt daraus nicht, dass er ein maior apostolus ist, denn jene Auszeichnung gilt nur in Hinsicht auf den, der ihn berufen hat, nicht aber grundsätzlich37. Wie wird Cajetan seine Ansicht von der Gleichheit aller in der Leitungsgewalt unmittelbaren Charakters mit der These in Einklang bringen, Petrus allein sei als Hirt der Gesamtkirche eingesetzt worden und habe eine umfassendere Jurisdiktion über die Apostel? Auch impliziert sie, dass von ihm als dem Haupt aller die Vollmacht auf den Leib der Kirche abgeleitet wird. Er konzediert, dies bereite auf den ersten Blick Schwierigkeiten, dass aber eine subtile Betrachtung des Problems alle Elemente seiner Aussage als zutreffend erweisen werde. Der Lösung nähert er sich mit der Festellung, dass Dinge der Natur auf zweifache Weise entstehen. Zum einen auf natürliche, wenn etwa ein Mensch einen anderen zeugt und zum anderen auf übernatürliche. So heilt die Natur aus eigener Kraft, zuweilen geschieht dies

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AaO, nr. 27, 24f … Apostoli, in quantum Apostoli, habuerunt non solum potestatem ordinis, sed iurisdictionis: auctoritas enim gubernandi Ecclesiam, quae est apostolatui propria, sine iurisdictionis potestate non est. Et si huic adiunxeris quod non habuerunt apostolatum a Christo mediante Petro, sed immediate ab ipso Iesu Christo … solves utrumque dubium, scil. et de potestatis aequalitate et de modo habendi, quod scilicet Apostoli quantum ad apostolatus auctoritatem fuerunt aequales simpliciter, et quod hanc potestatem habuerunt a Iesu Christo immediate, sicut et apostolatum. AaO, nr. 27, 25 … quod scilicet Apostoli quantum ad apostolatus auctoritatem fuerunt aequales simpliciter, et quod hanc potestatem habuerunt a Iesu Christo immediate sicut et apostolatum. AaO, nr. 28. Dixi autem: simpliciter, quia secundum quid nihil prohibet unum Apostolum habere apostolatum digniorem altero … AaO. Dignitas enim ista ex parte status vocantis, quia scilicet est immortalis, non facit vocatum Apostolum maiorem simpliciter, sed quoad hoc.

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jedoch durch ein Wunder. Ähnliches ereignet sich auch in der Kirche. So wird jemand ordinarie, d. h. unter Beachtung rechtlicher Vorschriften, zum Bischof ernannt. Denkbar ist allerdings auch, dass jemand dank einer speziellen Gnade (de speciali gratia) eines Fürsten „sofort“ zum Bischof „gemacht“ wird, wofür der hl. Ambrosius das passende Beispiel liefert. Beider Weisen hat sich Christus am Ursprung der Kirche bedient. Nach einem immer zu befolgenden ordentlichen Recht hat er ein monarchisches Leitungsamt mit Petrus als Haupt der Kirche eingesetzt, von dem die Jurisdiktion und die Weihevollmacht ordinarie auf alle abgeleitet werden soll. Diese Ansicht teilen nach Cajetan sämtliche sacri auctores, die ein Abhängigkeitsverhältnis aller von Petrus lehren38. Die privilegierte Stellung der Apostel verdankt sich einer besonderen Gnade, wie sie zuerst dem Petrus bei der Erteilung der Weihevollmacht anlässlich des Abendmahls im Voraus gewährt wurde, als Christus auch die übrigen Apostel zu Priestern ordinierte. Ebenso erhielt er vor ihnen die Leitungs-, Weihe- und urteilende Gewalt, die ihm gleichsam im Vorgriff gegeben wurde39. Petrus war folglich – mindestens der Intention nach – der Erste, der sämtliche die Kirche konstituierenden Befugnisse empfing. Der Umstand, dass die Apostel ihre Autorität nicht von Petrus haben, beeinträchtigt dessen Stellung im Jüngerkreis nicht, denn er hat seinen Grund darin, dass Christus selbst gnadenhaft den Aposteln das gegeben hat, was ordinarie durch Petrus vermittelt werden muss40. Zweierlei sieht Cajetan durch seine Argumentation gesichert: Alle Apostel sind in Hinsicht auf die ihnen unmittelbar verliehene Gewalt gleich und dennoch bleibt die Sonderstellung des Petrus gewahrt. Um die komplizierten Gedankengänge zu erläutern und Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen, beschließt er das Kapitel mit einer Reihe von Präzisierungen. Dass Petrus ordinarie Autorität hat, bewirkt, dass er allein Vikar Christi ist, während die Apostel nur Legaten des Oberhaupts sind, die sein Auftrag zum Handeln befähigt. Auch konnten sie ihre

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AaO, nr. 32, 26f. Nam in institutione ecclesiastici regiminis ordinario iure perpetuo servandi monarchicum, id est unius principatum instituit, et posuit Petrum caput unum totius corporis Ecclesiae, a quo in omnes potestas iurisdictionis et ordinis ordinarie derivaretur. Et hoc intendunt omnes sacri auctores, cum de dependentia omnium a Petro doctrinam tradunt. AaO, nr. 33, 27. In erogando vero ex speciali gratia, sicut praevenit Petrum in conferendo potestatem ordinis, dum ipse Dominus per seipsum alios Apostolos fecit sacerdotes in ultima cena, et confessores post resurrectionem et sacramentum confirmationis … ita praevenit eumdem in dando auctoritatem gubernandi, ordinandi iudicandique Ecclesiam … AaO, nr. 33, 27 … Salvator superior omnibus dedit illam potestatem ex gratia, quam a Petro per viam ordinariam erant accepturi.

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Jurisdiktion nicht über ihre Gefährten ausüben. Ihre Gewalt war ferner nicht von Dauer, sondern endete mit ihrem Tod, wohingegen die des Petrus an die Amtsnachfolger überging, weil sie ihm in persona Ecclesiae, d. h. persönlich, aber im Blick auf die Kirche übertragen worden war. Schließlich ist ein Unterschied in Bezug auf das Wesen der Vollmacht festzuhalten, insofern den Aposteln kraft ihres Apostolats lediglich die ausführende Gewalt (potestas executiva) anvertraut wurde, dem Petrus jedoch das Leitungsamt (auctoritas regiminis). Sollte man, heißt es weiter, Aussagen finden, die eine strikte Gleichheit zwischen Petrus und seinen Gefährten nahelegen, so muss man sie pie im Sinne der vollziehenden Gewalt deuten, wie sie sich in der Gründung der Kirche, im Einsetzen von Bischöfen und im Exkommunizieren äußert. Petrus hingegen hatte sie absolute, in jeder Hinsicht 41. Das Urteil über die eingangs vorgestellten extremen Positionen, wie sie sie jeweils auf ihre Weise Konziliaristen und Papalisten verteidigt haben und deren zentrale Thesen umschreiben, lässt sich so formulieren: Keine von beiden hält einer genauen Betrachtung stand, wahr ist allein der „mittlere Weg“, auch wenn die Lehre der papal orientierten Schule nur als undifferenziert zu qualifizieren ist. Sie ist jedoch nicht zu verwerfen, sondern in der hier präzisierten Weise zu modifizieren. Auch der konziliaristische Standpunkt enthält in sich einen richtigen Kern, insofern Christus den übrigen Aposteln praeveniendo ebenfalls eine allen gleiche exekutive Gewalt übertragen hat 42. Wie immer man in der Folgezeit Cajetans Konzeption beurteilen mochte, ist dies sicher: Er hat schon zu Beginn seines Opusculums in einer klassischen spätmittelalterlichen Kontroverse, die seit Basel in einen Leerlauf verfallen war, neue Argumente präsentiert, die weitere Diskussionen auslösen mussten.

3. Papst und Konzil Der Vorrang des Petrus und die auf seine Nachfolger im höchsten Amt übergehende ordentliche Vollmacht, die zunächst in Cajetans Augen nur eine Frage der sachgemäßen Interpretation zentraler Aussagen des Neuen Testaments war, hatte sich im Verlauf der Geschichte zu einem großen Problem entwickelt, insofern das Konzil, auf dessen Ursprünge er hier nicht weiter eingeht, zum Rivalen des Primats geworden ist. Ihn interessierten naturgemäß die Argumente derer, die der Überzeugung sind, Konstanz und Basel hätten das einst umstrittene Verhältnis

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AaO, nr. 39, 28f. C. IV, nr. 55, 35 … et hoc veritatis habet prima opinio. Sequere ergo medium.

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zwischen Papst und Konzil endgültig geklärt und zwar sowohl schlechthin (absolute) als auch in bestimmten Fällen. Die Suprematie ruht in der Kirche und der Papst ist ihr untergeordnet. Dass sich die Anhänger solcher Thesen auf das Konstanzer Dekret Haec sancta, das in Basel in zwei Sessionen bekräftigt worden war, beriefen, versteht sich nach Cajetan von selbst 43. Wie sie meinen, habe Martin V. in seiner Bulle Sacro approbante Concilio die Beschlüsse anlässlich der Verurteilung des Johannes Hus gebilligt. Die den der hussitischen Häresie Verdächtigten vorzulegende Frage lege nahe, dass das Konzil über dem Papst stehe und folglich über der römischen Kirche, die nur eine unter vielen sei. Das sei auch die Absicht der Väter gewesen, die einen Unterschied zwischen dem Primat des Konzils und dem des Papstes gemacht hätten, insofern sie glaubten, das Konzil habe schlechthin die höchste Autorität unter den Kirchen, während der Papst lediglich einen Vorrang im Blick auf die Ortskirchen besitze44. Cajetan weiß, dass jene Dekrete – Frequens erwähnt er nicht eigens – unterdessen in Theologie und Politik weithin für verbindlich gehalten werden, doch wird er sich erst später bemühen, ausführlich die Umstände, unter denen sie verabschiedet wurden, darzulegen, um ihnen auf diese Weise jegliche Autorität abzusprechen. Die von ihm als gesichert vorausgesetzte Konzeption des petrinischen Primats mit seiner Fortsetzung im Amt des jeweiligen Papstes genügt einstweilen, um konziliaristischen Thesen den Boden zu entziehen. Geboten scheint ihm hingegen, eine genaue Definition der nun zu erörternden Begriffe vorzunehmen, um mit deren Hilfe einen sachgemäßen Vergleich zwischen Papst und Konzil zu ermöglichen, der dem Wesen der kirchlichen Verfassung gemäß ist und zugleich den Funktionen einer Generalsynode, die er grundsätzlich in gewissen Fällen für notwendig hält, gerecht wird. Spricht man in diesen Zusammenhängen von der allgemeinen Kirche, hat man eine wichtige Distinktion zu machen: Einmal versteht man darunter den aus allen Gliedern bestehenden Leib unter Einschluss des Papstes, zum anderen die Gesamtheit der Gläubigen, insofern sie von ihrem Haupt geschieden ist. Eine vergleichbare Differenzierung ist auch im Hinblick auf ein Generalkonzil angebracht: Es kann den Papst einschließen oder durch ihn autorisiert sein. Denkbar ist ferner, dass es sich „gänzlich“ ohne ihn versammelt. Eine dritte Möglich-

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C. V, nr. 57, 37. Ex quibus habentur tria: primo, quod Concilium universale habet auctoritatem a Iesu Christo immediate. Secundo, quod Papa tenetur ei obedire. Tertio, quod ipsa Synodus habet potestatem coactivam supra Papam, dum punitioni eum subiicit. Cajetan bezieht sich auf die vom Papst am 22. Februar 1418 approbierte Irrtumsliste. D, nr. 1191, 436.

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keit ist ein Vergleich zwischen dem Papst und einem bevollmächtigten Konzil 45. Alle genannten Formen, unter denen sich eine Synode realisiert, haben eine gemeinsame Voraussetzung, die sich gegen eine zentrale These der Konziliaristen richtet: Der Papst ist Haupt der Gesamtkirche als ganze und nicht etwa als Haupt einzelner Glieder 46. Diesen Kombinationen korrespondieren die Antworten, die sich aus dem petrinischen Primat, wie er bereits fundiert wurde, ergeben. Ehe er sie im Einzelnen formuliert, erläutert Cajetan das Vorzeichen, unter dem sie stehen: Der Papst ist zugleich das Haupt der Kirche und aller ihrer Glieder. In diesem Sinn haben nämlich die Väter Kollektivbegriffe – etwa die Kirche als Herde oder als Leib – verwandt, um die Ganzheit zum Ausdruck zu bringen47. Der Vergleich zwischen Papst und Kirche ohne ihr Oberhaupt zeigt, dass der Papst über der Kirche stehen muss und dies aus folgenden Gründen: Sie wäre dann ein bloßes Rumpfgebilde (truncus), dem Wesentliches fehlte, so dass sie aufgehört hätte, allgemeine Kirche zu sein. Das aber wäre ein Mangel an Vollkommenheit und widerspräche der göttlichen Vorsehung, die dann die höchste Autorität einem verstümmelten Körper verliehe48. Der Einwand, bei Sedisvakanz wäre demnach nicht mehr die Kirche als universal anzusehen, trifft insofern zu, als sie sich in diesem Fall tatsächlich als unvollkommen realisiert. Wer nun behauptet, sie hätte auch ohne ihr Haupt Gewalt und das Konzil repräsentiere sie, verfiele einer in Konstanz verurteilten Häresie des Johannes Hus 49. Nicht minder bedeutsam ist die Konklusion aus dem zweiten Vergleich. Betrachtet man den Papst unter Einschluss der ganzen Kirche, so ergibt sich, dass der Papst in diesem Fall keine größere Gewalt hätte, als er sie immer schon hat. Das will sagen: Die Verbindung mit der Kirche mehrt nicht die Jurisdiktion, die er schon als Haupt in vollem Umfang hat. Angesichts der in ihm ruhenden Vollmacht als Ursache aller sonstigen Gewalten ist das eine notwendige Konsequenz, deren Implikationen später zu erläutern sind. Dass es sich so verhält, mag man daraus schließen, dass er sogar befugt ist, den Wahlmodus nach dem Vorbild des Petrus

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C. VI, nr. 68, 42. AaO, nr. 69, 42. Et quoniam omnes haec comparationes supponunt Papam esse caput Ecclesiae universalis, et non solum singulorum membrorum, ut inimici veritatis glossant, hoc primo monstratur. AaO, nr. 72, 44. Expresserunt Ecclesiam gregem, corpus Christi, explicando totam, universalem, catholicam. AaO, nr. 73, 44 … ac per hoc non convenit divinae providentiae in tam imperfecto corpore supremam auctoritatem locare, sed magis ipsum a capite dependere. AaO, nr. 74, 44f.

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festzulegen, der seinen eigenen Nachfolger bestimmt hat 50. Versteht man jedoch die Kirche in Gemeinschaft mit ihrem Haupt, so hat sie ihre Gewalt unmittelbar von Christus und zwar dergestalt, dass sie zuerst im Papst ist und durch ihn in den Leib „strömt“ 51. Die Meinung, die Jurisdiktion der Kirche ruhe nicht in einer Person, sondern in der Gemeinschaft, hat nach Cajetan aus exegetischen und theologischen Gründen als widerlegt zu gelten. Gleichwohl sieht er sich genötigt, auf die wichtigsten Argumente der Opponenten, die Dekrete von Konstanz und Basel, einzugehen, da sie in vielen Kreisen – namentlich in der gallikanischen Kirche – als verbindlich betrachtet würden. Er weiß, dass es sich empfiehlt, in historischen Fragen Vorsicht walten zu lassen, so dass neben der Bestreitung des bindenden Charakters noch die Möglichkeit besteht, die Konzilsbeschlüsse zu interpretieren. In einem ersten Schritt möchte er zeigen, dass die Dekrete schon deshalb nicht authentisch sein können, weil Konstanz nicht die Bedingungen für ein wahres Konzil erfüllte, da es zur Zeit des Schismas tagte. Noch wichtiger: Die Texte wurden nur von einer der drei Obödienzen verabschiedet – und dies in Abwesenheit Johannes’ XXIII., der einer von ihnen vorstand. Die beiden anderen Obödienzen kamen erst später hinzu, so dass die Behauptung, die eine Fraktion habe das die Kirche repräsentierende Konzil konstituiert, das Schisma erneuert habe52. Größere Probleme bereitet die Ansicht, Martin V. habe jene Dekrete und die Synode in der letzten Session approbiert, wenn es heißt, er wolle alles getreu halten und beobachten, was in Konstanz conciliariter in materiis fidei beschlossen worden sei53. Nun sei aber, so folgert man, der Satz, das Konzil stehe über dem Papst, Gegenstand des Glaubens. Also müsse Haec sancta in der Bestätigung durch Martin V. eingeschlossen sein.

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AaO, nr. 75, 45 … dicitur quod Papa cum residuo Ecclesiae non est maioris auctoritatis spiritualis quam ipse solus. Quia potestas sua continet omnium reliquorum potestates, ut earum causa universalis. Nulla enim est potestas iurisdictionis in Ecclesia quae non sit a Papa, ut patet inductive. Quin etiam potestas electiva ipsius Papae, in Papae potestate est. Quod patet, tum ex facto Petri, qui elegit sibi successorem … tum ex eo quod Papa ordinat actum electivae potestatis, determinando quando et qualiter debet fieri electio et, quod prius est, determinando subiectum illius potestatis, dum constituit quod ad duas partes Cardinalium ad minus spectet electio. AaO, nr. 78, 46. Et sic sumendo Ecclesiam universalem, constat quod habet immediate potestatem a Iesu Christo: nihil enim mediat inter ipsam et Iesum Christum … et ita in caput primo, et per caput in corpus reliquum potestatem diffundit Salvator noster … Unde patet quod tota Ecclesia non habet potestatem supra Papam solum, nec e converso quod Papa cum Ecclesia reliqua non facit maius in potestate, sed plures potestates. C. VIII, nr. 98, 54. AaO, nr. 101, 55f.

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Wie wird Cajetan diesen Einwand entkräften? Getreu seiner Methode prüft er die in der Approbationsformel gebrauchten Begriffe, um dann zu fragen, was sich daraus für die Beurteilung jener Dekrete ergibt. Einen Glaubensgegenstand erörtert man formaliter, will man wissen, ob er zu glauben oder zu verwerfen ist, materialiter betrachtet man ihn, wenn man ihn unter verschiedenen Aspekten analysiert. Martin V. hat nun tatsächlich die Beschlüsse approbiert, aber dies geschah unter der Voraussetzung, dass es in jenem Dekret um Aussagen geht, die formaliter zur Diskussion standen. Das traf für die Urteile über Wyclif, Hus und Hieroymus von Prag zu, die deshalb verbindlichen Charakter haben, weil sie alle Bedingungen, die an einen solchen Entscheid zu stellen sind, erfüllen. Die Dekrete der IV. und V. Session fallen indes nicht in diese Kategorie. Dass man sie nicht unter dem formalen Gesichtspunkt des Glaubens formuliert hat, verrät der Umstand, dass es zu der Zeit, als die Texte zustandekamen, keine Glaubensdeputation und folglich keine der Sache angemessene theologische Auseinandersetzung gab. Aus diesem Grund findet sich in ihnen kein Wort über Glauben oder Nichtglauben54. Wie man sieht, hat Cajetan Torquemadas historischen Nachweis der Unverbindlichkeit in einem wichtigen Punkt modifiziert und ergänzt. Die für eine dogmatische Definition vorauszusetzende notwendige Diskussion hat nicht stattgefunden. Eine Theologendeputation, die diese Aufgabe zu erfüllen gehabt hätte, wurde nämlich erst in der VI. Session etabliert. Dass es tatsächlich so war, sieht Cajetan durch den Umstand bekräftigt, dass der Papst die Approbation auf Bitten der polnischen Botschafter ausgesprochen hat, denen es darum ging, die Verurteilung der drei genannten Häretiker unwiderruflich zu machen. Die Bulle bestätigte also nur einen Punkt der Kontroverse und nicht sämtliche Dokumente55. Das zweite Argument zugunsten des verpflichtenden Charakters lautet so: In der Bulle Inter cunctas hat Martin V. auch die Sessionen VIII, XV und XXI anerkannt, die noch vor der Vereinigung der drei Obödienzen liegen, in denen jene drei Häretiker verurteilt wurden. Das hieße dann: Konstanz war von Beginn an ein Generalkonzil 56.

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AaO, nr. 101, 55. AaO, nr. 102, 56. In Concilio siquidem illo fuerat in materia fidei tractatum et decisum formaliter, ut patet in sessionibus allegatis contra illos tres supradictos, et etiam in sessione XIX, et fuerant multa alia tractata, sed non ut materia fidei, inter quae sunt illa sessionis IV et V. In cuius signum nulli fuerunt deputati ibi ad videndum de fide: quin potius deputatio in materia fidei coepit post haec in sessione VI … Nulla etiam fit ibi mentio de credendo vel non credendo. Martinus V autem approbavit decreta in materia fidei formaliter tantum, et non illa alia. AaO, nr. 100, 55. Vgl. Inter cunctas. D, nr. 1249, 444.

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Wie wird Cajetan diese Objektion abwehren? Martin V. hat, so argumentiert er, in den zur Rede stehenden Fragen, die den der Irrlehre Verdächtigten vorzulegen waren, das Konzil gleichsam nach seinem „vorzüglicheren Teil“, von seinem Ende also, benannt. Mit der Vereinigung der Obödienzen und der dann erfolgten Präsidentschaft des Papstes wurde Konstanz das, was es vorher nicht war, ein Universalkonzil mit einem endgültigen Status. Von diesem her werden die einzelnen Etappen als Konzil bezeichnet, ohne sie im Einzelnen hinsichtlich ihrer Autorität zu differenzieren57. Diese Ausdrucksweise war berechtigt, denn Martin V. wollte dadurch den Eindruck vermeiden, als hätten sich jene Obödienzen außerhalb der Kirche befunden. Deshalb gebrauchte er einen ehrenhaften Begriff, ohne die Wahrheit zu verleugnen58. Cajetan hat offenbar selbst empfunden, dass seine Interpretation des Konzilsverlaufs mit Phasen unterschiedlichen theologischen Ranges Zweifel hinterlässt, so dass er sie durch weitere Argumente zu stützen sucht. Selbst unter Annahme der Verbindlichkeit können die Konstanzer Dekrete in einem richtigen Sinn gedeutet werden, wenn man sie cum grano salis liest, wie nachfolgende Überlegungen im Einzelnen zeigen sollen59. Dass deren Urheber von ganz anderen Intentionen geleitet waren, wird ihm allerdings nicht entgangen sein. In abschließenden Bemerkungen versichert Cajetan abermals, dass aus den Konstanzer Beschlüssen keine Konzilssuperiorität abzuleiten sei, so dass er es nicht mehr für erforderlich hält, auf Basel einzugehen. Dass Eugen IV. Beginn und Fortsetzung des Konzils approbiert hat, erwähnt er zwar, doch hätten die dort verabschiedeten Dekrete so viele formale Mängel, die Torquemada in seiner Summa de Ecclesia aufgezählt habe, dass sich eine inhaltliche Diskussion erübrige60. 57

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AaO, nr. 103, 56 … et post Martinum electum auctorizata (congregatio) facto praesidentiae personalis in Concilium universale, ab hoc nobiliori statu tota (concilium universale) vocatur, et nuncupative in quolibet statu Concilium universale appellatur, nominibus utendo ut plures. AaO, nr. 104, 57. Fundatur autem haec declaratio super eo quod non est rationi consentaneum, Martinum voluisse declarare alias obedientias fuisse extra Eclesiam, sed verba proferre honoris, nominibus utendo ut plures utuntur, absque veritatis tamen offensa. … et ut insinuaretur quod Concilium ab ultima parte appellabat, in praecedenti interrogatorio, praeterito adiunxit praesens, dicens: „quod Concilium approbavit et approbat, condemnavit et condemnat“, quasi praeteritum non suffecerit. Et quia ex isto priore interrogatorio habitum erat quod Concilium Constantiense in praesenti sub Martino V condemnat illos tres, non oportuit in ultimo interrogatorio praeterito iungere praesens: iam enim praeteritum supponebat pro concilio sub Martino, quia iam damnaverat et sic etiam verba salvantur verbaliter. AaO, nr. 105, 57. AaO, nr. 117, 61f. Vgl. Summa de Ecclesia, l. II, c. 100, ed. cit. 160va–162ra.

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4. Die päpstliche Lehrautorität Selbst nach erwiesener Nichtigkeit der Superioritätsdekrete sieht sich Cajetan genötigt, eine fundamentale Theorie der Konziliaristen zu erörtern, da sie Argumente enthält, die für sie zu sprechen scheinen. Auch er ist wie sie der Meinung, dass die Kirche in Glaubensdingen nicht irren irren kann und dass man Möglichkeit und Tatsächlichkeit einer Häresie des Papstes in die Diskussion einbeziehen muss. Folgt daraus nicht, dass nur die Gemeinschaft aller Gläubigen – wenigstens in dieser Hinsicht – ein Privileg hat, dessen sich ihr Oberhaupt nicht oder nur im Einklang mit einem Konzil erfreut? Wie will man bei Annahme einer persönlichen Infallibilität den historischen Problemen entgehen? Cajetan begegnet den Schwierigkeiten auf eine für seine Methode typische Weise. Die Sache, um die es geht, ergibt sich vielmehr aus Prinzipien, die wir bereits kennen61. Die Überlegungen beginnen mit der herkömmlichen Unterscheidung zwischen einem persönlichen Glaubensirrtum und einem amtlichen Urteil, das der Papst entweder selbst fällt oder zusammen mit der Kirche auf einem Konzil. Als Privatmann kann er sogar „leichter“ einen Irrtum begehen als die Kirche ohne ihn. Im Falle einer offiziellen Definition ist es freilich genau umgekehrt: Eher irrt die Kirche als der Papst 62. Anders als sonst üblich – etwa bei Torquemada – präzisiert er nicht Bedingungen und Voraussetzungen, die der Papst zu beachten hat, um mit letzter Autorität entscheiden zu können. Er agiert gleichsam in einem freien Raum, in dem die traditionellen Einschränkungen nicht existieren. Warum Cajetan die klassischen Vorbehalte mit den in einer langen Diskussion entwickelten Distinktionen hier nicht weiter behandelt, ist freilich nicht schwer zu erraten. Er vermeidet sie, weil er fürchtet, sie würden Anlass endloser Debatten sein, die die Kernaussage gefährdeten. Haben exakte Kriterien nicht oft genug Einsprüche provoziert, die zu einer Lähmung führten und Ursache neuer Zweifel waren? Die Sache selbst steht nach Cajetan unter den bereits dargelegten Prämissen. Ein Irrtum in einem definitiven Urteil des Papstes ist zugleich ein Irrtum der ganzen Kirche, da es ihm obliegt, letztverbindlich zu entscheiden. Anstelle anderer Argu-

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Vgl. J.A. Domínguez Asensio, Infalibilidad y potestad magisterial. Dass Cajetan sehr wohl die Probleme der theologischen Kriteriologie kennt, zeigt sein Votum gegen die Unbefleckte Empfängnis Mariens. Dazu s. U. Horst, Dogma und Theologie 86–106. J.A. Domínguez Asensio, Cayetano y las cuestiones de criteriología teológica; ders., Infalibilidad y „determinatio de fide“. C. IX, nr. 131, 67. Et dicendum est quod errore personali certum est quod Papa, quia est una singularis persona magis potest in fide errare quam totum residuum Ecclesiae … Errore autem iudiciali in fide, est e converso, quia magis potest errare communitas Ecclesiae sine auctoritate Pape quam Papa.

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mente bezieht er sich allein auf Texte des Aquinaten, unter denen STh II–II 1, 10 mit der Formulierung, eine Definition sei „von allen inconcussa fide“ zu halten, einen besonderen Platz einnimmt. Wie es undenkbar ist, dass die Kirche durch einen amtlichen Spruch in einen Irrtum geführt wird, muss das Oberhaupt in diesem Akt ebenfalls ohne Irrtum sein63. Der Grund dafür, dass der Papst in Glaubensentscheidungen stets recht geleitet ist (rectissimus), liegt im Beistand des Hl. Geistes, der das Allgemeinwohl garantiert 64. Die einzelnen Aspekte der These lassen sich so zusammenfassen: Sagt man, nur die Gesamtkirche könne nicht irren, so trifft das zu, wofern das Oberhaupt in sie eingeschlossen ist, da die ihr zukommende Lehrautorität „hauptsächlich“ (principaliter) in ihm ruht. In diesem Sinn gebraucht der Aquinate die Begriffe „Urteil der Kirche“ und „Urteil des Papstes“ synonym65. Vergleichbare Aussagen über die Kirche allein und die Synode ohne Haupt sind nun in der Tradition nicht bezeugt. Weil man, heißt es abschließend, die Unterscheidung zwischen persönlichem Glauben und offiziellen Definitionen meist nicht beachtet, hätten „viele“ die Ansichten von Theologen denen des Papstes vorgezogen66. Mit der Gleichsetzung der Lehrautorität des Papstes mit der der Kirche glaubt Cajetan, allen Spielarten konziliaristischer Ideen den Boden entzogen und eine in sich geschlossene und keine Einsprüche ermöglichende Infallibilitätstheorie vorgetragen zu haben, die Abschluss und Höhepunkt einer mit großer Intensität geführten Diskussion in einem ist. Von den Voraussetzungen, an die ein letztverbindliches Urteil einer langen Tradition zufolge gebunden war, ist nur eine geblieben: Der Papst muss in amtlicher Eigenschaft seine Entscheidung fällen. So findet 63

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AaO, nr. 132, 67. Et ratio est: quia error Papae in definitiva sententia fidei est error totius Ecclesiae, et vere universalis Ecclesiae, capitis et membrorum, quia ad ipsum spectat determinare finaliter de fide quid tenendum et repellendum, ut ab omnibus inconcussa fide teneatur.Vgl. S Th II–II 1, 10 und Contra errores Graecorum, c. 36, ed. cit. A 102f. Quodl. IX, a. 16, ed. cit. 118f. Vgl. Y. Congar, Saint Thomas Aquinas … und U. Horst, The Dominicans 14f und 16–21. AaO, nr. 133, 68. Unde argumentum militat ad oppositum, quia Papa in huiusmodi iudicio est rectissimus propter assistentiam Spiritus Sancti in iudicio fidei, propter universale bonum Ecclesiae … AaO, nr. 134, 68 … auctoritas determinandi de fide competens universali Ecclesiae principaliter residet in Papa (vgl. Thomas, STh II–II 11, 2 ad 3: Quae quidem auctoritas principaliter residet in Summo Pontifice). Und weiter: Immo ipsa auctoritas quae universalis Ecclesia dicitur, non nisi illa Papae est … Et propterea in allegato quodlibeto (IX, q. 8) S. Thomas iudicio Ecclesiae et Papae ut synonymis utitur, aperiens expresse quod sententiae Papae per assistentiam divinae providentiae standum est. AaO, nr. 135, 69. Considerant enim ipsum, non officium, cum divina assistentia ad fidem in officio, etsi non in persona.

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bezeichnenderweise der Begriff der ecclesia Romana mit dem Kardinalskollegium als ein beratendes und mitwirkendes Gremium keine Erwähnung, von einem Konzil mit umfassenderer Kompetenz in Grenzfällen ganz zu schweigen. Daraus ergibt sich eine weitere Konsequenz: Cajetan hat auch, ohne es zu sagen, Theologen des eigenen Lagers im Visier, die angesichts komplizierter Glaubensfragen bereit waren, dem Konzil wichtige Funktionen einzuräumen. Selbst unter bisher als orthodox geltenden Modifizierungen des päpstlichen Lehrprimats war nunmehr ein Schlussstrich gezogen. Cajetan weiß freilich, dass es Extremsituationen gab und künftig geben kann, die ihn zwingen werden, dem Konzil Konzessionen zu machen. Gemeint ist etwa der Fall eines häretischen Papstes, über den noch zu handeln sein wird.

5. Grenzfälle Mit einem Blick auf das Fundament von Gersons Ekklesiologie – despektierlich nova quaedam imaginatio genannt – erörtert Cajetan einen weiteren Aspekt der päpstlichen Gewaltenfülle. Seinem Gegner zufolge besteht die der Kirche übertragene Vollmacht aus ihren integralen Teilen, unter denen – neben Kardinalat, Konzil, Episkopat und Priestertum – das Amt des Papstes (papatus) seinen Platz hat, so dass, sähe man von der Existenz des Oberhaupts ab, der „Rest“ nicht mehr Kirche wäre 67. Da das Ganze jedoch stets größer ist als seine Teile, hätte der papatus in ihm nur den Charakter eines Teils, während das Konzil als Repräsentanz des Ganzen gelten würde – und dies selbst bei Sedisvakanz. Gerson erkennt zwar dem Papst die Fülle der Gewalt zu, doch liegt diese auf höhere Weise in der Kirche, deren Erbauung ihr Ziel ist. Sie verleiht die Ämter und reguliert entweder selbst oder durch ein Konzil die Jurisdiktionsausübung68. Das will sagen: Die Kirche

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C. X, nr. 156, 77. Vgl. Gerson, De potestate ecclesiastica, cons. 7, ed. cit. 222f. Potestas ecclesiastica si consideretur in se formaliter et absolute, ipsa est invariabilis et eadem a principio nascentis ecclesiae usque ad finem perseverat. Ecclesia siquidem dum sic consideratur in suis partibus essentialibus et permanentibus, quae sunt papatus, cardinalatus, patriarchatus, archiepiscopatus, episcopatus, sacerdotium, habet integrari ex his omnibus … Und: … si papatus per imaginationem praescindatur a reliquibus potestatibus inferioribus, id quod superest non dicetur Ecclesia. Zu weiteren Einzelheiten s. G.H.M. Posthumus Meyjes, Jean Gerson 259–278. Ed. cit., Cons. 11, 232. Potestas ecclesiastica in sua plenitudine est in ecclesia sicut in fine et sicut in regulatione applicationem et usum huiusmodi plenitudinis ecclesiasticae potestatis vel per seipsam vel per generale concilium ipsam sufficienter et legitime repraesentans.

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lenkt in letzter Instanz ihr Oberhaupt unter Wahrung von dessen Machtfülle. Sie ist demnach das Regulativ namentlich bei Fällen, in denen der Papst sein Amt missbraucht oder seine Pflichten gröblich verletzt. Die erste Reaktion Cajetans auf diese These richtet sich gegen die Meinung, die Autorität, ein Amt zu besetzen, liege unabhängig vom Papst bei der Kirche. Das Zeugnis der hl. Schrift spricht eine andere Sprache: Es weiß nur von Petrus als alleinigem Haupt, von dem sich jegliche kirchliche Autorität herleitet 69. Nach den von Cajetan gemachten Voraussetzungen ist es vielmehr so, dass die Jurisdiktion normalerweise und eigentlich (principaliter) in den Händen des Papstes ruht und nur in Ausnahmefällen (in casu) in der Befugnis der Kirche oder des Konzils ist. Ihm allein obliegt, die ihm untergordneten Stellen zu besetzen70. Dasselbe gilt für die Weitergabe des papatus, insofern er die zur Wahl Berechtigten ernennt und den Wahlmodus so festlegt, dass Zuwiderhandlung die Ungültigkeit bewirkt. Kirche oder Konzil haben dieses Recht nicht, weil sie aus eigener Kraft keine päpstlichen Satzungen verändern können71. Gleichwohl rechnet auch Cajetan mit Ausnahmen, wenn etwa Unsicherheit hinsichtlich der Legitimität eines Kardinals besteht oder wenn der Papst zweifelhaft ist, wie das zur Zeit des Großen Schismas unter Urban VI. der Fall war. Unter solchen Umständen devolviert das Recht zur Papstwahl an die Gesamtkirche72. Ein Notstand, der außerordentliche Maßnahmen erzwingt, wird also auch von ihm mit noch zu erörternden Präzisierungen angenommen. Er unterlässt es allerdings nicht, seine vorläufigen Überlegungen mit einer scharfen Kritik an Gerson zu beschließen, dessen Thesen verraten, mit welcher Blindheit und Ignoranz er geschlagen gewesen sein muss, wenn er meint, sich auf Konstanz für seine Theorie berufen zu sollen73. Um schwierigen Situationen, in die die Kirche gelegentlich geraten kann, gerecht zu werden, bedarf es vielfältiger Distinktionen, die die praktischen Konsequenzen von Cajetans Primatskonzeption illustrieren. Wann, lautet die entscheidende

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Cc. X–XII, 77–95. C. XIII, nr. 199, 96 … sciendum est quod potestas ista regulariter et principaliter est in Papa, et non, nisi in casu, in Concilio seu Ecclesia. AaO, nr. 202, 97. In Ecclesia autem seu Concilio non esse hanc auctoritatem secluso papa, ex hoc patet quod tota Ecclesia non potest auctoritative mutare legem factam a Papa, puta quod electio non spectet ad Cardinales veros et indubitatos … Si enim potestas ipsa applicativa esset in Ecclesia secluso Papa, posset Ecclesia mutare statuta Papae circa applicationem huiusmodi. AaO, nr. 204, 98. Et tunc per viam devolutionis ad universalem Ecclesiam potestas haec devenire videtur, tamquam non existentibus electoribus determinatis a Papa ad repraesentandam illam in hoc actu pro bono ipsius Ecclesiae. AaO, c. XIV, nr. 212, 100.

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Frage, darf sich ein Konzil ohne Einwilligung des Papstes versammeln? Um sie zu beantworten, ist eine Unterscheidung angebracht. Ein Konzil ist schlechthin vollkommen, wenn es aus Haupt und Gliedern besteht, es hat dann die Vollmacht, alle Beschlüsse zu fällen, die die Gesamtkirche zu befolgen hat. Daneben gibt es eine Konzilsform, die in einem gegenwärtigen Zustand der Kirche vollkommen ist. An ihm nehmen die Väter teil, die sich unter den konkreten Umständen finden lassen. Eine solche Synode hat lediglich das Recht, eine Lösung für das gerade anstehende Problem zu suchen74. Der Anlass, sie zu veranstalten, kann vielfältiger Natur sein. So etwa die Existenz eines häretischen Papstes oder der Anspruch mehrerer Prätendenten auf das höchste Amt, wofür Konstanz das Beispiel sein mag. In Glaubensfragen indes obliegen Definitionen allein dem schlechthin vollkommenen Konzil unter dem Vorsitz des Papstes oder seiner Legaten75. Die beiden Konzilstypen, mit gestufter Vollmacht ausgestattet, entsprechen dem Prinzip, dass der Vikariat Christi allein dem Oberhaupt und nicht der Kirche als Gemeinschaft zusteht, die Verantwortung für das Ganze nur in Fällen hat, die auf normale Weise nicht zu regeln sind. Ihr Handeln gegen den Willen des Papstes ist dann für das der Lösung harrende Problem autorisiert, wenn dieser sich trotz aller Bitten geweigert hat, ein Konzil einzuberufen76. Zwar sind an sich unendlich viele Situationen krisenhaften Charakters denkbar, doch möchte Cajetan sie auf zwei reduziert wissen, die bereits in der Geschichte geschehen sind und sich darum wiederholen können. Die erste ist eine Häresie des Papstes. Ist sie gegeben, haben der Kaiser, die Kardinäle und die Bischöfe das Recht, ein Konzil zu versammeln, wofern sich der Amtsinhaber sträubt, dies selbst zu tun. Sie haben dann die Depositionsgewalt. Über das Recht zur Neuwahl verfügen allerdings nur die Kardinäle. Die Lösung, in der Tradition gut bezeugt, ist indes problematischer, als es scheint, da sie – wenigstens hier – eine konziliare Superiorität impliziert, über deren Widerlegung noch zu handeln sein wird. Der zweite Fall ist noch im Gedächtnis aller: Eine dubiose Papstwahl mit dem Ergebnis, dass aus ihr einer oder mehrere Prätendenten mit ungewisser Legitimität hervorgegangen sind. Sollte sich das wiederholen, haben nicht näher bestimmte Glieder („wo man sie finden kann“) der Kirche das Recht zu bestimmen, wer wah74

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C. XVI, nr. 221, 105. Vocatur Concilium perfectum simpliciter quod constat ex capite et membris, quod potest simpliciter statuere et ordinare universalem statum Ecclesiae. Vocatur Concilium perfectum secundum praesentem statum, quod constat ex membris possibilibus inveniri, Ecclesia in tali statu existente, et potest quoad aliquid tantum de universali Ecclesia se impedire. AaO, nr. 222, 105. AaO, nr. 229, 107 … sed non habet potestatem ad ordinandam universalem Ecclesiam, sed ad providendum illi casui tunc occurrenti.

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rer Papst ist. Können sie das nicht feststellen, sollen sie dafür sorgen, dass sich die Wähler für einen von ihnen entscheiden. Hat man auch in Bezug auf sie nicht die zu fordernde Gewissheit, devolviert die Wahl an die Kirche, so dass ein nunmehr tagendes „unvollkommenes Konzil“ autorisiert ist, die Wahl vorzunehmen, wie das Konstanz getan hat 77. Cajetan ist also aus schmerzlicher Erfahrung der jüngeren Papstgeschichte bis an die Grenzen seiner Primatskonzeption gegangen, er ist jedoch nicht bereit, weitere Notstände anzunehmen, die nach ähnlichen außerordentlichen Maßnahmen verlangten. So wäre der Fall eines geisteskranken Pontifex leicht zu lösen, wenn man ihn, besteht keine Aussicht auf Heilung, für „tot“ erachtet. Im Hinblick auf unklare Situationen wäre indes ein päpstliches Statut eine große Hilfe, in dem festgelegt ist, wie lange man zu warten hat, bis ein Ärztekollegium den „geistigen Tod“ des Amtsinhabers konstatiert und man die Vakanz des apostolischen Stuhls proklamiert. Wenn ein Nachfolger eine solche Verfügung seinerseits anerkennt, akzeptiert er stillschweigend seinen Verzicht oder seine Absetzung, falls der Fall eintritt. Sollte er nach erfolgter Neuwahl gesunden, erlangt er sein Amt nicht wieder 78. Denkbar ist ferner, dass ein Papst in Gefangenschaft ohne Hoffnung auf Befreiung gerät, doch ist dann in Erinnerung an die Gefängnishaft des Petrus (Apg 12, 5) keine Neuwahl gestattet, sondern die Fürsprache der Christenheit geboten. Gottes Allmacht darf man nicht vorgreifen und ihr keine Fristen setzen. Möglich ist indes auch, mittels eines päpstlichen Statuts dergestalt Vorsorge zu treffen, dass in einem solchen Fall einer der Kardinäle gewählt wird, der unterdessen die Amtsgeschäfte führt 79. Theologen, die ein regelmäßig tagendes Konzil unter Berufung auf Frequens fordern, befinden sich wegen der Unverbindlichkeit des Dekrets im Irrtum 80. Die öfter eingefügte Bedingung „wenn der Papst sich weigert“, ist allerdings nach Cajetan mit Umsicht zu verwenden, da sich seines

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AaO, nr. 231, 108. Tunc enim, ne perplexa sit Ecclesia, illa membra Ecclesiae quae inveniuntur, potestatem habent iudicandi verum, si potest sciri, et, si sciri nequit, providendi quod electores in unum eorum vel alium conveniant; et si certi electores nescirentur, cum electio ad Ecclesiam devoluta sit ex ipso electorum defectu, Concilium sic imperfectum eliget, ut in Concilio Constantiensi factum videtur in electione Martini V. AaO, nr. 232, 108f. Und nr. 233, 109. Ex quo namque quilibet sub ista lege pontificatum acceptaret et eam non revocaret, tacito consensu renuntiare, aut depositionem acceptare se profiteretur adveniente tali casu, et sic, si post electum alium Pontificem sanus fieret, papatum repetere non posset, a quo semel rite cecidisset. AaO, nr. 235, 109. Posset tamen in hoc in praecedenti casu pontificio statuto provideri quod a Cardinalibus eligeretur unus, qui vices Pontificis in omnibus et per omnia, illo fatuo aut isto incarcerato durante, obtineret. AaO, nr. 237, 110.

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Wissens noch nie ein Papst dem Rat bewährter Männer verschlossen hat, ein Konzil in einer Notsituation einzuberufen. Auch könne er die Kirche besser reformieren, wenn er freiwillig mit sich und seiner Umgebung beginne als mit Hilfe eines Konzils. Außerdem möge man zuerst „bereits Geschriebenes“ in die Tat umsetzen, ehe man neue Statuten verfasse. Diesem mittleren Weg, der der Kirche in kaum zu bewältigenden Notlagen Handlungsfreiheit gewährt und gleichzeitig die Rechte des Papstes garantiert, ist angesichts der Kontroversen um das Einberufungsrecht von Konzilien vor anderen Initiativen der Vorzug zu geben81.

6. Der häretische Papst Cajetans Gedanken, wie man in einer strikt monarchisch verfassten Kirche zu verfahren hat, um Krisen zu begegnen, verlaufen in von seiner Schule seit langem vorgezeichneten Bahnen. Ein oft diskutiertes und scheinbar befriedigend gelöstes Problem bereitet indes erhebliche Schwierigkeiten. Gemeint sind Eigenart und Folgen einer Häresie des Papstes, die unter einem neuen Aspekt diskutiert werden wird. Den Theologen des papalen Lagers war immer bewusst gewesen, dass ein solcher Fall die Suprematie des päpstlichen Amtes gefährden und dem Konzil gleichsam durch die Hintertür Einlass gewähren könnte. Nicht strittig war in der Tradition, dass, sollte er eintreten, dem Konzil eine besondere Rolle zufällt; kontrovers blieb jedoch, wie und auf welcher rechtlichen Grundlage konziliares Handeln dann geschieht. Die Konziliaristen hatten es in dieser Hinsicht leicht, die Papalisten mussten jedoch eine Antwort suchen, die keinen hoheitlichen Akt seitens der Synode implizierte. Wie wir wissen, fanden sie diese in der Ansicht, bei Häresie deponiere sich der Papst ipso facto und gehe des papatus verlustig. Das Konzil hätte dann lediglich die Aufgabe, eine deklaratorische Sentenz auszusprechen. Voraussetzung der These ist die allgemein als erwiesen betrachtete Annahme, der Glaube konstituiere die Gliedschaft in der Kirche. Sollte sie Cajetans kritischem Blick standhalten, wäre sie in der Tat die Lösung eines in den Diskussionen regelmäßig wiederkehrenden Problems. Bekräftigt wird die traditionelle Ansicht durch die Folgen einer Exkommunikation, die den, über den sie verhängt

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AaO, nr. 238–240, 110f. Ex his igitur patet quod inter extremas opiniones de congregatione et celebratione Concilli absque Papae consensu, media via sola vera est … scl. quod Concilium perfectum simpliciter, numquam, perfectum, vero Concilium secundum praesentem Ecclesiae statum, quandoque, sine Papa et contra ipsum congregari et celebrari potest. Et secundum hanc distinctionem potest diversa, si vis, dicta doctorum salvare (111).

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wird, außerhalb der Kirche stellt. Da sie ebenso wie eine Irrlehre dem freien Willen entspricht, hätten sie beide eine depositorische Wirkung, ohne auch nur im Geringsten den Jurisdiktionsprimat zu tangieren82. Obschon die vorgetragenen Argumente, so leitet Cajetan seine Stellungnahme ein, bedeutende Autoren für sich in Anspruch nehmen könnten, „gefällt sie dennoch nicht allen“. Zugunsten der Selbstabsetzungstheorie wie zugunsten der richterlichen Funktion des Konzils in diesem Fall verweist man gewöhnlich – bezeichnenderweise, wie man zufügen darf – auf Autoritäten des kanonischen Rechts, wobei die Kommentatoren von Anklage und Urteil sprechen83. Seine eigene Einschätzung des Für und Wider ist eindeutig: Die kommune These ist „schlechthin falsch“. Weder nach göttlichem noch nach menschlichem Recht setzt sich der Papst selbst ab. Zunächst ist zu bedenken, dass jemand allein durch den inneren Akt der Apostasie zum Häretiker wird. Die Kirche kann jedoch nur beurteilen, was äußerlich bekundet wird. Die Berechtigung der These selbst folgt aus bekannten Prämissen. Das höchste Amt hat seine Jurisdiktion unmittelbar von Gott, während der jeweilige Inhaber desselben aus einem menschlichen Urteil hervorgeht, d.h. durch Wahl. Im Fall einer Absetzung wird allein die Rechtsgewalt dem jeweiligen Inhaber entzogen – und zwar wiederum nach einem kirchlichen Richterspruch –, nicht aber wird der papatus aufgehoben, denn „Gottes Werke sind ohne Reue“ (Röm 11, 29). Das bedeutet: Der Amtsverlust – bei Weiterbestehen des höchsten Amtes – geschieht nicht auf Grund einer dem Wesen nach verborgenen Häresie, sondern erst nach erfolgtem Urteil 84. Eine Bestätigung sieht Cajetan in einer von den Befürwortern der Selbstdeposition vertretenen Ansicht, der zufolge ein häretischer Papst, der zum Widerruf bereit ist, nicht abgesetzt wird. Wie soll er dann, muss man fragen, wieder Papst sein? Etwa durch eine neue Wahl? Was geschähe, wenn sich die Wähler weigerten, diese vorzunehmen oder sich eine Bedenkzeit erbäten? Die absurden Konsequenzen sprechen für sich85. Warum Cajetan auf seiner Meinung – gegen eine lange Tradition – insistiert, werden die

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C. XVII, nr. 241–256, 112–117. Et sic ex nullo certo modo desitionis Papae viventis habetur, quod Papa invitus deponitur, propter quod remanere dicunt inconcussum, quod Papa manens Papa non habet superiorem in terris potestatem (nr. 256). C. XVIII, nr. 257 u. 258–262, 118f. AaO, nr. 269, 122. Quod enim in papatu sit potestas iurisdictionis, a Deo immediate est … Quod autem papatus ipse habens hanc potestatem sit in hoc homine, ab homine est – sola Petri persona excepta, quem Deus ipse fecit (Jo 21, 17) –, nam ab homine eligitur hic homo ut in eo sit papatus. Et quoniam cum deponitur Papa, non aufertur potestas iurisdictionis a papatu, quod esset auferre opus Dei; sed aufertur potestas iurisdictionis ab hoc homine, in quo non fuit posita a Deo immediate, sed mediante iudicio humano … AaO, nr. 273f, 124.

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folgenden Überlegungen zeigen, die wir wegen der Neuheit der Argumente im Detail bieten möchten, weil sie selten gewürdigt wurden und Tendenzen offenlegen, die für die Zukunft bezeichnend werden. Die Originalität der These empfiehlt ebenfalls eine gründliche Präsentation. Dass er sich so ausführlich mit ihr beschäftigt, verrät zudem, dass er in ihr ein Kernstück seiner Abhandlung erblickt, um einer etwaigen Konzilsintervention auch den letzten Anschein einer Berechtigung zu nehmen. Die übliche Lösung des Problems seitens unverdächtiger Theologen, von Cajetan der via media zugerechnet, sieht vor, dass im Fall einer päpstlichen Häresie eine Deposition zu erzwingen ist. Sie lässt also eine Ausnahme von der strikten Gerichtsimmunität zu. Nach Cajetan ist das ein wunder Punkt der papalen Ekklesiologie, denn das göttliche Recht des Primats kennt eine solche Sonderregelung nicht und keiner, der ihm untersteht, kann sie verfügen, wohl aber ist die Kirche autorisiert, eine „Trennung“ (separatio) auszusprechen, die zahlreiche Schriftstellen bezeugen, so wenn es etwa (2Thess 3, 6) heißt, man solle „alle meiden, die in der Kirche ohne Ordnung leben“ oder „schick ihn weg“ (Tit 3, 10). Aus ihnen ist zu schließen, dass sich die Kirche vom Papst mittels einer „dienenden Gewalt“ (potestas ministerialis) trennen kann. Mit ihr hat sie ihn auch gewählt. Sie ist die niedrigste Stufe der der Kirche eigenen Gewalt, die für diesen Zweck ausreicht, so dass es einer größeren nicht bedarf 86. Anders gesagt: Die Befugnis zur Wahl eines Papstes ist zugleich die Befugnis, sich von ihm unter der allein akzeptierten Voraussetzung einer Häresie zu lösen. Beide sind also identisch. Dass allein dieser Schluss möglich ist, resultiert aus der einfachen Überlegung, dass man dem göttlichen Recht nur das zuschreiben darf, was es ausdrücklich enthält oder was sich zwingend aus ihm ableiten lässt, wobei er das Deduzieren mit einer gewissen Einschränkung versieht: „Ich glaube, dass dies dem Leser einleuchtet“. Wie eine Entschuldigung – angesichts der vielen reputierten Autoren des eigenen Lagers, die eine andere Meinung vertreten –, klingt der Zusatz, er habe sein Opusculum wegen des drohenden Schismas in zwei Monaten ex improviso verfassen müssen87.

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AaO, nr. 280, 126f. Contra tamen hanc viam est: quia, cum Papa divino iure sit supra Concilium et Ecclesiam … oportet, si in aliquo casu est illi subditus, ex divino iure sit facta exceptio ista. Nullum enim aliud inferius ius potest exceptionem hanc facere … In divino autem iure non exprimitur subiectio, sed separatio, cum casus haeresis excipitur … Constat autem quod separare se potest Ecclesia a Papa sola ministeriali potestate qua potest ipsum eligere. Non igitur ex hoc quod divino iure sancitum est ut haereticus vitetur et procul sit ab Ecclesia, maiori potestate opus est quam ministeriali: ex quo ipsa sufficit et eam constat esse in Ecclesia. AaO, nr. 281, 127. Dico autem: puto, quoniam imminens schisma opusculum hoc intra duos menses fieri impulit ex improviso.

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Wirkliche Zweifel an seiner Theorie hat Cajetan jedoch nicht. Er ist überzeugt, den mittleren und wahren Weg zwischen den Extremen gewählt zu haben, der ihn zu der These geführt hat, dass der auf einer Häresie beharrende Papst auf Erden keine ihm übergeordnete Autorität hat, wohl aber hat die Kirche eine dienende Gewalt (potestas ministerialis), die geeignet ist, ihn abzusetzen88. Die Einzelheiten werden sorgfältig bedacht. Zu unterscheiden sind das Amt (papatus), das direkt von Gott ist, sodann die Person, die es innehat und die Verbindung beider, die durch die Wahl zustandekommt. Die Wahl selbst ist das Werk von Menschen, insofern der Wille des Gewählten und der der Wähler gemeinsam tätig werden und das vorhin erwähnte ministerium humanum konstituieren. Das will sagen: Der Papst hängt im Sein und Werden von Gott ab, von Menschen jedoch nur unter dem Aspekt des Werdens, wenn der Gewählte dem Akt seiner Wähler zustimmt 89. Dem schließt Cajetan folgende Überlegung an: Ursachen, durch die eine Sache entsteht, können auch deren Auflösung veranlassen. Anfang und Ende eines Papstes liegen demnach in menschlicher Vollmacht, die naturgemäß geringer ist als die, die Gott hat. Dass es tatsächlich so ist, zeigt der Umstand, dass bei einem Tod des Papstes das Wahlrecht in den Händen der Kirche liegt, so dass eine Deposition keine höhere Gewalt fordert, als sie in diesem Normalfall von allen Theologen angenommen wird 90. Das Ergebnis lautet: Das Vermögen, die Verbindung zwischen Amt und Person herzustellen, ist das eine und das Ausüben von Gewalt über den Papst das andere. Gleichwohl sind noch Einzelheiten zu klären und Einwände zu widerlegen. Zu untersuchen ist etwa, wie sich der Konsens der Wähler eines Papstes zu dem des Gewählten verhält. Sind sie gleicher – wie beim Eingehen einer Ehe – oder ungleicher Natur? Cajetan entscheidet sich für die Ungleichheit. Beide wirken zwar zusammen, aber doch in verschiedener Weise, denn nur so ist zu begründen,

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AaO, nr. 282, 127. Erit ergo media et vera via, quod Papa factus haereticus et perseverans habet in terris potestatem non superiorem se, sed ministerialem ad sui depositionem. AaO, nr. 285, 128. Est ergo coniunctio papatus in Petro non a Deo immediate, sed mediante ministerio humano, tam ex parte electorum quam ex parte electi. Und nr. 286. Ex hoc autem quod coniunctio papatus cum Petro est effectus voluntatis humanae, cum ipsa constituat Petrum Papam, sequitur quod, licet Papa a solo Deo dependeat in esse et fieri, Petrus tamen Papa dependet etiam ab homine in fieri, dum, ab hominibus electus, ipse homo acceptat, et sic iungitur Petro papatus. AaO, nr. 288, 129 … habetur … absque haesitatione certum, quod Petrus Papa, et in fieri et in corrumpi, dependet a potestate humana, non superiore nec aequali potestati Papae, sed minore; quia nec ad faciendum de Petro non Papa, Petrum Papam, nec ad faciendum de Petro Petrum non Papam, exigitur alia facultas quam voluntatis humanae, scilicet electi et electorum.

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dass die durch Wahl entstandene Verbindung (coniunctio) selbst dann gelöst ist, wenn sich der häretische Papst der Deposition verweigert. Die intendierte Trennung ist jedoch unter der Annahme möglich, dass der Wille der Wähler als Wirkursache verstanden wird, während die Zustimmung des Gewählten in dem Sinn zu deuten ist, dass diese ihn dazu befähigt, die Verbindung einzugehen91. Oder anders: Der Konsens disponiert ihn lediglich zum Empfang des Amtes, so wie „sich niemand die Ehre gibt, er wird vielmehr von Gott berufen“ (Hebr 5, 4). Durch ein klassisches Beispiel sieht sich Cajetan in seiner Theorie bestätigt: Der Amtsverzicht eines Papstes tritt erst ein, wenn ihn die Kirche akzeptiert hat. Sein Konsens allein zählt folglich nicht zu den sein Amt konstituierenden Wirkursachen. Niemand kann das Recht eines anderen aus sich aufkündigen92. Das vorläufige Ergebnis aus solchen Überlegungen lautet: Die der Kirche eigene Gewalt zur Auflösung der zwischen Amt und Person eingegangenen Verbindung hat zwingenden Charakter allein im Fall von Häresie, der sich jedoch nur auf die Person des Papstes erstreckt. Sie erfreut sich der Autorität, kraft eines richterlichen Spruchs die Trennung zu bewirken93. Ihm haben Schritte vorauszugehen, die nicht unter Gewaltanwendung erfolgen dürfen. Anzeigen und Tadel reichen aus, ein durch Folter erpresstes Geständnis ist hingegen ohne Beweiskraft. Offenkundige Taten und Worte genügen, um das Verfahren zu eröffnen. Ob schärfere Maßnahmen gestattet sind, mögen Juristen diskutieren94. Die so beschriebene Depositionsgewalt ruht nicht in den Kardinälen, sondern in der Kirche, die sich auf einem Konzil versammelt. Möglich ist freilich, dass dem Kollegium das Recht dazu in einem besonderen päpstlichen Statut gewährt worden ist. Die Kardinäle würden dann in diesem Fall wie bei der Wahl auch bei der Deposition die ganze Kirche repräsentieren95. Welche Rolle das Konzil in Grenzfällen genau spielt, wird später zu erörtern sein.

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C. XXI, nr. 303, 135 … isti duo consensus diversimode concurrunt: nam consensus electorum se habet ut causa faciens illam coniunctionem, consensus autem electi se habet ut reddens subiectum capax illius coniunctionis: non enim est capax nisi christianus voluntarius. AaO, nr. 305, 135f und nr. 306, 136 … ipse (consensus) non est causa efficiens etiam partialis illius coniunctionis, sed dispositio tantum subiecti. AaO, nr. 307, 136 … potestas ista minor Papatu habet vim coactivam, non super Petrum Papam, sed super coniunctionem papatus et Petri, non simpliciter, sed in casu haeresis … ita quod potestas ista relata ad Papam, est ministerialis: relata ad coniunctionem Petri et papatus in fieri vel dissolvi, subiecto existente disposito, est auctoritativa … AaO, nr. 308f, 137. AaO, nr. 310, 138 … potestas ista dispositiva non est in Cardinalibus: quia in eis non est potestas super coniunctione Petri et papatus nisi limitate, scilicet tempore quo papatus

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Cajetan weiß, dass ihn die Vertreter der communis opinio für einen Außenseiter halten werden, denn sie haben das traditionelle Argument für sich, Irrlehre habe den Verlust der Kirchengliedschaft zur Folge. Das Konzil beansprucht dann keine Jurisdiktion, sondern kann sich einer einfachen Erklärung bedienen, die die Absetzung vor der Öffentlichkeit bekundet96. Obschon eine Vielzahl illustrer Autoren hinter der These steht, zögert er nicht, sie für falsch zu halten. Um das zu zeigen, erinnert er an die drei Wirkungen der Taufe: den unauslöschlichen Charakter, den Glauben und die Liebe. Die Liebe macht zwar den Getauften zu einem lebendigen Glied Christi, aber sie ist nach allgemeiner Lehre nicht die Voraussetzung der Rechtsgewalt. Dasselbe trifft auch für den Glauben zu, denn Häretiker konsekrieren gültig, weihen Priester und firmen, wofern sie dies in der Intention der Kirche tun. Das heißt: Der sakramentale Taufcharakter konstituiert in gewisser Weise die Gliedschaft Christi 97. Die Aussage bedarf allerdings einer dialektischen Ergänzung, insofern jemand, der nur den Taufcharakter hat, gleichzeitig gläubig und ungläubig, Glied Christi und der Kirche und außerhalb der Glieder Christi und der Kirche ist. Er ist gleichsam ein Gläubiger wider Willen und Glied der Kirche, ob er das akzeptiert oder nicht98. Die Folgerung für unsere Thematik

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vacat. In Ecclesia autem universali est potestas super coniunctione ista absque limitatione, si secluso iure positivo loquimur, et ideo Cardinales non possunt deponere Papam haereticum, sed hoc spectat ad universalem Ecclesiam. Posset tamen haec potestas committi dominis Cardinalibus a iure statuto Pontificis: sicut commissa est eis potestas eligendi, scilicet per viam determinationis, quod ipsi repraesentarent universalem Eclesiam, sicut in eligendo, ita et in deponendo, quando deponendus est. C. XVII, nr. 243, 112f. Quidam dicunt quod hoc fit propter defectum subiecti. Subiectum namque papatus dicunt esse hominem fidelem, ac per hoc, sicut deficiente vita corporali per mortem, desinit subiectum papatus, ita deficiente fide in illo homine, qui est Papa, per haeresim, desinit esse subiectum papatus. C. XXVII, nr. 315, 141 … licet fides informis constituat membrum Christi secundum quid (cf. S Th III 8, 3 ad 2), quia tamen latitudo datur in membris Christi secundum quid, etiam sine fide informi, ex solo charactere sacramenti fidei constituitur membrum Christi secundum quid remotius a Christo: haereticus enim nisi membrum secundum quid Christi esset, nec corpus Christi, nec ministros consecraret, nec sacramentum confirmationis daret. Zum Gegenstand vgl. L. Hofmann, Die Zugehörigkeite zur Kirche und vor allem A. Bodem, Das Wesen der Kirche, bes. 177–205. AaO, nr. 317, 142 … habens solum fidei characterem est simul fidelis et infidelis, membrum Christi et Ecclesiae, et extra membra Christi et Ecclesiae, diversis respectibus. Nr. 320, 143. Et quia numquam desinet character, ideo semper erit intra latitudinem membrorum Christi etiam cum abscissum totaliter est per damnationem in inferno … Nr. 322, 143f. Quia ergo Papa factus haereticus, licet amiserit fidem etiam informem, quia tamen retinet sacramentum fidei etiam invitus, quo constituitur primo quis in hoc quod

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liegt auf der Hand: Da der Papst den Taufcharakter nicht verlieren kann, bleibt er auch als Häretiker Glied der Kirche und ihrem Urteil unterworfen. Bleibt eine letzte Frage zu beantworten. Wann darf und muss man zur Absetzung schreiten? Dem angeklagten Papst ist die Möglichkeit zum Widerruf zu konzedieren. Reagiert er auf zwei Mahnungen nicht – wer sie auszusprechen hat, wird nicht gesagt –, ist er als hartnäckiger Häretiker ohne Hoffnung auf Sinneswandel zu erachten und abzusetzen99. Cajetan gibt selbst zu verstehen, dass seine These auf heftigen Widerstand stößt und zwar nicht nur bei Vertretern konziliaristischer Ideen, sondern auch bei Anhängern einer dringend ersehnten Erneuerung der Kirche, die die verweigerte Reform dem Papsttum als schwere Schuld anrechneten und darum versucht waren, für Maßnahmen zu plädieren, die Gewalt nicht ausschlossen, auch wenn sie nicht direkt eine Absetzung forderten. Cajetan hält es darum für geboten, seinen Standpunkt unter allen Aspekten zu begründen, um sämtlichen Einsprüchen zu begegnen und für künftige Fälle gerüstet zu sein. Die gegnerischen Argumente nimmt er keineswegs auf die leichte Schulter, er präsentiert sie vielmehr in einer möglichst stringenten Gestalt, um den ihnen gemeinsamen springenden Punkt zu finden, der die Widerlegung möglich macht. Mit einem Seitenhieb auf Autoren seiner Zeit versichert er abermals, die „alten Theologen und Kanonisten“ hinter sich zu wissen. Das eigentliche Problem, um das es in der Kontroverse geht, ist in der Frage enthalten, ob eine Deposition des Papstes auf göttlichem oder menschlichem Recht beruht, wobei es unerheblich ist, welches Verbrechen ihm zur Last gelegt wird. Wer etwa sagt, eine Absetzung wegen Häresie könne nur kraft göttlichen Rechts erfolgen, muss dies auch in Hinsicht auf jedes andere Vergehen vertreten, das mit Amtsenthebung geahndet werden soll. Wer hingegen meint, es genüge die Applikation menschlichen Rechts auf den Tatbestand der Häresie, hat Entsprechendes in allen anderen Fällen anzunehmen 100. Für welche Möglichkeit sich Cajetan ent-

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est esse membrum Christi, ideo rationes et auctoritates quae fundantur super hoc quod fides saltem informis requiritur ad esse membrum Christi non sunt efficaces ad inferendum ipsum non esse membrum Christi ac per hoc ipso facto iure divino depositum; quamvis ex defectu fidei informis optime inferatur quod ipse, quantum est ex se, est extra latitudinem membrorum Christi, ac per hoc a membris Christi segregandus per depositionem ab officio capitis … C. XXIII, nr. 343–351, 150–154. Nr. 347, 152. Unde media rationabilisque sententia est, quod Papa haereticus post duas monitiones deponendus est (Tit 3, 10). C. XXV, nr. 365, 161.Sciendum est igitur, quod tota difficultas pendet ex hoc: an jure divino vel humano Papa in casu criminis (quodcumque sit illud) relinquitur deponendus potestate Ecclesiae seu Concilii? Si enim lex divina exigitur ad faciendam exceptionem

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scheiden wird, wissen wir bereits, wie seine Überlegungen zum menschlichen und göttlichen Anteil an der Konstituierung des höchsten Amtes gezeigt haben. Die Verbindung einer Person mit dem papatus ist Werk der Kirche, aber der daraus hervorgegangene Papst ist kraft göttlichen Rechts über Kirche und Konzil und untersteht keiner sonstigen Autorität – außer im Fall von Häresie101. Das Schriftzeugnis ist eindeutig und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Erwähnenswert ist jedoch Mt 23, 2f, ein Text, der trotz seiner scharfen Anklage gegen Schriftgelehrte und Pharisäer von vielen Autoren des papalen Lagers zugunsten der letztlich unantastbaren Autorität kirchlicher Amtsträger zitiert wird. Ihm zufolge solle man selbst auf Prälaten mit schlechtem Lebenswandel, aber gesunder Lehre hören102. Diejenigen, die meinen, es genüge die Berufung auf menschliches Recht, begründen ihre Ansicht mit dem Argument, ein Papst komme in sein Amt mittels kirchlicher Regelungen. Dass es sich um reines Menschenwerk handele, zeige die Tatsache, dass eine Papstwahl ungültig ist, wenn man die hierfür bindend vorgeschriebene Ordnung nicht beobachtet. So wie Papst Bonifacius einst den c. Si papa in das Recht eingeführt hat, so könnte heute etwa ein ähnliches Gesetz zum Verbot der Simonie erlassen werden103. Cajetan fällt die Antwort auf solche Gedanken und Vorschläge nicht schwer. Ein bloß kirchliches Gesetz kann der Papst dank seiner Gewaltenfülle jederzeit außer Kraft setzen. Und weiter: Die Mitwirkung der Kirche bei der Papstwahl erstreckt sich lediglich auf die Verbindung einer Person mit dem Amt im Entstehen, so dass es nicht mehr ihre Sache ist, über Dispositionen im Papst zu befinden, die geeignet sind, zur Auflösung der Verbindung zu führen104.

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hanc, scl. quod in casu criminis haeresis possit ab Ecclesia deponi, lex quoque divina exigitur statuens quod propter tale crimen, puta notorium, scandalizans et pertinax, deponi possit. Et si solum ius humanum sufficit ad statuendum quod Papa in casu haeresis est deponendus, solum quoque ius humanum sat est ad statuendum quod Papa propter notorium crimen deponatur. AaO, nr. 366, 162. AaO, nr. 367, 162 … ubi Dominus aperte statuit subditos debere audire pralatos malae vitae et bonae doctrinae … Secundum igitur sententiam Domini audiendi sunt fideles praelati, quamvis mali. AaO, nr. 368–371, 162f. AaO, nr. 372–376, 163–165 … quia cum ipsa (potestas ministerialis Ecclesiae) non se directe extendat supra coniunctionem Petri et papatus in facto esse, sed in fieri … consequens est, quod ad ipsam non spectat determinare dispositiones coniuncti, scl. Petri Papae disponentes ad dissolutionem coniunctionis. Nam dispositiones tales adveniunt coniuncto iam facto, ad quod non se extendit potestas ista (nr. 376, 165).

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Der Entschiedenheit, mit der Cajetan seine Theorie vorträgt, entspricht das Urteil über deren Gegner, zu denen er namentlich die Kanonisten zählt, die er der Ignoranz bezichtigt105. Es wird immer deutlicher, warum er zu Beginn von De comparatione die Ekklesiologie der Dogmatik und nicht dem Kirchenrecht zuordnet. Dass er auf seiner Position gegen eine breite Front von Theologen beharrt, hat seinen letzten Grund in der Furcht, die ausgebliebene Kirchenreform würde in Verbindung mit konziliaristischen Gedanken den Primat in große Gefahr bringen. Schließlich darf an die viele Zeitgenossen herausfordernde Politik Julius’ II. erinnert werden, gegen den sich massive Vorwürfe richteten, die ein Mann in der Position Cajetans zu bedenken hatte. Den sich allenthalben rührenden Gegnern des Primats durften nicht die geringsten Konzessionen und Hoffnungen gemacht werden106. Dass nur Unglauben das Band zwischen Papsttum und Papst zerschneidet, ergibt sich nach Cajetan aus der einfachen Überlegung, dass die zwischen Institution und Person entstandene Bindung auf Wahl, Zustimmung des Gewählten und auf seinem Christsein basiert. Alle sonstigen Anforderungen und Eigenschaften moralischer Art sind für die Konstituierung im Amt zweitrangig, woraus folgt, dass, wenn sie fehlen, das Band weiterbesteht. Das heißt: Der Papst mag noch so frevelhaft und unverbesserlich sein, er ist und bleibt Papst, solange er glaubt und seinen einmal gegebenen Konsens nicht zurückzieht. Böse Taten machen ihn nicht „absetzbar“ (deponibilis). Dies bewirkt unter allen Verbrechen allein der Unglaube107. Auf den Einwand, Gotteshass sei noch verwerflicher als Apostasie, heißt es: Es geht nicht um Größe oder Schwere von Sünden, sondern allein darum, dass Häresie den Status eines Christen verändert, indem sie ihn zum Nichtchristen

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AaO, nr. 377, 165 … patet quam ignoranter procedant quotquot ex vi canonici iuris procedunt ad ostendendum quod Papa ex crimine notorio, scandaloso et incorrigibili deponi potest … Zur kanonistischen Tradition s. inbesonder B. Tierney, Foundations, bes. 57–67 und Huguccios Glosse zum c. Si papa 248–250. L. Buisson, Potestas und Caritas 166–215. J.M. Moynihan, Papal Immunity, bes. 111–135. K.W. Nörr, Kirche und Konzil 141–147. Zur Kritik am Papst in Paris s. P. Fabisch, Julius exclusus e coelis, bes. 92–388. H.J. McSorley, Erasmus und the Primacy. H.J. Sieben, Velut oraculum a deo profectum zeigt, dass Erasmus kein Konziliarist war. C. XXVI, nr. 384, 168 … ex quibus necessario sequitur ut deficientibus in Petro conditionibus, quae non sunt necessariae simpliciter, sed ad bene esse, non propterea sit dispositus ut possit dissolvi coniunctio ista, ut possit attingi Petrus a potestate depositiva. Nr. 385, 169. Sola contraria conditionibus necessario requisitis ad esse Papae reddunt Papam deponibilem: sed inter crimina infidelitas contrariatur conditionibus necessario requisitis ad esse Papae: ergo sola infidelitas inter crimina reddit Papam deponibilem.

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macht. Zu bedenken ist schließlich, dass mit einer Irrlehre des Papstes die Gefahr verbunden ist, dass sie sich auf die Kirche ausbreitet, während moralisches Versagen das nicht tut 108. Eine Frage bleibt, die namentlich in kirchlichen Krisenzeiten die Gemüter bewegte. Wie kann man unter solchen Vorzeichen dem Missbrauch päpstlicher Gewalt begegnen? Cajetan weiß, dass Konziliaristen und politische Denker seit langem für ein Recht auf Notwehr gegen Willkür mit dem Argument plädieren, die Kirche dürfe in Extremsituationen nicht schlechter gestellt sein als staatliche Gemeinwesen. Auch er ist bereit, gewisse Formen des Widerstands gegen Handlungen des Papstes für legitim zu halten, wofern man für sie keine rechtlich bindende Autorität beansprucht. So ist es jedem erlaubt, sich gegen einen Papst, der sich als Eindringling aufführt, zu wehren und ihn sogar zu töten, doch ist es untersagt, ihn unter Mordanklage zu stellen und zu töten, da er sich einer absoluten Gerichtsimmunität erfreut109. Sollte er sich anschicken, die Kirche zu „zerreißen“ – etwa durch käufliche Benefizien –, ist ihm „öffentlich und ins Angesicht“ zu widerstehen und denen, die solche Gunsterweise angenommen haben, die Inbesitznahme zu verweigern. Das hat allerdings mit Ehrerbietung und im Gehorsam zu geschehen, so dass dem Protest enge Grenzen gezogen sind. Nach Cajetan gibt es viele Möglichkeiten, Resistenz gegen Amtsmissbrauch zu praktizieren, ohne Rebellion zu provozieren. Solange man aber von Schritten zur Reform nur träumt, hat man kein Recht, sich über die Nichtabsetzbarkeit eines Papstes zu beklagen. Warum berufen sie sich auf das Schriftwort, Macht sei zur „Erbauung und nicht zur Zerstörung“ (2 Kor 13, 10) gegeben? Diese „Reformer“ sollten vielmehr allen Formen der Willkür mit angemessenen Mitteln begegnen, indem sie bösen Taten den Gehorsam verweigern, nicht schmeicheln und nicht schweigen, sondern tadeln. Sie mögen vielmehr angesehene Männer ersuchen, nach dem Beispiel des hl. Paulus (Kol 4, 17) den Papst an seine Pflicht zu erinnern, „den vom Herrn erhaltenen Auftrag zu erfüllen“ 110.

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C. XXVII, nr. 405, 176. Infidelitas enim mutat statum hominis: quia facit, quantum est ex parte hominis, de christiano non christianum. Nr. 406, 177 … et propterea crimen haeresis non ratione maioris gravitatis, sed mutationis status deponendum constituit Papam, alia autem crimina non. Nr. 407, 177 quia haeresi quantum est ex se adhaeret doctrina haeretica, quae in capite quantum ex se est induceret haeresim in Ecclesiam universalem. C. XXVII, nr. 411, 178f. Et similiter quamvis quilibet licite possit Papam invasorem se defendendo occidere, nulli tamen licet Papam propter homicidium punire poena mortis. AaO, nr. 412, 179f.

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Cajetans Empfehlungen, wie man einem papa furiosus entgegentreten darf, bewegen sich innerhalb eines eng begrenzten, gewaltfreien Rahmens und schließen alle Mittel aus, die rechtliche Ansprüche implizieren und als Eingriff in die Superiorität des Papstes verstanden werden könnten. Über das in seinen Augen wirksamste Remedium, das der Kirche stets zu Gebote steht, wird er sich gleich äußern. Der Vorwurf vieler Zeitgenossen, der Generalmagister der Dominikaner habe wider besseres Wissen und eigene Erfahrung die Größe und Dringlichkeit von Reformen an Haupt und Gliedern verharmlost, wird ihm nicht erspart geblieben sein. Man kann zwar nicht sagen, solche Forderungen seien ihm fremd gewesen und er habe sich ihnen gänzlich verschlossen. Das zeigt sein Brief an den Orden aus dem Jahr 1513, der zur Erneuerung aufruft, aber eine Rede, wie sie der Augustinergeneral Aegidius von Viterbo wenig später auf dem V. Laterankonzil vorgetragen hat, die in den Worten kulminierte „ohne Konzilien können wir nicht gerettet werden“, hätte er im Geist seiner Primatskonzeption nicht gehalten111. Die Sorge, Konzilien und die sich auf ihnen entwickelnde Reformdynamik könnten sich verselbständigen und so die Gewaltenfülle des Primats aushöhlen, war angesichts der aus Frankreich kommenden Drohungen stärker. Auf einen letzten Einwand, der schon auf spätere Kontroversen mit Pariser Autoren hindeutet, sei kurz eingegangen, weil er einen zentralen Begriff der Parisienses enthält. Die Kirche als eine „freie Gemeinschaft“ muss ihnen zufolge die Möglichkeit haben, sich in gewissen Situationen vom Papst zu trennen und den Weg zu Reformen und zur Lösung von Krisen allein gehen. Cajetan hält den Gedanken für unannehmbar. Die Kirche ist unter dem Aspekt der Gnade gewiss frei, aber in Hinsicht auf die Rechtsgewalt ist und bleibt sie stets ihrem Haupt unterworfen112. Cajetan hat offenbar selbst gespürt, dass die gegen einen papa furiosus der Kirche zur Verfügung stehenden rein defensiven Maßnahmen seine Leser nicht befriedi-

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Der Brief ist ediert in: MOPH IX, Rom 1901, 93f. G. Löhr, De Caietano reformatore. – Der Cajetan zugeschriebene Reformvorschlag Consilium datum Summo Pontifici super reformatione ecclesiae christianae (CT XII 32–39) aus dem Jahr 1522 hat wahrscheinlich Silvester Prierias zum Verfasser. Dazu s. M. Tavuzzi, Prierias 115–119. Zu Cajetan als Reformer s. Ch. Morerod, Cajetan et Luther I 16–22. – Zur Rede des Augustinergenerals s. C. O’Reilly, „Without Councils We cannot be saved“. Text der oratio: 184–204. Der Satz absque synodis igitur salvi esse non possumus 188. – S. J.W. O’Malley, Giles of Viterbo on Church Reform 138–178. Ferner R.E. McNally, Pope Adrian VI. AaO, nr. 415, 181. Ex parte vero Ecclesiae ut communitatis liberae, breviter dicitur, quod licet sit libera libertate gratiae, est subdita tamen secundum iurisdictionem Papae. – Bei John Mair heißt es: … libera communitas non est minoris authoritatis immo maioris quam rex. Zitiert nach J.H. Burns, Politia regalis et optima, Anm. 39, 39.

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gen werden. Wie soll man in einer ausweglos scheinenden Situation reagieren? Sind die Christen wehrlos? Das kann, da Gott seine Kirche mit einer vollkommenen Verfassung ausgestattet hat, nicht sein. Sie hat sehr wohl geeignete Mittel, um ihren Bestand zu sichern, aber diese gehören einer höheren Ordnung an, als sie menschliche Voraussicht zu garantieren vermag. Das ist die Waffe des Gebets. Sollte es tatsächlich nötig sein, einen schlechten Papst von seinem Amt zu entfernen, wird Gott ohne Zweifel einer Bitte der Christenheit entsprechen. Sollte er freilich anders verfügen, hätten wir keinen Grund, uns zu beschweren. Wer dann weiterhin auf einer Absetzung insistiert, gibt zu erkennen, dass er menschlichen Wegen mehr vertraut als den Wirkungen des Gebets113. Sollte jemand meinen, das Gebet sei nur das normale Mittel gegen die gewöhnlichen Übel und darum nicht für außerordentliche Fälle angebracht, möge er bedenken, dass das Gebet gerade in dieser Gott reservierten Sache die rechte Hilfe ist. Zu erinnern ist schließlich daran, dass auch der schlechteste Papst die Kirche nicht ins Verderben führen kann114. In diesem Kontext äußert sich Cajetan in wenigen scharfen Worten zu den Ursachen des traurigen Zustands, in der sich die Kirche seiner Tage befindet und die erklären, warum Hilfe von oben ausbleibt. Heute wird Gott nicht einmal „mit den Lippen geehrt“ (Mt 15, 8), weil der Klerus nichts unverständlicher dahersagt als das officium divinum und nichts so schnell persolviert wie die Messe. Die Zeit, die man ihr widmet, wird als große Last empfunden, während man bei Scherzen und menschlichen Angelegenheiten nicht darauf achtet, wie lange sie dauern115. Das heißt: Die Missstände der geschilderten Art sollte man zuerst bekämpfen, ehe man die Absetzung des Papstes fordert. Eine Erneuerung der Kirche hat demnach mit den Personen und nicht mit den Institutionen zu beginnen. Besondere Beachtung verdient eine falsche, wie Cajetan meint, Interpretation des c. Si papa in der Glosse, die gegen den Wortlaut Hartnäckigkeit und Simonie der Häresie gleichsetzt und so den eigentlichen Sinn des Rechtssatzes verändert. Diese Fehldeutung nimmt er abermals zum Anlass, nachdrücklich zu betonen, dass die Autorität der Kanonisten in ekklesiologischen Fragen „gering“ ist und sich der Tradition der Heiligen unterzuordnen hat116. Und endlich ein letztes Argument: Alle auf positivem Recht gründenden Anklagen gegen den Papst sind von vornherein wirkungslos, da er keinem Gericht untersteht. Anders sind freilich jene zu

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AaO, nr. 418, 182. Unde si necessarium est ad salutem Ecclesiae quod Papa talis auferatur, sine dubio oratio sic conditionata auferet illum de medio. S. nr. 419, 183f. AaO, nr. 422, 186. AaO, nr. 420, 184f. AaO, nr. 425f, 187.

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bewerten, die sich auf natürliches oder göttliches Recht stützen. Sie sind auch auf den Papst anwendbar. So z. B. die auf göttlichem Recht basierende Regel, dass ein der Häresie bezichtigter Papst nach zweimaliger erfolgloser Mahnung zu deponieren ist, selbst wenn er „jetzt“ rechtgläubig sein sollte, während das richterliche Urteil natürlicher Art ist, da wir nur „von außen“ sehen und uns auf zwei oder drei Zeugen (Mt 28, 16) verlassen müssen. Mehr verlangt Gott von der Kirche nicht 117. Wiederum hat sich ergeben, wie sehr sich Cajetan bemüht, allen Eingriffen in die päpstliche Hoheit den rechtsverbindlichen Charakter abzusprechen und die Prärogative des Oberhaupts nicht anzutasten. Das zeigt sich nicht minder deutlich im letzten Kapitel von De comparatione, das sich mit außergewöhnlichen Fällen beschäftigt, die seit langem Gegenstand kanonistischer Diskussionen waren. Auch ihnen möchte er den Anschein nehmen, als böten sie Anlass, die Primatialgewalt zu schmälern. Könnte, so ließe sich fragen, ein in Gefangenschaft geratener Papst, bei dem keine Aussicht auf Befreiung besteht und keine Kontaktmöglichkeit gegeben ist, von einem Konzil abgesetzt werden? Die Antwort ist klar: Eine solche Lösung entspräche – unter Verweis auf Petrus (Apg 12, 5) – nicht der Handlungsweise der Urkirche, die wider alle Hoffnung auf immerwährendes Gebet vertraut hat, das schließlich erhört wurde118. Was hat zu geschehen, wenn, durch Zeugen bestätigt, der Tod eines Papstes festzustehen scheint, der aber in Wahrheit noch am Leben ist? Dann ist nach Cajetan so zu verfahren wie im Fall eines für tot erklärten Ehemannes, dessen Frau einen anderen geheiratet hat. Sie muss, kehrte der Totgeglaubte wieder, die Ehe mit ihm fortsetzen, andernfalls hätte sie als Ehebrecherin zu gelten. Dasselbe ist in Hinsicht auf einen vermeintlich toten Papst zu sagen, so dass das Amt des irrtümlich gewählten Nachfolgers erlischt 119. Sollte der Papst an einer unheilbaren Demenz erkrankt sein, ist er nicht abzusetzen, sondern für geistig tot zu erklären, woraufhin die Kardinäle – ohne Einberufung eines Konzils – zur Neuwahl schreiten sollen120. Falls alle Kardinäle sterben und nicht hinreichend feststeht, ob der Papst gültig gewählt wurde, gibt es nach menschlichem Urteil keinen legitimen Oberhirten. Die Kirche ist dann bevollmächtigt, „ihrem Gewissen nach“ einen neuen zu wählen, sie ist aber nicht autorisiert, den zweifelhaften Amtsinhaber in einem Rechtsakt (in foro suo) zu deponieren121. Denkbar ist ferner

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AaO, nr. 427f, 187f. C. XXVIII, nr. 438, 191f. AaO, nr. 439, 192. AaO, nr. 440, 192. AaO, nr. 441, 192f.

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der Fall, dass die Gläubigen grundsätzlich einem Papst den Gehorsam verweigern, aber erklären, sie wären bereit, einen noch zu wählenden Nachfolger zu akzeptieren. Um das zu illustrieren, bietet man folgendes Beispiel: Die Griechen würden zur Kirchenunion zurückkehren, wenn man den derzeitigen Papst absetzte und einen ihnen akzeptablen wählte. Zugunsten einer solchen Möglichkeit beruft man sich auf die Ansicht von Juristen, ein Professreligiose dürfe heiraten, hinge davon das Wohl oder die Bekehrung eines ganzen Landes ab. Auch in diesem kirchenpolitisch heiklen Fall ist Cajetans Position eindeutig: Es ist unerlaubt, Böses zu tun, um Gutes zu erreichen122. Bleibt ein letzter Fall zu erwägen. Sollte sich ein Papst durch Eid oder Gelübde verpflichtet haben, auf sein Amt zu verzichten, dies aber immer wieder hinauszögerte, so dass die Gläubigen zu der Ansicht kämen, auch sie wären von allen Bindungen frei, so ist er zwar gehalten, seinem Versprechen nachzukommen, doch könnte ihn niemand zwingen, es zu erfüllen123. Mit diesen Antworten auf wirklich geschehene Beispiele oder juristische Konstruktionen hat Cajetan sein Opusculum am 12. Oktober 1511 mit der Bemerkung abgeschlossen, er stehe im 43. Lebensjahr. Seine Leser bittet er, sie mögen nur die Wahrheit im Auge haben, alle Leidenschaften, Gruppenbildungen und persönliche „Glossen“ zurückstellen, auf nebulöse Gedanken verzichten und sich so als recti censores erweisen124.

7. Die Auseinandersetzung mit Jacques Almain Dass sich Cajetans Opusculum De comparatione gegen die seit langem an der Pariser Universität vertretenen gallikanisch-konziliaristischen Thesen richtete, ergibt sich aus den Umständen, die zum Konzil von Pisa führten. Paris empfand sich seit jeher als Verteidiger und Garant einer Kirchenkonzeption, die in Johannes Quidort ihren ersten großen Ausdruck gefunden und ihre entfernteren Wurzeln in den Kontroversen mit den Mendikantenorden in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts hatte. In den Konstanzer und Basler Dekreten hatte sie nach ihrer Überzeugung eine verbindliche und definitive Gestalt angenommen. Nicht ohne Grund war Quidorts De potestate regia et papali 1506 in Paris im Druck erschienen. Als z. B. Jacques Dumoulin 1508 angeklagt wurde, er lehre, Haec 122 123

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AaO, nr. 442, 193. AaO, nr. 443, 193. Und nr. 444, 193f. Et sic patet quod Papa ordinaria potestate a Iesu Christo tanta donatus est, cum ipsius est institutus Vicarius ut ei Apostoli, Ecclesie, singula membra et communitas subiecta sit, ipse vero soli ipsi Iesu Christo subiectus vivat, sic ut in nullo eventu nulloque casu nisi haeresis proprie sumptae iudicari aut deponi possit, nisi ab ipso Domino Iesu Christo. AaO, nr. 445, 194.

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sancta und Frequens seien nicht mehr in Kraft und die Autorität von Konzilien hänge vom Papst ab, musste er widerrufen und erklären, er habe diese Ansicht lediglich zur akademischen Disputation stellen wollen125. Als Cajetans De comparatione in die Hände der Pisaner Theologen kam, sandte man sogleich ein Exemplar an die Universität Paris mit der Aufforderung, sie möge „schnell“ eine Stellungnahme gegen das Werk verfassen. Dasselbe tat König Ludwig XII. Die Fakultät zögerte allerdings, dem Gesuch offiziell zu entsprechen, gab aber den Auftrag an den jüngsten Doktor, Jacques Almain, mit der bemerkenswerten Einschränkung weiter, er solle „unter seinem Namen“ die Gegenposition beziehen126. Im Hintergrund dieser Zurückhaltung stand die Tatsache, dass das Gremium geteilter Meinung in Bezug auf das Konzil war. Als nach dem Tod Julius’ II. der Monarch eine Versöhnung mit dem Nachfolger anstrebte, erlosch das Interesse des Regenten an einer Kontroverse mit Cajetans Buch127. Almains Tractatus de autoritate ecclesiae et conciliorum generalium ist demnach keine amtliche Äußerung der Pariser Fakultät, aber auch keine bloße Privatarbeit. Diese Umsicht entsprach eher politischen als doktrinären Erwägungen128. Almain beschließt seine Abhandlung mit folgenden Worten: „Ich habe dies im Jahre des Herrn 1512 im ersten Jahr meines Doktorats im zweiten Monat geschrieben. Über mein Alter schweige ich (anders als sein Widersacher), um nicht den Eindruck zu erwecken, vom Wind des Ruhms bewegt zu sein“129. Die Anspielung auf Cajetans Schlussbemerkung, er stehe im 43. Lebensjahr, ist offensichtlich.

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Dazu s. K. Farge, Orthodoxy and Reform 222. A. Renaudet, Préréforme et humanisme 461, Anm. 2. S. auch A. Tallon, La France et le Concile de Trente 433–439. P. Fabisch, Julius exclusus 92–183 (papstfeindliche Stimmung an der Universität Paris). G. Mollat, Les origines du gallicanisme parlementaire.– Zu den Ursprüngen s. Literatur zum Mendikantenstreit. Ferner K. Schleyer, Anfänge des Gallikanismus im 13. Jahrhundert, bes. 77–106. Vgl. K. Farge, Orthodoxy and Reform 223–225. H. Bernard-Maître, Les „théologastres“. Vgl. D.A. Mortier, Histoire des maîtres généraux t. V, 201, Anm. 1. Dominus praesidens Paschal exhibuit quasdam litteras … in quibus litteris rex rogabat Facultatem ut ultra non se intromitteret de examinando et condemnando quemdam libellum quem fecit frater Thomas de Vio … – Die Haltung der Dominikaner zu gallikanischen Ideen bleibt zu untersuchen. Zum Einfluss des Humanismus auf den Konvent St. Jacques s. allgemein M.-D. Chenu, Humanisme et Réforme. Wir zitieren den Tractatus nach: Johannes Gerson, Opera omnia, t. II, 976–1012. Ed. cit 1012C. Et haec scripsi Anno Domini MDXII doctoratus mei anno I, mense II. De aetate vero, ne vento gloriae agitari videar, taceo … Almain hat das Lizentiat am 26. Januar 1512 und das Doktorat am 31. März 1512 gemacht. Vgl. H. Bernard Maître, Les „théologastres“ de l’Université 252.

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Die politischen und ekklesiologischen Theorien des Schotten John Mair und seines Schülers Jacques Almain waren Gegenstand einer Reihe von Untersuchungen, die deren Implikationen in Hinsicht auf spätere Diskussionen im Kontext staatlicher Verfassungslehren aufgezeigt haben130. In der Darstellung der Kontroverse zwischen Almain und Cajetan dürfen wir uns daher auf die zentralen Argumente des Pariser Theologen und die Antworten des Generalmagisters der Dominikaner beschränken, wobei wir den Akzent auf die Parallelen zwischen staatlicher Ordnung und Kirche legen131. Der Anfang der Abhandlung gibt bereits zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen Almain seine Thesen entfalten wird. So hat Gott als Schöpfer der Natur uns mit Rechten ausgestattet, die zur Erhaltung des Menschengeschlechts und zu dessen Verteidigung erforderlich sind. Ihm ist es deshalb erlaubt, den, der das Zusammenleben stört, zu töten. Die Autorität, dies zu tun, ruht zuerst allein in der Gemeinschaft, die sie dann auf ihr Haupt überträgt. Das heißt mit einem für die folgende Diskussion entscheidenden Stichwort: Das Recht, die Integrität des Gemeinwesens zu wahren, hat das Haupt nicht unmittelbar von Gott. Dem schließt sich als notwendige Konsequenz an: Auch wenn alle Vollmachten dem König gegeben wurden, so bleibt die letzte Gewalt stets habitu beim Volk132. In seinen Händen liegt es, den Regenten abzusetzen, wenn er seines Amtes nicht zur Erbauung, sondern zur Zerstörung des Gemeinwohls waltet, denn sonst wäre der Bestand der communitas nicht gesichert und der Willkür eines Herrschers ausgeliefert 133. Dass sich dieser Grundsatz auch auf einen anderen Bereich bezieht, deutet der Satz an, dass es nicht angemessen ist, jemand an der Spitze eines Gemein130

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Zur Pariser Lehrtätigkeit John Mairs s. R. García Villoslada, La Universidad de Paris 127–164. Zur Biographie: H.J. Burns, New Light on John Major; ders., Politia regalis et optima.; ders., The True Law of Kingship 39–53; ders., Conciliarism, Papalism and Power. F. Oakley, On the Road from Constance. A. Ganoczy, Jean Major. – Zu Almain: F. Oakley, Almain and Major; ders., Conciliarism in the Sixteenth Century; ders., The Conciliarist Tradition 111–140. Verwiesen sei ferner auf die Untersuchung von O. de la Brosse, Le pape et le concile. S. auch Th. M. Izbicki, Cajetan’s Attack. C. I, ed. cit. 977D–978A. Communitas confert principi autoritatem occidendi, quorum vita in perniciem reipublicae cedit; ergo illa autoritas est per prius in communitate, cum nemo alteri det, quod non habet … cum princeps a se autoritatem illam non habeat, nec eam habet immediate a Deo. Vgl. F. Merzbacher, Die Kirchen- und Staatsgewalt. AaO, ed. cit. 978C, Coroll. III. Tota communitas potestatem habet super principem ab ea constitutum, qua eum (si non in aedificationem, sed in destructionem politiae regat) deponere potest, alias non esset in ea sufficiens potestas se conservandi … So auch John Mair: … totus populus est supra regem et in casu potest eum exauthorisare. Zitiert nach J.H. Burns, Politia regalis 38, Anm. 38.

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wesens zu haben, der in jeder Hinsicht mächtiger ist als dieses selbst, es sei denn, er wäre indeviabilis, wie es allein Christus beanspruchen darf 134. Die Spitze gegen den Papst ist offenkundig. Dass sich solche zunächst das corpus politicum betreffenden Prinzipien nicht einfach auf die Gläubigen, das corpus mysticum Christi, übertragen lassen, weiß freilich auch Almain, denn beide haben einen unterschiedlichen Ursprung, der auf der Differenz zwischen Natur und Übernatur mit ihren jeweils anderen Zielen beruht, aber sie weisen dennoch auf bestimmte Gemeinsamkeiten hin, die es ermöglichen, Parallelen zu ziehen, die bereits in Umrissen und Absichten erkennbar geworden sind 135. Almains römischer Widersacher wird darum seine Kritik zuerst an diesem Punkt ansetzen. Cajetan hat den Tractatus wohl im Sommer 1512 erhalten und seine Apologia bis zum Herbst abgefasst und am 26. November beendet. Aus unbekannten Gründen erschien sie erst am 10. Oktober 1514 in Venedig. Almain hat auf sie nicht mehr antworten können, weil er 1515 gestorben ist. Auf die Invektiven des Pariser Theologen, der Autor sei Fälscher, Schmeichler, Lästerer, möchte Cajetan nicht weiter eingehen, da es ihm, wie er beteuert, allein um die Sache zu tun sei. Die Argumente sollen für sich sprechen. Im Mittelpunkt stehen darum die Gründe, auf denen das ganze Gewicht des Angriffs auf seine eigene Positionen beruht. Gemeint ist das göttliche und natürliche Recht, auf das sich die Lehre derer stützt, die die kirchliche Gemeinschaft über den Papst erheben und ihn zu ihrem Untergebenen machen wollen136. Den Schluss vom politischen Gemeinwesen, das sich seinen Regenten selbst gegeben hat und nötigenfalls durch einen anderen ersetzen kann, auf die Kirche, hält Cajetan für irrig, da sich deren Verfassung aus einem anderen Prinzip herleitet, dem zufolge sie ein von ihrem Stifter eingesetztes Haupt hat, das darum einer freien Verfügung seitens der Untergebenen entzogen ist. Da ihr Herr Jesus Christus stets ein und derselbe ist, hat allein er das Recht, während seiner Abwesenheit für seinen Nachfolger zu sorgen. Die als Dienerin geborene Kirche verfügt aus sich über kein Herrschaftsrecht137. Der Grundsatz, die Natur zerstöre nicht die

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AaO, ed. cit. 979A. AaO, c. II, ed. cit. 979B und bes. Coroll. II, 980BD. Prologus, ed. cit., nr. 448, 202f … duo sola sunt fundamenta, alterum iuris naturalis, alterum iuris divini: in quibus universa moles doctrinae extollentis communitatem Ecclesiae supra Papam in potestate, sic quod Papa sit illi subditus, sustinetur; quae si evulsa fuerint, ruent omnia. C. I, nr 451, 205. Natura igitur ecclesiastici regiminis ab ipsa sua nativitate est, non ut in communitate sit, nec ut a communitate sit, nec ut a communitate ad unum, vel plures derivetur, quemadmodum accidit in regimine civili humano, sed ut in uno certo principe

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durch die Gnade begründete Ordnung, ist folglich hier nicht anwendbar, da die Kirche kraft der ihr eigenen Natur anders verfasst ist, so dass die Gewalt nicht in ihr, sondern in ihrem natürlichen Herrn ruht. Dass sich beide Regierungsformen wesentlich unterscheiden, lässt sich mittels einer einfachen Überlegung illustrieren: Während sich eine politische Gemeinschaft selbst regieren oder auch ein Triumvirat einsetzen könnte, ist dies in der Kirche undenkbar, denn dann wäre es möglich, die Jurisdiktion des Papstes mehreren Inhabern zu übertragen oder ein ihm übergeordnetes Amt zu schaffen138. Mit diesen Argumenten möchte Cajetan einer von Almain zunächst nur angedeuteten Parallelisierung wehren, auch wenn die zentralen Thesen des Tractatus noch nicht zur Sprache gekommen sind. Das geschieht anlässlich der Frage, ob und wie die höchste Gewalt dem Petrus und der Kirche verliehen wurde und wie sich diese zueinander verhalten. Almain bestreitet nicht, dass der Kirche – anders als der politia – ein Haupt unmittelbar eingestiftet wurde, wie Mt 16ff zeigt, aber ebenso direkt hat sie selbst nach Mt 18, 15ff ihre Gewalt von Christus, wobei Kirche gleichzusetzen ist mit der Versammlung der Gläubigen und mit einem Konzil, das sie in Gestalt der Bischöfe, der höheren und niederen Geistlichkeit repräsentiert 139. Das dic Ecclesiae (Mt 18, 17) liefert dafür das biblische Schlüsselwort, in dem die der Kirche eigene Vollmacht ihre Begründung erhält. Diese zweifache Unmittelbarkeit liegt dem nachfolgenden Vergleich der beiden Inhaber der Gewalt zugrunde. Dass sie nicht einfach unverbunden und gleichrangig nebeneinander gegeben sein können, lässt sich in einem ersten Schritt an zwei Beispielen erläutern. Das erste bietet das Apostelkonzil. Obschon Petrus bei der Versammlung anwesend war, hat er keine Entscheidung getroffen, sondern sie dem Kollegium überlassen, woraus hervorgeht, dass die Kirche selbständig verordnen und festlegen kann140. Zu bedenken ist ferner: Dass die Kirche Ablässe gewährt, be-

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suapte natura sit. Nr. 452. Et cum princeps iste unus atque idem Dominus … secundum naturalis iuris consequentiam oportet ad ipsum principem, non ad communitatem Ecclesiae spectet in sua absentia ordinare de vicario, non communitatis Ecclesiae, quae utpote serva nata, principandi iure caret, sed ipsius principis naturalis domini communitatis Ecclesiae. AaO, nr. 456, 207. C. VI, ed. cit. 987AC. Prima propositio. Immediate a Christo collata est (potestas ecclesiastica) Petro primo summo pontifici … Secunda propositio. Christus hanc potestatem immediate contulit ecclesiae, capiendo ecclesiam pro collectione omnium fidelium sive pro collectione omnium praelatorum, majorum et minorum, qui succedunt apostolis et discipulis sive pro concilio generali ecclesiam repraesentante. AaO, ed. cit. 988A. Ubi non dicitur Petrum hoc imposuisse, quamvis esset praesens, sed totum apostolorum et seniorum concilium: ergo penes ecclesiam est potestas statuendi

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zeugt, dass sie in besonderer Weise „Schlüssel“ zum thesaurus Ecclesiae hat, der deshalb kein thesaurus papae sein kann141. Auch ist das Konzil autorisiert, Amtsenthebungen zu verfügen und die Exkommunikation auszusprechen, also Jurisdiktion auszuüben. Im Einklang mit Gerson heißt das: Im dic Ecclesiae ist die Vollmacht enthalten, Urteile zu fällen und Sünder zu bestrafen142. Solche Erwägungen geben die Richtung an, in der sich die weitere Argumentation bewegen wird, aber das eigentliche Problem, das der Überordnung oder Unterordnung der Gewalten, ist noch nicht hinreichend in den Blick gekommen. Den Vergleich, wie Almain ihn sich vorstellt, präzisiert er so: Auf der einen Seite stehen unterschiedslos Kirche und Konzil unter Ausschluss des Papstes, gleichgültig ob er an der Generalsynode teilnimmt oder ob er sich weigert, auf ihr zu erscheinen. Auf der anderen steht der Papst. Gegen Cajetan lautet die These: Kirche und Konzil stehen über dem Papst 143. Konstanz und Basel haben in dieser Sache endgültig entschieden. Da dies von seinem römischen Widersacher bestritten wird, sieht er sich genötigt, den Nachweis zu liefern, dass es sich hier nicht um eine fictio handelt. Als Gewährsmann dient das oft zitierte Wort Augustins, wonach die „Schlüssel“ dem Petrus in signo et figura ecclesiae verliehen wurden und nicht als Individuum144. Die daraus zu ziehenden Konsequenzen beziehen sich auf den Anfang des Tractatus. So wie Gott dem Menschengeschlecht und nicht einer einzelnen Person die natürliche Rechtsgewalt zur Weitergabe an einen Regenten gegeben hat, hat auch Christus die Vollmacht der Kirche übertragen, die sie, da sie sich nicht immer versammeln kann, einem Haupt mitteilen musste, das sie in ihrem Auftrag verwaltet 145. Zuweilen hat Gott allerdings anders gehandelt, indem er dem Recht der

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seu praecipiendi quae ad potestatem jurisdictionis spectant. Zur Interpretation des Dic ecclesiae durch Gerson s. De potestate ecclesiastica, cons. 4, ed. cit. 216. AaO, ed. cit. 988B. AaO, ed. cit. 988CD. C. VII, ed. cit. 989C … pono hanc propositionem contra Magistrum Thomam …: Ecclesia sive concilium generale est in hac potestate summo pontifice superior. AaO, ed. cit. 990CD. AaO, ed. cit. 991B. Et ita concedendum est, quemadmodum Deus condens humanum genus, indidit ei naturalem potestatem iurisdictionis ad finem naturalem et non alicui supposito regulariter (haec enim potestas communicata est particularibus suppositis a communitate, qui sunt velut communitatis ministri in exercitio illius jurisdictionis …) ita Christus regenerans ecclesiam ad finem supernaturalem, ei illam potestatem positivam ad illum finem communicavit, quam posset et etiam teneretur, cum non semper possit esse congregata, alicui supposito communicare, qui ut minister ecclesiae hanc potestatem exerceret.

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Gemeinschaft „zuvorgekommen ist“ und selbst einen Herrscher eingesetzt hat, wie das bei Moses der Fall war. Dasselbe hat auch Christus getan, als er dem Petrus die kirchliche Gewalt verliehen hat, damit er sie an Stelle der Kirche ausübe, die sie ihm hätte mitteilen können, da sie vor ihm gegründet wurde 146. Die Erstgegebenheit ist demnach die Kirche und nicht Petrus, dem Christus das Leitungsamt gleichsam im „Vorgriff“ übertragen hat, ohne die Priorität der kirchlichen Vollmacht zu tangieren, insofern es sich um eine Ausnahme handelte. Wie man sieht, verwendet Almain ein uns bekanntes Argument des Kardinals hier gegen ihn. Die Konsequenzen dieser Sicht der Dinge ergeben sich von selbst. Wäre der Papst im Besitz absoluter Autorität, die er zur Zerstörung missbrauchte und könnte dagegen die Kirche nicht einschreiten, wäre sie schlechter gestellt als ein politisches Gemeinwesen, das in der Lage ist, ein krankes Glied abzustoßen147. Und schließlich die Aussage, auf die es Almain hauptsächlich ankommt: Kirche oder Generalkonzil erfreuen sich einer größeren Rechtsgewalt, als sie der Papst hat148. Dass es sich tatsächlich so verhält, folgt, um einen vorhin geäußerten Gedanken aufzunehmen, aus dem Umstand, dass das Wort dic Ecclesiae die zeitliche Priorität der der Kirche verliehenen Rechtsgewalt bezeugt, da es, als es gesprochen wurde, noch keinen Papst gab149. Cajetan bemüht sich um eine sorgfältig distinguierende Antwort auf die gallikanische Deutung des für ihre Konzeption zentralen Schriftzitats. Wir beschränken uns auf einige Argumente, die er für entscheidend hält 150. Gäbe es zwei Träger der Gewalt, so wäre deren Verhältnis zueinander gestört, so dass eine Blockade die notwendige Folge sein müsste, da nach einem kanonistischen Prinzip „kein Gleicher Macht über einen Gleichen“ hat 151. Sieht man sich ferner den biblischen Text genauer an, zeigt sich, dass er nicht von einer Verleihung der Jurisdiktion spricht, sondern nur von einer der Ortskirche zu erstattenden Anzeige eines Sünders han-

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AaO, ed. cit. 991BC. Et sicut communitatem aliquando Deus praevenit communicans alicui supposito civilem potestatem (ut Moysi super populum Israel), ita et Christus ecclesiam praevenit communicando ecclesiasticam potestatem positivam Petro, ut vice ecclesiae eam exerceret, quam ecclesia ei potuisset communicare, cum prius esset a Christo instituta et ecclesiae collata. AaO, ed. cit. 991C … nec posset tamen a tota ecclesia puniri … Politia ecclesiastica non esset ita bene ordinata sicut politia civilis … AaO, ed. cit. 992A. AaO, ed. cit. 993BC … ecclesiastica potestas est prius tempore in ecclesia, quam fuerit in aliquo summo pontifice … Sed tunc nullus erat adhuc summus pontifex, nec fuit post usque ad resurrectionem. Zu weiteren Details s. O. de la Brosse, Le pape et le concile 225ff. Apologia, c. IV, nr. 477–483, 216–218.

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delt. Weigert sich dieser, auf seinen Richter zu hören, soll er von allen gemieden werden. Ein Zeichen, dass das Wort so gemeint ist, ist die Feststellung, dass auch Petrus anlässlich seines Bekenntnisses (Mt 16, 19) keine Gewalt übertragen wurde, da dies erst nach der Auferstehung Christi geschah (Jo 21, 17) 152. Von einer unmittelbar der Kirche verliehenen Jurisdiktion kann schon deshalb keine Rede sein, weil zu der Zeit, als der Herr das dic Ecclesiae sprach, das Weihesakrament noch nicht eingesetzt war. Es gab also noch keine Diakone, Priester oder Bischöfe und folglich auch kein Konzil 153. Auch Almain sucht auf seine Weise das Problem einer doppelten Unmittelbarkeit zu lösen. Wer ist jeweils und wann über- oder untergeordnet? Die dem Papst eigene Vollmacht bezieht sich lediglich auf diesen oder jenen Patriarchen, Primas oder Bischof, nicht aber auf die tota collectio, auf alle Gläubigen zusammen oder auf das sie repräsentierende Konzil. Der Einwand, es dürfe nicht zwei höchste Gewalten geben, ist in der Tat zutreffend, aber hier handelt es sich nicht um ein konkurrierendes Verhältnis, da sich die Rechtsgewalt der Kirche auf einen Akt erstreckt, der weiter reicht als die des Papstes, nämlich auf Wahl oder Absetzung des Oberhaupts154. So lässt sich auch beschreiben, in welchem Sinn der Papst im Besitz der Gewaltenfülle ist. Sie ist in ihm als Diener Gottes und der Kirche in Hinordnung auf einzelne Akte, nicht aber auf alle zusammen155. Und in welchem Sinn ist er Vikar Christi? Unmittelbar und ohne Zustimmung seitens der Untergebenen war nur Petrus Stellvertreter seines Herrn in Bezug auf geistliche Vollmacht. Auf andere Weise sind es die Päpste im Blick auf die Ausübung der von

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AaO, nr. 485, 219. Discurrendo quidem per singula: nam per illud verbum: „Dic ecclesiae“, nulla datur potestas, sed praecipitur denunciatio … Per illud demum: „Amen dico vobis …“ nullam etiam dari tunc potestatem ex eo patet, quod nec Petro ex eisdem verbis … ulla data est tunc potestas, sed post resurrectionem … AaO, nr. 498, 224. Tertio, quod non esset data a Christo immediate, Matth. XVIII, 18, quod tamen est totum fundamentum istorum. Et tenet sequela: quia tunc non erat institutum sacramentum ordinis, quod constat esse institutum simul cum Eucharistiae sacramento pridie quam Dominus pateretur … habeo intentum, quod nullibi in sacra Scriptura habetur quod Dominus per semetipsum immediate ecclesiae communitati potestatem iurisdictionis dedit. Tractatus, c.VIII, ad 4, ed. cit. 997AC … fit comparatio solum papae ad quodlibet aliud particulare suppositum, puta ad quemlibet alium patriarcham … non autem ad totam collectionem aut concilium eam immediate repraesentans, cujus est minister … quamvis in ecclesia potestas illa ad aliquem actum extendatur, ad quem non extenditur in papa, puta electionem et depositionem summi pontificis … AaO, ad 4, ed. cit. 997C. Et consequenter glossandi sunt omnes textus dicentes in summo pontifice esse plenitudinem potestatis, quod hoc est verum tanquam in ministro Dei et ecclesiae in ordine ad singula, non consequenter ad omnia.

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Christus eingesetzten und der Kirche übertragenen Vollmacht. Darin sind sie Königen vergleichbar, die als Diener Gottes von der dem Volk eigenen Gewalt mit dessen Zustimmung Gebrauch machen156. Cajetans Kritik beginnt mit einer Analyse der Begriffe, die erweisen soll, dass Almains These auf falschen Grundlagen ruht. Zwischen einer Vermittlung in der Einsetzung von Regierungsgewalt (principatus) und der Vermittlung in der Ausübung (principari) besteht ein himmelweiter Unterschied, wie an Beispielen illustriert wird. Christus hat direkt und ohne jede Vermittlung den Episkopat und Presbyterat begründet, während die niederen Weihen durch die Kirche (mediante Ecclesia) eingeführt wurden. Ähnlich verhält es sich mit der Ernennung eines päpstlichen Legaten, der seinerseits einen Vertreter (Vikar) bestimmt. Der Legat handelt dann unter dem Papst, aber ohne Vermittlung, während sein Vikar auf diese angewiesen ist und ohne sie zu keiner Entscheidung autorisiert ist. Daraus folgt: Wird jemand im strengen Sinn (absolute) Vikar eines Regenten genannt, so ist Vermittlung in der Amtsführung ausgeschlossen157. Die Anwendung auf den Papst ergibt sich von selbst. Da er absolut und uneingeschränkt nächster und unmittelbarer Vikar Christi ist, kann es keine mittlere Herrschafft (medius principatus) geben, die unter Christus und über dem Papst stünde. Hätte, wie Almain und seine Hintermänner meinen, die Gemeinschaft der ganzen Kirche jenen Prinzipat inne, dann könnte der Papst zwar Vikar Christi genannt werden, nicht aber

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AaO, ad 5, ed. cit. 997CD. Ad quintum dicitur quod potest intelligi multipliciter quod papa sit proximus immediatus vicarius Christi; uno modo, quod immediate sit a Christo sine quocumque actu humano seu sine consensu subditorum in se vel in gerentibus vices eorum; et sic certum est nullum fuisse immediatum Christi vicarium quoad potestatem spiritualem praeter Petrum. Alio modo, quod sit immediatus vicarius Christi quantum ad exercitium potestatis immediate a Christo institutae … et ecclesiae collatae: et sic concedendum est quemlibet summum pontificem esse immediatum vicarium Christi quemadmodum reges singuli … sunt ministri dei in vindictam malefactorum, non quod illam immediate a Deo susceperint primo modo, sed ex consensu populi, habent exercitium potestatis quam Deus indidit populo. Apologia, nr. 559, 244f. Respondeo: et glossa quidem repellitur ex differentia inter medium in instituendo principatum, et medium in principando: differunt enim haec sicut coelum et terra. Et esse immediatum vel mediatum vicarium non attenditur secundum institutionem solam, sed secundum ipsum principari. Nr. 560, 244f. Christus instituit absque medio potestatem episcopalem et sacerdotalem, instituit mediante Ecclesia potestatem ordinum minorum … Papa instituit legatum, qui committit vices suas alteri: legatus principatur sub Papa absque medio; vicarius autem legati cum medio in principando … Ex his autem liquet, quale medium negatur, cum absolute dicitur aliquis immediatus vicarius alterius principis, quod scilicet negatur medium in principando, ut patet inductive.

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sein schlechthin unmittelbarer Vikar, er wäre dann vielmehr unmittelbarer Vikar der Kirche und nur mittelbar Vikar Christi 158. Auch die Parallele zwischen einem politischen Gemeinwesen und der Kirche beruht auf irrigen Voraussetzungen. Königliche Gewalt ist zuerst im Volk, von dem sie auf den Regenten übertragen wird, während die des Papstes ihren Ursprung im göttlichen Recht und in der Person Christi hat, die er repräsentiert 159. Almains Vorwurf, Cajetan lehre, der Papst könne seinen eigenen Nachfolger ernennen, weist dieser in einer komplizierten Argumentation als unbegründet zurück, doch sieht er sich jetzt veranlasst, seiner These, das Wahlrecht liege regulariter und principaliter im Papst, die Einschränkung hinzuzufügen, es sei gleichwohl nicht formaliter im Oberhaupt. Um das zu erläutern, bedient er sich einer Unterscheidung aus der Engellehre. Engel sind himmlische Wesen, in denen die Formen und Vermögen niederer Wesen enthalten sind, die sie jedoch nicht formaliter haben, so dass sie auch nicht selbst fähig sind, sie zu aktualisieren. Und eben dies trifft auch für den Papst als Inhaber der Gewaltenfülle zu. Dies gilt in Bezug auf die Seinsweise und das ordentliche Recht, so dass das Recht zu wählen (potestas electiva) dem Vermögen nach (virtualiter) oder in besonderer Weise (eminenter) in ihm ist, aber eben nicht formaliter 160. In der Kirche ist es jedoch auf andere Art (differenter) und zweitrangig (secundario), so dass sie es nur im Einzelfall (in casu) hat. Dieser ist gegeben, wenn ein Papst gestorben ist und keine legitimen Wähler vorhanden sind. Dann kann sie nicht nur wählen, sondern auch die Wähler und den Wahlmodus bestimmen161.

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AaO, nr. 561, 245. Unde cum Papa absolute, et absque limitatione aliqua asseratur proximus et immediatus Christi vicarius, negatur medius principatus inter Christum et Papam inferior Christo et superior Papa, cuius vices gerit Papa. Si enim medius principatus talis est, ut isti concedunt ponentes Ecclesiae esse totius communitatem esse talem principatum, licet Papa posset dici vicarius Christi, non tamen potest vere dici simpliciter et absolute immediatus vicarius Christi, sed immediate vicarius Ecclesiae et mediate ipsius Christi. AaO, nr. 564, 246. Et ratio diversitatis in rege et Papa est, quia potestas regia naturali iure est, quia potestas regia est in populo primo, et ex populo derivatur ad regem; potestas autem papalis supra naturam est, et divino iure in persona unica, non in communitate primo est … C. XIII, nr. 736, 297. Stat igitur quod huiusmodi electiva potestas sit in Papa regulariter et principaliter, et non sit in eo formaliter, nec possit per seipsum huiusmodi potestatis actum exercere. AaO, nr. 737, 297. Sumantur ergo verba mea in hoc sensu, quod potestas electiva est in potestate Papae virtualiter, seu eminenter, et hoc quoad modum essendi; et quod (est) in potestate Papae regulariter, id est ordinario iure, ad differentiam Ecclesiae viduae, in qua est huiusmodi potestas in casu; et principaliter ad differentiam eiusdem Ecclesiae, in qua

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Aus der Geschichte ergibt sich eindeutig, dass die Papstwahl eine Angelegenheit der römischen Kirche ist, zu der die Kardinalbischöfe zu zählen sind, die gleichsam als Suffragane des römischen Erzbischofs fungieren. Solange es zweifelsfreie Mitglieder der römischen Kirche gibt, hat sie normalerweise die Bevollmächtigung zur Papstwahl. Dieses Vorrecht geht auf Christus selbst zurück, der Petrus in einer Vision untersagte, den papatus in eine andere Stadt zu verlegen. Das geschah negative, insofern das Gegenteil nicht verfügt wurde. Sollte es keine kanonisch sicheren Wähler geben, so geht diese Gewalt an die Gesamtkirche über162. Da die Kirche nicht ohne Papst und ohne Wahlvollmacht sein kann, ist die römische Kirche als Inhaberin des Wahlrechts zu erachten, das ihr der verstorbene Papst hinterlassen hat, wofern keine andere Verfügung existiert. So wurde Linus zum unmittelbaren Nachfolger Petri gewählt. Sollten einmal alle Kardinäle beim Tod eines Papstes gestorben sein, darf die römische Kirche das Oberhaupt wählen. Da aber ein Teil im Ganzen eingeschlossen ist und in der Gesamtkirche die römische Kirche ruht, hat auch ein Konzil in einem solchen Fall das Recht, den Papst zu wählen, wofern das im Frieden mit der Kirche Roms geschieht 163. Mit solchen detaillierten Überlegungen möchte Cajetan seinem gallikanischen Widersacher zeigen, dass auch das Papsttum mit seiner Gewaltenfülle in schwierigen Situationen funktionsfähig bleibt und seine auf das Oberhaupt zentrierte Verfassung zu sichern weiß. Neben der römischen Kirche und dem Kardinalskolle-

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est secundario, pro quanto in casu potest non solum eligere, sed facere electores et ordinare de modo electionis. AaO, nr. 741, 298f. Apparet autem absque omni ambiguitate, quod electio Papae ad Romanam ecclesiam spectat computando intra Romanam ecclesiam episcopos Cardinales qui velut suffraganei Romani archiepiscopi introducti videntur. Et propterea cessante omni humano statuto certisque exsistentibus ecclesiae Romanae membris, in eadem regulariter est potestas electiva Papae … Nr. 742, 299. Ex eo quod Christus Dominus Romanam ecclesiam elegit in Petri ecclesiam, dum ipsi ne ex Roma, sicut ex Antiochia, papatum transferret, inhibuit dicens: „Venio Romam iterum crucifigi“, ecclesiae Romanae potestatem electivam Papae non positive, sed negative, hoc est oppositum non ordinando, concessisse dicitur. In casu autem incertorum electorum, Ecclesiae universali eamdem potestatem eadem ratione, quia scil. est episcopus universalis Ecclesiae, et eodem modo, scil. negative, dedisse intelligitur. Nr. 743, 299. Ex statuto autem humano, apostolica auctoritate contractum per viam determinationis positivae est subiectum potestatis electivae ad Cardinales Romanae ecclesiae solos. AaO, nr. 745, 300 … defunctis autem omnibus Cardinalibus, Romana ecclesia … immediate succedit. Quia tamen pars clauditur in toto, et in Ecclesia universali clauditur ecclesia Romana, si Concilium generale cum pace Romanae ecclesiae eligeret in tali casu Papam, verus Papa esset ille qui electus sic esset.

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gium bedarf es keines Konzils, um den Bestand zu sichern, obwohl dieses unter den genannten Voraussetzungen durchaus akzeptiert wird. Mit Argumenten, die wir nicht zu wiederholen brauchen, lehnt Almain Cajetans Ansicht von der strikten Verbindlichkeit päpstlicher Lehrentscheide ab und beharrt darauf, dass sich nur Konzilien eines solchen Privilegs erfreuen164. Auch die Antwort des Dominikaners bewegt sich auf bekannten Bahnen. Dass Konzilsbeschlüsse Vorzüge haben, bestreitet er nicht. Generalsynoden haben zwar keine größere potestas intensiva als päpstliche Definitionen, so dass hierin kein Grund liegt, sie einzuberufen, doch bieten sie den Vätern Gelegenheit, die Probleme zu diskutieren und die Meinungen zu vergleichen. Schließlich sind dort allgemein anerkannte Richter präsent. Die potestas intensiva, die Fähigkeit, in Glaubensdingen recht zu entscheiden, hängt folglich nicht vom konziliaren Konsens ab, wohl aber erleichtert er die Annahme der Beschlüsse. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, betont Cajetan erneut, dass jene Vollmacht (potestas intensiva), die die Wahrheit garantiert, in der Person des Papstes genauso groß ist wie in ihm in Verbindung mit einem Konzil 165. Nicht mehr erwähnt zu werden braucht, dass ein infallibles Urteil allein dem Walten des Hl. Geistes im Papst zuzuschreiben ist, so dass es, sieht man nur auf menschliche Fähigkeiten, keinen Unterschied macht, ob einer oder viele dem Irrtum unterworfen sind. Vielmehr wird man sagen müssen: Wird die Universalität des Glaubens durch einen Einzelnen gewahrt, so bezeugt dies eher den Beistand des Hl. Geistes, als wenn sie durch ein Konzil gesichert würde. In dem einen sähe man dann bloßes Menschenwerk,

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Tractatus, c. X, ed. cit. 1001–1005. Apologia, c. XI, § 2, nr. 635, 269. Concilia enim non propter potestatem intensivam, sed extensivam et propter discussionem et collationem cum multitudine universali sapientum in fide, et propter indubitabiles et acceptatos ab omnibus iudices omni exceptione maiores, congregantur in materia fidei … Nam licet Papa solus tantae intensivae sit auctoritatis quantae ipse cum residuo, non tamen tantae extensivae, non tamen tantae sapientiae, non tamen tantae acceptationis indubitatae ab omnibus, ut patet de ipsis oppositum sentientibus, non tamen tantae solemnitatis, quae animos humanos communiter multum afficit, non demum tantae bonitatis et gratiae coram Deo, quae apud multitudinem hominum multum valet ad persuadendum quod a Spiritu Sancto regitur et errare non potest. Oportet enim quae totam Ecclesiam tangunt in singulis sic fieri, ut acceptabilia facillime omnibus sint: et ad hoc multum valent universalia Concilia a probis praecipue praelatis celebrata. – Soweit wir sehen, spielt Cajetan nur hier auf den alten Rechtssatz Quod omnes tangit an, ohne das approbare zur Bedingung zu machen. Dazu s. G. Post, A Romano-canonical maxim und Y.-M.J. Congar, Quod omnes tangit. A. Marongiu, Il principio della democrazia.

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im anderen aber das Wirken Gottes166. Dass der Spruch eines Papstes angemessener Vorbereitungen und Konsultationen bedarf, würde Cajetan gewiss nicht bestreiten, aber der Umstand, dass er sie nicht erwähnt, ist wiederum bemerkenswert. Die langen Diskussionen waren ihm zweifellos bekannt, aber offenbar wollte er sich auf eine Erörterung der normalen Mittel der Wahrheitsfindung auch hier nicht einlassen, um Einsprüchen gegen etwa nicht eingehaltene Bedingungen von vornherein aus dem Weg zu gehen. Cajetans Erwiderungen auf Almains Thesen über die Absetzbarkeit eines Papstes bei Häresie oder Amtsmissbrauch sollen, da kaum Neues geboten wird, nicht mehr eigens gewürdigt werden. Cajetans De comparatione bezeugt, dass ihr Autor noch vor Beginn der Kontroverse eine bemerkenswerte Detailkenntnis der in Paris diskutierten Thesen samt ihrer Vorgeschichte – etwa in den Schriften Gersons – gehabt haben muss, die er gewiss auch über die dortigen Dominikaner mit ihren leider noch weithin im Dunkeln liegenden gallikanischen Neigungen gewonnen haben wird. Der Umstand, dass sie wahrscheinlich am Druck von von De regia potestate et papali des Johannes von Paris beteiligt waren, hat ihn in seiner Eigenschaft als Generalmagister seines Ordens zweifellos schon seit längerer Zeit alarmiert und seine Aufmerksamkeit erregt. Dass er über Torquemadas Summa de Ecclesia mit den Konstanzer und Basler Diskussionen vertraut war, zeigt sein Opusculum. Die wichtigsten kanonistischen Kommentare boten ihm historische Beispiele in Fülle, von denen er sich meist entschieden distanzierte. Die Werke des Aquinaten kannte er ohnehin. Das ihm vorliegende Material hat er dank seiner spekulativen Kraft und meisterlich praktizierten Dialektik mit seiner kompromisslosen Theorie der plenitudo potestatis zu einer neuartigen Synthese verbunden, deren subtile Argumentationen sich mit einer Zusammenfassung konziliaristischer Thesen Pariser Färbung nicht leicht widerlegen ließen. Zwei ekklesiologische Konzeptionen standen unversöhnlicher denn je gegeneinander. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte sollte sich allerdings zeigen, dass die eine – die gallikanische – zwar keineswegs überwunden war, dass die andere aber, mit weiteren Verschärfungen versehen, die nachtridentinische Theologie zutiefst beeinflussen sollte. 166

AaO, nr. 642, 271. Cum enim non sit differentia apud Deum in uno et in multis salvare, et omnes in Concilio praesentes, secundum se et proprias vires considerati, possint errare, male determinando de fide ob ignorantiam vel per aliquem alium defectum, ac per hoc ad assistentiam Spiritus Sancti recurratur, magis attestatur assistentiae Spiritus Sancti et eius virtuti salus fidei per unum quam per totum Concilium: hoc enim humanae sapientiae opus esse videtur propter omnium patrum consensum, illud autem solius Dei opus est et apparet. Unitas quoque fidei unitatem quoque iudicis qui praeest toti Ecclesiae exposcit (S Th II–II 1, 10).

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Um welche Vorentscheidungen es zu Cajetans Zeit ging, lässt sich an einigen Thesen von Almains Lehrer John Mair veranschaulichen, auf die kurz eingegangen sei, um den Tractatus seines Schülers besser zu verstehen und dessen gallikanische Prägung präziser zu beschreiben167. Mair hat seine wichtigsten diesbezüglichen Gedanken im Kommentar zum 18. Kapitel des Matthäusevangeliums vorgetragen. Das Werk ist zwar erst 1518 im Druck erschienen, aber die darin enthaltenen Gedanken basieren auf seiner Lehrtätigkeit an der Pariser Universität, in deren Tradition er sich weiß und die er gegen alle Abweichungen verteidigt168. Er hat sie in verstreuter Gestalt auch in seinen früher erschienenen Sentenzenkommentaren publiziert. Dass sie eine nicht zu unterschätzende politische Fernwirkung hatten, haben die Arbeiten von J.H. Burns und Fr. Oakley dargelegt. Dass auch er das Konzil über den Papst stellt, weil es die Kirche repräsentiert, und dass die Generalsynode ihre Entscheidungen im Namen der Kirche fällt, braucht hier nicht gesagt zu werden; auch nicht, dass diese die Depositionsgewalt im Fall des Missbrauchs und der hartnäckigen Widersetzlichkeit hat169. Wichtig ist hingegen die Begründung: Unbestreitbar ist, dass die Würde des Papstes von Gott kommt, auch wenn die Applikation des papatus von Menschen ist. Dasselbe gilt nun auch für die Absetzung, die ihn als Mensch (super virum qui est papa) seines Amtes entkleidet 170. Dass die Kirche diese Autorität hat, ergibt sich aus folgender Überlegung: Ein Regent, der ohne Aussicht auf Sinneswandel seinem Land schweren Schaden zufügt, muss von dem Gemeinwesen, dem er vorsteht, deponiert werden. So ist auch mit einem Papst zu verfahren, der von einem Laster in ein anderes fällt. Wäre das nicht möglich, so lautet der uns von Almain bekannte Gedanke, wäre eine politia saecularis besser gestellt als die Kirche. Sollte man dagegen einwenden, dass es sich um jeweils verschiedene Ordnungen handele, so ist diese Differenzierung gewiss richtig, da beide nicht adaequate vergleichbar sind, aber der Ähnlichkeit nach sind sie identisch, da Gott die Autorität zur Deposition unter Berufung auf Mt 18, 17f der Kirche gegeben hat. Cajetans Lösung, das Gebet sei in solchen Fällen das allein angemessene Mittel, hält er schlicht für

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Literatur s. Anm. 123. Disputatio de authoritate concilii supra pontificem maximum, ed. Gersonii opera II 1131–1145. Anzumerken ist, dass das Werk während des V. Lateranense und nach der Verabschiedung der Bulle Pastor aeternus (1516) erschienen ist, aber keinen Bezug darauf nimmt. Zum Ganzen s. A. Ganoczy, Jean Major. Ed. cit. 1132AB und 1134AB und D. Ed. cit. 1135AB … dignitas papalis est a Deo et persona papae est a parentibus suis et causis universalibus, licet applicatio papatus sit ab hominibus: deponere papatum ab isto qui est papa, est eum papatu exuere et habere autoritatem super virum qui est papa. Die Kirche übt also Gewalt auch über den papatus aus.

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unvernünftig171. Auch mit anderen Thesen des Dominikaners geht er scharf ins Gericht. Konstanz und Basel sind den „größeren Konzilien“ gleichzusetzen. Dem Wortspiel concilium Basiliense peperit basiliscum begegnet er mit dem Satz, dass Cajetan bloß ein imitator beati Thomae sei, der nur deshalb das Ansehen des Basler Konzils zu untergraben suche, weil dieses die Unbefleckte Empfängnis Mariens gelehrt habe172. In weiteren Überlegungen präzisiert Mair das Verhältnis von Kirche und Papst und die zwischen Regent und politia bestehenden Beziehungen, um die Parallelen zwischen beiden Regierungsformen aufzuweisen. So steht der Papst „in der Regel“ (regulariter) über der Kirche, über dem ganzen Leib, aber der Möglichkeit (virtualiter) und dem dauernden Zustand nach (habitualiter) ist die Kirche über ihm, so dass sie, wenn sie sich auf einem diese repräsentierenden Konzil versammelt, den Vorrang hat und ihn gegenüber dem Papst ausüben kann173. Aber, so könnte man einwenden, ist nicht der Pontifikat göttlichen Rechts kraft seiner Einsetzung durch Christus, während der König seine Herrschaft vom Volk herleitet? Zu bedenken ist indes dies: Pontifikat wie Autorität wurden von Christus der Kirche übergeben, so dass die Gewalt nicht von der des Pontifikats abhängt, sondern unmittelbar von Gott stammt. In gewisser Weise kommt folglich die kirchliche mit der politischen Autorität überein, in anderer Hinsicht sind sie jedoch verschieden. Im Blick auf die Superiorität sind sie vergleichbar, insofern das Volk der Möglichkeit nach über seinem Regenten steht. So etwa in einem besonderen Fall (in casu), wenn z.B. schwierige Entscheidungen anstehen (in rebus arduis). Dann müssen die drei Stände einberufen werden, um den Herrscher zu lenken. Nicht anders ist es in der Kirche. Angesichts großer Probleme kann ein Generalkonzil dem Papst bindende Gesetze auferlegen, die sich auf seine Person, nicht aber auf die Würde seines Amtes beziehen. Hier liegt die Grenze zwischen Kirche und politia. Die Kirche kann ihre monarchische Verfassung nicht in eine Aristokratie oder Timokratie

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Ed. cit. 1135CD. Scio non esse idem adaequate; tamen quoad hanc similitudinem censeo idem esse, cum Dominus dederit potestatem ecclesiae immediate corrigendi fratres … In hoc ergo dicere quod oportet pro eo solum rogare Deum et quod non est aliud remedium est unum extraneum sine ratione. Ed. cit. 1137A. Alius dicit: Concilium Basileense peperit basiliscum; sed ille est imitator beati Thomae volens autoritatem concilii enervare, quod concluserat Divam Virginem non fuisse in originali conceptam. Cajetans Ansichten dazu bei U. Horst, Dogma und Theologie 86–106. Ed. cit. 1139C. Sic romanus pontifex est regulariter super totam ecclesiam pro aliqua parte, vel est super totum corpus, cui praeest, tanquam caput regulariter, sed habitualiter et virtualiter ecclesia est super ipsum, et si concilium esset collectum universalem ecclesiam repraesentans actualiter, habet superioritatem et eam exercere potest in papam.

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umwandeln, da dies der Stiftung Christi zuwiderliefe. Einem freien Volk ist ein solcher Wechsel der Regierungsform jedoch möglich, wenn gute Gründe vorliegen. Unter diesem Aspekt unterscheiden sich ecclesia und politia wesentlich174. Dass die Parisienses auf die Parallele zwischen Kirche und politischem Gemeinwesen besonderes Gewicht gelegt haben, hat Cajetan, wie erinnerlich, gleich zu Beginn seiner Apologia einer scharfen Kritik unterzogen, indem er die Andersartigkeit der beiden Ordnungen nachzuweisen sucht, die auf Grund ihres Ursprungs und ihres Ziels auch eine jeweils verschiedene Verfassung haben müssen, die so weitreichende Schlüsse von der einen auf die andere nicht erlaubt. Während John Mair das V. Laterankonzil mit keinem Wort erwähnt, hat Cajetan in einer großen Rede anlässlich der zweiten Sitzung in Gegenwart Julius’ II. die Synode gewürdigt, die dieses für seine ekklesiologische Konzeption besonders markante Ereignis ganz im Sinn seiner Lehre feiert, weil das Lateranense vom Papst nicht nur einberufen und eröffnet wurde, sondern auch durch dessen Präsenz einen eigenen Glanz erfahren hat und dadurch selbst seine großen Vorgänger überragt. Während andere, heißt es mit einem antikonziliaristischen Seitenhieb, meinen, alles sei bereits geregelt, wenn man bloß das Wort „Konzil“ vernehme, sei die jetzt tagende Kirchenversammlung legitimiert und entschlossen, die anstehenden Probleme der Reform und des derzeitigen Schismas zu lösen175. Mit diesen Sätzen zieht Cajetan gleichsam die Summe aus seinen beiden Opuscula.

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Ed. cit. 1139CD. Si contra dicat, in hoc solum est discrimen: Pontificatus est de iure divino et ex institutione Christi, et rex habet regnum a populo … Respondeo: Sed autoritas communicata est ecclesiae a Christo sicut summus pontificatus, et autoritas illa non dependet ab autoritate summi pontificatus, sed immediate a Deo, et sic aliquo modo convenit potestas ecclesiae cum potestate unius regni et aliquo modo differt, nam quoad superioritatem convenit ita quod sicut populus virtualiter est super regem et in casu, ut in rebus arduis, in quibus convocantur tres status regni, qui regem in casibus habent dirigere, sic in casibus arduis concilium universale rite congregatum habet leges obligatorias pontificibus imponere quoad eius personam et non quoad dignitatem ipsam. Hoc pro tanto dico, quod corpus ecclesiae non potest mutare politiam regalem ecclesiae in aristocratiam vel timocratiam, quia tunc contraveniret institutioni Christi, populus autem liber pro rationabili causa potest politiam mutare. – Erwähnenswert sind die Autoritäten, auf die sich John Mair beruft (aaO 1144BC): Jean Mauroux, Patriarch von Antiochien. Zum ihm s. H. Müller, Die Franzosen, Bd. II, 543–572. Der Traktat De superioritate inter concilium et papam M 29, 512–533. S. auch H.J. Sieben, Traktate und Theorien zum Konzil. Ein Überblick 39f. – Ferner nennt Mair: Pierre d’Ailly, Nikolaus v. Kues, Gerson et nostra Facultas a diebus concilii Constantiensis … Dieser Teil der Rede fehlt in der jüngsten Edition von Ch. Morerod, Le discours de Cajétan. Er ist ediert bei N.H. Minnich, Concepts of Reform at the Fifth Lateran Council 163–251, hier: 239–241. Zu Cajetans Rede s. auch G. Hennig, Cajetan und Luther 30–41.

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Schicksalhaft für den Verlauf der Reformation war Cajetans Begegnung mit Luthers Thesen in Ausgsburg, deren ekklesiologische Implikationen er hellsichtig erkannte. Die Disputation ist seit langem Gegenstand gründlicher Forschungen, so dass wir auf sie hier nicht einzugehen brauchen176.

8. De divina institutione pontificatus Romani Pontificis gegen Martin Luther Zehn Jahre nach seiner Kontroverse mit Jacques Almain und nach seiner Begegnung mit Luther und nach der Leipziger Disputation Luthers mit Eck 1519 veröffentlichte Cajetan 1521 eine Schrift, die sich abermals mit dem päpstlichen Primat, näherhin mit dessen Einsetzung und biblischer Begründung befasste177. Aufschluss über die mit seiner Abhandlung De divina institutione verfolgten Absichten gibt die Widmung an Leo X. Sie wendet sich gegen Leute, die Schwierigkeiten suchen, wo keine sind, und sich als unfähig erweisen, durch sich selbst offenbare Dinge von denen zu unterscheiden, die durch andere bekannt werden, also abgeleiteter Natur sind. Sie fordern, eine den Weisen einleuchtende Sache auch an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen (in vulgarem lucem) und erregen so bei denen, die dadurch geblendet werden, Anstoß. Sie verdunkeln die Klarheit des Evangeliums und stellen das, was gewiss ist, in Zweifel und stiften durch ihre Neuerungen Verwirrung in der Kirche. Die durch Luthers Thesen ausgelöste breite Bewegung steht ihm lebhaft vor Augen. Cajetan sieht es deshalb als seine Aufgabe an, die traditionellen Rechte des Primats zu schützen und die Wahrheit über dessen Einsetzung an den Tag zu bringen. Mit einer Bescheidenheitsfloskel heißt es, seine für Ungebildete verfertigte „Nachtarbeit“ (lucubratiuncula) möge die Leser davor bewahren, „von Finsternissen überschüttet zu werden“178. 176

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Dazu s. besonders O.H. Pesch, „Das heißt eine neue Kirche bauen“. S. neuerdings den Überblick bei Chr. Spehr, Luther und das Konzil 78–114. Ferner R. Bäumer, Luther und der Papst 27–32; ders., Luthers Ansichten über die Irrtumsfähigkeit des Konzils. Chr. Tecklenburg Johns, Luthers Konzilsidee. J.H. Hendrix, Luther and the Papacy 81–94. H.J. Sieben, Die katholische Konzilsidee 13–51. – Texte bei Ch. Morerod, Cajétan et Luther en 1518, bes. Bd. 1, 15–81. M. Brecht, Martin Luther 237–255. Ediert von F. Lauchert, De divina institutione pontificatus Romani Pontificis (1521). Auch hier vermerkt Cajetan sein Lebensalter: Rome Anno christianae salutis M.D.XXI. etatis vero proprie quinquagesimo secundo, die XVIII. Februarii (ed. cit. 100). – Zur Leipziger Disputation mit Johannes Eck s. M. Brecht, Martin Luther. Sein Weg zur Reformation … 295–311. R. Schwarz, Luther 66–72. K.-V. Selge, Die Leipziger Disputation. J. Wicks, Cajetan und die Anfänge 127–133. Th. Kaufmann, Geschichte der Reformation 233–249. Wichtige Texte mit Einleitungen in: Dokumente zur Causa Lutheri (1517–1521), 2. Tl., ed. cit. 241–315. Ad Leonem X. Pont. Max., ed. cit. 1.

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Wie die Anspielungen und Argumente im Text zeigen, ist die Schrift gegen Luther und seine antipäpstliche Propaganda gerichtet, aber auch gegen die hinter ihm stehenden Gewährsmänner, die Konziliaristen, denen Cajetan auch den Reformator zurechnet. Wer nun eine polemische Auseinandersetzung mit Luthers Resolutio, die sich gegen die 13. These von Ecks Disputatio et excusatio (1519) richtet und De divina institutione zugrundeliegt, erwartet hat, wird über die ruhige, allein um die Sache bemühte Gedankenführung und den zurückhaltenden Ton überrascht sein179. Der Kardinal möchte vielmehr Luther und seinesgleichen an Hand der hl. Schrift, von der, wie er sagt, „die ganze Wahrheit in dieser quaestio abhängt“, überzeugen. Er möchte sich also an das von seinem Gegner favorisierte sola scriptura halten. Die Überlegungen werden sorgfältig mittels einer scholastischen Exegese entwickelt, um den theologischen Gehalt der klassischen Petrusund Primatstexte (Mt 16, 17ff und Jo 21, 15ff) zu erheben. Um folgende Probleme geht es: Sind die erwähnten Worte nur an Petrus gerichtet? Hat Christus den Pontifikat allein Petrus anvertraut? Und falls dies zutrifft, gilt das zu Petrus Gesagte auch für seine Nachfolger? Und schließlich: Wurde der Pontifikat den römischen Bischöfen übertragen180? Luther zufolge hat Christus nicht über den Felsen, d.h. über die Vollmacht der römischen Kirche seine Kirche errichtet, sondern über dem von Petrus bekannten Glauben. Daraus folgert er: In jeder Kirche, in der ein fester Glaube ist, sind die „Schlüssel“181. Dass man sich für diese Ansicht auf Augustinus als Kronzeugen

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Luthers gegen Eck gerichtete 13. These lautet ed. Dokumente zur Causa Lutheri, 2. Tl., 257: Romanam Ecclesiam esse omnibus aliis superiorem, probatur ex frigidissimis Romanorum Pontificum decretis intra CCCC annos natis, contra quae sunt historiae approbatae MC annorum, textus scripturae divinae et decretum Niceni Concilii omnium sacratissimi. – Luthers Antwort von 1519: Resolutio Lutheriana super propositione sua decima tertia de potestate papae, ed. cit. 180–240. C. I, 2. C. III, 16f. Bezeichnende Luthertexte: Ed. cit. 189. Vides ergo adhuc nihil ad Petrum proprie pertinere, nisi quod commune organum est omnium Apostolorum … Relinquitur ergo, quod Christus responsum Petri acceptarit non pro solo Petro sed pro toto collegio apostolorum et discipulorum. Alioquin et alios quoque denuo interrogasset. Ex quibus ulterius sequitur, Quod, sicut Christus personam respondentis Petri pro omnibus acceptat, ita sequenter quoque non ad solum Petrum, sed ad omnes, quorum persona Petrus loquitur, dicat ‘Tu es Petrus …’. Und 190: Non ergo super petram, id est potestatem Rhomanae ecclesiae, sicut decreta quaedam exponunt, sed supra fidem a Petro sub totius ecclesiae persona confessam aedificata est … Und 191: Credo iam haec ferme fidem factura, hanc Matthaei autoritatem neque ad Petrum neque ad successorem neque ad unam aliquam ecclesiam, sed ad omnes ecclesias pertinere … At haec in qualibet ecclesia est, non autem in ullo uno singulari et in certo homine. – Was geschieht, wenn ein Papst

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beruft, wissen wir bereits aus den Auseinandersetzungen mit den Pariser Theologen und den Konziliaristen. Wie wird Cajetan das Argument entkräften? In der Behauptung, Petrus habe die „Schlüssel“ nicht in seiner Person empfangen, steckt die Leugnung eines historischen Faktums mit der Folge, dass die historia zu einer parabola wird. Wir hätten es dann mit einem Petrus parabolicus zu tun, hinter dem der Petrus historicus verschwindet 182. Eine wahre Exegese muss vielmehr zunächst vom Literalsinn des Textes ausgehen, um ihm dann den mystischen Sinn hinzuzufügen. Unter dieser Voraussetzung darf man durchaus sagen, dass Petrus die Person der Kirche symbolisiert und dass die „Schlüssel“ der Kirche gegeben wurden. Die beiden Interpretationsweisen stehen dann nicht gegeneinander, sondern sind gleichzeitig richtig183. Auch die Verheißung der „Schlüssel“ (Mt 16, 19) wurde Petrus als Individuum zuteil, wie die Tatsache zeigt, dass Christus ihn direkt anredet und dass sich die Worte auf ihn beziehen, so dass sie sich nicht auf Mitapostel übertragen lassen184. Schließlich hat er das Bekenntnis nicht nach Konsultationen mit anderen oder in deren Auftrag abgelegt, sondern kraft einer inneren so nur ihm gewährten Offenbarung185. Größere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob nicht auch den Aposteln dieselbe Gewalt wie Petrus verliehen wurde. Eine Reihe von Texten scheint diesen Schluss zu fordern. Zwei Aussagen beziehen sich indes allein auf Petrus „auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ und „dir werde ich die Schlüssel des Himmelreichs geben“. Eine wichtige Beobachtung ist hier jedoch zu machen, die Cajetan Orige-

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stirbt? Ed. cit. 192: Item quando papa moritur, cui relinquit claves? aufert eas secum? Si non aufert, cui relinquit nisi ecclesiae, a qua accepit? Quid igitur potest dici contra hanc evidentissimam experientiam, optimam evangelii interpretem, Claves nec Petro nec successori, sed soli ecclesiae datas, a qua tanquam minister accipit usurus eis sacerdos? AaO 19. Affirmare autem ecclesiam sic accepisse claves, quod persona Petri non acceperit, error est plusquam haereticus; quoniam evangelica per hoc negatur historia, et historia in parabolam vertitur … Declaro singula: si enim Petro non in persona propria, sed solummodo in persona significate per eum ecclesie promisse sunt claves … parabolicus Petrus inducitur, et non narratur historia, sed parabola … AaO 23. C. IV, 27. Nam ex his Domini verbis (Mt 16, 17) constat Petro revelationem factam esse a celesti Patre, ita quod hoc negare esset contrarium fidei, sed non propterea hinc constat aliis apostolis huiusmodi revelationem esse factam; scriptura enim hoc non tradit, et propterea eadem facilitate contemnitur qua affirmatur … Constat igitur hinc, quod ad Petrum verba diriguntur, et non constat, quod ad alios extenduntur. Luther, Resolutio 188f. AaO 29. Hec enim omnia manifeste testantur Petri confessionem non ex apostolorum commissione, sed ex interiori ipsi Petro facta revelatione processisse.

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nes verdankt, der vermerkt, dass Petrus auf Erden die Vollmacht hat zu binden und zu lösen mit der entsprechenden Wirkung „in den Himmeln“ (in coelis). Der hier gebrauchte Plural ist nämlich kein Zufall, sondern muss mit Mt 18, 18 in Verbindung gebracht werden, wo von einem Binden und Lösen nur in coelo, also im Singular, geredet wird. Es handelt sich demnach um eine jeweils andere Vollkommenheit 186. Was soll mit dieser Differenzierung ausgedrückt werden? Petrus sind vier Verheißungen zuteil geworden: Er wird Fundament der Kirche sein, und er wird die „Schlüssel“ haben, um zu lösen und zu binden, wobei die „Schlüssel“ die Vollgewalt bezeichnen, die durch die Akte des Bindens und Lösens expliziert wird. Um den ganzen Sinn des Textes zu erschließen, ist zu bedenken, dass es zwei Arten von Akten der Schlüsselgewalt gibt: solche, die ihr angemessen sind, ihrem Wesen entsprechen, und solche geringerer Natur. Man könnte auch sagen: die einen sind alles umfassend (totales), die anderen lediglich partiellen Charakters. Zur ersten Gruppe gehören „öffnen“ und „schließen“, zur zweiten „lösen“ und „binden“ 187. Und weiter: In der Verheißung der Schlüsselgewalt ist das Ganze enthalten, während die Binde- und Lösegewalt nur Teilakte sind. Der Bezug dieser Distinktionen auf Petrus ergibt sich von selbst: Ihm allein wurden die Schlüssel des Himmelreichs in dem Sinn zugesagt, dass nur er besitzt, was zum Öffnen und Schließen nötig ist und zwar nicht nur in Hinsicht auf dieses oder jenes, sondern im Blick auf die über ihm erbaute Kirche188. Nach dem Zeugnis des Evangeliums wurden demnach ausschließlich Petrus zwei Privilegien gewährt: Er sollte Fundament der Kirche sein und die Schlüssel des Himmelreichs haben189.

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C.V, 32 … apostolis autem communiter dicitur, quod erunt ligata aut soluta ‘in coelo’, in numero singulari. Et rationem subdit (Origenes): „Quia non sunt tante perfectionis sicut Petrus“. Das Zitat ist der Catena aurea des Aquinaten entnommen, ed. cit. 274a (zu Mt. 18, 18). Luther, Resolutio 191. AaO 33. Quod ut plenius intelligas, scito duplicis generis inveniri actus clavium; quidam enim sunt actus adequati ipsis clavibus, quidam vero minores ipsis. Illi sunt velut actus totales, isti actus partiales. Adequati autem clavibus actus sunt aperire et claudere, partiales autem sunt ligare et solvere. AaO 34. Et propterea ex hoc quod soli Petro promisse sunt claves regni celorum, fateri oportet soli Petro promissam esse potestatem aperiendi et claudendi regnum celorum; non quod solus aperire et claudere possit celorum regnum (… quicunque solvit aliquem, aperit illi regnum celorum), sed quia solus potest quidquid pertinet ad aperiendum et claudendem regnum celorum, non istis vel illis, sed ecclesie edificate super eum a Christo. AaO 35. Eo ipso igitur, quod promisit soli Petro claves regni celorum, promisit soli Petro adequatos actus clavium … Ex evangelico textu due evidenter restant soli Petro promissiones: hoc est fore fundamentum ecclesie … et dandas ei claves regni coelorum.

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Dass Cajetan mit der vorgetragenen Differenzierung der Schlüsselgewalt in verschiedene Akte der Über- und Unterordnung eine bestimmte Absicht verfolgte, bedarf nicht vieler Worte. Den Aposteln wurde seiner Interpretation gemäß nur eine Teilverheißung zuteil, während „schließen“ und „öffnen“ Petrus vorbehalten war, woraus sich diese Konklusion ergibt: Petrus macht von den „Schlüsseln“ als Haupt Gebrauch und von ihm werden sie auf die Kirche abgeleitet, für die er sie empfangen hat, so dass sie in den Bischöfen und Priestern wirksam werden können. Oder anders: Die Kirche gebraucht die „Schlüssel“ in ihrer Ganzheit allein in ihrem Haupt, in partieller Gestalt indes in den genannten Amtsträgern190. In der nach Ostern den Aposteln gemachten Zusage der Vollmacht zur Sündenvergebung (Jo 20, 23) wurden ihnen gewiss auch „Schlüssel“ übergeben, aber, wie Cajetan sogleich hinzufügt, nicht in ihrer Ganzheit, sondern als Schlüssel der Weihe- und Rechtsgewalt im Sakrament der Buße, die nicht mit den „Schlüsseln“ der Kirche gleichzusetzen sind, über die ausschließlich Petrus verfügt191. Der entscheidende Unterschied zwischen ihm und den Aposteln besteht nicht zuletzt in der Weise, wie sie die „Schlüssel“ haben, denn Petrus hat sie als Haupt aller und Hirt der Apostel 192. Als erwiesen hat somit zu gelten, dass sowohl Petrus „Schlüssel“ empfangen hat als auch die Kirche, aber wie sich beide Aussagen zueinander verhalten, bedarf der Erläuterung. Um das zu klären, hat man zu bedenken, dass sich die Kirche auf Petrus in zweifacher Hinsicht bezieht: Einmal als durch ihn bezeichnete Kirche und zum anderen als Kirche, die in ihm ihren Anfang genommen hat, so wie das Haupt Prinzip des Körpers ist. Zwischen diesen zwei Betrachtungsweisen besteht ein doppelter Unterschied. Der erste liegt darin, dass die Bezeichnung zum mystischen Sinn gehört, während der Beginn auf den Literalsinn verweist, insofern Petrus zum Hirten der ganzen Kirche eingesetzt wurde. Die zweite Differenz beruht darauf, dass die Bezeichnung keine Abhängigkeit der Sache von der Sache meint, sondern eine vom Bezeichnenden. Was dagegen den Beginn angeht, ist sehr

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AaO 37 … respondetur, quod claves dicuntur et ecclesie et Petri; solus enim Petrus claviger dicitur regni coelorum. Et Petri quidem sunt ut capitis utentis, et ut per quem ad ecclesiam derivantur; ecclesie autem sunt et ut finis (quia propter ecclesiam Petrus habet claves) et ut utentis in suis episcopis et sacerdotibus; ita tamen quod secundum earum totalitatem ecclesia utitur illis in suo capite, secundum autem partiales usus utitur in episcopis et aliis ministris. AaO 38 … quoniam proprie et formaliter loquendo claves Petro promisse superiores sunt et clavibus ordinis et clavibus iurisdictionis et propterea Dominus non per actus ordinis aut iurisdictionis eas exposuit, sed per ‘regnum coelorum’. AaO, 41. Aliud quippe est habere claves ut apostolos et aliud habere claves ut caput et pastorem etiam ipsorum apostolorum.

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wohl eine Abhängigkeit von der Sache gegeben, d.h. eine solche des Körpers vom Haupt 193. Aus diesem Grund hat die Kirche auf zweifache Weise die „Schlüssel“ in Petrus erhalten, weil sie diese als in Petrus bezeichnete Kirche empfing. Ebenso wurden ihr die „Schlüssel“ übergeben, insofern sie ihren Anfang in Petrus genommen hat. In beiden Weisen des Empfangens muss man die Wahrheit dem Buchstaben gemäß nehmen: Petrus hat allein die „Schlüssel“ erhalten. Da nun die Bezeichnung nicht nach Art einer Parabel zu verstehen ist, denn nicht der Petrus parabolicus empfängt sie, sondern der historische Petrus, muss man sagen, dass Petrus allein im Besitz der „Schlüssel“ ist. Hätte sie nicht der Petrus der Geschichte, könnte er auch nicht im historischen Sinn die figura der Gesamtkirche sein194. Nur in dieser Interpretation erfährt der seit Augustinus immer wieder diskutierte Gedanke, Petrus sei figura ecclesiae einen wahren Sinn. Cajetans ausführliche Begründung zeigt, dass er selbst das Bedürfnis empfunden hat, die Argumentation von De comparatione zu ergänzen, um dem Augustinustext die die papale Konzeption gefährdende Spitze zu nehmen, die nun auch Luther sehr gelegen kam. Im Anschluss an frühere Distinktionen erörtert Cajetan sodann, wie die „Schlüssel“ weitergegeben werden. Das Haupt empfängt sie durch die Sukzession, die Glieder aber durch Teilhabe an ihr, wobei nochmals daran erinnert wird, dass sie der Papst in Gestalt der ihnen adäquaten Ganzheit der Akte hat, während die Oberhirten der Ortskirchen sie als Weihegewalt und als partielle Jurisdiktion haben195. 193

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AaO 45. Prima (differentia) est, quod significatio pertinet ad sensum misticum, quo Petrus significat ecclesiam, inchoatio autem pertinet ad sensum litteralem, quo institutus est Petrus pastor totius ecclesie. Secunda est, quod penes significationem non attenditur dependentia rei a re, sed dependentia significationis a significante, penes inchoationem autem attenditur dependentia rei a re, hoc est corporis a capite. Unde ecclesia dupliciter accepit claves in Petro, nam et accepit eas ut significata in Petro, et saccepit eas ut inchoata in Petro, et secundum utrumque accipiendi modum oportet presupponere hanc priorem veritatem ad litteram: solus Petrus accepit claves. Ad significationem vero spectando, quum significatio ista non sit per modum parabole, sed per modum rei geste … oportet fateri unum solum Petrum secundum historiam accepisse claves, ut ex re gesta significetur unam solam ecclesiam catholicam habere claves … Und S. 46: Intendit ergo Augustinus Petrum secundum rem gestam accepisse claves, inferre ecclesiam quoque per ipsum significatam accipere claves. AaO 45 Si enim solus Petrus secundum historiam non accepisset claves, nequaquam per modum rei geste figuram gereret unius ac solius ecclesie universalis. Dependet ergo catholice ecclesie significatio figurata in Petro ex veritate rei geste, quod solus Petrus acceperit claves, et non contrariatur illi. AaO 46.

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Jede Ortskirche ist Teil der Gesamtkirche, aber nur von der Gesamtkirche gilt, dass sie „über diesen Felsen gebaut ist“. In einem solchen Verbund von Kirchen hat Rom eine Sonderstellung, insofern der römische Bischof zugleich der Pontifex der universalen Kirche ist. Aus dieser Verbindung folgt, dass die Worte Christi an Petrus eher der römischen Kirche als irgendeiner anderen zu appropriieren sind. Petrus als Fundament wurde die Fülle der Gewalt verliehen – dieser Begriff taucht hier erstmals auf –, die im Regierungs- und Richteramt ausgeübt wird und sich auch auf das Purgatorium erstreckt 196. Ging es bisher um die Interpretation der an Petrus direkt gerichteten Verheißungen, so gilt es nunmehr, den Auftrag zur Kirchenleitung zu behandeln, wie er in dem zweiten ekklesiologisch fundamentalen Wort „weide meine Schafe“ (Jo 21, 15ff) überliefert ist. Zu keinem anderen Apostel – so Cajetan – wurde ein Satz von vergleichbarem Gewicht gesprochen. Zwar erging der Befehl an Petrus erst nach einem dreimaligen Bekenntnis der Liebe zu seinem Meister, aber das ihm übertragene Amt hängt nicht von ihr ab, denn nicht die Liebe soll „weiden“, sondern eine Person197. In dem Auftrag ist eingeschlossen, dass er zum ordentlichen Hirten der Apostel bestellt wurde und dass der Herr keinem anderen die Sorge für die ganze Kirche anvertraut hat 198. Das wiederum impliziert Autorität, die ein Vorsteheramt begründet. Das „weide meine Schafe“ ist deshalb der zentrale Text in Bezug auf den Primat, so dass man, wie Cajetan meint, ein anderes Schriftzeugnis gar nicht erst zu suchen brauche, um ihn zu rechtfertigen199. Probleme eigener Art macht in der apologetischen Literatur die konkrete Petrusnachfolge, der auch hier besondere Sorgfalt gewidmet wird. Zwei Fragen sind vor allem zu beantworten, die in der damaligen Situation vornehmlich gestellt wurden. Hat Petrus einen Nachfolger gehabt? Und: Ist dieser Nachfolger der römische Bischof ? Auch jetzt spielt das „weide meine Schafe“ eine zentrale Rolle in dem Beweis, dass der Auftrag über den unmittelbar angeredeten Petrus hinausgeht. Im Wesen einer ordentlichen und amtlichen Hirtensorge liegt es, dass ein einer Person erteilter Auftrag nicht mit deren Tod endet. Das heißt: Die Vollmacht, die er innehatte, musste auch an die Nachfolger übergehen 200. Dass dies in der Intention

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AaO 51f. C. VIII, 54–56. C. IX, 57. Petrus autem … constitutus est ut ordinarius pastor etiam ipsorum apostolorum … . Zu Luthers Auslegung der Stelle ed. cit. 194f. C. XI, 61f. C. XII, 70 … constat autem pastorem, utpote ordinarium officialem, non finiri morte illius, qui pastorale officium exercebat, sed per successionem oportere durare … Habemus ergo dupliciter ex ipsis evangelii verbis a Domino institutum esse quemlibet Petri successorem pastorem totius ecclesie in ipso beato Petro.

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des Herrn lag, bezeugen schließlich die Väter und Konzilien, wie sie Cajetan am Schluss seiner Schrift zitieren wird 201. Die große Schwierigkeit liegt allerdings weniger hier als in einem Problem, das seit dem Schisma der Griechen diskutiert wird und in der beginnenden Reformation noch schärfere Aktualität gewonnen hatte. Worauf beruht die Verbindung der Petrusnachfolge, hält man eine solche für erwiesen, mit dem für alle Zeiten geltenden Primatsanspruch der Stadt Rom? Während die Schrift die Notwendigkeit und die Existenz einer Sukzession des Erstapostels bezeugt, ist deren Bindung an einen bestimmten Ort in die unmittelbare nachapostolische Zeit zu verlegen, für die uns schriftliche Quellen fehlen. Unbestritten ist, dass Petrus seinen ersten Sitz in Antiochien hatte, der, wäre der Erstapostel dort geblieben, auch heute die Primatsrechte hätte. Wäre er von Rom fortgegangen und hätte er eine andere Stadt gewählt, um in ihr sein Amt auszuüben, wäre sie der neue und endgültige Mittelpunkt der Kirche geworden. Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Entscheidung für Rom nicht auf eine institutio evangelica, sondern auf spätere Fakten zurückgeht 202. Die Bindung des Primats an Rom wurde vielmehr durch den Tod Petri in Rom bekräftigt und erhielt ihre Verbindlichkeit durch die Autorität Christi 203. Cajetan hat allerdings wohl selbst empfunden, dass dieses Argument der Ergänzung durch ein literarisches Zeugnis bedarf, für das er sich auf eine durch Ambrosius überlieferte Legende beruft, wonach Petrus, als er Rom verlassen wollte, Christus erschienen sei und ihm gesagt habe, er werde selbst nach Rom gehen, um dort abermals gekreuzigt zu werden. Das Beispiel des Herrn habe den Apostel zur Rückkehr und zum Erleiden des Martyriums bewogen. Es war also nicht nur der „nackte Tod Petri“, sondern auch ein Befehl des Herrn, wodurch Rom zum endgültigen Sitz des Primats wurde204. Vor Petrus gab es dort keinen Episkopat, so dass er es war, der hier den Primat begründet hat. Daraus ergibt

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AaO 70f. C. XIII, 79. Ex his enim patet non ex evangelica institutione ortum habere, quod Romanus pontifex succedat Petro … sed subsequentibus factis disponendum hoc reliquit. Quocirca ex eo quod appropriatione firmata Romana ecclesia Petri pontificatui addicta est, inde ortum est, ut Romanus pontifex Petro succedat. AaO 79. Appropriationem autem firmatam dicimus, quia Petri morte firmata est, et quia Christi authoritate robur firmitatis obtinuit. Aufenthalt und Tod Petri in Rom sind für Cajetan noch kein Problem. Dazu s. R. Bäumer, Die Auseinandersetzungen über die römische Petrustradition. AaO 79f. Si ad ortum itaque atque initium successionis Romani pontificis Petro spectes, rationem succedendi invenies fuisse ecclesie Romane appropriationem ad pontificatum Petri, firmatam et Petri morte et Christi mandato. Die Legende ist von Ambrosius überliefert: Sermo contra Auxentium, PL 16, 1011.

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sich: Wenn jemand wahrer römischer Pontifex ist, ist er zugleich Pontifex der katholischen Kirche. Über die Weise, wie jemand das wird, ob durch Wahl oder einen sonstigen Akt, äußert sich Cajetan – anders als in De comparatione – hier nicht 205. Eine weitere klassische Frage lautet: Wie ist die Sonderstellung des Petrusnachfolgers mit der Möglichkeit einer Häresie zu vereinbaren? Cajetan beantwortet sie mit der bekannten Distinktion zwischen dem Amtsinhaber in seiner Beziehung zur Kirche und seiner Eigenschaft als Privatperson. Unter dem ersten Aspekt wurde ihm eine doppelte Verheißung zuteil: Einmal baut Christus auf ihm als dem Felsen die Kirche und zum anderen hat er den Auftrag, „seine Brüder zu stärken“. Mit diesen seine primatiale Rolle konstituierenden Worten Christi steht nicht in Widerspruch, dass er, urteilt er in nichtoffizieller Funktion, Häretiker werden kann. Das hat zur Konsequenz, dass er, einem Irrtum in Glaubensdingen verfallen, aufhört, Nachfolger Petri zu sein. Sein Amt hat dann vor dem Tribunal Gottes als erloschen zu gelten, wie immer es sich vor dem Forum der Kirche verhalten mag. Die Folgen sind freilich identisch. Kraft seines Abfalls vom Glauben unterliegt er – selbst gegen seinen Willen – dem Urteil der Kirche: Er hat sich selbst außerhalb der Sukzession Petri gestellt 206. Cajetan lässt unerwähnt, dass er mit dieser Ansicht seine in De comparatione so nachdrücklich verteidigte These aufgegeben hat, dass der Papst im Fall einer Häresie nicht ipso facto als abgesetzt zu erachten ist. Wichtiger als die Reaktion auf eine Häresie ist die Interpretation des Wesens der höchsten Lehrautorität. Sie wird so erläuter: Die dem Papst in seiner Beziehung zur Kirche zugesagte Festigkeit im Glauben bewirkt, dass er in einem offiziellen Urteil nicht irren kann. Unter dieser Voraussetzung urteilt er kraft seines primatialen Amtes und nicht als Privatperson, denn durch seine Definition wird die von Christus auf dem Felsen des apostolischen Stuhls errichtete Kirche auferbaut. Der letzte Grund für dieses Privileg ist die Unmöglichkeit eines Irrtums der ganzen

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AaO 80 … eo ipso quo aliquis verus est Romanus pontifex, verus est pontifex ecclesie catholice a Christo in beato Petro institutus. AaO, 83 … vel de ipsius persona in ordine ad ecclesiam catholicam, vel de ipsius persona secundum seipsam … Nec obstat persone Romani pontificis fidei secundum propriam personam, quod illa persona potest esse heretica; quoniam quamprimum desinit esse fidelis, desinit etiam esse Petri successor secundum rei veritatem, et apud Deum, apud cuius tribunal ‘qui non credit iam iudicatus est’ (Jo 3, 18), quicquid sit secundum forum ecclesiasticum. Ex quo tamen idem habetur; nam ex hoc ipso, quod ille homo, qui vocatur Petri successor, ex casu a fide iudicio etiam invitus subiicitur ecclesie, manifestatur ipsum non esse amplius Petri successorem secundum veritatem; nam si vere esset Petri successor, iudex esset totius ecclesie, et non esset illi subiectus invitus.

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Kirche. Da es dem Papst obliegt, ihr den rechten Glauben zu vermitteln, kann er nicht selbst fehlbar sein207. Um die These nicht misszuverstehen, sind Präzisierungen vonnöten. „Bauen“ und „bestärken“ sind Handlungen, die einander korrespondieren, denn beide beziehen sich auf das Wesen des Gebäudes. Da nun der Glaube eine übernatürliche Gabe ist, schreibt sich Christus selbst das Erbauen der Kirche auf dem apostolischen Stuhl zu, während es Sache des Petrusnachfolgers ist, die zwischen Vieldeutigkeiten schwankenden Gläubigen zu stärken. Der Papst hat also eine dienende Funktion, insofern er lediglich erklärt, was im durch Christus gegebenen Glauben enthalten ist 208. Über die dem Oberhaupt in solchen verbindlichen Entscheidungen gewährte Assistenz braucht sich niemand zu wundern, da sie selbst dem Hohenpriester Kaiphas, einem Feind Christi, kraft seines Pontifikats gewährt wurde (Jo 11, 51). Wäre er dieses Privilegs nicht gewürdigt worden, hätte der Evangelist Johannes dies nicht eigens erwähnt 209. Anzumerken ist auch hier, dass es Cajetan vermeidet, Bedingungen und Klauseln zu nennen, die ein Papst bei einem feierlichen Spruch zu beachten hat. Konsultationen von Theologen oder die Beteiligung von Kardinälen oder gar die Einberufung von Konzilien angesichts schwerer Probleme sind wiederum nicht vorgesehen. Die Absage an normale Mittel der Wahrheitsfindung wird den Weg für noch schärfer formulierte Theorien ebnen. Konziliaristischen Ideen oder den von uns vorgestellten gemäßigten Interpretationen werden nicht die geringsten Konzessionen gemacht. Dass ihm zeitgenössische Theologen der eigenen Schule in dieser rigorosen Konzeption nicht gefolgt sind, lässt sich an Beispielen illustrieren. Die ruhige, sachliche Auseinandersetzung mit Luthers Resolutio und traditionellen innerkirchlichen Gegnern mit ihren altbekannten Argumenten hat F. Lauchert, der Editor von De institutione, mit Recht hervorgehoben. Dass sie Cajetan vor allem an Hand der petrinischen Texte des Neuen Testaments führt, geht sicher auf das Augsburger Gespräch zurück. Er möchte jetzt auf der Basis der Schrift mit einer sorgfältigen Exegese, wie er sie als scholastischer Theologe praktiziert, über-

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AaO 83. Ex soliditate autem in fide persone Romani pontificis in ordine ad ecclesiam provenit, ut errare non possit sententialiter diffiniendo de fide christiana, quoniam in huiusmodi diffinitione construitur fides universalis ecclesie, et per eam edificatur ecclesia Christi ab ipso Christo super petram sedis apostolice. Impossibile autem esse constat universalem ecclesiam errare in fide. AaO, 84f. Sed quoniam fides donum Dei est, idcirco Christus sibi ipsi attribuit edificationem ecclesie super sedem apostolicam … firmare vero fideles fluctuantes in ambiguitatibus et questionibus, que circa fidem emergunt, quia ministeriale opus est Petri successoris, ideo dicitur Petro et successori: „Confirma fratres tuos“ (Lk 22, 32). AaO, 85.

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zeugen und nicht polemisieren. Zugleich verfolgt er die Absicht, etwa schwankende und beunruhigte Theologen der alten Kirche in der Treue zum Papsttum zu bestärken und ihnen Argumente in den in vollem Gang befindlichen Kontroversen zu bieten. Ihnen sollen Zweifel und Unsicherheiten in Bezug auf die Schriftgemäßheit der Primatslehre genommen werden, die nicht nur die Tradition, sondern auch die Worte Christi an Petrus bezeugen. Er sieht jedoch keinen Anlass, seine in De comparatione vorgetragenen Thesen zu korrigieren oder auch nur abzumildern, sie sollen nur besser begründet werden. Dem dient vor allem der Nachweis, dass die „Schlüssel“ der Person des Petrus übergeben wurden und nicht, wie Luther und seine Hintermänner meinen, in Gestalt der Kirche. Man darf allerdings nicht den Schluss von De divina institutione übersehen, in dem Cajetan scharfe, selbstsichere Worte gebraucht, wenn er schreibt, wer an den von ihm gebotenen Argumenten und Autoritäten zweifle, dass der römische Pontifex als Nachfolger Petri von Christus eingesetzt worden sei oder auch nur zögere, dies anzuerkennen, ist entweder ungebildet (rudis) oder unfähig (ineptus) oder sympathisiere mit Häretikern oder Schismatikern. Ferner heißt es, wer so denke, mache gemeinsame Sache mit solchen Leuten. Wahre katholische Christen würden im Geist der Väter und im Sinn der durch den apostolischen Stuhl approbierten Konzilien die hl. Schrift auslegen. Wer dem widerspreche, sei nicht mehr als gläubiger Christ zu betrachten 210. Solche Sätze verraten, wo Cajetan die Scheidelinie zwischen der auf dem Felsen Petri errichteten Kirche und dem reformatorischen Schriftprinzip zieht. Angemerkt soll indessen werden, dass Luthers Berufung auf die Schrift allein Cajetan nicht unbeeindruckt gelassen hat. Wie sonst sollte man erklären, dass er ab 1527 seine ganze Kraft der Exegese biblischer Bücher – auch unter Verwendung der biblischen Sprachen – gewidmet hat, die ihm ob seiner kritischen Auslegung vieler Texte bald den Vorwurf mangelnder Orthodoxie eintrug und den Verdacht der Inquisition erregte, so dass man sich schließlich veranlasst sah, die Purgierung und Korrektur seiner Werke – insbesondere der Schriftkommentare – einzuleiten211.

9. Zur Nachgeschichte im Dominikanerorden Neben den Fragen nach der primatialen Jurisdiktion hat, wie wir in allen drei Abhandlungen gesehen haben, das Problem der höchsten Lehrautorität einen besonderen Rang in Cajetans Ekklesiologie. Sie markiert, würdigt man sie auf 210 211

C. XIV, 99f. Dazu s. I.-M. Vosté, Thomas de Vio, die exegetischen Werke 5–7.U. Horst, Der Streit um die hl. Schrift. Cl. Arnold, Die römische Zensur der Werke Cajetans 59–170.

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dem Hintergrund der kanonistischen Diskussion und der komplexen Gestalt, die ihr Torquemada gegeben hat, einen Wendepunkt mit einer bemerkenswerten Nachgeschichte im 16. Jahrhundert. Cajetan ist der erste große Protagonist einer Konzeption, die die päpstliche Lehrautorität an keine Bedingungen und Klauseln bindet. Für die Tatsache, dass sie weithin als neu und wohl auch als unerhört empfunden wurde, haben wir ein wichtiges Indiz in dem Befund, dass sie selbst von Autoren seines Ordens nicht diskutiert, geschweige denn rezipiert wurde. So werden etwa die großen Repräsentanten der Dominikanerschule von Salamanca eigene Wege gehen, insofern sie infallible Urteile des Papstes an eine Reihe von Voraussetzungen und Klauseln knüpfen, die Cajetan mit Bedacht zu vermeiden sucht. Auf ein hierfür besonders bemerkenswertes Beispiel werden wir einzugehen haben. Wie neuartig Cajetans Primatsentwurf in seiner Zeit war und wie sehr noch ältere Argumente die Diskussion beherrschten, soll ein kurzer Blick auf italienische Dominikanertheologen zeigen, die sich in jenen Jahren zu unserem Gegenstand geäußert haben. In seinem noch unter Julius II. entstandenen, aber erst zu Beginn des Pontifikats Leos X. im Jahre 1512 veröffentlichten Werk De prima orbis sede geht es dem in Rom lehrenden katalanischen Dominikaner Cyprian Benet um die Rechtfertigung des päpstlichen Jurisdiktionsprimats, doch finden sich in ihm auch Texte zum obersten Lehramt, die uns an Diskussionen des Basler Konzils erinnern und wohl Torquemadas Summa de Ecclesia entnommen sind 212. Sache des Papstes ist es, einen auf einem Konzil entstandenen Dissens zu entscheiden. Dasselbe gilt für den Fall, dass „die ganze Welt“ gegen das Oberhaupt stünde. Ihm müsste man auch dann folgen 213. Sollte hingegen die Frage noch offen sein und auf einem Konzil zur Verhandlung anstehen, um einer Häresie zu begegnen, hat man – iudicio meo – „für gewöhnlich“ eher dem Urteil der Väter zuzustimmen als dem des römischen Pontifex, denn so lehrt die Glosse zum c. Anastasius: Geht es um den Glauben, ist der Papst gehalten, den Rat der Bischöfe zu suchen 214. Auch den anschließenden Gedanken kennen wir, wonach es gefährlich wäre, den Glaubensentscheid dem Ermessen eines Einzelnen zu überlassen, so dass der Papst nicht nur dem Konzil, sondern jedem, der es besser weiß, mehr glauben muss als sich

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De prima orbis sede. Zu Leben und Werk s. U. Horst, Zwischen Konziliarismus und Reformation 54–67. AaO 114. Unde si totus mundus sentiret contra papam videtur, quod sententiae papae standum esset. AaO 114 … tunc in tali casu regulariter magis standum fore puto iudicio patrum in concilio quam iudicio Romani pontificis, quod videtur emanari ex glossa c. Anastasius d. 19, quae ita habet: papa tenetur requirere consilium episcoporum, ubi de fide agitur.

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selbst. Das trifft erst recht auf das Konzil zu, auf dem sich so viele gelehrte Theologen versammelt haben215. Normalerweise (regulariter) wenigstens ist das so, denkbar ist allerdings, dass ein Einzelner – et maxime ipse papa – in einer bestimmten Sache besser unterrichtet ist als alle übrigen, wie das bei Maria nach dem Tod Christi der Fall war. In ihr lebte der Glaube der Kirche fort, während die Apostel von ihm abwichen. Wie die Verheißung Christi bewirkt, dass das in Petrus gelegte Fundament an jeden Papst übergeht, muss man auch bekennen, dass sich in seiner Person „manchmal“ Festigkeit des Glaubens und Unversehrtheit angesichts aufkommender Zweifel besser als auf einem Konzil erweisen, denn nirgendwo lesen wir, Christus habe für ein Konzil gebetet, dass dessen Glaube nicht wanke. Diese Petrus gemachte Zusage realisiert sich „zuweilen“ (quandoque) im Papst, aber, so heißt es abermals, „normalerweise“ (regulariter) habe man, falls die Sache noch nicht entschieden sei, einem konziliaren Entscheid den Vorzug zu geben216. Kriterien, die diese Differenzierung rechtfertigen, nennt Benet freilich nicht. Bekannte Thesen enthält auch der Tractatus de potestate papae, den der Dominikaner Alberto Pasquali 1511/12 verfasst hat 217. Er bindet ebenfalls ein Urteil des Papstes an Bedingungen und beruft sich dafür auf die von Hervaeus Natalis und Antonin von Florenz tradierte Formel, wonach sich das Oberhaupt des Rates der Kirche bedienen muss und den Beistand Gottes zu erflehen hat. Unterlässt er dies, ist die Kirche nicht gehalten, einem persönlichen Irrtum des Papstes zu folgen218. Bemerkenswert ist schließlich, dass Pasquali die uns seit Raphael de Pornassio ver-

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AaO … periculosum esset fidem nostram committere arbitrio unius hominis et non modo papa universali concilio, sed etiam unicuique, qui melius sentiret, deberet credere plusquam sibi et maxime quia in conciliis huiusmodi solent esse doctores et magistri … AaO 115. Unde pie credendum est, quod in papa fidei firmitas et integritas dubiis aliquibus etiam emergentibus in ipsa congregatione concilii ex speciali dei auxilio interdum maior persistat, pro qua congregatione sicut singulariter pro beato Petro, ut non deficeret in fide, nullibi Christum orasse legitur. Istud quidem si contigerit quandoque, regulariter vero congregationi canonice congregatae in definiendis et non iam definitis in materia quacumque fidem tangente standum fore censemus. Überliefert in Cod. Vat. 1151. Über Leben und Werke informiert P. Paschini, Il padre Alberto Pasquali. Ferner U. Horst, Zwischen Konziliarismus und Reformation 84–103. Dort auch die wichtigsten Texte. Fol 68v–69r … tamen papa consilio utens ecclesie et imploratum auxilium dei et totius reipublice christiane deo ordinante, qui dixit Petro ‘rogavi pro te, ut non deficiat fides tua’, non potest errare nec potest esse, ut universalis ecclesia tanquam verum recipiat aliquid falsum propter presentiam Christi … tamen si non fuerit usus consilio sive imploratione auxilii divini, utique peccabit et illum suum errorem personalem sequi non debemus.

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traute Ansicht von der absoluten Gerichtsimmunität des Papstes – selbst im Fall von Häresie – verteidigt. Dass sie allenthalben Verwunderung erregen wird, ist ihm allerdings bewusst 219. Auch Isidoro Isolani bezieht sich in seinem 1517 in Mailand erschienenen Werk De imperio militantis ecclesiae auf einen Text Torquemadas, dessen Namen er indes nicht nennt 220. Als Privatperson unterliegt der Papst der Möglichkeit eines Irrtums, nicht aber als universaler Hirt, wenn es um die Entscheidung von Glaubensdingen geht, denn dann erfreut er sich des Beistands Christi und der Gebete der Apostel Petrus und Paulus. Einem verbindlichen Spruch hat das „reife Urteil“ von Theologen und „besonders“ der Kardinäle vorauszugehen, wie es mit einem wörtlichen Zitat aus der Summa de Ecclesia Torquemadas heißt 221. An älteren Traditionen orientiert sich auch Silvester Prierias in seiner Summa Summarum, die zuerst 1514/15 in Bologna erschien und öfter nachgedruckt wurde 222. Nach ihm lässt sich die infallible Kirche unter mehreren Aspekten betrachten. Einmal ist sie virtualiter et formaliter simul die römische Kirche als Haupt aller Kirchen, die in sich die Autorität der Gesamtkirche einschließt. Virtualiter et repraesentative ist sie das Kardinalskollegium mit dem Papst. Wenn sich der Papst in offizieller Funktion der Hilfe und des Rates seiner Glieder, der Kardinäle, bedient, um die Wahrheit zu erforschen, ist er unfehlbar 223. In einer im Dialogus gegen Luther gebrauchten Formulierung heißt es, dass der Papst dann frei von Irrtum urteilt, wenn er das in seinen Kräften Stehende tut, eine Bedin-

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Dass der Papst im Fall von Häresie das sacramentum fidei behält und darum nicht schlechthin extra statum ecclesie ist, geht sehr wahrscheinlich auf eine Lektüre von Cajetans De comparatione zurück.Vgl. U. Horst, Zwischen Konziliarismus und Reformation 99–103 und Anm. 245. Zu Person und Werk s. U. Horst, Zwischen Konziliarismus und Reformation 103–115. L.A. Redigonda, La „Summa De donis Sancti Ioseph“, bes. 205–208. AaO, Tit. VII, q. 1, 165f … sed quae a romano pontifice, qui maturo et gravi virorum sapientum et maxime dominorum cardinalium primo concilio digesta et maturata sancitur et profertur … Vgl. Torquemada, SE, l. II, c. 112, ed. cit. fol 174v–175r. Zu Leben und Werken s. M. Tavuzzi, Prierias. Verzeichnis der Werke 133–135. Wir zitieren die Summa Summarum nach dem Druck Straßburg 1518. AaO, s.v. Ecclesia, nr. 3 u. 4, fol CXLra. Tertio dicitur virtualiter et formaliter simul: et est ecclesia romana quae est caput omnium ecclesiarum virtualiter continens auctoritatem totius ecclesiae. Quarto /fol CXLrb/ etiam virtualiter et repraesentative: et est collegium cardinalium cum suo capite, i. e. summo pontifice: sive papa ut papa vel caput ecclesiae utens scl. auxilio sive sonsilio membrorum suorum quantum potest ad indagandum veritatem. Non autem est papa ut singularis persona quae potest errare.

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gung, der man in den einschlägigen Diskussionen oft begegnen wird 224. Sollte ein Papst in Häresie fallen, deponiert er sich selbst. Dem Konzil obliegt dann lediglich, das Faktum zu erklären. Dass Prierias in Luther zunächst einen neuen Repräsentanten und mit Waffen von einst zu widerlegenden Konziliaristen sieht und somit seine Absichten verkennt, ist hier nicht zu behandeln225. Zum Abschluss unserer Übersicht sei kurz auf den spanischen Dominikaner Juan de Celaya eingegangen, der vor seiner Rückkehr nach Valencia viele Jahre Professor an der Pariser Artistenfakultät gewesen war und dort zwei berühmt gewordene Schüler hatte: Franz von Vitoria und Domingo de Soto. Grund genug, ihn hier zu erwähnen226. Der Meinung der Parisienses, nur die Gesamtkirche sei ohne Irrtum, hält er entgegen, dass dieses Privileg sehr wohl auf die römische Kirche zu beziehen ist, unter der er den Papst mit dem Kardinalskollegium und sämtlichen Gläubigen der Stadt Rom versteht. Nimmt man sie in diesem Sinn als congregatio kann sie nicht totaliter irren227. Unser Blick auf die dominikanischen Zeitgenossen Cajetans hat ein überraschendes Resultat ergeben. Alle hier gewürdigten Autoren liegen in den Antworten auf unsere Fragen auf einer älteren Argumentationslinie, wie wir sie von früher genannten Theologen, insbesondere von Torquemada und aus der kanonistischen Diskussion kennen. Ein nennenswerter Einfluss von Cajetan ließ sich bei keinem von ihnen feststellen, obwohl sie seine Opuscula zweifellos gekannt haben, denn ihr Verfasser war Generalmagister des Ordens und in römischen Kreisen hochgeschätzt. Der Umstand, dass ihm führende italienische Dominikaner wegen seiner als eigenwillig empfundenen Interpretation des Aquinaten mit Skepsis gegenüberstanden, wie M. Tavuzzi nachgewiesen hat, ist ein Indiz für Cajetans isolierte Position in den eigenen Reihen, erklärt aber nicht hinreichend die Tatsache, dass 224

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Vgl. Dokumente zur Causa Lutheri, 1. Tl., 54f … et similiter (non potest errare) nec ecclesia Romana, nec pontifex summus determinans ea ratione, qua pontifex, id est, ex officio suo pronuncians, et faciens quod in se est, ut intelligat veritatem. – Das facere quod est in se wird dann bei den Salmantiner Theologen in Sinn einer Bedingung gebraucht. – S. auch R. Bäumer, Silvester Prierias und seine Ansichten. – AaO, s.v. Papa, CCCLVIIvb, Dazu s. U. Horst, Zwischen Konziliarismus und Reformation 135–162. Zu seiner Pariser Lehrtätigkeit s. R.García Villoslada, La universidad 180–215, Verzeichnis der Werke 207–209. Ferner: U. Horst, Papst und Reform im 16. Jahrhundert. In tertium volumen sententiarum, d. 25, q. 5, arg. 3, Valencia 1526/1527, fol CXLIXv … dico, quod per ecclesiam Romanam intelligitur dominus papa cum coetu dominorum cardinalium et omnium fidelium catholicorum dioecesis Romanae. Et nego, quod talis congregatio totaliter possit errare in fide, quamvis aliqua membra potuerint errare et de facto erraverint. Impossibile est tamen, quod omnes simul errent in fide propter Christi promissionem.

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man seine markanten ekklesiologischen Thesen weder übernommen noch diskutiert hat. Man hat sie wohl schlicht wegen ihrer Neuheit ignoriert und traditionellen Ansichten den Vorzug gegeben228. In eine ganz andere Richtung weisen die Thesen Franz von Vitorias, der die Einflüsse seiner Pariser Lehrer – darunter John Mair – nicht verleugnet. Aus Erfahrung wusste er, dass eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern das große Desiderat der Stunde war und dass ein Konzil von vielen als das Mittel der Wahl angesehen wurde, um sie in die Wege zu leiten. Um sie voranzutreiben, war es freilich geboten, zuvor die Blockade zwischen den Lagern – Papalisten – Konziliaristen – aufzulösen und eine beiden Parteien annehmbare Synthese zu finden. Vitoria hat sie 1535 in Salamanca in seiner Relectio De potestate papae et concilii vorgetragen229. Aussicht auf Änderung der kirchlichen Situation, für die nicht zuletzt das Papsttum verantwortlich war, gab es nur, wenn es gelang, den Antagonismus zwischen Papalisten und Konziliaristen zu überwinden. Vitoria charakterisiert ihn so: Auf der einen Seite steht Thomas v. A. mit zahlreichen Gefolgsleuten aus Theologie und Kanonistik, die die Superiorität des Papstes verteidigen, auf der anderen befinden sich die Parisienses und viele Theologen und Kanonisten wie Panormitanus, der eigens genannt wird, die ebenso entschieden auf ihrer Position beharren. Beide Parteien können für ihre Ansichten magnos assertores vorweisen. Eine einfache Wahl zwischen ihnen wäre kein gangbarer Weg, um die von allen ersehnte Reform zu einem gemeinsamen Werk zu machen. Vitoria sucht daher einen die konträren Ansichten übergreifenden Standpunkt, dessen einzelne Etappen wir hier übergehen dürfen 230. Dass die Pfade zum Ausgleich schmal sind, zeigt bereits folgende These: Proklamiert ein Konzil, etwas sei de fide oder de iure divino, so kann der Papst in derselben Sache nicht mehr anders entscheiden, Änderungen und Dispensen, um die es vornehmlich in den Reformdiskussionen ging, sind ihm ebenfalls untersagt 231. In einer Erklärung der genannten Art kann das Konzil 228 229

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Dazu s. M. Tavuzzi, Prierias 92–97. Zur Pariser Studienzeit Vitorias s. R. García Villoslada, La universidad de Paris. U. Horst, Leben und Werke Francisco de Vitorias 20–33. J. Belda Plans, La Escuela de Salamanca 313–398. – Text der Relectio: Vorlesungen I 352– 435. Zum spanischen Hintergrund s. J. Goñi Gaztambide, El conciliarismo en España. Ed. cit., nr. 3, 374. Et quia quaelibet habet magnos assertores, non oportet in quaestione proposita procedere solum ex altera opinione, sed statuere, quid dicendum, quamcumque sententiam sequamur. Zur Ekklesiologie Vitorias s. U. Horst, Die Lehrautorität des Papstes und die Dominikanertheologen 35–75. J.F. Radrizzani Goñi, Papa y obispos. U. Horst, Ekklesiologie und Reform. Ed. cit., nr. 2, 372 … breviter sit secunda conclusio: Si concilium declarat aliquid esse de fide aut de iure divino, papa in hoc nihil potest aliter declarare aut immutare, maxime si tale

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nicht irren, denn die Entscheidung ist als Aussage der kirchlichen Sittenlehren zu werten. Dispensierte der Papst dennoch von ihnen – Vitoria denkt namentlich an die Ernennung unwürdiger Bischöfe –, sündigte er schwer. Dem Einwand, ein solches Dekret mit Nichtigkeitsklausel (decretum irritans) habe kein Vorbild in der Geschichte der alten Konzilien, begegnet er mit der Feststellung, im Altertum habe man die Päpste nicht unter Zwang setzen müssen, da sie selbst gewusst hätten, was gut und nötig war232. Angesichts der Missstände hat Vitoria offenbar kein Vertrauen in eine vom Papsttum ausgehende Reform, so dass er einen Schritt tut, den die Konziliaristen längst in ihrem Programm hatten. Sollten alle Versuche zur Erneuerung scheitern, darf man das äußerste Mittel anwenden. Hat man jenes decretum irritans auf einem Konzil erlassen, gegen das der Papst zum schweren Schaden der Kirche verstößt, dann können die Bischöfe ein Provinzialkonzil versammeln und die Hilfe der Fürsten einholen. In einer besonderen Notlage darf sogar ein Generalkonzil einberufen werden – und zwar selbst gegen den Willen des Papstes, um dessen Insolenz zu bekämpfen233. In dieser These beruht nach Vitoria „die ganze Schwierigkeit“, die Papalisten und Konziliaristen zu unversöhnlichen Gegnern macht und am Ursprung der „ganzen Disputation“ liegt. Um die für einen Dominikaner kühne These abzuschwächen, meint er, Silvester Prierias, Cajetan und Torquemada hätten ähnliche Thesen vertreten wie er234. Zu den Voraussetzungen und Bedingungen, denen ein päpstliches Urteil in Glaubensdingen unterliegt, hat sich Vitoria in einer Vorlesung schon zu Beginn seiner

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ius spectet ad fidem vel mores ecclesiae universalis. – Ed. cit., nr. 10, 394. Decima propositio: Si ex usu et experientia aut providentia intelligeretur, quod si dispensaretur in aliqua lege ecclesiastica, vergeret in perniciem aut grave damnum ecclesiae et religionis, consilium posset hoc declarare et determinare et etiam statuere, ut in tali lege nunquam dispensaretur. Und nr.11, 394. Undecima propositio: Videtur, quod in tali determinatione concilium errare non possit. Ed. cit., nr. 20, 424. Decima nona propositio: Papa non deberet aegre ferre, sed potius gaudere, quod fieret aliquod tale decretum. Ed. cit., nr. 23, 428. Vicesima secunda propositio: Facta tali declaratione et decreto concilii si papa contrarium mandaret, possent vel episcopi vel concilium provinciale per se resistere tali mandato vel etiam implorare principes, ut auctoritate eorum resisterent summo pontifici impediendo executionem mandatorum eius. Nr. 24, 432. Vicesima tertia propositio: Propter iniustas dispensationes vel alia mandata insolentia, quae in perniciem ecclesiae procedunt, posset convocari et congregari concilium generale contra voluntatem papae, ut ei resisteret obviaretque eius insolentiae. Ed. cit., nr. 23, 428. In ista conclusione erat tota difficultas et propter quam tota disputatio est orta. Die drei Gewährsleute werden genannt 430 und 432. Dass die zitierten Autoren dies freilich so nicht sagen, haben wir gesehen.

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akademischen Tätigkeit 1526/27 in Salamanca geäußert. Die Eigenart des zu entscheidenden Problems bestimmt die Anwendung der ihm angemessenen Vorgehensweisen. Zuweilen bedarf der Papst nur des Rats gelehrter Theologen; sollte jedoch die Sache schwierig sein und die Gelehrten keinen Konsens erreichen, muss er ein Konzil einberufen235. Aber auch auf der Synode darf er nicht einfach von seiner Rechtsgewalt Gebrauch machen, vielmehr hat er eine gründliche Diskussion zu veranlassen, ehe er, nach vorausgegangenem Gebet, sein Urteil fällt. Oder allgemeiner mit einer uns schon von Prierias bekannten Formel: Er muss das in seinen Kräften Stehende tun. Was geschieht, wenn er diese Bedingung nicht beachtet? Auch darauf hat Vitoria eine Antwort, die jede dogmatische Unsicherheit ausschließen soll: Da Gott alle Gläubigen dem Papst unterstellt und zum Gehorsam verpflichtet hat, wird er einen Irrtum nicht zulassen, so dass wir nach erfolgter Definition gewiss sein dürfen, dass er richtig entschieden hat 236. Sind, fragt Vitoria abschließend, die galli et germani Häretiker, weil sie den Papst dem Konzil unterordnen und ihn für irrtumsfähig halten? Vitoria verneint das, wofern sie dem Papst nicht den Gehorsam entziehen. Er meint, nach dem V. Laterankonzil sei es „sehr gefährlich“, konziliaristische Gedanken zu vertreten, aber der papale Standpunkt sei nicht de fide. Er fährt dann fort, es sei „besser“ zu sagen, die Autorität eines Konzils sei unmittelbar von Gott und nicht vom Papst, solange man ihn als Hirten aller anerkenne. Daraus ergibt sich: Man muss der Mehrheit der Väter auf einem Konzil folgen, denn sie sind nicht nur Ratgeber, sondern Richter237.

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Der Text wurde von C. Pozo ediert: Una teoría en el siglo, hier: 278–282. – Ed. cit. 279: Si autem res sit gravis et in qua sint difficultates grandes, in quibus viri boni et docti dubitant, nec satis patet ex scripturis, tunc opus est congregare concilium. Ed. cit. 279. Et adhuc in synodo non est imaginandum quod debeat procedere solum via iurisdictionis … sed oportet prius examinare dictas propositiones ex sacris litteris, item rationibus et disputationibus virorum doctorum, quo facto et oratione praemissa, procedere potest ad determinandum. Oportet igitut ut faciat quod in se est, non enim datur auxilium speciale nisi in necessitate et quando diligentia humana non sufficit nec potest sufficere. Sed tunc insurgit dubium, quia si oportet ut praemittat talem examinationen, ergo si non faciat, poterunt aliquando errare in determinando. Respondeo: profecto verum est, si non faciat, sed oportet dicere, postquam Deus subiecit omnes fideles summo pontifici et Ecclesiae et oportet nos obedire illis, quod sint aliquo pacto infallibiles; et sic dico quod Deus numquam permittet quod procedat ad determinationem antequam faciat quod in se est et sic numquam poterunt errare. Ed. cit. 281f. Respondeo quod non, modo non subtrahant obedientiam papae nec negent papae suam iurisdictionem … Sed concilium (Lateranense) non condemnavit hoc esse de fide vel oppositum haereticum … Sed hoc supposito, quaeritur an in concilio sit auctori-

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Vitoria hat die beiden Opuscula Cajetans gelesen und öfter zitiert, aber trotz seiner Absicht, eine grundsätzlich papal orientierte Ekklesiologie zu entwickeln und sich von seinen gallikanischen Lehrern zu distanzieren, hat er in Sachen Kirchenreform der Generalsynode eine Mitwirkung sichern wollen, die den Widerspruch des Generalmagisters erregen musste, auch wenn wir dessen Reaktionen nur vermuten können, da die Relectio erst später gedruckt wurde. Vitorias zunächst kaum beachtetes Bemühen, den Bischöfen wichtige Rechte einzuräumen, hat allerdings auf dem Trienter Konzil dank den Interventionen seiner spanischen Schüler späte Früchte getragen238. Halten wir fest: Trotz der herausragenden Stellung Cajetans im Orden, an der römischen Kurie und unter den Theologen seiner Zeit ist man seiner in den antigallikanischen Schriften entwickelten Primatskonzeption mit einem markanten Schwerpunkt in Fragen der päpstlichen Lehrautorität zunächst nicht und lange nur bedingt gefolgt und hat älteren, namentlich von Dominikanern vertretenen Positionen den Vorzug gegeben. Das änderte sich erst in der nachtridentinischen Ekklesiologe, die seine Thesen aufnahm und verschärfte.

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tas immediate a Deo vel a papa solum. Respondeo: credo quod melius est dicere quod a Deo immediate, licet papa semper maneat pastor et supra omnes … et sequenda est maior pars patrum, quia non solum sunt consiliarii, sed etiam iudices … Zu den verbreiteten Bedenken hinsichtlich der Legitimität des V. Lateranense s. N.H. Minnich, The Legitimacy 167–173. Auch Cajetan konzediert, dass nicht alle Verfügungen des Konzils durch den Konsens derer, an die sie gerichtet sind (Kardinalskollegium), approbiert sind: Peccatorum summula, c. LXXII (Excommunicatio), ed. cit. 295. Earum (excommunicationum) namque aliquae quamvis sint notae, non tamen sunt consensu utentium comprobatae. Und n. 3, 296: Aliae sunt notae sed quia novae, et nescio an sint receptae, ideo ambiguus sum: ut sunt illae quae in concilio ultimo sub Iulio secundo et Leone decimo continentur … Gemeint ist Sessio IX, COD 621, 16–24. Den Hinweis verdanke ich N.H. Minnich, The Legitimacy 169, Anm. 5. Dazu s. U. Horst, Die Dominikanerschule von Salamanca und das Konzil von Trient, bes. 102f. S. auch R. García Villoslada, La reforma española en Trento. J. López Martín, La imagen del obispo en el pensamiento teológico.

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Rückblick

Die Bettelorden als ortsunabhängige Personalverbände waren seit ihren Anfängen auf die Protektion des apostolischen Stuhls angewiesen, der sie seinerseits angesichts tiefgreifender Veränderungen der mittelalterlichen Gesellschaft gern in seine Dienste nahm. Ein Verhältnis wechselseitiger Verbundenheit war die Folge. Die von ihnen schließlich errungenen Positionen und die Allianz mit dem Papsttum sollten sich als dauerhaft erweisen. Dass sie so die großen Protagonisten der päpstlichen Gewaltenfülle wurden, hat hierin seinen Ursprung. Der wichtigste theologische Repräsentant dieser Sicht der Dinge im 13. Jahrhundert ist Thomas v. Aquin, der seine Konzeption des Lehr- und Rechtsprimats des Papstes in einer Reihe dichter Texte formuliert hat, die Wegmarken künftiger Diskussionen wurden. Man denke nur an die Summa contra Gentiles (IV 76), die in präziser Gestalt die Argumente für eine im Papst zentrierte Verfassung der Kirche bietet, die man den Theorien der Konziliaristen und Gallikanern entgegenhalten wird. In dem klassischen Artikel der Summa Theologiae, „ob es Sache des Papstes ist, ein Glaubensbekenntnis aufzustellen“ (II–II 1, 10), verbinden sich Gedanken zur Rolle der altkirchlichen Konzilien mit Thesen der Kanonisten zur Einberufung und Approbation von Generalsynoden durch den römischen Pontifex. Die hier vorgenommene Zusammenfassung der die höchste Lehrgewalt konstituierenden Elemente hat wie kein anderer Text die Schule inspiriert. Bemerkenswerterweise werden indes Voraussetzungen und Bedingungen, denen eine von allen inconcussa fide zu haltende Glaubensentscheidung des Papstes unterliegt, von Thomas nicht weiter erörtert. Spätere Diskussionen werden in einer neuen Situation an diesem Punkt anzusetzen haben. Auch das Verhältnis zwischen Papst und Konzil ist – wie bei den Zeitgenossen – noch kein wirkliches Problem. Mit einem Dissens rechnet man offenbar nicht. Dasselbe gilt für den später so lebhaft erörterten Häresiefall des Papstes, der – trotz der Existenz des c. Si papa – weder von Thomas noch von Bonaventura in Betracht gezogen wird. Künftigen Theologen blieb also ein weites Betätigungsfeld. Dominikanerautoren des 14.Jahrhunderts sind – abgesehen von Johannes Quidort – in Fragen der päpstlichen Jurisdiktion Thomas gefolgt, haben jedoch in Bezug auf die Lehrautorität des Papstes eine Reihe wichtiger Modifikationen und Ergänzungen angebracht. Von Hervaeus Natalis stammt die auch später oft gebrauchte Formulierung, dass das Oberhaupt, um frei von Irrtum definieren zu können, Rat und Beistand der Gesamtkirche zu suchen hat. Maßgebende Glaubensregel ist allein

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die ecclesia Romana, die den Papst, die Kardinäle und die Prälaten umfasst. Nun findet auch der c. Si papa Erwähnung, dem zufolge ein häretisch gewordener Papst „eher“ de facto als de iure als abgesetzt zu gelten hat, d.h. der Kirche steht selbst in diesem Grenzfall kein Urteil über den Papst zu, sondern nur eine deklaratorische Sentenz. Und ferner: Sollte ein Papst seine Gewaltenfülle missbrauchen, bleibt als letzter Ausweg die Einberufung eines Konzils durch die Kardinäle. Es künden sich also sonst noch nicht weiter reflektierte Vorsichtsmaßnahmen für Krisen und Situationen an, die auf normalen Wegen nicht zu beenden sind. Diese werden erst in der nächsten Phase der Problemgeschichte Themen folgenschwerer Diskussionen sein. Torquemada ist in gewisser Weise der vorläufige Höhepunkt dieser von Thomas v. Aquin ausgehenden ekklesiologischen Linie, der sich den bisher nur am Rande aufgetauchten Fragen in der Auseinandersetzung mit konziliaristischen Ideen, wie sie in Konstanz und namentlich in Basel formuliert worden waren, stellen musste. Schon seine Präsenz auf den beiden Konzilien und schließlich in Florenz sichert ihm Aufmerksamkeit. In Sachen der päpstlichen plenitudo potestatis argumentiert er mit dem aus einem intensiven Studium des Aquinaten übernommenen metaphysischen Prinzip, dass Gott in der Schöpfungs- und Heilsordnung von „oben“ nach „unten“ in hierarchisch abgestufter Folge handelt, so dass das Haupt der Kirche der Eckpunkt ist, von dem sich alle weiteren Rechte auf den Episkopat und von diesem auf das Priestertum ableiten. Die Voraussetzung der Konziliaristen, die Vollgewalt ruhe „eigentlicher und ursprünglicher“ in der Kirche, die sie stets in habitu habe und darum über sie – wenigstens in gewissen Fällen – verfügen könne, ist somit als irrig erwiesen. Das dieser Konzeption entgegenstehende und von den Konziliaristen für entscheidend gehaltene Argument, die Konstanzer und Basler Superioritätsdekrete, entkräftet Torquemada in radikaler ansetzender Weise, als es spätere Interpreten der Texte versucht haben. Er verzichtet darauf, Haec sancta (von Frequens spricht er kaum) als seinerzeit berechtigte Maßnahme zur Behebung eines anders nicht zu bewältigenden Notstands zu deuten. Auch muss man ihnen nicht einen definitiven dogmatischen Charakter absprechen, sie haben vielmehr auf Grund ihrer höchst dubiosen Entstehungsgeschichte und der fehlenden päpstlichen Approbation von vornherein keinen Anspruch auf Verbindlichkeit. Die in Basel getroffenen Entscheidungen einer Pseudomajorität erweisen sich überdies als Bruch mit der klassischen patristischen und scholastischen Ekklesiologie, der letztlich das Werk theologisch nicht qualifizierter Konzilsmitglieder war. Er nennt sie deshalb nicht magistri, sondern mit verächtlichem Unterton theologi novelli. An seiner Überzeugung, der Papst erfreue sich der plenitudo potestatis, hat Torquemada in seinem Werk nicht rütteln lassen. Die Forschung hat das stets richtig gesehen und ihn als den großen Repräsentanten einer papalen Ekklesiologie bezeichnet. Doch ist damit noch nicht alles gesagt, ja wesentliche Aspekte seiner Synthese

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blieben offen, ließe man es bei dieser Feststellung bewenden. Tatsächlich sind die mit dem höchsten Amt verbundenen Prärogative differenzierter zu würdigen. Beginnen wir mit einem Resümee des Problems der höchsten Lehrautorität. Dass der römische Pontifex in Glaubensurteilen kraft der Leitung durch den Hl. Geist nicht irrt, ist im Glauben zu halten. Eine entsprechende Zusage ist Petrus und nur ihm von Christus gemacht worden (Lk 22, 31f), aber dieses Privileg war strikt an die Person des Erstapostels gebunden und ist mit seinem Tod erloschen. Es lebt in dieser Weise nicht in den Päpsten fort. Zwischen dem biblischen Anfang und der nachapostolischen Zeit der römischen Bischöfe liegt eine Zäsur. Diese erfreuen sich jetzt nicht mehr der Vorrechte des Petrus, denn die ihnen gewährten Privilegien sind von anderer Art, insofern die römischen Bischöfe dem Erstapostel lediglich im „Sitz“ und im „Amt“ des Pontifikats nachfolgen. Die Irrtumslosigkeit erstreckt sich nunmehr auf die sedes und die cathedra, ist also kein strikt persönliches Privileg des Papstes. Dieses ist seinem „Sitz“ vorbehalten, der näherhin, gestützt auf die kanonistische Tradition, als die ecclesia Romana beschrieben wird. Diese umfasst das römische Volk und seinen Hirten sowie die Kardinäle. Die römische Kirche ist darum als eine Größe zu verstehen, die über den Pontifex hinausgeht. Mit der Lehrautorität verhält es sich folglich anders als mit der Rechtsgewalt. Der Grund für diese Einschränkung ist, dass Torquemada mit päpstlichen Irrtümern und Häresien rechnet und deshalb Entscheidungen definitiven Charakters an Bedingungen, Vorbehalte und Kriterien knüpfen muss. Rechtsakte hingegen sind ihrem Wesen nach revokabel und können deshalb jederzeit einer Revision unterzogen werden, ohne die höchste Autorität zu schmälern. Die ecclesia Romana, in der die Prärogative des Petrus fortlebt und aus deren Mitte der Papst in Glaubensdingen sein Urteil spricht, wird von Torquemada als ein Kollegium weiser Männer beschrieben, unter denen die Kardinäle eine herausragende Rolle spielen. Die vom Papst bei einer Definition einzuhaltenden Bedingungen sind mit großer Umsicht formuliert, die den geschulten Kanonisten verrät, um möglichst alle Maßnahmen zu treffen, die letzte Sicherheit geben und Willkür ausschließen sollen. Erst wenn sämtliche Elemente – Beistand des Hl. Geistes, Gebet, Studium, Beratung – zusammenkommen, ist die Gewähr für eine authentische Entscheidung vorhanden. Dass dem so konstituierten Gremium, den Kardinälen, eine Schlüsselfunktion zufällt, hat seinen Grund in deren göttlichem Ursprung, der sie zu einer pars corporis papae macht und sie mit dem Papst zu quasi una persona werden lässt. Eine Mitwirkung am regimen ecclesiae gehört darum zu ihrem Amt, wie sich namentlich in Konflikten und Grenzfällen zeigen wird. Das Oberhaupt kann angesichts solcher ihm auferlegter Einschränkungen – anders als im Rechtsbereich – nicht nach freiem Ermessen und erst recht nicht mit Willkür handeln. Seiner Gewaltenfülle sind vielmehr in einem zentralen Punkt deutliche Grenzen gezogen, deren Nichtbeachtung es mindestens dem Verdacht

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einer Häresie aussetzte. Über den die Erörterungen zur Autorität der Konzilien einleitenden Worten, es werde in der Kirche keine Probleme geben, die nur mit Hilfe eines Konzils zu bewältigen wären, und den nachfolgenden Überlegungen zu den weitreichenden Funktionen der Synoden liegt eine für Torquemadas Ekklesiologie typische Spannung, denn sogleich gibt er zu erkennen, dass seine Behauptung eher ein Wunsch ist, der historischen Tatsachen nicht entspricht. Wie wird sich die päpstliche Gewaltenfülle mit den unleugbaren Konflikten und Krisen der Papstgeschichte sowie mit den Schwierigkeiten einer zuweilen höchst komplizierten Wahrheitsfindung in Glaubenskontroversen vereinbaren lassen? Bereits das erste Problem zeigt, in welche Richtung sich seine Antworten bewegen werden. Ein römischer Bischof, der sich in einer nur durch Intervention eines Konzils zu bewältigenden Notsituation weigert, eine Synode einzuberufen, erweist sich als häresieverdächtig, so dass andere Autoritäten geeignete Schritte einleiten dürfen. Das gilt insbesondere für den Fall einer Irrlehre des Oberhaupts, dem die Kirche keineswegs hilflos ausgeliefert ist. Dann fällt den Kardinälen als integralem Teil der ecclesia Romana die Aufgabe zu, die Initiative zu ergreifen. Sollten sie sich dieser Pflicht versagen, treten Kaiser und Fürsten an ihre Stelle. Gelegentlich eines Schismas sind vergleichbare Maßnahmen mit einer breiten Skala von Möglichkeiten geboten. Torquemada rechnet demnach mit mehreren Instanzen, die in verwickelten religiösen und politischen Situationen angemessene Mittel zur Beilegung der Krise finden sollen. Die Sorge für den Fortbestand des Primats mit seiner plenitudo potestatis und das Wohl der Kirche ist folglich in viele Hände gegeben. Welche Wege stehen im Fall von gravierenden Lehrdifferenzen zwischen dem Papst und einem Konzil zu deren Lösung offen? Die Endgültigkeit dogmatischer Definitionen unterscheidet sie von revokablen Akten der Jurisdiktion und fordert deshalb besondere Umsicht und Vorkehrungen eigener Art, zumal Verbindlichkeit und Konsens zwei Seiten ein und derselben Sache sind. Wiederum betont Torquemada sein allgemeingültiges Prinzip, wonach die Vollmacht eines Konzils allein vom Papst abhängt und von ihm, der alles bewegt, ausgeht, während alle anderen lediglich an ihr, soweit er es will, partizipieren, konzediert aber, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist. In anderer Hinsicht haben Kirchenversammlungen ihr eigenes Gewicht und ihre eigene Autorität. Die auf ihnen anstehenden Fragen werden von vielen erfahrenen Theologen und Vätern erörtert, so dass in Glaubensdingen eine synodale Zusammenkunft „größer“ ist als der Papst. Die These wird unter Berufung auf kanonistische Gewährsleute in dem Sinn interpretiert, dass das Konzil ein umfassenderes unterscheidendes Urteil hat als das Oberhaupt. Dieses iudicium discretivum im Erkenntnisbereich ist „regelmäßiger“ (regularius) in der Versammlung der Väter anzunehmen „als in einem Menschen, auch wenn es der Papst ist“. Ja, für manche fast provozierend heißt es, es wäre gefährlich, unseren Glauben

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dem Ermessen eines Einzelnen zu überlassen, so dass man in einer Kontroverse mit ungewissem Ausgang auf eine Synode zu rekurrieren hat. So unerwartet und voller Konsequenzen solche Worte aus dem Mund eines klassischen Repräsentanten der plenitudo potestatis auch sind, so wenig darf man aus ihnen vorschnell auf eine Limitierung der päpstlichen Rechtsbefugnis schließen, weil sie sich allein auf die Erkenntnisordnung beziehen. Immerhin ist Torquemada auf eindringliche Weise bereit, in der Ausübung des Lehramts größte Umsicht in einer komplexen Materie walten zu lassen. Unter diesem Aspekt implizieren freilich die genannten Bedingungen deutliche Grenzen des Primats, die nicht ohne Folgen für die Praxis der Jurisdiktion sein können. Wo die Gründe für Torquemadas Zugeständnisse an die Konzilien, das Kardinalskollegium und an Kaiser und Fürsten liegen, ist nach der Lektüre der Summa de Ecclesia offenkundig. Neben der Vertrautheit mit kanonistischen Autoren, die in ihre Systematik die „harten Fälle“ der wechselhaften Papstgeschichte integrieren mussten, waren es die persönlichen zur Vorsicht gemahnenden Erfahrungen in Konstanz und Basel. Dass er selbst ein uns heute eher kurios anmutendes Beispiel in seinen Reflexionen berücksichtigte, mag das Beispiel der papissa Johanna zeigen, deren Existenz die Chroniken unbezweifelbar zu berichten schienen. Selbst dafür fand er eine Antwort, die den Primat und die Verfassung der Kirche auf Dauer nicht wirklich in Gefahr brachte. Dass er auch Risiken in seiner Konzeption sah, mag man in seiner Weigerung erblicken, dem Verlangen nach die päpstliche Jurisdiktion einschränkenden Reformen zu entsprechen. Hier war Torquemada zu Kompromissen nicht bereit, worin ihn schlechte Erfahrungen mit Fürsten bestätigt haben. Als Cajetan sein Opusculum De comparatione verfasste, war das Papsttum bereits aus der durch das Basler Konzil verursachten Bedrängnis gestärkt hervorgegangen, aber der Primat des römischen Pontifex, wie er ihn zu konzipieren gedachte, war noch längst nicht allen Fehldeutungen und Gefährdungen entzogen. Sie drohten von zwei Seiten. Zum einen handelte es sich um eine aus kanonistischen Traditionen fortlebende Ekklesiologie, die den Primat zwar nicht mehr grundsätzlich in Frage stellte, aber ihn unter Wahrung der Rechte der Konzilien in einer Weise eingrenzte, die er für nicht akzeptabel hielt. Zum anderen duldeten gallikanische Ideen, die in der Einberufung des Pisaner Konzils Gestalt angenommen hatten, keinen Aufschub. Cajetan sah sich daher 1511 – wohl auch in höherem Auftrag – genötigt, in wenigen Monaten eine Gegenschrift zu entwerfen, die freilich eine längere Vertrautheit mit der Materie voraussetzt. Er hatte erkannt, dass diesem auf konziliaristischen Prinzipien in Verbindung mit politischen Theorien Pariser Provenienz (John Mair) beruhenden Angriff eine prägnante Widerlegung geschuldet war, die an die Stelle älterer Werke – etwa Torquemadas Summa de Ecclesia – treten sollte. Nicht eine Ekklesiologie war das Gebot der Stunde, sondern ein Traktat De auctoritate pontificis.

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Was den Leser erwartet, zeigen eingangs vorgetragene Erwägungen zur einzuschlagenden Methode, die bereits die Argumente anklingen lassen, deren sich Cajetan hauptsächlich zu bedienen gedenkt. Gewiss haben Kanonisten und Theologen in ekklesiologischen Fragen viele Gemeinsamkeiten, wobei jedoch der Theologie ein klarer Vorrang gebührt. Sie setzt die Maßstäbe und wendet ihre Kriterien an. Sie muss sich deshalb von der bisher führenden Rolle der Kanonistik emanzipieren, die weder die Probleme noch die Lösungen vorzugeben hat. Nach Cajetans Urteil haben Juristen aus Begriffen und Ereignissen einer wechselvollen Papstund Konziliengeschichte mit theologischen Implikationen Konsequenzen gezogen, die sich nicht oder nur um den Preis von inakzeptablen Konzessionen mit einer möglichst lückenlos zu konzipierenden Systematik vereinbaren ließen. Allen aus historischen Fakten abgeleiteten Einsprüchen, Vorbehalten und Modifikationen war daher ein Riegel vorzuschieben. Dass sich diese Intention auch gegen eine Reihe von Thesen Torquemadas richtete, dürfte nicht zu bestreiten sein. Die oberste Gewalt in der Kirche ruht allein im Papst. Apostel und Bischöfe partizipieren an ihr durch Vermittlung in hierarchisch abgestufter Weise. Als Amtsinhaber sind sie nur Legaten des Papstes. Mit dieser Ansicht weiß sich Cajetan in Übereinstimmung mit Thomas von Aquin und der ihm folgenden Schule. Konziliaristen aller Schattierungen ist somit die Argumentationsbasis entzogen. Kompromisse sind in dieser Hinsicht nicht möglich. Die Konsequenzen einer im Papst konzentrierten Jurisdiktion zeigen sich anlässlich der Erörterungen der von „Baslern“ und Gallikanern beanspruchten Autorität von Konzilien. Die ihnen erteilte Antwort ist eindeutig: Ein Konzil vermehrt oder erweitert nicht die Gewalt des Papstes, er hat sie ja wesentlich und zuerst. Es verhält sich vielmehr so, dass sie von ihm in die Synode und in die Kirche „strömt“. Die Gegeninstanz, die Superioritätsdekrete von Konstanz und Basel, verwirft Cajetan wie Torquemada aus formalen Gründen. Sie erfüllen nicht die Bedingungen rechtmäßig mit Approbation des Papstes verabschiedeter Dokumente. Was Cajetan mit der Betonung des Vorrangs der Theologie gegenüber der Kanonistik genau gemeint hat, tritt nirgendwo deutlicher zu Tage als in seiner Interpretation der päpstlichen Lehrautorität. Von den Voraussetzungen und Bedingungen eines letztverbindlichen Urteils in Glaubensdingen, wie sie in langen Diskussionen entwickelt worden waren, ist nur eine geblieben: Der Papst muss seine Entscheidung in amtlicher Eigenschaft als oberster Richter fällen. So fehlt bezeichnenderweise der Gedanke von der ecclesia Romana, aus deren Mitte das Oberhaupt urteilt und in der das Kardinalskollegium seinen Platz hat, von dessen göttlichem Ursprung keine Rede mehr ist. Konsultationen, die einer Definition vorauszugehen haben, werden nicht erwähnt, auch nicht die Funktion der Konzilien. Die hinter der Konzentration auf einen Punkt liegende Absicht wird zwar nicht direkt ausgesprochen, ist aber gleichwohl erkennbar: Etwaigen Einsprüchen auf Grund

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nicht eingehaltener Bedingungen oder eines für unzureichend deklarierten Konsenses soll nicht der geringste Anhalt gegeben werden. Unter diesem Aspekt markiert seine Infallibilitätskonzeption einen deutlichen Einschnitt, den spätere Autoren noch vertiefen werden. Cajetan weiß, dass es zwei Situationen gegeben hat und auch in Zukunft geben könnte, die das Papsttum nicht aus sich, sondern nur mit Hilfe eines Konzils zu bewältigen vermag: das Schisma und die Häresie eines Papstes. Allein in diesen Fällen darf eine Synode auf Initiative der Kirche mit einem durch die Umstände limitierten Mandat handeln. Andere Notfälle – die Verweigerung einer Reform etwa – erkennt er nicht an. Mit großer Sorgfalt untersucht er die Frage, wie ein Papst unter strikter Wahrung seiner Gerichtsimmunität bei Häresie abgesetzt werden kann, nachdem er die Selbstdeposition, die klassische Lösung der Kanonisten, als theologisch unbegründet abgelehnt hat. Jurisdiktion über den Inhaber des höchsten Amtes steht der Kirche nicht zu, aber sie hat auf Grund ihres Wahlrechts die „dienende Gewalt“, sich vom Papst zu trennen, da die Ursache, durch die etwas entsteht, auch dessen Auflösung bewirken kann. Die subtilen Distinktionen, mit denen er seine Ansicht zu verteidigen sucht, zeigen, dass das Problem eines häretischen Papstes für ihn keineswegs bloß hypothetischer Natur ist. Die klassische Lösung hatte also noch Lücken, die einen Angriffspunkt boten. Wenig später wird man bezeichnenderweise konsequent sein und selbst die Historizität einer Irrlehre, ja deren Möglichkeit bestreiten. Konziliaristen wie Gallikaner bestehen auf einem Notwehrrecht der Kirche, falls der Papst sein Amt zum Schaden aller missbraucht, wenn er zur Korrektur seines unmoralischen Lebenswandels nicht bereit ist oder wenn er sich hartnäckig Reformen verweigert. Gewisse Formen des Widerstands hält auch Cajetan für erlaubt, wofern sie keine rechtlich bindende Autorität beanspruchen. Das wirksamste Remedium, das der Kirche stets zu Gebote steht, ist das Gebet und ein entsprechender Lebenswandel, den er im Klerus seiner Tage schmerzlich vermisst. Ein theologisch fundiertes Reformprogramm, das auch den Papst in die Pflicht nahm, war von ihm in der damaligen Situation, in der er den Primat zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt sah, freilich nicht zu erwarten. Die Pariser Theologen sahen sich begreiflicherweise durch Cajetans De comparatione herausgefordert. Die Antwort überließen sie Jacques Almain, auf dessen Tractatus der Dominikaner mit der Apologia replizierte. Die beiden Werke – die Apologia fand geringere Beachtung – sind Ausdruck zweier Standpunkte geworden, die sich fortan unversöhnlich gegenüberstehen und die Diskussion beherrschen. Cajetan hat – von Präzisierungen abgesehen – keinen Anlass gesehen, seine Position zu revidieren oder Konzessionen zu machen. So ist De comparatione das klassische Zeugnis einer auf die Gewaltenfülle des Papstes konzentrierten Ekklesiologie geworden, die viele spätere Entwürfe beeinflusst und Lehren von großer

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Tragweite vorweggenommen hat. Das Werk ist Abschluss einer langen Entwicklung mit einer meisterhaft dichten Argumentation, die seinen Erfolg garantierte. In vieler Hinsicht markiert es eine Wegscheide zwischen zwei Epochen mit deutlich unterschiedenen Konzeptionen der Gewaltenfülle. Torquemada, um ihn als Repräsentanten einer papalen Theorie des 15. Jahrhunderts zu nehmen, hatte unter dem Eindruck einer schweren Papst- und Kirchenkrise gesehen, wie schwierig es war, der plenitudo potestatis angesichts der Vielfalt historischer Ereignisse mit theologischen Implikationen und widerstrebenden politischen Interessen unbedingte Geltung zu verschaffen, zumal es für ihn offen zu Tage lag, dass der papatus, auf sich allein gestellt, oft nicht in der Lage war, seinen Fortbestand zu sichern. Traditionelle Instanzen – das Kardinalskollegium, die ecclesia Romana, das Konzil sowie Kaiser und Fürsten – mussten in Zwangslagen handlungsfähig bleiben und theologisch legitimiert sein, um Probleme solchen Ausmaßes zu lösen. Mit dieser Sicht der Dinge bricht Cajetan abrupt. Zwar sieht auch er sich genötigt, im Fall einer Häresie des Papstes oder eines Schismas auf Konzilien zu rekurrieren, die für Abhilfe zu sorgen haben. Über diese beiden Extremsituationen hinaus haben Synoden keine unersetzliche Funktion.Von einer Beteiligung des Kardinalskollegiums, von Kirchenversammlungen und Konsultationen mit Theologen ist nun keine Rede mehr. Der Papst ist in Glaubensfragen eine autonome Größe geworden, die außer dem Beistand des Hl. Geistes keiner Mitwirkung von Institutionen bedarf. Eine lange und nicht zuletzt in der eigenen Schule intensiv geführte Diskussion endet lautlos. Der entscheidende Schritt auf dem Weg zu einem Infallibilitätsverständnis, wie es die nachtridentinische Theologie konsequent und nach allen Seiten abgesichert entwickeln wird, ist getan1. Cajetans De comparatione bemüht sich aus den genannten Gründen bezeichnenderweise nicht mehr, divergierende Traditionen und Tendenzen in eine Summa zu integrieren und ihnen so die den Primat gefährdende oder gar zerstörende Spitze zu nehmen, es geht ihr vielmehr um die Akzentuierung und Verschärfung des Begriffs der plenitudo potestatis, die jetzt der Angelpunkt der Ekklesiologie wird. Eindeutiges Symptom solcher Verschiebung der Gewichte ist die von herkömmlichen Bedingungen gelöste Lehrautorität des Papstes, die bald mehr und mehr in das Zentrum der Ekklesiologie rücken wird, wie es etwa eindrücklich die Tatsache manifestiert, dass sich in der Schule von Salamanca die Lehre von der Kirche um die Kommentierung des berühmten Artikels der Summa Theologiae des Aquinaten Utrum ad summum pontificem pertineat symbolum fidei ordinare (II–II 1, 10) gruppieren wird.

1

Zu Einzelheiten der Entwicklung s. U. Horst, Papst – Konzil – Unfehlbarkeit; ders., Die Lehrautorität des Papstes, bes. 187–198.

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Namensverzeichnis

Aegidius Romanus 37, 53 Aegidius von Viterbo 145 Alberigo, G. 23, 68, 71, 85 Albertus Magnus 28 Almain, Jacques 148–160, 189 Ambrosius, hl. 122, 171 Andrea Donato 73 Andreas Jamometic´ 111 Antonin v. Florenz 47–50, 176 Anzulewicz, H. 112 Arnold, Cl. 174 Arnold, F.-X. 67 Arquillière, H.-X. 53 Augustinus, hl. 58, 153 Augustinus Triumphus 50, 88, 114 Bäumer, R. 73, 115, 117, 164, 171, 178 Becker, H.-J. 84, 111, 112 Beinert, W. 104 Belda Plans, J. 179 Beltrán de Heredia, V. 51, 52 Bellarmin, Robert 67 Benedictus Hesse 112 Benedikt XIII. 69, 102 Benet, Cyprian 175, 176 Bernard-Maître, H. 149 Bertram, M. 37 Betti, U. 40, 49 Bilderback, L. 73 Binder, K. 50, 51, 52, 68, 91, 100 Black, A. 53, 58 Blythe, J.M. 30 Böckenförde, E.-W. 30 Bodem, A. 140 Bonaventura 183 Bonifaz VIII. 37, 65 Bonino, S.-Th. 28 Boockmann, H. 66

Brandmüller, W. 23, 63, 67, 70 Brecht, M. 164 Brosse, O. de la 112, 150, 154 Buisson, L. 39, 53, 92, 143 Bucichowski, W.W. 112 Burns, J.H. 112, 145, 150, 161 Cadili, A. 23 Cajetan (Thomas de Vio) 23–27, 37, 111–162, 164–174, 175, 177, 180, 182, 187–190 Candal, E. 52 Cerchiari, E. 115 Cesarini, Giuliano 71 Cheneval, F. 64, 66 Chenu, M.-D. 149 Christianson, G. 73 Clasen, S. 28 Cölestin V. 103 Congar, Y. 28, 30, 35, 50, 95, 100, 112, 130, 159 Cossa, Balthasar 69, 70 Crowe, M.B. 33 D’Addario, A. 47 Daguet, F. 30 Dante 114 Davis, Ch.F. 64 Decaluwe, M. 71, 72, 73 Dendorfer, J. 23, 90 Denis de Sabrevois 107 Domingo de Soto 178 Domínguez Asensio, J.A. 129 Dondaine, A. 37 Dufeil, M.-M. 28 Dumoulin, Jacques 148 Dunbabin, J. 42, 43 Durandus de S. Porciano 66

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Eck, Johannes 164, 165 Elizondo, F. 41 Emery, G. 34 Engels, O. 112 Erasmus v. Rotterdam 143 Eschmann, I.Th. 30 Eugen IV. 47, 52, 72, 73, 74, 128 Fabisch, P., 143, 149 Farge, K. 149 Felix V. 101 Figueira, R.-C. 89 Finnis, J. 30 Fitzgerald, L.P. 30 Frank, I.W. 71, 111 Franz v. Vitoria 178–182 Frenken, A. 51, 67 Friedrich, J. 75 Fürst, A. 77 Fürst, C.G. 85 Fuhrmann, H. 40 Ganoczy, A. 150, 161 García y García, A. 66 García Miralles, M. 85 García Villoslada, R. 150, 178, 179, 182 Geenen, G. 34 Geltner, G. 28 Gierke, O. 50, 58 Gillmann, F. 92 Gilomen, H.-J. 57 Girgensohn, D. 69 Gössmann, E. 105 Goñi Gaztambide, J. 72, 179 Gottfried. v. Fontaines 114 Gozzadini, Giovanni 117 Grabmann, M. 63, 66, 114 Gregor XII. 69 Gregor XV. 102 Grison, R. 88, 89 Guido de Baysio 82, 97 Guido Terreni 41, 84 Guido Vernani 64 Guillelmus Petri de Godino 46, 47 Guimarâes, Ag. de 40

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Hankey, W.J. 53 Heinrich Kalteisen 71 Helmrath, J. 23, 47, 50, 70, 74, 76, 96, 100, 107 Hendrix, J.H. 164 Hennig, G. 163 Herbers, K. 105 Herde, P. 37 Hernández, R. 52 Hervaeus Natalis 40, 48, 176, 183 Hieronymus hl., 77 Hieronymus v. Prag 127 Hilarius hl., 40 Hofmann, F. 58 Hofmann, H. 63 Hofmann, L. 140 Hollnsteiner, J. 67 Horst, U. 28, 31, 35, 41, 42, 47, 51, 75, 84, 88, 90, 106, 129, 130, 162, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 182, 190 Hostiensis 36, 88 Howard, P. 47 Hürten, H. 76 Hugo v. St. Cher 28 Huguccio 37, 81, 82, 98, 99 Isidoro Isolani 177 Izbicki, Th.I. 52, 58, 62, 84, 112, 150 Jacobazzi, Domenico 117 Jacobus de Paradiso 112 Jean Mauroux 163 Jedin, H. 66, 72, 90, 107, 110, 111, 112, 115, 117 Johanna (papissa) 105, 187 Johannes XXII. 40, 41 Johannes XXIII. 69, 70, 75, 126 Johannes Antonius de S. Georgio 115, 116 Johannes Elgot 112 Johannes Falkenberg 66 Johannes Gerson 51, 54, 57, 131, 153, 163 Johannes Hus 70, 125, 127 Johannes von Neapel 41 Johannes von Paris (Quidort) 37–39, 50, 51, 148, 183

Johannes von Ragusa 51, 70 Juan de Celaya 178 Julian Tallada 74, 75 Julius II. 25, 112, 117, 143, 149, 163, 175 Käppeli, Th. 64 Kaufmann, Th. 164 Kerner, M. 105 Kleineidam, E. 112 Klotzner, J. 117 Krämer, W. 63, 107 Krchnˇák, A. 51 Kristeller, O. 118 Krüger, E. 53 Kuttner, St. 85 Landi, A. 112 Lang, A. 103 Lang, R.J. 114 Lauchert, F. 164, 173 Laurentius Pignon 66 Laurentius de Raciborz 112 Lecler, J. 89 Leclercq, J. 37 Lefèbvre, Ch. 99 Leo I. 34, 40 Leo X. 164, 175 Löhr, G. 145 Long, R.J. 114 López Martín, J. 182 Ludwig XII. 112, 149 Ludwig, J. 58 Ludwig v. Valladolid 51 Luscombe, D.E. 53 Luther, Martin 164–174, 178 Maccarone, M. 45, 62, 80, 114 Märtl, C. 23 Maio, R. de 111 Mair, John 150, 161–163, 179 Maleczek, W. 55, 83, 85 Marongiu, A. 95, 159 Marsilius v. Padua 74 Martin V. 70, 124, 126, 127, 128, 134 Martínez Casado, A. 51

Massi, P. 76 Maximilian I. 112 McCready, WM. D. 46, 53 McNally, R.E. 145 McSorley, H.J. 143 Merzbacher, F. 53, 150 Meuthen, E. 23, 107, 112 Miethke, J. 30, 37, 41, 43, 45, 46, 50, 53, 64, 100, 107, 114 Minnich, H.N. 112, 117, 163, 182 Miranda, S. 115 Mollat, G. 85, 112, 149 Morard, M. 34 Morerod, Ch. 145, 163, 164 Morris, E.S. 83 Morrissey, Th.E. 68 Mortier, D.A. 52, 112, 149 Moynihan, J.M. 92, 143 Müller, H. 23, 67, 101, 107, 163 Murray, J.C. 67 Netanyahu, B. 51 Nicolaus III. 41, 42 Nicolaus V. 101, 104 Nikolaus v. Kues 163 Nörr, K.W. 49, 80 Nold, P. 41 Oakley, Fr. 56, 117, 150, 161 Ockham 49, 50, 74, 114 Oeyen, C. 33 Oliger, L. 37 O’Malley, J.W. 118, 145 O’Reilly, C. 145 Paciocco, R. 31 Panormitanus 49, 179 Paravicini Bagliani, A. 89 Paschini, P. 176 Pascoe, L.B. 56 Pasquali, Alberto 176, 177 Pennington, K. 53 Pérez Ferreiro, E. 51 Pesch, O.H. 164 Peterson, J. 111

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Petrus Iohannis Olivi 37 Petrus de Luna 69 Petrus de Palude 41–46 Philipp d. Schöne 37 Pichler, I.H. 67 Pierre d’Ailly 51, 56, 86, 114, 163 Pius II. 84, 111 Podlech, A. 38 Post, G. 89, 95, 159 Posthumus Meyjes, G.H.M. 56, 114, 131 Pozo, C. 181 Prügl, Th. 53, 63, 67, 71, 80, 90, 92, 118 Radrizzani Goñi, J.F. 179 Ratzinger, J. 28 Redigonda, L.A. 177 Remigio de’ Girolami 64 Renaudet, A. 149 Renna, Th.J. 38 Reusch, F.H. 33 Ricklin, A. 30 Riedlinger, H. 67 Ríos Fernández, M. 33, 81, 98 Rivière, J. 53 Rodríguez, P. 36, 76 Roques, R. 53 Sägmüller, J.B. 83, 85, 90 Sánchez de Arévalo, Rodrigo 66 Santiago Madrigal Terrazas, J. 70 Savonarola 111 Schatz, Kl. 53 Scheerer, E. 63 Schenk, M. 41 Schleyer, K. 149 Schlosser, M. 32 Schmidt, T. 92 Schmutz, R.A. 89 Schneider, H. 68 Scholz, O. 37 Schulte, J.F. v. 115 Schwarz, R. 164 Selge, K.-V. 164 Sénko, W. 66 Sieben, H.J. 36, 95, 117, 143, 163, 164

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Silvester Prierias 145, 177, 178, 180 Soldi Rondini, G. 85 Spehr, Chr. 164 Stella, P.T. 43, 46 Stickler, A.M. 33 Stieber, J.W. 72, 101 Stinger, Ch.L. 118 Stoecklin, A. 111 Stöve, E. 112 Strika, Z. 51 Sudmann, St. 57 Tallon, A. 149 Tanoüarn, G. de 112 Taver, A.G. 28 Tavuzzi, M. 145, 177, 178, 179 Tecklenburg Johns, Chr. 164 Teodoro de’ Lelli 90 Thomas v. Aquin 23, 27–36, 41, 48, 53, 65, 81, 102, 115, 118, 119, 120, 130, 153, 167, 179, 183, 184, 190 Thomas de Sarzana (Nikolaus V.) 104 Thomas de Strzempino 112 Tierney, B. 43, 79, 80, 89, 97, 143 Tolomeo v. Lucca 64 Tomljenovic´, I. 111 Torquemada 23–27, 51–111, 113, 115, 117, 118, 127, 128, 177, 178, 180, 184–187, 190 Torrell, J.-P. 34 Tuillier, A. 51 Turley, Th. 43 Urban IV. 32 Urban VI. 132 Ullmann, W. 89, 112 Vauchez, A. 31 Vinzenz Ferrer 81 Vooght, P. De 68, 70 Vosté, I.-M. 174 Walther, H.G. 37, 111 Wasner, F. 89 Wassilowsky, G. 55

Watt, J.A. 33, 53, 81, 85, 88, 89, 97, 99 Weisheipl, J.A. 30 Weitz, Th.A. 81 Wetzstein, Th. 31 Wicks, J. 112, 118, 164 Wilks, M. 39, 53

Wittneben, E.L. 41 Wünsch, Th. 112 Wyclif 127 Zabarella 89 Zimmermann, H. 92

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