Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen': Präsenz und Entzug des Göttlichen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche 9783964565860

Den Schwerpunkt der Studie bilden die Werke Pérez Galdós' und Juan Valeras, in denen sich exemplarisch die seinsges

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Inhaltsverzeichnis
TEIL I. Einführung
1.1 BEGRÜNDUNG DES UNTERSUCHUNGSBEREICHS UND ZIEL DIESER UNTERSUCHUNG
TEIL II: SEINS- UND SOZIALGESCHICHTLICHE VORAUSSETZUNGEN DES ONTOTHEOLOGISCHEN GOTTESBILDES
1.0 DER PROJEKTIONSRAHMEN DER ABENDLÄNDISCHEN METAPHYSIK
2.0 Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen
3.0 Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes seit dem Ende des 18. Jahrhunderts
4.0 Der Zerfall des göttlichen Zeichens
5.0 Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter
6.0 Schreiben in 'dürftiger Zeit'
TEIL III : TEXTANALYTISCHER TEIL
1.0 TEXTUELLE VORAUSSETZUNGEN
2.0 Die Figur des 'Königs' in den Möglichkeiten und Grenzen einer allumfassenden Repräsentation
TEIL IV : SCHLUSSKAPITEL
1.0 Seinsgeschichtliche Voraussetzungen
2.0 Spuren dürftiger Zeit in den Diskurs- und Romanwelten der spanischen Restaurationsepoche
3.0 Morsamor oder die Abnutzung christlicher Gottesbilder
4.0 Die Offenheit der transzendentalen Einbildungskraft
TEIL V : BIBLIOGRAPHIE
1.0 Zitierte bzw. berücksichtigte Primärliteratur (Erzählwelten)
2.0 Zitierte und berücksichtigte Primärliteratur (Diskurswelten - Spanische Artikel bzw. unabhängige Texte zwischen 1865 und 1900)
3.0 Weitere Sekundärliteratur (Handbücher, Fachlexika, Wörterbücher und andere Nachschlagewerke sowie Monographien)
4.0 Abkürzungsverzeichnis
5.0 Index Nominum
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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen': Präsenz und Entzug des Göttlichen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche
 9783964565860

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Kian-Harald Karimi Jenseits von altem Gott u n d 'Neuem Menschen' Präsenz und Entzug des Göttlichen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche

Kian-Harald Karimi

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen Präsenz und Entzug des Göttlichen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche

VERVUERT V E R L A G • FRANKFURT AM

2007

MAIN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar Alle Rechte vorbehalten © Vervuert Verlag, 2007 Wielandstr. 40 - D-60318 Frankfurt am Main Tel. +49 69 597 46 17 Fax + 49 69 597 87 43 [email protected] www.ibero-americana.net ISBN 978-3-86527-313-0 D.L: B-19.247-2007 Umschlagentwurf: Michael Ackermann Umschlagbild: Reinhard Massow

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigem Papier gemäß ISO-Norm 9706 Printed inCargraphics

In Memoriam

Gisela Beutler (1919-1996)

Hans Hinterhäuser (1919-2005)

Zwei großen Philologen, denen auch als Hispanisten immer die gesamte Romania am Herzen lag

EINEN HERZLICHEN DANK den Mitarbeitern der Biblioteca National zu Madrid, meinen Leipziger und Bonner Studenten, Herrn Jochen Fritz sowie meinem Bruder DarioGerald Karimi

fortschreitende räude him hanfang war das wort hund das wort war bei gott hund gott war das wort hund das wort hist fleisch geworden hund hat hunter huns gewohnt him hanflang war das wort hund das wort war blei flott und flott war das wort hund das wort bist fleisch gewlorden hund hat hunter huns gewlohnt schim schanflang war das wort schund das wort war blei flott schund flott war das wort schund das wort schist fleisch gewlorden schund schat schunter schuns gewlohnt schim schanschlang schar das wort Schlund schasch wort schar schlei Schlott schund flott war das wort schund schasch fort schist schleisch schleschlorden schund schat schiunter schluns scheschlohnt ssschllls— flottsch

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Ernst Jandl

Inhaltsverzeichnis

TEIL I: EINFÜHRUNG

13

1.1

Begründung des Untersuchungsbereichs und Ziel dieser Untersuchung . 1.1.1 Problemstellung 1.1.2 Theoretische Vorkehrungen 1.1.2.1 Aporien der Metaphysik 1.1.2.2 Martin Heideggers Lektüre der Vorausdichtungen Hölderlins als 'Fehl des Göttlichen'

13 13 31 31

1.1.2.3 Der'Gottessignifikant'in der Autonomie der Sprache 1.1.3 Vorgehen und Textkorpus 1.1.3.1 Erläuterung des Vorhabens 1.1.3.2 Arbeitsschritte 1.1.3.3 Zu den expositorischen und fiktionalen Referenztexten .

47 56 56 69 78

36

TEIL I I : SEINS- UND SOZIALGESCHICHTLICHE VORAUSSETZUNGEN DES ONTOTHEOLOGISCHEN GOTTESBILDES

1.0 1.1 1.2 2.0 2.1

2.2

Der Projektionsrahmen der abendländischen Metaphysik Zwischen Himmel und Erde, Göttlichen und Sterblichen Die Macht der Ontotheologie in der Macht ihrer Bilder Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen Die katholische Einheit als geopolitisch-kulturelle Option Spaniens . . . 2.1.1 Das historische Apriori als longue durée 2.1.2 Die katholische Einheit als dominanter Diskurs in der spanischen Geistesgeschichte Konfigurationen des göttlichen Zeichens im spanischen Königtum . . . 2.2.1 Im Tal der Könige: Exkurs zum Verhältnis von Gott und König in der abendländischen Bilderwelt

87

88 88 96 103 103 103 107 121 121

10

2.3 2.4

3.0 3.1 3.2 3.3

4.0 4.1 4.2

5.0 5.1

5.2 6.0 6.1

6.2

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' 2.2.2 Von der Heiligkeit der Monarchie zur Heiligkeit des Monarchen. 2.2.2.1 Der Monarch als deus absconditus auf der Bühne des Lebens 2.2.2.2 Die Präsenz des Monarchen auf der Bühne des Theaters. Transzendente versus immanente Deterritorialisierung Die Bildung eines philosophisch-literarischen Immanenzmilieus im Spanien der Restaurationsepoche 2.4.1 Die Auflösung des theistischen Gottesbildes Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Das bürgerliche Zeitalter im'Fehl des Göttlichen' Die Metaphysik der Ontologie zwischen alten und neuen Finalitäten . . Vom'Alten Gott'zum'Neuen Menschen' 3.3.1 Die verborgene Theologie der Generation von 1868 3.3.2 Vom Menschensohn zur Menschheit Der Zerfall des göttlichen Zeichens Die traditionelle Verknüpfung von Gesetz und Transzendenz in der Gestalt des Vaters Die Trennung von Vater und Sohn 4.2.1 Metaphysische Entwürfe des 19. Jahrhunderts in Spanien zur Rettung des göttlichen Zeichens 4.2.2 Jenseits von Vatergott und Menschensohn Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter Die Königin im Spiel des Gottessignifikanten 5.1.1 'La semana santa' und das Ende der katholischen Einheit 5.1.2 Von der Außenperspektive der schwarzen Legende zur Innenansicht der beiden Spanien. Exkurs zum Diskurs des Krieges . . Das Absolute und sein Verfall in der Immanenz 5.2.1 Das Bild des Glaubenszweifels in Clarins Eldngelde la duda . . . Schreiben in 'dürftiger Zeit' Das literarische Feld zwischen 1868 und 1898 6.1.1 Der Realismus in der Spannung des Subjekt/Objekt-Denkens . . 6.1.2 Der Ubergangscharakter des spanischen Realismus zwischen mimetischem Schreiben und literarischer Avantgarde 6.1.3 Die Sehnsucht nach Transparenz und Proportion 6.1.4 Das literarische Subjekt zwischen Allmacht und Bewusstlosigkeit Das Ende der Identität von ästhetischer Wahrheit und historischer Wirklichkeit 6.2.1 Die Figur des Don Quijote in der Metaphysik des bürgerlichen Zeitalters

131 143 152 158 171 181 190 190 202 214 214 222 230 230 255 255 268 278 278 285 303 323 338 343 343 343 348 354 369 376 376

Inhaltsverzeichnis 6.2.2 Die Entmythisierung des historischen Denkens 6.2.3 Die Selbstreferenzialität der Literatur als Negation der bürgerlichen Gesellschaft 6.2.4 Möglichkeiten, Grenzen und Bedingtheiten des Immanenzmilieus in der Restauration 6.2.5 Von der beobachtenden Vernunft zur Selbstbeobachtung der Vernunft als Ausgang einer anderen Kompositionsebene 6.2.5.1 Die bedrohte göttliche Ordnung der Sprache in La conspiración de las palabras

11 395 403 409 420 431

T E I L I I I : TEXTANALYTISCHER T E I L

443

1.0 Textuelle Voraussetzungen 1.1 Textueller vs. kodifizierter Sinnbezug 1.2 Metafiktion und Selbstreflexivität narrativer Texte 2.0 Die Figur des 'Königs' in den Möglichkeiten und Grenzen einer allumfassenden Repräsentation 2.1 Die Figur des'Königs'und seine Eigenschaften 2.1.1 Begriffspersonen und ästhetische Figuren 2.1.2 Die widersprüchliche Signifikanz sprechender Namen 2.2 Die Figur des 'Königs' als Subjekt des Gottessignifikanten 2.2.1 Die großen Gestalten als Subjekte in Geschichte und Geschichten 2.2.2 Doña Perfecta und die misslungene Reterritorialisierung des aufklärerisch-positivistischen Denkens 2.2.3 Marianela und die sokratische Suche nach der Erkenntnis . . . . 2.2.4 Amigo manso zwischen der Harmonie des Geistes und den Unstimmigkeiten der Immanenz 2.2.5 La familia de León Roch: Die bürgerliche Familie als Sinnbild gesellschaftlicher Repräsentation und ihrer Auflösung 2.3 Der 'König' und die Vielfalt der Zeichen 2.3.1 La incógnita und Realidad: vom 'Infanten der Repräsentation zum Verlust des auktorialen Erzählers 2.3.2 Der Bruch des göttlichen Zeichens am Beispiel von Miau . . . .

443 443 447

2.3.3 Las ilusiones del doctor Faustino: Die Erwartung einer apriorischen Sinngebung und die Leere der Signifikanten

452 454 454 463 466 469 474 511 534 556 585 585 623 637

T E I L I V : SCHLUSSKAPITEL

655

1.0 Seinsgeschichtliche Voraussetzungen 2.0 Spuren dürftiger Zeit in den Diskurs- und Romanwelten der spanischen Restaurationsepoche

655 663

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

12 3.0

Morsamor oder die Abnutzung christlicher Gottesbilder

679

4.0

Die Offenheit der transzendentalen Einbildungskraft

690

TEILV:

BIBLIOGRAPHIE

697

1.0

Zitierte bzw. berücksichtigte Primärliteratur (Erzählwelten)

697

2.0

Zitierte und berücksichtigte Primärliteratur (Diskurswelten - Spanische Artikel bzw. unabhängige Texte zwischen 1865 und 1900)

698

3.0

Weitere Sekundärliteratur (Handbücher, Fachlexika, Wörterbücher und andere Nachschlagewerke sowie Monographien)

705

4.0

Abkürzungsverzeichnis

778

5.0

Index Nominum

781

TEI

L

I

Einführung

1.1 B E G R Ü N D U N G DES U N T E R S U C H U N G S B E R E I C H S Z I E L DIESER

1.1.1

UND

UNTERSUCHUNG

PROBLEMSTELLUNG

Wer sich dem Forschungsgegenstand der Religion im Spanien des 19. Jahrhunderts zuwendet, muss sich mit zwei Evidenzen auseinandersetzen, welche die Förderung neuer Ergebnisse den Erwartungen zum Trotz eher belasten und nicht eben erleichtern: die offenkundig erscheinende Katholizität Spaniens sowie die herausragende Rolle, die namentlich religiöse Fragestellungen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche einnehmen. Auf großen Widerhall stößt dieser Topos im Unbehagen der deutschen Romantik am Industriekapitalismus, das Spanien zu seinem arkadischen Kontrapunkt macht (vgl. etwa Schlegel 1960, 14: 182). So lässt Novalis in seiner Schrift Die Christenheit oder Europa mit dem Mittelalter ein Bild von schönen glänzenden Zeiten entstehen, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegendsten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs.- Ohne große weltliche Besitztümer lenkte und verteidigte Ein Oberhaupt die großen politischen Kräfte.- Eine zahlreiche Zunft, zu der jedermann den Zutritt hatte, stand unmittelbar unter demselben und vollführte

14

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen seine W i n k e u n d strebte mit Eifer seine wohltätige M a c h t zu befestigen, jedes G l i e d dieser Gesellschaft w u r d e allenthalben geehrt (Novalis 1 9 9 5 : 5 2 6 ) .

Dieses irdisch-überirdische Arkadien konnte er nur in einer abgelegenen Vergangenheit verorten, deren Idylle aber augenfällig mit einem geographischen Topos korrespondierte, wie es den Brüdern Schlegel, Lord Byron oder Chateaubriand zugleich zeitliche Nähe werden sollte: In Spanien glaubten sie die Heimat eines romantischen Geistes vorzufinden, von dem nicht nur „Phantasie und Dichtkunst, sondern auch [...] die Sitten und selbst [...] die Verfassung des ganzen Landes" (Schlegel 1960, 14: 182) durchdrungen waren und sich „Religionsgefühl, biederer Heldenmut, Ehre und Liebe" als „Grundlagen der romantischen Poesie [anboten]" (August Wilhelm Schlegel, zit. nach: Hinterhäuser 1979: 113). Jenseits der Pyrenäen schien von der Gründung der christlich-westgotischen Königreiche bis zur Vertreibung der Mauren aus Granada alles noch in Gottes Hand zu sein, denn [...] die R e t t u n g des C h r i s t e n t u m s in diesem L a n d e gegen solche Ü b e r m a c h t schien das Wunderwerk einer höheren als bloß menschlichen L e n k u n g zu sein. G e w ö h n t , i m m e r zugleich für seine Freiheit u n d für seine Religion zu fechten, schloß sich der Spanier m i t feuriger Inbrunst an diese an, als ein m i t edlem Blut teuer erkauftes Erwerbnis. [...] Treu seinem G o t t u n d seinem K ö n i g bis a u f den letzten Blutstropfen, unverbrüchlich a u f seine Ehre haltend, stolz, aber d e m ü t i g vor allem Heiliggeachteten, ernst, mäßig, sittig war der alte Kastilier (ebd.).

In diesem providentiellen Geschichtsbild wird jedoch nur ein Allgemeinplatz poetisiert, der sich bis in die Gegenwart nicht minder gehalten hat wie der ebenso umstrittene Topos von der besonderen Ehrbesessenheit dieses Volkes (vgl. Toro 1993: 15). So ist noch immer die Rede von einer unverwechselbaren religiösen Konfiguration unüberhörbar, die nahezu die gesamte Nation umfasst und als „eigenartige Verflechtung katholischen Glaubens mit elitärem Nationalbewusstsein und konservativ-autoritären Gesellschaftsformen [...] bis heute noch wirksam ist." 1 Kaum ein anderes Volk ist so häufig und so eindeutig mit dem Katholizismus identifiziert worden wie die Spanier (Bernecker 1995: 9). Kaum anderswo ist die Kirche so sehr als Bestandteil nationaler Identität empfunden worden wie in diesem Land (Shubert 1990: 211), was bereits in Aussagen von Juan de Mariana (1535-1624) und Juan Francis' Drehen (1988: 1171). Diese Einschätzung korrespondiert auch mit statistischen Erhebungen. Danach ist Spanien das westeuropäische Land mit dem wohl höchsten Anteil an katholischen Gläubigen. Vgl. FWA (1999). Während sich 81 Prozent der Franzosen, 87,8 Prozent der Iren, 90 Prozent der Italiener sowie 90 Prozent der Portugiesen zum Katholizismus bekennen, sind 96 Prozent der Spanier Mitglied der römisch-katholischen Kirche. In anderen Nachschlagewerken ( Espasa 1993, 5: 656) wird die Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft gar mit 98,5 Prozent angegeben.

Problemstellung

15

co de Masdéu (1744-1817) seine Bestätigung findet. Während der erste Geschichtsschreiber in seiner Historia general de España die Beständigkeit und Resistenz des katholischen Glaubens auf der Halbinsel betont2, weist der zweite Historiker in seiner Historia crítica de España y de la cultura española auf die außerordentliche Glaubens- und Kirchentreue seiner Landsleute hin.3 Der Umstand, dass das Stichwort 'católico' in der Volks- bzw. Umgangssprache im Sinne von 'irreprochable' oder 'impecable' Gebrauch findet, scheint wenigstens auf die Achtung hinzuweisen, die dieser Glaube bei den so Sprechenden genießt, wenn er nicht gar in Distanz zum Unglauben oder gar zur Gottesleugnung Vollkommenheit oder Reinheit seines Sprechers ausdrückt.4 Weitere Synonyme für 'católico', die in der spanischen Literatur der Siglos de oro pejorativ mit Begriffen wie 'judío', 'moro' 'hereje', 'renegado' und 'cristiano nuevo' kontrastiert werden (Navarro González 1974: 131), gibt eine andere Quelle mit 'recto, ortodoxo, sano' und perfecto' (vgl. Gullón, R. 1993, 2: 357) sowie eine weitere auch mit 'arreglado' und 'ordenado' an (vgl. Gran diccionario de sinonimos y antónimos 1991: 330). In einem deutschsprachigen Sprichwörterlexikon aus dem Jahre 1867 wird die besondere spanische Neigung zur Religion so konturiert: D e r Spanier spricht mit G o t t , der Italiener mit den Frauen, der Deutsche mit den Pferden, der Engländer m i t den Vögeln, der Franzose mit seinen Freunden (zit. nach S i e b e n m a n n 1989: 4 1 ) .

Eine andere deutsche Quelle kritisiert wiederum den Hochmut der Spanier, die an eine privilegierte Nähe Gottes zu ihrem Volk glauben: Ihr übertriebener Stolz spricht sich auch in folgenden ihrer Sprichwörter u n d Redensarten aus: ' G o t t hat mit A d a m im Paradiese, wie auch m i t M o s e s a u f d e m Berge Sinai nur Spanisch geredet' (ebd.).

So stellen sich dann gegenüber dieser Projektion romantischer Idealität „als einschneidende Korrektur der sogenannten Leyenda negra [...] im deut2 Zit. nach Juderias (1974: 53): „En lo que más señalan es en la constancia de la religión y creencia antigua, con tanta mayor gloria, en las naciones comarcanas en el mismo tiempo todos los ritos y ceremonias se alteran con opiniones nuevas y extravagantes." 3 Zit. nach Juderías (1974: 53): „La vida religiosa de los españoles nos pone delante de los ojos una nación, la más pía y la más devota, la más unida a la Iglesia, la más constante en el dogma...." 4 Vgl. Beinbauer (1978: 160). Umgangssprachlich wird noch die Variante des 'Normalen' oder 'Rechten' angeboten, wie etwa „Esta carne, este pescado no está, no me parece muy católico; hoy no me siento muy católico." Vgl. auch Slaby/Grossmann (1975: 244): Hier wird das Lexem nicht nur als Synonym für 'rechtgläubig', 'wahr', echt' und unfehlbar' angegeben, sondern auch im altgriechischen Sinne von 'allumfassend' und 'universal' übersetzt.

16

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

sehen S p r a c h r a u m " des 19. J a h r h u n d e r t s a u c h b a l d wieder j e n e angeblichen S p e z i f i k a des s p a n i s c h e n N a t i o n a l c h a r a k t e r s ein, welche die alten Bilder reaktivieren u n d d i e b e s o n d e r e Religiosität z u m u n a u t h e n t i s c h e n G e g e n t y p u s der eigenen m a c h e n . 5 D e n n o c h ist in derartigen W e n d u n g e n u n d i m a g o l o g i schen Z e i c h n u n g e n , wie bei ähnlichen G e m e i n p l ä t z e n üblich, n e b e n u n b e g r ü n d e t e n E l e m e n t e n „zugleich [...] ein rationaler K e r n e n t h a l t e n " ( d e T o r o 1 9 9 3 : 15). H i e r reflektiert sich a u c h allen Vorurteilen z u m T r o t z eine „ E r f a h r u n g , d i e v o n M u n d z u M u n d g e h t " u n d d a m i t nicht n u r Q u e l l e aller Erzähler ist ( B e n j a m i n 1 9 7 7 , 7 : 4 4 0 ) , s o n d e r n a u c h Z u g a n g z u einer a n d e r e n K u l tur g e w ä h r t . Z u g l e i c h ist in diesen Selbst- o d e r F r e m d z u s c h r e i b u n g e n , d i e ger a d e i m vermittelnden E l e m e n t der R e l i g i o n eine entweder idealistisch überh ö h t e o d e r pejorative A n s c h a u u n g v o n S p a n i e n u n d d e n S p a n i e r n entfalten, aber a u c h d i e G e f a h r enthalten, sich d u r c h voreilige S c h l u s s f o l g e r u n g e n d e n Z u g a n g zu d e n B r ü c h e n eines kulturellen S y s t e m s zu verschließen u n d , wie d a s a u s l ä n d i s c h e S p a n i e n b i l d ü b e r J a h r h u n d e r t e zeigt, d e n M y t h o s v o m katholischen u n d r ü c k s t ä n d i g e n ' D a u e r s p a n i e r ' z u perpetuieren ( S c h m i d t 1 9 7 5 : 3 1 4 ) . G e g e n ü b e r diesen d i s k r i m i n i e r e n d e n A l l g e m e i n p l ä t z e n , deren

Liste

hier n a t u r g e m ä ß nur f r a g m e n t a r i s c h w i e d e r g e g e b e n w e r d e n k a n n 6 , ist vielm e h r d a v o n a u s z u g e h e n , dass d e r K a t h o l i z i s m u s selbst G e g e n s t a n d historischer V e r ä n d e r u n g e n ist: Et son rôle s'est transformé presque aussi profondément: que la religion soit considérée comme inspiratrice de la vie intérieure ou guide de la vie morale, qu'elle soit jugée comme force sociale ou comme force sociale ou comme force politique, il n'est pas possible, à mon sens, de l'envisager comme un facteur immuable de la vie espagnole (Bennassar 1995: 58). 5 Vgl. dazu Allgemeine deutsche Real-Enzyklopädie für die gebildeten Stände von 1836, zit. nach: Müller-Kampel (1992: 532): „Was der Spanier Religion nennt, besteht fast einzig im Kirchendienst [...] Die Anbetung der heiligen Jungfrau ist [...] das Höchste; um diesen Punkt bewegt sich die ganze Gottesverehrung. Dies und eine große Zahl Heilige für jedes Alter, jeden Stand, jedes Geschäft u.s.w. bildet gleichsam eine Kette glänzender Kirchenfeste, welche die Erde unaufhörlich gen Himmel zieht; daher die Macht der Einbildungskraft über das Gemüth des Spaniers und seine praktische Gleichgültigkeit gegen bloße Verstandeszwecke und gegen alles Irdische, was nicht die Einbildungskraft durch die Sinne berührt. [...] Im Allgemeinen ist der Spanier mäßig, standhaft, verschwiegen und großmüthig, dabei wahrheitsliebend und eifrig devot [...]. Der gemeine Spanier ist genügsam. [...] Doch leuchtet bei jedem Anlasse sein Stolz hervor auf Stamm, Geburt, Rang und Glaube; dabei ist er argwöhnisch, empfindlich und sehr rachgierig." Hegel (1979, 10: 66) schlägt in seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften einen ähnlichen Ton an: „Der Spanier hingegen hat bisher mit fanatischem Eifer am Buchstaben der Lehren des Katholizismus festgehalten und durch die Inquisition die von diesem Buchstaben abzuweichen Verdächtigen jahrhundertelang mit afrikanischer Unmenschlichkeit verfolgt." 6 Vgl. weitere Aussagen über den spanischen Katholizismus aus ausländischer Sicht bei Hillgarth (2000: 125-159).

Problemstellung

17

Diese Geschichtlichkeit des spanischen Katholizismus wird allenthalben in dessen Kritikern gegenwärtig. Auf jenes katholische Spanien als einer besonders glaubensfesten und kirchentreuen Nation (Rodríguez-Moñino Soriano 2002: 9) lässt die Geschichte zudem einen langen Schatten fallen. Jene nicht eben selten zitierte Volksfrömmigkeit hat eine Kehrseite, die im Antiklerikalismus auf eine ebenso alte Tradition zurückgeht. Eine immense Sammlung von Sprichwörtern bedenkt den Klerus im Gang der Jahrhunderte mit allen nur denkbaren Vorwürfen, welche deren postulierte Tugenden mit deren tatsächlichen Todsünden kontrastiert: In zahlreichen Aussagen stehen sich soberbia und humildad, gula und templanza, avaricia und largueza ebenso gegenüber wie lujuria und castidad, sowie ira und paciencia (Arbeloa 1975: 34-45 bzw. Caro Baroja 1978: 184-188). Als „madre de las ciencias todas" ist ihnen die Einsicht gemeinsam, dass die Geistlichkeit, die sich doch als Vorbild verstehen will, zumindest ähnliche, wenn nicht schlimmere Laster begeht (ebd.: 45). Bereits in der spanischen Literatur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Caro Baroja 1978: 173-184) ist das Gebaren des Klerus Gegenstand von Kritik und Satire, wie etwa Gonzalo de Berceos Milagro de Nuestra Señora, Juan Ruiz Libro de Buen Amor oder Pedro Lopez de Ayalas Rimado de Palacio unter Beweis stellen. Tatsächlich sind antiklerikale Tendenzen bis in die Moderne hinein in der Literatur-, wie Sozialgeschichte nachzuweisen. Selbst die für ihre Katholizität gerühmten Siglos de oro haben in Lope de Vega einen prominenten literarischen Vertreter, der die Ausschweifungen des Klerus in einer Reihe von Aussagen beklagt (vgl. Caro Baroja 1980: 47-50). Einen Höhepunkt erreicht der Antiklerikalismus indes im 19. Jahrhundert, in dem er sich nicht mehr darauf beschränkt, die aggressive Kehrseite einer Volksfrömmigkeit zu sein, die sich von einer korrumpierbaren Geistlichkeit verraten glaubt und deren Korrektiv sein will. Vielmehr markiert „the first major break in the history and institutional relationships of Spanish Catholicism since the eighth Century" (Payne 1984: 71) eine neue historische Qualität, die ihre Wirkung auf den Charakter der Beziehungen zwischen Kirche und Staat, Religion und Gesellschaft ebenso wenig verfehlt wie auf die Religiosität der Gläubigen. Dass inzwischen längst ein anderes historisches Zeitalter ftir das Land angebrochen ist, stellt auch Manuel Azaña (1880-1940), der spätere Präsident der zweiten spanischen Republik, in seiner berühmten Rede vor den Cortes im Oktober 1931 rückblickend fest. Im 16. und 17. Jahrhundert sei Spanien ein katholisches Land mit eigenen kongenialen Charakterzügen gewesen, „[que] creó un catolicismo a su imagen y semejanza, en el cual, sobre todo, resplandecen los rasgos de su carácter" (Azaña 1978: 144). Diese spanische Variante des Christentums habe in der Literatur, den Künsten und der Theo-

18

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

logie ebenso unverwechselbare Ausdrucksformen gefunden. Doch seit dem vorangegangenen Jahrhundert habe der Katholizismus diese Rolle für das spanische Denken nicht mehr spielen können. Ungeachtet der noch immer großen Zahl an Gläubigen fehle dem Glauben jene schöpferische Kraft, die ihn einst ausgezeichnet habe, „[pues] España ha dejado de ser católica" (ebd.). Damit bestätigt Azaña nicht nur den vorläufigen Schlusspunkt einer Entwicklung, in deren Ergebnis sich die traditionelle Verklammerung von politischer und sakraler Macht, „la recurrente identificación entre rey y altar" (Elliott 1999: 148), zu lösen begonnen hatte. Dass er zudem von einer „fase nueva e histórica del pueblo español" spricht (Azaña 1978: 143), berechtigt zu der Annahme, dass der metaphysische Horizont der christlichen Tradition nicht mehr von allen Spaniern geteilt wird. Wenn auch unter völlig anderen historischen Konstellationen, scheint sich der Versuch eines in sich gespaltenen Gemeinwesens zu wiederholen, Gott fur die eigene Seite gegen die des Gegners in Anspruch zu nehmen: Was im 16. Jahrhundert Katholiken, Morisken und Juden gegeneinander aufgebracht hatte, scheint in den Polemiken und Kämpfen zwischen Liberalen und katholischen Integristen während der Restaurationsepoche (1874-1931) wiederzukehren: Chacun place Dieu dans son camp et en tire de terribles conséquences. Le Dieu salvateur, celui qui assure le salut éternel, ne saurait être que celui de sa propre communauté. [...] Les uns et les autres se jettent l'anathème, témoignant du même exclusivisme (Cardaillac 1 9 9 8 : 8 0 bzw. 8 1 ) .

Bestätigt wird dieser Befund durch Aussagen, die allenthalben von Vertretern beider Seiten zu hören sind. Was immer auch Krausisten, Positivisten und Antimetaphysiker entzweit haben mag, einig waren sie sich in ihrer Ablehnung der Scholastik und der traditionellen Religion. So beschreibt etwa Alfredo Calderón, ein Schüler Julián Sanz del Ríos (1814-1869) und Karl Christian Friedrich Krauses (1781-1832), in seinem Artikel Nuestros odios sein Gottesbild, wie folgt: No odiamos a la religión. Hay entre nosotros quien no siente aspiración alguna religiosa; hay quien tiene el sentimento profondo y arraigado. Unos y otros, sin embargo, coincidimos en nuestros odios. Odiamos al fanatismo bárbaro, la superstición ridicula, la hipocresía menguada, la credulidad estúpida, la intolerancia soberbia, la creencia que se impone, la devoción que calcula, la fe que negozia, la piedad que miente y engaña. Odiamos al sectario, al publicano, al fariseo, al que finje la fe que no tiene, al que mata en nombre de Cristo, al que hace de Dios granjeria f . . . ] El principio absoluto de las cosas, el Eterno, el Infinito, el Inmutable, no es el Dios de las tradiciones históricas. Leyendas candorosas de la humanidad infantil todas ellas [ . . . ] (zit. nach Llera Esteban 1 9 9 1 : 4 1 5 ) .

Problemstellung

19

Eine ähnliche Unversöhnlichkeit lässt sich allerdings auch bei der katholischen Gegenseite feststellen, die in der Vertretung von Gumersindo Laverde Ruiz (1835-1890), des engen Mitarbeiters von Marcelino Menéndez Pelayo (1856-1912), nicht weniger unduldsam mit ihren Gegnern verfährt: Si queremos que el Estado sea católico en sus principios y en sus procedimientos, no un año ni dos, sino sempre, empecemos por hacer católica a la sociedad, procurando extirpar de ella las plantas ponzoñosas de la incredulidad, de la herejía, y del indiferentismo" (zit. nach C a m p o m a r Fornieles 1984: 49).

Gerade die radikalsten Sachwalter des Klerus erheben immer noch den Anspruch auf eine Wahrheit, deren Gegenseite sich nur als Irrtum herauszustellen vermag und daher nur mit äußerster Strenge zu begegnen ist: La máxima Fuera de la Iglesia nadie puede salvarse, entendida como la Iglesia la enseña, es la más simple de las verdades; una verdad de buen sentido. Fuera de la Iglesia no hay salvación, es lo mismo que decir: Fuera de la luz, las tinieblas; fuera de lo blanco, lo que no lo es; fuera del bien, el mal; fuera de la vida, la muerte; fuera de la verdad el error. Significa buenamente que uno está obligado, bajo pena de pecado grave, á creer y practicar la verdadera religión, que es la religión católica, cuando se halla en el caso de hacerlo. Significa esto que peca, y por consiguiente se condena, el que rechaza voluntariamente la verdad cuando se le presenta (Hormiga de O r o 1886).

Im Hassgesicht des Gegners vermeint man nur allzu gern, das Abbild jenes anderen antichristlichen Gottes zu erblicken, jenes „Dios del siglo; su ministro universal y agente todopoderoso, el dinero; y la inmoralidad, el ambiente que respiran y la atmósfera en que se mueven soberano, ministro y subditos" (Polo y Peyrolon 1879). Mit äußerster Inkonzilianz steht das katholische Spanien jenen „altares de la moderna divinidad" (ebd.) gegenüber, mit denen es sich seit der napoleonischen Fremdherrschaft in einer Art Glaubenskrieg befindet. Auf den Feldern von Philosophie, Politik, Rechtswesen und nicht zuletzt Literatur (vgl. dazu Bourdieu 1984) bestimmt dieser Dualismus eine Vielzahl von Handlungsbereichen, welche die Rolle der Religion in der Gesellschaft im weitesten Sinne und das Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche im Besonderen diskursivieren. Auf welche Weise sie sich den jeweiligen Konjunkturen in der Restaurationsepoche anzupassen wissen, lässt sich an Zeitschriftenaufsätzen, Monographien, Vorträgen oder Rezensionen ablesen, die sich, wie in der Bibliographie dieser Arbeit (vgl. V, 2.0) ersichtlich, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts den Gegenstand der Religion diskursiv aneignen. Das intellektuelle Feld wird von einer Generation besetzt, die im Zeichen neuerer idealistischer Philosophiebewegungen (Hegelianismus, Krausismus, Sozialismus) gemeinsame Interessen wie Antipathien eint, „all seeking to renew the ideological project of Spanish liberalism [and

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

considering] the Church to be a major obstacle to the modernization o f Spain" (Mitchell 1998: 38). Z u ihr gehören neben Universitätsprofessoren wie Francisco Giner de los Ríos ( 1 8 3 9 - 1 9 1 5 ) , Politiker wie José Echegaray y Eizaguirre ( 1 8 3 2 - 1 9 1 6 ) , Juristen wie Joaquín Costa Martínez ( 1 8 4 6 - 1 9 1 1 ) , Philosophen wie Gurmesindo de Azcárate ( 1 8 4 0 - 1 9 1 7 ) , katalanische Architekten wie Lluís D o m é n e c h i Montaner ( 1 8 5 0 - 1 9 2 3 ) , aber auch Autoren wie Juan

Valera

y

Alcalá-Galiano

(1824-1905),

Benito

Pérez

Galdós

( 1 8 4 3 - 1 9 2 0 ) , Pardo Bazán ( 1 8 5 1 - 1 9 2 1 ) und Leopoldo García-Alas Urefia, alias Clarín ( 1 8 5 2 - 1 9 0 1 ) . Gemeinsam ist diesen Zeitgenossen vor allem der Bezug auf das historische Ereignis der Revolution von 1868, der die Forschung dazu veranlasst hat, die genannten Autoren als Angehörige einer Generation zu bezeichnen (vgl. z. B. Pérez Gutierrez 1975 bzw. Jiménez Fraud 1973), ähnlich wie dies auf andere Weise bei der synchron wirkenden portugiesischen Geraqäo Coimbrä der Fall ist (vgl. Machado 1981). D a s Kriterium einer gemeinsamen Prägung durch gesellschaftlich-soziale Prozesse (vgl. Erhart 2 0 0 0 ) trifft auf diese G r u p p e von Literaten und Intellektuellen allemal zu: So erzeugen die revolutionären Erfahrungen der ersten spanischen Republik, aber auch die Ernüchterung über die Restauration der Bourbonenherrschaft ein gemeinschaftliches Bewusstsein. Auch wenn der theoretisch nicht eben präzise, aber gegenwärtig u m so beliebtere Generationsbegriff alles andere als unproblematisch erscheint, schließen wir uns bisherigen Überlegungen insoweit an, als hier Politiker, Wissenschaftler, Philosophen, Juristen und Literaten nicht nur ein intellektueller Anspruch verbindet, sondern diese in der Rezeption des deutschen Idealismus auch eine intertextuelle Grundlage finden: Sólo a conveniente distancia puede apreciarse la fuerte unidad que presta un común carácter histórico a tan numerosas, diversas y fuertes personalidades. Eran todos ellos hombres criados en el respeto a las ideas y que estimaban que un avanzado grado de formación intelectual era un supuesto indispensable para la intervención en la vida pública. De todos podría decirse, sin incurrir en paradoja, que la filosofía que los unía era menos una doctrina que una educación en el amor de la verdad y en la técnica de su investigación por principios. Viniesen los hombres más distinguidos de esta generación de donde viniesen: del campo teológico, del económico, de las varias fórmulas de filosofía alemana: Kant, o Hegel, o Krause [...] (Jiménez Fraud 1973: 27). Diese Generation inauguriert ein neues Kultur- und Geschichtsverständnis (vgl. Thatcher Gies 2 0 0 3 : 4), das mit der laizistischen Pädagogik eines Francisco Giner de los Ríos (Marco 2 0 0 0 ) den Weg in die spanische Moderne vorzeichnet, „at the very end o f the nineteenth Century and in the earliest decades o f the twentieth" (Pratt 2 0 0 1 : 9). Gegenüber einer nationalkatho-

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Problemstellung

lischen Mythologie bilden sich Umrisse liberaler Einbildungsstrukturen ab, welche zu dieser in geradezu unversöhnlichem Gegensatz stehen: Während sich das Subjekt der Geschichte aus nationalkatholischer Sicht noch immer als „el pueblo de Dios, o más bien la Iglesia, como representante suya" (Alvarez Junco 2 0 0 3 : 4 3 1 ) ausweist, ist es den aufgeklärten Geistern zum bürgerlichen Nationalstaat, wenn nicht zu einer Menschheit geworden, die in einem Bruderbund der Völker vereint ist. Nicht das Goldene Zeitalter der Habsburgischen Könige, sondern das Mittelalter mit seinen städtischen Demokratien und der Koexistenz der drei Religionen gilt ihnen als Vorbilder. An die Stelle einer erneuten Glaubenseinheit setzen sie die nationale Souveränität, die sich fur manche Liberale bereits in den Grenzen einer Föderation iberischer Völker zu vollziehen hat (vgl. Rueda Hernanz 1998). W i e wir sehen, handelt es hier um ein umfassendes Vorhaben, das nahezu alle Bereiche der Kultur, Politik und Wissenschaft einbezieht. In diesem Rahmen fällt dem Roman im Zeichen des Realismus die Aufgabe zu, die sprachliche Aneignung der Welt durch den Bürger zu ästhetisieren, „a national project [...] to fabricate a new narrative identity that ultimately would fuse with a new national identity" (Valis 2 0 0 5 : 175). D a die Nation nur in der Vorstellungswelt ihrer Mitglieder existiert, bedarf es gemeinsamer Fiktionen, die différente Lebenswelten miteinander verbinden. Doch neben poetischen Erzählungen, die an jener von Benedict

Anderson

(1996)

gezeichneten

nationalen

Kommunikations-

gemeinschaft maßgeblichen Anteil haben (vgl. Culler 2 0 0 3 ) , wirken auch andere Narrationen an der demokratischen wie säkularen Verfasstheit Spaniens mit (vgl. dazu Valis 2 0 0 5 bzw. Boyd 1997). Obschon es sich aus diesen Gründen als problematisch erweisen muss, jene Generation auf wenige bekannte Namen zu reduzieren (Valis 1981: 6 9 ) , geht es auch in den sich konstituierenden intellektuellen Feldern um Machtgewinn und Machterhaltung, in diesem Fall um die Teilhabe an symbolischer Macht, um „le monopole de la légitimité littéraire, c'est-a-dire, entre autre choses, le monopole du pouvoir de dire avec autorité qui est autorisé à se dire auteur" (Bourdieu 1984: 13). Sind es für Frankreich Autoren wie Flaubert und Baudelaire, welche in der Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidende Impulse zur „Konstitution des literarischen Feldes als einer gesonderten Welt mit je eigenen Gesetzen" geben (Bourdieu 1 9 9 9 : 84), so wird diese Funktion in Spanien nach 1 8 7 0 zweifellos von Pérez Galdós wahrgenommen, „to a greater degree than other writers (who, o f course, also participate in the process)" (Rios-Font 2 0 0 4 : 85). M i t einem neuen literarischen Kanon, der den kostrumbristischen Roman hinter sich lässt, definiert dieser die Beziehung der Literatur zu anderen Feldern und die Position des Schriftstellers in der Gesellschaft ,,[as] an intelligent, learned man [...] devoted to his craft, not

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

worried about money, slowly shaping a unique work of art" (ebd.: 73). Im Zeichen von Pérez Galdós geht die Literatur die Verpflichtung ein, den fortschrittlichen Bürger vor traditionellen Formen angemaßter Macht, vor allem der Kirche, zu warnen, um in diesem oder auch entgegengesetztem Sinne (Pereda) die Schule des bürgerlichen Gemeinwesens zu sein. Zurecht ist der Autor daher seit längerem als „la figura más importante del siglo XIX en España y como uno de los grandes genios creadores al lado de Miguel de Cervantes y Lope de Vega" anerkannt (Correa 1962: 9), so dass wenigstens seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Seiten der internationalen Forschung vornehmlich seinen Romanen „[una] atención creciente" gilt.7 Uber die literarische Bedeutung hinaus artikuliert sich in seinem Romanund Dramenwerk, aber auch in seiner Rolle als Intellektueller jene antiklerikale Grundhaltung, die ein großer Teil der zwischen 1840 und 1860 geborenen Spanier bürgerlicher Herkunft mit ihm teilt: El anticlerical por excelencia de esta generación fue nada menos que don Benito Pérez Galdós, quien, va entrado el siglo X X y con más de sesenta años, tenía humor para ir por los calles de Madrid en una manifestación hostil al cleros, del brazo de Moret, Aguilera y otra porción de hombres públicos, graves y barbudos (CaroBaroja 1 9 8 0 : 2 1 5 ) .

Sekundiert wird diese ikonoklastische Gesinnung von Flugblättern und Zeitungen, aber auch von einem zumeist offen antiklerikalen Feuilleton, das französischen Vorbildern folgend (z. B. Jules Michelets Le prétre, la femme et la famille, 1845) zu einer ähnlich blühenden Industrie heranwächst, wie sie ebenfalls auf der Seite der Geistlichkeit entstehen soll (Mitchell 1998: 36-37). Zeichnen diese Druckschriften geradezu seismographisch das Umschlagen latenter Konflikte in offene Gewalt auf (vgl. Caro Baroja 1980: 181-185)8, so verdichten sich besonders in den sogenannten Thesen- oder Tendenzromanen die zuweilen hitzigen Debatten über die Religion, die in den siebziger und achtziger Jahren auf beiden Seiten zwar einen großen Aufschwung erleben (vgl. Romero Tobar 1998) und auch in der Folgezeit mit Vicente Blasco Ibáñez eine weitere Wirkung zeitigen werden: Predomina en ellas [las novelas de tesis] el problema religioso y son, en cierto modo, obras de tendencia social. En los años que siguieron a la revolución del 68, el problema religioso empezó a preocupar especialmente a artistas y a sociólogos y

7 Correa (1967: 7). Dieses wachsende Interesse hat sich inzwischen längst auf andere Autoren der gran novela, vor allem auf Clarín und Pardo Bazán ausgedehnt (vgl. z. B. García Sarriá 1975, López-Sanz 1985, García San Miguel 1987, Caudet 1995) 8 Man denke etwa an die z. T. außerordentlich gewalttätigen Ausschreitungen in Barcelona (1835, 1861, 1896, 1899, 1901), das zum antiklerikalen Zentrum Spaniens wird.

Problemstellung

23

se convirtió en motivo predominante en la novela. [...] Se dividió el c a m p o d e la literatura c o m o dividida estaba la vida española (Angel del Rio, zit. nach Aparici Llanas 1982: 11).

Wie sich der Gegenstand keinesfalls auf eine bestimmte Diskursart beschränkt, so lässt er sich ebenso wenig auf das bloße Verhältnis zur Kirche festlegen. Hinlänglich wurde von der Forschung nachgewiesen, dass sich die Religion in der Restaurationsepoche entgrenzt und im literarischen Diskurs selbst zu einem bedeutsamen Medium sozialer (vgl. u.a. Dendle 1968, Oleza 1976: 23-25 sowie Pérez Gutiérrez 1975) wie allgemein zwischenmenschlicher Konflikte wird (vgl. u.a. Miranda 1982, Mora García 1981, Paolini 1969, Penuel 1972 sowie Ruiz Ramón 1964). Im Vergleich zur gattungsgeschichtlichen Entwicklung in Frankreich, Großbritannien und Russland nimmt der spanische Roman in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein, „[como] lo más característico del hecho español será no sólo el que los principales autores empuñen su pluma en el tratamiento de la problemática religiosa, sino el que todos los nombres de segunda fila aparezcan obsesionadas por idéntica temática" (Miranda 1982: 3). Eine ganze Generation spanischer Literaten steht im Bann jener leyenda de Dios, die über das historische Spannungsverhältnis zwischen Klerikalismus und Antiklerikalismus hinaus im Roman zu einer „Sage des Seins", zu einer Erzählung über „la condición misma del humano existir" wird (vgl. Heidegger 1992: 181 bzw. Pérez Gutiérrez 1975: 15-18). Die Auseinandersetzung mit einer als überkommen empfundenen öffentlichen Repräsentation von Religion und Glauben (vgl. Ruíz Ramón 1964: 221 bzw. Correa 1974: 242-245) impliziert zudem das Interesse an einer ökumenischen Glaubenspraxis, die sich der Usurpation von Seiten der Geistlichkeit entzieht und einem verinnerlichten Selbstgefühl des Bürgers gemäß ist. Jenseits des Geltungsbereichs der sogenannten Thesenromane wurde daher immer wieder der außerordentlich religiöse Charakter von Pérez Galdós' Weltkonzeption und -idee hervorgehoben, die er mit seinen literarischen Zeitgenossen teilt (Correa 1977: 285). Überdies steht in der Mehrzahl bisheriger Veröffentlichungen der Konflikt zwischen Kirche und Liberalen (vgl. Dawson 1957, Balseiro 1970, Dendle 1968, Aparici Llanas 1982), die Darstellung des Klerus in der gran noveladas Auftreten des Numinosen in narrativen Texten (Shoemaker 1988) 10 , das Verhältnis zwischen Juden und 9 Wie Arbeiten aus anderen Untersuchungbereichen, aber mit ähnlicher Zielrichtung (so z.B. Fritsch-Dove 1991) lesen sich Miranda (1982) bzw. Miranda (1983). Vgl. dazu auch die Rezensionen von Mattauch (1991) bzw. von Pozzi (1992). Der Verfasser hat sich hier auf die bloße Sammlung und Registrierung textinterner Daten zu diesem Phä-

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Christen (Schyfter 1 9 7 8 bzw. Veegh 1 9 9 0 ) oder die Bedeutung christlicher Grundwerte bei Galdós (Paolini 1 9 6 9 , Penuel 1 9 7 2 ) bei weitem im Vordergrund, so als wollte in diesen Ansätzen jenes Perzeptionsverhältnis zur Wirklichkeit wiederkehren, wie es offenbar für den Roman bestimmend ist." Wenn die Hispanistik aber vor allem in Hinblick auf die Romane von Pérez Galdós grundsätzlich heute „kein Neuland, sondern intensiv gepflegte Kulturen" vorfindet (Hinterhäuser 1 9 8 6 : 2 3 1 ) 1 2 , so steht jede wissenschaftliche Bemühung grundsätzlich vor der Notwendigkeit, auf „the marked increase in interest" einzugehen (Dendle 1 9 8 0 : 1). Ein neuer Forschungsansatz, der den Anspruch hat, eine ohnehin ansehnliche Bibliographie zu bereichern, steht „clearly in need of some justification" (Rodgers 1 9 8 7 : ix), um so mehr, wenn er sich dem eher traditionellen Untersuchungsbereich der Religion im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche zuwendet. Kann bereits seit längerer Zeit davon gesprochen werden, dass die Forschung die Frage von Galdós' religiösen Uberzeugungen auf vielen verschiedenen Ebenen behandelt hatte (Woodbridge 1 9 7 0 , 53: 943), so weiß sich dieses Interesse legitimerweise in Einklang mit der Biographie des Autors selbst, in der das Problem der Religion seit seinen ersten Artikeln im Mittelpunkt steht (Beyrie 1 9 8 0 , 1: 199). Doch gegenüber dieser zum authentischen Kronzeugen aufgerückten Sozial- und Lebensgeschichtlichkeit, die wenigsnomen beschränkt, so dass seine Studie trotz des so verheißungsvollen Titels insgesamt sehr enttäuschend ausfällt. " Vgl. dazu Gumbrecht (1990, 1: 755): „[...] die in Frankreich, England oder Deutschland dominierende Frage, ob Wirklichkeit im Alltag, in der Philosophie oder in der Literatur noch 'objektiv' zu erfassen sei, scheint in Spanien - bis ins frühe 20. Jahrhundert jedenfalls - zweitrangig gegenüber der Entscheidung geblieben zu sein, ob man sich gesellschaftlicher Wirklichkeit unterordnen oder ihr 'als Individuum' entkommen solle." 12 Dennoch gehört es zu den Besonderheiten der deutschen Romanistik/Hispanistik, das vornehmlich in den Vereinigten Staaten gestützte Interesse an der gran novela nicht in ähnlich großem Maße begleitet zu haben. Das von Hans Hinterhäuser inaugurierte und entfaltete Interesse an der gran novela und insbesondere an Pérez Galdós (Hinterhäuser 1961) hat sich nicht in dem von ihm erhofften Umfang fortgesetzt und in einer Vielzahl neuer Arbeiten niedergeschlagen. Noch 1986 meint er im geringen deutschen Widerhall, den allerdings nicht nur Pérez Galdós, sondern im weitesten Sinne die gesamte gran novela von wenigen Ausnahmen trifft, gar ein grundlegendes Symptom zu erkennen, nämlich dass „die spanische Kultur einstweilen nicht eine der den mitteleuropäischen Interessen am nächsten stehenden ist" (Hinterhäuser 1986: 244). So mag die Einordnung von Pérez Galdós als „el Balzac o el Dostoievski castellano" (Geisler/Povedano 1996: 7) zwar begründet sein, zumal im Spanien des ausgehenden 19. Jahrhunderts kein anderer Schriftsteller mit einem vergleichbar vielfältigen und reichen Angebot an Romanen, Erzählungen und dramatischen Texten hervorgetreten ist. Tatsächlich schlägt sie sich aber nicht in einer ähnlichen Breite der Forschung nieder, vor allem, wenn man sie an der unvergleichlich größeren Aufmerksamkeit misst, mit der etwa die französischen Klassiker des Jahrhunderts bedacht werden. Vgl. dazu Strosetzki ( 1 9 7 8 - 8 1 , 1 : 4 1 -43), (1982-86, 2: 51-56) und (1987-1989, 3: 55-59).

Problemstellung

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tens über Jahrzehnte gleichsam zentrale Erkenntnisquelle fur die Forschung geworden ist, erscheinen uns Bedenken durchaus angemessen. Denn offensichtlich haben die immer neuen Ergebnisse, die aus einem solchermaßen fundierten Vorgehen erschlossen wurden, in der Literaturgeschichtsschreibung kaum nennenswert andere Einsichten hinterlassen, als dass sich der Autor ähnlich der Mehrzahl seiner liberalen Zeitgenossen nicht dem „Bekenntnis zu einem bestimmten D o g m a oder Glauben" verpflichtet weiß, sondern der religiösen Empfindung als „el problema [...] de convivencia, de tolerancia, de deseo de armonía" (Valbuena Prat 1974, 3: 319), eine immerhin evident gewordene Einsicht, die später immer wieder variiert wurde. 13 Abgesehen davon, dass Pérez Galdós (etwa 1877 in einem Brief an Pereda) und in anderen Nuancen Juan Valera aber derartige Auffassungen zeit ihres Lebens selbst äußerten (zit. in: Bravo Villasante 1970: 19), werden diese mit mehr oder weniger großer Zustimmung auch in der Forschung geteilt (vgl. dazu Garcia San Miguel 1987: 171-238). So lässt sich die im Grunde bekannte Positionierung von Pérez Galdós im Konflikt zwischen Orthodoxie und individueller Glaubensfreiheit nur immer wieder bestätigen: Galdós aborda en sus novelas el fenómeno del ser místico. Ahí encontró siempre el mensaje cristiano - Galdós se mueve siempre dentro del marco del cristianismo - sin la estructura de la institución eclesiástica [...]. Esta perspectiva le sirvió c o m o base de crítica a la institución eclesiástica por antonomasia: era la opción carismàtica opuesta a la Iglesia católica (Mora García 1981: 207).

Was also wäre evidenter und einleuchtender als ein Standpunkt, der die Ablehnung von amtskirchlicher Orthodoxie und theologischem Dogmatismus mit der grundsätzlichen Zustimmung zu einer 'offenen' abendländischen Metaphysik verbindet, wie sie noch in einer säkularen Gesellschaft unserer Zeit nicht eben ungewöhnlich sein dürfte? 14 U m so mehr ist diese Position " Vgl. etwa Kreutzer ( 1 9 9 1 , 4 5 ) : „ D i e Kritik hat sich ausgiebig mit G a l d ó s ' Verhältnis zur Religion befaßt: als sicher darf gelten, dass Religion und Religiosität G a l d ó s zeitlebens interessierten, was angesichts der Bedeutung, die die Religion i m historischen und sozialen Kontext des spanischen Lebens hatte, nicht erstaunlich ist; als sicher darf auch gelten, dass die a u f die Nächstenliebe zielenden moralischen Forderungen des Christentums seine Sympathie fanden, während er der Kirche als Institution infolge ihres D o g m a t i s m u s , ihrer autoritären Einflußnahm e auf private u n d öffentliche Angelegenheiten usw. kritisch bis ablehnend gegenüberstand, wie auch fraglich ist, o b er wirklich Verständnis für die spirituellen G r u n d l a g e n der Religion besaß." 14 Dies ist im übrigen auch stets das traditionelle Diskursschema in der Auseinandersetzung zwischen laizistischen Intellektuellen und d e m Katholizismus gewesen, das sich etwa auch in der Stellungnahme einer 'jeune libre penseur' aus Anlaß der Weltjugendtage in Paris (August 1997) aktualisiert: „Je refuse catégoriquement qu'un clergé régente m a vie privée. C ' e s t d u cléricalisme. Et pour cela q u e je suis anticléricale. J e ne fais pas de phobie anticatholique. Il y a dans le catholicisme une culture pleine d'intérêt et une fraternité qui mérite la sympathie. Mais il y a

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Jenseits von altem G o t t und ' N e u e m Menschen'

wenigstens in intellektuellen bürgerlichen Kreisen zu einem Allgemeinplatz in einem kulturellen Raum geworden sein, der zumindest in der von uns skizzierten Epoche noch weitgehend einem christlichen Traditionshintergrund verpflichtet ist, wie Ángel Ganivet (1865-98) am Ausgang des Jahrhunderts zu bedenken gibt, „[pues] España se halla fundida con su ideal religioso, y por muchos que fueran los sectarios que se empeñasen en 'descatolizarla', no consiguirían más que arañar un poco la corteza de la nación" (Ganivet 1990: 62). Gerade die ideologischen Affiliationen der Zeitgenossen „en punto a Religion" scheinen weniger individuellen Befindlichkeiten, denn einer allgemeinen Zeitstimmung geschuldet, welche eine in sich zutiefst gespaltene Gesellschaft, so Giner de los Ríos (1973: 177), in drei große Strömungen einteilt, „la dogmática o autoritaria, la racionalista y la atea" (ebd.). Wenn Pérez Galdós der zweiten, Menéndez Pelayo indes der ersten Tendenz folgt, können sie nur einen oberflächlichen Eindruck von der religiösen und geistigen Situation ihrer Zeit hinterlassen. Dass der Schriftsteller nahezu alle Übel des Jahrhunderts der Geistlichkeit zuschreibt, der katholische Gelehrte diese hingegen der modernen Heterodoxie anlastet, dass sich beide demnach „por un pensamiento un poco infantil" (Caro Baroja 1980: 217) leiten lassen, dürfte sich aus heutiger Sicht zumal als in allenfalls zweiter Linie relevant erweisen. Aufschlussreicher wäre es hingegen zu wissen, inwieweit Vertreter der genannten Tendenzen ihrer Zeit eine ähnliche Grundstimmung attestieren, d. h. unabhängig von ihrer Gesinnung zu analogen Aussagen über die Metaphysik ihres Zeitalters kommen. Diese Fragestellung verlangt indes nicht nur nach einem anderen Vorgehen, sondern auch nach einem Konzept, das anders als Begriffe wie 'Glauben' oder 'Bekenntnis' es vermögen, die prinzipielle Unverfügbarkeit des Göttlichen oder Heiligen zur Voraussetzung einer Untersuchung macht. Denn das Göttliche, von dem wir im Folgenden ausgehen werden, schließt sich eng an den Begriff des Heiligen an 15 , wie er von Rudolf Otto (1994) als ein Apriori definiert wurde, das aller religiösen Erfahrung zugrunde liegt. Mit dem Heiligen verbindet sich die Vorstellung des 'Ganz anderen, das in diese Welt einbricht und nicht in die gängigen Kategorien menschlichen Sprechens eingeordnet werden kann. In seinen wichtigsten irrationalen Momenten, dem tremendum (das, vor dem man zittern muss) bzw. dem fascinosum (das Verlockende), in denen sich die Macht der sich offenbarenden Gottheit zeigt, entzieht es sich grundsätzlich dem rationalen Zuaussi ce cléricalisme inadmissible qu'on retrouve d'ailleurs dans toutes les réligions monothéis-

tes" (LeMonde, 26.08.1997).

15 Vgl. Tillich (1987: 251), der „die Idee des Heiligen [als] die beste Eingangstür in das Verständnis der Religion [erklärt], [...] Das Heilige und das Göttliche müssen korrelativ interpretiert werden."

Problemstellung

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griff. Wenn „Gott für den Menschen unverfügbar ist" (Stolina 2000: 137), wenn er „in aller Mitteilung verborgen - vom Menschen aus unzugänglich [...] ist, nur so weit zu erkennen, als er sich zu erkennen gibt [...]" (ebd.: 174), können religiöse Bekenntnisse wohl kaum ein adäquater Zugang zu der Frage sein, wie das Göttliche zum Gegenstand im literarischen und philosophischen Diskurs der spanischen Restaurationsepoche wird. Vorbehalte gegenüber den historisch-biographischen Verfahren, die für diesen literaturwissenschaftlichen Untersuchungsbereich lange Zeit maßgeblich waren, ergeben sich aus der mittlerweile gewonnenen Einsicht, dass auf diese Weise keine unvertrauten und möglicherweise überraschenden Resultate mehr zu erzielen sind. 16 Insofern erweist sich die hauptsächlich in der postmodernen Literaturtheorie umstrittene Konzentration auf den Autor als obersten Wahrheitsgaranten (vgl. Jannidis/Lauer 2000) auch in Hinblick auf andere Textsorten als geradezu paradigmatisch. Als auratische Geistesgröße ist er hier, „[seguiendo] la divisiön politica de nuestros novelistas, segün el criterio de Clarin, generalizado despues por la historia y la manualistica posterior" (Llera Estebän 1991: 406), zu einem Ideologen geworden, der in der Auktorialität seiner Erzählinstanzen Bestätigung finden soll. Was für Narrationen gilt, trifft daher auch auf jene expositorischen Texte aus benachbarten Feldern (Philosophie, Theologie, Politik) zu, in denen der Gegenstand der Religion in der Restaurationsepoche in einen Diskurs gefasst wird. Vor dem Hintergrund des beschriebenen Grundkonfliktes geraten die Verfasser politischer, juristischer oder philosophischer Texte — auch entgegen ihren eigenen Intentionen - nur allzu leicht in den Verdacht, die Partei der Geistlichkeit oder der Antiklerikalen zu ergreifen, so dass der jeweilige Gegner sie ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt beurteilt. Unser Versuch, das religiöse Problem dem Subjekt eines allgegenwärtigen Autors ebenso zu entziehen wie seiner unmittelbaren Biographie, nimmt demnach überhaupt Bezug auf die diskursive Praxis, soweit diese die Religion, wie in den in der Bibliographie angegebenen Primärtexten (vgl. V, 1 -0 und 2.0) zu ihrem Gegenstand macht und begründet sich aus folgenden Überlegungen: • Die den Roman beherrschende Auktorialität ist das Ebenbild eines in seiner Souveränität nicht weniger erhabenen Gottes (Castellet 1957: 16). 16 Ungeachtet des bisher nur verhaltenen deutschen Interesses, das Prill (1999: 15-16) gerade auf die simple Etikettierung von Perez Galdös als 'Realisten' oder 'Naturalisten zurückführt, sind in den letzten Jahren auch in Deutschland Arbeiten vorgelegt worden, die entgegen der irrigen Annahme, man könne den europäischen Realismus unter wenigen paradigmatischen N a m e n subsumieren, nicht nur die Originalität von Autoren wie Perez Galdös oder Clarin, sondern auch die epistemologische Komplexität (Matzat 1995) und die mythographische Struktur (Prill 1999) ihrer Texte entdecken.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen W i e der Schöpfer des Himmels und der Erde durch sein W o r t wirkt und als absoluter Gebieter über seine Kreaturen herrscht, so verfügt der andere über die Kraft seiner kompositorischen Sprache und ist damit wesentliches Sinnzentrum aller von ihm konzipierten Figuren. 17 Jener auratische Status, der den Schreibenden mit der Gewalt eines großen Sprechers ausstattet, stellt ihn als „universellen Intellektuellen" 18 in eine besondere Beziehung zum Absoluten, so dass Kirche, Staat und Gesellschaft gerade seinen Aussagen in religiösen Fragen einen beträchtlichen Stellenwert beimessen und ihn so in die Rolle eines (befreundeten oder befehdeten) Ideologen drängen. 1 9 Die zu beklagende Wiederkehr evidenter Erkenntnisse über das religiöse Credo mancher Romanciers ergibt sich aus dem Umstand, dass mit dieser „enojosa presencia

del creador" in zahlreichen Texten der gran

nove-

lad auch das von ihm repräsentierte Sinnkonstrukt eines machtvollen Subjektes von einer im wesentlichen historisierenden Forschung reproduziert wurde (vgl. dazu z. B. Povedano 1 9 9 6 ) . •

Mittels dieser Imago von einem in seinen Entscheidungen autonomen auctor

wird die Religion jedoch auf die Problematik eines bloßen Bekennt-

nisses reduziert, das in vollem Bewusstsein angenommen oder abgelegt werden kann. Eine derartige Verengung von Welt-Anschauung mag sich aus den großen ideologischen Polemiken der Zeit erklären (Pérez Gutiér17 Vgl. Bonet (1972: 13) über den Status des Schriftstellers im 19. Jahrhundert: „El novelista, en fin, se arrogaba todos los atributos de Dios ante sus ficciones y, como tal creador, creía tener plena libertad y conocimiento frente a los personajes elaborados con el barro de su imaginación. Esta mezcla arbitraria de conceptos individualistas, estéticos, y pseudoteológicos surge docenas de veces en las novelas de Balzac, Dickens, Dostoyevsky y, entre nosotros, en Galdós y todos los demás novelistas de su generación." 18 Vgl. dazu Foucaults Unterscheidung zwischen „spezifischen" und „universellen" Intellektuellen, wobei der letztere im Typus des Aufklärers, Juristen oder Literaten die Bedeutung eines laizistischen clerc einnimmt, der damit freilich zwangsläufig in Konkurrenz zum traditionalen Klerus tritt (vgl. dazu Foucault 1978: 46ff). 19 Auf diese historische Ideologisierung von gran novela-Autoren, die bis in die Franco-Ara andauert, reagiert auch Pérez Gutiérrez (1975), wenn er in seiner zum Gegenstand der Religion wichtigen Arbeit gegenüber entsprechenden Verfälschungen den problematischen Versuch macht, deren Persönlichkeit bzw. deren Haltung zur Religion aus möglichst zuverlässigen Quellen (Korrespondenzen) und aus den Romanen zu rekonstruieren. Freilich werden fiktionale Texte dabei vor allem aus der Perspektive ihrer biographischen bzw. politischen Wirkung wahrgenommen, was die hier kritisierte Zentrierung des Autorensubjektes notwendigerweise bestätigen muss. Ein Problem, das in eine ähnliche Richtung geht, besteht in dem Bemühen des Autors, aus verleumdeten Heterodoxen aufrechte Christen zu machen, was über Pérez Galdós hinaus auch in Hinblick auf Autoren wie Clarín einseitig ist. 20 Vgl. Bonet (1972: 12). So habe sich der Roman zu einem Zeitpunkt „en manos del autor en un objeto de propiedad privada [verwandelt], precisamente en un momento — y ello no era simple coincidencia - en que la filosofía capitalista, con el explicable optimismo hijo de unos triunfos revolucionarios aún cercanos, creía tener la clave permanente de la Historia [...]."

Problemstellung

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rez 1975: 14) und soweit es Pérez Galdós selbst betrifft, aus dessen emblematischer Bedeutung „[en su] misión de resucitar y redimir a España" (Gómez-Pérez 2005: 34).21 Sie fuhrt aber nicht allein dazu, dass Literatur auf den Status einer moralischen Anstalt (für oder wider eine bessere Gesinnung) beschränkt wird.22 Auch wird damit impliziert, dass das Subjekt der Aussage immer wieder auf das Subjekt des Autors festgelegt und als dessen ausschließliches Sprachrohr interpretiert wird, so dass die Forschung wie in einer zirkulären Bewegung stets aufs neue von Selbstzeugnissen und Zeitzeugen des Schreibenden auf den fiktionalen Text zurückweicht, ohne diesem indes in seiner häufig befremdlichen Vielstimmigkeit gerecht zu werden. • Dieses mimetisch begründete Vorgehen bewegt sich letztlich auf der Grundlage eines Seins, dessen Gewissheit, wie sie im 'Ich' des Schreibenden verbürgt ist, die Fülle eines ganzheitlich geordneten Kosmos voraussetzt. Dabei beruhen die ontologischen Grundbedingungen der im Abendland dominant gewordenen ästhetischen Tradition bekanntermaßen auf der Vorstellung, dass ein Sinnkonstrukt eine exemplarische Realität abbildet, die als verkleinertes Bild des Universums wiederum dessen vollständige Projektion ist (vgl. Blumenberg 1981: 42). Dabei ist daran zu erinnern, dass die von Aristoteles verstandene Werksetzung als technische Herstellung einer zweiten Wirklichkeit, welche fiir das Erbe der europäischen Ästhetik bestimmend ist, noch von der christlichen Schöpfungstheologie überboten wird und im Grunde ein neues Kunstverständnis einleitet: Mit der Übertragung der von Gott ausgeübten Funktionen als oberstem artifex auf den Menschen gemäß der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit wird der SchöpfungsbegrifF auf ständig progredierende Neuschöpfungen ausgeweitet. Das Artefakt des Künstlers ist also mehr als eine mimetische Ausgestaltung der Natur, da es stets im Eingedenken an die Schöpfung des Universums ein analoges Bild des Makrokosmos im Mikrokosmos schafft, wie Rüdiger Bubner (1989: 32) die Vorstellung vom Dichter als alter deus gegenwärtig macht.

21 Beispielhaft für diesen ahistorischen biographistischen Diskurs der Literaturgeschichte ist Valbuena Prat (1974, 3: 301), der den Autor bereits zu seinen Lebzeiten und vor allem nach seinem Tod als M o n u m e n t seiner selbst beschreibt: „Con su gafas verdes y su bufanda, sentado en su mesa de camilla, de viejo, era una institución, mansa y acogedora. Cuando murió, su cadáver, fue expuesto en el Ayuntamiento de Madrid, bajo la sombra de un Crucifico. Le admiramos vivo, y le rezamos muerto." 22 Vgl. dazu die Rezension von Karimi (1997) über den von Geisler und Povedano (1996) herausgegebenen Band zum hunderrfünfeigsten Geburtstag von Pérez Galdós.

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Jenseits von altem G o t t und ' N e u e m Menschen'



Bei der Ganzheit, Einheit, Geschlossenheit seiner Fabel werden jedoch bereits folgenschwere Präjudizien gesetzt, welche die nicht nur im Roman jener Zeit hinlänglich strapazierten Oppositionen wie 'klerikal' vs. 'antiklerikal', 'liberal' vs. 'traditionell' bzw. 'Glauben' vs. 'Wissenschaft' in ihrer ideologischen Aufgeladenheit notwendigerweise verfestigen und die Autorensubjekte bestimmten politischen Fraktionen zuordnen, wie dies in Analogie zu den historischen Gegensatzpaaren 23 auch in Literaturgeschichten immer wieder der Fall war. 24 Es bedarf eines methodischen Herangehens, das sich der unmittelbaren Geschichtlichkeit des Gegenstands entzieht, nicht um diese selbst auszublenden, sondern um jenem „furibundo clericalismo y anticlericalismo" zu entgehen (Pedraza Jiménez/Rodríguez Cáceres 1983, 7: 40), der den gesamten öffentlichen Diskurs in der spanischen Restaurationsepoche selbst über Gebühr in Anspruch genommen hat. Diese Erwägungen stellen uns vor die Notwendigkeit, eine Reihe theoretischer Vorkehrungen zu treffen, die wir der Beschreibung unseres Vorhabens voranstellen. D a die von uns beschriebenen Ansätze aus unserer Sicht erschöpft sind, müssen wir zunächst jene Kategorien in Augenschein nehmen, welche diese bedingen und die Tautologie vermeintlicher Evidenzen bestätigen. Jene Prämissen erlauben es zugleich, die Zugangsebene zu beschreiben, auf deren Grundlage wir unseren Untersuchungsgegenstand bestimmen und aus der wir unser weiteres Vorgehen ableiten werden. Dabei sollen folgende Überlegungen zur Sprache kommen. Die beschriebenen Dualismen ergeben sich aus jener antithetischen Denkstruktur der Metaphysik, die für die Reflexion zwar unabdingbar und unvermeidbar ist, aber eben auch von fataler Wirkung sein kann: Im Sinne eines Identitätsdenkens ordnet sie jeden Gegenstand der Erkenntnis einem Begriff zu, damit dieser dem erkennenden Subjekt zur Verfügung steht (vgl. Adorno 1998, 6: 152). In Zeiten einer metaphysischen Krise radikalisiert sich diese Denkform in doppelter Hinsicht:

2 3 Vgl. Abellán (1988, 5/1: 66-71). Im Gegensatz von 'modernismo' und 'casticismo' ließen sich etwa antinomische Reihen ausmachen, wie Ästhetik vs. Geschichte, Erneuerung vs. Tradition oder Wissenschaft vs. Religion. 2 4 Vgl. dazu Blanco Aguinaga/Rodríguez Puertolas (1986, 2: 151). Die Verfasser berufen sich bei ihrer simplistischen Einschätzung auf Clarín, der als „scharfer Kritiker seiner Zeit hervorhob, dass im Roman der Epoche Vergangenheit und Gegenwart, Freiheit und Tradition miteinander kämpfen". Während Alarcón, Pereda und Coloma einer offensichtlich ultrakonservativen Gruppe zuzurechnen seien, gehörten Valera, Pardo Bazán und Palacio Valdés einer anderen an, in der sich die herrschende bürgerliche Ideologie ausdrücke. Dieser unhintergehbaren Dichotomie der spanischen Narrativik zufolge ließe sich Pereda auf „eine Art 'Realismus'" (ebd.: 153), Valera auf einen „authentischeren Realismus" (ebd.: 161) und schließlich Clarín wie Galdós auf einen „kritischen Realismus" (ebd.: 167) festlegen. Es ist offensichtlich, dass die Analyse ihrer Texte nach einem Apriori steuert, der ausschließlich ideologischen Kriterien gehorcht. Vgl. dazu auch Engelbert (1996).

Theoretische Vorkehrungen

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Einerseits mehren sich ideologische Feind- oder Freundbilder, die zur Sprache des politischen Räsonnements werden. Andererseits vergrößern sich zugleich die Aussichten der Sprache, dieses Denken mit seinem eigenen Dualismus zu konfrontieren. Bleibt die Metaphysik eine voraussetzungslose Größe, ist das Göttliche lediglich als Reflex unmittelbarer historischer Kämpfe darstellbar, in dem sich einigermaßen bekannte Erkenntnisse mitteilen. Wird sie hingegen in ihren Leistungen und Defiziten problematisiert, kann das Numinose in seiner Geschichtlichkeit erfasst werden, aus der es selbst in der gestaltenden Größe eines väterlichen Subjekts entschwunden ist. Es wird uns in diesem Zusammenhang darum gehen, die Fiktion als einen privilegierten, aber keineswegs einzigen sprachlichen Modus wahrzunehmen, der uns die Welt als Modell einsichtig und verfugbar macht, aber auch eine kommende Wirklichkeit in neuen Entwürfen zu antizipieren imstande ist. Doch daneben sind auch andere diskursive Formen gefragt, die uns „vor die Möglichkeit bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen" (Heidegger 1985: 151). Zu diesem Zweck werden wir uns dem Dichtungskonzept Friedrich Hölderlins zuwenden, wie es von Martin Heidegger als Paradigma nichtpragmatischen Sprechens erläutert wird. Indem wir die poetische Sprache als Dichtung des Seins begreifen, sind wir imstande, hinter die schroffen Gegensätze der Restaurationsepoche zu gelangen und diese in den eigentlichen Bewegungen der Metaphysik als Symptome einer dürftigen Zeit zu lesen. In einem weiteren Schritt werden wir in den Arbeitsbegriff des 'Gottessignifikanten' einführen, wie er sich aus der Verwandlung des trinitarischen göttlichen Zeichens in ein sprachliches signum ergibt. Auf dieser theoretischen Grundlage, mit der sich das Göttliche als Erfahrung von Entzug und Präsenz in die Moderne einschreibt, werden wir unser Vorhaben bestimmen und wieder in den historischen Kontext der spanischen Restaurationsepoche zurückkehren.

1.1.2 THEORETISCHE

VORKEHRUNGEN

1.1.2.1 A P O R I E N DER M E T A P H Y S I K

Gerade in Hinblick auf den Status der Religion im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche geraten Verfahren, welche das Subjekt des Autors zur primären Quelle historischer Wahrheit erheben und seinen Texten einen abgeschlossenen Werkcharakter unterlegen, in Gefahr, die historische Konfiguration der Religion auf den Dualismus von 'katholischem' und 'liberalem' Lager zu reduzieren. Eine in so scharfen Antithesen denkende Sprache verstellt

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

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sich den Blick auf den transzendentalen Horizont der Zeit, indem sie nicht zuletzt auch die wissenschaftliche Erkenntnis um die Möglichkeit bringt, die Bewegungen der Metaphysik zu artikulieren. Vor allem Fiktionen leiden unter diesem nachteiligen Effekt. Anstatt insoweit ernst genommen zu werden, als sie die Fixierung auf den Gegenstand aufgeben, „[pues] la realidad, viene a decir Pardo Bazán, no solamente son las cosas, la naturaleza visible que nos rodea, sino sobre todo el mundo de lo invisible, de lo desconocido, de lo más mismamente intuido" (López Sanz, zit. nach Llera Esteban 1991: 432-433), reduziert man sie auf die blosse Erfassung von Gegenständen. Entgegen dem demagogischen Gestus der Zeit kann die Sprachkunst jene Geschichte der Wirklichkeitsauffassungen artikulieren, die sich dem Menschen vor allem im poetischen Wort und häufig eben nicht in öffentlichen Debatten erschließt. So mögen die Zeitgenossen in der Religion zwar ein gemeinsames Thema haben, mit dem man allerorts und jederzeit Unterhaltungen bestreitet, wie etwa im Hause von La familia de León Roch. Doch hier ist nicht eben selten zu gewärtigen, dass der schmerzhafte Dissens zur jeweils anderen Position jederzeit von einem fieberhaften Monologisieren und Geraune in Gesten offener „Gewalt gegen das zu verdrängende 'Andere'" (Hauck 1995: 97) umschlägt: [...] en algún pequeño grupo hacían crónica personal algo escandalosa, y en otro se hablaba de las cuestiones más hondas, de religión, por ejemplo, que es un tema planteado en todas partes dondequiera que hay tres o cuatro hombres, y que tiene el don de interesar más que otra cosa alguna. Este tema, constantemente tratado en las familias, en los corrillos de estudiantes, en las más altas cátedras, en los confesionarios, en los palacios, en las cabafias, entre amigos, entre enemigos, con la palabra casi siempre, con el cañón algunas veces, en todos los idiomas humanos, en los duelos de los partidos, con el lenguaje de la frivolidad, con el de la razón, a escondidas y a las claras, con tinta, con saliva, y también con sangre, es como un hondo murmullo que llena los aires de región a región y que jamás tiene pausa ni silencio. Basta tener un poco de oído para percibir este incesante y angustioso soliloquio del siglo (Pérez Galdós 1989a: 82).

Mit der Übernahme der sich in die ideologischen Konflikte einschleichenden Dichotomien werden die Prämissen der Metaphysik und ihrer historisch-sinnbildlichen Formen im Spanien des 19. Jahrhunderts nicht problematisiert, sondern im Gegenteil nur reproduziert und zum stillschweigenden Ausgangspunkt der eigenen Untersuchungen gemacht. Was sich unmittelbar in der Gefahr einer ideologisch gesteuerten und nunmehr historisch anachronistischen Rezeption niederschlägt25, bestätigt aber viel radikaler die Meta25

Vgl. Dendle (1968: 117): „The reader is always conscious that the author possesses two persons, that of narrator and that of moralist who interprets and judges."

Theoretische Vorkehrungen

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physik eines mit sich identischen Selbst, dessen hierarchisierte 'zweigliedrige' Ordnungen des Denkens in ihrem zweiten Term die jeweilige Gegenseite der Präsenz abbilden. Während dabei etwa das Böse die Abwesenheit des Guten oder der Irrtum einen Mangel an Wahrheit markiert, wird dem jeweils ersten Glied mit seinen Ansprüchen auf Ganzheit, Einheit, Identität oder Ursprünglichkeit Vorrang eingeräumt. Vor diesem Hintergrund lassen sich im zweiten Element zeitliche oder räumliche Distanz, Differenz oder Aufschub situieren, die es zugunsten eines sich selbst gleichenden Ichs zu bannen gilt. So ist zu bedenken, dass uns derartige Dispositionen stets vor Alternativen mit programmiertem Ausgang stellen. Stets geht es darum, zu entscheiden, zu scheiden zwischen d e m G u t e n u n d d e m Bösen, zwischen d e m D r i n n e n u n d d e m Draußen, es geht d a r u m , die unentschiedene Ambivalenz zurückzuweisen; das B ö s e auszutreiben, das gute O b j e k t wieder instand zu setzen, den rechten Sinn wiederherzustellen [...] u n d zwar aus Angst, vergiftet, verunreinigt, beschmutzt u n d zerstückelt zu werden ( K o f m a n 1988: 17).

Man geriete jedoch in eine ausweglose Situation, suchte man sich dieses antithetischen Denkens mit den Instrumenten eben dieses Denkens selbst zu entledigen, das von jenen sich überholenden Gegensätzen affiziert ist. Dies gilt um so mehr für die Dimensionen des Religiösen selbst, welche auch noch in „[den] intersubjektiven Rekonstruktionen von Erfahrungen 'mittlerer' und besonders auch 'kleinerer' Transzendenzen [wie Nation, Rasse, klassenlose Gesellschaft, 'Befreiungen' verschiedenster Art]" (Luckmann 1996: 127) eine latente Wirkung ausüben. Anders als der Glaube im Sinne einer religiösen Uberzeugung, ist 'Religion' im Kontext eines symbolisch fundierten Kulturbegriffs zunächst „ein historisch überliefertes System von Bedeutungen, die in symbolischer Gestalt auftreten, ein System überkommener Vorstellungen, die sich in symbolischen Formen ausdrücken, ein System, mit dessen Hilfe die Menschen ihr Wissen vom Leben und ihre Einstellungen zum Leben mitteilen, erhalten und weiterentwickeln" (Geertz 1994: 46). Wenn Religion als Symbolsystem „darauf zielt, starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen zu schaffen, indem [sie] Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, dass die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen" (ebd.: 48), stellen sich ihre Bekundungen jedoch eher als unbewusste und unwillentliche Akte dar (Bellah 1991: 11-12). Damit rückt der Gegenstandsbereich der Religion im Unterschied zu dem des Glaubens26 (einem System im Sinne von langue 2 S Vgl. dazu die unterscheidende Kategorisierung von 'religión' und 'belief' in: Bellah (1991: 216-236).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

im Gegensatz zur individuellen Praxis als parole) in die Nähe der Ethnologie, welcher aus der Sicht von Lévi-Strauss im Unterschied zur Geschichte die Aufgabe zukommt, „die Untersuchung der bewussten Inhalte" um „die der unbewussten Formen" zu erweitern (Lévi-Strauss 1977: 39). Während die Geschichte ihre Sachverhalte gewissermaßen aus bewussten Äußerungen zusammenstellt und dabei allgemein ein sinnstiftendes Subjekt voraussetzt, das als zeitlos erscheinende Instanz einer diskontinuierlichen Zeit kohärente Züge verleiht (Foucault 1992: 23), erfassen Ethnologie und Anthropologie ihre Gegebenheiten auf Grundlage unbewusster Lebensverhältnisse und Anschauungsweisen. 27 Diese Erkenntnisformen, die auch in den Dienst der neueren Geschichtsforschung gestellt wurden (vgl. dazu Vovelle 1994), haben den unbedingten Vorteil, sowohl zu den Positionen des Gläubigen als auch zu denen des antireligiösen Skeptikers den erforderlichen Abstand zu wahren und „las formas vulgares del maniqueísmo, propias de bastantes hombres modernos, cuando piensan sobre la religión en abstracto y las religiones individualizadas y concretas" (Caro Baroja 1978: 11) zu meiden 28 , welche die besagten Dualismen nur wiederholen. Angesichts dieser neueren wissenschaftlichen Ansätze ist zudem „die Auflösung des etablierten Felds des Religiösen" und die Einsicht zu konstatieren, dass heute keine Disziplin, die Theologie eingeschlossen, mehr über „ein fest etabliertes Monopol der Definition von Religion" verfügt (vgl. Gabriel 1996: 36-38). Aufgrund dessen versteht sich dieses Vorhaben auch nicht als theologisches im kirchendogmatischen Sinn,

27 Auf menschlicher Kommunikation und Sprache beruhend ist 'Religion' dahingehend zum Gegenstand der anthropologischen (vgl. dazu Geertz 1994: 44-95), philosophischen (Cassirer 1994, Cassirer 1983), linguistisch-ethnologischen (Lévi-Strauss 1991) sowie sozialgeschichtlichen und religionswissenschaftlichen Forschung (Eliade 1965) geworden. Unter Berufung auf Dürkheims Begriff des Heiligen (Les formes élémentaires de la vie religieuse, 1912), Webers verstehende Methode (Gesammelte Aufiätze zur Religionssoziologie, I-III, 1920-21) sowie Freuds Vergleich individueller und kollektiver Riten (Totem und Tabu, 1913) steht dabei gerade die überindividuelle Seite religiös-symbolischer Systeme und deren Gesetzmäßigkeiten (ethische Normen, Rituale, Einbildungsstrukturen, gesellschaftliche Funktionen etc.) im Vordergrund (Lévi-Strauss 1977: 223) Auf Grund ihrer sprachlich vermittelten Kodierung lässt sich Religion somit weder im Rahmen reiner Begrifflichkeiten erklären noch von der gesellschaftlich-kommunikativen Sphäre trennen und aus sich selbst verstehen, wie dies mitunter immer wieder gefordert wird (vgl. Spiro 1966: 122), sondern muss per definitionem funktional sein und eine Innen- wie Außeneinstellung auf ihren Gegenstand berücksichtigen (vgl. dazu Luhmann 1992: 9ff). 28 Zum Studium der Religiosität hält der Verfasser (Caro Baroja 1978: 11) weder „el hombre de fe, de este tipo 'maniqueo'" geeignet, „[que] cree saber, sin duda, dónde están el bien y el mal [y que] afirmará que todo lo que contribuye al deterioro des sus propias creencias, es expresión del mal" noch den „antireligioso [que] englobará todo hecho religioso bajo una condena total: como cosa producida por la superstición, el fanatismo y otras pasiones e intenciones malas."

Theoretische Vorkehrungen

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da es nicht denkbar erscheint, unsere Fragestellung im engen Rahmen eines derartigen institutionell verfassten Modells zu behandeln. In Hinblick auf diese unaufgeschlossene Wirklichkeit stellt sich auf dem literarischen Feld ein weiterer Mangel jener dichten autorenzentrierten Werkform dar, welche „dem mimetischen Welt- und Wirklichkeitsbezug der Poesie" seine spezifischen Möglichkeiten gibt (Hardt/Hofe 1982: 18): Denn seine so unterstellte Ganzheitlichkeit vermag gerade nicht die stummen Passagen eines Textes abzumessen, in dem sich das Verhältnis des Menschen zu einer ihm vorgeordneten übersinnlichen und übernatürlichen Wirklichkeit mitteilt. Stellt sich der Werkbegriff als „eigenständige sinnliche Erscheinungsform der Wahrheit" schon als hemmend dar (Bubner 1989: 18), wenn es darum geht, den unausgesprochenen Gestimmtheiten dieses sekundären modellbildenden Systems und den von ihr konstituierten symbolischen Code mit der notwendigen Distanz zu begegnen, so muss er sich angesichts der dem unmittelbaren Bewusstsein der Zeit entronnenen und eher untergründigen Erfahrung der religiösen Krise (vgl. dazu Abellän 1988 und Owen 1993), gerade im Spanien des 19. Jahrhunderts, als um so problematischer erweisen. Das allmähliche Verglimmen des Christentums, das wenigstens mit dem Niedergang der rationalen Theologie im 18. Jahrhundert, jenem für Wissenschaft und Religion verbindlichen philosophischen Programm, unübersehbar geworden ist, macht es fortan zusehends schwieriger, die Wirklichkeit auf dem sicheren Seinsgrund der traditionellen Metaphysik zu deuten und abzubilden. Erstirbt das kulturelle Gedächtnis von der göttlichen Stiftung der Welt ex nihilo im Vergessen der Menschen, so muss sich jener Vorgang von der in diesem Projektionsrahmen angelegten unerschöpflichen Fülle des Seins abheben. Wenn die göttliche Linie am Horizont zerläuft, „auf die bisher alle Linien und Maaße sich zurückbezogen, nach der bisher alle Baumeister des Lebens bauten, ohne die es überhaupt keine Perspektive, keine Ordnung, keine Baukunst zu geben schien" (Nietzsche 1999, 9: 631), radikalisiert sich die bezeichnete Dichotomie des abendländischen Wertesystems, so dass die Krise der Religion auf der Folie einer in ihrer Substanz bedrohten Metaphysik beurteilt und vornehmlich als Verlust des traditionellen Glaubens, der Integrationsleistungen der Kirche oder auch als Niedergang eines säkularisierten Humanismus diagnostiziert wird. Stets stellt sich der Seite des Unendlichen eine beschränkte Immanenz entgegen, die es, wie der junge Hegel das Verhältnis einer ganzheitlichen Religion und einer in Gegensätzen denkenden Philosophie in seinem Systemfragment von 1800 bestimmt, nachgerade zu überwinden gelte (vgl. Hegel 1979, 1: 418-427 bzw. Schulz 1991: 86-110).

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1 . 1 . 2 . 2 M A R T I N H E I D E G G E R S L E K T Ü R E DER VORAUSDICHTUNGEN H Ö L D E R L I N S ALS ' F E H L D E S

GÖTTLICHEN'

Betrachtet man die so aufscheinende befremdliche Transzendenz jedoch vor allem aus der Perspektive ihres Mangels, kann man dem Eigensinn dieser Zeit und ihrer prinzipiellen Offenheit indes nur schwerlich gerecht werden. Ihre Signaturen entsprechen nicht mehr denen einer Zeitrechnung, die mit der Offenbarung des gekreuzigten Erlösers einsetzt und mit seiner dereinstigen Wiederkehr seinen Abschluss finden wird. Hatte sich jene Zeit im Gekommensein und im kommenden Sein Christi erfüllt, dessen letzte Wahrheit, wie es im ersten Johannesbrief heißt, noch aussteht (Achtner/Kunz 1 9 9 8 : 1 6 2 - 1 6 5 ) , so verlangt die Zeiterfahrung einer rätselhaft und unbegreiflich gewordenen Welt nach Modellen, welche nicht das Wesen des Menschen als Abbild Gottes illustrieren, sondern erst in ihrer sprachlichen Konstitution 'die Wahrheit ins Werk setzen.' Als Wahrheit, die nicht durch Theologie oder Philosophie vorgegeben und auch keinem Deutungssubjekt unterstellt ist, kommt ihr Sinn erst in der Sprache zur Welt und ist als solche stets neu zu erschließen. In Abgrenzung zur traditionellen Bestimmung der Dichtung als sinnliches Aufscheinen einer philosophischen Idee, als Herstellung des Naturschönen oder als Mythos hat Martin Heidegger daher hervorgehoben, dass „der Interpret nicht mehr selbst Maßstab der Dichtung, das Gedichtete nicht identisch mit einem objektiv feststellbaren Inhalt oder Aussagegehalt" sei (vgl. Kettering 1987: 186). 2 9 Vielmehr sind es aus seiner Sicht die expressiven Leistungen der poetischen Sprache, die mit den traditionell-metaphysischen Denkbestimmungen auch die zweigliedrig angeordneten, begrifflichen Formulierungen des Subjekts unterlaufen. Es geht ihm darum, im selbstbezüglichen Sprechen der Dichtung ein Sensorium zu entdecken, das dem modernen, aber noch im Bann einer trostreichen, aber verblassenden Metaphysik stehenden Menschen die Zeichen seiner Zeit verständlich macht. Angesichts einer metaphysischen Tradition, die dem Sein von der Seite des Seienden als einer festen anthropomorphen göttlichen Gestalt bislang stets sinnstiftende und sinnlenkende Kohärenz verliehen hat, muss er jenseits der Routine einer im überkommenen Denken befangenen Alltagssprache einen anderen Bezug zum Sein gewinnen. Denn hat das Christentum in der Neuzeit seine geschichtsbildende Kraft zwar auch verloren, erlangen die christlichen Grundvorstellungen vom Sein, die es im Seienden als Ganzheit bestimmen, im philosophischen Räsonnieren doch nachhaltige Verbindlichkeit:

29

Zur weiteren Lektüre über das Wesen der Dichtung aus der Sicht Heideggers vgl. Kette-

ring ( 1 9 8 7 : 1 8 7 - 1 9 4 ) .

Theoretische Vorkehrungen

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Die Neuzeitliche Metaphysik seit Descartes bis Kant, und über Kant hinaus auch die Metaphysik des Deutschen Idealismus, ist ohne die christlichen Grundvorstellungen nicht zu denken. D a s Verhältnis zum dogmatischen Kirchenglauben kann dabei sehr locker, sogar abgebrochen sein (Heidegger 1984, 41: 109).

Obschon besonders seit dem 19. Jahrhundert jene für „den Fehl Gottes und des Göttlichen" (Heidegger 1978: 177) sinnfällige Signaturen hinterlassen haben 30 , nimmt der Mensch die verborgenen Chiffren dieser Zeit nicht wahr: Zwischen diesen und seinem Denkvermögen schiebt sich eine übermächtige christliche Pastoraltradition, welche das Sein von Welt, Kreatur und Natur in die sichere Obhut eines stets fürsorglichen Hirten und Vaters zu stellen pflegt. Doch nun, so Heidegger, sei das Sein in einen unbehausten Zustand gefallen, der ihm keine Zuflucht in die Geborgenheit seines Schöpfers mehr gewähre, da dieser im Grunde selbst eines Schutzes bedürfe. So verschließe sich das Unheimliche dieser abwesend-anwesenden N o t darin, dass „alles Wirkliche, das den Menschen dieses Zeitalters angeht und mit sich fortreißt, das Seiende selbst, ihm durchaus vertraut ist, dass er vielmehr, wo immer 'Sein' auftaucht, dieses als Gespenstische der bloßen Abstraktion ausgibt, es dadurch verkennt und wie das nichtige Nichts verwirft" (Heidegger 1989: 396). Wenn der Mensch in der Epoche der vollendeten Metaphysik das Sein überhaupt als solches reflektiert, denkt er es, so ließe sich eine Kernthese Heideggers zusammenfassen, auf metaphysische Weise wie ein Seiendes, das in einer vom zuhöchst gesetzten Seienden geschaffenen Welt auch nur das Seiende kennt und erfährt (Brkic 1994: 2 3 6 f ) . Stets ist es demnach ein vorausgedachter Demiurg, dessen Schöpfung man von seiner Seite erfasst, eine apriorische Substanz, deren Träger man von ihrer Seite reflektiert oder ein höchstes Wesen, dessen Rangordnungen man aus der Sicht seines Ursprungs beurteilt. Die Erfahrung einer metaphysischen Leere konzentriert sich primär in der allerdings ausdrucksvollen und daher auch bewussten Trauer des Menschen über einen Gott, der seine Sorgfalt gegenüber der verwaisten Schöpfung zu verabsäumen scheint. In den Hintergrund tritt dabei für den Menschen, dass nicht er oder ein ihm ähnliches, aber absolutes Wesen „der Herr des Seienden" sei und kein anderer als er selbst dem Sein „ein Hirte" zu sein habe. In dieser die Postulate des Humanismus überbietenden Aufgabe beginnt ein Mensch-Sein auf Erden, das die Metaphysik dem Menschen stets versagte, weil sie in der Verwirrung von Sein und Seiendem ihre stillschweigende Legitimation erfährt. Unter diesen Prämissen konnte das humanuni nicht als das erscheinen, was es 3 0 Vgl. H ö s l e 1 9 9 7 : 3 8 - 5 8 über die Auflösung des Christentums als des traditionellen Legitimationssystems Europas.

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Jenseits von altem Gott u n d 'Neuem Menschen'

immer war, ein Lebewesen, das sein Dasein gerade seiner Endlichkeit zu verdanken hat (Heidegger 1 9 8 1 b : 2 1 - 2 2 ) . Die Erfahrung mit dem sich darbietenden und entziehenden Göttlichen, die im Grunde bis in die Gegenwart hinein anhält 31 , entfaltet sich demnach nicht primär in den unmittelbaren Rede- und Denkakten der Subjekte: Es sind die unausgeloteten Bereiche des Ungesagten, Ungedachten oder Erträumten, die, wie sich der alte Briest am Schluss des Romans und aller seiner Dialoge äußert, dem Leser 'ein weites Feld' und damit einen reflexiven Tätigkeitsbereich eröffnen. Eines Sinns entledigt, der ihm „ein theologisch und kosmologisch garantiertes Unternehmen" zuweisen könnte und mit „sich widersprechenden Autoritäten" konfrontiert (Assmann 1 9 8 0 : 88), fällt dem Leser nicht nur die Aufgabe zu, Inhalte der literarischen Kommunikation, sondern auch deren Bedingungen mitzudenken. 32 Mit einer Sprache, die, wie schon die Frühromantiker es formulierten, „selbst nur die verblichene Mythologie" (Schelling 1 8 5 7 , 2: 52) sei und damit aus inzwischen erstarrten Konventionen besteht, hat der moderne Mensch aber auch die „vulgäre Zeitvorstellung" mit ihrer „endlosen, vergehenden, nichtumkehrbaren Jetztfolge" (Heidegger 1 9 9 3 : 4 2 6 ) zu überwinden. Suggeriert diese den Menschen eine Abgeschlossenheit historisch datierbarer Ereignisse und bestimmt damit „den Zeitfluss als ein nichtumkehrbares Nacheinander" (ebd.), so vermag sie sich als unmittelbarer zeitgeschichtlicher Bezug zu der von Heidegger angesprochenen Zeitlichkeit keinen Zugang zu

31 Gabriel (1996: 46) macht zurecht darauf aufmerksam, dass auch in unserer Zeit „Wirkungen der Entzauberung religiöser Lebens- und Weltdeutung und der Relativierung von Glaubenshaltungen" mit Prozessen „der 'Wiederverzauberung'" einhergehen, wobei die letzteren „künftig deutlicher hervortreten und an Wirksamkeit gewinnen werden". Als eine der Hauptfaktoren betrachtet Gabriel unter Hinweis auf Küenzlen (1994: 261 f f ) „das öffentliche Bewusstsein", das „an transzendenzverleugnender Eindimensionalität verloren und offener gewordener [ist] für den Sinn und die Möglichkeit eines religiösen Bewusstseins im Konzert einer Vielfalt von Bewusstseins- und Vernunftformen. Der Glaube an die Wissenschaft, aber auch an säkular-religiösen wissenschaftlichen Utopien ist als solcher entlarvt und hat Raum gegeben für eine neue Mehrdimensionalität des (post-)modernen Wirklichkeitsverständnisses." 32 Vgl. Iser (1972: 10-11). Diese Implikationen haben für den Leser weitreichende Konsequenzen: „Wurde dem Leser im Roman des 18. Jahrhunderts durch das Gespräch, das der Autor mit ihm führte, eine explizite Rolle zugewiesen, damit er - bald durch sie, bald gegen sie — je nach der im Text wirksamen Steuerung die menschliche Natur und den Zugang zur Wirklichkeit zu konstituieren vermochte, so schwindet im Roman des 19. Jahrhunderts vielfach eine solche, dem Text eingezeichnete Rollenzuschreibung. Statt dessen soll der Leser selbst seine Rolle entdecken, die er ständig von den sozialen Normen zugewiesen erhält, um dadurch in ein kritisches Verhältnis zu den gesellschaftlichen Zwängen zu gelangen. Damit aber der Leser diese Rolle entdeckt, darf ihm der Roman selbst keine zuweisen. Folglich komplizieren sich die Textstrategien, da sie nun den Leser ungleich indirekter und unverhohlener auf die ihm zugedachte Entdeckung lenken müssen."

Theoretische Vorkehrungen

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verschaffen, da sie selbst auf deren kulturell und religiös vermitteltem Horizont beruht und auch erst auf dieser Grundlage einsichtig wird. 33 Erst im gemeinsamen Bezugsrahmen der drei Formen der Zeit - Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart - vermag das Metaphysik treibende Subjekt seine Bedingungen zu ermessen, die nicht in den engen Bezügen des Hier und Jetzt zu erfassen sind: Eine mehrtausendjährige metaphysische Tradition des Okzidents einschließlich ihres alles beherrschenden Präsenzgedankens hat einen Abschluss gefunden, der erst in deren Eingedenken verständlich wird. Denn mit dem Erscheinen und dem Opfertod Christi ist das Ende eines Göttertages angebrochen, in welchem Griechentum, Prophetisch-Jüdisches und die Predigt Jesu Bestand hatten, um einen spezifischen Logos (als Seinweise einer vergegenständlichten Welt) miteinander zu teilen. Noch vor dem dekonstruktivistischen Projekt Derridas ist für Heidegger ein reduktiver Zeitbegriff problematisch geworden (Torno 1995), der sich aus der Verdinglichung der Zeit konstituiert und so mit der Chronologie der versinnbildlichten Zeiten die Theologie des dargestellten oder inkarnierten Gottes unmittelbaren Gegenwartscharakter erhält. 34 Dergestalt bedeutet das Ausbleiben des Göttlichen, „dass kein Gott mehr sichtbar und eindeutig die Menschen und die Dinge auf sich versammelt und aus solcher Versammlung die Weltgeschichte und den menschlichen Aufenthalt in ihr fügt" (Heidegger 1994: 269). Unter diesen Gegebenheiten kommt der Bildersprache der Dichtung nach Heidegger ein hoher Stellenwert zu, da sie das Entzogene unmittelbar ausspricht und so das Göttliche in seiner Abwesenheit zur Anschauung bringt: Gerade weil sich die überkommenen christlichen Bilder und Symbole nicht mehr in ihrer Fülle zeigten, komme es nicht darauf an, „in dem Bildzusammenhang unserer Dichtung nach seiner größtmöglichen verdeutlichenden Kraft Ausschau [zu] halten", sondern umgekehrt ihn sich „in seiner verhüllenden Kraft anzueignen versuchen" (Heidegger 1980: 119). Dabei ist aber zu bedenken, dass „'Sprache' und 'Dichtung' hier nicht im normalen Wortsinn gebraucht werden, [wie auch] Dichtung nicht die Poesie als eine bestimmte Gattung" 33 Heidegger (1993: 426): „[Nur] aus der Zeitlichkeit des Daseins und ihrer Zeitigung wird verständlich, warum und wie Weltzeit zu ihr gehört. Die Interpretation der aus der Zeitlichkeit geschöpften vollen Struktur der Weltzeit gibt erst den Leitfaden, die im vulgären Zeitbegriff liegende Verdeckung überhaupt zu 'sehen und die Nivellierung der ekstatisch-horizontalen Verfassung der Zeitlichkeit abzuschätzen." 34 Vgl. auch Hölderlin (1969, 2: 736). In seinen Anmerkungen zu Ödipus versetzt Hölderlin Gott in die Zeit selbst und greift so nicht nur Heideggers Zeitanalyse voraus, sondern markiert auch die eigentlichen Konstitutionsbedingungen des mit sich identischen und allseits präsenten logos\ „In der äußersten Grenze des Leidens bestehet nämlich nicht mehr, als die Bedingungen der Zeit oder des Raums. In dieser vergißt sich der Mensch, weil er ganz im Moment ist; der Gott, weil er nichts als Zeit ist [...]."

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(Hennigfeld 1982: 253) zu denken ist. Sowohl Sprache als auch Dichtung weisen „auf die Ursprungsdimension alles konkreten Sprechens und Dichtens" hin (ebd.: 253-254). Alltägliches Sprechen und künstlerisches Dichten sollen auf diese Weise „'überstiegen' [werden] auf einen Grund, dem sie entspringen" (ebd.: 254). Es entspricht offenkundig einem historisch bedingten Lebensgefühl, dass Heidegger diese Orientierung der Dichtung seinerzeit auf Friedrich Hölderlin bezieht, dessen lyrisches Werk bis Anfang des Jahrhunderts zunächst allenfalls das Interesse der Literaturwissenschaft auf sich zog und erst am Vorabend des Ersten Weltkriegs von einem breiteren Rezipientenkreis entdeckt wurde. Fortan erwuchs vor allem der Jugendbewegung in dem Dichter eine Identitätsfigur, welche die innere Zerrissenheit der Deutschen zum Synonym für das Lebensgefühl des modernen Menschen werden ließ (Safranski 1998: 317-318). 3 5 Der Dichter tritt hier als Geburtshelfer jener 'neuen Götter' auf, die nicht jenem Gott der Offenbarung entsprechen: In ihrem vorbehaltenen Kommen zeigen sie an, dass die Gegenwart ebenso wenig ohne die Bedingung der Zukunft zu denken ist, wie sich zu dieser auch nur ein Zugang über das Gewesene der alten Gottheiten erschließt (vgl. Zagano 1989, 13, 2: 349-349): Die Götter sind hier Chiffren der Gewesenheit, die als Platzhalter einer ersterbenden theologischen Uberlieferung das Schicksal ihrer Bilder miteinander teilen. Der vorenthaltene Gott ist das Codewort für die Zukunft, welche die Grundlosigkeit des menschlichen Selbstbewusstseins in seiner geschichtlichen Existenz darlegen. An diesem Punkt knüpfen die Deutungsversuche Heideggers an, wenn er in den Gedichten Hölderlins eine Sprache ausmacht, welche die Erscheinungen des Numinosen jener von ihm diagnostizierten Weltnacht aussetzt. Wie man dabei freilich immer wieder sehen kann, ist sein dunkler Redegestus selbst noch ganz vom Pathos einer Theologie affiziert, die noch die Fülle des Göttlichen in sich trägt, obschon diese eigentlich in ihrem Verfall zur Aussage kommen soll. 36

3 5 Vgl. dazu Hölderlin (1969, 1: 432): „Es ist ein hartes Wort, und dennoch sag ichs, weil es die Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerißner wäre, wie die Deutschen, Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt." An einer späteren Stelle wird den „gottverlaßnen" Deutschen von Hyperion an Bellarmin vorgeworfen, dass ihre plumpen Hände „nichts Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen", da sie „die Wurzel des Gedeihns, die göttliche Natur, nicht achten" (Hölderlin 1969, 1: 435). 3 6 Wesentlich ist dies auch dem Umstand zuzuschreiben, dass sich wenigstens der junge Heidegger seinem Verständnis nach in den Spuren der Metaphysik befindet, wie er selbst in der Korrespondenz mit dem Theologen E. Krebs vom 9. Januar 1919 deren anhaltende Präsenz im

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Auch für die Sprache gilt hier wohl, was Manfred Frank für die neue Mythologie der Frühromantiker reklamiert, die „sich gezwungen sieht, ihr innovatorisches Potential im Rückgriff auf die alte Mythologie zu gewinnen" (Frank 1982: 218). Vor allem in der Elegie Brodt und Wein kursivieren, die mit dem Abendmahl an die Kommunion von Mensch und Gott gemahnt, wird die sich ausbreitende Finsternis und die so einsetzende Dürftigkeit der neuen Zeit angesprochen. Der Entzug der alten Götter ist hier unmittelbar benannt, wenn diese „über dem Haupt droben in anderer Welt [leben]", dabei aber wenig darauf zu achten scheinen, ob die Menschen leben (Hölderlin 1969, 1: 118). Ahnlich den Priestern des Dionysos, der mit Christus in die Identität des letzten Gottes der Antike rückt, sollen auch die Dichter die Menschen in dürftiger Zeit zu neuem, höheren Leben erwecken und damit Wegbereiter des Göttlichen sein.37 Es wäre unzutreffend, diese Bestimmung der Zeitsignaturen als willkürliche Geste zu missdeuten, wiederholt sie sich doch in einem Brief von Hölderlins Hyperion an Bellarmin: Ich habe dirs schon einmal gesagt, ich brauche die Götter und die Menschen nicht mehr. Ich weiß, der H i m m e l ist ausgestorben, entvölkert, und die Erde, die einst überfloß von s c h ö n e m menschlichem Leben, ist fast, wie ein Ameisenhaufe, geworden (Hölderlin 1969, 1: 173).

Selbst der von Hegel personifizierte „Kulminationspunkt jenes Einheitsdenkens" (Welsch 1987: 173), das sich an der Schwelle zum 19. Jahrhundert gegen die Krise der Metaphysik erhebt, ist von diesem „Schiffbruch der Welt" nicht ausgenommen (Hölderlin 1969, 1: 173). In seinem Hölderlin gewidmeten Gedicht Eleusis klagt er der Göttin des Ackerbaus in ähnlichen Tönen: D o c h deine Hallen sind verstummt, o Göttin!/ Geflohen ist der Götter Kreis zurück in den O l y m p / Von den geheiligten Altären,/ G e f l o h n von der entweihten Menschheit G r a b / D e r Unschuld Genius, der her sie zauberte!/ D i e Weisheit Deiner Priester schweigt; kein Ton der heil'gen Weihn [...] (Hegel 1 9 7 9 , 1: 2 3 1 ) .

Auch Schiller gedenkt in seinem Poem Die Götter Griechenlands dieses verhüllenden Charakters des Göttlichen, deren Menschlichkeit die Menschen einst noch göttlicher gemacht hatte. Doch nunmehr kündige nur „diese verglimmenden Christentum bekundet: „Erkenntnistheoretische Einsichten, übergreifend auf die Theorie geschichtlichen Erkennens, haben mir das System des Katholizismus problematisch und unannehmbar gemacht - nicht aber das Christentum und die Metaphysik (diese allerdings in einem neuen Sinne) [...]" zit. in: Böhme (1990: 273). 3 7 Vgl Heidegger (1980, 39: 146). Diese nahezu priesterlich-auratische Funktion des Dichters wird von Heidegger beifällig kommentiert: „Für diesen Kampf der Umstimmung der jeweils noch herrschenden und sich fortschleppenden Stimmungen müssen die Erstlinge geopfert werden. Das sind jene Dichter, die in ihrem Sagen das künftige Seyn eines Volkes in seine Geschichte voraussprechen und dabei notwendig überhört werden."

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traur'ge Stille mir meinen Schöpfer an", dessen finstere Hülle allein im Entsagen gefeiert werden kann (vgl. Schiller o. J.: 55). Wenn Heidegger lange nach dessen Ableben auf Hölderlin Bezug nimmt, ist dies also durchaus nicht philologisch-historischer Natur 38 , sondern das Interesse an einer historischen Zeitachse, mit der „die moderne Säkularisation und Dekonstruktion der traditionellen Metaphysik ein höchst ambivalentes und abgründiges Kapitel moderner Geschichte" schreibt (Vietta/Kemper 1 9 9 7 : 46). Im Eingedenken an einen Aphorismus Hölderlins bekräftigt er die Bedeutung des frühromantischen Sprachmodus in einer Epoche des Ubergangs, deren Weltzeitcharakter sich zum Sein als Zeitlichkeit des Daseins hin öffnet. 3 9 Die epochengeschichtliche Stellung Hölderlins in der Frühromantik ist insofern von Bedeutung, als dass sich zu jener in dieser Beziehung privilegierten Epoche von Seiten der idealistischen Schulen in Deutschland das vollzieht, was Heidegger als „das In-Gang-Bringen der Metaphysik [...] durch einen eigentümlichen Einsprung der eigenen Existenz in die Grundmöglichkeiten des Daseins im Ganzen" (Heidegger 1 9 8 6 b : 42) bezeichnet und seinem Verständnis nach nichts Geringeres als die eigentliche Tätigkeit der Philosophie selbst umreißt. 40 In diesem Zusammenhang geht es daher nicht primär um eine literaturwissenschaftliche und ästhetische Sicht, aus der Beda Allemann ( 1 9 5 6 ) den 38 Dass Heidegger die Stellung Hölderlins aber keineswegs singularisiert, beweisen die Deutungen, die er an Texten von Hebel, Trakl, Rilke und George vornimmt. Dieser literaturgeschichtliche Horizont macht schon plausibel, dass es ihm nicht allein um die philosophisch privilegierte Epoche der Spätromantik geht, sondern um die moderne Erfahrung der Ungeborgenheit, die vornehmlich in der Sprache eine neue Auslegung des Seins ankündigt: „Diese [von Hölderlin gestiftete Grundstimmung] ist es, die der Dichter im geschichtlichen Dasein unseres Volkes stiftet. Ob das im Jahr 1801 geschah, ob das im Jahr 1934 noch nicht vernommen wird und ergriffen, daran liegt es nicht, denn Jahreszahlen sind für die Zeit solcher Entscheidung gleichgültig" (Heidegger 1980: 80). 39 Die Erkenntnis Heideggers, dass der Schreibende Seismograph einer solchen Entwicklung ist, wird jedoch von seiner Neigung unterlaufen, die Einheit des Seins im Rahmen eines auratischen Kunst- und Literaturkonzeptes wiederherzustellen. Vgl. Heidegger (1980, 39: 20): „Meist haben sich die Dichter zu Anfang oder zu Ende einer Weltperiode gebildet. Mit Gesang steigen die Völker aus dem Himmel ihrer Kindheit ins thätige Leben, ins Land der Cultur. Mit Gesang kehren sie da zurück ins ursprüngliche Leben." Auf der anderen Seite ist das Dichten seinem Verständnis nach das „Grundgeschehnis des Seyns", das „im Wort sich zu sich selbst bringt." Demnach ist es aber primär die gestaltlose Kraft: der Sprache, die gestaltet und Maßstab der Wortkunst ist, und nicht das sich in seiner Deutungsallmacht aufspreizende Dichtersubjekt (ebd.: 257). 40 Vgl. dazu auch Karimi (2004). Frank (1989b: 98) hat in einigen Arbeiten feststellen können, dass sich gerade diese Epoche auf eine intensive Suche nach einem neuen Gott oder Mythos begeben hatte (Frank 1982), die sich nur aus dem offenkundigen, von Hegel beklagten Verfall der christlichen Metaphysik und einem expandierenden Nichts als „Abwesenheit eines übersinnlichen Grundes" erklären lässt.

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I n t e r p r e t a t i o n e n H e i d e g g e r s e i n e „ Ü b e r f o r d e r u n g " des d e u t s c h e n

Dichters

v o r g e w o r f e n w u r d e . 4 1 A u c h in dieser U n t e r s u c h u n g steht m i t d e r t h e o l o g i s c h e n D i m e n s i o n z u n ä c h s t „der D i c h t e r als d a s d i c h t e n d - d e n k e n d e S u b j e k t der seinsgeschichtlichen T h e o l o g i e " i m Vordergrund, der im D e n k e n

der

D i f f e r e n z v o n S e i e n d e m u n d S e i n bereits H e i d e g g e r s o n t o l o g i s c h e D i f f e r e n z u n d D e r r i d a s K o n z e p t d e r différance

a n t i z i p i e r t . 4 2 Entreißt m a n H ö l d e r l i n d a -

her u n t e r d i e s e n V o r a u s s e t z u n g e n

dem

nationalliterarischen

Kontext

der

d e u t s c h e n F r ü h r o m a n t i k , so erscheint er als A v a n t g a r d i s t d e r S e i n s d e u t u n g , d e r d i e v o m p h i l o s o p h i s c h e n D e n k e n seiner Z e i t gesetzten G r e n z e n ü b e r schreitet u n d d e n v e r n u n f t k r i t i s c h e n D i s k u r s d e r P o s t m o d e r n e

antizipiert

(vgl. M a r t e n s 1 9 8 2 / 8 3 bzw. K a l á s z 1 9 8 8 ) . E r ist d a m i t als erster K r i t i k e r jenes p h i l o s o p h i s c h e n I d e a l i s m u s z u b e t r a c h t e n , d e r E i n f l u s s e r l a n g e n sollte, als d i e P h i l o s o p h i e K r a u s e s u n d in b e d i n g t e r e m M a ß e H e g e l s in S p a n i e n A u f n a h m e f a n d . In H ö l d e r l i n s D i c h t u n g k o m m t d e m n a c h ein v o n der m o d e r n e n P h i l o s o p h i e seither geschätztes P r i n z i p zu E h r e ( B u b n e r 1 9 8 9 : 1 2 ) 4 3 , d a s m i t d e r F r a g e n a c h d e r W a h r h e i t des S e i n s d i e D i m e n s i o n klassischen Phil o s o p h i e r e n s a u c h d a n n n o c h e r ö f f n e t , w e n n dies a u f ihrer e i g e n e n G r u n d l a g e nicht m e h r m ö g l i c h erscheint u n d d i e V o r a u s s e t z u n g e n s y s t e m a t i s c h e n D e n kens i m S c h w i n d e n b e g r i f f e n s i n d : Die Leistung einer Veranschaulichung des Prinzips übernimmt in authentischer Weise die Kunst, denn das Kunstprodukt vereinigt gerade harmonisch das Subjektive und Objektive. Die Philosophie greift mithin in der Kunst auf ein Medium zurück, das in gewisser Weise die spezifischen Möglichkeiten bewusster Refle41 Gethmann-Siefert (1987: 191-227). Auch wenn die problematische Seite der Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung in diesem Zusammenhang eher in den Hintergrund tritt, muss man sich doch ihrer bewusst sein: Th. W. Adorno (1997, 11: 452flf) hält Heidegger entgegen, dass er zwar „den Begriff des Gedichteten dergestalt akzentuiert, ja dem Dichter selbst die äußerste metaphysische Dignität zumißt." Seine Ausfuhrungen zeigten sich jedoch „im einzelnen höchst gleichgültig gegen das spezifisch Dichterische." 42 Brkic (1994: 249). Das seinsgeschichtliche Interesse überragt bei Heidegger bei weitem das ästhetische, wie Murray (1980: 42) bemerkt. Mit seiner „incomparable exemplification in Hölderlin" kommt er zu seiner Analyse der Dichtungen „not as a specialist venturing into aesthetics but out of a life-long concern with the meaning of Being and the mission of the thinker wich respect to Being, and with the destiny of the modern world." Derrida hat seinen theoretischen Bezug zu Heidegger mit dem Hinweis hervorgehoben, dass keine seiner Untersuchungen ohne dessen Fragestellungen möglich gewesen wäre. Dennoch hafteten Heideggers Bestimmung des Seins des Seienden selbst noch ontotheologische Züge an, die er herauszufinden sich zur Aufgabe machte. Vgl. auch Derrida (1986: 43). 43 Heidegger knüpft hier an Überlegungen an, die bereits Schelling (1957: 294f) angestellt hatte: „Das Kunstwerk nur reflektiert mir, was sonst durch nichts reflektiert wird, jenes absolut Identische, was selbst im Ich schon sich getrennt hat; was also der Philosoph schon im ersten Akt des Bewusstseins sich trennen lässt, wird, sonst für jede Anschauung unzulänglich, durch das Wunder der Kunst aus ihren Produkten zurückgestrahlt."

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen xion übersteigt und die Wahrheit präsent macht, die zu denken das Denken an seine Grenzen stoßen lässt (Bubner 1989: 12).

D a s revolutionäre M o m e n t an den kognitiven Leistungen eines Hölderlin ergibt sich aber vor allem aus d e m Umstand, dass er bereits zu einer Zeit die Auflösung der epistemologischen Gestalt des Menschen antizipiert, als sich diese an der Schwelle v o m 18. zum 19. Jahrhundert überhaupt erst zu bilden begonnen hatte. 4 4 Seine erkenntnistheoretische Aufgabe erblickt er selbst darin, hinter jenen mythischen Punkt zurückzukommen, welcher der Spaltung in Subjekt und Objekt oder Identität und Differenz vorausgeht. 4 5 Es ist ihm dabei nicht u m die Säkularisierung des Christentums im Geiste einer Menschheitsreligion getan, sondern, wie sein Fragment Urteil und Sein erweislich macht, u m die Uberwindung einer reinen Vernunft, die nichts anderes als sich selbst zu vernehmen vermag. Dabei n i m m t Hölderlin bereits jenen Begriff vorweg, an den Heidegger später anknüpfen wird, den eines Seins, das die Ur-Teilung des Subjektes von Natur und Welt, „die ursprüngliche Trennung des in der intellectualen Anschauung innigst vereinigten O b jects und Subjects, diejenige Trennung, wodurch erst Objekt und Subjekt möglich wird, die Ur=Teilung", noch nicht vollzogen hat u n d beides noch ganz untrennbar miteinander vermittelt (vgl. Hölderlin 1969, 2: 591, vgl. auch Frank 1989a: 139-141). Eine weitere Erfahrung Hölderlins besteht in der Anerkennung, dass sich das Ganze nur in einer Vielheit der Dinge verwirklicht u n d die Vorstellung v o m Sein als einer Totalität, die alles umfassen könnte, undenkbar geworden ist. M i t der von ihm vorausgesehenen „künftigen Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten", die eine ungeheure Mannigfaltigkeit von Widersprüchen und Kontrasten bedingte, fasst er, „einen U m b r u c h von Idealen der Einheit zu solchen der Vielheit ins Auge" (Welsch 1996: 6 6 4 ) . Der Einstellung der Zeit zufolge, die Heidegger aus der dichterischen Rede Hölderlins

44 Vgl. dazu Murray (1980: 44). Eben diese außergewöhnliche Stellung Hölderlins verbietet es nach Heidegger, den Dichter „through the Zeitgeist of the late eighteenth and early nineteenth Century" zu verstehen. „This Hölderlin did not belong to the 'humanism' cultivated in German letters by Winckelmann, Goethe, and Schiller, which was neodassicist and Romantic rather than authentically Greek in inspiration and had not yet comprehended the godlessness of the modern world." 45 Vgl. Hölderlin (1969, 2: 851) in seinem Brief vom 24. Februar 1769 an Friedrich Philipp I. Niethammer: „In den [dem Freund versprochenen] philosophischen Briefen will ich das Prinzip finden, das mir die Trennungen, in denen wir denken und existieren, erklärt, das aber auch vermögend ist, den Widerstreit verschwinden zu machen, den Widerstreit zwischen dem Subjekt und dem Objekt, zwischen unserem Selbst und der Welt, ja auch zwischen Vernunft und Offenbarung, - theoretisch, in intellektualer Anschauung, ohne dass unsere praktische Vernunft zu Hilfe kommen müßte."

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von den Göttern bezieht, trägt die Unverfügbarkeit des Göttlichen der Unverfügbarkeit von Zukunft und Gewesenheit Rechnung. Freilich ist damit auch die Einsicht eingeschlossen, dass das Sein nicht mehr vom Seienden der Götter oder gar eines Gottes zu vermitteln ist. In diesem Spannungsfeld findet sich der oben umrissene literarische Diskurs wieder, der das Subjekt des Sprechers im Subjekt der Sprache zerstreut: Die Literatur füllt so jenen Platz aus, den vormals noch ein allwissendes cogito besetzt hielt, um im Spiel der Signifikanten, in der Heterogenität beziehungslos gewordener Sinnfragmente und im vielgestaltigen Sein der Sprache die Grenzen der logischen Rede auszumessen. Erst die Herausbildung einer vom Sein separierten Identität macht es erforderlich, dass sich das 'Ich' seinem Selbst wie in einer Selbstprojektion gegenüberstellen muss. Auf der epistemologischen Ebene nimmt es das Wesen einer empirisch-transzendentalen Dublette an, die Möglichkeit und Ziel jeder menschlichen Erkenntnis wird (Foucault 1966: 329). Die Tragweite dieser Einsichten bringt Foucault auf den Punkt, wenn er diese als Vorahnungen einer Zeit erkennt, die sich noch ganz der Verinnerlichung und Humanisierung des Göttlichen hingibt: A l'époque de Kant et de Hegel, au moment où jamais sans doute l'intériorisation de la loi de l'histoire et du monde ne fut plus impérieusement requise par la conscience occidentale, Sade ne laisse parler, c o m m e loi sans loi du monde, que la nudité du désir. C'est à la même époque que dans la poésie de Hölderlin se manifestait l'absence scintillante des dieux et s'énonçait c o m m e une loi nouvelle l'obligation d'attendre, sans doute à l'infini, l'aide énimagmatique qui vient du 'défaut de D i e u . Pourrait-on dire sans dire sans abus qu'au même moment, l'un par la mise à nu du désir dans le murmure infini du discours, l'autre par la découverte du détour des dieux dans la faille d'un langage en en voie de se perdre, Sade et Hölderlin ont déposé dans notre pensée, pour le siècle à venir, dans en quelque sorte chiffrée, l'expérience du dehors? (Foucault 1986: 17-18).

Reflektiert man mit Hölderlin die Aporien der Metaphysik vor dem Hintergrund dieses Wissenstypus, der im ausgehenden 19. Jahrhundert auch in Spanien gegenüber den Residuen anderer kognitiver Schemata dominant wird, sind die Grenzen des Darstellbaren nicht mehr fern: Wenn das prädikative Objekt sich dem Subjekt entzieht, büßt das Sprechen des Ichs seinen Diskurs ein, der ihm eigentlich gedankliche Kohärenz hätte anbieten müssen. Das 'Außen' der Sprache beginnt sich von jener inneren Stimme zu trennen, die mit der Abbildhaftigkeit Gottes im Menschen auch die Möglichkeit einschließt, zwischen Betrachtersubjekt und betrachtetem Objekt eine versöhnende Synthese zu schaffen (vgl. Schmaus 1927: 195-200). In den Perzeptionen eines entfremdeten Selbst, die nichts anderes als den Bruch zwischen inneren und äußeren Zeichen markieren, ist der metaphysische Übergang ver-

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stellt, den das Verbum 'sein' entsprechend der psychologischen Analyse des Augustinus zwischen dem Sprechen und dem Denken ein unerschütterliches Fundament geben sollte (vgl. dazu auch Schön 1954). 4 6 Was sich so der Transmission von Innerlichkeit und Seele widersetzt, entwindet sich, wie Foucault hervorhebt, der Herrschaft der Repräsentation, „et la parole littéraire se développe à partir d'elle-même, formant un réseau dont chaque point, distinct des autres, à distance même des plus voisins, est situé par rapport à tous dans un espace qui à la fois les loge et les sépare" (Foucault 1991: 47). Mit dieser „expérience du dehors" tritt indes nicht nur die Evidenz einer Sprache „in ihrem rohen Sein, [in der] Entfaltung reiner Äußerlichkeit" (ebd.: 49) zutage. Damit schwinden auch die transzendentalen Leistungen jenes Subjektes dahin, das die Positivitäten des Wissens am Ausgang des 18. Jahrhunderts entstehen ließ. Doch diese „reinste und nackteste Erfahrung des Außen" (Foucault 1986: 12-13) in der Literatur beginnt nicht erst mit den Arbeiten eines Bataille oder Blanchot. Es handelt sich dabei vielmehr um sprachliche Signaturen der Zeit und nicht um die exklusiven Kunstformen einer esoterischen Avantgarde: O r c'est cette expérience qui réapparaît dans la seconde moitié d u X I X e siècle et au cœur m ê m e d u langage, devenu, bien q u e notre culture cherche toujours à s'y réfléchir c o m m e s'il détenait le secret de son intériorité, l'étincellement m ê m e d u dehors [ . . . ] (Foucault 1986: 18).

Die hier formulierten Wahrnehmungen nehmen damit Bezug auf „[eine] Zeit der Bergung des Vergangengöttlichen und der Verbergung der kommenden Götter" (Heidegger 1981a: 104) wie „der entflohenen Götter und des kommenden Gottes" (ebd.), die seit Hölderlin nicht zu ihrer Vollendung gelangt ist. Als Zeit des Unentschiedenen und des Zwiespältigen entzieht sich das neue Weltalter der kategorialen Opposition von bloßem Fernbleiben oder vollendeter Gegenwart, da es sich nicht um das bloße Fehlen oder gar die nackte Abwesenheit der Götter handelt. Es lässt sich eher mit einer beständigen Bewegung beschreiben, „die den Spielraum der Entscheidung darüber öffnet, ob das Sein noch einmal eines Gottes fähig ist" (Heidegger 1994: 103), d.h. ob der Mensch die Gegebenheit seiner Endlichkeit auszuhalten imstande ist, ohne sich selbst zum Träger der Repräsentation zu erheben und an die Stelle Gottes zu setzen. Was sich „pendant un millénaire ou

4 6 Vgl. dazu auch Berlinger (1962). Danach ist das Innere des Menschen der geistige, beständige und bis in alle Ewigkeit reichende Urgrund, in dem er die von Gott gesetzten Wahrheiten der Ethik, der Mathematik oder der Logik vorfindet. In seinem reichen Innenleben erhält seine Ebenbildlichkeit mit Gott einprägsame Gestalt, wenn sie den Menschen gegenüber anderen Kreaturen mit den Vorzügen begrifflichen Denkens ausstattet.

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presque, s'est maintenue, sous les formes d'une théologie négative" (Foucault 1991: 49) und sich wie ein untergründiger Strom jenseits der großen Universalsysteme bis in die Gegenwart prolongiert, findet bereits in der „Nacktheit des Begehrens" de Sades (Foucault 1986: 16), den alptraumartigen Visionen Goyas und der Dichtung Hölderlins Ausdruck an den Grenzen der sprachlich bzw. bildnerisch vermittelbaren Repräsentation. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht bei Nietzsche, Mallarmé und Artaud die gemeinsame Erkenntnis im Zentrum, dass mit dem Tod Gottes auch das Subjekt eines allmächtigen Sprechers den syntaktischen Verfügungen der Grammatik unterworfen ist, denen gleich ihm die gesamte Metaphysik des Okzidents ihre Existenz verdankt (vgl. dazu Henke 1981). Diese Wende von einem Denken der Innerlichkeit zu einer Sprache des Außen ist selbst Ergebnis jenes „noch dunkelsten aller bisherigen Jahrhunderte der Neuzeit" (Heidegger 1994: 99). Im Zusammentreffen erhabener philosophischer Signifikate mit einem Sinn, der sich aus einem Gewirk von Referenzen und Verschiebungen erschließt, scheint sich auch die von Heidegger eingesetzte Metapher von der Flucht und vom Kommen der Götter abzuzeichnen. Kein Geringerer als Hegel selbst hatte diese verwirrende Tendenz bereits im frühen 19. Jahrhundert am sinkenden Einfluss der einstigen prima erkannt, was seinen Worten nach einer Finsternis gleichkommt: philosophia Es biete sich das sonderbare Schauspiel eines Volkes ohne Metaphysik, das einem „sonst mannigfaltig ausgeschmückten Tempel ohne Allerheiligstes" gleichkomme (Hegel 1979, 5: 13-14). Doch was fur ihn gerade die Notwendigkeit bedingt, die Auflösungserscheinungen der Moderne in Kunst, Religion und bürgerlicher Gesellschaft in einer versöhnenden Einheit der Gegensätze aufzuheben, wird bereits im Jahrhundert der letzten großen Metaerzählungen von einem grundsätzlichen „Finitismus der Vernunft" als „das philosophisch einschneidende Motiv gegen solche Totalisierungen" unterlaufen (Welsch 1987: 174f).

1.1.2.3

D E R ' G O T T E S S I G N I F I K A N T ' IN D E R A U T O N O M I E D E R S P R A C H E

Jenes System des Austausches zwischen Gott und den Menschen, in dem zwischen Transzendenz (unendlicher Idealität) und Immanenz (endlicher Realität) aufeinander verweisende Zeichen konstituiert werden, hat in der von Michel Foucault beschriebenen Welt der ressemblances eine zeitliche Bestimmung gefunden (Foucault 1974: 46-77). Als Analogie zur Person Gottes bildet sich demnach auf mikrokosmische Weise im Menschen die Kreisförmigkeit des Wissens und die Geschlossenheit der Weltordnung ab, in der die

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Mannigfaltigkeit des Seins stets auf die Einheit des Seienden zurückgeführt wird. Uberwunden wird sie indes durch andere epistemologische Dispositionen niemals gänzlich. Vitaler „als es seine [Foucaults] Archäologie der Humanwissenschaften wahrhaben kann" ist diese Konzeption indes, so dass sie „als bewusstseinsbildender Faktor im Kulturerbe nicht schlagartig mit der Wende zum 17. Jahrhundert außer Kraft gesetzt [wird]" (Assmann 1980: 73-74). Jene intuitiven und suggestiven Wissensformen, die noch ein Jahrhundert zuvor zum Dogma von Klerikern und Wissenschaftlern gehört hatten, werden bis heute von Dichtung (vgl. Guardini 1949) und Mystik tradiert. Sie bleiben unbeschadet epistemologischer Verschiebungen auch als menschliche Grundhaltung unvermindert erhalten. Auf Grundlage einer theologischen Strukturalität setzt sich diese in der Geschlossenheit des Subjektes und der Kontinuität seiner Geschichte fort (Foucault 1992: 23), aber auch in einer Weltsicht, wie sie von Sinn- und Ebenbildern konstituiert wird. Dieser Typus des Denkens sollte sich auch dann nicht verlieren, wenn sich der Mensch selbst im 19. Jahrhundert denkend des Seienden bemächtigt und das zuhöchst Göttliche in das zuhöchst Menschliche verkehrt (Schulz 1957). Die in Ahnlichkeitsmodellen verankerten kosmologischen Grundlagen, in denen der Mensch als „teleologisches Zentrum des Universums, Schnittpunkt der Seinsstufen und kosmisches Paradigma" definiert ist47, machen zwar einer zusehends präziseren Konzeption Platz: Die Welt wird auch nicht mehr als Buch, sondern in von geometrisch-mathematischen Regeln geordneten Karten, Tabellen und tabularischen Entwürfen (tableaux) wahrgenommen (Foucault 1966). Doch wenn diese makrokosmische Seite auch den neuzeitlichen Wissensformationen verfällt, so reproduziert sich im anthropologischen Narzissmus des modernen Subjektdenkens doch ihre emblematische und an Finalitäten orientierte Sichtweise, die den Menschen gegenüber einer sich in Kontexten und Einzelwesen begründenden Welt weiterhin eine Sonderstellung einräumt. Selbst in aufgeklärten Zeiten besteht die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, wie Adorno und Horkheimer schreiben, in der Souveränität über das Dasein, im Blick des Herrn auf die Welt und in seinem Kommando (Horkheimer/Adorno 1981: 12). Besonders der philosophische Idealismus Hegels und Krauses hat dieses Doppelverhältnis des Menschen (bei allen Unterschieden in Hinblick auf die Priorität von überindividuellem Weltgeist bzw. individuellem Bewusstsein48) als Träger einer höheren, zum

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Assmann (1980: 67). Zur Ikonographie dieses Weltbildes vgl. LCI (1972, 4: 498-509).

Vgl. Díaz (1992: 205-206). So kritisiert Sanz del Río das von Hegel beschriebene Verfahren, das im Dreierschritt von These, Antithese und Synthese das Subjekt und seine Selbstbestimmung negiere.

Theoretische Vorkehrungen

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Herrschen bestimmten Idee und als bevorrechtetes Gattungswesen gegen die bloße daseinshafte Kreatur ausgespielt. 4 9 Unabhängig davon, ob ihm anthropomorphische oder theozentrische Einbildungsstrukturen gegeben werden, bleibt G o t t so lange erhalten, wie dies auch dem Ich widerfährt (Deleuze 1997: 81). Das synthetische endliche Ich und die analytische göttliche Substanz bilden eine Kette, deren Seiten sich gegenseitig als Einheit bestätigen, so dass alle im 19. Jahrhundert von den anthropologischen und materialistischen Schulen unternommenen Versuche, Gott durch den Menschen zu ersetzen oder auszutauschen, zu keiner entscheidend neuen Qualität führen konnten. Auch wenn die moderne Wissenschaft den theologischen G o t t im positivistischen Zeitalter zu Grabe getragen hat 5 0 , wird die Präsenz des Göttlich-Unendlichen im humanuni

den-

noch in jedem Fall bewahrt: Wenn sich das 'Ich' nicht mehr im Spiegel eines personalen Gottes zu entwerfen vermag, so geschieht dies doch wenigstens auf implizite Weise, indem es selbst zu einem solchen Reflektor wird und damit eine göttliche Diesseitigkeit erlangt. Stets erscheint der Mensch, den Hegel als „das ewig an und für sich Seiende" bezeichnet (Hegel 1979, 17: 2 2 3 ) , als Residuum aller Repräsentationen von einem idealen, mit souveräner Machtfülle ausgestatteten Ich, das über die Materialität von Sprache und Körper herrscht. Es wird nun verständlich, warum das humanum, ner Endlichkeit bedingt ist, nicht auf den unendlichen

das in sei-

metaphysischen

G r u n d seines Selbst verzichtet. Versichern muss es sich unter diesen Umständen einer [...] familiarité métaphysique [...], avec ce qui, si naturellement, rapporte le nous du philosophe au 'nous-hommes', au nous dans l'horizon de l'humanité. Ce qu'on avait ainsi nommé [die Totalität des Seienden als wesentlichen Entwurf der menschlichen Wirklichkeit], de manière prétendument neutre et indéterminée, ce n'était rien d'autre que l'unité métaphysique de l'homme et de Dieu, le rapport de l'homme à Dieu, le projet de se faire Dieu comme projet constituant la réalitéhumaine. L'athéisme ne change rien à cette structure fondamentale.51

4 9 Vgl. Furth (1995: 58): „Einerseits steht er unterhalb der Idee, niedriger als sie, und andererseits steht er oberhalb seiner selbst, erhoben durch die Idee. Die erhöhende Idealisierung wird mit Schuldgefühlen erkauft; das ist eine Komplementarität, die konstitutiv für den Idealismus ist und die den Menschen, der sich diesem Weltanschauungsregime überlässt, zur Herrschaft prädestiniert, und zwar in beiden Rollen, Herrschaft ausübend als auch sie erleidend." 5 0 Vgl. Lang/McDannell (1990: 2 4 6 0 bzw. Berger/Beinert (2006). Auf ähnliche Weise hatten aufgeklärte Vorstellungen vom Himmel das theozentrische Gottesreich bereits im Laufe des 18. Jahrhunderts bei den skeptischen Gläubigen verdrängt. 51 Derrida (1972: 137-138). Vgl. dazu auch Messadié (1997: 519-546), der im Kapitel 'Der Atheismus und die falsche Abwesenheit Gottes' gerade auf den transzendentalen Charakter der Gottesleugnung seit dem 18. Jahrhundert verweist.

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen'

In den Ebenbildlichkeitsvorstellungen vom Menschen äußert sich noch der unmittelbare Bezug der Schöpfung zum Schöpfer und damit zum Ursprung, der sich im Zuge einer in sozialen und historischen Kontexten konstituierenden immanenten Welt durch sprachliche Konventionen verlieren musste. Was ohnehin in der Äußerlichkeit der Dinge kaum einen Zugang zu Gott erlaubt, zeigt sich im Hinabsteigen des Menschen in sein Inneres, wo er in den Spuren seiner selbst, die Ontologie des Schöpfers erschaut, in welcher die seinige wie die des gesamten Universums aufgehoben ist. Indem der innere Mensch als Gesicht Gottes die höchsten Wahrheiten im unveränderlichen Urgrund seiner selbst entdeckt, „in te ipsum redi, in interiore homine habitat veritas" (Augustinus 1962: 39, 72), entfaltet er im Sinne des Augustinus eine Zeichentheorie, nach der die äußeren signa allein durch die inneren erkannt werden, die Seele also aus ihrem Innern die Substanz des scheinbar von außen Empfangenen zieht (Taylor 1996: 235ff). 5 2 So sind Modelle einer trinitarisch begründeten Metaphysik des Seins vorgeschlagen worden, die auch noch in der neueren Theologie ihren Platz haben. 53 Diese Ansätze konvergieren insofern miteinander, als dass alles in den Grenzen der Immanenz gehaltene Seiende als Abbild und Anteil des dreifaltigen Gottes auch dessen Bild annähme, so dass „die analogia entis letztlich analogia trinitatis sei" (Beck 1980: 87). Als dunkelstes Rätsel und als „Zentralgeheimnis des christlichen Glaubens" (ebd.) ist diese „die tiefste Verständnisgrundlage der Seinsstruktur von Natur und Kultur und der letzte 'hermeneutische Schlüssel' aller Strukturprobleme" (ebd.). So vollzieht das Geschöpf „seine Einheit von Wesen, Dasein und Existenz als eine 'Nachahmung' der Allerheiligsten Dreifaltigkeit" (Hengstenberg 1948: 196), wobei sich im ersten der Geist, im zweiten der Leib und im dritten Strukturelement deren Persönlichkeit abbildet. Das Grundschema dieses kreatürlichen Aktes ergibt sich aus den Relationen der drei göttlichen Personen, von denen der Vater als „Ausgangspunkt der Schöpfung" im sprachlichen Gestus des „ewigen Wortes" den Sohn zeugt, so dass „es ihm als selbständige Person gegenübersteht" (ebd.: 160). Der Vater, dem

52 Auch T h o m a s von Aquin hat allen vernunftbegabten Geschöpfen das Bild dieser trinitarisch gegliederten Seinsweise zuerkannt, wobei sich in der gesamten belebten Welt Spuren einer solchen finden lassen: Deutet ihr Sein als erstes inneres Prinzip auf den Vater hin und ihr zweites als Wesensform auf den Sohn, so bezeichnet ihre innere O r d n u n g den heiligen Geist. In dieser Tradition, die das Kontingente einer göttlichen Ganzheit unterwirft, ordnet Nikolaus von Kues (Cues 1862) jede Kreatur einer Einheit zu und damit auch einer Gleichheit vor dem Schöpfer. Die Verbindung der beiden Elemente ergibt schließlich als drittes Ternar ein Bild der göttlichen Trinität in der Schöpfung. 53 Hengstenberg (1948) sowie Kaiiba (1952) gehören zu den wichtigsten Theologen des vergangenen Jahrhunderts, die Konzepte einer trinitarischen Metaphysik bzw. einer trinitarischen Ontologie vorlegten, so dass wir im Folgenden an ihre Aussagen anknüpfen.

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es im als Tätigkeit verstandenen Wesen obliegt, „den Daseinssinn für alle Dinge im Himmel und auf Erden" zu bestimmen, teilt so dem Sohn in der Zeugung die göttliche Natur (Wesenheit) mit. Wenn dieser auf das Wort des Vaters ant-wortet', so gestaltet sich damit exemplarisch auch ein Vorgang, der dahingehend die gesamte kreatürliche Existenz umfasst, als deren Dasein der Sinn des Existierens mitgeteilt wird. Der Heilige Geist ist indes jenes Band, das die gesamte Schöpfung umschlingt und mit einem als Ur-Grund der Dinge waltenden Gott verbindet (ebd.), so dass sich die Ordnung des Kosmos nicht auf Grund einer äußeren Kraft, sondern im Rahmen eines „Ineinandergefügtseins höherer und niederer Existenzstufen" vom ersten Atom bis zu ihrem höchsten Glied, der Kirche, konstituiert (Hengstenberg 1948: 17): U n d deshalb richtet Gott an den Kosmos nicht 'diktatorische' Befehle, die von außen aufgedrängt werden, sondern seine Gesetze sind, was sie sind, nur als Ausdruck dieses Liebesbundes, dieses seinshaften Bandes, das Er um sich und die Schöpfung schlingt. [...] Wir haben keinen Gott, der nur von außen stößt, sondern einen solchen, der zugleich von innen bewegt (ebd.: 18).

So tut sich im dreieinigen göttlichen Aspekt der Wirklichkeit eine Formel kund, die einmal „für die lebendige Struktur des Seins" wirksam war (Heinrich 1992: 67). Verlieh der 'Vater' „allen Teilen der von ihm geschaffenen Welt Identität", so war 'der Sohn „das versöhnende Wort unter den miteinander konkurrierenden gleichheiligen Ursprungsmächten, und 'Geist' der immer wieder neu zu findende Weg der Versöhnung" (ebd.). Es bildet sich eine Seinsordnung, die nach vertikalen und horizontalen Kriterien ausgerichtet ist: Sie ist primär vertikal, weil der Mensch seine Rolle in distinkten Akten und Rollen, wie seiner verwaltenden Tätigkeit auf Erden, den Abstufungen zwischen Mann und Frau, dem Herrschen über die Natur und alle ihm unterlegenen Gattungen wahrnimmt. Obwohl der Mensch im abendländischen Denken nicht den Rang einer Ikone Gottes besitzt, spielt er dennoch seine Rolle in dieser Welt „analog zu jener Rolle, die Gott in der Gesamtschöpfung innehat" (Duquoc 1991, 3: 337): Wenn er erst im Gegenüber mit Gott sein eigentliches Bild erhält, um sich einerseits von ihm abzuheben, andererseits von einer untergründig wirkenden Urbildhaftigkeit auszugehen und sich in ihm abzubilden (Ortiz-Oses 1993: 81), so ist damit nicht nur seine Unterordnung unter dem Höchsten angesprochen. Auch eine Hierarchie der Lebewesen ist impliziert, die im Verhältnis der Bilder zum Urbild ihre Legitimation erlangt. Ihre weniger offensichtliche, aber doch ebenso ausschlaggebende horizontale Seite besteht allerdings in den vestigia trinitatis, die wie ein Netz den gesamten Kosmos durchziehen. Aus dieser Sicht wiederholt sich die trini-

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tarische Ontologie im Sein aller Geschöpfe, so dass sie als Schlüssel zur göttlichen Weltidee angesehen werden kann (Kaliba 1952: 10). Dieser Schlüssel beruht indes auf einem System der unmittelbaren Signifikation, in dem das Zeichen, wie einsichtig wurde, als notwendiger Teil jenes von ihm evozierten Wesens gilt (Assmann 1980: 69) und demnach unauslöschlich als Ergebnis des göttlichen Schöpfungsaktes eins mit dem Bezeichneten geworden ist. Die innige Verknüpfung von Dingen und Namen, die letztere zu einer von Gott gegebenen Zwangsläufigkeit (zu einem Hervorgang des Geistes aus sich selbst) werden lassen, weicht im Rahmen der mittelbaren Signifikation jedoch Vermittlungsinstanzen, welche die Signifikate auf arbiträre Weise mit entsprechenden kulturell konventionalisierten Begriffen verbinden. Nicht göttliche Eingebung und Autorität stellen hier das Verhältnis von Universum und Sprache her, sondern eine die Menschen verbindende Verständigungshaltung, die der Welt eine willkürliche Satzung gibt und sie damit auch jener Einzigartigkeit als Emanation des Schöpfers beraubt. Dieser Gegensatz zwischen mittelbarer und unmittelbarer Signifikation, der im G r u n d e schon im griechischen Denken angelegt ist (ebd.: 61) und im Nebeneinander von göttlicher Botschaft und menschlicher Satzung fortwirkt, begründet den hier eingeführten heuristischen Begriff des 'Gottessignifikanten'. Zwar ist das Zeichen am gleichen O r t und zur gleichen Stunde mit der Göttlichkeit entstanden, „[puisque] la face intelligible du signe reste tournée du côté du verbe et de la face de Dieu" (Derrida 1967: 25). Doch wenn diese fur den Menschen vornehmlich zu einer funktionalen Größe bei der Bewältigung seiner Lebensaufgaben wird und sich somit mit dem Beginn der Neuzeit in zunehmendem Maße zur Immanenz hin aufschließt, markiert der Gottessignifikant das Unvermögen der Zeit, die Signifikanz Gottes noch in dessen eigenschöpferischem Logos zu bestimmen 5 4 : D e n n von diesem haben nicht nur die babylonische Sprachverwirrung und schließlich der neuzeitliche

54 Vgl. dazu Derrida (1972a: 109). Im ersten Kapitel führt Derrida im Rahmen seiner Lektüre des Phaidros den Begriff „le dieu (du) signifiant" ein, der sich auf den Götterboten T h o t h bezieht. Dieser hat als Sohn des ägyptischen Gottes Re bzw. A m m o n die Aufgabe, dessen schöpferischem Entwurf eine Sprache zu geben sowie dessen Botschaften zu interpretieren. Sein Charakter weist zwiespältige Züge auf, da er als Sprecher seines Vaters auch Erzähler von Geschichten ist, die er umzudeuten oder gar zu erfinden hat. Seine Göttlichkeit ist eine vom Vater verliehene, die dieser mit dem Verweis auf die genealogische O r d n u n g auch zu bannen sucht. T h o t h erscheint somit als tückischer Zwischenträger, in dem sowohl der Geist des Vaters wie das gefährliche pharmakon der Schrift enthalten ist. Die N ä h e dieser philosophischen Figur zu der hier vorgestellten des Gottessignifikanten ergibt sich aus einer Göttlichkeit, deren Zeichen selbst trügerischer Natur ist, da sie sich stets entzieht.

Theoretische Vorkehrungen

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Erkenntnisbegriff den Menschen entfernt.155 Der Begriff des Bildes, der in Hinblick auf das Konzept der Wahrheit „aus der bis dahin unlösbaren Verklammerung von Urbild und Abbild [herausgenommen ist]" (Blumenberg 1981: 47) und nur noch in den "Werken des Menschen und deren Strukturgesetzen präsent sein kann, verändert sich auch auf der Ebene der darstellbaren Machtrepräsentationen, die spätestens seit der Französischen Revolution eine kosmologische Äquivalenz von göttlichem und weltlichem Herrscher vermissen lassen. Aus diesem Bruch erwächst in Spanien eine Opposition zwischen katholischer Kirche und modernem Liberalismus, die im Europa des 19. Jahrhunderts ihresgleichen sucht. Diese ist indes jenen Signaturen zuzuordnen, die Heidegger in seiner Lektüre Hölderlins als „dürftige Zeit der entflohenen Götter und [des] Nochnicht des Kommenden" beschreibt (Heidegger 1981a, 4: 47). Das neue Zeitalter erlangt hier gerade deshalb einen ausgeprägt dürftigen Charakter, weil die immer unkenntlicher werdenden Spuren des Göttlichen eine ontotheologische Tradition in Frage stellen, die etwa in der Geschichte des politisch und religiös zersplitterten Deutschlands weitaus weniger ausgeprägt ist.56 So wird die schwindende Glaubensgewissheit, wie sie vor allem im Roman der Restauration ihren Ausdruck findet, zur Selbstoffenbarung des katholischen Spanien, „la hija predilecta de la iglesia" (Shoemaker 1973: 152-153): Die abnehmenden Integrationsleistungen der Kirche koinzidieren mit dem Verlust jener Dichte, die dem Katholizismus als raison d'etre Spaniens und dem Königtum als irdischer Verkörperung Christi zukam.57 55 Vgl. Blumenberg (1981: 47). „Der neue Erkenntnisbegriff [...] trennt den die Dinge unmittelbar und in ihrem Wesen erschauenden göttlichen Geist und den sie nur symbolisch repräsentierenden menschlichen Geist radikal, indem der menschliche Geist seine rezeptive Offenheit gegenüber den Dingen verliert und zu einem schöpferischen Prinzip seines eigenen Instrumentariums wird. Die verschärfte Transzendenz des göttlichen Umgangs mit den Dingen erzwingt die Immanenz des neuen Begriffs menschlicher Bewältigung der Dinge." 56 Vgl. Plessner (1998: 52-64). Während pueblo espanol „noch mittelalterlichen Klang, die Einheit trotz aller Standesunterschiede, trotz Reichtum und Armut, die Kindschaft vor Gott, seiner Kirche und seinem König, unromantisch, real und katholisch" bewahrte, fehlte dem sich in Ursprungsphantasien verlierenden Deutschland „eine erzieherische Mitte zwischen Haus und Staat, zwischen Familie und Öffentlichkeit [...]." Im römischen Komplex zeigen sich gerade Defizite hinsichtlich eines Reichsgedankens, der nach der Reformation nicht mehr über die bindende Kraft eines gemeinsamen Glaubens verfügt und so die Territorien unter einer Idee vereinigt. 57 Unter diesem Eindruck wurde noch ein staats- und geschichtsphilosophischer Diskurs angestrengt, dessen Wortführer Donoso Cortes sich dazu anbot, den durch Revolutionen und Bürgerkriege verlorenen „Gleichklang zwischen Gott, Papst und König" so zu restaurieren (vgl. Maschke 1989: XIV), dass die Verklammerung von göttlichem Ur- und menschlichen Abbild wiederhergestellt werde: „Die richtige religiöse Ordnung besteht darin, dass der persönliche Gott überall ist, dass er über Himmel und Erde herrscht und dass er die göttlichen wie die

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Jenseits v o n altem G o t t u n d ' N e u e m M e n s c h e n

Indem sich die Menschen nicht mehr in einem unteilbaren 'Ich' wiederfinden können, das sie im Sinne des abendländischen Humanismus mit einer besonderen Würde gegenüber allen anderen Kreaturen ausstattet und somit in eine besondere Verwandtschaft mit Gott treten lässt58, erhält die Erkenntnis einer nomadischen und stets flüchtigen Existenz vor dem Horizont des nihilistischen Zeitalters einen besonderen Stellenwert. Uberhaupt undenkbar wird demnach die Vorstellung, die Differenzen und Abgründe des eigenen Ichs könnten sich noch in einer Einheit wieder finden, wie sie die Trinitätstheologie als Versöhnung von Vater und Sohn im Geist der Liebe postuliert und in der von Donoso Cortés geforderten Rückkehr zur Konzeption eindringlicher und gestalthafter Machtgebilde erneuerten Ausdruck erhält. 59 Wenn „nichts am Menschen — auch nicht sein Leib - so fest ist, um auch die anderen Menschen verstehen und sich in ihnen wiedererkennen zu können" (Foucault 1991: 97f), dann ist nicht allein das Dialogverhältnis mit dem Schöpfer in seinen unmittelbarsten Grundlagen erschüttert und damit das Sein als christliche Umdeutung zum Geschaffensein (Heidegger 1987: 47). Auch der Charakter des Sprechens als Äußerung, in welcher sich eine Bewegung des Menschen aus der Tiefe seines seelisch-göttlichen Inneren offenbart, ist damit in Frage gestellt. Mit dem Tod Gottes ist dem Menschen der Ausweg versagt, sich selbst für alle zukünftige Zeit zum göttlichen Platzhalter zu machen, indem er sich aus seiner reich entfaltenden Innerlichkeit mit einer solchen Ich-Identität versieht. In der dürftigen Zeit, die das Ende einer auf die Parusie hoffenden Menschheit markiert, ist auch der Mensch selbst nur ein irrender Gott. Auf diese Weise werden die Konturen jenes Neuen Menschen, der seine eschatologischen Erwartungen im Vertrauen auf die eigene anthropologische Güte auf ein ungefährdetes Diesseits projiziert (Küenzlen

menschlichen Angelenheiten regiert. D e m entspricht die katholische Erbmonarchie, in der der König durch seinen Beauftragten überall ist u n d in der er sowohl herrscht als auch regiert" (vgl. ebd.: XXXV). 58 Vgl. dazu die erhellende Arbeit von Ferry (1996: 227-247), in der gerade die Abhängigkeit des Menschheitshumanismus vom christlichen Projektionsrahmen betont wird. Die dem Menschen einst von außerweltlichen Mächten zugesprochene Einheit verlagert sich auf eine säkulare „Idee eines Gemeinschaftsbandes" (ebd.: 240), welche dabei aber keineswegs ihr substanzhaftes Wesen einbüßt und somit ihre analogische Struktur zur Religion bewahrt. 59

Vgl. Maschke (1989: XXXIV-XXXV). Das Verhältnis von Trinität und einer soziale Hierarchien verschmelzenden Monarchie, die das Denken der Einheit in der Vielheit illustriert, wird in den Bonald entlehnten Überlegungen erweislich: Danach liege „die Trinität nicht nur beim dreieinigen Gott, sondern auch bei der von König-Minister-Untertan, Vater-MutterKind, u.a." Die vollkommenste Gesellschaft bilde sich nachgerade in der Trinität nach, welche die „erschöpfende Vielheit mit vollendeter Einheit sei. „Ihre Harmonie ist das Ur- und Vor-Bild aller menschlichen Gesellschaft, in der die Kirche als von G o t t gestiftete den obersten Rang einnimmt.

Theoretische Vorkehrungen

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1994 bzw. Löwith 1990), zusehends flüchtiger und verschwinden wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand, um an ein bekanntes Bild von Foucault zu erinnern (Foucault 1974: 4 6 2 ) . Das eigentlich Neue dieses Menschen, das ihn vom Glauben an den alten alles beschirmenden Vatergott abhebt, ist die Gewissheit seiner auf Zeit und Raum begrenzten Endlichkeit. Unter diesen Voraussetzungen ist der Signifikant Gottes die Signifikanz des göttlichen Zeichens im Moment seiner Auflösung, die Einheit des göttlichen Zeichens im Augenblick seines Zerfalls oder das Residuum des Numinosen auf der Ebene der Sprache. Er ist das, was dem Menschen als letzte Fährte zum Göttlichen nach der Kopernikanischen Wende Kants noch geblieben ist: Wenn es das Bewusstsein des Subjektes ist, das den Gegenständen ihre begrifflich-kategoriale Einordnung, ihre Formen und Gesetze vorschreibt und sie infolgedessen erst zu Bestandteilen dieser Welt macht, dann sind Transzendentalien wie Gott nichts anderes als Vorstellungen oder Einbildungen des Menschen, die sich dieser vom Numinosen macht (vgl. Kant 1977, 3: 2 0 0 - Damit aber bestimmt der Gottessignifikant die Signifikanz Gottes nicht in dessen eigenschöpferischem verbum, das „in principio" aller Welten und Zeiten war, sondern vielmehr in den signa, die in der Kommunikation zwischen dem Menschen und seiner Welt zu göttlichen werden. Der Gottessignifikant erschöpft sich schließlich nicht in der bloßen Deixis des Numinosen und seiner bereits hergestellten personalen Einheit, sondern er markiert jenes Spannungsverhältnis zwischen sterblichem Menschsein und theomorpher Essenz, das im deutschen Idealismus das Gegenüber von Gott und Mensch auf die Immanenz zurückprojiziert (vgl. Furth 1995: 58). Zwar verweist der Gottessignifikant im Sinne der obengenannten Definition auf das höchste Wesen, dem „Ideal der reinen Vernunft", d. h. im Kant'schen Verständnis auf den „Begriff von einem einzelnen Gegenstande [...], der durch die bloße Idee durchgängig bestimmt ist" (Kant 1983, 2: 516). Es verbietet sich aber für Kant, sich eine genauere Vorstellung von seinen Attributen, seinem Wesen und dessen Kausalität zu machen. Ansonsten verliere eine solche Analogie zu den im Menschen vorhandenen Fähigkeiten des Verstandes und des Willens ihre Grenzen und gerate in Gefahr, eine schwärmerische Vision zu werden. Um eben eine solche geht es aber, wenn sich der Mensch gleich dem Doktor Faustus als „Ebenbild der Gottheit" entdeckt, schon „ganz nah gedünkt dem Spiegel ewger Wahrheit,/ Sein Selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit,/ Und abgestreift den Erdensohn" (Goethe 1948, 3: 27). So ist der Gottessignifikant noch das, was das vom Göttlichen abgespaltene, aber auch ihm zugehörige Zeichen dem Menschen verheißt: Sich selbst im Ideal abzubilden und eine Subjekt- bzw. Wertsetzung zu erfahren, um sie in diesem sich beständig wiederholenden Unterfangen zu

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Jenseits von altem G o t t und ' N e u e m Menschen'

verlieren. Es ist der Begriff seiner Herstellung im Augenblick des errungen geglaubten Triumphs, dem unmittelbar der tiefste Absturz oder die eigene Dekomposition folgt. Es ist das, was einen Doktor Faustus die erhoffte Einheit mit jenem Göttlichen erahnen lässt, dessen Umrisse sich jedoch alsbald im Ungewissen zu verlieren beginnen. Als ein von seinem Herrn abgespaltenes Wort, das seine Autonomie erreicht hat und sich gegen diesen wendet, ist im Gottessignifikanten zugleich aber noch jene Kraft gegeben, welche die Einbildungsstrukturen des Subjekts verzaubert. Jener 'schwärmerischen Vision' unterworfen, mag der Mensch nur allzu leicht der Neigung nachgeben, es sich in einer einzigen Interpretation der Welt gemütlich zu machen.

1 . 1 . 3 VORGEHEN UND TEXTKORPUS

1 . 1 . 3 . 1 E R L Ä U T E R U N G DES VORHABENS

Dieser zum Scheitern verurteilte Versuch, eine Einheit zwischen dem Vater des Logos und seinem Wort zu restaurieren, geht auch in allgemein akzeptierte Definition- und Deutungsversuche des Göttlichen selbst ein. Denn „außer durch heilige Gegenstände" vermag das Heilige als Qualität des Göttlichen nicht in Erscheinung zu treten (Tillich 1987: 252). Gilt das Profane lediglich dann als heilig, wenn es sich als solches negiert, um allein das Göttliche zu repräsentieren und zur Schau zu stellen, so ist letzteres eher dem reinen Sein zuzuordnen, das mit dem reinen Nichts identisch zunächst „als Gegenbegriff des eigentlich Seienden" zu verstehen ist (Heidegger 1986b: 39). Insofern ist das Göttliche selbst von jener ontologischen Differenz zerrissen, als es sich um „eine Denkbestimmung, ein Abstraktionsprodukt [handelt], das mit Unmittelbarem ohne weiteres gar nicht auf einen Nenner zu bringen [und] gar kein konkretes Ich ist, das einen konkreten Bewußtseinsinhalt hätte" (Adorno 1998, 5: 147). Gerade das Numinose nimmt zentralen Anteil am Wesensgeschick der Metaphysik, der sich „der eigene Grund entzieht, weil im Aufgehen der Unverborgenheit überall [...] die Verborgenheit ausbleibt, und zwar zugunsten des Unverborgenen, das als das Seiende erscheint" (Heidegger 1986b: 11). Als das eigentlich Unsagbare und Unbegreifliche lässt Gott „sich nicht wissen, was er ist, sondern nur, was er nicht ist" (Stolina 2000: 68). Aus dem in der Sprache der Mystik immer wieder angesprochenen dunklen Sein, dem „lauten Nichts", dem „kein N u n noch Hier [rührt]", hebt sich ein unbestimmtes und wesenloses Göttliches so lange als „Dio di gloria" ab (Eco 1984: 503), wie es von mächtigen religiösen Einbildungsstrukturen dazu gemacht wird (vgl. Lippold 1993).

Vorgehen und Textkorpus

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Ein privilegiertes Medium des Göttlichen ist unter diesem Aspekt von alters her das Bild, da es das Sein nur denkt, indem sie sich das Seiende als das Seiende vorstellt (Heidegger 1986b: 11). Dass sich die Energien des Göttlichen auf das Bild selbst übertragen 60 , ist eine allgemeine Erkenntnis der Mystiker, die, wie in diesem Fall Meister Eckhart, das Zusammentreffen von Immanenz und Transzendenz, von materieller und geistiger Welt, indizieren: Denn jedes Mal, wenn die Kräfte der Seele mit der Kreatur in Berührung kämen, nähmen und zögen sie Bilder und Gleichnisse von derselben (Meister Eckhart 1903: 15-16). Namentlich das Bild sei ein Ding, „das die Seele mit den Kräften schöpft" (ebd.), da sie im Gegensatz zu Gott selbst, der „ohne alles Mittel, Bild oder Gleichnis" wirke (ebd.: 16-17), der Sinne bedürfe. Nur dank seines Bildcharakters kann das Göttliche eine Aura, ein nach Walter Benjamin „sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit" entfalten, welche Benachbartes in Unnahbares verwandelt und „[die] einmalige Erscheinung einer Ferne [ist]", so nah sie auch sein möge (Benjamin 1980, 1/2: 440). So hat sich „die ontologische Ordnung (das heißt die Philosophie)" als solche nur konstituieren können, um die Mächte des Bildes als unerlässliches, aber unliebsames pharmakon des reinen Gedankens zu verkennen und in ihrem Eigensinn zu ignorieren, wie Derrida hervorhebt: D e n n die Mächte des Bildes fuhren vielleicht als letzte Triebkraft auf jene Macht zurück, auf die Kraft des Bildes, die aller O n t o l o g i e entzogen werden m u ß . M a n sollte es diesem Z u s a m m e n h a n g entziehen, zunächst weil es sich d e m eigentlich von selbst entzieht; vor allem - und das ist die Kraft seiner Kraft - reißt es sich los v o n einer ontologischen Tradition dieser Frage 'was ist'? (Derrida 1994: 2 4 )

Stets sei es „in einem zutiefst verschwiegenen und heimlichen Krieg" das Ziel dieser Mächte gewesen, der uneingestandenen „Gegen-Macht eine Verneinung entgegenzusetzen, die dazu bestimmt ist, eine ontologische Macht über das Bild zu bestätigen: über die Macht des Bildes, über seine dynamis", d. h. der Macht seiner Gegenständlichkeit, „sich keiner Onto-Logik zu unterwerfen" (Wetzel 1994: 24). Eingedenk seines eigenen Bildcharakters stellt sich das Numinose auch nicht als Begriff im definitorischen Sinn dar, der „das Produkt einer Analyse der Einzeldinge und Synthese ihrer gemeinsamen Merkmale (notae) durch Abstraktion" (Kirchner/Michaelis 1907: 89) wäre oder „die Potenz zu einer Reihe von Urteilen [...], in denen er allein lebendig 6(1 In die deutsche Etymologie von 'Bild', das mit seinem breiten Bedeutungsspektrum „die lateinischen Begriffe effigies, exemplum, figura, forma, signum, simulacrum, species, statua, symbolum, typus, insbesondere aber imago einschließt", ist auch die numinose Kraftgeladenheit der altsächsischen Form eingegangen. So meint bilidi „ursprünglich ein göttliches Wunderzeichen, also einen geheimnisvollen Vorgang, in dem sich eine verborgene Wirklichkeit ihren sinnenhaften Ausdruck schafft" (vgl. T R T 1983, 1: 182).

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ist" (Eisler 1904, 1: 125). Vielmehr ist es mit einer Klaviatur vergleichbar, auf der die Zeit als Phänomen der Veränderung die Stimmung einer bestimmten Epoche in Tönen aufzeichnet, um das existenzielle Befinden des Menschen zu erfassen, das dessen unmittelbarem Bewusstsein zumeist entzogen ist. Jenes bereits angesprochene dialogische Prinzip, das sich zwischen einem göttlichen 'Ich' und einem menschlichen 'Du' vollzieht, duldet keinen Stillstand. Da Religion das ist, „was das Individuum aus seinem eigenen Solitärsein macht" (North Whitehead 1986: 15), nötigt sie diesem eine alternierende Haltung gegenüber dem Numinosen auf, die von einer Entfremdung von Gott zu einer Gemeinschaft mit Gott drei Phasen durchläuft: Auf diese gelungene Weise ist sie „der Ubergang von Gott, der Leere, zu Gott, dem Feind, und von Gott, dem Feind, zu Gott, dem Gefährten" (ebd.). Verfehlen die Bilder jedoch ihre kanonisierende Wirkung und bleibt es dem Individuum selbst überlassen, diese in den Grenzen seiner Erkenntnis zu interpretieren, gerät mit der beschriebenen Finalität auch der persönliche Glaube „als ein über alles Beweisen hinausliegendes, absolut sicheres und starkes Gefühl" (HWP 1971, 3: 646) ins Wanken: Ein entgegengesetzter Erfahrungswandel tritt ein, wenn „die Entscheidung zwischen Urbild und Abbild, Präsenz und Repräsentation, Produktion und Reproduktion, Wirklichkeit und Bildlichkeit in dem Maße in unabschließbarer Schwebe [gehalten ist], in dem sie die Möglichkeit der 'absoluten Abgrenzbarkeit' zwischen den jeweils entgegengesetzten Termen unterminiert" (Därmann 1997: 569-570). Aus der Unschlüssigkeit des Betrachters erwächst jener fiir die Moderne so typische Agnostizismus, welcher die „Unerkennbarkeit Gottes zum Anlaß nimmt, auf eigene definitive Glaubensaussagen zu verzichten und fremden mit entsprechender Skepsis zu begegnen" ( T R T 1983, 1: 36). Seinem Unvermögen, sich noch ein Bild von Gott zu machen, wie es die christliche Ikonographie vorsieht (vgl. LCI 1994, 2: 165-170), folgt jene weltanschauliche Unentschiedenheit, „verallgemeinernd als »metaphysische Stimmenthaltung« bezeichnet" (EKL 1985, 1/1: 62), die in der Frage des Gottesbeweises allein dem logischen Wissen und der sinnlichen Erfahrung verpflichtet ist. Namentlich letztere hatte über Jahrhunderte von einer Bilderwelt gezehrt, welche die transzendentale Einbildungskraft innerhalb der von der Kirche gesetzten Ökonomie halten sollte. In der Schwäche einer sakralen Kunst, die sich seit dem 19. Jahrhundert in einer „massenhaften Produktion süßlich-frommer Bilder" erschöpft (EKL 1985, 1/2: 508), macht sich auch eine grundsätzliche Veränderung der Kategorien bemerkbar. An die Stelle der vertrauten, aber ausdruckslos anmutenden und anfechtbar gewordenen Vorstellungen von einem theozentrischen Himmel, die mit der Moderne ebenso abstrakt werden wie die göttliche Offenbarung selbst (vgl. Lang/McDannell 1990

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bzw. Berger/Beinert/Wetzel 2006: 112f), treten nun die empirisch oder intuitiv überprüfbaren Referenzen der präzisen Wissenschaften. Diese sind allenfalls temporär imstande, den Glaubensverlust zu kompensieren. Obschon sie die Skepsis in eine umfassende metaphysische Weltsicht nur noch vertiefen, werden sie von einer wenig innovativen Sakralkunst, „lleno de magníficas mediocridades" (Diego 1987: 103), kaum angefochten. In Umkehrung der Aura verwandelt sich die Unnahbarkeit des Numinosen in eine Nähe, die dennoch fern, fremd und referenzlos anmutet. Sei es in der Malerei als stummer Poesie, in der Poesie als sprechender Malerei oder in der Gegenwart der „träumenden Gedanken" - stets erschließt sich die neue Autorität des Bildes für avancierte Poeten wie Stephane Mallarmé gerade aus der Abwesenheit des bezeichneten Objekts, um ihnen so zur einzigen idealen Gegenwart zu werden (Naumann 1936: 171). In einem denkwürdigen Beitrag äußert sich der Journalist Pérez Galdós aus Anlass der Pariser Weltausstellung von 1867 über die zeitgenössische spanische und französische Malerei, deren Niedergang er anhand einiger Beispiele belegt. Unter einem der Gemälde mit mythologischen und biblischen Sujets entdeckt der Betrachter auch ein von ihm nicht näher bezeichnetes Gemälde, das dem Kolossalbild Le paradis perdu von Alexandre Cabanel (1823-1889) am ehesten zu entsprechen scheint. Im Mittelpunkt der Komposition steht der von zwei Engeln begleitete Gottvater, der das erste Menschenpaar nach seinem Sündenfall erzürnt aus dem Garten Eden verbannt. Allerdings hat sich die Darstellung so sehr von ihrem Urbild entfernt, dass der Schöpfer eher Jupiter in Gefolge seines Lustknaben Ganymedes ähnelt, ,,á decir á Prometeo algún ditirambo" (Pérez Galdós 1972b: 418). 61 Man sieht in der Illusion des enttäuschten Betrachters, der sich im Zeichen der Ebenbildlichkeit nach einem entfernten Ursprung sehnt, das Aufblitzen des ewigen Jehova, „que apostrofó á nuestros primeros padres." Sein augenblicklicher Entzug verdankt sich freilich der mangelhaften Qualität des künstlerisches Materials, „[pues] el asunto está mal entendido, es poco cristiano, demasiado académico gentil y profano á todas luces" (ebd.). Doch zugleich zeigt sich, dass diese Ikonographie des Göttlichen selbst auf einem historischen Synkretismus beruht, der sich einer trinitarischen Auslegung des Bildes entzieht, wenn andere Bedeutungsschichten gleich einem Palimpsest hin-

61 Dieses Bild ist freilich nicht ohne Pikanterie, wenn man sich daran erinnert, dass Ganymedes, der Sohn des ältesten Königs von Troja, als der schönste aller sterblichen Jünglinge von Zeus geraubt und zum Mundschenk an der Göttertafel ernannt wurde. Zum Lieblingsknaben des Gottes geworden, wird er in Darstellungen von diesem liebevoll umarmt (vgl. Holzapfel 1993: 140).

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ter dem christlich-jüdischen Archetypus hervortreten. 62 Grundsätzlich wird hier ein kreatives und offenes Ausdeuten des in jedem Bilde gegebenen Strukturierungspotentials angesprochen, das sich einer religiös sanktionierten Interpretation verweigert. Der anschaulich gemachte Gegenstand zerfällt in voneinander divergierende Einzelzeichen, so dass seine autoritativ gesetzte Ganzheit erschüttert wird: G e r a d e im Durchspielen jener im Bilde enthaltenen Kontravalenzen wird sich der Beschauer seiner eigenen Strukturierungsaktivität, aber auch seiner eigenen Verf ü g u n g s o h n m a c h t bewusst, u n d zwar in der sehr besonderen Erfahrung, dass jede Strukturierung, die er vollzieht, in ein u n d demselben P h ä n o m e n fundiert, dass aber keiner der möglichen Strukturierungsakte dazu fuhrt, dieses Identische endgültig zu vereinnahmen u n d zu beherrschen (Imdahl 1 9 9 4 : 3 1 8 , vgl. dazu auch Scheer 1 9 9 7 : 2 0 3 ) .

Als heuristisches Modell, das in seiner heterogenen Begrifflichkeit selbst einen Bezug zur theologischen Ganzheit und deren Fragmentierung in der Zeichentriade erkennen lässt, erfährt der Gottessignifikant hier seinen eigentlichen Sinn: Auf die Sprache zurückgeworfen, hat sich das Numinose selbst von seinem Urbild entfernt, dessen Platz es bisher eingenommen hatte. Wenn er in einer Vielzahl schimärischer Abbilder in Erscheinung tritt, wäre „der Gott der seinen Platz also in der Sprache fände [jedoch nichts als] ein Götze" (Wittgenstein 2000, 2: 116). Was zur überreichen und vollständigen Gegenwart Gottes werden will, wird auf Grund eines in fragmentarische Einzelteile zerfallenden Bildes letztlich nur in seiner Abwesenheit erfahren, so dass in diesen Partialgebilden auch nur Gottesbilder präsent werden, die ebenso unvollständig sind wie ihre unvollkommenen Ebenbilder: Vielleicht aber ist das Bild auch eine Repräsentationsform für etwas anderes, nämlich das Anschauungsmodell für eine jedem unmittelbaren wie auch endgültigen Z u g r i f f sich entziehende Wirklichkeit überhaupt, a u f die es ein Sichtbares hindeutet u n d die selbst kein Aussehen hat (Imdahl 1 9 9 4 : 3 1 8 ) .

Im Sinne dieser um ihre einstige Aura gebrachte oder zumindest in ihrem sakralen Schein verletzten Bildlichkeit besteht das Ziel unseres Vorhabens nicht darin, die Krise der Religion in der spanischen Restaurationsepoche auf Grundlage einer schwindenden religiösen Gesinnung oder eines casus concientiae zu beschreiben. Es geht uns vielmehr darum, den Fehl Gottes aus dem 6 2 Vgl. Prill (1999: 270), der auf Grund einer Marginalie aus der Hand von Pérez Galdós darauf aufmerksam macht, dass dieser bei seiner Lektüre von Goethes Wilhelm Meister „christliche [...], griechische und humanistische Mytheme gleichwertig nebeneinander [setzt]." Indem er Gottvater als Jupiter, Gottsohn als Christus und den Heiligen Geist als das Menschliche deutet, werden Überlagerungen von Mythemen kenntlich gemacht, une image peut en cacher une autre'.

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Unvermögen verständlich zu machen, sich das Seiende Gottes und damit des Menschen noch in seiner unauflöslichen Ganzheitlichkeit einsichtig machen zu können, es sich selbst vorzustellen oder im Wissen der Zeit und demgemäss in einem Textganzen oder in einzelnen Aussagen vorzufinden. Dabei erweist sich jene merkwürdige und widersprüchliche Doppelbewegung, in welcher sich Zerrissenheit und Sinninkonsistenz des Seienden auf besonders anschauliche Weise mitteilen, für diese Zeiterfahrung als Deixis erster Ordnung: Ist der existierende Gott für die Menschen unsichtbar geworden, so erscheint er ihnen gleichwohl als ein in seiner Fülle abwesender Gott. Verlieren sich seine Spuren, so zeigen sich dennoch in seinem Schatten Residuen christlicher Symbole, deren Botschaften ihren Sinn im Augenblick der Konstitution schon einbüßen. 6 3 Es wird zur Aufgabe dieser Arbeit gehören, diese sprachlich gebundene Differenz zwischen dem Schein des Göttlichen (ein alle Zeichen umfassendes Sinnzentrum, das sich in der Projektion auf das andere wie auf das eigene Selbst entfalten kann) und dessen gleichzeitigen Entzug (Auflösung und Zersplitterung der signa,

die einem ganzheitlichen Be-

deutungszusammenhang enthoben und daher in ständiger Bewegung sind) in fiktionalen

wie nichtfiktionalen Aussagen herauszuarbeiten/' 4 Die Frage ist

demnach, auf welche Weise die versöhnende Einheit Gottes in die in ihr enthaltenen Teilinstanzen zerfällt und wie deren Entsprechungen in Einbildungsstrukturen der Zeit daran scheitern, ein Subjekt nach dem Bilde Gottes zu werden bzw. einen einheitlichen Zusammenhang zu erlangen. 65 An diesem Unvermögen hat auch der philosophische Idealismus seinen Anteil, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die spanische Geisteswelt beherrscht. Denn an die Stelle einer angestrebten harmonischen Ordnung des Universums tritt besonders in fiktionalen Texten eine auf phantastisch-groteske Weise verzerrte und unüberschaubare Welt. Schon im Augenblick dieser Setzung scheitert zumeist der Versuch, eine weitgehende Transparenz der Wirklichkeit

6 1 Vgl. Nietzsche (1999, 3: 467): „Neue Kämpfe. - Nachdem Buddha tot war, zeigte man noch jahrhundertelang seinen Schatten in einer Höhle - einen ungeheuren schauerlichen Schatten. Gott ist tot; aber so wie die Art der Menschen ist, wird es vielleicht noch jahrtausendelang Höhlen geben, in denen man seinen Schatten zeigt. - Und wir - wir müssen auch noch seinen Schatten besiegen!" M Als eine unter zahlreichen anderen Quellen sei hier Genette (2004), dessen Unterscheidung zwischen Fiktionalität und Poetizität sich inzwischen weitgehend in der Literaturtheorie durchgesetzt hat. 6 5 Sein Ziel ist es, die ontologische Differenz zwischen Seiendem und Sein, zwischen res cogitan* und res extensa, zwischen Geist und Materie in der allmählichen Erkenntnis des Göttlichen, in der Epiphanie von positiver Wissenschaft und triumphierender Vernunft zu überwinden, „[pues] si el análisis nos ha llevado hasta Dios, la síntesis, descendiendo desde Dios, nos conducirá a la explicación total del mundo [...]" (Llopis 1956: 56 bzw. Diaz 1989: 51).

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zu schaffen, so etwa, wenn ein archetypisches Bild durch ein anderes überlagert und um seine eindringliche Wirkung gebracht wird. Eine derart verstörende Bildlichkeit des Göttlichen, die Triumph und Scheitern, Ganzheit und Fragment, Idealismus und Realismus in eine Sinnbindung bringt und in immer neue gebrochene Bilder fasst, beschränkt sich nicht auf eine Stimme, einen Autor, einen Text oder eine Textsorte. Wenn wir sie als eine eher tiefenwirksame Erfahrung ansehen, die über individuelle Befindlichkeiten hinaus auf eine neue metaphysische Zeitrechnung weisen, erscheint es geboten, sie ähnlich einer Partitur zu erfassen, in der Einzelstimmen zwar nicht überhört, diese aber wie „alle dazu gehörigen Stimmen" (Sulzer 1774, 2: 879) in der Mehrstimmigkeit der Musik aufgezeichnet werden (vgl. B R M 1995, 3: 272). D a im Göttlichen überpersönliche Mächte wirken, die dem Menschen gegeben sind, erscheint der Diskurs besonders dazu geeignet, die Gesamtheit der Gesellschaft zu ergreifen, ohne von einem einzelnen Subjekt determiniert zu werden, „[en se référant], non pas à la pensée, à l'esprit ou au sujet qui ont pu lui donner naissance, mais au champ pratique dans lequel il se déploie" (Foucault 2001, 1:711). Als relativ autonome Formation von Aussagen, die auf dem intellektuellen, philosophischen und literarischen Feld selbst Realität konstruiert, bringt er gerade das Göttliche in seiner Unverfügbarkeit zur Sprache. Dieser Raum differenzierter Subjektpositionen und Subjektfunktionen kommt aus unserer Sicht jener Zeiterfahrungspartitur gleich, in der vernehmliche wie verhaltene Einzelstimmen die dem Bewusstsein vielfach entronnenen Anteile des Numinosen artikulieren. D a das Göttliche zumeist verschüttet und nicht mehr an einen konkreten Wissensbereich gebunden ist, 66 lässt es seine einstige allgemein anerkannte Anschaulichkeit in Wort und Bild vermissen: D a s Heilige lässt sich in der M o d e r n e nicht eindeutig machen. Es verbindet sich m i t P h ä n o m e n e n , die d e m Anschein nach nichts m i t ihm zu tun haben. D u r c h Überlagerungen u n d Transformationen entstehen H i e r o g a m i e n ,

Verbindungen

m i t Heiligem, von denen Verzauberung ausgeht. D o c h es sind nicht mehr die alten Verbindungen. D a s Heilige hat seine Erscheinung geändert u n d wandelt sich weiter. O f t m u ß es aufgespürt u n d aus halbverwehten Spuren rekonstruiert werden ( K a m p e r / W u l f 1 9 9 7 : 12).

6 6 In Anlehnung an Bourdieu geht Gabriel (1996: 36-38) von der Prämisse aus, dass es heute keine Instanz und keinen zentralen Ideenkomplex mehr gäbe, welche die vielfältigen geflechtartigen Funktionen des Religiösen der Mehrzahl der Zeitgenossen noch glaubhaft vermitteln könnten. Das Religiöse gäbe ihm traditionell zugewiesene exklusive Räume auf und erscheine an Orten, von denen es vormals ausgeschlossen worden sei.

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Diese Spuren finden sich vor allem in Texten, in denen sich die grundsätzliche Bildlichkeit der Sprache in einem Prozess andauernder Veränderung, Verfestigung und abermaliger Verflüssigung befindet. Offensichtlich wird diese Bedingung von fiktionalen Texten erfüllt, in denen die referentiellen Signifikanten „nicht auf bestimmte außertextliche Referenten [verweisen], sondern sich nur auf innertextliche Denotate der jeweiligen dargestellten Welt [beziehen]" (Schmid 2005: 162). Vermittels dieser innovativen Leistungen bleibt es der Poesie, im bürgerlichen Zeitalter vor allem dem Roman, vorbehalten, diese Krise des Göttlichen in der „Interferenz von Wortkunst und Erzählkunst" zur Schau zu stellen (ebd.). Der Zeitbefund Heideggers über den „Fehl Gottes", welche das Ende Gottes als einer ontologischen Grundlage von Sein und Welt, „the eclipse of the sacred before the modern Weltbild" (Barash 2003: 242), ankündigt, hat seine materielle Grundlage im Fehl von Bild und Metapher. So ist zunächst der Dichter dazu berufen, „das Heilige zu sagen und die Götter zu nennen [sowie] die Vergessenheit des Seins" zu überwinden (Brkic 1994: 261). Die neue metaphysische Grundstimmung in eine Bildersprache zu fassen, die das Ende der Welt als einer göttlichen Schöpfung kenntlich macht, kommt in der von uns skizzierten Doppelbewegung des Gottessignifikanten überein. Diese aber ergibt sich aus jener kritischen Rettung der Metaphysik, die Th. W. Adorno als deren Antinomie in der Moderne geltend macht. Der geschichtsphilosophische 'Sturz' metaphysischer Ideen sei zwar unwiderruflich (Adorno 1998, 6: 365 bzw. Wellmer 1999: 204), doch die Wahrheit der Metaphysik werde erst im Augenblick ihres 'Sturzes' fassbar (ebd.: 400 bzw. Wellmer 1999: 204), der, so könnte man hinzufügen, jeder Metaphorik anhaftet. Denn diese ist „immer eine Unterbrechung des Vorstellungsvorganges und eine stete Zerstreuung, da sie Bilder erweckt und zueinander stellt, welche nicht unmittelbar zur Sache und Bedeutung gehören und daher ebenso sehr auch von derselben fort zu Verwandtem und Fremdartigem herüberziehen" (Hegel 1976, 1: 395). Nur durch die Autorität und Bindekraft der ikonographischen Tradition wird das Bild als Ensemble heterogener Zeichen mit einer Bedeutung zusammengehalten, die deren Zerfall im Bewusstsein des Betrachters ebenso verhindert wie sie das Innehalten seiner Einbildungskraft neutralisiert. Wird die Metaphysik aber zum Materialismus genötigt, gegen den sie einmal gedacht war, ist sie gezwungen, in die Arena des Leidens hinabzusteigen und sich innerhalb der Grenzen der Immanenz zu bewegen (Adorno 1998, 6: 358 bzw. Wellmer 1999: 209). Dieser seinsgeschichtliche Vorgang verfehlt seine Wirkung in den Romanen von Pérez Galdós ebenso wenig wie in denen eines Zeitgenossen wie Clarín.

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Ähnlich wie in der modernen Malerei wird dieser Vorgang auch in der Sprachkunst mit jener befremdlichen Bildlichkeit ausgestattet, welche die ontologische Differenz im Numinosen nur um so stärker akzentuiert, als „der moderne Mensch in seiner Beziehung dazu verurteilt [ist], nur flüchtige Eindrücke zu gewinnen" (Arnheim 2000: 126). Unschwer erinnert man sich des berühmten Diktums von Charles Baudelaire, nach dem sich die Moderne im Vorübergehenden, Flüchtigen und Zufälligen bewähre. Doch diese eine Seite habe ihr Gegenstück in jener Kunst, in der das Ewige und Unwandelbare Bestand habe (Baudelaire 1962: 462). Auf eine metaphorische Grundstruktur gebracht ist mit Luisa Elena Delgado von einer imagen elusiva, von einem trügerischen oder kaum fasslichen Bild zu sprechen, das mit „la oscilación, el desorden y la hibridez, la duda" (Delgado 2000: 91) mehr oder weniger deutliche Spuren in der Erzählpraxis des spanischen Romanciers hinterlässt. Die vom Normalitätsprofil einer bürgerlichen Alltäglichkeit gesetzten Grenzen werden dann überschritten, wenn Wahnsinn, Tag- und Nachtträume oder parapsychologische Tiefenvisionen zum Objekt des Erzählens werden und damit das Problem selbstbezüglicher Subjektivität in den Mittelpunkt der Reflexion rücken (Miranda 1982: 45-46). Auch auf der Ebene mythologischer Intertexte bestätigt sich für Ulrich Prill mit dem Bruch eidetischer Normen, welche diese Narrationen gleichwohl als solche zitieren, die kritische Rettung der Metaphysik: Deren Grenzen werden da deutlich, wo ein Kanon bekannter Bilder aus der biblischen Geschichte aufgerufen wird, um sie in einer Gegenläufigkeit profaner wie sakraler Zeichen, etwa in 'Kairos und Karneval', 'heidnischer Weihnacht' oder 'satanischem Gottesknecht' aufzulösen (Prill 1999: 195f, 219f bzw. 222). Die Erwartungen des Lesers werden auf Grundlage einer Antinomie entzaubert, die darin besteht, „daß den transzendentalen Ideen objektive Realität nicht zukommen kann und daß ihnen, sollen sie Ausdruck eines sinnvollen Gedankens sein, Realität doch zukommen muß" (Wellmer 1999: 204). In poetisch-narrativen Erzählungen der frühen spanischen Moderne gerät die Arbeit an den entsprechenden Möglichkeiten von Medium und Material demnach selbst zu einem neuen Paradigma von Vernunft, die ihre eigenen Grenzen in den von ihr erstellten Reflexionsformen erfasst, „[planteando] que la función del arte es ayudarnos a experimentar formas de vida diferentes de la concreción de nuestra cotidianeidad" (Delgado 2000: 91). Das Erschrecken Hegels (1976, 1: 570) bei der Frage, „ob denn dergleichen Produktionen [der sich auflösenden romantischen Kunstform] überhaupt noch Kunstwerke zu nennen seien, [...] im Sinne des Ideals", lässt bereits erahnen, dass hier ein Denken am Werk sein muss, das sich gegen die Abbildhaftigkeit des Vielen in der Einheit eines Urbildes ebenso sträubt wie gegen die Hypostati-

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sierungen einer Überwelt oder eines absoluten Subjektes. M i t der von Walter Schulz a u f den Begriff gebrachten Metaphysik des Schwebens, die sich gegen „ein Stillstellen der Reflexion aus dem Bedürfnis nach Sicherheit" richtet (Schulz 1 9 8 5 : 3 1 7 ) , ist eine auch von Hegel bestrittene Rückkehr der Kunst zu einer Anschauung des Absoluten (vgl. Habermas 1 9 9 3 : 3 4 - 5 8 ) , etwa im Sinne des von W i n c k e l m a n n verfochtenen Schönheits- und Einheitsideals und seiner symmetrisch angeordneten

Proportionen, schlechterdings

un-

denkbar geworden. 6 7 Auch lassen sich diese zur Vereinzelung tendierenden Formen nicht mehr a u f den Status einer allenfalls 'begriffenen Geschichte' degradieren, die als Erinnerungen a u f der Schädelstätte des absoluten Geistes ihr ruhmloses E n d e finden sollen (Hegel 1 9 7 9 , 3: 5 9 1 ) . D e n n o c h steht a u f der hier verzeichneten Zeitachse zwischen dem verblassenden G ö t t e r h i m m e l Hölderlins, dem von Nietzsche durchdachten Tod Gottes und der ontologischen Differenz Heideggers auch der umfassende Versuch der europäischen Literatur, das in die Krise geratene Konzept der Mimesis in die M o d e r n e hinüberzuretten bzw. dessen „Vertrauen a u f einen der Welt zugrundeliegenden Sinn und eine O r d n u n g in der Wirklichkeit" (Kohl 1 9 7 7 : 2 2 8 ) zu erneuern. W i e die künstlerischen Avantgardebewegungen des ausgehenden 19. und frühen 2 0 . Jahrhunderts jedoch erweislich machen, werden mit dem mimetischen Modell der Wirklichkeit und seiner geistigen 'Widerspiegelung' auch die Merkmale der Geschlossenheit, Einheit und dargestellten Wahrheit verworfen. Kraft ästhetischer Erfahrungen teilt sich das Künstlerische der literarischen Texte bzw. die sich jeweils in ihnen manifestierende ästhetische Substanz nicht mehr im jeweiligen Gegenstand selbst, sondern allein in einer Reflexionstätigkeit

mit, die gewisse sinnliche O b j e k t e auslösten. 68

Dass die Gesamttendenz des bürgerlichen Zeitalters indes einer Restauration der ontologischen Metaphysik folgt und diese letztlich auch in den Bezeichnungen der Restaurationsepochen

in Frankreich oder Spanien

mit-

schwingt, 6 9 bedingt jenen Gleichlauf einer totalisierenden und selbstreflexi-

6 7 Vgl. Winckelmann ( 1 8 1 1 : 53): .Alles, was wir getheilt betrachten müssen, oder durch die Menge der zusammengesetzten Theile [einer nackten Skulptur] nicht mit einmal übersehen können, verliehret dadurch von seiner Größe." 6 8 Vgl. Bubner ( 1 9 8 9 : 19): „Die Auflösung der traditionellen Werkeinheit lässt sich ganz formal als gemeinsamer Zug der Moderne nachweisen. Kohärenz und Selbständigkeit des Werkes werden bewusst in Frage gestellt oder gar planmäßig zerstört." 6 Die programmatischen wie analytischen Texte von Marx und Engels sind geradezu durchsetzt vom Begriff der 'Restauration, so dass man aus diesem Faktum unschwer auch eine Tendenz ihrer Zeit ableiten darf. Geradezu zu einem Axiom dieser Zeitstimmung wird die 'Res-

tauration' in Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 (MEW 1956, 7), Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (MEW 1956, 8) und in Der Bürgerkrieg in Frankreich (MEW 1956, 17). Aber auch in anderen Arbeiten wie Die heilige Familie

oder Kritik der kritischen

Kri-

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ven Vernunft. Jene Doppelbewegung, die gleichsam zwischen Präsenz und Entzug des Göttlichen oszilliert, findet keinen Stillstand mehr bei einem tröstenden oder zürnenden Vatergott, der sich nach der Uberlieferung noch in der Verborgenheit zu offenbaren beliebt. 7 0 Diese Signaturen einer vollendeten Metaphysik sind freilich so umfassend, dass sie sich zwar bevorzugt, aber nicht allein in poetischen Erzählungen abzeichnen. Sie finden sich in allen Aussagen, deren Metaphorik einer gleichförmigen Entstehung von Sinn u n d Subjekt zuwiderläuft. Warum sollten also nicht auch theologische, philosophische oder kulturgeschichtliche Erörterungen der Zeit zu d e m Gedanken k o m m e n , dass die Beziehung zwischen G o t t und Mensch auf Grundlage des bisher für beide Seiten verbindlichen Projektionsrahmens (imago Deî) nicht mehr adäquat herzustellen ist? 71 Warum sollte es nicht auch auf dieser Ebene möglich sein, das als selbstverständlich vorausgesetzte 'allgemeinste Wesen' einer christlich-humanistischen Individuation (Heidegger 1981b: 13) durch dessen Auflösung „in tausend kleine Iche, tausend Passivitäten und Durcheinander" (Foucault 1977: 9 bzw. 11) zumindest temporär in Frage zu stellen, zumal künstlerische Entwürfe mit den Modellen der Wissenschaften und des Spiels nicht gänzlich unverwandt sind. 7 2 Z u d e m stehen auch pragmatische bzw. nichtpoetische Texte - häufig auch aus der Feder bekannter Romanciers - in einem zustimmenden bzw. ablehnenden Verhältnis zu jenem gesellschaftlichen Vorhaben der Generation von 1868, deren sprachlicher Gestus selbst in der Poesie der Ebenbildlichkeit befangen ist (vgl. Toscano Liria 1993). Dass mit Galdös „aus d e m Verfechter der historischen Mission des Bürgertums [schließlich] der Ankläger des Bürgertums" (Wolfzettel 1999: 181) wird, berechtigt zu der Annahme, dass sich das harmonische Bild der tik (MEW 1956, 2) oder Das Elend der Philosophie (MEW 1956, 4) werden Vorgänge angesprochen, die bereits abgeschlossene oder vorrevolutionäre Verhältnisse in Gesellschaft, Ökonomie und Philosophie wiederherstellen. 70 Brkic (1994: 292). Man wird diesen merkwürdigen Koinzidenzen gerade in jener Idealismuskritik wieder begegnen, die zumindest in ihrer Spätphase mit der Rezeption idealistischer Systeme in Konkurrenz tritt. Vgl. etwa die Diskussion über die Philosophie Schopenhauers und das Verhältnis von Materialismus und Christentum z. B. bei Caro (1878), Eleizade (1877 bzw. 1878) oder Fabié (1874 bzw. 1875). 71 Vgl. dazu die Analysen von Henry James (1954), der etwa in der Kunst Honoré Daumiers (1808-1879) das Unvermögen der Zeit erblickt, den Menschen anders als unverzerrt abbilden zu können. Ein gesprungener Spiegel vermag eben nur ein gesprungenes Spiegelbild wiederzugeben. Ähnliches liesse sich auch über die grafische Kunst in Spanien nach der bürgerlichen Revolution von 1868 sagen, die in Anlehnung an Daumier gekrönte Häupter und verschiedene Sozialtypen verhöhnt (vgl. Bozal 1994: 55-59). 72 Es sei mit Jurij Lotman daran erinnert, dass Entwürfe der Kunst „eine in ihrer Art einzige Vereinigung von wissenschaftlichem und Spielmodell [darstellen], indem sie gleichzeitig den Intellekt und das Verhalten organisieren" (Lotman 1989: 109-110).

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Wirklichkeit am System arbiträrer Zeichen ebenso brechen sollte wie die Realgeschichte im Weltbild der aufstrebenden bürgerlichen Klasse: Deren revolutionäre Vorstellungen einer mit sich versöhnten Menschheit sollten schließlich auch im 19. Jahrhundert durch die historischen Ergebnisse ihrer partikularen Herrschaft relativiert werden (vgl. Kofler 1 9 7 9 : 3 0 6 ) . Es stellt sich daher an dieser Stelle die Frage, warum die Forschung über den metatextuellen Status literarischer Äußerungen zwar gerade Romanen von Pérez Galdós, Valera oder Clarín, „anticipating the increasingly fragmented visión of reality" (Valis 2 0 0 5 : 2 8 6 ) , eine mehr oder minder entschiedene Selbstreferentialität attestiert, ohne aber bisher kaum eine Auseinandersetzung mit der metaphysischen Grundstimmung der frühen spanischen M o derne angestrengt zu haben (vgl. G o l d 1 9 9 3 ) . 7 3 Denn Metafiktion indiziert doch mehr als das bloße Zurückbeugen des Darstellens auf dem Medium der Darstellung. Zur Bedingung wird ihr vielmehr eine Metaphysik, die sich immerhin ihres transzendenten Seinsgrundes nicht mehr so sicher sein kann. Im Sinne Heideggers begründet Metafiktion „[die] Entfaltung eines metaphysischen Fragens" (Heidegger 1 9 8 6 : 2 4 ) in der Dichtung, so dass diese im Selbstbewusstsein ihrer ästhetischen Konstruktivität als Zeiterfahrungspartitur gelesen werden kann. 74 Die Sprachkunst wäre als das wahrzunehmen, was sie stets war und wozu sie sich im selbstreferentiellen Schreiben bevorzugtermaßen öffnen kann, als Mittlerin einer sich gleichsam verhüllenden 71 Vgl. schon klassisch gewordene Studien von Alter (1975), Hutcheon (1980), Boyd (1983) Waugh (1984) oder Federman (1991), aber auch Arbeiten zum spanischen Sprachraum, wie die von Spires (1984) Dotras (1994) oder Bustillo (1997), die insoweit von einem radikalisierten TextbegrifF ausgehen, als hier kaum noch die Tradition einer extratextuellen Referenz problematisiert wird. Die diskutierten ästhetischen Implikationen können aber in ihrer Virulenz erst dann vor dem Horizont der europäischen Kulturgeschichte eingeordnet werden, wenn der metaphysische Standort moderner Literatur erörtert und nicht schlichtweg vorausgesetzt wird. Selbstreferentielles oder narzißtisches Schreiben, das sich zwar schon im Don Quijote findet, stellt jedoch seit dem Naturalismus einen qualitativen Sprung dar, zumal ihr „Schriftsteller der neueren Zeit einen viel breiteren Raum [gewähren und diese] sie gelegentlich zum Hauptinhalt literarischer Werke wie auch zum Gegenstand theoretischer Diskussion [machen]" (Kravar 1994: 275). Eben diese Häufung metafiktionaler Verfahren würde es zudem erlauben, deren Verhältnis zu einer Metaphysik zu behandeln, die sich aus ihrer ontologischen Umklammerung zu lösen begonnen hatte. Auch die ansonsten bemerkenswerte Arbeit von Tsuchiya (1984) verzichtet darauf, das semiotische Bewusstsein bei Pérez Galdós in Beziehung zu den Zeichen der Restaurationsepoche zu setzen, was möglicherweise auch in Hinblick auf die untersuchten Texte weiteren Aufschluss bieten könnte. Ahnliches gilt für Irvin (1986) in Hinblick auf die Romane von Juan Valera. 74 Vgl. Adorno (1993). Dieses Vorgehen muss um so dringlicher erscheinen, als die Philosophie und in deren Gefolge auch die anderen Wissenschaften eine Indifferenz gegenüber metaphysischen Fragen einnehmen und damit der gesellschaftlichen Ordnung das metaphysische Ansehen eines Absoluten zugestehen, so dass deren Grenzen am Horizont der Seinsgeschichte ins Unkenntliche geraten und kritisches Bewusstsein weitgehend neutralisiert wird.

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und offenbarenden Transzendenz (vgl. Heidegger 1981: 33-38). U m s o notwendiger ist es, die fiktionalen Erzählungen in ihrem Bedeutungsüberschuss an jenen Diagnosen über die geistige Situation der Zeit zu messen, welche die Erscheinungen der religiösen Krise jenseits ideologischer Selbst- oder Fremdzuweisungen zu deuten suchen. Freilich befindet sich der Dichter in einer privilegierten Situation, wenn er die Veränderungen im Zeichensystem seiner Zeit, die Dissoziation von Denken und Wissen in der Sprache fiktiver Regeln mit sich selbst konfrontiert, „ [al] asegurar su manifestación en la superficie" (de Toro 1999: 52). Doch letztlich ist jedes Metaphysik treibende Subjekt in diese Vorgänge verstrickt, derer es sich in den Idiomen der Kunst, Literatur oder Philosophie, aber auch in Tagträumen bewusst machen muss, will es zu einem gelungenen sinnvollen Leben finden (vgl. Henrich 1982: 23). Immer dann, wenn die eigene Einbildungskraft in Deutungen aus dem eidetischen Rahmen der ontologischen Tradition heraus fällt, wenn die zwischen Welt und Ich erworbenen Erfahrungen der arbiträren Beziehung der Worte und der Dinge zuwiderlaufen, nähert sich das Subjekt jenem Erkenntnisvermögen, mit dem die Fiktion „das Vorgefundene [...] durch das Erfundene oder neu Dazugefundene" erweitert (Assmann 1980: 102). Die Wirklichkeit des Einzelnen — durch ein kollektives Bezugsfeld strukturiert, das „die Möglichkeiten der Wahrnehmung in bedeutungsvoller Weise einschränkt" (ebd.: 8) - verwandelt sich in ein von Spiegelbildern verstelltes Labyrinth, in dem jede Wahrheit unvollständig und damit problematisch geworden ist, vor allem jene natürlich, die den personal verstandenen Gott selbst als die eigentliche Wahrheit betrachtet. Unser Vorhaben unternimmt daher den Versuch, den Untersuchungsbereich der Religion in Literatur und Gesellschaft der spanischen Restaurationsepoche ebenso mit der Forschung über metafiktionales Schreiben zu verbinden wie mit pragmatischen Aussagen, die sich als Zeitzeugnisse historisch situieren lassen. Es legitimiert sich aus dem Anspruch, die genannten Ebenen in einen seinsgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen, in dem die Flucht Gottes zur Geltung gebracht wird und die Theologie nur eine negative sein kann. Auf einer solchen Grundlage sollte es auch möglich sein, jenseits typologischer und ideologischer Weltbilder „sehr viel prägnanter das Gesicht 'des Menschen zutage" [treten zu lassen] und „das Interesse an der zeitgenössischen Gesellschaft im Zeichen einer basalen Skepsis gegenüber aktuellen Wissensformationen und Erkenntnismodellen auf anthropologische Perspektiven [zu verlagern]" (Hauck 1995: 108). Wie ein Modell der Realität mag da die Tendenz der Figuren erscheinen, die sich gegenüber ihrer auktorialen gottähnlichen Erzählerinstanz zu emanzipieren beginnen. Dabei wird ein Prozess vorangetrieben, der bei D o n

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Quijote begonnen hatte und mit der Suche Pirandellos nach dem Autor im Zeichen eines „paradigma inquieto" (vgl. Krysinski 1995) seinen vorläufigen Höhepunkt erleben wird (Riley 1969: 135).

1 . 1 . 3 . 2 ARBEITSSCHRITTE

Den Intentionen dieser Untersuchung ordnet sich eine Reihe von Arbeitsschritten unter: Dabei wird es zunächst darum gehen, die Geschichte der WirklichkeitsaufFassungen so zu skizzieren, dass ihre Spuren in der spanischen Historie sichtbar werden. Auf diese Weise ist es denkbar, den Konflikt zwischen Kirche und Staat, Religion und Gesellschaft, dem klerikalen bzw. antiklerikalen Diskurs, „mal aparentemente opuesto a él [y] no más que su reverso" (Aranguren 1962: 78), in eine Ontologie der Zeit stellen, welche die christliche Tradition mit den historischen Veränderungen des 19. Jahrhunderts kontrastiert. Wenn wir in ihnen die metaphysische Seite aufdecken, können wir „fiir den Realismus und für einen seiner vielen Gegensätze irgend einen Oberbegriff suchen [und] immer noch wie vor dritthalb Jahrtausenden" (Mauthner 1923, 3: 21) dieselbe Frage stellen, auf die wir - abhängig von der metaphysischen Stimmung unserer Zeit - eine jeweils andere Antwort erhalten. Die Grundstruktur des Seins, welche die lebensweltlichen Bedingungen des menschlichen Daseins in einen Zeitraum einfasst, ist in der Existenzialphilosophie Martin Heideggers das sogenannte Geviert. In dieser strukturierenden Einheit bestehend aus einer Viererkonstellation von Himmel und Erde, der Sterblichen und der Göttlichen finden wir einen Aufbau der Welt vor, die interkulturell nicht invariant ist, „sondern selbst vom 'Ereignis' aus gesehen 'geschichtlich' geschieht oder nicht geschieht" (Trawny 2003: 195). In dieser Grundstruktur des Gevierts werden sich seinsgeschichtliche Wandlungen darstellen und damit Ausgangspunkt unseres Vorhabens sein (vgl. II, 1.1). Die gegenseitige Spiegelung der vier Elemente, die auf vielfache Weise geschieht, eröffnet zudem den Horizont einer anderen Erfahrung des Menschseins. Denn obschon die Welt als 'Geviert' keinen Grund in Gott oder im Subjekt hat, war dieses Verweisungsgeflecht — seinsgeschichtlich gesehen — doch stets verstellt von der archetypischen Gestalt des christlichen Gottes in den Rollen eines gütigen bzw. strafenden Vaters oder Richters. Waren es zunächst die aus seiner Gnade herrschenden katholischen Könige, folgten seinem Bild aufgeklärte Herrscher und schließlich Kollektivgestalten wie Menschheit oder Vaterland. Namentlich die bürgerliche Nation nimmt diesen Platz ein, wie in den Episodios Nacionales ersichtlich, „[donde] la comuni-

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dad fraternalmente unida en un pacto defensivo de la tierra española, y de cuanto entrañable hay en ella, comenzó a sustituir a su personificación en los reyes" (Aranguren 1982: 37-38). Gemeinsam ist diesen Darstellungen, dass das Seiende als mehr oder minder feste bzw. festgesetzte Gestalt die Beziehungen zwischen den vier Elementen interpretiert. Das Sein wird in jeweiligen historischen Verkörperungen als Seiendes umgedeutet. Die Macht der Ontotheologie, die das Denken in einem höchsten Punkt auf das Seiende übergreifen lässt, steht und fällt mit der Macht ihrer Bilder in der Kunst, Literatur und anderen Repräsentationen, wie ein weiterer Arbeitsschritt erweisen wird (vgl. II, 1.2). Die katholische Einheit Spaniens, die mit dem Jahr 1492 konnotiert ist, gewährleistet als spezifische historische und territoriale Form der Ontotheologie in deren Orthodoxie auch deren besondere Dichte (vgl. II, 2.12). Im Körper des Herrschers, „[dem] Symbol für die politische Ordnung" (O'Neill 1979: 187), erhält die Ontotheologie, die von der Denkform der Macht imprägniert ist, besonders eindringliche Gestalt und auf Grund ihres zwischen Immanenz und Transzendenz vermittelnden Status auch angemessene Dignität: Als Teil einer „great chain of being" (Lovejoy 1936), „in cui va inteso come une grande catena ininterrotta, composta di un immenso numero di anelli disposti in ordine gerarchico, dall'ens perfectissimum fino al genere meno perfetto" (Rigotti 1992: 88), ist sie es, die das personal vorgestellte Wesen Gottes zur Anschauung bringt und dabei den Körper des gesamten Gemeinwesens einschließt. Der Monarch versinnbildlicht die Dominanz des Seienden gegenüber der Vielfalt des Seins, die er auf seine souveräne Einheit von Sinn und Macht verpflichtet. In einem längeren Exkurs sind daher Bilder des spanischen Königtums zu beschreiben, in denen das göttliche Zeichen der katholischen Einheit seine spezifischen Bedingungen findet. Präsenz und Entzug des Numinosen, in dem das negative Glied zugunsten der Allgegenwart Gottes neutralisiert wird, ist in den widerstreitenden Rollen der spanischen Habsburger fundiert. Während diese den 'deus absconditus' nach dem Vorbild Philipps II. mimetisieren, indem sie sich der Öffentlichkeit zu entziehen suchen, wird die Präsenz der Königsfigur auf dem Barocktheater gefeiert; Dieser kommt es zu, Konflikte wie ein 'deus ex machina in der väterlichen Pose des Richters und Schlichters zum Ausgleich zu bringen (vgl. II, 2.1.2.1-2.1.2.2) Jene im historischen Apriori (vgl. II, 2.1.1) festgehaltenen Integrationsleistungen der katholischen Einheit verlieren sich jedoch, wie in einem weiteren Schritt zu zeigen sein wird, mit dem Niedergang der großen europäischen Dynastien und dem Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes (vgl. II, 3.1). Was mit der Französischen Revolution begann,

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wird nach einer langen Phase des Übergangs erst mit dem Ersten Weltkrieg seinen Abschluss finden. Ein derartig weitreichendes historisches Ereignis ist insoweit von seinsgeschichtlicher Relevanz, als in diesem Verlauf eine Bilderwelt und Ikonographie im Verfall begriffen sind, mit der Gott über Jahrhunderte „[...] im Sinne des Glaubens nicht nur [als] ein religiöses, sondern auch politisches, juristisches Wesen, [als] der König der Könige, [als] das eigentliche Staatsoberhaupt" angesehen werden konnte. 7 5 Wenn Gott nämlich als höchstes Subjekt alle anderen Individuen zu Subjekten macht, so war es, wie beschrieben, dem König vorbehalten, der abstrakten Vorstellung eine konkrete Gestalt in der Kette der Wesen zu geben, um diese in den Status seiner 'Subjekte' zu rücken. Die Erbschaft der in die Krise geratenen Ontotheologie treten geschichtsphilosophische Entwürfe an, welche diese in die Moderne hinüberretten und sich dabei selbst in Theologie verwandeln. Unsere Untersuchung wird sich in diesem Kontext der von Deleuze und Guattari eingeführten Termini von 'Immanenzebene' und 'Immanenzmilieu' bedienen (Deleuze/Guattari 1 9 9 1 : 4 6 f f ) , um die Ontotheologie in Spanien nicht mit der Befangenheit eines vermeintlich fortschrittlicheren Europas zu beurteilen, sondern in der Resistenz ihrer historischen Konfigurationen (vgl. II, 2.2). Darüber hinaus wird sich auch zeigen, dass sich mit der Entstehung eines Immanenzmilieus im Spanien der ersten Republik und der Restauration ungeahnte Freiräume eröffnen, deren Verteidigung sich intellektuelle Akteure auf den Feldern von Philosophie, Literatur und Politik zum Ziel setzen (vgl. 2.3). Wiewohl die Entwürfe idealistischen Philosophierens auf der Immanenzebene operieren und folglich von Begriffen ausgehen, welche die Welt zwar aus sich selbst erklären, verzichten sie nicht darauf, „die Geschichte der Menschheit [als] Bewegung Gottes zu den Menschen und des Menschen zu G o t t " hin zu deuten (Hegel 1 9 7 9 , 16: 2 3 5 ) . Der sprachliche Gestus einer ganzen Generation ist im Anschluss an die Revolution von 1 8 6 8 von einer theologischen Bildersprache durchdrungen, die einerseits alte Einbildungsstrukturen transportiert, diese andererseits aber mit neuen Verweisungen auf die sich verändernde Welt der Moderne ausstattet (vgl. II, 3.3.1). Die Philosophie Hegels, „dem letzten kulturell einflussreichen metaphysischen System" (Tarnas 1 9 9 7 : 4 8 3 ) 7 6 , vor allem aber der Krausismus haben Anteil da7 5 Feuerbach (1956, 2: 513). Vgl. EPN (1862, 2: 36): „Nombre dado al Ser Supremo, criador del cielo y de la tierra, que rige y gobierna con säbia providencia el universo." 7 6 Die fortgesetzte Bedeutung des Hegeischen Systems, deren untergründiger Faszination man sich noch heute, trotz gegenläufiger subjektdezentrierender Strömungen in Philosophie und Kunst kaum gänzlich zu entziehen vermag, macht Foucault in seinem L'ordre du discours eindringlich geltend: „Mais échapper réellement ä Hegel suppose d'apprécier exactement ce

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ran, dass das in die Immanenz überführte Absolute selbst den Erscheinungen des zeitlichen Verfalls unterworfen ist und dabei seinen Charakter einbüßt: Gesellschaftlicher Fortschritt und technische Innovationen werden als zunehmende Selbstdarstellung Gottes ausgelegt und erhalten im 'Neuen Menschen ein historisches Subjekt, das seinesgleichen in den Leistungen und Errungenschaften der Zeit ansichtig wird. Unter diesem Umständen verändern sich die Beziehungen zwischen den vier Strukturelementen nachhaltig (vgl. II, 3.3.2). Philosophische Begriffe, die mit 'Fortschritt' oder 'Menschheit'die Immanenzebene bevölkern, suchen diese zugleich zu fixieren, um sie dem Chaos und der Unendlichkeit zu entreißen (vgl. Deleuze/Guattari 1991). Indem sich die idealistische Philosophie der Meinung, der 'doxa', ausliefert, der es wie bei Hegel (1979, 3: 592) darum geht, „dem ersten Blick sich als Chaos darbietenden Reichtum der Erscheinungen des Geistes [...] in eine wissenschaftliche Ordnung" zu bringen, sollen die Bewegung des Denkens auf die Bewegung axiomatischer Begriffe begrenzt werden. Dabei gewinnen Zeitgenossen wie Juan Valera den Eindruck, als wolle die Metaphysik in der absoluten Erkenntnis des Göttlichen und mit dem Primat unbegrenzten Sehens zu ihrer Vollendung kommen. 7 7 Der spanische Romancier, der die Metaphysik zwar als höchste, aber für die unmittelbare Bewältigung der Tagesaufgaben wenig nutzbringende Wissenschaft betrachtet hatte, hält eine „clausura categorial de Dios" (Vázquez-Romero 1991: 50) indes für unmöglich. Wenn eine Wesensschau des Urwesens, die absolute Synthese also, weder mittels einer „contemplación afirmativa" noch durch Beobachtung und Analyse zu erreichen ist, sich am Ende sogar im Sinne Feuerbachs als Projektion der Seele erweist (Valera 1949, 2: 1621), wird eine allgemeine Zeitstimmung ersichtlich, in der sich der Mensch die Nähe zu Gott stets mit einer gleichlaufenden oder retardierenden Ferne erkauft. Vor dem Hintergrund dieser seinsgeschichtlichen Veränderungen, die unmittelbar das Verhältnis von Sprache und Welt betreffen, soll im Folgenden eine impulsgebende Polemik zwischen Juan Valera und Ramón de Campoamor zum Ausgangspunkt ftir das weitere Vorgehen genommen werden (1890). Sie beginnt zunächst mit der Frage, ob die Dichtkunst als gebundene qu'il en coûte de se détacher de lui; cela suppose de savoir jusqu'où Hegel, insidieusement peutêtre, s'est approché de nous; cela suppose de savoir, dans ce qui nous permet de penser contre Hegel, ce qui est encore hégélien; et de mesurer en quoi notre recours contre lui est encore peutêtre une ruse qu'il nous oppose et au terme de laquelle il nous attend, immobile et ailleurs" (Foucault 1971; 74-75). 7 7 Vgl. Hegel (1979, 18: 13): „Das zuerst verborgene und verschlossene Wesen des Universums hat keine Kraft, die dem Mute des Erkennens Widerstand leisten könnte; es muss sich vor ihm auftun und seinen Reichtum und seine Tiefen ihm vor Augen legen und zum Genüsse geben."

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Rede im Zeitalter wachsender wissenschaftlicher Einzelerkenntnisse noch einer utilitären Zielbestimmung unterläge, um sich dann bezeichnenderweise der Erörterung über den Bestand der Metaphysik überhaupt zuzuwenden. Indem die Immanenzebene neue Begriffe einführt oder ausgewiesenen Konzepten andere Deutungen zuspricht, muss sich auch die Metaphysik in ihrer sprachlichen Verortung und metaphorischen Gestaltung verändern. Unzureichend wird dies von beiden Seiten, zumal von Valera selbst, erkannt, der einer reflexiven Metaphysik in der zeitkritisch-ontologischen Funktion der Dichtkunst keine praktisch-orientierende Bedeutung zubilligt und im Gegensatz zu ihren allgemein ordnenden Tagesaufgaben (='irreflexive' Metaphysik) lediglich auf ein artistisches Vergnügen reduziert. Der Gegensatz zwischen den beiden Kontrahenten beschränkt sich im Grunde auf die Differenz zwischen alten und neuen Finalitäten, auf welche die Metaphysik der Ontologie nach der jeweiligen Einsicht zuzusteuern habe. Beiden kommt nicht in den Sinn, dass man eine Zeit bewohnt, der die bisherigen Ziele abhanden gekommen ist. Besonders fiir den Ästheten Valera, der sich resigniert dem Positivismus beugt, legitimiert sich der Gang der Geschichte aus dem letztlich Erfolgten: Der Geschichtsphilosophie Hegels kann der Determinismus Darwins, dem alten Gott der Neue Mensch folgen, so dass sich nur die Richtung, nicht aber die Grundstruktur dieses Denkens änderte (vgl. II, 3.2). Dennoch wird sich des Weiteren zeigen, dass sich die in Bewegung gesetzte Metaphysik nicht mehr in den Rahmen der Ontologie zwingen lässt. Ein Schwebezustand tritt ein, der sich in seiner Uneindeutigkeit einer teleologischen Organisation der Zeit entzieht (vgl. II, 4.2.2). In einem Zwischenschritt (vgl. II, 4.1) wird es zuvor jedoch notwendig sein, die Versuche zu würdigen, das göttliche Zeichen, das allen weiteren Zeichen zu ihrer Kohärenz verhilft, in seiner (trinitarischen) Einheit zu retten. Diese gründet sich jedoch auf der Beziehung zwischen Vater und Sohn, die dem Verhältnis von Ur- und Abbild genealogische Prägnanz verleiht. Die Strukturen, wie sie in der Trinität des göttlichen Signums angelegt sind, sind als hierarchische zu untersuchen, was belegt, dass sich der transzendente Vater als verborgener Herr über den in der Immanenz wirkenden Sohn erweist. Diese Prämisse erfordert jedoch theoretische Vorkehrungen, die uns eine Rückschau in die Rechts- bzw. Kunstgeschichte nahe legt. Denn der Rangfolge erwächst eine gesetzliche Fundierung im römischen Recht, die dem Hausherrn im Status des pater familias umfassende Machtkompetenzen gegenüber seinen Kindern einräumt. Das auch in den spanischen Partidas nieder gelegte Modell von Unterordnung und Herrschaft verleiht dem göttlichen Zeichen eine ontotheologische Dichte, die des Weiteren im privilegierten Rahmen der

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darstellenden Kunst in Renaissance und Barock auf besonders plastische Weise hervortritt. Wie der Untertitel dieser Untersuchung andeutet, stehen zwar nicht die Permutationen vom alten tyrannischen Vatergott zum 'Neuen Menschen' im Vordergrund, die das Unvermögen des Menschen indizieren, aus dem Bannkreis der Metaphysik und des Zeichens herauszutreten (vgl. dazu Derrida 1976: 26). Dennoch wird es in einem weiteren Schritt (II, 4.2.1) notwendig sein, zwei für das Spanien des 19. Jahrhunderts bedeutsame metaphysische Entwürfe vorzustellen, die in der Beziehung von Vater und Sohn auch das Verhältnis von Transzendenz und Immanenz beschreiben: Das theozentristische Modell des Donoso Cortés (Donoso Cortés 1973) postuliert in der Submission des Sohnes unter den tyrannischen Vatergott das Modell eines zum Gehorsam verpflichteten Menschen, der nur in diesem Sinn auf Erlösung hoffen darf. Der anthropozentrische Entwurf von Krause (Krause/Sanz del Rio 1860) will die Hierarchie der Vaterschaften durch die Gleichheit der Brüder ersetzen: Der Sohn soll sich nicht dem Vater beugen, sondern sich mit ihm versöhnen. Die Zielrichtung dieses Menschheitsideals bleibt jedoch ambivalent, da es sich - der Geschichtsphilosophie Hegels nicht unähnlich auf die figural-ebenbildlichen Grundlagen des Christentums zurückbesinnt. Die spezifische spanische Verbindung von Theismus und Pantheismus, die im Krausismus ihre Sprache findet, trägt zwar das ihrige dazu bei, die Entmachtung eines persönlichen Gottes in seinem Akt- und Machtzentrum voranzutreiben. So sehr Hegel (1979, 20: 164-165) die All-Welt-Lehre Spinozas auch als wesentlichen Anfang alles Philosophierens herausstellt, sosehr sich Krause (1874: 395) auch auf ihn als Euklid der echten Philosophie beruft, sosehr grenzen sich beide doch von der vermeintlichen Bewegungslosigkeit dieses Systems ab (vgl. Hegel 1979, 20: 166-167). Denn Bewegung und Dynamik der auch von ihnen zum Axiom erhobenen einen und einzigen Substanz erscheint nur in der Trägerschaft eines Subjektes denkbar. 78 Wenn die in Spanien aufgenommene Philosophie Krauses und Hegels die subjektlose Identität von Gott und Welt wiederum an die Bildung eines Subjektes anzubinden sucht (Deleuze 1988: 167), das nun in der Menschheit einen Namen in der Geschichte anstrebt, setzen sich die alten auf feste Gestalten ausgerichteten Denkprämissen zwar fort. Dennoch wird das antropomorphe Subjekt um seine eindringliche Wirkung gebracht, da es 78 Unterschiede zwischen den philosophischen Konzepten der beiden Philosophen sollen dabei keineswegs verkannt werden, auch wenn diese in unserem Zusammenhang lediglich in Hinblick auf die Rezeption Krauses durch Sanz del Río von Bedeutung sind (Sánchez 1985: 176), die etwa in Hinblick auf die Geschichtskonzeption auch Anleihen aus Hegels Geschichtsphilosophie macht (Lucas 1985: 29).

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schließlich mit der Welt wesensgleich ist und nicht wie ein göttlicher Gesetzgeber oder auctor als eigenständige Substanz frei über diese verfügen kann. Da sich Bilder vom Vatergott, wie sie den Testamenten entlehnt sind, nicht ohne Weiteres aus dem kulturellen Gedächtnis der Zeitgenossen bannen lassen, muss es immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen der religiösen bzw. philosophischen Anschauungswelt kommen. Ausgewiesene Bezeichnungen werden genannt, ohne dass deren tradierte Bedeutung noch eine tragende Rolle spielen könnte. 79 Am Ende dieses Kapitels steht die Einsicht, dass sich der Panentheismus zwar von der Hegemonie der figura löst, wie er in der Tradition des spanischen Katholizismus allenthalben erkennbar ist, aber auch Kompromisse mit dieser eingehen muss, um seine Begriffe mit verständlichen Bildern nach bekannten Mustern einzukleiden. Diese Dissoziation von Bezeichnetem und Bezeichnendem treibt jenen Vorgang voran, in dem das Göttliche umfassende Präsenz und unausgesetzten Entzug zugleich erlangt. Rituelle Ereignisse wie die Karwoche verblassen in ihrer einstigen Aura und verkehren sich in ein lächerliches Spektakel (vgl. II, 5.1.1). An der Begegnung der im Exil lebenden Königin Isabella II. mit Perez Galdös wird zudem ersichtlich, dass die von ihm verklärte Gestalt der Monarchin im Taumel der Zeichen verfällt. Das Spiel des Gottessignifikanten setzt ein, so dass sich die Visionen des betrachtenden Subjekts in Illusionen und Simulakren verkehren (vgl. II, 5.1). Die Entthronung des theistischen Gotteskönigs geht mit dem Verfall einer Monarchie einher, welche die Triebkräfte einer in feindlichen Lagern zerrissenen Gesellschaft nicht mehr zu einigen imstande ist. Die Dekomposition des einstmals so mächtigen Imperiums, das geschichtsphilosophischen Ansprüchen genügte (vgl. Bueno 1999), wird begleitet von einer Regionalisierung und drohenden Zersplitterung Spaniens. Im Rahmen eines Exkurses wird das selbst klerikale Kräfte umfassende Immanenzmilieu in seinen Momenten der Rivalität und des Krieges beschrieben, welche eher dazu neigen, den für die Entfaltung metaphysischen Fragens

79 Wie der Idealismus Hegels und Krause parteiisch für die Einheit der Substanz eintreten und dabei die Vielfalt der Erscheinungen an diese zurückbinden, so geht es ihnen auch darum, das Besondere der sichtbaren Objektwelt stets auf das Allgemeine einer höheren Geisteswelt zu verweisen: Wie „das Allgemeine durch das Einzelne erst konkrete Realität gewinnt", so findet nach Hegel (1979, 13: 236) auch „das einzelne und besondere Subjekt in dem Allgemeinen erst die unerschütterliche Basis und den echten Gehalt seiner Wirklichkeit." Die amorphen Kraftfelder, Relationen und Affekte, die den kreativen immanenten Raum durchziehen, erhalten menschenähnliche Strukturen: Nennen sich diese bei Hegel (1979, 10: 347) in der relativen Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit des objektiven Geistes Volksgeister, so sind es bei Krause Gesellschaftsvereine (vgl. Funke 1985: 15), die in ihrer temporär noch getrennten Wirkung in die allgemeine Weltgeschichte übergehen bzw. auf ein gemeinsames Ziel, den Menschheitsbund in der Wesensschau Gottes, zustreben.

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notwendigen Spielraum wieder einzuengen (vgl. II, 5.1.2). Das auf gesellschaftliche Harmonie bedachte Menschheitsdeal Krauses lcann nur einen beschränkten Einfluss in der Zeit entfalten: Auch für die Krausisten wird die Außenperspektive der leyenda negra zu einem internen Problem Spaniens, das kaum noch eine versöhnliche Haltung gegenüber der anderen Seite zulässt (vgl. Juderias 1974: 291-345). Unsere Untersuchung wird sich daher dem in der Forschung bisher eher wenig beachteten Konzept Foucaults über den Krieg zuwenden (Foucault 1986 sowie 1997). Unter der Oberfläche einer friedlich anmutenden Gesellschaft gärt eine Gewalt, als deren Urheber zwei unversöhnlich miteinander streitende Parteien oder Gruppe hervortreten. Diese setzen sich an die Stelle der alten Souveränität, so dass sich das zuhöchst Seiende selbst in divergierende Bilder aufspaltet. Die Konsequenz ist eine schroffe binäre Ordnung von Wissenschaft und Glauben, Absolutismus und Liberalismus, Fortschritt und Niedergang, Orthodoxie und Heterodoxie, wie wir sie als Ausgangspunkt unserer Untersuchung in Augenschein nehmen konnten. Es wird daher erforderlich sein, die durch die französische Aufklärung motivierten Bilder vom Terror der Spanischen Inquisition in literarischen Gestaltungen von Pérez Galdós kritisch zu betrachten, da hier nicht so sehr die Suche nach historischer Wahrheit im Blickpunkt des Interesses steht, sondern vielmehr die katholische Einheit als Streitobjekt unter den Intellektuellen und Literaten. Die unverminderten Ansprüche der bisherigen Staatsreligion im Zeichen des päpstlichen Infallibilitätsdogmas stehen im offenkundigen Widerspruch zu einem intellektuellen Milieu, das im Streit der Meinungen und in der Pluralität der Glaubensauffassungen seine unbedingten Grundlagen hat: Die Auseinandersetzungen kreisen um nichts Geringeres als um die Verbindlichkeit des historischen Apriori selbst, dessen geopolitische Option die im Katholizismus beschlossene Einheit des Abendlandes offensichtlich nicht mehr garantieren kann, zumal die Trennung von den protestantischen Teilen des Kontinents und ihrem zeitgemäßer erscheinenden Industrialismus längst vollzogen ist (vgl. dazu Laveleye 1876 sowie Draper 1885). War zunächst der dürftige Charakter einer nachchristlichen Zeit zu untersuchen, stellt sich in weiteren Schritten die Frage nach den adäquaten Formen des Schreibens (vgl. II, 6.1-6.2). Der Roman der Restaurationsepoche lässt sich in den Anbruch einer Moderne situieren, deren negative Dialektik jene Bewegung im Mikrokosmos der Restaurationsepoche zu wiederholen scheint, wie sie für die gesamte Neuzeit und nachgerade für das 19. Jahrhundert kennzeichnend ist: Stand am Beginn „ein fast grenzenloses Vertrauen in den Menschen [und] seine Fähigkeit, sicheres Wissen zu erlangen und die Herrschaft über die Natur ausdehnen zu können", so war er am Ende von

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einem lähmenden G e f ü h l „der eigenen metaphysischen Bedeutungslosigkeit und persönlichen Nutzlosigkeit" befangen (Tarnas 1 9 9 7 : 4 9 5 - 4 9 6 ) . Was T h e o l o g i e und die Philosophie des harmonischen Rationalismus, wenn überhaupt, nur widerwillig in ihren Diskursen z u m Ausdruck bringen, bleibt den Fiktionen vorbehalten, die sich ihrerseits mit Begriffen füllen u n d diese in ihrer Abgeschlossenheit d e m C h a o s zurückgeben: S o kann sich besonders im R o m a n eine Bewegung z u m Göttlichen, d.h. z u m vermenschlichten G o t t bzw. z u m vergöttlichten Menschen exponieren, ohne dass diese ihr Ziel jemals zu erreichen vermöchte. In einer derartigen Bewegung scheint sich auch eine A n e i g n u n g von Subjektivität anzudeuten, die von jener der Romantiker in ihrer E m p h a s e individueller Innerlichkeit grundsätzlich abweicht: K o n n t e diese in ihr „noch eine Zufluchtsstätte subjektischer Freiheit u n d Subjektivität" erblicken ( Z i m a 2 0 0 1 : 2), die sich freilich in der Philosophie Hegels wie Krauses stets den Erfordernissen des Allgemeinen wie Staat oder Familie zu beugen hatte (vgl. Eberlein 2 0 0 0 : 6 3 - 1 1 1 ) , so erscheint das Ich „bei s p ä t m o dernen Dichtern [...] als zerrissene, zerfallende Instanz" ( Z i m a 2 0 0 1 : 2). Aus dieser Sicht ist die widerstrebende, aber evidente Verabschiedung von einem naiven Realismus, wie sie sich in R o m a n e n der spanischen Restaurationsepoche, besonders in denen von Pérez G a l d ó s , kundtut, auch das Ergebnis eines seinsgeschichtlichen Prozesses, dessen historische Situierungen nicht unerwähnt bleiben dürfen. A n k n ü p f u n g s p u n k t ist dabei zunächst der von Heidegger indizierte Bildcharakter der Welt, der d e m spanischen Realismus/Naturalismus wie seinen französischen u n d englischen Paradigmen vorausgeht: Indem das h u m a n u m alles Seiende nach seinem M a ß ausrichtet und seinen Interessen verfügbar macht, unterwirft es sich die Welt seiner Vorstellung, die es zu einem sub-

iectum, die Welt aber zu dessen O b j e k t macht. A n H a n d von poetologischen u n d philosophischen Schriften des ausgehenden 19. Jahrhunderts (Pérez Gald ó s 1 9 9 0 ) wird zu zeigen sein, dass das angestrebte Projekt des neuen Bürgertums, sich der Welt mittels der Sprache zu bemächtigen u n d so die Wirklichkeit souverän zu verändern, schließlich scheitert. D i e Namenlosigkeit des Bürgers u n d sein Mangel an sichtbaren äußeren Merkmalen vereiteln z u d e m die B e m ü h u n g e n von Pérez G a l d ó s , Erzählungen der schlichten Alltäglichkeit zu erstellen, was eigentlich seinem pragmatisch-aufklärerischen Literaturkonzept a m ehesten entsprochen hätte (vgl. II, 6 . 1 . 1 ) . Abgesehen von der neueren epistemologisch orientierten Forschung, die a u f den A n s p r u c h des R o m a n s a u f Widerspiegelung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den Grenzen des seinerzeit herrschenden Vernunfttypus verweist (vgl. etwa Müller 1 9 7 7 , H ö f n e r 1 9 8 0 , de Toro 1 9 8 7 , Matzat 1995), kann deshalb wiederum a u f die vormals behandelte Bildlichkeit rekurriert

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werden. Wie diese in der abendländischen Philosophie als materialer Akt zum Verschwinden gebracht werden soll, legt Perez Galdös auch besonderen Nachdruck auf die Wahrnehmung und Gestaltung eines von der fortschrittlichen bürgerlichen Mittelklasse beherrschten städtischen Lebens. Obwohl er dabei im wesentlichen darauf verzichtet, deren im Logos des Sehens (i8ea) erzeugte ideologische Seite zu evozieren, zeichnen sich in den Selbstreflexionen von Figuren und Erzählinstanzen gerade die Phantasmen und Deviationen des vermeintlich sicheren Beobachtens ab. Symptomatisch für diesen Vorgang ist die Figur des Don Quijote, der nicht nur die Selbstreferenzialität der Fiktion (vgl. II, 6.2.3) unter Beweis stellt, sondern in der Metaphysik des bürgerlichen Zeitalters zudem Ähnlichkeiten und Differenzen zum christlichen Erlöser geltend macht. War es diesem noch vergönnt, die Poesie über das Leben hinaus zu retten, so stirbt sie nun mit jenem Ritter, der sie im Leben so tapfer gegen die Prosa zu verteidigen suchte (vgl. II, 6.2.1). Am Beispiel kleinerer Texte (vgl. II, 6.2.5.1) ist im Anschluss daran nachzuweisen, dass das unverbundene Nebeneinander von neuem und nichtabgegoltenem Wissen den Erzähler fortgesetzt daran hindert, ein gestalthaftes Subjekt nachzuzeichnen und die Ebenbildlichkeit des Menschen im Roman zu restaurieren.

1.1.3.3 Z u

DEN EXPOSITORISCHEN UND FIKTIONALEN REFERENZTEXTEN

Dieser Arbeit liegt ein Korpus von Primärtexten zugrunde, in denen zu begründen ist, dass zwischen einem göttlich wirkenden logos und dem konkreten Menschen eine hinreichende Entsprechung nicht mehr besteht. Neben poetischen Narrationen sind auf einer weiteren Ebene auch wissenschaftliche, theologische, philosophische und pädagogische Textrealisate zu berücksichtigen, zumal die in ihnen begründeten Entwürfe ohnehin mit künstlerischen Modellen verwandt sind und dergestalt auch den Entzug des Göttlichen in flüchtigen Metaphern eines ruinösen Christentums belegen können (vgl. Friedrich 1996: 47). Auf der Ebene des nichtfiktionalen Quellenmaterials werden wir sowohl abhängige als auch unabhängige Texte in Augenschein nehmen, kommentieren oder dem Leser ggfs. in entsprechendem Zusammenhang zur weiteren Lektüre empfehlen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie fast ausschließlich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuzuordnen sind. Die von uns ausgewählten Artikel sind spanischen Zeitschriften entnommen, die eine höchst ungleiche Rolle in der diskursiven Praxis der Restaurationsepoche spielen: In der Revista Europea, die zwischen 1874 und 1880 in Madrid he-

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rausgegeben und zeitweise vom Romancier Armando Palacio Valdés geleitet wurde, pflegte sich das liberale Bürgertum über Literatur, Politik und Philosophie zu verständigen. Neben der zwischen 1868 und 1895 ebenfalls in der Hauptstadt erschienen Revista de España (von 1872-73 unter der Leitung von Pérez Galdós) und La España moderna (1889-1914) gehörte sie zu den „reichhaltigsten und gediegensten [Zeitschriften und Revuen]", die in großer Zahl mit „teils politisch-belletristischem, teils wissenschaftlichem Inhalt in den letzten Jahrzehnten in Spanien aufgetaucht sind" (MGK 1905, 18: 682). Diese Medien wandten sich an ein gebildetes Publikum, das sich mit den raschen Veränderungen der Zeit vertraut zu machen hoffte und ihnen zumeist auch aufgeschlossen war. An ihnen wirkten Romanciers wie Pérez Galdós, Clarín, Valera oder Pardo Bazan mit, deren Beiträge zur Situation der Zeit ebenso in den Kolumnen Platz finden konnten wie deren fiktionale Texte. Wir haben uns auf Artikel beschränkt, die von einigen Ausnahmen abgesehen zwischen 1874 und 1877 erschienen sind, als die Bourbonenherrschaft restauriert und eine neue Verfassung beschlossen wurde. Von den Beiträgen, die wir eingehender untersucht haben, wären an dieser Stelle etwa jene von Nieto (1875) Azcárate (1876), Sala y Villaret (1877), Palacio Valdés (1878), Alonso Martínez (1877), Giner (1889) Leighton (1890) und Campoamor (1890) zu nennen. Auch Beiträge aus katholischen Zeitschriften haben wir in unserer Auswahl aufgenommen, wobei hier nur sporadisch auf Beiträge einzugehen ist, die sich mit dem vermeintlich antichristlichen Geist des Jahrhunderts, dem Triumph der modernen Wissenschaften, aber auch der sakralen Kunst befassen. Allerdings ist hier zwischen seriösen Periodika, die sich auch an ein kirchenferneres Publikum wandten, und integristischen Blättern zu unterscheiden. Letztere verfügten etwa in La Hormiga de oro über ein relativ bekanntes Presseorgan, das sich zwischen 1884 und 1936 häufig mit erbaulichen, noch häufiger aber mit außerordentlich polemischen Beiträgen einer vorwiegend neokatholischen Leserschaft sicher sein konnte. Dass eine ganze Reihe ähnlicher Periodika im aufrührerischen Barcelona ihren Redaktionssitz hatten, spricht für die Vitalität der katholischen Kirche in Katalonien, aber auch für den Umstand, dass deren Anhänger den Kampf um die Seelen im Zentrum der Antiklerikalen durchzufechten gedachten. Eine andere Rolle sollte indes die Revista Carmelitana spielen, die seit 1876 als Monatsbulletin vom Karmeliterorden ebenfalls in Barcelona herausgegeben wurde und nach unserem Dafürhalten einen wesentlich engeren Leserkreis ansprach. Anders verhält es sich hingegen mit der Monatszeitschrift La Academia Calasancia, die zwischen 1892 und 1929 wiederum in der Hauptstadt Kataloniens ihren Redaktionssitz hatte, und die Ciencia Cristiana, eine Halbmonatsschrift aus Ma-

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drid, die wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 1877 und 1886 erschien. Beide hatten einen intellektuellen Rezipientenkreis im Auge, den sie mit durchaus ernstzunehmenden Beiträgen in den Schoß der Kirche zurückzuholen bzw. in der Treue zu dieser Institution zu verpflichten suchte. Im letzteren Fall hat sich unsere Auswahl aus den oben genannten Gründen auf den Zeitraum von 1877 bis 1879 beschränkt, im Fall von La Academia Calasancia auf die Zeit zwischen 1898 und 1899. In beiden Fällen werden entsprechende Beiträge aus pragmatischen Gründen zumeist nur sporadisch erwähnt (Suarez Bravo 1877 bzw. 1878, Simonet 1892, Vidal 1898), was umso mehr auf La Hormiga de oro und auf die Revista Carmelitana zutrifft. Selbständige Schriften, etwa von Castelar (1870 bzw. 1873), García López (1889), Sala y Villaret (1892) oder Torres Solanot (1876 bzw. 1878) werden hauptsächlich als Hintergrundmaterial genutzt, um die Säkularisierung der spanischen Gesellschaft zu dokumentieren und diese in einen seinsgeschichtlichen Kontext zu stellen. Was die Auswahl der historischen Jahreszahlen betrifft, erscheint es uns wichtig, eine zunächst noch von gesellschaftlichen Erwartungen erfüllte Zeit der frühen Siebziger mit einem Jahrhundertende zu kontrastieren, in dem diese unerfüllt bleiben sollten. Auch auf der Ebene fiktionaler Texte sind Beschränkungen vorzunehmen. So berücksichtigt die vorliegende Arbeit vornehmlich Romane von Pérez Galdós, daneben auch von Juan Valera, die zwischen den historischen Zäsuren der Revolution von 1868 und dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 bzw. in der unmittelbaren Folgezeit erschienen sind. 80 Damit ist freilich impliziert, dass auch andere Texte Gegenstand dieser Untersuchung hätten werden können. Angesichts der Rolle, die im weitesten Sinn religiöse Themen in der gran novela spielen, wäre es im Gegenteil möglich gewesen, sich auf eine unvergleichlich größere Zahl an Romanen zu beziehen, was sich für die in ecclesia und eros verstrickte La Regenta von Clarín ebenso angeboten hätte (vgl. dazu Weber 1966: 57, 189) wie für Texte von Pereda oder Coloma (z. B. De tal palo, tal astilla, Pedro Sánchez oder Peñas arriba bzw. Pequeneces). Namentlich letztere hätten sich als interessant erweisen können. Denn im Vergleich zu den Romanen sogenannter 'liberaler' Autoren wäre es freilich sinnvoll gewesen, die Einseitigkeit einer Interpretation zu widerlegen, wie sie die Lektüre des nach rigiden Dualismen verfahrenden Thesenromans auch

8 0 Wir sind uns freilich des provisorischen Charakters bewusst, den diese Daten eben angesichts der von uns in Anspruch genommenen Bestimmung einer dürftigen Zeit haben müssen. Es ist aber offensichtlich, dass deren Analyse nicht auf einen zeitgeschichtlichen Rahmen verzichten kann, da sich die Stimmung der Zeit gerade an diesem und den sich in ihnen entfaltenden Ereignissen konkretisiert.

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heute noch empfiehlt.81 Auf diese Weise hätte sich vielleicht ermitteln lassen, dass die genannten Texte bei allen unbestreitbaren Sympathien ihrer Autoren mit der traditionalistisch-katholischen Partei als Zeiterfahrungspartitur zu lesen wären, zumal auch sie 'Schriftreste' enthalten, die es ihnen versagen, die so hervortretenden internen Risse „im 'Inhalt' 'restlos' aufgehen [zu] lassen" oder gar zu tilgen (Menke 1990: 247). Indem der Text in der Bewegung des Schreibens „sein Sagen-Wollen" überschreitet, findet er in seinem Innern das, was nach Außen gebannt werden sollte und damit das andere: Wenn das eine aber die Präsenz des Göttlichen verheißt, so ist dieses andere der Entzug der Götter. In dieser Weise zeigt gerade ein 'Traditionalist' wie Pereda, den Galdos als literarischen Revolutionär und Befreier bezeichnete (Pérez Galdós 1951, 3: 1205), „un realismo de lo irreal, de lo que se da por fatalmente desaparecido: el mundo que Pereda describía, no lo describía así lo viera, sino al revés, porque ya no lo encontraba a su alrededor" (Pérez Gutiérrez 1975: 132). Dennoch erlaubt auch dieses literarische Textkorpus eine solche Untersuchung, zumal die in ihm vertretenen Romane von Pérez Galdós selbst eine Rezeptionsvielfalt zulassen, die in ihrer Breite den sogenannten Thesenroman {Doña Perfecta, La familia de León Roch) ebenso einschließt wie Marianela oder Amigo Manso.82 Eine derartige Auswahl mag sogar vielleicht auf noch akzentuiertere Weise dokumentieren, dass das in einem Text nach Außen gebannte nicht nur in diesem, sondern um so manifester in einem anderen hervortreten kann, obwohl beide dasselbe Subjekt des Autors auf sich vereinen: Ist in der Rede eines Pepe Reys der Vorwurf an die Geistlichkeit zu vernehmen, eine von religiösen Konventionen automatisierte Imagination bringe sich um die Früchte einer wissenschaftlichen Vernunft, so ist es in Marianela die Kritik eines ernüchterten Erzählers, der eben diese in ihrer kalten materiellen Gewalt erkannt hat (vgl. dazu Casalduero 1970: 204-221). Zugleich haben wir uns mit einem Roman dem von der Forschung vernachlässigten 81 Vgl. dazu etwa nur Povedano (1989: 187). So spiegelten Thesenromane wie Doña Perfecta oder La familia de León Roch nicht nur die religiösen und sozialen Befindlichkeiten ihrer Zeit wieder, sondern sie klagten fernerhin eine Gesellschaft an, die gestern, heute und fur alle Zeiten klerikal wäre, verständnislos und unnachgiebig gegenüber allen, die nicht in ihre Schemata paßten etc. 8 2 Bezug genommen wird hier auf die periodische Einteilung, die das Romanwerk von Pérez Galdós nach Correa (1977: 25-241) bzw. nach Casalduero (1970: 43-45) durchläuft. Wie immer man den Wert dieser nach dominanten Merkmalen ausgerichteten zeitlichen Klassifizierungen (histórico, abstracto, naturalista etc.) auch veranschlagen mag, sinnvoll erscheinen sie in dem Maße, wie sie Brüche in der écriture von Texten sichtbar werden lassen, die in der bloßen Zuordnung zu einem Autorennamen den problematischen Eindruck einer überschaubaren Kontinuität vermitteln.

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Juan Valera zugewandt, dessen deistisch-rationalistische Auffassungen (Pérez Gutiérrez 1975: 54-55) augenfällig mit seinem Anspruch auf eine Identität des Guten und Wahren in der Literatur und Gesellschaft kontrastieren (vgl. dazu Valera 1958, 2: 191). U m s o bestechender ist es für uns daher, in den von der Kritik wegen ihres Evadismus und ihrer Konfliktscheue gescholtenen Texten (vgl. dazu Oleza 1976: 62-64) nach Spuren unabgegoltener Konflikte zu fahnden. Zudem bieten sich diese Texte neben denen von Pérez Galdós an, um an ihnen die Zwangsläufigkeit gegensätzlicher Autorenbiographien zu widerlegen (Ontanon de Lope 1991: 393-401) und ihre gemeinsame Fundierung in der Zeit herauszuarbeiten. Aber auch die von uns vorgenommene Auswahl mag selbst in Hinblick auf die Erkenntnisziele unserer Untersuchung nur unvollständig erscheinen. Romane Valeras, wie Juanita la larga oder Pepita Jiménez, die sich einer breiteren Rezeption erfreuen dürfen und noch heute zum Lektürekanon in spanischsprachigen Ländern gehören, wird man in unserem Korpus vergebens suchen, obwohl gerade sie als Beispiele für das spannende Verhältnis zwischen sinnlicher Liebe und religiöser Hingabe gelten dürften (Rupe 1986) und diesbezüglich (vor allem im zweiten Fall) unmittelbar nach dem Erscheinen auch zu öffentlichen Polemiken führten. 83 Auch wird man es möglicherweise unverständlich finden, dass mit Fortunata y Jacinta oder Angel Guerra Texte unberücksichtigt bleiben, die in der jüngeren Forschung große Aufmerksamkeit genießen und namentlich im letzteren Fall auch für unseren Untersuchungsgegenstand von Interesse gewesen wären. 84 Ahnliches mag nicht weniger für Gloria oder die religiös hoch aufgeladenen Romane des Torquema¿¿z-Zyklus gelten (vgl. dazu etwa Barr 1990, Folley 1978, O'Brien 1985, Shirley 1986, Boudreau 1980), wobei diese Aufzählung nur einen ersten Eindruck von jenen Defiziten vermitteln soll, die mit dieser Arbeit nicht geschlossen werden. Gegenüber der Beschränkung des Korpus auf acht Primärtexte könnte man den Einwand erheben, dass es diesem Vorhaben an einer ausreichenden Untersuchungsgrundlage und damit an einer notwendigen Legitimation fehlte. Immerhin gelte es indes, Präsenz und Entzug des Göttlichen im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche zu untersuchen, um eine bestimmte zeitliche Grundstimmung zu ermitteln und die sich im Gottessignifikanten vermittelnden Simulakren der Sprache so zu systematisieren, dass Regeln auf-

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Vgl. dazu den Uberblick eines Zeitgenossen zu dieser Auseindersetzung in Vidart (1876).

Zu Fortunata y Jacinta vgl. z.B.: Whiston (1979), Urbina (1981). Zu Ángel Guerra vgl. z.B. die umfassende Studie: Lakhdari (1994). Hier werden u. a. die Implikationen von Psychoanalyse und Religion ausfuhrlich untersucht. 84

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gedeckt werden, die in mehreren Texten zugleich wirksam sind. Diesen Bedenken ist jedoch mit Todorov entgegenzuhalten, dass es eines der Hauptmerkmale wissenschaftlichen Vorgehens ist, „quelle n'exige pas l'observation de toutes les instances d'un phénomène pour le décrire" (Todorov 1970: 8). So gehe es im Rahmen deduktiven Arbeitens darum, eine verhältnismäßig begrenzte Anzahl von Fällen zusammenzustellen, aus diesen eine allgemeine Hypothese abzuleiten und diese an anderen Werken zu verifizieren, um sie entweder zu bestätigen, zu korrigieren oder gar zu verwerfen (ebd.). Nicht die Zahl der Fälle sei entscheidend, sondern einzig und allein „la cohérence logique de la théorie" (ebd.). Was mit dieser Untersuchung anzustreben ist, kann demnach lediglich der Versuch sein, Aussagen zu machen, die auf eine beschränkte Zusammenstellung literarischer Primärtexte zutreffen. Diese Auswahl, die noch um einige weitere Romane, Erzählungen und Gedichte als zusätzliche Referenztexte (vgl. Clarin 1878, 1969; Pérez Galdós 1951, 1972a, 1992c, 1993c sowie Valera 1984) zu ergänzen ist, gewährt uns dennoch die Möglichkeit, den Niedergang des Gottesglaubens als Zerfall der Bilder in Beispielen nachzuzeichnen. Die Textanalyse wird sich auf zwei Themenblöcke beschränken, die aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven die Auflösung eines göttlich-menschlichen Subjektkerns in widerstreitende Teilbereiche beschreiben: Im ersten Abschnitt wird es darum gehen, die vier männlichen Protagonisten von Doña Perfecta, La familia de León Roch, Amigo Manso und Marianela als Subjekte des Gottessignifikanten, also jenes Vorgangs zu betrachten, in dem Präsenz und Entzug des Göttlichen unmittelbar zum Ausdruck kommen. Aufgabe wird es dabei sein, die in Eigennamen und Figurenkonstellationen verankerte Würde und Souveränität ihrer Persönlichkeit, die der Unsterblichkeit der menschlichen Seele und der Unvergänglichkeit des Königskörpers (Kantorowicz 1981) entsprechen, mit ihrer Unterworfenheit unter die Bedingungen des endlichen Lebens zu konfrontieren. Der in christologischen Zügen dargestellte Mathematiker Pepe Rey (Cristo Rey) will ein ihm feindseliges Territorium verwandtschaftlicher Ähnlichkeiten der Analytik seines Wissens unterwerfen und dabei gleichzeitig zum König der von ihm dargestellten Wirklichkeit werden. Wenn der Erlöser darin aber eher einem rationalistischen Don Quijote gleichkommt, der sich kaum als Erlöser der vom Aberglauben traktierten Stadt anbieten kann, ist die Schlussfolgerung zulässig, dass nicht nur die Bewohner der Provinz außerstande sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sondern auch jene, die sich als deren Künder empfinden. Ob die christlichen Symbole in der Verfugung der alten ritualisierten Religion oder des 'Neuen Menschen' stehen, erscheint aus dieser Sicht unerheblich: Wie der Ausgang des Romans beweist, in dem es letztlich keine eindeutigen Sieger

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gibt, kann die Zeit gerade auf Grund ihrer dürftigen Dispositionen weder von einem theologischen noch von einem ideologischen Zentrum aus gedeutet werden (vgl. III, 2.2.2). Der Positivist Teodoro Golfin steht in der Bergbaustadt Socártes, an dem sich die Reflexion über das Denken selbst einen Ort sucht, widerstreitenden Wissensformen gegenüber. Diese setzen der Gewissheit der modernen Wissenschaften in Marianela insofern Grenzen, als hier gezeigt wird, dass ihr Denktypus auf der Ausblendung religiöser oder fiktionalgestimmter Erkenntnisformen beruht. Die neue Welt muss so in die Einzelteile ihrer Denktypen und gegensätzlichen Wirklichkeitsbilder zerfallen, die den totalisierenden Blick des nicht minder mit göttlichen Attributen ausgestatteten Arztes (Theodor=rÄiW und döron) brechen (vgl. III, 2.2.3). Der Titelheld von Amigo Manso ist ein Geisteswesen, das sich der materialen Welt entgegensetzt, obwohl seine metafiktionale Entstehung doch auf dem Material der Schrift beruht wie seine Ich-Erzählung auf der Vertextung. Auch hier stößt die Aktualisierung des spiritus sanctus im positiven Geist an die Grenzen jener immanenten Welt, in dessen empirischem Erkennen er eben seine Begründung erfahren soll. Obwohl er die Kraft der Synthese auf sich zu vereinigen und die Welt in seiner Philosophie zu einem harmonischen Gefiige zu verschmelzen sucht, vermag er es nicht, die auseinanderstrebenden Wissensbereiche an diese Tradition zu binden und sich ins Zentrum der von ihm repräsentierten Wirklichkeit zu setzen (vgl. III, 2.2.4). Der Naturwissenschaftler León Roch erscheint zunächst als der überzeugendste Vertreter jener casus concientiae, als die der Autor selbst seine Thesenromane bezeichnet (zit. nach: Shoemaker 1988: 21). Es wird aber zum Ziel der Untersuchung gehören, jenseits des häufig genug konstatierten Bekenntnisses zu einer laizistischen und zivilen Religiosität, eine Interpretationslösung anzubieten, die im Unvermögen des der Gesellschaft abgekehrten Intellektuellen liegt, eine Familie zu gründen, d. h. einen Mikrokosmos und damit eine Repräsentation der Gesellschaft zu schaffen und so die Differenzen der Geschlechter (Mann und Frau) und Generationen (Vater und Sohn) in eine soziale Einheit zu bringen (vgl. III, 2.2.5). Im zweiten Abschnitt wird sich abzeichnen, dass sich die phantastischen Elemente, die bereits in vormaligen Texten auszumachen waren, zu einem eigenständigen System der Wirklichkeit verdichten und die Ganzheit von Denken und Fühlen oder Perzeption und Reflexion zerschlagen. Hier steht der Platz eines souveränen Subjektes im Vordergrund, das der Vielfalt der Zeichen besinnungslos gegenübersteht und sich in dessen Labyrinth verfängt. Ein ungeklärter Todesfall wird für den Briefschreiber Manolo Infante, einem unbedarften Abgeordneten aus der Provinz, zum Anlass, in der Ermittlung

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des Täters auch nach jener unbekannten Größe zu suchen, die geflissentlich Realität genannt wird {La incognito). Analog zu seinem Nachnamen kann der Ich-Erzähler jedoch nicht einmal den Platz eines Königs besetzen, als dessen Anwärter oder eben 'Infant' er sich bestenfalls erweisen kann: Der eigenen Subjektivität im epistolarisch-autobiographischen Gestus unterworfen, ist ihm seine Anwesenheit im vermeintlichen Zentrum des Geschehens nicht von Vorteil. Erst die auch räumlich entfernte Transformation seines Textes in eine novela dialogada, die das Monopol eines auktorialen Erzählers gegen die Pluralität der nur für sich sprechenden Figuren austauscht, fuhrt zur Aufklärung des Todes von Federico Vieira ( R e a l i d a d ) . Die weitgehende Subjektlosigkeit des Schreibens, der mit einer zyklisch-kreisenden Bewegung vom Seienden (dem Schreiber) zum Sein (der Schrift) korrespondiert, ist es auch, die sich dem nähert, was Wirklichkeit sein könnte (vgl. III, 2.3.1). Am Beispiel des Romans Miau (vgl. III, 2.3.2) gilt es das Jenseits der Ontotheologien von altem Gott und Neuem Menschen auszuleuchten, in dem der Gottessignifikant seine Spiele mit der Sprache aufnimmt. Hier wird evident, dass sich das Zeichen des Göttlichen als arbiträr und zugleich kontingent erweisen muss, zumal sich aus der Konstellation der Figuren eine prinzipielle Geschiedenheit von Vater und Sohn ergibt: Nicht der in der Christologie gezeichnete Protagonist Villaamil steht in Beziehung mit seinem Gottvater, sondern der sich in Tagträumen verlierende Enkel. Dennoch blitzt in dieser Figur noch ein göttlicher Schein, der aber ebenso trügerisch ist wie der des von Piaton eingeführten Halbgottes Theuth (vgl. Piaton 1940, 2: 474). W i e das Zeichen Gottes seine Dichte und der Vater folglich seine Macht einbüßen, so ist der Sohn zu einem aus der Transzendenz gelösten Wort geworden, was von seinem zur Verzweiflung getriebenen Bewusstsein nicht adäquat erfasst werden kann.

In Las ilusiones del doctor Faustino (vgl. III, 2.3.3) entrinnt der vaterlose Held, der eher in seiner Verneinung überhaupt als ein solcher erscheint, in die Welt seiner Illusionen. Die Mediokrität seiner Existenz und die hohen Prätentionen, die seine adlige Herkunft an ihn stellen, sind schon im Namen Faustino angelegt: In der Verkleinerungsform seiner faustischen Existenz muss der einem Frédéric Moreau ähnelnde junge Mann an schmerzliche Grenzen stoßen, die im eigenen Tod sinnbildliche Konturen erlangen. Diese Beispiele sollen zeigen, dass die Immanenz das Prinzip einer transzendenten Ganzheitlichkeit allenfalls noch in Visionen, Wunschvorstellungen oder Traumsequenzen wiederzugeben vermag, die ihrerseits nur deren Teilbereiche sind. Nahezu alle der hier behandelten Texte sind von einem tragischen Lebensgefühl erfüllt, das immer dann entsteht, wenn die vergebliche Suche nach absoluten Werten in Enttäuschungen oder Wahnsinn endet. Am Ende

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dieser Arbeit könnte daher die einer nicht minder tragischen Weltsicht abgetrotzte Erkenntnis stehen, dass Menschen zwar einerseits über die Fähigkeit verfugen mögen, die Ausweglosigkeit eines universalen und permanenten Sinns — denn nichts anderes umschriebe das Göttliche — zu durchschauen. Andererseits versagen sie sich aber immer wieder den Fragmentierungen des Sinns und den Streuungen der Bedeutungen, da sie die Konsequenz ängstigt, ihr Dasein in der Endlichkeit des Seins gestalten zu müssen.

TEIL

II

Seins- und sozialgeschichtliche Voraussetzungen des ontotheologischen Gottesbildes

La historia hispánica es, en lo esencial, la historia de una creencia y de una sensibilidad religiosas y, a la vez, de la grandeza, de la miseria y de la locura provocadas por ellas. Américo Castro (1984: 95). Gerade weil wir uns an die große und lange Aufgabe wagen, eine altgewordene Welt abzutragen und wahrhaft neu, d. h. geschichtlich zu bauen, müssen wir die Uberlieferung wissen. Martin Heidegger (1987: 96). Man will von der Vergangenheit loskommen: mit Recht, weil unter ihrem Schatten gar nicht sich leben läßt und weil des Schreckens kein Ende ist, wenn immer nur Schuld und Gewalt mit Schuld und Gewalt bezahlt werden soll; mit Unrecht, weil die Vergangenheit, der man entrinnen möchte, noch höchst lebendig ist. Theodor W. Adorno (2003, 10.2: 555-556)

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' 1 . 0 D E R PROJEKTIONSRAHMEN DER ABENDLÄNDISCHEN METAPHYSIK

Die Religion ist wesentlich dramatisch. Gott selbst ist ein dramatisches, d.h. persönliches Wesen. Wer der Religion das Bild nimmt, der nimmt ihr die Sache, hat nur das Caput mortuum in Händen. Ludwig Feuerbach (1956, 1: 4)

1.1 ZWISCHEN H I M M E L UND ERDE, GÖTTLICHEN UND STERBLICHEN

Als Vorgang haben wir den Gottessignifikanten nicht im Sinne eines mimetischen Konzepts eingeführt, das die umfassende Anwesenheit Gottes ins Bewusstsein des Sprechers rufen könnte. Gleich der von Mallarmé zu ihrer Selbstbesinnung gebrachten Poesie der Moderne vollzieht sich in ihm vielmehr cette hésitation prolongée entre le son et le sens, mit der erkennbar wird, dass der evozierten Einheit von Schöpfer und Schöpfung im System heterogener Zeichen eine Brechung widerfährt. Da der Gottessignifikant diese beiden Schritte in der universalen Präsenz des Göttlichen und seines unausgesetzten Entzuges zur Voraussetzung hat, ist es auch unerlässlich, sowohl die theologische Ganzheit des Göttlichen als auch deren Auflösung in der Sprache zu beschreiben. Die dieser Bewegung zugrundeliegende imagen ilusiva, deren Wirken Luisa Delgado allenthalben in der Romanwelt von Pérez Galdos als avanciertem Vertreter der spanischen Restaurationsepoche verortet (Delgado 2000: 87), trifft sich hier mit der Beobachtung Prills (1999), dass Mythen wie Bilder im Augenblick ihrer Entstehung zerrinnen. In einer Zeit, in der nicht Ideen, sondern Worte den Ton angeben, hat sich deren Vorrat, um mit José Ángel Valente zu sprechen, offenbar erschöpft, „[...] a la mera disposición sintáctica de un discurso que nada dice, a un discurso que sería el sentido del no-sentido, es decir, a la rotación infernal de los signos" (Valente 1971: 5). Zu Recht leitet Delgado aus dieser Grunderkenntnis ab, dass dem realistischen Schreiben eine Aporie innewohnen muss, die sich aus der scheinbaren Unverträglichkeit zwischen einer auf Mimesis beruhenden Poetik und einer wechselhaften Natur des Realen „en una sociedad caracterizada por la no-coincidencia del signo con su referente, del sujeto consigo mismo/a" (Delgado 2000: 87) ergibt. Ein derartiger Gegensatz, der das Zeichen im Dienste einer humanistischen Botschaft im Innersten zerreißt, lässt sich jedoch nicht allein auf literarische Arbeiten von Pérez Galdós und jener Zeitgenossen beschränken, wie sie mit Valera oder Clarín im weitesten Sinne dem Kanon realistischen Schreibens zugeordnet werden. In die sprachliche Partitur der spanischen Restaurationsepoche eingehend, verstört er als Chiffre

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der Moderne Generationen intellektueller Geister, die zunächst unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung oder kirchlichen Bindung noch ganz im Bann jener Ganzheitsvorstellungen stehen, wie sie auf der Halbinsel von einer noch nachhallenden Neuscholastik und der idealistischen Philosophie Hegels und Krauses gleichermaßen bekräftigt werden. D a diese Systeme die Diversität der Erscheinungen der Welt wie das wilde Denken einem „einheitlichen Schema" unterstellen (Lévi-Strauss 1977: 36), erscheint es geraten, die Grenzen der Metaphysik aufzusuchen, um so eine in Einbildungsstrukturen entworfene Tradition bewusst zu machen, „der Trinitäts-und Harmoniemodelle tief eingeschrieben sind" (Welsch 1996: 135). Erst vor dem Hintergrund einer umfassenden Begründung, in der die Welt von der höchsten bis zur untersten Stufe als legitimierte erscheint, lässt sich die Fragmentierung des Göttlichen in ihrer ganzen Tragweite ermessen. D a diese von zeitreflexiven Texten im Ubergang von der Romantik zur Moderne wahrgenommen wird, gilt es eines seinsgeschichtlichen Horizonts zu gedenken, dessen Beständigkeit nur Illusion sein kann. Stets hält die Metaphysik daran fest, dass das verborgene Sein im Seienden eine Gestalt erhält, die allerdings lediglich eine transzendente Wahrheit oder Idee in der intelligiblen Welt zu repräsentieren hat. Diese zur Darstellung unerläßliche Stofflichkeit gilt es „im Gegensatz zu der abstrakten Vielheit der Toten" aus deren Sicht gerade zu überwinden, um zum Geist als „lebendiger Einheit des Mannigfaltigen" (Hegel 1907: 347) zurückzukehren. So bringt es die Beziehung zwischen Menschheit und Gottheit mit sich, „[que] las imágenes de la divinidad dicen más sobre los que las proponen y defienden que sobre el mismo Dios", wie Juan A. Estrada (2003: 13) seiner anthropologischen Studie über Gottesbilder vorausschickt. Aus letzteren Prämissen ergibt sich folglich, dass „jede Wesensbestimmung der Metaphysik ihre Geschichtlichkeit einbeziehen" muss. Die Verschiedenheit ihrer historisch gegebenen Ausformungen impliziert, „dass ihre Einheit in ihren geschichtlichen Wandlungen" besteht ( R G G 1956, 4: 9 0 8 f ) und diese nicht weniger als ihre kulturellen Prägungen mitzudenken sind. Die metaphysischen Umwälzungen zu erfassen, die das Göttliche im Diskurs der spanischen Restaurationsepoche seiner Absolutheit, d.h. seiner uneingeschränkten Freiheit gegenüber der immanenten Welt, berauben und in sprachliche Fragmente, in Gottessignifikanten, verkehren, heißt daher die Vorstellungen jener Absolutheit zu kennen, wie sie die religiösen Einbildungskräfte als „principal seña de los españoles durante este prolongado período [de los siglos XVI y XVII] y [...] por mucho tiempo [después]" bewegten (Caro Baroja zit. nach Rodríguez-Moñino Soriano 2002: 9). Ruinen eines Gottesbildes können nur als solche gedeutet werden, wenn man sich diese

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noch als Teile eines Monuments vorstellt, das einmal Zentrum eines theologisch-politischen Weltgebäudes war. Zugang zu diesem finden sich allerdings weniger in der unmittelbaren Ereignisgeschichte als vielmehr in jenen Einbildungsstrukturen, die diese zumindest partiell bestimmen, ihr gegenüber aber so autonom sind, dass sie selbst über eine eigene jedoch kaum kanonisierte Historiographie verfügen, wie Dietmar Kamper (1981) dies in seiner Geschichte der Einbildungskraft beklagt. Vorstellungen vom Numinosen, die wie bereits die Raum- und Geschichtsbilder des Neuen Testaments weithin aus vorchristlichen Mythen entstammen oder anderen, wie etwa orientalischen Traditionsbeständen, entnommen sind (RGG 1956ff, 6: 1620), stehen jedoch sowohl in ihrem Werden als auch in ihrer Auszehrung nicht für sich selbst. Erst im wechselseitigen Verweis zwischen Göttlichem und Menschlichem entfalten sich letztendlich Kategorien, aus denen sich eine derartige Entwicklung in der Geschichte veranschaulichen läßt. In der ontologischen Differenz zwischen Sein und Seiendem, so vertreten in der Geschiedenheit von (menschlichem) Dasein als Lebensvollzug und dem (personalem) Menschen, kommt daher nichts geringeres als eben diese Beziehung zum Ausdruck: Während das Seiende als eine durch sachhaltige Angaben bestimmte konkretisierbare Größe in Erscheinung tritt, ist das Sein in diesem Verhältnis zwar das Nichts. Auf Grund der ihm eigenen Unfaßbarkeit und Unbestimmtheit nimmt es aber demgegenüber die Rolle des Gebenden und Gewährenden ein, die in unserer Kultur dem Göttlichen zugedacht ist. So evoziert diese Vorstellung von einer formenden und demiurgischen Kraft das Axiom des unbewegten Bewegers, „[dem] Angelpunkt der ganzen aristotelischen Metaphysik"1, der von Aristoteles (1960, 1: 1072b 25) als 'der Gott' bezeichnet, „zum Grundbegriff seiner Philosophischen Theologie [wird]'1 (Weischedel 1979, 1: 57). Indem sich die kosmischen Urbewegungen aber zunächst zu einem personalen Beweger verdichten, um zusehends feste Konturen im Sohn Gottes anzunehmen, beginnen sich die Grenzen zwischen den realen Gestaltungsspielräumen des Menschen und unverfiigbaren Daseinsanteilen immer weiter zu verlieren. In seinem Aufsatz „Bauen, Wohnen, Denken" von 1951 hat Heidegger das Verhältnis des Gebenden und des Gestaltenden am Beispiel einer Brücke illustriert: Ein Raum ist nicht aus sich selbst ein Raum. Er konstituiert sich erst als ein solcher durch eine Brücke, die Verbindungen über einen Strom schafft, um verschiedene voneinander isolierte Punkte zusammenzuführen. Räume empfangen ihr Wesen aus Orten und nicht aus sich selbst. Sie eröff1 Hirschberger (1991, 1: 203-204). Vgl. zum ersten unbewegten Bewegenden: Jaeger (1917 bzw. 1955).

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nen sich somit erst, wenn das Dasein und das freie Sich-Formen einen soliden Rahmen finden, der auch notwendige Grenzen impliziert. Der Ort wird mit Hilfe künstlicher Eingriffe von seiner Umgebung individuiert, um so seinen spezifischen Charakter zu erhalten und in einen geschichtlichen Zusammenhang zu treten. In der Übertragung auf die Metaphysik tritt dieser wechselseitige Bezug in der Struktur des Gevierts zu Tage: Im Wechselspiel von Erde, Himmel, Göttliiche und Sterbliche ist das Seiende schon immer in ein Dasein geworfen, das es in einen unaufhebbaren Schwebezustand zwischen Immanenz und Transzendenz bringt. Der Mensch muss sich in dieses Spiel einfügen, da er „es nie vergegenständlichen [kann], sondern ihm [im jeweiligen Austragen des geschichtlichen Geschicks] zu entsprechen hat" (RGG 1956ff, 4: 913). Im Rahmen dieser grundlegenden Strukturierung ist die menschliche Existenz in dieses Quattuor aus Erde, Himmel (Sonne, Mond, Gestirne bzw. als Folge Licht, Dunkel und Klima), Göttlichen und Sterblichen (die Menschen als zum Sterben bestimmte, solange sie die Erde bewohnen) eingeordnet (Heidegger 1990: 143). Keine Gegend des Gevierts ist denkbar ohne die anderen, die miteinander verschränkt sind und nur in ihrer Gesamtheit die „lebensweltlichen Bedingungen des menschlichen Daseins" umfassen. In diesem existenziellen Kreuzungspunkt von Gegebensein, Selbstsein und Mitsein (ebd.: 145) stellt der Mensch Fragen nach dem Ubermenschlichen, auf die in der Entwicklungsgeschichte der Kulturen von den polytheistischen Naturglauben und den monotheistischen Weltreligionen bis zu den ideologischen Welterklärungssystemen jeweils unterschiedliche Antworten gegeben werden. Die Bewegung, die sich unausgesetzt zwischen dem Himmel als Sitz der Göttlichen, als „Syndrom von Mächten und unverfügbaren Kräften" (EKL 1985, 2/5: 519f), und den Menschen auf der Erde vollzieht, ist daher insoweit eine historische als sich in ihr der metaphysische Wandel von einer Zeit christlicher Erlösungserwartung zu einer dürftigen Zeiterfahrung „[de] l'absence scintillante des dieux" (Foucault 1986: 17) abzeichnet. Auf Spanien bezogen erhält diese Pendelbewegung in der politischen Ereignisgeschichte eine ungeheure Konkretion. Im Triumph und Verfall der monarquía hispánica zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert werden nicht nur Ausdehnung und Grenzen der christlichen Botschaft deutlich. Das von Gustavo Bueno (1999: 17) angestoßene Konzept einer „Historia de España desde la Idea filosófica del Imperio" bietet zudem die Möglichkeit, diese Entwicklung im „proyecto de imperio católico, encarnado por la España del siglo XVI [...] en cuyos dominios no se ponía el Sol" nachzuvollziehen:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' La Monarquía hispánica, es decir, el Imperio español «realmente existente», reforzará la unidad de España, dentro de su nueva identidad. Todas sus partes terminarán integrándose y cohesionándose en función, precisamente, de las nuevas empresas imperiales (por tanto, también imperiales, colonialistas) que terminaron por ser comunes. A medida que la identidad imperial (imperialista) vuelva a quebrarse a lo largo del siglo XIX, la unidad de España comenzará también a presentar alarmantes síntomas de fractura (Bueno 1 9 9 9 : 14). O b s c h o n v o n diesem u m f a s s e n d e n A n g e b o t hier allerdings n u r partiell

G e b r a u c h g e m a c h t w e r d e n kann, da seine Fragestellungen w e i t über unsere U n t e r s u c h u n g hinausgehen, erweist es sich in einer Hinsicht als besonders ertragreich: 2 I n d e m die philosophische Idee des I m p e r i u m s m i t ihrer historischen U m s e t z u n g in Bezug gebracht w i r d , e r ö f f n e t sich m i t der Einheit Spaniens eine A n a l o g i e zur D i c h t e bzw. A u f l ö s u n g jener Gottesbilder, die m a ß geblichen A n t e i l an dieser haben. Eine weitere Plausibilität erhält diese G l e i c h u n g z u d e m a u f G r u n d eines K a t h o l i z i s m u s , der in d e r Festlegung seiner Glaubenssätze auch n u m i n o s e Einbildungsstrukturen f ü r alle G l ä u b i g e verb i n d l i c h zu erklären pflegt u n d nicht d e r individuellen A n s c h a u u n g überlassen will (vgl. A b e l l á n 1 9 8 8 , 1: 1 3 7 - 1 3 9 ) . Verschmelzen diese m i t N a t i o n a l heiligen w i e Santiago

de España,

„ m u y parecido físicamente al Señor", o d e r

N a t i o n a l m y t h e n w i e d e r Cid Campeador

(vgl. A b e l l á n 1 9 8 8 , 1: 2 4 0 - 2 5 4 ) ent-

steht eine Projektionsfläche, a u f d e r sich der metaphysische W a n d e l i m Verhältnis zu dissidenten A n s i c h t e n u m s o u n v e r k e n n b a r e r abzeichnen k a n n u n d u m s o offensichtlicher m i t der m o d e r n e n Lebenswelt in K o n f l i k t geraten

2 Ausgehend vom problema de España, wie es sich seit dem 16. Jahrhundert zunächst noch aus theologischer Perspektive (vgl. etwa Francisco de Vitorias De Indiis von 1538-39, Alfonso García Matamoros' De adserenila hispaniorum eruditione von 1550 oder Tommaso Campanellas Monarquía hispánica von 1602), später dann im Rahmen philosophischer Erörterungen stellt (vgl. etwa Quevedos España defendida von 1609, Benito Feijoos Amor de la patria y pasión nacional, Juan Pablo Forners ¿Quése debe a España? yon 1786) und seit dem 19. Jahrhundert in immer aufgeregteren bekenntnishafteren philosophischen Essays stellt (vgl. Ganivet, Unamuno, Maeztu, Ortega, Madariaga, Américo Castro, Menéndez Pidal, Lain, Marias), begründet Bueno die Notwendigkeit eines geschichtsphilosophischen Diskurses, der in Folge seiner Tradition längst den Rang eines eigenen literarischen Gattungsbegriffs für sich beanspruchen könne. Spanien als Problem zu erörtern, heißt für ihn, das Verhältnis zu seinen ehemaligen Kolonien ebenso zu berücksichtigen wie das zu seinen Nachbarn. Dabei begreift er das spanische Imperium als ein Projekt, in dessen Rahmen zwar ähnliche Zwangsmethoden zur Ausbeutung der eroberten Territorien angewendet werden wie später von den englischen und französischen Kolonialreichen. Anders als „los imperios depredadores (es decir, no católicos, sino calvinistas o anglicanos), [el] imperio inglés o [el] imperio holandés [que] no necesitan justificación filosófica, más allá de la que les imponga su propia potencia depredadora", wohne dem spanischen Reich aber eine universalistisch-katholische Begründung inne, die den anderen fehle.

D e r Projektionsrahmen der abendländischen Metaphysik

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muss.3 Es steht außer Frage, dass diese Bilder nicht allein Geschichte schreiben und für sich schon die historische Erschöpfung von Glaubensinhalten im 19. Jahrhundert hinreichend erfassen könnten. Doch die Beschränkung auf die historischen Positivitäten und die geographischen Voraussetzungen der Halbinsel unterschätzt Ausmaß und Bedeutung von Projektionen, die ebenfalls zu einer faktischen Größe in der Geschichte werden und für deren Defizite einen Ausgleich anzubieten scheinen. Zu Recht erinnert Henry Kamen (2003: 23) daran, dass die Halbinsel, die sich im 15. Jahrhundert angeschickt hatte, zu einem Imperium zu werden, zunächst öde und isoliert am Rande Europas gelegen hatte. Seinerzeit war Spanien nichts als „una región pobre [que] padecía un clima de extremos, mala distribución de las tierras, comunicaciones deficientes e insuficientes materias primas" gewesen. Wie das spanische Reich nicht nur aus den militärischen Leistungen spanischer Konquistadoren, sondern auch aus den Anstrengungen „[de] las propias poblaciones, [de] los inmigrantes, [de] las mujeres, [de] los deportados, [de] los marginados" erwächst (Kamen 2003: 12), so beruht seine in Europa und in der Neuen Welt gewonnene Einheit nicht minder auf fremden Mythen und Bildern (vgl. Abellán 1988, 1: 236-237). Dass diese zumeist im Mittelalter und in der Reconquista erste Formen annahmen, um dann im Zuge der Reichsgeschichte revitalisiert zu werden und gleich einem Cid eine außerordentliche Dichte als „símbolo irrefutable de [...] la unidad nacional" (ebd.: 252) zu erhalten,4 verleiht jenem Wechselspiel von Himmel, Erde, Göttlichen und Sterblichen historische Prägnanz. Angesichts seines „ihm zur Verfügung stehenden unverhältnismäßig großen Reichtums und seiner unverhältnismäßig großen Macht", ist der spanische Absolutismus in „Ausdehnung und Wirkung [gegenüber] anderen westlichen Monarchien [im Zeitalter der Staatenbildung] in einem spezi3 Vgl. dazu nochmals Abellán ( 1 9 8 8 , 1: 2 5 4 ) , der in Anlehnung an Ernst Troeltsch festhält: „Sin embargo, el peor de los males del autoritarismo, y de la intolerancia que parece su secuela inevitable, ha sido la frecuencia con que en nuestro país se ha planteado seriamente el tema del exterminio del disidente, ya sea bajo el peso de la condena inquisitorial, por la persecución política implacable, o mediante la coerción inapelable al exilio. N o es una casualidad, pues, que en España se den los herejes perseguidos, los políticos frustrados y los filósofos emigrados, y que una de las constantes de nuestro pensamiento sea la reiterada formación de conciencia «disidente»." 4 Aus der umfassenden Forschung über den historischen Cid ist bekannt (vgl. Ubieto Arteta 1957), dass es sich bei diesem entgegen dem späteren Mythos um einen „hombre de la frontera" handelte, „capaz de estar bien con cristianos y musulmanes, actuando a favor de unos u otros, según su conveniencia; reservado y cauto por necesidad, podía ofrecer el más alto ejemplo de desprendimiento junto al acto de máxima crueldad." Wie aus diesem „hombre práctico [y] astuto" (Lacarra 1 9 8 0 : 110) ein in Literatur, Kunst und Politik gefeierte Ikone wurde, wäre ein Kapitel, das in der Geschichte der spanischen Ontotheologie einen bedeutenden Platz hätte.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

fischen Sinne 'unmäßig'" (Anderson 1979: 74). Mehr als in der territorialen Größe besteht diese Unmäßigkeit im universalen Anspruch des Imperiums und seiner Berufung auf „el Dios católico (Universal) [...] que entiende la Razón del Estado más allá del horizonte de la eutaxia de un Estado particular" (Bueno 1999: 347). In diesem Vorhaben werden auch jene Daseinsanteile, welche die Erfahrungswelt des Menschen überschreiten, letztlich einer Verfügbarkeit anheimgestellt. Während ihm die Erde als Naturseiendes zur Veränderung und Mitgestaltung zumindest für seine Lebenszeit gegeben ist, muss er es hinnehmen, dass der Himmel und „der wölbende Sonnengang" (Heidegger 1990: 144), d. h. etwa die physikalischen Gesetze des Alls, sein Leben auf der Erde bestimmen. Ebenso unverfügbar sind für den Menschen die 'Göttlichen, die ihn an das Wagnis der Transzendenz erinnern und ihn dazu bewegen, die eigenen Grenzen zu überschreiten, um zu einem gelingenden Selbst zu kommen. Denn „die Grunderfahrung der Sterblichkeit ist wiederum nicht möglich ohne den komplementären Bezug auf die Unsterblichkeit der Göttlichen als Kehrseite der Sterblichkeit" (Held 1988: 127). Da die 'Göttlichen über seine Erfahrungswelt hinausgehen, als die fiir die vorindustrielle Gesellschaft „der Krug und die Bank, der Steg und der Pflug, [...] der Baum und der Teich, der Bach und der Berg, [...] Reiher und Reh, Pferd und Stier, [...] Spiegel und Spange, Buch und Bild, Krone und Kreuz" gelten können (Heidegger 1990: 175), darf sich der Mensch dem Neuen, Anderen und Fernen nicht verschließen. Oder um es mit Ingeborg Bachmann auszudrücken: Denn bei allem, was wir tun, denken und fühlen, möchten wir manchmal bis zum Äußersten gehen. Der Wunsch wird in uns wach, die Grenzen zu überschreiten, die uns gesetzt sind. [...] Es ist auch mir gewiß, daß wir in der Ordnung bleiben müssen, daß es den Austritt aus der Gesellschaft nicht gibt und wir uns aneinander prüfen müssen. Innerhalb der Grenzen haben wir den Blick gerichtet auf das Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der Freiheit oder jeder reinen Größe. Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten (Bachmann 1 9 7 8 , 4: 2 7 6 ) .

Ebendies wird freilich vereitelt oder zumindest erschwert, wenn das Unverfugbare, die 'Göttlichen und der 'Himmel', mit Hilfe von Bildern und Sprache in eine selbsttäuschende Allgegenwart im Hier und Jetzt verwandelt werden, wenn etwa der Monarch als Verknüpfung von verfügbaren und unverfiigbaren Daseinsanteilen im 16. und 17. Jahrhundert zunächst als „un reflejo de Dios y un espejo ideal de la identidad terrenal" erscheint (Kléber Monod 2001: 14). Um es im Anschluss an unsere einleitenden Gedanken zu wiederholen: Metaphysik erweist sich dann im radikalen Sinn als historisch, wenn das Göttliche in seiner Unfasslichkeit zu einer im „Bilde festgehaltenen

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Gottheit" wird (RGG 1956, 1: 1268), als das sich der Erlöser in der Menschwerdung Gottes und der Verklärung der Materie förmlich aufdrängt. Wie im Tratado del Principe cristiano (1595) des Jesuiten Pedro de Rivadeneyra (1526-1611), des engsten Vertrauten Ignatius von Loyolas, ersichtlich - setzt es sich so als ranghöchstes Wesen, das als Urbild neue Abbilder hervorbringt und die geistig-politische Universalität des Imperiums begründet: Y así como entre los miembros no hay más de una cabeza y entre los planetas más de un Sol, y en el cuerpo más de un ánima, y en el Reino más de un Rey, y en el ejército bien ordenado más de un Capitán General, y en todo el Mundo más de un Dios, así es imposible que en el mundo espiritual de la Iglesia haya más de una fe y de una religión (Bueno 1 9 9 9 : 350).

Folglich handelt die Gottheit als Bild und mit ihr eine ganze imperiale Ordnung, in der sie sich zu spiegeln scheint. Und auch das Bild handelt für die Gottheit und für all jene, die sich ihrer Rangordnung unterwerfen und sie als 'Sterbliche' auf der 'Erde' repräsentieren. Wie das Bild gegenwärtige Gottheit ist, so wird mit ihm auch eine ganze Hierarchie präsent, die nicht nur Könige, Generäle und Gestirne, sondern auch Heilige, mythische Gestalten und nationalhistorische Heroen einschließt. Das Abbild repräsentiert das Urbild in dem Sinne, dass es Unverfügbares präsent macht, d. h. Vergangenes in die Gegenwart überträgt, Fernes in greifbare Nähe rückt und Kommendes vorwegnimmt. Aber diese völlige Ausrichtung der 'Sterblichen' und ihre 'Erde' auf eine Gottheit hat auch einen Preis für diese selbst: Man wird [ihr] im Bilde 'habhaft', weil sie an dem Bilde und durch das Bild 'statt-findet'. Aus der religiösen Impression der Gottheit 'am Ort' erneuert sich die Gestaltung und mit ihr die Verehrung des Bildes ( R G G 1956ÍF, 1: 1 2 6 9 ) .

Unter diesen Voraussetzungen ist die Metaphysik als ein Wandel von Glaubensgewißheit zur religiöser Skepsis und Indifferenz zugleich auch eine Geschichte, in der Wirkung, Abnutzung und Auszehrung jener Bilder des Göttlichen erlebbar wird. Die von Heidegger als dürftig kenntlich gemachte Zeit kommt folglich jener Zeiterfahrung gleich, in der die Gottesbilder ihrer Wirkung entblößt und auf ihre Signifikantenstruktur reduziert werden. Über Jahrhunderte hatte sich das scheinbar Verfügbare in biblischen Gleichnissen, in den Werken der Kunst, den Predigten, den Feiertagen im Kirchenjahr, den Investituren und Totenzeremonien der Könige wechselseitig potenziert, um unausgesetzt die zeichenhafte Allgegenwart 'Gottes' zu zeitigen. In dürftiger Zeit wird es, was es in der Grundstruktur des Daseins stets war: unverfügbar, fremd und eine Kehrseite dessen, was uns die christlich-jüdische Tradition so vertraut gemacht hatte.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

1 . 2 D I E M A C H T DER O N T O T H E O L O G I E IN DER M A C H T IHRER B I L D E R

Eine derartige Wirkung wird dann erreicht, wenn die Energie des Pandeterminismus versiegt und dessen signa als verstreute Derivate menschlichen Wunderglaubens entlarvt werden: Wenn in den Bildern nur noch abgelegte Attrappen zu erkennen sind, die ebenso leer sind wie die von ihnen evozierten Begriffe und Gegenstände, hat sich mit deren Dekomposition in Einzelerscheinungen auch ihr Verweisungscharakter verloren.5 Es wird später zu sehen sein, dass im Verlust eines transzendenten Zentrums, das den Polytheismus der Bilder in einen monotheistischen Weltzusammenhang zu integrieren weiß6, wiederum eine wesentliche seinsgeschichtliche Vorbedingung für das Spiel des Gottessignifikanten im „[komplizierten] Prozeß der Ubersetzung und Umsetzung des Materiellen in Ideelles" liegt (PhW 1976: 31). Das Aufbrechen der Bilder in ihrer Dichte und Substanz, wie es Pérez Galdós auf der Pariser Weltausstellung beim Anblick einer Darstellung des Göttlichen Vaters erlebt7, gewährt dem Betrachter jedoch die Freiheit, das in jedem Kunstwerk gegebene Strukturierungspotential durchzuspielen. Dabei sind scheinbar oder tatsächlich abgegoltene Sinnschichten zu entdecken, die das Mittelalter in der Ausrichtung auf einen monotheistischen christlichen Gott hinter sich gelassen hatte: Einen geradezu konträren Bedeutungstransfer zu dem des ausgehenden 19. Jahrhunderts hatte Alfonso de Valdés (1490-1532) demgemäß in seinem Diálogo de las cosas ocurridas en Roma im Rückblick auf das Mittelalter zu bemerken: En lugar de dios Mars, han sucedido Sanctiago y Sant Jorge; en lugar de Neptuno, Sant Elmo; en lugar de Baco, Sanct Martín; en lugar de Eoló, la Madalena. El cargo de Esculapio hemos repartido entre mucho: Sanct C o s m e y Sanct Damián... (Alfonso de Valdés 1928: 206).

5 Um ihrer erzählerischen Kompetenz nachzukommen, müssen Bilder aufeinander zeigen, d. h. die Umsemiotisierung literarischer in ikonographische Zeichen umfaßt neben semantischen auch strukturelle Gesichtspunkte. So sind etwa die Arenafresken Giottos darum bemüht, dem erzählerischen Gefüge der biblischen Vorlage zu entsprechen, indem sie die dargestellten Figuren in ihren Gesten von Hoffnung, Abschied oder Ankunft auf einen übergreifenden Handlungsrahmen verweisen. Vgl. dazu: Imdahl (1973). 6 Vgl. Goethe (1948, 12: 372). Dieser Zwiespalt ist von Goethe treffsicher mit den Worten umschrieben worden, dass er wie seine Zeitgenossen als Naturforscher Pantheist, als Dichter Polytheist und als ethisch Denkender Monotheist sei. 7 Freilich fallt es nicht schwer, weitere Beispiele in der Malerei des 19. Jahrhunderts zu finden, die ähnliche Verwirrungen in der Ikonographie unter Beweis stellen. In Merry Joseph Blondels (1781-1853) Gemälde La dispute de Minerve et de Neptune au sujet d'Athènes (1822, Paris, Louvre) erinnert das Antlitz des Götterkönigs Jupiter an Gottvater, auf Grund seiner Jugendlichkeit aber noch mehr an Jesus Christus (vgl. dazu Impelluso 2003: 48-49).

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Es gehört zu den allgemein verbreiteten Einsichten, dass der mittelalterliche Mensch komplexe Begriffe an anschauliche Figuren und konkrete Realitäten zu heften pflegt, [siendo] incapaz de concebir lo abstracto como tal, de manera que no logra elevarse a las ideas generales sino a traves de lo concreto, de lo que puede verse y tocarse y hacerse realidad para los sentidos (Bousono 1981: 291). Gerade in Hinblick auf das Gottesbild wäre es jedoch verfehlt, ein derartiges Vorgehen auf das Mittelalter zu beschränken, in dem aus der Antike tradierte Topoi (Heldentum, Herrscherlob) zweifelsohne zu einer besonders großen Festigkeit von Einbildungsstrukturen beitragen (vgl. Curtius 1984). Eine mächtige ontotheologische Tradition, die das Unverfügbare in die Verfügbarkeit des Menschen zu bringen sucht, wird auch durch Neuzeit und Moderne nicht außer Kraft gesetzt. Eine polemische Kritik hat sich diesbezüglich mit Heidegger in den von Kant geschaffenen Begriff der Ontotheologie eingetragen. D i e ontotheologische Fassung beherrscht die abendländische Metaphysik als Subjektphilosophie, was wiederum die Tendenz zur Verkörperung abstrakter Vorgänge unausgesetzt fördert. Ihre von Aristoteles in der Einheit von Seins- und Gotteslehre geschaffene und zusammengefasste Wesensverfassung ist von Piaton bis Hegel wirksam, ungeachtet der Tatsache, dass sich ihre ersten Prinzipien andere Wertigkeiten aneignen und verfeinern sowie berechenbaren Kriterien unterwerfen. 8 Diese Verfasstheit der Metaphysik bringt es mit sich, dass das gesamte Sein in eine Hierarchie gebracht wird, die von den kleinsten Kategorien bis zum höchsten Wesen aufsteigt: Die Frage nach d e m Sein in seiner Unverfügbarkeit wird sogleich auf ein Seiendes gelenkt, das sich selbst als G e s c h ö p f begreift und sich in Abhängigkeit zu einem höchsten Seienden weiß. Die Fülle von Hilfswörtern, mit der das A T den unsichtbaren göttlichen Souverän umgibt, kann nicht den U m s t a n d verbergen, dass für das disparate Sein letztlich jeder und kein N a m e zutrifft. 9 So werden im rabbinischen Ju8 Obschon sich diese nach immer anderen ersten Prinzipien, wie z. B. die Idee des Guten bei Piaton, die Vernunft bei Aristoteles, der christliche Schöpfergott bei den Scholastikern, die Substanz bei Spinoza und das Absolute bei Hegel, ausrichten, bleibt die metaphysische Grundstruktur unverändert. Auf dieser Grundlage unterliegen etwa höchste Normen keiner Willkür, sind diese im Leben oder aber nach dem Tod vom Menschen erfüllbar und das höchste Prinzip kann entsprechend den kognitiven Voraussetzungen erkannt werden (vgl. Hügli/Lübcke 1991).

' Im Eingedenken an die Ehre des göttlichen Nomens hat die jüdisch-christliche Tradition eine ausgeprägte Phantasie entwickelt. An den vielfältigen Idolatrien des jüdischen Volkes lässt sich das Bedürfnis ablesen, sich Gott vorstellbar zu machen, so z. B. in Ex 32, 1-6, wenn die durch das Fortbleiben des Mose hinterlassene Leere mit sinnfälligen Zeichen wie dem Stier als Symbol der Kraft und Fruchtbarkeit gefüllt werden muss. Wie dort zu sehen ist, verwandeln die sichtbaren Wunder des verborgenen Gottes diesen in sichtbare Idole. Vgl. auch folgende

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dentum immerhin einundneunzig Synonyme für Gott nachgewiesen, während im späten Mittelalter und der frühen Renaissance siebzig Bezeichnungen bekannt sind (vgl. Marmorstein 1968: 54-107 bzw. Lévinas 1969: 155-167). Wenngleich das Christentum gegenüber dem alttestamentarischen Glauben eine ungeheure Konkretisierung des göttlichen Namens bewirkt, bleibt Gott noch in der Theologie der Kirchenväter wie der Mystiker ein „überwesenhaftes und übersprachliches" Wesen (Meister Eckhart 1903: 212). Auf Grund natürlichen Verstehens bleibt er unerreichbar und verfügt ebenso wenig über einen Namen wie das Sein selbst, das sich in unzähligen Einzelerscheinungen ausdrückt. Diese vergeblichen Anstrengungen, die Nähe des Unaussprechlichen in einem einzigen und authentischen Namen zu finden, schlagen daher in umso zahlreichere Bezeichnungen um. Hier scheint sich bereits jener Vorgang des andauernden Sich-Unterscheidens und AufeinanderVerweisens von Signifikanten zu vollziehen, der die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Ursprungs in der differance ebenso bewusst macht wie die Fülle der sprachlich gebundenen Erkenntnisakte. Nicht der eine Name wird entdeckt, mit der sich „il monoteismo [...] del unico vero sapere, dell'unica buona morale, della sola giustizia equa, della sola autentica liberazione" legitimierte (Volli 1992: 16), sondern eine Negativität Gottes, welche die Phantasie des Sprechenden in Mittelalter und Renaissance um so mehr beflügelt. Das Benennen des Unendlichen gebiert immer neue Namen und sprachliche Figuren, welche die Distanz zur vermeintlichen Quelle nur vertiefen muss (Foucault 1966: 56) und dabei belegt, dass die Metaphysik das Sein selbst nicht zu erfassen vermag. Denn stets stellt sie sich das Seiende auch nur als Seiendes vor. Dem Theologen oder Gläubigen ist es somit nicht gegeben, das Sein als das Nichts zu problematisieren, das sich weder auf Bezeichnungen noch Bilder festlegen lässt. Für sie erübrigt diese Frage, dass es am Anfang Gott sei, der im Schöpfungsakt alles Sein gezeugt hat: D a s Seiende, soweit es nicht G o t t selbst ist, ist durch diesen geschaffen. Gott selbst 'ist' als der ungeschaffene Schöpfer. Wer auf dem Boden solchen Glaubens steht, der kann zwar das Fragen unserer Frage in gewisser Weise nach- und mitvollziehen, aber er kann nicht eigentlich fragen, ohne sich selbst als einen Gläubigen aufzugeben mit allen Folgen dieses Schrittes. Er kann nur so tun, als ob... (Heidegger 1987: 56).

Wenn jedes Seiendes an Schöpfung oder Weltenbau einen entsprechenden Anteil hat, wird eine vertikale Gliederung in Kraft gesetzt, die das GöttTextstellen im NT.: lTim 6,1: „Quicumque sunt sub iugo servi dominos suos omni honore dignos arbitrentur ne nomen Domini et doctrina blasphemetur" oder Ape 19,13: „Et vestitus erat vestem aspersam sanguine et vocatur nomen eius Verbum Dei."

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liehe ftir die Repräsentationen der Macht in Dienst stellt. In theozentrischen Staaten, wie etwa im spanischen Imperium des 16. und 17. Jahrhundert, gilt dies freilich auf andere Weise als für die aufgeklärten Monarchien und demokratischen Republiken der Folgezeit, die das höchste Wesen unter dem Eindruck mathematischer Berechenbarkeit und neuzeitlicher Maschinentechnik in seinen bildlichen Aussagen rationalen, d.h. zusehends meßbareren Kriterien unterwerfen (vgl. Kleber Monod 2001). Dieser epistemologischen Differenzen ungeachtet bestätigen die Veränderungen in der Betrachtung des höchsten Seienden letztlich nur die unverminderte Herrschaft der Metaphysik auf das menschliche Denken: D a s C h r i s t e n t u m deutet das Sein des Seienden z u m Geschaffensein u m . D e n k e n u n d Wissen gelangen in die Unterscheidung z u m G l a u b e n (fides). D a s H e r a u f k o m m e n des Rationalismus u n d Irrationalismus wird dadurch nicht g e h e m m t , sondern erst vorbereitet u n d verstärkt. Weil das Seiende ein von G o t t Geschaffenes, d.h. rational Vorgedachtes ist, muss, sobald der Bezug des Geschaffenen z u m Schöpfer sich löst u n d andererseits in eins d a m i t die Vernunft des Menschen sich in die Vorherrschaft bringt, sich sogar als absolut setzt, das Sein des Seienden im reinen D e n k e n der M a t h e m a t i k denkbar werden. D a s so berechenbare u n d in R e c h n u n g gestellte Sein macht das Seiende z u m Beherrschbaren in der m o d e r n e n mathematisch gefügten Technik, die etwas wesentlich

anderes ist als bisher be-

kannter Werkzeuggebrauch (Heidegger 1 9 8 7 : 4 7 - 4 8 ) .

Die Metaphysik bleibe daher, so Heidegger, das Erste der Philosophie, da alle Tendenzen zu ihrem Niedergang und zu ihrer Uberwindung diese nicht beseitige: Als animal rationale könne der Mensch seinen Status als animal metaphysicum nicht überwinden. Kant habe bereits daraufhingewiesen, dass der Mensch sich so lange als vernünftiges Lebewesen verstehe, solange die Metaphysik zur Natur des Menschen gehöre (Heidegger 1986: 9). Unter diesen Voraussetzungen kann Heidegger nach den Erfahrungen von Aufklärung und Moderne fragen, „wie es überhaupt möglich [war], dass das zuhöchst Göttliche in das zuhöchst Menschliche verkehrt wurde" (Schulz 1991: 51 bzw. Heidegger 1986: 8-9). Nach seiner Antwort konnte dies nur geschehen, „weil eben das zuhöchst Göttliche ein Seiendes war, und des Seienden kann der Mensch denkend sich bemächtigen, eben auch des Seienden, das als der christlich verstandene Gott ist" (Schulz 1991: 51). Unter Ontotheologie ist demnach eine Metaphysik zu verstehen, welche „die Frage nach dem Seienden als solchem und im Ganzen bestimmt. Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt." 10 Damit

10 Vgl. Heidegger (1986: 15). Präziser gesagt, müßte man die als Ontotheologie zu verstehende Metaphysik nach Heidegger jedoch als 'Onto-Theo-Logik' bezeichnen, da sie nämlich

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schließt sich der Kreis zu jener „radical trascendencia de Dios" (Estrada 2003: 275), dessen Unverfügbarkeit insoweit in Bildern einen hinreichenden Ausgleich finden kann, als diese eine hinreichende Dichte aufweisen. Aus gutem Grund sind Projektionen des Numinosen auch Leistungen eines Verstandes, in der letztlich die Bindungen des Betrachters an die ikonographischen Traditionen von Kirche und Glauben sichtbar werden: „Im Grunde können wir uns, sagt die Ontotheologie, Gott nicht anders denken, als wenn wir alles Reale, was wir bei uns selbst antreffen, ohne alle Schranken ihm beilegen." Unsre positiven, wesenhaften Eigenschaften, unsre Realitäten sind also die Realitäten Gottes, aber in uns sind sie mit, in Gott ohne Schranken. [...] Wie du Gott denkst, so denkst du selbst - das Maß deines Gottes ist das Maß deines Verstandes. Denkst du Gott beschränkt, so ist dein Verstand beschränkt; denkst du Gott unbeschränkt, so ist auch dein Verstand nicht beschränkt (Feuerbach 1956: 1, 89 f).

Entgegen dieser Allmacht bzw. Ohnmacht des Gottesbildes, die der Arbitrarität des Zeichens entspricht, hat Kant den Versuch unternommen, die Theologie als „Erkenntnis des Urwesens" nach rational erfaßbaren und nicht nach ausschließlich sinnlich-erkennbaren bzw. anthropomorphen Kriterien aufzugliedern." Ein notwendiger Blick auf diese Unterteilung in eine theologia rationalis und theologia revelata macht aber erweislich, dass Bilder über die Grenzen hinaus fortwirken, „aunque tengamos conciencia de su carácter extrapolado" (Estrada 2003: 301). Während letztere allein dem geoffenbarten Glauben überlassen bleibt und ihr als spekulativem Moment keinen Platz in der Philosophie zukommt, ist die theologia rationalis für die philosophische Reflexion von zentraler Bedeutung. Eine derartige Einteilung muss indes artifiziell bleiben, da sie unterschlägt, dass in die von der Offenbarungstheologie geschiedene rationaltheologische Nomenklatur auch Einbildungsstrukturen der ersteren, besonders hinsichtlich der eindringlichen Vorstellung von der Macht eines personalen Gottes, eingegangen sind.12 „das Seiende als solches ergründet" und es „im Ganzen denkt": „Ontologie und Theologie als 'Logien' geben vom Sein als dem Grund des Seienden Rechenschaft. Sie stehen dem Lógoz Rede und sind in einem wesentlichen Sinne Lögoz-gemäß, d.h. die Logik des Lógoz. Demgemäß heißen sie genauer Onto-Logik und Theo-Logik. Die Metaphysik ist sachgemäßer und deutlicher gedacht: Onto-Theo-Logik" (Heidegger 1987: 56). " Nach Kant (1977, 4: 556) gliedert sich die transzendentale Theologie wiederum in Kosmotheologie und Ontotheologie, wobei erstere „das Dasein des Urwesens von einer Erfahrung überhaupt (ohne über die Welt, wozu sie gehöret, etwas näher zu bestimmen) abzuleiten gedenkt" und letztere hingegen „glaubt durch Begriffe, ohne Beihülfe der mindesten Erfahrung, sein Dasein zu erkennen." 12 Auch für die beiden Zugänge der rationalen Theologie, der 'transzendentalen' wie der 'natürlichen' Theologie, darf diese Beobachtung reklamiert werden. Denn ihr erster Zugang stellt sich seinen Gegenstand mit Hilfe 'transzendentaler Begriffe' vor, deren ausschließliche Verfech-

D e r P r o j e k t i o n s r a h m e n der abendländischen Metaphysik

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In die deistische Entzweiung von Welt und Gott ist folglich nicht die ikonographische Konstitution Gottes als „das Urwesen (ens originarum) [...], das höchste Wesen (ens summum) [...] das Wesen aller Wesen (ens entium)" (Kant 1977, 2: 520) eingeschlossen, die zumindest in der überlieferten und zuweilen auch von Kant benutzten Terminologie mit ihren Rangfolgen die Bilder des Himmelsvaters oder vor allem des höchsten Richters evoziert (Vgl. Weischedel 1985, 1: 193): So muss Gott auch hier als „moralisches Wesen", wenn nicht sogar als „moralischer Gesetzgeber" verstanden werden (Kant 1977, 10: 418), was in dieser zum Postulat gewordenen Diktion zweifelsohne an biblische Gerechtigkeitsbilder erinnert, in denen mit den Darstellungen des Weltgerichts und moralisierten Historien auch die vor allem im AT vermittelte legislativ-sittliche Macht Gottes, seine Gnade und Barmherzigkeit, aber auch sein strafendes Tribunal eingegangen sind. 13 Göttliche Allmachtsvorstellungen sind „für die Proportionalität von Tugend und Glückseligkeit" geradezu notwendig, mit der Folge, dass „Kant so den traditionellen Gottesbegriff recht ungebrochen verwenden [kann]", zumal letzterer doch „zum Credo des (den Bedürfnissen der praktischen Vernunft gemäßen) allgemeinen wahren Religionsglaubens" zählt (Bauke-Ruegg 1998: 16 bzw. 21). Unterschieden sich diese Bemühungen von der Theologie scholastischer Tradititer zum Deismus tendieren und als solche allenfalls die Existenz eines Urwesens auf Grundlage der bloßen Vernunft erkennen wollen. Der zweite Zweig, der als natürliche Theologie bezeichnet wird, übernimmt ihren Begriff „aus der Natur (unserer Seele)" und ist folglich mit der höchsten Intelligenz identisch (Kant 1977, 4: 556). Deren Befürworter, die Theisten, räumen der Vernunft die Möglichkeit ein, „den Gegenstand nach der Analogie mit der Natur näher zu bestimmen" und erblicken im Urwesen den 'Welturheber' (ebd.). Demgegenüber gehen die Deisten von einem Gott aus, der als Schöpfer außerhalb der Welt steht und diese den von ihm bestimmten Naturgesetzen überläßt, ohne sich in ihre weitere Entwicklung einzuschalten. Anders als die Theisten ist ihnen ein persönlicher, selbstbewußter Schöpfer fremd, der es sich auch noch zumutet, die Geschicke der Welt selbst zu lenken. Die Differenz ist hier aber lediglich funktionaler Art und ein höherer Grad an sprachlicher Abstraktion, die den deistisch verstandenen Gott hinter seinem Gesetzeswerk zurücktreten läßt und ihm gewissermaßen den Status eines konstitutionellen Monarchen verleiht. 13 Vgl. zur Ikonographie des Weltgerichts: LCI (1994, 4: 514-523) bzw. Gerechtigkeitsbilder LCI (1994, 2: 134-140). Vgl. ebenfalls: W B B (1964: 247-252). Was freilich bei Kant weniger der Gefahr einer schwärmerischen Vision anheim fällt, ist eher die zunächst von ihm erkannte und philosophisch problematisierte Aporie, nach der die Vernunft nicht in reinen, von Fiktionen und Imagologien unbeeinflussten Termen zu denken vermag. Diese Vorstellungen sind im Gegenteil auch unbedingte Voraussetzungen für eine transzendentale Theologie, die dabei freilich stets den Bildern einer Offenbarungstheologie zu unterliegen droht. Ahnliches muss auch für einen Gott gelten, der von Kant als „Schöpfer der Naturdinge", als „Urheber aller Naturgesetze" oder als „Welturheber und Regierer" betrachtet wird (Kant 1977, 10: 418). Es sind dies Wesensbezeichnungen, die als moralische Begriffe zwar kaum zu einer Offenbarungstheologie gehören, aber auf G r u n d ihrer bildlichen Evokationen in dieser dennoch einen Platz finden könnten und der Dichte des göttlichen Subjektes als Schöpfer und Herrscher gleichfalls Rechnung tragen.

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Jenseits von altem G o t t und ' N e u e m Menschen'

on, so mussten in die philosophische Rede über Gott (und nicht minder über den Menschen) unausweichlich doch deren Strukturen wiederkehren, wie sie in über fünfzehn Jahrhunderten der Kirchen-, Kunst- und Literaturgeschichte ausgebildet wurden.14 Es liegt in dieser Logik, dass sich Ikonographie des Numinosen und fürstlicher Macht im Motiv der maiestas miteinander verbinden, da „Gott selbst [...] oft in königlicher, monarchischer Erscheinung dargestellt [wird]" (Le GofF 2005: 59) und der König im Mittelalter „die Macht — und das heißt eine sakrale Macht - am besten verkörperte" (ebd.: 63). Man wird daher erkennen, dass sich diese Tendenzen auch in den idealistischen Systemen des 19. Jahrhunderts, in der Philosophie Hegels und Krauses abzeichnen. Diese unterscheiden sich als anthropozentrische Modelle lediglich in der Projektionsrichtung, nicht aber so sehr in den Projektionsstrukturen vom Theozentrismus ihrer theologischen Vorgänger. Stets geht es ihnen darum, dass sich der sterbliche Mensch in einem transzendentalen Gegenüber wiedererkenne und in dessen zeitlosem Sein bespiegele. Auf diese Weise gewinnen seine eigenen Leistungen eine ebensolche Dimension, verbinden sie sich doch mit der Vergangenheit und Zukunft dessen, der seine Gesichtszüge trägt und ihm als anschaulicher Subjektkern in der Geschichte einen unverrückbaren Platz sichert. Was die Abgrenzung zwischen geoffenbarter und rationaler Theologie demnach so problematisch macht, ist die Substanzialisierung allen Seins, an der beide miteinander teilhaben. Dabei ist freilich der Unterschied zu bedenken, dass sich das Göttliche für die eine Seite in einem durch Jesus Christus personifizierten Wesen aussagt und für die andere in transzendentalen Begriffen, die dennoch dessen Attribute übernehmen und sogar in der anthropologischen Güte des Menschen, des Volkes, neue Inkarnationen abbilden (vgl. dazu: Schabert 1971: 169-206). Es muss sich folglich ein Mißverhältnis zwischen einem in überkommenen Imagologien erscheinenden Gott und jenen (moralischen) Kategorien einstellen, die ihn zum Begriff erheben und damit als personifiziertes Wesen unsichtbar zu machen suchen: In diesem Vorgang, in dem sich Fülle wie Entzug des Numinosen unversehens begegnen und eine merkwürdig kontrastierende Wirkung ausüben, bilden die Abgegriffenheit der Bilder sowie ihre neuartige Pragmatik nur eine notwendige stoffliche 14 Obwohl „[der] Deismus des achtzehnten Jahrhunderts [...] als Bereitsstellungsraum vor dem Weitermarsch zur weltlichen, atheistischen Aufklärung zu betrachten [ist]" (Taylor 1996: 473), so ist doch nicht zu verkennen, dass in dieser überaus heterogenen Strömung auch um eine beständige theologische Suche nach einem sich der Welt entziehenden Gott gerungen wurde, der dennoch in seiner Güte und seinem Wohlwollen zur Anschauung kommen sollte (Kondylis 1986: 371).

Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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Seite: Denn was ist das Bild, das sich jener analytischen Begrifflichkeit widersetzt, anderes als die Repräsentation von Sinnbedürfnissen und Wunschphantasien (Enzensberger 1981: 106f), welche freilich in Folge der Arbeit der analytischen Sprache in ihrem arbiträren oder zufälligen Bezug zur Welt zergliedert werden, so dass sich Gegenstände und Vorgänge aus scheinbar unveränderlichen Konnotationen lösen?

2 . 0 D I E KATHOLISCHE E I N H E I T UND IHRE HISTORISCHEN G R E N Z E N 2 . 1 D I E KATHOLISCHE E I N H E I T A L S

GEOPOLITISCH-KULTURELLE

O P T I O N SPANIENS 2 . 1 . 1 D A S H I S T O R I S C H E A P R I O R I ALS LONGUE

DURÉE

Die Ontotheologie neigt zu dem Anspruch dauerhafter und dichter Repräsentationen. Aus diesem Grund sollen Sinnstrukturen abgerufen werden, die sich, den unmittelbaren Erfahrungen entronnen, in großen historischen Ereignissen oder dessen Exponenten widerzuspiegeln scheinen und damit auf bedenkliche Weise jener „formule simple" entsprechen, vor der Braudel in Hinblick auf Spanien bewusst warnt.15 In gewisser Hinsicht will es den Anschein haben, als ob gerade dieses Land auf europäischer Ebene jenes Schicksal teilt, das der chinesischen Kultur als vermeintlich erstarrtem geschichtslosem Gebilde bis in das 20. Jahrhundert hinein von Seiten einer in Legenden befangenen mythologie blanche zugemutet wurde (vgl. dazu Hinterhäuser 1 9 7 9 ) . Wie der an den europäischen Geistern verzweifelnde Historiker Julián Juderías bemerkt, sei ausländischen Korrespondenzen und Reiseberichten unschwer zu entnehmen, dass sie sich einem gemeinsamen Muster folgend der eigenen aufgeklärten Überlegenheit gegenüber den in Aberglauben und Obskurantismus versunkenen Spaniern so ungemein sicher waren: T o d o s ellos tuvieron gran éxito en el extranjero y difundieron por la Europa culta un concepto verdaderamente fantástico d e nuestra patria. E n efecto, los caminos, las aldeas, las ciudades, los mesones y posadas, la justicia, el ejército, la aristocracia, los gobernantes, la política, la religión, las costumbres públicas y privadas, y hasta el aspecto externo d e hombres y mujeres, todo es objeto de amenas descripciones, de agudos chistes y digresiones más o menos filosóficas. Y surge, ya entonces, la E s p a ñ a inquisitorial, ignorante, fanática, sometida al yugo clerical, perezo15 Braudel (1990b, 1: 20). Dennoch stellt er aus der Dynamik von Raum und Geschichte Elemente zusammen, die für den Einigungsprozess Frankreichs bestimmend sind und so zu einer zukunftsträchtigen „identité" führen. Vgl. dazu auch Braudel (1990b, 1: 379).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen sa, incapaz de todo trabajo serio y hasta de las artes mecánicas más sencillas y necesarias, que tanto juego iba a dar a los grandes ingenios de aquel famoso y nunca bastante ponderado siglo en que brillaron Voltaire, Rousseau y el insigne Montesquieu (Juderías 1974: 177).

Angesichts dieser dumpfen Hypostasen, hinter denen die Differenzen des historischen Daseins gänzlich verschwinden, erscheint es um so zwingender, Aporien zu vermeiden, wie sie freilich stets aus dem unreflektierten Bereich jeder Analyse erwachsen können, zumal wenn sich diese gerade der Wirkung jener Wesenseinheiten aussetzt. Vor dem Hintergrund der weiter oben skizzierten ontotheologischen Tradition soll daher der Versuch unternommen werden, eben jene in den ikonographischen Strukturen der (politisch-religiösen) Repräsentationen aufzusuchen, die möglicherweise zu jener „imagen de un imperio español poderoso [cultivada] en [...] leyendas y en [...] libros de historia" (Kamen 2003: 11 ) einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisteten. Indem diese Bilder in den Bindungen des Territoriums und in den Inszenierungen personaler Macht verortet werden, gilt es, sie so weit wie möglich dem Bewusstsein unhintergehbarer Essenzen zu entreißen. Dieses Bemühen hat aber zur Voraussetzung, dass theoretische Vorkehrungen getroffen werden, um einige Bedingungen fur das Sprechen über Gott und Religion in Spanien zusammenzutragen und nicht in stereotype Formeln zu verfallen. In seiner Archéologie du savoir schreibt Michel Foucault dem Begriff des 'historischen Apriori' jenen Erkenntnisgrund zu, der die inneren Organisationsprinzipien eines Denksystems gewissermaßen als Prämisse bedingt. Damit lässt sich die Dominanz eines bestimmten epistemologischen Modells in einer Erkenntnisepoche gerade an jenen Erfahrungsstrukturen ermessen, in denen geschichtlich spezifische Fragestellungen, Denkfiguren oder Wissensraster präfiguriert sind. Anders als die von Kant aufgedeckten universalen Erkenntniskategorien, die jeder möglichen Erkenntnis als 'transzendentales' Apriori in gleicher Weise vorangehen, sind die von Foucault beschriebenen Erkenntnisprämissen selbst Teil der historisch-kulturellen Welt, in welcher sich diese begründen: D e plus cet a priori n'échappe pas à l'historicité : il ne constitue pas, au-dessus des événements, et dans un ciel qui ne bougerait pas, une structure intemporelle ; il se définit comme l'ensemble des règles qui caractérisent une pratique discursive (Foucault 1966: 168).

Erst vor dem Hintergrund ihrer historischen Voraussetzungen werden Aussagen verständlich, die sich innerhalb eines zeitlich begrenzten Kommunikationsraums entfalten. Daher kommt es nicht darauf an, diese in Beziehung zu einer „subjectivité souveraine" zu setzen, sondern vielmehr in

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den verschiedenartigen Subjekten der Aussage „des effets propres au champ énonciatif zu erkennen (ebd.: 160), um so den Platz der sprechenden Subjekte zu definieren und ihrer Geschichtlichkeit nachzugehen.16 Auf diese Weise konstituiert sich ein in den geschichtlichen Raum ausdehnendes Begriffsfeld, auf dem sich die vereinzelten Diskurse und ihre Autoren überkreuzen, ohne dass die letzteren in der Lage wären, sich seiner zu bemächtigen oder es gar zu beherrschen. Vielmehr entfalten sich auf diesem Feld „des identités formelles, des continuités thématiques, des translations de concepts, des jeux polémiques" (Foucault 1966: 167), sodass auch zeitlich voneinander entfernt stehende Subjekte „par la forme de positivité du discours" miteinander kommunizieren können (ebd.). Als Realitätsbedingung für Aussagen entrinnt das Apriori der eigenen Historizität jedoch nicht, da auch der in ihm begründete Diskurs nur die Geschichte dessen sein kann, was zu einem bestimmten Gegenstand in einer bestimmten Situation gesagt wird. In gewisser Hinsicht korrespondiert es augenfällig mit dem, was Braudel in Bezug auf die ökonomischen und sozialen Prozesse mit der „Geschichte des langen, selbst des sehr langen Zeitablaufs ( l o n g u e durée)'''' bezeichnet und sich in geopolitischen Faktoren (physikalische, geographisch-landschaftliche Faktoren) von der Er-

eignisgeschichte, der histoire événementielle,

abgrenzt.17

16 Es sollen hier jedoch nicht die Einwände verschwiegen werden, die Dreyfus und Rabinow schon relativ frühzeitig gegenüber der archäologischen Geschichtsschreibung erhoben: Sie warfen Foucault vor, mit seinem Apriori ebenfalls einen hermeneutischen und subjektbestimmten Horizont zu fundieren, der dem Diskurs auf ähnliche Weise vorausgeht wie das Signifikat dem Signifikanten. Indem Foucault anders als in früheren Arbeiten allein diskursive Momente bei der Konstitution von Erfahrungen zuließe und dabei der Illusion eines allseits autonomen Diskurses verfiele, würde er sich gleichwohl in den Fallstricken jener transzendental-empirischen Aporie verfangen, die er bei den modernen Humanwissenschaften noch beklagt hatte: „[...] en bref Va priori historique que Foucault prétend avoir découvert, ressemble étonnament à ce pli [dans lequel] la fonction transcendantale vient recouvrir de son réseau impérieux l'espace inerte et gris de l'empiricité' (M. C., p. 352) dont il nous parle dans son chapitre sur le sommeil anthropologique" (Dreyfus/Rabinow (1984: 138). Diese Kritik zeigt jedoch, dass sich auch die Archäologie den großen geschichtlichen Kontinuitäten und ihren Stiftersubjekten niemals gänzlich entziehen wird. Wie ein historisches Apriori vermag sie nicht der eigenen Geschichtlichkeit im Zeitalter einer sich vollendenden Metaphysik zu entgehen. Insofern bestätigt sie unsere im Rekurs auf Heidegger vorgenommene Bestimmung einer Zeit, in der Entzug und Anwesenheit Gottes sich begegnen. Denn jene Arbeit, die in Wissenschaft und Gesellschaft im Gange ist, um fragmentarischen Bewusstseinsakten erneut Kohärenz und Ganzheit zu verleihen, ist unterirdischer Art und kann zumeist nicht als Ausfuhrung souveräner Entscheidungen wahrgenommen werden. 17 Vgl. dazu Braudel (1977: 47-85 bzw. 1990b: 1), bei dem die 'longue durée' allerdings eine umfassendere Zeitdauer (physikalische, topographische und menschliche Einheiten) erhält, als Foucault dies mit seinem auf diskursiven Einheiten beruhenden historischen Apriori beabsichtigt. Vgl. dazu auch Kjorup (2001: 315), der dennoch Parallelen zwischen Foucaults Arbeit auf der Basis von Denkweisen und dem Konzept der 'longue durée' geltend macht.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Unser Vorhaben will das historische Apriori jedoch nicht auf seine genuin epistemologische Seite beschränkt wissen, wie dies bei Foucault mit der Intention geschieht, „das Wissen und die Erfahrung einer Zeit aus deren Begriffen und Praktiken zu erschließen" (Schmid 1992: 49). Es gilt auch zu berücksichtigen, dass Gesellschaften und Kultursysteme in Einbildungsstrukturen organisiert sind (Castoriadis 1975 bzw. 1997). Auf Grundlage historischer Erfahrungen und Deutungen, besonders aber religiös motivierter Stimmungen vermögen Imaginationen selbst, geschichtsbildende Wirklichkeit zu werden. Sie pflegen der Reflexion vorausgehen und erhalten als „le mythe qui est parole, image et symbole, [ . . . ] pour les hommes d'aujourd'hui comme d'hier — même si, en leur orgueil, ils en ont peu conscience, - chair de leur chair et pensée de leur pensée" bleibende Gestalt, wie Henri Dontenville (1998: 253) dies im Rahmen seiner schon klassisch gewordenen Studie zur französischen Mythologie reklamiert. Gemäß der Einsicht, „dass die historische Wirklichkeit nicht in der Darstellung dessen [bestehen könne], was wirklich vorgekommen sei, sondern in unserer Vorstellung von dem, was geschehen sei" (de Toro 1994: 243), erfüllen derartige Strukturen die Voraussetzung, als legitime Gegenstände wissenschaftlicher Auseinandersetzung anerkannt zu werden. Das Wissen einer Zeit pflegt sich nicht allein in jenen systematischen Wissenschaften zu inventarisieren, die im Rahmen des führenden kognitiven Modells ihre Approbation erhalten. Diese finden vielmehr im Imaginären „natürlich auch [die] Bedingung allen Denkens — von der oberflächlichsten, möglichst auf die mechanische Manipulation von Zeichen reduzierten Quasi-Gedankenlosigkeit bis zu den reichsten und tiefsten Gedanken" (Castoriadis 1997: 554). So bedarf jedes logische Denken, wie eingangs ausgeführt wurde, gestalthafter Formen, anschaulicher Bilder und eidetischer Modelle. Die vom legein entfalteten Denkschemata setzen Modi der Vorstellung voraus, auf denen es beruht. Reflexionsprozesse sind auf sinnliche und mimetische Akte angewiesen, da Gefühl und Verstand bereits „in der menschlichen Anlage kein absolut Verschiedenes und noch in ihrer Trennung von einander abhängig sind" (Adorno 1995: 489). Diese anthropologische Bedingung mag erklären, warum der Mythos in der Historie ebenso wenig beseitigt werden kann wie das Imaginäre oder die Fiktion selbst, „weil dann überhaupt keine Wahrheit mehr übrig bliebe, wenn man es täte" (Veyne 1987: 140-154). Gruppen, Gemeinschaften oder Völker pflegen Bilder von ihrem Universum zu entwerfen, indem sie es einem metaphysischen Signifikat ('Gesamtsinn') unterstellen, das „weder real noch rational ist oder sein kann, sondern imaginär [...]" (Castoriadis 1997: 254). In diesen Selbstauffassungen begründet sich nichts weniger als eine im 'Wir' festgehaltene historische Wahrheit, welche, wie Veyne

D i e katholische E i n h e i t u n d ihre historischen G r e n z e n

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am Beispiel der griechischen Mythen ausführt, zwar nicht den Kategorien von 'wahr' und 'falsch' gehorcht (Veyne 1987: 153, 41), aber dennoch zur materiellen Gewalt werden kann. Nichtsdestotrotz wäre es fatal, wollte man derartige Schemata, als die etwa religiöse Postúlate oder idealtypische Figuren einer Epoche gelten dürfen, wie „generalizaciones lógicas" mit empirischem Aussagecharakter behandeln, d. h. sie als unabweisliche Vertreter einer Zeit betrachten oder gar in den Rang von nationalen Stereotypen heben. 18 Sie können nicht mehr sein als das, was sie in ihrer Materialität sind: Bilder, Dokumente und Geschichten, die sich als Modi geschichtlichen Verstehens anbieten, aber niemals die gesamte Geschichte erfassen. So ist auch der hier beanspruchte Begriff des historischen Apriori lediglich als heuristisches Modell, nicht aber im Sinne einer deterministischen Auffassung als unvermeidlicher Gang der Geschichte zu lesen.

2 . 1 . 2 D I E K A T H O L I S C H E E I N H E I T A L S D O M I N A N T E R D I S K U R S IN DER SPANISCHEN

GEISTESGESCHICHTE

Nous ne prétendons done pos montrer comment les hommes pensent dans les mythes, mais comment les mythes se pensent dans les hommes, ä leur issu. C l a u d e Lévi-Strauss ( 1 9 6 4 : 20)

Es heißt sich erinnern, dass durch die viereinhalb Jahrhunderte dauernde Reconquista [...] dem Spanier ein religiöses Uber-Ich gegeben wurde, die Uberzeugung, ein privilegierter Streiter für den christlichen Glauben zu sein. H a n s H i n t e r h ä u s e r ( 1 9 7 9 : 12)

Auf Grund des von uns in Anspruch genommenen Aprioris konstituiert sich in der Rede über die Religion ein Begriffsfeld, das sich zwar den historisch jeweils dominanten Erkenntnismodellen nicht gänzlich entziehen kann, sie aber durch relativ konstante geschichtsmächtige Bilder unterläuft und somit noch weniger in feste datierbare Grenzen zu bannen ist als epistemologische 18 Maravall (1963: 265). Maravall hebt zu Recht hervor, wie sehr derartige Stereotype selbst Bilder einer Zeit sind, „lo que quiere decir q u e las imágenes de los pueblos, aparentemente fijas y determinadas, son algo circunstancial, transitorio y modificable, cuando efectivamente se modifica la situación histórica en que se encuentran [...]." (ebd.: 261). So sei es eben verfehlt, den spanischen Nationalcharakter des 16. u n d 17. Jahrhunderts in Adjektiven wie „ingenioso, frío, calculador y lento" zu erfassen u n d ihm den französischen „a la condición colérica, belicosa y rápida" entgegenzustellen. Allerdings können soziale Typen oder idealisierte Menschenbilder insofern ihre Berechtigung haben, als sie Aussagen über bestimmte Kodifizierungen des Verhaltens, über Konventionen u n d N o r m e n in einer Zeit geben, so z.B. das Escorial als architektonisches D o k u m e n t oder Philipp II. als Rey Prudente (vgl. Chueca Goitia 1963: 1, 80-99).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Dispositionen. 1 9 Diese Imaginationen verleihen dem Sprechen über Religion in Spanien bis in das 19. Jahrhundert hinein eine Bedeutung, das es an politisch-strategische Ziele knüpft und mit anderen Begriffsfeldern verbindet. Nichtsdestotrotz erfüllt das a u f die Religion in Spanien bezogene historische Apriori eine Reihe von Voraussetzungen, die Foucault für seine Definition geltend macht: D e n n auch dieser Diskurs, dessen Aussagen im Ausland die inländischen Befunde beeinflußten, ist weder taub gegenüber den Ereignissen der Zeit, wie eingangs hervorgehoben wurde, noch vermag er als Entäußerung einer Vernunft erscheinen, welche seine Herkunft außerhalb des Diskursfeldes 'Religion beziehen könnte. D e r Diskurs bewährt sich in einer inneren Logik, die sich nicht nur mittels fester hierarchischer Bezeichnungen, sondern auch im Anteil von Imaginationen und Bildern in thematische K o n tinuität, Begriffsübertragungen und polemischen Spielen des Diskurses einschreibt (Foucault 1 9 6 6 : 1 6 7 ) . M i t dem historischen Apriori wird eine Tradition in G a n g gesetzt, deren Regelwerk die uneinheitlichen Bewegungen der Schrift in Richtung einer Geschlossenheit und Uniformität zu treiben sucht. Indem sie die Aussagen aus anderen Begriffsfeldern mitbestimmt, greift sie in die Ö k o n o m i e des eigenen Kultursystems ein und steuert dabei den Austausch mit anderen Kultursystemen, wie W o l f - D i e t e r Lange und Wolfgang Matzat einer von ihnen herausgegebenen Untersuchung vorausschicken: Die aus dem Mittelalter ererbte kulturelle Heterogenität bleibt bis ins Siglo de Oro ein markantes Faktum und ist zugleich ein Grund dafür, dass die spanische Monarchie zusammen mit einer Reihe führender gesellschaftlicher Sektoren emphatisch die Homogenisierung der Kultur betrieb. Der Wechsel von Rückständigkeit und rascher Beschleunigung fördert die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und ein besonders ausgeprägtes Spannungsverhältnis von progressiven und regressiven kulturellen Tendenzen. Beides, die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Heterogenität und das ungleichmäßige Entwicklungstempo, betrifft nicht nur die interne Dialogizität der spanischen Kultur, sondern prägt natürlich auch den kulturellen Dialog mit dem übrigen Europa (Lange/Matzat 1997: 7-8). Dieses Wechselspiel zwischen Heterodoxie und Orthodoxie, kultureller Vielfalt und erzwungener Gleichförmigkeit geht a u f die Zäsur jenes Jahres 1 4 9 2 , „la fecha en que se sentaron los cimientos de la reputación internacional de España" ( K a m e n 2 0 0 3 : 3 1 ) , zurück, das weniger als fester Zeitpunkt

19 Vgl. dazu Brinkmann (1998: 476-501). Namentlich die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts vermittelt auch in Spanien einen sicheren Eindruck von der Permanenz jener historischen Mythen, wie die letzten Tage von Numantia (133 v. Chr.), die mythische Schlacht von Cavadonga (718), die Ubergabe Granadas an die christlichen Herrscher (1492) oder die von Karl V. veranlasste Hinrichtung der Comuneros (1521). In ihrer Folge entstanden immer neue Bilder, die das Geschichtsbild aktualisierten. Vgl. zur Historienmalerei auch Diez (1992).

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denn als symbolische Demarkation anzusehen ist. M i t der für Europa epochemachenden Einigung Spaniens im katholischen Glauben beginnt eine bestimmte diskursive Praxis zu dominieren, welche Religion und Gott in einem starkem M a ß an das Schicksal des eigenen Land bindet, „so much so that it has come to be seen almost as a mark o f national identity" (Rodgers 1 9 9 9 : 4 4 5 ) . Diese Rede, die den weiter oben beschriebenen ontotheologischen Rahmen tradiert, hat jedoch ihre geopolitischen Voraussetzungen. W i e keine andere Kultur des Abendlandes steht die iberische im 15. Jahrhundert vor der Notwendigkeit, sich selbst angesichts mehrerer Optionen zu definieren und sich in einen bestimmten geographischen Zusammenhang einzufügen. Als Teil der abendländischen Welt, der zugleich vorgeschobener Posten in einer anderen ihr fremden Sphäre ist, muss sie ihren Standort bestimmen, der entweder Orient oder Okzident heißt oder eine Verbindung zwischen beiden Seiten bedeuten würde. Die Rechristianisierung der Halbinsel ist als historische Option zugleich auch eine Rückkehr nach Europa. Als Teil des Abendlandes wird die Halbinsel zudem das Zentrum der neuzeitlichen Welt, „c'est-à-dire de la conquête du monde par l'Europe", so dass die von ihr gesteuerte „Ubersee-Expansion", wie Darcy Ribeiro ( 1 9 8 3 : 134) betont, maßgeblich „Geschwindigkeit und Kraft"

des

sich

herausbildenden

merkantil-kapitalistischen

Wirtschafts-

systems bestimmen sollte. Es wäre auch eine andere Perspektive denkbar gewesen, die sich als Kontrapunkt zur historisch erfolgten geradezu anbietet. Auf Grund seiner Geographie und seiner historischen Rolle hätte das Land auch eine Brücke zwischen Afrika und Europa bleiben können, wie es der kulturelle und philosophische Austausch zwischen seinen christlichen und islamischen Teilen Jahrhunderte lang unter Beweis gestellt hatte. Trotz jener lebhaften Kontroverse, die Américo Castro und Claudio Sánchez Albornoz in den fünfziger Jahren miteinander führten (vgl. Lapeyre 1 9 6 5 : 1 0 1 5 - 1 0 3 7 ) , wussten sich doch beide in der Feststellung einig, tqu'] une reconquête de l'Espagne par l'Europe s'ajoute à une reconquête proprement espagnole de l'espace musulman (Braudel 1 9 9 0 b , 2 : 5 6 5 ) .

Die Integration der Halbinsel im christlichen Abendland, die der Festigung der neuen territorialen Ordnung und damit den Interessen der Krone am ehesten entsprach, hatte in der Einheit des Glaubens ihren besten Garanten. Die Wahrnehmung dieser Option musste fortan weitere historischen Perspektiven ausschließen, die sich womöglich hätten eröffnen können: Da die Orthodoxie eine identitätsstiftende Funktion für alle Bevölkerungsgruppen haben sollte, musste sie auch jene religiöse Gruppen in eine Konformität zwingen, die auf Grund anderer Traditionen keinen Platz mehr in ihr finden

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mochten und deren Selbstverständnis sich auf Grundlage anderer historischer Gegebenheiten gebildet hatte. Ein Gemeinwesen, in dem die bestehenden Religionsgemeinschaften weiterhin hätten miteinander koexistieren können, war jedoch unter den veränderten Machtprämissen nicht mehr vorgesehen: Durant le 'long' X V I e siècle, la Péninsule, pour redevenir Europe, s'est faite Chrétienté militante ; elle s'est partagée de ses deux réligions superfétatoires, la musulmane et l'hébraïque (ebd.: 564).

Misst man die spanische Geschichte indes an dem Verhältnis zwischen der von Kirche und Staat prätendierten religiösen Einheit und deren vermeintlichen oder realen Deviationen, wird hingegen evident, dass sich Gefährdungen für diese historische Weichenstellung nicht zuletzt aus einer Politik der Ausgrenzung anderer Volksgruppen und Konfessionen ergeben. Ein Kompromiss der Besiegten mit den Siegern wurde somit verhindert und „die gesellschaftliche Formation des Staates" im Grunde sogar geschwächt (Klöss 1985: 111). Alles musste ausgelöscht werden, was eine Erinnerung an eine mögliche Koexistenz aller Bevölkerungsgruppen nähren und folglich die Bedingtheit historischer Entscheidungen bloßlegen konnte. So trägt die christliche Gesetzgebung bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts dazu bei, die Unterschiede zwischen den religiösen Bekenntnissen zu bewahren und die soziale Trennung der Christen von den Andersgläubigen zu fördern. Die Konzilien von Zamora (1313), von Valladolid (1322) und von Salamanca (1335) zeichnen sich in ihren Bestimmungen durch einen zunehmend antijüdischen Charakter aus. Die seinerzeit aus wirtschaftlichen Gründen entfachten Pogrome erfahren 1391 ihren Höhepunkt, der zur Zwangskonversion zahlreicher Juden führt (Bennassar 1985: 264). Diese 'Vereinheitlichung' des Glaubens „in solch einem Schmelztiegel der Rassen [...] wie Spanien" (Heymann 1992: 23) hat jedoch zur Folge, dass die cristianos viejos den Neuchristen nur mit Misstrauen begegnen und ihnen zum Vorwurf machen, ihre alten Glaubenspraktiken im Verborgenen fortzusetzen. Eine neue systematische Abgrenzung zwischen den Bevölkerungsteilen setzt sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts auf Grundlage der sogenannten estatutos de limpieza de sangre durch, nach denen nur beglaubigten Altchristen der Zutritt zu öffentlichen Amtern gewährt werden sollte.20 Im Widerspruch zu den Partidas, die eigentlich eine Anerkennung der Bekehrten als legitime Christen vorsehen (vgl. dazu Partida Setena

20 De Toro (1993: 176) verweist mit Blick auf die umfangreiche Traktaktliteratur des 17. Jahrhunderts darauf, dass das Problem der limpieza Spanien Jahrhunderte hindurch ungleich stärker beherrscht habe als das der Ehre. Erst 1845 seien die letzten Restriktionen gegen Spanier mit jüdischen Vorfahren hinsichtlich der Ausübung bestimmter Berufe, vor allem im Staatsdienst, endgültig aufgehoben worden.

D i e katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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tit. XXIII, ley VI), sind den conversos bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Verfolgungen beschieden. Schließlich wird 1478 in Kastilien durch eine päpstliche Bulle das Heilige Offizium der Inquisition konstituiert, dem als religiöspolitische Institution die Aufgabe zukommt, der „diffusion des croyances et des rites mosaïques parmi les juifs convertis au christianisme dans toute l'Espagne" Einhalt zu gebieten und diese Häresien auszurotten (Bethencourt 1985: 17). Historiker wie Bennassar gehen davon aus, dass die Inquisition letztlich das bedeutendste Instrument ist, mit dem der nun entstehende spanische Staat seine innere Einheit zu sichern glaubt (Bennassar 1979). Mit der Ausweisung der Juden durch die Katholischen Könige (vgl. dazu auch Heymann 1992), die nur wenige Monate nach der Eroberung Granadas erfolgt, wird wiederum deutlich, dass sich die religiöse Vielfalt der iberischen Völker nicht mit der neuen staatlichen Ordnung vereinbaren ließ (Bernecker 1995: 50). Auf Grund einer „falta de unidad moral y religiosa" (de Castro o.J.: 507) lässt diese aber gerade jene Bedingungen vermissen, die sie zur Voraussetzung ihrer selbst erklärt. Was zur Herstellung jener Einheit eines von Gruppeninteressen geteilten Landes notwendig ist, kann, wenn schon nicht von innen, so doch wenigstens durch einen Feind erfolgen, den alle als beneideten Geldgeber der Krone, als erfolgreichen Kaufmann, als ketzerischen Gelehrten oder als geachteten Edelmann kennen. In diesen und weiteren Vertreibungswellen, für die freilich nicht allein oder nur bedingt religiöse Gründe verantwortlich zu machen sind (de Toro 1993: 178), verlassen Hunderttausende das Land: 1492 sind es zunächst die Juden, 1502 die Muslime und 1609 ihre christianisierten Glaubensbrüder.21 Im Zuge der Reformation ist nun aber jenes „impossible ideal of Catholic unity" (Ayala 1953: 307), das Spanien in seinen Grenzen verwirklicht zu haben glaubt, auf europäischer Ebene bedroht. Die neue geopolitische Ordnung, die den Anschluss Spaniens an das christliche Europa besiegelt, ist damit nur noch eingeschränkt gültig. Doch auch weiterhin erscheint der Katholizismus als Garant einer Universalität, als deren erster Verteidiger das Land gegenüber seinen Nachbarn auftritt. Die unter so langen und harten Kämpfen errungene religiöse Einheit Spaniens, die längst in den Rang einer staatlichen Ordnungsfunktion getreten war, durfte durch die Spaltung des Abendlandes in zwei feindliche Blöcke nicht einer Gefahr ausgesetzt werden. Infolgedessen wird die Heterodoxie auch mit jenen Teilen der Bevölkerung in Verbindung gebracht, die als cristianos nuevos auf jüdische Vorfahren zurückbli-

21 Vgl. Lalinde Abadía ( 1 9 7 0 : 2 6 2 - 2 6 7 ) . Zu den „factores de discriminación social" zählt Lalinde neben denen von Klasse und Geschlecht auch die von Rasse und Religion, die beide zur fortdauernden Exklusion von Bevölkerungsgruppen aus der Gesellschaft beitragen.

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cken können und sich deshalb philosophischer oder theologischer Abweichungen verdächtig machen. Tatsächlich bestätigen die repräsentativen Namen, die etwa die spanische Renaissance, entgegen lange gehegten Vorurteilen (vgl. etwa Klemperer 1927: 129-161), zu großer Bedeutung im Zeichen des Erasmus von Rotterdam und seiner Rezeption erhoben, diesen fiir sie nicht ungefährlichen Konnex (vgl. Abellán 1982: 78). Es ist eine hypothetische Frage, ob die europäischen Nachbarländer sich im ausgehenden 15. Jahrhundert weniger unerbittlich gegenüber Mitgliedern anderer Konfessionen erwiesen als das neue Spanien. 2 2 Auf der iberischen Halbinsel stellt sich diese Frage jedoch auf Grund der Vereinigung der christlich-spanischen Reiche, die sich unter Ausschluss der beiden anderen Religionen und Kulturen vollzieht. Denn obwohl das Land auch „una historia horizontal con la del cristianismo europeo" (Jiménez Lozano 1993: 25) teilt, verfügt es immerhin über unvertraute Eigenheiten, [...] una singularísima historia religiosa, que nada tiene que ver con la del cristianismo europeo, y si hay algo decisivo en esta diferencia es que en España se ayuntan y anudan mundos religiosos y culturales que en Europa están enfrentados o se desconocen perfectamente (ebd.).

Ihren Widerhall findet diese Geschichte in einer Reihe von Texten, die in Hinblick auf die Religion ein ausgedehntes Diskursfeld eröffnen. Auf diesem kommt es zu Äußerungen, die sich in ihrer Originalität von vergleichbaren westeuropäischen Positionen in der Neuzeit unterscheiden und die ontotheologische Verfasstheit des spanischen Reiches in orthodoxen Anschauungen und Urteilen bekräftigen. Vor diesem Hintergrund mag man die Tragweite der ontologischen Veränderungen ermessen, die — wie in weiteren Kapiteln zu skizzieren sein wird - im 19. Jahrhundert eine neue Zeiterfahrungspartitur des Dürftigen ankündigen und den bis dahin geltenden diskursiven Rahmen verlassen. Z u den essentiellen Merkmalen dieser im Grunde konfes-

22 Vgl. dazu Honegger (1978). Es sei freilich daran gedacht, dass der Bann des anderen auch zur „anderen Seite der okzidentalen Rationalisierung" gehörte (ebd.: 21), die mit dem europäischen Hexenwahn vor allem zwischen 1430 und 1540 in Mitteleuropa hunderttausenden Frauen das Leben kostete. Hingegen sahen sich seit dem Spätmittelalter auch die Juden in anderen Teilen Europas in einen marginalen Status gedrängt, der durch die Uneinheitlichkeit der Rechtssprechung noch begünstigt wurde. Vgl. dazu Graus (1988: 87-109). Valera (1958, 3: 1463-1471) erinnert seinen Zeitgenossen, den deutschen Romancier Friedrich Spielhagen daran - dieser hatte Spanien im Wiener Tageblatt beschuldigt, noch immer die Tortur gegen ungeständige Straftäter anzuwenden und dabei wohl eine berüchtigte Tradition fortzusetzen —, dass die Barbarei nicht allein einen spanischen Namen hat: „Yo me limitaré a decir que en Alemania, por ejemplo, donde creo que no hubo Inquisición jamás, sólo por considerarlos brujos y brujas se han quemado, ahorcado y atormado más seres humanos que ocho, diez o veinte veces las víctimas de la Inquisición en España y en todos sus dominios [...]."

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sionalistischen Diskurstradition gehört die Idee der Glaubenseinheit, die primär, wie Bernhard Schmidt (1975: 301) auf Grundlage eines Textkorpus aus verschiedenen Jahrhunderten belegt, zumindest implizit als Garantin nationaler Zusammengehörigkeit und Identität angesehen wird.23 Im Ergebnis seiner Arbeit fand er „keine pauschalen oder radikalen Attacken gegen Kirche und Katholizismus, sondern dafür differenzierende Kritik an Fanatismus und Inquisition (bei Cadalso, Larra und Ganivet). Zahlreiche Autoren bekennen sich zum Teil fervent zum Christentum." Ausnahmen hätten bei unterschiedlichen Begründungen nur Pío Batoja (1872-1956) und Manuel Azaña y Díaz (1880-1940) gebildet, die jeweils auf ihre Weise das Ende der katholischen Einheit konstatieren. Wie Aussagen aus unterschiedlichen Jahrhunderten belegen, wird „Spanien eine welthistorische Heilsmission" (Schmidt 1975: 301) zuerkannt, so dass „die imperiale gegenreformatorische Doktrin und ihre Stützfunktion für die herrschende Klasse" nicht angegriffen wird. Selbst bei Liberalen wie Mariano José de Larra (1809-1837) steht „die Auseinandersetzung mit ihr nirgends im Vordergrund", so dass „ihre tragenden Elemente auch [bei diesen] übernommen [werden]" (Schmidt 1975: 301). In dem Maße, wie das spanische Imperium seine Hegemonie in Europa und Amerika zu sichern sucht, schließt es sich in den Bannkreis seiner eigenen Rechtgläubigkeit ein. Gerade im 16. und 17. Jahrhundert, als Spanien vom Land der europäischen Peripherie zum Zentrum der okzidentalen Weltkolonisierung aufsteigt, wächst sein kultureller und ökonomischer Abstand zu anderen Ländern des Kontinents. Zugleich entfaltet sich ein „Staatskirchentum" (Bernecker 1995: 62), das sich im 16. Jahrhundert mit der Vorstellung verbindet, dass die Spanier die Nachfolge der Juden als auserwähltes Volk Gottes angetreten hätten (Payne 1984: 11). Uber einige Generationen hinweg betrachteten sie ihre Religion „as superior to other branches of Catholicism", da zahlreiche Siege und die beständige Ausweitung des Reiches als Vollzug der göttlichen Vorsehung „and the eventual establishment of the kingdom of Christ on earth" angesehen wurden (Elliott 1989, 246). Dieses Prinzip, das ein imperiales Staatsverständnis „zugleich in einer Transzendenz (verankert)", wird besonders vehement von Francisco Gómez de Quevedo (1580-1645) in España defendida (1609) vertreten (vgl. Schmidt 1975: 30f): Die Betonung eines spezifisch spanischen Glaubens dient hier weniger der 'Wiederherstellung der Glaubenseinheit', sondern redet einer schroffen Ab23 Seiner Untersuchung legt Schmidt Quevedos España defendida, Cadalsos Defensa de la nación española, Larras Artikel, Menéndez Pelayos Heterodoxos, Ganivets Idearium español, Unamunos Essay Sobre la europeización. Ortega y Gassets España invertebrada, Manuel Azañas Arbeit über Idearium de Ganivet sowie Texten von Pío Baraja, Azorín und de Madariaga zugrunde.

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grenzung zu anderen katholischen Nationen das Wort.24 Die Argumentationsstruktur Quevedos soll sich noch fast drei Jahrhunderte später angesichts von 1898 bei Ganivet in seinem Idearium wiederholen: So weist der Autor auf Häresien hin, welche die Einheit des Dogmas in den großen Kirchenspaltungen immer wieder untergraben hatten, um dann eine spanische Partikularität zu statuieren, die eben auf einer einzigartigen Treue zu eben diesem Dogma beruht: ... aun en aquellos países q u e conservaron invariable lo fundamental d e la religión, h u b o divergencias nacidas de la variedad de temperamentos y acentuadas gradualmente, c o n f o r m e los c a m b i o s históricos iban d a n d o vida a nuevos rasgos característicos y diferenciadores; y E s p a ñ a f u e la nación q u e creó un cristianismo m á s suyo, más original, en cuanto dentro del cristianismo cabe ser original ( G a n i vet 1990: 51).

Demzufolge ist Quevedos Schrift vermutlich nur eine illustre Initiation jenes Prinzips. Denn in den Jahrhunderten der Edad de Oro (Gullón, R. 1993, 1: 1546) erscheint eine Vielzahl von Traktaten, wie das des Fray Benito de Peñalosa y Mondragón, die Spanien eine „prééminence chrétienne sur tous les pays à l'exception de Rome" einräumen und es zum Stammhalter der „pureté de la foi" seit den biblischen Zeiten der Sintflut erklären (Sicroff 1960: 293). So sind es neben dem militärischen Kampfgeist, dem ältesten Adel, dem ersten Rechtswesen und dem außerordentlichen Reichtum gerade religiöse Vorzüge, derer sich spanische Autoren im 17. Jahrhundert rühmen: Primera

excelencia del español: El español, desde la creación del m u n d o , a d o r ó a

un D i o s verdadero y entre la gentilidad fue el primero q u e recibió la fe d e Jesuscristo, y c o m o firme católico la dilatan por todo el m u n d o hasta morir p o r ella [...] (Peñalosa 1 6 2 9 : 1 0 1 - 1 0 2 ) .

Analoge Konzepte, die dem „messianic nationalism" (Elliott 1989: 246) eine theologische Grundlegung geben, sind zwar seinerzeit auch in anderen Teilen des Abendlandes vertreten worden, wie spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Historiographien belegen (Prado Coelho 1978, 2: 660-661). Doch in keinem anderen Teil des Abendlandes scheint jene Rede, welche sich 24 Vgl. Redondo (1981: 155-168): Es sei hier nur beispielhaft auf die zahlreichen antifranzösischen Pamphlete verwiesen, die in Spanien zwar hauptsächlich auf die 1635 von Ludwig XIII. ausgesprochene Kriegserklärung reagierten. Eine weit verbreitete Schmähschrift richtet sich jedoch gegen Kardinal Richelieu, der nach Meinung ihres Autors, Francisco de Quevedo, auf Grund seiner besonderen Verantwortung für diesen Krieg nicht nur selbst einen krankhaften Geisteszustand („l'humeur mélancholique", 167) an den Tag gelegt, sondern diesen auch an andere Glieder des französischen Staatskörper weitergegeben hat. Demzufolge erweise sich Frankreich als „une folle et une possédée" (167), die mit Spanien die europäische Katholizität treffe.

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dieser Geschichtsauffassung anschließt, ihre Schlüssigkeit so unmittelbar aus der ins Recht gesetzten Souveränität Christi selbst zu beziehen. Die opferreiche Resistenz des spanischen Christentums gegenüber den Mauren und die Eroberung weitentlegener Territorien für den rechten Glauben machen dieses Volk zu einer einzigartigen Kategorie, wie sie nur biblischen Vorbildern entlehnt sein kann: Dans leur rôle de propagateurs de la foi, Fray Benito décrit les Espagnols c o m m e les héritiers de la mission d'Israël, c o m m e le Peuple Elu de Dieu. En effet, les efforts de l'Espagne dépassent ceux d'Israël, car cette nation ne fut jamais appelée à faire connaître la Parole de Dieu au Nouveau Monde, dont les habitants semblent avoir été destinés à la conversion par ce nouveau Peuple Elu (Sicroff 1960: 294).

So hat die nationale Einigung im Zeichen der Reconquista dazu beigetragen, dass die spanische Identität und Kultur „weit mehr als in anderen europäischen Ländern" (Bernecker 1995: 9) durch das religiöse Moment bestimmt wurden. Der Charakter von Staatsgründung und christlicher Berufung haben in Spanien einen gemeinsamen Ausgangspunkt, den Kampf gegen den Islam, was ihn nicht allein von diesem trennt, sondern auch mit ihm verbindet: España se afirma en una lucha que es, ante todo, lucha religiosa, 'guerra santa'. Los otros europeos hicieron las Cruzadas de los Santos Lugares 'Cruzadas'. Los españoles no participaron en ellas porque en su misma tierra tenían en marcha la empresa de una permanente Cruzada (Aranguren 1962: 72).

Die Art und Weise, wie der Apostel Santiago in Anspruch genommen wird, um den Triumph christlicher Heere in entscheidenden Schlachten herbeizuführen, demonstriere, so Aranguren, die frühe Verbindung von geistlicher und zeitlicher Ordnung. 25 Obwohl die Reconquista auf eine entfernte Epoche verweist, zieht sich eine mit der Religion verflochtene Sprache des Krieges auch durch spätere Unternehmungen Spaniens. Sie kennzeichnet die Eroberungen in der Neuen Welt ebenso wie das militärische Vorgehen gegen die protestantischen Ketzer und die Feldzüge gegen die Osmanen. So sei dieses militante Prinzip una de las constantes del catolicismo español, en las épocas de vida ascendente, c o m o la Reconquista o la primera parte de la Contrarreforma, se mueve por el impulso esperanzado de terminar venciendo al infiel o destruyendo la herejía (Aranguren 1962: 78).

25

Zum Mythos des Hl. Jakob vgl. López (1991: 165-172).

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Die Reconquista ist damit ein Unternehmen, welches auf Grund seiner langen Dauer nach Pierre Vilar tiefe Spuren in den Mentalitäten und sozialen Strukturen hinterlassen hatte, „como pudo hacerle una cruzada de varios siglos" (Vilar 1978: 26). Die gesamte Gesellschaft befand sich im Zeitraum zwischen 711 und 1492 in ständigen Kampfhandlungen und war auf eine nicht weniger anhaltende Kolonisierung der eroberten Territorien ausgerichtet, die heiliger Krieg zugleich war. Die von Aranguren referierte Eigenheit des spanischen Katholizismus verfehlt auch in soziologischer Beziehung nicht ihre Wirkung, wird mit ihr doch ein unverwechselbarer Kleinadel geboren, der als infanzones und caballeros dem König und seinen Granden auf den Feldzügen folgt, ohne freilich für ihre Dienste wirtschaftlich entschädigt zu werden. Man findet ihn ebenso in den Kriegen, die Flandern und Italien heimsuchten, wie in den großen militärischen Odysseen zu den Indias, so dass seine eigene Existenz mit einem Vorhaben verknüpft ist, die niemals enden will. Da der Zerfall spanischer Macht im 17. und 18. Jahrhundert diesen Bevölkerungskreisen aber zusehends die Möglichkeit rauben sollte, dem Kriegshandwerk auch weiterhin nachzugehen, erfüllten sich die Tagträume dieser caballeros in der Poesie jener Abenteuer, zu denen sie in Taten nicht mehr fähig sind: Serán Don Quijote o los héroes picarescos; se convertirán en los gentilhombres anacrónicos, admirables o ridículos, de los novelistas del siglo pasado (Aranguren 1962: 78).

Noch im Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon ist dieser klerikal-patriotische Diskurs tief von der Vorstellung durchdrungen, dass Spanien nur zu jenen Grundsätzen des Glaubens zurückkehren müsste, die es einst zu dem machten, was es war und wieder werden muss. So heißt es etwa in einem Gebet, das an Santiago de Compostela erinnert und den Kampf gegen die französischen Eroberer in den Rang einer cruzada rückt: Venturosos españoles, Santiago, como en otro tiempo lo escribió San Pablo á los de Corinto, puede decirnos que aunque para otros no sea Apostol, para nosotros lo es; porque nosotros somos el sello de su Apostolado en el Señor...¿Quién, pues, glorioso Reyno, quien te intimidará protegido y fortalecido tú con el auxilio de tal prenda, ó de un Patrón por quien el Todopoderoso ha obrado contigo cosas grandes? Amada España, Pueblo honrado por Dios con el Apostolado de Santiago, donde como en su Trono debía radicarse su Santa Religión; España amada, patria mía especialísima y particular posesión de Jesu-Cristo, como te llamó San Leandro en el tercer Concilio de Toledo ¿quién contra tí, estando en tu favor Dios, María Santísma y el apóstol Santiago? (Fr. Josef Maria de Jesús, ¿Debemos esperar ó temer? zit. nach Carreño Rivero 1990, 3: 446-447).

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So nimmt es nicht wunder, dass auch in Romanen Valeras und Pérez Galdós' von diesen Sozialcharakteren die Rede ist26, der noch den geistlichen Kombattanten hinzuzufügen ist27, wie sie etwa Bilder von Francisco José de Goya ( 1 7 4 6 - 1 8 2 8 ) oder Eugenio Lucas Velázquez ( 1 8 1 7 - 1 8 7 0 ) zur Darstellung bringen. 28 Anders als die von Walter Benjamin beschriebenen Flaneure, Bohémiens oder Dandies verdanken diese Heroen ihre Entstehung zwar nicht der Moderne (vgl. Benjamin 1974). Dennoch werden auch sie in ihr heimisch, um schließlich noch als „estudiante o el militar utilizados por el 'movimiento' franquista" weitere Kämpfe gegen die Ungläubigen der neuen Zeit auszufechten (Vilar 1 9 7 8 : 28). Das politische Ideal der Glaubenseinheit und -reinheit, das sich mit der christlichen Orthodoxie verbindet, ohne jedoch ein ausschließlich religiös motivierter Mythos zu sein (vgl. Poliakov 1 9 9 3 : 2 7 - 3 2 ) , tritt damit in einen strukturellen Gegensatz zu allen Abweichungen, die dem vagen Archetypus des „español puro y neto" (Caro Baroja 1978: 15) zu widersprechen scheinen. Was sich in Redewendungen nur als Uniformität des katholischen Glaubens mitzuteilen vermag, äußert sich in der spanischen Geschichte dennoch als perhorreszierte Vermischung des reinen mit dem vermeintlich unreinen Blut, des Gläubigen mit dem Ungläubigen, der christlichen mit den maurisch-jüdischen Traditionen und des Heterodoxen mit dem Orthodoxen (Castro o. J.: 5 0 9 f ) . Kennzeichnend für die vom „carácter bélico del cristianismo hispánico" bestimmten Verhältnisse in Spanien sind die in Adel und hidalguía, verankerten sozialen Typen, die stets ängstlich darauf be-

26

Vgl. dazu z. B. die erste Serie der Episodios nacionales

(z. B. El equipaje

¿leí Rey José), in

denen immer wieder Priestergestalten und Karlisten auftreten. 27 Beispielhaft für diesen sozialen Typ ist der berühmte Mönch Antonio Marafión, genannt El Trapense (1777-1826), der mit Kreuz und Waffen in der Hand gegen die Franzosen kämpfte und dann die katalanischen Bauern zum heiligen Krieg für den Absolutismus aufrief. Auf Grund seiner Grausamkeit und seines Fanatismus machte er von sich reden. In El terror de 1824 wird der Mönch, „retrato fiel de Satanás a caballo", zu einer Romangestalt mit unberechenbaren Zügen, die zum Gegenstand von Hass und Verehrung wurde: „Era el Trapense joven, de color cetrina, ojos grandes y negros, barba espesa, con un airecillo más que de feroz guerrero, de truhán redomado. Había sido lego en un convento, en el cual dio mucho que hacer a los frailes con su mala conducta, hasta que se metió a guerrillero, teniendo la suerte de acaudillar con buen éxito las partidas de Cataluña. Conocedor de la patria en cuyo seno había tenido la dicha de nacer, creyó que sus frailunas vestiduras eran el uniforme más seductor para acaudillar aventureros, y al igual de las cortantes armas puso la imagen de Crucificado. En los campos de batalla, fuera de alguna ocasión solemne, llevaba el látigo en la mano y la cruz en el cinto; pero al entrar en las poblaciones colgaba el látigo y blandía la cruz, incitando a todos a que la besaran." 28 Vgl. etwa das Bild La revolución von Eugenio Lucas (1817-70), in dem ein Priester mit einem Kruzifix versehen ist und zum Volk predigt, in der anderen Hand jedoch eine Schusswaffe hält. Er ist so ein Symbol des Kreuzzuges gegen den Liberalismus (vgl. dazu Abbildung in Abellán 1 9 8 4 , 4 : o. S.)

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dacht sind, im Zusammenspiel von institutioneller und verinnerlichter Inquisition zu beweisen, dass in ihnen kein Blut von Neuchristen und Konvertiten fließe29: El hombre español de la Contrarreforma, grave, reservado, solemne, enlutado o, ya en la decadencia, ilusionista, fantásticamente huero, fantasmagóricamente barroco, como para ocultarse a sí mismo su propio y desengaño [...] (Aranguren 1962: 76).

In welchem Ausmaß sich in der Kontinuität des Gleichen jedoch immer wieder Brüche abzeichnen, die eine mehr oder minder erkennbare Wirkung in der Geschichte ausüben, dokumentiert die Historia de los Heterodoxos von Marcelino Menéndez Pelayo mit der Existenz von Aberglauben, Hexen- und Sektenwesen in den ersten christlichen Jahrhunderten (Bd. 1), der Geschichte der Antitrinitarier, Albigenser, Katharer und anderer Sekten vom 6. bis zum 13. Jahrhundert sowie der sich unter dem Einfluss arabischer und jüdischer Ideen entwickelnden Häresien (Bd. 2), mit Erasmus und dem Protestantismus (Bd. 3) und den mystischen Bewegungen des 16. und 17. Jahrhunderts (Bd. 4). Uber Aufklärung, Jansenismus und Freimaurertum (Bd. 5) schlägt der Parteigänger der katholischen Einheit einen weiten Bogen bis zur rationalistischen Philosophie seiner Zeit (Bd. 6), um so die Geschichtsschreibung an die aus seiner Sicht gefährdete Gegenwart zurückzubinden und die einst von den katholischen Königen erzwungene Entscheidung für ein christliches Spanien im Rahmen einer erneuerten katholischen Wissenschafts- und Erziehungsarbeit zu bekräftigen (Campomar Fornieles 1983: 87). So betont er im bekannten Epilog seiner Heterodoxos españoles neben der romanischen Herkunft vor allem das Christentum, das bleibende Spuren in der Geschichte hinterlassen habe und die Nation davor bewahre, in Einzelteile zu zerfallen: España, evangelizadora de la mitad del orbe: España, martillo de herejes, luz de Trento, espada de Roma, cuna de San Ignacio...; ésa es nuestra grandeza y nuestra unidad: no tenemos otra. El día en que acabe de perderse, España volverá al cantonalismo de los arévacos y de los vectones o de los reyes de taifas (Menéndez Pelayo 1987: 1037).

29 Vgl. de Toro (1993: 176). Unter Hinweis auf Américo Castro hebt de Toro die repressive Rolle der öffentlichen Meinung hervor, die wohl die Bedeutung der von Aranguren akzentuierten immanenten Inquisition erklärt und nach den neueren Forschungen über das Heilige Offizium zudem dessen mentalen Einfluss über den der Institution stellt (vgl. etwa Bennassar 1987). Die Reduktion des von de Toro untersuchten Ehrbegriffs auf den bloßen Ruf/Schein erklärt dieser plausiblerweise damit, dass „das Wohl der Menschen, ihr status quo, ihr Ansehen nur vom 'qué dirán [abhängt], das damit bestimmt, ob sie in den Ruf geraten, unrein zu sein, d.h. ob sie stigmatisiert werden oder nicht." Insofern ist auch anzunehmen, dass der symbolische den realen Inquisitor an Macht und Einfluss bei weitem übertraf.

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Wie sich der Autor einer Wahrheit gewiss ist, die er mit dem Katholizismus identifiziert, — er wollte seine Arbeit ursprünglich als Kampfschrift gegen die 1876 eingeführte Religions- und Gewissensfreiheit ( § 1 6 der Verfassung) verstanden wissen (vgl. Abellán 1989, 5/1: 362f) - so kann auch der Aufbau seines religionsgeschichtlichen Werkes nicht an historischer Objektivität orientiert sein: die Heterodoxie, so vielfältig und faszinierend sie in ihren historischen und ästhetischen Ausprägungen auch immer sein mag (vgl. Menéndez Pelayo 1947), ist aus seiner Sicht nicht nur die größte Gefahr für die katholische Einheit, sondern als Abweichung von Gottes Willen auch eine Sünde, die über ihre eschatologische Dimension hinaus den Zorn Gottes in tempore, also in der Geschichte heraufbeschwört (vgl. Rivera de Ventosa 1985, 61: 184-185). Diese providentialistische Geschichtsphilosophie, die einen wirkmächtigen Diskurs vergangener Jahrhunderte fortschreibt, blendet freilich aus, was sie eigentlich zum Gegenstand ihrer Erörterung macht: die ständige Wiederkehr jenes anderen, den sie lediglich als Abweichung von der kirchlichen Lehrmeinung und als „desorden en el universo" verstanden wissen will (Menéndez Pelayo 1947, 4: 183). In seiner Warnung vor den „librepensadores españoles [...], la peor casta de impíos que se conocen en el mundo" (Menéndez Pelayo 1950: 341), impliziert der katholische Gelehrte die Forderung an seine Zeitgenossen, die Religion nicht der Glaubenspraxis der Individuen zu überlassen. Wie die siegreiche Reconquista ist sie - ganz in Entsprechung zur Tradition des spanischen Imperiums - nicht als eine bloße Option mißzuverstehen, die ihre historische Überlegenheit gegenüber anderen Möglichkeiten ins Spiel gebracht hätte. Im Zeichen des katholischen Glaubens habe die Einheit des Reiches allein auf gemeinsamen religiösen Fundamenten beruht, „[pues] ésa es nuestra grandeza y nuestra unidad; no tenemos otra" (Menéndez Pelayo 1987: 1038). Von Seiten republikanischer Kreise sollte dagegen später der Vorwurf laut werden, dass der auf einer gemeinsamen Konfession begründete Staat anders als sein laizistischer Nachfolger „tomaba sobre sí la cúratela de las conciencias y daba medios de impulsar a las almas, incluso contra su voluntad, por el camino de su salvación", so Manuel Azafia in seiner bekannten Rede im Oktober 1931 (Santidrian 1978: 143). Vornehmlich hatte diese geistige Sorge christlicher Pastoralmacht indes jene verstört, die sich im 16. und 17. Jahrhundert auf eine gnostische Erkenntnissuche begaben und ohne Vermittlung geistlicher Institutionen eigene Gotteserfahrungen als Selbsterfahrungen erleben wollten, wie dies nicht nur bei ausgewiesenen Heterodoxen, sondern auch bei späteren Heiligen (Teresa de Avila, Juan de la Cruz) der Fall ist (vgl. Pérez Romero 1996). Der Konfessionalismus hatte sich wie ein Staatskult ausgenommen, der jedoch seinem pastoralen Charakter nicht untreu wird

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und anders als sein Vorgänger in der römischen Antike ein Bekenntnis der Seelen zum approbierten Glauben einfordert. 3 0 Spannungen zu charismatisch-gnostischen Strömungen und ekstatischen Visionen, wie sie vielfach in der spanischen Kirchenkunst des 17. Jahrhunderts Eingang finden (Rosen 2 0 0 4 ) , müssen sich folglich ebenso einstellen wie zu volksreligiösen Varianten, die eine gewisse Autonomie gegenüber d e m Staatskult und den Lehrmeinungen der Amtskirche für sich in Anspruch nehmen (vgl. Fernández-Armesto 2 0 0 0 : 136-140). Anders als jene lokalen Besonderheiten des Glaubens mit ihren Heiligen, Reliquienkulten und liturgischen Abweichungen, die in Spanien jedoch kaum in Häresien oder Schismen münden (Payne 1984: 4 8 ) , ist das Staatskirchentum auf die Herstellung eines in sich geschlossenen Staatskörpers bedacht, so dass die Orthodoxie nicht auf ein kleinliches Festhalten an kirchlichen D o g m e n reduziert werden darf. Vielmehr will diese den Glauben der Individuen zu einem für alle Glieder verbindlichen Kollektivbekenntnis machen, in d e m die Religion auf eine Ö k o n o m i e bestimmter N o r men festlegt ist. 31 Der Gottesdienst korrespondiert gleichsam mit d e m Dienst am Staat, so dass das Staatskirchentum die Staatsraison der Monarchie bestätigt, auf ähnliche Weise wie dies etwa in einer anonymen Flugschrift von 1638 geschieht: La fe divina es la estabilidad y firmeza de los imperios, al paso que ella crece se aumentan y al paso que decae desmayan. Debe el príncipe a la Fe la obediencia de sus vasallos [...], y la defensa más segura del Príncipe es la verdad de la Fe. Donde ésta florece hay policía sagrada y donde falta decae el buen gobierno (zit. nach Feros 2004: 92).

3 0 Vgl. dazu Foucault in: Dreyfuss/Rabinow (1984: 305), der die Pastoralmacht in diesem Sinne, wie folgt, als „une forme de pouvoir" beschreibt, „qui ne se soucie pas seulement de l'ensemble de la communauté, mais de chaque individu particulier, pendant toute sa vie. [ . . . ] [Elle] ne peut s'exercer sans connaître ce qui se passe dans la tête des gens, sans explorer leurs âmes, sans les forcer à révéler leurs secrets les plus intimes. Elle implique une connaissance de la conscience et une aptitude à la diriger." 31 Dabei müssen sich Heterodoxie und Orthodoxie aber keineswegs ausschließen, zumal sich beide unter dem Eindruck einer Reformation „como un componente de un gran movimiento evangelizador" komplementär zueinander verhalten und sogar durchdringen können (vgl. Fernández-Armesto 2000: 144).

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2 . 2 K O N F I G U R A T I O N E N DES GÖTTLICHEN Z E I C H E N S IM S P A N I S C H E N K Ö N I G T U M

2 . 2 . 1 IM TAL DER K Ö N I G E : EXKURS ZUM VERHÄLTNIS VON G O T T U N D K Ö N I G IN DER A B E N D L Ä N D I S C H E N BILDERWELT

Die älteste politische Religion eines großen Kulturvolkes war der Sonnenglaube der Ägypter. [...] Die Könige der ersten Dynastien verstehen sich schon ab Nachfolger des Sonnengottes Horus, eines der Herrscher aus der Götterdynastie, die im mythischen Anfang das Land regierte. Die vordynastischen Könige der noch getrennten Reiche des Nordens und Südens, die als „Horusdiener"zusammengefaßt werden, rücken in den Rang von Halbgöttern und werden später in den Städten, in denen sie geherrscht haben, als Götter verehrt. [...] Auch die „Staatsform der Religion" ist am Anfang der geschichtlichen Zeit schon gegeben. Der König ist der Mittler zwischen den Menschen und den Göttern. E r i c Voegelin ( 1 9 9 3 : 19).

Se daban pues, conjuntamente, la tendencia a la sacralización de la política y la tendencia a la politización de la imagen religiosa, o dicho de otro modo, había reciprocidad en cuanto a las formas simbólicas utilizadas para esclarecer las respectivas realidades. [...] El cielo era imaginado como una especie de Estado con su curia celestial en la que cada ángel, apóstol, etc., pertenecía a un 'ordo'y realizaba una función, y Cristo era representado por el arte románico llevando una corona imperial o real; mas por otro lado el rey terreno era concebido con 'imagen de Cristo'y su paz y su justicia como aproximación a los que existían en el cielo. M a n u e l G a r c í a Pelayo ( 1 9 5 9 : 1).

Diese Verflechtung von Politik und Religion, die Legitimation politischer Entscheidungen und Strukturen aus dem Glauben, im historischen Fallbeispiel Spaniens „como un baluarte de catolicismo" (vgl. Fernández-Armesto 2000: 142), sind Gegenstand einer politischen Theologie, die „mit dem öffentlichen Kult des Staates identisch [ist] und der (theologischen) Sanktionierung des Primats der Politik" dient (EKL Bd. 3/9, S. 1261). Die ontotheologische Grundstruktur, welche mit der Metaphysik die ikonographischen Vorstellungen von Gott einfasst, regiert neben den Begriffen des Religiösen auch die des Politischen. Diese sind nicht minder „den Institutionen und ihren Symbolen gefolgt" (Voegelin 1993: 11), da sich beide auf die Gemeinschaft als „Bereich religiöser Ordnung" beziehen, in der Symbole und nicht Begriffe bestimmend sind. Mehr noch als Rechtsgebäude oder Dogmen stehen in der politischen Theologie einprägsame eidetische Modelle im Vordergrund, wie die künstlerisch und literarisch ausgestaltete Heilsgeschichte, die in Inkarnation, Kreuzestod wie Parusie ihre Höhepunkte erlebt und im Verhältnis zu begrifflichen Terminologien um so bleibendere Qualitäten erlangt. Als „faßbare Formen von Vorstellungen [...], aus der Erfahrung abgeleitete, in wahrnehm-

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bare Formen geronnene Abstraktionen, konkrete Verkörperungen von Ideen, Verhaltensweisen, Meinungen, Sehnsüchten

und

Glaubensanschauungen"

sind nur sie im Stande, die primäre Wirklichkeit mit ihren Wertsetzungen auszustatten. Aus diesen Kodierungen entsteht eine allgemeine Seinsordnung, die „mit einer solchen Aura von Faktizität" umgeben ist, „dass die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen" (Geertz 1 9 9 0 : 4 8 ) . Diese Einsicht sieht sich jedoch einem Dilemma ausgesetzt, das auch Historikern wie Elliott oder Bennassar kaum entgangen sein dürfte 3 2 , aber auch im Rahmen unseres Vorhabens nicht zu lösen ist: W i e können Aussagen als diskontinuierliche Praktiken behandelt und als Momentaufnahmen innerhalb einer zeitkritischen Pragmatik situiert werden, ohne dass sie als Träger einer globalen Ideologie erscheinen und damit eine statische Struktur erhalten? W i e lassen sich diese „unterschiedlichen und verstreuten Reihen" wiederum als repräsentative Figuren eines bestimmten Denktypus heranziehen, ohne dass ihre Aussagekraft auf einen allzu engen Zeitpunkt beschränkt wäre und sie damit ihre kennzeichnende Wirkung einbüßen müsste (vgl. Chartier 1 9 9 2 : 18)? Als besonders schwerwiegend erweist sich dieser Konflikt in Hinblick auf religiöse Einbildungsstrukturen, die etwa in der unwiderstehlichen christlichen Tendenz zur Inkarnation Gottes bzw. zur Gottwerdung des M e n schen kaum auf feste Urheber zurückzuführen und geschweige denn auf enge Zeitpunkte festzulegen sind: Wird in bestimmten Aussagen und zu gegebener Zeit nicht lediglich ein Jahrtausende altes Sinnpotential aktiviert, das sich auf jüdisch-christliche Elemente, auf die antike Philosophie und nicht zuletzt auf östliche Inkarnationslehren beruft (Krishna, Osiris, Marduk, Baal)? Ist Jesus Christus „auch historisch als letzte Inkarnation des Gottmenschen" (Kamper 1 9 8 1 : 2 1 6 ) nicht selbst bloß die Aktualisierung ein- und desselben Prinzips, das die Kontinuität der Ontotheologie in der Diskontinuierlichkeit der historischen Ereignisse anzeigt? Eine „conception linéaire excessivement simple de l'histoire", die privilegiertermassen die Beziehungen zwischen Ursache

3 2 Vgl. Bennassar ( 1 9 9 2 ) : „Nous verrons au contraire que, malgré la permanence des temps et de l'aménagement de l'espace, les croyances et les mœurs se sont profondément modifiées tout au long de ces trois siècles [du X V I e au X I X e siècle]. [...] Il va sans dire qu'il n'a pas été possible d'enfermer dans quelque deux cent cinquante pages la totalité des contradictions dont les hommes et les femmes d'Espagne, en ce temps, nous donnent le spectacle. Certaines hypothèses, certaines idées sont fragiles. L'auteur le sait." Vgl. ebenso Elliott ( 1 9 9 0 : 14): „[...] Any historian o f the period [ 1 4 6 9 - 1 7 1 6 ] is faced with the alternative either o f writing a narrative account which would lean heavily towards traditional politic and traditional history, or o f producing a more interprétative synthesis, which would attempt to incorporate the resuit o f recent researches on social and economic developments, but which is bound in large part to remain spéculative and perhaps superficial. I have chosen the second o f these courses [...]."

D i e k a t h o l i s c h e E i n h e i t u n d ihre historischen G r e n z e n

123

u n d Wirkung, vergangenen u n d gegenwärtigen Ereignissen hervorhebt

(Fou-

c a u l t 1 9 9 4 , 1: 6 3 5 ) , w i r d d e n g r o ß e n V o r s t e l l u n g s w e l t e n d e s O k z i d e n t s

nicht

gerecht.33 D e n n diese, so erinnert uns Borges, lassen sich nicht a u f spezifische Träger festlegen oder d e m K ö r p e r einzelner Texte zuordnen. Sie greifen

auf

eine

ein

weiträumige

Sammlung

imaginären

Materials

zurück,

die

wie

sprachlicher C o d e zu jeder Zeit im R a h m e n einer b e s t i m m t e n Pragmatik abgerufen werden kann: U n o d e l o s h á b i t o s d e la m e n t e e s l a i n v e n c i ó n d e i m a g i n a c i o n e s h o r r i b l e s .

Ha

i n v e n t a d o el I n f i e r n o , h a i n v e n t a d o l a p r e d e s t i n a c i ó n al I n f i e r n o , h a i m a g i n a d o las i d e a s p l a t ó n i c a s , la q u i m e r a , la e s f i n g e , l o s a n o r m a l e s n ú m e r o s

transfinitos

( d o n d e la p a r t e n o e s m e n o s c o p i o s a q u e el t o d o ) , las m á s c a r a s , l o s e s p e j o s , las ó p e r a s , la t e t r a t o l ó g i c a T r i n i d a d : el P a d r e , el H i j o y el E s p e c t r o i n s o l u b l e , a r t i c u l a d o s en un solo o r g a n i s m o . . . Y o he p r o c u r a d o rescatar del o l v i d o u n horror s u b a l t e r n o : la v a s t a B i b l i o t e c a c o n t r a d i c t o r i a , c u y o s d e s i e r t o s v e r t i c a l e s d e l i b r o s c o r r e n el e n c e s a n t e a l b u r d e c a m b i a r s e e n o t r o s y q u e t o d o l o a f i r m a n , lo n i e g a n y l o c o n f u n d e n c o m o u n a divinidad q u e delira (Borges 1 9 8 5 : 129). Z u Recht hat D i e t m a r K a m p e r (1981: 2 1 4 ) daraufhingewiesen, dass dieses I n v e n t a r i u m a r c h e t y p i s c h e r F i g u r e n „ d i e g e s a m t e exoterische u n d s c h e K u l t u r t r a d i t i o n d e s A b e n d l a n d e s [...], a n g e f a n g e n v o n d e n der Zeit vor d e m Altertum, d e n Assyrern,

Babyloniern, Ägyptern

Perser, d i e G r i e c h e n , d i e J u d e n bis z u d e n g n o s t i s c h e n

und

esoteri-

Stromvölkern über

S e k t e n d e s M i t t e l a l t e r s " in sich e i n s c h l i e ß t u n d d i e D a r s t e l l u n g d e s sohnes motiviert. In die Ikonographie des Christusbildes on

Eingang,

die i m

Glorienkörper

des Gottmenschen

die

kabbalistischen

findet

Gottes-

eine Traditi-

ihr Z e n t r u m

findet

u n d in d e r D u p l i z i e r u n g d e s P r i e s t e r k ö n i g s als M e s s i a s d i e D i m e n s i o n

christ-

lich-jüdischer Uberlieferungen bei weitem übersteigt.34 In d e m von

Kamper

3 3 S o wächst mit den gewachsenen technischen Ressourcen einerseits die Gewähr, a u f empirisch belegbare Fakten oder dokumentierte Aussagen rekurrieren zu können. Andererseits aber wird es in diesem M a ß e schwieriger, Bilder als visualisierte Formen sozialer Imagination im wissenschaftlichen Kontext ernstzunehmen. Gerade in Hinblick auf Gottesvorstellungen fällt es schwer, eine Entscheidung zwischen zwei grundsätzlichen Positionen zu treffen, „einerseits diejenige, die eine Textumwelt, d. h. externe, auch nichtsprachliche gesellschaftliche Strukturen nicht aufgeben will, und andererseits diejenige, die durch Textualisierung des Kontexts 'das Realitätskonzept aus seiner dogmatischen Starre befreien' möchte." D a „das innerwissenschaftliche Phantasieverbot" die Geschichte der Einbildungskraft selbst zu einer „langen Verdrängung" verurteilt und d a m i t noch weiter d e m begrifflichen D e n k e n entzogen hat ( K a m p e r 1981: 8 6 ) , muss der Z u g a n g zu solch unvordenklichen Mysterien, wie d e m der Inkarnation, überdies erschwert sein. 3 4 T h . W. A d o r n o bringt diesen Ausschluss des Imaginären mit „einer d e m Stillstand nahen gesellschaftlichen Dialektik des fortgeschrittenen Kapitalismus" in Verbindung. Vgl. dazu Adorno/Albert ( 1 9 9 3 : 6 2 - 6 3 ) : „Eine Geschichte der Phantasie zu schreiben, u m die es in den positivistischen Verboten eigentlich geht, verlohnte sich. Im achtzehnten Jahrhundert, bei Saint

124

Jenseits von altem Gott und ' N e u e m Menschen

(1981: 87) konstatierten Bruch zwischen „bilderreichen Ritualen" und „der Begrifflichkeit einer weltweiten Aufklärung" kehrt auch der Gegensatz zwischen einer nach Kausalitäten geordneten Ereignisgeschichte und einer Geschichte der Einbildungskraft wieder, die zumal in Hinblick auf religiöse Anschauungsstrukturen in außerordentlich langen Schritten denkt. U m die Kontinuität religiös-ikonographischer Grundstrukturen von der Flucht ihrer historischen Erscheinungen zu unterscheiden, ist an eine Differenzierung des Gedächtnisbegriffes zu erinnern, wie sie von Jan Assmann in Anlehnung an Maurice Halbwachs (1994) mit der komplementären Zuordnung von kultureller und kommunikativer Seite vorgenommen wird. Wo die Geschichtsschreibung selbst am dichtesten von den Zeichen des Gleichen bedeckt ist und sich folglich in einer sich erinnernden Tradition bespiegelt, ist von einem kulturellen Gedächtnis zu sprechen, das symbolische Figuren in sich versammelt und im Unterschied zum kommunikativen nicht auf rezente, sondern auf zeitlich entrückte Geschehnisse zurückgreift. Dazu zählen „Vätergeschichten, Exodus, Wüstengeschichten, Landnahme, Exil", und wie wir bisher im Querschnitt verfolgen konnten, im kulturellen Bezugsrahmen Spaniens all jene Erinnerungsfiguren, welche die Geschichte in der Trägerschaft von Priestern, Lehrern, Künstlern, Schreibern und Gelehrten zu einer Offenbarung religiöser Begnadung werden ließen (Assmann 1997: 54) und eigentümlicherweise in der historischen Malerei des 19. Jahrhunderts wiederkehren (vgl. Diez 1992). Anders als beim kommunikativen Gedächtnis, an dem eine absehbare Zahl von Generationen im Rahmen eines die Gegenwart begleitenden Zeithorizonts partizipiert, ist sein kulturelles Pendant Inszenierung und Ritus zugleich. Was als seine Aktualisierung in der Geschichte zeidich noch situierbar ist, verliert sich beim Mythos selbst als „fundierende Geschichte, [...] die erzählt wird, um eine Gegenwart vom Ursprung zu erhellen" im Dunkel der Zeiten (Assmann 1997: 52). Ein Subjekt, das sich über Jahrtausende als Träger weit zurückliegender wie unmittelbar verronnener kollektiver Geschichten bestätigt, steht indes wie ein Mittler zwischen Immanenz und Transzendenz. Es ist die Figur des Königs, mit der echte und erfundene Vergangenheit sowie eine seit fernsten Simon sowohl wie im Discours préliminaire von d'Alembert, wird sie samt der Kunst zur produktiven Arbeit gerechnet, hat teil an der Idee der Entfesselung der Produktivkräfte; erst Comte, dessen Soziologie apologetisch-statisch sich umwendet, ist als Feind von Metaphysik auch der von Phantasie. Ihre Diffamierung, oder Abdrängung in einen arbeitsteiligen Spezialbereich, ist ein Urphänomen der Regression bürgerlichen Geistes, doch nicht als dessen vermeidbarer Fehler, sondern im Zug einer Fatalität, welche die instrumenteile Vernunft, deren die Gesellschaft bedarf, mit jenem Tabu verkoppelt. Dass nur verdinglicht: abstrakt der Realität gegenübergestellt, Phantasie überhaupt noch geduldet wird, lastet nicht weniger denn auf der Wissenschaft auf der Kunst; verzweifelt sucht die legitime die Hypothek zu tilgen."

Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

125

Tagen bestehende, aber sich auch stetig erneuernde Herrschaft ihre Legitimation erfährt. Dass diese dennoch zeitlos und von höchster Stelle beglaubigt erscheint, verleiht der regierenden Dynastie eine Aura der einzig denkbaren und fraglos berechtigten Befehlsgewalt. Als „greifbare Symbolfigur einer Herrschaft, die das patriarchalische Prinzip der Götterwelt in die menschliche Gesellschaft projiziert"

(Biedermann

1998: 2 4 0 ) , konkretisiert sich

die

abendländische D o m i n a n z des Seienden gegenüber dem Sein im Monarchen, im Souverän der Repräsentation, auf besonders augenfällige Weise. Ist jede menschliche Existenz ohnehin in das Geviert aus Erde, H i m m e l , Göttlichen und Sterblichen geworfen, so trifft dies in noch größerem Maße auf diesen Platzhalter Gottes auf Erden zu, als welcher der Monarch erscheint. Vorgeprägt ist dieses besondere Gnadenverhältnis durch einen biblischen Kontext, in dem K ö n i g wie G o t t geradezu als austauschbare Größen vorgestellt werden und die Grundlagen der Pastoralmacht abgeben: Als Hirt weidet der König das von Gott ihm anvertraute Volk (2Sm 52)• Er ist Wahrer göttlichen Rechtes auf Erden und hat sich der Armen und Rechtlosen anzunehmen (2Sm 14,7 l K g 2 2 fFPs 101). Der König ist Mittler zwischen Gott und Volk (2Sm 6 | 8 1 Kg 8 1 0 ff), zugleich hat er aber auch die im AT weit mehr hervortretende Funktion eines Repräsentanten des Volkes vor Gott inne ( l K g 8 2 gfF2Kg 2 3 , f f ) ( B H H 1964, 2: 978).

Auch in Spanien ist diese auserwählte Stellung des Monarchen hinlänglich vorgeprägt und dokumentiert. Die von Isidor von Sevilla und den Konzilien von Toledo erklärte Legitimationstheorie der Königsgewalt bestätigt eine ältere Doktrin, nach der die Herrschaft des Monarchen auf göttlichem Ursprung beruht. Diese Vorstellung hat auch in den folgenden Jahrhunderten Bestand als 'rex gratia Dei'-Formel, als Bild vom K ö n i g als H a u p t des Gemeinwesens, als Abbild der Beziehung Christi zu seinem mystischen Leib oder als Bild vom 'rex vicarius Dei', um den Untertanen „in weltlichen Angelegenheiten die Aufrechterhaltung von Gerechtigkeit und Wahrheit zu garantieren (Alfons X., Partidas II, 1, 5)." 3 5 Während die einzelne Person tief mit der Welt verwurzelt ist, strebt deren Ich dem Göttlichen zu, zu dessen Verwandtschaft sich der Monarch bekennt. Obwohl dieser das H a u p t einer so-

35 LMA (2000, 5: 1317-19). Vgl. Bums 2000: X-Xl. Aus diesem Grund unterliegt das Verhalten der zu Vorbildern aufgerufenen Monarchen bereits in den Siete Partidas einem strengen Reglement, das jede Bewegung des Körpers, jeden Verkehr mit Untergebenen, Tischmanieren und Bildungskanon aufs Genaueste kodifiziert. Nach diesen und ähnlichen Kriterien werden auch die Qualitäten der jeweiligen Herrscher in mittelalterlichen spanischen Porträts, wie etwa in den Crónicas de los reyes de Castilla von Pero López de Ayala (1332-1407), in den Generaciones y semblanzas von Fernán Pérez de Guzmán (1378?-1460) oder im Libro de los claros varones de Castilla von Hernando del Pulgar (1425M490?), beurteilt.

126

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

zialen Gemeinschaft ist, versinnbildlicht er nicht die unterschiedlichen Aspekte der Person. Allein dem König kommt es zu, das Symbol einer höheren geistigen Ordnung zu sein, wie dies von der zweiten Partida in einem Katalog mannigfacher Verpflichtungen akzentuiert wird (Titulo I-XI) (vgl. dazu auch Burns 2000). Seine Entsprechung findet das Ich also im geheiligten Souverän, „[pues] el primero unía y proporcionaba dirección al alma y al cuerpo, al tiempo que el segundo unificaba y dirigía la comunidad política" (Kléber Monod 2001: 33). Weiterhin steht der Monarch in Analogie zum Familienvater, da er wie dieser in seiner kleinen Welt eine Körperschaft im Großen bildet und die Verpflichtung übernimmt, die ihm anvertrauten Glieder, insbesondere die Schwachen, zu beschützen, deren Frieden zu verteidigen, für Gerechtigkeit einzutreten und Gehorsam gegenüber seinen Entscheidungen einzufordern. Dieser Diskurs erinnert den König im 17. Jahrhundert daran, dass er ein Amt zu verrichten habe, das seinem Charakter nach Pflicht und nicht Vergnügen sei. So bezeichnet der portugiesische Kommentator Diego Enríquez de Villegas in seiner Schrift El Principe en la Idea (1656) die Monarchen als „Padres de la Patria, defensores de la Justicia, protectores de la Piedad, [...] refugios de Menesterosos, delicias de los subditos" (zit. nach Feros 2004: 65). Theologische und damit ikonographische Grundlage dieser Erhöhung eines Sterblichen ist jene Fundamentalerzählung, die auch in der Geschichte der iberischen Halbinsel ihren spezifischen Platz hat (vgl. Buescu 1996). Schon in der zweiten Partida heißt es: Et naturalmente dixieron los sabios que el Rey es cabeza del Regno, ca assi como de la cabeza nascen los sentidos porque se mandan todos los miembros del cuerpo, bien assi por el mandamiento que nasce del Rey que es señor e cabeza de todos los del Reyno, se deven mandar e guiar e aver un acuerdo con el, para obedescerle e amparar e guardar e acrescentar el Reyno: onde el es alma e cabera e efios miembros (Partida II, tit. I, ley V, S. 7-8).

Diese Körpersymbolik steht in der Tradition der antiken Gottkönige, die allgemein an die abendländischen Monarchien weitergegeben wird und dabei eine kulturelle wie kommunikativ-zeitgeschichtliche Seite zugleich hat. Hatte man in Ägypten zwischen drei Funktionen des Pharao ('großes Haus', 'Palast', 'Hof') unterschieden, die göttliche (Herrschaft), die amtliche (Regierung) und die private (Mensch), kennt das Abendland nur die zwei Körper des Königs, den sterblichen und den ewigen des Amts. Die göttliche Seite wird dem christlichen Herrscher nicht zugesprochen, wohl aber eine, wenn auch begrenzt sakrale, so dass es zunächst zu einer strengeren Trennung von Palast und Kirche, Königtum und Priestertum kommt. Mit dem corpus mysticum wird diese Aufteilung von geistlicher und weltlicher Macht jedoch zu-

D i e katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

127

mindest relativiert. In Anlehnung an jene paradigmatische Studie von Kantorowicz (1981) über Friedrich II (1194-1250) sei diese Theorie in Grundzügen referiert, die seit dem frühen 14. Jahrhundert mit der Rivalität zwischen geistlicher und weltlicher Macht entsteht. Ausgangspunkt des corpus mysticum ist das Abendmahl, bei dem sich Brot und Wein in Fleisch und Blut Jesu verwandeln. Vor allem die Verklärung und Erhöhung jenes Leibes, der nach Leiden und Kreuzestod Christi zu einem neuen Leben aufbricht, setzt der im Namen des Erlösers versammelten Gemeinde ein unverbrüchliches Zeichen: Hochamt und Eucharistie sind gleichsam ein Eingedenken, das in der Präsenz des Herrn die Offenbarung seiner Wiederkehr feiert und die Gläubigen zu Gliedern eines einzigen unteilbaren Astralleibes macht. Es wäre jedoch ein Irrtum, die politische Tragweite des corpus mysticum allein diesen Momenten zuzuschreiben, zumal der Ausdruck nicht auf biblische Traditionen zurückgeht, sondern gerade auf deren Überschreitung beruht.36 Ein Bedeutungswandel tritt erst um die Mitte des 12. Jahrhundert ein, als sich der Streit zwischen Kirchenoberen und Sektierern auf die Natur der Transsubstantiation konzentriert und diese der Lehrmeinung nach nicht mystisch oder vergeistigt, sondern als Realpräsenz des Menschen- und Gottessohnes zu interpretieren ist, was sich auch in der Bezeichnung der geweihten Hostie als corpus verum, corpus naturale oder eben als corpus Christi niederschlägt (vgl. Kantorowicz 1981: 193-272). Der Ausdruck corpus mysticum geht nun von Bezeichnung der Hostie auf Ordnung und Organisation der Christenheit über, welche die Eucharistiefeier zusammenfuhrt. Die sakramentale Bedeutung passt sich im Wesentlichen soziologischen Begriffsinhalten an, um als mystischer Leib die gesamten Glieder der christlichen Glaubensgemeinschaft einzuschließen. In der allmählichen Trennung der sozialen Bedeutung von der sakramentalen lässt sich demnach auch die Abspaltung der weltlich-politischen von der geistlichen Macht ablesen, was freilich für 3 6 Derweil konnte der Begriff der Kirche als corpus Christi bereits in der Theologie des Paulus eine für die noch kleinen zersplitterten frühchristlichen Gemeinden einigende Wirkung entfalten, während corpus mysticum noch im frühen Mittelalter lediglich das Abendmahl bezeichnete, nicht aber die Korporation der Kirche oder die Einheit der christlichen Gesellschaft. Vgl. 1 Cor 12, 12 u. 27: „Sicut enim corpus unum et membra habet multa. O m n i a autem membra corporis cum sint multa unum corpus sunt." bzw. „Vos autem estis corpus Christi et membra de membro." Desgl. I Cor 6 , 1 5 u. 16: „Nescitis quoniam corpora vestra membra Christi sunt. Tollens ergo membra Christi faciam membra meretricis absit. An nescitis quoniam qui adheret meretrici unum corpus efficitur. Erunt enim inquit quo in carne una." Ebenso Eph. 4 , 4 : „Unum corpus et unus spiritus sicut vocati estis in una spe vocationis vestrae" sowie 4 , 1 6 : „Ex quo totum corpus compactum et conexum. Per omnem iuncturam subministrationis secundum operationem in mensuram uniuscuiusque membri. Augmentum corporis facit in aedificationem sui in caritate." Desgl. 4 , 2 5 und 5 , 3 0 sowie Col 2 , 1 9 : „Et non tenens caput ex quo totum corpus per nexus et coniunctiones subministratum et constructum crescit in augmentum Dei."

128

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

die Kirche nicht ohne Folgen bleiben konnte: Diese wandelt sich aus dem Körper Christi in eine Körperschaft Christi, die - und das ist freilich noch eine andere Frage — ihren Namensgeber (besonders im Zeitalter des Barock) um so strahlender inkarnieren muss, als seine Rückkehr auf Erden um so länger auf sich warten lässt und sich Glaubenszweifel unter den Gläubigen auszubreiten beginnen. In der Aneignung des corpus mysticum durch den Fürsten und die politische Übertragung der Doppelnatur Christi auf die Dynastie des weltlichen Herrschers wird nun der Disput zwischen Kaiser und Papst verständlich. Was dieser als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches für sich in Anspruch nimmt, ist die Möglichkeit, die Erde und die Völker des Reiches als Körper Gottes zu erfassen. Die Gestalt des Stauferkaisers darf in dieser Hinsicht als Paradigma für die Vereinigung von Diesseits und Jenseits betrachtet werden. Unter seiner Herrschaft erhält diese, wie Kantorowicz schreibt, eine ausgeprägt politisch-rechtliche Seite, [as] the king's ambivalent appearance was founded theologically on the tension between 'human nature and divine Grace'. And it was Grace which bestowed upon the individual man that super-body of which the anointed king as the living image. In the Law-centered era, however, and in the language of the jurists, the Prince no longer was 'god by grace' or the living image of Grace; he was the living image of Justice, and ex officio he was the personification of an Idea which likewise was both divine and human. The new duality of the Prince was founded on a legal philosophy which indeed was interspersed with theological thought; it was founded on the goddess of the religio iuris. [...] It was this double aspect of Justice, human and divine, which was mirrored by her imperial vicar on earth who, in his turn, was mainly through Iustitia also the vicar of God (ebd.: 140-141).

Nach der Rechtstheologie des Mittelalters besteht der Körper des Königs, von seiner sterblichen Seite abgesehen, zudem aus einem Element, das als leiblich-sichtbarer und dennoch souveräner Protagonist des Königtums die Zeiten überdauert. Diese christologische Doppelnatur des Monarchen wird von einer Ikonographie, einer politischen Theorie und juristischen Mechanismen begleitet, die den König in seiner Person und die höheren Amtspflichten der Krone gleichermaßen in eine Zwei- und Einheit fassen. So bildet sich ein Ritual, das in den festlichen Akten der Investitur, Leichenbegängnissen und Hofzeremoniellen seinen sichtbaren Ausdruck findet. Der Körper des Königs stellt seine Gegenwart nicht so sehr durch seine unmittelbare physische Präsenz her. Vielmehr ist es jene zeitlos anmutende Imagologie, welche die Einbildungskraft der Untertanen in Bann hält, indem sie Zeichen königlicher Herrschaft auf Gegenstände ihres Lebenskreises zu übertragen vermag. Es wäre daher verfehlt, die Ansprüche des Stauferkaisers allein der christlichen Dogmatik oder auch nur einer ausschließlich christologischen Ikonographie

D i e katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

129

zuzuschreiben. Wie sich zeigt, ist diese selbst tief imprägniert von der Tradition der römischen und byzantinischen Kaiser, der sich auch der Staufer verpflichtet weiß, wenn er die alte Figur des Priesterkönigs inkorporiert. Wie Kamper bemerkt, ist dessen Bildlichkeit „an Einzelheiten und Zusammenhängen" zwar dem historischen Vergessen anheim gefallen; doch kann im 20. Jahrhundert auf eine Fülle von Untersuchungen hingewiesen werden (vgl. von den Steinen 1965, Ziegler 1936 sowie Eisler 1910), die darin übereinkommen, dass der theomorphe Allmensch Weltordnung und menschlicher Heilsgeschichte einen bildlichen Ausdruck verleiht. 37 So rankt sich ein Bogen von Bildern von den indischen Gottheiten bis zu Jesus Christus, deren strukturelle Ähnlichkeit im unmerklichen Ubergang von numinoser Gestalt zur Gestaltung der Welt als universeller Körper besteht, d. h. in der Wechselbeziehung, die einerseits ein geistiges Prinzip in der menschlichen figura versinnbildlicht, diese andererseits aber in der glänzenden Aura des verklärten Leibes zeichnet. Das kulturelle Gedächtnis, dessen Figuren nach Assmann einen sakralen Sinn erkennen lassen, ist demnach tendenziell darauf gerichtet, den Platz der physisch absenten Gottheit zu inkorporieren. Auf diese Weise wird das Wort Fleisch, und aus der Entgötterung der Natur kann sich eine Subjektbildung vollziehen, die in der figura zunehmende Gestalt im Fortgang der Geschichte annimmt: Säkularisierte Begriffe wie Nation oder Menschheit, - letzterer geht als Terminus des philosophischen Idealismus auf die „Iglesia Universal" als „una proyección eclesiástica secularizada" zurück (Abellán 1989, 5/1: 82) - , ließen sich ohne diese Tendenz zur Visualisierung des Unsichtbaren, des deus absconditus, überhaupt nicht denken (vgl. dazu Maravall 1956). Doch sei hier nochmals bekräftigt, dass jene Formen eben auf Grund ihrer Gestalthaftigkeit und ihrer zunehmenden Bedürftigkeit von der Materie, auch das Dürftige der Zeit indizieren, der sie entstammen. Insofern sind im kulturellen Gedächtnis und der sich in ihm abbildenden Ikonographie auch jene ontotheologischen Voraussetzungen der Neuzeit festgehalten, die auf der Ge3 7 Vgl. Kamper (1981: 215-216): „In der ersten Hinsicht versammelt er die Ordnung der sieben Planeten und der zwölf Tierkreiszeichen auf sich, figuriert als Sonnenscheibe mit Flügeln, die in die Nacht der 'Mutter' eintaucht, um die Weisheit aus der Urwassertiefe zu holen, bildet die Fläche für die Anordnung des Tetramorph (der vier Wesen, die 'Symbole' der Evangelien sind) und den Garten für die vier Ströme des Paradieses, die Gegend für die vier Winde des Himmels, den Raum fiir die vier Elemente der Erde usf. In der zweiten Hinsicht ist er sowohl der »Erste Adam«, der vom Baum der Erkenntnis ißt, als auch der 'Zweite Adam', der am Baum des Kreuzes aufgeknöpft oder anderswo zerstückelt, den Tod und das Geschlecht (Erbstücke eines verkehrten Erkennens) überwindet; er ist der, der zuerst im Bilde erschaffen wurde, dann unscheinbarer Mensch geworden ist und schließlich am Himmel und als Richter der Lebendigen und der Toten wiederkehren wird [...]."

130

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

genständlichkeit und damit auf der Bildhaftigkeit der Welt beruhen (vgl. Heidegger 1994). Bildet sich das kulturelle Gedächtnis aus primären Organisationsformen, zu denen Ritus und Fest zählen, so sind diese in Leben und Tagwerk der Menschen verankert. Eingedenk von Norman Browns erotischsexueller Interpretation des göttlichen Körpers hat auch die theatralische Präsentation des Königs ihren Platz in der Alltagskultur. 38 In der Versinnbildlichung der Macht wechselt lediglich deren Inhaber, wobei das Prinzip aber unangetastet bleibt. Das kulturelle Gedächtnis bedarf seines kommunikativen Pendants wie die Hochsprache der Umgangssprache, der Alltag der Sonnund Feiertage: D a s kulturelle Gedächtnis erweitert oder ergänzt die Alltagswelt u m die andere D i m e n s i o n der Negationen und Potentialitäten und heilt a u f diese Weise die Verkürzungen, die d e m Dasein durch den Alltag widerfahren. D u r c h das kulturelle Gedächtnis gewinnt das menschliche Leben eine Zweidimensionalität oder Zweizeitigkeit, die sich durch alle Stadien der kulturellen Evolution erhält (Assmann

1997: 57). Mit der Tendenz zur Verleiblichung und Visualisierung des Verborgenen, die Assmann dem kulturellen Gedächtnis zuschreibt, „heftet sich [das kulturelle Bewusstsein] an Objektivationen, in denen der Sinn in feste Formen gebannt ist" und eine Metaphorik „des Flüssigen und des Festen vor Augen" fuhrt (ebd.: 58). Wenn es stimmt, dass „dem Dasein [...] gemäß einer zu ihm gehörigen Seinsart die Tendenz [inne wohnt], das eigene Sein aus dem Seienden her zu verstehen, zu dem es sich wesenhaft ständig und zunächst verhält, aus der 'Welt'" (Heidegger 1993: 15), so ist dieser Vorgang im kulturellen Gedächtnis selbst zu verorten. Personale Entitäten gewinnen hier gegenüber abstrakten und komplexen Geschehnissen an Boden wie auch gegenüber anonymen und fernen Institutionen, wie sich dies in einer Jahrhunderte währenden Entwicklung des spanischen Königtums zeigt.

3 8 Brown (1990: 131-132): „The body, like the body politic, is a theater; everything is symbolic, everything including the sexual act. The principal part is a public person taking the part of the community as the whole: persona publica totius communitatis gerens vicem. The function of the representative organ is to impersonate, incarnate, incorporate in his own body the body politic. Incorporation is the establishment of the theater (public); the body of spectators depend on the performance for their existence as one body."

Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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2 . 2 . 2 VON DER H E I L I G K E I T DER M O N A R C H I E ZUR H E I L I G K E I T DES MONARCHEN

Gegenüber diesen allgemeinen Einsichten in die Bedeutung des corpus mysticum für das kulturelle Gedächtnis bedarf es allerdings einiger Einschränkungen, die in Hinblick auf dessen spezifische Ausformungen in Spanien nicht unbeachtet bleiben dürfen. Das spanische Königtum differiert insofern von dem Frankreichs oder Englands, als es den Blick des Betrachters weniger auf die Singularität des christlichen Herrschers als auf jenes metaphysische Uber-Ich lenkt, das diesen erst mit so machtvollen Insignien ausstattet (vgl. Eire 2002). Noch akzentuierter erscheint der König hier seit Mittelalter und früher Neuzeit - auch nach dem Ende der Universalmonarchie und dem Beginn der monarquía hispánica mit der Investitur Philipp II (1556) - in einem ontotheologischen Rahmen, der seine Macht in dem höchsten Seienden Gottes verankert. Monarchie und Religion sind von der Macht einer Kirche durchdrungen, „[que] fue, a lo largo de toda la Edad Moderna - y buena parte de la contemporánea - , una organización sui generis, con una doble vinculación, al participar, por un lado, del carácter universal del catolicismo, y constituir, por otro, una rama de la administración de la monarquía hispánica" (Alvarez Junco 2003: 331-332). Man ist geneigt, sich in diesem Zusammenhang eine Metapher zu eigen zu machen, die Fernand Braudel einmal in Hinblick auf das Verhältnis von Ereignisgeschichte und langer Zeitdauer applizierte. Als Skala der Betrachtung bedeute die Option der letzteren Kategorie, „als Fluchtpunkt die Stelle Gottvaters zu wählen", die wie der mediterrane Raum „Beharrungsvermögen und majestätische Unbeweglichkeit" ausstrahle (Braudel 1990: 14). Greift man diesen Vergleich auf, um ihn in Bezug zu jener Diagnose zu setzen, die Blumenberg (1981: 47) über die Entwicklung des Bildes seit dem ausgehenden Mittelalter trifft, so erscheint die longue durée der katholischen Einheit Spaniens seit 1492 wie die Geschichte „einer unlösbaren Verklammerung von Urbild und Abbild", König und Gott, Vater und Sohn. Beispielhaft zeigt sich diese Bindung zwischen Immanenz und Transzendenz in jenem berühmten Fresko des italienischen Manieristen Luca Cambiaso (1527-85), welches das Deckengewölbe der Kirche im Palast des Escorial schmückt. Es zeigt eine Vision des Paradieses, in der Gottvater und Gottsohn „sentados sobre un arco iris, mientras que el Espíritu Santo vuela sobre ellos" (Taylor 2000: 15). Ihre Füße ruhen auf einem Stein in der Form eines Kubus, der nach den seinerzeit einflussreichen Vorstellungen des Ramón Llull die Erde darstellt und in diesem Sinne die Majestät des göttlichen Schöpfers zur Wirkung bringt. Zugleich zeichnet sich in den beiden Personen der Trinität, über denen die Taube schwebt, im Rahmen alter Überlieferun-

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gen auch die Beziehung zwischen dem Gott im Himmel und dem König auf Erden ab, „[pues] como vicario e imagen de Cristo el rey ha de estar sujeto a la ley" (Garcia-Pelayo 1959: 102). Die Eigenheiten des spanischen Königtums zu beschreiben, hieße demnach jene Beziehungen zu skizzieren, die den Monarchen im Rahmen des kommunikativen Gedächtnisses immer wieder mit seinem transzendenten Uber-Ich verbinden und das göttlichen Zeichen aktualisieren. Mehr als andere Imperien des Westens legitimiert sich das spanische durch eine höhere Sendung, das die Krone in ein besonderes Treueverhältnis zum Glauben stellt (Elliott 1989: 9), um den im Unsichtbaren wirkenden Gott abzubilden. Die verschiedenen Königreiche werden so vom Monarchen zusammen gehalten, damit sich dessen Souveränität in jedem seiner Besitztümer auf angemessene Weise darstellt (Parker 2000: 29). Die Dichte, die im Bund zwischen der Person des Königs und der Kirche verkörpert wird, ist stabilisierendes Element „in a politically and linguistically fragmented peninsula" (Eire 2002: 360). Doch obwohl das Signum des Heiligen für das spanische Königtum grundlegend ist, verfügt der König selbst nicht über jene therapeutischen Attribute, 39 die den Monarchen in Frankreich und England gegeben sind. So sind dem spanischen Herrscher keine Heilkräfte beschieden, wie dies die fremdländischen Reisenden in Montesquieus Lettres Persanes über Ludwig XIV., freilich in einem eher ironischen Duktus, zu berichten wissen.40 Auch sind die Krönungszeremonien seit 1379 schlichten Investituren gewichen, was zur Annahme berechtigt, dass das Königtum in Spanien derartiger Rituale nicht bedarf, weil dessen göttliche Abkunft als unabweislich gesichert gilt. Einer derartigen Legitimität, die sich fortan im Titel der katholischen Majestäten auf jeden erstgeborenen Erben übertragen soll, ist selbst eine Sprache der Symbole fremd, wie sie selbstverständlich in der Emblematik anderer Fürstenhäuser enthalten war: 39 Vgl. Bloch (1983: 155). Bloch weist auch daraufhin, dass es zwar aus Rivalität zum Roi le plus chrétien Frankreichs auch spanische Kommentatoren des 17. Jahrhunderts gab, die fur ihre Herren „le don de soulager les scrofuleux" reklamierten, „pour rehausser le prestige des Habsbourg d'Espagne." Doch seien es nicht zuletzt zahlreiche Spanier gewesen, die die Reise nach Frankreich unternahmen, um vom König berührt zu werden: „Le sang de France qui coulait dans ses veines fut sans doute son meilleur titre au rôle de guérisseur." Bloch kommt also zu dem Schluss „[que] comme en Castille, une croyance analogue à celle qui fleurit sur les deux rives de la Manche vécut pendant quelque temps, semble-t-il, d'une existence originale, il lui manqua la vigueur nécessaire pour donner naissance à une institution régulière et vraiment vivace." 40 Vgl. Montesquieu (1973: 91): „D'ailleurs, ce roi est un grand magicien: il exerce son empire sur l'esprit même de ses sujets; il les fait penser comme il veut. [...] Il va même jusqu'à leur faire croire qu'il les guérit de toutes sortes de mauy, en les touchant, tant est grande la puissance qu'il a sur les esprits."

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Where, as in Habsburg Spain, the supremacy of the king is taken granted, political imagery can be studiously understated, and there is no need to check out the ruler with elaborate allegorical trappings (Elliott 1989: 167).

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfugen die spanischen Könige weder über einen offiziellen Thron noch über Zepter und Krone, wiewohl diese Insignien der Macht im mittelalterlichen Kastilien als Symbole königlicher Würde zu sehen waren (vgl. Eire 2002: 366). Die Bestattungszeremonien gestalten sich ebenfalls bescheidener. Während in Frankreich und England Bildnisse der verstorbenen Monarchen bei vergleichbaren Ritualen mitgeführt werden, um so mit der persona ficta die dignitas des Monarchen darzustellen, hat sich eine ähnliche Tradition zu dieser Zeit in Spanien nicht herausgebildet. Zudem steht dem König die dignitas nicht ohne jede Einschränkung zu: A

tyrano (tyrant), a reyyndoto

(an unskilled or unlearned king), or a

reyynabil

(an

inept king) could risk deposition and plunge the realm into conflict (Eire 2 0 0 2 : 358).

Mit der Expansion Spaniens und seiner Teilhabe an der Universalmonarchie der Habsburger ist der König dazu berufen, die disparate Struktur seines transkontinentalen Imperiums in seiner Person zu kompensieren (Elliott 1985: 152). Wie sehr die Universalmonarchie das kulturell-religiöse Gedächtnis stimuliert haben muss, indem sie die römische Pontifexgestalt (im folgenden Beispiel auch im Eingedenken an Karl den Großen) zum Abbild des Schöpfergottes macht, lässt die erste Strophe eines bekannten Gedichtes erahnen, das Hernando de Acuña (1518?-1580?) Karl V. zueignet: Invictísimo César, cuyo nombre/ el del antiguo Cario ha renovado,/ al sonido de cual tiemble y se asombre/ la tierra, el mar, y todo lo creado,/ en quien R o m a su imperio y gran renombre/ conoce más que nunca sublimado, y do el dichoso siglo que os alcanza/ pone primera y última esperanza (Rosales/Vivanco 1940: 43). 4 '

In einem nicht weniger berühmten Sonett, das der Autor ebenfalls dem Kaiser widmet, ist unschwer jene ontotheologische Dichte abzulesen, in der das gesamte Sein der Obhut eines Hirten unterworfen wird, um zu einer Einheit zu verschmelzen: Ya se acerca, Señor, o ya es llegada/ la edad gloriosa en que proclama el cielo/ un

Pastor y una Grey sola en el suelo! por suerte a vuestros tiempos reservada.// Ya tan alto principio en tal jornada/ os muestra el fin de vuestro santo celo/ y anuncia al mundo, para más consuelo, /

un Monarca, un Imperio, y una Espada.ll Ya el orbe

4 1 Wir zitieren hier bewusst aus einer Ausgabe, die zu Beginn der nationalkatholischen Ära erschienen war.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' de la tierra siente en parte/ y espera en todo vuestra Monarquía,/ conquistado por vos en justa guerra.// Que, a quien ha dado Cristo su estandarte,/ dará el segundo, más dichoso día/ en que, vencido el mar,/ venza la mar (ebd. 1940: 44, Hervorhebungen vom Herausgeber; vgl. Rivers 1981: 108-109).

Jene vermutlich nach der Schlacht von Mühlberg (1547) entstandenen Verse, wie sie für die ansehnliche apologetische Literatur jener Zeit typisch sind, 42 bekräftigen den Anspruch eines cäsarischen miles christianus, der auch in Tizians Portrait Karls V. (1548) lebendig wird und als neuer Augustus für die Nachfahren des Kaisers zum Vorbild werden soll. Die enge Bindung an Gott führt zu der Vorstellung, dass Siege bzw. Niederlagen der Könige auch Aufschluss über ihre innere Gesinnung geben. Der überhöhte Status des Königs kann somit auch in einem bedenklichen Licht erscheinen, so dass spanische Moralisten vor jenen Herrschern warnen, die sich über das Reich Gottes stellen und die Rechte der Kirche antasten (Varela 1983: 72f). Da es das Ziel des Monarchen zu sein habe, sein irdisches Imperium dem himmlischen Reich näherzubringen, „d'inciter ses sujets ä la vertu" (Maravall 1955: 191), müsse er es auch sein, der sein eigenes Heil angesichts einer nach politischen Interessen ausgerichteten Staatskunst zu keiner Zeit aus den Augen verliere: Seine Tugend und Lauterkeit, „comme miroir (Saavedra Fajardo) ou comme ideal de ses sujets (Mendo)" (ebd.: 192), haben über jeden Zweifel erhaben zu sein, wie Theologen des 17. Jahrhunderts, so etwa Saavedra Fajardo in seiner Idea de un príncipe político-cristiano representada en cien empresas (1640), nicht müde werden zu betonen (ebd.: 187-220 bzw. Abellán 1981, 3: 76-87). Die theomorphe, nicht aber göttliche Natur des Monarchen muss auch in dessen Majestät einen angemessenen Ausdruck finden, wie der Historiker Juan de Mariana (1536-1624) schreibt: El Principe está colocado en la cumbre de las sociedades para que aparezca como una especie de deidad, como un héroe bajado del cielo, superior a la naturaleza de los demás morales. Para aumentar su majestad y concillarse al respecto de sus subditos está casi siempre rodeado de lujo y aparato, contribuyendo no poco a deslumhrar los ojos del pueblo y acontenerle en el círculo de los deberes sociales: por una parte, sus vestidos de púrpura bordados de oro y pedrería, por otra, la soberbia estructura de su palacio y, por otra, el gran número de sus cortesanos y de sus guardias [...] (Mariana 1950: 505).

4 2 Vgl. Neuschäfer (1997: 70). Aufschluss für diesen Stil mögen auch die als Muster dienenden Biographien von zehn römischen Kaisern, die Década de Césares (1539) von Antonio de Guevara (1480-1545) sein, boten diese doch das Modell einer „monarquía del mundo", der der „sacra, cesárea, cathólica magestad del emperador y rey nuestro señor" nachzueifern verstand.

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Der Aufwand an äußerer Repräsentation korrespondiert mit einer inneren Würde und Vornehmheit des Monarchen, [con] el esplendor y brillo de todas las virtudes, tales como la prudencia, la justicia, la fortaleza y la templanza, como también el que dan las letras y el cultivo del ingenio, con los cuales se concilla también mucho la veneración de los ciudadanos (ebd.). Auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Hause Habsburg kann sich die monarquía española noch im 16. und 17. Jahrhundert in einer beispiellosen Universalität wiedererkennen, deren hohes Bauwerk nachgerade auf der katholischen Religion und der Ehre Gottes beruht. Gegenüber der kastilischen Monarchie des Mittelalters hat sich jedoch ein Bruch vollzogen, der auch in Hinblick auf die Präsenz und Abwesenheit des Göttlichen von nachhaltiger Bedeutung sein wird. In der historischen Rückschau zeigt sich nämlich, dass die „unsacred monarchy" (vgl. Ruiz 1985) auf einer Selbstbescheidung des Herrschers beruht, der anders als die englischen oder französischen Könige nicht so sehr auf die Heiligkeit der eigenen Person bedacht ist als vielmehr auf das Gottesgnadentum der Monarchie. Nicht die Personalisierung der Herrschers wird angestrebt, der immerhin vor Schöpfer und Schöpfung fehlen kann, sondern der Fixpunkt ist eine Ordnung, deren Gesetze und Institutionen von Gott kommen. Denn Gott selbst ist Souverän, er selbst ist Person und damit auch personale Referenz, die der weltliche Herrscher nicht ausfüllen kann. Der Projektionsrahmen ist das Göttliche, das stets präsent ist und dessen Geist sich im besten Sinne in den besonnenen Entscheidungen eines guten und weisen Herrschers mitzuteilen, nicht aber zu verkörpern vermag. Da die Ewigkeit ( aeternitas ) Gott allein gehört, der Mensch bis zu seinem Tod aber an die irdische Zeit ( tempus ) gebunden ist (vgl. Kantorowicz 1981: 279-281), besitzt dieser auch nur einen sterblichen Körper (Ruiz 1985: 131). Nicht auf Grund ihrer Stellung sind die Könige Heilige, allenfalls als Individuen, die auf Grund herausragender Taten zu Märtyrern oder Helden aufsteigen (vgl. Eire 2002: 361), wie dies etwa theatralisch inszeniert in Calderóns El Príncipe constante (1636) geschieht. Auch ihre Herrschaft bedarf keiner Mystifizierung, ,,[as] without myths, the monarchy used and still uses temporal symbols, and they were strengthened through centuries, while paradoxically in such a Catholic country the royal sacral elements tended to disappear" (Ruiz 1985: 128). Allein der göttlichen Gnade verdanken die Könige ihre Macht, die ihnen entzogen wird, sobald sie ihren Pflichten als „fiel instrumento de Dios y de la Iglesia" nicht nachkommen und sich gar als Tyrannen erweisen (vgl. Kléber Monod 2001: 72). Dennoch sei hier angemerkt, dass die Engel den Monarchen eine bevorzugte Stellung einräumen, da sie der

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Kontinuität ihrer Dynastien einen gesonderten Zeitbegriff (aevus) stiften (vgl. Harlizius-Klück 1 9 9 5 : 8 3 f f ) . Gegenüber den aufgeklärten Monarchien, wie sie besonders von Ludwig XIV. vertreten werden, sind demnach signifikante Unterschiede zu konstatieren. D e n n diese inkorporieren das Göttliche, das wie in der Inszenierung des Sonnenkönigs in paganen Gottheiten, besonders in einem zweiten Apoll erscheint und dabei in Analogie zur Sprache der christlichen Sakramente ('Dies ist mein Leib') eigene Gnadenmittel hervorbringt, „[as] his natural body offers itself for visual consumption in a political sacrament o f monarchical power as illuminating, but also blinding, radiance" (Franko 1 9 9 8 : 7 9 ) . Anders als bei den Habsburgern scheint die Sakralisierung der M a c h t in der Person des Königs zur Staatsräson zu gehören, wie es bekannte Motti, car c'est notre bon plaisir' oder auch 'L'État c'est moi' besagen, „a policy which was continued by the Spanish branch o f the line" (Pattison/Blaznik 1 9 7 1 : 2 6 9 ) . D e n n o c h erscheint es geraten, diese Differenz zumindest insoweit zu relativieren, als auch der spanische König bereits Mitte des 17. Jahrhunderts, also vor dem Machtantritt der Bourbonen, „als Souverän der Repräsentation zur zentralen Figur wurde" und „die königliche Souveränität fest mit der dynastischen Kontinuität verknüpft ist" (Harlizius-Klück 1 9 9 5 : 8 3 bzw. 8 6 ) . Jesuiten wie Pedro de Ribadeneyra ( 1 5 2 6 - 1 6 1 1 ) 4 3 und Juan Eusebio Nieremberg ( 1 5 9 5 - 1 6 5 8 ) sowie der Jurist Juan de Solórzano Pereira ( 1 6 0 6 - 1 6 8 2 ) legitimieren die Rolle der Monarchen mit dem neoplatonischen Konzept göttlicher Emanationen, „used as an archetype to explain the mechanism by which power and legitimacy descended through G o d to the king, who then diffused this divine inspiration by the way o f royal justice and patronage throughout society." Aus dieser Sicht ist Carlos Eire ( 1 9 9 9 : 3 6 1 ) zuzustimmen, dass eine Sakralität des Königs auch außerhalb der bekannten französischen wie englischen Modelle denkbar ist und die spanische Monarchie folglich „a sacred character and a rich mythology o f kingship" aufweisen kann. Dass sich die Habsburger ohnehin einer göttlichen Sendung verpflichtet fühlen und als Dynastie selbst eine sakrale Bestimmung für sich in Anspruch nehmen (vgl. Truxillo 2 0 0 1 ) , ist bekannt. M i t dem Ableben Philipps II. ( 1 5 9 8 ) und einem reich zelebrierten Totenkult „with the promotion o f the myth o f the 'good death'" (Eire 2 0 0 2 : 1 0 2 ) strömt die Heiligkeit der königli-

43 Vgl. Ribadeneyra (1952: 458), der dem König implizit zwei Körper, einen privaten und als Haupt seines Reiches einen amtlichen, unterstellt: „Ante todas las cosas, entienda (el principe) que las honras y riquezas que posee son más de la república que no propias suyas, y que no las debe repartir por su antojo y afición [...] porque, como el príncipe y su república, el rey y el reino hacen un cuerpo; todo el servicio que se hace al Rey, como señor y cabeza del reino, redunda en pro del mismo reino, y todo el bien del reino, como de su cuerpo, es del Rey [...)."

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chen Institutionen auch auf Person und Körper des Königs über (Eire 2 0 0 2 : 2 5 5 - 3 6 8 ) . Doch schon zu seinen Lebzeiten hatte dieser Monarch Spanien in eine monastische Einrichtung verwandelt, „en la cual, sumisa y reglamente, todos se prepararan para ascender al cielo, presididos por la menuda y rigurosa vigilancia de su senor" (Castro 1984: 6 1 4 ) . Insofern liegt es nahe, auch dem weltlichen Haupt einer derartig umfassenden Institution eine göttliche Seite zuzusprechen, so dass der König selbst als heiliger Engel des Himmels gerühmt wird und sich die Ehrerbietung der Untertanen an die Heiligkeit seiner Majestät richtet (vgl. Eire 2 0 0 2 : 3 6 0 ) . M i t den Bourbonen ändert sich die Stellung der Monarchen in Spanien insoweit, als diese eine ähnliche Autonomie gegenüber dem numinosen Archetypus für sich in Anspruch nehmen wie im französischen Gottesgnadentum (vgl. Pattison/Bleznick 1971: 2 6 9 bzw. Burke 1992). Der aufgeklärte Herrscher verabschiedet sich von der Tradition der Priesterkönige. Er trennt sich von der einstigen Quelle seiner Autorität, „regardless o f how devout individual rulers were, or how much Bourbon prelates maintained the Gallican ideology o f the divine right o f kings" (vgl. Truxillo 2 0 0 1 : 102). Dennoch setzt sich das theomorphe Erbe der universalen katholischen Monarchie in der zur Göttlichkeit berufenen Natur ihrer Monarchen mit umso größerem Glanz fort, wenn auch mit umso geringeren ontologischen Gewissheiten. Es wäre daher abwegig, wenn man im Projekt der Aufklärung eine unmittelbare Gefährdung königlicher Macht vermuten wollte, die auch im 18. Jahrhundert unvermindert fortbestand. Gerade zu diesem Zeitpunkt lässt sich absehen, dass sich zwischen Gegenreformation und Aufklärung ein fließender Ubergang vollzieht. Dabei verschieben sich lediglich die Gewichte hinsichtlich der Repräsentation der gesellschaftlichen Wirklichkeit, 4 4 so dass der König auch weiterhin als Bild Gottes auf Erden angesehen wird (Brading 2 0 0 4 : 4 8 3 ) . Der Platzhalter der Repräsentation, der Monarch als Ikone der Macht, bleibt von diesen Veränderungen unberührt:

4 4 Vgl. Alvarez-Uria/Varela ( 1 9 9 1 : 8 7 - 8 8 ) . Der „proyecto teológico político", der mit „misiones, predicaciones, autos de fe, caza de brujas, culto de santos, promoción de sacramentos, ceremonias, liturgias y reliquias" einschloss, wurde durch ein neues ersetzt, das im Prinzip zwar nicht auf eine politische Theologie verzichtete, diese jedoch im Namen von Nützlichkeitsmaximen, der effizienten Verwaltung und Ausschöpfung von Reichtümern sowie des öffentlichen Wohls zuordnete. Die Autoren machen darauf aufmerksam, dass man dem Mythos der „clásica representación de las dos Españas" unterliege, wollte man auf der einen Seite „la religión, la mística, el arte y la guerra" und auf der anderen „la Ilustración, las academias y la ciencia" setzen: „En ambos casos la cultura dominante es identificada con la verdadera cultura, es decir, con una cultura culta o superior que niega la coherencia de las representaciones de las formas de vida de las clasees sociales antagónicas."

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' Se trata más bien de un retorno al agustinismo político, aunque invertido, por el que el Estado y la salvación coinciden. [...] El brillo de las Luces, el esplendor ilustrado, encuentra sus condiciones de posibilidad en un autoritarismo político y en un dirigismo ideológico (Alvarez-Uria/Varela 1 9 9 1 : 9 3 - 9 4 ) .

Obwohl der bourbonische Regalismus des 18. Jahrhunderts das Kräfteverhältnis zwischen Krone und Altar eindeutig zugunsten der ersten Machtinstanz verschiebt, kann daher auch der aufgeklärte Monarch an dieser „tradición firmemente arraigada en España" anknüpfen (Portero 1978: 83). Denn der spanische Absolutismus bewegt sich mit der politischen Theologie des Paulus, den Schriften des Augustinus und des Thomas von Aquin zumindest in jenen Koordinaten, die den christlichen Machtdiskurs seit jeher bestimmt hatten (vgl. HWP 1974, 3: 148-150). Es lässt sich feststellen, dass der Monarch mit den aus den Regalien abgeleiteten Rechten, eine außergewöhnliche Stellung vor Gott und den Menschen einnimmt, was die religiöse Mittlerrolle der Kirche zunehmend in den Hintergrund drängt und sie in den Status einer staatlichen Institution rückt: „Tan grande es el poder del Rey", schreibt Melchior Rafael de Macanaz, der für seine regalistische Politik von der Inquisition verfolgte Minister Philipps V., „que todas las cosas y todos los derechos tiene sobre sí, y su poder no lo ha recibido de los hombres sino de Dios" (zit. nach Varela/Álvarez-Uria 1991: 93). Dabei sei hier nochmals auf die Untersuchung von Kléber Monod (2001: 371) verwiesen, die in der Sakralität des aufgeklärten Herrschers „una manifestación de la popularidad, no de Dios" erkennt und damit auch die Differenz zur Politik der Habsburger benennt. Selbst die kirchliche Hierarchie stimmt in die „exaltación de la figura del rey" ein, wobei diesem, wie im Fall Karls III. ersichtlich, das Attribut eines „monarca santo" zuteil wird, so dass sich dessen Leben selbst Priestern und Mönchen zum Vorbild anbietet (Aranguren 1981: 28). Auf den Kanzeln wird eine Rhetorik entfaltet, die den absoluten Souverän mit jener geheimnisvollen, den gesamten Kosmos beherrschenden Macht in Beziehung stellt. Das 18. Jahrhundert bezeichnet indessen eine erste Krise dieser Einheit, die durch einen fließenden Ubergang von inner- und außerweltlichem Glauben die bislang gemeinsame raison d'être von Staat und Kirche zu sein scheint. Das Ende des Hauses Habsburg hatte in Spanien einen vom Gottesgnadentum getragenen konfessionellen Absolutismus hervorgebracht, der die Einflussnahme Roms ebenso in die Schranken weist wie er die kirchliche Hierarchie noch weiter den Interessen des Staates unterzuordnen sucht. Nun haben sich die religiösen Riten und Zeremonien barocker Ornamente zu entledigen und die

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Kirche in den Dienst rationalistischer Bildung zu stellen. 45 Der weitaus größte Teil dieses Reichtums wird einerseits für den „esplendor del culto", fur den Bau von Gotteshäusern und deren Interieurs, aufgewandt, der sich merkwürdig von der Tatsache abhebt, dass die Bourbonen die Quelle dieser Güter, das spanische Amerika, in den Worten des argentinischen Nationalisten Federico Ibarguren „into an underdeveloped colony, into an immense factory with no soul" verwandelten (zit. nach Rock 1995: 13). Andererseits ist auch der Wohltätigkeit ein nicht geringer Teil vorbehalten, die seit 1750 „niveles sin precedentes" erreicht (Callahan 1989: 49). In der Person des Monarchen, „[que] presenta la autoridad y la persona de Dios" (Alvarado 1811, zit. nach Portero 1978: 85), ist die menschliche Geschichte ganz von der göttlichen Vorsehung erfüllt. Dem König kommt auch weiterhin eine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen zu, wie die immer wieder bemühte Körpermetaphorik besagt: C o m o Soberano a quien Dios ha constituido cabeza y suprema potestad en este gran cuerpo del Universo, comunica sus amorosos rayos, no tanto a los miembros de la República en particular, qüanto a la vida común de todo el cuerpo. El bien público es el bien del Monarca y en él está librada la felicidad de los individuos del Estado (Peraleda 1789: 7).

Wenn die Monarchen den König der Könige auf Erden vertreten, muss sich die Beleidigung ihrer Majestät wie Gotteslästerung ausnehmen. Der Atheismus wird daher gleichsam als Feind jenes Weltenthrones angesehen (Santander 1813, 1: 67, zit. nach Portero 1978: 87), in dessen Abglanz die irdischen Herrschersitze erstrahlen und sich besonders der spanische als verlässlichstes Fundament des katholischen Glaubens erweist. Der Gehorsam gegenüber dem Monarchen ist demnach ebenso religiöse Pflicht wie die Einhaltung christlicher Gebote: [...] la religion es el más fuerte vínculo de la sociedad: las leyes que de ésta emanan, por aquella reciben su principal sanción. El trono se sostiene por su virtud: en la observancia de los preceptos religiosos, está vinculada la garantía más segura de todo poder, y en sus promesas se fixan exclusivamente las dignas recompensas del ciudadano, los premios justos a su honradez, y todo qüanto le puede consolar en medio de los peligros que arrostra por conservar los intereses de su patria y de su religión, que son una misma cosa con los bienes de su particular propiedad (Vélez 1813: 6, zit. nach: Portero 1978: 87).

4 5 Varela/Alvarez-Uria ( 1 9 9 1 : 107ff.). In diesem Sinn nahm sich die spanische Aufklärung auch nicht die antireligiösen Affekte der französischen lumières zum Vorbild, sondern fand in den Reihen der hohen Geistlichkeit selbst viele Anhänger, die die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und sozialen Reform zu erkennen glaubten.

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Unter diesen Voraussetzungen nimmt es nicht wunder, dass sich die Achtung der Untertanen vor der Autorität des Monarchen einer umfassenderen Theorie zuordnet, welche die Unterwerfung unter eine auf Gott zurückgehende und von ihm geheiligte Autorität zum allgemeinen Grundsatz erhebt. Wieder bemühen noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts (vermutlich vor dem Eindruck der liberalen Cortes von Cádiz) religiöse Quellen die Theologie des Paulus, um diesem Prinzip den Status eines unveränderlichen Naturgesetzes zu verleihen.46 Diese von Gehorsam und Unterwerfung bestimmten Beziehungsstrukturen durchziehen die gesamte gesellschaftliche Pyramide, von der heiligen bis zur irdischen Familie. Die prominente Stellung, die der Fürst einnimmt, beruht ihrem Wesen nach daher auf diesen vertikalen Ordnungsprinzipien. Sieht der Untertan mit seinen Augen den Thron des irdischen Herrschers, so erschaut seine Seele die Gottheit, die diesen selbst mit einer starken Leitung betraut hat. Jene Subordination, die er dem Familienoberhaupt als seinem Erzeuger schuldet, steht umso mehr dem Landesvater zu, an dessen mystischem Leib er wie alle Untertanen teilhat. Wenn er sich in der Anbetung dieser Vaterschaften mit noch größerem Recht dem Ewigen Vater unterwirft, ist dieser Gehorsam keineswegs nur bloße Konvention, die eines inneren Bekenntnisses entbehren könnte. Der absolute Herrscher wird, wie Portero (1978: 92f) in seiner Arbeit auf Grundlage zahlreicher Quellen betont, in der Gestalt Ferdinands VII. (1784-1833) nachgerade zum Objekt religiöser Verehrung seitens seiner rechtgläubigen Untertanen. Noch im Niedergang des Königtums, das zumal unter Isabella II. und in der Revolution von 1868 seine tiefsten Krisen erfährt, erhält das allmähliche Verdämmern des katholischen Staatskultes eine spezifisch sakrale Sprache. In der zögerlichen, aber doch allmählichen Übertragung des Göttlichen von der Souveränität des deus absconditus auf einen weltlichen Souverän lässt sich eine Bewegung ablesen, die sich, wie weiter oben beschrieben, aus der ontotheologischen Fassung der Metaphysik als Subjektphilosophie ergibt.

4 6 Vgl. Santander ( 1 8 1 3 , 1: 50) zit. nach: Portero ( 1 9 7 8 : 8 8 ) : „El grande apóstol San Pablo nos intima a todos a la obediencia que debemos a las potestades superiores, qüando dice: O m nis anima potestatibus sublimioribus, subdita sit; en las qüales palabras, no sólo se incluye la obediencia que la criatura debe a su Criador, sino también la que debemos a los superiores eclesiásticos, políticos y domésticos; porque como no hay potestad que no venga de Dios, cosa clara es que resistir a la potestad es resistir a la ordenación de Dios. Por tanto todo español debe prestar a las leyes civiles la obediencia más pronta y más universal, enseñándola así a sus hijos, a sus criados, a sus vecinos y a los demás conciudadanos, y que amen al Rey, le respeten, obedezcan, paguen los justos tributos que se imposen para cubrir las deudas de una nación, legítimamente contraídas, enseñando a todos que ésta es la obligación más sagrada de todo ciudadano, de la que nadie puede dispensarse, no sólo por el miedo a la espada, que no sin causa ciñen los reyes, sino por principios de Religión y obligación de conciencia."

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Die unwiderstehliche Tendenz abstrakte Vorgänge in der menschlichen figura zu verkörpern, findet ihre historische Bestätigung in der Vergöttlichung eines Monarchen, die gegenläufige bzw. anderslautende Rechtsauffassungen wie die im westgotischen Fuero juzgo oder in den Siete Partidas niedergelegten allmählich unterlaufen und in das kulturelle Gedächtnis eindringen.47 Wenn sich das schier Unverfügbare in der Person des herrschenden Souveräns verdichtet, wird es zu einer disponiblen Größe. Dem Wechselspiel zwischen den Konstellationen der vier Elemente, Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen, in das der Mensch mit unbekanntem Ausgang geworfen ist, wird im Zuge einer „détermination de l'être comme présence" (Derrida 1967: 412) seine potenzielle Offenheit genommen und verfestigt sich in einer unverrückbar anmutenden Ontologie. Es steht zu vermuten, dass sich damit auch der Spielraum der spanischen Mystik im ausgehenden 16. und vor allem 17. Jahrhundert beträchtlich einengen muss. Eine Sprache, die sich unterfängt, gerade das Unfassbare und somit Unaussprechliche Gottes in einer negativen Theologie zu artikulieren, verträgt sich nur widerwillig mit approbierten Aussagen. Eine poetische Gotteserfahrung wie die des Juan de la Cruz, die das Numinose in seiner Abwesenheit, en la nada, wahrnimmt (Nicolas 1996: 60-61), muss letztlich einer ritualisierten Rede über das Göttliche weichen und wird jenseits der kanonisierten Bildlichkeiten vor allem in der Subjektivität der europäischen Moderne, in der von Foucault (1986: 17) zitierten „absence scintillante des dieux" wieder neue Ausdrucksformen finden. Im Verhältnis zum Sein wird das Seiende stets als dessen Begründung {causa sui) herangezogen, so dass das Schicksal in einem personalen Gott eine erreichbare Referenz erhält. Erschüttert dieser Zusammenhang schon bei den Aufklärern den Glauben an die Gerechtigkeit, Güte und Weisheit Gottes gegenüber dem Bösen in der Welt (Theodizee), so muss dessen Verkörperung in Alleinherrschern nur umso heftigere Angriffe auf sich lenken.48 Die Ironie der Geschichte besteht gerade darin, dass „die Säkularisierung der puissance royale zu einer völlig innerweltlichen Souveränität [...] historisch als das Gegenteil des eigentlich Beabsichtigten erscheint, nämlich als 'perverser Effekt' des von der Kirche beanspruchten Monopols auf das Heilige' (Marranao 1994: 27). Die zunehmende Sakralisierung des Monarchen, wie sie mit dem letzten 4 7 Letztlich ist diesen juristischen Fixierungen diese Tendenz schon von Anfang an inhärent, wenn Ruiz (1985: 130) seine Aussage einschränkt: „Finally, the law (...) opposed the idea o f sacral kingship, even if these codes admitted that God chose the King." 4 8 Gerade da, wo Gesellschafts- und Religionskritik miteinander verschmelzen, kommt der Abscheu der Aufklärung vor spanischen Monarchen wie Philipp II. am unmittelbarsten zum Ausdruck, wie etwa bei Voltaire oder Sébastien Mercier (Les crimes de Philippe II, Roi d'Espagne. Paris 1791).

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absolutistischen Herrscher in Spanien im 19. Jahrhundert, „mediante la aplicación al rey de calificativos reservados a Dios", als Krisenerscheinung ihren Endpunkt erreicht (Portero 1978: 89), lässt bereits die ideologischen Dualismen der Restaurationsepoche erahnen, die den Diskurs über das Göttliche ideologisch radikalisieren und in seinem Wesen zumeist gar nicht zu erfassen vermögen. Indem die Repräsentation des Göttlichen zu einer Präsentation des Göttlichen selbst gerät und damit freilich nur einer inneren Logik der Ontotheologie gehorcht, wird auch eine vormals dem Himmelsfürsten zugedachte Souveränität zu einer Kategorie, die dem einzelnen Monarchen zugänglich ist. Das Numinose, das sich der Erde und den Sterblichen entwindet, wird in der Person des Monarchen zur Darstellung gebracht. Doch diese Anwesenheit wird aus einer späteren Perspektive keine andere als eine trügerische sein können, werden „Götzendiener und Götzen" [doch] gerade gebraucht, wo „Götter auf der Flucht sind und so ihre Nähe künden" (Heidegger 2003, 65: 435). Erhält das Göttliche im Monarchen menschliche Prägnanz, so um den Preis, dass es in diesem Akt zugleich auch auf eine menschliche Dimension reduziert wird. Obschon das Numinose gemäß der spanischen Tradition im 16. und 17. Jahrhundert nicht vom weltlichen Herrscher inkorporiert wird und die Ökonomie der Rituale — anders als im französischen Absolutismus — im Wesentlichen innerhalb des christlichen Sinnhorizontes verbleibt, teilt es sich dennoch in den Selbstinszenierungen der Habsburger mit. Die Verdoppelung des Monarchen in einem physisch-privaten und amtlich-transzendenten Körper reagiert, wie in Traktaten spanischer Rechtstheoretiker, etwa El concejo y consejeros del principe (1559) von Fradique Furió Ceriol (1532-1592), allenthalben postuliert (Furió Ceriol 1952: 95), auf die Notwendigkeit, die Vielfalt und Dispersion der verschiedenen Reiche dies- und jenseits des Atlantiks, „united only in their adherence to a common faith and their allegiance to a common king", (Elliott 1985: 154) in einer gemeinsamen Transzendenz zu verdichten. Zur Projektionsfläche einer sichtbaren Souveränität geworden, repräsentiert der König zudem jenen verborgenen Souverän, der die Grenzen der Erfahrung und des sinnlich Wahrnehmbaren überschreitet. Zwar bleibt eine personalgebundene Sakralität in der spanischen Monarchie problematisch, da der König lediglich als „un ser humano común" von Gott gewogen wird (Kleber Monod 2001: 171). Dem ungeachtet geht der Dualismus des Sichtbaren und des Verborgenen, der sich auf dem Verhältnis von Schöpfergott und Menschensohn, Altem und Neuem Testament, Juden- und Christentum gründet, aus unserer Sicht auch in die Selbstinszenierung und Repräsentation des Herrschers ein, wie sie wahrscheinlich für Spanien bei Philipp II. und seinen Nachfolgern zum Modell werden soll. In diesem Wechselspiel des Göttlichen zwischen

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Anwesenheit und Entzug, so unsere Hypothese, bewährt sich seinerzeit eine Zeiterfahrung, in der sich konträr zu jener im ausgehenden 19. Jahrhundert noch die Allgegenwart Gottes abzubilden scheint. 49 Im Folgenden wird es uns nicht darum gehen, den König allein als „l'archetype de la perfection humaine" (Chevalier/Gheerbrant 1982: 821) zu beschreiben. Es gilt ihn auch in der Repräsentation des Numinosen zu fassen, und zwar soweit es in seinen anschaulichen Attributen und in seinem verhüllten Dasein wahrgenommen wird. Dennoch soll sich zeigen, dass der Monarch auf wenigstens zwei Ebenen höchst unterschiedlich in Szene gesetzt wird: Auf der einen Seite wird sich der König mit dem Mythos eines rey encubierto umgeben, der sich eng an die biblische Überlieferung vom deus absconditus anschließt und in seinen Anfängen auf messianisch-eschatologische Vorstellungen des 15. Jahrhunderts zurückweisen (vgl. MacKay/MacPherson 1998: 177-178). Als konstitutive Theaterfigur in zumeist publikumswirksamen comedias tritt der König jedoch ganz als Bewahrer und Gestalter seines Reiches auf, der seinem Volk einen stets zugänglichen Souverän und gerechten Richter vorzuspielen hat. In diesem Zusammenwirken gegenläufiger Bilder, in denen sich der rex absconditus ebenso zu erkennen gibt wie der rex soberanus, lässt sich gerade die Natur des Göttlichen deuten, so wie sie sich in der Spannung zwischen dem verborgenen Vatergott und dem zum Fleisch gewordenen Gottessohn kund tut.

2 . 2 . 2 . 1 D E R M O N A R C H ALS DEUS

ABSCONDITUS

AUF DER B Ü H N E DES L E B E N S

Und da war niemand, der deinen Namen anrief, der sich aufraffte, an dir festzuhalten. Denn du hast dein Angesicht vor uns verborgen und uns preisgegeben wegen unserer Sünden. Jes 64,6 Und die Nationen werden erkennen, dass das Haus Israel um seiner Schuld willen gefangen weggezogen ist, weil sie treulos an mir handelten und ich mein Angesicht vor ihnen verborgen und sie in die Hand ihrer Bedränger gegeben habe, so dass sie allesamt durchs Schwert gefallen sind. Nach ihrer Unreinheit und nach ihren Verbrechen habe ich mit ihnen gehandelt und habe mein Angesicht vor ihnen verborgen. Hes 39,23 Die Darstellung des Monarchen „as a figure at once remote and yet the centre of universal attention" (Elliott 2002: 6) ist ohne das theologische Vorbild des 49

Allenfalls bei Mystikern, Heterodoxen und politischen Gegnern des Königs (Philipp II.) k o m m t eine gegenläufige Zeiterfahrung zum Tragen, wie dies beispielhaft in den Träumen der Lucrecia der Fall ist (vgl. Kagan 1995).

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deus absconditus nicht zu denken, der den Menschen seine Gegenwart verschweigt und dennoch präsent bleibt. Diese Analogie evoziert die Begegnung des Menschen mit Gott, in die „das begreifende Subjekt sein Begreifen daher gleichsam in „das heilige, unsagbare und unumgreifbare Geheimnis" (Rahner 1984: 83) einmünden lassen muss. Jene Leere Gottes, die in der christlichen Mystik zu einer elementaren Erfahrung wird und demnach auf poetische Ausgestaltung angewiesen ist 50 , hat bereits in den ältesten Schichten des AT ihre Quelle (vgl. dazu RGG 1956, 6: 1256f)- Der Mensch kann Gott nur sehen, wenn er sein Leben auf der Erde aufgibt (vgl. Gen 32, 30; Ri 6, 22; 13, 22; bzw. Ex 33, 18 ff. sowie Jes 6, 1 ff.) Der im Dunkel lebende Schöpfer entzieht sich seinem Volk vornehmlich in Zeiten der Anfechtungen und Entbehrungen, in denen er „sein Antlitz vor ihm verbirgt" (Dtn 32, 20; Jes 8, 17; 54, 8; 64, 7; Ez 39, 29 f.; Mi 3, 4; Pss passim; Hi 13, 24), um es zu prüfen und zu wägen. Die Verhüllung Gottes soll den Menschen letztlich an dessen Allgegenwart erinnern, die sich jedoch erst aus einer beständigen Suche erschließt (vgl. Turner 1995). Ahnlich seinem verborgenen Vorbild ist auch der rex absconditus nicht schlechthin abwesend und völlig unzugänglich. Dessen Klausur in Kloster und Schloss mindert seine allumfassende Gegenwart und Souveränität nicht im Mindesten. So geht die Negativität des Numinosen in eben jenen Mythos des rey encubierto ein. In der Abgeschiedenheit seiner physischen Existenz erstrahlt die Souveränität des Monarchen nur umso grandioser und begünstigt dabei letztlich die Vorstellung, dass die Allgewalt des Herrschers gerade in dieser psychisch-unsichtbaren Präsenz seinen ausgeprägtesten Ausdruck findet. Angemessene Verkörperung dieses unzugänglichen Wesens ist das von Toledo bzw. Madrid 51 abgezogene Zentrum des Imperiums, das 1584 vollendete San Lorenzo del Escorial, „the mauso-

5 0 Vgl. Meister Eckhart (1958: 528f), der in paradoxen und negativen stilistischen Formen von Gott als einem Nichts spricht, das mit dem Sein korrespondiere, wie etwa „Gott ist ein Wort, ein unausgesprochenes Wort." Vgl. dazu Bloch (1985, 14: 283), der bei Angelus Silesius („Ich weiß, dass ohne Gott nicht ein N u kann leben,/ Wird ich zunicht, Er muß vor Not den Geist aufgeben") und Feuerbach „merkwürdige Begegnungen der anthropologischen Kritik mit mystischer" ausmacht, mit denen sich die Religion auflöst. 51 Der Umstand, dass der spanische Hof von Toledo nach Madrid zog, mag sich zunächst noch aus der Nähe der neuen Hauptstadt zum Escorial erklären. Bald aber glaubte man in der geographischen Lage Madrids auch das mathematische Zentrum Spaniens zu erkennen, was, wie der Chronist Cabrera de Córdoba geltend macht, darauf zurückgeht, dass die Stadt das Herz in der Mitte eines Körpers war, die jede Provinz in den Zeiten des Friedens und des Krieges in gleicher Weise zu verwalten habe. Vgl. Elliott (1990: 253-254) bzw. Cabrera de Córdoba (1876: 298). Auch ist die Verräumlichung der Macht in einem Zentrum ein Vorgang von ontotheologischer Tragweite. Das Seiende unterwirft sich das Sein, indem es sich in dessen Zentrum setzt, auch wenn dies als solches - vermeintlichen Kalkulationen zum Trotz - gewiss nur in den Einbildungen der Menschen besteht.

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leum of monarchy" (Elliott 1989: 154). Es mag den Historiker erstaunen, dass eine umfassende Aufarbeitung des höfischen Lebens in Spanien bis heute fehlt52 und mit Norbert Elias vornehmlich der Hof Ludwig XIV. als Referenzsystem des Absolutismus herangezogen wird.53 Abgesehen davon, dass Versailles nur als „model for so many of the courts of eighteenth Century" (Elliott 2002: 6) gelten darf, fallen die Unterschiede - bei allen möglichen Gemeinsamkeiten — doch gerade in Hinblick auf die Verborgenheit des Monarchen ins Auge. Während das Zentrum des Versaillesschlosses ikonographisch nämlich von jenem Salon d'Appolon geschmückt wird, steht im Herzen des Escorial eine auf den heiligen Laurenz geweihte Kirche. Die Kontraste könnten schärfer nicht sein, ,,[as] the one exalts the Lord of Heaven, the other a lord on earth - the one God, the other a would-be godling" (Stark 2002: 159).54 Im Gegensatz zu den vielfältigen Spiegel- und Lichtbrechungen in Versailles ist das Innere des spanischen Palasts in ein Dunkel gehüllt, in dem der Herrscher „in splendid isolation and [ . . . ] uncomplaining silence" (ebd.: 150) große Entscheidungen mit sich allein austrägt. Die architektonische Struktur des gesamten Komplex will in seinen Teilbereichen von Palast, Kirche und Kloster gleichsam die Vorstellung von einem zweiten Tempel Salomons wecken und sich somit als Zentrum geistlicher wie weltlicher Macht verstehen, in dem im Eingedenken an den Sohn Davids arkanes Wissen und allseits gepriesene Weisheit vertreten sind. Insofern kommt der Gesamtkomplex am Fuß des Abantos einem in Stein gehauenen Geviert (205x160m) gleich, in dem die in ständiger Bewegung befindlichen Geschehensmomente zu einer auf ewig festgelegten Hierarchie zu erstarren scheinen, „accepted as the type

52 Ausnahmen, die allerdings auf zentrale Themen wie auf das Verhältnis zur wissenschaftlichen Tätigkeit beschränkt sind, finden sich etwa bei Lafuente/Moscoso 1999. 53 Vgl. Elias (1997: 358): „Die französische Gesellschaft ist nicht die einzige und ganz gewiß nicht die erste europäische Gesellschaft, in der sich dieser Strukturwandel vollzieht. Zentralisierungs- und Verhofungsschübe im Zusammenhang mit der Verfügung und Vergebung von Geldchancen durch die Zentralherren und ihre Vertreter lassen sich schon zuvor in anderen Gesellschaften, vor allem in Spanien und Italien beobachten. Aber in dem französischen Zentralisierungsschub des 17. Jahrhunderts formt sich die seinerzeit größte und menschenreichste Einheit Europas, deren Zentralkontrollen effektiv funktionieren. Bestimmte Struktureigentümlichkeiten der Entwicklungseigentümlichkeiten, das damit erreicht wird, lassen sich dementsprechend am Beispiel Frankreichs recht gut beobachten." 54 Wie sich auf der Decke des Thronsaals zu Versailles mit dem Sonnengott in Gesellschaft der Jahreszeiten „a wholly secular shrine" darstellt und sich das Sonnenmotiv in den großen Gärten auf unzählige Male wiederholt, so sucht der Besucher vergebens „Christian images in the palace outside the chapel" (Blanning 2003: 37).

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of the immutability of the Catholic Church" (Gayarré 1866: 62). 55 Dieser emblematische Bau Philipps II. ist auf ähnliche Weise konstruiert wie der Kokon einer Seidenraupe. Denn gleich dieser wird der König in ihm begraben, so dass die neue Majestät seines Sohnes gleichsam auch in ihm entstehen und die Arbeit seines Vorgängers fortsetzen kann (Porteño 1942: 18). Auch spätere Monumente, wie etwa die 1629 begonnene Konstruktion des Palacio de Buen Retiro, verbinden sich mit den Prophetien des Johannes von einem 'Neuen Jerusalem' schon im Namen mit der Idee der religiösen Einkehr.56 Was auf der synchronen Ebene in höfischen Festen zelebriert, aber auch an den Werk- und Feiertagen sowie in den Lebensbereichen der Untertanen mit symbolischen Zeichen bedacht wird, inszeniert sich zudem in einem Geschichtsbild, das dem himmlischen Herrschersubjekt im irdischen Träger eine Wahrnehmung verschafft und dabei folglich zu einer Erneuerung des im kulturellen Gedächtnis niedergelegten Erinnerungspotentials beiträgt. Das in die Architektur des Escorial gegossene Gottkirchentum findet im 'Gesalbten Jahwes' einen weiteren Höhepunkt (Calwer 1989: 1162) und mithin auch eine von Theologen der Gegenreformation geprägte Historizität, welche die gesamte Weltordnung auf christologische Grundlagen stellt: Para nuestros teólogos, la historia es c o m o una prolongación de la encarnación del Verbo, pues los acontecimientos q u e la llenan, sin dejar d e ser estrictamente h u m a n o s , están a s u m i d o s , c o m o la naturaleza h u m a n a d e Cristo, al orden sobrenatural y no adquieren la totalidad se su sentido, sino c u a n d o se ven al servicio de los planes divinos (Gallegos Rocafull 1946: 14).

Indem sich der Menschensohn der göttlichen Ordnung unterwirft und sich den vom Vater beschlossenen Gesetzen beugt, wird er demzufolge selbst zum Modell hierarchisch geordneter Herrschaftsverhältnisse überhaupt: T a m b i é n en este sentido [los teólogos españoles] están entre d o s m u n d o s , el d e D i o s y el d e los hombres, tratando de fundirlos en u n o solo, c o m o en la persona de Cristo se unió la divinidad con la h u m a n i d a d . Así c o m o ven a D i o s a través d e

55 Ganz in diesem Sinn unter Berücksichtigung des Wechselspiels zwischen Absenz Präsenz formuliert der Biograph Gayarré das Verhältnis von Transzendenz und Immanenz: „God and the King in Philips mind were intimately associated - they could not be separated. God, it is true, might be where the King was not, but where the King was, there was God bound to be. In such close alliance with the Deity, the King felt secure. He could do no wrong, and nothing could be attempted against the majesty of earth, without its being also an attempt against the majesty of Heaven." 56 Vgl. auch Elliott (1999: 152). So findet Calderóns allegorisches Drama El Buen Palacio del Buen Retiro, das 1634 am Hof uraufgeführt wird, auf zwei Ebenen, der himmlischen und der weltlichen, statt. Gott korrespondiert mit dem König, die Kirche mit der Königin, während das Neue Jerusalem dem neuen Palast gleichkommt. Dem Judentum wird mit der Erlösung auch der Eintritt in den Prachtbau verwehrt, was dessen Exklusionscharakter hervorhebt.

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Cristo, de su vida y de su palabra, ven al mundo, a través del hombre, de su naturaleza y de su gracia (ebd.: 18). Auch die Präsentation des königlichen Körpers k o m m t den Erfordernissen eines Dualismus entgegen, in dem das Latente mit dem Manifesten changiert. Die Formen des Zeremoniells und der Etikette, aber auch die Organisation des höfischen Haushalts sind allesamt dazu angetan, die einzigartige und doch zugleich entfernte Pracht des „godlike king" hervorzuheben (Elliott 1989: 144). 5 7 Die Dialektik zwischen dem öffentlichen Erscheinen und der Verborgenheit des Monarchen steigert sich mit dem im Escorial zelebrierten Totenkult der Habsburgerdynastie noch gegenüber dem Alcázar in Madrid. Von einer kleinen Zelle zur Rechten des Hauptaltars der Kirche aus und in Sichtweite zu der von Pompeyo Leoni geschaffenen Kenotaphe von Carlos I. und Felipe II. tritt der König mit Gott in eine enge und heimliche Begegnung, die ihn wie die Grabesskulpturen aus der Endlichkeit der Zeit „in the world o f the aevurri' (Checa Cremades 1999: 102) hinaushebt. Dabei k o m m t es zu einem Wechselspiel von Präsenz und Entzogenheit, an dem der M o narch selbst höchsten Anteil hat. 5 8 Vorbild sind unter den politischen Schriftstellern wie Juan Fernández de Medrano die römischen Cäsaren, die den systematischen Rückzug und das Schweigen des Monarchen bereits als eine Art Religion betrachtet haben sollen, so etwa der Imperator Tiberius, der sein Leben ganz nach dem M o t t o 'Occultum, ac subdolum fingendis virtutibus' ge5 7 U m den Körper des Königs so zu präsentieren, dass „[la] unidad sobre la multiplicidad" herrsche und aus dieser Einheit eine beständige Ordnung entstehe (Maravall 1956: 30), bedarf es nicht allein einer strengen Ausbildung, der sich Körper und Geist des jungen Prinzen im Rahmen der „institución de la Real Infancia" unterziehen muss. Zum Regenten über ein mächtiges Reich geworden, hat er sich in unbedingtem Gehorsam gegenüber Gott zu üben und sich den ihm auferlegten Regeln zu fügen. Ein guter Monarch hat zunächst seinen Körper und seine Sinne zu beherrschen, bevor er sich anschickt zum Herrscher über andere zu werden. Vgl. dazu Varela (1983: 72): „En primer lugar el infante aprenderá el amor y el temor de Dios, seguido de la virtud de la religión, lo cual implica tanto conocer su doctrina como aplicarse a las prácticas piadosas. Ha de aprender que el Rey debe situarse al lado de la Iglesia, ayarla y protegerla y no intentar colocarse por encima de ella. Numerosos autores, mediante ejemplos en los que Dios castiga a los monarcas díscolos, le hacen ver las nefastas consecuencias de oponerse al reino de Dios en la tierra y a sus representantes, al tiempo que le muestren las ventajas que puede obtener si apoya y fortalece a la Iglesia enumerándole los premios y beneficios con que el cielo ha favorecido a aquellos que así lo han hecho." 58 Vgl. Checa Cremades (1999: 102): „The tombs are located beneath the main altar, and Leonis statues are place on top of the private oratories connecting the royal chambers to the basilica. Thus, in the presbytery area of the basilica, and around the monstrance and the main altar, the image of the king makes ist presence felt in three different ways (although always hidden): (1) the actual presence/absence of the king in his retreat (the physical body of the monarch; (2) his figurative absence/presence in the praying figures (a dynastic image for eternity); and (3) his Funeral absence/presence in the mausoleum area (the physical but dead presence of the king)."

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fuhrt hatte.59 Zugleich rufen Rituale am Hof wie etwa die Fußwaschung des Königs in Erinnerung, dass sich die göttliche Natur schon einmal in einem Menschen verkörpert und damit eine physisch-sichtbare Existenz erlangt hatte: Im Eingedenken Christi wiederholt der hombre rey die Worte aus dem Johannesevangelium: 'Exemplum enim dedi vobis ut quemadmodum ego feci vobis ita et vos faciatis' (Johannes 13: 15), ganz in der Gestalt jenes „Suffering Servant foreshadowed in Deutero-Isaias and [incarnated] in the Carpenter of Nazareth" (Stark 2002: 150). Wiewohl die Vorstellung vom verborgenen König, dieses Selbstbild eines distanzierten und entfernten Herrschers, ihren Höhepunkt unter seiner Regentschaft erreicht, gehört sie doch zur „'liturgy' of the house of Austria [...] distinguished by the ostentatious absence of the king, and by his concealment [ . . . ] " (Checa Cremades 1999: 89). Mit Philipp II. entsteht das Vorbild eines entsagungsvollen und unzugänglichen Herrschers, „almost like a churchman who has renounced all the goods of this life and demands fewer services than a number of private people of modest circumstances" (Stark 2002: 161). Seinem Sohn gibt der Rey prudente den Rat, sich so selten wie möglich auf Reisen durch das Reich zu begeben, da sich die beständige Selbstdarstellung eines Monarchen als schädlich für sein Prestige, seine Autorität und Majestät erweise: „Viajar por los reinos no es util ni decente" (Vaca de Osma 2000: 165). Chronisten vermerken nachdrücklich die piedad des Monarchen (Elliott 1990: 255), derer sich eine im In- und Ausland von Häresien umgebene Gesellschaft zu versichern glaubt. Sind die Auftritte des großen Ludwig stets öffentlicher Natur, so gibt sich der spanische Monarch der Öffentlichkeit nur spärlich zu erkennen, und dann auch nur vorwiegend zu religiösen Anlässen, was freilich dessen besondere Beziehung zu Gott nur umso mehr akzentuiert:60 As the officially styled rey catolico, a n d the recipient o f a divine favour which had m a d e him the greatest m o n a r c h in the world, the K i n g o f Spain had a special obligation to u p h o l d with particular fervour the ceremonies o f the church a n d the purity o f the faith (ebd.: 147).

59 Vgl. Feros (2004: 34). Als Beispiel für den Ritus der parousia darf der Umstand gelten, dass sich der Herrscher nicht den Blicken seiner Untertanen aussetzt. Selbst die Sitzungen seines Ministerrates verfolgt Philipp II. versteckt hinter einem Vorhang. 6 0 Die räumliche Isolation des Königs am spanischen Hof unterscheidet sich auch dann noch augenfällig von der Öffentlichkeit des französischen Monarchen (vgl. Elias 1997: 178f), als den Habsburgern die Bourbonen folgen. Zu den privaten königlichen Gemächern führte eine Anordnung von Räumen, „each one more exclusive of access than the one before" (Elliott 1989: 148).

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Der religiöse Charakter der spanischen Monarchie bleibt auch nach dem Tod des Königs völlig intakt und wird sogar von den Nachfolgern Philipps III. und Philipps IV. um so energischer gefördert (Eire 2002: 359), wie dies etliche historisch bezeugte Auftritte anlässlich öffentlicher Messen unter Beweis stellen (Stradling 2000: 343). Der Eindruck ist nicht unberechtigt, dass selbst in dieser Öffentlichkeit eine Wirkung des Verborgenen erzielt werden soll. Die Person des Monarchen tritt gänzlich hinter der heiligen Feier zurück, so dass sein physischer Körper mit denen der in der Gemeinde Versammelten verschmilzt oder zu einem Bestandteil der Festlichkeit wird.6' Diese Introversion der Macht hat allerdings neben seiner theologischen Beglaubigung in der Verborgenheit des alttestamentarischen Gottes durchaus auch eine pragmatische Seite, die Entstehung einer zeitgemäßen Technokratie, die in Hinblick auf die komplexer gewordene Maschinerie neuzeitlicher Großreiche fortan zum Paradigma des modernen Staates wird (Cornelias 2003: 102). Vor diesem Hintergrund einer Kontinente umfassenden Bürokratie erhält der Körper des Königs in seiner Transzendenz erst seine Glieder, deren Gestaltung die Verborgenheit des Königs in seiner realen Gestalt zu kompensieren hat. Dieser kann wie der deus absconditus schemenhaftes Ur- und Vorbild bleiben, das sich den jeweiligen historischen Abbildern immer wieder angleicht und dabei doch den Anspruch erhebt, diese als fernes Ideal zu überragen und unerreichbar zu bleiben. So kann das im Zeremoniell begründete Leben an dem von öffentlichen Blicken weitgehend abgeschirmten Hof als Modus angesehen werden, der Ausgleich für die persönlichen Schwächen der Monarchen, ftir den „reinado mediocre de Felipe III y el frivolo e insuficiente de Felipe IV" schafft (Madariaga 1975: 283), ,,[as] it was only in his exemplary display of public devotion that he sustained and reinforced a central tradition ofSpanish kingship" (Elliott 1989: 155). Es ist nur folgerichtig, dass der nunmehr zum Modell aufgerückte Monarch auch der Portraitmalerei bleibende Muster liefert. Der Chronist Philipps IV., Juan de Zabaleta (1610-1670?) nimmt in seinem Essay Errores celebrados (1653) an, das Herrscherbild habe bereits einen so hohen Standard erreicht, dass es unschwer künstlerischer Qualität entbehren könne, „no longer the most valued characteristic of royal portraits" (Checa Cremades 1999: 103). Auch sei es nicht unbedingt erforderlich, dass es aus der Zeichnung herausgehobener Künstler hervorgehe, da deren Werke nur in kleiner Zahl zur

61 Vgl. Elliott ( 1 9 9 9 : 152). So geschehen bei der Einweihung des Buen Retiro im Dezember 1633, als der König, vor den Elementen geschützt, auf einem Balkon Platz genommen hat, „adorned with red velvet and gold damask hangings and protected by glass panels." Einem Anwesenden erscheint er wie eine heilige Reliquie in einem Reliquienschrein.

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Verfügung stünden und die Massen auch nicht in der Lage seien, die Feinheiten eines Meisterwerkes zu würdigen. Dennoch erscheint Zabaleta das Bild des Königs bedeutsamer als dessen physische Anwesenheit, zumal diese letztlich auch Makel ans Tageslicht brächte, die in der Malerei zweifellos getilgt seien (vgl. dazu ebd. bzw. D e la Torre García 2000). Künstler wie Antonio Moro (1517-75), Alonso Sánchez Coello (1531-88) und Juan Pantoja de la Cruz (1553-1608) sind berühmt für ihre Herrscherbildnisse der Habsburger, die den Abstand zwischen Fürsten und Betrachter anstatt zu verringern noch vergrößern (Ellenius 1999: 4). Diese Relation von Sichtbarem und Verborgenem beherrscht auch jene Geschichtsauffassung, nach der sich in den Tugenden wie Sünden der Könige die heilende bzw. strafende Hand Gottes geltend macht. D e m charismatologischen Handlungsmodell des Alten Testaments als „proyección del mesianismo hispano-judio" (Castro 1987: 22) nicht unähnlich, wird die allgemeine und persönliche Moral der Monarchen, aber schließlich auch des gesamten Volkes immer wieder in Beziehung zum Wohlergehen des gesamten Reiches gestellt: Wenn Kastilien und seine Herrscher den Zorn Gottes erregen, straft dieser die Vergehen des auserwählten Volkes, um seinen Glauben zu stärken und seine Absichten zu reinigen. 62 Im Kern ist in dieser Geschichtsauffassung gleichwohl eine Rationalität am Werk, die im Fortschreiten der Neuzeit mit der im Okzident dominant gewordenen unweigerlich in Konflikte, häufig genug auch in militärische, geraten 63 und die Kritik der französischen Aufklärer

6 2 Vgl. Elliott (1989: 247). Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an den Jesuiten P. de Ribadeneyra, der eben in der verheerenden Niederlage der Armada „another sign of God's special favour [erblickte], since it would oblige Castilians to strengthen their faith, purify their intentions, and reform their manners and morals." Obwohl diese Idee im 17. Jahrhundert mit den zunehmenden militärischen Rückschlägen und dem Verlust spanischer Besitzungen in Europa und Übersee erschüttert wird (Payne 1984: 26), versiegt ihre Wirkung nie ganz. Noch in der Zeit der „guerra santa de la Independencia" (García-Villoslada 1979, 5: 7) zwischen 1808 und 1814 ist der Ort ihrer Verkündung stets eine Kirche, die in ihren Leiden die Strafe Gottes fur die Sünden der gesamten Gesellschaft erblickt (Payne 1984: 69-70). 6 3 Vgl dazu das Schreiben des Erzherzogs Albert, des Gouverneur Flanderns, an Philipp IV., der verhaltene Zweifel an der historischen Angemessenheit der auf der Glaubenseinheit beruhenden Monarchie verlauten lässt, um so für eine Verlängerung des Waffenstillstands mit den Reformierten einzutreten: „Es preciso pensar que si toda Europa debe quedar sujeta a un solo Monarca, el tiempo no ha llegado todavía. La prueba está en que el Cielo ha permitido en el pasado que se cometiesen todas las faltas que hicieron perder a España las Provincias Unidas, y que podría muy bien tolerar aún las que podrían hacerse en la actualidad para acabar de perder el resto de los Países Bajos" zit. nach Maravall (1970: 93-94).

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auf sich ziehen musste:64 Über die staatlichen Interessengegensätze hinaus tritt zunehmend der Gegensatz zwischen jenem katholischen Universalismus, wie ihn Philipp IV. noch als spanischer rey planeta zu vertreten beanspruchte (Elliott 1989: 174 bzw. Elliott/Brown 1980), und einer bekenntnisindifferenten Nationalstaatlichkeit hervor, die als neues gemeinsames Ordnungsprinzip Europas eben diesen Kontinent in eigenständige Gebilde und Wirtschaftszonen aufteilte. Als Folge dieser Auseinandersetzung sollte bekanntlich nicht das von Novalis herbeigesehnte Prinzip des christlichen Europas, sondern das nationale Territorialitätsprinzip den Triumph davontragen und Spanien in Hinblick auf differente historische Deutungsmodi von Westeuropa trennen: Si el m u n d o teológico lo hubiera aceptado toda E u r o p a , y las diferencias entre sus distintos g r u p o s nacionales se hubieran solventado dentro del área a las creencias comunes, tal vez se hubiera creado una h u m a n i d a d cristiana que, c o m o la cristianidad medieval, hubiera p e r m a n e c i d o unida, coherente y fecunda durante siglos. Pero el espíritu de diversidad, característico de E u r o p a para siempre y acentuado en los tiempos m o d e r n o s , la puso a toda ella frente a E s p a ñ a y a su m u n d o , utilizando para derrumbarlo todas las armas q u e ella se había vedado a sí m i s m o (Gallegos Rocafull 1 9 4 6 : 19).

Diese Differenzen lassen sich jedoch kaum auf den ideologisch belasteten Antagonismus zwischen einem rückständigen und fortschrittlichen Teil des Kontinents ableiten. Eher könnte man sagen, dass jene Form der Ebenbildlichkeit, welche eine sichtbare Identität von irdischer und göttlicher Herrschaft in der kollektiven Sinneinheit des Königs zu garantieren hatte, in ungleichzeitiger Weise zu keinen historisch adäquaten Integrationsleistungen mehr fähig war. Während die sakralen Imaginationen ihre eigenen Räume mit dem Eindringen in weltliche Einbildungsstrukturen zusehends zu liquidieren begannen, konnten diese die ihrigen in den Inkarnierungen eines technischen und wissenschaftlichen Geistes umso zeitgemäßer totalisieren. Der Moderne gelang es auf diese Weise, sich in fortschrittlichen Gestalten, in der Technik und den Wissenschaften, zu inkarnieren, in denen sich die Menschen — selbst zu Verkörperungen dieser neuen Zeit geworden — besser wiederzuerkennen glaubten als in jenen anachronistisch empfundenen Repräsentationen, die absolutistisch regierender Herrscher gedachten. 64 Die Auseinandersetzung mit dieser theozentristischen Geschichtsschreibung, welche die Schöpfung der Welt auf das Jahr 4004 oder 4963 vor Christi Geburt ansetzt und in einem unaufhörlichen Kampf zwischen Civitas Dei und Civitas terrena besteht, lässt sich besonders an Voltaires Polemik Essai sur les Mceurs et l'Esprit des Nations (1756) gegen Discours sur l'Histoire Universelle (1681) von Bossuet zurückverfolgen. Dabei rückt eben der Providentialismus des AT in das Zentrum von Voltaires Kritik und mit ihr die Auserwähltheit des jüdischen Volkes, das ja lediglich als Archetyp eines solchen Geschichtsmodell fungiere.

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2 . 2 . 2 . 2 D I E PRÄSENZ DES MONARCHEN AUF DER BÜHNE DES THEATERS

The application of the arts of the theatre to political l i f e , and especially to the projection ofkingship, is one of the principal characteristics of seventeenth-century monarchies; and. it would be valuable to have more systematic research into the ways in which the symbols ofmonarchy were manipulated to enhance the power and majesty of seventeenth-century kings. Elliott (1989: 163) 65 W i e das Verborgene auf etwas Allgegenwärtiges hinweist, das durch den Effekt des Entzogenen noch betont wird, so erfüllt auch die Repräsentation, die Macht- und Prachtentfaltung einen ähnlichen Zweck: Kompensiert die Transzendenz des Königs in seinem unsichtbar-mystischen Körper die Realität eines in Stämme, Ethnien, Sprachen, Religionen und Königreiche zerrissenen Imperiums, so gleicht die triumphale szenische Darstellung spanischer Größe und Gerechtigkeit nicht nur auf dem Theater, unerfüllte historische Erwartungen aus. Auf diese Weise wird die Perzeption der Realität so gesteuert, dass problematische Erfahrungspotenziale weitgehend neutralisiert werden können: La política cultural de la España de la Contrarreforma se caracterizó, en un clima de guerras de religión e imposición de ortodoxias, por desplegar en el campo social instrumentos de propaganda que deberían vehicular la verdadera representación del mundo (Alvarez-Uria/Varela 1991: 87). Insofern gehört diese Selbstinszenierung auch zur Scheinhaftigkeit der Welt, wie sie im Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit entsteht und gerade auf der Bühne ihre größte Wirkung entfalten muss. Dieser Vorgang an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wurde zu Recht auf den Begriff einer 'Theatralisierung der Welt' gebracht, mit dem sich das kulturelle Gedächtnis dicht in die Kommunikation der Zeit einschreibt. 66 Nicht der unmittelbare zeit65 Vgl. auch zur Funktion des Theaters „als propagandistisches Ideologem der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse" am Beispiel des Ehrendramas: de Toro (1993: 481-483). 6 6 Vgl. Gumbrecht (1990, 1: 351-352). Augenfällig zeichnet sich seit der vernichtenden Niederlage der spanischen Armada 1588 vor der britischen Küste ein allmählicher Zerfall der spanischen Macht ab. Ging es bei diesem militärischen Unternehmen von englischer Seite darum, die Handelswege zwischen Spanien und seinen neuen Kolonien unsicher zu machen und den fiir das Land so notwendigen Import von Edelmetallen zu erschweren, so dachte man in Spanien vornehmlich daran, Britannien wieder unter die geistliche Führung des Papstes zu stellen und im Sinne der katholischen Kirche zu remissionieren. Um so verwunderlicher musste es daher erscheinen, dass die militärischen Vorbereitungen zu diesem Unternehmen nicht der Größe der Aufgabe entsprachen. Das Vertrauen in den eigenen Sieg, das sich in der spanischen Führung breit machte, beruhte in erster Linie auf dem gemeinsamem religiösen Sinnhorizont: Da die eigene Sache, die Expedition seiner gigantischen Flotte Teil eines übergeschichtlichen, göttlichen Heilsplanes war, wurde der strategischen Bewältigung dieser Mission nur wenig Beachtung zuteil. Auf die weitestgehende Zerstörung der Armada durch die Engländer folgen für

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geschichtliche Rahmen, in den die spanische Politik gestellt wird, bestimmt primär das Handeln der Krone, sondern in erster Linie ein gemeinsamer religiöser Sinnhorizont, der die für aufmerksame Beobachter ( a r b i t r i s t a s ) eindeutigen Krisenerscheinungen im Bewusstsein christlicher Heilsgewissheit soweit wie möglich unwirksam macht (Elliott 1989: 243f)- Diskurse wie festliche Repräsentationen sind dazu angetan, den Niedergang spanischer Macht in einen transzendentalen Sieg zu transmutieren oder als unvermeidlichen Reinigungsprozess zu preisen. Diese theatralische Wirkung, die sich aus dem Widerspruch zwischen dem Postulat imperialer Herrschaft und empfindlichen Rückschlägen ergibt, lässt sich nur vor dem Hintergrund ihrer rhetorischapologetischen Funktion vorzugsweise im Dienste von Krone und Kirche interpretieren. In diesem theologischen System des Absolutismus, das auf einem „imposant socle de faits, de doctrines, de traites, mais aussi de réves hégémoniques, de croyances, de mythes et de symboles" (Dubois 1991: 264). beruht, erscheint der Monarch nicht nur als allgemeine Referenz eines idealen Herrschers, sondern auch als Ideal eines stimmigen Subjekts, welches das gesamte Sein auf angemessene und umfassende Weise repräsentiert. Die Projektion einer harmonischen himmlischen Ordnung auf das irdische Universum kann um so effektvoller auf dem Theater inszeniert werden, als die Königsfigur selbst an die Grenze dieses Mediums gelangt: T h e king was presented as a figure at once remote a n d yet the centre o f universal attention - a presentation that b e c a m e especially artful in the seventeenth Century Spanien weitere schmerzhafte Rückschläge, wie der Verzicht auf Teile seines Staatsgebietes, Hungersnöten und Seuchen, die man eher als Schicksalsschläge aus der Hand Gottes und als Prüfung seines von ihm ausgewählten Volkes deutet. So lässt sich vom Ende des 16. Jahrhunderts an belegen, dass die Krisenerscheinungen der Zeit zwar von den sogenannten arbitristas aufmerksam wahrgenommen und dokumentiert, im Bewusstsein christlicher Heilsgewissheit aber weithin unwirksam gemacht wurden (Elliott 1989: 243f)- Diese theatralische Wirkung, die sich aus dem Widerspruch zwischen dem Postulat imperialer Herrschaft und ständigem Machtverlust ergibt, hat naturgemäß auf der Bühne eine eindrucksvolle Sprache erhalten. Gumbrecht beruft sich in seiner Hypothese von der „Theatralisierung der Welt und der Verdrängung des Alltags" auf Erving Goffman, der die Rede- und Verständigungsformen im Theater mit Hilfe seines frame-ModzW so definiert, dass sein 'Spielraum' die Mimen dazu nötigt, die Handlung allein aus der Perspektive des Moments zu spielen, ohne an dessen spätere Wendungen oder gar an dessen Ausgang zu denken (vgl. Goffman 1996: 143-175). Die nicht abreißende Präsenz des Augenblicks ermöglicht den Zuschauern, sich selbst im Geschehen auf der Bühne so wiederfinden, als wären sie selbst Teil eines Phantasiegebildes, das sich ihnen gegenüber nun wie reales Leben verhält. Diese Interaktion bildet einen Rahmen, in dem das Publikum den Schauspielern im Sinne eines „verborgenen Beobachters" stillschweigend oder hörbar zu verstehen gibt, dass sie die Handlung auf der Bühne mit denen des Lebens identifizieren. Auf der Bühne des 'wirklichen Lebens treten sich die sozialen Entsprechungen von Mimen und Publikum gegenüber. Zwischen jenen, die Subjekt politischen Handelns sind und denen, die als dessen Objekt dieses Agieren interpretieren, besteht also ein Einvernehmen, das dem Interaktionsparadigma des Theaters entlehnt ist.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' as mastery was achieved over the illusionistic devices o f the theatre. W h e n plays were p e r f o r m e d in the palace o f the Alcázar in M a d r i d , the king was seated s o m e ten or twelve feet f r o m the back wall, at the exact point at which the perspective design o f the stage set c o u l d b e appreciated to the full. [ . . . ] O n either side o f the r o o m were standing ranks o f courtiers, with their eyes fixed o n the king a n d queen as m u c h as o n the play. Theatrical contrivance could be brilliantly used to underline the point, as when the curtain was raised on o n e occasion to reveal o n centre stage a throne beneath the canopy o f which were two portraits - o f the king a n d the queen. T h e monarchs in effect looked o n themselves, as in a mirror, while the audience gazed in admiration at this d o u b l e image o f majesty, the original a n d the likeness (Elliott 1 9 8 9 : 143 bzw. 144). 6 7

Mit der zunehmenden Bedeutung, die der mystische Körper, wie Garcia Pelayo und vor allem Ernst H. Kantorowicz in ihren Arbeiten belegen, an der Schwelle zur Neuzeit zu gewinnen scheint (vgl. dazu auch Sánchez Agesta 1959: 34ff.), nimmt auch die Darstellung des Königs als „imagen de Dios" bzw. „imagen de Cristo" (García Pelayo 1959) auf dem Theater zu. Nach der Theologie wirkt die Macht der Ontotheologie in der Dichtung am ersichtlichsten. Wie sich Lope ausdrückt, vermag sie die Phantasie um die Mächtigen so zu beflügeln, dass diese zu Göttern anwachsen: „ Q u e los príncipes son humanos, nadie lo puede dudar, / Pero la poesía debe hacer su divinidad brillar" (zit. nach Kleber Monod 2001: 61). Von übermenschlicher Schönheit erstrahlt der König in einer Sonnenmetapher, die in der dramatischen Sprache Lopes lange vor der Ära des Sonnenkönigs eine diesbezüglich häufig verwendete rhetorische Geste ist (Andres 1991: 269). Obschon auch in diese Symbolik des Königs „le mythe de divinisation Orientale, pharaonique" eingegangen ist, sind ihr neopagane Züge allerdings fern, da sie in der comedia als das Emblem Christi, der Soljustitiae und Sol invictus, präsent ist.68 In diesem Kontext ist die Natur des Königs als „irdischen Vertreter Gottes, [...] der des Gesetzes und zumindest theoretisch der Inbegriff aller Tugenden" (de Toro 1993: 337) von höchster sozialer Priorität. So gehört es zu den Selbst-

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Elliott beruft sich in seiner Beschreibung auf Varey (1984, 61: 399-406).

Bezeichnenderweise wird gerade in dem Märtyrerdrama El principe perfecto (primera parte) die Vollkommenheit des portugiesischen Prinzen gerühmt („No hay virtud que falte en él;/ de todas está compuesto/ su sujeto celestial,/ a ningún vicio sujeto" sowie sein kristallines Wesen („Claro está, y es justa ley/ si hacéis de papel un rey/ que Dios hizo de diamante", ebd., segunda parte, 1164a), seine Natur als ex angelicus erörtet („Imita el Rey a Dios: a todo extiende/ la gran jurisdicción de su corona,/ porque como castiga, asi defiende", ebd.: 115lb-1152a), seine göttliche Herkunft („Hacedlo mirar; que Dios/ nos puso en este lugar/ para oír y gobernar", ebd.: 1154a) und seine Ebenbildlichkeit mit Gott („Ya no es posible que mi curso atajen,/ porque no hay para el Rey fortuna adversa,/ si imita a Dios, porque es de Dios imagen", ebd., primera parte, 1126b). 68

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Projektionen eines Philipps II., als oberster Wahrer der Gesetze und des Rechts dem Sohn Davids ebenbürtig zu sein, um einst wie dieser weise Urteile zu sprechen. Es sei hier daran erinnert, dass Gott David selbst zu seinem Adoptivsohn gemacht (2 Sm 7, 14; Ps 2, 7) und ihn damit als irdischen Träger seiner Vollmachten über sämtliche Könige der Erde gestellt hatte (Ps 89, 28). Gerade dem Monarchen fällt in seiner Rolle die Aufgabe zu, die in seinem Reich wirkenden Interessen im Sinne von „religious uniformity [...], church, and inquisition" miteinander zu versöhnen (Eliott 1989: 169) und schwebende Konflikte zu lösen. Als oberster Hüter der herrschenden Ordnung, gleich Gottvater in der Rolle des obersten Richters69, als der er sich in Lope de Vegas Peribáñez y el Comendador de Ocaña (1614), Fuenteovejuna (EA 1619), El Caballero de Olmedo (EA ca. 1625-1630), El mejor alcalde, el rey (EA 1635), Tirso de Molinas El burlador de Sevilla y convidado de piedra (EA 1630) sowie Calderóns El alcalde de Zalamea (EA 1636-40) darstellt, hat der König den Status quo zu restituieren, zur belehrenden Unterweisung der Zuschauer, „no por los abusos, sino por el hecho de transgredir un orden social preexistente, es decir, porque el orden ha sido alterado, y sólo con su última palabra quedará nuevamente restaurado" (Rodríguez Medina 2003, 8: 22).

Unter diesem Apekt muss es uns darum getan sein, den Monarchen als rex absconditus und den souveränen Herrscher als deus ex machina in Inszenierungen zu bestimmen, die auf streng voneinander geschiedenen Ebenen stattfinden. Erst unter dieser Voraussetzung entsteht eine Synchronie von Entzug und Anwesenheit, mit der die Negativität des ersten Gliedes durch das zweite aufgelöst wird. Der Erwartung kann stets die Erfüllung folgen, zumal die rettende Präsenz des Monarchen in seinen immer wiederkehrenden Auftritten auf dem Theater garantiert ist. Eingedenk dieses Eigensinns von Fiktionalität, die allerdings mit der Theatralisierung der Welt auch die primäre Wirklichkeit umspannt, folgen wir daher jenen Ausführungen, mit denen de Toro seine Studie über das spanische Ehrendrama schließt. In Anlehnung an den Ereignisbegriff von Jurij Lotman (1973), der an die Scheidung des Aristoteles zwischen Geschichtsschreibung (der Realität des Geschehens) und Dichtung (der Potentialität des Geschehens) anknüpft, beschreibt er den dramatischen Text in seinem .Ausschnitts- und Modellcharakter" (de Toro 1993: 499). Der sich so bildende fiktionale Status lege nahe, dass es sich bei diesem Konstrukt nicht um Geschichtszeugnisse handele, sondern um literarische Produk6

' Vgl. Müller (1977: 77-78) bzw. dazu Ruiz Ramón (1988: 137), der bezeichnenderweise typologisch zwischen dem rey-viejo und dem rey-galán differenziert: „AI rey-viejo lo caracteriza el ejercicio de la realeza y la prudencia; al rey-galán, la soberbia y la injusticia."

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen'

te, in denen das Ereignis als „bedeutungshaltige Abweichung von der Norm (Standard)" gerade Denkwürdiges und Singulares zur Sprache bringe (de Toro 1993: 500). Zumal auf dem Theater werde also nicht so sehr die primäre Wirklichkeit repräsentiert als vielmehr die sinnliche Erfahrung, die sich des Unsichtbaren und Entzogenen zu bemächtigen sucht. Die Bühne dient der Visualisierung dessen, was von sich aus nicht erkennbar ist. Sie schafft letztlich für den zum Technokraten gewordenen König Spielräume, die dessen im Alltag inszenierte Verborgenheit in körperliche Gegenwart verwandeln können. Sein Auftritt auf der Bühne im Namen eines sich sogleich vollstreckenden (oder bereits exekutierten) Rechts versteht sich als Sonntag eines kleinen Mannes, der nach festen personalen Konturen einer ihm ansonsten unnahbar und fremd erscheinenden Macht Ausschau hält. Indem diese unversehens wie eine Ausnahmeerscheinung in die dramatische Handlung einbricht, kann sie Teil seines Alltags werden und ihn auch körperlich erfassen. Denn wie der Bauer selbst mit „la aureola y el poder absoluto del padre de familia español" (Rothe 1978: 145) ausgestattet, seiner Familie vorsteht, so ist auch der König, „un gobernante en funcciones de monarca absoluto", (José Prades 1963: 54) nichts anderes als die höchste kaum fehlbare Vatergestalt nach Gott oder, wie es in Lopes El mejor alcalde, el rey heißt, „son padres los reyes" (Lope de Vega 2005: 114). Was an den Insignien menschlicher (Urrutía 2004: 197-204) wie göttlicher Herrschaft teilhat, trägt in der Väterlichkeit wesentlich dazu bei, dass die Pastoralmacht als Regierung der Seelen nicht nur von der Spitze bis in die Tiefe der gesellschaftlichen Pyramide ausgeübt wird. Bereits die Methoden des modernen Staates antizipierend setzt diese auf die Selbstregulierung der Subjekte als (väterliche) Individuen, die bestehende Machtverhältnisse zu internalisieren und damit vorbehaltlos zu akzeptieren haben (vgl. Foucault 1987 bzw. 1988). Unter diesen Gegebenheiten kommt man mit Américo Castro und José Antonio Maravall kaum umhin, den ideologischen Charakter der comedia anzuerkennen. Gegenüber einem vielfach noch auf mündliche Uberlieferung angewiesenen Publikum (vgl. Sentaurens 1974) konstituiert sich das spanische Barockdrama „sobre todo después de la revolución lopesca [...] como gran campaña de propaganda social, destinada a difundir y fortalecer una sociedad determinada [...]."70 Auf dem großen Publikumstheater inszeniere sich 70 Maravall (1972: 21-22). Maravalls soziologisch begründeter Erklärungsversuch m ü n d e t in den plausiblen, aber doch auch recht summarischen Vorwurf, das Theater sei ein Herrschaftsinstrument gewesen, „contribuir a socializar un sistema de convenciones, sobre las cuales en ese m o m e n t o se estimó había de verse apoyado el orden social concreto vigente en el país, orden que había que conservar, en cualquier paso, sin plantear la cuestión de un posible contenido ético" (ebd.: 32-23).

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eine vom Absolutismus geförderte Allianz zwischen Königsmacht und Bauernmassen gegen eine sich mitunter widerspenstig und partikularistisch gebärdende Adelsklasse. Auf der Bühne suggeriere man zu diesem Zweck eine Gleichheit aller Untertanen, die dem reichen Bauern ebenso wie dem Adligen Ehre zugestehe, obschon doch soziale Hierarchien die Struktur des Weltgebäudes bestimmten. Sosehr diese Überlegungen heute überzogen erscheinen, sosehr mögen sie in politischer Hinsicht dennoch nicht gänzlich ihrer Berechtigung entbehren (vgl. de Toro 1993: 483). Abgesehen davon, dass ideologische Begründungen in der Gegenrede nur weitere Mythen schaffen, erklären sie jedoch nicht hinlänglich die Integrationsleistungen der Propaganda. Deren Wirksamkeit ermittelt sich aus unserer Sicht maßgeblich aus der ontotheologischen Gestalt des Königs und ihrer „concreción literario-escénica [...] en el esplendor idealizado de sus virtudes, en el paternal amor a sus subditos y en la garantía que su presencia supone para el orden social como imagen terrena de la voluntad divina" (Hormigón 1988: 161). Die Dichte des Königskörpers aber ist bestimmt von der Eindringlichkeit jener Bilder, die diesen in seiner alle gesellschaftlichen Antagonismen überwölbenden Transzendenz zeichnen. Nichtsdestotrotz sind diese Imaginationen ebenso von jenem Dualismus des metaphysischen Denkens zerrissen wie das mit sich identische Göttliche selbst, das sich in eine verborgene und eine perzeptible Seite aufgliedert. Rex absconditus und richterlicher Souverän sind in dieser Lesart eine und dieselbe Person. Die mimetische Darstellung vermag nicht die Entzogenheit des Herrschers auf die Bühne zu bringen. Sie vermag aber das Essentielle herausarbeiten, denn „nicht der Rückgriff auf das Wirkliche, nicht Nachahmung macht das Wesen des Poeten aus" (Petersen 2000: 43). Da das Wesentliche bekanntermaßen unsichtbar ist, bedarf es als „das Bleibende, Beharrliche [...] im Gegensatz zu den wechselnden Eigenschaften und zur Erscheinung" (Kirchner/Michaelis 1907: 692) eben dieser Visualisierung, namentlich in einem barocken Zeitalter, das „geradezu besessen [ist] von einem schrankenlosen Bedürfnis nach Versinnlichbildlichung und nach Versichtbarung" (Alewyn 1989: 64). Die Erscheinung selbst mag zwar so flüchtig sein wie die Darstellung (Repräsentation) auf der Bühne. Sie bringt dem Zuschauer jedoch immerhin fiir einen Moment eine höhere, dem bloßen Augen entzogene Wahrheit ins Bewusstsein, wonach der im Verborgenen wirkende Monarch symbolisch stets präsent ist und dessen Macht über seine physische Anwesenheit hinaus unvermindert anhält. Die Repräsentationen des Königs liegen in der Analogie zum Göttlichen, das dem Wesen nach ebenfalls verhüllt ist, hinter einer Wolke oder einem brennenden Dornbusch weilt, und nur bei Wundern für kurze Augenblicke in Erscheinung tritt. Dennoch ist das Göttliche eine Gestalt, die sich der Immanenz zuwendet und

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vom Rohstoff der primären Wirklichkeit lebt. Wie das Mimetische steht es zwischen der Transzendenz einerseits und der Erfahrungswelt andererseits, zwischen Wesen und Erscheinung, Wirklichen und Möglichen, Erwartung und Erfüllung. In dieser beständigen Oszillation zwischen beiden Referenzpunkten erschließt sich der Gang einer Zeit, in der die Entzogenheit des Numinosen noch nicht so sehr als Abwesenheit oder gar als Tod Gottes erfahren wird. Verblasst das kulturelle Gedächtnis, vermag es sich als Platzhalter fester Größen nicht mehr mit seiner kommunikativen Seite zu verbinden. Die Figuren der Transzendenz wären um ihre Dichte gebracht und verfehlten ihre Wirkung. 7 1

2 . 3 T R A N S Z E N D E N T E VERSUS IMMANENTE DETERRITORIALISIERUNG

Die bisher zusammengetragenen Qualitäten, welche die Kohäsion eines Imperiums zu gewährleisten haben, verdichten sich, um es nochmals zu pointieren, im absoluten Vorrang des opaken Seienden gegenüber dem disparaten Sein, der Transzendenz gegenüber der Immanenz, der Einheit des Glaubens gegenüber der Koexistenz der Glaubensbekenntnisse, der Identität von Staat und Religion gegenüber der Autonomie des Bewusstseins 72 : El Papa frente al César; D i o s frente al hombre; el realismo teológico frente al utop i s m o renacentista; la verdad divina frente a los fueros de la razón (Gallegos Rocafull 1946: 19).

Will man den diesen Diskursen und Bildern entsprechenden Rationalitätstypus in seiner spezifischen Selbstbegründung sowie im Verhältnis zu anderen Denkmodellen erfassen, erscheint es unumgänglich, objektivere Kategorien zu Rate zu ziehen. Auf diese Weise wäre es uns nicht nur möglich, den 71 Vgl. Fox (1987: 188). Exemplarisch lässt sich diese metaphysische Wandlung am ureigenen Objekt verfolgen. In der jungen zweiten Republik, am Vorabend des Bürgerkriegs, waren die Ressentiments gegen die Monarchie so stark, „that the names of all royal personages were expunged from Madrids theater marequees." Anteilnahme an dieser Bewegung hat die von Federico García Lorca und Eduardo Ugarte gegründete Theatertruppe La Barraca, zu deren Repertoire auch das in der Hauptstadt und Provinz aufgeführte klassische spanische Theater zählt. Obschon Lorca grundsätzlich auf der Integrität des Textes beharrt, streicht er in seiner Inszenierung von Fuenteovejuna die Episode um die von ihm verabscheuten Katholischen Könige ersatzlos. Da das Theater demokratischer Traditionen gedenken soll, weicht deren Souveränität dem Triumph des demos. 7 2 Mit Maravall (1970: 93-94) ist keinesfalls jene Säkularisierung zu verkennen, die unweigerlich auch im Herrschaftsbereich des Hauses Habsburg ihre Spuren hinterlassen musste. Gegenüber dem „retroceso en el proceso de la secularización política" (93) erlangt diese jedoch, wie Maravall selbst einräumt, angesichts der ihr entgegenwirkenden Resistenzen noch keine Dominanz.

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Aporien traditioneller Inferioritätsmuster zu entgehen, wie dem in der antispanisch-antikatholischen Polemik der leyenda negra ersichtlichen. Darüber hinaus wären wir im Stande, eine Brücke zu jenem literarischen Milieu zu schlagen, das sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert mit einem eindrucksvollen philosophischen Aufbruch in Spanien verbindet. Die Reformulierung von 'Immanenz' und 'Transzendenz', die Deleuze und Guattari in Hinblick auf die Konstitutionsbedingungen von Philosophie und Religion vorgenommen haben, erscheint zu diesem Zweck besonders einsichtig. Es gibt zahllose Wege, die von uns bewohnte Erde misszuverstehen. Doch alle Illusionen der Transzendenz scheinen in zwei Merkmalen übereinzukommen: Die Immanenz wird einer Person (einem zu Höchst gesetzten Seienden) zugesprochen, wobei der Versuch gemacht wird, dieselbe in ihrer unendlichen Bewegung zu begrenzen, die ihrer Öffnung eines Lebensraums zur Welt oder ihrer 'Deterritorialisierung'73 zuwiderläuft: Il y a religion chaque fois qu'il y a transcendance, Être vertical, Être impérial au ciel ou sur la terre, et il y a Philosophie c h a q u e fois qu'il y a une i m m a n e n c e [...] (Deleuze/Guattari 1991: 4 6 ) .

Mit der hier evozierten Verkettung von Rang- und Reichsordnung in einem zu höchst gesetzten Wesen, das sich auf ein Firmament oder ein Fundament projiziert, wird bereits das wesentliche Kennzeichen einer sich zur Erde hin öffnenden Transzendenz angedeutet. Anders als ihr immanentes Pendant, das vom Boden der Welt aus vorgeht, nimmt diese die Anstrengung auf sich, ihre Bewegungen vom höchsten Niveau aus ablaufen zu lassen, „suivant une composante céleste de la terre" (ebd.: 83). Wie die imperiale Einheit zeitliche und räumliche Asynchronien in sich aufnimmt und sie damit zwingt, auf der von ihr gegebenen Achse zu kreisen und sich so in Gleichzeitig- und Gleichräumigkeiten zu verwandeln, dreht sich das transzendente Element um sich selbst, wie Deleuze und Guattari darlegen, „pour s'inscrire sur le plan de la pensée-Nature toujours immanent" (ebd.: 83). Dieser Vorgang hat zur Folge, dass Phänomene der Natur als Chiffren einer außer- bzw. überweltlichen Macht gelesen werden, da ein solches Denken das Transzendente auf das Immanente überträgt. Zugleich werden die Konturen zwischen Immanenz und Transzendenz so unkenntlich gemacht, dass sie wie in den mystischen Kreis- und Vieleckbildern der Religionen ineinander zu verschwimmen scheinen.

73

Vgl. zur Defintion dieses Begriffs Cole (2002: XXIIf.).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' Le mandala est une projection sur une surface, qui fait correspondre des niveaux divin, cosmique, politique, architectural, organique, comme autant de valeurs d'une même transcendance (ebd.: 86).

Deleuze und Guattari erinnern auch daran, dass der deus absconditus eines Referenten bedarf, der den Schöpfer in der materiellen und immanenten Welt der Schöpfung nachbildet oder ihn, wie wir sehen konnten, in der Gestalt eines Monarchen zur Darstellung bringt. Infolgedessen ist allen Religionen mit der Dominanz der Figuren oder personaler Entitäten auch ein bildlich-analogisches Denken eigen, das sich in jeweils andersgestaltigen Formen Ausdruck verschafft. Konstitutiv fiir die Figur ist jedoch eine Referenz, die wie die von Foucault untersuchten ressemblances einer kreisförmigen Bewegung nachgeht: Dans tous ces cas, unité impériale ou empire spirituel, la transcendance qui se projette sur le plan d'immanence le pave ou le peuple de Figures (ebd.: 86). 7 4

Einem derartigen Vernunfttypus mag man auch das imperiale Spanien zurechnen, das sich mit seinem „Absolutismo confesional" überdies von rechtlich ähnlich begründeten Monarchien unterscheidet.75 So optierten Philipp II. und seine Nachfolger mit einer im Rahmen des historischen Aprioris durchaus folgerichtigen Logik für eine „identificación de España con el catolicismo, esto es, de erección del Estado español en campeón de la Contrarreforma y brazo armado de ella."76 Dieses Selbstverständnis der spanischen 74 Vgl. zum Artikel 'Figur' in: HWP (1971, 2: 948-951). In Etymologie und Begriffsgeschichte ist die lateinische figura eindeutig mit der Funktion verbunden, Menschen und Dingen ein Ebenbild zu geben. Einerseits ist figura ein Synonym für forma, das äußere Gestalt, Aussehen, Form und Erscheinung bezeichnet, andererseits wird es als das interpretiert, das der Bildhauer (fictor) herstellt. Kinder gleichen bei Lukrez ihren Eltern wie ein Urbild einem Abbild, wobei diese Qualität in der späteren Dichtung, so in den für die europäische Literatur des Mittelalters bedeutsamen Metamorphosen des Ovid, einen festen Platz einnimmt. In diesem Kontext steht jedoch der ganz auf die Ebenbildlichkeit Jesu ausgerichtete Gebrauch von figura in frühchristlichen und patristischen Texten im Vordergrund, auf den bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde. 75 Vgl dazu Caro Baraja (1978: 166-167) bzw. Eder (1949: 1-8). Auch wenn die Souveränitätslehre Bodins entgegen einer von Maravall beklagten „interprétation extrêmement volontariste" nicht weniger die Abhängigkeit der „puissance absolue" von den Gesetzen Gottes und der Natur hervorhebt als Vitória und andere spanische Theologen (vgl. dazu Maravall 1955, V: 167f.), darf bei allen Gemeinsamkeiten der absolutistischen Systeme und ihrer intertextuellen Bezüge eben nicht das Différente verkannt werden: So schreibt z. B. Padre Mariana expressis verbis, dass die „libertad de los cultos" die Quelle allen Übels sei. Eingedenk der Religionskriege könnten verschiedene Religionen in einem Königreich nicht miteinander koexistieren (Mariana: Del Rey y de la institución real, zit. nach Caro Baroja (1978: 166). 76 Aranguren (1962: 75-76). Dabei soll freilich nicht unterstellt werden, dass zwischen spanischer Krone, katholischer Kirche und Papsttum eine unproblematische Interessenidentität bestanden hätte. Vielmehr ist mit Heine (1984: 124-125) anzunehmen, dass Konflikte eher die

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Herrscher nimmt allmählich den Platz der göttlichen Vorsehung ein, sodass ihre irdischen Ziele mit den göttlichen verschmelzen. Das immanente Modell verdankt sich hingegen einer „déterritorialisation", welche unter Einschluss der aus den Imperien geflohenen Emigranten, Händlern und Handwerkern die Bildung eines Immanzmilieus mit unverwechselbaren Merkmalen erlaubt, wie sie wenigstens fiir die griechische Polis (und fiir die neuzeitlichen Metropolen) in einem „goût pour l'opinion, inconcevable pour un empire, un goût pour l'échange d'opinions, pour la conservation" besteht (Deleuze/ Guattari 1991: 84). Diese städtische Umgebung war freilich keine in sich ungefährdete Welt, in der es nicht auch blutige Rivalitäten gegeben hätte. Doch vermochte sie sich eine Immanenzebene zu schaffen, auf der philosophische Begriffe zu Ereignissen werden konnten und ein jeweils spezifisches Bild vom Sein entworfen wurde. 77 Denn im Unterschied zu den großen Reichen vollzieht sich hier eine relative, d. h. historisch fundierte Deterritorialisierung, die eine Verbindung mit der absoluten Deterritorialisierung der Immanenzebene eingeht, „qui porte à l'infini, qui pousse à l'absolu les mouvements de la première en les transformant (le milieu, l'ami, l'opinion)" (ebd.: 84). Auf dieser nun verdoppelten Immanenzebene wird nicht in Figuren oder gar in absoluten personalen Entitäten gedacht, sondern in Begriffen, deren sprachliche Dichte nur noch auf Konjugationen und Konnexionen beruht. 78

Regel waren. Im Vordergrund steht hier jedoch ein Katholizismus, der sich seit der Reformation mit seinen religiösen Abspaltungen konfrontiert sieht und die alte Glaubenseinheit auch mit militärischen Mitteln zurückzuerobern sucht. In dieser von der Transzendenz aus gedachten Auseinandersetzung, die aber auch recht immanente territoriale Interessen verfolgt, n i m m t Spanien auf der katholischen Seite den ersten Platz ein. 77

Vgl. Deleuze/Guattari (1991: 39-40): Der plan d'immanence ist die den Begriffen vorgelagerte Ebene oder gewissermaßen ein apriorischer Raum, den diese gemäß den jeweils geltenden Erkenntnisprinzipien in Regionen aufteilen und bevölkern: „C'est le plan qui assure le raccordement des concepts, avec des connexions toujours croissantes, et ce sont les concepts qui assurent le peuplement du plan sur une courbure toujours renouvelée, toujours variable. Le plan d'immanence n'est pas un concept pensé ni pensable, mais l'image de la pensée, l'image qu'elle se donne de ce que signifie penser, faire usage de la pensée, s'orienter dans la pensée..." 78 Vgl. dazu Deleuze/Guattari (1991: 21-37). Die von beiden Autoren vorgenommene Definition des Begriffes (concept), der von philosophischen, d.h. immanenten Voraussetzungen ausgeht, kann hier nicht erschöpfend erläutert werden. Wie es die Aufgabe der Philosophie sei, Begriffe und nicht Figuren hervorzubringen, so fundiert sich der Begriff auf der Frage, auf die er antwortet oder auf dem Problem, dem er sich stellt. Mit ihren eigenen Worten seien nur folgende kategoriale Segmente genannt : „Le concept est donc à la fois absolu et relatif : relatif à ses propres composantes, aux autres concepts, au plan sur lequel il se délimite, aux problèmes qu'il est censé résoudre, mais absolu par la condensation qu'il opère, par le lieu qu'il occupe sur le plan, par les conditions qu'il assigne au problème. Il est absolu comme tout, mais relatif en tant que fragmentaire. II est infini par son survol ou sa vitesse, mais fini par son mouvement qui trace le contour des composantes„ (ebd.: 26).

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Im Unterschied zu den Imperien oder Staaten, so Deleuze und Guattari mit Hinweis auf Piaton,79 hatte die griechische Polis als Ausgangspunkt der abendländischen Philosophie „l'agôn comme règle d'une société des 'amis', la communauté des hommes libres ent tant que rivaux (citoyens)" erfunden (Deleuze/Guattari 1996: 14). Somit konnte jeder beliebige Bürger das Recht für sich beanspruchen, als ebenbürtiger Partner bei den anderen Gehör zu finden und an den die Polis betreffenden Entscheidungen mitzuwirken. In diesem Bezugsrahmen stellte sich aber bald für die Philosophen das Problem, verbindliche Kategorien oder Ideen in der Form philosophischer Begriffe zu entwickeln, nach denen über die Fundiertheit differenter Ansprüche, Methoden oder Schulen ein Urteil gefällt werden muss. 80 In einem Reich, deren Idee sich von Palast, Hof und Krone über ein großes Territorium verbreitet, kommt es nicht philosophischen Begriffen zu, ein solches Votum auszuüben. 8 ' Da ist es allein dem Monarchen vorbehalten, die Rolle des obersten Schiedsrichters über den sozialen Klassen und divergenten Interessen einzunehmen, wie dies zumindest als Postulat in Theaterstücken der siglos de oro veranschaulicht wird. 82 Besonders seit dem 16. Jahrhundert hebt sich Spanien von seinen nördlichen Nachbarn Frankreich und England ab, wo sich die Philosophie eine in ihrer Breite und Autonomie zunehmend gewichtigere Immanenzebene zu erschließen vermag: Auch in Anknüpfung an Peter Gay ( 1977: 212-419), der Verbindungen von „the first enlightenment" der Antike zur Aufklärung der Neuzeit zieht, zeichnet Ira Wade eine zwar diskontinuierliche, aber doch erkennbare Linie von den gelehrten französischen Freidenkern ( libertins ), den satirischen und epikuräischen Poeten, den unzähligen Literaten der Reiseliteratur und den utopischen Romanciers bis zu den Deisten nach:

79

Deleuze/Guattari (1991: 14) bzw. Piaton: „Politikos" in: (1959, 268a, 279a).

In einem anderen Zusammenhang erläutert Deleuze (1997: 356) dieses dem Piatonismus abgewonnene Modell näher, in dem das Urbild gegenüber den Simulakren den Platz derartiger philosophischer Grundbegriffe einnimmt. 80

81 Vgl. Baker (1991: 36): „No se conoce en España, hasta el siglo XIX, ninguna idealización global de la ciudad como hábitat." 8 2 So liegt hier kein historisches Akzidens vor, wenn ähnlich den antiken Reichen auch dem spanischen ein Potential von zumeist hochqualifizierten jüdischen Emigranten entzogen wurde, die an der Bildung eines Immanzmilieus, wie etwa in den Vereinigten Niederlanden mitwirkten: „La emigración de los intelectuales españoles es una de los constantes de la historia de España. Emigrantes españoles en el siglo XV, emigrantes españoles en el siglo XVI, emigrantes españoles en el siglo XVII, colonias continuas de intelectuales españoles a lo largo de la historia de España, desde la expulsión de los judíos hasta la última emigración provocada por la guerra civil" (Tierno Galván 1967: 20).

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Never, in fact, had there been in E u r o p e in a single Century a dozen or so eminent philosophers c o m p a r a b l e in excellence to the philosophers o f that period: M o n taigne, Bacon, H o b b e s , Descartes, Gassendi, Pascal, Spinoza, Leibniz, M a l b r a n che, Locke, N e w t o n , Bayle, and Fontenelle. Philosophy u n d e r t o o k the solid formation o f a metaphysics, a physics, a morality, an aesthetic, a n d a m e t h o d o l o g y designed to introduce order, balance, and proportion into the living o f the time (vgl. dazu W a d e 1 9 7 1 : 6 5 6 ) .

In Frankreich wird diese historische Tendenz vornehmlich nach der Erfahrung der Religionskriege möglich, als sich der Staat eine Politik der religiösen Neutralität gegenüber Andersgläubigen auferlegt. Konträr zur spanischen Entwicklung macht er seine Einheit eben nicht vom einmütigen Bekenntnis aller Untertanen zu einer Religion abhängig, sondern vornehmlich von deren Ergebenheit zur weltlichen Macht. 8 3 Diese markante Tendenz in der französischen Geschichte wird nachhaltig von einem neuzeitlichen Souveränitätsbegriff bestimmt, mit dem der Jurist Jean Bodin die materielle und institutionelle Trennung von Temporalien und Spiritualien „zugunsten des formalen Zuhöchstseins der weltlichen Instanz" außer Acht lässt und in entscheidendem Maße die Kompetenz des Staates stärkt (vgl. H W P 1971, 9: 1104-1105). Die Eigenständigkeit der politischen Ordnung, „distinguido y regido por sus propias leyes", so Aranguren (1962: 75), setze sich zwar nicht 8 3 Hier wird nun verständlich, warum die geschichtlichen Voraussetzungen Spaniens — bei allen Ähnlichkeiten theologischer Grundpositionen - nicht mit denen Frankreichs, Englands oder Deutschlands korrespondieren können. Denn eine in der Tat andere Konsequenz aus den Erfahrungen der Religionskonflikte als jene, die Bodin als Angehöriger der politiques verficht (einer so von ihren katholischen und protestantischen Gegnern genannten dritten Partei, die in der religiösen Toleranz die Grundlage eines für alle Stände gedeihlichen Zusammenlebens sah), zieht etwa Saavedra Fajardo, wie sich an seiner Empresa 60.a ablesen lässt: „La religión, si bien es el vínculo de la república, como hemos dicho, es la que más la desune y reduce a varias formas de gobierno cuando no es sola, porque no puede haber concordia ni paz entre los que sienten diversamente Dios [...]. Las obligaciones de vasallaje y los mayores vínculos de amistad y sangre se descomponen y rompen por conservar el culto." Eine andere Option hätte möglicherweise eines der wichtigsten „cuatro pilares", „para cuya institución se instituyó la compañía civil" („la religión, la honra, la vida y la hacienda"), ins Wanken gebracht. Vgl. dazu auch Tierno Galván (zit. nach López Alonso/Elorza 1989: 112), der darauf hinweist, dass Texte europäischer Staatstheoretiker im Spanien des 17. und 18. Jahrhunderts zwar rezipiert, deren Systeme von der Scholastik jedoch absorbiert und damit in ihrer Wirkung eingeschränkt, wenn nicht wie die Bodins sogar verboten wurden: „La filosofía escolástica, poderosísma en España hasta el extremo de ser excluyente, se da por supuesta en lo que atañe a la reflexión política, hasta el punto que ningún teórico de la política como acción y como organización conexiona sistemáticamente su pensamiento con una base filosófica original. De este modo, nos encontramos un pensamiento político cuyos supuestos metafísicos quedan a otro nivel, el nivel de la metafísica teológica, muy distante y admitido sin crítica: en España no hay un sistema político-metafísico propio de uno u otro pensador, como ocurre con Bodino, Hobbes o Locke, sino un sistema metafísico homogéneo e indiscutible, y en otro plano muy distante, reflexiones sobre la vida y instituciones del Estado."

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in Widerspruch zu den religiösen Gesetzen, wie dies beim Machiavellismus der Fall sei. Aber sie trage zu einer solchen Festigung der Staatsmacht und zu dessen Gewaltmonopol bei, dass die im ausgehenden 19. Jahrhundert von der Republik beschlossene Trennung von Staat und Kirche auf einen für diesen Laizismus fruchtbaren Boden falle. In diesem Prozess erfährt die sich in ihrer zunehmend immanenten Bestimmung begreifende Nation eine Setzung, die zwar Anleihen an die Transzendenz macht, aber schon vor der Revolution auf politischen Begriffen beruht (Fehrenbach 1986). Das Paradigma des modernen Staates, nach dem der Souverän seine Entscheidungen in voller Unabhängigkeit, sans le consentement, von äußeren Mächten, wie Papsttum, aber auch von überkommenen Tribut- und Vasallitätsverhältnissen zu treffen hat, wird nun gleichfalls zum Modell einer Bewusstseinsautonomie und damit zur Grundlage einer philosophisch-literarischen Umgebung, die namentlich mit Descartes, „dem wahrhaften Anfänger der modernen Philosophie, insofern sie das Denken zum Prinzip macht" (Hegel 1979, 20: 123), einen spekulativen Habitus und noch mehr eine neue epistemologische Ordnung begünstigen musste. Es ist dies ein Vorhaben, die Wirklichkeit der Objektwelt allein auf die Wirklichkeit des Denkens zurückzuführen und dabei einen in die äußerste Abstraktion gebannten Gott zu bemühen, der auf Grund seiner Güte nicht zur böswilligen Täuschung fähig ist. Grundlage dieses Denkens ist daher auch nicht mehr die Autorität der Schrift, deren Wahrung der Scholastik obliegt, sondern die Mathematik, die über ihre ureignen instrumentalen Gründe hinaus „in einem naheliegenden Sinne als Mittel formaler Geistesschulung" beansprucht wird. 84 Wie immer man auch die unleugbaren Gefahren einschätzen mag, 85 die dem reinen Denkakt, dem in seiner Präzision begründeten wissenschaftlichen Blick sowie den sich so formierenden philosophischen Begriffen innewohnen, so bilden diese dennoch die entscheidende Voraussetzung fiir die Kritik an der Unfehlbarkeit religiöser Dogmen und schließlich auch an der königlichen Allmacht. Unter diesem Aspekt ist auch die von Deleuze und Guattari (1991: 82-108) umrissene Geophilosophie zu beurteilen, wie sie, um auf Braudel zurückzukommen, im französischen Fall bezeichnenderweise eine unverkennbare mentale Disposition hervorgebracht hat. So bestehe die kulturelle Be8 4 Vgl. Rod ( 1 9 8 2 : 7 4 bzw. 7 5 ) . „[So] besteht die Funktion der Mathematik darin, Mittel zum Aufbau der Physik zu sein, die ihrerseits die Voraussetzung rationaler Wirklichkeitserkenntnis im materiellen Bereich und darauf gestützter Wirklichkeitsbeherrschung ist." 8 5 Vgl. Toulmin ( 1 9 9 7 ) . In dieser epistemologischen Lektüre der Neuzeit hat Toulmin untersucht, wie die Grundlinien des neuzeitlichen Denkens und der in ihm festgehaltene Pluralismus der Renaissance (Montaigne) durch das von Descartes verfolgte Denkmodell in seiner beständigen Suche nach Gewissheit reduziert und vergröbert werden.

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Sonderheit Frankreichs in einer zwischen Reformation und Gegenreformation oszillierenden Unentschiedenheit, der beständigen Suche nach einem eigenen Weg, dem Anstoß zu geistiger Unabhängigkeit von Montaigne bis zu Voltaire und darüber hinaus - alles in allem Tendenzen, welche ohne die zunehmende Verwundung der Kirche nicht so folgenreich hätte sein können (Braudel 1986, 2: 182f). André Glucksmann hat im Anschluss an Braudel den Versuch unternommen, diese Identität im europäischen Koordinatensystem zu definieren: D u point de vue panoramique, se déploie une France 'longue' ; à l'aube des Temps modernes, à la croisée de l'Europe du Nord, réformée, et de l'Europe latine, catholique et baroque, elle s'invente une nouvelle manière de penser et de vivre (Glucksmann 1 9 8 7 : 6 1 ) .

Gerade aber unter diesem Blickwinkel wird die Evidenz von der besonderen und wie scheinbar unbestrittenen Katholizität Spaniens durch die im historischen Apriori eingeschriebenen Machtprämissen eingeholt und das in diesem Kulturmodell enthaltene Potential (auch bezüglich einer Kritik am neuzeitlichen Rationalismus) zunichte gemacht: Denn, wie Aranguren in seinen Ausführungen darlegt, versiegt mit der Gegenreformation die Energie jener tiefen, spekulativen Theologie, die zu den innovativsten ihrer Zeit gehört. Mit Las Casas, Franscisco Suârez, Francisco de Vitoria und anderen Scholastikern der Schule von Salamanca entsteht lange vor den Toleranzdebatten der französischen Aufklärung (vgl. Schlüter 1992) ein ganzer Katalog von Rechtspostulaten: Erste Grundlagen des Völkerrechts werden geschaffen, das Recht auf Eigentum formuliert; die Selbstbestimmung politischer Gesellschaften gegenüber weltlichen und geistlichen Mächten wird ebenso gefordert wie das Recht auf Tyrannenmord und der Anspruch, sich gegen illegitime Herrschaft aufzulehnen. Diese weitreichenden Erörterungen, an denen Krone, Missionare, Theologen und Rechtsgelehrte teilnehmen, machen ersichtlich, dass von der Ebene der Transzendenz aus — auch in der Neuzeit noch - bewegende Erkenntnisse über die immanente Welt möglich sind. 86 Auch der spanischen 86 Vgl. dazu Dempf (1961), bes. Kap. II und IV. Diese Theologen kommen in dieser Hinsicht dem nahe, was Deleuze und Guattari (1991: 72) über die Männer einer Transzendenz oder eines Glaubens, wie Pascal und Kierkegard ausführen. Sie gehören zu denen, die nicht mehr so sehr der transzendentalen Existenz Gottes Beachtung schenken, sondern nur noch den unendlichen immanenten Möglichkeiten, „qu'apporte l'existence de celui qui croit que Dieu existe." So kann mit Castellote Cubells ( 2 1982) auf die Modernität des Suarez und seiner Grundlegungen verwiesen werden. Dieser hat sich in seiner Defensio Fidei Catolicae (1613) übrigens auch als Verfechter des Primats der Spiritualien gegenüber den Temporalien dem von anglikanischen Theologen vertretenen Anspruch der englischen Könige (des Staatskirchentums unter Jakob I.) widersetzt, als irdische Repräsentanten Gottes zu figurieren. In seiner 1612 erschienenen Schrift De Legibus hebt er demgegenüber noch vor Rousseau hervor, dass der Staat auf

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Mystik, die „eine theologische Poetik, ja eine theozentrische Metaphysik der Künste" (Briesemeister 1991: 192-225, vgl. dazu Curtius 1984: 530-540) entfaltet hatte, ist mit der Verfolgung der alumbrados und iluminados kein besseres Schicksal beschieden.87 Die relative Freiheit des Denkens, wie sie noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Spanien Bestand hatte, entschwindet und mit ihr jener „vie religieuse intense et créatrice", die zwischen dem 16. und dem Ende des 19. Jahrhunderts eine große spirituelle Verkümmerung erfährt (Bennassar 1992: 66-67). In dem Maß, wie die religiösen Ausdrucksformen und Bilder in Spanien jeden Bezug zur „évolution de la pensée scientifique" einbüßen (ebd.: 68), verlieren sich auch die von Deleuze und Guattari genannten Bedingungen philosophischen Räsonierens. Unschwer lassen sich so Aufschlüsse über die von ihnen aufgeworfene Frage erhalten, warum mit Frankreich, England und Deutschland nur drei Länder jeweils kollektiv imstande waren, in der neuzeitlichen kapitalistischen Welt eine philosophische Tradition zu schaffen und nicht etwa Spanien oder Italien.88 In Ubereinstimmung mit den von Aranguren und Abellán angestrengten Überlegungen (Abellán 1989, 5/2: 19-43 bzw. Aranguren 1970: 15-19) habe es, so die Hypothese von Deleuze und Guattari, in Spanien an einem für die Philosophie unabdingbaren Milieu gefehlt, so dass die spanischen Denker 'Kometen' geblieben und zudem bereit gewesen wären, diese ihre 'Kometen' auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen (Deleuze/Guattari 1991: 99). 89 Bestätigt wird dieser Befund von einem Gesellschaftsvertrag beruhen müsse, der der Zustimmung des Volkes bedarf: „La potestad civil, por ser y naturaleza, reside en la misma Comunidad" (zit. nach Abellán 1979, 2: 626). Mit Deleuze und Guattari ist aber zu vermuten, dass das Christentum vornehmlich über den von ihm geschaffenen Atheismus philosophische Begriffe hervorzubringen vermag (Deleuze/ Guattari 1991: 88-89). 87 Vgl. dazu Andres (1994: 3 l 4 f bzw. 461). Vgl. auch Wehr (1995: 161). Desgl. Reynaud (1997: 127-132). Eben der Umstand, dass sich der vormalige Aufschwung der Mystik „gegenläufig zur Erprobung der Selbstbehauptung der Vernunft, zu den Säkularisierungstendenzen, zu den rationalistischen Denkansätzen und Lebensentwürfen in der zeitgenössischen Philosophie, aber auch in den Erfahrungswissenschaften im übrigen Europa" vollzieht (Briesemeister 1991: 197), ist .kein Zeichen von Rückständigkeit gegenüber Westeuropa, sondern macht vielmehr einen spezifischen Rationalitätstypus augenfällig. 88 Vgl. dazu Habermas (1987). In diesem Zusammenhang ist vor allem die von Habermas im Gefolge von Kant getroffene kategoriale Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Meinung bedeutsam, mit dem das von Deleuze und Guattari beschriebene Milieu philosophischen Diskurrierens in der Neuzeit seinen soziologischen Unterbau erhält: Das autonome Bewusstsein des Individuums habe Instanzcharakter in der kulturräsonierenden Öffentlichkeit erlangt. Diese sei schließlich zum Organisationsprinzip des bürgerlichen Rechtsstaates mit parlamentarischer Regierungsform geworden. Vgl. dazu Dann (1981). Desgl. zur Entwicklung des öffentlichen Diskurses in Deutschland: Ruppert (1984: 104-194). 89 Vgl. dazu auch Windelband (1912: 7): „Erst mit der neueren Philosophie treten die besonderen Charaktere der einzelnen Nationen maßgebend hervor, während sich die Traditionen

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dem jüdisch-portugiesischen Gelehrten Isaac Cardoso (1615-1680), der sich, wie Abellán schreibt, nicht von ungefähr in der Republik Venedig niedergelassen hatte. Der athenischen Polis nicht unähnlich, war in dieser für das 18. Jahrhundert ungewöhnlich freien Umgebung ein „estado laico" zu Hause, dem daran gelegen war, „de restringir el poder eclesiástico y proteger la filosofía y las ciencias" (Abellán 1989, 5/2: 375). In Kenntnis der venezianischen Freizügigkeit, aber wohl auch der Unduldsamkeit der heimischen Umgebung schickt Cardoso seiner Schrift Philosophia libera eine Widmung voraus, die im wesentlichen die von Deleuze und Guattari bestimmten Kriterien über die Konstitution des Immanenzmilieus vorwegnehmen: L a libre sabiduría necesita de una libre república: la libertad de espíritu

(anima-

rum libertas) q u e ha hecho insignes a quienes gracias a ella han sabido conservar la patria incólume, introduciéndose en las nobles mentes, abre la vía para hacer salir la verdad d e la obscuridad y para librar las ciencias del y u g o de la servidu m b r e , para q u e el asenso sea p r o m o v i d o no por la secta sino por la razón, y la verdad sea c o n f o r m a d a por el juicio y no por la o p i n i ó n preconcibida. D o s son las cosas admirables q u e exaltan a nuestra Serenísima y a la eximia república, siend o celebrados con las alabanzas de todos los hombres: la sabiduría y la libertad; ellas son las q u e pusieron los f u n d a m e n t o s d e la ilustre ciudad, las q u e hicieron desarollarse el estado, y las q u e ahora le mantienen c o m o milagro del orbe (zit. nach Q u i r o z - M a r t í n e z 1 9 4 9 : 2 8 ) .

In diesem Zusammenhang verdient die Tatsache Beachtung, dass der Cartesianismus seit dem 17. Jahrhundert mit seinen wissenschaftlichen und mathematischen Aspekten zwar auch in Spanien rezipiert, „su significación revolucionaria desde el punto de vista filosófico" jedoch zumeist ignoriert wurde (vgl. dazu Abellán 1989, 5/2: 345). Dabei war diese philosophische Bewegung bereits in ihrer Bezeichnung als „idea siniestra" desavouiert, welche die Orthodoxie zur Abschreckung vermeintlicher oder tatsächlicher Nachahmer schlichthin allen innovatorischen Strömungen in der Philosophie zuschrieb (Quiroz-Martinez 1949: 145, vgl. auch Abellán 1989, 5/2: 345) und damit eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem analytischen Rationalismus erder mittelalterlichen Scholastik am kräftigsten und selbständigsten in Spanien und Portugal erhalten, liefern Italiener, Deutsche, Engländer und Franzosen die Anfangsbewegungen der neueren Wissenschaft, welche ihren Höhepunkt in der klassischen Periode der deutschen Philosophie gefunden hat. Diesen vier Nationen gegenüber verhalten sich die übrigen in der Hauptsache nur empfangend." Auch für Valera (1949, 2: 1493) ist die Philosophie in Spanien aus historischen Gründen auf vereinzelte Ausnahmen beschränkt: „El Santo Oficio cortó las alas al ingenio filosófico de los españoles, los divorció de las más elevada manifestación del espíritu moderno y los dejó como ciegos y sordos para ver y entender, y como paralíticos o baldados para servir el gran movimiento científico de Europa en el siglo XVII." In einem anderen Zusammenhang fügt er hinzu: „La filosofía en España es esporádica y no endémica. No estamos inficionados de ella; pero se dan casos aislados y dispersos" (Valera 1949, 2: 1651).

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Schwerte, wenn nicht gar blockierte. Wie sehr Scholastik und Rhetorik hingegen noch bis zum 19. Jahrhundert die Grundlagen des spanischen Kultursystems bestimmten und ihm einen „marcado carácter 'literario'" verliehen, wird auch aus dem Umstand ersichtlich, dass die Verschränkung theologischer und wissenschaftlicher Studien bis 1843 zur akademischen Norm gehörte und erst zwölf Jahre später, „por vez primera separada de filosofía y letras", eine eigenständige naturwissenschaftliche Fakultät ihre Tore öffnete (Peset 1992: 35). Doch lassen die auch von Bennassar kenntlich gemachten Defizite Spaniens in den naturwissenschaftlichen Disziplinen keinesfalls auf kollektive Begabungen schließen, wenn hier die Rede ist von „les plus célèbres des Espagnols" als „artistes (architectes, peintres, sculpteurs, orfèvres, musiciens), des écrivains, des religieux (théologiciens, mystiques, missionnaires, fondateurs de grands ordres) [...], [plus] rarement encore des savants (sauf en médecine) et des ingénieurs" (Bennassar 1992: 3). So muss konstatiert werden: C e peuple qui s'est m a g n i f i q u e m e n t exprimé dans l'exportation d u m o n d e , dans l'invention verbale, la quête et la représentation d e la beauté o u la recherche d u surnaturel n'a q u e faiblement participé à la maîtrise de la nature et d e ses lois (ebd.: 3 - 4 ) .

Vielmehr steht zu vermuten, dass der cartesianische Erkenntnistypus die Immanenzebene mit Begriffen besetzt, die den Rahmen der in Spanien herrschenden Transzendenz gesprengt und in der Autorität des göttlichen Seienden auch die spirituelle Macht des vicario de Dios als Wahrer der Einheit von Imperium und Glauben beschädigt hätten. Was im „In-Gang-Bringen der Metaphysik ... durch einen eigentümlichen Einsprung der eigenen Existenz in die Grundmöglichkeiten des Daseins im Ganzen" (Heidegger 1986: 42) geschieht, hätte den im Unsichtbaren wirkenden Gott von seinem menschlichen Referenten getrennt und den Zauber der ineinander verwobenen Instanzen zerstört. Die sich in der Höhe vollziehende Deterritorialisierung wäre wieder auf die Erde gebannt und damit auch auf die verschütteten konfessionellen Gegensätze, die regionalen Unterschiede und die sozialen Klassifizierungen seines Territoriums zurückgezogen worden. Um die Dichte der Referenzen zu erhalten, mit denen das göttliche Signifikat zu Körperlichkeit und Repräsentation gebracht wird, bedarf es hingegen einer Nomenklatur, deren Ideen sich kraft inkarnierter Ideale vermitteln, d.h. sprachlicher Begriffe, deren Abstraktionsgrad vornehmlich durch die Verwandtschaft zu bekannten historischen oder religiösen Figuren erhebliche Einschränkung erfährt.90 Luis 9 0 Vgl. dazu z. B. B. Gracián in seinem 1637 erschienen Traktat El héroe, in dem er „sich um die Ausmalung eines schwer oder gar nicht erreichbaren Zieles bemüht", die menschliche

D i e k a t h o l i s c h e Einheit u n d ihre historischen G r e n z e n

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de León gibt diesem Vorgang, der die Ebenbildlichkeit Gottes als Urbild aller Vorbilder nachzeichnet, eine paradigmatische Wendung, wenn er im Wissen Gottes die Ideen und Gründe von allem, in der Seele Christi jedoch die Kenntnis aller Künste und Wissenschaften vorfindet. 9 ' Gerade in dieser Beziehung unterscheiden sich Figuren und BegrifFspersonen voneinander: Die einen errichten eine kodifizierte majestätische Referenz zwischen der Sprache und den Dingen, während die anderen ausschließlich in der Welt der Sprache wirken.92 Nach Deleuze und Guattari beschreiben Begriffspersonen die Ausdrucksform eines Philosophen oder eines Schriftstellers bzw. dessen Zugang auf das von ihm auszuarbeitende concept und damit dessen spezifische Bedingungen auf der Immanenzebene93, [car] ils marquent alors les dangers propres à ce plan, les mauvaises perceptions, les mauvais sentiments ou même les mouvements négatifs qui s'en dégagent, et vont d'eux mêmes inspirer des concepts originaux dont le caractère répulsif reste une propriété constituante de cette philosophie (Deleuze/Guattari 1991: 62).

Somit sind BegrifFspersonen weder Repräsentanten des Schreibenden noch eine imaginierte Ebenbildlichkeit seiner oder einer idealisierten Person, Vollkommenheit und die für dieses Ziel notwendigen Voraussetzungen eines erfolgreichen Lebens. Hier soll nur von Interesse sein, dass er diese idea a u f große Vorbilder, wie „el monarca de los héroes, primera maravilla de las animadas del orbe y el cuarto de los Filipos de E s p a ñ a " festlegt u n d d a m i t Ideen z u m Abbild von Figuren macht. Vgl. Flasche ( 1 9 8 2 , 2: 6 5 5 ) . Luis de León ( 1 9 8 6 : 2 0 2 ) : „ E n el saber de D i o s están las ideas y las razones de todo, y en esta a l m a el conocimiento de todas las artes y sciencias. D i o s es fuente de t o d o el ser, y el alma de Cristo de todo el buen ser, quiero decir, de todos los bienes de gracia y justicia con que lo que es se hace justo y bueno y perfecto; p o r q u e de la gracia q u e hay en El m a n a toda la nuestra." An anderer Stelle erklärt Luís de León ( 1 9 8 6 : 1 5 5 - 1 5 6 ) die Metaphysik seines N a m e n s begriffes, der z u m M o t o r der von ihm ausgearbeiteten Dialektik geworden ist (vgl. G u y 1985: 123). In G o t t seien zwar alle D i n g e enthalten und diese wiederum hätten ihr Wesen in ihm. G o t t habe aber alle Kreaturen nach seinem Ebenbild erschaffen habe, so dass sich die gesamte S c h ö p f u n g in Abstufungen aufteile. D i e Ähnlichkeit nehme in d e m M a ß e zu, wie sich die D i n ge G o t t annäherten: „Consiste, pues, la perfección de las cosas en q u e cada uno de nosotros sea un m u n d o perfecto, para que por esta manera, estando todos en mí y yo en todos los otros, y teniendo yo su ser de todos ellos, y todos y cada uno dellos teniendo el ser mío, se abrace y eslavone toda esta máchina del universo, y se reduzga a unidad la m u c h e d u m b r e de sus diferencias; y q u e d a n d o no mezcladas, se mezclen; y permaneciendo muchas, no lo sean; y para que, extendiéndose y c o m o desplegándose delante los ojos la variedad y diversidad, vença y reyne y p o n g a su silla la unidad sobre todo. L o cual es avezinarse la criatura a D i o s , de quien m a n a , que en tres personas es una esencia, y en infinito número de excellencias no compréhensibles, una sola perfecta y senzilla excelencia." 9 2 Vgl. dazu die von Curtius zusammengestellten rhetorischen Bilder aus Antike und Mittelalter, die d e m begrifflichen S c h e m a einer ontologischen R a n g o r d n u n g der Wertpersonentypen folgen (Curtius 1984: 1 7 6 - 1 9 0 ) . 9 1 Als Beispiele nennen die Autoren Deleuze/Guattari ( 1 9 9 1 : 6 0 - 8 1 ) das Cogito, das in den Meditationen des Ichs hervortritt, oder der (neue) Idiot Dostojewskis, der das Absurde anders als seine Vorgänger will und der Zeit z u m Trotz an einer absoluten Liebe zu Christus festhält.

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sondern lediglich sein Heteronym, wie der Name des Philosophen das bloße Pseudonym seiner Person ist und nicht sein erhabener sprachlicher Spiegel. Eben in dieser Spannung zwischen BegrifFsperson und Figur scheinen sich auch die Differenzen zwischen Rationalitätstypen mitzuteilen, die das spanische vom französischen Kultursystem seit dem 17. Jahrhundert zumal voneinander trennen. Wie Deleuze und Guattari an anderer Stelle bemerken, sei das spanische Milieu für die machtvolle Entwicklung eines Concettismo gedeihlicher gewesen, „c'est à dire ce compromis catholique du concept et de la figure, qui avait une grande valeur esthétique mais déguisait la philosophie, la détournait sur une rhétorique et empêchait une pleine possession du concept [philosophique]" (ebd.: 99). Indem die spanische Barockliteratur es aber vermied, in Metonymen auf das poetische Objekt hinzudeuten und es statt dessen mittels einer subtilen Metaphorik in Beziehung zu anderen sprachlichen Zeichen zu setzen, gelang es ihr „los dogmas intraspasables de la Contrarreforma" zu umgehen (Gullón, R. 1993, 1: 363). Auf Grundlage von Vergleichen, Allegorien, Rätseln, Antithesen und vor allem Bildern konnten die conceptos das philosophische Denken in verhüllende Formen kleiden, die den Erfordernissen der herrschenden Transzendenz Rechnung trugen (ebd.: 364). So zeigen sich vor allem bei dem auf Grund seiner enigmatischen Wortkunst verkannten wie geschätzten Góngora, dessen moderne Vielfalt an Perspektiven, Bildern und sprachlichen Verknüpfungen den Symbolismus ebenso beeinflussen sollte wie den Surrealismus 94 , Erfahrungsmomente eines „secularizing process that slowly invades a divinizing current present in the early work of the poet" (Hutton 1988: MO).95 In diesen Bewegungen der Schrift zwischen Begriff und Figur, Immanenz und Transzendenz oder Imagination und Realität scheint sich eine verwirrende Logik abzuzeichnen: Einerseits will sich diese nur widerstrebend aus einer als göttlich empfundenen Kosmologie ver-

9 4 Vgl. dazu Alborg (1967, 2: 505-509). Die poetische Sprache Góngoras schaßt sich Spielräume, indem sie der Dichte der ontotheologischen Ordnung ihre eigene Dichte entgegensetzt, wie sie mit Guillén (1962: 69) nur dem Material des Marmors eigen sein kann: „Imágenes y metáforas, como si fuesen el propio lenguaje de la poesía, no son ornatos sino la materia poemática, su mármol. No creamos decorativos los elementos en realidad constructivos." 9 5 Historiographien mit deutlicher Affinität zur Literatursoziologie haben die Qualitäten der im conceptismo festgehaltenen Diskursarten häufig genug unterschätzt, was besonders für den culteranismo gilt, der inzwischen von der Forschung weitgehend als Variante des conceptismo betrachtet wird. Vgl. dazu z. B. Blanco Aguinaga/ Rodríguez Puértolas (1979, 1: 326): „No se trata de negar que Góngora dejó algún romance, alguna letrilla, varios sonetos de convencional belleza barroca y cortesana; [...] Proponemos, sin embargo, [...] al tratar de la importancia de Góngora ha de tenerse en cuenta la posibilidad de que su aventura estética haya sido un gran fracaso [...]."

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abschieden, während andererseits aber erste Schritte unternommen werden, um jene Schätze, „die an den Himmel verschleudert worden sind, als Eigentum der Menschen [ . . . ] zu vindizieren" (Hegel 1979, 1: 208).

2 . 4 D I E BILDUNG EINES

PHILOSOPHISCH-LITERARISCHEN

I M M A N E N Z M I L I E U S IM S P A N I E N D E R R E S T A U R A T I O N S E P O C H E

Mögen Differenzierungen wie die zwischen Figur und BegrifFsperson auch lediglich typologischen Ansprüchen genügen, so geben sie uns doch wesentliche Anhaltspunkte für den traditionellen Vorrang, den das concetto in Spanien gegenüber dem Begriff einnimmt. In „the predominance of theology over philosophical interest" (Marias 1967: 205) bestätigen sie zumindest das von uns skizzierte historische Apriori der katholischen Einheit, das letztlich erst im 19. Jahrhundert seine Geltung zu verlieren beginnt. Deleuze und Guattari (1991: 92) haben mit dem Blick auf die griechische Antike zu Recht darauf hingewiesen, dass philosophisches Denken eher von Milieu und mentaler Umgebung, von disparatem Werden und geographischen Bedingungen abhängt als von ereignis- oder ideengeschichtlicher Kontinuität. So ist es zwar zutreffend, dass das zeitgeschichtliche Ereignis der Gegenreformation der scholastischen Tradition in Spanien so förderlich ist, dass sich diese seit ihrem Niedergang singularisiert und jede Verbindung zur sich entfaltenden neuzeitlichen Philosophie Westeuropas aufgibt, „and so the vigorous movement did not become incorporated into the new metaphysics" (Marias 1967: 206). Zur allgemeinen Einsicht ist ebenfalls die Formel geworden, dass die spanischen Scholastiker nach dem Tod von Francisco Suärez (1617) mit zunehmend theozentrischen Vorstellungen auf einen philosophischen Rationalismus reagieren, der seit der Spätrenaissance in England und Frankreich zum neuen Paradigma wird (Cascardi 1992: 239). Auch ist es wohl richtig, dass in den folgenden Jahrhunderten gerade spanische Gelehrte immer wieder mit Warnungen vor der Philosophie Descartes' auf sich aufmerksam machen, welche die spirituellen Grundlagen ihres katholischen Landes zu erschüttern droht (Israel 2002: 3). Unter diesen Verhältnissen konnte eine religiöse Literatur Spaniens einen Aufschwung erleben, „[der] gegenläufig zur Erprobung der Selbstbehauptung der Vernunft, zu den Säkularisierungstendenzen, zu den rationalistischen Denkansätzen und Lebensentwürfen in der zeitgenössischen Philosophie, aber auch in den Erfahrungswissenschaften im übrigen Europa erfolgt" (Briesemeister 1991: 197). Doch diese und ähnliche Momente geben nur Einblick in eine geistige Umwelt, in der philosophische Begriffsbildung ebenso wenig gedeihen konn-

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te wie der Habitus einer gewissen intellektuellen Eigenständigkeit, wie sie zu diesem Zweck naturgemäß erforderlich ist. Die neuere historische Forschung hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass das spanische Imperium nicht auf Grund seiner transatlantischen und pazifischen Ausdehnung schon Aufschluss über die Befindlichkeiten der geistigen und politischen Eliten Spaniens gibt. Nur auf der Repräsentationsebene werde das imperiale Projekt seinem spanischen Namen gerecht, nicht aber in Hinblick auf technologische Kompetenzen und finanzielle Ressourcen, die andere Länder diesem multinationalen Unternehmen beisteuerten: E n realidad, E s p a ñ a era un país pobre q u e dio el salto a la condición imperial p o r q u e a cada paso recibió la ayuda del capital, la experiencia, los conocimientos y la m a n o d e o b r a d e otros pueblos asociados ( K a m e n 2 0 0 3 : 5 5 9 ) .

So sei Spanien ein in sich eher geschlossenes Gebilde gewesen, dessen Bewohner sich kaum, wie Zeitzeugen des 16. und 17. Jahrhunderts belegen, einem Austausch mit anderen Kulturen öffnen und überdies wenig Handelsgeist beweisen. 96 Das Unvermögen, einen imperialen Diskurs zu formulieren, „esto es, de crear un entendimiento entre los pueblos basado en una comunicación, una lengua y unos intereses compartidos" (Kamen 2003: 559), komme einem 'Schweigen Pizarras' gleich. In Wirklichkeit seien es die großen europäischen Handelshäuser gewesen, die dem imperialen Unternehmen die notwendige materielle Konsistenz verleihen (ebd.: 559). Anders dagegen jene Städte der späten Renaissance, die sich in Oberitalien, an den Küsten der Niederlande und Deutschlands zu Handelsnetzen verbinden und vom geraubten Reichtum der Neuen Welt profitieren. Nicht von ungefähr findet philosophisches Räsonnement hier ein neues Athen, eine soziale Heimat oder ein Immanenzmilieu. Hier lassen sich die Anfänge jener laizistischen „western intellectual tradition" (vgl. Bronowski/Mazlish 1963: 39-47) verorten, die Jahrhunderte später auf Grundlage französischer Anleihen, der afrancesados, als Fremderfahrung auf der iberischen Halbinsel Fuß fassen sollte. Von diesem analogen Gesichtspunkt ausgehend stellen Deleuze und Guattari (1991: 95) die antike Philosophie der Griechen in eine Verbindung mit der griechischen Polis wie die moderne Philosophie in Bezug zu jenem neuartigen System kapitalistischen Wirtschaftens, ohne das eine Entdeckung der Imma-

9 6 Vgl. Ringrose (1996: 137), der auf den mangelhaften Transfer zwischen den Kolonien und dem privaten Handel in der Metropole verweist: „The collapse of the Spanish empire revealed that much of ist colonial trade had little to do with the peninsular economy. While crucial to the treasury and the merchants of Cádiz, colonial trade was only beginning to be important for peninsular agriculture and industry. Thus, when the Indies trade collapsed, Cádiz and the Crown were crippled, but other peninsular commerce was more resilient."

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nenz nicht denkbar gewesen wäre. Im Zusammenlauf zweier Arbeitsströme werden die bislang an ein Territorium gebundenen Kräfte der Natur auf eine so radikale Weise entfesselt, dass 'freie' Maschinenarbeiter in den Fabriken Bauern und Landarbeiter ablösen. Die Naturalwirtschaft hatte die Menschen an die Scholle gebunden, an einen in sich relativ geschlossenen Kosmos, der sich auf Grund einer genügsamen Lebensweise kaum verändert und statisch bleibt. Als Schicksal oder Gegebenheit war die Lebenswelt empfunden worden, nicht als Milieu, das sich von anderen abhebt oder öffnet, Menschen ein- bzw. ausschließt. Mit dem Fluß von Human- und Finanzkapitalien stehen nicht mehr so sehr die Erde und ihre Produkte im Blickpunkt ökonomischer Interessen als vielmehr der menschliche Körper, aus dem Zeit und Arbeit herausgeholt werden (vgl. Foucault 1997: 32). Angesichts dieser Dynamik kapitalistischen Wirtschaftens bildet sich etwa in den Vereinigten Niederlanden auch eine geistige Umgebung (vgl. Israel 2002: 3f), in der sich der philosophische Rationalismus im Zeichen Baruch Spinozas (1632-77) neue Konzepte erschließt. Die Reterritorialisierung, mit der sich die Arbeitsströme immer neue Räume aneignen und nationale Märkte hervorbringen, vollzieht sich nicht mehr über ein imperiales Zentrum, sondern über die Städte als wirtschaftliche Mittelpunkte, als Agora. Beinahe wie eine Synthese lesen sich jene Beobachtungen, mit denen Marx diese weitaus flexiblere Ordnung an der Stagnation vorangegangener Wirtschaftsformen misst. Keine andere Epoche wie die bürgerliche zeichne sich durch eine unaufhörliche Umwälzung der Produktion, eine ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, eine ewige Unsicherheit und Bewegung aus. Alle festen, eingerosteten Verhältnisse seien ebenso wie alle althergebrachten Anschauungen in Auflösung begriffen, während neue ebenso rasch vergehen wie sie enstanden seien. Alles Ständische und Stehende verdampfe, alles Heilige werde entweiht ( M E W 1980, 4. 465). Auch in Spanien wird diese neue Zeit Einzug halten (vgl. Martínez Cuadrado 1991: 220-224). Zwischen 1780 und 1930 vollzieht sich der Wandel seiner ökonomischen Strukturen zunächst eher zögerlich, dann aber doch kontinuierlich (vgl. zu diesem Thema bes. Ringrose 1996). Unvermindert dominiert in dieser Zeit zwar immer noch die Landwirtschaft (vgl. Tuñon de Lara 1972: 159), wobei im Süden des Landes die von Landarbeitern bewirtschafteten Latifundien einflussreich bleiben, in Nord- und Zentralspanien grundbesitzende Kleinbauern und Großgrundbesitzer den Ton angeben. In Asturien, Katalonien sowie im Baskenland hat die Industrialisierung seit 1840 mit der Eisen- bzw. Texilindustrie und dem Kohlebergbau erste Brückenköpfe in das alte Agrarland geschlagen. Eisenbahnstrecken verbinden ur-

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Jenseits v o n a l t e m G o t t u n d ' N e u e m M e n s c h e n '

bane Zentren miteinander, so dass das Netz am Ende des 19. Jahrhunderts bereits 14.000 Kilometer umfasst (Abellán 1989, 5/1; 53). Tiefgreifende Veränderungen sind auch in Hinblick auf die demographische Struktur zu vermerken: Die Gesamtbevölkerung beläuft sich um 1900 auf mehr als sechzehneinhalb Millionen Menschen. Ist sie bereits seit 1877 um zwei Millionen angewachsen ist, fällt der rapide Bevölkerungszuwachs der Großstädte umso stärker ins Auge. 97 Die Summe der hier nur flüchtig skizzierten Veränderungen schafft in Spanien jene Voraussetzungen, die Deleuze und Guattari fiir das begrifflichphilosophische Denken annehmen: In dieser Zeit, die als „un siglo de dinamismo" (vgl. Shubert 1991: 11-84) in Historiographien bzw. als „edad de plata" in die Literatur- und Wissenschaftsgeschichte eingehen wird, sind ähnliche Erscheinungen und Brüche zu konstatieren, wie wir sie weiter oben skizziert haben. Unter den neuen ökonomischen Bedingungen des Kapitalismus als einer immanenten Axiomatik dekodierter Ströme, die sich im nationalen Markt reterritorialisieren und im bürgerlichen Nationalstaat ihre Realisierungsmodelle finden, erschließen sich der Philosophie Institutionen, Schulen, Medien und Repräsentanten. Die Zivilisation der Städte bildet mit der Geselligkeit ihrer Ateneos (Científicos Literarios y Artísticos), Bildungsinstanzen und Vortragsforen ein von Freundschaft und Rivalität geprägtes Immanenzmilieu. Offizielle Statistiken belegen bereits für das Jahr 1879 eine Zahl von 544 Periodika, von denen sich 146 der politischen Presse zurechnen, wobei bis 1900 ein diesbezüglicher Anstieg auf 1.347 zu verzeichnen ist (Ortiz 2000: 6). Zeitschriften wie die Revista de España (1868-1895), in der zahlreiche Artikel führender Intellektueller wie Francisco Giner de los Ríos, Gumersindo de Azcárate und Urbano González Serrano erscheinen, bilden die seinerzeit herrschenden philosophischen Strömungen ab.98 Diese neue mentale Umgebung ist der neuen bürgerlichen Ordnung insoweit förderlich, als sich ihr Diskurs von jener imperial-theologischen Souveränität abhebt, deren materielle Grundlage mit dem allmählichen Verlust der Kolonien ohnehin im Schwinden begriffen ist. Auch in diesem Sinn richtet das Immanenzmilieu seinen Blick auf jenes avancierter und fortschrittlicher erscheinende Europa, in dem sich das neue Ordnungsprinzip bereits durchgesetzt hatte. Die Euro-

9 7 V g l . auch zu anderen Städten T u ñ o n de Lara ( 1 9 7 2 : 158) bzw. Shubert ( 1 9 9 1 : 7 0 - 7 2 ) . M a d r i d verdoppelt seine Einwohnerzahl in der Zeitspanne von 1 8 5 7 bis 1 9 0 0 von 2 8 1 . 1 7 0 a u f 5 3 9 . 8 3 5 , wohingegen die der katalanischen H a u p t s t a d t gar von 1 7 8 . 6 2 5 auf 5 3 3 . 0 0 0 Bürger anwächst. 9 8 Eine ähnliche, wenn auch weniger langlebige B e d e u t u n g n i m m t die Revista Europea ( 1 8 7 4 - 1 8 7 9 ) wahr, in der das gebildete Publikum an zahlreichen Debatten der frühen Restaurationsepoche teilnehmen konnte (vgl. D e l g a d o González 1983).

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päisierung Spaniens, wie sie von Franzbach ( 1 9 8 8 ) zu Recht für die sogenannte Generation von 1 8 9 8 angenommen wird, war bereits von den Aufklärern auf die Tagesordnung gesetzt worden (Marias 1967: 2 7 1 0 - Besonders jene Generation, die nach Martínez Cuadrado ( 1 9 9 1 : 4 9 2 ) den Zeitraum zwischen 1 8 6 8 und 1 8 9 8 umfasst, wendet sich der deutschen Philosophie zu. Bestand die Mehrzahl der im 18. Jahrhundert wirkenden Autoren noch aus Klerikern (Domínguez Ortiz 1 9 7 6 : 4 9 0 ) , so hat sich inzwischen eine bürgerliche Bildungsschicht mit eigenständigen Interessen und wachsenden Ansprüchen auf eine intellektuelle Führungsrolle herausgebildet." Diese sucht den Einfluss des traditionellen Klerus in den Urbanen Zentren zu verdrängen, um von diesem Lebensmittelpunkt aus Transzendenz und Religion zum Gegenstand öffentlichen Räsonierens und literarischen Erzählens zu machen. 1 0 0 Im Krausismus, der in den sechziger und siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts Hegemonie im Kreis der liberalen Intellektuellen erlangt, findet dieses Bild des Denkens auch eine weithin akzeptierte Schule mit einer in ihrer Essenz antidogmatisch-ökumenischen Theologie (vgl. besonders Martin Buezas 1977). W i r beschränken die Chronik dieser stark ethisch-pädagogisch begründeten Bewegung auf wenige Eckdaten, mit denen sich ihre institutionelle Verankerung als Gegengewicht zu Staat und Kirche verbindet. Diese wiederum liest sich wie eine Geschichte, in deren Verlauf sich Begriffe und Ideen einer philosophischen Tradition ein neues Territorium erobern, um dabei eine neue Deutung und Wertigkeit zu erfahren: Der Jurist und Philosoph Julián Sanz del Río ( 1 8 1 4 - 1 8 6 9 ) wird 1 8 4 3 von der spanischen Regierung zum Studium der Philosophie nach Heidelberg geschickt, wo er sich bei Heinrich Ahrens mit dem in Deutschland kaum beachteten System des deutschen Philosophen Karl Christian Friedrich Krause ( 1 7 8 1 - 1 8 3 2 ) , eines Zeitgenossen Hegels, Fichtes und Schellings, vertraut macht. E l f Jahre später erhält er den R u f auf den Lehrstuhl für Philosophiegeschichte an der Universität Madrid. M i t seiner akademischen Tätigkeit will er die philosophischen Studien erneuern und die Hegemonie der Neuscholastik in Spanien brechen. Höhepunkt

9 '' Vgl. Casanova ( 1 9 9 3 : 106). Bezeichnerweise sinkt die Zahl der Kleriker trotz eines starken demographischen Zuwachses auf dramatische Weise von 2 0 0 . 0 0 0 im Jahre 1808 auf 5 6 . 0 0 0 im Jahre 1860, „a telling indicator o f the extent to which the church had lost its presence in Spanish society." 1 0 0 Nach Botrel ( 1 9 7 4 : 133) konzentrieren sich die Leser in den Städten „por la predominancia de los alfabetizados [...], la renta más elevada y el sistema de distribución." Madrid und Barcelona sind im Verlagswesen an erster Stelle, wobei der Durchschnittswert der Alphabetisierten 1 8 7 7 bei 2 4 , 6 8 % gelegen hätte, in Madrid jedoch bei 6 4 , 2 7 % und in der Stadt Barcelona bei 5 0 , 0 3 % .

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dieser Anstrengungen ist die Übertragung von Krauses Arbeit Das Urbild der Menschheit, die 1860 unter dem Titel Ideal de la humanidad para la vida erscheint und alsbald zur Referenzlektüre der liberalen Intelligentsia wird.'01 Die Antwort der katholischen Amtskirche auf diese Erklärung intellektueller Unabhängigkeit erfolgt prompt: Das Buch wird auf den Römischen Index gesetzt, was es gerade bei den spanischen Gläubigen unter den Verdacht der Häresie stellt. Die Bemühungen der Krausisten, den modernen wissenschaftlichen Geist der Epoche mit der bisherigen Staatsreligion im racionalismo armónico (vgl. dazu Sanz del Rio 1872) zu versöhnen, scheitern an der Unduldsamkeit der um ihren Einfluss bangenden konservativen Geistlichkeit und der römischen Kurie: Die Kampflinie zwischen den Anhängern des Klerus und den liberalen Kräften tritt umso deutlicher hervor wie das Immanenzmilieu die Gefahr einer Restauration der Scholastik wittert und eine unverminderte Monopolstellung der Kirche in der Gesellschaft beklagt (vgl. Sala y Villaret 1877). Angesichts der antimodernistischen Tendenzen von Kurie und spanischer Amtskirche sind die zeitgenössischen Debatten weithin von der Frage bestimmt, wie diese Institutionen der Integration des bürgerlichen Gemeinwesens zu dienen haben und Resistenzen zu neutralisieren seien, „[pues] por elevada que sea su misión espiritual, la Iglesia existe en el Estado y debe estar sometida en los asuntos temporales, lo mismo que toda persona física ó moral que vive en su seno" (Serrano 1876: 476). Es geht um den Bedeutungstransfer von einer Kirche des Absolutismus zu einer unsichtbaren Kirche, die dem individuellen Gewissen der Gläubigen und der Zweckrationalität der Bürger Rechnung zu tragen hat, „porque no hay nada absoluto sino Dios y la razón, su representante en la tierra" (Serrano 1876: 178 bzw. 188). Die Religion habe, so ein Kommentator der neuen Verfassung, „la más alta expresión de la conciencia y de la razón del hombre" zu sein (ebd.: 192). Die eher im Verborgenen wirkende Verdunklung des Glaubens scheint dabei selbst aus dem Blickfeld der scharfsinnigen Zeitgenossen zu geraten, weil sie den unmittelbaren politischen Tagesinteressen entzogen ist. So unterscheidet der Führer der Liberalen und spätere Regierungschef José Canalejas y Méndez (1854-1912) zwischen einer antiklerikalen Opposition und einer grundsätzlich antireligiösen Einstellung: ,01 Diese schöpferische Seite Sanz del Ríos ist in letzter Zeit allerdings zunehmend in Frage gestellt worden. Vgl. dazu Ureña (1988), der die Entdeckung gemacht hat, dass das Ideal de la Humanidad im Grunde auf einer direkten Ubersetzung zweier Abhandlungen beruht, die Krause im Jahre 1811 in dem von ihm herausgegebenen Tagblatt des Menschheitlebens veröffentlicht hatte. Weitere Arbeiten Sanz del Ríos sind Lecciones para el sistema de filosofia analitica de Krause (1850), Sistema de filosofia; Metafisica (Primera parte, Análisis, ¡860; Segunda parte; síntesis (1874), Análisis del pensamiento racional (1877) Filosofìa de la muerte (1877).

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N o existe problema religioso en E s p a ñ a . . . . Lo que hay es un problema clerical, un problema de absorción de la vida del Estado, de la vida laica, social, por los elementos clericales (zit. nach Martí Gilabert 1991: 86).

Der Dualismus von Dies- und Jenseits ist zwar dem Monismus der einen und einzigen von Menschen bewohnten Welt gewichen. Die Zeitgenossen sehen sich jedoch mit einer ideologischen Teilung der Gesellschaft in zwei politische Lager konfrontiert, die erst mit der Gründung sozialistischer und anarchistischer Gruppen allmählich in zahlreiche miteinander zerstrittene Parteiungen zerfallen. Bereits vor der liberalen Revolution hatte die Krone Verfahren gegen prominente liberale Hochschullehrer wie dem späteren Präsidenten der ersten Republik Emilio Castelar y Ripoll (1823-99) erwirkt, der in revolutionären Periodika die verkommene Amtsführung der herrschenden Monarchin Isabella (1830-1904) beanstandet und alsbald zu einem der bekanntesten Protagonisten der republikanischen Sache in Spanien werden sollte. Mit dem Jahr 1867 bahnt sich eine Auseinandersetzung an, die als Cuestión universitaria zum frühen Paradigma einer sich entwickelnden Zivilgesellschaft in Spanien werden wird (vgl. dazu Giner de los Ríos 1967). Sanz del Río wird seiner Professur enthoben. Ein Jahr später folgen Nicolás Salmerón (1837-1908), Fernando de Castro (1814-74) und Francisco Giner de los Ríos (1839-1915), die sich seinerzeit allesamt der krausistischen Schule angeschlossen hatten. Der Streit hält auch dann noch unvermindert an, als die Republik mit ihren weitreichenden utopischen Projekten gescheitert ist (1873) (vgl. Jover Zamora 1991) und die Monarchie unter Alfons XII. restauriert wird (1874-75). Lehrmeinungen, die als Kritik an Krone und Katholizismus betrachtet werden, finden an spanischen Universitäten ebenso wenig Duldung wie deren Repräsentanten, zu denen vor allem die krausistischen Professoren gehören. Eine große Entlassungswelle erfasst 1875 die Hochschulen, von der auch Giner de los Ríos, Gumersindo Azcárate und Nicolás Salmerón betroffen sind. Da die Freiheit der Lehre an den öffentlichen Universitäten andauernde Beeinträchtigungen erfährt, gründen die entlassenen oder von Suspendierung bedrohten Professoren unter der Führung von Francisco Giner de los Ríos im Mai 1876 die laizistische Institución de Libre Enseñanza, deren Wirkung über die zweite Republik hinaus andauert.' 02 Erst als der Füh102 Vgl. dazu Díaz (1977: l49f) „[...] al espíritu institucionista, entendido en toda su dimensión eminentemente liberal, se debe la imagen moderna intelectual de la España pequeño burguesa, reformista, y en la mayor parte de sus personalidades representativas, democrática [...]. De la institución brotaría ramas más o menos autónomas y otras que terminaron por desgajarse de ella [...]." Hier ist vor allem das von Menéndez Pidal geleitete Centro de Estudios Históricos zu nennen, in dem Americo Castro, Navarro Tomás, Federico de Onís und Sánchez-Albornoz tätig werden sollten: „La proyección institucionista se vincula con la regeneracionista

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rer der liberalen Partei, Práxedes Mateo Sagasta ( 1 8 2 5 - 1 9 0 3 ) , im Z u g e des 'turno pacífico' 1881 zum Premierminister ernannt wurde, konnten die Hochschullehrer ihre alten Lehrstühle wieder einnehmen. Inner- wie außerhalb der approbierten Lehranstalten hatte die Freiheit der Lehre allgemeine Anerkennung gefunden. Z u m M o t o r einer modernen Pädagogik geworden geht die Institution auf Distanz zur katholischen Kirche, „[considerándola] c o m o un organismo periclitado y carente de futuro" (Martí Gilabert 1991: 38). Ahnlich verhält es sich auf der anderen Seite mit katholischen Kreisen, die den avancierten Auffassungen der neuen Einrichtung in Philosophie und Wissenschaft mit offener Feindseligkeit gegenüber treten. Akzentuiert äussern sich diese Differenzen in Hinblick auf den Religionsunterricht an staatlichen Schulen, der dem M o n o p o l des Klerus unterstellt ist. D i e liberalen Akademiker und Intellektuellen rügen die Vorstellung, dass Toleranz nur gegenüber einer Religion, der katholischen, eingefordert werde und postulieren stattdessen „la tolerancia religiosa, no escéptica e indiferente, de la simpatía hacia todos los cultos y creencias, consideradas cual formas ya rudimentarias, ya superiores y aun sublimes, c o m o el cristianismo, pero encaminadas todas a satisfacer sin d u d a en muy diverso grado - en el que cada cual de ellas es posible — , según su cultura y demás condiciones, una tendencia inmortal del espíritu h u m a n o " (zit. nach Martí Gilabert 1991: 37). Der Argwohn, dass die klerikalen Dunkelmänner selbst überall ihre H ä n d e im Spiel haben und geheime Ränke schmieden, sitzt tief und will über das E n d e der Restaurationsepoche ( 1 9 3 1 ) hinaus nicht verstummen. Im Verhältnis zur Kirche lassen sich alle gesellschaftlichen Konflikte wie in einem Brennglas zusammenfassen. S o lässt Canalejas y M é n d e z - wohl auch vor d e m Hintergrund des Gesetzes zur Trennung von Staat und Kirche in Frankreich — noch 1906 in einem Programm verlauten: El clericalismo nos sustrajo a la solidaridad civilizadora con los pueblos cultos, sin que nos diéramos cuenta; grave pecado de distracción en que todos, absolutamente todos, incluso los republicanos y radicales, incurrimos. [...] Se ingirieron los cátedras, en las academias, en el Ejército, en la Administración: llegaron a las Sillas Episcopales los frailes de las órdenes más intransigentes; extendió su esfera de acción, dilatándola sin ruido, pero con eficacia, el jesuitismo por la tierra y por la mentalidad españolas [...] (zit. nach Suárez Fernández/Andres-Gallego 1981: 438).

(J. Costa), alcanza a Pérez Galdós [...] e influye en los noventaiochistas Azorín, Baroja, el primer Maeztu, el segundo Valle Inclán, Antonio y Manuel Machado y otras figuras como Juan Ramón Jiménez, Ortega y Gasset, Pérez de Ayala, Salvador de Madariaga, Manuel Aznar, Pedro Salinas, Jorge Guillen [....]."

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Das gesamte Gemeinwesen sei durchsetzt von Kräften der Kirche, die ihre Gegner in allen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen bekämpfen: E n el Ejército hay elementos clericales q u e alardean, no d e fervor religioso, sino d e fanatismo. Y no d i g á m o s c ó m o está la Magistratura, [ . . . ] ni las condiciones en q u e se encuentra el profesorado, ni el fermento clerical q u e se desarrolla en todas las esferas de la Administración pública (ebd.).

Zwischen den Fronten ist mit der Verfassung von 1876 zwar ein unausgesprochener Waffenstillstand eingekehrt, der den letzten Carlistenkrieg gegen die spanische Zentralmacht (1873-76) beendet. Doch wie unvermittelt der schwankende Frieden jener „época dorada de la burguesía española" (Cornelias 2003: 285) in eine explosive Situation umschlagen kann, zeigt sich etwa bei der Uraufführung des Dramas Electra von Pérez Galdós, dessen antiklerikales Sujet Studenten und Intellektuellen 1901 eine passende Gelegenheit bietet, ihren aufgestauten Unmut gegen den Klerus öffentlich kundzutun. 103 Trotz dieser angespannten Atmosphäre zwischen den beiden Lagern entsteht - den französischen Lumières nicht unähnlich - eine intellektuelle Streitkultur, mit der sich eine tiefgreifende Veränderung in den Mentalitäten abzeichnet (vgl. Beyrie 1992: 659-703). An dieser partizipieren Freunde wie Gegner des Immanenzmilieus, ungeachtet des tiefen Risses, der sich gerade in Hinblick auf die Rolle der Kirche auftut. Gerade weil sich die laizistischen Intellektuellen zu allgemeinen Fragen äußern und sich dabei zu einem nicht unwesentlichen Teil zum juristischen Berufstand zählen, sind sie im Sinne Foucaults universelle Intellektuelle und damit auch Rivalen des Klerus um die geistige Führung in der Gesellschaft. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Gesinnung arbeiten Philosophen, Literaten, Kritiker und Historiker an denselben Zeitschriften mit, um Argumente und Gegenpositionen miteinander auszutauschen:

103 Vgl. Marti Gilabert (1991: 76). Nach dem Ende der Aufführung kam es im Publikum zu einem wahren Tumult, „por una parte, de ¡mueran los jesuitas! ¡viva la libertad! Y por otra ¡vivan los jesuitas! ¡muera Galdós!" Vgl. auch Finkenthal (1980: 134-136) ist der aufgehetzten politischen Atmosphäre nachgegangen, in der dieses Drama von Pérez Galdós 1901 aufgeführt wurde und vor allem in Kirchenkreisen einen unglaublichen Skandal verursachte. Die geradezu klassische Konstellation für die aufklärerische Wirkung von Literatur, wie sie eingeschränkt an Diderots La religieuse erinnert, besagt, dass ein junges Mädchen gegen den Willen ihrer Mutter von den Jesuiten zum Eintritt in ein Kloster bewegt wurde. Die Parallele zu Don Salvador Pantoja, der in mystischer Liebe zur jungen Electra entbrannt ist und deren Zuneigung zum Ingenieur Máximo durch eine Intrige aus diesem Grund zerstören will, ist freilich frappierend. Vgl. Elizalde ( 1974, 291: 582-589) hat den Einfluss von Azorfn und Maetzu auf die Aufführung des Dramas untersucht, die sich hundertmal in Madrid und hundertachtzigmal in Paris wiederholte. Der Erfolg war seinerzeit so beträchtlich, dass sich bald eine gleichnamige literarische Zeitschrift gründen sollte.

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Cándido Nocedal, ultramontano a marcha martillo, publica en la misma revista que saca a luz los últimos razonamientos de Gumersindo de Azcárate contra el despotismo eclesiástico, el tradicionalista Manuel Alonso Martínez y el racionalista Francisco de P. Canalejas cuentan, al menos en principio, con idénticos lectores; y Marcelino Menéndez Pelayo no tiene inconveniente en dar a sus escritos el mismo cobijo que reciben los del espiritista vizconde de Torres, a quien en otro lugar, y con sobrada justicia, estigmatiza como plagioso (zit. nach Llera Esteban

1991:403). Dennoch lässt sich dieses Bild einer ohnehin trügerischen Ruhe der spanischen Grabengesellschaft nicht auf die Immanenzebene selbst übertragen. D e n n anders als die Bekenntnisse der christlichen Gemeinde, die als „Ausdruck des denkenden Glaubens" ( T R T 1983, 5: 168) in sich unumstösslich sind, verschafft die Immanenzebene den Begriffen ebenso wenig ein gefestigtes Fundament wie diese zu vollends abgeschlossenen Definitionen zu erstarren vermögen. Formuliert die Immanenzebene selbst ein Bewegungsprinzip, das d e m Denken entsprechend den Problemen der Zeit eine bestimmte Ordnung gibt, sind philosophische Konzepte gleichsam Wellen, die sich heben u n d senken. Ständig in Bewegung begriffen, u m neue Variationen ausfindig zu machen und sich ein weiteres Territorium zu erschließen, gleichen Begriffe, wie 'Gott' oder 'Mensch', 'Fortschritt' oder 'Werden', Schiffen und Barken, die bekannte und neue Routen ansteuern: Obwohl unabwendbar miteinander verstrickt ringen in ihnen die Anteile theologischer und philosophischer Transzendenz miteinander. Gerade der Gottesbegriff wird im Diskurs katholischer Sprecher mit den Argumenten der Philosophie (vgl. Orti y Lara 1879), von Seiten der Krausisten zudem mit Hilfe theologischer Bilder diskutiert. Unter diesen Umständen kann die Anschaulichkeit eines theistischen Gottesbildes keinen festen Bestand mehr haben, d a es sich auf Voraussetzungen gründet, die inzwischen entfallen sind. A u f dem fragilen Boden der Philosophie sind es Begriffe, die Konnexionen in der Sprache bilden bzw. diese zerstören, ,,[as] difference is not organised around a transcendent object such as G o d or the king, [but] is homogenised from within" (Colebrook 2 0 0 2 : 49). Stellt sich die Barockliteratur mit der D o m i n a n z von Figuren und Projektionen vertikaler Macht vornehmlich als Dichtung oder gebundene Rede dar, deren „Welt- und Menschenbild als Mittelpunkt den Gottesglauben der Kirche" hat (Curtius 1984: 549), so werden sich diese klassischen Formen unter den Bedingungen bürgerlicher Lebensart und Kultur in eine romanhafte Prosa verwandeln, die, wie zu sehen sein wird, Allianzen mit der modernen Philosophie eingeht.

Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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2 . 4 . 1 D I E A U F L Ö S U N G DES T H E I S T I S C H E N G O T T E S B I L D E S

Auch jene überlieferten Hoheitszeichen, in denen sich das Göttliche dem Menschen bislang als „der Lenker der Geschichte (Mk 1332 R 9 2 0 f ) , der Richter über alle (Mt 410 R 2 5 f f ) . der Schöpfer (Mk 1319 R819-21), der Herr der Welt (Mt 1125 Apg 1724)" offenbart hatte, bleiben davon nicht verschont ( B H H 1962: 588). Was faktuales, mehr noch fiktionales Sprechen umfasst, gilt für die darstellende Kunst im besonderen Maße, wie Hegel dies problematisiert: Indem nun der Verstand G o t t zu einem bloßen Gedankendinge gemacht, die Erscheinung seines Geistes in konkreter Wirklichkeit nicht mehr geglaubt u n d so den G o t t des Gedankens von allem wirklichen Dasein abgedrängt hat, so ist diese Art religiöser Aufklärung notwendig zu Vorstellungen u n d Forderungen g e k o m men, welche mit der Kunst unverträglich sind. Wenn sich aber der Verstand aus diesen Abstraktionen heraus wieder zur Vernunft erhebt, so tritt sogleich das Bedürfnis nach etwas Konkretem und auch nach d e m Konkreten, das Kunst ist, ein (Hegel 1976, 1: 4 8 8 ) .

Die Umrisse einer stimmigen Gestalt des Seienden, die sich vom vergöttlichten Menschen zeigen und das Bedürfnis seines irdischen Pendants nach einem Gegenüber erfüllen, entbehren angesichts einer fortschreitenden Rationalisierung der Welt an Glaubwürdigkeit. Das Denken will sich einer als obsolet anerkannten Figürlichkeit entledigen, die aber konstitutiv für die mimetische Kunst, erst recht aber für den Glauben an die Ebenbildlichkeit des Göttlichen ist: D i e christliche Religion selbst enthält allerdings das M o m e n t der Kunst in sich, aber sie hat im Verlaufe ihrer Entfaltung zur Zeit der Aufklärung auch einen Punkt erreicht, a u f welchem der Gedanke, der Verstand das Element verdrängt hat, dessen die Kunst schlechthin bedarf, die wirkliche Menschengestalt und Erscheinung Gottes (Hegel 1976, 1: 4 8 8 ) .

Obschon ein durch Protestantismus und Aufklärung geläutertes Christentum nach Hegel die höchste Stufe der Religion erreicht, kann die romantischchristliche Kunst keine Manifestationen des Absoluten mehr herausbilden: Eher scheint sich der Schwerpunkt der Kunstarten im historischen Prozeß von der Architektur und Skulptur auf Malerei, Musik und Poesie zu verlagern, so dass es nach Hegel (1976, 1: 579) nichts helfe, „sich vergangene Weltanschauungen wieder aneignen zu wollen", die dem Werk eines Homer, eines Sophokles, eines Dante oder eines Shakespeare noch zugrunde liegen. Dass mit der Materialität der Bilder auch die Vorstellungskraft schwindet, die diese einerseits zur Voraussetzung hat, andererseits aber immer wieder

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

aufs Neue entfacht, ist mit Hegel nicht auf ästhetische Gründe zu reduzieren. Wie wäre es denn überhaupt möglich gegen die eigene Uberzeugung wieder katholisch zu werden, „wie es in neueren Zeiten der Kunst wegen viele getan [haben], um ihr Gemüt zu fixieren", anstatt sich „ihrer sicher und in sich zuversichtlich sein" (ebd.) zu können? Jene Einheit von Bedeutung und Gestalt, die gerade fur die Repräsentation des Göttlichen unverzichtbar wäre, ist undenkbar geworden, weil sich das Absolute auf einen allgemeinen Ausdruck gebracht nicht mehr in historisch überholt erscheinenden Figuren aussagen kann. Was Groethuysen (1978, 1: 192) mit der Säkularisierung des Gottesbildes anspricht, dass das Numinose allenfalls, „als metaphysische Hypothese, als Grand Géomètre, als [ferner] Schöpfer der Welt, als Wohltäter des Menschen, als moralisches Postulat [...]" erscheint, heißt im Grunde, dass sich Gott zunehmend in ein Abstraktum verwandelt hat und nur noch sein Name, sein Signifikant, erhalten bleibt. Dieses gehaltlos gewordene Bild entspricht dem Weltbild einer Immanenz, in dem sich der Mensch seines Sündenbewusstseins entledigt hat. Ein persönlicher Gott, der als herrischer Vater Gnaden- und Gunstbeweise nach Belieben zu gewähren wusste, hat seine autoritativen Ansprüche verwirkt. Eine ontotheologische Tradition ist in Frage gestellt, die diesen mit den anthropomorphen Attributen eines herrscherlichen (weltlichen) Subjektes zu bedenken pflegt, um aufbegehrenden Massen Furcht einzuflössen, wie dies schon Baruch Spinoza (1870: 71) beklagt hatte: Endlich ist ebenso wenig auffallend, dass die heiligen Bücher überall so unpassend von G o t t sprechen, ihm Hände, Füsse, Augen, Ohren, Verstand und Bewegung geben und selbst Gemüthsbewegungen, wie Eifersucht, Mitleid, und dass sie ihn als einen Richter schildern, der im H i m m e l wie auf einem königlichen Throne sitzt und Christus zu seiner Rechten hat. Sie sprechen da nach der Auffassung der Menge, welche die Schrift nicht gelehrt, sondern gehorsam machen will (Spinoza 1870: 189).

Der philosophische Gegenentwurf zu diesem hierarchischen Modell der Transzendenz ist die Rückführung „der Gottesidee, Gott als Schöpfer, als Regierer [...] in die Natur" (Bloch 1985, 3: 117). Die Entdeckung der Immanenz wäre nicht möglich gewesen ohne „das stärkste System der Diesseitigkeit, das in der Neuzeit überhaupt erschienen ist" (ebd.). Im Gegenzug zur Dominanz des Transzendenten erscheint der Rationalismus Spinozas als zwingende Konsequenz, als „der wesentliche Anfang alles Philosophierens" (Hegel 1979, 20: 164-165). Er vollzieht einen Paradigmenwechsel von der Bewusstseins- zur Raumphilosophie, der noch auf den spanischen Krausismus, jener zwitterhaften Spielart pantheistisch und ontotheologisch geprägten Denkens, seine Schatten werfen wird. Gedacht wird Gott als „die inne-

D i e katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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wohnende, nicht aber die überlegende Ursache aller Dinge" (Spinoza 1975: 50), da „alles, was ist, in Gott [ist]" und durch ihn begriffen werden müsse. Demnach ist Gott „eine Substanz, welche aus unendlichen Attributen besteht, von denen ein jedes ewiges und unendliches Sein ausdrückt" (ebd.: 23). Indem Spinoza in Leib und Seele Attribute einer einzigen Substanz erblickt, die er als „jenes ewige und unendliche Sein, das wir Gott oder Natur nennen" (Spinoza: 1982, 191), bezeichnet, kommt dem kreativen Raum selbst ein ungeheuerer dynamischer Erkenntniswert zu. In diesem entfalten sich divergierende Energien, die wie im Widerstreit menschlicher Affekte miteinander in Rivalität treten und um Einfluss ringen. Was sich bisher eher in der beziehungslosen und abstrakten Eindeutigkeit moralischer Kategorien mitgeteilt hatte, wird nun erst im Ergebnis bestimmter Verbindungen sichtbar. Ist Gott „beim Cartesius bloßer Erkenntnißgrund", so hat er sich hier zu einem Realgrund verwandelt (Schopenhauer 1977, 5: 28), an dem alle Menschen auf Grundlage subjektiver und objektiver Anschauungsformen teilhaben. Das von Hegel diagnostizierte Schwinden göttlicher Ikonen ist aus dieser Sicht nur allzu gut zu begreifen. Er erklärt sich aus jenen radikalen Veränderungen, denen die „lebensgeschichtlichen Bedingungen des menschlichen Daseins" (Heidegger 1985: 147) in der strukturienden Einheit des Gevierts ausgesetzt sind. Die wechselseitige Spiegelung eines himmlischen und irdischen Monarchen war auf der Grundlage einer Immanenz erfolgt, die sich auf einer transzendenten Ebene reprojiziert hatte: Nach dem Modell der Gottesebenbildkeit bildet sich ein System von Ähnlichkeiten als harmonische Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos (vgl. Foucault 1966), in dem sich das Göttliche stets als perfekter Archetypus, das Menschliche hingegen als defizitäres Abbild darstellt. Mit der „Vergöttlichung der Natur", die sich gegen die theistische Theologie richtet (Bloch 1985, 3: 117), erhält das Spiegel-Spiel des Gevierts, wie Heidegger (1985: 172) die wechselseitige Spiegelung der jeweiligen Elemente in einer Weltgegend benennt, eine völlig andere Wertung. Wie das Minus vor einer mathematischen Klammer verlagert sich der Schwerpunkt von den transzendenten zu den immanenten Anteilen, vom Himmel zur Erde, von den Göttlichen zu den Sterblichen, so dass eine harmonische Abbildung der Welt auf der Immanenzebene nicht mehr möglich erscheint. Zu einem Teil der Erde geworden, ist der göttliche Spiegel zerbrochen, so dass die Urbild-Abbild-Relation dem Verhältnis von Subjekt und Objekt weicht, das in der Interaktion jedes einzelnen Individuums wieder kehrt und unausgesetzt neue Rollenzuordnungen schafft. Die Einheit des Seins muss in dem Maße zerbrechen, wie diese keine Garantie mehr in einem höchsten Seienden findet. Seitdem sich mit Hölderlin und Nietzsche der

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

„Streit u m d i e E i n h e i t der V e r n u n f t i n d e r V i e l h e i t d e r S t i m m e n " ( H a b e r m a s 1 9 8 9 : 1 5 3 - 1 8 6 ) v e r s c h ä r f t , r i c h t e t sich d e r kritische Blick a u c h a u f d e n m o n o t h e i s t i s c h e n G o t t e s g l a u b e n . D e r e n Z e r f a l l i n einzelne G o t t h e i t e n als „der P r o t o t y p des S e i e n d s t e n u n t e r d e m S e i e n d e n " ( S c h u l z 1 9 9 1 : 5 4 ) liegt e b e n s o in d e r Z e i t e r f a h r u n g w i e die K r i s e des M o n o t h e i s m u s . ' 0 4 D i e p o l i t i s c h e n I m p l i k a t i o n e n , die sich aus d e r P a r t i z i p a t i o n aller S e i e n d e n a m G ö t t l i c h e n ergeben, hat S p i n o z a seinerzeit s c h o n hellsichtig anges p r o c h e n : D i e absolutistischen

Monarchien

stützen sich a u f Z w a n g

und

P r i e s t e r b e t r u g , 1 0 5 so dass e i n e d e m o k r a t i s c h e O r g a n i s a t i o n des G e m e i n w e s e n s zur h i s t o r i s c h e n N o t w e n d i g k e i t w i r d . 1 0 6 I m S i n n m u s s er dabei gewiss a u c h d i e H e i m a t seiner F a m i l i e g e h a b t h a b e n , d i e z u m Z e i t p u n k t i h r e r F l u c h t n o c h spanische P r o v i n z w a r . 1 0 7 D e r u n m i t t e l b a r e E i n f l u s s seiner E r k e n n t n i s lehre u n d E t h i k a u f d i e iberische H a l b i n s e l b l e i b t in d e r Folgezeit a b e r z u n ä c h s t v e r h a l t e n 1 0 8 u n d ist bisher n u r i n A n s ä t z e n v o n d e r F o r s c h u n g a u f g e a r beitet (vgl. D o m i n g u e z 1 9 8 5 ) . 1 0 9 S o steht z u v e r m u t e n , dass ein breiteres Interesse an S p i n o z a erst m i t d e r R e z e p t i o n des d e u t s c h e n Idealismus e r f o l g t , d e r sich „an S p i n o z a s P h i l o s o p h i e d e r e i n e n S u b s t a n z o r i e n t i e r t " (Lucas 1 9 8 5 :

104 Vgl. Nietzsche (1999, 3: 490): Während im Polytheismus die Freigeisterei und Vielgeisterei des Menschen vorgebildet worden sei und „der einzelne sich [so] sein eignes Ideal aufstelle und aus ihm sein Gesetz, seine Freuden und seine Rechte ableite", drücke sich im Monotheismus das ganze Gegenteil aus: Als „[die] starre Konsequenz der Lehre von einem Normalmenschen — also der Glaube an einen Normalgott, neben dem es nur noch falsche Lügengötter gibt - war [dieser] vielleicht die größte Gefahr der bisherigen Menschheit: da drohte ihr jener vorzeitige Stillstand, welchen, soweit wir sehen können, die meisten andern Tiergattungen schon längst erreicht haben; als welche alle an ein Normaltier und Ideal in ihrer Gattung glauben und die Sittlichkeit der Sitte sich endgültig in Fleisch und Blut übersetzt haben." Vgl. zu den Vorzügen des Polytheismus: Volli (1992), Taubes (1983), Marquard (1984: 91-116). 105 Vgl. Spinoza (1870: 4): „Wenn es in monarchischen Staaten als das wichtigste Geheimmittel gilt, und es da vor Allem darauf ankommt, die Menschen im Irrthum zu erhalten und die Furcht, mit der man sie bändigt, unter dem glänzenden Namen der Religion zu verhüllen, damit sie für ihre Sklaverei, als wäre es ihr Glück, kämpfen und es nicht fiir schmählich, sondern für höchst ehrenvoll halten, ihr Blut und Leben für den Uebermuth eines Menschen einzusetzen." 106 Vgl. Spinoza (1870: 213): „Alles, d.h. die höchste Herrschaft allein behalten wird, und Jeder wird aus freiem Willen oder aus Furcht vor harter Strafe zu gehorchen gehalten sein. Das Recht einer solchen Gesellschaft heisst Demokratie; sie ist also zu definiren als die allgemeine Versammlung der Menschen, welche gemeinschaftlich das höchste Recht auf Alles, was sie kann, besitzt." 107 Vgl. Spinoza (1870: 61), der im Zusammenhang mit der Auserwähltheit des jüdischen Volkes auch auf das Los der Sepharden seit ihrer Vertreibung eingeht. Zu Spinoza im Kontext der Geschichte des jüdischen Volkes vgl. besonders Graetz (1897: 10, 155-187). 108 Zweifelsohne hat zu diesem Ergebnis nicht zuletzt auch die allgemeine Ignoranz beigetragen, mit der man die ins Exil getriebenen Sepharden bis zum 19. Jahrhundert zum zweiten Mal — diesmal aus der spanischen Geschichte - vertrieb (vgl. Díaz-Mas 1993: 187).

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2 9 ) u n d diese i m Falle Hegels w i e K r a u s e s - t r o t z einiger D i f f e r e n z e n - „bes o n d e r s h o c h b e w e r t e t . " " 0 E i n e n tieferen Z u g a n g zu d e r v o n S p i n o z a f o r m u lierten I m m a n e n z e r h ä l t die spanische G e i s t e s w e l t seit d e r M i t t e des 1 9 . J a h r h u n d e r t s ü b e r die K r a u s i s t e n , „ u n a f a m i l i a espiritual e n c o m p l e t a r u p t u r a c o n la t r a d i c i ó n escolástica" ( G u y 1 9 8 5 : 2 5 1 ) . A u c h die s c h o n e i n l e i t e n d ben a n n t e Z e i t s t i m m u n g , die in d e r e u r o p ä i s c h e n R o m a n t i k i h r e n ersten u n m i t telbaren R e f l e x hatte, m a g zu e i n e m g r ö ß e r e n Interesse an d e r „ m a r a v i l l o s a teoría de lo i n f i n i t o del h e b r e o S p i n o z a " (Valera 1 9 4 9 , 2 : 1 4 6 6 ) beigetragen h a b e n . ' " N i c h t zuletzt auch, weil diese d e n „ G o t t der M y s t i k , des Pantheism u s u n d des i m m a n e n t e n k o s m i s c h e n Prozesses" (Tarnas 1 9 9 7 : 4 7 0 ) b e g ü n s tigen u n d d e r N a m e des e i n s t m a l s v e r f e m t e n P h i l o s o p h e n in literarische Fikt i o n e n eingehen s o l l t e . " 2 V o n d e r G r u n d l a g e dieses m e t a p h y s i s c h e n M o n i s m u s aus h a b e n a u c h die liberalen Z e i t g e n o s s e n i m S p a n i e n d e r R e s t a u r a t i o n s e p o c h e o p e r i e r t , o b w o h l sie sich als K r a u s i s t e n z u m e i s t e i n e m A u s g l e i c h m i t d e m T h e i s m u s anschließ e n . Dass diese v e r s ö h n l i c h e V a r i a n t e j e d o c h d e r e n D i l e m m a g e g e n ü b e r d e n g r o ß e n A l t e r n a t i v e n des G o t t e s g l a u b e n s einsichtig m a c h t , w i r d in e i n e r ö f f e n t l i c h g e f ü h r t e n D e b a t t e ü b e r d e n P a n e n t h e i s m u s g e g e n w ä r t i g , w e l c h e die

1 0 ) Vgl. besonders Domínguez (1994), in denen u. a. eine Reihe von Beiträgen die Wirkung Spinozas auf das spanische Kultursystem untersuchen: Atilano Domínguez, „España en Spinoza y Spinoza en España", S. 9-46; Henry Méchoulan, „Los judíos de Amsterdam y Spinoza", S. 49-56; Rafael Ramón Guerrero, „Filósofos hispanico-musulmanes y Spinoza: Avempace y Abentofail", S. 125-132; Francisco Carrasquer, „De Servet a Spinoza", S. 139-145; Francisco José Martínez, „Necesidad y libertad en Espinosa a la luz de la Escolástica tardía española", S. 147-154; Atilano Domínguez, „Presencia de Antonio Pérez en Spinoza", S. 165-178; Jesús Blanco Echauri, „Espinosa y el pensiamento político del Barroco español", S. 179-190; Carmelo Blanco Mayor, „Quevedo y Spinoza", S. 191-199; Antonio Jiménez Garcia, „Spinoza en Urbano González Serrano", S. 273-277; Luciano Espinosa Rubio, „Presencia de Spinoza en la ética española actual", S. 325-328.

""Landan (1985: 82). Nicht zufällig zitiert etwa Valera (1949, 2: 1441) die Philosophie Schellings in einem Atemzug mit Spinoza. 1 ' ' Vgl. Valera (1864: 341), der diese Zeitstimmung, wie folgt, charakterisiert: „Todo filósofo del siglo XVIII hubiera sido ateo, sin la metafísica newtoniana; todo filósofo racionalista de nuestra edad estaría con razón tachado de panteísmo [...]." 112 So nennt sich die jüdische Mutter des Einwanderers Daniel Morton aus Deutschland, der sich mit der Titelfigur Gloria in Pérez Galdós Roman, einer strenggläubigen spanischen Katholikin, verbindet, Esther Spinoza. Vgl. Pérez Galdós (1984b: 448). Obschon Esther Spinoza vom Erzähler eher als fanatische Jüdin eingeführt wird, teilen ihre Urahnen das Schicksal des Philosophen, „[por que] descendía lo mismo que su esposo de una familia hebrea española; pero si el linaje de Morton aparecía confuso por los enlaces con castas alemanas y holandesas, el de Spinoza conservábase puro, y siguiendo su clara genealogía, podían los últimos vástagos de él remontarse hasta Daniel Spinoza, judío de Córdoba, comprendido en la proscripción de 1492." Esther wird jedoch die Großmutter eines Jungen, der den sprechenden Namen Jesus erhält und damit ganz im Sinne Spinozas zum Zeichen religiöser Ökumene und Toleranz wird.

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Gemüter 1875 in Hinblick auf immer wiederkehrende Fragen entzweit: Ist das N u m e n d e m 'moralischen Theismus' zufolge allwissend, allmächtig, heilig und gerecht, so muss ihm personales Selbstbewußtsein zukommen. Geht G o t t im Sein der Welt auf, entäussert er sich in der Vielfalt von Natur und Kreatur, so dass von seiner Souveränität und Gestalt als anthropomorphes Wesen keine Rede mehr sein kann. Der Versuch, ein Gottesbild zu etablieren, das T h e i s m u s und Pantheismus gleichsam ausschließt, zugleich aber auch impliziert, muss folglich auf das Unverständnis nicht weniger Zeitgenossen stoß e n . " 3 Weit mehr als tagespolitische Debatten gibt diese Polemik Aufschluss über die ungeheure Tragweite, die sich aus der Auflösung des theistischen Gottesbildes ergibt. Die Frage nach der Personalität des Göttlichen berührt, wie D o m i n g o Alcalde Prieto, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Saragossa, zutreffend erkennt, immerhin den Bestand der weltlichen wie geistlichen Autorität, [...] pero ante todo conviene saber si [el Sér Supremo, Dios] es personal ó impersonal, porque de este atributo pende todo el orden religioso y moral, la vida futura y demás que comprende; y si al dimostrarlo se logra también demostrar que para serlo es preciso que se halle dotado de inteligencia y libertad, el panteísmo habrá recibido el golpe de gracia, y con él otra familia de ateos modernos para quien Dios es un sér impersonal (Alcalde Prieto 1878: 261). D i e Konsequenzen für die neue bürgerliche O r d n u n g hat einer der prominentesten Vertreter der parlamentarischen Demokratie, der krausistische Gelehrte G u m e r s i n d o de Azcárate ( 1 8 4 0 - 1 9 1 7 ) in einem Vortrag festgehalten. Dessen Ansehen als „uno de los políticos más brillantes y de más esperanzas de los que figuran en el partido republicano" gilt bereits zu seinen Lebzeiten als unumstritten (vgl. D H A 1887, 2: 1080). D i e Prinzipien, die mit d e m metaphysischen Wandel seit dem Ende der „unidad romano y católico" (Azcárate 1893: 15) Ö k o n o m i e , Recht und Geistesleben regieren, stellen das einzelne Individuum, und nicht mehr kollektive Größen, ins Zentrum ihrer Betrachtung:

1 , 3 So weist Ramón de Campoamot (1902: 164-165), der mit Francisco de Canalejas und Manuel de Revilla als Kontrahent in diese Polemik eingetreten war, auf die Inkongruenzen der Krausisten hin: „Por eso este panenteísmo de ustedes no es más que él nexopantefsmo, renovado elocuentemente por Espinosa, cuya substancia única es varia al hacerse atributiva, y muchísimo más varia al modificarse infinitamente. Pero estas infinitas variedades se unifican en la substancia única: lo vario es siempre aparente; lo real es invariablemente siempre lo uno. Esa esencia de usted, una en sí y varia en cada ser, no es más que la substancia de Espinosa, una en sí y modificada en cada ser. El dúo que cantaba solo el truchimán del teatro. La celulosa simple del papel, que en el hueso de dátil es celulosa condensada. La unidad real y la variedad aparente. Panteísmo, y panteísmo materialista puro."

Die katholische Einheit und ihre historischen Grenzen

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Consecuencia de todo este movimiento [de la industrialización y del liberalismo] ha sido el predominio de la libertad y del derecho, como en el antiguo régimen predominaron la autoridad y el deber; antes se le decía al hombre lo que está obligado á hacer; luego se le dijo lo que está facultado para hacer (ebd.). Die neue liberalbürgerliche Ordnung, die über eine potenziell offene Axiomatik verfügt, kontrastiert mit einer an vertikalen Macht- und Wertehierarchien orientierten Metaphysik: El predominio de lo trascendental condujo [...] en el orden jurídico, á la exaltación del principio de autoridad y á la directa intervención del Estado en la vida toda; en el sociológico, á la supeditación del elemento individual al social; en el biológico, al respeto ciego de la tradición con menoscabo del espíritu reformista y progresivo (Azcárate 1893: 17). In ihrer freien Entfaltung entspricht die bürgerliche Gesellschaft eher jener „Nature, dite naturée ( c o m m e effet et mode) [...] prises dans les liens d'une mutuelle immanence" (Deleuze 1 9 8 1 : 1 2 0 ) . Die ursprünglich dem Göttlichen zugeordnete Ursache ist ebenso Bestandteil dieses schöpferischen Raums geworden wie die Wirkung, „qui reste dans la cause" (ebd.). Aus der Sicht des spanischen Politikers muss es allein gesellschaftlichen Gruppen oder Parteien und nicht dem Staat vorbehalten sein, in diesem Energiefeld zu wirken und auf das freie Spiel der Kräfte Einfluss zu nehmen: En primer lugar, hay un primer grupo, la familia, que tiene una existencia bien caracterizada y que trasciende de la del individuo. Hay además otros muchos, unos formados por la naturaleza ó la costumbre, otros debidos á un concierto ó contrato, y también á la casualidad. Al lado de la fuerza colectiva organizada políticamente, procediendo por el mandato y la coacción, del Estado, surgen por todas partes otras fuerzas también colectivas espontáneas, cada una en relación con un fin preciso y determinado, y cada una obrando, con distinto grado, á veces muy intenso, de energía, sin elemento alguno coercitivo. Estas fuerzas son las diversas asociaciones, que responden á un sentimiento ó á un interés, á una necesidad ó á una ilusión: las asociaciones religiosas, las benéficas, las civiles, las comerciales, las financieras; y abundan porque la savia es inagotable. [....] (Azcárate 1893: 66). Uber Jahrzehnte einer „linea republicana moderada" (Diaz 1 9 8 9 :

154)

folgend, die sich schon bei Krause bzw. Sanz del Río abgezeichnet hatte, stellt sich Azcárate die Gesellschaft in ihrem organischen Aufbau von unten nach oben, von deren kleinsten Assoziationen, der Familie über die Nationen und Völker bis zur Menschheit vor. 1 1 4 Anders als die wirkmächtige Tradition des 1 1 4 So heißt es bei Sanz del Río ( 1 8 6 0 : 4 3 ) : „Familias, amistades, círculos libres sociales, las superiores sociedades de naciones, pueblos y pueblos unidos; el Estado, la Iglesia, la sociedad para la Ciencia y el Arte llenan hasta hoy la sociabilidad activa humana."

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen'

corpus mysticum dies vorschreibt, war es ihm bereits 1876 in der Artikelreihe El Self-Governmenty la monarquía doctrinaria nicht um den Herrscher gegangen, der den Körper wie sein Haupt überragt und dessen Glieder zu blossen Organen seines Willens erniedrigt. In diesen Beiträgen, die auch in einem anderen Zusammenhang eine große Rolle spielen," 5 unternimmt er vielmehr den Versuch, die Figur des Königs durch Begriffe aus der liberalen Staatslehre zu ersetzen. Ausgehend vom englischen Ausdruck des self-government, der die Selbstregierung {localgovernment und parliamentary governmeni) eines Landes auf allen Ebenen umfasst, verteidigt Azcárate die Autonomie und Eigenverantwortung der Gesellschaft gegenüber staatlichen Interventionen, die mit der Restauration der Bourbonenherrschaft erneut legitimiert werden. Die Monarchie behandele ihre Untertanen wie ein Mündel, das sie ihren Nachkommen wie persönliches Eigentum weiter vererben wolle, „[lo] que es el carácter más esencial del feudalismo" (Azcárate 1876: 160). Individuum und Gesellschaft müssten aber selbst Herren ihres Schicksals und nicht Gegenstand einer einzelnen Person sein. Im Zentrum von Azcárates Kritik steht daher die Forderung, dass selbst die von ihm mit unverhohlener Skepsis betrachtete Verfassung von 1876 (vgl. dazu Campomar Fornieles 1984: 52-55) eine bestimmte historische Verfasstheit abzubilden und sich in diesem Sinne ständig anzupassen habe. Dass die sakrosankte Stellung des Königs in konstitutioneller Hinsicht festgeschrieben werde, dass die verfassungsmäßige Ordnung jenen „pacto irrevocable entre el rey y el pueblo" (Azcárate 1876: 145) zu ihren unveräußerlichen Fundamenten erkläre, radikalisiert die Frage nach der Repräsentation von Macht: Eine Monarchie, die unduldsam an ihren überlieferten Rechten festhält, ist eine geschichtlich überlebte Doktrin, eine ideologische Fiktion (monarquía doctrinaria), so dass sich ein Gemeinwesen im demokratischen Zeitalter aus der Sicht des Staatsrechtlers kaum mehr in einem besonderen Subjekt verdichten kann, wie dies noch von Hegel (1979, 7: 444), aber auch von herrschenden politischen Eliten des Restaurationsregimes erachtet wird (vgl. Carr 1969: 454). Wie sich die Allgewalt des per-

115 So hält Azcárate es für undenkbar, dass wissenschaftliche Tätigkeit in einem despotisch regierten Land ausgeübt werden kann. Diese stehe und falle nämlich mit d e m Spielraum an Freiheit, derer die Gesellschaft bedürfe, u m unabhängig von staatliche Zugriffen selbst tätig zu werden und zu entfalten. Eben in dieser Hinsicht habe die innere Verfasstheit des eigenen Volkes kein gutes Beispiel abgegeben. Diese Aussage löst mit der Entgegnung des seinerzeit noch jungen Gelehrten Menéndez Pelayo in der Revista Europea die Polemik u m die sogenannte Ciencia española aus: „Segun que, por ejemplo, el Estado ampare ó niegue la libertad de la ciencia, así la energía de un pueblo mostrará más ó menos su peculiar genialidad en este órden, y podrá hasta darse el caso de que se ahogue casi por completo su actividad, como ha sucedido en España durante tres siglos" (Azcárate 1876: 149).

D i e k a t h o l i s c h e E i n h e i t u n d ihre historischen G r e n z e n

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sonalen Gottes in den synergetischen Kräften des Raumes zerteilt, so muss auch die Instanz des Monarchen als letzter Willen eines Staatsganzen (ebd.) in der Vielfalt sozialer Kräfte, Individuen, Staat, Kirche und Parteien aufgehen. Wie sollte es einer einzelnen Person zuzutrauen sein, zwischen den kollektiven Zwängen der theologischen Epoche und dem überspitzten Individualismus der Moderne ein notwendiges Gleichgewicht herzustellen? Wie sollte es gerade einem gegenüber der öffentlichen Meinung und feudalen Machtinteressen botmäßigen König möglich sein, eine neue Mitte zwischen geschwächter Transzendenz und gestärkter Immanenz zu finden? Y e n la t e r c e r a [ é p o c a ] , q u e c o m i e n z a e n n u e s t r o s d í a s , p u g n a el e s p í r i t u p o r h a l l a r la a r m o n í a e n t r e e s o s o p u e s t o s p r i n c i p i o s , p r e s i n t i e n d o q u e c a b e e n t r e l o t r a s c e n d e n t a l y lo i n m a n e n t e , e n t r e l a a u t o r i d a d y la l i b e r t a d , e n t r e el i n d i v i d u o y la s o c i e d a d , e n t r e la t r a d i c i ó n y el p r o g r e s o ( A z c á r a t e 1 8 9 3 : 6 6 ) .

Wie der Platz des Königs in der bürgerlichen Ordnung vakant bleiben muss, weil ein horizontaler Vertrag zwischen nominell Gleichen seine Funktionen auf die gesellschaftlichen Glieder verteilt, so ist auch der unendlich offene Raum nicht mit einem olympischen Blick erfassbar. Ein Fixpunkt, der sich wie „der heilige Gott über den Raum, über die Zeit und die Geschichte und Geschicke der Menschen" ( B H H 1962, 1: 586) erheben könnte, wäre nur in der Dichte eines Ortungsraums denkbar. Im hierarchisierten Ensemble von heiligen und profanen O r t e n , " 6 als das der Raum im Mittelalter aufgefasst wurde, wäre nach biblischen Quellen der „'Thron Gottes und des Lammes' Quellort des Heils (Rev 2.21) und Zentrum der künftigen Gottesstadt" ( B H H 2000, 3: 1976). Als „Inbegriff der Königsherrschaft" (ebd.) und in Analogie zum weltlichen Herrschersitz suggeriert er den Gläubigen die Vorstellung eines höchst gelegenen und damit festen Ortes, was den ersten Beweger des Aristoteles überbietet, der die anderen sinnlich wahrnehmbaren Wesen als denkender Geist stimuliert, ohne dabei jedoch selbst in Bewegung zu geraten.' 17 Anders dagegen jener Raum von grenzenloser 1 1 6 Vgl. L M A ( 2 0 0 1 , 1: 4 2 9 ) : „ N i c h t von der geschaffenen Wirklichkeit in R a u m u n d Zeit, sondern v o m allmächtigen Schöpfergott und seinem absoluten, personalen Geistwesen her m u ß die Allgegenwart G o t t e s verstanden und begründet werden. - D e r gläubige Mensch sucht G o t t an j e d e m O r t (Is 6, 2f.; Ps 1 3 8 / 1 3 9 ) , macht O r t e bes. religiöser Erfahrung zu Kultstätten (Tempel) und identifiziert das Wesen G o t t e s schließl. mit seinem eigenen O r t ( H i m m e l ) . " 1 1 7 Vgl. L M A ( 2 0 0 1 , 7: 7 4 3 ) . W ä h r e n d frühchristliche Darstellungen noch „den 'leeren' T h r o n Christi (Beispiele: Brandenburg, 1 3 6 - 1 4 0 ; E n g e m a n n , 4 2 - 4 6 ) " zeigen, sind spätere Tendenzen „zur Verbildlichung der M a c h t G o t t e s durch seinen T h r o n " unverkennbar, wobei hier biblische Q u e l l e n ebenso Einfluß ausübten wie die ikonographische Ausstattung des römischen Kaiserthrons (vgl. auch L d K 1 9 8 7 : 7, 3 1 1 ) sowie zur Anschauung etwa Hubert van Eycks Genter Altar; Altar des Mystischen Lamms, mit d e m thronenden Gottvater in der Kathedrale von St. Bavo ( 1 4 2 6 - 1 4 3 2 ) (Vgl. K M L 1964, 2: 3 0 2 ) .

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Ausdehnung, den sich die I m m a n e n z seit d e m 17. Jahrhundert erschließt. In dieser sind nur Relationen zwischen unterschiedlichen Perspektiven denkbar, Punkte, die sich mit anderen kreuzen und sich wieder voneinander entfernen: Wenn aber die „Heiligkeit Gottes nicht in einen R a u m zu fassen (1 K g 8 2 7 ) " (ebd.) ist, so ist der R a u m im Gegenzug ebenso wenig im Stande, das Göttliche als Blickpunkt wiederzugeben, um es in einer Hierarchie der Wesen als höchstes Seiendes zu beglaubigen.

3 . 0 D E R Z U S A M M E N B R U C H DES

THEOLOGISCH-ABSOLUTISTISCHEN

WELTGEBÄUDES SEIT DEM E N D E DES I8. J A H R H U N D E R T S

Los tronos vacilan más o menos a proporción de cómo los errores y escándalos se disminuyen o se aumentan. Dios, que trajo de los cielos a la tierra su religión divina, para hacer la felicidad de la especie humana, no puede menos de castigar a los que la persigan y premiar a los que la acatan. El cielo, la tierra, el mundo todo, perecerá, y la palabra de Dios, su evangelio, su fe, su religión santa, durarán por todos los siglos. A ella sola está vinculada la paz de los reinos, la seguridad de los tronos, la vida de los monarcas, la prosperidad de los Estados, el bien general de los pueblos Rafael de Vélez in seiner Apología del Altar y del Trono (1818)

3 . 1 D A S B Ü R G E R L I C H E Z E I T A L T E R IM ' F E H L D E S G Ö T T L I C H E N '

In unserem Exkurs über das Verhältnis von K ö n i g und G o t t haben wir uns der Metapher des Tales bedient, nicht allein, weil die Ruhestätten der großen Pharaonen nur das Fundament fur ihre Reise zum Firmament abgaben. Z u d e m macht dieses Bild erinnerlich, dass sich die Könige als Söhne der Götter auf die numinose Herkunft ihrer Dynastien berufen. Ihre unbegrenzt erscheinende Herrschaft bewährt sich in einer Kontinuität, die im klassischen Sinne jener von Deleuze und Guattari skizzierten imperialen Transzendenz ents p r i c h t . " 8 So tritt in den Weisen (derer sich die ersten Philosophen zu widersetzen hatten), „[ceux], qui sont des personnages de la religion, des prêtres" " 8 Vgl. Braudel (1998: 90-93). In diesem Sinn notiert Braudel über die Pharaonen des XIII. Jahrhunderts: „En fait, la divinité royale est la 'théorie politique'de l'Égypte [...]; sur elle se fonde l'ordre d'une société dont la conscience est éminemment réligieuse. C e droit fondé sur la réligion, ces profondeurs mêmes du passé prédynastique et préhistorique de l'Égypte, d'un univers magique et sauvage où les dieux sont des êtres redoutables, dangereux. Le pharaon devient dieu lui-même par le couronnement [...]." Braudel merkt jedoch an, dass sich die Einzigartigkeit „de cette précieuse survie que mille précautions doivent assurer", die der Pharao in der Unsterblichkeit seines 'Double', d.h. seiner Seele genoß, mit dem Mittleren Reich verliert. Denn da geht diese Gnade zunächst auch auf die Großen des Reiches und dann auf alle Ägypter, „capables de réussir l'ultime voyage vers le royaume des morts [...]" über.

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auch ein allumfassender und kosmologischer Repräsentationstypus zutage, „parce qu'ils conçoivent l'instauration d'un ordre toujours transcendant, imposé du dehors par un grand despote ou par un dieu supérieur aux autres, inspiré d'Eris" (Deleuze/Guattari 1991: 45). Die Könige sind hier über ihren Status als Platzhalter souveräner Macht hinaus auch als Chiffren einer Repräsentation aufzufassen, die im vertikalen Sein noch die gesamte Wirklichkeit auszudrücken vermag. Schließlich wurde versucht, die Entstehung einer Immanenzebene im Spanien der Restauration zu beschreiben, ohne dabei jedoch hinreichend erklärt zu haben, warum die Bewegung zur Deterritorialisierung im 19. Jahrhundert nicht mehr auf der vertikalen Linie erfolgen kann. Voraussetzung zu einer entsprechenden Entwicklung ist dabei freilich der Zerfall jenes theologisch-politischen Gebäudes, dessen ikonographische Strukturen weiter oben im Querschnitt entfaltet wurden. In kaum einem anderen geschichtlichen Moment schlägt sich die Dürftigkeit der Zeit in derart evidenten Indizien nieder wie bei dem Zusammenbruch großer Herrscherhäuser an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert, mit dem sich die Umrisse des Numinosen verwirren und ihre sichtbare Gestalt einbüßen. Versteht sich dieses ontotheologische Prinzip in seiner Wirkung nämlich stets als opak und repräsentativ, so deshalb, weil es Macht anders als deren verstreute oder flüssige Formen der Moderne zur konkreten Anschauung bringt: Il passaggio dalla metafora del potere/massa a quella del potere/fluido sottolineerebbe dalla teoria tradizionale del potere come proprietà alla teoria postindustriale del potere come rapporto e come mezzo di comunicazione. Nella prima, il potere viene visualizzato come un grave, stabile o in caduta verticale dall'alto al basso, compatto, indiviso e indivisibile perché nascosto. [...] Il cambiamento di metafora registrerebbe allora puntualmente il fenomeno, verificatosi di fatto in alcuni paesi del m o n d o , della riduzione del disvello monarca-sudditi o addirittura della sua sostituzione con il principio di isocrazia, per il quale tutti sono egualmente sovrani (Rigotti 1992: 196-197).

Mit der Rangfolge der großen Vaterschaften kann das Sein der Welt in vermeintlich unumstößliche Hierarchien und ihre soziale Differenzen in geschlossene Korporationen gebannt werden, die es regieren und auf entsprechende Einbildungsstrukturen festlegen, wie sie besonders im corpus mysticum wirksame Dichte und Konzentration erhalten, ohne dabei die distentio, die Dimensionen ihres zeitlichen und räumlichen Vorstellens, aufgeben zu müssen. Dennoch ist mit dem Ende des ancien régime in Frankreich kein unwiderrufliches Ende dieser Ordnung abzusehen, wohl aber ein historisches, wenn Goethe in der Schlacht von Valmy (1792) den Beginn eines neuen Zeitalters anbrechen sieht (vgl. Nürnberger 1986, 97-98). Vom republika-

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nischen Frankreich (seit seiner republikanischen Verfassung von 1875) und einiger kleiner Intermezzi, wie etwa die kurzlebige erste spanische Republik, abgesehen, blieben die europäischen Monarchen „die gottgewollten 'Mittelpunkte' der europäischen Herrschaftssysteme."119 Endgültig wird sich dies erst mit dem Ersten Weltkrieg ändern, „der den letzten Akt des Untergangs des ancien régime in Europa" markiert (Mayer 1988: 21). Die Entstehung eines empire in Frankreich (1852), eines Königreiches in Italien (1861) bzw. eines zweiten Kaiserreichs in Deutschland (1871), aber auch die Einfuhrung des Infallibilitätsdogmas für den römischen Pontifex auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1870) lassen sogar eine gegenläufige Tendenz in einem Jahrhundert erkennen, dessen Pendel zwischen der Revolution und einer Restauration der alten Verhältnisse ausschlägt: Insofern wird es eine Sonderstellung in jenem Komplex einnehmen, den wir in Anschluss an Heidegger unter dem Terminus der 'dürftigen Zeit' zusammengefasst haben. Auch die Entwicklung in Spanien wurde von diesen historischen Paradoxien nicht eben verschont: Auf der einen Seite der vorläufige Sieg des Absolutismus (1814-33), die Wiederherstellung der Monarchie in Spanien (1875), das Eingedenken an das katholische Spanien der edad de oro, zu deren regenerativer Rückkehr Menéndez Pelayo auffordert120, und schließlich der von der sogenannten Generation von 1898 reklamierte Anspruch auf geistige Imperialität.121 Auf der anderen Seite aber die Konstitutionalisierung des politischen Lebens und der stetige Niedergang eines Königtums, deren Häupter zwar nicht der Guillotine zum Opfer fielen, wohl aber, wie im Falle Karls IV. zu

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Mayer (1988: 17) beruft sich in seinen Analysen auf Schumpeter (1972).

120

Vgl. Menéndez Pelayo 1987: 1038: „¡Dichosa edad aquélla, de prestigios y maravillas, edad de juventud y de robusta vida! España era o se creía el pueblo de Dios, y cada español, cual otro Josué, sentía en sí fe y aliento bastante para derrocar los muros al son de las trompetas o para atajar al sol en su carrera. Nada parecía ni resultaba imposible; la fe de aquellos hombres, que parecían guarnecidos de triple lámina de bronce, era la fe, que mueve de su lugar las montañas." 121 Vgl. Ganivet 1990: 158-159: „En cambio, si por el solo esfuerzo de nuestra inteligencia lográsemos reconstituir la unión familiar de todos los pueblos hispánicos, e infundir en ellos el culto de unos mismos ideales, de nuestros ideales, cumpliríamos una gran misión histórica y daríamos vida a una creación, grande, original, nueva en los fastos políticos; y al cumplir esa misión no trabajaríamos en beneficio de una idea generosa, perso sin utilidad práctica, sino que trabajaríamos por nuestros intereses, por intereses más trascendentales que la conquista de unos cuantos pedazos de territorio." Vgl. dazu auch Schmidt (1975: 146-154) bzw. Franzbach (1988). Vor allem Schmidt weist mit dem Vergleich von Ganivets Idearium Español (1897) und Giménez Caballeros Genio de España (1932) daraufhin, „wie eng wesentliche Denkmuster eines 'Spanienkritikers' mit der imperialen gegenreformatorischen Doktrin und der des spanischen Faschismus verwoben sind" (ebd.: 153).

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belegen ist, mit dem historisch eminent bedeutsamen Unabhängigkeitskrieg zur Abdankung gezwungen wurden' 2 2 : U n monarca había sido destronado a causa de una acción popular. Amanecía una nueva época, a u n q u e fuera al a m p a r o de las bayonetas de N a p o l e ó n (Vicens Vivens 1 9 7 0 : 1 3 7 , zit. nach: Abellán 1 9 8 4 , 4: 16)

Als sein Nachfolger Ferdinand VII. die Regierungsgeschäfte übernehmen wollte, sieht sich „el Deseado" (Aranguren 1982: 48), die spätere Ikone eines überlebten Absolutismus, mit der ersten spanischen Verfassung konfrontiert, in der festgelegt wird, dass die sich im Monarchen verdichtende Macht, „la unidad de poder absoluto concentrada en la Corona" (Abellán 1984, 4: 18) auf drei Gewalten aufzuteilen ist. Von der ausdrücklichen Souveränität und von den beschränkten Befugnissen des Königtums wird im Verfassungstext von 1812 gesprochen, wie einer seiner Autoren Agustín Argüelles (1775-1844) in der Vorrede ausdrücklich anmerkt: L o q u e constituye para todo h o m b r e sensato la m o n a r q u í a o la f o r m a de gobierno m o n á r q u i c o son las leyes fundamentales q u e templan la autoridad del rey; lo contrario es una tiranía. [...] ¿ Q u i é n podría disputar a la nación la autoridad de hacer leyes civiles y económicas si la tiene para establecer las fundamentales? La parte q u e se pueda dar al monarca en la formación de las primeras es p u n t o m u y accidental y en nada altera la naturaleza de las facultades q u e por su esencia deben tener a m b a s autoridades. Las C o r t e s las ejercerán según el m o d o q u e establezca la C o n s t i t u c i ó n [...] (Actas de las Cortes de Cádiz-, zit. nach: T i e r n o Galván 1 9 6 4 , 2: 552)

Wie verblasst hingegen jener Diskurs, der sich auf scheinbar unveränderliche Grundgesetze der geschichtlichen Tradition stützt! Und doch scheint man auf dieser Seite sehr wohl zu begreifen, dass mit dem Sturz des ancien regime auch der sakrale Charakter der politischen Macht bedroht ist. 123 Die

122 Vgl. Aranguren in Negro Pavón (1988: 57): „La guerra de la Independencia significó en España - mucho más allá de lo que tuvo de lucha contra la invasión francesa - el suceso que habia de corresponder entre nosotros a la Revolución francesa, la primera gran ocasión para la transformación de la estructura política del país." 123 Vgl. auch dazu Alvarado (1915: 194), Carta XI al Sr. Licenciado don Fco.Gómez Fernández, 14. Februar 1811. Der Autor dieser Briefe nimmt die von ihm abgelehnte Verfassung von Cádiz zum Anlass, um auf die Heiligkeit der Herrschaft und somit die unabdingbare Funktion der Religion im ancien régime hinzuweisen, die dem Volk ungeachtet der Willkür geistlicher oder weltlicher Gewalt über Jahrhunderte einen gemeinsamen Sinn- und Traditionszusammenhang gewährte und folglich nicht angetastet werden dürfe: „Es voluntad del pueblo que se conserve la religión de sus padres tal cual sus padres se la transmitieron. Cumple esta voluntad sus procuradores. Si alguno de ellos cree en que ésta es una superstición, cumpla su voluntad, y luego podrá irse a París a buscar una religión tan depurada como la quiera. [...] La voluntad del pueblo es que se la conserven sus clérigos y sus frailes, porque si estos no fuesen

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diesen Passagen vorangestellte Apologie des Bischofs von Ceuta und die Verteidigungsrede, die der Gouverneur José Joaquín Colón y Larreátegui (1746-1822?) vom consejo supremo de Castilla fiir den Absolutismus gehalten haben soll, lassen erahnen, dass der Konstitutionsprozess auch von dessen Feinden nicht als eine bloß temporäre Erscheinung, sondern als tiefer Einschnitt in der spanischen Geschichte empfunden wird: Las nuevas Constituciones son para las sociedades que comienzan, ¿por qué tanto ahinco para abolir la que nos gobierna después de 16 siglos? Las leyes fundamentales de una tal monarquía deben ser, en lo humano, inmutables e inmunes de toda sustancial variación. [...] El Rey debe ser lo que siempre ha sido [...] (Colón 1814: 36-37)

Uber ihren in wichtigen Studien über das 19. Jahrhundert allenthalben hinreichend dokumentierten zeitgeschichtlichen Hintergrund hinaus (vgl. etwa Tuñon de Lara 1981: 7; Artola 1991: 5), geben diese Aussagen Einblick über den seinsgeschichtlichen Stellenwert dieser Ereignisse, in denen sich die historische Vollendung einer im Gottkönig verankerten Ontologie ankündigt und die Tendenz der traditionellen Metaphysik, unsichtbaren Essenzen eine körperlich-materielle Existenz zu geben, nachhaltig erschüttern muss. Hatte sich der analytische Geist des Rationalismus bereits als mächtige Waffe gegenüber den großen Synthesen der Monarchie erwiesen, der ihnen, wie JeanPaul Sartre in seinem Fragment über Mallarmé schreibt (Sartre 1979: 169-194), den Todesstoß versetzte, so konnte dieser nicht ohne Wirkung auf die Spitze des Weltgebäudes und die göttliche Souveränität selbst bleiben. Auf diese Auflösung des Universums und einer von Gott beseelten Natur in eine Unzahl von quantifizierbaren Größen reagiert der Mensch mit der Entund Aufdeckung seiner körperlichen Lebensenergien. Das, was mit der Enthauptung der Bourbonen in der französischen Revolution historische Evidenz erlangt, wird mit dem 'Tod Gottes' alsbald zur spirituellen Gewissheit. Beides vollzieht sich wie ein großangelegter, wenn auch unfreiwilliger Vatermord, als dessen Konsequenz der Verlust einer auf sich selbst beruhenden 'moralischen Ordnung' erscheint. Folglich sei das Bürgertum, so Jean-Paul Sartre, von der Vorstellung gepeinigt gewesen, nach der Niederhaltung der Aristokraten selbst nur noch temporär zu wirken, da eine unbekannte Gesellschaftsform an seine Stelle trete und es überflüssig mache (ebd.: 170). Mit dem Tod einer ewig erscheinenden Ordnung fiihle sich die bürgerliche Klasse selbst wie ein zeitweiliges Phäcomo deben, el mal será para ellos y no para el pueblo, que sabe que la santidad y eficacia del ministerio nada pierden por la depravación de los ministros [...]. La voluntad del pueblo es que se le gobierne como en los tiempos de los Fernandos III, V, y VI para esto no es menester nueva Constitución, sino buena voluntad y temor de Dios [...]."

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nomen, über das die Geschichte hinwegzugehen drohe. Nun wird den Bürgern die Tragweite ihres Königsmordes schmerzlich bewusst, den sie als unverzeihlichen Fehler ihren Nachbarn anlasten: Auf dem Schafott wurde 1793 auch jener Gott hingerichtet, der dem weltlichen Herrscher seine Souveränität gab, so dass sie nun erkennen müssen, dass ihre diesseitsbezogene Ideologie vom Atheismus durchwirkt ist. Die ganze Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs, der eben mehr umreißt als den gewaltsamen Tod eines einzelnen Menschen, lässt sich ermessen, wenn man sich nochmals die Metaphorik vergegenwärtigt, die den Körper des Königs mit einer unsterblichen Aura ausgestattet hatte: Nun sei offenbar geworden, so Alexis de Tocqueville, dass das großartige Gebäude, das die Könige aufgerichtet hätten, dazu verurteilt sei, wie ein Kartenhaus einzufallen, sobald Störungen in der sozialen Ordnung entstünden, auf der es gegründet wäre (Tocqueville 1961: 12). Der Antagonismus der voneinander getrennten Stände, welche die Monarchie noch umspannt hatte und von dieser zusammengehalten worden war, musste nun um so stärker hervortreten, als mit dem Attentat auf den königlichen Körper auch die transzendentale Herkunft des Gottesgnadentums angetastet worden war. Mit dem von Heidegger angesprochenen „Fehl Gottes", mit dem „kein Gott mehr sichtbar und eindeutig die Menschen und die Dinge auf sich versammelt" (Heidegger 1994: 269), haben wir es auch nicht mehr mit jener Unverborgenheit zu tun, wie sie im herkömmlichen theologischen Sinn Bestand hat: Während die Bestimmung dem absconditus als eine bleibende Wesensbestimmung Gottes in bezug auf den endlichen Menschen und seine Erkenntnisbemühung angesehen werden muß, die weder durch die Offenbarung noch durch die Anschauung Gottes (visio beatifica) ganz aufgehoben wird, bedeutet der 'Fehl Gottes' ein 'Nicht-mehr'der Unverborgenheit Gottes (Brkic 1994: 291).

Wie das personifizierte, aber unterdrückte schlechte Gewissen des Bürgers liest sich da jener tolle Mensch in Nietzsches Fröhlicher Wissenschaft (1882), der auch noch am helllichten Tage im Zeichen seiner aufgeklärten Gesinnung mit einer brennenden Laterne über den Marktplatz (dem Ort des Handels) läuft, um Gott zu suchen. Als er die Umstehenden fragt, reagieren die Umstehenden mit Ironie: Vermutlich sei er verloren gegangen, möglicherweise sei er ausgewandert oder habe sich gar wie ein Kind verlaufen. Der Fragende weiß es aber besser, erkennt er doch, dass wir, die Menschen es waren, die Gott getötet haben, er selbst den anderen im vollen Bewusstsein dieser Tat schon voraus ist: Ich komme zu früh, [...] ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert - es ist noch nicht bis zu den Ohren der Men-

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' sehen gedrungen. Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Taten brauchen Zeit, auch nachdem sie getan, um gesehn und gehört zu werden. Diese Tat ist ihnen immer noch ferner als die fernsten Gestirne -

und doch haben sie dies selber getan] (Nietzsche 1954, 2: 127-128)

Widersprüchliches zeichnet sich daher am Horizont der Geschichte ab: Zwar setzt die Restauration (1814-1830) in Frankreich entsprechend ihres Namens die alte katholisch-dynastische Ordnung des Ancien régime wieder in alte Privilegien ein, aber gerade in dieser Epoche einer „imaginierten Restauration" (Scholz 2006) durchzieht der Atheismus alle sozialen Klassen und hinterlässt eine Generation, die kaum noch etwas zu verlieren hätte, das einem Glaubensbekenntnis gleich käme. Von ihren Vätern des trostreichen göttlichen Gnadenschutzes beraubt, stehen die Bürgerkinder nun im rohen Volk einer blinden Materie gegenüber, von der sie sich selbst in nichts zu unterscheiden vermögen. Wie kann, so deutet Sartre die Fragen, die sich für die Subjekte dieser neuen metaphysischen Zeitrechnung ergeben könnten, eine moralische Ordnung auf der Bewegung der Atome beruhen? Welche Qualitäten kann eine Elite noch für ihre Überlegenheit geltend machen, wenn sich das Oben doch aus dem Unten erklärt? Wie will man den Sterblichen das Glück vor dem Tod verweigern, wenn es nach dem Tod nicht zu erwarten ist? Wie lassen sich die unfreundlichen Grundlagen der Gesellschaft noch verhüllen, wenn nichts mehr von jenem Weltgebäude übriggeblieben ist, das die Unzulänglichkeiten des weltlichen Souveräns gleichsam hinter dem Widerschein einer höheren Idealität hätte verbergen können? Die Rückkehr zum Glauben muss sich angesichts dieser Erfahrungen wie die hilflose Geste einer verlorenen menschlichen Unschuld ausnehmen, die hinter jeder unbekannten Tür einen neuen Zugang zum Paradies gefunden zu haben glaubt. Längst ist die Schöpfung, die noch einen Hirten hatte, auf ihre letzte Form zurückgewichen, auf „une danse infinie de poussière" (Sartre 1979: 169), so dass der Mensch sich auf den bloßen Status einer mineralischen Verbindung zurückversetzt fühlt. Wenn der Weg zum gekreuzigten Christus aber mit dem Schwinden religiöser Einbildungsstrukturen verstellt ist, hinterlässt das Kruzifix nur noch eine eingeschriebene Spur in der Geschichte einer großen sich auflösenden Gemeinschaft, die ihren Bezug einst in der untrennbaren Einheit zwischen kulturellen und religiösen Zeichen gewonnen hatte. Auf dieser Grundlage vermag sich die Erkenntnistheorie der Neuzeit — in gegenläufiger Tendenz zu einem allmählichen Überströmen sakraler Metaphern auf die profane Realität und zur progressiven Inkarnation des imago Dei im imago Homini (d. h. die Übertragung einer idealen Natur auf eine reale Figur) - „von der Abbildtheorie zu lösen und das Erkannte als ein Kons-

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trukt, eine vom erkennenden Geist geschaffene Hervorbringung anzusehen" (Günther 1979: 247). Dieser Vorgang wird bereits in jenem Gleichnis lebendig, das schon im Barock die Welt als Bühne und diese wiederum als Welt empfunden hatte, wie wir dies in den theologischen Repräsentationen des Monarchen nachzeichneten. Doch war in der Welttheatermetaphorik des 17. Jahrhunderts getreu dem von Ludwig von Ranke zitierten Lutherwort, dass „alle Creaturen nichts denn eitel Larven [sind], darunter sich Gott verbirget, mit uns zu handeln", nicht allein die Sicherheit von einem „umfassenden Ordnungsentwurp' enthalten, sondern darüber hinaus noch „die Geltung eines zwar unsichtbaren, aber doch unverbrüchlichen Handlungsrahmens" (Konersmann 1994: 111). Dieser bis in die Antike zurückreichende Topos (vgl. Curtius 1984: 148-154) konnte im Barock eine beeindruckende Maschinerie entfalten, die sich als „gestaltgewordene Reifikation" dieser Metapher darbot (Konersmann 1994: 112). Doch bei allen Sinnlichkeiten, mit denen das barocke Schauspiel das „überweltlich Unsichtbare [...] das innerweltlich Sichtbare" zur Anschauung seines Publikums zu bringen hatte, repräsentierte die Bühne doch nichts anderes als eine in sich geschlossene und wohlstrukturierte Welt, ohne dass diese als Inszenierung wahrgenommen worden wäre. Dass der auctor, das Subjekt der großen Entscheidungen, den Schauspielern stets die ihnen angemessenen Rollen (vgl. Pollmann 1988: 147-160) zuweist, um als Gott mit den Insignien des Königtums oder als Monarch in der Aura der Göttlichkeit aufzutreten, sollte als das Selbstverständlichste und Natürlichste von der Welt erscheinen. Wiewohl die souverän-repräsentative Person den Gleichnischarakter der Welt noch immer garantierte, weil in ihr die Fäden der menschlichen Handlungen zusammenliefen, so konnte sie doch die sich seit dem 17. Jahrhundert vollziehende „völlige Mechanisierung der Staatsvorstellung nicht aufhalten." (Schmitt 1982: 53). Was sich ursprünglich noch im Werk eines göttlichen Baumeisters, Bildners oder Demiurgen bewährt (vgl. Curtius 1984: 5 2 7 - 5 2 9 ) und sich in der parabelhaften Beziehung von Gott und Mensch oder Himmel und Erde niedergeschlagen hatte, erhält im 19. Jahrhundert einen völlig anderen Charakter. Freilich kann die Welt als imposanter Bau noch immer mit Hilfe der alten Theatermetapher dargestellt werden; die Maschinerie, die sie vor den Zuschauer auf die Bühne setzt, wird von diesem nun aber selbst ebenso als provisorische und fehlerhafte Konstruktion entlarvt wie die Rollen als Masken seiner Entfremdung: Die Welt erscheint als Entwurf, dessen Mängel der vergesellschaftete Mensch — Autor und Akteur zugleich — zu beseitigen hat,

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w i e sich dies a u f p a r a d i g m a t i s c h e W e i s e b e i m j u n g e n M a r x zeigt 1 2 4 , d e r h i n t e r d e m G l e i c h n i s v o n B ü h n e u n d W e l t k e i n e T r a n s z e n d e n z m e h r sucht, s o n d e r n in d e r bisherigen D r a m a t u r g i e des T h e a t e r s v i e l m e h r d e n S c h e i n e i n e r falschen W i r k l i c h k e i t v e r m u t e t . R e f e r e n z p u n k t ist dabei e i n e Realität, d i e diese B e z e i c h n u n g a u c h tatsächlich v e r d i e n t e u n d sich d a m i t i m G e g e n s a t z z u d e n ü b e r k o m m e n e n V e r h ä l t n i s s e n als „ A u s d r u c k e i n e r w i r k l i c h e n M a s k e r a d e " b e g i b t ( M E W 1 9 5 6 , 3 : 3 9 4 ) . D e r 'wirkliche' M e n s c h stellt sich d e m „Träger v o n b e s t i m m t e n K l a s s e n v e r h ä l t n i s s e n u n d Interessen" oder, w i e es in d e r b e k a n n t e n W o r t f i g u r h e i ß t , d e n „ C h a r a k t e r m a s k e n " g e g e n ü b e r u n d v e r m a g in i h n e n n i c h t m e h r sein E b e n b i l d w i e d e r z u e r k e n n e n . 1 2 5 S o e n t d e c k e n die S t e r b l i c h e n d i e m i t e i n e m T h e a t e r z a u b e r i d e n t i f i z i e r t e n Göttlichen126,

um

in diesen j e n e n verhassten A b s o l u t i s m u s

wiederzuent-

d e c k e n , dessen D i s t a n z zu d e n u n t e r p r i v i l e g i e r t e n Klassen d e r E n t f r e m d u n g z w i s c h e n H i m m e l u n d Erde zu e n t s p r e c h e n s c h e i n t . 1 2 7 J e n e D e n k b e w e g u n g lässt sich i m 1 9 . J a h r h u n d e r t u n s c h w e r a u c h bei liberalen K r i t i k e r n d e r spanischen G e s c h i c h t e ablesen, d i e diese e i n s c h l i e ß l i c h i h r e r M y t h e n w i e ein ih-

124 Vgl. Marx (1956, 4: 135) bzw. Konersmann (1994: 153): „Von dem Augenblick an, wo man die Menschen als die Schausteller und Verfasser ihrer eigenen Geschichte hinstellt, ist man auf einem Umweg zum wirklichen Ausgangspunkt zurückgekehrt, weil man die ewigen Prinzipien fallengelassen hat, von denen man ausging." 125 Vgl. etwa M E W (1956, 1: 215) bzw. Konersmann (1994: 154). Beispielhaft wird dies, wenn der junge Marx angesichts der herrschenden Produktionsverhältnisse erklärt, dass „das menschliche Wesen sich unmenschlich [ist], im Gegensatz zu sich selbst sich vergegenständlicht" ( M E W 1956, 1: 516). In dieser Kontrastierung von falschem Schein und authentischer Wirklichkeit erweist sich Marx lediglich als prominentes Beispiel, da doch das gesamte historisch imprägnierte Denken des 19. Jahrhunderts zu einem idealen Ursprung zurückzukehren sucht, um die Macht des 'Geistes' oder einer diesseits gekehrten Transzendenz aufrecht zu erhalten: „C'est pourquoi la pensée moderne est vouée, de fond en comble, à la grande préoccupation du retour, au souci de recommencer, à cette étrange inquiétude sur place qui la met en devoir de répéter la répétition. Ainsi de Hegel à Marx et à Spengler s'est déployé le thème d'une pensée qui par le mouvement où elle s'accomplit - totalité rejointe, ressaisie violente à l'extrémité du dénuement, déclin solaire - se courbe sur elle-même, illumine sa propre plénitude, achève son cercle, se retrouve dans toutes les figures étranges de son odyssée, et accepte de disparaître en ce même océan d'où elle avait jailli [...]" (Foucault 1966: 345). 126 Und dennoch gilt das 19. Jahrhundert als „das erste studierte Zeitalter in puncto der Moralen, Glaubensartikel, Kunstgeschmäcker und Religionen" (Nietzsche 1954, 2: 686). In dem die neuen Repräsentationen menschlicher Geschichtlichkeit in Kunst, Philosophie und Literatur einen zuweilen verhängnisvollen Glanz entfalten. Das falsche Germanentum Wagners (Nietzsche 1999, 11: 244), die Schauspielerei George Sands, Michelets oder Sainte-Beuves, die Malerei Victor Hugos, „reich und überreich an pittoresken Einfällen" (ebd.: 271), die Dekorationen Sir Walter Scotts sind nur verstreute Illustrationen eines historistischen Zeitalters, in dem die Verkleidungen zwar als solche durchschaut werden. Diese allerdings sind durchaus imstande, eine mächtige Faszination auf den Betrachter auszuüben (vgl. dazu auch Karimi 1999). 127 In diesem Sinne kann Marx den spanischen Katholizismus und letztlich auch den Gott dieser Kirche mit dem Absolutismus selbst identifizieren (vgl. M E W 1956, 10: 439): „Das drit-

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nen fernes und längst entfremdetes Konstrukt betrachten. Auch auf den wechselhaften Linien der Historie und ihren Repräsentanten lastet ein Verhängnis, das den Menschen von den eigentlichen Zielen oder doch wohlmeinenden Intentionen entzweite und das in seinem Ausmaß einer Ausdeutung bedarf. Als Geschichte des Gleichen ist es aber vor allem das kulturelle Gedächtnis, das unter den Immanenzbedingungen der Restauration mit den Zeichen der neuen Zeit, mit den im westlichen Europa erreichten Fortschritten in Naturwissenschaften und der Philosophie konfrontiert wird und die große Vergangenheit Spaniens in einem Zerrbild erscheinen lässt. Auch Valera (1949, 3: 1130-1142) geht 1876 in seinem Vortrag vor der Real Academia Española „Del Influjo de la Inquisición y el fanatismo religioso en la decadencia de la literatura española" von einer zeitlich entrückten Idealität, „nuestro gran valor antiguo por el pensamiento y por la idea" aus (ebd.: 1131), zu der sich eine Rückkehr jedoch als überaus problematisch erweisen muss. Denn im Konstrukt jener großen Jahrhunderte, die dieser vollkommenen Vorstellung als 'goldene Zeitalter' eine historische Fundierung geben, beobachtet Valera bereits Elemente des Rückgangs und der Selbstzerstörung. Insofern erschiene es paradox, wollte man einerseits Irrtümer und Agonie einer Zeit beklagen, in deren Größe man anderseits aber ein Modell für die eigene erblicken möchte: Por otra parte, aunque diésemos por indiscutible la singular grandeza de nuestro país en los siglos X V I y XVII y la conveniencia de volver a las instituciones, ideas y costumbres de entonces, suponiendo que lo que entonces pudo producir aquella grandeza debe también producirla ahora, aún nos quedaría por demonstrar si aquellas instituciones, aquellas ideas y aquellas costumbres fueron la causa de la grandeza, o sí, por el contrario, la grandeza nació por otras causas, y dichas instituciones, ideas y costumbres lo que trajeron consigo fué la corrupción y la rápida decadencia. Este es verdaderamente el punto controvertible (ebd.: 1134).

Im Folgenden ist unschwer zu erkennen, dass die Theatermetapher in der Identität von Inszenierung und Publikum steckt, die der historische Analytiker interessanterweise mit dem „imagen de reino como cuerpo político (o civil) místico'" in Verbindung bringt (García-Pelayo 1959: 225). Als rhetorische Figur einer gemeinsamen Referenz wird das Personalpronomen so zum Chiffre einer Erkenntnis, die Valera, anders als die Mehrheit seiner Zeitgenossen, nicht in Institutionalisierungen wie der Inquisition und dem habsburgischen Herrscherhaus sucht, sondern in den Metaphern jener Krankheite Element der alten Institution Katholischen u m das Banner der denen des feudalen Spaniens zu in das furchtbarste Werkzeug des

der Cortes, die Geistlichkeit, hatte sich seit Ferdinand d e m Inquisition geschart und längst aufgehört, seine Interessen mit identifizieren. D u r c h die Inquisition war die Kirche vielmehr Absolutismus umgewandelt worden."

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ten, die den gesamten Körper erfasst hatten und alle anderen historischen Irrtümer lediglich als Symptome „de una enfermedad espantosa que devoraba el cuerpo social entero" erscheinen lassen (Valera 1949, 3: 1139): F u e una e p i d e m i a q u e infeccionó a la mayoría d e la nación o a la parte m á s briosa y fuerte. F u e una fiebre d e orgullo, un delirio de soberbia q u e la prosperidad hizo brotar en los á n i m o s al triunfar después de ocho siglos en la lucha contra los infieles. N o s llenamos d e desdén y d e fanatismo a lo judaico. D e a q u í nuestro divorcio y aislamiento del resto de E u r o p a . La parte m á s ilustrada del clero, los m i s m o s inquisidores, los m i s m o s reyes, m á s bien que impeler, tuvieron q u e refrenar la corriente de la intolerancia. Felipe II tuvo q u e luchar contra la o p i n i ó n pública para no expulsar a los moriscos y dejar esta triste gloria a su hijo (Valera 1 9 4 9 : 3: 1139).

Es ist aufschlussreich, dass mit dem Ruin der Monarchie und des dynastisch-verwandtschaftlichen Prinzips auch die Worte einstürzen, die ihm bisher Konsistenz gegeben haben. Denn wenn es weder dem König noch der Elite des Reiches gelingen konnte, dem Fanatismus Einhalt zu gebieten, hat der Herr die Kontrolle über seinen Körper verloren, der sich selbst trotz der gegenläufigen Postúlate der oben skizzierten politischen Theorie in seiner eigenen Überhöhung gefällt: Die eigentliche Quelle des spanischen Niedergangs erblickt Valera nämlich just in jenem Diskurs der Unduldsamkeit, der herausnimmt, sich in der metaphysischen Vorstellung des genus electum m Gott nach dem Bild des eigenen Volkes auszurichten und dabei in Entsprechung zur Körpermetapher alle Glieder in diesen Anspruch einzuschließen, wie es in einem anderen Zusammenhang heißt: N o s creímos el nuevo pueblo d e D i o s ; c o n f u n d i m o s la religión con el e g o í s m o patriótico; nos p r o p u s i m o s el d o m i n i o universal, sirviéndonos la cruz d e enseña o d e lábaro para alcanzar el imperio (Valera 1 9 4 9 , 3: 1139). 1 2 9 128 Diese besondere Form der Ebenbildlichkeit wird im Verhältnis zu jenem Gott erkennbar, der als Go'el oder Befreier Israels angesehen wird. Im althebräischen Recht wird mit Go'el jedoch der nächste Verwandte bezeichnet, dem „die Pflicht oblag, die Seinigen zu verteidigen, gleichviel ob es sich dabei um die Erhaltung des Familienerbes handelte (Lv 25,23ff), um die Befreiung eines in Sklaverei geratenen 'Bruders' (Lv 25, 26-49), um den Schutz einer Witwe (Rt 4,5) oder um die Rächung eines ermordeten Verwandten (Nm 35,19fF)" (Léon Dufour 1964: 56). Dieses verwandtschaftliche Band zwischen Jahve und Israel geht auf den Bund zurück, der beim ersten Auszug aus Ägypten zwischen beiden Seiten geschlossen worden war und das auserwählte Volk trotz seiner Verfehlungen zur Braut Jahves macht. 129 Auf Grundlage eines im wesentlichen gemeinsamen Glaubens seien folglich alle Spanier in eine Einheit gezwungen worden, die sie zwar vor den Gräuel der Bürger- und Religionskriege, nicht aber vor dem eigenen Fanatismus bewahrt habe, so Valera in einem anderen Artikel (Valera 1949, 3: 1159). Obwohl auch andere Völker zu einem solchen fähig gewesen seien, hätte sich dieser bei ihnen jedoch in vielfältigen sektiererischen Ausprägungen kundgetan, so dass deren Vertreter nach zwangsläufig unentschiedenen und aussichtslosen Kämpfen zu einem einigermaßen friedlichen und toleranten Zusammenleben übergegangen seien.

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Die Spanier hätten sich um die Entwicklung von Wissenschaft und moderner Zivilisation gebracht, zu der sie selbst die ersten Impulse gegeben hatten. Denn ihre Einheit sei durch nichts anderes als durch „una compresión larga y continua" hergestellt worden, die jeden Dissens alsbald im Ansatz erstickt hätte. An anderer Stelle erhält diese Aussage wiederum einen ähnlichen historischen Bezugsrahmen: El Santo O f i c i o a h o g ó todo discurso, todo m o v i m i e n t o sobre lo divino q u e no fuese una repetición de lo oficial y consignado. La filosofía acabó p o r convertirse en argotismo frivolo para las aulas, en fría indiferencia para los hombres de m u n d o , y para algunos políticos y eruditos culteranos, en doctrina estoica, más q u e metafísica, moral, y más q u e moral, literaria, pues los q u e la seguían, antes q u e de la ciencia y altos preceptos d e Crisipo, se apasionaban del estilo p o m p o s o y declamatorio de Séneca (ebd.: 1 0 8 1 ) .

Die Verflachung des wissenschaftlichen und philosophischen Diskurses, aber auch die Erstarrung der Metaphysik sind demnach zumindest nicht allein jenen historischen Subjekten zuzuschreiben, die in der Herrschaft des Hauses Habsburg und der Heiligen Inquisition die Geschicke des Landes bestimmt hatten. Vielmehr weisen sich diese lediglich als Merkmale eines umfassenderen Übels aus, das kaum mehr als hundert Jahre später am Ende der nationalkatholischen Ära im polemischen Befund eines Salvador de Madariaga auf nicht unähnliche Weise problematisiert wird: Die Anmaßung des kollektiven Ichs bestand darin, die prätendierte Stellung jenes auserwählten Volkes zu einer Nationalreligion erhoben zu haben, die ausschließlich innerweltlichen Zwecken geschuldet war. 130 Ein modernes liberales Gemeinwesen kann sich daher allein vor dem Hintergrund eines metaphysischen Horizon130 Vgl. de Madariaga (1969: 227): „El gran pecado de los españoles no fue ni la crueldad ni la codicia, sombras de su carácter que, al lado de lo que han sido en otros pueblos, cuentan poco; el pecado de los españoles fue la autolatría." Zu einer Zeit, als andere europäische Nationen Gestalten wie Newton und Descartes hervorgebracht hatten, sei Spanien, so de Madariaga, noch immer einer Dynastie gefolgt, die es in „una magia inefable" mit der Gottheit in verwandtschaftliche Beziehungen setzte. Vermittler dieser devotio hispanica waren der König und Jesus Christus, wobei die Konturen beider Figuren zumeist bis zur Unkenntlichkeit ineinander übergingen und immer nur dann klarer hervortraten, wenn Gott sich genötigt sah, seinem auserwählten Volk eine Lektion zu erteilen (de Madariaga 1969: 278). Im Abglanz dieses spanischen Königtums habe sich die Göttlichkeit in der opaken Machtinstanz des Monarchen entworfen. Die von uns umrissenen ontotheologischen Dispositionen des Okzidents werden insofern aufs Äußerste radikalisiert, als das nach sichtbaren und darstellbaren Größen geordnete Seiende ganz auf seine Anschaulichkeit in Christo ausgerichtet wird: Verehrung und Anbetung hätten in erster Linie nicht dem Rachegott des Alten Testaments und ebenso wenig dem Ewigen Vater als Inbegriff aller Perfektionen gegolten, sondern dem zwischen Himmel und Erde schlichtenden Sohn und dessen Heiliger Familie, die das Göttliche in den Kontext des Gelebten und Erfahrenen stellte: „Ante todo, nada de teorías y principios; sino una humanización de la familia celestial. Eso de Cielo y de la Gloria queda muy lejos. Abajo todos, que aquí se está

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tes herausbilden, der weiter und offener ist als das verengte Kredo einer konfessionellen Gemeinschaft, una u n i d a d católica en abierta p u g n a con el espíritu del siglo, contraria a la dignid a d del h o m b r e y desagradable a los ojos d e D i o s , q u e nuestro acatamiento y nuestra obediencia a sus altos m a n d a t o s , no por temor d e las potestades d e la Tierra, sino por a m o r suyo; no en lo exterior y aparente, sino allá en lo p r o f u n d o de nuestro ser, cordo bono et fide non ficta (Valera 1 9 4 9 , 3: 7 2 7 ) .

Die Forderung nach einer Zivilreligion, die nicht in ihrem anachronistischen Selbst eingeschlossen ist und dem Handeln aller Bürger eine gemeinsame Orientierung Basis verleiht, vereint in der spanischen Restaurationsepoche liberale Katholiken, antiklerikale Deisten, Republikaner und Royalisten, [pues ésta] fija y sanciona eficazmente las verdades fundamentales del órden m o ral, establece la regla inflexible del deber [...]; asegura la verdadera a r m o n í a moral en la sociedad y la verdadera paz pública, y determina y fija inviolablemente con toda firmeza las bases fundamentales del órden social [...] (Serrano 1 8 7 6 b : 197).

Auch wenn es noch zahlreiche Stimmen gibt, die den ehemaligen katholischen Staatskult als geeignetes Ferment einer kommenden „religión del Estado" betrachten (ebd.), scheint doch bei kritischen Geistern die Einsicht zu überwiegen, dass sie nicht in „la identidad de creencias (imposible de realizar en una sociedad libre con séres pensantes)" zu bestehen und „sin clero, sin cuerpo sacerdotal" auszukommen hat (Torres Solanot 1878: 592). Die Deterritorialisierung, die sich nach dem „milenario ideal de una sociedad sacra" (Abellán 1989, 5/1: 405) in transzendenten Höhen vollzieht, wird auf die Immanenz zurück gebannt. Reflexionen über das Verhältnis von Himmel und Erde werden umso erforderlicher.

3 . 2 D I E M E T A P H Y S I K D E R O N T O L O G I E Z W I S C H E N ALTEN U N D N E U E N FINALITÄTEN

Die Plädoyers für „un ideal religioso purificado de las supersticiones y de las ignorancias del pasado" (Torres Solanot 1878: 592) gehen auf die Einsicht zurück, dass die semantisch-historische Welt Spaniens auf von Menschen entworfenen und daher auch von Menschen veränderbaren Konstruktionen beruht. Letztlich ist hier jene klassische Religionskritik am Werk, welche die nationale Vergangenheit als reale Geschichte der Selbsttäuschungen und Chimären demaskiert. Inquisition, Unduldsamkeit und Zensur bedingten eine muy bien. Y así la religión queda transfigurada en una casa muy grande donde hay sitio para todos" (de Madariaga 1969: 226).

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weitgehend konsensuelle Weltsicht, die nicht dem Plan eines Schöpfers gehorcht und sich in dem Maße auflöst, wie auch diese Kräfte ihre Wirkung verlieren. Der metaphysische Horizont ist nachhaltig erschüttert und mit ihm jene Fundamentalbegriffe, die wie „Wirklichkeit, Sein, Werden, Raum, Zeit, Bewegung, Veränderung, Ursache, Wirkung [...]„ (Kirchner/Michaelis 1907: 359) auf ebenso grundlegende Weise die Beziehungen des Menschen zur Sprache und damit zu seiner Umwelt regeln. Die innere Axiomatik dieser Konzepte kann demnach nicht mehr stillschweigend vorausgesetzt werden. Sie bedarf im Gegenteil umso mehr einer Reflexion, als sich in dieser eine in Bewegung geratene Metaphysik abzeichnet, deren basale Begriffe in ihrer Geltung immer wieder zu verifizieren ist. Was sich auf der Ebene der Erzählwelten in der eingangs genannten Häufung metafiktionalen Erörterns, dem Ausloten der Möglichkeiten und Grenzen des Erzählens, niederschlägt (Kravar 1994: 275), macht sich ebenfalls im öffentlichen Diskurs bemerkbar. Auch hier geht es über den unmittelbaren Gegenstand hinaus um dessen sprachliche Setzung und um die Angemessenheit von Bezeichnungen, in denen sich die veränderten Referenzen zwischen Sein und Denken abzuzeichnen haben. Als Teil eines lebendigen Immanenzmilieus haben literarische Polemiken im letzten Drittel des 19. Jahrhundert Konjunktur und nehmen einen ansehnlichen Platz in der Tagespresse der Zeit ein. Von diesen fallen besonders die beiden Kontroversen der Jahre 1887-1890 ins Auge, in denen sich Clarin und Nunez de Arce bzw. der Lyriker Ramön de Campoamor (1817-1901) und der Romancier Juan Valera jeweils als Kontrahenten gegenüber stehen. In diesen Polemiken, die in längeren Artikelserien ausgetragen werden, stehen bezeichnenderweise Vorzüge und Nachteile der gebundenen Rede gegenüber der fiktionalen wie wissenschaftlichen Prosa, der Vertreterin des „Nüchternen, im Gegensatz zum Phantasievollen" (BKK 1906. 2: 461-462), im Zentrum. Beide finden zu einer Zeit statt, in der Kategorien des Entwicklungs- und Fortschrittsdenkens die Immanenzebene bevölkern, um die Poesie in Mythen der Vorzeit, überwunden geglaubte Archaismen und außereuropäische Zivilisationen zu bannen, wie dies bereits in angelsächsischen Gazetten der zwanziger und dreißiger Jahre angeklungen war.' 3 ' Die Welt als ewiges Werden, „aber »nicht [als] ein Werden, das ziellos nur das Vorhandene zerstört, damit Neues an seine Stelle trete, 131 Zit. nach Ritter (1976, 4: 218): „Die Philosophie der modernen Schule ist die des Verstandes, nicht der Imagination" so heißt es schon. Oder: „Das Vokabular einer aufgeklärten Gesellschaft ist philosophisch, das einer halbzivilisierten Nation poetisch". Und endlich: „Der Fortschritt von Philosophie und Wissenschaft [...] verengt und verkleinert den Bereich der Imagination kontinuierlich und verwandelt das Zweifelhafte in das Wahre, das Vage in das Bestimmte."

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sondern [als] stetiger Zusammenhang zweckvoller Gestaltungen« (Wundt, Wilhelm: Syst. d. Philos.2, S. 666 ff.)" (Eisler 1904, 2: 725) muss die Gemüter in einer Zeit der Auflösung religiöser Gewissheiten trotz ihres Ikonoklasmus fasziniert haben. Diese beruht einzig und allein auf dem „moralischen Zweckbegriff des Fortschritts", ohne den das 'Werden oder die 'Evolution „alle Bildkraft und jeden Sinn" verspielte (vgl. Mauthner 1923, 1: 428). In unserem Zusammenhang soll bewusst jener Debatte zwischen Valera und Campoamor in der España moderna (Juli bis August 1890) gedacht werden, welche die metaphysischen Veränderungen besonders sinnfällig belegt (vgl. Campoamor 1890 bzw. Valera 1949, 2: 1630-1693), vor allem, wenn man die Aussagen mit früheren Texten der beiden Kontrahenten in Bezug setzt. Was nämlich als Erörterung über den Stellenwert der lyrischen Dichtung in der modernen Gesellschaft seinen Anfang nimmt, weitet sich unversehens zu einem grundlegenden Disput über den Charakter der Metaphysik selbst aus und impliziert somit die Geltung der Sprachkunst als privilegiertem Medium der Welterschließung. Dass sich die Positionen der beiden Zeitgenossen, soweit sie in ihren Aussagen der vorangegangenen drei Jahrzehnten abzusehen sind, kaum grundlegend ändern sollten, ist wohl dem geläufigen Umstand zuzurechnen, dass der Ubergang von der Metaphysik zur empirischen Wissenschaft bei den einen auf ähnlich konstante Resistenzen stieß wie er bei den anderen auf Zustimmung hoffen durfte. Dabei siedeln sich an der Oberfläche der Sprache Dualismen an, welche Gemeinsamkeiten zwischen Dialogpartnern zugunsten miteinander unvereinbarer Positionen augenscheinlich neutralisieren: In beiden Akteuren scheinen sich Versdichtung und wissenschaftliche Prosa, Offenbarungsglaube und Bekenntnis zum positivistischen Weltbild gegenüber zu stehen. Zu sehr hat sich zwischen dem neuen empirischen Wissen und der Metaphysik christlicher Uberlieferung bereits ein Abgrund geöffnet, den auch der philosophische Idealismus zum Leidwesen von Nicolás Salmerón wohl niemals mehr zu schließen vermag: El imperio siempre creciente del conocimiento de lo concreto en las experiencias sensibles de las ciencias naturales, junto con cierto injustificado abandono de la reflexión filosófica, constituyen, c o m o en verdadero aluvión, la moderna ciencia, orgullosa con sus nuevos triunfos y dotada de un espíritu de proselitismo que le hace degenerar en lo que más odia, en el dogmatismo, inherente a toda fórmula escolástica (zit. nach Abellán 1989, 5/1: 116).

Gemeinsam erkennt mit Valera auch Campoamor, dass die proliferierenden Einzelkenntnisse der exakten Wissenschaften dem spekulativen metaphysischen Denken schrittweise den Boden entziehen:

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Convengo en que el momento es pavoroso y lúgubre. Se piensa que nos hemos quedado sin religión y sin metafísica. No hay más que empirismo, ciencia; pero los científicos andan buscando la ciencia, esto es, que, renegando de la metafísica, la buscan para colocarla en el trono como reina, ya que la ciencia que buscan, y que enlaza y funda las ciencias, ó es metafísica ó no es nada (Campoamor 1890: 155).

Ais „el solo filósofo original" Spaniens verteidigt Campoamor (vgl. Valera 1949, 2: 1492-1505), in der Metaphysik hingegen die eigentliche Wissenschaft, welche die empirischen Einzeldisziplinen bei weitem überrage. Seine vehemente Parteinahme ist erst vor dem Hintergrund jener romantischen Auffassung von der Progressiven Universalpoesie nachzuvollziehen, welche die Kunst - durchaus im Einklang mit späteren ästhetizistischen Bewegungen gegen die zunehmende Arbeitsteilung der modernen Industriegesellschaft noch als Ort ihrer Aufhebung begreifen. Allein in den altbewährten Künsten wie der Dichtung teile sich auf Erden der Widerhall jener überirdischen Harmonien mit, allein in ihrem Wirkungskreis lasse sich das Unendliche im Endlichen erahnen, da deren Bilder nicht jene Flüchtigkeit aufwiesen, wie sie die moderne Welt in ihrem Psychologismus, Materialismus, der Philosophie nach Kant (Campoamor 1865: 337-339) und letztlich auch die zeitgenössische Prosa in der Dominanz ihrer imagen elusiva (vgl. Delgado 2000) unausgesetzt produziere: Si la idea de lo bello no fuese absoluta, como la de lo verdadero y la de lo bueno; si sólo fuese la expresión de un sentimiento individual, de una variable sensación, ó el fruto del capricho de cada uno, las discusiones sobre las bellas artes fluctuarían sin apoyo y no tendrían término; no habría bueno ni malo, feo ni hermoso; pues bello y lo bueno lo son tanto más ó ménos cuanto se alejan ó acercan más al tipo absoluto de virtud ó de verdad (Campoamor 1865: 339).

Als Medium der prima philosophia ergibt sich für Campoamor daher naturgemäß die sich ins Gedächtnis einprägende rhythmisierte und sprachbildende Dichtung, die einen überpointierten Wahrheitsbezug zur gebundenen Rede des lyrischen Ichs herstellt. Doch diese Beziehung ist keineswegs willkürlich gewählt: Poesie und Metaphysik bedingen einander, weil jede Repräsentation der Wirklichkeit auf dem Metaphorischen beruht, das „nämlich das Maß für unsere Vorstellung vom Wesen der Sprache gibt" und so „als vielgebrauchtes Hilfsmittel bei der Auslegung der Werke des Dichtens und des künstlerischen Bildens dient" (Heidegger 1992: 89). Die Stimmigkeit der Metaphysik erwächst aus der Bestimmtheit ihrer Bilder, die im Absoluten, im höchsten Wesen zusammenlaufen. Aus der „Scheidung des Sinnlichen und Nichtsinnlichen, des Physischen und Nichtphysischen" ergeben sich

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Dualismen (Heidegger 1992: 89), die es zu verbinden gilt, um eine sinnvolle Ordnung zwischen den Worten und Dingen zu begründen. Wenn erst einmal die Hierarchie ihrer Bilder einstürze, setze sich alsbald die Meinung durch, „de que Dios es sólo una palabra [...]" (Campoamor 1865: 17). Gehe den Massen kein Gott mehr voran, werden diese in eine falsche Richtung ausweichen und ihre Schätze an anderer Stelle zu finden wissen, „donde saben que los han de encontrar, entre las ruinas" (ebd.). Eine völlig andere Auffassung wird dagegen von Valera vertreten, der in Dichtkunst und metaphysischem Denken keinen unmittelbaren Nutzen für die moderne Industrie- und Wissensgesellschaft mehr zu erkennen vermag.132 Im Gegensatz zur Prosa als ergiebigerer Informationsquelle, die in Parlament, Presse oder Wissenschaft: überdies auf feste Referenzen verweise, sei diese den Tagesaufgaben entrückt (Valera 1949, 2: 1656) und entbehre ebenso eines Zweckes wie die Metaphysik, die sich angesichts der Hypertrophie der verschiedenen Denksysteme als „ciencia inútil" zu erkennen gäbe (Valera 1949, 2: 1650) 133 :

132

Es fällt dabei allerdings auf, dass beide Seiten das Poetische bezeichnenderweise mit dem normenpoetischen Versmaß selbst identifizieren und dessen Auflösung in der Literatur der Moderne völlig ausblenden (vgl. Rubio Cremades 1990: 31-39). In ihrer berechtigten Kritik gibt Emilia Pardo Bazán (1891) zu bedenken, dass die Gegenüberstellung von Poesie und Prosa auf der Grundlage von gebundener und ungebundener Rede der allgemeinen Auffassung der Epoche nicht mehr angemessen sei: „Falta aquí una distinción muy necesaria; y por su falta, desde este punto, oscurécese lamentablemente el debate. Al parecer, ni Valera ni Campoamor distinguen entre la prosa necesaria, la que sirve para la comunicación y fines prácticos de la vida, y la prosa bella, que es tan arte y puede ser tan poesía como los mejores versos, por lo cual Richter y Enrique Heine, sin vacilar, incluyeron a Cervantes entre los mayores poetas del mundo. Arrastrados por el calor de la discusión, diríase que Campoamor confunde la rima con la poesía, y Valera prescinde de la existencia del arte de bien hablar en prosa. ¡Notable omisión en el poeta cuya excelsitud pende menos de los ápices de la rima, y en uno de los prosistas más artistas que honran a España!" 133 Yg[ j a z u (-(eine (1972, 5: 232), der den Hiatus zwischen Poesie und Wissenschaft schon im Vorwort zur französischen Ausgabe von Lutetia ein Jahr vor seinem Tod, wie folgt, in einer immer wieder zitierten Aussage umreißt. „Dieses Geständnis, daß den Kommunisten die Zukunft gehört, machte ich im Tone der größten Angst und Besorgnis, und ach! diese Tonart war keineswegs eine Maske! In der Tat, nur mit Grauen und Schrecken denke ich an die Zeit, wo jene dunklen Ikonoklasten zur Herrschaft gelangen werden: mit ihren rohen Fäusten zerschlagen sie alsdann alle Marmorbilder meiner geliebten Kunstwelt, sie zertrümmern alle jene phantastischen Schnurrpfeifereien, die dem Poeten so lieb waren; sie hacken mir meine Lorbeerwälder um, und pflanzen darauf Kartoffeln; die Lilien, welche nicht spannen und arbeiteten, und doch so schön gekleidet waren wie König Salomon, werden ausgerauft aus dem Boden der Gesellschaft, wenn sie nicht etwa zur Spindel greifen wollen; den Rosen, den müßigen Nachtigallbräuten, geht es nicht besser; die Nachtigallen, die unnützen Sänger, werden fortgejagt, und ach! mein 'Buch der Lieder' wird der Krautkrämer zu Tüten verwenden, um Kaffee oder Schnupftabak darin zu schütten für die alten Weiber der Zukunft [...]."

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El orador parlamentario arenga para que triunfe su partido; el abogado escribe pedimentos para ganar pleitos a sus clientes; en fin, todo tiene un fin fuera de sí, mientras que la poesía lo tiene en ella sola (ebd.: 1656).

Obwohl sich die Metaphysik als ein Unternehmen darstelle, das keine Dividende abwerfe und ausschließlich Kosten hinterlasse, betreibe der Mensch sie unausgesetzt, ähnlich jenem lateinischen Poeten, „que juraba y prometía a su padre no componer más versos y ponía en versos malos el juramento y la promesa" (ebd.: 1632-33). Notwendig sei es folglich, diese metaphysischen Antriebskräfte in vernünftige, d. h. effiziente Bahnen zu lenken, um sie „el natural crecimiento y progreso en todo de la razón humana" dienstbar zu machen (ebd.). So gebe es „principios fundamentales [...] sin los cuales no se concibe sociedad humana, ni civilización, ni leyes, ni derechos, ni deberes, ni moralidad, ni derechos [...]" (ebd.: 1650). Auf deren Grundlage eigne sich der Mensch die Welt instinktiv und spontan an, ohne diese jedoch selbst zum Gegenstand seiner Reflexion machen zu müssen: Es menester que en mi casa se trate de la cocina, del lavado y planchado de la ropa, de los muebles, de todo lo tocante, en suma, al doméstico; pero ¿que necesidad tiene nadie, ni en mi casa, ni en ninguna casa, de hablar en verso, ni tratar de metafísica? (Valera 1949, 2: 1650).

Dass es Campoamor indes nicht um diese an pragmatischen Zielen orientierte irreflexive Metaphysik geht, gibt er in Anknüpfung an dieses Beispiel zu bedenken. Man könne sich erst Koch nennen, wenn man sich auf eine erlernte oder erfundene Theorie der Kochkunst stütze (Valera 1949: 1658-1659). Die Notwendigkeit bloßer Sinneseindrücke und Erkenntnisse, die der Mensch aus seiner Erfahrungswelt ziehe, täuschten nicht darüber hinweg, dass übergeordnete Prinzipien oder Konzepte diese interpretierten. Angesichts seiner selbstreflexiven Begabung zu einer „entendimiento entendido" sei es dem Menschen gegeben, diese im Unterschied zum natürlichen Instinkt eines Tiers, „[que] hace cosas de entendimiento", zu verstehen und zu deuten. Was der „poeta filósofo" (Abellán 1989, 5/1: 143) in der Metaphysik als „conjunto de las leyes del entendimiento" bezeichnet, ist aus seiner Sicht jedoch mitnichten einer ständigen Bewegung unterworfen. In einer seiner wichtigsten philosophischen Arbeiten El absoluto (1865) hatte Campoamor diese bereits mit der Offenbarungstheologie identisch gesetzt, „porque lo perfecto es eterno, con eternidad anterior y posterior, como el origen de que procede." Den ewigen Wahrheiten wüßte der moderne Geist nichts als „esa balumba de dudas sistemáticas, de descubrimientos empíricos y de racionalis-

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

mos irracionales" hinzuzufügen (Campoamor 1865: 9). 134 Was Campoamaor also bekämpft, ist nichts Geringeres als die Entstehung einer Philosophie, die einer immanenten Weltsicht verpflichtet ist und damit einen Bruch mit den überlieferten Glaubensvorstellungen vollzieht. Aus Valeras Sicht, die dessen frühere Repliken an den Philosophendichter aufgreift (vgl. Valera 1949, 2: 292), lassen sich theologia revelata und Metaphysik hingegen eben nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen: In der Offenbarung gebe Christus die Wahrheit jenes Wortes weiter, das der Vater einst hervorgebracht habe. Während dem Wort Gottes die Kategorie des Fortschritts jedoch fremd sei, da die in den Zehn Geboten oder der Bergpredigt verkündete Wahrheit eine unverbrüchliche Geltung im Himmel und auf Erden beanspruche, verhalte es sich mit der Metaphysik völlig anders: Diese entspräche im Gegenteil einer ständigen Bewegung, die den Menschen der Wahrheit näher bringe, d. h. das bisher Unbekannte und Unsichtbare allmählich in verifizierbare Größen verwandle.135 In der Metaphysik und im weitesten Sinne auch in der Religion trage sich die spekulative Suche des Menschen in der Zeit aus: El sol no se paró en el centro del sistema planetario, ni la tierra c o m e n z ó a girar en torno suyo el dia en q u e notaron y la afirmaron C o p é r n i c o y Galileo. D e s d e el primer dia de la Creación, el sol y la tierra estaban así, en sí (ebd.: 1494).

In der Radikalisierung des Gegensatzes von wissenschaftlicher Prosa und theologisch inspirierter Poesie tut sich ein Spannungsverhältnis auf, das die 134 Diesen Irrtümern zum Trotz überdauere die Metaphysik „[en] su majestad omnisciente y todopoderosa" die Zeiten (Campoamor 1865: 9), um Völkern und Königen jenen Gehorsam abzuverlangen, der ihr seit Anbeginn der Welt zusteht. Metaphysik und Religion folgten demnach nicht der Linie eines Fortschritts, da sie nicht dem historischen Wandel unterworfen seien. Gleich der Navigation eines Schiffes, die sich an einem Fixstern zu orientieren habe, bedürften Moral wie Wissenschaft unveränderlicher Größen, die allerdings aus dem Blickfeld der Zeitgenossen geraten seien. Als Zeit des Ubergangs von der Metaphysik zur positivistischen Wissenschaft habe das mit synkretischem Wissen überzogene Jahrhundert die Häresie des 17. und den Nihilismus des 18. Jahrhundert übernommen, ohne sich noch des Glaubens der Märtyrer aus frühchristlicher Zeit und des mittelalterlichen Heldentums versichern zu können. Der Fortschritt geht also in eine völlig falsche Richtung (Campoamor 1865: 20). Zu sehr gibt er mit dem Schwinden einer als Theologie verstandenen Dichtkunst, auf die gerade die Religion „wegen der Ähnlichkeit des sprachlichen Ausdrucksmittels [...] zumindest unbewußt" einzuwirken pflegte (Mauthner 1923, 2: 562), auch die poetische Figur zugunsten philosophischer Konzepte und wissenschaftlicher Begriffe auf.

" ' V g l . die Stellungnahme des altkatholischen Predigers Hyacinthe Loyson (1877: 586), der die Metaphysik durchaus als Bewegung christlicher Wahrheit in Zeit und Raum verstanden wissen will: „¡Ah! Bien sé que la verdad divina no cambia con el tiempo ni varia con las regiones. Pero hay formas de la verdad predestinadas á tal ó cual país, á tal ó cual época; y la forma religiosa que hoy conviene á la juventud francesa ¡lustrada no es la que tuvo razón de ser en la Edad Media."

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

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Idee Gottes als erstem unbewegtem Beweger zum Ausgangspunkt nimmt, „de donde y a donde vuelve todo bien en el mundo", zugleich aber auch in ein produktives Verhältnis zum erkennenden Subjekt setzen will. Denn, wie Valera in der Kritik an Campoamors Idee des Absoluten pointiert, nicht nur „en las verdades del hecho, mas [...] también en la verdad especulativa" hinterlasse die progredierende Zeit ihre Spuren. In diesem Sinne hatte er sich bereits 1859 anlässlich der geschichtsphilosophischen Vortragsreihe von Emilio Castelar zur Historia de la civilización durante los primeros siglos del cristianismo am Ateneo zu Madrid geäußert. Die Idee Gottes könne in gewisser Hinsicht als „causa del progreso" begriffen werden, „porque la idea de Dios es el término de perfección y el ideal de nuestra especie en las diferentes edades" (Valera 1949, 2: 1405). So sehr der Fortschritt, der die conditio humana zivilisiere, auch vom christlichen Glauben inspiriert sei, sosehr sei aber auch die kategoriale Scheidung von Theologie und Religion ein Gebot der Stunde, so Valera in einem Aufsatz, in dem er 1862 die Krausisten gegen die neokatholische Reaktion in Schutz nimmt: Ni el catolicismo es una filosofía, ni la filosofía es, ni puede ser jamás, una religión. Hay dos grandes abismos en el alma del hombre que no se colman con una sola de estas cosas, sino con ambas (Valera 1 9 4 9 , 2: 1 4 6 2 ) .

Beide Sterne in unterschiedlichen Umlaufbahnen befänden sich indes in ein- und demselben System, „iluminados por el mismo sol eterno, si bien con diversa intensidad y de diverso modo, y ambas iluminan a la vez diversos espacios del infinito mundo del espiritú" (ebd.). Die Scheidung einer vom Fortschritt erfassten immanenten Welt von einer in sich ruhenden Transzendenz zieht aber keine Konsequenzen in der Begriffbildung nach sich. Auch hier strömen die Metaphern einer göttlichen Harmonie auf die historische Wirklichkeit über. In der Begriffswelt des spanischen Immanenzmilieus der sechziger und siebziger Jahre versteht sich Philosophie noch ganz in ihrer Verwandtschaft zur Religion. Gleich dieser erkennt sie die Endlichkeit ebenso wenig an „als ein wahrhaftes Sein, als ein Letztes, Absolutes, oder als ein Nicht-Gesetztes, Unerschaffenes, Ewiges." Denn Philosophie verdiene ihren Namen nur dann, wenn sie nicht „dem endlichen Dasein als solchem wahrhaftes, letztes, absolutes Sein [zuschreibe]" (Hegel 1979, 5: 172). In dieser Logik liegt es auch, der Wissenschaft eine Allianz mit dem Glauben zu empfehlen und diese auf eine anerkannte Grundlage zu stellen, wie dies Nicolás Salmerón im Vorwort zur spanischen Ausgabe der Études sur la religión (1857) von Guillaume Tiberghien (1819-1901) unternimmt: Todos aquellos que, sea qualquiera su fe natural o positiva, sienten la necesidad de mantener, de avivar e ilustrar en su conciencia aquel espíritu, sin el cual la vida

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

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es un desierto, hallarán en sus páginas estímulo suficiente q u e nos les consentirá olvidar, en m e d i o d e las relaciones usuales y exteriores, la idea d e D i o s , p u n t o místico de d o n d e procede y a d o n d e vuelve t o d o bien el m u n d o (zit. nach Abellán 1989, 5/1: 81).

Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Differenzen zwischen dem Traditionalisten Campoamor und dem Positivisten Valera demnach als weit weniger radikal, als dies die Wortgefechte erwarten lassen. Zwar wird in ihren Positionen die Krise der Metaphysik gegenwärtig, welche die Verbindlichkeit transzendenter Begriffe außer Kraft setzt, zu deren ständigen Reflexion aufruft und aus deren kanonischen Bindungen löst. Zugleich verwandelt sich diese Krise zu einem Ubergang, verschiebt sie sich doch mit „[der] Beschränkung auf das sinnlich Gegebene, [der] Verzeitlichung des Seins und des Menschen, [dem] Vertrauen auf Entwicklung und Fortschritt, [dem] Ersatz der Religion durch Wissenschaft, Kunst und Soziologie" (Hirschberger 1991, 2: 535) vom theozentrischen zum anthropozentrischen Denken, was seinerzeit freilich auch Resistenzen frei setzen sollte.136 Dabei wird sich der „menschliche und eigentlich moralische, axiologische Begriff des Fortschritts in die Vorstellung von einer Evolution der Organismen" einschleichen (Mauthner 1923, 1: 427-428). Nun ist es nicht mehr der Totalitätsbegriff der Vernunft oder einer absoluten Idee, die eine Entwicklung zum Höheren, das Fortschreiten lehrt: Aus Naturursachen werden Endursachen, wobei auch die neuen Konzepte einer religiöse Grundierung nicht entbehren. Einem organicismo krausista', der den Begriff der Menschheit noch in den Farben einer unsichtbaren, konfessionslosen 'Iglesia Universal' konzipieren sollte, wird einem organicismo biológico-natural' weichen. Der metaphysische Begriff „devenir del espíritu, este proceso del mundo, que sin cesar se continúa á través del drama variable de los hechos, [...] la verdadera theodicea, la justificación de Dios en la historia" (Caro 1878: 74), der einem subjekthaften 'Werden Ausdruck verschaffen will, macht einer 'evolución Platz, die einer essentialistischen Auffassung vom Leben das Wort redet und der Idee ihren einstigen Platz streitig macht: D e este m o d o , las categorías básicas de la ontología idealista van a experimentar un proceso de positivación: la idea d e devenir, característica de la filosofía d e la historia idealistas, se transforma, bajo el influjo del m o d e r n o naturalismo, en la 136 Perhorreszierende Hinweise auf die mächtige Wirkung des Anthropozentrismus, „este endiosamento satánico", die der Leser in zeitgenössischen Enzyklopädien findet, richten sich gegen eine Rhetorik, bei der Segmente eines religiös-eschatologischen Wortschatzes auf politisch-ideologische Zwecke ausgerichtet und damit für den Menschen als „el fin y el centro de toda realidad y los demás seres medios para este fin" verfugbar gemacht werden (DHA 1887, 2: 353).

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de evolución; al sentido ético-espiritual de la organicidad krausista, le sustituye ahora otro tipo biológico natural, y del monismo idealista especulativo pasamos a un monismo científico o positivo, fundado en sólidos agarraderos científicos. La comprensión de este proceso filosófico-científico resulta además de capital importancia, no sólo para captar los nexos de continuidad de la trayectoria de la filosofía decimonónica - desde Kant y Hegel hasta Spencer y Haeckel - , a la par que sus divergencias metodológicas, sino también para apreciar las relaciones recíprocas entre ciencia y filosofía, así como el nuevo sentido y legitimación de la actividad filosófica dentro del vigente contexto científico-positivo (Núñez Ruiz 1 9 7 5 : 99).

Aus dieser historischen Perspektive werden Forderungen nach einer irreflexiven Metaphysik in ihrer vollen Tragweite verständlich: Denn diese schmiegt sich gleichsam an die Fortentwicklung der Produktivkräfte an und übersetzt diese in eine vermeintlich naturgewollte Evolution des Lebens, ohne sich dabei selbst zur Sprache zu bringen und dabei doch wie eine unsichtbare Kirche in den Tätigkeiten der Individuen allgegenwärtig zu sein. Was dabei einer Problematisierung entzogen wird, ist aber gerade jenes harmonisch-dialektisches Verhältnis zwischen Individuum und Welt, wie es der Rationalismus der Krausisten und der Positivisten prinzipiell unterstellt. Dass auch Juan Valera die Grundlagen dieses Denkens nicht mehr reflektieren will, ist symptomatisch fiir ein Bürgertum, das sich selbst stillschweigend als ewige Größe voraussetzt und philosophisches Räsonnement zu esoterischem Unterfangen oder zu harmloser Spielerei erklärt. Die Metaphysik des bürgerlichen Zeitalters wird in den Fluss eines Fortschrittsdenkens gebracht, das deren widerstreitende Bewegungen erneut zu bändigen und in seine Richtung zu treiben sucht. Aus diesem Grund muss ihre Öffnung zur Erde mit den Transformationen des Entwicklungsdenkens vom harmonischen Rationalismus und deterministischen Positivismus ähnlich der Handlungsstruktur im bürgerlichen Bildungsroman auf halbem Wege stecken bleiben. Sucht man in dieser Diskursart der Moderne auch vergebens nach einem einzigen sinnstiftenden Zentrum, um das die einzelnen narrativen Elemente im Zitieren anderer Texte kreisen, so bleiben die abweichenden Episoden und Reflexionen doch einer Haupterzählung zugeordnet. Wie der Roman dieses teleologische Prinzip in die neue Zeit hinüberrettet und den Gang seiner Handlung einer Finalität zuordnet, die dem Triumph des Helden oder seinem versöhnlichen Ableben gleichkommt (Kristeva 1979), wird auch die Vielheit der Erscheinungen in die Versöhnung der Gegensätze gebannt. Eine entsprechende Bewegung hatte mit der Philosophie Hegels in dem „von ihm durchaus geteilten Leitgedanken des Deutschen Idealismus" (Funke 1985: 4) auch schon jener harmonische Rationalismus Krauses vollzogen, der die 'Wesenschauung' des Ichs in

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F o r t s c h r e i b u n g der christlich eingefassten M e t a p h y s i k zu einer absoluten K a tegorie e r h e b t . 1 3 7 D e r U b e r g a n g v o n Hegel zu Nietzsche, v o n der Unwiderstehlichkeit der m e n s c h l i c h e n Vernunft in der G e s c h i c h t e zur Selbsttätigkeit eines v o n biologischen Kräften durchwirkten D e t e r m i n i s m u s (vgl. G l i c k 1 9 8 8 ) , wie er unter den spanischen Verhältnissen im allmählichen U b e r g a n g v o m

Krausismus

z u m Positivismus seit M i t t e der siebziger J a h r e zutage tritt, erscheint s o m i t weniger unverständlich, als dies v o r d e m H i n t e r g r u n d hitzig geführter D e b a t ten zunächst a n m u t e n m a g . Hegels K o n s t r u k t i o n der G e s c h i c h t e bemisst d e ren G a n g a m zeitlichen F o r t s c h r i t t , d. h. a n d e m , was sich in der W e l t geschichte als folgenreich zu erkennen gibt, was „die Aufeinanderfolge der Weltereignisse nach der Vernunft des Erfolges b e w e r t e t . " ( L ö w i t h 1 9 9 5 : 2 3 8 ) Dieser M a ß s t a b , a u f dessen G r u n d l a g e der Erfolgreiche gegenüber den E r folglosen eine höhere L e g i t i m i t ä t erfährt, kehrt a u c h bei Charles D a r w i n ( s u r vival

of the

fittest)

wieder: W e n n dieser „unter d e m E i n d r u c k der ö k o n o m i -

schen K o n k u r r e n z das Gesetz der natürlichen Z u c h t w a h l ' entdeckt, w o n a c h die jeweils h ö h e r e n T i e r a r t e n d a d u r c h entstehen sollen, dass ' i m K a m p f u m s Dasein der T ü c h t i g s t e die weniger T ü c h t i g e n überlebt", d a r f m i t

Löwith

(ebd.: 2 3 8 ) a n g e n o m m e n werden, dass „Hegels Geschichtsphilosophie u n d D a r w i n s biologische T h e o r i e

[...] d e m faktisch E r f o l g r e i c h e n "

gegenüber

„den unberechtigten E x i s t e n z e n " ins R e c h t setzen.

137 Vgl. dazu Kodalle (1985: 71). Im Unterschied zu Hegel „nimmt Krause den Dominanzanspruch des Denkens selbst zurück." Der Mensch könne auch mittels Gefühl und Willen zu einer wahrhaften, wahrheitsorientierten Existenz kommen, da sich auch in diesen Dimensionen Gottähnlichkeit manifestiere. Der Empfindung wird von Krause sogar als wesentlich mit dem Menschen Vereintes eine größere Authentizität zugestanden. Für die spanische Rezeption ist jedoch zu beachten, dass der Krausismus in starkem Maße als Philosophie einer Aufklärung rezipiert wurde, die gerade dem Denken einen Vorrang gegenüber der Macht der in Schule und Hochschule dominanten scholastischen Tradition gab. Dass diese gerade an das Gefühl der alten Gewohnheit appellierte, machte es überdies für die spanischen Krausisten notwendig, andere Dimensionen als das abstrakte Denken zu berücksichtigen. Es hieße aber deren pädagogische Auffassungen auszublenden, wollte man nicht in Rechnung stellen, dass das von ihnen vorgestellte Menschenbild selbst vom Wirken einer allseits präsenten Vernunft in allen Individuen ausgeht, so dass dem Fühlen und Wollen notwendigerweise keine vom Denkakt abweichenden Funktionen zukommen können, sondern im Gegenteil jene, die das Menschheitsideal in eine sinnliche Sprache übersetzen und so dem res cogitans vermittelnde Dienste zur Verfügung stellen, so dass corazón unschwer eine Stimmigkeit mit razón erreicht: „Pero sobre el ánimo y el corazon reina el espíritu con su indivisible razón, conscio y libre; recibe la voz del ánimo, los impulsos del corazon rigiendo y moderando unos y otros con superior unidad y para un fin ultimo. [...] El espíritu como razón determina y concluye definitivamente, y en cuanto esto es: voluntad' (Krause/Sanz del Río 1860: 83-84). Man wird in der Analyse narrativer Texte unschwer sehen können, wie sich die Vereinzelung von Wollen und Fühlen der Dominanz der Vernunft entreißt und damit den Denkakt als solchen nicht aus der intendierten Bahn wirft.

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

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Im Widerstreit zwischen dem Bekenntnis zum alten theokratischen Gott und dem neuen Glauben an die Wissenschaft kommt jedoch auch eine Metaphysik in Gang, die sich der traditionellen Verklammerung mit den alten Wahrheiten entzieht und dabei doch die Möglichkeit ihrer eigenen Geltung bestreitet. Mit dem unabwendbaren Riss, der sich immerhin zwischen dem christlichen Kreationismus und dem neuen deterministisch-biologistischen Evolutionismus abzeichnet (vgl. Nuñez 1969 bzw. 1975), eröffnet sich freilich ein beachtlicher Spielraum flir Erörterungen über die geistige Situation der Zeit. Diese neue Bewegungsfreiheit hat sich jedoch mächtiger Gegenspieler zu erwehren: Auch in Spanien verabschiedet sich das ausgehende Jahrhundert allmählich von einem Immanenzmilieu, das noch weitgehend von literarischer Kultur, idealistischer Philosophie und vernunftgemäßer Religion geprägt ist. Die von Valera verfochtene irreflexive Metaphysik umgibt die an exakten Daten ausgerichteten Wissenschaften über die Natur, „el evolucionismo y las filosofías del devenir, el desarollo del experimentalismo y las filosofías materialistas, el darwinismo y la fundamentación de un capitalismo salvaje" (Abellán 1989, 5/1: 332), bereits mit einer ähnlichen Aura des Wahren und Wirklichen, wie dies vormals nur dem traditionellen Glauben beschieden war. Allerdings ist das wissenschaftliche Denken der traditionellen Metaphysik insoweit unterlegen, als sie „kein neues Weltvertrauen schaffen [kann]", da die Sinnlosigkeit gerade mit der Begreiflichkeit des Universums zunimmt (Schulz 1985: 417). Einem einheitlichen Schema unterworfen (Lévi-Strauss 1977: 36), sind der neuen Alltagserfahrung Denkverbote dennoch nicht fremd. Denn „dem Positivismus, der das Richteramt der aufgeklärten Vernunft antrat, gilt in intelligible Welten auszuschweifen nicht mehr bloß als verboten, sondern als sinnloses Geplapper" (Adorno 2003, 3: 42). Findet die Bewegung der Metaphysik von der Teleologie des Geistes zum Determinismus der ('lebensberechtigten') biologischen Körper neue Zweckbestimmungen, so werden diese indes von einer anderen Dynamik unterlaufen, die jenem ziellosen Schwebezustand zwischen Weltlosigkeit und Weltbindung gleichkommt, wie er von Walter Schulz (1985) für die europäische Moderne postuliert wird.

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m M e n s c h e n '

3 . 3 V O M 'ALTEN G O T T ' Z U M ' N E U E N

MENSCHEN'

3 . 3 . 1 D I E VERBORGENE T H E O L O G I E DER G E N E R A T I O N VON 1 8 6 8

El hombre, imágen viva de Dios, y capaz de progresiva perfección, debe vivir en la religión unido con Dios, y subordinado á Dios; debe realizar en su lugar y esfera limitada la .armonía de la vida universal, y mostrar esta armonía en bella forma exterior; debe conocer en la ciencia á Dios y el mundo; debe en el claro conocimiento de su destino educarse á si mismo. Krause/Sanz del Río (1860: 33)

Zunächst erscheint es jedoch notwendig, den sprachlichen Raum jener Teleologie zu erkunden, welche die Diskurs- und Erzählwelten der frühen spanischen Restaurationsepoche prägen sollte. In Gegenrichtung zur orthodoxen Hauptströmung des Christentums, aber in gewisser Nähe zu ihren untergründigen chiliastischen Bewegungen, lassen sich die innerweltlich-eschatologischen Hoffnungen einer ganzen Generation verorten.' 38 Die Erwartung eines Himmelreiches, das der Mensch schon auf Erden besitzen soll, geht über die einzelne Seele hinaus und bestimmt in ihrem Neuwerden die gesamte Menschheit, ein sich hoheitsvoll in der ersten Person Plural bezeichnendes kollektiv-theomorphes Subjekt, das im Idealismus Krauses und seiner spanischen Rezeption epistemologische Grundlage und erkenntnisleitendes Interesse zugleich ist. Ein verheißungsvoller Duktus durchzieht seit der bürgerlichen Revolution von 1868 die Aussagen des von Literaten und Politikern gebildeten Milieus, das vor allem im Ideal de la Humanidad seine Sprachfiguren findet: Así nos lleva la religión á reconocer y realizar nuestra humanidad como un sér verdadero, bello y bueno en Dios; así nos llama la religión en su mas alta idea al concurso común de las personas y fines humanos para el cumplimiento de nuestro total destino; [...] se realizará nuestra naturaleza en amor y paz [...] (Krause/ Sanz del Río 1860: 76).

Dabei realisiert sich dieser Prozess jedoch nicht, wie Ernst Topitsch feststellt, „durch eine ekstatische, mystische oder spekulative Transfiguration des empirischen Ichs zu einem geistigen Gott-Ich", sondern durch eine qualitative Umwandlung eines sich selbst schaffenden und seine Verhältnisse selbst umgestaltenden empirischen Subjekts (Topitsch 1973: 36 bzw. Küenzlen 138 Vgl. die Ausführungen von Löwith (1990: 146-147). Dieser erblickt in der Geschichtstheologie Joachim de Fiores ein Konzept, das „fünf Jahrhunderte später von einer philosophischen Priesterschaft aufgegriffen (wurde), die den Prozeß der Säkularisierung als eine „geistige" Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden deutete." In diesem Sinne wäre der Idealismus Lessings, Fichtes, Schellings u n d Hegels in die positivistischen u n d materialistischen Denkschulen von C o m t e u n d Marx eingegangen.

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

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1994: 58-59). Was dieses Signifikat Mensch mit einer solchen Gewissheit ausstattet, seine Referenten zur Vollendung führen zu können, ergibt sich aber nicht allein aus deren eigener Fähigkeit zur Vervollkommnung, sondern zud e m aus der materiellen Gewalt, mit der die modernen Wissenschaften dem utopisch-aufklärerischen Kern eine solche äußere Konkretion und Prägnanz zu geben scheinen, dass sich die angestrebte Entwicklung gleichsam in einem providentiellen Selbstlauf der Geschichte herstellt (vgl. Küenzlen 1994: 8 7 f ) . Aus diesem G r u n d gilt es gerade, den R a u m des Wissens ständig zu erweitern und für jedermann gegen den Widerstand obskurantistischer Kräfte zu öffnen, wie dies in nämlicher Frontstellung letztlich auch zum Credo der spanischen Intellektuellen im ausgehenden

19. Jahrhundert wurde

(Charle

1997: 2 0 1 ) . Auf welche Weise religiöse Signifikanten in die sprachliche Realität der gesellschaftlichen Debatten eingewandert sind, wird aus jenen öffentlichen Redeformen der sogenannten Generation von 1868 ersichtlich' 3 9 , die explizit im Zeichen eines neuen H u m a n i s m u s und eines 'Neuen Menschen', „uno de los valores representativos de esta generación" (Toscano Liria 1993: 13), stehen: Nace ahora, con la nueva situación, un nuevo humanismo; esto es, una nueva forma de concebir al hombre y su razón de ser. Cambian las ideas y los ideales: y el primero y fundamental de todos ellos es - permítaseme la expresión de Krause, en honor del simbolismo histórico que encierra - el Ideal de la humanidad. Este ideal de la humanidad, es decir la concepción y desiderátum de lo que es y debe ser el hombre, crea un nuevo modelo (llamémoslo desde ahora Hombre Nuevo) y sin este nuevo modelo no se explica absolutamente nada de lo sucedió en España a partir de 1868 (zit. nach Toscano Liria 1993: 13). S o erhält der Traum von einer besseren Welt in der Rede von Sanz del Río eine prophetisch-erlösende Bestimmung. 1 4 0 D a s Wesen der Menschheit, „una sociedad de orden espiritual", scheint das Erbe jenes corpus mysticum angetreten zu haben, wenn jedes Einzelglied ähnlich einem Stück in einer Kette

Wir beziehen uns im Folgenden besonders auf die Studie von Toscano Liria (1993), in der die Begriffswelt der Generation von 1868 eingehend untersucht wird. 140 Dieses Uberströmen theologischer Metaphern in den politischen Diskurs musste folgerichtig auf die Ablehnung des Lyrikers Campoamor stoßen, die weniger wissenschaftlichen als ästhetischen Gründen geschuldet ist. Der harmonische Rationalismus des Ideal de la humanidad verkörpert sich in einer poetischen Sprache, die keinen Raum ftir eine weitere Poetisierung mehr zulässt, „[pues] jamás he podido hacer del sistema de Krause una sola poesía, y [...] no veo que nunguno de los demás escritores hayan podido sacar partido de sus ideas, modelándolas clara y distintamente, pues todos los pensamientos de Krause están mejor expresados en los originales de donde él los ha tomado" (zit. nach Abellán 1989: 142). Der Verdienst eines philosophischen Systems bestehe aber gerade in seiner Poetisierbarkeit, die der Krausismus nicht einlösen könne.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

mit dem nächsten verbunden ist und als solches einen nützlichen und aktiven Anteil am Schicksal des Weltganzen hat: Ist dieser Zusammenhang einmal gerissen, hört der Mensch auf, ein concretum der Menschheit zu sein, was an den Sündenfall eines einzelnen Menschen erinnert, der auch die anderen Glieder der Kirche erfasst (Toscano Liria 1993: 72). Nachgerade in der Idee der Menschheit scheint sich der Vorgang des Einbruchs sakraler Bilder in säkulare Sinngehalte zu konzentrieren und die von Augustinus gezogene Grenze zwischen civitas terrena und civitas Dei so fließend wie nur möglich zu machen (vgl. Horn 1995 bzw. Kreuzer 1995). Letztere mutiert in der Sprechweise Sanz del Ríos zu einer ciudad universal, bei der das Zeitgebundene mit der zunehmenden Kenntnis des Menschen von Natur und Geist in der Unendlichkeit Gottes aufgeht: Cuanto más sean conocidas, mejor determinadas y más fielmente guardadas estas relaciones, tanto más plenamente realizará nuestra humanidad su destino en el tiempo y en esta tierra, tanto más conservará y mejorará sus relaciones con la naturaleza y el espíritu en el mundo, tanto más interior vivirá, y nosotros con ella, en Dios y en el orden divino, como parte de la ciudad universal (Krause/Sanz del Río 1 8 6 0 : 6).

In deutlicher Anspielung auf die paulinische Aussage, die ebenfalls die Trennungslinie zwischen der von den Menschen errichteten Behausung und der von Gott gebauten Wohnung im Himmel vollzieht,141 wird nun die Menschheit selbst zu einem auf Perfektibilität begründeten Weltgebäude, an dessen Konstruktion Gott und seine Schöpfung in gleicher Weise Anteil haben: Esta tierra, nuestra morada, y esta humanidad en ella son una parte interior del Reino de Dios, dentro del cual los hombres llegarán un día a la perfección que cabe en su naturaleza conforme al plan divino del mundo (Krause/Sanz del Río 1 8 6 0 : 36).

Mögen civitas dei und civitas terrena nach Augustinus als Reflexion geschichtlicher Existenz trotz ihrer wechselseitigen Verwobenheit dennoch solange voneinander getrennt sein, bis ihre zwischen dem verletzten paradiesischen Ursprung und dem Jüngsten Tag entstandene Entzweiung wieder aufgehoben wird, so ist doch unverkennbar, dass diese alles einende Heilsordnung allein in der Wiederkehr des Menschensohnes erfolgen kann. Nun aber ist es die Menschheit selbst, die sich in Gott abbildet, um ihm zusehends we-

141 Vgl. 2 Cor 5.1: „Seimus enim quoniam si terrestris domus nostra huius habitationis dissolvatur quod aedificationem ex Deo habeamus donum non manufactum aeternam in caelis."

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sensgleicher zu werden, wie Emilio Castelar sein Studium des menschlichen Geistes bilanziert: Hemos encontrado que el espíritu del hombre procede en su desarrollo por oposiciones, de las cuales resulta la armonía de la naturaleza con el hombre y del hombre con Dios (Castelar 1870: 217).

Der Ubergang von der im christlichen Sinne außergeschichtlichen, aber historisch überlieferten Heilstat des einen Menschensohnes zu der gegenwärtigen aller Menschensöhne und -töchter bewegt sich damit in der Richtung auf ein zukunfts- und diesseitsgerichtetes Erlösungsprojekt, das zum Zeitpunkt der sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Spanien noch aufklärerische Züge trägt. Mit der Verlagerung des Eschatons auf das innerweltliche Ziel menschlicher Fortschrittsentwicklung liegt das Goldene Zeitalter der Menschheit nach Saint Simon nicht mehr in der Vergangenheit, sondern in einer zukünftigen Zeit: Es ist die Verwirklichung einer Ordnung, in der Mensch und Gesellschaft ihre Vollkommenheit und Harmonie erreicht haben werden (Saint Simon 1973: 325, zit. nach Küenzlen 1994: 61). Die Aufgabe der Zeitgenossen besteht nun darin, ihr den Weg zu bahnen. Das sinnkonstituierende und metaphysische Subjekt, in dem die „Religion der Revolution" (mit ihren unterschiedlichen politischen Ausprägungen, wie z.B. Nationalismus, Liberalismus, Anarchismus oder Sozialismus) oder die „Wissenschaft als Glaubensmacht" (Küenzlen 1994: 76-92) zusammenlaufen und den qualitativen Sprung von der Perfektion zur Perfektibilität vollziehen, ist der 'Neue Mensch'. Wenn in diesem die Zeit Zukunft wird, so dass „der Schöpfer des Himmels und der Erde nicht für dieses Sein der Zukunft [ausreicht]", keine Geltung mehr für sich beanspruchen kann, werden, wie in einem späteren Teil zu sehen ist, auch die Einbildungsstrukturen eines jenseitigen Homo caelestis hinter denen eines ganz in der Immanenz verankerten Menschensohnes zurückweichen: Er muss 'einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen' [...] An die Stelle eines goldenen Zeitalters in mythologischer Vergangenheit wird durch die eschatologische Zukunft die wahre historische Existenz auf der Erde gesetzt (Vgl. Löwith 1990: 25).

Es sei in diesem Zusammenhang (Jüttner 1997: 65-84) daran erinnert, dass bereits Texte der spanischen Aufklärung diese Vorstellung aufrufen, um sie in den geschichtsmythologischen Topos der aurea saecula zu kleiden (vgl. Curtius 1984: 272-273). Bereits in Versepisteln von Jovellanos142 deutet sich 142 Jüttner legt seiner Analyse die als Respuesta a Moratín bekannt gewordenen Versepisteln zugrunde, die er in dieser Hinsicht als einen Schlüsseltext betrachtet.

218

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

„[in der] Autonomieerklärung des Individuums" an, „das als eigenverantwortlicher Interpret der Schöpfung seine Freiheit auch als Verantwortung für die Mitmenschen, ftir das eigene Volk und die Zukunft der Menschheit wahrnimmt" (Jüttner 1997: 67) und damit den künftigen Rezeptionshorizont des Krausismus vorbereitet. Die offenbare, aber mehr noch verborgene Theologie, wie sie diesen und dessen religiös aufgeladene Ideologeme (HumanidadIdeal, Armonía, Revolución und Progreso) durchwirkt,143 lässt sich auch in Texten von Pérez Galdós und Valera ablesen, die unbeschadet der unterschiedlichen politischen Uberzeugungen ihrer Autoren an die revolutionären Ereignissen von 1868 anknüpfen und sich in philosophischer Hinsicht dem Krausismus wie Hegels Geistesidealismus verpflichtet wissen: T h e idealism o f G a l d ó s reveals a general similarity to the K r a u s i s m o f Sanz del R i o in the belief o f unity o f G o d with all things in a relationship where the parts, though they m a y be in opposition to each other, form a h a r m o n i o u s whole those totality is superior to any particular being or to any particular relationship; and also as regards the notion o f continuity and gradual evolutionary m o v e m e n t in the universal order, including the concept o f society as an organism ( E o f f 1 9 5 4 : 138).

Einen besonderen Nachhall auf narrative Texte von Pérez Galdós hat allerdings die Hegeische Theorie vom Prozess der Selbstverwirklichung des Geistes, by which individual consciousness passes laboriously from materiality to spirituality, slipping back u p o n its lower self in the process, but ever acquiring new awareness that leads to a realization o f unity with the Absolute Spirit ( E o f f 1954: 138).

Die genannten philosophischen Begriffe werden explizit oder zumindest implizit also auch das sprachliche Feld abstecken, auf denen sich die zu-

143 Inwieweit der Krausismus lediglich eine Variante im Grundstrom dieses geschichtsphilosophisch-positivistischen Denkens ist, das zwar in Spanien ohne diesen nicht denkbar gewesen wäre, äußert sich in der Tatsache, dass man ähnlichen Sprachfeldern noch 1910 in der republikanischen Bewegung des benachbarten Portugal begegnet. Das 'Neue' wird in einem der publizistischen Organe der Republikaner zu einer Selbstprojektion des Menschen, die sich dem Diesseits verpflichtet weiß und es in der Bildsprache der Religion interpretiert. Vgl. dazu Vilela (1977: 72-73). So steht auch hier das 'Alte'dem 'Neuen' in einem anderen Menschentypus entgegen: „[...] só destruiremos o catolicismo, roubando Cristo à Igreja, o Gòlgota ao Vaticano, o Evangelho ao Silabas. Só o destruiremos, opondo ao seu Cristo, encarcerado e torturado, um Cristo liberto e universal, um Cristo unificador da vida inteira, que logicamente harmonize corafäo e razäo, ciencia e cren$a, espirito e matèria, natureza e deus." Die Zerstörung der alten Religionen vollzieht sich mit Hilfe „uma nova religiäo e um novo altar." Ahnlich ökumenischer Anschauungen, die wir auch im Krausismus vorfinden, steht über den positiven Religionen „o grande credo humanista, nesto sentido novo: o que deseja a humaniíiade melhor."

D e r Z u s a m m e n b r u c h des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

219

kunftsoptimistischen und positivistischen Vorstellungen eines Pepe Rey, Amigo Manso oder León Roch einschreiben, um, wie zu sehen sein wird, alsbald vom trügerischen Charakter anderslautender Zeichen verworfen zu werden. Der unauslöschliche Widerspruch, der im Menschheitsprojekt des harmonischen Rationalismus Krauses ebenso seine Spuren hinterlassen hat wie im Ideensystem Hegels, besteht eben darin, dass man die in den Himmel verschleuderten Schätze zwar einerseits auf die Erde zurückholen will, um sie für alle Menschen bewohnbar und heimisch zu machen, andererseits aber die Materialität alles Irdischen in ihrer Widerständigkeit verdrängt oder zumindest dem dominanten Gleichklang der Idee unterwirft. Diese Aporie wird als solche unhintergehbar, wenn sich die abstrakt-ideellen Konzepte sowie die durch sie motivierten menschheitlichen Einbildungsstrukturen dem Gegenstand ihrer Projektion, dem einzelnen Menschen und der einzigen Erde aussetzen: Dann werden sie es sein, die sich jenen Gesetzen der stofflichen Welt zu beugen haben, deren Kenntnis sich in Folge von Beobachtung wie Experiment erweitert und die Welt-Anschauung des Menschen zusehends verändert. Ein Gegensatz zwischen der Wirklichkeitserfahrung des Menschen und den Imagologien der spekulativen Philosophie ist damit unausweichlich, die wie die Hegels als „umfassende Ideologie ihren Zauber ausüben."144 Nichtsdestotrotz sollten es just die Philosophie Hegels145 und in Spanien besonders die kombinierte Wirkung von Krausismus und Positivismus (krausopositivismo) sein 146 , die den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts und der zum Fortschritt bestimmten Menschheit zu einer metaphysischen und mithin auch ethischen Grundlage verhalfen: Die Akkumulation von Wissen und Reichtum erscheint vielmehr als Positivität einer historischen Logik 147 , wie 1 4 4 Mulser ( 1 9 9 6 : 9). Aus unserer Sicht ist es jedoch unhaltbar, dem deutschen Idealismus „und anderen wissenschaftsfeindlichen Strömungen" zu unterstellen, sie hätten „zwar fiir einige Zeit die naturwissenschaftliche Erkenntnis hemmen, diesen immer breiter fließenden Strom jedoch nicht aufhalten können" (ebd.). W i r sind gerade der Ansicht, dass das Gegenteil der Fall ist. 1 4 5 Zu den Beziehungen zwischen der Dialektik Hegels und dem Positivismus in Spanien, besonders hinsichtlich des Evolutionscharakters historischer Prozesse vgl. Montañés Rodríguez (1989: 86-88). 1 4 6 Vgl. dazu: Abellán ( 1 9 8 4 , 4 : 5 1 2 - 5 3 4 ) bzw. Abellán ( 1 9 8 8 , 5/1: 1 0 8 - 1 2 0 ) sowie Núñez Ruiz ( 1 9 7 5 ) . 1 4 7 Des Weiteren kommt die enge Verbindung von idealistischer Philosophie und Wissenschaftspositivismus in Überlegungen von Nicolás Salmerón besonders einsichtig zur Geltung, wenn er dafür plädiert, das Spektrum des Krausismus zu erweitern: „No basta, hoy sobre todo, la especulación para el filósofo, ni puede limitarse a sistematizar los datos de la conciencia; necesita conocer a lo menos los capitales resultados de la observación y la experimentación en las ciencias naturales [...]. rectificar al afielo dualismo que ha hecho hostiles y recíprocamente deficientes la Física y la Metafísica... D e esta suerte llegará a resolverse la contradicción histórica

220

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

sie sich in Hegels Philosophie der Geschichte und in Krauses Urbild der Menschheit abzeichnet.148 Indem der Idealismus Hegels und Krauses in der sich stetig umwandelnden Materie die Tätigkeit von Geistern walten sieht, die sich zusehends in diesen Abbildungen offenbart, bringt er indes zum Ausdruck, dass die Veränderungen in den Wissenschaften und Künsten von einem unwiderstehlichen geschichtlichen Prozess gesteuert werden, der obschon im Verborgenen wirkend doch sichtbare Ergebnisse zutage fördert, um die so gefundenen Abbilder dereinst zu überwinden. Auch wenn sich das naturwissenschaftliche Paradigma mit Ubergang vom Idealismus zum Positivismus immer seltener seiner philosophischen Herkunft versichern muss, ebenso wenig wie dies der Kapitalismus in Hinblick auf seine protestantischen Grundlagen zu tun gezwungen ist, lässt sich die Geschichte der Moderne im Sinne Michel Tibon-Cornillot als Realisierung des Christentums begreifen. Dessen Bilder erneuern sich so lange, wie die Teleologie historischen Geschehens in welcher Form auch immer erhalten bleibt. Der Anthropologe, der die Ökonomie des Gesellschaftskörpers bezüglich der Realpräsenz und Inkarnation Christi untersucht und mit den modernen Gesellschaften in Vergleich setzt, kommt zu dem Schluss, dass gerade das Christentum die Trennung des Sakralen vom Profanen - konträr zu seinen eigenen Ansprüchen — aufhebt (Eliade 1965: 20). 149 Im Sinne Hegels kann so die Weltgeschichte als eine allmähliche Darstellung des göttlichen, absoluten Geistes in seinen höchsten Gestalten, d. h. in einer „immer weiter vorankommenden Inkarnierung eines über den Individuen und Kollektivitäten liegenentre el empirismo y el idealismo, sin desconocer ni anular ninguno de ambos elementos esenciales para la construcción científica" (vgl. Vorwort in: Giner 1878: XII-XIII, zit. nach: Abellán 1984, 4: 514). So kann er mit Fug und Recht zu dem Ergebnis kommen: „La corriente central de la historia y los más preciados progresos de la ciencia novísima señalan de consuno el principio de esa conciliación definitiva" (vgl. Vorwort in: Giner 1878: XXXI, zit. nach: Abellán 1984, 4:515). 148 Auf welche Weise sich die idealistische Philosophie als ethisches Fundament für jede weitere Tätigkeit anbot, wird in der Figur des Krausisten Gabriel in Pardo Bazán (1992: 135-138) erhellt: „Con los libros sí que se había emborrachado de veras. Eran obras de filosofía alemana, unas traducidas al francés, otras en pésimo y bárbaro castellano. Pero Gabriel, más reflexivo que artista, más sediento de doctrina que de placer, no se entretenía con la forma; íbase al fondo, a la médula. Las matemáticas de los colegios le tenían divinamente preparado para las peliagudas ascenciones de la metafísica y las generosas quintaesencias de la ética. [...] Sus nuevas aficiones le pusieron en contacto con muchos jóvenes, prosélitos de la entonces flamante y boyante escuela krausista. Y resolvió que él era kantiano a puño cerrado, pero sin aplicar el método crítico del maestro [...], más que a las cosas de la ciencia-, para las de la vida se agarró con dientes y uñas a la ética de Krause." 149 Eliade schickt seiner Arbeit ausdrücklich die Bemerkung voraus, „que le sacré et le profane constituent deux modalité d'étre dans le monde, deux situations essentielles assumées par l'homme au long de son histoire" (ebd.).

Der Z u s a m m e n b r u c h des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

221

d e n A b s o l u t e n in der W e l t der m e n s c h l i c h e n K u l t u r e n " erscheinen

(Tibon-

C o r n i l l o t 1 9 7 9 : 4 0 ) . 1 5 0 D i e M o d e r n e w i r d hier also nicht als E n t f r e m d u n g v o n d e n Z i e l e n d e s C h r i s t e n t u m s b e g r i f f e n , s o n d e r n i m G e g e n t e i l als d e s s e n R e a l i s i e r u n g , als b e h a r r l i c h e r , z ü g i g u m g e s e t z t e r W i l l e z u r B e h e r r s c h u n g e i n e r Natur, deren G e w a l t sich d e m M e n s c h e n entgegenstellt u n d v o n i h m niedergerungen werden muss: D a s C h r i s t e n t u m hat also d i e politischen Institutionen d a z u gebracht, in der N a c h f o l g e d e r Kirche sich zu G o t t e s k ö r p e r n zu m a c h e n , w a s f ü r die A u s b i l d u n g ihrer M a c h t f o r m e n nicht o h n e A u s w i r k u n g blieb. Das Uberströmen in die Realität

der

Metaphern

ist eine D o p p e l b e w e g u n g , die die Realität m i t neuen Q u a l i t ä t e n

ausstattet u n d gleichzeitig d a s Sakrale auszehrt. [...] D i e christliche K o n z e p t i o n v o n der Realpräsenz G o t t e s führt zu einer Invasion der 'natürlichen Wirklichkeit u n d sprengt d i e traditionellen Vorstellungen. D a h e r m u s s m a n sagen, dass d a s C h r i s t e n t u m ein radikal areligiöses P h ä n o m e n ist, das die a u f d e m G e g e n s a t z z u m P r o f a n e n b e r u h e n d e D i m e n s i o n des Sakralen liquidiert

(Tibon-Cornillot

1 9 7 9 , 2: 4 3 ) . In dieser a n t h r o p o m o r p h e n A u s l e g u n g des N u m i n o s e n wird

wiederum

d a s A n s i n n e n d e u t l i c h , d i e T r a n s f o r m a t i o n e n d e r M a t e r i e s e l b s t als I n d i z i e n e i n e s t e l e o l o g i s c h e n P r o z e s s e s z u lesen. 1 "' 1 M i t d e m Ü b e r g a n g v o m M e n s c h e n -

1 5 0 Vgl. Hegel (1979, 12: 72): „Die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen, absoluten Geistes in seinen höchsten Gestalten, dieses Stufenganges, wodurch er seine Wahrheit, das Selbstbewußtsein über sich erlangt. Die Gestaltungen dieser Stufen sind die welthistorischen Volksgeister, die Bestimmtheiten ihres sittlichen Lebens, ihrer Verfassung, ihrer Kunst, Religion und Wissenschaft. Diese Stufen zu realisieren, ist der unendliche Trieb des Weltgeistes, sein unwiderstehlicher Drang; denn diese Gliederung, sowie ihre Verwirklichung ist sein Begriff." 151 Vgl. Strauß (1903: 163), zit. nach Kodalle (1997: 155-156). So kann der Religionskritiker die Säkularisierung des Reich Gottes im Fortschrittsoptimismus zurecht mit der ironischen Wendung entgegentreten, dass damit auch jene Männer an diesem Reiche mitwirkten, „die den Dampfwagen auf Eisenschienen, den Gedanken und das Wort an Metalldrähten dahinfliegen lehrten." Vgl. zu dieser Futurisierung des Eschatons in einem naiven Fortschrittsdenken auch: M. Revillas El Tren eterno, zit. nach Gumbrecht (1990, 1: 716) : - ¡Alto el tren! - parar no puede. / ¿Ese tren a dónde va? / Por el mundo caminando / En busca del ideal / - ¿ C o m o se llama? Progreso. / - ¿ Q u i é n va en él? - La Humanidad. / - ¿ Q u i é n le dirige? - Dios mismo. / ¿Cuando parará? - Jamás." Gumbrecht interpretiert diese poetisch unbedarfte Sprache als „die im Krausimo überaus beliebten Literarisierungen des philosophischen Diskurses, welche Proportion und Verhältnis von abstrakter Begriffssprache und punktuell illustrierender Metaphorik umkehren, so dass eben durch Literarisierung entstandene Alltags-Szenen durch einen philosophischen Kommentar - durch Allegorese - in idealistische Begrifflichkeit zurücktransponiert werden müssen." Derartige Übertragungen aus einem Kode der Idealien in einen der Realien kennzeichnen aber nichts anderes als den Versuch, der Welt der Geister eine Resonanz in der Objektwelt zu verleihen, die wiederum durch diese Bezugnahme eine metaphysische Aufwertung erfährt.

222

Jenseits von altem Gott u n d ' N e u e m Menschen'

söhn zur Menschheit, wie er im philosophischen Idealismus ebenso beschritten wird wie im biologischen Determinismus, ist dem humanuni

die schier

aussichtslose Aufgabe erwachsen, zum alleinigen Trägersubjekt eines universalen Heilsprozesses zu werden.

3 . 3 . 2 VOM MENSCHENSOHN ZUR MENSCHHEIT

Dios es esencialmente Dios-hombre, y el hombre es esencialmente Hombre-Dios; y las religiones no tienen mds objeto que divinizar al hombrey humanizar a Dios. El cristianismo es la sintesis absoluta de lo finitoy lo infinito. Emilio Castelar ( 1 8 7 3 , 1: 2 9 5 ) .

Zu den Grundlagen der neuzeitlichen westlichen Kultur, die M a x Weber und Ernst Troeltsch in ihren Studien auf das Christentum zurückfuhren, 1 5 2 gehört aus dieser Sicht die Idee des Neuen Menschen. Diese zieht sich wie ein immer wiederkehrender Topos durch die Geistesgeschichte, so dass ihre Spuren in den politischen, sozialen und religiösen Bewegungen einer verweltlichten Moderne erkennbar werden. Es kann in unserem Kontext nicht darum gehen, „das Hoffnungsziel 'Neuer Mensch' als eine der ideellen Antriebskräfte des säkular-neuzeitlichen Geistes" (Küenzlen 1 9 9 4 : 52) in Hinblick auf seine historische Genese und Evolution zu untersuchen. Doch ist es unabdingbar, die dieser Idee zugrunde liegende Eschatologie in Christentum und Neuzeit so zu skizzieren, dass der Ubergang von einem väterlich-absolutistischen Subjekt zu einem sinngebenden Zukunftszeichen zumindest markiert werden kann. Die christlichen Glaubensvorstellungen v o m 'Neuen Leben' in einem 'Neuen Jerusalem' entsprachen den jüdischen Erwartungen eines nahen Weltendes und der gleichzeitigen Heraufkunft des Messias. 153 A b e r während der 152 Die Bedeutung einer ins Diesseits gekehrten Erlösungsreligion für die innerweltlicher Askese, die entscheidenden Anteil bei der Entstehung des neuzeitlichen ArbeitsbegrifFs hat, wurde von den Klassikern der Sozialwissenschaften mit Nachdruck hervorgehoben. Vgl. dazu Troeltsch (1977) sowie Weber (1988) bzw (1993). 153 Vgl. Hamann 1985: 68-70. Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass zur ersten Generation von Missionaren vor allem Judenchristen gehörten, die die Mittelmeerwelt als Reisende mit der neuen Religion bekannt machten und damit auch deren Glaubensinhalte bestimmten. Es soll jedoch eine besondere Tragik der frühen Religionsgeschichte sein, dass die kulturell und territorial so miteinander verwobenen Glaubensrichtungen in einen feindlichen Bezug gerieten, weil, wie Elaine Pageis (1996: 135-163) in ihrer jüngeren Untersuchung beschreibt, die Evangelisten Lukas und Johannes den Konflikt zwischen Jesus und seinen Anhängern auf der einen und den jüdischen Führern auf der anderen Seite zum spirituellen Krieg zwischen Gott und Satan erheben. Ein Hauptmotiv für dieses Vorgehen war der Anspruch auf das Erbe Israels als das Volk des Herrn. Damit sind nicht nur alle späteren Missverständnisse und Katastrophen zwischen Juden und Christen vorgezeichnet, sondern in der Zuordnung der Juden als Jünger Satans auch das Gegenbild zu den Verheißungen des 'Neuen Menschen'.

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

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Begriff im corpus paulinum erstmalig auftaucht (vgl. HWP 1971, 5: 1112) und Tod wie Auferstehung Jesu dort als der Beginn einer neuen Schöpfung angesehen wird, die den Gläubigen neues Leben gibt und zu einer neuen Kreatur macht, wird der Akzent im Evangelium des Johannes hingegen schon auf die unmittelbare Präsenz der Erlösung im jetzigen Leben verschoben, so dass der Mensch dieses Neusein als Gottes Kindschaft erfahren kann (vgl. 1 Io 1,3). das ihn von der Sünde befreit (vgl. 1 Io 3,18; 5,24; 8,34f u.a.). Dieser urchristliche Glauben ist noch ganz beherrscht von der baldigen Wiederkehr Christi, in dessen Zeichen 'Neuer Mensch' und neue Gesellschaft Wirklichkeit werden. Wenigstens in ihrer Individualisierung als Unsterblichkeit der Seele sind diese eschatologischen Vorstellungen „im Hauptstrom der Christentumsgeschichte" geblieben (Küenzlen 1994: 57). Gegenüber dem Begriff des 'Neuen Menschen in seiner späteren Säkularisierung gilt es festzuhalten, dass sich das Wirken Christi auf Erden zur Erlösung der sündigen Menschheit zu Ehren und im Namen des Vaters im Himmel ereignet, so dass er auch in dieser Hinsicht seinen Mitmenschen als gehorsames Kind Gottes ein unübertroffenes Vorbild verkörpert. Das Neuwerden ist folglich nicht als selbsttätige Selbstbegründung des Menschen zu deuten, sondern als Werk und Stiftung der Gnade Gottes, die der Gläubige in Christo erfährt und erkennt. Eben deshalb beruht die christlich verstandene Neuwerdung des Menschen auch nicht auf einer Selbstorganisation des Subjekts, sondern nach den theologischen Leitgedanken von Augustin bis zu den Reformatoren allein auf einem Gott, der diesem in seiner Barmherzigkeit die Gnade eines neuen Lebens zuteil werden lässt. Doch Gott ist über diesen Vorgang menschlicher Vervollkommnung gebietender Herr und unsichtbarer Gesetzgeber, derweil Christus diese Vollkommenheit bereits auf Erden als sein Sohn erlangt hat. Als Knotenpunkt von intelligibler und unsichtbarer Welt, Mensch und Gott fällt der zweiten Person der Trinität die Aufgabe zu, eine vom göttlichen Urgrund und von seinem Nächsten getrennte Individuation in einer höheren Ordnung zu vereinigen, um einer in sich zerrissenen Welt Harmonie zu geben: Die erste Idee des Christentums ist daher der Menschgewordene Gott, Christus als Gipfel und Ende der alten Götterwelt. Auch er verendlicht in sich das Göttliche, aber er zieht nicht die Menschheit in ihrer Hoheit, sondern in ihrer Niedrigkeit an, und steht als eine von Ewigkeit zwar beschlossene, aber in der Zeit vergängliche Erscheinung da, als Grenze der beiden Welten; er selbst geht zurück ins Unsichtbare, und verheißt statt seiner nicht das ins Endliche kommende, im Endlichen bleibende Prinzip, sondern den Geist, das ideale Prinzip, welches vielmehr das Endliche zum Unendlichen zurückführt und als solches das Licht der neuen Welt ist (Schelling 1907, 2: 6 2 2 ) .

224

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Auf welche Weise der Topos der imago dei auch noch im 19. Jahrhundert unverminderten Geltungsanspruch erheben kann, erweist sich gerade dort, wo sich ihre Diskursivierung im Kontext der spanischen Restauration den ideologischen Grenzen entzieht, die katholische Traditionalisten und liberale Krausisten voneinander trennen. Obschon aus unterschiedlichen Motiven, setzen beide Strömungen die Eben- und Spiegelbildlichkeit von Mensch und Kosmos als beständige Referenz ein. Auch ein Liberaler, der dem Vortrag des katholischen Gelehrten Moreno Nieto 154 1879 im Madrider Ateneo lauscht, dürfte dessen Worte über die Ebenbildlichkeit mit Zustimmung aufgenommen haben: Y esta es su primera y m á s capital diferencia con todas las antiguas religiones y su cualidad m á s excelente. El reino del espíritu: esta es su doctrina, esta es su preocupación, esta para él la s u m a y c o m p e n d i o d e la realidad. D i o s , espíritu puro, creó el universo para manifestar su poder y para q u e apareciera en el tiempo la h u m a nidad, la cual, reflejando su imagen, debía d e vivir en c o m u n i ó n con él, m e n o s perfecta primero en la vida terrena, más íntima y c u m p l i d a después ( M o r e n o Nieto 1 8 8 2 : 1 6 9 - 2 2 6 ) .

In einem Passus dieses Vortrages findet die Aussage über die Menschheit als weniger vollkommenes, aber dennoch privilegiertes Abbild Gottes im Gegenstand der westlichen Zivilisation und der Gesellschaft eine Präzisierung. Hier ist es allerdings nicht mehr unmittelbar Gott, der diese nach seinem Abbild geschaffen hätte, sondern chrisdiche Leitbilder, die es zu erforschen gilt, wohl um das von ihnen gestaltete Erbe zu verteidigen und es wieder in der unmittelbaren Erfahrung des Menschen zu verankern: Esta civilización es obra del Cristianismo: él creó y f o r m ó la sociedad a su imagen y semejanza, es decir, una sociedad verdaderamente cristiana, y por eso es este el período en q u e d e b e m o s estudiar principalmente el carácter y los resultados prácticos del ideal cristiano en todos sus desarrollos y en todas sus fases ( M o r e n o N i e t o 1882: 2 0 1 ) .

154 Vgl. zur Biographie von José Moreno Nieto (1823-1882): D H A (1893, 13: 464). Der katholische Gelehrte Moreno Nieto war der Typus eines liberal-konservativen katholischen Intellektuellen, der zwar vehement die katholische Einheit Spaniens verteidigte und das allgemeine Wahlrecht ablehnte, aber dem reaktionären Neokatholizismus in gleichem Maße den Kampf ansagte wie der zeitgenössischen Philosophie (Krausismus). Diese Haltung zu beiden Seiten haben ihm namentlich seine katholischen Gegenspieler niemals verziehen, worauf Artikel J. M. Orti y Laras hindeuten (1877: 323-335) bzw (1879). Seine Vortragsreihen im Ateneo zu Madrid zur Philosophie, Politik und Religion sind jedenfalls ein Beleg für das, was in einem späteren Teil mit der Entstehung eines Immanenzmilieus in Spanien bezeichnet werden wird (vgl. dazu Deleuze/Guattari 1991). Es ist dies eine Umgebung, in welcher der öffentliche Diskurs selbst Gegner der modernen Philosophie einschließt und sie zu Auseinandersetzungen mit ihren Kontrahenten zwingt.

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

225

Wie sich der Abbild- und Ebenbildlichkeitscharakter der Welt hingegen bei dem von Moreno Nieto kritisierten (harmonischen) Rationalismus mitteilt, zeigt sich in einer Besprechung, die der Krausist Canalejas über den Ideal de la Humanidad schreibt. Bereits dem ersten Abschnitt des von ihm rezensierten Textes ist zu entnehmen, dass der imago dei ein ebenso großer Stellenwert zukommt wie ihrer theologischen Grundlegung. Im Kontext des Glaubens dient sie dazu, die Menschheit als Spiegel des Numinosen an die Treue zu ihrem Schöpfer zu und an ein vollkommeneres Jenseits erinnern. Im philosophischen Idealismus wird die Ebenbildlichkeit hingegen zu einer epistemologischen Größe, mit der sich dieses Ideal in das humanuni selbst verlagert: Die Verschmelzung des Abbildes mit dem Urbild vollzieht sich über einen sukzessiven Erziehungsprozess, der die Menschheit in ihrer Bewegung zur Selbsterkenntnis über die sie spaltenden wie vereinzelnden Manifestationen (Individuen, Familien, Nationen, Religionen) nicht nur zu einer universellen Harmonie und Einheit fuhrt, sondern mit diesem Wissen auch das Wesen Gottes in immer größerem und anschaulicherem Maße offenbart. Denn das höchste Wissen ist nichts anderes als der Höchste in eigener Person: Imagen viva de Dios, el hombre solo vive en tanto está unido y subordinado á Dios, conociéndolo en la ciencia y rigiéndose siempre a si propio bajo el precepto de la razón y con los ojos fijos en su destino, que es realizar el bien por buenos medios (Canalejas 1872: 148).

Der weite Raum göttlicher Leere weckt demgemäss die Begehrlichkeit im Menschen, diesen mit eigenen Phantasmagorien auszufüllen, wenn nicht sich selbst zum Zeichen des Numinosen zu machen. So lässt sich hier unschwer die menschliche Neigung erkennen, das Enigma des göttlichen Nichts trotz des verhängten Verbotes in Bildern, Symbolen und Begriffen auszugestalten und es sich so als vorgestellte Wirklichkeit zu erschließen, was allerdings nur dessen Vorstellung, nicht aber dessen Substanzlosigkeit ändert. Das Nichts wird daher solange nicht als ein solches empfunden, wie es von diesen Bildern, Zeichen oder Begriffen verhüllt und in eine unzerlegbare Dichte gebracht wird, ohne dass sie der Mensch als Sinnkonstrukte interpretiert, wie sie nur in kultureller Arbeit entstehen konnten. Wie Hegel im Rahmen seiner Definition des Klassischen ausführt, ist es gerade das Bild des endlichen, historisch gewordenen Menschen, das sich der Vorstellung Gottes aufdrängt und die Gehaltlosigkeit des Numinosen „mit den menschlichen Empfindungen, Trieben, Taten, Begebenheiten und Handlungen" füllt. Ungeachtet der von den Kirchenvätern bis zur Reformation zum Ausgangspunkt genommenen Erkenntnis, dass sich das Neuwerden des Menschen im Gefolge Jesu

226

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Christi, dem Urbild des „novi homini" 1 5 5 , zu ereignen habe (Küenzlen 1 9 9 4 : 5 4 - 5 6 ) , wird n u n offensichtlich, dass es eben jene jüdisch-christliche Vorstellung ist, welche die in Christus begründete Referenz auf eine sich als göttliches Eigenbild setzende Menschheit überträgt und das an diesen Adressaten gerichtete Bilderverbot unterläuft. D e n n letzteres besagt, dass der Mensch nach dem Bild eines Gottes geschaffen ist, dessen radikale Transzendenz eine Identität mit dem Bild des Menschen ausschließen muss. In d e m neuen philosophischen Kontext ist es die in ihrer Ikonographie so reiche Christusfigur, die eine ebensolche Ubereinstimmung rechtfertigt und den Menschen im Fortschritts- und Wissenschaftsglauben des 1 8 . und 1 9 . Jahrhunderts mit einer ähnlichen Souveränität ausstattet. Einer solchen Verzeidichung des 'Neuen Menschen' und des dieser Eschatologie innewohnenden utopischen Potentials wird man etwa gewahr, w e n n A n t e r o de Quental seine Bestandsaufnahm e der abendländischen und iberischen Geschichte mit der gleichnishaften Einsicht beschließt, dass das frühe Christentum, das die antike W e l t als absolutes Novum

erschütterte und revolutionierte, in der Revolution des 1 9 . Jahr-

hunderts ein neues ebenbürtiges Abbild gefunden habe:

155 In 4 Eph 15-16 wird die Idee einer zu einem Leib gefügten Menschheit explizit vorgedacht: „Veritatem autem facientes in caritate crescamus in illo per omnia qui est caput Christus. Ex quo totum corpus conpactum et conexum per omnem iuncturam subministrationis secundum operationem in mensuram uniuscuiusque membri augmentum corporis facit in aedificationem sui in caritate." In 4 Eph 22-24 wird den im alten Menschentum befangenen Sündern die Gemeinschaft der Geisteswesen entgegengehalten: „Deponere vos secundum pristinam conversationem veterem hominem qui corrumpitur secundum desideria erroris, renovamini autem spiritu mentis vestrae. Et induite novum hominem qui secundum Deum creatus est in iustitia et sanctitate veritatis." Was sich im Tenor dieser Aussagen ständig ankündigt und sich in immer neuen Kontextualisierungen wiederholt, ist im Grunde nichts Geringeres als das Inkarnationsprinzip, nach dem das Wort dereinst Fleisch wurde und das Göttliche damit in die körperliche Welt einging, um unter den Menschen zu wohnen und ihnen seine Herrlichkeit kundzutun: „Et Verbum caro factum est et habitavit in nobis et vidimus gloriam eius gloriam unigeniti a Patre plenum gratiae et veritatis" (vgl. Io 1,14). Diese Selbstdarstellung Gottes, die das Bild des Numinosen bis „in die Sphäre der Leiblichkeit hinein" (Benz 1975: 157) im abendländischen Menschen prägen soll, hat demgemäß nach Paulus vor allem eine zukunftsgerichtete Bedeutung: Da das humanum noch ganz in seiner Vorgeschichte lebt und sich in seiner Schöpfung als sündenbeladener Adam lediglich der Ausgangpunkt seiner Möglichkeiten im 'neuen Adam' ankündigt (vgl. Rm 5,12-21), ist Christus zudem der gesamten menschlichen Spezies als Urbild vorausgegangen. Seine Wiedergeburt, von der in neutestamentarischen Bezügen immer wieder die Rede ist (IPetr 1,3.23), hat daher im Menschensohn eine derart bleibende Gestalt angenommen, dass diese das Menschsein selbst in dem Umfang erneuert, wie auch das zerstörte oder geschädigte Gottesbild im humanum durch göttliche Gnade wiederhergestellt und von Krankheiten (als Reflektoren der Sünde und der Sündhaftigkeit des Menschen verstanden) gereinigt wird.

Der Zusammenbruch des theologisch-absolutistischen Weltgebäudes

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[...] há 1 8 0 0 anos apresentava o mundo romano um singular espectáculo. Urna sociedade gasta, que se aluía, mas que, no seu aluir-se, se debatía, lutava, perseguía, para conservar os seus privilegios, os seus preconceitos, os seus vicios, a sua podridäo: ao lado déla, no meio déla, urna sociedade nova, embrionaria, só rica de ideias, aspiraçôes e justos sentimentos, sofrendo, padecendo, mas crescendo por entre os padecimentos. A ideia desse mundo novo impóe-se gradualmente ao mundo velho, converte-o, transforma-o: chega um dia em que o elemina, e a humanidade conta mais urna grande civilizaçâo. Chamou-se a isto o Cristianismo. Pois bem, meus senhores: o Cristianismo foi a Revoluçâo do mundo antigo: a Revoluçâo nao é mais do que o Cristianismo do mundo moderno (Quental 1982: 295-296).

Wenn aber das Christentum den Umwälzungen der Spätantike seinen Namen gab, konnte die Revolution der Moderne nicht schlichtweg eine Rückkehr zu jener Zivilisation sein, der inzwischen eine ähnliche Agonie attestiert wurde wie der römischen. Die Gestalt des 'alten Gottes' in einem dogmatisch-autoritären Katholizismus und einer zentralistisch-absolutistischen Monarchie, erforderte nun gerade eine einprägsame, aber, wie zu sehen sein wird, schwierige Wesensbestimmung jenes Neuen, welches sich logischerweise in der Republik, im Industrialismus und einem in der Autonomie des Bewusstseins herrschenden Kultus des cristianismo racional' oder der 'religión natural' von diesem unterscheiden. Die Ubereinstimmungen mit der überkommenen Religion, wie sie in der ontotheologischen Verfassung der Metaphysik charakterisiert wurden (vgl. dazu Heidegger 1996: 31-67), mussten dabei eher in den Hintergrund treten. Denn die Grenze zwischen Gott und Menschen, die mit der Inkarnation des Sohnes im Bild des Menschen ohnehin äußerst vage Konturen angenommen hatte, erlaubt es dem „Homme, ses désirs et espoirs" (Renan o.J.: 905-906), dem epistemologischen Konstrukt des 19. Jahrhunderts wie der Positivität des lebenden und arbeitenden Menschen, das Subjekt einer Erlösung zu werden, die nicht mehr dazu bestimmt ist, „im Menschen das Bild Gottes wiederherzustellen" (TRT 1976, 6: 499), sondern das Bild Gottes als ideales Abstraktum des menschlichen Wesens für das humanum zurückzuerobern und in dessen sinnlich erfahrbarer Realität festzuhalten. Auch die kosmologische Grundauffassung der Philosophie Krauses geht von einer „armonía divina preestablecida" aus (Krause/Sanz del Río 1960), zu welcher der Mensch nur deshalb keinen unmittelbaren Zugang hat, weil er abwechselnd in den Dualismen von Natur und Geist lebt. Erst dann, wenn der Mensch „la plenitud de su destino" erreicht, wird er auch im Leben wie vorher schon in der Idee die Synthese dieser Gegensätze erfahren, die bloß verschiedene Ausdeutungen derselben Wirklichkeit sind. Die Harmonie ist also ein Potential in jedem einzelnen Ich, das sich entgegen allen

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einseitigen Denkformen (z.B. Idealismus oder Materialismus) im alles und alle umfassenden Gott vollenden muss: El hombre, siendo el compuesto armónico más íntimo de ¡a Naturaleza y el Espíritu, debe realizar históricamente esta armonía y la de sí mismo con la humanidad, en forma de voluntad racional y por el puro motivo de esta su naturaleza en Dios (kursiv gesetzt in: Krause/Sanz del Río 1960). Wie vormals in der mittelalterlichen Theologie (vgl. dazu VolkmannSchluck 1957: 71 f) und der deistischen Philosophie der Aufklärung zeichnet sich auch in der Philosophie Krauses die „aufsteigende Linie der Meditation mit dem Ziel der Einswerdung des Subjekts mit dem göttlichen Leben" ab (Krauss 1972: 9). In letzter Konsequenz wird dabei allen Menschen die vermittelnde Kraft Gottes zugesprochen (vgl. Kondylis 1986: 371, vgl. auch Schabert 1971), „die ebensogut ausgeht vom Sohn - so weit war es ja noch Orthodoxie — , indem sie vom Sohn ausgeht, auch von jedem, der die imago des Sohnes ist, ausgeht, also nicht nur von der göttlichen mens ausgeht, sondern von jeder menschlichen mens, so wie sie vorgebildet ist im Jesus als dem Christus [...] (Heinrich 1986, 2: 298-99). Mit diesem Übergang von einer theozentrischen zu einer anthropozentrischen Metaphysik haben weder die Religiosität des modernen Menschen noch die ontotheologische Grundstruktur des abendländischen Denkens selbst ihr Ende gefunden 1 5 6 : Indem sich die Metaphysik „von ihrem Beginn bis in ihre Vollendung auf einer durchgängigen Verwechslung von Seiendem und Sein" bewegt (Heidegger 1986: 11-12), unterlässt sie es nicht nur, „die Frage nach der Wahrheit des Seins" zu stellen, sondern verbaut diese auch noch mit immer neuen auf das humanuni bezogenen Gespinsten (Heidegger 1981: 31). Indem „die äußeren Güter dieser Welt zunehmende und schließlich unentrinnbare Macht über die Menschen" gewinnen (Weber 1993: 153), wie dies niemals zuvor in der Geschichte geschehen ist, erhält auch der 'Neue Mensch' eine Diesseitigkeit, die seine Erfüllung nicht mehr einer übergeschichtlichen Transzendenz zuwies, wie dies gerade Augustinus in Abgrenzung zu chiliastischen Interpretationen fur den christlichen Rahmen vorgenommen hatte: Denn wie der Tod das Endziel des alten Menschen, des Menschen der Sünde ist, so ist das ewige Leben Endziel des neuen, des Menschen der Gerechtigkeit (HWP 1971, 5: 1112).

156 Vgl. Eliade (1965: 171): „En somme, la majorité des hommes 'sans-religion partagent encore des pseudo-religions et des mythologies dégradées. Ce qui n'a rien pour nous étonner, du moment que l'homme profane est le descendant de Y homo religiosus et ne peut pas annuler sa propre histoire, c'est-à-dire les comportements de ses ancêtres religieux, qui l'ont constitué tel qu'il est aujourd'hui."

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Der höhere Typus des humanuni wäre demnach ein innergeschichdiches Ziel menschheitlicher Emanzipation und Quelle eines unerschöpflichen neuen Wissens (vgl. MEW 1956, 12: 4). Was dem frühen Sozialismus oder ähnlichen Menschheitsprojekten vorausgeht, ist die Grundüberzeugung, dass der 'Neue Mensch' auf Grund gesellschaftlichen Handelns als „herstellbar gedacht" werden kann und „die inhaltliche Differenz zu allen christlichen Auffassungen eines Neuen Menschen markiert" (Küenzlen 1994: 61). Dem „Untergang des traditionell geglaubten Gottes" (Kittsteiner 1993: 83), der wie ein Vater die Menschen zu richten pflegt, folgt nun eine Spaltung des Selbst. Dessen höhere Ebene, die wir als kategorisch-imperatives 'Ich' bezeichnen können, überwacht sein handelndes Pendant mit Strafe und Lohn. War in Kants Metaphysik der Sitten noch die Rede vom Widersinn einer „zwiefachen Persönlichkeit", von einem „doppelten Selbst", das mit einem )vAnderen" konfrontiert ist, eine „idealische Person [...], welche die Vernunft sich selbst schafft" (Kant 1977, 8: 573-574), so assoziiert diese in ihren christologischen Zügen auch die Idee einer Menschheitsreligion, die sich in einer Rede Castelars deutlich vom Gott des Alten Testaments abhebt und insofern auch aus dem Kreis einer mit dem Absolutismus identifizierten Kirche heraustritt: Grande es la religión del poder, pero es más grande la religión del amor; grande es la religión de la justicia implacable, pero es más grande la religión del perdón misericordioso; y yo, en nombre del Evangelio, vengo aquí, a pediros que escribáis en vuestro Código fundamental la libertad religiosa, es decir, libertad, fraternidad, igualdad entre todos los hombres (Castelar o. J.: 2 8 9 - 2 9 0 ) .

In der Logik eines zur Selbstoffenbarung gezwungenen Geistes befindet sich auch Krauses bzw. Sanz del Ríos Menschheitsideal, das zu erreichen allen Institutionen der menschlichen Gesellschaft zur Aufgabe gegeben ist: So bilden sich die Wissenschaften in einem Völker und Generationen überdauernden menschlichen Geist ab, „[que] es capaz y está llamado á ser un análogo de Dios en su inteligencia infinita" (Krause/Sanz del Rio 1860: 53), um die Spur der Wahrheit über ihre bislang bekannten Grenzen hinaus zu verfolgen und zum Ziel einer geeinten und allwissenden humanitas zu gelangen. Eine entsprechend ihrer Möglichkeiten ähnliche Mission hat auch die Kunst zu erfüllen, wenn sie, wie einst Prometheus „un rayo de la belleza infinita" auf die Erde bringt und sich in ihren Werken „una viva y progresiva revelación de la divinidad entre los hombres" Geltung verschafft (Krause/Sanz del Río 1860: 55): A m a n d o desinteresadamente las obras del arte, extasiándonos mudos de encanto ante ellas, sentimos verdaderamente la presencia de Dios en nuestro espíritu contemplamos la encarnación de lo infinito en lo finito (ebd.).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' 4 . 0 D E R ZERFALL DES GÖTTLICHEN ZEICHENS 4 . 1 D I E TRADITIONELLE VERKNÜPFUNG VON GESETZ UND TRANSZENDENZ IN DER GESTALT DES VATERS

Diese Einheit, Versöhnung, Wiederherstellung des Subjekts und seines Selbstbewußtseins, das positive Gefiihl des Teilhabens, die Teilnahme an jenem Absoluten und die Einheit mit demselben sich auch wirklich zu geben, diese Aufhebung der Entzweiung macht die Sphäre des Kultus aus. Georg W i l h e l m Hegel ( 1 9 7 9 , 16: 6 7 )

Die Leute traktieren den göttlichen Namen, als wäre das unbegreifliche gar nicht auszttdenkende höchste Wesen nicht viel mehr als ihresgleichen. Sie würden sonst nicht sagen: der Herrgott, der liebe Gott, der gute Gott. Wären Sie durchdrungen von seiner Größe, sie würden verstummen und ihn vor Verehrung nicht nennen mögen. J o h a n n W o l f g a n g von Goethe ( 1 8 8 9 - 1 8 9 6 , 4: 3 3 9 )

Während das sprachliche Zeichen in der Unterscheidung zwischen Vorstellung (Signifikat) und Lautbild (Signifikant) einer Referenz in der Objektwelt bedarf, so entsteht das göttliche Zeichen aus der inneren Beziehung zwischen Vater und Sohn, die sich im Heiligen Geist vereinen. In diesem Akt der Versöhnung schaffen beide eine dritte Kraft, die jedoch keine Größe in der sinnlichen Welt darstellt, so dass das göttliche Zeichen zunächst ein in sich geschlossenes Referenzsystem konstituiert. Dennoch wäre es als ein solches nicht für uns erkennbar, wenn es sich nicht auch wie jedes Zeichen auf ein Verhältnis zwischen verborgener und physischer Welt einließe. Denn das sprachliche Zeichen macht seinem Benutzer immerhin gegenwärtig, was in einem bestimmten Moment nicht sinnliche Präsenz erlangt. Mit seiner Hilfe „dringen wir Schritt für Schritt in die innere Welt unserer Vorstellungen ein und bewegen uns darin nach Belieben, indem wir das Sinnliche selbst benutzen, um uns von seinem Zwang zu befreien" (Frege 1973: 910- Doch erscheint der Eindruck nicht unbegründet, als wenn wir in Hinblick auf das Numinose gerade diesen Zwang alles Sinnlichen, vorzugsweise in der Bildersprache der Kunst und Literatur, suchten, damit aus dem verborgenen ein allerorts offenbarender Gott werde. Nur indem sich das Göttliche möglichst aller Zeichen bedient und seine Ubiquität unter Beweis stellt, vermag es seine Omnipräsenz zu begründen und Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung zu formulieren. Als Paradigma von Zeichen- und Gestalthaftigkeit teilt sich das unsichtbare numen in der disparaten Vielfalt der signa mit, bedarf das Ubernatürliche doch der Natur, um in deren Erscheinungen zu erscheinen. Die Verdichtung der Zeichen in erkennbaren Botschaften setzt aber voraus, dass diese ihre akzidentielle und unmittelbare Wirkung transzendieren, um dabei stets auf ein subjekthaft-personales Handlungszentrum zu deuten:

D e r Zerfall des göttlichen Zeichens

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Die gesamte Welt ist demnach ein vestigium Dei, dessen Sinn es wie eine Schrift zu entziffern und trotz der Variationsbreite ihrer Zeichen als Aussagen eines auctors, als dessen Offenbarung zu begreifen gilt.' 57 Zeichen sind aus der Sicht des Sterblichen daher auch Wunder, die im AT nicht als eigenständige Bezeichnung figurieren158 und als „[Nachweise] der schützenden Gegenwart des allmächtigen Gottes (Jos 24,17) am Morgen der Geschichte des auserwählten Volkes" aufgefasst werden (vgl. W B B 1964: 778). Die Vielfalt der Zeichen und die Herkunft ihrer Instanzen bedürfen indes einer Vermittlung, auf Grund derer das gesamte Sein mit dem göttlichen Subjekt identifiziert und damit unter die Hierarchie dieses zuhöchst Seienden gebracht wird. Eine so begründete Univozität des Seins setzt aber voraus, dass die Dichotomie von Einheit und Vielfalt in ein inneres System von Relationen überführt wird, der ein übergeordnetes transzendentales Ganzes bildet und entsprechenden Abstufungen unterwirft. Als ein derartiges Bezugssystem mag die im Selbstsein Gottes angelegte Trinität angesehen werden, die dem auserwählten Volk im Alten Testament zwar noch nicht bekannt war, sich aber gleichwohl im „personified use of such terms as Word of God [Ps 32(33), 6] and the Spirit of God (Is 63,14)" bereits ankündigte (vgl. dazu N C E 1981, 14: 306). Dessen ungeachtet war es jedoch angesichts des allgemein verbreiteten Polytheismus notwendig, die Existenz des einen Gottes zu betonen und auf Aussagen über dessen inneres Wesen weitgehend zu verzichten. Im Neuen Testament erscheinen hingegen Aussagen über das dreifaltige Leben Gottes, das sich gegenüber dem entschieden monotheistischen Horizont der Alten Religion abhebt. Die sich in ihm bildenden Relationen sind notwendig, um das Inkontingente und Verborgene des Seins im Seienden Gottes so zu vereinigen, das sich der Mensch in ihm erkennen konnte. 159 Somit ist die Trinität, um mit 1 5 7 Goupil ( 1 9 3 8 : 9 8 ) : „La révélation est un fait de l'ordre surnaturel, la doctrine révélée est un bienfait totalement gratuit de Dieu qui élève l'homme à l'ordre de la grâce et de la gloire. A ce fait surnaturel, il faut des signes du même ordre, qui ne puissent être produits que par Dieu comme cause principale: ceux-là seuls attestent que Dieu a parlé." 1 5 8 So interpretiert das A T die Wunder als Offenbarungen Gottes und als wirksame Zeichen seines Heils. Der Gebrauch von Ausdrücken wie 'Zeichen' (hebr. 'otot, griech. semeia, z.B. in Ex 10,1) oder 'Zeichen und symbolische Wunder' (hebr. moph-tim, griech. tirata, z.B. D t 7,9) bezieht sich auf die Dimension eines Zeichens und eines Symbols, „die sich hinter jedem religiösen Wunder verbirgt" (vgl. zum Stichwort 'Zeichen' auch: L T K 1965, 10: 1 3 2 0 - 1 3 2 4 ) . 1 5 9 Noch in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts erhält der Leser eines spanischen Volkswörterbuchs unter dem Stichwort 'Gottheit' eine Auskunft, die in voller Entsprechung zum Trinitätsdogma die Doppelnatur Christi hervorhebt: „La divinidad no se halla multiplicada, ni dividida en las tres personas de la Santísima Trinidad; es en todas tres una é indivisible. En la persona de J. C . están reunidas la divinidad y la humanidad" (Enciclopedia popular 1862: 36).

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Ludwig Feuerbach zu sprechen, nichts Geringeres als der „Widerspruch von Polytheismus und Monotheismus, von Phantasie und Vernunft, Einbildung und Wirklichkeit" (Feuerbach 1956, 2: 356). Diese harmonische Selbstentsprechung des Göttlichen bringt die Vielheit in eine Einheit, das Sein unter das Seiende und die Existenz unter das Primat der Essenz. U m aber nicht der Vielgötterei zu verfallen, sind die drei Personen Gottes, die anders als die etymologische Bedeutung von 'Maske', 'Rolle' oder 'Charakter' hier 'subsistierende Relationen im Rahmen eines Beziehungssystems meinen, daher nicht auf monadische Substanzen zu reduzieren, sondern müssen im Gegenteil in Beziehung zueinander stehen (Flasch 1994: 353-355). Die Trinität strukturiert demnach nichts Geringeres als die räumlich und zeitlich verstreuten Signa des Numinosen in der Metapher eines Gottes mit seiner Tendenz „all'unificazione dei valori, al monismo metafisico, all'uniformità del diritto e dell'etica" (Volli 1992: 13), die sich allerdings in drei Personen bzw. Relationen offenbaren. 1 6 0 Obschon die theologischen Erörterungen über die Trinität Gottes seit der Spätantike unübersehbar sind, hat doch keine Übertragung dieser natürlichen in die spekulative Dreiheit eine solch breite Wirkung erfahren wie die von Augustinus in De Trinitate. Der allseits präsente und auf sich selbst Bezug nehmende Gott tut sich in verschiedenartig erscheinenden Gestalten oder nach der Deutung des Kirchenvaters in Relationen kund, die in einer Wesenheit so miteinander vereint sind, dass diese in jener Konfiguration auch ungeschmälert erhalten bleiben (vgl. Augustinus 1968: Buch 7, 11 bzw. Artikel „Person" in: H W P 1971, 7: 278). Die Sinnstreuungen, in denen sich die Gestalt Gottes offenbart, sind immer wieder auf ihn, den Sinngebenden zurückzuführen, um die Beschränktheit der antiken Einzelsphärengötter zu überwinden und letztere, wie in der von Hegel unternommenen Deutung, „als innere Differenzierungen bzw. Momente seiner selbst in sich [zu schließen]" (Huber 1984: 125). Das Seiende Gottes in einer derart kosmischen Gestalt zu zeichnen und damit jenes „respetuoso caos de superlativos no imaginables", wie Borges (1995b: 144) es im urchristlichen Monotheismus ausmacht, zu einem großen, personalen Superlativ zu verschmelzen, dass alle anderen Formen des Seiendes allein auf ihn ausgerichtet werden, heißt, die sich im Menschen vollziehenden Beziehungen und die seiner historisch und kulturell bedingten Umwelt im göttlichen Selbstverhältnis zu reproduzieren 160 Zur anthropologischen Bedeutung ternarer Sinnstrukturen, die in Heideggers Sein und Zeit durch die Zeitmodi (Vergangenheit — Gegenwart — Zukunft) bekräftigt wird, Cassirer (1994, 2: 175), Mehrlein (1959) bzw. Panikkar (1973), der es sich zur Aufgabe macht, gemeinsame trinitarische Grundzüge in Christentum, Judentum und den indischen Religionen aufzuzeigen. Zur politischen Bedeutung vgl. z. B. Meiler (1992).

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oder, w i e A u g u s t i n u s es u n t e r n i m m t , eine trinitarische S t r u k t u r des geschaffenen Seienden darzulegen (vgl. A u g u s t i n u s 1 9 6 8 : 2 4 2 , Buch V I , 1 0 ) . A u f diese W e i s e fügt sich die f o r m a l e Leere des göttlichen Zeichens, w i e bereits festzustellen war, zu e i n e m Bild, das in Jesus C h r i s t u s trotz seiner A l l g e w a l t eine G l e i c h u n g zu d e n spezifischen Existenzformen des M e n s c h e n herstellt. 1 6 1 S o will G o t t nicht n u r der unendlicher Ferne, „sondern d e r G o t t absoluter N ä h e in w a h r e r Selbstmitteilung sein [...] u n d [...] so in der geistigen H e f e unserer Existenz w i e auch in der K o n k r e t h e i t unserer leibhaftigen Geschichte gegeben [sein]." 162 In j e n e m „ewigen A k t wechselseitigen Entsprechens ( G e rechtwerdens)", in d e m Vater, S o h n u n d Heiliger G e i s t im jeweils a n d e r e n bei sich selbst sind, o h n e sich selbst zu verlieren (Artikel „Person" in: N H T G 1 9 9 1 , 4 : 2 0 3 ) , w i r d ebenfalls das Prinzip der R u h e u n d der B e w e g u n g in U b e r e i n s t i m m u n g gebracht. G o t t beschränkt sich nicht auf die Reglosigkeit eines Wesens, dessen V o l l e n d u n g sich der U n v o l l k o m m e n h e i t d e r physischen W e l t verschließt w i e ein ferner U r s p r u n g d e m L a u f der Zeiten. Er ist u n v e r rückbares F u n d a m e n t w i e D y n a m i k zugleich, so dass die Bewegung nicht

161 Vgl. Schmaus (1927: 195-200). Ausgangspunkt für die augustinische Trinitätslehre ist dabei selbstverständlich, wie Schmaus hervorhebt, jene Vorstellung, „die den menschlichen Leib als Ebenbild Gottes betrachtet." (Schmaus 1927: 196) 162 Rahner (1984: 222). Bei dem Anliegen, in die Mysterien der Dreieinigkeit Gottes einzudringen, zeichnet sich in Geist, Wissen und Liebe das vollkommenste Abbild. Elementar fiir diese von Augustinus vorgegebene trinitarische Ontologie ist jedoch die gegenseitige liebende Selbstmitteilung, aus der in Gott aus Vater und Sohn der Heilige Geist hervorgeht. Ausgehend von der für die Trinitätsspekulation grundlegenden Identität von Gott und Liebe (1 Io 4,16), ist letztere Quelle und Sinnbild einer Einheit, die aus der ständigen Treue des Sohnes zum Vater erwächst. Diesem Vorbild des Sohnes folgend sind auch alle Menschen Kinder Gottes. Dessen Werk kommt einer Verbindung von Vielfalt und Einheit gleich, die erst an der fundamentalen Sünde des Menschen, dessen Treulosigkeit wider Gott, zerbricht (vgl. dazu WBB 1964: 121-122). Eine harmonische und in sich stimmige Individuation erwächst, so könnte man den Ternar Liebe deuten, aus einem mittleren dritten Glied amor, das sich aus der amans-amatus-Kelation ergibt und als selbständiges Relat der Vereinigung von Subjekt und Objekt figuriert. Insgesamt erscheint die Trinität bei Augustinus wie in der späteren Kritik Hegels an der ungenügenden Kohärenz der indischen Idole „als Interpretation des neuplatonischen Schemas von 'Verharren, 'Hervorgang' und 'Rückkehr'" (Horn 1995: 129), was so zum Grundmuster abendländischer Dialektik wird. Das 'Andere' muss bereits im Selbst enthalten sein, um als widerständige Alterität von ihm ausgeglichen zu werden, so etwa in der memoria, wenn die Fremdheit der Zeichen auf die Identität eines immer schon in der Seele von Gott gestifteten und damit unabänderlichen Wissens zurückgeführt wird: Alles Kreatürliche empfängt in diesem Schritt seine Gestalt durch das ens entissimum, soweit es seiner Ideen teilhaftig wird und so überhaupt erst Seinscharakter erhält. Wenn aber die Welt bereits in der inneren Dimension des Menschen aufgeht und diese wiederum als Seele das Residuum Gottes ist, kann auch nur die unmittelbare Selbstgewissheit des denkenden Subjekts als letzte Instanz der Welterkenntnis gelten. Aus diesem Grund ist schon bei Menendez Pelayo, aber auch in der neueren Forschung analog zum Vorhaben Descartes von einem augustinischen 'Cogito' die Rede (vgl. dazu Blanchet 1920 bzw. Gilson 1967), das gerade im methodischen Zweifel Gewissheit und Wahr-

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d e m C h a o s verfällt, die Ruhe aber ebenso wenig der Unbeweglichkeit. Er ist die Unendlichkeit, die absoluter Freiheit entspricht und dabei gleichzeitig auch Repräsentation, die im Endlichen sichtbar wird, ohne diesem anheim zu fallen. Diese Allmacht des trinitarischen Gottes verdankt sich daher auch d e m Axiom des unbewegten Bewegers, „dem Angelpunkt der ganzen aristotelischen Metaphysik" (Hirschberger 1991, 1: 2 0 3 - 2 0 4 ) , das im Wesentlichen den Gottesbeweis der Scholastik mitbegründet hatte und noch bei Kant eine begrenzte Rolle spielt. 1 6 3 Der hierarchische Charakter des Seienden, der in der inneren Trinität Gottes die Unterwerfung des Sohnes unter den Vater impliziert, stellt sich in allen Wesen dar. Deren Rangfolge beruht nach Augustinus auf der Intensität, mit der sich die Dreieinigkeit in einer Kreatur abbildet: N i m m t es wie das Tier eine nur niedrige Stellung ein, so hat es auch in minderem Maße Anteil an Gottes absoluter G ü t e und vermag nur ein schwaches Schattenbild von dieser entwerfen. Wiewohl die Seele des Menschen als „Bild der göttlichen Trinität [...] nur eine höchst unvollkommene Vorstellung" von ihrer Vorlage hervorruft (Schmaus 1927: 3 9 8 ) , ist der Mensch am meisten mit Weisheit und Kraft ausgestattet und schon auf diese Weise seinem Schöpfer a m ähnlichsten. Ist seine innere Seite nach d e m Bild Gottes geschaffen (Schmaus 1927: 2 2 1 ) , so drückt sich in der Abwendung des Menschen von G o t t auch dessen gesunkener Rang aus. Es ist in diesem Z u s a m m e n h a n g zu bemerken, dass diese Grundstruktur auch die symbolischen (Gott, Gottesmutter, Heilige, H i m m e l und Hölle) und die sozialen Hierarchien im spanischen Barock bedingte: La escatología se definía también por la idea profunda de un principio a cuyas manifestaciones había que obedecer, porque tenían autoridad indiscutible e indiscutida. Se obedecía al ejemplo positivo de las grandes figuras de la Escritura, al igual que a los santos por sus virtudes. Esta es la esencia del principio religioso de autoridad; que se obedezca por ser fuente de perfección y se imite a sus modelos y símbolos por ejercerla o representarla. En este altísimo nivel el principio de auto-

heit zu erkunden imstande ist, wie dies vielleicht im Frühwerk De vera religione am deutlichsten geschieht (vgl. Horn 1995: 129), aber auch am gezeigten trinitarischen Beispiel sichtbar wird: Wie Selbstliebe Selbsterkenntnis erfordert, die wiederum der Erkenntnis des Anderen zugrunde liegt, „[so wird] das Selbstverhältnis des Geistes [...] zur bevorzugten Trinitätsanalogie" (ebd.: 131). Indem sich der Mensch dem Denken der Trinität hingibt, entfaltet es sich zum Bild der Trinität in ihm, so dass er nur eine Spur derselben ist und in einer solchen zur reflexiven Gewissheit kommt (Kreuzer 1995: 98). 163 Vgl. Weischedel (1985: 137-139). Vgl. zum ersten unbewegten Bewegenden das zwölfte Buch der Metaphysik des Aristoteles (1960: 1) bzw. als Erläuterung bes. Jaeger (1917) und Jaeger (1955).

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ridad religioso, se muestra c o m o una de las condiciones del d o g m a t i s m o (Tierno Galván 1983, 3: 1696).

Unwillkürlich drängt sich hier der Vergleich mit jenen Abbildern auf, deren auf das Urbild ausgerichtete Rangordnung von den Simulakren in Verwirrung gestürzt zu werden droht. 164 Was solchermaßen von Deleuze als wahrer Beweggrund des Piatonismus angesehen wird, kehrt als Problem der Repräsentation auch in der Frage nach der Gestaltbarkeit des wahren Seins wieder: Welche Prägnanz muss die Gestalt erhalten, damit ihre Grenzen zum Nichtsein des Chaos konturiert genug hervortreten und Gespinste keine Chance haben, sich an ihre Stelle zu setzen? Das Problem besteht einerseits darin, dass die Gestalt des Göttlichen wie der Idealität kein gesichtsloses Prinzip wie das des 'unbewegten Bewegers' sein darf, das sich kaum als Vorbild zur weiteren Gestaltung anbieten würde. Andererseits würde die allzu deutliche Ausprägung der arche, die das Unendliche zur Darstellung bringen will, das genaue Gegenteil bewirken, da sie somit nur das repräsentieren kann, was sie im Rahmen eines Bildes auch tatsächlich repräsentiert: die bloße Endlichkeit. Im Spanien des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde dieser unlösbare Konflikt, wenn auch mit hartnäckigem Widerwillen erkannt: La antinomia más aparente que real entre lo finito y lo infinito, que señaló Kant y que persiste en el pensamiento, procede de una confusión á veces, que se establece entre la imagen, condición necesaria del concepto, y el concepto m i s m o , ó entre la imaginación y la razón. La imagen es el soporte del sentimiento puro, pero n o es nunca adecuada á él. Lo concebible es más extenso que lo que sensiblemente nos representamos. La razón especulativa concibe ideas, que n o son susceptibles de imágenes sensibles, y que, si se simbolizan, siempre el símbolo resulta deficiente y la deficiencia se traduce luego en concepto negativo, que es lo que acontece precisamente con la idea de lo infinito. Lo infinito es por tanto una idea positiva (la de la perfección y lo absoluto), que no es, sin embargo, susceptible de representación imaginativa, porque ésta se refiere, siempre á lo finito y concreto, ni se agota en lo puramente genérico ó abstracto, que es lo indefinido (Artikel „Infinito" in: D H A 1887, 10: 8 8 8 ) .

IM Vgl. dazu Deleuze (1997: 166): „La distinction modèle-copie n'est pas là que pour fonder la distinction copie-simulacre; car les copies sont justifiés, sauvées, sélectionnés au nom de l'identité du modèle, et grâce à leur ressemblance intérieure avec ce modèle idéel. La notion de modèle n'intervient pas pour s'opposer au monde des images dans son ensemble, mais pour sélectionner les bonnes images, celles qui ressemblent de l'intérieur, les icônes, et éliminer les mauvaises, les simulacres. Tout le platonisme est construit sur cette volonté de chasser les phantasmes ou simulacres, identifiés au sophiste lui-même, ce diable, cet insinuateur ou ce simulant, ce faux prétendant toujours déguisé et déplacé."

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Das hier beschriebene Dilemma zwischen den Erfordernissen einer Repräsentation Gottes 165 und dem Eigensinn einer solchen im Bildwerk setzt bereits mit dem Problem der Bezeichnungen an. In Anbetracht des Umstands, dass das AT den namenlosen göttlichen Souverän mit einer Fülle von Hilfswörtern umgibt, die dem gleichsam fragilen Charakter des Bundes zwischen dem Schöpfer und seinem Volk eine Sprache verleiht, nimmt es nicht Wunder, dass die jüdisch-christliche Tradition im Eingedenken an die Ehre des göttlichen Nomens eine ausgeprägte Phantasie entwickelt.166 Für das rabbinische Judentum werden einundneunzig Synonyme für Gott nachgewiesen, im späten Mittelalter und der frühen Renaissance sind siebzig Bezeichnungen bekannt (vgl. Marmorstein 1968: 54-107 bzw. Levinas 1969: 155-167). Wenngleich das Christentum gegenüber dem alttestamentarischen Glauben eine ungeheure Konkretisierung des göttlichen Namens bewirkte, der zumal in die Bezeichnung der neuen Religion einging, ist Gott noch in der Theologie der Kirchenväter wie der Mystiker ein „überwesenhaftes und übersprachliches" Wesen (Meister Eckhart 1903: 212). Im Grunde sei es auf Grund natürlichen Verstehens nicht zu erreichen und verfuge auch über keinen Namen. Doch diese Anstrengungen, die Nähe des Unaussprechlichen in seinem einzigen und authentischen Namen zu finden, schlagen in umso zahlreichere Bezeichnungen um, in denen sich nur die Ferne Gottes mitteilen kann. Hier scheint sich bereits jener Vorgang des andauernden Sich-Unterscheidens und Aufeinander-Verweisens von Signifikanten zu vollziehen, der die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Ursprungs in der differance ebenso bewusst macht wie die Vielheit der sprachlich gebundenen Erkenntnisakte. Nicht der eine Name wird entdeckt, mit der sich „il monoteismo [...] del unico vero sapere, dell'unica buona morale, della sola giustizia equa, della sola autentica liberazione" legitimierte (Volli 1992: 16), sondern eine Negativität Gottes, welche die Phantasie des Sprechenden in Mittelalter und Renaissance um so mehr beflügelt. Das Benennen des Unendlichen gebiert immer neue Namen und sprachliche Figuren, welche die Distanz zur vermeintlichen Quelle vertiefen (Foucault 1966: 56).

1 6 5 Bereits im A T lässt sich an den vielfältigen Idolatrien des jüdischen Volkes das Bedürfnis ablesen, sich G o t t vorstellbar zu machen, so z. B. in Ex 3 2 , 1-6, wenn die durch das Fortbleiben des Mose hinterlassene Leere mit sinnfälligen Zeichen wie dem Stier als Symbol der Kraft und Fruchtbarkeit gefüllt werden muss. W i e dort zu sehen ist, verwandeln die sichtbaren Wunder des verborgenen Gottes diesen in sichtbare Idole. 1 6 6 Vgl. z. B . folgende Textstellen im N T : l T i m 6 , 1 : „Quicumque sunt sub iugo servi dominos suos omni honore dignos arbitrentur ne nomen Domini et doctrina blasphemetur" oder Apc 19,13: „Et vestitus erat vestem aspersam sanguine et vocatur nomen eius Verbum Dei."

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Dieser ontologischen Differenz von Sein und Seiendem ist freilich nicht allein die christliche Metaphysik ausgesetzt, sondern auch jene Universalsysteme, die im 19. Jahrhundert den Versuch unternehmen, „das Zusammengehen und wechselseitige Bedingtsein des Vielen und Mannigfaltigen der objektiven Realität" (PhW 1976: 298) unter die Hierarchie des Menschen zu stellen und dergestalt eine neue Einheit zu erreichen. Als Werkstoff dieser Einheit, der dieser zugleich auch Bewegung und Werden erlaubt, ist die Zahl 'Drei' von einem weitreichenden Hintersinn. In ihrer Spur erhält das trinitarische Verhältnis der göttlichen Personen, in dem sich die notwendige Bewegung des Göttlichen zum Menschlichen als Rückkehr zu sich selbst vollzieht, so geschichtsphilosophische Analogien, wie sie etwa in den Verwandlungen der Dreireichelehre des Joachim de Fiore ersichtlich wird und in den Kosmologien Hegels (vgl. dazu: Huber 1984: 124-139), Schellings oder Comtes (vgl. dazu: Comte 1995) Eingang finden (vgl. dazu Löwith 1990: 190-195). Stets ist die Einheit das sinnstiftende und Widersprüche synthetisierende Signifikat, das sowohl Ursprung als auch Zielpunkt der Geschichte darstellt: Einheit und Vielheit [sind] untrennbare, einander durchdringende Begriffe [...], die Vielheit (ist) nicht minder in der Einheit enthalten [...] als die Einheit in der Vielheit ( M E W 1956, 20: 524).

Wie sich der ewige Gott, der All und Raum bewegende Ursprung, in seinem in der Geschichte wirkenden Menschensohn abbildet, so wird die Dialektik von Hegel als gegenseitige Bezogenheit von Endlichkeit und Unendlichkeit verstanden. 167 Von deren unhintergehbaren Widersprüchlichkeit, auf die sich die empirische Welt beruft, gelte es sich abzuwenden und die sich im reflektierenden Denken vollziehende Trennung der beiden Elemente in „[einer] Einheit der Identität mit der Verschiedenheit" zusammenzuführen (Hegel 1979, 6: 42). Diese Einheit ist dialektisch zu denken, da in dieser das eine wie das andere Moment aufeinander verweisen, d. h. „das Endliche und das Unendliche [sind] das Andere des Anderen [und] stehen miteinander in Beziehung" (vgl. Weischedel 1985, 1: 352 bzw. Hegel 1979, 6: 42), so dass das Endliche auch nur in Beziehung zum Unendlichen eine Kategorie des Endlichen sein kann (vgl. Hegel 1979, 16: 178). Damit aber ist aus der kategorialen Setzung als einer dialektischen jede Gegensätzlichkeit gewichen, so dass das Eine im jeweils Anderen bereits mitenthalten ist und solchermaßen eine Einheit bildet. Eine derartige Aufhebung von Endlichkeit und Unendlichkeit ist in Krauses Grundriss der historischen Logik fiir Vorlesungen der Welt zugedacht und sei an dieser Stelle herangezogen, um die durchaus ähnliche Kon-

167

Zu den Grenzen der Endlichkeit bei Krause vgl. Kodalle (1985: 70).

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zeption dieser idealistisch-dialektischen Schule in Erinnerung zu rufen: D i e Thesis „Die W e l t ist Eine und eine unendliche" und die Antithesis „Die W e l t ist in allen T h e i l e n eine endliche" finden im obersten 'Vereinigungssatz' (Synthesis) eine stimmige Auflösung, die auch im sprachlichen Duktus aufscheint: Die Welt ist eine unendlich-endliche, ein unendliches harmonisches Bestimmen unendlich vieler Endlicher nach Einem Gesetze und durch Ein Gesetz zur Weltschönheit (Krause 1895: 139). 1 6 8 W i r d die Wesenseinheit von Unendlichkeit und Endlichkeit in der Trinität von Vater und S o h n personifiziert, so befindet sich nicht nur die Dialektik Hegels in der Spannung zwischen Endzweck, „dem bewußten und gewollten wesentlichen

Lebenstrieb, dem

Genieblick,

dem Lichtpunkt

der

Selbst-

erkenntnis — die Einheit von Natur und Geist im M e n s c h e n " 1 6 9 , und einer Entwicklung, die in gesetzmäßigen Schritten a u f diese Finalität Kurs n i m m t . Es ist ihrer Bewegung grundsätzlich eigen, das Heterogene, Trennende und Akzidentelle zu durchlaufen, das dem großen G a n g der geschichtlichen Teleologie entgegenwirkt, indem sie es in notwendige Abschnitte ihrer Eigenbewegung zerlegt. So betont die Dialektik die Oppositionen in dem Bestehenden und das, was diese gleich den drei Personen der göttlichen Trinität zu einer Einheit verbindet: Indem sich der Menschensohn im Verhältnis von tiefstem Leid und erhabenster Erlösung wiederfindet, ist auch sein Subjekt nur Konstrukt einer Verkettung, in der sich die Paradoxien seiner irdischen Existenz auflösen. S o m i t bildet es in Analogie zu jenem absoluten göttlichen Ich eine versöhnende Einheit, die sich nicht einem Kompromiss entgegengesetzter Ideen verdankt oder a u f einer Vereinbarung verschiedener Instanzen beruht. D i e Verpflichtung a u f einen rigorosen Monotheismus, der nur als Resultat intellektueller Anstrengung oder theologischer Intuition denkbar ist, ignoriert freilich, wie der italienische Philosoph U g o Volli in seiner Arbeit über die Pluralität der Sprachen ausführt, jene „piani intermedi, emanazioni, principi mediatori", mit Hilfe derer sich das G ö t t l i c h e in „demoni e angeli, santi e stregoni, ogetti di culto e sante memorie, reliquie e icone, eroi e martiri" bis 1 6 8 Zur Entstehung von Krauses System in Jena in Abhebung von Schelling und Hegel vgl. Kodalle ( 1 9 8 5 : 3 8 ) . Dieser Terminus der Weltschönheit, der die Dialektik von Endlichkeit und Unendlichkeit weiter vertieft, wird von ihm, wie folgt, beschrieben: „Sie ist ein unendliches Bilden, ein ewiges Durchdringen des Endlichen und des Unendlichen, ein Vermählen des Irdischen und des Himmlischen." 1 6 9 Feuerbach ( 1 9 5 6 , 1: 124). Noch die diesem Endzweck anhaftenden Züge geben einen kaum sichtbaren Vater zu erkennen, der dessen ungeachtet in den schutzgebenden Funktionen seine begriffliche Präsenz gleichwohl erahnen lässt.

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ins Unendliche multipliziere (Volli 1992: 14-15). 170 Auch die von Mauthner angesprochene, viel mühevollere Konstruktion des einigen Gottes aus dem Wörtervorrat der Sprache ist wie der griechische Götterhimmel, dem, so Karl Philipp Moritz in seiner klassisch gewordenen Götterlehre, „die Phantasie keine höhere Bildung als die Menschenbildung beilegen [konnte]", auf die Qualität der künstlerischen Anschauungen angewiesen (Moritz 1966: 25 bzw. Mauthner 1923, 2: 5-6). Wie sehr der Polytheismus seine Spuren noch in der Lehre von dem einen und einzigen Gott hinterlassen hatte, dessen Gestalt sich in Einzelinstanzen zu verflüchtigen drohte, veranschaulicht sich in der Trinität. Diese belege, so Mauthner, dass „der christliche Monotheismus das Schicksal seiner Mutter, des Mosaismus [geteilt habe], und wahre Eingötterei meistens nur theoretisch im Prinzip [geblieben sei], während er praktisch in die mannigfaltigsten Formen des Polytheismus sich verwandelte" (Haeckel o. J., 3: 291-292). Dass man in der Trinitätslehre selbst den Monotheismus aufgegeben habe, wie Mauthner schreibt, lässt sich in der Wendung Hegels vom 'dreigestaltigen' Gott erahnen, dessen potentielle Zergliederung nur als Folge einer intellektuellen Leistung im Sinne der neuplatonischen Denkbewegung neutralisiert wird. In seiner Würdigung der indischen Götter Brahma, Wischnu und Siwa, dessen „Anschauung häufig die widerwärtigsten Gestalten zum Vorschein bringt", lässt sich nämlich absehen, dass „hier die geistige Gestalt noch nicht in ihrer Wahrheit auftreten kann" (Hegel 1976, 1: 335). Zugleich deuten sich in „solchen ersten Ahnungen der Vernunft" auch die weiteren Bedingungen für „die höchste Wahrheit" an, die aus der Dreiheit eine Einheit macht, ohne das ternäre Prinzip der Gottheit aufzugeben. Die trinitarische Göttergestalt vermag nur dann das bedrohliche Vakuum zwischen dem intelligiblen Einen und der veränderlichen Welt zu füllen, wenn der dritte Gott anders als bei den indischen Idolen „eine konkrete Einheit und Rückkehr zu sich aus der Unterscheidung und Verdoppelung wäre" (Hegel 1976, 1: 335). Mehr als „nur ein Übergehen in ein Anderes, ein Verwandeln, Erzeugen und Zerstören" hat er „in der ewigen göttlichen Selbstentsprechung des Logos" die Fülle seiner Gestalt zu entfalten ( N H T G 1991, 4:

170 Nach Mauthner (1923, 1: 2 1 7 - 2 1 8 ) , fiir den „Sprachentstehung und Bedeutungswandel immer metaphorisch sind", gewinnen die Bilder der lateinischen Kirchensprache eine erhöhte Bedeutung fiir den neuen christlichen Glauben. In deren symbolischer Vielfalt (dem Schiff der Kirche, Christus am Steuer, dem Meer der Weltlichlceit, der Taube, der Mutter, der Giftschlange, der Herde, dem Hirten und dem W o l f etc.) lassen sich Züge eines bildnerischen Polytheismus ausmachen. Bei der Notwendigkeit, „das trübe Dogma der Trinität" und des einen Gottes darzustellen, „musste das Bildbewußtsein schwinden, und die Worte, die Bilder waren und fiir Begriffe gehalten wurden, wanderten in genauen Übersetzungen von Volk zu Volk."

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203). In dieser veranschaulicht sich die Vielheit in der Einheit, das Wissen um die Gespaltenheit und Inkohärenz des Seienden, zugleich aber auch die Macht, diese Verschiedenheit von Geist, Vater und Sohn in einer sich versöhnenden Vollendung aufzuheben. Die Schwäche, die Hegel der indischen Phantasie mit ihrer „unermeßlichen Anzahl der vielgestaltigsten Götter" vorhält (Hegel 1976, 1: 335), zielt also auf deren Unvermögen ab, dem Formenreichtum eine ganzheitliche Struktur zu geben. Denn eben dies würde bedeuten, dass die Verschiedenheit des kreatürlich Erscheinenden als das 'göttliche Eine' gedacht und die Vielheit der Attribute einem einzigen schöpferischen Grund zugeschrieben wird (vgl. Kreuzer 1995: 97), der, wie der deutsche Mystiker Böhme schreibt, als „ein allmächtiger, allweiser, allwissender, allsehender, allhörender, all riechender, allfiihlender [und] allschmeckender Gott" mit sich selbst in Einklang steht (Böhme 1977: 71). Wie Wesen und Sein in Gott ein untrennbares Ganzes bilden, so festigen sich die Disparitäten des Seins zum gestalthaften Sein, indem diese dem Prinzip der größtmöglichen Dichte folgen und die Vielzahl der Eigenschaften, die im Polytheismus einzelnen Göttern mit sich gegenseitig ausschließenden Potenzen zugestanden werden (vgl. Schelling 1907, 3: 823), zur höchsten Qualität des Einen fügen: Todos los atributos y perfecciones divinas no las concibe la Teología católica como cosas distintas entre sí, ni como cualidades que sobrevienen á su esencia ni determinaciones particulares del ser divino. Son lo que El es (El mismo autor) (Artikel „ D i o s " in: D H A 1887, 6:. 693).

Jenes Spiel der Differenzen, das etwa in der zur disputatio von Luis de León versammelten Mönche neben den kodifizierten immer neue pantheistisch-naturhafte Namensgebungen gebiert171, aber noch von der Zirkularität des Wissens auf ein Sinnzentrum ausgerichtet werden kann 172 , entsteht aus

171 Vgl. Luis de León (1986: 165). Das Problem der Darstellbarkeit des Unendlichen ist hier ebenfalls Teil des Gesprächs über die Namen: „si el nombre es imagen que sustituye por cuyo es, ¿qué nombre de boz o qué concepto de entendimiento puede llegar a ser imagen de Dios? [...] que si el fin de los nombres es que por medio dellos las cosas cuyos son estén en nosotros, [...] escusada cosa fue darle a Dios nombre, el qual está tan presente a todas las cosas, y tan lanzado, como si dixéssemos, en su entrañas, y tan infundido y tan íntimo, como está su ser dellas mismas." 172 Vgl. Curtius (1984: 232-233), der bei Petrarca eine Verbindung zwischen der onomastischen Tradition der Heiligen Schrift und einer poetischen Theologie ausmacht. Während die Poesie von Göttern und Menschen handelte, verführe die Bibel auf ähnliche allegorische Weise mit Gott und den göttlichen Dingen, da ja Christus unter verschiedenen metaphorischen Bezeichnungen wie 'Löwe', 'Lamm' oder 'Wurm' aufträte. Wie im Folgenden zu sehen sein wird, stimmt auch Pérez Galdós der Verbundenheit von Poesie und Religion in den siglos de oro zu, die indes im 19. Jahrhundert überholt sei.

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dem Widerspruch zwischen dem „sehr anthropomorphen [...] und einem verborgenen und unerkennbaren Gott" (Trutmann 1991: 16), wobei der eine dem in Bildern versunkenen Laien vorbehalten ist und der andere dem in Begriffen denkenden Kleriker. Dennoch manifestiert sich in der unaufhörlichen Suche nach dem göttlichen Namen doch gerade die Wertschätzung für die erste Instanz der Trinität als einem Ursprung, der noch unfasslicher erscheint als der Menschensohn und zu dem sich Hierarchie- und Autoritätsverhältnisse herausbilden. 173 Auch im Satz, dass 'Gott den Sohn gegeben hat', bestimmt sich der Vater zunächst als Subjekt, was nicht mit der Aussage zu entkräften ist, dass Jesus Christus am Kreuz für die Menschheit starb. In der von der Grammatik verfügten Satzstellung reproduziert sich die Hierarchie der göttlichen Instanzen: Der Vater erscheint als das Subjekt der Hingabe seines Sohnes und der Sohn als der Sich-Gebende (Rm 8,32; Gal 2,20 vgl. N H T G 1994, 2: 291). Die Heilstat Christi vollzieht sich nach dieser Doxologie zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,11) im Heiligen Geist und damit in Unterwerfung und Gehorsam unter seinen Willen, wie es im ersten Brief des Paulus an die Korinther heißt (vgl. N H T G 1994, 2: 293). Der Reihenfolge nach steht zwar Christus an erster Stelle und weiterhin jene, die zu ihm gehören. Aber wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat, übergibt er seine Herrschaft Gott, dem Vater (1 Cor 15,27-15,28). Gegenüber dem Sohn als Logos bildet sich dessen Schöpfer so als Handlungsmittelpunkt oder wenigstens als göttliche Urquelle heraus, so dass der Identität der ersten Person eine um so gesteigerte und unanfechtbarere Bedeutung zukommt.' 7 4 Dabei ist nicht zu verkennen, dass „eben dieser Gott, der immer der Unsagbare, das heilige Geheimnis, der unumfaßbare Grund und Ursprung seines Ankommens in Sohn und Geist ist" (Rahner 1984: 141), selbst in den irdischen Vaterschaften Gestalt annimmt. Den naturhaften Kontexten, in denen sich die Ternare im ,7 ' In der theologischen Diskussion seit der Spätantike ist es immer wieder zu Kontroversen hinsichtlich der Gleich- bzw. Nachrangigkeit der drei Hypostasen des transzendenten Gottes gekommen, so dass in der frühen Kirchengeschichte sogar die Mittlertätigkeit Jesu von Seiten des Arianismus in Abrede gestellt wurde. Auch wenn die Gleichberechtigung der drei göttlichen Personen zum unveräußerlichen D o g m a wurde, lässt bereits die von Tertullian in Bilder gekleidete Heilsökonomie Gottes erkennen, dass der Vater der Urgrund allen göttlichen Seins ist. So wird das Verhältnis von Vater, Sohn u n d Heiliger Geist mit dem zwischen Sonne - Strahl Spitze, Wurzel - Zweig - Frucht sowie Quelle — Fluss - Kanal verglichen. Vgl. dazu Benz (1975: 132). 174 Vgl. Henrich (1979: 614): „Gott selbst ist Person, und kraft der Trinität ist sein geheimes Wesen als ein Wechselbezug von Personen offenbar geworden. Bleibt die Gewißheit davon ganz unantastbar, dass wo immer von 'Person' die Rede ist, ein letztbestimmtes Aktzentrum gemeint ist, so muss auch der christliche G o t t in allen drei Personen als solches Zentrum erfahren werden, - wie immer auch die Einheit der drei Personen in der einigen und selbst personalen Gottheit noch in Gedanken 7.u fassen sein mag."

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Zuge der Geschichte darzustellen pflegten, muss demnach eine Anthropologie eigen sein, der erst später, etwa in der christlichen Mystik' 75 , eine übersinnliche Sinngebung zugedacht wurde. Obwohl sich die genealogischen Bezeichnungen der trinitarischen Personen wie 'Vater' und 'Sohn' aus theologischer Sicht „nur sehr bedingt als Analogie zu einem innermenschlich - personalen Verhältnis verstehen [lassen]" (Bornkamm 1976, 1: 152), kann man aus der Religionsgeschichte die Schlussfolgerung ziehen, dass diese Trias selbst ursprünglich ganz konkret gefaßt und gefühlt wird: - dass es ganz bestimmte 'Naturformen des Menschenlebens' sind, die in ihr ihren Ausdruck finden. W i e unter einer leichten Hülle schimmert häufig unter der spekulativen Dreiheit von Vater, Sohn und Geist noch die natürliche Dreiheit von Vater, Mutter und Kind hindurch (Cassirer 1 9 9 4 , 2: 182).

Wenn sich das Göttliche in Einbildungsstrukturen mitteilt, die das Unendliche im Endlichen zu repräsentieren vermag, so geschieht dies zweifellos am naheliegendsten auf der Ebene der Familie, „protegida y fomentada por las máximas cristianas" (Pons y Montéis 1876: 31)' 76 . Das besondere Verhältnis des Vaters als Erzeuger zu seinen männlichen Nachkommen, die später selbst Erzeuger sein werden, erhält bereits im AT und besonders im Bund des jüdischen Volkes mit Jahwe, „der entscheidenden Wende in der Beziehung des Mannes zu Gott", einen sakralen Sinngehalt (vgl. Lerner 1995: 235). Während die Frau an den Rand des Geschehens rückt, figurieren Patriarchen und Propheten als irdische Garanten und Wächter des Bundes, um Stamm und Familie „auf eine Art [zu verkörpern], die das Römische Recht sehr viel später als pater familias institutionalisieren wird" (Lerner 1995: 237). Diese

175 Bereits die frühchristliche Mystik des Dionysius Areopagita (um 500) lässt im 'unterscheidenden' Reden über den christlichen Gott das Interesse am spekulativen Potential der Dreifaltigkeit erkennen (vgl. Haas 1996: 170-175). Neben Meister Eckhart, auf den Cassirer (1994, 2: 298) selbst hinweist, schenkt auch die spanische Mystik einer Ausarbeitung der Trinität Beachtung. So verweist Ignacio de Loyola auf diesen Aspekt: „En esta misa conocía, sentía o vía - Dominicas seit - (2 Cor 12,2), que en el hablar al Padre, en ver que era una persona de la Santísima Trinidad, me afectaba a amar a toda ella, cuánto más que las otras personas eran en ella esencialmente; otro tanto sentía en la oración al Hijo, otro tanto en la del Espíritu Santo, gozándome de cualquera en sentir consolaciones, tribuyendo y alegrándome en ser de todas tres." (Vgl. Andrés 1994: 311) 176 Mauthner (1923, 1: 226) weist daraufhin, dass „die drei Personen der Trinität wohl oder übel übersetzt werden mussten, weil sie einen wesentlichen Teil des Glaubensbekenntnisses ausmachten." Gottvater sei durch den 'Vater' wiedergegeben worden, „wie sie sich aus vielen althochdeutschen Ubersetzungen in den Anfangsworten des Vaterunsers erhalten hat." Dabei habe der Name eines „zeugenden Vaters der Götter und Menschen wie Zeus patér" oder der „christlich germanische Walvater [und] Heervater" wenigstens bei den althochdeutschen Ubersetzern eine eher untergeordnete Rolle gespielt, sondern „doch wohl der jüdische Vater im Himmel, pater coelestis, patér o ouranios."

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Projektion der Familienoberhäupter in ihrer Weisheit, prophetischen G a b e und weltlichen Autorität a u f einen göttlichen Allvater erfolgt zwar „strenggen o m m e n nicht a u f G r u n d ihrer physischen Vaterschaft, sondern a u f G r u n d der Verheißungen, die über den Blutszusammenhang hinaus letztlich alle jene angehen, die ihren Glauben nachahmen" ( W B B 1 9 6 4 : 6 9 3 ) . D o c h dass G o t t im Zeichen des Vaters angerufen wird, lässt sich auch als Vorstellung vom männlichen Demiurgen und Schöpfer deuten, nach der sowohl der himmlische Patriarch wie seine Stammesbegründer über das Leben der N a c h k o m m e n und ihrer Fruchtbarkeit wachen. 1 7 7 Besonders als mit der Trinität eine Analogie von Vater und S o h n in die Gottheit eingeführt wird, kann diese wie ein Spiegelbild der irdischen Verhältnisse erscheinen und sich in der sprachlichen Formel von der Zeugung legitimieren: Padre [...]: Varón ó macho que ha engendrado. [...] Padre: Teol. Primera persona de la Santísima Trinidad, que engendró y eternamente engendra á su unigénito Hijo (Artikel „Padre" in: DHA 1887, 14: 558). G e m ä ß dem D i k t u m des Paulus, dass Christus bis zum Kreuzestod ein gehorsamer Sklave „in gloria Dei patris" gewesen sei (Phil 2 , 5 - 1 1 ) , sind seiner T h e o l o g i e Regeln fur das Verhalten der Christen in Staat ( R m 1 3 , 1 - 7 ) und Familie zu entnehmen ( C o l 3 , 1 8 - 4 , 1 ) , welche den Vater als Subjekt der G e bote und den S o h n als deren Vollstrecker definieren. J e n e zeitbedingte Forderung an die G e m e i n d e , sich im Verhältnis zur herrschenden O r d n u n g in entschiedenem Gehorsam zu üben, mag, wie Taubes schreibt, nur eine notwendige Strategie gewesen sein, um Konflikte in einer feindlichen Umwelt zu vermeiden und die unmittelbar bevorstehende Erlösung zu erwarten (Taubes 1 9 9 3 : 7 5 ) . Ihre eigentliche Tragweite muss aber vor dem Hintergrund einer griechisch-jüdischen Philosophie gesehen werden, die wegen ihrer neoplatonischen Grundierung einer rigiden Stufenfolge der Hypostasen das W o r t redet (vgl. Artikel 'Gehorsam' in: H W P 1 9 7 1 , 3: 1 4 7 ) . 1 7 8 Unter dem Einfluss

1 7 7 Vgl. Lerner ( 1 9 9 5 : 2 3 7 ) , die unter Hinweis auf G n 17,7 die Bedeutung der männlichen Samen für das Ritual des Bundes hervorhebt: „Et statuam pactum meum inter me et te et inter semen tuum post te in generationibus suis foedere sempiterno ut sim deus teus et seminis tui post te." Es sei daran erinnert, dass Fruchtbarkeit besonders im ATals Werk der Allmacht und Güte Gottes gedeutet wird, während das Gegenteil als Heimsuchung zu verstehen ist (vgl. Calwer 1989: 3 4 8 ) . Beispielhaft fur die Heiligung der Fruchtbarkeit als unmittelbares Geschenk Gottes an sein auserwähltes Volk ist etwa D t 7 , 1 4 : „Benedictus eris inter omnes populos. Non erit apud te sterilis utriusque sexus tarn in hominibus quam in gregibus tuis." 1 7 8 Vgl. dazu auch Parpal y Marqués ( 1 8 9 8 : 3 3 7 - 3 4 4 ) , der in einer Zeit, als sich die staatliche Macht auch in Spanien von der kirchlichen Autorität zu emanzipieren droht, im Eingedenken an Thomas von Aquin den transzendentalen Sinn des Gehorsams gegenüber einem mit nahezu göttlichen Vollmachten ausgestatteten Herrn und Vater betont: „El deber de obediencia es elemento esencial y principal en toda sociedad; faltando él, la autoridad desaparece, la asocia-

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des corpus iuris civilis muss sich die Autorität des Herrn gegenüber den Sklaven bzw. des pater familias gegenüber den Familienangehörigen geradezu verfestigen und der Vatergestalt als erster juristischer Person eine Resonanz geben 179 , die dem Glauben der Gemeinde an einen heiligen Gesetzgeber, gütigen Regierer und gerechten Richter eine um so größere anschauliche Nähe verschafft. Diese zunächst recht allgemein gehaltene Aussage ist hinsichtlich der repressiven Wirkungen der patria potestas insofern zu relativieren, als dass das klassische römische Recht wahrscheinlich zu keiner Zeit in Spanien zur vollen und territorial einheitlichen Anwendung kommt (vgl. dazu Otero 1956: 210 bzw. Lalinde Abadía 1970: 632). Soweit sich letzteres aber seit dem Spätmittelalter und vor allem der Renaissance dem kodifizierten Rechtssystemen der europäischen Reiche und Stadtstaaten als primäres Referenzmodell anbietet, muss, wie Klaus Heitmann in seiner Untersuchung über den Vater in Gesellschaft und Literatur des ancien régime in Frankreich darlegt, im Zuge des Absolutismus von einer gravierenden rechtlichen Aufwertung der Vaterschaften ausgegangen werden 180 , von der auch die spanische Legislatur nicht ausción deja su vida normal por otra agitada y sangrienta, nacen las revoluciones y aparecen males sin fin. Existiendo la obediencia de los subditos á su señor, el principio de autoridad se robustece, la agrupación prospera y el cielo derrama sobre ella divinas bendiciones. C o n ser el soberano representante de Dios, el vasallo deja su instinto de rebeldía y repulsión i todo lo que envuelve sujeción, y doblegando su altiva frente, acata las órdenes dadas por aquél, que lejos de mandar por sí, lo hace en nombre del Ser Supremo, y si le desobedece, se subleva contra Dios 'ya quien resiste á la potestad resiste á lo ordenado por Dios', puesto que según las divinas enseñanzas de la Iglesia, por Dios los reyes, reinan [...]." Dass namentlich die Gehorsamspflicht eine außerordentlich politische Virulenz entfalten kann, wenn die Kirche, der göttlichen Hypostase am nächsten stehend, bevorzugte Rechte fur sich gegenüber der niederen des Staates reklamiert, liegt, im ausgehenden 19. Jahrhundert zumal, auf der H a n d . Dennoch wird hier unvermindert daran festgehalten, dass „la potestad de la Iglesia" für den Christen noch vor „un orden superior á la que tienen Reyes y Gobiernos" rangiere. 179 Dass im frühen Christentum Patriarchat und Geschwisterlichkeit dennoch durchaus miteinander rivalisieren, lässt sich aber auch belegen (Vgl. Faulstich/Grimm 1989: 31-37 bzw. H a m m a n 1985: 60-66). 180 Vgl. dazu Heitmann (1978, 2: 127-141). Wurde die Familie bis zum Spätmittelalter im Rahmen des germanischen und gallischen Gewohnheitsrecht (droit coutumier) als Wirtschaftsund Besitzgemeinschaft blutsverwandter Glieder angesehen, denen der Vater als Familienoberhaupt lediglich als Treuhänder vorstand, veränderte sich seine bisher beschränkte Rechtsstellung ('Puissance paternelle n ' a point lieu') schrittweise u n d in Abhängigkeit von regionalen Gegebenheiten mit dem zunehmenden von Italien ausgehenden Siegeszug des corpus iuris civilis. Als historische Gesamttendenz lässt sich eine außerordentliche Stärkung des Gatten gegenüber Frau und Kindern (patria potestas) belegen, die sich seit dem 16. Jahrhundert zu einer autoritären Familienstruktur verfestigt und in die historischen Konjunkturen eingebettet ist: Mit dem A u f k o m m e n von staatlichem Zentralismus und Absolutismus, verweist die MachtfuIIe des Familienvaters auf die Autorität des Königs und diese wiederum auf die Gottes (Gottesgnadentum). Das Oberhaupt, dem volle Verfügungsgewalt über den gesamten Besitz übertragen ist,

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geschlossen ist.18' Wenngleich die Stellung des Vaters in der christlichen Familie nicht mehr auf der Rechtsvollmacht des pater familias (einschließlich seiner Verfügungsrechte über Sohn und Ehefrau) beruht (vgl. Otero 1956: 213) und mit dem Sakrament der Ehe einen ausschließlich sittlichen Zweck unterliegen soll'82, macht sich der Einfluss des römischen Rechtes eben in dieser Frage besonders bemerkbar.'83 Im Sinne der Modellfunktion des Urbildes gegenüber dem Abbild verwandelt sich die patria potestas in ein o f f i c i u m , „porque ahora se trata de relaciones éticas que derivan de la misma generación, la función de la madre es elevada del ámbito moral al orden jurídico" (Otero 1956: 217). Dennoch übernehmen die Partidas des 13. Jahrhunderts mit der Terminologie auch die entsprechenden klassischen Bestimmungen Justinians, wobei sie diese sogar verschärfen, „añadiendo el derecho de vender a los hijos e, incluso, de matarlos en caso de necesidad total: la restauración de una forma arcaica de juridicción privada" (Rothe 1978: 133). 184 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Rechtsnorm, wie Rothe in einem anderen Zusammenhang anmerkt, nicht unbedingt mit der ungleichen sozialen und historischen Realität der spanischen Territorien übereinstimmen muss. Auch können sich die für die Entwicklung des Rechtsbewusstseins und der Rechtspflege entscheidenden Partidas erst allmählich durchzusetzen (Stein 1996: 112-113). Trotz dieser Bedenken darf angenommen werden, dass das von Theologen und Moralisten definierte Ideal der christlichen Familie wenigstens seit der Genimmt entsprechend dieser Rechtstradition ein primär funktional-personales Verhältnis zu seiner Familie ein. Nicht gefühlsmäßige Bindungen zwischen Vater und Kind stehen dabei im Vordergrund, sondern die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen nach außen. 181 Vgl. den eher konservativen Pons y Montéis (1876: 36), der die Ansicht vertritt „[que] facilísimo es convencerse de que si bien la patria potestad fué paulatinamente modificándose, no llegó jamás á separarse por completo de su casi despotismo, como acertadamente dijeron célebres jurisconsultos, así como nunca admitió de pleno las luces del derecho natural. Sin embargo, la mayor parte de los derechos que conferia el poder pátrio ha llegado hasta nuestros dias. En cambio rechazan las legislaciones modernas sus ¡Ilimitadas y señoriales facultades." 182 Vgl. de Toro (1993: 131-175) über die Rechtsstellung des pater familias in der römischen und christlichen Zeit, hier vorwiegend hinsichtlich der Ehebrecherin. 183 Die spanische Rechtsprechung entsteht aus einem Zusammenspiel römischen, kanonischen und germanischen Rechts. Während sich die römische Rechtstradition besonders in der kodifizierten Struktur des Rechtssystems niederschlägt, konzentrieren sich das germanische Gesetz und das Gewohnheitsrecht in der Praxis, die jedoch vom römischen Strafrecht nicht unbeeinflusst bleibt. Zur Bedeutung des römischen Rechts und vor allem der patria potestas in Spanien vgl. Otero (1956: 209-241), Lalinde Abadía (1970); Machado Carrillo (1977) sowie Stein (1996: 111-113). 184 Restauration ist hier als Wiederherstellung jener Privilegien zu verstehen, die der Vater im Zuge der Reconquista auf Grund längerer Abwesenheit vom häuslichen Herd eingebüßt hatte.

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genreformation wesentlich auf der beherrschenden Stellung des „varón razonable, pacífico, buen subdito" stützt. 185 Bereits dem gegen die Väterdespotien aufbegehrenden 19. Jahrhundert war zur Gewissheit geworden (vgl. Meiler 1978, 2: 62-77), dass sich aus der Rechtsgeschichte ein deutlich erkennbares Subjekt herausgeschält hatte „como legislador [que] prescribe á la familia reglas de conducta, premia las buenas acciones mejorando á sus hijos en vida ó á la muerte [...]" und „[como] juez [que] en tal concepto impone castigos, pudiendo desheredarles por justas causas, tacativamente previstas ó consignadas."'86 Viel wesentlicher als die Verbindlichkeit einzelner Rechtsverfugungen der patria potestas ist daher das Gottes- und Menschenbild, das über ihre juristische Bedeutung hinaus im Modellcharakter väterlicher Autorität nachhaltige Entwürfe familiären und gesellschaftlichen Zusammenlebens vermittelt, selbst dann noch, wenn einschneidende Gesetzesänderungen die bisherige Allmacht wie im ausgehenden 19. Jahrhundert in Spanien einschränken 187 : La autoridad paterna cobraba su legitimación y consagración superiores - tal como en la mayor parte de las sociedades paternalistas - a fuerza de una analogía con el rey y, más aún, con el padre-Dios. El predominio del principio paternal en el concepto que se tenía de Dios era a su vez el resultado de una conclusión analógica del orden social vigente proyectada hacia el ordenamiento del mundo (Rothe 1978: 133).

185 Varela (1983: 217). Vgl. dazu die Schrift des von ihr zitierten (1983: 176) G. Astete (Del gobierno de las familias y estado del matrimonio. Valladolid 1598, fols. 6-7). Danach habe sich der Familienvater gegenüber seinen Angehörigen zu verhalten „como el Rey con los de su reino porque así como el Rey ha diversos cargos y oficios a sus vasallos, y manda que éste haga este oficio y el otro el otro para que que su reino esté bien gobernado y vivan todos en paz, y ejecuten y guarden las pragmáticas que pone, así proporcionalmente el padre de familia en su casa ha de poner a sus hijos y criados en éste o en el otro oficio, y dar a uno una ocupación y a otro otra, para que ande su casa bien concertada, y estén todos en paz, y él sea obedecido." 186 Pons y Montéis (1876: 39). Vgl. auch Loyson (1877: 584-589), der eine Reform der Familie fordert, weil diese anders als bisher auf einer wirklichen Synthese zu beruhen hat, wie sie die Vaterschaft nicht mehr sein kann. 187 Vgl. Pons y Montéis (1876: 25-46), der selbst nach der weitreichenden Reform des Gesetzes über die Zivilehe von 1870 — dazu gehört u. a. die Stärkung der mütterlichen patria potestad (vgl. Salvá 1876: 650-652) - noch auf dem absoluten Vorbildcharakter des römischen Rechts und damit auf der Notwendigkeit der elterlichen bzw. väterlichen Aufsicht über die volljährig gewordene Nachkommenschaft beharrt: „Propusóse nuestro derecho civil el perfeccionamiento y regeneración de las costumbres públicas, conservando al propio tiempo la legítima autoridad de los padres, sin la cual no es posible la existencia de la familia. Si de ella se prescindiera, serian infructuosas las afecciones paternales, en vano se lucharía para dirijir la conducta de los hijos, con objeto de hacerles virtuosos é inspirarles obediencia á las leyes. [...] Así, pues, cuando los hijos se disponen á formar una familia aparte [...], entonces necesitan más que nunca de la mediación de los padres, para no verse arrastrados por las pasiones [...]."

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Den mit großen Vollmachten ausgestatteten irdischen Vaterschaften gewährt der bomo caelestis so eine metaphysische Überhöhung, die diese ihm wiederum mit einer reichen Ökonomie an bildnerischen Formen zurückgeben. So treten mächtige Namen einer wandelbaren Welt in die sprachliche Leere des intelligiblen Einen, welche die historischen Veränderungen indes mit der Präsenz eines allzeit wiederkehrenden und mit dem Sohn vereinten Allvaters, „the King of Glory", auszugleichen scheinen (Kantorowicz 1985: 61). Mit Erstaunen stellt Foucault im Rahmen seiner Untersuchungen über das Sexualitätsdispositiv fest, [que] malgré les différences d'époques et d'objectifs, la représentation du pouvoir est restée hantée par la monarchie, [...] une forme historique bien particulière à nos sociétés: la monarchie juridique. Bien particulière et malgré tout transitoire (Foucault 1976: 118).

Die Antwort auf seine Frage, warum das Problem der Gesetze, der Gewalt und der Gesetzwidrigkeit, der Freiheit und Unfreiheit in der Theorie der Macht eine so beherrschende Rolle spielt, könnte vielleicht in der Verknüpfung von Transzendenz und Recht liegen, die in der Gestalt des Vaters metaphorische Wirkung erlangt. Weniger in der Theorie der Souveränität seit Bodin, die nur auf jenen zutrifft, „der die legitimierte Fähigkeit besitzt, das geltende Recht durchsetzen, ohne dabei den inneren oder äußeren Frieden zu gefährden" (Barudio 1994: 333), als vielmehr in der Ikonographie des 'Vaters' vereinen sich die Vorstellungen von einem Fetisch der absoluten Entscheidung. Die Gestalt des Vaters könne man daher nicht, wie Ricoeur am Ende seiner Studie über Freud hervorhebt, von der mythisch-poetischen Funktion trennen, in die sie eingeschlossen sei (Ricoeur 1966: 520). Seine größere Eindringlichkeit gegenüber der Mutter beruhe nicht primär auf der Rolle des Erzeugers, die er mit der Mutter teile. Als „source d'institution" sei er vielmehr der Inbegriff einer geordneten und gerechten Transzendenz (Ricoeur 1966: 520), was sich schon im Vaterunser mit der Verschmelzung von Himmels- und Vatersymbolik zeigt. Auch noch im ausgehenden 19. Jahrhundert, als man kaum noch auf eindrucksvolle künstlerische oder literarische Darstellungen jenes homo caelestis trifft, finden sich noch Spuren dieser Ikonographie. Ein hymnisches Gedicht, wie es in dieser Art seinerzeit nicht eben selten katholische Zeitschriften schmückt, erinnert mit seiner abgesunkenen Bildkraft noch daran, dass das eigentliche Akt- und Sinnzentrum der Trinität der ersten Instanz gebührt, die augenfällig mit dem Ersten Beweger der Aristotelischen Metaphysik korres-

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pondiert. 188 Ein stimmiges und geschlossenes Gottesbild als Projektion des menschlichen, entsteht im Ansprechen dessen, der sich als Vater der zahlreichen signa erweist. In der Metaphorik des dreifaltigen Gottes treten so einprägsam die Konturen jenes omnipotenten Patriarchen hervor, der die kaum ausgemalten Attribute des Sohnes und des Heiligen Geistes („tu amante providencia") ganz in den Bann der eigenen Deixis zieht: So werden die Machtvollkommenheit des trinitarischen Namens und dessen starke optische und akustische Zeichen alsbald auf die Repräsentationen eines „Señor de los Ejércitos" übertragen. Sein „brazo paternal" als Merkmal des schaffenden und gestaltenden Lebens gewährt dem Sprechenden Schutz, ist er es doch, der alles über die ihm trotzenden Zeichen vermag und seine Feinde in Abgründe stürzt. Nicht die Macht des barmherzigen Gottes oder gar die Bewusstlosigkeit des gekreuzigten Erlösers finden sich in der Lobpreisung wieder, sondern die Souveränität eines Gottes, dessen Insignien sich in der Herrschaft absolutistischer Monarchen abbilden („la hermosura del celestial palacio"), um sie dennoch bei weitem an Herrlichkeit zu übersteigen (vgl. Otto 1991: 38-41). Künstlerische Vorbilder hat diese im ausgehenden 19. Jahrhundert automatisierte Ikonographie des göttlichen Vaters in solcher Mannigfaltigkeit hervorgebracht, dass man sich hier auf die Entwicklung der Darstellungen selbst konzentrieren kann, die von originär sinnbildlichen in der frühchristlichen Zeit (die herabgestreckte Hand, das sehende Auge) zu menschenähnlichen Darstellungen übergeht (vgl. Schubring 1909: 1-2). Gestalthaften und damit 18« Vgl. HO (22. Mai 1891: 224). Dieses Poem zeichnet sich weder auf Grund seiner Ästhetik noch des sich in ihm konstituierenden Sinngehalts als ungewöhnlich aus. Da es aber gängige Allmachtsvorstellungen eines Gottes in der Pose des absoluten Herrschers auf überzeugende Weise konkretisiert und solcherart auch als spätere Referenz von Bedeutung ist, sei es hier in voller Länge wiedergegeben: „Se apaga entre las nubes/ relámpago luciente/ al nombre omnipotente/ de excelsa Trinidad,/ y el trueno pavoroso/ que á su fulgor responde,/ su ronco són esconde/ allá en la inmensidad.// Señor de los Ejércitos,// tu nombre es mi contento/ cuando en el aire siento/ rugir la tempestad./ Invócole, y sin miedo/ mi corazon aguarda/ porque mi vida/ guarda tu brazo paternal.// Que cuanto existe, todo/ á Tí rindió su brío,/ y ¿quién tu poderío/ impune resistió?/ Luzbel lo quiso un dia/ y en el instante mismo/ en el profundo abismo/ tu diestra le humilló.// Arranca tu mirada/ los montes de su asiento/ retiembla el firmamento/ al eco de tu voz./ A tu poder, Dios mió,/ natura se estremece.../ mas luego se embellece/ si miras con amor.// El sol perenne brilla/ del Eter suspendido/ cual átomo perdido/ de tu infinita luz,/ y cruza la alta esfera/ siguiendo de continuo/ el inmortal camino/ que le trazaste Tú.// Quisiste; y á millares/ bordaron las estrellas de luminosas/ huellas tu pabellón azul,/ y ostentan la hermosura/ del celestial palacio/ luciendo en el espacio/ por sola tu virtud.// Tu dedo soberano/ con límites de arena/ la cólera encadena/ del espumoso mar/ ¡No pares!...le dijiste,/ y él, si rugiente viene/ allí el furor detiene/ temiéndose llegar.// Por Tí los seres todos/ brotaron de la nada;/ si quieres, tu mirada/ los vuelve á aniquilar:/ de tu bondad esperan/ su frágil existencia:/ tu amante providencia/ la vida y sér les da.// ¡Oh Trinidad augusta,/ Dios poderoso y fuerte!/ yo quiero hasta la muerte/ tu nombre bendecir./ Permite que humillado/ mi corazon te ofrezca/ y que reinar merezca/ por siempre junto á Tí."

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individuellen Ausdruck erhält somit auch die Beziehung von Gottvater und Gottsohn, die wiederum das Verhältnis der Menschen zu Gott selbst wie auf einer Bühne vergegenständlicht. Denn indem ein im Grunde unsichtbares Prinzip Gestalt annimmt, muss sich diese um so stärker gegenüber der des Sohnes definieren und andersartige Züge annehmen: Anders als im Fresco von Andrea del Sarto, das den dreieinigen Gott in drei jungen Männern verkörpert, muss der Vater als ein solcher erkennbar sein (vgl. NCE 1981, 14: 298).189 Während Gottvater zu Beginn des 12. Jahrhunderts „noch mit den Mienen Christi, den am Kreuz hängenden Sohn vor sich hinhält [und] die Taube beide verbindet", muss seine Jugend, wie von Steinen bemerkt, „der menschlichen Betrachtung der Dinge" weichen und zum Greis werden (von den Steinen 1965: 163). Das Zusammenspiel von Transzendenz, Gesetz und Macht findet somit seine Bestätigung in biblischen Andeutungen vom „Alten der Tage" und „Herrn des Himmels" (vgl. Dan 7,9f), die ihrem Äußeren nach Kaiser und Papst sehr nahe kommen (vgl. Heinz-Mohr 1984: 118 bzw. LCI 1994, 2: 165). Augenfällige Beachtung wird dem trinitarischen Verhältnis von Vater und Sohn in der spanischen, flämischen, italienischen und deutschen Sakralkunst der Renaissance und des Barock zuteil, die im Spanien des 19. Jahrhunderts gerade für das Gottesbild und für die religiösen Einbildungsstrukturen noch eine bleibende formbildende Faszination ausübt.190 Wie Peter Bly im Anschluss an seine Arbeit über die darstellenden Künste in Texten von Perez Galdós zusammengetragen hat, begegnet man hier neben zahlreichen weiteren dieser Epochen auch die Namen von El Greco, Masaccio, Michelangelo, Raffael, José de Ribera, Tizian, Van Eyck (Bly 1986: 227-230), die den homo caelestis ausnahmslos in der Gestalt des Demiurgen oder in der ersten Person Gottes nachbilden. Nimmt man zunächst Bezug auf die Einzeldarstellungen des Vaters19', ist der Sachwalter des Rechts zwar nur implizit, aber als Weltenerhalter doch hinreichend genug präsent, so etwa im berühmten Tafel189 Wie groß die Unsicherheit der Kirche in Bezug auf die bildliche Wiedergabe der Trinität war, zeigt sich in der Darstellung von drei einander ähnlichen Männern (Engel). Sie wurde als ketzerischer Verstoß gegen den Monotheismus und die Eigenheit der trinitarischen Personen e m p f u n d e n und im XIV. Jahrhundert ebenso verboten wie ihre Metaphorisierung in einer Gestalt mit drei Köpfen.

Gemessen an den Marien- und Christusdarstellungen tritt die Trinität als Gegenstand der Kunst allerdings ebenso deutlich in der Hintergrund wie Gottvater (vgl. Burke 1984: 152-153). Vgl. LCI (1994, 2: 169). Es wären freilich überdies eine Fülle von Bildern zu nennen, welche den Gesetzgeber eindringlich hervorheben, wie etwa jener Jahwe, dem Moses im brennenden Dornbusch in Gestalt eines Greises erscheint, u m diesem auf dem Sinai die Gesetzestafeln zu übergeben (1519, Loggien).

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bild vom Genter Altar des flämischen Malers Jan van Eyck (1432), das man bei allen Unsicherheiten an der intendierten Ausgestaltung, wie Hegel schreibt, „dem olympischen Jupiter an die Seite stellen kann, [...] wie vollendet es auch durch den Ausdruck der ewigen Ruhe, Hoheit, Macht, Würde usf. sein mag" (Hegel 1976, 2: 196). Einen neuen Typus von Gottvater begegnet man in der von RafFael illustrierten Vision des Ezechiel (1518), die ihn als kraftvollen Greis zeigt, wie er von ebenso starken Tieren getragen (Löwe, Stier und Adler), über den Wolken thront (vgl. Wundram 1996: 52-53). Beweger, der die Gestirne entstehen Als erster gleichsam sich selbstbewegender lässt und vor allem aber dem bereits „vollendeten Leib [des aber noch passiven Menschen] eine Seele einhaucht", stellt sich das Detailfresko in der sixtinischen Kapelle über die Erschaffung Adams dar, mit dem Michelangelo, wie William E. Wallace zurecht kommentiert, „gottgleich das Bild des Gottes der abendländischen Christenheit schuf' (Wallace 1999: 153). Anzumerken bleibt hier die spätere Kritik Nietzsches, der Michelangelo vorwarf, „seinem Gotte die Güte und Gerechtigkeit" genommen zu haben, um diesen in „einen Gott des Schreckens und der Rache" zu transformieren und ihn damit logisch zu machen (Nietzsche 1999, 9: 318). Kaum noch so elementar erscheint der Vater beim Opfertod Christi, wenn er das Kruzifix wie im Trinitätsfresko von Masacio (1425/26) vor sich hält und dabei aus der Perspektive des Betrachters eine Distanz zu seinem Sohn schafft, die nach der seinerzeit wiederentdeckten Technik der Linearperspektive gestaltet wurde (Walther 1999: 93 bzw. Volponi 1981: Tafel 27 bzw. 97-99). Im Gegensatz zu diesen und anderen italienischen Darstellungen der Trinität in der Früh- und Hochrenaissance 192 zeichnen die Bilder des José de Ribera (1588-1556) des El Greco (1541-1614) einen Gottvater, der in seiner väterlichen Funktion noch markanter gestaltet und modelliert wird. Während die Züge beider Figuren im Bild von Ribera (1635) eine starke Humanisierung erfahren, stiftet die dritte Person im Zeichen der Taube Liebe und Versöhnung. Für den Betrachter wird die leidende Hingabe des Sohnes (Ecce-Homo) ebenso erkennbar wie die zurückhaltende Pose des Vaters (Prado 1995: 93-94). Gerade in der spanischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts ist der Sohn als Schmerzensmann oder als Gekreuzigter mit den blutüberströmten Wunden zu sehen, so etwa bei Diego Veläzquez (1599-1660)

192 Vgl. etwa das Triptychon des Sieneser Meisters Beccafumi von 1513 (Briganti 1977: Tafel 4-5 bzw.86), in dem der unnahbare Vater eine überaus große Ähnlichkeit mit Jahwe aufweist. Auf einem Thron sitzend, präsentiert er dem Betrachter seinen gekreuzigten Sohn, als wollte er mit Nachdruck darauf aufmerksam machen, dass der Opfertod zwar fiir diesen, aber auf Grund seiner Anweisung erfolgt ist.

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(1632, ebd.: 107-108), Antonio de Pereda (1599-1666) (1641, ebd.: 128-129) oder Luís de Morales (ca. 1520-1586) (im Nachlass, ebd.: 60-61). Hat man diese Darstellungen im Blick, muss der Sohn notwendigerweise mit der gedämpften Trauer des Vaters kontrastieren, wie im genannten Bild von de Ribera, in dem der tote Christus Aufnahme bei seinem himmlischen Vater findet: Selbst in seiner anthropomorphen Erscheinung ist Gottvater, der die Erde nicht als Gestalt betreten hat und nur über erborgte Referenzen zur Anschauung gekommen ist, in der Darstellung als transzendente Figur ausgebildet. Nicht auf seinen Gesichtszügen sind die Qualen der Kreatur abzulesen. Nicht sein Körper ist geschunden und gedemütigt. Nicht auf seinem ihn umhüllenden Mantel der Welt zeichnen sich die Spuren des Mordes ab. Was aus dieser Sicht eher in den Vordergrund drängt, ist nicht das Opferblut Jesu, das in der Kolorierung des Gewandes allegorisiert wird und die Körperlichkeit des Vaters in erhabener Pose sublimiert.'93 Vielmehr ist das Rot hier Sinnbild höchster Macht, das bereits im Römischen Reich die Generäle, die Patrizier und den Imperator geschmückt hatte, um nun die Kardinalsrobe mit seiner Farbgebung zu versehen (Heinz-Mohr 1984: 100). Zugleich sind in diesem Farbton schon die Gefahren angedeutet, die sich aus dem hemmungslosen Ausbruch der Affekte ergeben und den Vater, „a la mesa como un Rey entre su ejército, como un Sol entre las estrellas, como un Pastor entre las ovejas, como Cristo entre los discípulos" (zit. nach Varela 1983: 209), so der Jesuit Gaspar Astete (1537-1601) in einem Traktat aus dem Jahre 1592, dazu nötigen, sich Fassung und Gelassenheit aufzuerlegen. Widerhall findet eine solch exemplarische Pose in der fünf Jahre später erschienenen Abhandlung von Saavedra Fajardo, um nur ein Werk zu zitieren, das die Ontotheologie in der Gestalt des väterlichen Fürsten wiederholt und sie damit ftir den staatspolitischen Diskurs reklamiert. Der ideale Herrscher, so der Diplomat, habe sich in Selbstbeherrschung zu üben und sich im Beisein seiner Untertanen angemessen zu verhalten, „procurando que en sus acciones no se gobierna por sus afectos sino por la razón de estado" (Saavedra Fajardo 1976, 1: 120-121). Der öffentliche Ausdruck einer zu hemmungslosen Trauer könnte die Physiognomie des Familien- wie des Staatenlenkers verzerren, erst recht, wenn es sich wie im vorliegenden Bild um eine Gestalt handelt, die mehr die Idee der prima causa zu repräsentieren hat, als dass sie ganz Vater sein könnte.

193 Gerade vor dem Hintergrund von Leidenschaften, wie sie sich nach Gurméndez (1985: 240-245) in der väterlichen Liebe als „absorbente, dominante y única" für den Sohn kundtun, stellen sich die so abgebildeten göttlichen Väter, wenn überhaupt, nur gebrochen dar. In dieser Hinsicht sind sie also alles andere als 'absolut'.

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Ihr ergeht es wie dem irdischen Fürsten, der nach Saavedra Fajardo eher „una idea de gobernador" sei als ein gewöhnlicher Mensch (ebd.). Diese Aussage, dass die Gestalt nur ein Prinzip darstelle, das sich über alle körperlichen Akzidenzen zu erheben habe, impliziert die weiter oben aufgeworfene Frage nach der Darstellbarkeit des Absoluten. Sobald die Vaterschaften, die sich in „la razón del jefe de familia, del confesor y del príncipe" verdichten (Varela 1983: 192), ihre gegenseitigen Verflechtungen lösen und damit ihre Festigkeit einbüßen, werden mit dem Gedanken an die Unbegreiflichkeit des Göttlichen auch die beschriebenen Einbildungsstrukturen brüchig. Johann Gottlieb Fichtes Bemerkung gegenüber seinen Anklägern im Atheismusstreit von 1799, „dass sobald man Gott zum Objekte eines Begriffes macht, er eben daher aufhört, Gott, d. h. unendlich zu sein und in Schranken eingeschlossen wird" (Vgl. dazu den Artikel „Nichtgegenständlichkeit Gottes" in: H W P 1971, 6: 803-805), muss daher um so mehr für ein Wesen gelten, das in seiner Vergegenständlichung als Familien- oder Staatsoberhaupt an jene ins Kunstwerk gesetzten rechtlich und moraltheologisch definierten Grenzen stößt. Es ist wiederum Hegel, der in der Unangemessenheit des anthropomorphen Darstellungsmodus den Charakter Gottvaters herausarbeitet und dabei erkennt, dass Gott sich hier selbst „in seinem erscheinungslosen Wesen" verberge. Wie später Pérez Galdós zeigt er sich auf Grund naheliegender ikonographischer Ähnlichkeiten wenig von entsprechenden Ergebnissen in der Malerei überzeugt, da sich „der Vater der Götter und Menschen als besonderes Individuum in der Kunst in Zeus erschöpft" (Hegel 1976, 2: 196) habe. Das Geistige, das Saavedra Fajardo noch im Prinzip des Herrschens erfassen wollte, könne im Kunstwerk aber nur im Individuum Ausdruck erlangen. Im Gegensatz zu Christus, in dem man das Moment menschlicher Individualität in seinem göttlichen zugleich erschaue und die Mythologie überwinde, 194 könne Gottvater als „geistige Persönlichkeit und höchste Macht, Weisheit usf. nur „gestaltlos und als eine Abstraktion des Gedankens festgehalten [werden]" (ebd.): D i e Malerei aber kann die A n t h r o p o m o r p h i s i e r u n g nicht vermeiden u n d m u s s i h m deshalb eine menschliche Gestalt zuteilen. W i e allgemein nun, wie hoch, in-

1 , 4 Vgl. Hegel (1976, 2: 196). Folgt man Hegel, so findet sich die weiter oben skizzierte Annahme bestätigt, dass sich eben allein in den Affekten das Menschsein offenbart, was ein Geisteswesen wie Gottvater zwangsläufig ausnehmen muss: „Das wesentlichere Objekt der Liebe wird daher in den Darstellungen der Malerei Christus sein. Mit diesem Gegenstande nämlich tritt die Kunst zugleich ins Menschliche hinüber, das sich hier außer Christus noch zu einem weiteren Kreise ausbreitet, zur Darstellung der Maria, des Joseph, Johannes, der Jünger usf. sowie endlich des Volkes, das teils dem Heiland folgt, teils seine Kreuzigung verlangt und ihn in seinen Leiden verhöhnt."

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nerlich und machtvoll sie dieselbe auch halten möge, so wird daraus dennoch nur ein männliches, mehr oder weniger ernstes Individuum entstehen, das mit der Vorstellung von Gottvater nicht vollständig zusammenfällt (ebd.).

Dieses Unvermögen in der Darstellung der ersten göttlichen Person kommt bereits in der spanischen Malerei und vor allem der Plastik zum Ausdruck, die während des 17. und zum großen Teil noch während des 18. Jahrhunderts vorrangig sakrale Kunst ist. Dass das nach sichtbaren und darstellbaren Größen geordnete Seiende wird ganz auf seine Anschaulichkeit in Gottes Sohn ausgerichtet. Ihre Themen und Motive bezieht die Kunst vornehmlich aus dem N T , so dass die Passio Christi ins Zentrum ihrer Darstellung rückt (vgl dazu auch Barrai i Altet (1997: 328-332). Auch der Abbildung der göttlichen in der menschlichen Familie kommt etwa in La Sagrada Familia del pajarito (um 1650; Madrid, Museo del Prado) von Bartolomé Esteban Murillo (1618-1682) emblematische Bedeutung zu. Sofern Szenen aus dem A T als Motive in Frage kommen, so werden sie stets in Bezug zum N T gestellt und damit als Vorausdeutung der Ankunft und des Leidens Christi auf Erden interpretiert. So hat der eine Gott als väterliche Gestalt oder persönlicher Schöpfer der Welt seit der Aufklärung und der Moderne kaum mehr eine Wirkung in der künstlerischen Darstellung erfahren. Der einige Gott erweist sich daher als „ein Wort bloß, ein mühsam konstruiertes Wort, ohne Bild, seinen Inhalt darzustellen." (vgl. Mauthner 1923, 2: 5). Nur allzu leicht will diese Abstraktion vergessen machen, dass die heidnischen Götter nach dem Bilde des Menschen gedacht und so „wenigstens Bilder einer reichen, jungen, schönen Phantasie [waren]" (ebd.). Künstlerische Versuche, Gottvater dennoch eine Bildhaftigkeit abzuringen, führen letztlich zu heidnischen Mythen zurück, die auch in Spanien auf kulturgeschichtliches Interesse stoßen. Deren Formenreichtum weist im Zuge ihrer poetischen Ausgestaltung noch akzidentielle Momente auf, die nach einem langandauernden Ubergang vom amorphen Chaos zum gestalthaften Sein der Offenbarungsreligion überwunden wurden. So sind spanische Studien über die Mythologien der Antike von der prinzipiellen Unterlegenheit der „supersticiosa religión de los griegos" gegenüber den Glaubensvorstellungen der modernen Völker überzeugt, „[que] se ocupan de Dios, se elevan hasta el cielo, y con las alas de la oración remontan su vuelo á mundos mejores, donde todo es grandeza, y de donde sólo bien y misericordia puede esperarse" (Pando y Valle 1877: 495). Es sei schwerverständlich, so ein Artikel in der Revista Europea, dass die Griechen in den Wissenschaften, der Literatur und den Künsten zu solchen Fortschritten fähig gewesen wären, während es ihre Religion doch an jeglichem Sinn zur Voll-

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endung vermissen ließ. Vergebens suche man nach einer festen und genauen Idee über Gott, dem höchsten Schöpfer des Universums, „que con su poderosa vista todo lo percibe y vela, y que con su mano omnipotente todo lo gobierno" (Pando y Valle 1877: 495). Die überragende, aber dennoch relative Souveränität jenes Zeus bestätigt nur die Vielgötterei des Mythos, dessen „Gliederung weder auf eine strenge Einheit verpflichtet noch aus einem Prinzip abgeleitet [ist]" (Angehrn 1996: 209). Was als Inspiration der Poesie, deren Schönheit nicht mit der Vernunft übereinstimmte, wohl angestanden haben mag, habe nur die übelsten Leidenschaften der Menschen auf die Gottheiten übertragen: Una constante personificación de las cosas y de las ideas espirituales, una directa intervención en los más hondos y sublimes misterios, una obediencia ciega á los oráculos de fantástica imaginación, y un ardor creciente por el conocimiento de Dios; no podia menos de engendrar poetas y cantores de arrebatada inspiración y acentos sublimes, donde descuellan imágenes arrogantes [...] (Pando y Valle 1877: 505).

Die Selbstoffenbarung des Absoluten, die sich nach diesen Vorstellungen im Aufstieg von den Naturreligionen bis zum Christentum und seinen verschiedenen Gestaltungen vollzieht, spannt einen Bogen „vom dunklen Urwillen bis zum Geiste der Vernunft und der Liebe" (Windelband 1912: 520). Doch eben diese Geschichte macht bewusst, dass sich die Einheit der göttlichen Allmacht und die allmähliche Beherrschung der Naturgewalten bedingen. Selbst eine Polemik in der Revista Europea gegen den modernen Atheismus vermag nicht gänzlich die Erinnerung an jene Gottheiten zu verdrängen, welche Gesetzgeber einst erfanden, „para dar autoridad á sus leyes, porque algunos hayan dicho que eran inspirados por genios superiores" (Alcalde Prieto 1878: 262). Trefflich ließe sich daraus folgern, dass jede Hierarchie allemal ihre Götter haben müsse, die sich der Einbildungskraft plastischer und eindringlicher darstellten als „la causa primera del mundo, eterna, necesaria, infinita y esencialmente una [que] no puede ser material ó física, porque entonces ese sér, siendo corporal é infinito, excluía la existencia de todo otro ser" (Alcalde Prieto 1878: 261). Diese Stufen hat Gottvater allesamt durchlaufen: Von den frühen Gottheiten, denen noch die Schlacke der Natur anhaftet, hat er seinen Weg in sublime Abstraktionen gefunden, wie sie kaum einer auf Gestaltung und Gestaltbarkeit bedachten Sakralkunst gerecht werden könnte. Heinrich Heine, von Valera (1949, 2: 1237) als einen der größten deutschen Dichter geschätzt und zugleich von diesem auch wegen seiner „burlas impías" wie seines „sarcasmo más que volteriano" gescholten, hatte bereits 1834 in seiner Geschichte

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der Philosophie und Religion in Deutschland das Ableben des alten Jehova vorausgesagt, das spätestens dann eintreten wird, wenn „der Gottvater- und Vorsehungsglaube in den Erschütterungen und dem Ausgang des 1. Weltkrieges [zerbricht]" (RGG 1956, 4: 354). Sein Aufstieg „von seiner Wiege an, in Ägypten, als er unter göttlichen Kälbern, Krokodilen, heiligen Zwiebeln, Ibissen und Katzen erzogen wurde", seine spätere Vertrautheit mit der assyrisch-babylonischen Zivilisation, die ihn lehrte, „seine allzu menschlichen Leidenschaften" abzulegen, seine Bürgerschaft in der Hauptstadt des römischen Imperiums, „wo er aller Nationalvorurteile entsagte und die himmlische Gleichheit aller Völker proklamierte und mit solchen schönen Phrasen gegen den alten Jupiter Opposition bildete [...], bis er zur Herrschaft gelangte und vom Kapitole herab die Stadt und die Welt, urbem et orbem, regierte", seine Vergeistigung als „liebevoller Vater [...], allgemeiner Menschenfreund, Weltbeglücker, Philanthrop" waren Stationen einer Kulturgeschichte, die sich schließlich dieses schönen harmonischen Bildes entledigen sollte (Heine 1981,5: 255-256).

4 . 2 D I E T R E N N U N G VON VATER UND S O H N

Solche letzten Konsequenzen, wie die Auflösung der auf väterlicher Gewalt beruhenden Familie, hat Donoso immer im Auge, weil er sieht, dass mit dem Theologischen das Moralische, mit dem Moralischen die politische Idee verschwindet und jede moralische und politische Entscheidung paralysiert wird in einem paradiesischen Diesseits unmittelbaren, natürlichen Lebens und problemloser 'Leib'haftigkeit. Carl Schmitt (1990: 82)

4 . 2 . 1 M E T A P H Y S I S C H E E N T W Ü R F E DES 1 9 . J A H R H U N D E R T S IN S P A N I E N ZUR R E T T U N G DES G Ö T T L I C H E N Z E I C H E N S

Wenn sich der einige Gott nicht mehr auf angemessene Weise abbilden kann, ist auch die Möglichkeit ausgeschlossen, ihn sich in seiner Eigenschaft als Vater gegenüber seinem Sohn überhaupt noch sinnlich vorzustellen. Der innere Zwang der Kunst, das Absolute als menschenähnliches Wesen darzustellen, privilegiert mit der Leidensgeschichte Jesu zumindest auf der Ebene der künstlerischen Darstellung das menschliche Leiden und damit die Ohnmacht Gottes (vgl. Lang/McDannell 1990: 366). Indem die Bilder des homo caelestis seit dem 17. Jahrhundert kontinuierlich hinter denen des Sohnes zurückgehen (LCI 1994, 2: 169 und bei William Blake im Zeichen „der Rebellion [...] gegen den metaphorischen Vater, den 'jovialen' des antikischen wie den

256

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

eifersüchtigen'des jüdisch-christlichen Bildprogramms"195 sogar zur „Gestalt des Bösen als Schöpfer der materiellen Welt" mutieren (1794) (KML 1976, 1: 361), verstummt auch dessen Allmacht in den Symbolen der Religion. Das Diktum Nietzsches, wonach der Glaube an Autoritäten als Quelle des Gewissens nicht mit der Stimme Gottes in der Brust des Menschen zu verwechseln sei, sondern die Stimme einiger Menschen im Menschen evident mache (Nietzsche 1999, 2: 576), indiziert die allmähliche Destruktion des götdichen Aktzentrums, das dem Sohn in der unauflöslichen Bindung zum Vater zu seiner Transzendenz verhilft. Damit wird sich auch der Dualismus von gestaltender Ordnung und gestaltlosem Chaos verwirren196, der das Verhältnis von 'Gut' und 'Böse' zu substantialistischen Kategorien erhoben hatte, um diesen eine kanonische Geltung zuzuweisen.197 Das allmähliche Verblassen des himmlischen Vaters ist daher mehr als nur ein motivgeschichtliches Aperçu aus den darstellenden Künsten: Mit dem Schwinden einer auctoritas, die von einem souveränen göttlichen Willen erfüllt ist, markiert es die Zerstreuung des Göttlichen selbst. Eine Metaphorik aus den Confessiones des Augustinus besagt, dass die innere Ausdehnung (distentio) neben ihrer zeitlichen oder räumlichen Dimension auch einen ethischen Hintersinn hat, der sie gegenüber der intentio als einheitliche Lebensweise herabstuft. Während distentio nämlich die der Welt zugewandten Konnotationen wie 'Zerdehnung', 'Zerstreuung' oder 'Auflösung' enthält, die den Menschen in Zeiten aufsplittern, wird der monotheistische Gott stets mit den Bildern der 'Sammlung', 'Bündelung' oder 'Konzentration' gedacht. Steht die Metapher von der 'Zer-

195 Melier (1978, 2: 63). Nachgerade als Spottgedicht auf die Nichtgegenständlichkeit und Nichtdarstellbarkeit des Vatergottes erweist sich William Blakes (1757-1827) bekanntes Gedicht To Nobodaddy (ein Kontraktion von 'nobody's daddy ), in dem sich das hoffhungsfrohe Bewußtsein seines Endes mitteilt: „Why art silent & invisible/ Father of Jealousy/ Why dost thou hide thyself in clouds/ From every searching Eye.// Why darkness & obscurity/ In all thy words & laws/ That none dare eat the fruit but from/ The wily serpents jaws/ Or is it because Secrecy/ gains females loud applause" (zit. nach: Bloom/Trilling 1973: 60). 1.6 Dass das Chaos im Subjekt steckt und sich somit eine trennscharfe Scheidung von wahrem und falschem Sein von selbst verbietet, ist ebenso zur Gewissheit geworden wie die Einsicht, dass sich im Chaos ein weiter schöpferischer Raum ausdehnt, der noch nicht von festen Linien durchzogen ist. Vgl. Nietzsche (1999, 4: 19): „Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch." 1.7

Das göttliche Verbot in der Genesis bringt erstmalig den Gesetzgeber ins Spiel, „der seinem Willen Nachdruck verlieh, indem er ihm erwünschtes Verhalten quasi mit einem Pluszeichen, unerwünschtes hingegen mit einem Minuszeichen versah" (Pieper 1997: 91). Vgl. auch Nietzsche (1999, 3: 517): „Aus dem Paradiese. - 'Gut und Böse sind die Vorurteile Gottes' sagte die Schlange."

Der Zerfall des göttlichen Zeichens

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Streuung ins Viele' für Gottesferne' 98 , so deutet diese im Selbstbezug Gottes auf ein höchstes Wesen, das in seiner Gespaltenheit dem von Groethuysen beschriebenen être suprême des französischen Bürgertums im ausgehenden 18. Jahrhundert verdächtig nahe kommt. 1 9 9 Umgekehrt hieße dies aber, dass der ontotheologischen Dichte des Numinosen die Gemeinschaft von Vater und Sohn, das Emblem der Ebenbilder von Gott und Mensch, innewohnen muss. Vor dem Hintergrund sich auflösender theozentrischer Strukturen entstehen mit dem Ensayo sobre el catolicismo, el liberalismo y el socialismo von Donoso Cortés (1851) und El ideal de la Humanidad

para la vida von Krause/

Sanz del Río ( 1860) zwei für Spanien richtungsweisende metaphysische Entwürfe, welche den göttlichen Subjektkern unter Beibehaltung der Ebenbildlichkeit mit theozentrischer bzw. anthropozentrischer Zielsetzung reformulieren. Beide enthalten eine jeweils klar ausgearbeitete Theologie 200 , obwohl ihre Autoren keine Theologen sind. Während der Ensayo als „el único libro español que influyó en la contrarrevolución europea" gilt (García-Villoslada 1979, 5: 509), das bereits unmittelbar nach seinem Erscheinen mit außergewöhnlichem Interesse rezipiert wurde und wahrscheinlich zu den wenigen spanischen Texten der politischen Weltliteratur gehört (Dempf 1961: 235), ist der zweite Entwurf nicht so sehr, wie zu bedenken ist, eine die Gesellschaft beherrschende Doktrin,

1 9 8 Vgl. Augustinus ( 1 9 8 7 : 6 6 4 - 6 6 6 , Buch XI 2 9 , 3 0 ) : „Nunc vero 'anni mei in genmitibus', et tu solacium raeum, domine, pater meus aeternus es; at ego in témpora dissolui, quorum ordinem nescio, et tumultuosis varietatibus dilaniantur cogitationes meae, donec in te confluam purgatus et liquidus igne amoris tui."

" ' ' V g l . Groethuysen ( 1 9 7 8 , 1: 8 8 ) . G o t t sei nunmehr ein Wesen, das in seiner Schwäche dem Glauben seiner Getreuen ähnele und in dieser Hinsicht „besser [mit den] weltlichen Vorstellungs- und Gefiihlsweisen" übereinstimmen und damit „dem menschlichen Empfinden näher gerückt" sei. Mit der Verdrängung der Wunderwelt, welche ja dem Inventar der auf Gott bezogenen Zeichen entspricht, wandeln sich auch die Imagologien, so dass „von einem neuen Glauben" gesprochen werden kann. Besonders in seiner väterlich-demiurgischen Instanz wird G o t t zusehends zu einem der Lebenspraxis des Gläubigen entfremdeten und abstrakten Prinzip, das, wie wir oben ausführten, seiner irdischen Projektionen beraubt wird: „Für diesen G o t t empfand er [der Bürger] dann meistens nur noch eine Art sentimentaler Bewunderung. Er mag ihm eine gewisse Dankbarkeit bezeugen; aber er furchtet ihn nicht mehr, weiß nichts mehr von den Angstgefühlen, noch von all den Erlebnissen, in denen der Gläubige Gott auf sich bezog und die in dem Heilserlebnis ihre letzte Vollendung fanden." 2 0 0 Die Verteidigung der christlichen Monarchien von Seiten Donosos erfolgt, wie Günter Maschke ( 1 9 8 9 : X X X V I ) bemerkt, nicht primär aus politischen, sondern aus theologischen Motiven. Die Bedeutung des theologischen Aspektes gilt trotz anderer Zielsetzung für den Text Krauses und den spanischen Krausismo, über den Martin Buezas ( 1 9 7 6 : 2 6 7 ) schreibt, „[que] existe una teología que fundamenta el organismo científico y que determina, iluminando, las actitudes de la vida."

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' sino un instrumento, el instrumento esencial de la restauración de España. La cultura de la España contemporánea y los organismos, instituciones y personas que la representan descienden por línea directa de él" (Xirau 1945: 31, zit. nach Abellán 1984, 4: 4 2 4 ) .

Der Einfluss des Krausismus auf den Roman der Restaurationsepoche ist in der Forschung hinlänglich belegt201, wobei sich dessen Entfaltung eines harmonischen Weltbildes im Grundstrom des Deutschen Idealismus, „der Hauptreihe der Entwicklung von Reinhold zu Fichte, Schelling, Krause, Schleiermacher und Hegel", befindet (Windelband 1912: 0). Es kann an dieser Stelle aber nicht darum gehen, eine eingehende Beschreibung dieser Systeme zu leisten, was von anderer Seite im Übrigen bereits ausgiebig geschehen ist. 202 Einer späteren Textanalyse wird es vorbehalten bleiben, deren Grenzen zu bestimmen und zu dokumentieren, dass das jeweils von Donoso Cortes bzw. Krause/Sanz del Río aktualisierte Band zwischen Vater und Sohn zerreißt und die innere Harmonie des göttlichen Zeichens zerbricht. Es ist darzustellen, dass weder Philosophie noch Theologie es sind, die jenem modernen Erfahrungsraum jenseits von altem Gott und Neuem Menschen sprachlichen Ausdruck verschaffen. Es sind literarische Diskursarten wie der Roman, die im Durchspielen der zur Schau gestellten anthropologischen Güte (Krause/Sanz del Río) oder der fundamentalen Verworfenheit des Menschen (Donoso Cortés) auch den gegenläufigen Eigensinn der in diesen Imaginationen enthaltenen Zeichen auf die fiktionale Leinwand zurückwirft und damit auch die Kohärenz des jeweiligen Gottesbildes unterläuft. Der letztere, ein Gegenrevolutionär „de la raza de Tertuliano y José de Maistre", wie Menéndez Pelayo (1942: 284) später schreiben wird, macht es sich in seinen Ensayos zur Aufgabe, die in ihrer Macht gefährdeten Väterhierarchien so zu restaurieren, dass die Einheit des göttlichen Zeichens in seinen trinitarischen Personen gewahrt bleibt. Das Bestechende an seinem Entwurf ist die innere Schlüssigkeit einer Vaterreligion, in der die altjüdische Tradition, die hellenistische Philosophie sowie das Römische Recht gleichsam ihre Spuren hinterlassen haben und so entschieden zur Folgerichtigkeit seiner Beweisführung beitragen.203 Seine Forderung nach einer festeren Verklammerung von gött-

201 Vgl. etwa Rodgers (1986, 62: 241-253), Scanion (1989: 81-95), Jagoe (1992, 39: 41-52). 2 0 2 Vgl. zum spanischen Krausismus, Krause u. Sanz del Río: Diaz (1973), Calvo Buezas (1975), Martín Buezas (1977), Gil Cremades (1980), López-Morillas (1980), Garda Mateo (1982), Wollgast (1990). Zu Donoso Cortés: Galindo Herrero (1957), Suárez (1963), Perrini (1980), Beneyto (1988), Maschke (1989). 203 Donosos Bedeutung liegt neben seiner kompendienartigen Zusammenfassung absolutistischer Ideen auch in dessen Nachwirkungen auf die neokatholische Presse der Restaurations-

Der Zerfall des göttlichen Zeichens

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lichem Ur- und menschlichem Abbild 2 0 4 versteht sich als logische Konsequenz der im christlichen Glauben verankerten zeitlichen und überzeitlichen Zielbestimmung des Menschen. Das Wesensprinzip, das die gesamte Hierarchie der Vaterschaften bei Donoso durchläuft, ist die Autorität, die namentlich in ihrer kirchlichen Ausprägung das vom Ersten Vatikanischen Konzil formulierte Unfehlbarkeitsdogma des Papstes vorwegnimmt: Esa autoridad altísima, infalible, f u n d a d a para la eternidad, y en quien se agrada D i o s eternamente, es la santa Iglesia católica, apostólica, romana..

(Donoso

Cortés 1973: 29).

Gott ist für den einzelnen Menschen, was die Kirche für die Gesellschaft und Nationen ist. In ihrer gegenseitigen Verwiesenheit und Strukturiertheit ist beiden die Autorität als Wesensprinzip eigen, die wiederum in der Herrschaftsform der Monarchie erscheint. So ist die menschliche Gesellschaft nicht anders zu begreifen als Gott selbst. Ist Gott das Oberhaupt des gesamten Universums, das von ihm in dessen irdischer und himmlischer Sphäre regiert wird, so wird dem König diese Aufgabe über seine Untertanen zuteil. Die Autorität hat ihre Quelle in Gott selbst, und da diese den Gehorsam in Freiheit erfordert, sind ihrem Wesen Despotien und Revolutionen fremd, mehr noch, sie gehen vielmehr aus dem Bruch dieses katholischen Prinzips hervor: El catolicismo, divinizando la autoridad, sanctificó la obediencia; y sanctificando la una y divinizando la otra, c o n d e n ó el orgullo en sus manifestaciones tremendas, en el espíritu de d o m i n a c i ó n y en el espíritu de rebeldía ( D o n o s o Cortés 1973: 25).

Dieses Gesamtgefüge wäre nicht vollständig und erlangte keine Einheit, wenn in ihm nur die göttliche Autorität als oberster und die staatliche als unterster Rang vertreten wäre. Nachdem Gott Haus und Gesellschaft hoheitliche Kompetenzen zugewiesen hatte, musste er noch eine dritte schaffen, die als selbständiger sakraler Bezirk hoch über allen menschlichen Autoritäten steht, um Omnipräsenz und Omnipotenz Gottes selbst zu sein: die Kirche. Die Submission des Einzelnen unter die Gesellschaft bildet eine Analogie zu jener, die jedes Volk gegenüber der Kirche zu vollziehen hat: Z u m Heil ihrer Seele obliegt es dem Gemeinwesen wie seinen Einzelgliedern, sich in Gott español (1860) gilt als ein solches Presseorgan, das auch Pérez Galdós immer zeit. El pensamiento wieder zu wutenden Attacken gegen die sogenannten neos herausfordert. 204 Maschke (1989: XXXV): „Die richtige religiöse Ordnung besteht darin, dass der persönliche Gott überall ist, dass er über Himmel und Erde herrscht und dass er die katholische Erbmonarchie, in der der König durch seinen Beauftragten überall ist und in der er sowohl herrscht als auch regiert."

260

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

bzw. der Kirche den ihnen zugesprochenen Autoritäten zu unterwerfen, so dass sich damit eine unlösbare Einheit von natürlicher und übernatürlicher Ordnung ergibt. Doch zuvor hat sich Gott in seiner eigenen Einheit gezeigt, die der Inbegriff der Monarchie ist. Indem beide Ideen einen Zusammenhang bilden, schaffen sie in Analogie zur göttlichen Trinität die Voraussetzung zu einer dritten gemeinsamen Einheit, in der sich Gehorsam und Freiheit, Kraft und Maß ebenso ihr jeweiliges Komplement geben wie Bewegung und Beständigkeit. Grundlage dieser gleichsam natürlichen Hierarchien ist die genealogische Ordnung, die in dem ebenfalls trinitarisch angelegten Bund der Familie ihr Modell findet und als solche im Ensemble ihrer Glieder bis in alle Ewigkeit fortbestehen wird. Diese Anlage des Humanum als Geschöpf und Ebenbild Gottes kündigt sich schon bei den ersten Menschen an, die eins im Wesen und dreifach in ihren Personen sind: Eva procede de Adán, Abel es engendrado por Adán y Eva, y Abel y Eva y Adán son una misma cosa: son el hombre, son la naturaleza humana. Adán es el hombre padre, Eva es el hombre mujer, Abel es el hombre hijo. Eva es hombre como Adán; pero no es padre: es hombre como Abel; pero no es hijo. Adán es hombre como Abel, sin ser hijo; y como Eva, sin ser mujer. Abel es hombre como Eva, sin ser mujer; y como Adán, sin ser padre (Donoso Cortés 1973: 26).

Die Familie ist eine göttliche Einrichtung, in der sich die Vaterschaft als Zeuge historischer Kontinuität zwischen den vergangenen und nachfolgenden Geschlechtern insoweit reproduziert hat, als sie die Erinnerung an den von Gott gegebenen Ursprung wach hält. Entsprechend dem Maßstab von intentio und distentio währt die Familie der Menschheit die Zeiten hindurch, die natürliche Familie ein Leben lang und die häusliche Gemeinschaft von Vater und Söhnen lange Jahre: Allí la unidad, dilatándose, engendra eternamente la variedad; y la variedad condensándose, se resuelve en unidad eternamente. Porque es uno, es Dios; porque es Dios, es perfecto; porque es perfecto, porque es perfecto, es fecundísimo; porque es fecundísimo, es variedad; porque es variedad, es familia (Donoso Cortés 1973: 27).

In den vom Katholizismus beseelten Zeitaltern strebt die Familie dazu, vollkommener und vollendeter zu werden. Verneigen sich die Söhne vor Vater und Mutter, so verwandelt sich dieses natürliche Band im Kloster zum spirituellen, wenn dessen Söhne einem anderen besseren Vater huldigen und eine andere sanftere Mutter ehren. Wenn die katholische Zivilisation ihre Entartung erreicht, dann ist auch der Niedergang der Familie absehbar, was sich im Hinblick auf die veränderte Funktionalität ihrer Beziehungen zeigt:

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El padre y la madre, entre quienes no puso Dios otro medianil sino el amor, ponen entre los dos el medianil de un ceremonial severo; mientras que una familiaridad sacrilega suprime la distancia que puso Dios entre los hijos y los padres, echando por el suelo el medianil de la reverencia (ebd.).

Büßt die Familie erst ihren von Gott verliehenen Rang ein, verlieren sich ihre Spuren in Clubs und Kasinos. Desto inniger sie sich aber im Glauben mit Gott verbindet, desto anhaltender ist ihre Dauer, die auch hier Prüfstein fiir Vollkommenheit ist. So entspricht dem Verhältnis zwischen der göttlichen Familie und der Klostergemeinschaft das zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit. Die vollkommenste spirituelle Familie, wie sie im Kloster anzutreffen ist, trennt von der sinnlichen der Clubs, der an Unvollkommenheit keine gleichkommt, die kurze Dauer einer Minute von der Unermesslichkeit der Zeiten. Die Vielfalt von Beziehungen und die ihre Komplementarität bedingende Einheit im Urbild der Dreifaltigkeit sind aber besonders für das Verhältnis von Vater und Sohn von entscheidender Bedeutung. Wie Augustinus weist Donoso ihnen jeweils eigene Funktionen zu, dem Vater Allmacht, dem Sohn Weisheit und dem Heiligen Geist unendliche Liebe, höchste Macht und Weisheit. Doch ist es allein die Offenbarung der Vaterschaft Gottes, die der Familie eine einzige und ausschließliche Grundlage gewährt. Das Verhältnis von Vater und Sohn stützt sich daher auf die von Gott gegebenen Namen, wie sie in den biblischen Genealogien eingetragen sind, um die Völker davor zu bewahren, der Vergessenheit anheim zu fallen. Die Differenz zwischen der katholischen Zivilisation und einer paganen Lebensform muss demnach gerade in der Bedeutung der Vaterschaft liegen: La paternidad viene de Dios, y sólo de Dios puede venir en el nombre y en la esencia. Si Dios hubiera permitido venir en el olvido completo de las tradiciones paradisíacas, el género humano, con la institución, hubiera perdido hasta su nombre (ebd.).

Der Stammesgründer ist demnach kein bloßer Gewaltherrscher, sondern vielmehr in Nachahmung seines göttlichen Vaters der Erinnerungsträger seiner Nomenklatur, welcher der Sohn als Knecht Untertan ist. Indem Donoso den Vater in die Identität des señor setzt und den Sohn mit esclavo umschreibt, legt er eine Diktion fest, die genau zum Kern seiner in Gott und Mensch begründeten Trinitätsvorstellungen führt. Als Christus sich seinem Vater wie ein Knecht unterwarf, bekannte er sich in seinem Leiden auf paradigmatische Weise zu seinem Namen. Nicht die verdorbene und ruchlose Seite der menschlichen Natur siegte in seinem Ich, sondern allein die Gott zugewandte verhalf ihm zum Triumph:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen La verdadera humanidad no está en ningún hombre: estuvo en el Hijo de Dios, y allí es donde se nos revela el secreto de su naturaleza contradictoria, porque por un lado es altísima y excelentísima, y por otro es la suma de toda indignidad y de toda bajeza. Por un lado es tan excelente, que Dios la tomó por suya uniéndola con el Verbo; tan alta, que fue desde el principio, y antes de que viniera, prometida por Dios [...] (ebd.: 235).

Das eigentliche Aktzentrum Gottes befindet sich für Donoso offenbar in der machtvoll aufgeladenen Gestalt des Vaters, der als reiner Ursprung vom Sohn und von dessen doppelseitiger menschlicher Natur, „por un lado gloriosísima, [...] por otro, ejemplar de toda bajeza", differiert (ebd.: 236). Im gebieterischen Charakter dieser Instanz äußert sich jedoch gerade dessen Nichtpräsenz in den niederen Hypostasen wie Königtum und Familie. So muss der Gegenaufklärer einräumen, dass der bürgerliche Parlamentarismus den poder divino durch ein poder dividido, also eine in sich selbst geteilte Staatsgewalt, substituiert habe. In Piatons Bild vom führerlos umhertreibenden Schiff sieht er die sündige und rebellische Menschheit des liberalen Zeitalters auf einem Schiff ohne Kapitän und damit ohne Hoffnung auf Erlösung dahintreiben, so dass ein baldiger Untergang absehbar sei (ebd.: 238): [...] Tended los ojos por toda la prolongación de los tiempos, y veréis cuan turbias y cenagosas vienen las aguas de ese río en que humanidad va navegando: allí viene haciendo cabeza de motín Adán el rebelde, luego Caín el fratricida, y trás él muchedumbres de gentes sin Dios y sin ley, blasfemas, concubinarias, incestuosas, adúlteras; los pocos magnificadores de Dios y de su gloria olvidan al cabo su gloria y sus magnificencias, y todos juntos tumultúan y bajan en tumulto en el ancho buque que no tiene capitán [...]. Y no saben ni adonde van, ni de dónde vienen, ni c ó m o se llama el buque que los lleva ni el viento que los empuja (ebd.: 81).

Jenen alttestamentarischen in weitverzweigten Stammbäumen denkenden Patriarchen, den Donoso gleich einem „Zeloten des Absoluten und der Entscheidung" wieder mit einer das gesamte Dasein steuernden Autorität ausrüsten und gegen die Verstreuung der Individuen einsetzen will,205 wird man im Entwurf von Krause/Sanz del Río vergebens suchen. Vielmehr scheint es, als wollte sich die Diktion der spanischen Fassung von einer Ikonographie befreien, die im Ensayo noch die Imaginationen manichäistischer Kriege zwischen Engel und Dämonen in Erinnerung ruft. Zwar nehmen die Krausisten, wie López-Morillas unter Berufung von G. de Azcárate betont, Bezug auf ihren christlichen Glauben, der schließlich die Idee der Menschheit und des 'Neuen Menschen geschaffen hat (López-Morillas 1980: 158-159). Da das 2 0 5 Vgl. Taubes (1993: 86-97) über Karl Barth und vor allem Carl Schmitt, dessen Theologie (1990) sich explizit auf Donoso Cortés beruft.

Politische

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Christentum auch als höchste göttliche Manifestation des bisherigen religiösen Lebens nur eine Entwicklungsphase auf dem Weg der Völker zu einem Menschheitsglauben ist, in der alle großen Religionen ihren gemeinsamen Platz haben werden, müssen die von der Kirche gelehrten Offenbarungen des Göttlichen notwendigerweise historischen Beschränkungen unterliegen. Es sei daher abermals pointiert, dass sich auch das Bild Gottes dem Menschen erst mit seinem wachsenden Wissen und auch dann niemals in seiner ganzen Fülle zu erkennen geben wird. 206 Die überlieferten Ikonen werden so in abgegoltene Artefakte verwandelt, die allenfalls noch künstlerischen Wert haben mögen. Als eine solche Ikone dürfte gewiss die Gestalt eines tyrannischen Vatergottes angesehen werden, die der Prüfung der im harmonischen Rationalismus angelegten Vernunft nicht standhält und dem Gläubigen nur Entsetzen einflößen muss. So charakterisiert Fernando de Castro den Gott des AT als „una divinidad vengativa e implacable, el Dios de los ejércitos y de las batallas", um seinen Standpunkt so zu erläutern: quien para que su pueblo ocupe un palmo de tierra en el M u n d o , entonces casi deshabitado, no halla otro medio que el de la conquista, destruyendo, matando y exterminando hasta la tercera y cuarta generación (F. de Castro 1975: 4 1 0 - 4 1 1 bzw. García San Miguel 1987: 179).

Ein solcher Gott, wie er im überkommenen Katholizismus zum Bild gemacht wird, kann schwerlich mit einem empfindsamen Gott der Liebe harmonieren oder gar identisch sein: La lectura [...] de tan sangrientas hetacombes me inspiraba siempre [...] horror [...] y desgarrado quedaba mi corazón ante la idea [...] de ser todo eso palabra de Dios revelada y admitida por la Iglesia [...] [yo] rechazaba la idea de un Dios tan cruel y semejante al de los pueblos idólatras, tan contraria a la que hoy profesan las sociedades modernas y tan diametralmente opuesta a mis sentimientos instintivamente compasivos y humanos (F. de Castro 1975: 90).

Überträgt man die trinitarischen Relationen, wie sie vor allem in der tradierten Ikonographie Anschaulichkeit erlangen, auf die hier formulierten Gottesvorstellungen, scheint die Instanz des Vaters zunächst ganz hinter die des Sohnes zurückzuweichen. Was sich aus der Sicht der Krausisten gerade als Zeichen menschlicher Zivilisierung darstellt, führt zur Bergpredigt. Aber so sehr es den Anschein hat, als müsse die Theologie zur Christologie werden,

2 0 6 Vgl. García-Mateo, R.: „Fortschritt in zyklischer Geschichtskonzeption" in: Kodalle ( 1 9 8 5 : 7 2 - 7 9 ) bzw. Martin Buezas ( 1 9 7 7 : 2 2 3 ) , der herausstellt, dass der spanische Krausismus „la imposibilidad de 'un cara a cara' con D i o s " vertritt. D e r Anblick Gottes wird i m m e r in dunkle Z o n e n getaucht sein, die der Mensch nur in den Grenzen seiner Erkenntnis durchdringen kann.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

um die Religion aus dem Leiden und Leben der Menschen zu definieren, ist Jesus Christus wenigstens seit Kant „als Träger göttlicher Offenbarung überflüssig" (Heiligenthal 1997: 13). D a die moralischen Gesetze der Vernunft jedem Menschen innewohnten, fällt der Religion nunmehr die Aufgabe zu, die Tugend zu unterstützen, so dass der Menschensohn zwar noch die Vorstellung von einem idealgestalteten Dasein befördern möge, nicht aber mehr Vorbild für alle sein könne. Die Idee eines Gott moralisch wohlgefälligen Menschen läge bereits als solche in der Vernunft eines jeden Menschen (Kant 1977, 8: 715). Wenn man die von der neueren Forschung wiederentdeckte Sintética des Sanz del Río in Betracht zieht, in der dieser sein persönliches Credo formuliert und die Personen der Trinität zu seiner Philosophie in Bezug setzt, 207 werden frühere Ergebnisse bestätigt, die seine Skepsis in die Göttlichkeit des Menschensohns, die Offenbarung oder gar die Möglichkeit von Wundern belegen (vgl. Cacho Víu 1962: 91 bzw. García San Miguel 1987: 178). Schon sein Vorbild Krause hatte sich anders als Fichte, Schelling und Hegel von der zentralen Stellung des Erlösers abgesetzt, um einer vernunftbegabten Menschheit eben diesen hohen Rang zuzuweisen. 208 Indem die Trinität als Dogma der Kirche unter diesen Voraussetzungen nicht mehr in eine spekulative Auslegung hinübergerettet wird, wie dies vor allem noch bei Hegel geschieht (vgl. dazu Huber 1984), müssen die überlieferten Darstellungs- und Vorstellungswelten erst recht in den Verdacht eines historischen Anachronismus geraten und den tendenziellen Ikonoklasmus der Aufklärung bekräftigen. Dass die Göttlichkeit dieser von der Kirche archivierten Zeichen auf Konventionen beruhen muss, ist eine von führenden Krausisten geteilte Einsicht. So hält Giner de los Ríos den Altkatholiken entgegen, dass es ein schier unlösbares Ansinnen sei, zum wahren und ursprünglichen Glauben der Kirche zurückzufinden, da die Geschichte den Zugang zu den wie immer auch gearteten Bekenntnissen verschüttet habe, ya q u e el d o g m a de toda Religión positiva aparece primero oscuramente formulad o y se desenvuelve después según los progresos d e la Teología, llegando en este 2 0 7 Vgl. Guy (1985: 207). So wird Christus mit der Menschheit, Maria mit der göttlichen Intelligenz und der Heilige Geist mit dem Verhältnis von Vater und Sohn identifiziert. Passion und Kreuzigung versinnbildlichen sich die Leiden der Menschheit, die sich in den Kindern fortsetzt. 2 0 8 Krause (1890, 1: 171-172): „Jesus ist und war nicht Gott, nicht Wesen als Urwesen. Jesus war Mensch und blieb Mensch [...] Jesus konnte nach Maßgabe seiner inneren Empfänglichkeit vereint sein mit Gott, so wie jeder Mensch, der auf derselben Stufe des inneren Lebens anlangt [...]. Was Jesus getan hat, ist der innigsten Achtung, Liebe und Dankbarkeit wert, allein alles menschlicherweise begreiflich, auch nicht ihm eigen, sondern auch von anderen guten Menschen aus allen gebildeten Völkern, vor und nach ihm, ohne es von ihm zu wissen, und mit Hinblick auf ihn, geübt worden."

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desarrollo a doctrinas s u m a m e n t e diversas a veces de las q u e en su punto de partida encerraba y que, lejos d e ser consecuencia rigorosa d e aquel primordial germ e n [...] ( G i n e r d e los Ríos 1973: 179).

Berücksichtigt man diese Vorbehalte, die mit der kirchlichen Lehrmeinung auch der ikonographischen Tradition gelten, darf man zu recht annehmen, dass eine dem wissenschaftlichen Fortschritt verpflichtete religiöse Weltinterpretation eine Inflation der bekannten trinitarischen, christologischen oder mariologischen Bilder zu vermeiden sucht, die sich letztlich aber gegenüber einem abstrakten philosophisch-theologischen System durchzusetzen pflegen. Abgesehen von der philosophischen Fachsprache im Ideal de la Humanidad, die in einem Land ohne nennenswerte Beziehungen zur deutschen Aufklärung und zum deutschen Idealismus auf nur geringes Verständnis stoßen konnte (García Mateo 1982: 163), erschwert vor allem die panentheistische Ausrichtung einen Zugang zu diesem Konzept. Obwohl das Kompendium der spanischen Krausisten in Hinblick auf die Gestalt Gottes zu keinen der eigenen Lehre entsprechenden Anschauungen kommt, bedarf der Krausismus angesichts einer ihm fremden religions- und kulturgeschichtlichen Tradition um so mehr einer eigenen Bildersprache, die zwischen Pantheismus und Theismus eine sinnliche Vermittlung herstellen könnte. Eine Synthese zwischen einem personalen Gott und einem in der Immanenz ruhenden Wesen ist aber, wenn überhaupt, nur auf Grund größerer intellektueller Anstrengungen denkbar. Während „la causalidad eterna ( D i o s - P r i n c i p i o ) , que reconoce la inmanencia del mundo en Dios" (López-Morillas 1980: 39) als „Gottheit aber schlechterdings der Wirklichkeit entbehren muss, [da diese] nur im bestimmten einzelnen sich ausgedrückt befinden kann" (Friedrich Heinrich Jacobi, zit. in Mauthner 1912: 88-89), entspricht „la causalidad temporal ( Dios-Causa )" (López-Morillas 1980: 39) auch einem Schöpfergott, wie er dem gläubigen Christen aus den Bildern der Renaissance und des Barocks bekannt ist. So muss sich die Philosophie Krauses/Sanz del Ríos einerseits der Erfordernis stellen, die in Spanien gewachsene Ikonographie vom göttlichen Vater in ihren Beschränkungen zu überwinden, 209 um sich denen anderer (auch nichtchristlicher) Völker zu öffnen. Andererseits steht sie vor der Notwendigkeit, auf die genealogisch begründeten Anschauungen der Trinität zu rekurrieren. Im Krausismus ist daher der Versuch abzulesen, die On20 Vgl. Sanz del Río (1860: 259) zit. nach Martin Buezas (1977: 92): „Nosotros tenemos la palabra Dios (deus) no formado dentro de nuestra lengua, sino prestada de lengua extraña, para significar el Ser por todos conceptos del Ser, el Ser de toda y absoluta realidad, y por lo mismo, el fundamento absoluto y todo de lo particular. También usamos en el lenguaje y con el mismo sentido la palabra Ser, el ser y su cualidad la expresamos con la palabra Esencia — la esencia absolutamente hablando - . "

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Jenseits von altem G o t t und ' N e u e m Menschen'

totheologie in den Pantheismus hinüberzuretten, u m das Zerrinnen der G e stalt Gottes in der Disparität des Seins zu verhindern: El krausismo no aparta los ojos del originario pensamiento cristiano, donde Dios se dibuja con perfiles de Ser Supremo y de Padre, en permanente relacion con su mundo y en constante providencia [...] (Martin Buezas 1977: 282). Wenn dem Vater „la realidad del D i o s - H o m b r e " gegenübergestellt wird (ebd.), so bedeutet dies allerdings nicht wie bei D o n o s o Cortés, dass eine göttliche Nomenklatur den Sohn in eine Rangfolge von niederen Söhnen stellt. Die gesamte Menschheit, wenigstens die im wachsenden Wissen zivilisierte, wird sich in der Liebe zu G o t t vereinen und in diesem Vorgang zu „hijos del Padre Eterno" werden (Krause/Sanz del Rio 1860: 2 7 7 ) . Der Vater erhält damit eine andere Wertung als die ihm von D o n o s o Cortés zugewiesene. Zwar wird die universelle H a r m o n i e erst im Rahmen einer „personalidad orgänica del h o m b r e " möglich, die in Anlehnung an die Körpermetapher alle „sociedades personales" v o m Ehebund bis zur Gesellschaft u n d schließlich zum B u n d der Völker umfasst (Xirau 1945: 2 6 - 2 7 , zit. nach: Abellan 1984, 4: 4 3 4 ) . Aber man würde diese Theorie missdeuten, wenn man sie nicht als Angebot der Versöhnung aller Menschen verstünde, die sich in und mit d e m göttlichen Wesen zu vollziehen hat: Die Rangfolge der Wesenheiten verweist nicht wie bei D o n o s o auf eine Hierarchie sozialer Glieder oder sukzessiver Geschlechter, vielmehr soll sie einer möglichst vollkommenen Ebenbildlichkeit mit dem göttlichen Urbild entsprechen. 2 1 0 Nicht die Unterwerfung des Sohnes unter den Vater wird hier angestrebt, sondern im Sinne der Französischen Revolution ein Paradigmenwechsel von der Autorität der Väter zur Versöhnung der B r ü d e r 2 " , die dereinst „ c o m o una familia de hijos de Dios, c o m o una patria terrena" sein werden (Krause/Sanz del Rio 1860: 77). D i e Verwandtschaft der Familiengeschlechter stellt sich eingedenk des gesetzten Zieles als eine unzureichende Grundlage heraus, da andere Menschen, „no menos dignos que los inmediatos, de estima y a m o r " , im Verhältnis zu den Angehörigen unter Umständen eine bedenklich geringe Zuneigung erfahren

2 1 0 Vgl. Krause (1892: 242), zit. nach Wollgast (1990: 60): „Jeder gute Mensch [...] 'von Gottes Gnaden, Gottes unmittelbarer, gottbefugter Stellvertreter im Endlichen, sofern er rein im Guten lebt, - nicht bloß der König! - vorzugsweise aber ist der Weise von Gottes Gnaden und der König, wenn er weise ist." 2 , 1 Vgl. Castelain-Meunier (1997: 38-50) bzw. auch Heitmann (1978). Nach den ersten Bewegungen gegen die Vaterdespotien im späten XVI. Jahrhundert wird die Rolle des Vaters vor allem seit der Aufklärung von einem humanisierten Verständnis väterlicher Rechte und Pflichten bestimmt; wobei seine Autorität nicht grundsätzlich zur Disposition gestellt wird. Zugleich wird die sensibilité (vgl. Baasner 1988) zum Modell fiir die reformierte Familie, in der auch der Frau eine neue Rolle gegenüber dem Mann erwächst (vgl. Marko 1993).

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(ebd.: 59). Indem sich die Familie anderen Teilgesellschaften öffnet (ebd.: 150), nähert sie sich wie diese in der Menschheit auch Menschen an, die ihrer Kultur, ihrer Religion und erst recht ihrem Blut fremd sein müssen, um sich mit ihnen zu einer Föderation der Völker zu verbinden: En la Europa deben los pueblos formar la primera unión jurídica y política, y casi la forman hoy; ä este pueblo y estado europeo se asociarán en su tiempo los pueblos de Asia y Africa. Entre tanto se debe formar allende del Atlántico, no sin el influjo de la Europa, un coordinado Estado superior político en América (ebd.: 130).

Das Problem, das sich für den Krausismus als nachchristlicher Philosophie auftut, liegt also in den überkommenen Bezeichnungen, welche die neu zugeordneten Bedeutungen nur unzulänglich auszudrücken vermögen. Diese müssen den alten Bildern in Hinblick auf ihre theologische Dimension unwillkürlich ein ständiges Einfallstor bieten, da auch sie eidetischer Gebilde bedürfen: So weichen die Mandamientos de la humanidad von Sanz del Río zwar auf Grund ihres rationalistischen Grundplans von den biblischen Gesetzen (ebd.: 100-102), „fulminados por un Jehová ceñudo contra la perversa y contumaz grey humana", ab (López-Morillas 1980: 83), teilen mit ihnen aber dennoch einen Namen, die den Zeitzeugen der spanischen Restaurationsepoche auf ähnliche Weise zum AT zurückgeführt haben dürften wie den Leser der Kritik der Urteilskraft. Gleichzeitig hat es den Anschein, als ob das beim Vater situierte Aktzentrum im harmonischen Rationalismus jedoch an Macht verloren habe und, wie weiter oben skizziert, zusehends auf die Bewegung einer tätigen und wissenden Menschheit übergehe. Dieser widersprüchliche Vorgang, der sich aus der ikonographischen Dürftigkeit des panentheistischen Gottes ergibt, ruft also die überlieferten Imaginationen des höchsten Gesetzgebers in Erinnerung, ohne die überlieferte Autorität Gottvaters wiederherzustellen. Es tritt ein, was Donoso Cortés mit der Demokratisierung der Souveränität als „Entthronung Gottes" (Maschke 1989: XIV) beklagt und in die Kritik seiner sozialistischen Gegner am liberalen Verfassungsstaat kleidet: El socialismo democrático tiene razón contra el liberalismo cuando le dice: „ ¿ Q u é Dios es que ofreces a mi adoración, y que debe de ser menos que tú, porque ni tiene voluntad, ni es siquiera una persona? Yo niego el Dios católico, pero negándole, le concibo; lo que no puedo concebir es un dios sin los divinos atributos. Todo me inclina a creer que no le has dado la existencia sino para que El te dé la legitimidad que no tienes: tu legitimidad y su existencia que cabalga en otra ficción, y una sombra que cabalga en otra sombra. [...] El soberano es como Dios: o es uno o no existe; la soberanía, como la Divinidad: o no es o es indivisible e incomunicable (Donoso Cortés 1989: 123).

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen

Aber auch der Menschensohn, der sich schlechthin in das Streben der Gattung nach einem höheren irdisch gewordenen Ideal, in den K a m p f für soziale Gerechtigkeit oder bürgerliche Freiheiten 212 , in eine Metapher der menschheitlichen Leidensgeschichte 213 oder als „Fin-de-Siecle-Christus" in „[den] Träger eines zeitlosen Menschheitsmythos" verwandelt (Hinterhäuser 1960b: 21), stimmt mit seinem christlichen Namen ebenso wenig überein wie mit der kirchlichen Schulmeinung. Zwischen den alten Bildern und den neuen Inhalten ergibt sich kein logischer Schluss, so dass sich die Bruchstellen des göttlichen Zeichens im Ideal de la Humanidad, das auf den Menschen ausgerichtet ist, ungleich stärker zeigen als bei Donoso Cortes. Dabei wird sich im Ergebnis ein paradoxer Vorgang abzeichnen. Nicht als Ethos des laizistischen Intellektuellen, aber als Theologie wird der Krausismus zwischen zwei dominanten Tendenzen geraten, die er vergebens in sich zu vereinen suchte: die im Pantheismus angelegte Verlagerung des Absoluten in die Immanenz auf der einen und den personalen Gott des Kirchenglaubens auf der anderen Seite.

4 . 2 . 2 J E N S E I T S VON V A T E R G O T T U N D

MENSCHENSOHN

Bewirkt die Trennung von Vater und Sohn die Auflösung des göttlichen Zeichens, zerfallen auch jene Attribute, welche diese in den verwandtschaftlichgenealogischen Bezeichnungen der beiden Hypostasen transzendieren und in der Familie zur „metafora universale della Tradizione" werden (Veneziani 2002: 191). Beschrieben wurde die Verflüchtigung einer besonders seit der Renaissance zur absoluten Macht aufgestiegenen Paternität, in dem sich die Autorität der Fürsten mit der Herrschaft des Himmelskönigs begegnen (vgl. B H H 1966, 3: 1998). Sosehr im Diskurs über die Religion auch häufig genug jene Dichte des Absoluten beschworen wird, die mit „el amor [als] la relacion, la armonia de todos los séres" identisch sei und „esas grandes unida2 . 2 Vgl. dazu Renan (1974: 309): „ D e nos jours même, jours troublés où Jésus n'a pas de plus authentiques continuateurs que ceux qui semblent le répudier, les rêves d'organisation idéale de la société, qui ont tant d'analogie avec les aspirations des sectes chrétiennes primitives, ne sont en un sens que l'épanouissement de la même idée, une des branches de cet arbre immense où germe toute pensée d'avenir, et dont le 'royaume de Dieu' sera éternellement la tige et la racine. Toutes les révolutions sociales de l'humanité seront greffées sur ce mot-là." 2 . 3 Vgl. dazu Feuerbach (1956, 1: 116): „Eine Wesensbestimmung des menschgewordnen oder, was eins ist, des menschlichen Gottes, also Christi, ist die Passion. Die Liebe bewährt sich durch Leiden. Alle Gedanken und Empfindungen, die sich zunächst an Christus anschließen, konzentrieren sich in dem Begriffe des Leidens. Gott als Gott ist der Inbegriff aller menschlichen Vollkommenheit, Gott als Christus der Inbegriff alles menschlichen Elends."

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des misticas, la familia, el pueblo, la humanidad" inspiriere (Mateos 1876, 206: 377), sosehr sich die Menschen auch als „miembros de una misma familia, llamados ä participar de los mismos destinos" empfinden dürfen (Hinojosa 1878, 513), sosehr verschwindet der Vatergott hinter der Abstraktion jener „leyes necesarias, invariables y universales de la naturaleza y de la humanidad" (Serrano 1876, 210: 183). Denn in ihnen verkörpert sich schließlich „la idea fundamental del Sér Supremo" (ebd.). Unter den Bedingungen formaler religiöser Freiheit fällt auf den bürgerlichen Staat, ,,[que] personifica la soberania nacional, una é indivisible" (Serrano 1876, 212: 477), allenfalls ein Abglanz jener Dichte, die einstmals das göttliche Zeichen umschlossen hatte. Wie eine Geschichte aus fernen Zeiten klingen da Beschwörungen eines Christentums, ,,[que] elevò lo divino muy por encima de todo lo material y terreno, haciendo de Dios el sér omnipotente, augusto é inenarrable, espiritu puro, que vive en la cima del sér y de la existencia, repartiendo la vida ä todo lo creado [...]" (Moreno Nieto 1874: 172). Häufig genug ist in den Debatten der Zeit von Seiten kirchentreuer Kräfte zu hören, dass die Positivisten zwar die Existenz Gottes anerkennen, aber dessen Personalität leugneten. Doch sei es ein Sakrileg, jenem „sér universal indeterminado" noch den Namen Gottes zu geben (Eleizalde 1877: 216). Selbst der liberale Alonso Martinez (1877: 25) (1827-1891) gibt zu bedenken, dass die philosophischen Konzepte, „elyo de Fichte, la idea de Hegel, el todo de Strauss, la seleccion natural y la lucha para la existencia de Darwin", nichts als bloße Abstraktionen seien, um jenen allgewaltigen, aber unsichtbaren Gott der Genesis zu verdrängen. Doch wenn der Polytheismus die eigentliche Vertreibung des Menschen aus dem Paradies sei und für lange Zeit dessen Entzweiung von Gott zur Folge habe (Alonso Martinez 1877: 28), wäre dann die Weisheit des Allmächtigen jenem Chaos der Verneinung nicht vorzuziehen (Paz 1876: 458), das gerade in der Mannigfaltigkeit des Seins besteht? Wie wir sehen konnten, wird der Niedergang des Vaters als einer darstellbaren Größe indes von der konkreteren Erscheinung des Sohnes, zumindest temporär, kompensiert. Als Knotenpunkt von empirischem und unsichtbarem Sein, Mensch und Gott fällt der zweiten Person der Trinität nach den Vorstellungen der idealistischen Schule die Aufgabe zu, eine in sich zerrissene und entzweite Welt sowie eine vom göttlichen Urgrund und von seinem Nächsten getrennte Individuation in einer höheren Sphäre zu vereinigen (vgl. dazu Schelling 1907, 2: 622). Diese Beobachtung trifft sowohl auf die ikonographische Ausdeutung des Göttlichen als auch auf die Repräsentation der Religion in der spanischen Gesellschaft zu. An dieser Stelle kommen wir nochmals auf Hegel zurück. Hinsichtlich der künstlerischen Darstellung hatte dieser vermerkt, dass das, „als was Gottvater vorgestellt wird, ein zugleich

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menschliches Individuum, erst Christus der Sohn" und nicht der mit dem Logos verwandte Vater sei. Den Moment der Individualität und des Menschseins schauen wir in ihm als ein göttliches Moment, in einer Weise, dass sich dieser nicht, wie bei den griechischen Göttern, als eine unbefangene Phantasiegestalt erweise, sondern als „die wesentliche Offenbarung, als die Hauptsache und Hauptbedeutung erweist" (Hegel 1976, 2: 196). Anders als „Gottvater, der Himmel, die himmlischen Heerscharen, [die] nicht so für die Individualisierung der freien Phantasie geeignet" seien (ebd.), wird die menschliche Subjektivität im christlichen Menschensohn, dem zum Fleisch gewordenen Wort, zum Hauptmoment. In der Gestalthaftigkeit des Heilands, die jenseits historischen Formempfindens die Zeitlosigkeit der Erlösung demonstriert, werden wir wiederum der ontotheologischen Verfasstheit der Metaphysik gewahr. Solcherart entsinnt sich auch der katholische Integrist, Kunstkenner und Archäologe Manuel Pérez-Villamil Garcia-Somolinos (1849-1917) in der renommierten Ciencia cristiana gern jener „iconografía cristiana", wie sie von einer zweitausendjährigen Überlieferung legitimiert und konventionalisiert worden war (Pérez-Villamil 1877: 97). Diese stellt schließlich die Beständigkeit des Glaubens in einer Zeit unter Beweis, in der die Imaginationen des Göttlichen verblassen, das Bedürfnis nach dessen Anschaulichkeit hingegen wächst: La Iglesia no posee ningún retrato auténtico de su divino Fundador; no obstante, la tradición ha conservado los rasgos principales de su semblante, y las revelaciones de los Santos, las imágenes más antiguas, ya procedan de mano de los hombres, ya sean tenidas por obras milagrosas, confirman el tipo de la tradición, que ha sido también aceptado por el arte (Perez Villamil 1 8 7 7 : 18).

In den zu Insignien aufgerückten Gesichtszügen des Nazareners kann der Betrachter unschwer jene Ausgestaltung göttlicher Erhabenheit wiederfinden, die christliche Bildlichkeit griechischer Formschönheit entlehnt hat. Mit den Gestalten der Götter ist „die Religion der schönen Individualität und Besonderheit" (Bloch 1991, 4: 347) zwar verschwunden. Aus der von Hegel vorgenommenen Anordnung der Religionen, - zwischen AT und NT stehen Pallas Athene und Jupiter - wird jedoch ersichtlich, dass das Christentum der in der griechisch-römischen Antike modellierten Figürlichkeit bedarf, um sie überhaupt in einer höheren geistigen Form aufheben zu können, wie sie in der Gestalt des Erlösers das höchste Sinnbild erreichen sollte. Die Physiognomie des denkenden Menschen wird hier gleichsam zur inneren Gestalt und zum reinen Gedanken: Die Gestalt des Gottes ist also die

ideale;

vor den Griechen ist keine wahrhafte

Idealität gewesen, und sie hat auch in der Folge nicht mehr vorkommen können.

Der Zerfall des göttlichen Zeichens

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D i e Kunst der christlichen Religion ist zwar schön; aber die Idealität ist nicht ihr letztes Prinzip [...] (Hegel 1 9 7 6 , 17: 123).

Die Idealität der Gestalt und die Wahrheit des Wortes haben im Menschensohn eine sinnliche und geistige Einheit zugleich erhalten. Auf ähnliche Weise zeichnet ihn auch der spanische Betrachter, durchaus im Bewusstsein, dass „anstatt des bloßen göttlichen Willens, ein sinnliches Zeichen desselben sehen" lassen müsse, „[um] dadurch alles in Bewegung zu [setzen]", was in der Anschaulichkeit göttlicher Macht auch zu deren Bewunderung beiträgt (Sulzer 1771, 1: 341): Sin ser excesivamente alto, su talla era elevada, su porte noble y franco, el corte de la cara suavemente ovalado, la tez clara, coloreada de dulce y m o d e s t o carmin sobre u n f o n d o comparable al color del trigo recien m a d u r o , sin ninguna desiguald a d ni mancha; la frente, sin ser m u y elevada, alzábase igual y serena; las cejas morenas ó m á s bien negras, los ojos claros, vivos y penetrantes, d e gracia sin igual [...] (Perez Villamil 1877: 12).

Uber alle Zeiten hindurch sei das Antlitz des Erlösers erkennbar geblieben, das in der Darstellung eines jedes Menschen unausweichlich zum Bild Gottes werde. Obwohl die künstlerische Gestaltung in der Ästhetik der Zeit und der Qualität des Materials differiere, komme es letztlich auf die moralische Idee an, „que los ojos de la piedad, más expertos que los de los sabios, columbran á través de las formas imperfectas de la imágen erigida en los altares" (ebd.: 7). In der Anmut des Gottessohnes reflektiere sich die Schönheit seiner Seele und seiner Göttlichkeit, die indes in der Geschichte unterschiedliche Repräsentationen kenne. In der frühchristlichen Kunst zeigt sich Christus als Apollo und vor allem als Guter Hirte, als der er sich im Gefolge der alttestamentarischen Symbolik vom messianischen König (Ez 34,23 bzw. 37,24) selbst betrachtet. So benutzt er „diese Metapher zur Interpretation seiner Sendung (Mt 1524 L 1910 J 102. 16), seines Leidens und Sterbens (J 1011. 15) und vergleicht mit diesem Bilde die Sammlung seiner Gemeinde (J 1017) und seinen Gerichtstag (Mt 2 5 3 1 f f L 1232 J 1027-29)" ( B H H 1964, 2: 728-729). In den römischen Katakomben begegnet der Besucher dieser Figur des Guten Hirten immer wieder, die sich der jungen christlichen Gemeinde annimmt 2 1 4 , „forma como se vé perfectamente adecuada á la situación de los cristianos perseguidos y á las necesidades de la Iglesia, que como aprisco de salvación se estaba formando en medio de la sociedad pagana, inundada de fieras" (Perez Villamil 1877: 103). Mit dem Triumph des Chris-

2 1 4 Derartige Darstellungen findet man etwa als Fresko in der Domitilla-Katakombe bzw. als Mosaikklünette im Mausoleum der Galla Placidia, beide in der Mitte des V. Jahrhunderts (vgl. dazu K M L 1976, 13: 221 bzw. 227).

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tentums über die paganen Einzelsphärengötter und seinem neuen Status als Staatsreligion seit dem IV., besonders aber dem folgenden Jahrhundert während der theodosianischen Zeit und schließlich dem Zeitalter Justinians geben auch die byzantinischen Bildnisse den Gottessohn in einer majestätischen Pose wieder (vgl. LCI 1994, 1: 363). Der um die Seinen besorgte Christus weicht dem mit seiner Kirche vereinten Messias, umgeben von den Aposteln und der Jungfrau, „ya por el edificio mismo del templo, que corona la imágen gloriosa del Redentor en señal de su depositorio místico é indisoluble" (Perez Villamil 1877: 110). Gegen Ende des Mittelalters wendet sich das Blatt daher erneut. Diese grandiose Vision wird von dem Bild des gekreuzigten Heilands abgelöst, als die Ungläubigen das Abendland seit dem XI. Jahrhundert in seinen Grundfesten bedrohen und erschüttern. Aber auch die in Diadochenkämpfen und Kriegen verstrickte Christenheit bedarf wiederum jenes sich in Schmerzen windenden Erlösers, „sentimiento más adecuado tal vez en esas circunstancias, para mover á los fieles al arrependimiento de sus culpas y procurar la paz y concordia de los pueblos cristianos." 215 In den Konflikten zwischen weltlicher und geistlicher Macht, dem allgemeinen Verlust des Glaubenseifers am Ausgang der Kreuzzüge, sowie der Glaubensspaltung wiederholt sich die Passion Christi, so dass sich das Bild des Triumphators ebenso wenig mit der historischen Wirklichkeit verträgt. Angesichts von Apostasie und Revolution kehrt die christliche Gemeinde in jene Katakomben zurück, in die Verfolgung sie einst verbannt hatte. Was sich mit dem Symbolbild des Guten Hirten erneut in der Kunst zeigt, soll sich auch im Leben der Gläubigen bewähren: Diese haben sich wieder der Autorität ihres Messias zu unterwerfen, im Vertrauen darauf, dass er die Herde zusammenführt und beschützt, „[enseñándolos] la mansedumbre y la verdad con su palabra y con su ejemplo" (ebd.: 122). In dieser Analyse werden nicht allein die Bewegungen der Metaphysik bestätigt, die das Bild des Erlösers in seinem Wandel bislang noch zu bändigen wusste. In der Rückkehr des Gekreuzigten und des Guten Hirten erscheint der Heiland in einer tellurischen Symbolik, mit der die Evangelisten ihn auch evoziert hatten (WBB 1964: 337-338). Zugleich gibt es mannigfaltige Belege, die auf seine Überhöhung in der Majestät eines Königs verweisen (ebd.: 386-388), „vestida de régias vestiduras, con la mano izquierda [que] sostiene un libro abierto [y] extiende la derecha como para bendecir ó mandar" (Perez Villamil 1877: 103). Scheint der Gottessohn seinem himmlischen Vater in

215 Ebd.: 115. Auch in der Folgezeit gehört der thronende Christus jedoch weiterhin zum Bestand christlicher Ikonographie, so etwa als Wandmalerei aus S. d e m e n t e in Tahull (Barcelona).

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dieser Zurückgezogenheit und den mächtigen christlichen Imperatoren näher zu stehen als seiner Herde216, so wendet er sich, wie seit dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit von der christlichen Ikonographie ausgedeutet, in der Figur des Guten Hirten wieder der immanenten Welt zu. Umso mehr sich diese seiner Fürsorge und Heilsbotschaft entfremdet, umso mehr ist sie schließlich ihrerseits bereit, ihn in der historischen Jesusgestalt als ihresgleichen aufzunehmen, wie sich auch Versuche in der Malerei bemerkbar machen „im Christusbild nicht den traditionellen Heiland, sondern einen Christus ,in der Welt'darzustellen" (vgl. LCI 1994, 1: 447). Die Popularisierung von Devotionalien in der liberalen bürgerlichen Gesellschaft korrespondiert jedoch mit einer neuen Glaubenspraxis, in der sich Wallfahrten, erbaulich-religiöse Sonntagslektüre, christliches Vereinsleben, Marien- und Heiligenverehrung neben den offiziellen liturgischen Feiern zu einer Folklore miteinander verbinden (vgl. Shubert 1991: 238ff, Callahan 1989: 234 bzw. Cárcel Ortí 1979: 242f). Gegenüber den stimmigen Proportionen jenes „tipo tradicional de la belleza física del Salvador" (ebd.: 8) macht sich indes eine lästige Störung bemerkbar, die allerdings auf den menschlichen, schlimmer noch jüdischen Charakter des christlichen Erlösers schließen lässt. Denn „man vergleicht", wie Johann George Sulzer in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste bezüglich der ebenmäßigen Formen nachdrücklich bemerkt hatte, „die Größe des Mundes oder der Nase, wol mit der Größe des Gesichts, aber nicht mit der Größe der ganzen Statur" (Sulzer 1774, 2: 1215). Im Verhältnis zu den genannten Partien gibt nämlich die Nase, ansonsten ein so trefflich anmutendes Attribut jüdischer Physiognomie, Anlass zu besorgten Überlegungen: „La nariz recta, un poco larga según unos, de dimensiones medias según otros, pero igual y proporcionada según todos." Wenig später heißt es bezüglich eines Kruzifixes des Nicodemus: „Respecto al tipo del Salvador n o puede ser más característico de la raza judáica; la nariz, sobre todo, tiene tan pronunciado [...] el sello de esta raza, que casi se aparta del ideal de las tradiciones y el pensamiento de que el H o m b r e D i o s [...] debía sin embargo elevar este tipo á cierto grado de perfección, de d o n d e se derivan y en que deben convenir todas las razas humanas" (Villamil 1877: 14).

Der christliche Gott, der anders als die heidnischen Gottheiten die Völker im „Vicario de Jesucristo" eint, wie ein seinerzeit durchaus noch gängiger Diskurs geltend macht (Hinojosa 1878: 513), wird in seiner Universalität in 216 Vgl. etwa die Mosaiken in der Hagia Sophia vom Anfang des XI. Jahrhunderts, die den thronenden und segnenden Christus zwischen Kaiser Konstantin IX. und Kaiserin Zoe abbilden.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

Zweifel gezogen, stellt d o c h das jüdische G e r u c h s o r g a n m e h r dar als eine bloße M i s s p r o p o r t i o n i m Gesicht des Erlösers. Es verrät dessen orientalische H e r k u n f t u n d Lebensmilieu, d e n e n sich die B e t r a c h t u n g e n des spanischen Integristen n i c h t vollends zu entziehen v e r m ö g e n : S e i t d e m sich Schüler H e gels wie D a v i d Friedrich S t r a u ß ( 1 8 0 8 - 7 4 ) , B r u n o B a u e r ( 1 8 0 9 - 8 2 ) ,

Max

Stirner ( 1 8 0 6 - 5 6 ) , L u d w i g F e u e r b a c h ( 1 8 0 4 - 7 2 ) , vor allem aber der a u c h in Spanien

heftig

von

Seiten

kirchlicher

Kreise

befehdete

Ernest

Renan

( 1 8 2 3 - 9 2 ) in seiner 1 8 6 3 erschienen theologischen Schrift La vie de Jésus d e n kultur- u n d kirchengeschichtlichen G r u n d l a g e n des C h r i s t e n t u m s z u g e w a n d t hatten, k a n n sich a u c h der spanische Zeitgenosse n i c h t gänzlich der E i n s i c h t verschließen, dass „ein Jesus C h r i s t u s n u r in einer jüdischen L a n d s c h a f t m ö g lich [ w a r ] " (Nietzsche 1 9 5 4 , 2 : 1 3 3 ) 2 1 7 , eine E i n s i c h t freilich, die a u f Seiten der katholischen Geistlichkeit a u c h s c h l i m m s t e antijudaische Ressentiments w e c k t . 2 1 8 I m M i t t e l p u n k t steht a u c h hier dessen H u m a n i s i e r u n g , die unweigerlich die Lebenswelten des N a h e n O s t e n s einschließen muss, etwa w e n n R e n a n m i t den Bildungsgrundlagen des jungen Nazareners, „la m é t h o d e d e l'orient, consistant à m e t t r e entre les mains de l'enfant un livre qu'il répète en c a d e n c e avec ses petits c a m a r a d e s " , e r w ä h n t . O d e r w e n n er den E r w a r t u n g s -

2 1 7 Der Orientalist Ernest Renan wurde von der katholischen Reaktion auf ähnliche Weise als Antichrist denunziert (vgl. Martínez 1890: HO 1892) wie vor ihm bereits Voltaire (vgl. Suarez Bravo 1878). Die Biographie liegt dem spanischen Lesepublikum erst relativ spät in einer Übersetzung vor und durfte selbst bei den um Ausgleich bemühten Krausisten auf eher zurückhaltendes Interesse hoffen (vgl. dazu Pérez Gutiérrez 1988). Doch reges Interesse an der Historisierung der heiligen Schriften hatte sich unter liberalen Intellektuellen auf der Halbinsel bereits in den Lissabonner Conferencias Democráticas von 1871 abgezeichnet. Die mit der Renaissance inaugurierte hermeneutische Tradition der Bibelübersetzungen wird hier insofern überboten, als die theologische Exegese durch die philologische Kritik ersetzt wird, die einer positivistischen Geschichtsschreibung verpflichtet bleibt und mit den Kategorien von race, milieu und moment operiert. Mit der menschlichen rückt natürlich auch die jüdische Herkunft des Religionsstifters ins Zentrum der Darstellung: Zweifellos gehe Jesus aus dem Judentum hervor, wie Sokrates aus der Sophistenschule, wie Luther aus dem Mittelalter, wie Lamennais aus dem Katholizismus, wie Rousseau aus dem 18. Jahrhundert (Renan 1974). Die Wahrheit des Erlösers weicht hier der Legende eines Menschen, die seit Jahrtausenden an die Herzen aller Menschen appelliert. Dass die Theologen dem ungeheuren Impuls, der von Renan als „eine Art Romancier" ausgeht (Friedell 1976, 2: 1184) trotz seiner oberflächlichen Untersuchung wenig Widerstand entgegenzusetzen wussten, lässt sich nicht allein der Überlegenheit der positiven Wissenschaften zuschreiben (vgl. H KG 1999, 6,1: 676 bzw. 6,2: 454). 2 1 8 Vgl. etwa Hormiga de Oro (1891), die eine „misiva de los judíos de Toledo á los de Jerusalén en tiempo de Jesucristo" als angebliches Dokument vorlegen. In diesem Schreiben wird der Rat gegeben, „que tingades grande afincamiento sobre tamaña fasienda, por quel Dios de Israel, enojado con vusco, nos destruiría casa segunda voso segundo templo; ca sepades cierto cedo ha de ser destruido." Diese Mahnung, die Zeichen der Zeit zu verstehen und den Messias im geborenen Jesus Christus zu erkennen, hat jedoch keine Folgen. Vor diesem Hintergrund wird das alte Vorurteil umso virulenter, die Juden hätten den Heiland gekreuzigt.

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horizont des Lesers mit der Bemerkung zurecht rückt, „[que] la délicatesse des manières et la finesse de l'esprit n'ont rien de commun en Orient avec ce que nous appelons éducation" (Renan 1974: 130-131). Gerade in seiner jüdischen Herkunft, die in dem gleichnamigen Protagonisten des Romans Nazarin von Pérez Galdós nicht weniger prägnante Konturen erhält, „o más bien joven prematuramente envejecido, rostro enjuto tirando a escuálido, nariz aguileña, ojos negros, trigueño color, la barba rapada, el tipo semítico más perfecto que fuera de la Morería he visto: un castizo árabe sin barbas" (Pérez Galdós 1992c: 14), wird zugleich der menschliche Charakter des historischen Jesus evident. Freilich gerät damit auch sein absoluter Projektionsrahmen in Gefahr, erscheint der Erlöser im wenig geschickten Entwurf des Nicodemus doch als Vertreter einer bestimmten an den Rand der christlichen Gesellschaft gedrängten Rasse, „que casi se aparta del ideal de las tradiciones y del pensamiento de que el Hombre Dios, al tomar los caractères propios de la raza providencialmente destinada á darle nacimiento [...]" (Villamil 1877: 15). Die Repräsentation des Allgemeinen gerät zur Darstellung des Besonderen, in dem sich die Vereinzelung des Menschen Jesus in Zeit und Raum mitteilt. Mit der Auflösung der innertrinitarischen Beziehungen muss sich der Sohn bis in seine ethnischen, sozialen und historischen Spuren hinein humanisieren. Wiewohl sich eine derartige Perspektive aus den Dispositionen einer totalisierenden Geschichtlichkeit eröffnet, liegt dieser Anthropomorphismus, wie bereits erörtert, in der christologischen Begründung des christlichen Glaubens und seiner akosmischen Grundstruktur selbst, „[die] diese Religion von allen anderen Religionen radikal abhebt" (Tibon-Cornillot 1979, 21: 40). Es ist daher nicht verwunderlich, dass die dem Christentum inne wohnende Neigung zwar als verhängnisvoll fiir das überlieferte Gottesbild, aber eben doch als unausweichliche „tendencia inherente á nuestro espíritu" eingeschätzt wird, „que nos lleva á atribuir á la Divinidad los sentimientos, pasiones, ideas y actos del hombre" ( D H A 1887, 2: 352-353). Das menschliche Erkenntnisvermögen, noch dazu im ausgehenden 19. Jahrhundert, erscheint geradezu prädestiniert, Begriffe aus einer mit imaginativen und plastischen Mitteln operierenden Verstandestätigkeit zu entfalten, welche die Welt aus den Wahrnehmungen und Erfahrungen „de nuestro yo" erklärt (ebd.: 352). Freilich kann es dabei vom zuhöchst gesetzten Seienden, das ja eigentlich über diesen stehen müsste, nicht absehen und deutet das Göttliche aus den eigenen Visualisierungen. Aus den numinosen werden so im Rekurs auf den auch in Spanien beachteten Eduard Hartmann (1877) menschliche Zeichen, die auch nur auf andere ihrer Art zu verweisen vermögen:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen Así, por ejemplo, la imaginación representa las relaciones de Dios con el mundo según el tipo de las relaciones de las criaturas entre sí y á veces mecánicamente como cuando se comparan aquéllas con las que mantiene el relojero con el reloj. Pero además la imaginación representa sensiblemente estos y otros conceptos con elementos ó materiales tomados de nuestro propio ser, ya que, según dice Hartmann, la llamada imaginación creadora lo es en cuanto á las formas y sus combinaciones, pero sólo puede ser reproductora del material (DHA 1887, 2: 353).

Diese Neigung zum anthropomorphen Denken „[als] Erfassung des Göttlichen in Menschengestalt" (Kirchner/Michaelis 1907: 48) durchzieht nach damaligen Vorstellungen alle Entwicklungsstufen vom orientalischen Fetischismus bis zur anthropomorphen Theodizee, „tout s'y rapportant finalement ä l'humanité, unique conception pleinement universelle", wie Auguste Comte (1955: 231) das System der positiven Wissenschaften als den Endpunkt menschlichen Strebens erläutert. Die Hoffnung des eher konservativen zeitgenössischen Enzyklopäden auf Uberwindung des anthropozentrischen Denkens lässt freilich die Tatsache außer acht, dass es eben jene Menschwerdung Gottes ist, die den Anthropomorphismus am nachhaltigsten befördert. In seinem Vortrag vor dem Madrider Ateneo über das religiöse Problem in Spanien muss sich Moreno Nieto daher 1877 eingestehen, dass der moderne Mensch in seinem numinosen Gegenüber keinen anderen mehr zu erkennen vermag als sich selbst und seines Erlösers kaum noch ansichtig werden könne: Y cuando la crítica haya destruido lo sobrenatural como inútil y los dogmas como irracionales; cuando el sentimiento religioso, por una parte, y por otra una razón exigente, hayan penetrado á la creencia y la hayan transformado asimilándosela; cuando no haya otra autoridad en pie más que la conciencia personal de cada uno; cuando, en una palabra, el hombre, todos los velos, destreñandos todos los misterios, contemple frente á frente el Dios á que aspira, ¿no resultará que este Dios no es otra cosa que el hombre mismo, la conciencia y la razón del hombre personificadas? Y la religión, so pretexto de hacerse más religiosa, ¿no habrá dejado de existir? (Moreno Nieto 1882: 55-56).

Wenn aber die Religion und damit die spekulative Philosophie „das Wissen des göttlichen Geistes von sich durch Vermittlung des endlichen Geistes [ist]" (Hegel 1979, 16: 198), dann begibt sie sich in die Abhängigkeit zu einer Objektwelt, die auch das absolutum (als das von der stofflichen Welt Losgelöste) den Gesetzen der Vergänglichkeit unterstellt und es demzufolge aus deren Perspektive bewertet. Die Dürftigkeit der Zeit liegt gerade in der Bedürftigkeit des Menschen als Gattungs- und Einzelwesen, das als Ergebnis einer negativen Dialektik in seinen Triumphen auch die von seiner Endlichkeit gesetzten Grenzen erkennen muss:

Der Zerfall des göttlichen Zeichens

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Vielleicht ist es die tiefste U n s t i m m u n g des Idealismus, dass er einerseits Säkularisation zum Äußersten vollziehen muss, um nicht seinen Totalitätsanspruch zu opfern, andererseits jedoch sein Phantom vom Absoluten, die Totalität, allein in theologischen Kategorien aussprechen kann. Der Religion entrissen, werden sie wesenlos und erfüllen sich nicht in jener 'Erfahrung des Bewußtseins', der sie nun überantwortet sind. Tätigkeit des Geistes, einmal vermenschlicht, kann niemand und nichts anderem zugesprochen werden als den Lebendigen (Adorno 1994: 201).

Der nicht selten koinzidierende Moment triumphaler Selbsttäuschung und alles entzaubernder Selbsterkenntnis ergibt sich aus dem Umstand, dass den Insignien des Göttlichen auch alle Zeichen des Endlichen, Unvollkommenen und damit Beschränkten anhaften. Jenseits des alten Vatergottes und des Neuen Menschen konstituiert sich eine Sprache, die „nicht mehr auf eine innere Bestätigung, auf eine zentrale und unverrückbare Sicherheit hin orientiert sein [darf], sondern auf eine äußerste Grenze hin, an der sie sich immer in Frage stellen muss und wo sie, an ihrer eigenen Grenze angelangt, nicht die ihr widersprechende Positivität trifft, sondern die sich verlierende Leere" (Foucault 1987: 51). Dass zahlreiche Lebensbilder über Jesus „schlicht der Phantasie ihrer Verfasser [entspringen]" (Heiligenthal 1997: 126) und sich seine Humanität in unzähligen neuen Bildern auflöst (ebd.), die in der Moderne auch bis zu seiner Arisierung reichen (vgl. Fenske 2005), ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass sich diese neue Sprachlichkeit von der alten ontologischen Metaphysik abstößt, „sie vielleicht heimlich ersehnend, aber zugleich doch wissend, dass sie im Sinne einer Seinsgeborgenheit nicht erreichbar ist" (Schulz 1985: 416). Waren es bislang Archetypen wie das Urbild und Abbild, der Vater und der Sohn, die als Instanzen der Wahrheit Antworten auf das Sein im Sinne der christlichen Lehre erteilten, ist es nun die Sprache selbst, aus deren Frageformen sich das Subjekt in seinem Verhältnis zum Sein herausschält: Hinsehen auf, Verstehen und Begreifen von, Wählen, Zugang zu sind konstitutive Verhaltungen des Fragens und so selbst Seinsmodi eines bestimmten Seienden, des Seienden, das wir, die Fragenden, je selbst sind. Ausarbeitung der Seinsfrage besagt demnach: Durchsichtigmachen eines Seienden — des fragenden — in seinem Sein. [...] Die ausdrückliche und durchsichtige Fragestellung nach dem Sinn von Sein verlangt eine vorgängige angemessene Explikation eines Seienden (Dasein) hinsichtlich seines Seins (Heidegger 1993: 7).

Zwar wird „die Grundstimmung der Negativität als einem Zeichen der Epoche" vom Alltagsbewusstsein zwar weithin verdrängt (vgl. Schulz 1985: 417). Doch auch auf dem Boden dieser Alltäglichkeit bewegen sich die Menschen nicht mehr auf jenem gesichertem Terrain, wie es die Metaphysik der

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen'

Tradition mit ihrer absoluten, aber illusionären Einsicht in das Ganze des Seins noch zu garantieren verspricht. Divergierende kognitive Stadien werden einander abwechseln, die Unsicherheit wird der Gewissheit folgen, das Wissen wird das Nichtwissen nach sich ziehen und die Transparenz der Dinge wird auf die Undurchsichtigkeit der Verhältnisse treffen: Der Metaphysik des Schwebens ist eine Sicherheitsposition nicht gegeben: Letztere ist vielmehr „virtueller Ausgangspunkt, von dem [sie sich als virtuelle Endposition\ immer schon abgestoßen hat", ohne sie zu erreichen (ebd.: 416). 2 , 9 Während diese Negativität „im Sinne einer nicht Festigkeit versprechenden Schwebe [...] in der Realwelt negiert" wird (ebd.: 417), kann sie in den Sprachen der Kunst und Philosophie „als primärer Gegenstand der Darstellung erscheinen" (ebd.) und ihre Wirkung vollends entfalten.

5 . 0 D I E ' D Ü R F T I G E Z E I T ' ALS N E U E S W E L T A L T E R

Das Wort 'Zeit' in Hölderlins Frage „ ... und wozu Dichter in dürftiger Zeit?"deutet auf das Weltalter hin, in dem wir selbst jetzt leben. Denn durch den Opfertod Christi ist für die geschichtliche Erfahrung Hölderlins das Ende des Göttertages angebrochen. Es wird Abend. Nachdem die Hoffnung auf ein goldenes Zeitalter und aufein Paradies zerstört ist, neigt sich der Abend der Weltzeit ihrer Nacht zu. „Die Weltzeit breitet ihre Finsternis aus. Das Weltalter ist durch das Wegbleiben Gottes, durch den 'Fehl Gottes' bestimmt" Littek ( 1 9 9 5 : 8 0 )

5 . 1 D I E K Ö N I G I N IM S P I E L DES G O T T E S S I G N I F I K A N T E N

Vornehmlich sind es zwar „gemalte Bilder als intentional entworfene Gebilde Gegenstände unseres Verstehens [...], die in der Organisation des Sichtbaren auch von der alltäglichen, eingeübten Wahrnehmung" abweichen können. (Scheer 1997: 197) Der aufmerksame Zeichenbenutzer wird jedoch schon die Alltagswelt in ihrem Zeichencharakter wahrnehmen. Obwohl sich seine 219 Vgl. Heidegger (1986b: 32), der den von Schulz inaugurierten Metaphysikbegriff in der Unbestimmtheit des Angstempfindens wahrscheinlich vorgeprägt hat und, wie folgt, beschreibt: „Wir »schweben« in Angst. Deutlicher: die Angst läßt uns schweben, weil sie das Seiende im Ganzen zum Entgleiten bringt. Darin liegt, daß wir selbst - diese seienden Menschen — inmitten des Seienden uns mitentgleiten. Daher ist im G r u n d e nicht »dir« und »mir« unheimlich, sondern »einem« ist es so. N u r das reine Dasein in der Durchschütterung dieses Schwebens, darin es sich an nichts halten kann, ist noch da. Die Angst verschlägt uns das Wort. Weil das Seiende im Ganzen entgleitet u n d so gerade das Nichts andrängt, schweigt im Angesicht seiner jedes »Ist«-Sagen. D a ß wir in der Unheimlichkeit der Angst oft die leere Stille gerade durch ein wahlloses Reden zu brechen suchen, ist nur der Beweis für die Gegenwart des Nichts."

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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bildhafte Einstellung zur Welt des Sichtbaren nicht im Gegenstand, sondern im Sehen selbst hervorbringt (vgl. LdK 1987, 1: 539-540), kann er sich im Durchspielen jener im immateriellen Bild enthaltenen Kontravalenzen seiner eigenen Strukturierungsaktivität bewusst werden. Wie wir am folgenden Beispiel sehen, kann die Zeichenbildung zumal dann thematisiert werden, wenn sie als eine bestimmte visuell-emotionale Einstellung des Menschen zur Welt in der Schrift festgehalten ist, wie dies in einem Artikel von Pérez Galdós (1951, 6: 1414-1420) der Fall ist. In diesem gedenkt er der in der Gloriosa gestürzten Isabella II. (1830-1904), die er kurz vor deren Tod in ihrem Pariser Exil besucht. Der Sturz dieser Monarchin ins Bodenlose wiederholt sich hier in einer Sprache, in deren gegenläufigen Bewegungen sowohl die Aura eines majestätischen Bildes als auch die Destruktion desselben zur Entfaltung kommen. In der Gestalt dieser Königin, deren Name, vor dem Hintergrund einer glorifizierenden Historienmalerei zumal, auf die katholische Gründerin der spanischen Einheit verweist, verdichten sich zu Beginn ihrer Regentschaft noch die höchsten Hoffnungen, am Vorabend der Revolution jedoch die tieftsten Enttäuschungen der liberalen Kräfte (vgl. Baumeister 1997). Deren Versuch, bürgerlich-parlamentarische Strukturen innerhalb der Monarchie zu etablieren, sollte die Unzufriedenheit beider Seiten zur Folge haben und letztlich auch entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Während bei den progresistas nach einer Unzahl von Regierungswechseln schließlich die Überzeugung Oberhand gewinnt, dass die Republik die künftige Staatsform Spaniens sein müsse (vgl. Alvar Ezquerra 2002: 964f), haben sich die Royalisten mit der Einsicht zu bescheiden, dass die Monarchie zum Schatten ihrer selbst geworden ist. Vornehmlich sind es diese Beharrungskräfte, die moderados oder die Kreise des Hofes, wie sie von Pérez Galdós in La de Bringas geschildert werden, die aus den direkten Interventionen der Krone die meisten Vorteile zuungunsten einer sich immer radikaler gebärdenden Opposition ziehen (Carr 2001: 2). 220 In dem Maße, wie sich die Regentin aus der Tagespolitik zurückzieht, nehmen ihre symbolischen Kernaufgaben einen umso größeren

2 2 0 So überkommt den Royalisten Francisco de Bringas die Angst vor der Revolution, deren Ankunft er allerdings vorausahnt: „Amargaban su contento las voces que corrían en aquel condenado año 68 sobre si habría o no trastornos horrorosos, y el temor de que la llamada revolución estallara al fin con estruendo. Aunque la idea del acabamiento de la monarquía sonaba siempre en el cerebro del buen hombre como una idea absurda, algo así como el desequilibrio de los orbes planetarios, siempre que en un café o tertulia oía vaticinios de jarana, anuncios de la gorda, o comentarios lúgubres de lo mal que iban el Gobierno y la Reina, le entraba un cierto calofrío, y el corazón se le contraía hasta ponérsele, a su parecer, del tamaño de una bellota" (Pérez Galdós 1985b: 65).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

Stellenwert ein. A l s R e p r ä s e n t a n t i n der N a t i o n steht d i e K ö n i g i n allerdings unter der B e o b a c h t u n g einer kritischen Ö f f e n t l i c h k e i t , d i e sich bald in „krud e n P a m p h l e t e n , S p o t t g e d i c h t e n u n d Karikaturen" über ihren l o c k e r e n Lebensstil u n d ihre v e r m e i n t l i c h zahlreichen L i e b h a b e r n auslässt ( B a u m e i s t e r 1 9 9 7 : 2 3 2 ) . 2 2 1 In einer Zeit, in der der G l a u b e n s z w e i f e l d e m W u n d e r g l a u b e n in W i n d e s e i l e z u f o l g e n scheint 2 2 2 , v e r m a g j e d o c h selbst d i e Auratisierung der e n t m a c h t e t e n Herrscherin seitens eines allseits b e k a n n t e n R e p u b l i k a n e r s k e i n B e f r e m d e n m e h r auslösen. Z u n ä c h s t b e s i n n t sich dieser n ä m l i c h eines k o d i f i zierten S i n n b e z u g e s , m i t d e m d i e B e z i e h u n g e n der U n t e r t a n e n z u m M o n a r c h e n ihre geregelte Sprache f i n d e n : [...] m e i m p u s o la presencia d e esta señora u n alelado respeto, pues no es lo mism o tratar con majestades en las páginas d e un libro o en los cuadros de u n museo, q u e verlas y oírlas y tener q u e decirles, d a n d o u n o la cara, en visitas de carne y d e hueso, sujetas a inflexibles reglas ceremoniosas. Por mi gusto, m e habría limitado a las fórmulas de cortesía y h o m e n a j e [...] (Pérez Galdós 1951, 6: 1414). D i e s e r T o n der Ehrfurcht w e i c h t alsbald aber angesichts der s c h l i c h t e n u n d f r e u n d l i c h e n H a l t u n g der K ö n i g i n , d i e in einer n i c h t w e n i g e r e i n f a c h e n u n d v e r s t ä n d l i c h e n Sprache ihre M e m o i r e n v o r d e m interessierten B e s u c h e r ausbreitet, einer familiären A t m o s p h ä r e , z u m a l Isabella II. ihre U n t e r t a n e n o h n e h i n als Teil einer g r o ß e n Familie betrachtet (vgl. d a z u z. B. Pérez G a l d ó s 1 9 8 5 b , bes. Kap. 11). A b g e s e h e n d a v o n , dass in ihren E r z ä h l u n g e n a u c h historische Ereignisse in e i n anderes Licht rücken m ü s s e n , „ d e j a n d o entrever u n a versión distinta d e las d o s q u e corrieron, favorable la u n a , adversa la otra

221 Vgl. Charnon-Deutsch 2000. Zu den gewagtesten Schmähschriften, die allerdings erst über hundertzwanzig Jahre später bekannt werden sollten, gehört das 1868/69 aus der Feder der Brüder Gustavo Adolfo (1836-70) und Valeriano Domínguez Bécquer (1833-70) stammende Album Los Bortones en pelota. In seinen neunundachtzig Wasserzeichnungen wird der ehemals geheiligte Körper der Monarchin einem pornographischen und damit zugleich demütigenden Blick ausgesetzt, wie man ihn von ähnlichen Machwerken über die französische Königin Marie Antoinette kennt. Die ehrwürdige Landesmutter erscheint hier u. a. in kompromittierenden Aktbildern mit einem Hengst (ebd.: 113) oder mit einer gleichgeschlechtlichen Bettgenossin (ebd.: 123): „The sexual activities depicted or implied run the gamut from masturbation to sodomy and fleet; from group intercourse to bondage; from homosexuality to bestiality and castration or self-mutilation" (ebd.: 117). 222 Vgl. etwa Berichte, wie jenen über Wunderheilungen in Alicante, nachzulesen in der Ausgabe vom 15. September 1891 des katholischen Integristenblatts Hormiga de Oro, oder jenen über den Besuch Émile Zolas in Lourdes, am 7. bzw. 15. September 1892 in dieser Publikation erscheint. Die Revista Carmelitana hatte bereits am 7. November 1885 über ähnliche Ereignisse in Valencia berichtet: „Los médicos que la [sor Vicenta Bonet] visitaban, muy recomendables por su probada suficiencia, han clasificado la tan portentosa y repentina curación de verdadero milagro, sin poder explicar la ciencia médica tan radical é instantánea curación, despues de haber reconocido su dolencia como incurable."

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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a la pobrecita reina" (Pérez Galdós 1951, 6: 1415), erscheinen alsbald die Person der Königin und ihr politischer Körper selbst so sehr den Bedingungen ihrer Zeit, Umwelt und Erziehung, nicht zuletzt aber auch denen ihres seinerzeit noch jungen Alters unterworfen. Wie ein A parte-Sprechen auf dem Theater fugt sich da die Rede des Besuchers, die zwar der Königin gilt, aber doch unausgesprochen bleiben muss, weil sie auf unmerklich grundsätzliche Weise die Frage nach der Repräsentierbarkeit der gesellschaftlichen Ordnung durch ein Herrschersubjekt aufwirft: ¿Verdad, señora, que en la mente de vuestra majestad no entró jamás la idea del Estado? Entró, si, la realeza, idea fácilmente adquirida en la propia cuna; pero el Estado, el invisible ser político de la nación, expresado con formas de lenguaje antes que por pomposas galas que hablan exclusivamente a los ojos, rondaba el entendimiento de vuestra majestad, sin decidirse a entrar en él (ebd.: 1416).

Hier wird deutlich, dass sich jener zweite Körper vom einstigen Souverän so emanzipiert hat, dass dieser mit der Französischen Revolution nicht nur die Zerstückelung seines natürlichen Leibes hinnehmen musste, sondern auch die Abtrennung seines politischen. Auch der Hinweis, dass der Diskurs des modernen Nationalstaates eher auf sprachliche Repräsentationen verweist denn auf zeremonielle, drückt nur das Unverständnis des bürgerlichen Zeitgenossen gegenüber abgelebten Formen der Macht aus, die den im parlamentarischen System vielfältig miteinander konkurrierenden Interessen keinen angemessenen Ausdruck mehr zu geben vermögen. Um das Gesetz der Repräsentation überhaupt in die Moderne hinüberretten zu können, bedarf es eines neuen identitären Gebildes, der vaterländischen Nation, in deren Körper sich demnach die einzelnen Glieder wiederfinden können. Dieser neue Gesamtkörper unterliegt jedoch anderen Gesetzen als der mystisch-monarchische, der viel weniger als der erste der Gefahr des Zerfalls und der Konjunkturen ausgesetzt zu sein scheint: ¿No confió la reina demasiado en el amor de su pueblo y en la protección divina, dos cosas, ¡ay!, sujetas a inesperadas, lastimosas quiebras? Porque los pueblos aman y Dios protege, pero siempre con su cuenta y razón. [...] El amor de los pueblos suele ser más egoísta que el de los hombres, y han menester los reyes de una constante atención sobre las vidas y sobre los intereses de la familia nacional [...] (ebd.).

Auch die göttliche Instanz findet auf Erden nicht mehr den ihr gebührenden Repräsentationsmodus in jenen historisch abgegoltenen Wunderikonen, die aus einer anderen Epoche stammen und die Wahrnehmung der jungen Königin für die Jetztzeit trübten:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' El favor del cielo debió vuestra majestad esperarlo c o m o sanción de sus actos y de su fiel cumplimiento de las leyes, y no vislumbrarlo tras de las milagrerías y enredos con que alucinaban a la pobre niña reina los traficantes en piedad o cambiantes de almas por intereses y de intereses por almas (ebd.).

Doch das Ungesagte verhallt nicht vergebens im leeren Raum, muss doch auch die abgeklärte Königin konzedieren, dass sie Schwächen und Vorteile „de su raza" aufweise, ohne jedoch die alleinige Schuld für eine bedauerliche Entwicklung zu haben, die von den Interessen unzähliger Kontrahenten bestimmt wurde und das Leben einer ungleich größeren Zahl von Menschen bestimmte, (ebd.) Mit dem zunehmenden Unvermögen, Gesellschaft und Staat noch hinreichend als Monarchin zu repräsentieren, mussten aber auch ihre persönlichen Bemühungen das Ziel verfehlen. Angesichts dieses Mangels schweifen die Betrachtungen des Besuchers von Ruinen und Ruin der Vergangenheit zu jener „imagen de la dama bondadosa, tal como en sus floridos años nos la presentan las pinturas de la época" (Pérez Galdós 1951, 6: 1417), der er utopische Bilder folgen lässt, wie sie die Royalität nur in ihrer äußersten Idealität, aber grössten Unwahrheit zu zeichnen vermag: Auch hier begegnen wir der von Hegel entworfenen in sich ruhenden Zirkelbewegung, die zum authentischen Selbst, von der Realhistorie der schlechten Verhältnisse zur eigentlich wirklichen, doch immer noch ungeschriebenen Geschichte der Gattung 'Mensch' zurückkehren will: Yo reconstruía el reinado de Isabel II desde sus cimientos, y a mi gusto lo levantaba después hasta la cúspide o bóveda más alta, poniendo la fortaleza donde estuvo la debilidad, la prudencia en vez de las resoluciones temerarias, el sereno sentir de las cosas donde moraron la superstición y el miedo (ebd.: 1417-1418).

Wie der Versuch, den unsichtbaren Körper des Königs zu reanimieren, lesen sich da die Anregungen des Besuchers, der die Geschichte dergestalt reformiert, dass aus der glücklosen Regierungszeit Isabellas II. „un reinado de bienandanzas" werde (ebd.: 1418). Eine bürgerliche Ehe, die von Vernunft und gegenseitiger Zuneigung bestimmt gewesen wäre, hätte er der realen vorgezogen: Auf einen „principe ideal" unter den besten Fürsten Europas wäre seine Wahl wohl gefallen. Nun fehlte in diesem „restaurado edificio histórico" nur noch ein erfahrener Politiker vom Schlage jenes altersweisen Antonio Cánovas, „no como era el 46, un mozuelo sin experiencia, sino como fue después, en la madurez de su laboriosa vida política" (ebd.). Ohne auf den gewaltsamen Tod des Premierministers einzugehen, der seinem Lebenswerk ein jähes Ende setzen sollte, empfiehlt der historische Beobachter den Politiker als einen wichtigen Gewährsmann, der die sich selbst überlassenen politischen Gliedern zu neuer Geschlossenheit verholfen hätte:

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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C o n el Cánovas de 1876 puesto treinta años atrás en la serie histórica, transmutación admisible en la ley del ensueño, no había miedo de que a espaldas de los Gobiernos visibles trabajasen en las sombras palatinas las camarillas enmascaradas, apartando de su dirección recta las resoluciones de gobierno. Cánovas [...] hubiera hecho de la servidumbre de Palacio lo que debía ser: habría cortado toda comunicación con monjitas extáticas y capellanes traviesos, suprimiendo con sólo un gesto la milagrería y embusteras santidades, que así desdoraban el altar c o m o el trono... (ebd.).

Diesen sublimen Figurationen, die den Vergleich mit verklärten Standbildern der Antike nicht hätten zu scheuen brauchen, muss nun freilich ein Abschwung in die Abgründe der Realgeschichte folgen. Dort könnte nämlich als nicht einmal gesichert gelten, dass die ideale Trinität aus Königin, König und Premierminister selbst in der besten aller Welten der Verschwörungen und Bürgerkriege Herr geworden wäre. Doch obwohl ein tröstlicher Wink dem Besucher noch bedeutet, dass unter diesen Bedingungen vielleicht doch wenigstens ein größerer Frieden das Land vor einem weiteren Zerfall bewahrt hätte, besinnt er sich schon der Grenzen seiner Chimären, „y sólo en sueños han existido estos Equis, correctores del destino y de la adversidad humana" (ebd.). Denn im Grunde sind die Vexierbilder, denen wohl auch die verflossene Königin nachhängen mag, durch die schlechten Verhältnisse längst widerlegt, die aber aus der Sicht eines anachronistischen Bewusstseins - der historische Betrachter befindet sich im Jahr 1904 - immerhin noch Anlass zur Hoffnung boten als die späterer Zeiten: Entonces era mayor la ignorancia; pero las voluntades más firmes. Entonces hacían los hombres algo bueno, y algo, quizá algos, perteneciente al reino de la maldad; ahora los hombres han descubierto y practican el fácil oficio de no hacer nada. Entonces había más fe, ideales luminosos, arrestos para todo; hoy tenemos un poquito de cultura, conocimientos de mayor extensión: se sabe el nombre de las cosas, las subcosas y toda la derivación de la materia o del pensamiento tiene su estudio, mas reina en las almas el orgullo de saber o el desdén de lo que se ignora, envueltos ambos en la blanda pereza de las acciones (Pérez Galdós 1951, 6: 1419).

Wie der autonom gewordene Gesellschaftskörper seinen Endzweck verloren hat, weil sich die im Zuge des Wissenschaftspositivismus entwickelten Mittel von ihrer Bestimmung gelöst haben und, wie Christopher Caudwell noch einundzwanzig Jahre später konstatiert, „die Entwicklung der bürgerlichen Kultur ein Zurückweichen der Ideologie in die getrennten Bereiche der Kunst, Philosophie, Physik, Psychologie, Geschichte, Biologie, Ökonomie, Musik, Anthropologie und in ähnliche Gebiete bewirkt" hat (Caudwell 1975: 292), so gibt es aus der Perspektive des Schreibenden kein Ideal mehr, weder

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Jenseits von altem Gott und ' N e u e m Menschen'.

das des Vaterlandes noch das der Monarchie oder der Republik, das den Gang der Geschichte unbeschadet überstanden hätte. Das 'Ich', dem er im idealen Subjekt des Herrschers noch soviel Großmut zugetraut hatte, ist auf den ordinären Egoismus der Einzelglieder, „su santa voluntad", zurückgewichen, die den bloßen Alltagslaunen des Alltags folgen (Galdós 1951, 6: 1419). So müssen die Traumgebäude der idealen Könige ebenso einen Zusammenbruch erleben wie vor ihnen jene Mystifikationen, welche die reale Monarchie mit der göttlichen Gnade ausgezeichnet hatte. So sehr ihre persönliche Generosität Isabella II. auch zu einer unbewussten Revolutionärin gemacht haben mochte, so sehr sie auch danach getrachtet haben mochte, „una reina burguesa y correctísima" zu werden (ebd.: 1420), so wenig entsprach sie doch als ewiges Kind den einen wie den anderen Imaginationen einer gerechten Monarchin. Doch eben in diesen Gegenüberstellungen von Chimären und historischer Realität verfällt der Besucher der Königin selbst dem Spiel des Gottessignifikanten, wenigstens solange, bis ihn seine Skepsis wieder eingeholt hat. 223

2 2 3 Vgl. dagegen Pérez Galdós (1972b: 541-544) in La Nación vom 13. X. 1868. Aus der unmittelbareren Erinnerung an ihre Regentschaft erscheinen Königin und königliche Familie freilich in einem weitaus weniger günstigen Licht, so dass die späteren Imaginationen des Autors hier völlig undenkbar gewesen wären. Dass der politische noch von jenem königlichen Körper repräsentiert werden könnte, aus dem jede Idealität des Kunstschönen gewichen ist, bestreitet er seinerzeit in der Metaphorik einer verfallenden Leiblichkeit nachdrücklich: „Hoy, cuando todas esas figurillas encubiertas de plumas, oropeles, galones, mantos, coronas y colorete, han huido arrastrados por el torbellino de una gran Revolución, es curioso y entretenido volver los ojos hácia aquellas farsas con que nos divertían los individuos de la inepta familia que ocupó por espacio de siglo y medio el trono de España. ¡ Q u é familia, santo Dios! En la fisionomía de todos ellos se observaban los mas claros caractéres de la degradación. Ni una mirada inteligente, ni un rasgo que exprese la dignidad, la entereza, la energía, el talento. N o se ven mas que caras arrugadas y ridiculas, deformes facciones cubiertas de una piel herpética, sonrisas y saludos afectados que indican la mala educación de los niños y el cinismo de los mayores."

D i e 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

5 . 1 . 1 ' L A SEMANA SANTA' U N D DAS E N D E DER K A T H O L I S C H E N

285 EINHEIT

Siempre me ha parecido escandalosa la tal procesión [del Viernes Santo]. Es un conjunto híbrido de fanatismo y de descaro; tiene algo de drama terrorífico f...]; es un símbolo que en vano trata de divinizarse, porque es lo más humano del mundo; porque reúne al escarnio cierta repugnancia patibularia. Compónese de quince o veinte imágenes, de las cuales alpinas son de un gusto detestable, y otras pertenecen a ese extraño género de escultura en que el arte español ha trazado los rasgos del Hombre Dios, contraídos por el más humano de los dolores, ensangrentado y lívido del rostro, mirando al cielo en la actitud del ajusticiado, mostrando llagas en que se ve [...] la acción de los azotes; real hasta el punto de parecer, más bien que un Dios moribundo, algún contuso arrancado del lecho de un hospital. Estas imágenes [...] son conducidas en hombros de penitentes asquerosos. [...] Si a esto se añaden las turbas sacristanescas, inmensa multitud de hopalandas negras que pululan alrededor de las andas, y que más bien parecen arrastrar en son de burla las divinas figuras, que conducirlas pomposa y dignamente para excitar la fie y el entusiasmo religioso [...]. [...] se creería que aquella gente escarnece en imagen una institución, o que pasea en trofeo símbolos que desprecia. Pérez Galdós (1951, 6: 1508-1509) Im Rahmen des christlichen Kalenders erinnert die Karwoche über die anderen beweglichen und festen Feiertage hinaus an die wichtigsten Ereignisse der Heilsgeschichte 224 , an den Palmsonntag, an dem Jesus Christus feierlich in Jerusalem einzieht, an den Gründonnerstag, an dem das denkwürdige Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern stattfindet und der Menschensohn auf dem Olberg verhaftet wird, an den Karfreitag, an dem er von Pontius Pilatus verurteilt wird, um dann gekreuzigt zu werden und schließlich an den Ostersonntag, an dem die Apostel das leere Grab des nun selbst erlösten Erlösers antreffen, der schließlich zu seinem Vater im Himmel auffahren wird. Es ist also eine Zeit, in der des elementarsten Mysteriums des Christentums, der Transsubstantiation von Wein in Blut und von Brot in Fleisch, gedacht wird und damit auch der Einsicht des Glaubens, dass der Menschen neben seinem irdischen über einen ewigen Körper verfugt. Es braucht in diesem Zusammenhang nicht betont zu werden, dass die semana santa gerade in Spanien neben dem für das Theater bedeutsamen Fronleichnamsfest (vgl. dazu Bustos

224

Vgl. Maier (1995: 109ff.). Wie sehr „die Sonntagsfeier im Ostergeschehen verankert war" und dabei „immer mehr in Konkurrenz zur jüdischen Festordnung [tritt]", zeigt sich auch daran, dass die ersten christlichen Gemeinden auf die Erscheinungen Jesu am ersten Tag nach dem Sabbat Bezug nehmen. Sie bezeichneten diese Versammlung Herrentag, weil in diesem der wichtigsten Geheimnisse des Glaubens gedacht wird: Denn Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi fügen sich schließlich in die Heilsbestimmung jedes einzelnen Gemeindegliedes, sodass „der Tag der Verherrlichung Jesu regelmäßig begangen und immer wieder vergegenwärtigt werden [sollte]".

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1988: 115-145) und den für die spanische Kirche besonderen Anlässen 225 auch heute noch im Zentrum von Feierlichkeiten steht, die den bloß kirchenfestlich-liturgischen Rahmen in seinem Ausmaß durchaus hinter sich lassen: Dennoch erscheint die prachtvolle Inszenierung der passio Christi, die im Zeichen der semana santa, besonders aber am Karfreitag stattfindet, auch unausgesprochen über Jahrhunderte als Zeichen für die Lebendigkeit des spanischen Volksglaubens (vgl. Bennassar 1992: 32ff.). Ganz andere Zeichen erkundet da Pérez Galdós in einigen unveröffentlichten Briefen an La Prensa von Buenos Aires, in denen er eher die Fülle eines abwesenden Gottes erfasst als die Einkehr jener geläufigen Bilder von der Gottesmutter Maria, dem Sohn Gottes oder einem allmächtig herrschenden Himmelsvater, wie sie die süßliche Ikonographie der katholischen Presse schmücken. 226 Diese Texte, denen ein ähnlich zeitkritischer Tenor zu entnehmen ist wie in dem vormals zitierten, enthalten im Grunde die zur Kennung der Zeit wesentliche Motive (u.a. das Verblassen der christlichen Bilder gegenüber jenen viel konkreter und konturierter hervortretenden Gebilden, die sich die modernen Wissenschaften geschaffen haben). So erscheint es sinnvoll, sie mit anderen Aussagen von Pérez Galdós und seiner Zeitgenossen in Beziehung zu setzen. Was vormals dem Zustand der Monarchie zugedacht wird, wiederholt sich nun in Hinblick auf die Religion, und zwar in Hinblick auf einen im Kirchenjahr immer wiederkehrenden Zyklus, in dem alle Sinne und Gefühle der Gläubigen angesprochen werden: Lueurs qui frisonnent dans la nuit, roulements d e tambour, cagoules de mystère, odeurs d'encens et d e cire, odeur et apparence d u sang, images dramatiques d e la Passion d u Christ, taillées dans le bois et revêtues de couleurs éclatantes, supportées par des corps en sueur, tel est le spectacle offert chaque année à la foule, i m m é d i a t à ses sens et à s o n c œ u r (Bennassar 1992: 3 5 bzw. 1 9 6 7 : 4 8 0 ) .

Eben jene semana santa, in der die Katholizität des Landes am deutlichsten zu strahlen scheint, wird in den Beobachtungen von Pérez Galdós im Mai 1885 zum Emblem für das religiöse Gefühl als „la energía fundamental de nuestra raza en tiempos felices" (Pérez Galdós 1973: 145) überhaupt. Gemessen am Erscheinungsbild der kirchlichen Feiern hat diese Kraft offenbar ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht: Besonders da, wo das Immanenzmilieu in der zentralistischen Hauptstadt Madrid das Observatorium eines bevorzugten „microcosmos metafórico del país" findet, „[donde] se daban cita, 2 2 5 Vgl. Defourneaux (1986: 153). Zu diesen gehören „die Überführung von Reliquien, die Weihe eines neuen Heiligtums, die Kanonisierung spanischer Heiliger". 2 2 6 Vgl. z. B. die monatlich in Barcelona erscheinende Revista Carmelitana, deren Novemberausgabe 1887 eine „copia fotográfica del cuadro-modelo de la oleografía de Nuestra Santísima Madre del Carmen" oder „la transfiguración de Nuestro Señor Jesucristo" enthält.

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convivían y se mezclaban ciudadanos procedentes de muy diversos rincones de la Península en busca del pequeño puesto burocrático, el oficio artesanal o el banquillo universitario" (Bonet 1990: 31), war sie schon immer „cosa vulgar y sin lucimiento" (Pérez Galdós 1973: 87) und nur ein schwacher Abglanz jener Feiern, wie sie Toledo und Sevilla oder vielleicht auch der Königshof noch erleben. So will es kein Zufall sein, wenn jener erste Brief zu diesem T h e m a nicht nur mit dem Erscheinungsjahr von Claríns La regenta koinzidiert 227 , sondern auch wie dessen Erzähler einen ähnlich unverwandten Blick auf die Karfreitagsprozession wirft. Anders als die festlich-volkstümlichen Umzüge, mit denen die cofradías alegres der semana santa in Sevilla gedenken, ist sie hier eine Art Hexensabbat, deren Düsternis und Ausdruckslosigkeit Mitwirkende und Zuschauer teilen: En la calle estrecha, de casas oscuras, se anticipaba el crepúsculo; las largas filas de hachas encendidas, se perdían a lo lejos, hacia arriba, mostrando la luz amarillenta de los pábilos, como un rosario de cuentas doradas, roto a trechos. [...] Aquella multitud silenciosa, aquellos pasos sin ruido, aquellos rostros sin expresión de los colegiales de blancas albas que alumbraban con cera la calle triste, daban al conjunto apariencia de ensueño. No parecían seres vivos aquellos seminaristas cubiertos de blanco y negro, pálidos unos, con cercos morados en los ojos, otros morenos, casi negros, de pelo en matorral, casi todos cejijuntos, preocupados con la ¡dea fija del aburrimiento, máquinas de hacer religión, reclutas de una leva forzosa del hambre y de la holgazanería. Iban a enterrar a Cristo, como a cualquier cristiano, sin pensar en Él; a cumplir con el oficio (Clarín 1989: 365). Vor allem herrscht der Eindruck vor, dass es nur wenig gelingen will, einen seit neunzehn Jahrhunderten toten Schmerz wieder zum Leben zu erwecken. D i e Prozession hat den Anschein einer schlecht einstudierten Aufführung, in der Gläubige zu schlechten Komparsen geworden sind, und das künstlerische Dekor nur schwerlich auf die Sinnbilder des Heiligen weisen: El Cristo tendido en un lecho de batista, sudaba gotas de barniz. Parecía haber muerto de consunción. A pesar de la miseria del arte, la estatua supina, por la grandeza del símbolo infundía respeto religioso... Representaba a través de tantos siglos un duelo sublime. Detrás venía la Madre. Alta, escuálida, de negro, pálida como el hijo, con cara de muerta como impericia del artífice había dado, sin saberlo, a aquel rostro la expresión muda del dolor espantado, del dolor que rebosa del sufrimiento. María llevaba siete espadas clavadas en el pecho. Pero no daba señales de sentirlas; no sentía más que la muerte que llevaba delante. Se tambaleaba sobre las andas. También esto era natural. Desde su altura dominaba la mu-

227 Der Brief vom 14. April 1884 (Nummerierung des Herausgebers: 9) ist in der vorliegenden Ausgabe der erste Brief, in der sich der Autor zu den Feierlichkeiten der Karwoche äußert.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' chedumbre, pero no la veía. La Madre de Jesús no miraba a los vetustenses... (ebd.: 366). Im genannten Brief ergeht sich der Verfasser in vergleichbaren Klagen

über die abgesunkenen Formen sakraler Kunst, die sich zudem auf deren Effekte auf der Bühne konzentrieren. Hier sind es die vielfältigen Aufführungen biblischer Dramen, die der Karwoche vorausgehen und einem unbedarften Publikum, „de chiquillos, criadas de servicio y gente de poco más o menos; un público escaso de instrucción, crédulo, inocentísimo, tosco y m u y dispuesto a echarse a llorar ante cualquier pasaje medianamente sentimental", groteske Spektakel bieten, die sowohl religiöses Gefühl als auch Kunstverständnis beleidigen (vgl. dazu auch Pérez Galdós 1991a: 83-85): Es absurdo ver la inmensa, sobrenatural figura de Jesús expresada por un gandul con barbas, que tal vez la noche antes hizo papeles de matón o chulo. La Virgen María, representada por el burdo talento de una actriz averiada es cosa que no se puede sufrir. Ambos artistas merecerían azotes si tal penalidad estuviera vigente, y desde luego se les debería mandar a la cárcel por su delito de profanación. La Magdalena y San Pedro más mueven a risa que a cólera. Los apóstoles, los fariseos y los diversos ángeles que bajan por las bambalinas cuando hace falta su presencia, son de lo más grotesco que puede imaginarse. [...] Dicho se está que mientras dura la representación de obra tan absurda, el teatro es un mar de lágrimas. Hay mujeres de tan notoria sencillez que se conmueven más ante este disparatado arte que oyendo un sermón elocuente en la iglesia. Es que en los espíritus sin cultura, ninguna idea penetra jamás, como no la introduzcan, por el camino de la visión, las expresiones figuradas de las cosas y las imitaciones groseras del hecho real. Seguramente, si el Maestro volviera al mundo, la emprendería a latigazos con estos cómicos infernales que le ponen en parábolas demasiado toscas, si bien es fácil que les perdonara después, porque ni ellos ni el público que les aplaude saben lo que se hacen (ebd.). M a n mag mit M á x i m o Manso die Kritik an den unbeschreiblichen Geschmackskondeszendenzen teilen, welche die Kirchen im Zeichen von Spätromantik und Neugotik erleben. D o c h diese als Veräußerlichung empfundenen Tendenzen 2 2 8 kennzeichnen nichts weniger als den Verlust einer kollektiven religiösen Referenz oder vielmehr einer geistigen Kraft, die in Iko228

Vgl. dazu Bott (1990: 155-156): Am Gewände der Votivkirche in Wien werden diese Veränderungen in der Kirchenkunst insofern exemplarisch deutlich als den Architekturformen des gotischen Stils „jene Übertragung der architektonischen Gesetze auf die [religiöse] Plastik [fehlt], die im Mittelalter aus den Gewändeheiligen achtseitige, in Winkeln gebaute Formgebilde gemacht hatte. Z u einer solchen geistigen Auszehrung war die warmblütige, naturalistische Plastik des 19. Jahrhunderts nicht verwendbar" In dem Maße, wie der Synkretismus von Altären, Devotionalien und Kirchenausstattungen hervortritt, ist erst im Zuge ihrer Sichtung und Beurteilung zu ermitteln „was daraus wertvoll war und was zum kirchlichen Kitsch gehörte".

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nen, Statuen und Bauformen ihren gemeinsamen Ausdruck findet.229 So wie die Religion selbst aus dem noch ungeteilten gemeinschaftlichen Erleben in die Sphäre privater Innerlichkeit abgedrängt wird, so muss auch die religiöse Kunst ihre Funktion als anerkanntes Kultobjekt einbüßen, weil ihre Formen in sozial ausdifferenzierte und ästhetische Kategorien zerfallen. Es gehört gerade zu den Signaturen der dürftigen Zeit, dass die Göttlichkeit nicht mehr in eine sichtbare Qualität gebracht werden kann, mit der Schönheit, Idealität und Wahrheit es noch verstehen, eine bindende Wirkung auszuüben: Die ebenmäßig-klassischen Züge der menschlichen figura weichen Kontorsionen und Karikaturen, welche jeden Versuch vereiteln, den „conjunto asombroso del Sublime moral y físico", als der etwa die Jungfrau Maria in unzähligen künstlerischen Vorlagen erscheint, zu aktualisieren (vgl. Claver y Bueno 1892, 219: 207-208). Wird dies dennoch unternommen, mag der Künstler nicht allein an seiner mangelhaften Kunstfertigkeit scheitern, sondern überdies am Anachronismus jener inneren Bilder, die aus einer anderen, glaubensfesteren Zeit zu kommen scheinen. Ihre Restauration in gegenwärtige Materie verspricht zur Farce zu werden, da sich die Naivität dieser künstlerischen Prätensionen nicht im platten Naturalismus ihrer Aussage wiederfindet, wie dies wenigstens dem impliziten Autor im acht Jahre zuvor erschienenen Roman Doña Perfecta bewusst gewesen sein dürfte. In der Pose eines Ikonoklasten kann Pepe Rey die Bilder der Heiligen und die Statue der Gottesmutter samt ihrer extravaganten Garderobe verhöhnen, da den von ihm erwarteten Schönheiten nur ein grotesker Zyklus von Missgestalten folgt: N o p u e d o resistir [...] aquellas imágenes charoladas y barmellonadas, tan semejantes, p e r d ó n e m e D i o s la comparación, a las muñecas con que juegan las niñas grandecitas. ¿ Q u é p u e d o decir d e los vestidos d e teatro con q u e las cubren? Vi un San J o s é con m a n t o , cuya facha no quiero calificar por respeto al Santa Patriarca y a la Iglesia q u e le adora. E n los altares se a c u m u l a n las imágenes del más deplorable gusto artístico, y la multitud de coronas, ramos, estrellas, lunas y d e m á s adornos de metal o papel d o r a d o f o r m a n un aspecto de quincallería q u e ofende el sentimiento religioso y hace desmayar nuestro espíritu. Lejos d e elevarse a la con-

2 2 9 Vgl. Bürger (1981: 64-65). Im Vergleich zu den Produktionsund Rezeptionsbedingungen der sakralen, höfischen und bürgerlichen Kunst hat Peter Bürger auf die Tendenz zur zunehmenden Individualisierung hingewiesen, die gerade letztere kennzeichnet: „Nicht nur die Produktion, auch die Rezeption wird jetzt individuell vollzogen. Einsame Versenkung in das Werk ist der adäquate M o d u s der Aneignung von Gebilden, die der Lebenspraxis entrückt sind, wenngleich sie noch den Anspruch erheben, diese zu deuten" Demgegenüber war die sakrale Kunst des Hochmittelalters als Kultobjekt „voll eingebunden in die gesellschaftliche Institution Religion. Produziert wird sie handwerklich-kollektiv. Auch die Rezeptionsweise ist kollektiv institutionalisiert".

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen templación religiosa , se abate, y la idea de lo cómico le perturba (Pérez Galdós 1984a: 129-130).

Was sich hier irrtümlicherweise in einer Kritik an der Meisterschaft zeitgenössischer Künstler und Laien kundtut, ist im Grunde aber die Sorge um den Verlust einer Ikone und Plastik tragenden Transzendenz, ohne die sakrale Kunst schlechterdings unvorstellbar wäre. Denn gerade die ostentativen Hinweise des Sprechers auf die fragwürdige Qualität des Materials macht mehr als nur die Tatsache evident, dass der Geist seine Grenzen in den Bedingtheiten seiner stofflichen Konkretisierungen findet: Indem der Glaube den Effekten der Artefakte unterworfen ist, zeigt sich auch, dass die Bewegung zum Geist in der Materie steckengeblieben ist und nicht zu diesem zurückzukehren vermag: Ikonen und Plastiken sind nicht mehr der Widerschein einer höheren Idealität, sondern entsprechen eben nur jener Wertbeständigkeit, die ihre stoffliche Existenz ihnen verleiht. So verkennt der Vergleich großer Werke der Vergangenheit mit ihren schwachen Epigonen, dass letztere in ihren Formen nur deshalb eine so groteske Wirkung erreichen, weil der Betrachter zwar noch klassische Repräsentationen voraussetzt, ihren religiösen Selbstbegründungen aber keinen Glauben mehr schenken kann: Las grandes obras del arte, dando formas sensibles a las ideas, a los dogmas, a la fe, a la exaltación mística, realizan misión muy noble. Los mamarrachos y las aberraciones del gusto, las obras grotescas con que una piedad mal entendida llena las iglesias, también cumplen su objeto; pero éste es bastante triste: fomentan la superstición, enfrían el entusiasmo, obligan a los ojos del creyente a apartarse de los altares, y con los ojos se apartan las almas que no tienen fe muy profunda ni muy segura (ebd.: 130).

Die beständige Kontamination des Sakralen mit profanen Dingen des Lebens, die im Zuge des christlichen Inkarnierungsprojektes unausweichlich ist, durchzieht des Weiteren auch den zitierten Brief von Pérez Galdós. Schlägt sich das Interesse des Autors am Niedergang des Karnevals in einer Reihe von Briefen nieder, so stellt er diesen gleich zu Anfang in eine Analogie zur semana santa, „algo irreverente", die nicht als willkürlich zu verstehen ist, sondern sich aus der allmählichen Zersetzung des christlichen Kalenders ergibt. Freilich hatte diese Zeitrechnung alle Gegenentwürfe überstanden, die wie der Gegenkalender der Französischen Revolution oder der Calendrier positiviste Comtes dem liturgischen Jahr, seinen Heiligenfesten, der Siebentagewoche und dem Sonntag den Kampf ansagten (vgl. Maier 1995: 120-126). Doch der Agonie der christlichen Feiertage mit der Karwoche als besonderen Mittelpunkt des Kirchenjahres musste sich gerade auf die Fünfte Jahreszeit auswirken, die anders als die übrigen vier Jahreszeiten „nicht in der Natur ables-

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bar [ist]" (Weis 1995: 27). Dass sie sich allein sozialen und religösen Konventionen verdankt, bestätigt sich im Grunde in rituellen Verletzungen (vgl. Wirsching 1993: 357). Geraten die feierlichen Repräsentationen selbst in Gefahr, zu einem unterschiedslosen Spektakel zu werden, so ist mit der sie begründenden Liturgie auch jene „von festen Daten begrenzte und in Kirchenjahr oder Kalender aufgenommene fünfte Jahreszeit mit Ausnahmeregeln fiir das Verhalten" bedroht, da diese über das gesamte Jahr zum Dauerzustand zu werden verspricht und sich heiliges Geschehen mit bizarrem Spiel vermischt. 230 Auch in jenen Maskeraden und Tänzen, die für das Treiben des modernen Karnevals so bestimmend sind (Bachtin 1990: 59), geraten geselliger Anlass und moralischer Zweck offenbar in einen fiir das Ethos der neuen bürgerlichen Mittelklassen zweifelhaften Zusammenhang, wie Galdós in einem anderen Brief vom Februar 1887 kritisch anmerkt: Por honra d e la h u m a n i d a d , conviene q u e todas las cosas se hagan derechamente y por sus m e d i o s propios, q u e la caridad se realice por procedimientos cristianos y caritativos, y q u e los bailarines enmascarados no cohonesten su gusto y su aficiones con un objeto

filantrópico

q u e nada tiene q u e ver con la coreografía. El

q u e quiera hacer caridades q u e las haga, y el q u e quiera derrengarse bailando o ahogarse detrás de una careta, diviértase c o m o pueda; pero sin mezclarse lo divino con lo h u m a n o , ni lo filantrópico con lo carnavalesco (Pérez G a l d ó s 1973: 2 2 5 ) .

Wiederum in dem anfangs als Quelle herangezogenen Brief kritisiert der auf strikten Grenzen zwischen dem Heiligen und Profanen beharrende Autor die Umstände, unter denen die Gläubigen zu Almosen an den zahllosen O p ferstöcken aufgerufen werden. Wie Galdós an anderer Stelle bemerkt, herrschen an den Ausgängen der Gotteshäuser nicht einmal in der Karwoche Zweckfreiheit und Lauterkeit uneigennützigen Handelns, sondern jene Moden der sozialen Differenzierung, die dem Reich des reinen Geistes weit ent-

2 3 0 Es wäre überdies noch der Erörterung wert, ob mit dem Zerfall sakralisierter Macht und der Auflösung noch strafferer hierarchisierter Gegensätze von oben nach unten die sinkende Bedeutung des Karnevals als temporäre Infragestellung der Obrigkeit bedingt: „Leicht zugespitzt kann man sagen, daß der mittelalterliche Mensch gleichsam zwei Leben lebte: ein monolithisch-ernstes, düsteres, streng hierarchisch geordnetes, von Furcht, Dogmatismus, Ehrfurcht und Pietät erfülltes offizielles Leben und ein zweites karnevalistisches Leben: frei, voll von ambivalentem Lachen, von Gotteslästerung und Profanation, von unziemlichen Reden und Gesten, von familiärem Kontakt aller mit allen. Beide Leben waren legalisiert, aber durch strenge Zeitgrenzen getrennt" (vgl. Bachtin 1990: 57). Vgl. zum Thema der 'verkehrten Welt' auch: Burke (1985: 199-205). Es hat den Anschein, dass auch Pérez Galdós den Abbau von Autoritäten für das Absterben politisch-karnevalistischer Maskeraden verantwortlich macht, welche die prominente Physiognomie eines Cánovas, Sagasta oder Martos zu verhöhnen pflegen ,,[y] que sólo consiguen llamar la atención de las turbas de chicos" (Pérez Galdós 1973: 224).

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rückt sind und, wenngleich auch den picaros der Gesellschaft nützlich, in die Sphäre der Religion eingreifen: Toman tan a pecho las tales la obligación postulante que se establecen rivalidades de amor propio entre este y el otro petitorio, sobre cuál recauda más dinero; siendo mujeres y mujeres hermosas las que desempeñan estas funciones, dicho se está que hay competencias vehementísimas. Muchos días antes ya corren por los salones las candidaturas de estas mesas benéficas, de más interés en ciertos círculos que las electorales. Las damas de más boga hacen a sus amigos esta alarmante advertencia: El Jueves pido en San José y el Viernes en las Calatravas. Hombres hay tan interesados en esta materia que no cesan de preguntar: ¿En dónde pide fulanita? ¿Pedirá la marquesa? La marquesa y la duquesa y la baronesa, y las simples señoras y señoritas de tal, todas piden, todas repicarán en la bandeja, llamando a sus parroquianos, tertulias y amigos, para que se desvalijen en beneficio de los pobres. ¡Luego dicen que no hay caridad! (Pérez Galdós 1973: 88-89).

Doch selbst bei den großen Festen des Glaubens scheint der Geist seine Herrschaft über die Zeit verloren zu haben. Was Galdós noch in Bezug auf den Karneval gerügt hatte, das Eindringen weltlicher Lebensbereiche in die Religion, ruft ihn nun zur Unterstützung auf: Die ansonsten so verträumten und poetischen Einwohner Sevillas haben ihre praktische Bestimmung erkannt und die „ciudad morisca" mit den karwöchentlichen Feiern in einen touristischen Anziehungspunkt verwandelt (ebd.: 92), der nicht nur den Glauben zur von Fremdlingen bewunderten Folklore werden lässt, sondern auch das im Zuge der katholischen Einheit verbannte Heterodoxe in sich aufnimmt. Sogar in der stolzen Kathedrale, die als Inkarnation der göttlichen Majestät und seines Reiches die passio Christi das ganze Jahr über zelebriert, drängen sich Ungläubige aus Ubersee: La enorme catedral, en cuya capacidad hay hueco para todo, se llena de público más artista que devoto, extranjeros millonarios, príncipes protestantes, judíos riquísimos, y un número extraordinario de ingleses de todas castas (ebd.).

Man könnte nun diese offenkundigen, aber auch unmerklichen Umbruchsmomente in den religiösen Symbolen als Erscheinungen betrachten, die es selbst in den großen Jahrhunderten der Glaubenseinheit gegeben hat (vgl. dazu Bennassar 1992: 66-79). Zu Recht könnte man auf Grund des hier nachgezeichneten historischen Aprioris einwenden, dass es weniger die individuelle Devotion der Gläubigen war, die Spanien in den Status einer besonderen Katholizität gerückt hatte als vielmehr das auf Grund seiner geopolitischen Voraussetzungen errungene gemeinsame Bekenntnis zur Unteilbarkeit von Reich und Glauben. Von eben jenen kann aber keine Rede mehr sein, wie ein anderer Brief zeigt, den Pérez Galdós 1885 zum Ausgangspunkt

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grundsätzlicher Erörterungen macht und damit den Aussagen Manuel Azañas vorgreift. Die von ihm vormals benannten Zeichen zu Symptomen reifen zu einer weitreichenden Krise heran: Da die Religion fur Galdós ein Motiv erster Ordnung für die Existenz Spaniens als eigenständige Nation ist, nimmt er den Niedergang der Semana Santa zum Anlass, um der Bedeutung des religiösen Gefühls in seinem Land nachzugehen. Als „idea madre" habe die Religion die Tapferkeit der Krieger beflügelt (Pérez Galdós 1973: 147), die Einbildungskraft der Künstler und Literaten angeregt sowie die Formgebung der Architekten inspiriert. Während der Reconquista war das religiöse Gefühl die wesentlichste Triebkraft im Sieg über die Araber; auf diese Weise sollte — so spekuliert der Autor — die iberische Halbinsel auch nicht in den Einflussbereich des Osmanischen Reiches geraten, das bereits seit langer Zeit von einer heftigen Agonie befallen ist. Das Kreuz konnte aber nicht mehr „el emblema de las emblemas" bleiben, weil es im Wappen der habsburgischen Könige deren persönliche Machtinteressen vertrat. Diese drängten den eigentlichen Glauben in den Hintergrund, nicht ohne in seinem Namen die Völker in Flandern oder Italien der Krone zu unterwerfen. Auf ihre einstige Bedeutung kann die Religion jedoch in der neueren Geschichte kaum noch aufmerksam machen als durch ihre zu Staub zerfallenen Pergamente, ihre baufälligen Gotteshäuser und ihre zerbrochenen Symbole. Nur sie gedenken noch an das Anden Régime der Katholischen Könige, als der Katholizismus sich noch um die Integration und Geschlossenheit des spanischen „univers mental" verdient machte und somit vielleicht sogar als der stärkste „agent de la conscience nationale, peut-être le plus puissant de l'Espagne 'd'Ancien Régime'" galt, was auch bei zeitgenössischen Historikern Bestätigung findet (Bennassar 1992: 58). Doch seit dem Westfälischen Frieden von 1648 habe die Religion wahrscheinlich aufgehört, jener „brazo derecho" zu sein, der die Geschicke Spaniens lenkte. In der privaten Sphäre der Menschen beschränke sich ihre Rolle auf die passive Teilnahme an Ritualen und Zeremonien, die jede Beziehung zu seinem Innenleben eingebüßt habe. Im öffentlichen Leben habe die Religion ihren Platz vollends verloren, da sie nicht mehr über geistige Energien verfüge, um sich in der Kultur repräsentieren zu können, wie dies noch dem Theater Lopes oder Calderóns eine große Blüte bescherte. Wenn der Katholizismus zu keiner großen Mystik mehr fähig gewesen sei, die ihn zum individuellen Erlebnis hätte werden lassen, so könnte man dies, zumal in Hinblick auf Pérez Galdós' Bemerkungen, ebenfalls für die sakrale bzw. religiös inspirierte Kunst gelten lassen. Denn was sich seinerzeit in dürftigen Geschmacklosigkeiten darbietet, entfaltete sich in einem Zeitalter, in dem sich Kunst und Poesie noch nicht in säkularen Symbolen entäußert hätten (wie später von Seiten

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Velázquez' bzw. Cervantes' und Quevedos), in Werken von Morales und Murillos, „[que] veía a Cristo antes de escribir de él" (Pérez Galdós 1973: 147). Auch die Monarchie, die eine kraftvolle Stütze des religiösen Gefühls und darüber hinaus deren irdische Verkörperung gewesen sei, nehme sich nunmehr wie eine Karikatur ihrer selbst aus. Misst man diese Analyse an Aussagen von spanischen Kirchenhistorikern, so ist auch ihnen zu entnehmen, dass sich das religiöse Leben jener Zeit durch einen Mangel an spiritueller Kraft und inspiratorische Auszehrung auszeichnet: La caridad se ejercita parternalísticamente, sin espíritu de justicia...La culpa principal fue (creo) de la pobreza doctrinal que se padeció rutinariamente desde un par de siglos antes. Y también del ambiente cultural del romanticismo: el pobre es objeto de compasión y hasta de ternura, al menos en la literatura y en la apologética barata a la moda: no se procura que desaparezcan los pobres, no hay justicia social [...] U n a espiritualidad por tanto romántica en su expresión [...] U n siglo con vida, pero maltratada por las circunstancias externas adversas, y poco cultivada por los de dentro de casa. Era vida que vivía de reservas, de fuerza antigua. (Stichwort „Espiritualidad" in: Aldea Vaquero 1 9 7 2 - 1 9 7 5 , 1: 8 7 6 ) .

In einem anderen Zusammenhang lässt der nach einem wahren Ursprung suchende Galdós keinen Zweifel aufkommen, dass das System der Religion ihre Funktion als Abbilderin individueller Frömmigkeit nicht mehr zu erfüllen imstande ist: La religiosidad española es inautèntica, carece de veracidad en sus motivaciones y quienes más significativamente la representan y aún ostentan son quienes con harta frecuencia más contribuyen a su corrupción y descrédito (zit. nach Pérez Gutiérrez 1 9 7 5 : 2 0 0 ) .

In seinem Text von 1885 wird die Religion sogar zu einem entscheidenden Moment der Entfremdung, der den Lauf der Geschichte unter einem anachronistischen Staatskirchentum zu begraben sucht. Zu einer Platzhalterin eines unglücklichen Status Quo geworden und am Rand ihrer äußersten Dürftigkeit angelangt, wehrt die Religion jeden Fortschritt ab, da ihr ein Zurück zum „âge d'or du catholicisme espagnol" versagt bleiben muss (vgl. Bennassar 1992: 58). Nach der Auffassung des Autors überschneiden sich zwei Tendenzen, die nur den Anschein eines Widerspruchs in sich tragen: Auf der einen Seite bleibt die nach so langen Jahrhunderten „de opresión y de catolicismo puro" (Pérez Galdós 1973: 153) erwartete Konversion großer Massen zum protestantischen Glauben aus, was den Autor zu der auch von Menéndez Pelayo geäusserten Feststellung veranlasst, dass es für das spanische Volk keine andere Alternative gäbe außer dem Bekenntnis zur alten katholischen Religion oder dem bloßen Nichts. Insofern bestätigt er die zeitgenös-

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sische Auffassung „[que] no existe término medio en la conciencia religiosa de España: o católica o atea" (Bejarano o.J.: 481) Andererseits sei ein „indiferentismo grosero" auszumachen, der sich nicht darauf beschränkt, „[la] única religión de los españoles no católicos" zu sein, wie Menéndez Pelayo behauptet, und vielmehr auch auf die Reihen der vermeintlich Gläubigen übergreife. Auch der Spanier, „que ha dejado de ser católico", sei imstande, sich jener „omnipotencia de un cierto sentido común y práctico" zu unterwerfen (Menéndez Pelayo 1987: 1038), wie es sich am von Unamuno dokumentierten Köhlerglauben ablesen lässt, der sich in nichts als leeren Tautologien ausdrückt: Terrible fe la del carbonero, Porque ¿a q u é viene a reducirse la fe del carbonero? ¿ Q u é crees? - L o q u e cree y enseña nuestra Santa M a d r e la Iglesia. - ¿Y q u é cree y enseña nuestra Santa M a d r e la Iglesia? - L o q u e creo yo (bis) ( U n a m u n o 1 9 4 5 , 1: 2 6 4 , zit. nach López-Morillas 1980: 152).

Auf Grund dieses „descreimiento en que vivimos" (Pérez Galdós 1973: 147) sei der Bruch mit der Vergangenheit für die meisten Spanier um so tiefer. Wenn es Erinnerungen an jene Epochen des Glaubens gäbe, dann lebten diese vornehmlich in Steinen und Büchern, in der „aparencia vital de las momias", weiter (ebd.: 146), nicht aber in den Gedanken der Nachgeborenen. Gerade Poesie und Heiligkeit seien zwei Zwillingsschwestern, die auf Grund ihrer engen Verwandtschaft einen gemeinsamen Triumph und Niedergang erlebten. Während Heilige wie Therese von Avila in ihrer mystischen Versenkung zugleich Poeten gewesen wären, hätten sich vor allem die großen Dramatiker dem Glauben zugewandt, um mit El mágico prodigioso oder El principe constante „puras teologías puestas en diálogo y en verso" zu schaffen (ebd.). Eine solch produktive Fülle bringe die Religion in der Gegenwart jedoch kaum noch hervor. Obwohl die Religion noch immer Gefühle bei den bedürftigsten Teilen des Volkes Gehör finde, könne sich die Immanenz ihrer historisch gewachsenen Energien bewusst sein und im „être vertical" (Deleuze/Guattari 1991: 46) den in Spanien geltenden metaphysischen Horizont zerstören: L a revolución filosófica comienza entonces en encarnizada lucha con el principio religioso q u e f u e nuestra alma en tiempos anteriores. U n principio, completamente exótico aquí, declara guerra sin cuartel a todos aquellos restos de nuestro poder así en el arte c o m o en las demás esferas d e la actividad [...] para edificar una civilización nueva. Nuestra raza, esquilmada por las guerras, pobre, desmayada, no tiene ninguna gran energía propia q u e oponer a la invasión. (Pérez G a l d ó s 1973: 1 5 0 - 1 5 1 ) .

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen Bereits 1868 war die Metapher der Invasion Gumersindo Laverde geeig-

net erschienen, u m jenen Vorgang zu illustrieren, der den spanischen Katholizismus in Gegensatz zu den siegreichen „movimiento racionalista contemporáneo" bringt, „que amenaza invadir la península concentrando en ella toda la suma de sus fuerzas destructoras" (Laverde 1868: 2 3 0 ) . D a m i t lässt sich die andere Seite dieser „problema nacional" beschreiben, der als Konflikt „entre antiguos y modernos'" im gesamten Europa des X V I I I . Jahrhunderts ausgetragen wurde, aber bereits in seiner zeitlichen Ausdehnung „desde Feij o o (...( hasta un U n a m u n o " spezifische Aspekte aufweist und, wie Abellán betont, in Spanien, „ d o n d e el problema afectó a la esencia nacional", „caracteres trágicos" a n n i m m t (Abellán 1981, 3: 4 8 1 ) . D i e Polemik u m die „ciencia española", die u m das Jahr 1876 „un hito importante de la cultura española" (Sala Catalá o.J.: 158) erreicht u n d die intellektuelle Öffentlichkeit des Landes „[en su] radicalidad de los términos" (ebd.: 157) wie nirgendwo sonst in Europa polarisiert, ist auch z u m Zeitpunkt des Briefes von Pérez Galdós ( 1 8 8 5 ) noch nicht verstummt. Sie dokumentiert hinlänglich, dass mit den modernen Wissenschaften längst eine Diskursformation entstanden ist, die d e m Apriori der katholischen Einheit zuwiderläuft, die Statik der ontologischen Metaphysik erschüttert und das Verhältnis der Bürger zu ihrer Obrigkeit verändert. So warnt Valera die katholische Orthodoxie bereits 1863, also f ü n f Jahre vor der Gloriosa, dass sie ihre Vormundschaft über Spanien verwirkt habe: ¿Conque en no habiendo Inquisición y leyes durísimas que castiguen la propaganda de cualquiera otra creencia, y un valladar que ataje en costas y en fronteras la corriente del pensamiento de la Humanidad, y una mano de hierro que lo ahogue dentro de nuestra alma, y un Gobierno paternal que vele por nosotros y que nos trate como a gente condenada a perpetua infancia, y que nos aparte de todo comercio intelectual [...] (Valera 1949, 3: 727). In dieser Ablehnung von Denkverboten stellt er auch Bedingungen an das, was über Jahrhunderte lang transzendentaler Urgrund der spanischen Kultur war: die katholische Einheit, die nun unterschiedlichen politischen u n d sozialen Interpretationen unterliegt und auf der Immanenzebene auch unausweichlich dieser bedarf, wenn es gilt, unberechtigte Ansprüche abzuwehren: Buena unidad católica es la que La España [eine orthodox-katholische Publikation] fantasea: una unidad católica en abierta pugna con el espíritu del siglo, contraria a la dignidad del hombre y desagradable a los ojos de Dios, que desea nuestro acatamiento y nuestra obediencia a sus altos mandatos, no por temor de las

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potestades de la Tierra, sino por amor suyo; no en el exterior y aparente, sino allá en el profundo del nuestro ser, carde bono et fide non ficta.2'''

Der Geist der Zeit hat sich demnach Gesetzen verschrieben, die den imperialen Gottesstaat als Teil einer dem Untergang geweihten semantisch-kulturellen Welt durchschaubar machen. Im Zeichen eines absoluten, alle Kontingenzen und Widersprüche versöhnenden Vernunftbegriffs, der im enzyklopädischen System Hegels erheblichen Einfluss auf liberale spanische Intellektuelle wie Castelar, Pi y Margall und Fabié ausübt (vgl. Garcia Casanova 1982: 85 bzw. Abellán 1984, 4: 565), werden die alten Institutionen auf Grundlage neuer Kategorien beurteilt. Im Wandern der Weltgeister zu immer höheren Gestalten ihrer Vervollkommnung und Aufhebung im Absoluten gehören zu jenen abgelebten Formen des alten Glaubens, in denen sich die Zeit keine äußere Form mehr zu geben vermag (vgl. Hegel 1979, 3: 18). Während die Ikonen des Glaubens diesem bildenden Geist zu keiner Anschauung mehr verhelfen können, stellen sich die Gebilde der neuen Welt als Bilder einer Vernunft dar, die sich, wie Hegel schreibt „als seienden Gegenstand, als wirkliche, sinnlich-gegenwärtige Weise finden und haben [will]" (ebd.: 186). Eine emanzipatorische Sinnlichkeit findet sich in jenen Dingen bestätigt, die der sie dirigierende logos unausgesetzt schafft. Wiewohl der Materialist und Republikaner Suñer y Capdevila in seinen Almanaques Democráticos (1864-1865) und vor den Cortes Constituyentes (1869) einen akzentuiert atheistischen und damit eher marginalen Standpunkt vertritt, spricht er doch offen aus, was eine zunehmend auf empirischen Prinzipien und auf präziseren Berechnungen beruhende Weltbetrachtung impliziert. Wie er in seiner Flugschrift Dios ausführt, ist es allein das den menschlichen Sinnen zugängliche Bild, das der von den Wissenschaften beanspruchten Positivität standhält. Eben dieses Postulat könne die Kategorie 'Gott' nicht einlösen, weil sie keine Prägnanz in der sichtbaren Welt habe und so auch kein Teil des menschlichen Denkens sein könne: ¿ C ó m o cuándo, dónde ha impresionado Dios nuestros sentidos, concurriendo a la formación de la idea adecuada a su ser y cualidades? Pintamos un árbol, describimos una tempestad, porque eso lo vimos y lo oimos; pero pintar y describir a D i o s cuyo cuerpo y circunstancias ni oimos nunca ni vimos jamás, ¿de qué manera? Probadlo, empastad el pincel, mojad la pluma y ved c ó m o os salis del paso. 2 1 1 Valera ( 1 9 4 9 , 3: 7 2 7 ) . Vgl. auch Valera ( 1 9 4 9 , 2: 1427). Ausgehend von der Forderung nach einer Verinnerlicherung des Glaubens, wie sie im Hegeischen System durchaus philosophischen Dispositionen der Zeit und der H e g e m o n i e idealistischer Systeme im Spanien der frühen Restaurationsjahre entspricht, konnte Valera schon an früherer Stelle der Ansicht entgegentreten, dass der Katholizismus eine Philosophie sei bzw. letztere den Status einer Religion einnehme könne.

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Buscad colores en la paleta - no los hallareis; buscad palabras en el diccionario no las hallareis (Suñer y Capdevila 1869: 16 bzw. Sánchez Martínez 1987: 201).

Obschon sich derartige Gedanken über Gott als den Nullpunkt des Sinns sechzehn Jahre später im besagten Brief von Pérez Galdós nicht einstellen wollen232, sind sie zumindest in einem gewichtigen Motiv impliziert, das noch im 20. Jahrhundert die Gebilde der alten spanischen Welt an denen des restlichen Europas misst: Indem der Autor entgegen den Behauptungen der von Menéndez Pelayo verteidigten ciencia española nach „nuestro Galileo, nuestro Leibnitz, nuestro Keplero, nuestro Copérnico, nuestro Newton" (Pérez Galdós 1973: 149) fragt, die den großen Sternen von Poesie und Kunst am spanischen Himmel auch entsprechende Fixpunkte hätten beifügen können, legt auch er nahe, dass sich der Geist der Zeit einzig in den Leistungen der modernen Wissenschaften materialisiert. Während religiöse Bilder wenigstens als Artefakte auf spanischem Boden überleben und sich in ihnen die mentale Distanz zur Gegenwart ablesen lässt, sucht man nach den Spuren grandioser technischer und naturwissenschaftlicher Erkenntnisleistungen vergebens: ¿[...] dónde están los grandes iniciadores, los descubridores de las maravillosas leyes de la Naturaleza, los que dieron impulso colosal y dirección nueva al estudio científico? (ebd.)

Die seinerzeit wenig ausgefallene Rhetorik dieser Fragesätze knüpft fast nahtlos an die Aussagen des Mathematikprofessors José Echegaray (1832-1916) an, der die Tiraden des Nicolas Masson de Morvilliers ebenso gekannt haben dürfte wie sein Zeitgenosse Pérez Galdós. Der französische Enzyklopädist hatte mit seinem Artikel Espagne 1782 eine erste Polemik zu diesem Thema ausgelöst. Da sich Nationen wie Griechenland, Russland, Polen, Deutschland, England und Frankreich aus seiner Sicht mit nützlichen 2 3 2 Vgl. Sánchez Martínez (1987: 54). Weder Pérez Galdós noch Pardo Bazán sind wohl Sympathien mit dem von der Kirche zum lebenden Dämon perhorreszierten Suñer y Capdevila zuzutrauen. Dennoch ist sein Wirken für Erzähler einiger Romane Anlass genug, um die Unduldsamkeit des in ihrer heuchlerischen Glaubensseligkeit befangenen Gemeinwesens zu dokumentieren, das auf Bedrohungen mit offener Gewalt reagiert. Die nahezu mythische Sitzung der Gotteslästerungen in der verfassungsgebenden Versammlung am 26. April 1869, welche die Religionsfreiheit auf die Tagesordnung setzte, wird jedoch in España sin Rey (1980: 76-82) verewigt: „Trató la campanilla presidencial de atajar al impío; éste, con diabólica impavidez, hablaba del sentido que debemos dar a la palabra bíblica conocer. Quería demostrar que María tuvo más de un hijo y que Jesús no provenía del Espíritu Santo [...] Rivero, haciendo de San Miguel, ponía el pie sobre Suñer y con la campanilla le golpeaba el cráneo, aunque aparentemente los golpes caían sobre la mesa." Auch in Pardo Bazáns Los pazos de Ulloa (1986: 282) ist die Rede von den „blasfemias horrorosas" dieses Herrn, den keine Argumente überzeugten, „sino a trabucazo limpio y palo seco."

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Entdeckungen hervorgetan hätten, die der Menschheit zugute gekommen seien, erhalten seine Fragstellungen einen ausnehmend provozierenden Klang: „Que doit-on à l'Espagne? Et depuis deux siècles, depuis quatre, depuis six, qu'a-t-elle fait pour l'Europe?" (Masson de Morvilliers 1782: 554-568, vgl. auch Abellán 1989, 3: 822 bzw. auch Floeck 1991: 42-62). Der schroffe Dualismus, wie er sich in diesem ersten Meinungsstreit bereits zwischen den „defensores y denigradores de lo español" (Abellán 1989, 3: 824) artikulierte und die Teilnehmer entsprechend ihrer ideologischen Orientierung zwischen der Liebe zur Vernunft und der Hingabe zum Vaterland wanken ließ, sollte in der zweiten Polemik fast hundert Jahre später wieder kehren. Doch diesmal bedurfte es keines Anstoßes von außen: Es sind Kombattanten der modernen Wissenschaften in Spanien selbst, die ihrerseits ähnliche Auffassungen vertreten und die Auseinandersetzung mit einem „exceso de ideologización" (Sánchez Francisco 1992: 68) einleiten, wie sie fortan die Debatten jener Jahre begleiten sollten: Según que, por ejemplo, el Estado compare o niegue la potestad de la ciencia, así la energía de un pueblo mostrará más o menos su peculiar genialidad en este orden, y podrá hasta darse el caso de que se ahogue casi por completo su actividad, como ha sucedido en España durante tres siglos (Azcárate 1 8 7 6 , 4 9 : 149).

Echegaray hatte fast zwanzig Jahre vor Pérez Galdós in seiner Rede vor der Real Academia de Ciencia im März 1866 zu den Leistungen Spaniens im 17. Jahrhundert im Pathos einer unterdrückten Wahrheit Stellung bezogen: ¿Qué descubrimiento analítico, qué verdad geométrica, qué nueva teoría lleva nombre español? ¿Quiénes los rivales de Viete, de Fermât, de Pascal, de Descartes, de Harriot, [...] de Newton, [...], de Leibniz, de los Bernouilli? Yo los busco con ansia en los anales de la ciencia, y no los encuentro... (zit. nach Sánchez Francisco 1 9 9 2 : 67).

Was sich aus diesen Zeilen erschließt, will seinen Diskurs jedoch beileibe nicht einer nationalistischen Emphase öffnen. Vielmehr orientiert sich jener an der von Hegel und später auch von Sanz del Río bekräftigten Auffassung, dass das Besondere in gleichem Maße stets das Allgemeine herausbilde, de la multiplicidad en unidad, sin destruir aquélla, como si en la cohesión representada por el todo cada parte adquiera un nivel superior de existencia y conocimiento (Krause/Sanz del Río 1 8 6 0 : passim).

So unterschiedliche Geister wie Goethe, Marx oder Nietzsche hielten das Nationale für ein Prinzip, das „jetzt nicht viel sagen [will]", weil „die Epoche der Weltliteratur an der Zeit" (Goethe 1889, 6: 46) sei, das durch seine „nationale Einseitigkeit und Beschränktheit [...] mehr und mehr unmöglich" (Marx 1956, 4: 466) oder schließlich von einer kleinen Elite „Höchstgebilde-

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ter" überwunden werde (Nietzsche 1954, 1: 800). Bei Kant und Hegel wird die Nation lediglich als temporäre Phase, als „List der Vernunft" (Hegel 1981: 432) verstanden, die im Antagonismus Energien mobilisiert, um die Zwecke der Gattung bzw. des Geistes auf lange Sicht zu erfüllen, wie schon Kant (1983, 9: 31-50) in seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht angemerkt hatte: Judentum, griechische Polis, römisches Christentum, deutsche Reformation, englischer Industrialismus und französische Revolution sind Zwischenetappen im Prozess der Arbeitsteilung, welche die Nationen auf dem Weg zum Weltbürgertum beschreiten. Zu eben jenem hätte auch Spanien seinen Beitrag leisten sollen, was aber in den vielen Jahrhunderten der Unterdrückung und des „catolicismo puro" nicht geschehen konnte (Pérez Galdós 1973: 153). Noch 1919 sollte Américo Castro einen Artikel über die moderne Wissenschaft in Spanien mit folgendem Zitat von Giner de los Ríos beginnen: [...] estamos en deuda con el mundo; necesitaríamos devolver a otras naciones siquiera la centésima parte de lo que recibimos de ellas (Castro 1919: 187).

Doch konnte diese skeptische Deutung der iberischen Geschichte nach einem Leistungsrahmen, wie er sich freilich ganz im Sinne des Arbeits- und Produktivitätsbegriffes aus der spezifischen Anordnung des modernen Wissens ergibt (vgl. Foucault 1966), noch immer mit einer vermeintlich gelungenen Universalität in Ausgleich gebracht werden. Dieser historische Horizont, der das erklärte Ziel der aufgeklärten Geister im peripheren Spanien und Portugal blieb, geriet im Zuge der Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts aber selbst in Bewegung. Der Eindruck der liberalen Intellektuellen, einer historisch abgegoltenen Formation anzugehören, sollte damit nur noch weitere Nahrung erhalten. Legt man das Dreistadiengesetz Auguste Comtes (1830-1842) und das System der synthetischen Philosophie Henry Spencers (1862-1892) zugrunde, das in Hinblick auf die Idee des Werdens auch in Beziehung zum spanischen Krausismus tritt (Abellán 1988, 5/1: 82-83), muss sich zwischen den modernen bzw. entwickelten Gesellschaften und den vormodern-traditionalen bzw. 'zivilisationsdefizienten' Gegenbildern ein unüberwindlicher Gegensatz auftun. Die für das moderne westliche Europa „[von Anfang an konstitutive] Differenz zwischen zivilisierter Moderne und zivilitätsdefizienter und in diesem Sinne 'barbarischer' [...] Vormoderne" (Miller/ Soeffner 1996: 14) überträgt sich in ihrem metaphysischen Spannungsverhältnis von Fortschritt und Tradition auf die mentalen Zuordnungen der spanischen Kontrahenten. Dem katholischen Integralismus wird die Vergangenheit zu einer „dichosa edad [en la cual] nada parecía ni resultaba imposible; la fe de aquellos hombres, que parecían guarnecidos de triple lámina de bronce,

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[...] la fe, que mueve de su lugar las montañas." 233 Für seine Gegner liegt das Goldene Zeitalter hingegen in einer „mutation de 'la lumière naturelle aux' Lumières', c'est la substitution de la croyance à la connaissance, c'est-à-dire un nouveau mouvement infini qui implique une autre image de la pensée" (Deleuze/Guattari 1991: 54). Es ist dies eine leuchtende Zukunft, die einer von klerikalen Dunkelmännern dirigierten geschichtlichen Logik entronnen ist. Dabei kommt diesen aufgeklärten Geistern gerade im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine im romanischen Europa weitverbreitete Stimmung entgegen, die einen Konnex zwischen der historischen Entwicklungsfähigkeit der Kultur und deren religiös motivierten Triebkräften zieht. Unter dem Einfluss der Theorie vom gesetzmäßigen Auf- und Abstieg der Nationen, wie sie in Montesquieus Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence (1734) und Gibbons History of the decline and fall of the Roman empire (1776-1788) zu Grunde gelegt ist, entsteht nach der militärischen Niederlage von 1870 und dem Sturz des Kaiserreiches in Frankreich der Topos von der Dekadenz der katholischen Völker (Koppen 1973: 32-36), der auch in Spanien auf Widerhall trifft (vgl. Sainz Rodríguez 1962, vgl. auch Salmerón 1865). In spanischer Ubersetzung erscheint 1878 die Arbeit des belgischen Sozialwissenschaftlers Émile de Laveleye De l'avenir des peuples catholiques {Porvenir de los pueblos católicos), die von der Annahme ausgeht, dass die germanisch-angelsächsischen Rassen ihren lateinischen Antipoden überlegen seien. Anders als später bei Houston Stuart Chamberlain (1899) oder in anderem Zusammenhang bei dem katalanischen Positivisten Pompeyo Gener (1848-1919) ist für diese fatale Entwicklung jedoch nicht die rassisch-ethnische Zugehörigkeit, sondern die religiöse Bindung verantwortlich (Pompeyo Gener 1887). In gewisser Hinsicht Max Webers Religionsvergleich antizipierend (Weber 1993: 1-10), steht Laveleye jedoch anders als jener ganz im Banne der Antithese von aufgeklärter Reformation und obskurantistischem Katholizismus: Por todas partes d o n d e están los dos cultos u n o enfrente de otro en un m i s m o país, los protestantes son m á s activos, más industriosos, m á s económicos, y por consecuencia más ricos q u e los católicos (Laveleye 1878: 8).

Ein wachsender Teil der spanischen Intelligenz erblickt in der iberischen Konfiguration des Katholizismus, kein Element europäischer Zugehörigkeit 2 3 3 Menéndez Pelayo (1983: 538). Es ist eben bezeichnend, dass selbst Menéndez Pelayo die katholische Einheit mit den Trümmern des Mittelalters evoziert. Dies kann den Leser nur darin bestärken, dass sie selbst inzwischen der Vergangenheit angehört: „¿Quién contará todos los beneficios de vida social que a esa unidad debemos, si no hay en España piedra ni monte que no nos hable de ella con la elocuente voz de algún santuario en ruinas?" (ebd.)

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und Integration. Aus ihrer Sicht ist der überkommene Glaube im Gegenteil zum Merkmal der Separation von den industrialisierten Regionen des Nordens geworden, welche die Ethik des kapitalistischen Arbeitsbegriffs und des wissenschaftlichen Gestus begünstigen sollten. Es versteht sich von selbst, dass ihre Gegner im katholischen Lager diese Auffassung nicht teilen sollten, zumal sie in einer Zeit zu leben, in der die Kirche aus ihrer Sicht wieder zu den Tagen des römischen Imperiums und den Katakomben zurückkehrt: Wie am Beispiel ihres prominentesten, aber keineswegs unduldsamsten Vertreters, Menéndez Pelayo zu ersehen ist, geht es ihnen vor allem darum, den nach der Reconquista eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Wie Ganivet in seinem Idearium español von 1897 festhält, erscheint ihnen die katholische Einheit noch als ein selbständiger Wert, den eine Geschichte in Jahrhunderten gestiftet habe: Cuanto en España se construya con carácter nacional, debe de estar sustentado sobre los sillares de la tradición. Eso es lo lógico y eso es lo noble, pues habiéndonos arruinado en la defensa del catolicismo, no cabría mayor afrenta que ser traidores para con nuestros padres, y añadir a la tristeza de un vencimiento, acaso transitorio, la humillación de someternos a la influencia de las ideas de nuestros vencedores (Ganivet 1 9 9 0 : 6 3 - 6 4 ) .

Diese letzte am Vorabend der zweiten spanischen Republik ausgesprochene Grundannahme weist zwar in ihrem atheistischen Tenor schon deutlich über die Vorstellungen der moderaten Liberalen in der Restauration hinaus. Sie ist keineswegs repräsentativ für ein Denken, das sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts noch nicht jene Radikalität eines Manuel Azañas zu eigen macht und sich vielfach noch in gemäßigteren Bahnen „a la búsqueda de una sociedad laica" begibt (Shubert 1990: 243). Doch ist auch schon zu diesem Zeitpunkt ein extremer Materialismus abzusehen, der immerhin umschreibt, welche Denkverbote inzwischen schon gebrochen worden waren. So heißt es in der Flugschrift des radikalen Republikaners Francisco Sufier y Capdevilas (1826-1898) von 1869: El hombre no será hombre, mientras Dios sea Dios. El hombre es la ciencia, Dios es la ignorancia; el hombre es la verdad, Dios es el error (Suñer y Capdevila 1 8 6 9 : 4 6 bzw. Sánchez Martínez 1 9 8 7 : 2 1 5 ) .

Konnte der Bezug auf einen gemeinsamen christlichen Gott im 15. Jahrhundert noch als Selbstvergewisserung einer Zugehörigkeit zu Europa gelten, so musste die Berufung auf die modernen Wissenschaften zwangsläufig in den Gegensatz zum ersten geraten. Während die besondere Bindung zum christlichen Gott von den Neokatholiken als „la mayor gloria de España"

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empfunden wird, die von einer „revolución impía" bedroht sei 234 , gibt Francisco Sufier y Capdevila der Opposition von Glauben und Wissenschaft eine wiederum besonders unumwundene Formel: „La idea caduca es la fé, el cielo, Dios. La idea nueva es la ciencia, la tierra, el hombre" (zit. nach Sánchez Martínez 1987: 163). Dass diese These aber seinerzeit schon auf einigen Widerhall gestoßen sein muss, lässt die 1876 in spanischer Ubersetzung erschienene und seither stark rezipierte Studie des Nordamerikaners John W. Draper Historia de los conflictos entre la religión y la ciencia erkennen. Diese verschiebt den Konflikt zwischen der Epistemologie der Moderne und dem Katholizismus noch weiter auf eine genetische Ebene. So nimmt sich die Geschichte der Wissenschaft aus seiner Sicht keineswegs nur als Registrierung vereinzelter Erfindungen und Innovationen aus. In ihr lässt sich vielmehr eine Regelmäßigkeit erkennen, die als Gesetzmäßigkeit der geschichtlichen Eigenbewegung unausgesetzt ein- und denselben Gegensatz reproduziere, [...] la narración del c o n f l i c t o de dos poderes antagonistas; p o r u n a parte, la fuerza expansiva de la inteligencia del h o m b r e ; la c o m p r e s i ó n engendrada p o r la fe tradicional y los intereses m u n d a n o s , por otra ( D r a p e r 1 8 8 5 : L X I V - V ) .

5 . 1 . 2 VON DER A U S S E N P E R S P E K T I V E D E R S C H W A R Z E N L E G E N D E ZUR I N N E N A N S I C H T DER B E I D E N S P A N I E N . E X K U R S ZUM D I S K U R S DES KRIEGES

La religión católica no solamente no es una necesidad para los tiempos modernos, sino que, al contrario, es la peor de las contrariedades que en el curso de la civilización puede presentarse. La civilización está reñida, esencialmente reñida con la religión católica. El hombre no puede marchar ámpliamentepor el camino del bien si no se le divorcia de una manera completa del catolicismo S u ñ e r y Capdevila (Sánchez M a r t í n e z 1 9 8 7 : 1 7 5 )

Dieser Dualismus zweier gegnerischer Kräfte indiziert auf symptomatische Weise das Ende des Katholizismus als raison d'etre Spaniens. Zugleich verleiht er den seinsgeschichtlichen Veränderungen eine zeitgeschichtliche Dimension, insofern nämlich, weil nun eine Einheit beschworen wird, die wie die sakrale Kunst selbst der Vergangenheit angehört. Die von Menéndez Pelayo in die Gegenwart gesetzte Rede vermag den Reichsgedanken Hernando de Acu234 Vgl. Cordina (1879: 16): „Loor y prez á la Nación hispana/ A la cual deparar se dignó el cielo/ El más privilegiado y fértil suelo// En que mora la sociedad humana./ El timbre de Católica, sí, ufana/ La Iberia reportó, merced al celo // Que á su pueblo inflamará en santo anhelo / Por difundir la Religion cristiana./ ¿Por qué rajó revolución impía,/ A más de venerables tradiciones/ La unidad religiosa que algún dia /De España fué el mejor de los blasones?// ¡Oh nietos de Pelayo y Recaredo!/ Volvedla á conquistar con fé y denuedo."

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nas nur noch in einer Sprache zu aktualisieren, die aus der Zeit fallend die Abwesenheit des Gewesenen belegt: El sentimiento d e patria es m o d e r n o ; no hay patria en aquellos siglos, no la hay en rigor hasta el Renacimiento; pero hay una fe, un bautismo, una grey, un pastor, una Iglesia, una liturgia, una cruzada eterna y una legiön d e santos que c o m baten por nosotros [...] ( M e n e n d e z Pelayo 1 9 8 3 : 5 3 8 ) .

Die Sprache, die sich der öffentlichen Rede über Religion bemächtigt und offensichtlich auch im Gestus von Menendez Pelayo überwiegt 235 , verschafft sich indes einen Ausdruck, der zu jener alten Einheit zurückstrebt oder eine ebensolche unter anderen Bedingungen zu begründen sucht. In ihm erhellt sich paradoxerweise das Dürftige der Zeit als Unentschiedenheit, die zwischen einer entschwundenen religiösen Epoche und einer Zeit religiöser Verwerfungen oszilliert. 236 D a der eng mit der Historie verflochtene und historisch argumentierende Diskurs aber das Defizitäre der Gegenseite zuweist und in seiner Zielstellung bereits das Ganze für sich reklamiert, ist auf seiner Grundlage eine Erörterung seiner Sprachlichkeit nicht möglich, es sei denn, man wollte sich blindlings dessen Logik anvertrauen. Obwohl er nicht unbedingt zielführend für die hier gestellte Fragestellung ist und die Bewegungen in der Metaphysik auf die bloße Geschichte gegensätzlicher Ideologien reduziert, kann auf einen rudimentären Grundriss seiner allgemeinen Regeln nicht verzichtet werden. Dies ist nicht allein dem Umstand geschuldet, dass sich ein Diskurs des Krieges in zahlreichen spanischen Romanen der Zeit ein Denkmal setzen konnte, dessen Schatten noch auf die spätere Rezeption und Forschung fallen sollten. 237 Seine Erörterung legitimiert sich im

2 3 5 Beispielhaft wird diese Position etwa in offenen Sympathien mit der karlistischen Sache, deren Gewalt sich aus seiner Sicht insofern legitim erweist, als sie ftir die katholische Einheit Krieg führt: „¿Cömo persuadir a nadie de que es mayor delito desgarrar el cuerpo mistico de la Iglesia, y levantarse contra la primera y capital de las leyes de un pa/s, su unidad religiosa, que alzar barricadas o partidas contra tal o cual gobierno constituido" (zit. nach Campomar Fornieles 1984: 125). 2 3 6 Vgl. Perez Galdös (1973: 151). Der „catolicismo batallador" liefere sich mit den Philosophen und Freidenkern, so der Autor, einen allgegenwärtigen Krieg, obwohl die katholische Einheit mit den konstitutionellen Beglaubigungen der Religionsfreiheit 1876 ihr definitives Ende gefunden habe. Aber dennoch würden zur Restauration der religiösen Einheit oder zu ihrer vollkommenen Unterwerfung noch immer blutige Bürgerkriege ausgetragen, sodass die Stärke des Katholizismus gerade in jenem Hass bestünde, den er zu seinem Schutz bzw. zu seiner Vernichtung herausforderte. 2 3 7 Dendle (1968: 21) nennt neben Perez Galdös auch Alarcön, Pereda, Palacio Vald&, Leopoldo Alas, Coloma, Pardo Bazän, Blasco Ibäfiez und darüber hinaus u. a. Unamuno, Macfas Picavea, Baroja, Perez de Ayala und Concha Espina, deren Romane primär „as an instrument of propaganda to advocate the ideas of the author and to attack and ridicule those of different belief' gelesen werden.

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Verhältnis zum Bildcharakter Gottes insoweit, als er der Entgötterung der Welt im religiösen Erleben eine ideologisch motivierte Sprache gibt (vgl. Heidegger 1994: 76). Gott ist ganz und gar der Kriegsherr einer Partei gegen eine andere feindliche Fraktion geworden. Der Diskurs illustriert dem distanzierten Beobachter, dass der seiner einstigen Dichte entblößte Gott nur das jeweilige Bild ist, das der Mensch eingedenk seiner Interessen von ihm entwirft und in Gegensatz zu den Bildern seiner Widersacher setzt. Wiewohl dieser Diskurs nicht allein aus der Kritik an dem defizitären wissenschaftlichen Status Spaniens erwächst, machen seine Spuren vor allem in Debatten zu diesem Thema einsichtig, dass die leyenda negra, „concepto que suele aplicarse a la idea [...] de España y de su historia" (Bleiberg 1968, 2: 719), mit dem Wandel in den epistemologischen Dispositionen und den politischen Institutionen (Zusammenbruch der Dynastie als Träger des Gottkönigtums) zu einem Prinzip der Innenbeziehungen werden und in den Mythos der dos Españas umschlagen: Zunächst war diese imagotypische Zeichnung Spaniens als Bollwerk des katholischen Traditionalismus mit der unverrückbaren Autorität seiner Dogmen im 16. Jahrhundert in Italien entstanden.238 In den zumeist protestantischen Polemiken, die sich gegen die Grausamkeiten spanischer Kolonialherrschaft in Süd- und Mittelamerika bzw. gegen die Inquisition richten, ist diese antispanische Legende zum Synonym ftir religiösen Fanatismus schlechthin geworden.239 Im Freiheitskampf der Vereinigten Niederlande sollte sie ihre ersten Konturen erhalten. In der französischen Aufklärung (vgl. dazu Lemm 1996: 129-133 bzw. auch Montesquieu 1993: 194-197) und in der deutschen Klassik240 sollte sie sinnfällige Kontinuität erhalten. Mit dem Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon wan2 , 8 Vgl. Arnoldson (1960: 11) und Bleiberg (1968, 2: 719): „La leyenda negra fue una consecuencia del odio que produjo en Europa la hegemonía española durante el periodo de los Austrias. A fomentar este odio contribuyeron las disenciones religiosas nacidas como consecuencia de la Reforma, la expulsión de los judíos - que se establecieron después de su salida de España en diversos países europeos - , la envidia provocada por la riqueza española, con la llegada del oro americano [...]." i v > Vgl. den Artikel „Inquisition" von Jaucourt in der von Diderot und d'Alembert herausgegebenen Encyclopédie. Wenn ein Nachkomme zu sagen wage, dass im 18. Jahrhundert alle Völker gesittet gewesen seien, so werde man die Inquisition anfuhren, um zu beweisen, dass sie zum großen Teil doch noch Barbaren gewesen wären. Man wird dieses Jahrhundert brandmarken, so Jaucourt, und Hass über jene Nationen bringen, die damals diese abscheuliche Einrichtung noch anerkannt hätten (vgl. auch Dufour 1988, 13: 19-25). 2 4 0 Am Rande sei hier nur das Ansinnen Schillers erwähnt, dem „kühnsten Ideal einer Menschenrepublik, allgemeiner Duldung und Gewissensfreiheit [...] in der Nähe Philipps II. und seiner Inquisition" einen ostentativen Bekenntnischarakter in seinem Don Carlos zu verleihen (Schiller 1966: 527), wobei die historische Kulisse von Verdis Oper noch um die Effekte eines Autodafes grell aufgeladen wird.

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delt sich dieses Prinzip des Außen 24 ' indes zu einem Konfliktfeld, auf dem spanische Parteien gegeneinander streiten (vgl. Abellán 1984, 4: 149-180). Einprägsam für das Bild, das für das Wissen über das spanische 19. Jahrhundert weithin bestimmend war und sich überdies in der einseitigen Rezeption des Romans als den einer religiösen These reproduzierte, sind die permanenten Feldzüge von Konstitutionalisten und Karlisten sowie die Rivalitäten der afrancesados und castizos. So unbestreitbar auch die Gewalt war, die sich zwischen den beteiligten Kontrahenten in den guerras carlistas242 oder den pronunciamientos (Erster Karlistenkrieg 1833-1839, Zweiter Karlistenkrieg 1873-1876), aber auch in terroristischen Ubergriffen von Fanatikern auf beiden Seiten entlud - man denke nur an die Hinrichtung des Deisten Cayetano Ripoll, die noch 1826 durch die inquisitionsähnlichen Juntas de Fe angeordnet wurde und an die acht Jahre später erfolgte Ermordung von Madrider Jesuiten durch eine aufgebrachte Menschenmenge (Payne 1984: 78ff. bzw. 82ff.) — so unleugbar sind diese Ereignisse doch mit den Strukturen jenes mythenschaffenden Diskurses verbunden, der zunächst am Ende der großen europäischen Religions- und Bürgerkriege initiert wird. Dieser Rede liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich auch die Gesellschaft in Zeiten äußeren Friedens stets in einem Krieg befindet, in dem sich zwei Armeen wie in einer Schlachtordnung so lange bekämpfen, bis die eine von ihnen den endgültigen Sieg errungen hat. Nicht Rechtssysteme sind dabei das movens einer Gesellschaft, wie dies gerade am Beispiel der religiösen Gesetzgebung Spaniens erkennbar ist, 243 sondern der Krieg, der die sozialen Beziehungen in Umkeh241 Franzbach (1988: 1) vermerkt zu Recht, dass „alle europäischen Nationen wenig ruhmreich (an deren Verbreitung) beteiligt waren." Auf weich umfängliche Weise das Land von Seiten der Koalition reformierter Staaten im 16. Jahrhundert zum Inbild allgemeiner Grausamkeit gemacht wurde, dokumentiert ein Film über die Inquisition von Stamp (1996). Die antihabsburgischen Flugblätter belegen die Außenperspektive der Legende: „Spanien, dieser barbarische Abschaum, dieses Geschlecht von Bastarden, ist und bleibt Ausguß, Pfiitze und Schmutzhaufen des ekelhaftesten und sklavistischsten Volkes, das je gelebt hat."

242 * £ } ¡ e s e militärischen Erhebungen konnten nicht nur zivile Regierungen zu Fall bringen, sondern auch Monarchen zum Thron verhelfen, wie etwa die der Liberalen gegen die absolute Herrschaft Ferdinands VII. (1820) sowie jene, die den Weg zur Restauration der Monarchie nach der ersten spanischen Republik (1873-1874) freimacht. 2 4 3 So besagt die Präambel der ersten spanischen Verfassung von 1812: „La religión de la Nación española es y será perpetuamente la católica, apostólica, romana, única verdadera. La nación la protege con leyes sabias y justas, y prohibe el ejercicio de cualquiera otra." Indem Marx (1956, 10: 472) diese Formulierung als „Symptome eines Kompromisses zwischen den liberalen Ideen des achtzehnten Jahrhunderts und den finsteren Traditionen der Pfaffenherrschaft" wertete, wollte er die Rechtsbeziehungen auf die Frontlinien verweisen, die von den beiden jeweiligen historischen Parteien umkämpft sind. Die Freiheit des Individuums, wie sie wie „kaum ein im Europa des 19. Jahrhunderts entstandener Verfassungstext ähnlich entschlossen" (Gumbrecht 1990, 1: 580) in seinen Garantieklauseln verankerte, findet somit seine Einschrän-

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rung des bekannten Satzes von Clausewitz (die Politik selber sei der Krieg, der mit anderen Mitteln geführt werde 244 ) solange in seiner Latenz begleitet, bis neue Konvulsionen ihn an die Oberfläche treiben. So wäre die Gesellschaft nichts anderes als ein Schlachtfeld, das alle Menschen zu Brüdern oder Feinden macht und ihnen eine Stellungnahme für die eine oder andere Seite abnötigt: L a loi n'est pas pacification, car s o u s la loi, la guerre c o n t i n u e à faire rage à l'intérieur d e tous les m é c a n i s m e s d e pouvoir, m ê m e les plus réguliers. C ' e s t la guerre q u i est m o t e u r des institutions et d e l'ordre: la paix, d a n s le m o i n d r e des rouages, fait s o u r d e m e n t la guerre. A u t r e m e n t dit, il faut déchiffrer la guerre s o u s la paix: la guerre, c'est le chiffre m ê m e d e la paix. N o u s s o m m e s d o n c en guerre les u n s contre les autres; [...] Il n'y p a s d e sujet neutre. O n est f o r c é m e n t l'adversaire d e q u e l q u ' u n . . ,245

Weiterhin kennzeichnend fur diesen Diskurs ist seine Opposition gegen das Modell des souveränen Fürsten, dessen mystischer Körper die Ordnung der drei Stände repräsentiert und legitimiert, wie sie analog zum höchsten Wesen in Gestalt einer gesellschaftlichen Pyramide erscheint. Der neue zweigliedrige Entwurf erwächst aus der Feindschaft gegen den noch von Donoso Cortés verfochtenen „soberano en posesión de la omnipotencia social" (Do-

kung durch dessen Zwangsmitgliedschaft zu der besten und einzig möglichen aller Religionen, um einen Ausgleich zwischen den Freunden der konfessionellen Freiheit und den Anhängern der katholischen Einheit zu erwirken. Ein Schlachtfeld mit ähnlichen Frontstellungen überträgt sich auch auf die Verfassung von 1876 im Artikel 11 (vgl. H E E 1989, 3: 58), der im ersten Teil die Machtverhältnisse festschreibt („La religión Católica, Apostólica, Romana, es la del Estado. La Nación se obliga a mantener el culto y sus ministros. Nadie será molestado por sus opiniones religiosas",) und im zweiten aber bricht („Nadie será molestado en territorio español por sus opiniones religiosas, ni por el ejercicio de su respectivo culto, salvo el respeto debido a la moral cristiana"). Damit wird indes die Offenheit der historischen Entwicklung im Zeichen des Krieges impliziert. 2 4 4 Vgl. Clausewitz (1994: 34). Das erste Kapitel des ersten Buches („Über die Natur des Krieges") erstellt mit seinen achtundzwanzig Thesen einen definitorischen Rahmen in Hinblick auf die Frage nach dem Charakter des Krieges. Eines der am häufigsten zitierten Theoreme besagt, dass „der Krieg die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" sei. Er verstehe sich „nicht bloß [als] ein politischer Akt, sondern [als] ein wahres politisches Instrument, [als] eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln. Was dem Kriege nun noch eigentümlich ist, bezieht sich bloß auf die eigentümliche Natur seiner Mittel." Bestätigt wird die Diskursanalyse Foucaults, dass der Krieg im Grunde eine andauernde soziale Beziehung und der Grund aller Machtverhältnisse ist, vom britischen Militärhistoriker John Keegan (1993). In noch weiträumigeren historischen Dimensionen als Foucault seinen Diskurs bestimmt, weist er nach, dass Kultur und Zerstörung Hand in Hand gehen, sodass die Art der Kriegsfuhrung auch Rückschlüsse über den Stand einer Zivilisation erlaubt. 2 4 5 Foucault (1997: 43). Eine weitere Diskursanalyse, wie sie Foucault im Rahmen einer umfassenderen Studie selbst vorsah, ist indes nur Desiderat geblieben (vgl. dazu Foucault 1968, 5: 854).

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noso Cortés 1836, zit. nach Elorza/López Alonso 1989: 66) und die von ihm inkorporierte vertikale Macht. Dabei ergibt sich eine höchst widersprüchliche Formation von Aussagen, die ebenso auf aristokratische Frondeure, Legitimisten und spätere Émigrés246 wie auf Volksbewegungen gegen die absolutistische Herrschaft zurückgehen. Scheint dieser Diskurs auf der iberischen Halbinsel bis zum 19. Jahrhundert keine nennenswerte Rolle gespielt zu haben, da die katholische Einheit Dissidenten aus ihrem Machtbereich drängte247, so sind mit dem Zerfall einer starken Zentralmacht besonders günstige Voraussetzungen für sein Wirken gegeben. Obwohl es in ganz Europa zu einer „oposición entre partidarios de lo antiguo y de lo moderno" kommt, hinterlässt der Sturz des Absolutismus in Spanien und die Entthronung des göttlichen Souveräns „un vacío de poder que sólo imperfectamente fue llenado por nuestra débil burguesía" (Domínguez Ortiz 1969: 42f). Während die Rede des Krieges in England und Frankreich zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert aber „à propos de la double contestation - populaire et aristocratique - du pouvoir royal" (Foucault 1997: 50) ihre ersten Triumphe erlebt hatte, um sich in der Folgezeit, wie Foucault schreibt, beträchtlich auszubreiten, ist sie in Spanien also eher das Ergebnis eines Invasionskrieges. Dieser wurde zum Bürgerkrieg, freilich mit einer ähnlichen Heterogenität von Aussagen, die gleich ihren Vorläufern Klage über den falschen Gang der Geschichte erheben. Der Dissens zwischen den Anhängern einer verfassungsmäßigen Ordnung und den Befürwortern des Gottesgnadentums, der sich vor 1808 noch auf bloße Staatsrechtsdebatten beschränkt hatte, äußert sich fortan in der Gewalt minoritärer Gruppen, um so mehr, als keine entsprechende Institution entsteht, welche das ancien régime ersetzen könnte. Die sich über die gesamte 246 Vgl. Foucault (1997: 43): Die N a m e n , die sich mit diesem zweideutigen Diskurs in England und Frankreich verbinden, sind nicht weniger heterogen: Es sind Juristen wie Sir E. Coke (1552-1634), Pamphletisten wie J. Lilburne (1614-1657), die sich zu Sprechern des 'Volkes' machen, der Graf H . de Boulainvilliers (1658-1722), der Pädagoge N . Freret (1688-1749) sowie der Admirai C h . H . d'Estaing (1729-1794), die die Interessen des französischen Adels vertreten. In der Revolution knüpfen wiederum Politiker wie Buonarotti und der Abbé de Siéyès an diesen Diskurs an. 247 Vgl. C o m p o m a r Fornieles (1984: 120). Die Inquisition erhält ihre historische Legitimität aus der Sicht des für die spanische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts maßgeblichen Menéndez Pelayos gerade in der Verteidigung einer katholischen Einheit, die das Land aus Glaubensspaltungen und -kriegen heraushielt, indem sie die Heterodoxie ausschaltete. Dieser innere Frieden brachte Spanien aber äußere Feindschaften ein, sodass es sich im 16. und 17. Jahrhundert gegen ganz Europa zur Wehr setzen musste. Auch Valera (1958, 3: 1139) räumt ein, „[que] los parciales de la Inquisición pueden decir, miradas así las cosas, que aquel terrible tribunal contribuyó a que gozásemos de una paz relativa, mientras otras naciones ardían en guerras espantosas que, como en Alemania, duraban treinta años."

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Gesellschaft ausdehnende binäre Struktur, welche als modernitätsfeindliche „lucha entre 'las dos Espafias'" in die jüngere spanische Geschichte eingeht (Abellán 1984, 4: 178-179), lässt die bereits einleitend angesprochene zweigliedrige Ordnung der Metaphysik mit der in ihr angelegten Verdrängung des Anderen um so gewaltsamer hervortreten. Es versteht sich von selbst, dass im Streitpunkt der Religion weniger diese selbst im Vordergrund steht als vielmehr die historischen Konsequenzen, die sich aus der katholischen Einheit ergeben. Seinem Charakter nach ruft auch dieses ideologisch fixierte Sprechen zu einer grundsätzlichen Wahl zwischen „dos estructuras políticas, dos ideas de la sociedad y hasta dos concepciones del mundo" (ebd.: 150) auf. Was allein zählt, ist „la loi [...] des batailles réelles, des victoires, des massacres, [...] des villes incendiées, des terres ravagées et des conquêtes" und nicht ein universelles, fur beide Seiten geltendes Recht (vgl. Foucault 1997: 43). Was Gumbrecht bereits im Dilemma der spanischen Aufklärer um Karl III. ausmacht, setzt sich in den folgenden Jahrhunderten in jenem tödlichen Antagonismus zweier Parteien fort, der keine Mittelstellung duldet, denn [...] wer [...] auf das Vorbild des Auslands verwies, galt rasch als ein Verräter des Vaterlands; wer die nationale Identität in der Kultur des 'Volkes' suchte, mochte sich plötzlich in der Gemeinschaft der Traditionalisten wiederfinden (Gumbrecht 1 9 9 0 , 1: 5 5 3 - 5 5 4 ) .

Für die liberale und später die republikanisch-laizistische Intelligentsia hatte das Dunkel des Aberglaubens wie der Rückstand gegenüber dem westlichen Europa präzise Namen. Diese verwiesen stets, wie Valera missbilligend konstatiert, auf „los inquisidores feroces y los reyes tiranos" und sie nun als die wahren Dämonen der Geschichte erscheinen ließen (Valera 1949, 3: 1142): Más tarde [am Ende des 18. Jahrhunderts], los liberales y librepensadores divulgaron imágenes terroríficas de la Inquisición, y los ultramontanos respondieron a los ataques violentos con aplogías más o menos sinceras, pero también impregnadas de romanticismo declamatorio y gesticulante (Caro Baroja, J. 1 9 8 8 : 16).

Aber auch auf der anderen Seite definiert man sich allein aus dem Bann fremder Eindringlinge, aus denen im Unabhängigkeitskrieg unversehens Landsleute eines infernalischen Bekenntnisses werden und damit „la absoluta imposibilidad de entendimiento" bezeugen, „la sombra que se proyecta sobre unos y sobre otros" (Pérez Gutiérrez 1975: 212). Namentlich teilt sich der Aspekt der physischen Vernichtung des Liberalen in den frühen Romanen und historischen Episoden von Pérez Galdós mit: So sieht etwa ein alter Absolutist in El equipaje del Rey José das satanische Prinzip in den Opponenten der alten Ordnung schlechthin walten:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen El traidor en esta guerra, d o n d e se discuten las dos cosas m á s sagradas, es decir, el rey y la religión; el traidor en esta guerra, digo, es el más vil instrumento d e Satanás. Sólo le igualan en m a l d a d los q u e yo llamo traidores y renegados en el camp o de la ley [...] o los q u e por favorecer hipócraticamente a Bonaparte, introducen en E s p a ñ a caprichosas leyes a estilo jacobino, y constituciones, q u e son lazos tendidos a los pueblos por la herejía, por la licencia, por el d e m o c r a t i s m o , por la soberbia de los pequeños q u e quieren parecerse a los grandes, gritando y metiend o bulla...Pero D i o s está con nosotros [...] D i o s es español" (Pérez G a l d ó s 1 9 9 3 c : 155-156).

Doch dieser „españolismo" ist nicht mehr der eines auserwählten Volkes, dessen, wie Montesinos versichert, wenigstens alle Spanier teilhaftig werden könnten, „sino una ortodoxia" (Montesinos 1968, 1: 124), für die sich der Einschluss der einen in den eigenen Kreis stets unter Ausschluss der anderen zu vollziehen hat: „Esa gente no es gente, esos españoles no son españoles. Entre ellos y nosotros, lucha eterna" (Pérez Galdós 1993c: 156). Nun sind es nicht mehr die conversos und Juden, die sich dem vorgedachten Sein als Ganzem widersetzen und daher auch aus dem christlichen Gemeinwesen zu drängen sind. Indem nämlich alle Spanier im Zeichen der Bürgerkriege zu Feinden werden, kann der Andere nicht mehr nur der Angehörige unreinen Blutes oder fremden Glaubens sein, sondern ausnahmslos jeder einzelne. Die inneren Paradoxien der Metaphysik und damit auch ihre Grenzen müssen umso offener zutage treten. Es spricht für die erzählerische Kraft dieser frühen Texte von Pérez Galdós, dass sie trotz eigener Implikationen in den Diskurs des Krieges der Radikalisierung in beiden Lagern gedenken. 248 Beispielhaft geschieht dies in jenem denkwürdigen Dialog „entre un fraile y un ateo en el año de 1804", der gleich zu Beginn von El audaz die sprachlichen Fronten zwischen den Kontrahenten absteckt: Ustedes [los frailes y los nobles] irán arrastrados por una tempestad, q u e trastornará otras m u c h a s cosas. Los privilegios tienen q u e venir a tierra. Temblarán los nobles en sus palacios y los frailes en sus claustros (Pérez G a l d ó s 1986: 2 2 ) .

Selbst die Unarten der eigenen politischen Leidenschaften werden einem feindlichen Gegenüber zugeordnet, dessen Spektrum über „ [los] hombres ociosos, ignorantes y fanáticos [en la Corte y en el Gobierno]" hinausgeht. D a der Krieg das gesamte Sein umfasst, versinnbildlicht er sich auch auf dem höchsten Gipfel des Seins „en un Dios vengativo y suspicaz que [los frailes y 2 4 8 Vgl. etwa Montaner (1969: 105-111), der dem Erzähler in La fontana de oro vorwirft, mit grellen Charakterzeichnungen aus den politischen Feinden bloße Karikaturen zu machen, während die Figuren aus dem liberalen Lager idealisiert werden. Es wird sich herausstellen, dass die Problematisierung einer durch den Krieg geschundenen Sprache in den hier behandelten Texten bei weitem gegenüber dieser Tendenz dominiert.

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los nobles] han hecho a imagen y semejanza del hombre" (ebd.: 23), dem sich der widerspenstige Antiklerikale verweigert. Obschon dem Erzähler dieser Duktus zutiefst suspekt ist249, steht doch für ihn außer Frage, dass er sich nur als Antwort auf eine Geschichte begreift, die wie ein Alp auf den Liberalen lastet und die kompromisslosesten unter ihnen zu exzessiven Reaktionen hinreissen lässt. Naturgemäß spielt die Inquisition dabei eine maßgebliche Rolle, die um so schwerer wiegt, als mit ihrer Abschaffung in der Verfassung von Cadiz „le droit de l'Espagne aux Lumières" Bestätigung findet und damit auch „les fondements de l'Espagne du XIXe siècle et de la plus grande partie du XXe" gelegt werden (Dufour 1988, 13: 23). Wenigstens im spanischen Kontext ist just sie es, welche eher denen beizupflichten scheint, die in der Geschichte nicht so sehr die Realität der Ereignisse als vielmehr die Wahrheit der Selbstprojektionen verorten. Indem die Fiktionalisierungen, aber auch die Symbole der Angst noch über die Existenz der eigentlichen Institution hinaus Einfluss auf das Weltbild der spanischen Liberalen ausüben „[dans] un pays idéologiquement coupé en deux et pour la moitié duquel le SaintOfFice a peut-être disparu, mais pas assurément l'esprit inquisitorial" (ebd.: 23-24), beglaubigen sie auf seitenverkehrte Weise das Diktum Nietzsches, dass die Geschichte vor allem dem Tätigen und Mächtigen gehöre, „dem, der einen großen Kampf kämpft, der Vorbilder, Lehrer, Tröster braucht und sie unter seinen Genossen und in der Gegenwart nicht zu finden vermag" (Nietzsche 1954, 1: 219). Wirkt die Inquisition auch wie ein weiteres Sedativum auf die historische Ohnmacht des liberalen Subjekts250, so ist sie zugleich Gegenstand seiner beständigen Sorge und Zielscheibe seines Hasses. So reflektiert die traumatische Vision des jungen Lázaro {El sueño del liberal), die eher an die zahlreichen Populärromane des Jahrhunderts denn an eigene Erlebnisse erinnert251, in der erzählerischen Retrospektive zumal252, die Uberle24'' Regalado Garcia (1966: 165-166) spricht davon, dass die männlichen Hauptfiguren von El audaz wie von La fontana del oro den „dos modalidades de tipo revolucionario [entsprechen] que le disgustaban, la de la retórica vacía y la de la acción violenta." 250 Vgl. etwa Larra (1834) zit. nach Schmidt (1975: 108): „[...] en un país en que le [nuestro oscuro carácter] ha formado tal una larga sucesión de siglos, en que se creía que el hombre vivía para hacer penitencia! ¡Qué después de tantos años de gobierno inquisitorial! Después de tan larga esclavitud es difícil saber ser libre." 251 Vgl. etwa den Roman von Wenceslao Ayguals de Izco, der 1847 im Deutschen unter dem bezeichnenden Titel Marie die Spanierin oder: Das Schlachtopfer eines Mönchs erschien und alle schaurigen Register über die spanische Inquisition zieht, wie dies z. B. mehr als fünfundzwanzig Jahre zuvor in Maturins Melmoth the Wanderer geschehen war. Vgl. Boencke/Sarkowicz (1996: 129-165). Dass diese und ähnliche Texte (z.B. Ortega y Frías La sombra de Felipe II.), „fantásticos, sensibleros y demasiadamente moralizadores" (Cejador 1972, 8: 46), wie in Frankreich auch den frühen realistischen Roman in Spanien beinflussten, liegt auf der Hand, zumal, wenn es sich um melodramatische Effekte handelt, die sich beim Anblick düsterer Inquisitions-

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genheit einer grandiosen administrativen Maschinerie gegenüber einem ohnmächtigen Opfer 253 : T o d o se le representaba según las siniestras relaciones de las cárceles de la Inquisición que había leído en sus libros. Después le parecía que los m u r o s se apartaban: se encontraba en el interior de una gran sala, cuyas paredes estaban tendidas de negro; en el fondo había una mesa con un crucifijo y dos velas amarillas, y sentados alrededor de esta mesa c i n c o hombres de espantosa mirada, cinco inquisidores vestidos c o n la siniestra librea del Santo Oficio. Aquellos hombres le hacían preguntas a que no podía contestar. Después se acercaban a él cuatro sayones, le desnudaban, le ataban a la rueda de una máquina horrible, la movían, rechinaban los ejes, crujían sus huesos. El lanzaba gritos de dolor, es decir, ponía en ejercicio sus órganos vocales; pero el sonido no se oía (Pérez Galdós 1 9 9 1 b : 1 6 2 ) .

In der Zeit, in der diese Zeilen geschrieben werden, finden wenigstens von Seiten der Inquisition keine derartigen hochnotpeinlichen Verhöre mehr statt, brennen keine Scheiterhaufen mehr und ersticken auch keine Ketzer mehr in deren Flammen, wie das surreale Gaukelbild dem Schlafenden suggerieren will. Aber auch noch in den siebziger Jahren drängt sich dieses Thema, „como en tiempos de Olavide, Mr. Masson o Llórente" (Campomar Fórmeles 1984, 124), in die Polemiken, mit denen sich die durch die Politik des Vatikans bestärkten Ultramontanen gegen Krausisten und Liberale wenden. 254 Wie schon in den Debatten über die Ciencia española wird die Inquisition zu einer historischen Ikone, mit deren Ordnung die einen die Tendenz verließe unschwer einstellen. Es ist evident, dass dieses große literarische Interesse an der Inquisition auf die Histoire critique de l'inquisition d'Espagne des Inquisitors Juan Antonio Llorentes zurückgeht, die aus den Jahren 1812 und 1813 datiert ist (vgl. dazu Lemm 1996: 13-14). 2 5 2 Vgl. Pérez Galdós (1991b: 7). Gleich in der Vorbemerkung zu seinem Roman La Fontana de Oro weist der Autor auf „la semejanza que la crisis actual [la Revolución de Septiembre] tiene con el memorable período de 1 8 2 0 - 2 3 . " 2 5 3 Die jüngere historische Forschung hat bestätigt, dass sich die Inquisition weniger durch unmittelbare Grausamkeit hervortat, die von den folletines des 19. Jahrhunderts wohl überzeichnet wurde. Vielmehr war es der bürokratische, politische und juristische Machtapparat, der zu einer Pädagogik der Angst beitrug (vgl. Bataillon 1966: 4 9 0 - 4 9 1 bzw. Abellán 1987: 615-616). 2 5 4 Dem Ansinnen, den wankenden Glauben mit den erkenntnistheoretischen Regeln der modernen Wissenschaften zu versöhnen, wie es noch Katholiken aus liberalen Kreisen in der Tradition Lamenais' und Lacordaires nachzukommen suchten (López-Morillas 1980: 145-150), trat der Vatikan entschieden und unnachsichtig entgegen: Zeitströmungen wie Naturalismus, Pantheismus und Rationalismus verfielen mit dem Ersten Vatikanischen Konzil ( 1 8 6 9 - 7 0 ) der Häresie, die Tradition des christlichen Dogmas wurde hingegen mehrheitlich an die Infallibilität des Pontifex gebunden (vgl. dazu Schatz 1992-94, der diese historische Wandlung der römischen Kurie umfassend untersucht). Damit erschien ein Kompromiss mit der modernen Wissenschaft ebenso ausgeschlossen wie mit dem Liberalismus, dessen Annahme für Katholiken eine Sünde ist, wie der Titel einer spanischen Kampfschrift von Sardá y Salvany 1884 in Anlehnung an die zwanzig Jahre zuvor erschienene Enzyklika Quanta cura von Papst Pius IX. nahele-

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zur Säkularisierung zu erschüttern und mit deren Gräuel die anderen die Autonomie ihres Milieus zu verteidigen suchen. Und doch scheint die Gewalt der Invasions- und Bürgerkriege in der ersten Phase der Restaurationsepoche zumeist hinter einer öffentlichen Verständigung zurückzuweichen, die Gegner wie Anhänger dieser Entwicklung gleichsam umfasst. Restauration versteht sich nämlich ihrem Doppelcharakter nach nicht bloß als Wiederherstellung des alten dynastischen Ordnungsprinzips, sondern auch als institutionell abgesicherter, häufig auch fauler Kompromiss zwischen widerstrebenden oder gar gegenläufigen Kräften. Die seit 1876 einsetzende friedlichere Zeitspanne, in welcher der Krieg unter die Oberfläche der zivilen Gesellschaft verlegt wird,255 schafft Voraussetzungen zu einem „sentido global de la cultura que invita y exige la participación de todos en los grandes debates del país" (Paredes Alonso 1991: 403). So können sich in denselben Blättern und Zeitschriften Aussagen eines Ultramontanen wie Cándido Nocedal mit denen eines Gumersindo Azcárate begegnen, der gegen den 'despotismo eclesiástico' zu Felde zieht. Der 'Traditionalist' Alonso Martínez und der 'Rationalist' Francisco de Paula Canalejas wenden sich an einen gemeinsamen Kreis von Lesern. Schriften eines Menéndez Pelayo erscheinen in Verlagen, die auch seinem Widersacher, dem Spiritisten Torres de Solanot, Foren zur Verbreitung seiner Ideen einräumen. Die Revista de España, die Revista Europea und die Revista Contemporánea, die in ihrer Qualität den Vergleich mit Gazetten anderer Länder nicht zu scheuen brauchen (López-Morillas 1980: 186), sind neben den seit 1820 tätigen Ateneos, den Bildungs- und Vortragszentren in den großen Städten, die wichtigste Grundlage für öffentliche Auseinandersetzungen und Polemiken. Diese fortschrittsgläubigen und kosmopolitischen Privatleute aus dem Bürgertum, „die als Leser, Hörer und Zuschauer, Besitz und Bildung vorausgesetzt, über den Markt der Diskussionsgegenstände sich bemächtigen können" (vgl. Habermas 1990: 98), bringen um so mehr zum Bewusstsein, dass es nun nicht mehr ausschließlich Personen aus kirchlichem Stand oder dem Klerus nahestehende Aufklärer sind, die den öffentlichen Diskurs bestimmen und in den Bahnen des Glaubens halten (vgl. dazu Varela/Álvarez-Uría 1991: 93). Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass sich die Geistlichkeit und gen sollte, in dessen letztem Teil von den „errores qui ad Iiberalismum hodiernum referuntur" die Rede ist. 255 Diese simuliert die Kräftekonstellation zwischen Liberalen und Traditionalisten, indem sie deren Differenzen im Rahmen des 'turno pacífico' zu einer Form des Ausgleichs zu bringen sucht, ohne dabei freilich die am Wahlprozess unbeteiligten Massen zu berücksichtigen. Es sei daran erinnert, dass seinerzeit weniger als ein Prozent der Bevölkerung in den Genuss des Wahlrechts kam.

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die modernen Intellektuellen der Institución Libre de la Enseñanza als „rivales extremos desde los orígenes de la Restauración" begreifen (Martínez Cuadrado 1991:472). Man ist daher noch weit von jenem foedus pacificum entfernt, den Kant in seinem Entwurf zum ewigen Frieden unter den Staaten auch auf die innere Verfasstheit einer Gesellschaft bezieht (Kant 1977, 11: 211). Denn der „öffentliche Gebrauch der Vernunft" (ebd.: 55) setzt gerade „Gleichheit zwischen den Gesprächspartnern und völlige Uneigennützigkeit der intellektuellen Betätigung" (Chartier 1995: 39) voraus. Diese aber wird in einer so existenziellen Frage wie der ethisch-religiösen Grundlage eines Gemeinwesens erst in der historischen Interessengeladenheit unterschiedlicher Standpunkte konkret: Das aus der res publica litterarum abgeleitete Toleranzideal der Aufklärung, der Maxime der erweiterten Denkungsart' zu folgen und mit einerlei Maß zu messen, macht aber zur Bedingung, dass „in jedem Kopf das lumen naturale leuchtet" (Schlüter 1992: 251), wie Gisela Schlüter ihre Arbeit in Anlehnung an Kants Kritik der Urteilskraft beschließt. Die großen intellektuellen Periodika Spaniens reflektieren im Gegenteil den Umstand, dass sich seinerzeit kaum ein Teilnehmer der öffentlichen Debatten einer parteibezogenen Aussage entziehen und die erweiterte Denkungsart zum Imperativ menschlichen Handelns erheben kann. Mit dem Vermögen, „sich über die subjectiven Privatbedingungen des Unheils" hinwegzusetzen „und aus einem allgemeinen Standpunkte (den er nur dadurch bestimmt, daß er sich in den Standpunkt anderer versetzt) über sein eigenes Urtheil [zu reflectieren],, (Kant 1977, 10: 227), findet die Toleranz da ihre Grenzen, wo beide Seiten ein Einvernehmen durch die gewaltsame Wahrnehmung ihrer Interessen zu erzwingen suchen. Das Modell des Krieges sitzt wie ein Parasit auf dem sprachlichen Gestus.256 Angesichts dieser Polarisierungen ist nicht auszuschließen, dass sich nicht wenige Romane der Zeit gerade auf Grund ihrer symbolischen und mitunter auch realen Partizipation an den öffentlichen Polemiken ein Gewicht verschaffen konnten, das ihre literarische Bedeutung bei weitem übersteigt.257 In dieser Unvereinbarkeit der Meinungen fungiert ein Pérez Galdós 256 Dass sich selbst der Streit der Ideen nicht dem Krieg entziehen kann, zeigt sich etwa an José Castillejos Guerra de ideas en España. Entgegen seiner pazifistischen Gesinnung ist der gesamte Geschichtsverlauf nur vor dem waffenblitzenden Wirken gegensätzlicher Ideen vorstellbar. 257 Geradezu exemplarisch lässt sich dies an der Rezeption von Doña Perfecta (Carpintero 1994: 151-152) belegen, die mit der Polemik über die positiven Wissenschaften und die Angriffe des neothomistischen Lehrstuhlinhabers fiir Metaphysik O r t i y Lara (1884) auf deren Einführung in Spanien zusammenläuft. Dass die Debatten ein so breites Publikum erreichten,

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als „el heterodoxo por excelencia, el enemigo implacable y frío del catolicism o " , wie Menéndez Pelayo (1987: 1018-19) zunächst den auf Grund seiner Thesenromane bekannten Autor etikettiert. 258 Auch wenn er sein 1882 gefasstes Urteil fünfzehn Jahre später weitgehend, aber nicht völlig revidieren sollte (vgl. Menéndez Pelayo 1947a: 95-96), fügt es sich doch in die diskursiven Praktiken jener Jahre ein, die das historische Apriori der katholischen Einheit, wie niemals so grundsätzlich zuvor, zum Gegenstand ihrer Aussagen machen und zur Disposition stellen. Sie werden in der Öffentlichkeit identifiziert und den entsprechenden Lagern zugeordnet, wobei Pérez Galdós in diesem Zusammenhang die Rolle des Antiklerikalen zufällt: Yo a b i m o la u n i d a d católica y a d o r o la libertad de cultos. C r e o sinceramente q u e si en España existiera la libertad de cultos, se levantaría a prodigiosa altura el catolicismo [...] seríamos más religiosos, m á s creyentes, veríamos a D i o s con m á s claridad, seríamos m e n o s canallas, menos perdidos d e lo q u e s o m o s (Bravo Villasante 1970, 2 5 0 : 18-19).

Diese Radikalität, mit der die Frage nach der zukünftigen Bestimmung Spaniens aufgeworfen wird, ist mit der „tradición española de la dualidad clericalismo-anticlericalismo" (Torrente Ballester 1987, 114: 2: 270) identisch. Insofern lässt sich diese beklemmende Erbschaft, „[que fue] planteado desde hacía mucho tiempo por la visión indígena del catolicismo militante" (LópezMorillas 1980: 151), nicht allein auf der Ebene eines bloßen Zeitphänomens beikommen, das im gesamten westlichen Europa des 19. Jahrhunderts an Boden gewann (Chadwick 1993: 107-139). Die öffentliche Rede gerät stets in Gefahr, dem allgemeinen Bekenntnischarakter der Zeit zu unterliegen. Indem eine originär politische Frage als religiöses Problem behandelt wird und damit freilich die historische Tragweite der katholischen Einheit erhellt (LópezMorillas 1980), muss sich auch ein ideologischer Duktus in Erörterungen und Debatten einschleichen, deren Eigendynamik ein immer dichteres, sich selbst blockierendes Substanzdenken generiert: T o d o [...] se politizó, se 'ideologizó', se 'metafisicó', invocando en muchas ocasiones, y tocando el f o n d o c o m o en el pasado, los principios d e última existencia. Es war nicht zuletzt eine Leistung des Romans, „[donde] se puede ver cómo el proceso de incorporación a la cultura del final del siglo daba pases firmes hacia adelante, al tiempo que se levantaban tremendas resistencias en ciertos sectores de la sociedad." 2 5 8 Caro Baroja (1980: 216-217) beschreibt die verhängnisvolle Zirkelstruktur, die diesen Auseinandersetzungen zugrundeliegt, so: „Las tesis del novelista dependían de una postura previa y pintaba los retratos con arreglo a lo que aquella postura exigía. [...] Frente a la saña contra las instituciones eclesiásticas, a las que el mismo don Benito atribuía casi todos los males de España, se alzaba la voz de don Marcelino Menéndez Pelayo, el cual [...] atribuía casi toda postura heterodoxa a desarreglos en las costumbres y a perversidades inconfesables, derivadas hacia los problemas de fe."

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen' decir, que de cualquier cuestión nacía un problema transcendental, que al final tenía ver con la visión católica, laica o socialista de la vida, con la ortodoxia y la heterodoxia (Paredes Alonso 1991: 402).

Dass sich das sprechende und gewaltsam agierende Subjekt in einer Person nicht ausschließt, gilt für beide Seiten. Auch der spanische Antiklerikalismus verschafft sich häufig genug Ausdruck „with the same fanatical and intolerant spirit as that of the traditionalists" (Dendle 1968: 14). Nach Beobachtungen von Zeitgenossen findet jene „tradición frailuna y cesarista" (Macías Picavea 1899: 357) Eingang in die öffentliche Sprache, die sich kaum noch als Medium der Verständigung zwischen den beiden Parteien anbietet: La intolerancia para toda clase de ideas; la conservación de la unidad católica; el odio fraternal al clero, sin perjuicio de la misa mayor, la procesión y la novena; el estilo raro de nuestros librepensadores, obispos de levita vueltos del revés; el sectarismo y manera idolátrica, hacia personas e ideas, de nuestros partidos y escuelas; la ausencia radical, en el entendimiento, del verdadero espíritu crítico y de la sana razón, base única de toda libertad; la afición exclusiva a todo lo metafíisico, teológico y retórico; el tono perpetuamente dogmático y romántico, predominado sobre el científico y positivo; el horror al estudio y trabajo experimentales, manuales y práctico-utilitarios [...] (ebd.: 357-358).

Was sich an manifester Gewalt gegen Kirchen- und Ordensleute in immer kürzeren Abständen entlädt (1835, 1909, 1931, 1936), ist aus der Sicht Caro Batojas nur die Umkehrung einer Tradition: Die während und nach der Reconquista immer wieder von Seiten des niederen Klerus ausgestreuten Gerüchte, Juden und cristianos nuevos hätten Rechtgläubige vergiftet oder andere Verbrechen begangen (Sicroff 1960: 74, 115, 125), wenden sich 1835 erstmals gegen die historischen Urheber selbst, wie Caro Baroja in Anlehnung an Larra betont: Esta llamada 'matanza de frailes' por antonomasia marca un hito en la Historia de España que aquel contemporáneo de rara capacidad perceptiva [Larra] pudo señalar perfectamente (Caro Baroja 1980: 155).

In diesem Terror gegen „una Iglesia arcaica, cansada, internamente dividida y políticamente comprometida con el absolutismo" (García-Villoslada 1979, 5: 113) bildet sich neben einer Geographie des Antiklerikalismus (Katalonien) auch ein Ensemble von literarisch konventionalisierten Stereotypen, Mythen und Bildern ab, das fast hundert Jahre später (1931) aktualisiert werden sollte. Es sei daher an dieser Stelle ein kurzer Ausblick auf das neue Jahrhundert erlaubt, der am Beispiel der Semana Trágica (1909) den anhaltenden Konnex zwischen dem Diskurs des Krieges und manifesten Gewaltakten erhellt: Dem Aufstand gegen den Kolonialkrieg in Marokko, in deren

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Verlauf einundzwanzig Kirchen und vierzig Klöster niedergebrannt werden, geht jene vielzitierte Rede von Alejandro Lerroux (1864-1949), dem Führer der Partido Radical in Katalonien voraus. Dabei handelt es sich um ein besonders herausragendes Beispiel einer misshandelten populistischen Sprache, deren neopaganer Vitalismus den Gegner im Hassgesicht des Sprechers kenntlich macht: J ó v e n e s b á r b a r o s d e h o y ; e n t r a d a saco e n la civilización d e c a d e n t e y m i s e r a b l e d e este país sin v e n t u r a ; d e s t r u i d sus t e m p l o s , a c a b a d c o n sus dioses, alzad el velo d e las novicias y elevadlas a la categoría d e m a d r e s , p a r a virilizar la especie. N o os d e t e n g á i s ni a n t e los s e p u l c r o s n i a n t e los altares. N o h a y n a d a a g r a d o e n la tierra. El p u e b l o es esclavo d e la Iglesia. H a y q u e d e s t r u i r la Iglesia (zit. n a c h Palacio Atard 1973: 42).

Derartigen Beispielen und Aussagen könnten zahllose weitere folgen, die aber angesichts ihrer überdies hinreichenden Auswertung seitens der historischen Forschung (vgl. etwa Ullman 1972) an dieser Stelle nur insoweit von Interesse sind, als sie die Destruktion eines theozentrischen Gottesbildes und die Entstehung flüchtiger Entwürfe des Absoluten belegen. Der Antiklerikalismus, so vielfältig seine sozialen und politischen Gründe auch sein mögen,259 stürmt indes in einer ritualisierten Redeweise gegen eine Institution an, die wie ein finsteres Museum des Absolutismus mit Anspruch auf Unfehlbarkeit wirkt und dabei doch zugleich die Züge eines demontierten, aber noch nicht vollends geschlagenen Souveräns angenommen hat. In diesem Zwiespalt setzt die Kirche Energien des Hasses bei jenen frei, die im Typus des libertären Intellektuellen, des anarchistischen Arbeiters oder des republikanischen Kleinbürgers die Macht in ihrer sakralen, vertikalen und repressivsten Instanz anzugreifen und in der autoridad die ebenso zerbrechlich erscheinende divinidad zu zerschlagen suchen (Álvarez Junco 1976: 29). In diesem Ansinnen verbindet sich zwischen 1900 und 1915 das seit der Gloriosa entstandene Immanenzmilieu mit neuen Lebenswelten, „los filósofos especulativos, pasando por los anarquistas, los socialistas, los republicanos, los hombres de la Institución, los profesores de corte galdosiano" (Caro Baroja 1980: 220), die einem nicht minder gewichtigen Kreis von Katholiken, von Gelehrten, Rechtsanwälten, Geschäftsleuten und Industriellen gegenüberstehen. 259 Vgl. dazu Ullman (1972) bzw. Ruiz (1981b: 484-485). Neben dem Interesse von Republikanern und Liberalen, ihren Stimmenanteil bei den Arbeitern zu erhöhen, ist der wachsende Einfluss des Klerus auf die sozialen Dienstleistungsbereiche der Städte, wie in Schulen, Strafanstalten, Asylen und Wäschereien, „entrando en competencia laboral con las mujeres de los asalariados", eine der unmittelbaren Impulse für die Feindseligkeiten. Diese Situation verschärft sich noch durch die Repatrierung von Ordensleuten aus den ehemaligen Provinzen des untergegangenen Imperiums sowie jener, welche die französische Republik vertrieben hatte.

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Wiederum ließen sich hier die Flugschriften Suñer y Capdevilas als Quelle heranziehen, da diese ein inneres Motiv jener Positionen reflektieren, welche in der Feindschaft auf die von Valera persiflierte Pflanzenspezies des Clericus catholicus hispanicus (vgl. ebd.: 216) die gefürchtete Autorität eines Dios vengativo treffen wollen. Was sich an diesem Gott als übel und finster herausstelle, bestehe eben in seiner Tyrannei und nicht in seiner bloßen Repräsentation. Dabei sei er, „medio envuelto por las sombras de su grave majestad" (Suñer y Capdevila 1869: 22 bzw. Sánchez Martínez 1987: 204), doch nichts als ein lebloser Begriff oder, wie es an anderer Stelle heißt, ein bloßes von der menschlichen Imagination geschaffenes Wort, das sich als untätiger Gefangener und Quälgeist im menschlichen Hirn eingenistet habe. Nicht die vernunftwidrige Seite des Glaubens bilde aber eine Gefahr, sondern der Zwang, den er auf die menschlichen Gemüter ausübe, um jeder religiösen Macht im Namen ihres unfehlbaren Gottes Unfehlbarkeit zu verleihen und, wie es in einer Vorbemerkung seiner Cartas sobre Maria y Jesús (1869) heißt, eine klerikale Bürokratie, „fruto de la unidad católica", zu legitimieren (Suñer y Capdevila 1869: 22): La crueldad del cura tiene su causa y esplicación en Dios. He aquí porque más que la guerra al sacerdote hago yo aquí la guerra a Dios (Suñer y Capdevila 1869: 22 bzw. Sánchez Martínez 1987: 204).

Gegenstand des Ressentiments ist also jener zum Tyrannen ausgebildete Gott, der, wie Suñer schreibt, mit dem Monopol auf die transzendentale Frage letztlich auch das Bewusstsein der immanenten Welt wie ein Dämon beherrsche und den Menschen einrede, dass sich der Glaube in ihren Werken erfüllen müsse. Die Dichte der Ontotheologie, wie sie im Rex imago Dei politische Gestalt angenommen hatte, tritt nun in einer Negativität hervor, die Gott nicht anders zur Erscheinung bringen kann als im absolutistischen Monarchen selbst. Dem Volk, „[...] triste, ignorante, hambriento, resignado, cobarde, embrutecido por el dogma y encandenado por el temor al infierno", fällt in dieser Beziehung die Kehrseite jenes Gottesbildes zu, dessen Residuen in einer noch immer achtunggebietenden, aus den Strukturen des laizistischen Staates ausbrechenden Kirche weiterleben, wie der noch weitaus unduldsamere Alejandro Lerroux etwa vierzig Jahre später ausführen sollte (Lerroux 1909: 120-121). In dieser negativen Metaphysik ist das Dämonische vorstellbarer als ein zum Idol erhobener barmherziger Gott, der der Asynchronie des vorgedachten eidetischen Konstruktes und des äußeren Erlebens zu unterliegen droht. Der einmal ins Auge gefasste Feind scheint hingegen stets jene Rolle zu spielen, die man ihm jeweils in der Negativität des eigenen Selbst zugedacht hatte.

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Die Feier der Gewalt, die unter dem Einfluss von Sorel, Nietzsche, Marx und vitalistischer Philosophen besonders im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmende Eigendynamik in Spanien erlangt, könnte ihre Ursachen in der Unbeweglichkeit einer Seins- und Rangordnung haben, wie sie über Jahrhunderte wenigstens aus der Sicht von Liberalen und Republikanern für das Land prägend gewesen zu sein schienen. Dass man es dabei nicht mit der spanischen Historie zu tun hatte, die, so Abellán, stets „una corriente de pensamiento avanzado y progresista" aufwies (Abellán 1984, 4: 179), sondern mit bildhaften Projektionen, die ihrerseits auf den vom Integralismus fortgeführten „mito reaccionario" reagierten (ebd.: 175-179), steht außer Frage. Da aber auch ihre Metaphorik eine so eigenmächtige Wirkung erreicht, sind diese nicht weniger zu einem geschichtlichen Faktum geworden wie jene Einbildungsstrukturen, die den príncipe cristiano einst mit einer politischen Theologie legitimiert hatten (Sánchez Agesta 1959). So muss sich das Bewusstsein der eigenen Schwäche gegenüber einer strukturellen bis in die Städte hinein reichenden Macht der Kirche im unbedingten Vertrauen auf das Gesetz einer progredierenden Bewegung äußern260, deren Ziellosigkeit aber nur die Gewalt eines zum Mythos aufgeladenen Volkes befördert (vgl. Tufion de Lara 1976), wie er im besonderen Maße für den spanischen Anarchismus markant ist. Weitaus tiefgreifender als der in den Institutionen verankerte Einfluss des Klerus (Martínez Cuadrado 1991: 293-300) ist vielmehr eine Metaphysik, welche die Anarchisten zwar mit der Abweisung vertikaler Machtgebilde (Staat, Gott) einerseits bekämpfen, andererseits aber auf den Menschen als nuevo Dios beziehen, um sie im Kampf gegen das Kapital und eine seelenlos empfundene Mechanisierung erneut zu aktualisieren.261 Es ist der Auffassung Gerald Brenans zuzustimmen, dass sich in ihrem Hass auf die Kirche die Empörung eines im Grunde religiösen Volkes niederschlägt, das

2 6 0 Einblicke in die Ohnmacht der zivilen Gesellschaft oder, wie er es nennt, „la debilitación social" gegenüber der wiedererstarkten organisatorischen Kraft des Klerus, die sich geschickt hinter fadem religiösen Schmuck zu verbergen versteht, nimmt auch Pérez Galdós (1990: 227) in seinem Artikel La España de hoy vom April 1901 Bezug: „Y no es el clericalismo, como la máquina política, un artificio de pintadas telas o dorados cartones, sino una organización de notoria eficacia, manejada por personas que van impávidas y perseverantes hacia un fin positivo, con la rigidez de principios y la sagacidad de medios que dan tanta fuerza a la institución sacerdotal." 261 Álvarez Junco (1976: 33). Was bei Sufier y Capdevila noch in einer verhalteneren Metaphysik gedacht wird, tritt hier in Majuskeln gesetzten Hypostasen hervor: „El hombre es el nuevo Dios. ¿Donde está? En el Cielo. ¿Cuál es el nuevo cielo? El Pensamiento. ¿Pero como se le comprende? Por la fe. ¿Cuál es el culto? La Libertad. ¿Y el rito? El martillo dando en el yunque: La Justicia. He aquí la nueva religión. Los hombres, adoradores del Hombre."

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seiner schon von Pérez Galdós beklagten Enttäuschung einen prononcierten Ausdruck verleiht: Los curas y frailes lo abandonaron en un momento crítico de su historia y se echaron en brazos de los ricos. Los humanitarios y resplandecientes principios de los grandes teólogos del siglo XVII fueron dados de lado. El pueblo, entonces, comenzó a sospechar (y las nuevas ideas aportadas por el liberalismo no hicieron más que ayudarle) que todas las palabras de la Iglesia no eran más que hipocresía (Brenan 1962: 149-150). In einem Land, in dem das im Evangelium angelegte menschenrechtliche Potential des Christentums erkannt, aber zugunsten der historischen Allianz von Thron und Altar neutralisiert wurde, schlägt die christliche Utopie in einen K a m p f gegen ihre bisherigen Administratoren und die von ihnen überlieferte Apologetik des Gegebenen um. Aber noch im Charakter dieser Auseinandersetzung gleichen die Anarchisten der von ihnen befehdeten Kirche mehr, „[que] ha sido siempre una Iglesia militante y hasta el mismo siglo X X ha sido pensando en destruir a sus enemigos" (ebd.), als sie es selbst vermuten. 2 6 2 Der Enttäuschung über den zur Konvention gewordenen Glauben

262 In diesem Zusammenhang wäre es von Interesse gewesen, stärker als dies hier geschehen kann, auf die bedenkenswerten Überlegungen von Manuel Delgado (1992 bzw. 1993) einzugehen. Dieser Anthropologe hat sich in Anlehnung an die Opfertheorie Girards (1972) detailliert mit dem sakramentalen Charakter jener festähnlichen Gewalt beschäftigt, wie sie etwa in der Semana trágica von Seiten der spanischen Antiklerikalen zur Wirkung kam. Ausgehend von der Hypothese, dass dem Fest stets eine solche Gewalt innewohnt - „la violencia no podía dejar nunca de ser festiva" (Delgado 1992: 69) - will er nachweisen, dass die im religiösen Ritus potentiell vorhandene so aus ihrer Erstarrung gelöst wird und in manifeste Gewalt umschlägt: „No hay casi ningún ritual religioso o festivo en España que no sea interna o externamente violento, sin excluir las ceremonias homologadas dogmáticamente por el estamento eclesial, que en su mayor parte, como ocurre en el caso de los sacramentos, no son sino reproducciones rituales del asesinato de Cristo" (vgl. ebd.: 74). Die Gewalt gerät in Fluss, da sie dem Monopol der Regierenden entrissen ist und sich ihr Ausbruch an jenen Orten vollzieht, an denen ihre Ritualisierung üblicherweise stattfindet. Als Fortführung religiöser Handlung agiert sie als „retroalimentaciones excesivas, recursos rituales a los que se había dado la oportunidad de devenir de 'fiestas tradicionales' en 'trágicos acontecimientos', de simulacros en sucesos históricos, estos es, en feed backs positivos capaces de destruir el sistema para cuyo mantenimiento habían sido concebidos" (ebd.: 72). Da sich die Macht an heiligem Ort hypostatisiert, findet auch hier die Gegenmacht von Seiten derer statt, die sich aus den geltenden Machtbeziehungen ausgeschlossen fühlen: „[...] cuanto más se percibe la fragilidad del sistema de influencia social, más rigido e insistente se vuelve el ritualismo mediante el que se ejerce y, a su vez, cuanto más se experimenta el endurecimiento del ritual — lo que implica un aumento de su violencia expresiva y de su vehemencia - tanto más aumentará la necesidad mal reprimida de impugnarlo, sea en el marco de las oportunidades previstas de contrarritualidad, sea en expresiones continuadas de agresividad verbal como la blasfemia [...]" (Delgado 1993: 165).

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folgt, wie die Romanfigur des streitenden Engels, des Angel Guerra zeigt263, fast nahtlos ein neuer messianisch imprägnierter Fanatismus, der noch nicht dem bürokratischen Zwang des alten verfallen ist. Von diesem Ausgangspunkt aus lässt sich unter Umständen auch die von José Luís Abellán aufgeworfene Frage beantworten, auf welche Weise die geistige Krise — in seinem Geschichtsentwurf steht die spanische Moderne im Zeichen einer crisis contemporánea - schließlich in einem Bürgerkrieg mündet (Abellán 1981, 5/2: 71). Mit der Auflösung einer als Ganzheit vorgedachten Seinsordnung, welche die Transzendenz des himmlischen Reiches auf ein irdisches und das Königtum Gottes auf einen irdischen Monarchen zurückgeworfen hatte, geraten alle Teile dieser Ontotheologie ähnlich den Elementen einer bisher durch Deutungshoheit zusammen gehaltenen Bildkomposition in ein unüberschaubares Chaos: Kirche, Staat, Untertanen und vor allem Provinzen, die nur in der imperialen Transzendenz miteinander verwoben waren und nun zu autonomen Regionen werden, sind gezwungen, mit einem neuen Standort auch eine andere Legitimation zu finden. Im Gegenzug zu jener Verbindung von Immanenz und Transzendenz, wie sie weiter oben in der Allianz von Vater und Sohn überirdischem und weltlichem Herrscher beschrieben ist, entspricht deren Entzweiung einer Emanzipation des Zeichens von seinem göttlichen Ursprung. Oder um den neu-granadinischen Patrioten Camilo Torres im Mai 1810 zu paraphrasieren, dessen Worte aus der Sicht der in die Unabhängigkeit entlassenen spanischen Kolonien eine ähnliche Metaphorik erlauben: Nach der Auflösung der Monarchie und dem Verlust Spaniens befänden sich die einstigen Untertanen des Reiches in einer ähnlichen Situation wie erwachsen gewordene Kinder nach dem Tod des gemeinsamen Vaters. Jeder Sohn nehme nun seine Rechte wahr, baue sich sein eigenes Haus und organisiere sich sein eigenes Leben (vgl. nach König 2000: 150). Auch für das spanische Mutterland ist es nicht weniger verwunderlich, dass der Regionalismus ein ständiger Begleiter des Anarchismus oder des republikanischen Radikalismus wird, die das Tellurische zur 263 Vgl. Lakhdari (1994: 196-198). Der Stagnation der etablierten Ordnung und die Energielosigkeit ihrer verbürgerlichten Priester stellt sich Angel entgegen „[que] supone precisamente un deseo de ruptura de este formalismo religioso, pero la atosigante presencia que éste ejerce desde sus inicios, lastra y condiciona sus realizaciones" (Mora García 1981: 145). Diese Geschlossenheit historisch gewordener Verhältnisse, welche die friedliche Initiative der Menschen beschneidet, ist für Pérez Galdós in einem Brief vom 28.9.1893 selbst eine wesentliche Quelle von Gewalt und Anarchismus: „Los anarquistas emprenden ciegamente su obra de barbarie, lo mismo contra los republicanos que contra las monarquías. El programa es destruir, destruir siempre [...]. Culpable es el orden social vigente, obra de los siglos, y que ellos quieren cambiar en un quítame allá esas pajas; [...] culpable es el régimen moral y religioso, culpable es el derecho civil [...]" (Pérez Galdós 1973: 487).

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Transzendenz werden lassen. 264 Gewalt erwächst aus der D y n a m i k eines Vorgangs, dem sich diese zur Vereinzelung gebrachten Instanzen ebenso wenig entziehen können wie dem in der Metaphysik niedergelegten Zwang, eine neue Ganzheit zu finden, welche die Differenz in sich tilgt und das Andere ausschließt. 265 Dennoch ist gegenüber dieser Macht der alten Gewohnheit nochmals auf eine Besonderheit aufmerksam zu machen, die in den Spuren einer dürftig gewordenen Zeit liegen. W e n n jener von Krause und Sanz del Río entworfene harmonische G o t t der Philosophen, jener „imagen divina [que] aparece entonces á la humanidad en la imagen purificada de su propio espíritu" (Krause/Sanz del Rio 1 8 6 0 : 76), dem auf historisch gewachsenen Hierarchien beruhenden Vatergott letztlich unterliegt, so wird erkennbar, dass die Zeit von einer negativen Metaphysik beherrscht ist, die keine Transzendenz als sinnstiftende Referenz mehr herstellen kann. 2 6 6 Was zurückbleibt, ist ein Gott, der nicht mehr als allgewaltige Synthese, wie es der spanische Traditionalismus fordert, zu denken ist 267 , sondern nur noch als Negation, d. h. als Aufforderung an die genannten Parteien, aus ihrem eigenen Kreis

264 Deleuze/Guattari (1991: 54) sprechen von „l'illusion de transcendance, qui peut-être précède toutes les autres [Yillusion des universaux, l'illusion de l'éternel et l'illusion de la discursivité\ (sous un double aspect, rendre l'immanence immanente à quelque chose, et retrouver une transcendance dans l'immanence elle-même). Lerroux (1909: 120-121) belegt diese Tendenz zur heiligen Muttererde: „La tierra es áspera, esquiva, difícil: necesita que el arado la viole con dolor, metiéndole la reja hasta las entrañas; que el pico rasgue los altozanos y la pía iguale los desniveles y el palustre levante los márgenes por donde han de correr, sangrados los torrentes de agua que hoy se derraman estériles en ambos mares; necesita colonos que penetren en su alma y descubran sus tesoros, colonos que la cultiven con amor como los viejos árabes, caballeros del terruño que de nuevo con ella se desposen y auxiliados de la ciencia la fuercen a ser madre próvida de treinta millones de habitantes y la permitan por su exportación enviar aguinaldos de su rica despensa, a otros ochenta millones de seres que hablan en el mundo nuestro idioma." 265 Die Wirkung des Kriegdiskurses teilt sich noch in der ihm eigenen binären Struktur von Äußerungen mit, wie sie etwa noch große Teile der Amtskirche am Vorabend des spanischen Bürgerkrieges fiir sich beanspruchen: „[...] Es guerra de sistemas o de civilizaciones; jamás podrá ser llamada guerra de clases. Lo demuestra el sentido de religión y de patria que han levantado a España contra la Anti-España" (zit. nach Tuñon de Lara 1982, 9: 385). 266 Castillejo (1976: 86) beschreibt das Scheitern einer versöhnenden Synthese am Beispiel des Schulwesens, wo sich die von Giner de los Ríos gewiesene Lösung der religiösen Frage an „la imposición de un credo fanático como por un fanático anti-catolicismo, o por un fanatismo político." Das Projekt von Giner de los Ríos hätte „maestros como él" erfordert, „ansiosos de cooperar con cualquier credo o partido bien intencionado, desde los jesuítas hasta los anarquistas, sobre la base común del respeto mutuo." 267 Vgl. Fernández (1957: 107-109) bzw. Solana (1951). Entsprechend der von Donoso Cortés verfochtenen Gesellschaftstheorie bestehen „Individuum und Gesellschaft in absoluter Abhängigkeit von Gott und schulden ihm äußere und innere Verehrung. Die Gesellschaft hat die Pflicht religiös zu sein, [so dass] der Mensch wegen seines höheren Ziels zuerst der Kirche und nur in zweiter Linie dem Staat verpflichtet [ist]." Die Herrschaft Gottes über die Gesell-

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verbindliche Instanzen festzulegen, welche die unvermeidliche Dynamik ihrer Bewegung in friedlichere Bahnen lenkt. 268 5 . 2 D A S ABSOLUTE U N D SEIN VERFALL IN DER IMMANENZ

Gott ist tot. Das will sagen: Der christliche Gott hat seine Macht über das Seiende und über die Bestimmung des Menschen verloren. [...]. Nihilismus istjener geschichtliche Vorgang, durch den das 'Übersinnliche' in seiner Herrschaft hinfällig und nichtig wird, so daß das Seiende selbst seinen Wert und Sinn verliert. Nihilismus ist die Geschichte des Seienden selbst, durch die der Tod des christlichen Gottes langsam, aber unaujhaltsam an den Tag kommt. Es mag sein, daß dieser Gott fernerhin noch geglaubt und seine Welt für 'wirklich' und 'wirksam und 'maßgebend' gehalten wird. Das gleichtjenem Vorgang, durch den der Schein eines seit Jahrtausenden erloschenen Sterns noch leuchtet, mit diesem seinem Leuchten jedoch ein bloßer Schein bleibt. Martin Heidegger (1989: 33)

Veamos ahora qué es lo que perderíamos si degraciadamente llegara á abandonar á los pueblos la idea religiosa. Si hubiera de expresar esto con una fórmula, diría que perdería el hombre el orden divino, traído a la tierra por la religión del Crucificado: la conciencia dejaría de comunicar directamente con Dios, en una comunicación íntima y positiva, y el cielo quedaría separado de la tierra. Pues considerad, señores, lo que es la vida entregada á las solicitaciones de los intereses materiales y sensibles, y al estímulo de los apetitos, y el mundo viviendo sin enlace con lo divino, es decir, sin Dios, sin ideal, sin esperanzas, á solas con sus miserias y dolores, con sus pasiones y desfallecimientos. Ya con la disminución de las creencias y de la savia religiosa, los caracteres se han rebajado, las virtudes han disminuido: la pobre alma humana ha visto eclipsarse risueñas y consoladoras esperanzas, y la libertad moral vacila y desfallece. Cual las montañas al abandonarlas el sol, despúes de dorar su cima con los últimos rayos, quedan tristes y frías, así me perece que van quedando las altas regiones del alma. José M o r e n o N i e t o ( 1 8 8 2 : 58)

Eingedenk dieser gewaltsamen Dynamik aufeinandertreffender Kräfte wollte man sich wohl in jene república de las letras zurückziehen und sich einer Diskursivität hingeben, die freilich kaum eine Zuflucht vor dem Krieg bieten kann. Mit der Gründung einer Zeitung gleichen Namens eröffnet sich für schaft bedeutet für Spanien gleichsam, dass der Katholizismus „mit dem Wesen der Nation verschmolzen [ist]." 268 Diese Negation wiederum kennzeichnet aber gerade die Möglichkeit von Entwürfen, die sich als „eine Veranstaltung zur Einigung der Vielen und zugleich der fortwährende Prozeß solcher Einigung" versteht und nicht die Transzendenz eines Entwurfes voraussetzt, sondern erst zum Ergebnis macht, zumal, wenn es um die Organisation der Vielen in einem Staatswesen geht. Die Berufung auf eine gemeinsame Religion, Idee oder Weltanschauung als Apriori eines Gemeinwesens unterstellt etwas, was, so Sternberger, „die menschlichen Möglichkeiten - jedenfalls die bürgerlichen Möglichkeiten" bei weitem übersteigt, es sei denn, man transformierte den Staat in eine Zwangsanstalt, wie es Piaton in seiner Politeia als Herrschaft von Priestern einer Idee zum Programm erhebt (Sternberger 1986: 228-229).

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Pérez Galdós im Mai 1905 die Gelegenheit, die Aussichten fiir die Verständigung zwischen den Literaten und „la mansa república de lectores" auszuloten. Wenigstens in diesem beschränkten Rahmen sollte es doch denkbar sein, auf friedliche Weise im freien Austausch der Gedanken öffentlichen Gebrauch von der Vernunft zu machen (Pérez Galdós 1951, 6: 1489). Wenigstens diese kleine literarische Republik sollte doch in der Lage sein, Frieden in die Gemüter zu tragen: [...] no es movida de la rabia de la destrucción, sino del generoso anhelo de que algo se construya; no pretende de cerrar horizontes, sino ensancharlos, para que todas las hechuras del pensamiento y de la fantasía puedan llegar a los términos distantes de la publicidad (Pérez Galdós 1 9 5 1 , 6: 1 4 8 9 ) .

Eine Gemeinschaft so unterschiedlicher Geister, die sich die Aufgabe stelle, das literarische Leben der Nation zu bereichern und ein intelligentes Publikum um sich zu scharen, müsse aber der Vielfalt mehr Spielraum als der Einheit schenken. Angesichts der Stürme der Zeit dürfe man sich nicht vor Widersprüchen ängstigen, gäbe es doch keinen Zeitgenossen, den noch ein unerschütterliches Dogma, die unveränderliche Einheit ästhetischer Formen oder das Symbol auratischer Schönheit zu Gebote stehen könnte, „ante el cual ningún artista contemporáneo deje de prosternarse con admiración y acatamiento" (ebd.)? Man befinde sich in einer von geistiger Unruhe gestimmten Zeit, die den großen Umbrüchen im menschlichen Leben vorausgehe und sich unausbleiblich im bevorzugten Reich der künstlerischen Einbildungskraft manifestiere, „que ya es por sí revoltosa y quimerista" (Pérez Galdós 1951, 6: 1490). Diese Unruhe konzentriere sich nicht auf das tagespolitische Feld, „que es cosa bien superficial y subalterno, sino a lo más esencial, a lo que más vivamente interesa a los cuerpos y las almas, al comer y al pensar, al sentir y al poseer" (ebd.). Was hier lediglich evoziert wird, hatte sich in jenem Brief an La Prensa zwanzig Jahre zuvor schon angedeutet. Lo más esencial ist im Gelebten zwar den Augen der Welt nicht entzogen. Offenbar bleibt es aber weit mehr als die zugänglicher erscheinenden Lebensgeschäfte von diesen unbemerkt, da es sich als das Bewusstsein des Nullpunkts in der Tiefe der Zeit verbirgt und nur das Metaphysik treibende Subjekt anspricht, als das sich der Literat erweist. Obwohl zahlreiche Begriffe die Immanenzebene beherrschten, so Pérez Galdós 1885, seien diese wie flüchtige Strömungen vorbeigezogen, ohne der Zeit eine einheitliche Bewegungsrichtung zu geben: Pero el

Krausismo

se desacreditó pronto, no sé si por las exageraciones de sus

sectarios o por falta de solidez en sus ideas. C o m o en esto de la filosofía hay modas casi tan repentinas y fugaces como las de los sombreros de señora, pronto

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vino el positivismo de C o m p t e [...]. Pasaron de moda en breves años, no sólo Krause, sino Hegel, Fichte y demás germánicos (Pérez Galdós 1 9 7 3 : 147).

Der philosophische Idealismus habe einen von der Evolutionslehre gesteuerten Materialismus (Darwin und Spencer) Platz gemacht, dessen Hypothesen auch in Spanien Einfluss erlangt hätten. Doch, so lässt sich aus diesen Beobachtungen deduzieren, dürfte die Lage, wie sie vom Krausisten Canalejas als „turbación que reina en el mundo de los ideas" charakterisiert worden war (Canalejas 1 8 7 2 : 17), in der Zwischenzeit noch unüberschaubarer geworden sein. Der katholischen Einheit, die mehr auf Grund ihrer institutionellen Verankerung denn ihrer Integrationsleistungen gefestigter erscheine, sei keine ähnliche Kontinuität gefolgt: De todo esto resulta una inseguridad que no puede menos de ser favorable al principio católico siempre uno y potente en la firme base de sus definiciones dogmáticas (Pérez Galdós 1 9 7 3 : 147).

Zweifellos deutet sich in diesen von Pérez Galdós geäußerten Frustrationen an, dass auch der säkulare Erwartungshorizont noch unvermindert an einem theologischen Projektionsrahmen von Glaubenssicherheiten ausgerichtet ist, der eine auf dem Boden rissiger Verhältnisse residierende und ständig in Bewegung befindliche Immanenz, „comme une coupe du chaos", freilich im Prinzip nicht haben kann. 269 Zumal in einem Land, dem es an einer Forschungstradition in Naturwissenschaften und Technik mangelt, mussten die Immanenzebene und die auf ihr angesiedelten Begriffe im Verhältnis zur Scholastik wie Anleihen aus dem Ausland erscheinen. 270 Nicht viel anders

269 Vgl. Deleuze/Guattari (1991: 44) präzisieren an dieser Stelle das Chaos der Immanenzebene, „moins l'absence de déterminations que la vitesse infinie à laquelle elles s'ébauchent et s'évanouissent": „ce n'est pas un mouvement de l'une à l'autre, mais au contraire l'impossibilité d'un rapport entre deux déterminations, puisque l'une n'apparaît pas sans que l'autre ait déjà disparu, et que l'une apparaît comme évanouissante quand l'autre disparaît comme ébauche. Le chaos n'est pas un état inerte ou stationnaire, ce n'est pas un mélange au hasard. Le chaos chaotise, et défait dans l'infini toute consistance. Le problème de la philosophie est d'acquérir une consistance, sans perdre l'infini dans lequel la pensée plonge (le chaos à cet égard a une existence mentale autant que physique" (ebd.). 270 Vgl. „die scharfsinnige Charakterisierung der spanischen Rezeptionssituation" (Matzat 1995: 16) durch José de la Revilla von 1854, die auch noch im hier zitierten Zeitraum ihre Geltung nicht eingebüßt hat: „En las naciones que carecen de sistema fijo, porque no tienen conciencia cierta de sus necesidades, ni de cuáles medios son más adecuados para satisfacerlas; que carecen igualmente de ideas propias, porque a falta de interés común y compacto que les da origen y consistencia, se hallan en la precisión de tomarlos prestados de otros pueblos; que por esta razón se alimentan de teorías y viven a merced de sensaciones del momento regulando

éstas sus actos de gobierno [...]" (vgl. Breve reseña del estado presente de U instrucción pública en España, con relación especial al estado de la filosofía. Madrid 1854, zit. nach Terrón 1969: 171 bzw. Matzat 1995: 16).

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

dürfte es dem liberalen Milieu von Berufsliteraten, Politikern, Juristen und Akademikern ergangen sein, das sich seit den achtziger Jahren trotz seiner zunehmenden institutionellen Festigung in Staat, Schule und Hochschule gegenüber einer erfolgreich um ihren Einfluss ringenden Staatskirche zu behaupten hatte (vgl. Tufion de Lara 1981: 321-361). In der Spannung zwischen den von kulturellen Gewohnheiten legitimierten Illusionen und Erwartungen einerseits und den realen Möglichkeiten der Immanenz andererseits drückten sich die Präsenz und Abwesenheit des Göttlichen ebenso aus wie die Auszehrung der Religion in ihren Symbolen, Bildern und Texten. Die Substanzlosigkeit des heutigen Glaubens sei eine beständige Anklage der Kirche. Wird der fehlende Glaube zur Selbstoffenbarung des katholischen Spaniens, „la hija predilecta de la Iglesia, la que tuvo por estandarte la cruz" (Pérez Galdós 1973: 152-153), so entsteht ein fiir „die dürftige Zeit [...] der entflohenen Götter und [des] Nochnicht des Kommenden" (Heidegger 1981a: 47) eine „crisis religiosa de dimensión desconocida a lo largo de la historia española" (Abellán 1989, 5/1: 392). Deren Ausmaß wird lediglich vom Kriegsgeschrei der feindlichen Parteien übertönt: En resumen, que hoy la gran mayoría de los españoles no creemos ni pensamos; nos hallamos, por desgracia, en la peor de las situaciones, pues si por un lado la fe se nos va, no parece la filosofía que nos ha de dar algo con que sustituir aquella eficaz energía. Faltan en la sociedad principios de unidad y generalización. Todo está en el aire, las creencias minadas, el culto reducido a puras prácticas de fórmula, que interesan a pocas personas (Pérez Galdós 1 9 7 3 : 152).

Dieser extreme Tiefpunkt in Religion, Philosophie und anderen Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens macht für den kritischen Beobachter die ungeheure Wende einsichtig, in die Spanien im Zuge eines hinsichtlich der Gewissheit numinoser Bilder so kargen Zeitalters gekommen ist: Der Absturz aus den sublimen Höhen einer nationalreligiösen Transzendenz in eine unwirtlich anmutende Immanenz scheint als metaphysischer Reflex mit dem sich über Jahrhunderte dahinziehenden politischen Niedergang des Landes zu korrespondieren. Stellte das religiöse Gefühl einst „el móvil primero de la existencia nacional en el Estado y el individuo" dar (Pérez Galdós 1973: 146), ist sein Blickfeld nunmehr so eng geworden, dass es dem Einzelnen nicht mehr dazu verhilft, den menschlichen Erfahrungshorizont zu überschreiten. Zu bloßen, der Alltagskultur entrissenen Ritualen geworden, lässt sich seine Veräußerlichung nicht mehr mit einem inneren Gefühl verbinden: El sentimiento religioso ha venido tan a menos entre nosotros que se lo podía comparar (con el debido respeto) a esas casas linajudas que han concluido en punto y ven reducidas a polvo sus pergaminos [...]. Halláse concretado a la vida

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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particular, donde su existencia no es muy lucida tampoco, que dignos. Actúa c o m o eficaz agente en las relaciones privadas, determinando la vida más bien en lo externo que en lo moral; es ley antes que sentimiento; fórmula antes que idea, y constituye un código canónico antes que una nómina espiritual. Por esto no inspira acciones que salgan de la esfera de la común; existe por herencia, c o m o las costumbres (ebd.).

Die Angst geht um, dass der Unglaube an einen souveränen Schöpfergott ebenso zu einem System werden könnte wie die Kognitionen der modernen Naturwissenschaften zu einer neuen Ordnung, „la espalda al catolicismo y a la España del pasado" (García-Villoslada 1979, 5: 487). Doch wäre die Diagnose über die spanische Gesellschaft, wie sie weiter oben herangezogen wurde, nicht so umfassend ausgefallen, wenn sie nur den traditionellen Formen religiösen Lebens gegolten hätte, die aus der Sicht des vom Krausismus geprägten Immanenzmilieus durch zeitgemäßere Ausdrucksformen eines neuen Glaubens zu ersetzen sind. Jenseits des offiziellen Katholizismus sind in den unsteten und unvorhersehbaren Bewegungen der Immanenz noch andere Faktoren zu verorten, welche dem Gemeinwesen eine notwendige Kohäsion versagten und in dem Maße zu einer intellektuellen Unentschlossenheit beitrügen, wie sie der alten in ihren dogmatischen Selbstversicherungen erstarrten Religion nur dienlich sein konnte. Die Konsequenz sei also, so Pérez Galdós, eine Wahl zwischen dem Katholizismus oder jener perhorreszierten nada zu treffen, die nach seinen und anderen Befunden keine wirkliche Alternative zu werden verspreche. Weniger die Agonie spanischer Religiosität als vielmehr die aus dem Innern der Immanenzebene erwachsenden Gefährdungen sind es, welche, wie weiter oben beschrieben, die auf ihr agierenden Philosophen und Literaten immer wieder in tiefe Unsicherheit stürzen und ihnen glauben machen, dass die Immanenz ein Gefängnis sei, vor dem sie einzig ein fernes Jenseits retten könnte (Deleuze/Guattari 1991: 49). Wohl will man sich schwerlich von den Freiheiten der Immanenz trennen, ohne dabei auf die Sicherheiten der Transzendenz verzichten zu müssen, wie Clarín diese Spannung zwischen Glaubenszuversicht und Glaubenszweifel zum Ausdruck bringt, um diese wiederum in der Scheinhaftigkeit eines souveränen Ichs einzuschließen: C o m o filósofo era yo más católico que el papa; pero en la prática, en punto a curas y a sacristanes, no era posible cerrar los ojos a la evidencia, y mi volteranism o acerca de este particular crecía de día en día. Por eso era yo liberal, y, sin embargo, católico; y en los dolorosos esfuerzos que a mi inteligencia y a mi corazón costaba esta autonomía

aparente, c o m o decía yo, armaba yo un aparato de armonía-, que a mí me parecía perfecto, subido, invulnerable; bien es verdad, que c o m o D o n Q u i j o t e cuando por segunda vez compuso la celada, yo no me atrevía

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen'

a probar la fortaleza de aquella

armonía

[...] (zit. nach Pérez Gutiérrez 1975:

277).

Diese im Grunde divergierenden Haltungen, die im jeweiligen geschichtlichen wie biographischen Kontext, einmal den Schwärmer und ein anderes Mal den Skeptiker zu Wort kommen lassen, sind nur schwerlich einem auktorialen Lebensbekenntnis zu entnehmen. Schon eingangs wurde auf die zahlreichen Wendungen in den religiösen Anschauungen Clarins eingegangen, die es uns versagen, die Instanz des Autors noch als sicheres Residuum einer historischen Wahrheit anzuerkennen: Dieser wandelt sich von einem katholischen Intellektuellen in einen deistischen Krausisten, um in späteren Jahren den vormals verdrängten mystischen Neigungen nachzugeben und in den Schoß der Kirche zurückzukehren (Garcia San Miguel 1987). Die religiöse Unsicherheit dieses Literaten hat ihre Ursache indes nicht primär in einer Sinnsuche, die ausnahmslos einem unruhigen Gewissen verpflichtet gewesen wäre. Vielmehr scheinen diese Wanderungen zwischen der Autorität des Glaubens und dem Risiko eines selbstbewussten Lebens ihren Ausgangspunkt in einer Religiosität zu haben, deren „creencias de los angustiados hijos de los años caducos del siglo XIX" (Clarín, zit. nach: García San Miguel 1987: 335) auch das spezifisch Religiöse dieser ungewissen Zeit ausmachen sowie aus den bedrohlichen Interferenzen von immanenter und transzendenter Sphäre resultieren. Die für das Zeitgefühl so symptomatischen Momente von Präsenz und Entzug des Göttlichen, welche sich weniger in der Solidität religiöser Uberzeugungen denn im Übergang von einem ganzheitlichen Sinnhorizont zu fragmentierten Sinnperspektiven niederschlagen,271 äußern sich in Spanien am unmittelbarsten in den Konflikten zwischen einer um ihren Einfluss bangenden Kirche und einer in ihrem Selbstbewusstsein erstarkenden bürgerlichen Gesellschaft. In einem vor dem Hintergrund der Gloriosa entstandenen 271 Vgl. dazu: Cánovas del Castillo in: Moreno Nieto (1882: XXXV-XXXVT). Auch für den seinerzeit amtierenden spanischen Ministerpräsidenten, der den zeitgenössischen Leser in die Vorträge Moreno Nietos einführt, ist der Charakter seiner Zeit von den Rivalitäten zwischen dem geistigen und materiellen Prinzip bestimmt. Obwohl diese auf unterschiedlichen Ebenen miteinander rivalisieren, tritt doch eine Spannung ein, die keine verbindliche Aussage über den Ausgang des Konflikts mehr zuzulassen scheint: „Ni los más libres pensadores, que con su voz honran vuestras discusiones, han renunciado, por cierto, á la esperanza de que en el conflicto del mundo que dicen que nace, con el mundo que dicen que muere, se encuentre al fin los principios, ideas y elementos que riñen batallas hasta ahora: en el orden religioso, entre el racionalismo y el cristianismo; en el filosófico, entre el espiritualismo y el sensualismo, el empirismo y el panteísmo; en la esfera del arte, entre el realismo y el idealismo; en lo ecónomico, entre el capital y el trabajo; en lo jurídico, entre la autoridad y la libertad, la tradición y el progreso, y en el problema social, en fin, entre la organización de los socialistas, la libertad de los economistas, y la resignación de la Iglesia."

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

329

Aufsatz hatte Valera die von den Republikanern angestrebte Trennung von Staat und Kirche schon Jahrzehnte zuvor behandelt, nicht um sich mit ihren unmittelbaren zeitpolitischen Folgen auseinanderzusetzen, sondern um sie in ihrer metaphysischen Tragweite zu betrachten. Indem er davor warnt, die Emanzipation des Staates von der Kirche als Endastung von religiösen Traditionen zu betrachten, macht er die historische Apriorität der katholischen Einheit geltend. Aufgrund der Tatsache, dass sich die so voneinander geschiedenen Sphären immer wieder durchdringen, muss eine Unentschiedenheit im sprachlichen Gestus Einkehr halten, die das konfessionslose vom konfessionell gebundenen Gemeinwesen trennt: Esto es evidente; la teoría y la práctica, la especulación y la Historia, dan testimonio de ello. D o n d e el Estado es católico no se puede ser buen ciudadano sin ser buen católico también, y no se puede ser buen católico sin ser asimismo buen ciudadano; pero en el Estado que prescinde de la religión, pueden llegar fácilmente las cosas a tal extremo, que los deberes de católico y los deberes de ciudadano se combatan dentro del pecho del mismo individuo, c o m o dentro de la colectividad toda y unos rompan con el catolicismo para ser fieles al Estado, y otros con el Estado para quedarse en el seno de la Iglesia (Valera 1949, 3: 7 8 3 - 7 8 4 ) .

Damit hat Valera den Rahmen vorgezeichnet, in dem sich seine Zeitgenossen und letztlich auch er selbst zum Verhältnis von Immanenz und Transzendenz äußern. Dennoch sei hier nur belegt, auf welche Weise die Grenzen möglicher Erfahrungen in ihrer auf der Tradition der Religionseinheit beruhenden Überschreitung zerfließen. Noch während der Regentschaft Isabellas II. reklamiert Valera für die Bürger „la libertad del pensamiento", um aber gleichzeitig einer staatlichen Ordnung das Wort zu reden, die ihrer Verfassung nach allein katholisch zu sein habe und daher auch einer ausschließlich katholischen Erziehung bedürfe (Valera 1949, 2: 1465 bzw. Pérez Gutiérrez 1975: 41). In dem besagten Artikel zeigt er sich davon überzeugt, dass die katholische Geschlossenheit der Spanier dem Anliegen ihrer Freiheitsrechte nicht zuwiderlaufe, que dicha libertad no vendrá a destruir la unidad religiosa, sino a cambiarla, de violenta y forzosa que ha sido hasta el día, en espontánea y libremente aceptada (Valera 1949, 3: 781 bzw. Pérez Gutiérrez 1975: 49).

In den unschlüssigen Staatsauffassungen Valeras wie überhaupt der liberalen Schule in Spanien (vgl. dazu etwa Lopez Domínguez 1876, 210) kündigen sich unübersehbar die Erschütterungen einer zur Gewohnheit verfestigten Metaphysik an. Wenn sich der deus absconditus dem Menschen wie in der Gnoseologie Clarins weder in völliger Nähe noch Geborgenheit kundtut (Garcia San Miguel 1987: 109), hat es den Anschein, als ob sich die Onto-

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

theologie angesichts der zeitlichen Dispositionen nur in ihrer Bedrohung erfahren könne. Denn die christliche Theologie hatte die ohnehin mit platonischen Begriffen besetzte Immanenzebene daran gehindert, selbst zum Bild des Denkens zu werden und die Immanenz im Gegenzug zu einer Referenz von Materie oder Geist zu machen. Der Konstitution von Immanenz pflegt so der Schatten einer Transzendenz zu folgen, der es obliegt, die beständige Rückkehr der sichtbaren Welt auf das verborgene noumenon zu überwachen, um die Kohärenz des religiösen und politischen Symbolsystems vor eben jenen Gefährdungen des In-der-Welt-Seins zu schützen. Uber den engeren Kreis philosophischer Tätigkeit hinaus hat letztlich auch der Literat mit philosophischen Interessen den Beweis anzutreten, que la dose d'immanence qu'il injecte dans le monde et dans l'esprit ne compromet pas la transcendance d'un Dieu auquel l'immanence ne doit être attribuée que secondairement (Deleuze/Guattari 1991 : 4 7 ) .

Auf Grund einer selbstauferlegten bzw. erzwungenen Disziplinierung im Denken hat sich das gegenständliche Abbild in jedem Fall dem arkanen richterlichen Urbild zu unterwerfen. Wenn man von Quellen aus kirchlichen bzw. theologischen Kreisen absieht, die im Wandel der Zeit nur die Abwendung vom wahren Gott, die Auflösung gesellschaftlicher wie familiärer Bindungen wittern und diese mit der sozialen Geborgenheit des Mittelalters kontrastieren,272 sind es gerade die Stellungnahmen prominenter Krausisten, die sich wie Canalejas als die überzeugtesten ökumenischen Verteidiger einer wankenden Transzendenz zu erkennen geben. In diesem Plädoyer für eine Versöhnung von menschlicher Vernunft und göttlichem Geist wird die Nähe zu einer unsichtbaren und überkonfessionellen Kirche gesucht, um einem von Verfallserscheinungen verängstigten Geist eine letzte Bastion anzubieten: U n amigo mió, muy querido, que lee, siguiendo el rasguear de mi pluma, se sonríe y me llama pietista político.

Si es piedad

creer en la eficacia de las ideas y juzgar

que sin ideas á quien rendir la vida, la existencia es martirio incomprensible, soy en efecto pietista; pero c o m o no aspiro al triunfo de ninguna iglesia ni confesion ¡como no sirvo ni quiero servir á otras gerarquías que á las esencialmente espirituales, y en Dios tan solo busco y encuentro el fundamento y la raiz de toda doctrina y de toda enseñanza, gracias á la razón libre, Ubérrimamente consultada, deseo ardientemente, por el amor que me inspiran la ciencia y la pátria, que este pietismo sirva de refugio á los desesperados de la política y á los que hoy padecen bajo el poder del escepticismo y del materialismo (Canalejas 1 8 7 2 : X V ) .

272 Vgl. dazu etwa „Pensamientos sueltos: sobre ayer y hoy" in: HO (7. April 1892), „Disolución y reacción social" in: HO (23. August 1892) oder gar über „El fin del mundo", ein Traum über das Weltenende am Jüngsten Tag in: HO (21. Mai 1886).

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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In einem Aufsatz über die philosophische Schule des Krausismus schreibt Canalejas, dass sich diese gegenüber den großen Negationen der Geschichte durch Vermittlungsanstrengungen auszeichne, welche, wie bereits erläutert, ein harmonisches Menschen- und Gesellschaftsbild zur Konsequenz haben: [...] ni al materialismo, c o m o la negación del espíritu; ni al idealismo, c o m o negación del m u n d o exterior; ni al Satanismo, c o m o negación de la libertad; ni al ateísmo, c o m o negación de Dios (ebd.: 153).

Trotz jener von ihr beanspruchten Mittelstellung will diese spanische Geistesphilosophie nicht in eine Äquidistanz zu Transzendenz und Immanenz treten. Sie will das cogito vor den „dos males del siglo, o sean, del criticismo, que se convierte muy luego en escepticismo, y del materialismo cada vez mas temible y amenazador" (ebd.: 164) bewahren. Bereits in seinem Vorwort räumt Canalejas ein, dass die lateinischen Völker von der Lähmung eines Individualismus ergriffen seien, der sie eben nicht zum Denken in großen Einheiten und Synthesen befähige und sie „por una fatalidad lógica al materialismo atomístico ateo é impuro" zutreibe. Indem er „[el] tradicional esfuerzo" geltend macht, der diese Nationen „en el dia de los sacrificios y del heroísmo" bestimmt hatte, verweist er, wenigstens soweit es Spanien betrifft, implizit auf die Erschöpfung der katholischen Einheit: Flacos de voluntad y acometidos de una parálisis espiritual, ni han sabido vencer, ni ser dignos en la derrota. Apartaron de Dios su pensamiento y lo divino desapareció de su sér, quedando solo la convulsión y el espanto de la materia al huir del dolor. Sin D i o s no hay moral, ni pátria, ni familia, ni deber, ni esfuerzo ni conciencia. La moral independiente es una hipocresía histórica; el cosmopolitismo, c o m o ley social, un amaño embustero; el interés individual, c o m o criterio político, una alucinación senil (Canalejas 1872: VI).

Gewaltige Erschütterungen in der Metaphysik seiner Zeit gewahrt auch der spanische Regierungschef Antonio Cánovas del Castillo (1828-1897). Anders als Canalejas macht er neben „las lúgubres hecatombes de la primera revolución francesa" und „las locas aspiraciones sociales de 1848" auch „[el] racionalismo panteísta alemán" für diese aus seiner Sicht verhängnisvolle Entwicklung verantwortlich (Moreno Nieto 1882: XXI). Was der eine noch in den Pathos einer gefundenen harmonischen Mitte kleidet, steht fiir den anderen, wie Cánovas die Positionen Moreno Nietos kommentiert, bereits „fuera de los linderos del espiritualismo y de la fe" und führt - von Linkshegelianern und Positivisten konsequent auf den Punkt gebracht - geradewegs zu einem „ateísmo más servil y más degradante materialismo" (ebd.). Beide Standpunkte, die nur ungenügend von den politischen Bezeichnungen des 'Liberalen und 'Konservativen' erfasst werden können, beruhen auf einer gemein-

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samen Ontotheologie. Während Moreno Nieto im Seienden auch weiterhin ein theologisches Wesen anspricht, wie es im kreisförmigen Wissen seine trinitarische Bestätigung findet, so ist es bei Canalejas schon ein Subjekt, das als verbindlicher Projektionsrahmen die größtmögliche Entfaltung der Vernunft im Menschen erlaubt: Su fin y su obra [del racionalismo armónico] es reconocer inductivamente los principios, las leyes, lo infinito, y supremamente el infinito absoluto sobre lo finito; deducir sintética y metódicamente las verdades contenidas en los principios, y ordenarlas en un cuerpo de doctrina, apoyado en nuestra conciencia como punto de partida, y fundado supremamente en Dios, como el fundamento de toda realidad y el principio y ley de toda verdad conocida por el hombre (Canalejas 1872: 153). In dieser Tendenz, alle Gesetze des Lebens und Gottes mittels der eigenen Verstandestätigkeit zu erkennen, liegt aber zugleich der Verfall der christlichen Metaphysik und paradoxerweise auch eben jener idealistischen Systeme begründet, die diesen Prozess doch angestrengt hatten. Wie anders ließe sich das jähe Umschlagen von bürgerlichem Zukunftsglauben in tiefe Skepsis denn erklären als mit dem Eindringen immanenten Wissens in jene idealistischen Lehrgebäude, die es zunächst befördert hatten, um selbst überflüssig zu werden? Wie anders ist es zu verstehen, dass der weder von der katholischen Lehrmeinung noch von den Vertretern der idealistischen Schule befürwortete materialistische Zeitgeist auch im Spanien der Restauration als eine Gefahr erkannt wurde? Wie anders wäre die verzweifelt anmutende Forderung von Literaten wie Valera zu deuten, vor den Gefahren des Materialismus in die Geborgenheit der wankenden Metaphysik zu flüchten, obwohl sie deren Glauben nur noch bedingt teilen können und die Befreiung des Denkens aus der Ursupation der Scholastik begrüßen? 273 Wie anders wäre die zitierte Ernüchterung eines Pérez Galdós gegenüber dem Krausismus schließlich zu begreifen, als eine viel grundsätzlichere Enttäuschung über jenen Idealismus, die in jener Zeit doch nur die orthodoxe Lehrmeinung zu bestätigen scheint? 273 Vgl. Valera (1958, 3: 337). So schreibt er in seinen Nuevas cartas americanas im November 1889 über die neue Religion: „[...] es innegable que el materialismo, el ateísmo y el positivismo, que es un ateísmo disimulado y vergonzante, florecen demasiado en el día; pero los positivistas y ateos se engañan en imaginar que el m u n d o es ya de ellos, y que esta edad es la de la razón, y que la de la fe pasó para siempre. Yo creo que estamos en plena edad de fe, y que, si el perderla implicase progreso, de poco progreso podríamos jactarnos." Vgl. dazu in einem Brief an seinen Neffen zwei Jahre zuvor (De Coster 1956: 145): „No puedo creer ni quiero fingir que creo en todo aquello en que es necesario creer para ser cristiano católico, y tengo, no obstante, mis creencias, mis espiritualismos y mis misticismos. Algunas altas doctrinas metafísicas, aunque sean impías, m e enamoran a veces y m e seducen: pero los positivistas y materialistas, hoy tan de moda, me parecen más vulgares y más disparatados que la vieja más devota, más crédula y más fanática."

Die 'dürftige Zeit' als neues Weltalter

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Auf der Sphäre des Bewusstseins, das sich nicht auf „una denominación que se sobreentendía prolongada a las de anticatólicos e impíos" reduzieren lässt, offenbart sich bei Autoren wie Valera, Clarín und Pérez Galdós eine metaphysische Unschlüssigkeit zwischen traditionellem Glauben, idealistischer Philosophie und Idealismuskritik (Pérez Gutiérrez 1975: 14-15). Dieses Dilemma ist das Korrelat einer Zeitkrise, auf die weder Geistesphilosophie noch Religion eine angemessene Antwort zu geben imstande sind. Katholische Intellektuelle warnen in diesem Zusammenhang implizit davor, dass sich der über der Immanenz liegende Schatten der Transzendenz verflüchtigen könnte. Es konkretisiert sich der Vorwurf, dass die idealistische Philosophie selbst den Triumph materialistischer und positivistischer Schulen herbeigeführt habe. Namentlich Hegel habe die christliche Geschichtstheologie in ein spekulatives System verwandelt, und so, wie Löwith konstatiert, den Glauben an die Vorsehung zugleich bewahrt und zerstört (vgl. Löwith 1990: 176). Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Valera, der Hegel als den bedeutendsten Philosophen seit Piaton betrachtet, diesen eben nicht dafür rügt, dass er das Christentum verleugnet habe, sondern dass er es erklären wolle (vgl. Pérez Gutiérrez 1975: 40-41). Auf ähnliche Weise kritisiert auch Moreno Nieto den deutschen Philosophen. In seinen Vorträgen, in denen er einen untrüglichen Instinkt für die der Metaphysik erwachsenden Gefahren bekundet, zieht er eine unmittelbare Linie von Hegel zu den Linkshegelianern, welche das Christentum lediglich zum Gerüst ihrer materialistischen und antichristlichen Anthropologie machten: L o q u e importa notar es q u e ese racionalismo, el de Hegel sobre todo, que eclipsó á su maestro, c o m o c a m b i ó la dirección d e la ciencia, c a m b i ó también los términos y los elementos d e la cuestión religiosa. [...] Semejantes principios, que son la negación del D i o s personal y de toda revelación exterior y trascendente, penetraron en la ciencia c o n t e m p o r á n e a y determinaron el sentido y la doctrina positiva d e la filosofía alemana, lo m i s m o q u e en las d e m á s partes en la q u e se refiere al orden religioso. L a Vida de Jesús, de Straus, no es más q u e la aplicación de la doctrina de Hegel al problema cristiano. [...] E n lo q u e toca á las escuelas

filosóficas,

el resultado viene al punto, c o m o era natural: en la dirección teológica y religiosa, la evolución tiene sus desviaciones, sus titubeos y sus m o m e n t o s d e vacilación, y aun d e parada; pero va p o c o á p o c o creciendo, y hace algún t i e m p o ha t o m a d o una marcha rápida, q u e lleva el protestantismo á t o d a vela, y con irresistible m o vimiento, al m á s resuelto naturalismo ( M o r e n o N i e t o 1882: 4 7 - 4 8 ) .

Letzte Konsequenz dieser aus seiner Sicht falschen Entwicklung sei Feuerbach gewesen, an dessen Materialismus man ablese könne, wie weit sich die Philosophie vom Christentum fortentwickelt habe:

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen Después de haber fascinado á muchos espíritus, si generosos, sobrado candidos, vino un escritor que puso en claro, y en toda su fea desnudez, el contenido y la sustancia del mismo. Feuerbach hizo ver que el fondo del idealismo absoluto, lejos de ser el cristianismo, era la impiedad, y que de él, lo que podía y debía de salir era el humanismo; del cual otro escritor, por un desarrollo que él llamaba lógico, sacaba el egoísmo absoluto. 274

Inzwischen hätten sich, so Moreno Nieto, in den Naturwissenschaften, in Philosophie, Moral und Politik noch weitaus radikalere Schulen bzw. Parteien gebildet, die mit der Aufsicht der Kirche auch die christliche Idee selbst durch den Rationalismus ersetzten. Wie er dies zumindest impliziert, sei es auch von Seiten der Kirche ein vergebliches Unterfangen, dieses Milieu wieder ihrer Wahrheit unterzuordnen, da Kämpfe und furchtbare Kriege die Folge wären. Demgegenüber verzeichnet er in ganz Europa einen ungeheuren Fortschritt, der gerade im Namen des Christentums große zivilisatorische Verbesserungen mit sich bringe und die Gegner der Religion Lügen strafe. Uberhaupt sei der Menschheitsfortschritt nicht vom Glauben an den Menschensohn zu trennen, der diesen anders als die heidnischen Kulte überhaupt erst möglich gemacht habe. In dieser Beziehung teilt der katholische Intellektuelle die Auffassung Hegels, der zufolge die Neuzeit nicht als Kategorie des Abfalls vom Christentum zu betrachten sei, sondern, wie bereits mit TibonCornillot erinnert wurde, als dessen weltliche Verwirklichung. Erst im Christentum sei zum Bewusstsein gekommen, wie Hegel erinnert, daß der Mensch als Mensch frei [ist], die Freiheit des Geistes seine eigenste Natur ausmacht. Dies Bewußtsein ist zuerst in der Religion, in der innersten Region des Geistes aufgegangen; aber dieses Prinzip auch in das weltliche Wesen einzubilden, das war eine weitere Aufgabe, welche zu lösen und auszuführen eine schwere lange Arbeit der Bildung erfordert (Hegel 1 9 7 9 , 12: 3 1 ) .

Das diffuse Nebeneinander von ungeheuren Fortschrittsleistungen und einem Katholizismus, welcher die Entwicklung der letzten drei Jahrhunderte, wie Moreno Nieto attestiert, im Zaum zu halten versucht habe, scheint den ungebrochenen Gleichklang von Christentum und bürgerlichen Freiheiten, wenigstens für Spanien, indes nicht zu bestätigen. Folgt man seinen Ausfuhrungen an anderer Stelle, so deutet sich an, dass es eben jene dem Individuum von einem durchrationalisierten Protestantismus gewährte Gewissensfrei-

274 Moreno Nieto (1882: 48). Die Auflösung der Theologie ist fiir Feuerbach die zwangsläufige Folge philosophischen Denkens: „Die neue Philosophie ist die vollständige, die absolute, die widerspruchslose Auflösung der Theologie in der Anthropologie; denn sie ist die Auflösung derselben nicht nur, wie die alte Philosophie, in der Vernunft, sondern auch im Herzen, kurz, im ganzen, wirklichen Wesen des Menschen" (vgl. Feuerbach 1950: 165).

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heit war275, welche unter Bruch des kirchlichen Wahrheitsmonopols entschieden zu jenen von ihm in der Religion kritisierten und auf der ökonomischen bzw. wissenschaftlichen Ebene begrüßten Veränderungen beitrug. 276 Aus der spirituellen Aufzehrung des protestantischen Glaubens seitens der grandiosen Gedankengebäude des Absoluten vermag er ebenso wenig eine Bewegungsrichtung der Metaphysik abzuleiten wie aus der Tatsache, dass auch die idealistische Philosophie zugunsten materialistischer Anschauungen abdankt. Dennoch ist der von Hegel offensichtlich faszinierte Katholik davon überzeugt, dass eben dessen Philosophie das Absolute erst auf jenen Boden der Immanenz gebracht habe, auf dem sich „[la] embriaguez de insolente ateísmo y de materialismo grosero" (Moreno Nieto 1882: 53) der linkshegelianischen Schule überhaupt erst ausbreiten und es an seiner empfindlichsten Stelle, der Göttlichkeit des Gottessohnes, selbst treffen konnte. Es will ihm dabei nicht in den Sinn kommen, dass sich die metaphysische Zeit der christlichen Botschaft ihrem Ende zuneigt und die menschliche Geschichte nicht mehr in einer kosmisch-göttlichen Dimension eingefasst ist (vgl. WBB 1964: 792-793). Gleichwohl könnten manche bangen Wendungen eine entsprechende Ahnung auch wieder belegen.277 Man könnte die zwischen Glaubenszweifeln, Dogmatismus und zunehmend pessimistischer Welthaltung oszillierenden Äußerungen, wie sie weiter oben zitiert wurden, aber nicht historisch einordnen, wollte man deren in der idealistischen Philosophie Hegels begründeten Konnex unterschlagen. Was dem System Hegels über seinen historischen Kontext hinaus in der Geschich275 Bezeichnenderweise heißt es noch in beiden Ausgaben des Diccionário de la Lengua Castellana por la Real Academia Española (Madrid " 1 8 6 9 bzw. 12 1884) zum Begriff 'protestante: „el que protesta.// El que sigue la falsa religión reformada ó cualquiera de sus sectas, ó lo perteneciente á estos sectarios." 276 Vgl. Alonso Martínez (1877: 73). Die Sprengkraft des Gewissens für die Autorität der Lehrmeinung wurde von liberalen Kritikern des Krausismus viel eher erkannt als von dessen Adepten. 277 Vgl. Moreno Nieto (1882: 63). So beschließt er seinen Vortrag mit der Beschreibung eines Vater- bzw. Mutterverlustes, den die Menschheit noch gewahr werden wird. Die betrübliche Aussicht für das Christentum wird hier aufgefangen von der Hoffnung auf bessere glaubensfreudigere Zeiten: „¿por qué no ha de volver la Europa al Cristianismo como el hijo pródigo á la casa paterna? Hemos perdido mucho de aquel sentido que lleva al hombre hacia lo que es hermoso y divino: nuestras luchas, nuestros goces, nuestras agitaciones, el espíritu racionalista, nos han velado en parte la hermosura del Cristianismo: pero se nos aparecerá de nuevo, y entonces convertiremos á él nuestras miradas. Día vendrá, como dice Montalembert, en que la humanidad pedirá á gritos que la saquen del espantoso desierto donde la han metido: día en que querrá oir de nuevo los cantos de su cuna, respirar los perfumes de su juventud, acercar los secos labios al pecho de su madre la Iglesia católica. Y al choque de tantas almas dolientes caerán hechas pedazos las puertas de la prisión en que han metido á esa madre generosa, la cual saldrá de ella mas fuerte y hermosa y más clemente que nunca."

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te des Seins eine so beachtliche Wirkung verleiht, ist deren mehrmalig angesprochene, in der christlichen Religion angelegten, aber von ihm noch überbotenen Tendenz, die Transzendenz zu einer funktionalen Größe im Heilsgeschehen der Menschheit zu machen und das 'Reich Gottes' philosophisch in der bestehenden Wirklichkeit zu erbauen und das dogmatische Christentum zu einer philosophischen Existenz zu erheben, um dem menschlichen Geist in der geschichtlichen Welt jenes Zuhausesein zu gewähren, das er als das eigentümliche Wesen des Griechentums ansah (Löwith 1 9 9 5 : 190).

In einem Kultursystem aber, in dem die Immanenz, wenngleich mit erstaunlichen Ergebnissen, in noch akzentuierterem Maße als in England und Frankreich von der Transzendenz aus gedacht und definiert wurde, musste die von Hegel geltend gemachte Entäußerung des Geistes in der Materie und dessen Durcharbeiten „an der rauhen Rinde der Natur", kenntlich gemacht in der überragenden Rolle menschlicher Arbeit, „als ein formendes oder bildendes Tun" beim „positiven Vernichten der von Natur aus vorhandenen Welt" (vgl. dazu ebd.: 286-291), als weitaus ungeheurere Umwälzung erscheinen. Dem Diesseits wird hier eine bislang unerhörte Dignität zugestanden, die auch auf die wissenschaftliche, philosophische und politische Tätigkeit zurückwirkt. Dass die Überführung des Absoluten in die Immanenz seinerzeit zudem als enorme Öffnung zur Welt empfunden wurde, hat der Rechtshegelianer Castelar zu erkennen gegeben, wenn er die einst allein dem geistigen Prinzip vorbehaltenen Ideen und selbst die trinitarische Strukturen in der immanenten Welt entdeckt: El secreto entero de la filosofía hegeliana se encuentra en el concepto fundamental de lo absoluto. Para la antigua metafísica lo absoluto es transcendental: para Hegel lo absoluto es inmanente: [...] para Hegel lo absoluto se mueve, se difunde, anima como el calor central todas las cosas, late con las ideas como si fuera su sangre, es aquí materia organizada; toma las afinidades de la química para engendrar la vida de los seres y la fuerza de la mecánica para producir la armonía de los mundos: sube como la savia por los árboles, sube por las fibras de la creación y se convierte en espíritu, primero en espíritu individual, personalísimo, luego espíritu objetivo, espíritu social; y planteando de continuo oposiciones que se resuelven en síntesis supremas, y tomando el carácter de la Trinidad cristiana, tres términos distintos y un sólo ser verdadero encarna su derecho en el Estado, su hermosura en el arte, su vida en la historia, su esencia múltiple rica de ideal, de pensamientos perfectísima en la última y más acabada de todas sus manifestaciones, en la manifestación de la ciencia (Castelar 1 8 7 3 , 1: 189).

Doch diese revolutionäre Seite der Philosophie Hegels, die Öffnung der Immanenz zur Transzendenz, ist auch in Spanien seit der Gloriosa untrennbar

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mit den Ansprüchen eines revolutionären Bürgertums verbunden, das sich anschickt, die Materie durch Arbeit zu beherrschen und zu verändern. Es ist dies Ausdruck einer Zeit, in der sich gebieterisch die Forderung Geltung verschafft, „d'intérioriser le monde, d'effacer les aliénations, de surmonter le moment fallacieux de VEntäusserung, d'humaniser la nature, de naturaliser l'homme et de récupérer sur la terre les trésors qui avaient été dépensés aux deux" (Foucault 1986: 18). An diese Bedingungen der Immanenz gefesselt, mussten die so ins Absolute gesetzten Ideen in dem Maße Anzeichen der Erschöpfung zeigen, wie die auch von Pérez Galdós und anderen Autoren der Restauration unterstützten Mittelklassen auf Grund ihrer politischen Schwäche vor den Restaurationsbemühungen der europäischen Dynastien von ihren Ambitionen zurücktreten. So zeichnet sich ein Verdämmern jenes geschichtsphilosophischen Diskurses ab, der gerade dem seiner eigenen Postúlate überdrüssigen, wenngleich von Gewissensnot geplagtem Bürger das von ihm verursachte Elend der realen Welt in der Aussicht auf ein für jedermann angenehmes Dasein erträglich gemacht hatte, wie dies eine Studie über den Einfluss Hegels auf die republikanische Bewegung in Spanien hervorhebt: [...] el futuro del hegelianismo en España estuviera vinculado inexorablemente a la política de este sector. En general, la desaparción del hegelianismo es indisociable de la quiebra del propio proyecto político de la burguesía en nuestro país (Pedro Cerezo Galán, zit. nach Abellán 1984, 4: 565). Entgegen früherer Auffassungen hatte die Philosophie Hegels auch in Spanien eine intellektuelle Grundlage für jene Koalition abgegeben, die das Bürgertum besonders zwischen 1868 und 1874 mit Menschheitsfortschritt und Aufklärung eingegangen war. Dass sich diese im Laufe der Restaurationsepoche als temporär erweisen sollte, lässt sich gerade im politischen Denken von Pérez Galdós absehen, der den erfolgreichen Ausgang dieses historischen Prozesses noch vierzig Jahre später herbeisehnt (vgl. Jover Zamora 1991: 213). Der unabgeschlossene und fragmentarische Charakter der Geschichte musste jenen bis zur Teleologie aufgestiegenen Bewegungsgesetzen zuwiderlaufen, die im relativ raschen historischen Wechsel von Englischer, Amerikanischer und Französischer Revolution historische doch offensichtlich Bestätigung erfahren hatte. In diesem Bruch drückt sich demnach mehr als nur eine singuläre Erfahrung aus. Sie offenbart aus der Sicht des enttäuschten Idealisten, dass die übersinnliche Welt einer wirkenden Kraft entbehrt und nicht mit einer „Fülle der Zeiten" (vgl. W B B 1964: 795) zu rechnen ist, wie sie Hegel als „wahrhafte Theodizee [und] Rechtfertigung Gottes in der Geschichte" noch erwartet hatte (Hegel 1979, 12: 540). In dieser Zeitauffassung als 'angeschautem Werden', das sich in der Jetztfolge schlichtweg darbietet,

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wurden „dem Verzehren und Vergehen keinen Vorrang [zugestanden]" (Heidegger 1993: 431) und damit die Negation von Endlichkeit und Tod ein letztes Mal abgewehrt worden: Le cercle de Hegel n'est pas l'éternel retour, mais seulement la circulation infinie de l'identique ä travers la négativité. L'audace hégélienne est le dernier hommage, et le plus puissant, rendu au vieux principe (Deleuze 1997: 71).

Neben Cánovas und Moreno Nieto, die davor warnen, dass mit dem Verlöschen der Idee Gottes „sino tinieblas y noche fria" Einzug in die Welt halten werden (Moreno Nieto 1882: 213), sind auch andere Stimmen zu vernehmen, die in der Explizierbarkeit metaphysischer Gesetze zugleich deren Wirkungslosigkeit auf die Zeit eines unbestimmten bevorstehenden Seins erkennen. So liest man etwa in einem Artikel über den Pessimismus des 19. Jahrhunderts, der „este devenir del espíritu, este proceso del mundo" bereits den Bedingtheiten eines Fortschrittsglaubens zuschreibt und dessen Illusionen zunichte macht: Si es verdad, como se nos dice, que el hombre por el progreso de la reflexión conoce cada vez mejor todas estas estafas que se llaman religión, amor, bien, verdad, el dia en que la crítica ha matado los engaños de la naturaleza, ese día ha sido verdaderamente benéfica y libertadora: la religión, el bien, lo verdadero, todas esas cadenas invisibles con que estamos ligados, desaparecen [...] (Caro 1878: 78).

5 . 2 . 1 DAS BILD DES GLAUBENSZWEIFELS IN CLARÍNS EL ÁNGEL

DE LA

DUDA

Es ist just das Bild jenes Zweifels, wie Clarín (1878: 280-283) 1878 in einem Gedicht schreibt, der die Quellen des Glaubens im menschlichen Bewusstsein vertrocknen lässt. Der schwankende metaphysische Grund ist seinen Erzählungen und nicht zuletzt jenem balladenähnlichen Poem immanent, das den in seinen Fundamenten bedrohten Glauben in einem an Gott zweifelnden Menschen abbildet (El mártir de la duda). Diese doppelte Negation, die sowohl den Gegenstand der Repräsentation (den Zweifel) als auch den Mittelpunkt der Darstellung (den Zweifler) umfasst, nimmt dem Postulat der Darstellbarkeit aber seine innere Substanz. Eine Dialektik, in der sichtbare Größen der Objektwelt mit den unsichtbaren der Subjektwelt in einen versöhnenden Gesamtzusammenhang treten, erweist sich im vorliegenden Text als gänzlich undenkbar. Die äußeren Zeichen, die den Leser in die tragische Geschichte Juliáns einführen sollen, sind vornehmlich positiv gestimmt: Wie das Alter des Jünglings ein aktives und ereignisreiches Leben er-

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warten lässt, so kündigt sich mit dem Morgengrauen auch der hereinbrechende Tag und eine frohe Zukunft an. Der Jüngling lebt mit seiner Schwester Maria in einem an den Garten Eden erinnernden „valle de horizontes/ tan llenos de verdor y de alegría/ y que más que un retiro entre unos montes/ un rincón de los cielos parecía" (Clarín 1 8 7 8 : 2 8 0 ) . Was könnte das Glück noch vollkommener machen als eine Welt, in welcher der Mensch von der Sorge um die materielle Existenz entbunden ist, um sich allein dem Denken zu widmen und dennoch Teil der Natur zu bleiben. Doch diese Idylle ist trügerisch, auch wenn sie durch die Liebe und Fürsorglichkeit Marias nur noch umso vollkommener erscheinen mag. Besorgt und doch zugleich naiv wird der ftir seine herrliche Umgebung blinde Bruder von seiner kindlichen Schwester beobachtet, die ihn mit Tausenden von Liedern, „prodigios de garganta", zu trösten versucht. Was gleich zu Beginn des Gedichts wie das Denkmal eines Menschen anmutet, in dem sich Denken im Sinne Hegels verdichtet, ist nichts anderes als ein von hartnäckiger Melancholie heimgesuchtes Geschöpf, das sich seines Schöpfers nicht mehr sicher sein kann und so angesichts „[einer] allgemeinen Depression seines Ichs" (Kirchner 1907: 3 5 3 ) einer „imagen de la duda" gleichkommt. So ist aus dem symbolischen Märtyrer, der das Leben opferwillig für seinen Glauben hingibt, ein trauriger Zeuge des Zweifels geworden, dem die Verheißung auf ein neues Leben nicht mehr gegeben ist. Nicht einmal der Schutzengel, der dem Geschwisterpaar stets zur Seite steht, kann dem Unglücklichen dem „abismo de una idea" entreißen. Jener olympische Blick, wie wir ihn noch in der besagten Passage bei Don Fermín als durchaus fragwürdige Harmonisierung von Innen- und Außenwelt im Betrachtersubjekt beobachten durften, weicht zugunsten einer rigiden Abspaltung einer problematisch gewordenen Introspektion und einer arkadisch gestimmten Außenansicht zurück, wobei diese in ihrer Rollenzuordnung von Julián bzw. von Maria wahrgenommen werden. W o der Blick Juliáns die von Gebirgszügen durchschnittene Landschaft transzendiert, um über den Horizont der bekannten Welt hinaus in eine ungewisse Ferne zu schweifen, fasst die naturhaft-religiöse Schwester nichts anderes als die umgebende Natur ins Auge. Die Differenz der Blickpunkte bedingt hier wiederum auch die Divergenz der Standpunkte, die zwar nicht der gegenseitigen Zuneigung der Geschwister, wohl aber einer einmütigen Interpretation der Zeichen und damit einem gemeinsamen Weltverständnis im Wege steht. Der U m stand, dass Bruder und Schwester zu keiner Verständigung kommen können, bedeutet nichts geringeres, als dass sich aus dem Innen und Außen keine geschlossene Sinnverknüpfung mehr ergeben. Aus dieser Sicht fügt sich dieses Poem des Zweiflers in jene Zeit, in der die äußeren Effekte und Ereignisse ihre bislang äußerste Zeichenautonomie

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erreichen: In Julians Verlust einer 'inneren Stimme' offenbart sich das Unvermögen, Natur und Welt noch über ein göttliches Zentrum zu deuten. Dem Kinderglauben entronnen, mag es ihm wie jener Figur aus der griechischen Mythologie gehen, die auch noch im Angesicht des Schlaraffenlandes zu darben hat. Aber womöglich bedarf dieser Vergleich einer Korrektur, da der Jüngling von einem starken Verlangen nach Wahrheit erfasst wird, das die versiegenden Quellen des Glaubens indes nicht mehr stillen. Die Dichotomie von Wissen und Wahrheit verkehrt in den beiden letzten Teilen aber ihre Zuordnung. Entgegen seinen Uberzeugungen umreißt Julián ein wesentliches Gesetz der Metaphysik, nach dem der Ursprung stets aus dem Verborgenen schöpft und dabei den erkennbaren Dingen erst deren Bedeutung verleiht: La luna quiere al sol y de él recibe/ la tibia claridad que reverbera/ y aunque tan lejos del amante vive,/ jamás perecerá mientras le quiera... (Clarín 1 8 7 8 : 2 8 1 ) .

Die arglose Schwester resümiert hingegen - bezeichnenderweise in Fragesätzen — jene Skepsis, die Julián nicht mehr zur Ruhe kommen lässt, sie selbst aber bei Fortführung dieses sprachlichen Modus auf ähnliche Weise bekümmern müsste. Das Buch der Natur aufzuschlagen, um in dessen Zeichen die Wunder der Schöpfung zu lesen, bedeutet für sie immer noch, in den Meditationen des Bruders die vielversprechende Suche nach Gott zu erkennen: - ¿ D ó n d e vamos despues que nos morimos?/ ¿ C ó m o se sube de la tierra el cielo?/ ¿Qué nos reserva Dios, si le servimos/ con fe constante y amoroso anhelo?/ ¿Quién es Dios? ¿Cómo es Dios? ¿Le ves tú acaso,/ cuando llenos de lágrimas los ojos,/ miras ponerse el sol en el ocaso,/ quizá á luz de sus fulgores rojos?.../ ¿Sabes leer tal vez en las estrellas,/ tú que tanto las miras y meditas?/ ¡Qué feliz debes ser, si ves en ellas/ palabras santas y por Dios escritas! (ebd.)

Der methodische Zweifel, der die Reflexion auf das Denken in Gegensätzen ausrichtet und dabei den Anspruch verficht, der Wahrheit näher zu kommen, verwandelt sich bei Julián freilich in eine zusehends unentschiedenere Haltung, die sich schließlich als todbringend für ihn erweist. Die der Melancholie attestierten „Schwäche des Willens" ist die Folge jenes „Zustands der Unentschiedenheit, des Schwankens zwischen mehreren Denkmotiven, deren keines das volle Übergewicht hat" (Eisler 1904, 2: 856). Da „das Denken nicht durch objective Gründe bestimmt" wird und sich diese auch nicht in einer gesicherten Welterkenntnis mitteilen können, trägt es selbst die Züge jenes unausweichlichen Nichts, das den Denkenden vernichtet, wie die Aufschrift auf dem Grab des Jünglings, .Aquí encerraron á mi pobre hermano/ creyendo que murió, y es que medita" (Clarín 1878: 283), erinnerlich machen soll. Zweifel kehrt sich hier in Verzweiflung um, was in dieser äußersten Negation des Lebens nicht nur den körperlichen Tod Juliáns, sondern auch

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die Nichtdarstellbarkeit des Nichtdarstellbaren impliziert. Auf der Erzählebene muss die poematische Erzählung dabei notwendigerweise zu ihrem Ende kommen, da mit dem Ableben des Bruders auch die Schwester in Wahnsinn und Sprachlosigkeit getrieben wird. Die Selbstausstreichung der beiden Figuren kommt somit einer Auslöschung des Repräsentierten gleich. Nach Hegels Verständnis handelt es sich hier um ein unglückliches, in sich entzweites Bewusstsein, mit dem sich der Tod Gottes als Quelle letzter Gewissheiten im Leiden an der Ohnmacht der erkannten Wahrheit aussagt. Dass sich dieser Vorgang im physischen Ende eines Menschen niederschlägt, verdeutlicht, dass sich dieser Tod als metaphysisches Ereignis allenfalls in der Metapher der körperlich-sichtbaren Welt auszudrücken vermag. Das Ende Julians kennzeichnet also das Ende eines Menschen, der sich der Existenz Gottes gewiss sein könnte. Dem Zweifel folgt die Verzweiflung, in einer öden, wunderlosen Welt zu leben, die kein himmlisches Gewölbe mehr beschirmt. Die Depotenzierung des „criador del cielo y de la tierra, que rige y gobierna con sábia providencia el universo", wie sie in jener Enciclopedia popular de Las Novedades noch gefeiert wird (EPN 1862, 2: 41), kann einem neuen (theistisch, pantheistisch oder panentheistisch inspirierten) Seienden allenfalls zu einem temporären Triumph verhelfen und gerade in diesem die Dürftigkeit der gegenwärtigen Zeiterfahrung erhellen. So bemerkt Nieto zu Recht in einer perhorreszierenden Rhetorik: [...] ¿qué nos ofrecerá la nueva religión? ¿ Q u é ? un D i o s indeterminado, oscuro, sin entrañas, q u e se ríe de nuestros esfuerzos, de nuestros deseos y hasta de nuestras virtudes. Y e n lugar de las satisfacciones y consuelos del cristianismo, la nada absoluta, el vacío infinito, la noche s o m b r í a y eterna ( M o r e n o N i e t o

1882:

55-56). Dieses hier aufscheinende Nichts, das mit absoluter Leere und irreversiblem Tod identisch ist, kann nicht mehr in einer Negation der Negation überwunden werden, wie sie Hegel noch für die Dialektik von Tod und Auferstehung des im Menschen Jesu anwesenden Gottes reklamiert.278 Das von Moreno Nieto in aller Bedrohlichkeit evozierte nada ist nicht mehr ein durch die Schöpfung überwundener Zustand (creatio ex nihilo), „das allem Geschaffenen 'Vorausseiende', das aber in sprachlichem Selbstwiderspruch als eben 2 7 8 Zwar zeigt sich auch hier im Tod Gottes, der „fürchterlichste Gedanke, daß alles Ewige, alles Wahre nicht ist, die Negation selbst in Gott ist,, (Hegel 1979, 17: 291). Doch schlägt bei Hegel, der damit die christliche Auffassung vom Ende der endlichen Existenz resümiert, der Tod in Erlösung und Leben um, wenn es ein Gott selbst ist, der den Tod eines Menschen in sich aufnimmt und in sich zur Austragung bringt: „Gott nämlich erhält sich in diesem Prozeß, und dieser ist nur Tod des Todes. Gott steht wieder auf zum Leben; es wendet sich somit zum Gegenteil" (ebd., vgl. auch Psalm 16,10).

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doch nicht 'ist', [aber] nicht-ist'" (König 1988: 460). In noch geringerem Maße ist es eine Leere, die das Kraftzentrum eines „Dios personal, sabio y omnipotente" (Moreno Nieto 1882: 52) in die chaotische Zone einer ephemeren Fremdheit verbannen könnte. Es ist vielmehr jenes Nichts, in welches das Seiende hineingehalten ist, um in dieser neuen metaphysischen Offenheit zu erfahren, dass „nichts mehr da [ist], vor allem kein Gott, der das Dasein trägt und begründet" (Schulz 1991: 45, vgl. dazu auch Heidegger 1986). Diese Aufwertung des Nichts kann nicht ohne Folgen bleiben, hat doch „der Negativismus des Chaos sein [traditionelles] Gegenbild in der Positivität der Gestalt" (Angehrn 1996: 238). O b es die Zeichen der Ebenbildlichkeit im Menschen betrifft 279 oder ob es sich um die Beherrschung einer ungezähmten und formlosen Natur handelt, stets tritt die Gestalt als demiurgisches Sinnbild dessen in Erscheinung, das dem Rückfall in ein konturloses und daher sündhaftes Nichts Einhalt zu gebieten hat. Wenn die Wirkung der göttlichen Gestalt jedoch verblasst, lassen sich unter Chaos anders als im üblichen Wortsinn nicht allein Synonyme wie „Zustand fehlender Ordnung [oder] Regellosigkeit" subsumieren (Görner/Kempcke 2000: 701). Zwar verweist das Chaos auf einen „Urzustand der Welt, den man sich als rohe, ungestaltete, verworrene, ungeordnete Masse" (Kirchner/Michaelis 1904: 115) vorzustellen hat. Doch schließt es auch jene Dämonen ein, welche die „noch ungestaltete Wirklichkeit vor der Schöpfung [oder die] entartete Schöpfung" (TRT 1983, 4: 263) repräsentieren. In dieser Nichtung des Seins konkretisiert sich demnach ein ganz bestimmtes Sein, aus dem mit der Absage an einen vom theozentrischen Gott begründeten Kosmos eine neue Zeitstimmung und Zeitbestimmung erwächst. 280 Dieser metaphysische Schwebezustand wird vor-

279

Bereits die christliche Mystik des 17. Jahrhunderts lässt einen überraschenden Atheismus erahnen. Vgl. dazu Angelus Silesius (1979: 41-43), der die Resonanz des Göttlichen scharfsinnig in Körper, Affekten und Einbildungskraft des Menschen vermutet: „Wie mag dich doch, o Mensch, nach etwas tun verlangen,/ Weil du in dir hältst Gott und alle Ding umfangen?// [...] Däfern mein Will' ist tot, so muß Gott, was ich will:/ Ich schreib' ihm selber fiir das Muster und das Ziel.// Gott ist so viel an mir, als mir an ihm gelegen,/ Sein Wesen helf ich ihm, wie er das meine, hegen.// [...] Ich trage Gottes Bild: wenn er sich will besehn,/ So kann es nur in mir und wer mir gleicht geschehn.// Ich bin nicht außer Gott und Gott nicht außer mir,/ Ich bin sein Glanz und Licht, und er ist meine Zier.// Ich selbst muß Sonne sein, ich muß mit meinen Strahlen/ Das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen" (vgl. dazu auch Bloch 1985: 283ff). 280 Klagen spanischer Integristen nach dem Vorbild des Donoso Cortés, die modernen Gesellschaften hätten den göttlichen Souverän entthront und die von ihm festgelegte Ordnung in eine infernalische Verwirrung gestürzt, erweisen sich bei genauerer Betrachtung des Begrifisfeldes zumindest nicht als ganz so unbegründet. Vgl. Polo y Peyrolon (1879): „El siglo XIX, ejecutor testamentario del XVIII, trabaja furiosamente por destronar al verdadero Dios. Aquél se dedicó á la idea; éste se proclama partidario del hecho. Sentó, el primero las premisas, y saca el

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nehmlich in der Kunst fixiert, die „Sein und Schein, Wahrheit und Täuschung zugleich [gibt]. Als im Grund zweideutig legt sie nicht ontologisch fest und bringt in die Schwebe" (Schulz 1985: 423). Durch die Kunst wird erfasst, „was für die Kunst von jeher wesentlich war", so dass „diese Deutung der zweideutig gebrochenen Weltstellung des Menschen entspricht" (ebd.: 425).

6 . 0 S C H R E I B E N IN 'DÜRFTIGER Z E I T ' 6 . 1 DAS LITERARISCHE FELD ZWISCHEN 1868 UND 1898 6 . 1 . 1 D E R R E A L I S M U S IN D E R S P A N N U N G D E S SUBJEKT/OBJEKT-DENKENS

In dem tiefgreifenden Umbruch von einer vom Nachahmungsprinzip gesteuerten Kunstauffassung zu selbstreferentiellen Verfahren, mit denen die literarische Sprache gegenüber den klassischen Wirklichkeitsmustern des 'Wahren', 'Schönen' und 'Guten' zunehmende Autonomie erringt, ist der europäische Realismus/Naturalismus zu situieren. Wurde der Realismus als „la peinture vraie des objets" (Desnoyers 1970: 42) zunächst vor allem in polemischer Abgrenzung zur Romantik und zu idealisierender Verklärung und traumhaft-dämmernder romantischer Phantasie definiert281, so sollte sich in seinen Texten der wissenschaftliche Anspruch erfüllen, die Dinge so darzustellen, „comme elles ont réellement existé ou comme elles auraient dû exister, suivant les caractères et les situations des caractères" (zit. in Kraus 1964: 71). Doch melden sich schon bald ernsthafte Zweifel an diesem Versuch, im Rahmen eines möglichst umfassenden Weltbezuges ein ebenso reiches Ensemble gesellschaftlicher Typen zu schaffen. So macht Nietzsche Vorbehalte gegenüber den epistemologischen Voraussetzungen einer realistischen Ästhetik geltend, welche letztendlich auf den Außen- und Innenansichten des erzählenden Subjekts beruhe und infolgedessen als Konstrukt erkennbar werde: segundo las consecuencias. Sembraron los sofistas del pasado siglo, y recogemos nosotros la cosecha. !Semilla venenosa! ¡Cosecha envenenada! El siglo XIX, poseido de orgullo satänico, no se contenta con el pedestre encargo de albacea, y, al creer vacante el trono del universo, prépara un pretendiente, hechura de sus manos ¡Abajo Dios! ¡Guerra al infame! gritaba el padre ideölogo. ¡Arriba el hombre! contesta alborozado el hijo positivista." 281 So ist unter französischen Literaten immer wieder die Forderung zu hören, der realistische Roman solle sich an einem WahrheitsbegrifF orientieren, an „le vrai" oder an „la vérité" (vgl. H ö f n e r 1980: 117), der sich in seiner Wertigkeit zunehmend gebieterischer der Fiktion überzuordnen scheint.

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen Der Realismus in der Kunst eine Täuschung. Ihr gebt wieder, was euch am D i n g e entzückt, anzieht - diese Empfindungen aber werden ganz gewiß nicht durch die realia geweckt! Ihr wißt es nur nicht, was die Ursache der Empfindungen ist! Jede gute Kunst hat gewähnt, realistisch zu sein! (Nietzsche 1999, 9: 3 2 6 )

Wenn der Realist eine künstlerische Realität imaginiere, betrachte er sich missverständlicherweise auch als deren Repräsentant: Auch in den nachgelassenen Fragmenten zur Fröhlichen Wissenschaft wendet sich Nietzsche an die Realisten, die sich „[...] gegen Leidenschaft und Phantasterei" gewappnet fühlten „und gerne einen Stolz und einen Zierath aus [ihrer] Leere [machten]" (Nietzsche 1999, 3: 421). Er wirft diesen nüchternen Menschen vor, die äußere Wirklichkeit entschleiern zu wollen und dabei die eigenen dunklen Leidenschaften zu verkennen, von denen sie selbst beherrscht seien. Da gerade die Nüchternheit in der uralten Liebe zur Wirklichkeit Züge von Trunkenheit angenommen habe, seien 'Realisten' und 'Phantasten aus jeweils unterschiedlichen Motiven von einem gemeinsamen Taumel erfasst: Es giebt für uns keine 'Wirklichkeit' - und auch für euch nicht, ihr Nüchternen - , wir sind einander lange nicht so fremd, als ihr meint, und vielleicht ist unser guter Wille, über die Trunkenheit hinauszukommen, ebenso achtbar als euer Glaube, der Trunkenheit überhaupt unfähig zu sein, (ebd.: 422).

Im lyrischen Vorspiel zur Fröhlichen Wissenschaft „Scherz, List und Rache" exemplifiziert Nietzsche diesen Vorgang über jenen 'realistischen Maler', der im Teufelskreis der eigenen Subjektivität befangen, das male, was ihm gefalle, und dem das gefalle, was er male (ebd.: 365). Diesen hier angesprochenen Grundkonflikt, nach Rudolf Kassner (1986, 8: 227) die „Geteiltheit des Menschenwesens", die sich im Endeffekt aus der Unentschiedenheit der Zeit zwischen Realismus und Idealismus ergibt, vermag der Realismus des 19. Jahrhunderts indes nicht zu überwinden: Einerseits treten die von Hegel bezeichneten Merkmale einer sich auflösenden romantischen Kunstform ebenso unverkennbar hervor wie die Bedingtheiten eines durchaus übersteigerten Subjektivismus. Mit dem Hinausgehen der Kunst über sich selber sei diese nun ebenso sehr ein Zurückgehen des Menschen in sich selbst. Ihre Inhalte befreiten sich von den ihnen bisher vorbehaltenen Formen und machten das humanum zu ihrem neuen Heiligen, „[...] die Tiefen und Höhen des menschlichen Gemüts als solchen, das allgemein Menschliche in seinen Freuden und Leiden, seinen Bestrebungen, Taten und Schicksalen" (Hegel 1976, 1: 37). Zugleich erwächst dem expérience und observation abgerungenen Schreiben ein Vernunftprofil, das mit einem zusehends dichteren Netz von Naturgesetzen, wirtschaftlichen Effizienzkriterien, soziologischen Bestimmungsmodi und photographisch herstellbaren Präzisionsmustern auf einer schier unum-

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stößlichen und unwiderlegbaren Objektivität zu beruhen scheint. Die positivistische Dreistadienlehre, nach der das menschliche Wissen aus den Fiktionen der Theologie zu einer Erkenntnisform aufsteigt, die auf die Erforschung der innerweltlichen Verhältnisse ausgerichtet ist, trägt nicht unerheblich zum Eindruck bei, dass „die eigentliche Entdeckung der Erkenntnistheorie erst in diesem letzten Zeitraum erfolgt." Alles was frühere Epochen geleistet haben, scheint zur bloßen Vorstufe zu werden, die auf die moderne Entwicklung hinweist (Cassirer 1994, 4: 18, vgl. dazu auch Müller 1977: 63-64). Der hier evozierte Anspruch kann aber nicht über die Bedingtheiten des dem 19. Jahrhundert zugrundeliegenden epistemologischen Modells hinwegtäuschen, das den Aporien der Subjekt-Objektspaltung selbst da nicht entgeht, wo es den Anschein hat, als könnte es die Gesetzmäßigkeiten der diesseitigen Welt mit der Schöpfungsgeschichte harmonisieren und die theologische Scheidung von göttlicher wie menschlicher Sphäre überwinden. 282 Wie Foucault in seiner archäologischen Rekonstruktion der Humanwissenschaften überzeugend nachweist, ist in der Entwicklung von Ökonomie, Biologie und Philologie ein innerer Konnex von Subjektivität, Objektivität und Teleologie zu indizieren, welche die gesamte Erkenntnistheorie der bürgerlichen Epoche imprägniert und vom sogenannten âge classique trennt (vgl. Foucault 1966). Diese Dispositionen haben nicht nur „die deutsche Literatur seit den vierziger Jahren deutlich geprägt" (Lauer 1980: 11). Auch der französische Realismus, der in Balzac und unter Vorbehalt auch in Zola den spanischen Autoren maßgebliche Vorbilder bietet (vgl. Bonet 1990: 19), bewegt sich zwischen der Beobachtung empirisch erfassbarer Oberflächenphänomene und der Erforschung ihrer tiefendimensionalen Resonanz: Wie Müller (1977) nachweist, wird der Modus der Darstellung bei den von ihm untersuchten Autoren (Balzac, Zola, die Goncourts, Flaubert und Maupassant) höher veranschlagt als das Dargestellte selbst. In die narrativen Texte des Realismus und Naturalismus fließen demnach sowohl bestimmte Elemente ein, die der unmittelbaren empirischen Wirklichkeit entnommen werden als auch die Regeln, durch welche sich diese bilden.

2 8 2 Obwohl die Relation von Subjektivität und Objektivität selbst nicht Gegenstand der von Cassirer betriebenen Untersuchung des Erkenntnisproblems ist, wird doch offensichtlich, dass Charles Darwin, und mehr noch Teile seiner Adepten, die Selbsttätigkeit des Organischen präsumieren, welche die menschliche Art ebenso in eine zielgerichtete Bewegung setzt wie der Geistesidealismus: „Der ständige Gebrauch, den der Darwinismus von diesen Begriffen macht und machen muss, würde schon für sich allein hinreichen, um zu beweisen, dass er, wenn er eine bestimmte Form der metaphysischen Teleologie bekämpft, damit der' kritischen Teleologie keineswegs entsagt" (Cassirer 1994, 4: 173).

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Ziel der Darstellung ist dabei der Mensch im Koordinatensystem seiner Schicht und seiner Zeit sowie in jenem Verhältnis, das er zu seiner sozialen und natürlichen Umgebung einnimmt. Die Regelhaftigkeiten, die das Denken und Handeln von Gesellschaft und Individuen steuern, folgen nach Müller den Interrogativpronomen comment oder pourquoi,283 Während sich das erste Element auf die Gesetzmäßigkeiten des „déterminisme des faits" beschränkt, fragt das zweite nach den Kausalitäten, die diesen Prozessen innewohnen und die positiven Wissenschaften dazu veranlassen, in die dunkle Zone der Metaphysik einzutreten.284 Bereits Comte selbst erfasst die Bruchstellen seiner Methode, wenn er die Erklärung des positiven Wissens aus einer Verbindung ableitet, die zwischen den verschiedenen Erscheinungen und „quelques faits généraux, dont les progrès de la science tendent de plus en plus à diminuer le nombre" bestehe (Comte 1968: 4). Unbekannte Größen spielen immerhin eine, wenn auch nicht unbedingt intendierte, so doch gewichtige Rolle und nötigen den Schreibenden unausgesetzt dazu, den gesicherten Boden des comment und das Erkennen der cause prochaine zu verlassen, um sich den kaum ergründeten Zusammenhängen der Metaphysik zuzuwenden (vgl. Müller 1977: 59-77). Es steht außer Frage, dass Gott als eine der empirischen Welt abgewandte Größe keinen Eingang in den „llamado realismo, cosa puramente externa, aparencial, cortical y anecdótica" finden kann und, so Unamuno im Vorwort seiner Tres novelas ejemplares, eher in der Introspektive des Subjekts seinen Platz hat. Gerade der Dualismus zwischen einem im Innern des Menschen waltenden Schöpferprinzip und einer sich

283 Die Gesetzmäßigkeiten, die im comment der Phänomene gipfeln, befinden sich noch auf dem Boden der sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit. Ihnen geht es lediglich darum, das Movens zu erklären, das bestimmte Elemente miteinander verbindet. Es geht u m das Erkennen der „cause prochaine", nicht u m die Erkenntnis der letzten Dinge. Die Regeln stehen allesamt in Wechselbeziehung zueinander und fallen „unter das Prinzip des 'déterminisme des faits': die Physiologie als Kräftespiel der Organe; die Vererbung als Wechselbeziehung zwischen Physiologie u n d Umwelt; die Psyche des Menschen schließlich als Funktion des ständig sich verändernden Bewusstsseinstroms sowie der Einflüsse von Physiologie, Erbanlagen u n d Umwelt." Im Gegensatz zu diesen Regelhaftigkeiten, die als solche verifizierbar sind oder gar schon verifiziert wurden, stehen jene Kategorien, die zwar auch dem „déterminisme des faits" folgen, aber dem pourquoi nachgehen. Als naturphilosophische Strömung des 19. Jahrhunderts, die aus der Biologie der Lebewesen deduzierend eine Fortentwicklung im Geschichtsverlauf unterstellt, ist der Evolutionismus d a r u m bemüht, den Werdegang der Lebewesen aus deren Korrelation mit ihrer Umwelt zu beschreiben. 284 In dieser hat allerdings der christliche Gott seine unausweisliche Vormachtstellung verloren und der Determinismus des 'Lebens' ist als Abstraktum zu einer wichtigen Größe geworden, die zunehmende Eigenständigkeit gegenüber seinem einstigen Stifter erlangen wird. Es entsteht eine Lehre, die die Existenz von organischer wie anorganischer Natur auf G r u n d eines Prinzips zu erklären versucht.

Das literarische Feld zwischen 1 8 6 8 und 1 8 9 8

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ihm entfremdenden äußeren Wirklichkeit muss sich somit noch vertiefen.285 Mit Höfner (1980) lassen sich zwei Lösungen im realistischen Roman Frankreichs erkennen, die sich auf die oben skizzierte epistemologisch-literarische Struktur stützen und dabei die Aporien des Subjekt/Objekt-Denkens offenbaren: - die v o l l k o m m e n gelungene R e k o n s t r u k t i o n von 'Realität', eine Wiederherstellung von ' E i n h e i t ' , in der es gelingt, widersprüchliche

Oberflächenphänomene

eindeutig einer Tiefenstruktur, e i n e m 'Verborgenen', zuzuweisen u n d durch die R e k o n s t r u k t i o n dieses 'Verborgenen' h i n r e i c h e n d zu erklären, w o d u r c h auch B e d e u t u n g wieder gewährleistet ist, da m a n den an sich bedeutungslosen Textelem e n t e n d a n n Aussagekraft zugestehen k a n n : solches betrifft die 'mystere'-Form e n , den Kriminalfall, die naturwissenschaftlich interpretierten Ereignisse u n d rekurriert a u f die Kausalität. - die R e k o n s t r u k t i o n von 'Realität', in der die T i e f e n s c h i c h t eine n i c h t eindeutig interpretierte G r ö ß e bleibt. Sie wird dabei als n o t w e n d i g u n d existent gesetzt, aber so, dass daraus, mangels verbürgter D e n k m o d e l l e u n d genauer K e n n t n i s über diese S c h i c h t , O b e r f l ä c h e n p h ä n o m e n e n i c h t eindeutig ableitbar sind. S o werden d a n n auch Kausalitäten oder andere G e s e t z m ä ß i g k e i t e n nicht als u n b e d i n g t gültig u n d verbindlich gesehen (ebd.: 2 5 5 ) .

Wiewohl sich keine Erkenntnis der Ebene der Tiefenstrukturen entziehen kann und sowohl die sichtbare Oberfläche als auch die dem unmittelbaren Blick entzogene Tiefenschicht füreinander jeweils funktionale Größen sind, lassen sich in den angezeigten Optionen unterschiedliche Standpunkte gegenüber der Autorität der neuen Wissenschaftsmodelle verorten: [...] j e stärker m a n die neuen W i s s e n s c h a f t s m o d e l l e für verbürgte Erklärungsmuster n i m m t , desto stärker neigt m a n der ersten Variante zu; j e m e h r Skepsis m a n dazu hat, bei durchaus gleichem Problembewusstsein der

Realitätsproblematik

gegenüber, desto stärker bevorzugt m a n die zweite Variante [...] (ebd.: 2 5 5 - 2 5 6 ) .

Die letzte Spielart, die mit ihren Bedenken hinsichtlich wissenschaftlicher Begründungszusammenhänge Defizite in der Kausalitätenkette der Realitätskonstruktionen zulässt, offenbart auch eine größere Aufgeschlossenheit fiir die Ungeborgenheit des Menschen in dürftiger Zeit. Am deutlichsten zeigt sich diese in einer Metaphysik, deren unbestimmte Grundierung den Zeitgenossen in Flauberts Education sentimentale oder Madame Bovary zu einem rätselhaften Fatum geworden ist. Jene höhere kapriziöse Gewalt, die weder dem Bild eines persönlichen Gottes entspricht noch aus der Summe der im Industriekapitalismus reproduzierbaren Realien abgeleitet werden kann, wird im Roman der spanischen Restaurationsepoche eine tragende Rolle spielen. 2S5 Vgl. Wais (1983: 268). Auch noch bei Unamuno ist der Glaube ein Garant von Schöpfung und Fülle: „Y la fe es la fuente de la realidad, porque es la vida. Creer es crear."

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6 . 1 . 2 D E R ÜBERGANGSCHARAKTER DES SPANISCHEN REALISMUS ZWISCHEN MIMETISCHEM SCHREIBEN U N D LITERARISCHER AVANTGARDE

Bezüglich eines in diesem Grundraster fixierten Nachahmungsprinzips nimmt der spanische Realismus keine Sonderstellung ein, obwohl seiner szientistischen Ausrichtung deutlichere Grenzen gesetzt sind als seinen französischen Vorbildern. Eine ontologische Festlegung durch 'Leben und 'Vererbung' bzw. durch soziale und religiöse Faktoren wird hier neutralisiert oder zumindest relativiert: So ist davon auszugehen, dass „das Milieu bei Galdós und Clarín sehr viel stärker durch innergesellschaftliche Interaktions- und Transformationsprozesse geprägt" ist als etwa in Zolas roman expérimental (Matzat 1996: 27). Nichtsdestotrotz zeigt sich in seinen Varianten auch ein Dahingleiten zwischen einer auf ein äußeres Objekt ausgerichteten Sprache und einer religiösen Spiritualität, die inneren Gemütsbewegungen abgewonnen ist, zwischen dem Anspruch einer peinture du vrai und der Parteilichkeit einer vermeintlichen politischen These. Bereits in der Vielfalt jener Bezeichnungen, welche die Diskursart in Perioden bzw. Untergattungen unterteilen, scheint sich eine Dominantsetzung bestimmter Wirklichkeitsaspekte kundzutun. So lassen sich bei allen Vorbehalten Phasen bestimmen, die den Ubergangscharakter des Realismus zwischen mimetischer Tradition und literarischer Moderne prononcieren.286 Auch hat es den Anschein, als ob Romane von Pérez Galdós (z. B. die Seelenlandschaften in Marianela oder Nazartn) und Valera (Morsamor) da eine entsprechende Entwicklung vollzögen, wo sich die Beobachtung äußerer Faktoren auf die Wahrnehmung psychischer Momente verlagert.287 Unterstellt man die Texte in ihrer Heterogenität jedoch wiederum der Einheit eines geschlossenen WerkbegrifFs, „la obra galdosiana en su total integración", und der lebendigen Souveränität des Au-

286 Vgl. Pedraza Jiménez/Rodríguez Cáceres (1983, 7: 31). Dem Übergang von romantischen Modellen zu neuen Ausdrucksformen (1850-1875), folgt die Reifeperiode (1875-1880), die Dominanz des Naturalismus (1880-1890) sowie der spiritualistische Realismus (1890-1920), in dem bereits modernistische Elemente und die Ästhetik des fin de siicle sichtbar werden.

287 Vgl. Casalduero (1970: 43-45), der zwischen folgenden Schaffensphasen unterscheidet: Historische Periode (1867-1879): La Fontana de Oro (1868), El audaz (1871), Doña Perfecta (1876) Gloria (1877), Marianela (1878), La familia de León Roch (1878), Episodios Nacionales (2 primeras series); naturalistische Periode (1881-1892): El amigo Manso (1882), El doctor Centeno (1883), Tormento (1884), Lo prohibido (1885), Torquemada en la hoguera (1889), Realidad (1889), Ángel Guerra (1891), Fortunata y Jacinta (1887); spiritualistische Periode (1892-1908): Tristana (1892), La loca de la casa (1892), Nazarin (1895), Halma (1895), Misericordia (1897), Episodios Nacionales (3.a y 4.a serie); mythologische Periode (1908-1918): El caballero encantado (1909), La razón de la sin razón (1915), Casandra (1910), Episodios Nacionales (5.a serie).

Das literarische Feld zwischen 1868 und 1898

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tors, wie Casalduero dies etrwa in seiner Arbeit unternimmt (vgl. Casalduero 1970: 181-190), ist man eher dazu geneigt, die mannigfaltigen Zäsuren und Übergänge zu übersehen, welche die Evidenz der in Zeitabschnitten abgezirkelten Stil- und Ausducksdominanzen sowohl in Hinblick auf einzelne Romane als auch in ihrer literarhistorischen Entwicklung erschüttern. Jenseits der Masken der Repräsentation, hinter denen der spanische Roman der Zeit zunächst seiner erzieherisch-erbaulichen Funktion inne wird (vgl. Rodgers 1987: 14), kommen die phantastischen Effekte des trompe l'oeil in frühen Texten von Pérez Galdós mit dem Doppelgängermotiv in der Zeichnung E.T.A. Hoffmanns {La sombra), in seinen novelas contemporáneas (man denke etwa an die Tagträume des Cadalso in Miau), in seinen späteren cuentos288 und in denen Clarins289 zum Vorschein, so dass die hier zu verortenden surrealistischen Züge bereits den nicht- bzw. antimimetischen Gestus der modernen Avantgardebewegungen erahnen lassen (vgl. dazu Litvak 1990: 103-110 sowie Schreibman 1960). Was im realistischen Schreiben eigentlich auf dem „Richtigstellen und Abstandnehmen von den Überspitzungen, etwa von Exstasen, Fanatismen und Mysterien" beruht und gelegentlich auch „die Mediokrität" bejaht (Wais 1983: 249), was im Kern die notwendige Abweisung des Phantastischen, Übernatürlichen oder Unheimlichen nach sich ziehen müsste (Cuddon 1991: 774), tritt trotz des augenscheinlichen Primats des Mimetischen in einem Sein zutage, „qui se dit de differences qui ne sont ni dans la substance ni dans un sujet" (Deleuze 1997: 81). Dass sich diese Einsichten erst allmählich durchsetzen konnten, liegt auch an der Logik jener Abgrenzungsversuche, mit denen sich die späteren literarischen Avantgarden gegenüber dem bürgerlichen Roman des 19- Jahrhunderts in Frankreich und Spanien hervortaten. Dabei bleibt zumindest der Eindruck erhalten, als ob die von ihnen angestrengten Verfahren ein sich selbst begründendes Schreiben motivierten und am Endpunkt realistischen Schreibens einsetzten. Exemplarisch sei hier an Valle-Inclán erinnert, der Ángel Guerra zunächst als „cierto realismo superior [lobte] que el público español que come bien y goza de excelente salud, no suele entender" (zit. nach Díaz-Plaja 1965: 35-36). Der Erinnerung wert ist aber auch jene Figur in seinen Luces de bohemia, den er den berühmten Satz von „don Benito el garbancero" in den Mund legt, der diesen mit den verhassten Sprachregelungen und dem Reprä-

21.8 Vgl. Una industria que vive de la muerte, Tropiquillos, ¿Dónde está mi cabezaCelln La conjuración de las palabras. 21.9 Vgl. Mi entierro-Discurso de un loco.

oder

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sentationskitsch der Restaurationsära identifiziert.290 Doch abgesehen von diesen antibürgerlichen Affekten der Generation von 1898, die, wenn auch aus einer anderen Perspektive, durchaus vom alternden Pérez Galdós geteilt werden, sind es vor allem Vorbehalte (Unamuno, Baroja, Azorin), die sich aus Skepsis und Unwillen gegenüber einer vermeintlich detailtreuen und gegenständlich orientierten Repräsentation der Wirklichkeit ergeben. 29 ' Vor den Rezeptionserfahrungen des Nouveau Roman ist seit 1970 „una dicotomía absoluta" zwischen dem Roman des 19. Jahrhunderts und seinen 'neuen Nachfolgemodellen auszumachen, deren ästhetischer Radikalismus im Zeichen Robbe-Grillets „como intento consciente o inconsciente de justificar al máximo su propia manera de novelar" erscheint (Bonet 1972: 13-14). Es ist jedoch evident, dass sich die Literaturgeschichte nicht in Sprüngen fortbewegt und ein ästhetisches Vakuum schafft. Vielmehr ist eine Grundtendenz anzunehmen, aus der einsichtig wird, warum innovative ästhetische Phänomene zwar im Antagonismus zur Tradition entstehen, aber doch auf ihr beruhen. Im spanischen Roman scheint sich im Gegenteil zu bestätigen, dass die mimetische Tradition selbst Faktoren ihrer Uberwindung hervorbringt: So hat man es gerade zwischen 1868 und 1898 mit einer sich beschleunigenden Zeit zu tun, die aus dem costumbrismo in die literarische Moderne hineinwächst und damit eine Entwicklung nachvollzieht, welche die europäischen Vorbilder in einem unvergleichlich längeren Zeitraum zu bewältigen hatten. Mit Miller kann gar nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass Pérez Galdós und Clarín gegenüber Balzac, Stendhal und Zola mehr als vierzig Jahre Literaturgeschichte aufzuarbeiten hatten292, „para poner la [novela] española a su nivel":

2 9 0 Vgl. Díaz-Plaja (1965: 84). Der von Pérez Galdós durchaus geschätzte Cánovas wird vor diesem Hintergrund in seiner „fealdad perruna" und einem „gesto menestral" beurteilt. Beide sind Teil jenes in feisten Ritualen erstarrten Spaniens, das jegliches Verhältnis zu seiner Wirklichkeit vermissen lässt: „Uno de los caracteres distintivos del pueblo español es la pompa con que reviste aun los actos de menos importancia. En España - casi estoy decir en la Europa latina - todo se hace a lo grande y para todo hay dispuesto un festival." 2 9 1 Vgl. dazu Hurtado Oviedo (2006): „Galdós es exactamente el cadáver ni siquiera exquisito que hay que enterrar, porque, con su obra ingente, memoriosa y vulgar, está apuntalando la realidad convencional y burguesa, la idea burguesa y utilitaria de la realidad. Galdós, pues, es el gran estorbo del 98 y del Modernismo. Galdós, cuando se pone estilista, dice que Tristana tenía 'una boquirrita'... Yes cuando arrojamos el libro. Tuvo, desde muy pronto, cara verde de billete de mil pesetas, avaricia literaria de solterón putañero, alma de portera y una grandeza de indiano enriquecido que se explica por su origen canario, casi americano." 2 , 2 Dass sich das bürgerliche Zeitalter als Gegenstand und Konstrukt von Literatur- und Kulturgeschichte in jenen Zentren konstituiert, in denen diese im Zeichen einer nach allgemeinen Kriterien und Typisierungen suchenden Darstellung geschrieben wird, wird in diesem Zusammenhang besonders evident: Man vergleiche etwa die schon klassisch gewordene Sozial-

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Inspirándose en la tradición socio-mimética nacional e internacional, y llegando a la misma hacia el crepúsculo de su vigencia, Galdós y, después, Clarín hacen el trabajo de tres generaciones en menos de quince años (Miller 1993: 41). I m Z e i c h e n seines Jahrhunderts versteht m a n d e n s p a n i s c h e n R e a l i s m u s d e m n a c h als e i n e n u m s o rascheren U b e r g a n g v o n der R o m a n t i k zur M o d e r ne, i n d e m d i e Idee d e s Fortschritts T r i u m p h u n d N i e d e r g a n g g l e i c h e r m a ß e n erfährt (Kassner 1 9 8 6 , 8: 12). A h n l i c h verhält es sich m i t e i n e r m i m e t i s c h gefassten Ästhetik, d i e v o n n e u e n F o r m e n , T h e m e n u n d M o t i v e n unterlaufen wird. M i t Walter B e n j a m i n begreift m a n d i e Z e i t in i h r e m raschen U m b r u c h v o m A l t e n z u m N e u e n als tragische Ü b e r r a s c h u n g der L e b e n d e n 2 9 3 , s o dass d i e U n g l e i c h z e i t i g k e i t v o n konservativen R e p r ä s e n t a t i o n s f o r m e n u n d jener „crisis formal" k e i n e s w e g s v e r w u n d e r n darf. W i e Laureano B o n e t n a c h w e i s t , k e n n z e i c h n e n b e i d e Seiten d e n bürgerlichen R o m a n ( B o n e t 1 9 7 2 : 17): U n t e r der O b e r f l ä c h e b e s t i m m t e r Texte schreibt sich e i n e R e v o l u t i o n ein, w i e sie sich a u c h in M u s i k u n d Malerei d e s a u s g e h e n d e n 19. Jahrhunderts z w i s c h e n ausgewiesenen Darstellungsformen und befremdlich erscheinenden Stilmitteln vollzieht. 2 9 4 W a s sich bereits in d e n Z e i c h n u n g e n G o y a s u n d d e n Karikageschichte der Kunst und Literatur von Arnold Hauser (1978), welche die iberische Halbinsel im Gegensatz zu Italien nur selten in seine Betrachtungen einbezieht. Vgl. dazu auch de Sena (1977: 207), der ausdrücklich vor ähnlichen Verengungen warnt: „Ainda outro erro, e esse insistentemente frequente, é a exagerado com que sao tratados, relativamente, vultos excepcionais, em fun^áo dos quais sao entáo julgados os vultos menores." 293

Benjamin (1977, 7: 439) spricht im Zusammenhang mit Nikolai Lesskow von einer „Generation, die noch mit der Pferdebahn zur Schule gefahren war, stand unter freiem Himmel in einer Landschaft, in der nichts unverändert geblieben war als die Wolken und unter ihnen, in einem Kraftfeld zerstörender Ströme und Explosionen, der winzige, gebrechliche Menschenkörper." 294 Auf der Grundlage der Analyse der zwischen 1884 und 1888 konzipierten D-Dur Symphonie (Titan) kommentiert Th. W. Adorno die musikalische Physiognomik der Symphonien Gustav Mahlers, die einerseits der Spätromantik verpflichtet bleiben und andererseits „die Idee der Desintegration" hervortreten lassen. „[Diese] kündigt wunderlich sich an im dritten Satz der Ersten Symphonie. [...] Indem er das Dogmatische des Kanons parodiert, negiert er es; daA m läßt er entlegene Farben wie den Solokontrabaß und die melodieführende Tuba hervortreten, die man damals als skurril muss empfunden haben. Die desintegrative Neigung erobert dann den Satz in Schockmomenten wie dem der jähen Beschleunigung. [...] seine schlagende Originalität ist erzeugt von der Einheit des Desorganisierten und des Sinnvollen. So früh schon teilt sich der desintegrative Aspekt im gesamten kompositorischen Verfahren mit. Seine Domäne ist die Form. Dem romanhaften Duktus zuliebe nähert sie sich der Prosa. Der tonale Mahler kennt das atonale Mittel der Verbindung durch Unverbundenheit, den ungemilderten Kontrast des Ausbrechenden' oder Abbrechenden als Formmittel" (vgl. Adorno 1998, 13: 268). Auch in den darstellenden Künsten ist absehbar, dass das Aultreten des abstrakten Prinzips „weniger als Folge einer kontinuierlichen Stilentwicklung zu betrachten [ist], sondern als deren Ablösung und als ein Versuch, Kunstform von neuem glaubhaft zu machen." Anders als bei der klassischmehrdimensionalen Malerei rückt in jenen Formstufen, die der Abstraktion vorausgehen, nicht die Bewältigung des Bildraumes und seiner Tiefe in der Vordergrund, sondern die der Bildflä-

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turen Daumiers mit der „unmittelbaren Konfrontation von Mensch und Tier" ankündigt (Borrmann 1994: 170), zeigt auch in Romanen von Pérez Galdós seine Wirkung: Wie die Kunst stehen auch diese in der Spannung zwischen dem „Schwinden des Glaubens von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen und der Verbreitung der Darwinschen Abstammungstheorie" (ebd.), was als solches auch exemplarisch von der Forschung untersucht wurde (vgl. Chamberlin 1988, Dolz Blackburn 1982, Urbina 1988). Mit dem Verfall des Seienden als gestalthafter Einheit in Literatur und Kunst schließt sich der Kreis zum Seinsverständnis Hölderlins in der Ausdeutung Heideggers, nach dem die Seinsweise einer vergegenständlichten Welt ihrer Vollendung entgegengeht. Unter dieser Prämisse lassen sich daher auch jene Romane von Pérez Galdós lesen, deren Protagonisten beständig zwischen einer Apologie des Idealismus und einer irreparablen Enttäuschung über die Ohnmacht der Ideen gegenüber einer widerständigen, formlos erscheinenden Materie oszillieren und damit jenes merkwürdig rasche Umschlagen von Sinnkonstitution und Sinnreduktion in Vollzug bringen. Insofern erfolgt hier tatsächlich, wie an Doña Perfecta zu exemplifizieren ist (vgl. Hauck 1995: 91-113), eine Dialektik der Aufklärung: Mit dem Immanenzmilieu, das auf der Zerstörung von Göttern und Qualitäten beharrt, werden Gefahren einsichtig gemacht, welche der dunklen Seite der Vernunft eigen sind. Wie in der Malerei, welche die gegenständliche Form zitiert und zugleich in Distorsionen auflöst, oder in der Musik, deren Tonalitäten im Begriff sind, die ihnen zugrundeliegenden harmonisch-funktionalen Regeln zu verlassen, um wieder auf sie zurückzuweichen, lassen sich auch in der narrativen Ästhetik zumindest zögerliche Trennungen von immer noch dominanten auktorialen Erzählhaltungen und mimetischen Gestaltungsprinzipien nachweisen. Eine Zäsur, die überdies eine zeitliche Situierung erlaubt, ist von der Forschung bereits angesprochen worden: Können Fortunata y Jacinta oder Miau noch als die vermutlich besten Romane des spanischen Realismus angesehen werden, signalisiert das Erscheinen der Komplementärtexte La incógnita (der Briefroman) und Realidad (ein so beche, das Ausspielen von Farbgebungen und die Entfaltung von Zwischentönungen, wie dies etwa bei Gauguin der Fall ist. Der Anspruch auf die detailgetreue Darstellung der sichtbaren Wirklichkeit im sogenannten effet de réel wird von einem ausgeprägt subjektiven Blick des Malers abgelöst, wobei das Bild „zwar noch Darstellung und Abbild [bleibt], es aber der Wirklichkeit gegenüber eine größere Autonomie als je zuvor [behauptet]." Bei Cézanne wird das seit der Renaissance festgelegte Axiom des Abbilds, die wissenschaftliche Perspektive, angefochten, so dass man sich hier auf einen Bildaufbau „aus summarisch-vereinfachten Strukturen und Schablonen" zubewegt (vgl. K M L 1976, 13: 16). Derartige Verfahren gehen schließlich soweit, dass sich der frühe Kubismus vom Abbildhaften löst. Dabei zeigt sich in den figuralen Anteilen noch die mimetische Referenz zum metaphysischen Bezugsrahmen oder formschönen Ideal.

Das literarische Feld zwischen 1868 und 1898

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zeichnender Name für den Charakter der Wirklichkeit als Dialogroman) im Jahr 1889 (Ferreras 1989: 317-324) einen ersten Bruch mit der mimetischen Sprachkunst. Was mit der Wandlung von der epistolarischen Ich-Erzählung zur unpersönlichen Form des dialogischen Romans (als Selbsttätigkeit der Schrift) wahrscheinlich offensichtlicher als an anderer Stelle zutage tritt, ist jedoch kein unvermittelter Akt. Es ist vielmehr das Ergebnis wachsender Vorbehalte gegenüber dem Erkenntnisvermögen des Menschen und der ontologischen Unbestimmtheit der Wirklichkeit(en), so dass die von Höfner genannte zweite Option letztendlich gegenüber einer explizit fortschrittsoptimistischen zu überwiegen scheint.295 Dabei dürfte man in spanischen Romanen dieser Zeit kaum Beispiele einer personalen Erzählweise finden. Ein solches Profil gewinnt der spanische Realismus vor allem durch eine außerordendich selektive Rezeption jener von Balzac eingeführten und von Zola erweiterten biologistisch-organischen Gesellschaftskonzeption, die es ungeachtet der Diskussion darwinistischer Theorien seit dem Beginn der siebziger Jahre kaum gestattet (Núñez 1969: 24-31), in Analogie zum roman expérimental von einer explizit naturalistischen Strömung in Spanien zu sprechen (vgl. z. B. Dendle 1988 bzw. 1995). Sofern die zunehmende metaphysische Geborgensunsicherheit einen Ausgleich durch narzisstische Selbstsicherung ertrotzt, geschieht dies nicht auf Grund einer allumfassenden Erklärung des Menschen aus den wissenschaftlichen Implikationen des Evolutionsmodells. Unter dem Einfluss des Krausismus und dem Triumph der bürgerlichen Mittelklassen ist es zunächst vielmehr die Vorstellung, dass der Mensch ein zur Perfektibilität fähiges Wesen sei. In dem Maße, wie die bürgerliche Ordnung seit den späteren achtziger Jahren dieses Vertrauen bei ihren fortschrittlichen Befürwortern verwirkt und die idealistische Philosophie ihren Deutungsspielraum verliert, wächst auch das Mißtrauen der Erzählerinstanzen in die Rekonstruktion von 'Realität' und in die Möglichkeit, die Tiefenschicht des Menschen eindeutig mit Hilfe der modernen Wissenschaften zu interpretieren. Im Einschnitt, der sich mit den beiden genannten Romanen ankündigt, zeichnet sich das Scheitern des bisherigen Erzähltypus ab. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Begründer des Realismus in Spanien es war, der auch als erster dessen Grenzen 2 9 5 Vgl. Smith (1992: 193). Am Beispiel der phantastischen Erzählung Tropiquillos (1884), der an E. A. Poes The Fall of the House of Usher erinnert, stellt Alan Smith heraus, dass sich hier Züge eines Nihilismus zeigten, der mit dem Namen Goyas verbunden sei: „En este sentido, Galdós es profundamente 'goyesco' (y no en el de los cartones costumbristas) en textos como 'Troquillos', donde el ideal romántico de abolengo platónico de unión con el mundo a través del amor es frustrado. Sólo a partir de los noventa podrá encontrar una nueva fe de reintegración con la naturaleza gracias al amor, ya no personal, sino multitudinario."

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erkannte. Von einer wirklichen Revolution in der Erzählstruktur kann indes noch kaum die Rede sein, da die experimentellen Verfahren nicht stringent fortgesetzt wurden: „[Galdós] se acerca a los umbrales de la modernidad para huir luego de sus propios descubrimientos, desarrollando un claro afán espiritualista tradicional" (Geisler 1995: 79): G a l d ó s será realista siempre, si por realista, en el más a m p l i o sentido del término, consideramos al autor q u e siempre busca la realidad, pero ahora, después d e sus novelas y a partir de Realidad,

obra dramática, esa realidad no será t o m a d a c o m o

un m u n d o objetivo q u e hay q u e transcribir, sino c o m o un m u n d o q u e hay q u e transformar (ebd.: 3 2 3 ) .

Dennoch sind den Hütern der Auktorialität diese ersten Konturen modernen Erzählens in Spanien gerade in Hinblick auf die Verteidigung christlicher Transzendenz nicht verborgen geblieben. So wird bereits ein deutlicher Bezug zwischen Erzählhaltung, Figurenkonstellation und Metaphysik angesprochen.. Man kritisiert von kirchlicher Seite la ' a u t o n o m í a de sus personajes [los d e G a l d ó s ] , en su vaguedad moral', en el 'desorden de la trabazón narrativa q u e no se ajusta al orden providencial [...] la falta d e ejemplaridad de las novelas d e G a l d ó s , la ausencia de un narrador omnipresente y moralizador y la total libertad de juicio del lector (Muifios Sáenz 1 8 9 0 , zit. in: Hibbs-Lissorgues 1 9 8 9 , 5 1 4 ) .

6 . 1 . 3 D I E S E H N S U C H T NACH TRANSPARENZ U N D PROPORTION

Der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens geht die Auflösung künstlerischer Konventionen voraus, wie Pedro Antonio de Alarcón (1833-1891) (1877, 157: 230) dies in einem Aufsatz über die Rolle der Moral in der Kunst bekräftigt, „la Belleza divorciada de la Bondad, el pudor en triunfo, la desnudez divinizando el pecado, [...] en fin de la Moral ante el poder de la Hermosura!" Z u m Missfallen des ultramontanen Gelehrten Juan Manuel Ortí y Lara (1826-1904) 2 9 6 , der noch im selben Jahr die liberalen Ansichten des Schriftstellers in dieser Frage attackiert, wird diese klassische Einheit des Wahren, Schönen und Guten von falschen Propheten wie ruchlosen Dichtern vom Schlage eines Lord Byron in Zweifel gezogen. Eine Ästhetik des Schönen, die sich außerhalb des rechten Glaubens befände, „después de diez y ocho siglos de haber sido predicada esta misma fe", könne nicht als eine sol2 9 6 Der Gelehrte trat besonders mit seinem 1879 in der Zeitschrift Ciencia Cristiana veröffentlichten Catecismo de los textos vivos an die Öffentlichkeit, in dem er „[contra] el absurdo del panteísmo" (Orti y Lara 1879: 224) zu Felde zog und den im Immanenzmilieu verbreiteten Krausismus zu treffen suchte.

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che gelten. Wo das Duell und der Selbstmord verherrlicht, aber der Ehebruch rehabilitiert werde, verachte man auch die göttliche Autorität, „y con ella toda autoridad verdadera, y minadas las bases de la religión y de la sociedad y de todo vivir honesto [...]" (Orti y Lara 1877: 494). Wie weit man inzwischen von diesen orthodoxen Vorstellungen entfernt ist, zeigt sich in einem Beitrag über den Realismus in der Kunst, mit dem der Literaturkritiker Emilio Nieto zwei Jahre zuvor an die Öffentlichkeit getreten war. Apriorisch gesehen existiere weder das Hässliche noch das Schöne für sich, da beide Seiten in einer Gesamtskala der Perzeptionen zu erfassen seien (Nieto 1875: 499). Dass „das Schöne und das Hässliche als bedingt erkannt" und „Schönheitsund Häßlichkeits-Urteile kurzsichtig [sind]", da diese entgegen dem Verstand „an unsere Instinkte [appellieren]" (Nietzsche 1954, 3: 576), liegt in der Grundstimmung der Zeit. Diese richtet sich diametral gegen ein christliches Gottesbild, in dem „die wahre Schönheit, in eins mit dem ewig Wahren und Guten" gesetzt ist, auf dass in diesem Zusammenschluss „alles Sichtbare Widerschein der göttlichen Schönheit (Augustin, Thomas von Aquino)" (RGG 1956, 1: 136) werde. In Spanien schaffen diese modernen Vorstellungen zugleich eine ungeheuere Distanz zu jenem Zeitalter, das gemeinhin als das goldene bezeichnet wird. Angesichts einer fatalen Neigung zum „Cesarismo pagano hasta el abismo de su postración y decadencia", der das Land im 16. und 17. Jahrhundert entgegen dem Rat seiner Mystiker nachgegeben habe, so der zum Protestantismus konvertierte Geistliche Pedro Sala y Villaret (1836-1916) (1892: o. A.), erscheinen auch die Kunst eines Velázquez oder die Literatur eines Lope de Vega oder Calderón eher als Ausdruck einer überlebten und entarteten Epoche. So sei es im 17. Jahrhundert zwischen der Scholastik und der Literatur zu einem verhängnisvollen Bündnis gekommen, das der ersteren zum Nachteil der Dichtung eine immense Geltung verschafft habe: Aquel fué el verdadero principio de nuestra decadencia literaria. El conceptismo de la metafísica e scolàstica se derramó por el claro y trasparente raudal de nuestras bellas letras; la naturalidad, la elegancia, el buen gusto en el decir, cedieron su puesto á la hinchazón, al retruécano, á la sutileza, hasta caer la literatura castellana en el abismo del culteranismo, empujada por la m a n o fatídica de los peripatéticos. Desde mediados del siglo XVII nuestros mayores ingenios se vieron contagiados del mal gusto de la escuela, y el metífico aliento que salia de aquellos centros universitarios mancilló las obras de Q u e v e d o , Calderón, G ó n g o r a y otros autores dotados de las más preclaras dotes puede conquistar la inmortalidad. [...] el gènio de la historia desapareció de nuestros horizontes y aun el misticismo [...] (Sala y Villaret 1877: 482).

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Der Niedergang dauere bis in die Gegenwart an, so dass sich die neueren Autoren gezwungen sähen, ihre Modelle jenseits der Pyrenäen zu suchen, „[pues] la nueva literatura ya no ha podido despues ostentar carácter, fisionomía propia [...]" (Sala y Villaret 1877: 483). Auch in den Beobachtungen des in seinen Auffassungen eher besonnenen Valera kehrt die häufig geäußerte Kritik an jenem Menschenbild in der spanischen comedia wieder. Calderón gestehe seinen Figuren nicht einmal zu, was selbst Tiere im Verhältnis zu ihresgleichen empfänden: Die Eifersucht verwandele sich hier nämlich von einem natürlichen Gefühl zu einem kalten Prinzip verletzter Ehre (Valera 1949, 2: 776). Was Valera hier in einem 1888 publizierten Beitrag anklingen lässt, hatte der krausistische Literaturwissenschaftler Francisco de Paula Canalejas (1834-1883) bereits Jahre zuvor um so nachdrücklicher angesprochen. Bei dem klassischen spanischen Theater vermisse er „la pasión humana [...] como el mar, infinitamente variable" (Canalejas 1875: 5). Leidenschaften machten das Subjekt zu ihrem Spielball und verweigerten sich irgendeiner Regel oder gar einem Prinzip. Die in der comedia herrschende Anthropologie privilegiere hingegen fast ausnahmslos einen Menschen, der allein religiöser Spiritualität und höheren Idealen zugewandt sei, „el hombre, redimido por el catolicismo [...], aspirando á lo divino, á la perfección que proponía y enseñaba la mística" (ebd.). Zudem triumphiere über die Passionen stets ein gebieterischer Ehrbegriff, „mística cifra y emblema adorable de la libertad moral y de la energía de la libertad humana, enamorada del bien, gracias á la acción divina del Redentor." Anders als diese Idealität, „caballeresca y profundamente religiosa" (ebd.: 6), die auf unkalkulierbare Triebkräfte kaum Rücksicht nehme, zeige das Theater in der Tradition Shakespeares hingegen tragische und authentische Menschen, in denen sich Himmel und Hölle im Krieg miteinander befänden. Auch Alarcón unterstreicht in einem Aufsatz über die Rolle der Moral in der Kunst die religiöse Ausrichtung des spanischen Literaturkanons. Man befände sich in einem geradezu klassischen Land selbstloser Liebe „y de la dificultosa teología para los casos de honra." Bei der Malerei eines Velázquez stehe allein Moral und Gebet im Vordergrund; selbst bei den Bildhauern gehe es nicht so sehr um die Anmut der menschlichen figura als vielmehr um die Vergeistigung der Materie. Gegenüber dieser grandiosen Epoche spanischer Kultur scheint sich der eigene Zeitgeist und Geschmack geradezu antithetisch abzuheben, selbst da, wo er nur in Urteilen über prominente Vorfahren zur Sprache kommt. Wie weit sich der Spannungsbogen zum 17. Jahrhundert inzwischen schlagen lässt, lässt sich am besten mit einem Vergleich zu beschreiben. So vermerkt etwa Valera (1949, 2: 1439) über Quevedo, dass dieser seine literarische Kraft aus der Ehrfurcht zu Gott schöpfe, wenn nicht aus dem tiefen Respekt und

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der Unterwerfung, „que debemos a las potestades que representan a Dios sobre la Tierra." Kontrastiv lassen wir Palacio Valdés zu Wort kommen, der in Valera gar einen Erben Voltaires wiederzuerkennen glaubt. Dessen beständig zweifelnde und zum Synkretismus neigende Geisteshaltung will wohl kaum mit der Hingabe des Barockdichters harmonieren und lässt einen eher unerbietigen Gestus gegenüber dem Göttlichen erkennen: „ E l c o n t e n i d o es m o d e r n o . E s t á c o n s t i t u i d o p o r u n f o n d o c o n t r a d i c t o r i o d e

filo-

sofía, aspiraciones tradicionales, e s c e p t i c i s m o , ironía y p r o f u n d i d a d , caracteres los m á s e x t r a ñ o s y m á s d i f í c i l e s d e e x p l i c a r . E s u n a t e n e o r a c i o n a l i s t a q u e d i s c u t e la e x i s t e n c i a d e l S é r S u p r e m o e n la r e s o n a n t e n a v e d e u n a c á t e d r a l g ó t i c a " ( P a l a c i o Valdés 1878: 522).

Aus der Perspektive eines „quasi or virtual Enlightenment in Spain", von dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auszugehen ist (Rodgers 1987: 15), scheinen die Defizite in Gestalt und Aussage, in Diskurs und Geschichte miteinander zu verschmelzen. Zwar gibt der in klassizistischer Ästhetik geschulte Valera, der vorschnelle und allzu pauschale Werturteile scheut, zu bedenken, dass der culteranismo unter dem Begriff des Manierismus auch in anderen Ländern einen verderblichen Einfluß hinterlassen habe. Dessen Verschränkung mit jener „tiranía teocrática" in Spanien, die wissenschaftliches und philosophisches Denken paralysiert habe (Valera 1949, 2: 780), stellt kunstvolle Ornamente und Arabesken aber unter den Generalverdacht einer zumindest schimärischen Gesinnung, wie sie bereits den an symmetrischen Formen geschulten Verfassern der französischen Encyclopédie zuwider ist.297 Eine deutliche Verknüpfung von Sinn und Form findet sich auch in einer in La España moderna veröffentlichten Rede des englischen Malers und Bildhauers Lord Frederic Leighton (1830-1896), die dieser vor der RoyalAcademy gehalten hatte. Die Spuren der spanischen Kunst lägen „[en] la exaltación y el engrandecimiento de su fe en toda su inmaculada pureza [...]" (Leighton 1890: 167). Die so charakteristische „incontinencia decorativa", die eine Tendenz zu „exagerados adornos" und „lamentables excesos" zur Folge gehabt habe, sei, so der Hauptvertreter der spätviktorianischen Romantik, vornehmlich diesen Motiven geschuldet.

2 , 7 Vgl. Diderot ( 1 9 9 9 ) , so etwa im Stichwort 'arabesque ou moresque': „ [ . . . ] aussi nos meilleurs architectes n'en font-ils usage que là [ . . . ] & méprisent le mauvais g o û t de ces sculpteurs qui prodiguent ces ornemens chimériques & imaginaires dans les appartemens qui dem a n d e n t de la gravité; au lieu de leur préférer ce q u e la nature nous offre de plus beau dans ses productions" Ebenfalls ausschließlich a u f das konnotativ sehr beschränkte Stichwort 'baroque': „une m u s i q u e baroque, est celle d o n t l'harmonie est confuse, chargée de modulations & dissonances, le chant dur & peu naturel, l'intonation difficile, & le m o u v e m e n t contraint."

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Auch nach der Auffassung von Pérez Galdós (1951, 6: 1454), die er in einem Artikel über die Epoche Don Ramón de la Cruz äussert, erstarrt die klassische Literatur in der automatisierten Rhetorik eines „culteranismo sandio." Gegen dessen schöne Scheinhaftigkeit und mangelhafte Transparenz gilt es im Sinne eines wirksam gewordenen aufklärerischen Selbstgefühls anzuschreiben. Obschon Pérez Galdós, ähnlich wie Valera, das Vergessen beklagt, dem klassische Autoren wie Calderón de la Barca als „primer poeta español" anheim gefallen seien (ebd.)298, ist sein allgemeiner Unmut über das 17. und auch noch 18. Jahrhundert doch unüberhörbar: Wie ein Prisma, „una historia de España completa" (ebd.: 1571), rückt da die Stadt Toledo den historischen Niedergang in Kunst und Architektur in greifbare Dimensionen, wenn den Palästen der Araber und der Renaissance die „desapacibles conventos de ladrillos" oder „esas casas de jesuítas, de que España está llena" weichen (ebd.: 1602). Den an festen Proportionen und symmetrischen Formen gewöhnten Galdós missfällt „lo múltiple, lo incorrecto, lo desproporcionado, lo tortuoso" (ebd.: 1601). Diese „atroz decadencia, así en política como en arte", macht Galdós besonders am wenig originellen Ignacio de Luzán (1702-54) aus, dessen Kulteranismus nichts mehr von dem „hermoso extravío de los p r e c i o s o s " vergangener Epochen aufweise und sich von authentischen Formidealen entfernt habe (ebd.: 1455): [...] último grado de la frivolidad y el amaneramiento; exageración hasta el delirio de los vicios hereditarios de la poesía castellana; pérdida de la noción pura de la belleza y de toda intuición artística; [...] cultivo preferente de todas las cualidades exteriores del estilo; muerte de la idea; tendencia del arte a no producir más que una impresión sensual; introducción de las fórmulas más necias de poesia; violencia del lenguaje y uso del valor material de las palabras c o m o único medio de expresión; imperio del preceptismo clásico y de las fórmulas convencionales (ebd.: 1454).

Es ist anzunehmen, dass Galdós dem Prestige einer auch von ihm geschätzten Literatur - zu seiner Lektüre zählten Lope de Vega, Quevedo und Calderón — eine geringere Bedeutung abzugewinnen vermag als „la tristesse infinie d'une nation en train de basculer dans le vide" (Beyrie 1980, 1: 290). Im Gebrauch der Masken oder Verhüllungen wird aus dieser Sicht zunächst nicht so sehr ein vollendetes Verfahren vermutet als vielmehr ein fauler Kompromiss, der expressiven Begabungen unmittelbar von ihren politischen Un298 Vgl. auch Navarro González (1989, 44: 219): „Desde la segunda mitad del siglo XVIII no es infrecuente hallar autores españoles que escriben de tal forma sobre antiguos grandes, instituciones y hechos hispánicos, que dan la impresión de estar tratando, no de suspropios compatriotas, de personas que antes que aquellos habitaron las mismas tierras, sino de sus más enconados enemigos o de habitantes de las más lejanas geografías."

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terdrückern oder mittelbar von einer Normenpoetik abgezwungen werden, um jämmerliche Geschmackskondeszendenzen zutage zu fördern.299 Die Forderung nach größerer Identität von Kunst und Gesellschaft impliziert förmlich den Tadel an die klassische spanische Literatur, einen allzu selbstbezüglichen Status gegenüber der immanenten Welt eingenommen zu haben. Deren niedere Gegenständlichkeit und laxe Gesinnung hätten sich nämlich kaum in ihrer Sublimität gespiegelt.300 Der Roman der frühen Restaurationsepoche verhält sich daher antithetisch zu dieser Tradition, die anders als noch bei den Romantikern auf der Folie eines „emerging and still-combated liberalism on the Hapsburg-Latin periphery" (Beverley 1993: 48) als ein im wesentlichen reaktionäres kulturelles Erbe rezipiert wird. Neben Galdós wären in diesem Zusammenhang auch Autoren wie Antonio Machado, Benedetto Croce und Antonio Gramsci zu nennen, die eingedenk ihrer kritischen Haltung zum Barock Philosophie bzw. Literatur mit den Immanenzebenen und -milieus der europäischen Moderne zu verbinden suchen, um die Folgen der Aufklärung in ihren Ländern unabwendbar zu machen. Erst mit dem Ende des temporären Bündnisses zwischen fortschrittlichem Bürgertum und Literatur, wie es besonders Pérez Galdós repräsentiert, wird sich im Ausbleiben allgemeinverbindlicher Sinngebungen eine Poetisierung der Wirklichkeit und eine geänderte Rezeption der Barockdichtung ankündigen. In den sogenannten novelas de tesis, die den literarischen Markt zwischen 1868 und 1880 bestimmen, überwiegt gegenüber anderen Sprechweisen jedoch die Darstellungs- und Appellfunktion. 301 Auf der Oberflächenstruktur 2 " Vgl. Pérez Galdós (1951, 6: 1458). Als Negativbeispiel dient Galdós dabei die Poética von Ignacio de Luzán „que en su tiempo pudo pasar por un buen código literario, y no es hoy sino una mala retórica, encarnaba el principio de la acertada imitación, de la sensatez niveladora del numen, el absurdo canon de los buenos modelos, que ha secado en flor tantos felices ingenios. Con tal principio no habrían existido Homero, ni Cervantes, ni Shakespeare, que no tuvieron modelo bueno ni malo." Doch auch Cadalso, „[un] luzanista puro, idólatra de las formas convencionales" (ebd.: 1459), passt sich der Enge der Verhältnisse an. 1 0 0 Pérez Galdós (1984b: 33). Die junge Gloria Lantigua kann als typisches Projektionsmuster einer solchen Kritik angesehen werden „Veo las conciencias muy anchas y gran tolerancia para mucha parte de los vicios que degradan al hombre en todas las épocas. [...] Por un lado se me representa una realidad baja y común compuesta de endémica miseria, en cuyo seno haraposo y vacío se agitaba la gran masa de la nación al rey; a los nobles, las sobras de sus mesas; y los frailes, el bodrio, y a la política, nuevas tierras que expoliar. Por otro no veo más que que hombres bien alimentados, a quienes deslumhra un ideal de gloria y una dominación del mundo [...]" (Pérez Galdós 1984b: 33). 3 0 1 Als Beispiel für diese gerade für Doña Perfecta nicht eben seltene Rezeption vgl. A. Dessau (Nachwort zur DDR-Ausgabe in der Übersetzung von E. Hartmann, Berlin 1963, 283-298, zit. 295): „Symbolisch bringt Galdós hier [im Intrigenspiel des Klerus] zum Ausdruck, dass die Familie der klerikalen Dunkelmänner den Kampf gegen den aufgeklärten Fortschritt fuhrt, um Spanien in ihre Gewalt zu bekommen."

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dieser Texte ist eine Ostentation erzählerischer Transparenz auszumachen, wie sie ein auf enseñanza und ejemplo ausgerichtetes pragmatisches Literaturkonzept wahrzunehmen imstande ist.302 Hier scheint der Versuch wirksam zu werden, die Wahrheit der Begriffe der Poesie der in Ahnlichkeitsmustern angelegten Figuren unterzuordnen. Zunächst impliziert er die Abwertung der Fiktionalität und ist somit weitreichender, als es die bloße Abwehr gegen die leere Rhetorik einer in sentimentalen Gedichten erstarrten Romantik vermuten lässt (Antón del Olmet/García Carraffa 1912: 93). Bis zu einem gewissen Punkt teilt sich in diesem Vorgang vielmehr eine Bewegung von der Transzendenz zur Immanenz oder von der Theologie zur Philosophie mit, die dem zwischen spekulativem Denken und Wissenschaftspositivismus oszillierenden Krausismus selbst innewohnt (vgl. Núñez Encabo/Sales y Ferré 1976). Der Imagination scheint die „Funktion f...] als emotives Kompensat wissenschaftlicher Rationalität" zugewiesen zu werden, wie der traditionelle Antagonismus zwischen Kunst und Wissenschaft zu beschreiben ist (Gabriel 1996: 109), wenn ihr nicht gar der Prozess als lose Verführerin gemacht wird, so dass der narrative Gestus, wenigstens was Pérez Galdós betrifft, could conflict with his sensitivities as a citizen when the pressure o f contemporary political polemics caused him to interpret his reformist and educational purpose in a narrow way (Rodgers 1987: 14).

Obschon auch der europäische Realismus des 19. Jahrhunderts aus ideellen Grundlagen schöpft (vgl. Kohl 1977: 80), da sich die Wirklichkeit nur innerhalb eines kategorialen Rahmens beschreiben lässt, ist der Thesenroman dem „despotismo de las ideas" (López Morillas 1980: 138) besonders verpflichtet. Auf diese Weise vermag sich ein bestimmtes ideologisches Schema mit umso größerer Reinheit in dessen Erzählstruktur einzuschreiben (vgl. Aparici Llanas 1982: 319-373) und sich zum Gegenbild zu jenen 'falschen Repräsentationen umzugestalten, die durch adäquatere zu ersetzen sind. Auch aus dieser Sicht schließt sich wenigstens Galdós untrüglich Traditionen der französischen und deutschen Aufklärung an (Rodgers 1987: 16), wie wir sie etwa vom conte philosophique kennen, in dem der Erzählerphilosoph „idealiter gewissermaßen die Funktion des 'prêtre' [übernimmt]", um „mit dem Licht der Vernunft auf empirische, der Metaphysik abholde Weise Zusammenhänge aufzudecken [und] überkommene angebliche Gesetzmäßigkeiten zu falsifizieren" (Rieger 2000: 23). Nicht wenige Literaten mögen sich im Anschluss an die Septemberrevolution als Anwälte der Menschenrechte be-

3 0 2 Ganz im Sinne der aufklärerischen Dispositionen gibt Galdós sich noch 1912 als energischer Verfechter einer solchen Kunstauffassung zu erkennen (vgl. nach Rodgers 1987: 14).

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trachten und ein hohes ethisches Aneignungsverhältnis zu ihren Texten einnehmen. Besonders vor dem Hintergrund der bürgerlichen Revolutionen in Europa gilt jede literarische Tätigkeit als unmittelbares politisches Handeln, wie es im klassischen Postulat Sébastien Merciers (1740-1814) anklingt: Tout Ecrivain est particulièrement lié à la justice d'une manière solemnelle & avant toute autre obligation. L'infraction de la justice est une injure faite au genre humain; voilà pourquoi tout Auteur digne de ce nom sent vivement le tort que l'on fait à son semblable; il ne peut le tolérer. Il est vengeur de la cause publique, & l'oppression qui est tombée sur son voisin, doit lui devenir personelle; il ne peut se dispenser d'élever la voix, & l'Ecrivain le plus estimé sera toujours celui qui réclamera avec plus de force, les droits imprescriptibles de la justice & de l'Humanité (Mercier 1970: 3).

Dieses hohe ethische Aneignungsverhältnis, das der Autor hier über das Zuschreibungsverhältnis hinaus gegenüber seinen Texten in Anspruch nimmt, sollte sich noch lange Zeit im Biographismus der Forschung abbilden. Es gründet sich auf jenem „mythe solaire" (Starobinski 1979: 31-37), der sich gerade in Romanwelten der spanischen Restaurationsepoche als spannungsreicher Kontrapunkt zu Inquisition, Aberglauben und „cadáveres embalsamados" (Pérez Galdós 1951, 6: 1541) setzt. Damit ist eine Konstellation klassischer Aufklärungskritik benannt, die im 20. Jahrhundert im K a m p f der Republik gegen den Franquismus wiederkehren wird. Mit dieser Dichotomie des ständigen unter der Oberfläche des Friedens wütenden Krieges wächst das Bedürfnis der Schreibenden, aus ihren Texten ausschließliche Sprachrohre ihrer Ideen und aus sich selbst einen Verkünder der Wahrheit gegen das Unrecht zu machen. Eine derartige Selbstzuschreibung setzt allerdings nicht nur voraus, dass der Schreibende nach Belieben über den sprachlichen Gestus verfügen könnte, um nach eigenem Willen einen Wahrheitsdiskurs anzustrengen. Auch suggeriert sie die Vorstellung, dass sich das Wesen der Welt in einer Sprache auszudrücken verstünde, deren Ordnung imstande sei, ein weitgehend transparentes Sein zu entfalten. Angesichts dieses Ethos scheint die Frage, welche Perzeptionen und Perspektiveinstellungen die Wirklichkeit überhaupt noch zu erfassen und welche ästhetischen Formen diesen dann eine angemessene Konstruktion zu geben vermögen, bis ins frühe 20. Jahrhundert eher in den Hintergrund zu rücken. Erst mit Unamunos, Barojas und Azorins „self-conscious literary excercises that reject such stock-in-trade notions of the realist novel as verisimilitude, psychological development of character, causality, historical consciousness, documentation, and organic structural unity" gewinnt man den Eindruck, dass das Ausspielen literarischer Stilarten und expressiver Gestaltungsmittel zum neuerlichen Ausgangspunkt des Schreibens gemacht wird, „[judging]

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such techniques to be anachronistic and artistically limiting, no longer descriptive of an existence perceived as a chaotic succession of fleeting and discontinuous moments of consciousness." 303 Im Bemühen, dem bürgerlichen Subjekt eine Immanenzebene zu erschließen, das seiner intellektuellen Freiheit und Entfaltung in der Metaphorik des Allgemeinmenschlichen förderlich zu sein hatte, musste das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in der Literatur der Restaurationsepoche zunächst einen unvergleichlich größeren Stellenwert erhalten als etwa in Frankreich. Wenigstens für Autoren wie Flaubert und Proust stellt sich nicht mehr die Aufgabe, den Bürger zur Widersetzlichkeit gegen den Despotismus von Kirche und Staat zu reizen. Vielmehr ist es an der Zeit, ihn daran zu erinnern, dass nach seiner Revolution eine unsägliche Trivialität und Mittelmäßigkeit im öffentlichen Leben Einzug gehalten haben, die zum künstlerischen Ausdruck gebracht werden müssen. Im Spannungsfeld von Freiräumen, die sich vor allem aus der erstmalig durch die Verfassung von 1876 garantierten Religions- und Glaubensfreiheiten ergeben (vgl. dazu Campomar Fornieles 1984: 52-55 bzw. als Zeitdokument Borrego 1876), scheint daher „[die] Skepsis gegenüber der eigenen Erkenntnis und - allgemeiner - den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten" (Gumbrecht 1990, 1: 755) hinter der Entscheidung zurückzutreten, „ob man sich gesellschaftlicher Wirklichkeit unterordnen oder ihr als Individuum' entkommen solle" (ebd.). Dem akzentuierten Bekenntnischarakter des frühen spanischen Realismus (besonders im sogenannten Thesenroman) erhält damit eine ihm eigene Expressivität. Abgesehen davon, dass die Forschung hinlänglich auf die Konstruktivität hingewiesen hat, die den Realismus des 19. Jahrhundert als Summe von Verfahren erklären 304 , dürfte sich im für den spanischen Restaurationsroman reklamierten Gestus 'individueller Entwirklichung gesellschaftlicher Wirklichkeit' die Artifizialität narrativer Lebenswelten erweisen. Der Umstand, dass letztere etwa in der von politisch-ideologischen Interessen vereinnahmten Rezeption des Thesenromans nicht in hinreichendem Maß beachtet wurde, lässt sich vornehmlich den Effekten jener erzählerischen Transparenz zuschreiben, die dem epistemologisch abgegoltenen 3 0 3 Gold ( 1 9 9 3 : 176). Vgl. auch Ortega y Gasset ( 1 9 6 4 : 3 7 ) . Ortega begründet diese 'voluntad de estilo' mit der Deformation der Wirklichkeit: „Estilización implica deshumanización. Y viceversa no hay otra manera de deshumanizar que estilizar. El realismo, en cambio, invitando al artista a seguir dócilmente la forma de las cosas, le invita a no tener estilo. Por eso, el entusiasta de Zurbarán, no sabiendo qué decir, dice de sus cuadros que tienen 'carácter', como tienen carácter y no estilo Lucas o Sorolla, Dickens o Galdós. En cambio, el siglo X V I I I , que tiene tan poco carácter, tiene estilo." 304 Ygi ( J a z u bes. Jakobson ( 1 9 7 4 : 1 1 7 - 1 4 1 ) . Nach Jakobson wird die Struktur realistischer Kunstwerke auf den Kunstgriff der Metonymie zurückgeführt, den diese auf der sprachlichen Ebene bevorzugen.

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Modell der Repräsentationen abgerungen sind. Wie noch zu zeigen sein wird, wird dies immer wieder von anderen Erkenntnismodi unterlaufen. Doch eben die hinter der Aussage zurücktretende Künstlichkeit, die wiederum in einer Reihe von Stilmitteln, wie der Ironie, den contesphilosophiques 305 eines Voltaire nahe kommt , verändert auch die Konfiguration des Göttlichen im fiktionalen Text.306 Konnte ein eindrucksvoller Kanon theologischer Bilder deren Konsistenz noch durch eine Fülle herrschaftlicher und verwandtschaftlicher Referenzen garantieren, so ist zumindest bei den Romanen des vorliegenden Textkorpus die Tendenz auszumachen, die Entmythisierung eben dieser in der Sprache wirksamen Zeichen zu befördern. Die mit den Wunderglauben verwobenen Idole „unter einer Einstellung und in Verstehenshandlungen" nachzuvollziehen, „wie sie in einer 'primären', 'mythengerechten' Kommunikationssituation ausgeschlossen gewesen wären" (Gumbrecht 1984: 21), heißt im Grunde, diese auf das Erkenntnisvermögen des Immanenzmilieus festzulegen und in eine von Vernunft gesteuerte Zivilreligion umzuwandeln. In vergleichbaren Texten ist es nicht nur positivistischen Helden und Verteidigern des Fortschritts wie einem Pepe Rey, León Roch, Teodoro Golfín oder Máximo Manso vorbehalten, über ihren Status als literarische Figur hinaus in die Nähe von Begriffspersonen zu rücken, welche die in ihrem Denktypus angelegten Gefahren selbst durchschauen und in der

305 Vgl. z.B. Bellot-Antony (1978: 103-134) sowie Badir (1987, 14: 37-44). Der Gebrauch der Antiphrase, welche die Widersprüche radikalisiert, wie sie von Voltaire in der Konzentration auf einen sichtbaren, opaken Angstgegner entfacht wurden. Lepape (1994: 318) bemerkt dazu, dass Voltaire in der Gestalt der Jesuiten die traditionelle Religion in ihrer Gesamtheit anzugreifen gedachte, während er doch vorgab, sich lediglich gegen den Missbrauch der Institution zu wenden. „Iis sont le meilleur adversaire possible, celui qu ii faudrait inventer s'il n'existait plus." Zu Voltaire als Ikone von Aufklärung und Revolution in Spanien vgl. Suarez Bravo (1878, 6:415-423). 106 Vgl. Köhler (1983: 12). Möglicherweise sind sich Schriftsteller und Philosophen in den Lumières gerade deshalb „so nahe wie nie sonst - und nicht nur der bloßen Absicht nach, nicht bloß, weil sie es wollten, sondern auch waren", weil das bezeichnende Element als Idee oder Bild nach den Dispositionen des Zeichens über keinen eigenen Zeichenstatus verfügte, Präsentation und Perzeption somit Identität aufwiesen und eine ausschließlich oder vorwiegend ästhetische Bestimmung von Aussagen nicht vorgesehen war. Diese Unterordnung der 'Geschichte' unter philosophische oder politische Ansprüche kehrt auch in Texten von Pérez Galdós wieder, wobei wir diese wohlgemerkt im Gegensatz zu Juan Pedro Quiñonero (1970/71, 250-252: 684) vor allem auf den sogenannten Thesenroman (Doña Perfecta und La familia de León Roch) beschränken: „Galdós supedita siempre su discurso a su propia conciencia moral; el lenguaje está puesto al servicio de la ideología, perdiendo, por tanto, toda posibilidad de autonomía, de rebelión, de revuelta formal; [...] debajo de ese oropel verbal [hombre fiero, revolucionario contumaz, hereje e iconoclasta] se esconde un espíritu servil expresamente a las necesidades de la ortodoxia liberal de su tiempo."

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Spannung zum Erzähler zu erkennen geben müssen. 3 0 7 Auch dem weniger vom Stern einer neuer Welt begünstigten Protagonisten wie dem Doktor Faustino ist es beschieden, in den Irrwegen seiner eigenen Reflexionen auch deren Risiken begreiflich zu machen und im Sinne Juan Valeras „como hombre, a toda la generación mia contemporánea" zu repräsentieren (Valera 1991: 482). Indem das göttliche Signifikat eine Harmonie einbüßt, die den imperialen Staat auf Erden noch im Gleichnis zum himmlischen Reich abgebildet hatte, ist seine transzendente Ordnung zwar einem unüberschaubaren Chaos gewichen. Doch eröffnet sich mit diesem der Bezug zu einer Rationalität, die religiöse Motivationen und mystische Welthaltungen, „como un fenómeno de sublimación psicológica de impulsos sexuales reprimidos", in den wissenschaftlichen Diskurs verlagert (Benitez 1992: 100). Dieser Prozess schlägt sich auf dem Gebiet der dynamischen Psychiatrie in Untersuchungen nieder, die den Methoden eines Charcot, Lombroso und Max Nordau folgen und die Biographie von Mystikern als Krankengeschichte interpretieren. 308 Allerdings ist diese Option nur eine Seite der Darstellung, die sich der Roman der achtziger und neunziger Jahre zu eigen macht, eröffnet sich doch eine weitere mit der Ausdifferenzierung der Religion. Denn Einheitsreligionen gedeihen im Immanenzmilieu nicht. Der liberale Politiker Alonso Martínez (1827-1891) spricht von einer „pulverización de la idea religiosa", welche unausgesetzt immer neue Glaubensdebatten mit sich bringt, „el fraccionamiento del Protestantismo, que al fin se detiene en la divinidad de Jesus y la autoridad de la Biblia, y en los países sometidos al régimen parlamentario." Ein neuer Turm von Babel sei entstanden, mit dem sich diesmal die Religionen selbst verstreuen, „hasta el punto de que enumerar las religiones fuera sin duda tan difícil como contar las arenas del mar." 3 0 9 In dem Maße, wie am Ausgang des 19. Jahrhunderts weder der Positivismus als „filosofía de la clase ascendente" noch die katholische Orthodoxie, „cada vez más rígido y anclado en afirmaciones dogmáticas", in der Lage sind, das Bedürfnis der überwiegend bürgerlichen Klassen nach einer erfüllten Religiosität zu befriedigen 3 0 7 Unschwer merkt man die Souveränität des cogito wenigstens den ersten drei der genannten Namen, Rey, León und Golfín, an, wobei letzterer ebenfalls „el rey de los animales [ist], [que] no dejaba de manifestar a cada momento la estimación en que a sí mismo se tenía" (Pérez Galdós 1992: 120). 3 0 8 In der 1875 bereits durch Teilveröffentlichungen bekannten und 1900 verlegten Arbeit von Melcior y Ferré, La enfermedad de los místicos, die auch einen Platz in der Bibliothek von Pérez Galdós hatte, wird dokumentiert, wie bestimmte physiologische und psychologische Voraussetzungen Ernährungsgewohnheiten bestimmen und diese wiederum der Entstehung mystischer Halluzinationen förderlich sind. 3 0 9 Alonso Martínez (1877: 73). Zur krausistischen Kritik an diesem Vortrag von Alonso Martínez vor der Real Academia de Ciencias morales y políticas vgl. Atienza y Medrano 1877.

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(Abellán 1 9 8 9 , 5 / 1 : 4 2 2 ) , muss sich ftir „die Verschiebung des Gleichgewichts zwischen G ö t t e r n und Menschen a u f die Seite des Menschen h i n " auch im transzendenten Bereich ein bislang unbekannter R a u m öffnen (Kerényi 1 9 7 5 : 3 2 5 ) . M i t der Aufnahme von Magie, Theosophie und Spiritismus bildet sich unter dem D r u c k einer a u f Glaubenseinheit bedachten Amtskirche ein Sektenwesen, das seine Energien gerade aus der Verstreuung der Glaubensoffenbarungen schöpft und der Privatisierung des Glaubens im I m manenzmilieu der Städte Rechnung trägt. N i c h t so sehr G o t t und dessen personale Existenz stehen bei den esoterischen Varianten im Z e n t r u m . Ebenso tritt die absolute Erlösung gegenüber jenen Geisteskräften zurück, deren M a c h t sich aus der i m m e r neuen Überwindung jener von der Endlichkeit auferlegten Grenzen erschließt. U m die schöpferischen Fähigkeiten des einzelnen Menschen zu entfalten oder ihn womöglich wie beim Geisterglauben selbst zum Schöpfer seiner Selbst zu erheben, durchmessen diese Heilspraktiken bei allen bestehenden Unterschieden 3 1 0 die menschliche Anthropologie und wenden sich der Psyche zu, die sich allein den Befindlichkeiten des Körpers zuordnet und dessen Krankheiten reflektiert. 3 1 1 S o k o m m t beispielsweise in der Esoterik ein Magieverständnis zum Tragen, das eine Verbindung zu gnostischen Traditionen abendländischer, aber auch indischer Herkunft eingeht (vgl. dazu Leuenberger 1 9 8 9 : 1 7 1 ) , um alle psychisch-geistigen Kräfte zur Nutzung und Selbstbestimmung des Geistes zu mobilisieren. Diese religiösen Strömungen haben seit der M i t t e der achtziger Jahre in Texten von Pérez Galdós, Juan Valera und anderen Romanciers auch einen entscheidenden Reflex, der a u f das Zusammenspiel von I m m a n e n z

und

3 1 0 Vgl. Abellán (1989, 5/1: 430). Während die Theosophie (vgl. dazu Ruppert 1993) ein höheres Wissen anbietet, das dem Menschen einen direkten Zugang gewährt, um zur Kenntnis der Wirklichkeit in seinem Wesen zu gelangen, geht es dem Spiritismus um die im Rahmen von Experimenten erfolgte Beobachtung der realen Welt. 311 Auch mit der Betonung des menschlichen Vermögens, sich in der immanenten Welt und in Abhängigkeit zu deren Lebensbedingungen zu reinkarnieren, hat die Materie selbst Funktionen übernommen, die im Rahmen der traditionellen Metaphysik dem Geist zugewiesen wurden (vgl. González Sorriano 1881: 12): „Reencarnación del espíritu en mundos y organismos adecuados al modo de ser que le caracterice, para continuar la realización de su progreso infinito, desarrollando sus propiedades y sus facultades" Die Entwicklung zum Fortschritt, also ein geistiges Phänomen, ergibt sich nun aus der mutmaßlichen Eigenbewegung des Menschen zu seiner Vervollkommnung, die in den stetigen Veränderungen der Materie ihre Entsprechung erfährt (vgl. z. B. García López 1889: 332): „Por ellas [las leyes], es por lo que se asocian las moléculas materiales que sirven para componer la organización humana, renovándose constantemente despues de haber sufrido su depuración por el movimiento que les es propio. Cada transformación producida por la muerte, disgrega estas moléculas que se utilizan para servir á nuevas encarnaciones; y por consiguiente, los átomos de nuestros cuerpos han servido ya para otros, como servirán para futuros organismos en que reencarnarán otros espíritus."

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Transzendenz reagiert und von der Forschung als originelle Verknüpfung naturalistischer und spiritualistischer Elemente beschrieben wurde. 312 Damit verändert sich das beschriebene Koordinatensystem, in dem, wie eine zeitnahe Literaturgeschichte in Hinblick auf Galdós konstatiert, zunächst noch „representaciones abstractas de los tipos corrientes de la sociedad española del siglo X I X " vorgeherrscht hatten (Montilíu 1929: 824). Die Dualität von Immanenz und Transzendenz wird vom Widerstreit zweier einander entgegengesetzter Weltanschauungen abgelöst: In dieser Form fiktionalen Erzählens stehen sich „los católicos obscurantistas y retrógados y la [fe] de los librepensadores progresistas y amigos de las luces de la civilización" (ebd.: 826) gegenüber. Die Religion wird in jener „época de activa y violenta lucha polémica" (Beser 1968: 169) überwiegend als Machtinstrument klerikaler Obskurantisten erfahrbar, dem sich seinerseits nur ein klarer fortschrittlicher Geist zu widersetzen weiss: Sus tipos característicos son: u n o , simpático, que representa el progreso, la luz, el agrado (el ingeniero joven); otro, antipático, s í m b o l o del obscurantismo, tal c o m o lo entiende G a l d ó s (el sacerdote) ( H u r t a d o J i m é n e z de la Serna/González Palencia 1 9 3 2 : 9 5 9 ) .

Angesichts eines sich konsolidierenden Immanenzmilieus und einer Institution Literatur, die sich ähnlich der Presse seit 1881 beträchtlicher Freiheiten erfreuen durfte, weicht die Darstellung der Religion als bloße Widersacherin des wissenschaftlichen Geistes nun der Privatheit des Glaubens. Als Schnittpunkt inner- und außerweltlicher Erlösung korrespondiert dieser mit dem in der bürgerlichen Gesellschaft reich ausgefüllten Raum des individuellen Gewissens, dessen ethische Größe sich von der stumpfen Rhetorik der religiösen Konvention und vom leeren Prunk der Barockkirchen abheben will. 313 Ein von orthodoxen Mach tinstanzen autonomisierter Glaube schreibt

3 1 2 Vgl. López-Sanz (1985: 207). So ließe sich dieser Zusammenhang etwa in Misericordia ausmachen, „[quedando] definitivamente de manifiesto como elementos consustanciales a la estética de un autor que quiere dar una imagen completa y unitaria de la vida. [...] La ténica documental del naturalismo [...] sigue empleando aquí Galdós como un exponente de la influencia de ésta en su parte, si bien esta arte se libera de las inherentes limitaciones de aquél a medida que la obra literaria cobra una dimensión más espiritual y simbólica." 3 , 3 Vgl. etwa Pérez Galdós (1992: 26 bzw. 59). Dieser Gestus expandiert etwa bei Nazarín, der sich in Abwendung von den weltlichen und geistlichen Autoritäten auf sein Gewissen beruft: „Hago lo que me inspire mi conciencia, y si de ello, de mis acciones, resulta algún ejemplo y alguien quiere tomarlo, mejor" An anderer Stelle heißt es über ihn: „Hallábase en las puras glorias, con todo aquel descuido del vivir asentado sobre el cimiento de su conciencia pura como el diamante."

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sich als „religión laica" 3 1 4 in die Diskursnetze der Restaurationsepoche ein 3 1 5 , u m deren heterogenes W i s s e n in einer neuen Einheit zu h a r m o n i s i e r e n 3 1 6 o d e r die W i s s e n s c h a f t e n als ethische K o m p o n e n t e zu d u r c h l a u f e n . I m S i n n e eines Verständnisses, das M y s t i k e r w i e Luis d e León in die Tradition der Heterodoxen stellt u n d deren V e r m ä c h t n i s f ü r sich reklamiert, k a n n die Religion n u n die Subjektivität des Bürgers stabilisieren u n d seine Bedürfnisse nach religiöser Erbaulichkeit m i t der I m m a n e n z d e r M o d e r n e v e r s ö h n e n : 3 1 7 Dios quiera que, al cabo de tres siglos, aquellas voces amigas encuentran ecos en la conciencia de los españoles, y se logre hoy lo que en vano intentaron nuestros Místicos: depurar la religión de viles supersticiones y conducir los pueblos á las fuentes de la vida religiosa, que son la emancipación de la conciencia y la Biblia! (Sala y Villaret 1892). A n t h r o p o l o g i s c h e Perspektiven, die in R o m a n e n w i e Doña La familia

de León

Roch

Perfecta

oder

zwar angelegt sind (vgl. dazu H a u c k 1 9 9 5 : 9 1 - 1 1 3 ) ,

aber eher v o n K o n f l i k t e n zwischen e i n e m u m seine A u t o n o m i e bedachtem I m m a n e n z m i l i e u u n d klerikalem A b s o l u t i s m u s überschattet w e r d e n , erhalten erst d u r c h die Verlagerung der Religion a u f ihre Innenansicht

uneinge-

schränkten V o r r a n g : Das G ö t t l i c h e w i r d s o m i t über die verblassende K r a f t einer K i r c h e hinaus als A u s g a n g s p u n k t intersubjektiver Beziehungen u n d als Vereinigung d i f f e r e n t e r G l i e d e r w a h r g e n o m m e n , d u r c h die das 'Ich' u n d das ' D u i m ' W i r ' ihre Synthese erfahren. D a m i t aber hat es den A n s c h e i n , dass

3 , 4 Vgl. Torres-Solanot (1878a), der um eine vom Katholizismus emanzipierte Religiosität ringt und diese an anderer Stelle (1874) gegen den Materialismus der Zeit verteidigt (vgl. Torres-Solanot 1978b). 315 Die neuen Religionen, die am Ende des 19. Jahrhunderts die New /4£f-Bewegungen des folgenden vorwegnehmen, werden auch in den katholischen Publikationen umfassend bewertet (vgl. Rodrigo 1879: 144-1610Unter den in der Bibliographie genannten Artikeln, die einen kleinen Einblick über die öffentlichen Debatten zwischen 1865 und 1900 geben und dieser Arbeit als historisches Hintergrundmaterial dienen, befinden sich eine Reihe von Texten über theosophische und spiritistische Strömungen in der Religion. Bei diesen sind die Versuche augenfällig, die neuen religiösen Bekenntnisse auf den Erkenntnisstand der modernen Wissenschaften zu führen und als Selbsterfahrung des Menschen zu begreifen. Vgl. z. B. García López (1889: 191): „La astronomía descubrirá el lazo que liga todos los mundos: la física, la química, la fisiología, el análisis de los organismos, establecerán la cadena de los séres, la reciprocidad de las funciones, la dependencia mutua de las existencias: las ciencias filosóficas y morales, demostrarán la solidaridad de las almas, no menos real que la de los cuerpos: la concepción panteística, verdadera en su base y falsa en sus consecuencias, enseñará la unidad de la sustancia, esto es, la unidad absoluta de la creación universal y eterna." 3 , 7 Vgl. Elizalde (1981: 141). So sei es dem Religionsverkünder und Anarchisten Angel Guerra nicht nur um sein eigenes Heil bestellt, sondern zugleich auch um „un renacimiento espiritual de la nación. Galdós, desengañado de la política, la filosofía y la economía, cree que solamente la religión podrá conseguir una transformación de la sociedad."

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in Texten wie Ángel Guerra, Nazarín oder Misericordia auch wieder eine poetische Metaphorik an Boden gewinnt, die aus der Perspektive der tesis eher die sichere Erkenntnis des cogito trübt und in den Aporien zwischen Vernunft und Sinnlichkeit auf dunkle Abwege führt (vgl. dazu Hauck 1995: 91-113 bzw. Karimi 1998: 327-385). In Misericordia ist es jedoch das von Feuerbach apostrophierte und sich im Namen Gottes verdichtende Wunschwesen selbst, das in einen Erzähldiskurs gefasst ist, „lleno de estereotipos religioso-sociales hasta un lenguaje rico, profundo, creador de valores plenamente religiosos" (Mora García 1981: 131). Es öffnet sich ein differenzierter Zugang zu Stimmungen, die auch nur von dieser Sprachlichkeit zu erfassen sind und zudem einen Typ von Erkenntnis befördern, 318 wie er über den Gesichtskreis der Staatskirche eines saturiert gewordenen Bürgertums hinausreicht und in eine unangepasste Richtung treibt (Puértolas 1979, 2: 159). Diese Poetisierung verdankt sich in der Anlage der genannten Texte „la tradición cervantina y la de la literatura ascético-mística del país" (López-Sanz 1985: 207), die in deren Wirklichkeit einwandert und mit dem geistigen Bedeutungsgehalt der Mystik in die literarische Sprache eingeht (Cassirer 1983: 175). Wiewohl bereits in La familia de León Roch intertextuelle Bezüge zu Teresa de Ávila erkennbar werden (vgl. Correa 1973: 143-159), erscheinen die in der Mystik enthaltenen utopischen Momente demgegenüber in einer Eigenheit und Dichte, welche die reaktionären Betzirkel der San Salomó ebenso wenig ftir sich vereinnahmen können wie der weitabgewandte und leibfeindliche Luis Gonzaga: A partir de 1887, los personajes religiosos de G a l d ó s a b a n d o n a n las honduras metafísicas y los alambicamientos retóricos d e la mística para transformarse en religiosos activos, fundadores de conventos y de órdenes o en penitentes contemplativos (Benítez 1992: 110).

Indem die soziale Wirklichkeit in Texten wie Misericordia „con sus rasgos más acusadamente torturantes" (Correa 1977: 201) mit ihren seelischen Verwüstungen Einzug hält, die Figuren des Guerra, des Nazarín oder der Benigna aber in gleichem Maße „con imágenes de la pintura religiosa" versehen werden (Benítez 1992: 119), muss ein Spannungsfeld entstehen, das die dialektische Kraft eines philosophischen Idealismus kaum noch zum Ausgleich 3 1 8 Als ein besonders schönes Beispiel ftir eine solche vom Erzähler entfaltete Stimmungsperspektive darf sicherlich die Darstellung der Abenddämmerung in Nazarln gelten („un lenguaje misterioso que hablaba al alma sin que ésta pudiera saber fijamente lo que le decía"), die Ende und Anfang in sich trägt. Darin sei, so „árabe manchego", ein Bild von „el crepúsculo de la muerte" enthalten, der jedoch „el mañana eterna" mit sich bringe (Pérez Galdós 1992: 124-125). Hier gerinnt die Unbestimmtheit und Unscharfe von Stimmungen zu einer Erkenntnis, die ihre Sicherheit verloren hat.

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zu bringen vermag. Anwesenheit und Entzug Gottes erlangen ihre äußerste Prägnanz in jenem Moment, in dem sich „[der] unbeschränkte, über alle Naturnotwendigkeit, erhabene, übermenschliche, außerweltliche, transzendente Gott" an der Welt bricht (Feuerbach 1983: 254) und sich dieser Vorgang in der Immanenz des Textes erschließt. 319

6 . 1 . 4 DAS LITERARISCHE SUBJEKT ZWISCHEN ALLMACHT UND BEWUSSTLOSIGKEIT

Mit dem Ubergang von der Bewusstseins- zur Raumphilosophie sind die Konsequenzen für das Erzählen indes unabsehbar geworden, vollziehen sich diese in Spanien doch in wenigen Jahrzehnten vom idealistischen Thesenroman zum realistischen Roman. Geht der erste Typus noch von einer totalen Weltsicht aus, die auf dem sicher geglaubten Fundament einer Idee erfolgen kann, so ist der zweite in seiner Detailverliebtheit bereits eine Konzession an die Disparatheit des Seins, der selbst der allwissende Erzähler ebenso unterworfen ist wie der konstitutionelle Monarch dem in zahlreichen Zwängen, Abhängigkeiten und Institutionen aufgefächerten sozialen Raum. Unter diesen Umständen „kommt es dem Erzähler zu, Kraftfelder zu entfalten und die in ihnen wirkenden [gegenläufigen] Energien, d.h. Diskurse zu exponieren" (Karimi 2004: 84). Hatte sich das „in seiner Deutungsallmacht aufspreizende auktoriale Dichterobjekt in einer Theologie bewährt, die sich den lieben Gott noch als weisen Lenker vorstellen und es ihm gleichtun wollte", so sind es nun „die Körper und ihre Affekte, die sich in ihrer Begegnung fiir eine Weile zusammensetzen, um im nächsten Augenblick zu zerfallen und andere Verbindungen einzugehen" (ebd.). Dass Differenzen in diesem Gefuge nicht auf statischen Größen beruhen, sondern auf einer Kombination von Machttypen, „une juxtaposition, une liaison, une coordination, une hiérarchie, aussi, de différents pouvoirs, qui néanmoins demeurent dans leur spécifité", wie Foucault (2001, 2: 1006) in Anlehnung an den von Marx dargestellten Zirkulationsprozess des Kapitals schreibt 320 , zeigt sich am Beispiel des Domherrn D o n Fermín in Claríns La Regenta (1884). 3 , 9 Wie sich noch zeigen wird, scheitern León Roch und Pepe Rey zwar auch an den Grenzen, welche die vornehmlich am analystischen Denken geschulte Tätigkeit des Verstandes ihnen auferlegt. Vordergründig können sie aber noch als Opfer finsteren Priesterbetruges erscheinen. 1 2 0 Vgl. etwa M E W (1956, 25: 823): „Es sind nicht nur die, in selbständige Mächte verwandelten Produkte der Arbeiter, die Produkte als Beherrscher und Käufer ihrer Produzenten, sondern es sind auch die gesellschaftlichen Kräfte [...] dieser Arbeit, die als Eigenschaften ihres Produkts ihnen gegenübertreten."

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Seine Macht über die Einwohner Vetustas bezieht der Priester aus den Geheimnissen, die ihm aus deren Sündenbekenntnissen bekannt sind, so dass er hinter den Repräsentationen, „una especie de Vetusta subterránea, [una] ciudad oculta de las conciencias" (Clarín 1981, 1: 398), wahrzunehmen imstande ist. Mit diesem privilegierten Wissen ausgestattet, ist er tatsächlich ein mächtiger Geistlicher, der auch als erfahrener Bergsteiger höchste Gipfel zu erklimmen vermag. Im ersten Kapitel mißt Fermín die zu seinen Füssen liegende Stadt mit seinem so gebieterischen Blick ab, dass dieser mit dem Erzähler verschmilzt, „ [performing] his duty not only as a naturalist but as a supra-director of conscience, [„authorizing"] himself by making his authority necessary to the text" (Valis 2005: 260). Sein hochfliegender Geist, der das von ihm arrondierte Territorium unangefochten zu beherrschen scheint und gegen seine Widersacher erbittert zu verteidigen bereit ist, sieht sich in der Papstwürde schon mit den Insignien absoluter Macht ausgestattet, so greifbar nahe scheint ihm der Ruhm zu sein, so hoch sind die Attribute angesetzt, die ihn beschreiben. Der an Bilder von Caspar David Friedrich erinnernde panoramatische Standpunkt eines der Natur entfremdeten Betrachtersubjekts 321 , den Don Fermín von seinem alles überragenden Turm aus einnimmt, kennzeichnet jedoch in seiner vermeintlichen Allmacht auch deren Erschöpfung. In seiner Perspektive, mit der er die Wirklichkeit in vor- bzw. nachgeordnete Elemente strukturiert, verwandeln sich die im Tal liegenden Dörfer in spielzeugähnliche Motive. Was zunächst wie eine willige Tonmasse in den Händen eines geschickten Bildhauers erscheint, entzieht sich bald dem Blick und dem Einfluß des Gestalters, so dass in diesem sowohl die Ermattung des auktorialen Erzählers als auch die mangelnde Transparenz des erzählten Materials ersichtlich werden. Stellt sich die Stadt dem Betrachter anfangs noch als ein gleichförmiger Körper dar, als deren Haupt sich der Generalvikar empfindet, so verweigert sich ihre in soziale Klassen aufgespaltene Topographie diesem totalisierenden Blick des Klerikers. Neben den nach der Revolution rekonstruierten Klöstern und Kathedralen in der Oberstadt ist auch ein Gewimmel von Fabriken und Arbeiterwohnungen entstanden, das sich nicht mehr in die bestehende Repräsentation vertikaler Macht einfügen lässt. An den Rändern der alten Hierarchien sammeln sich die ersten Vorboten neuer Mächte, die sich — wie im Namen des neuen Viertels Campo del Sol ersichtlich - nicht mehr so sehr in Einzelpersonen darstellen, sondern auf einem weitläufigen und unübersichtlichen sozialen Feld in den diffusen und flüchtigen Stimmen „[de los] rebel321

Vgl. etwa Der Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818 (Hamburg, Kunsthalle) bzw. die

Kreidefelsen

von Rügen, um 1820 (Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart).

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des, los trabajadores sucios, negros por el carbón y el hierro amador" Gehör verschaffen (Clarín 1981, 1: 113). Mehr noch als die bloße personalgebundene Macht des Don Fermín erschüttern diese Zeichen einer neuen Zeit die auf Sakralität der Macht begründete Ordnung, die auch der Darstellbarkeit des Göttlichen einen metaphorischen Rahmen verleiht. So widerlegen sich die steingewordenen Symbole eines vermeintlich erstarkten Glaubens selbst als schöner Schein, hinter dem die Zeichen der neuen Machtverhältnisse umso eindringlicher hervortreten. Die Fabrikschornsteine und ihre Schwaden erweisen sich als Parodien auf die olfaktorischen und optischen Attribute des Glaubens, die indes nur noch die eingeweihten Gläubigen an Weihrauch und Kirchtürme gemahnen. Aus der Position des Betrachters auf dem „torre de la catedral [del siglo dieciséis], poema romántico de piedra, delicado himno, de dulces líneas de belleza muda y perenne" (Clarín 1981, 1: 93) ist er von den Zeichen der neuen Zeit abgeschnitten, die er nur auf Grund dieses separierten Blickpunkts zu deuten versteht. Ein Gefühl der Bewusstlosigkeit stellt sich gerade vor dem Eindruck höchster Erwartungen ein, mit der die Stunde eines persönlichen Triumphs so greifbar nah erscheint. Aus einer negativen Teleologie, die ihrem fortsschreitenden Sinn zuwiderläuft und ins Gegenteil verkehrt, erwachsen hinsichtlich der Zukunft Enttäuschungen und der Vergangenheit Hoffnungen: Así son las perspectivas de la esperanza [...] cuanto más nos acercamos al término de nuestra ambición, más distante parece el objeto deseado, porque no está en lo por venir, sino en lo pasado; lo que vemos delante es un espejo que refleja el cuadro soñador que se queda atrás, en el lejano día del sueño.... (Clarín 1981, 1: 106).

Was der Erzähler von La Regenta in den Befindlichkeiten des Don Fermín zum Ausdruck bringt, kommt in einer Metaphorik überein, die Gustave Flaubert mit der „Entfremdung von Ich und Welt in einem Rhythmus von Hoffnung und Enttäuschung" (Köhler 1987: 116) zum Grundmotiv seiner Éducation sentimentale machen sollte, Jahrzehnte zuvor in einem Brief aber schon angesprochen hatte: À mesure que l'objet de nos souhaits approche, la volupté qu'on avait entrevue dans leurs accomplissements diminue, il semble que nous soyons destinés à n'attraper que des ombres sur la muraille (an Ernest Chevalier am 19. November 1839, Flaubert 1926, 2: 345).

Die hohen Erwartungen des Betrachters verdichten sich zu einem im Grunde schemenhaften Bild, dass in dem Maße zerrinnt, wie es ihm gelingt, sich diesem zu nähern. Die Vergangenheit, in der er sich im Vorgefühl eines beständigen Glücks wiegen konnte, macht „überall Keime und Fußspuren des verlorenen Sinns" (Lukács 1920: 131) gegenwärtig. Die Ernüchterung

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über die Grenzen des Lebens wird aber auch zu einem Zeitpunkt präsent, in dem er sein vermeintliches Ziel erreicht zu haben glaubt und ihm die Vergeblichkeit seines Ansinnens klar vor Augen tritt. Dieser Kontrast, den Hegel (1979, 14: 218f) noch zwischen der Poesie des Herzens und der entgegenstehenden Prosa der Verhältnisse verortet, verdankt sich nicht zuletzt auch den Umstellungen der vier Prototypen des Seienden, wie wir sie weiter oben beschrieben haben. Der Himmel öffnet sich der Erde als ein unendlicher, unbekannter Raum, den diese als Wohnort der Sterblichen umgibt, und nicht mehr so sehr als Ziel einer Wanderung, welche die Seele mit dem Göttlichen vereint. Die Unsterblichen erinnern die Sterblichen vielmehr an die Grenzen, die der irdischen Existenz und dem empirischen Wissen gesetzt sind, als an ein ewiges Leben nach dem Tod. Da „das Dasein in seiner endlichen Ganzheit nicht mehr von einem anderen Seienden her, sondern aus sich selbst verstanden" (Schulz 1991: 45) wird, sind der Himmel und die Göttlichen als „das uns gegensätzlich Zugehörende" (Schulz 1991: 54) Bestandteil der Immanenz, des unendlichen Raums geworden. Die Idealität, das Sein als bloße Idee oder Vorstellung, steht der Realität demnach nicht als eine mehr oder minder entrückte Transzendenz gegenüber. Sie gehört ebenso zur Erde wie deren Beschränkungen, denen sie sich jedoch als unerreichbares Ideal zu entziehen sucht. Urbildlichkeit oder Vollkommenheit als weitere Synomyme des Idealen (Kirchner/Michaelis 1907: 277) hören auf, Projektionen von Monarchen zu werden, deren Präsenz auf Bühne und Welt einer Epiphanie gleichkommt, deren Abwesenheit aber den deus absconditus mimetisiert. Konnte sich ein derartiges Wechselspiel noch in einem beliebig langen Zeitabstand vollziehen, da dieser in einem transzendenten Zeitmodus begriffen wurde, verhält es sich bei den in die Immanenz eingewanderten Projektionen anders. Da für diese eine Jetztzeit gilt, „comme une durée précaire et évanescente qui mène irrémédiablement à la mort" (Eliade 1965: 100), können sich Desillusion und Illusion auch dicht auf den Fersen, wenn nicht im selben Augenblick gegenwärtig sein. Der Gottessignifikant entfaltet in dem von ideologischen Zwängen befreiten Roman und besonders in der modernen Dichtung eine Wirkung, die sich allein aus der Selbsttätigkeit der Schrift ergibt, wie sie von Stéphane Mallarmé (1985: 276) beschrieben wird. So impliziere das Werk das Verschwinden des Poeten als obersten Interpreten, „qui cède l'initiative aux mots, par le heurt de leur inégalité mobilisée; ils s'allument de reflets réciproques comme une virtuelle traînée de feux sur des pierreries [...]." Diese wechselseitigen Widerstände haben ihre Ursache aber in jenen Konflikten, die auf miteinander streitenden Grundsätzen beruhen, jenen nämlich, die „sich ganz und gar in den Schranken möglicher Erfahrung" bewegen und denjenigen, die „diese Grenzen überfliegen" (Kant 1977, 3: 309-310).

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In dieser fragmentarisch gewordenen Sprache hat das Göttliche sein letztes Residuum gefunden. Eingedenk dessen, dass die „Verbildlichung eine Steigerung von Wirklichkeit darstellt" und die Realität erst im Bild aus sich heraus tritt, um aus der Fülle von Möglichkeiten „bestimmter, prägnanter und in diesem Sinne auch wirklicher" zu werden (Böhme 1999: 92), ist die moderne Kunst gerade im Bewusstsein ihres Entwurfcharakters auf die Anschaulichkeit ihrer Konstrukte angewiesen. In diesen kehren freilich die Ikonen eines allwissenden gebieterischen Selbst wieder, und zwar unabhängig davon, ob sie das Göttliche im Menschen oder das Menschliche in Gott ansprechen. Das Ringen zwischen vertikalen Hierarchien und einer um ihre Autonomie streitende Immanenz, zwischen einem mit sich identischen Seienden und einem disparaten Sein, kann somit weder in der begriffsbildenden Philosophie noch gar in der fiktionsbildenden Literatur, dem einmaligen „Schnittpunkt des Natürlichen und des Spirituellen" (Tamas 1997: 470), gänzlich zum Erliegen zu kommen. 122 Immer wieder schleichen sich in den Gottesbegriff Vorstellungen von einem allmächtigen und allwissenden Wesen ein, das wie der „alte Gott [...] nach dem Bilde des Menschen geschaffen" ist (Mauthner 1923, 2: 7), letzteren aber in jeder Beziehung überragt. Dennoch vermag dieses numen, das mit dem Pantheismus „den Charakter der Persönlichkeit [und damit auch der persönlichen Macht] abgestreift" hat (ebd.: 436), nicht mehr auf eine unangefochtene Stellung zurückblicken. Wie das von uns angesprochene Beispiel des Don Fermín zeigt, verwandelt sich dessen Geschichte „en la historia de la impotencia del yo excepcional, del individuo extraordinario." Da alles an dieser Figur übermäßig und groß ist, „desde su estatura hasta su inteligencia" (Oleza 1976: 182), erscheint ihr Sturz umso unfasslicher, zugleich dafür aber auch umso unvermeidlicher. Sie repräsentiert einen Kreis von Figuren, denen wir in unserem Korpus fiktionaler Texte ebenso begegnen wie in den Beobachtungen der Zeitgenossen. So scheint die Epoche keine Helden mehr zu zeitigen, wie der positivistische Gelehrte Urbano González Serrano (1848-1904) in einem Beitrag über die zeitgenössische Lyrik anmerkt. Statt dessen verschlinge die öffentliche Meinung ihre Idole so

3 2 2 Vgl. zur Philosophie Deleuze ( 1 9 9 7 : 172): „En ce sens, la pensée conceptuelle philosophique a pour présupposé implicite une image de la pensée, préphilosophique et naturelle, empruntée à l'élément pur du sens commun. D'après cette image, la pensée est en affinité avec le vrai, possède formellement le vrai et veut matériellement le vrai. Et c'est sur cette image que chacun sait, est censé savoir ce que signifie penser. Alors il importe peu que la philosophie commence par l'objet ou par le sujet, par l'être et l'étant, tant que la pensée reste soumise à cette image qui préjuge déjà de tout, et de la distribution de l'objet et du sujet, et de l'être et de l'étant. Cette image de la pensée nous pouvons l'appeler image dogmatique ou orthodoxe, image morale."

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rasch wie sie diese zuvor erhoben habe, „al presente, que los pedestales del héroe suelen caer convertidos en escombros para servir de grades en la escala que conduce al patíbulo de la pública difamación" (Gonzalez Serrano 1877: 13). Das Subjekt ziehe sich auf einen diffusen Individualismus zurück, während der soziale Organismus in einen unförmigen Atomismus zerfalle. Wie aus einer anderen Welt erscheint da jener barbarische Vatergott, dem Literaten wie Palacio Valdés (1877: 337) kein Bürgerrecht in der spanischen Gesellschaft mehr zugestehen, jener „dios fulminante, colérico, vengador, el dios asiático que preparó las tragedias religiosas de la Edad Media, el dios que aún alienta el espíritu de intolerancia en las religiones positivas." Die Generation, der sich der Romancier mit dem von ihm geschätzten Galdós verbunden fühlt, „activa y acongojada por una crisis sin precedente en la historia de la humanidad" (ebd.), verweigert sich den Ehrfurcht gebietenden Ikonen von einst. Sie wendet sich jenem gesichtslos anmutenden Wesen zu, das in den Dingen, in der Geschichte, „en sus entrañas", selbst zu suchen sei, wie der krausistische Literaturwissenschaftler Francisco de Paula Canalejas (1834-1883) (1875, 89: 14) die Gott Suchenden zu ermutigen sucht und dabei ausblendet, dass sowohl das Subjekt als auch das Objekt menschliche Gesichtzüge haben und sich diese nur den veränderten Machtbeziehungen angepaßt haben. Es habe den Anschein, schreibt der Literaturkritiker Emilio Nieto (1875: 534) im seinerzeit durchaus vertrauten Hegelton, als ob Gott vom Himmel herabgestiegen sei, um sich im Bewusstsein eines jeden Menschen einzuschließen. Die allgemeine Gewissensfreiheit habe selbst die Religion nicht ausgespart, so dass sich der Glaube — zur exklusiven Aufgabe des Individuums geworden - nicht mehr in den Künsten zu entäußern verstünde. Dem Künstler könne einem zumeist unbestimmten religiösen Gefühl auch nur „un pálido diseño" abringen. Anders als in vorangegangenen Epochen erweise sich die religiöse Idee kaum noch als eine Quelle für Malerei, Musik, Plastik oder Dichtung. Diese scheinen ihre Gegenstände nun im humanuni selbst, „una necesidad artística del siglo presente" (Nieto 1875: 428), zu suchen, was letztlich auch bei den späteren Romanen Pérez Galdós ungeachtet ihrer spirituellen Ausrichtung unwiderlegt bleibt. So liegen die alten Signifikate numinoser Allmacht im Streit mit jenen Erfahrungen, welche die Abspaltung der Wirklichkeit in unendliche Einzelperspektiven zu bewältigen haben. 323 Das in die Immanenz hineingezogene

3 2 3 Vgl. dazu Nietzsche (1954, 3: 1443), der das Verhältnis von göttlicher Gesamt- zur wissenschaftlichen Einzelperspektive treffsicher benennt: „Allein schon durch unsere Schulausbildung, wo uns - während wir in der Religionsstunde vom lieben Gott hörten - z. B. in der Physikstunde eine besondere, mathematisch-physikalische Denkweise als eine autonome, ja

Das literarische Feld zwischen 1868 u n d 1898

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numen sieht sich mit deren Bedingungen, der conditio humana, konfrontiert, die es auf Grund seiner tradierten Bildlichkeit und als potentia absoluta, der „Unendlichkeit des Möglichen" (Blumenberg 1988: 169) nicht zu deuten weiß und umso mehr als Grenze erfahren muss. In gewisser Hinsicht scheint sich hier im Bewusstsein der Liberalen und Krausisten jene Auseinandersetzung zu wiederholen, die nach Hans Blumenberg zwischen dem theologischen Absolutismus des späten Mittelalters und der humanen Selbstbehauptung der Neuzeit verläuft, mit der nicht unerheblichen Nuance, dass der allmächtige Willkürgott im Gleichklang von politischem und religösem Absolutismus das Antlitz verblichener spanischer Monarchen trägt, „[reconocible en] el nombre de Demonium meridianum, que le dieron las gentes que contra su inmenso poder y más poderosa perfidia supieron salvar la libertad de la conciencia", wie Francisco Javier Simonet (1876: 26), Professor für Orientalistik an der Universität Granada (1829-1897), in seiner Rezension über William Drapers Studie insinuiert. Auch die Versinnbildlichung des Unsichtbaren in historischen Erscheinungen, wie wir sie in der Identität des spanischen Monarchen mit dem deus absconditus skizziert haben, wird in einem Aufsatz von Nicolás Salmerón Alonso (1837-1908) über John William Draper (1811-1882) als Erfahrungspartitur einer bestimmten, aber abgeschlossenen Epoche angesehen.324 Der Stern jenes Dogmatismus verblasst, der noch im qualvollen Tod der Häretiker Girolamo Savonarola (1461-1472) und Miguel Servet (1511-1553) eine Blutspur hinterlassen hat (Palacio Valdés 1878: 337). Das Prinzip der individuellen Vernunft delegitimiert die Herrschaft einer antiquiert wirkenden Scholastik (Sala y Villaret 1877: 464). Die Einheit von Religion, Dichtung, Sprache und Rechtsprechung, „los mitos y las fórmulas simbólicas", wie sie über Jahrhunderte lang Bestand hatte, zerbricht (Alcalde Prieto 1877: 616). Unter diesen Gegebenheiten stehen auch die Regeln des literarischen Diskurses auf dem Prüfstand.

sich von selbst verstehende empfindlich eingeprägt worden ist, eine Denkweise, in welcher der liebe Gott — dort der Sinn-Pol unseres gesamten Daseins — gar keine Rolle spielt." 324 Vgl. Salmerón Alonso (1876: 26-27): „Y como aquí, donde las glorias nacionales se ligaban á una secular lucha religiosa en que la idea de la patria se habia identificado con la Iglesia católica, parecía la Victoria milagro de la fe, creyóse que la ventura, y aún la existencia de la nación, dependían de su unidad religiosa, y príncipe, y clero, y pueblo trabajaron á una para consolidar su absoluto imperio en el interior [ . . . ] . "

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Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

6 . 2 DAS E N D E DER I D E N T I T Ä T VON ÄSTHETISCHER W A H R H E I T U N D HISTORISCHER

WIRKLICHKEIT

6 . 2 . 1 D I E F I G U R DES D O N Q U I J O T E IN DER M E T A P H Y S I K DES BÜRGERLICHEN

ZEITALTERS

¡Locura, luchar sin tregua ni reposo por la justicia en esta revuelta batalla de la vida, como luchaba en el mundo de sus imaginaciones el héroe imortal del inmortal Cervantes! ¡Locura, amar con amor infinito, y sin alcanzarla jamás, la divina bellezza, con él amaba á la Dulcinea de sus apasionados deseos! ¡Locura, ir con el alma tras lo ideal por el áspero y prosaico camino de las realidades humanas, que es tanto como correr tras una estrella de cielo por entre peñascales y abrojos! Locura es, según afirman los doctores; mas tan inofensiva, y, por lo visto, tan poco contagiosa, que para atajarla no hemos menester otro Quijote. José Echegaray (1964: 377-378)

In der hier nachgezeichneten Entwicklung vom Thesenroman zum Realismus ist ein Ubergang vom Bürgerschriftsteller zum bürgerlichen Schriftsteller abzusehen, der sich zwar besonders akzentuiert bei Galdós, aber auch bei Pereda, Valera und Alarcón vollzieht (Aparici Llanas 1982: 10). Das narrative Genre, das mit der Septemberrevolution entsteht, ist zunächst vornehmlich auf zeitgeschichtliche Themen fixiert, „como quiera que esos tiempos son de hipersensibilidad ideológica, de odios y suspicias, de esperanzas y fracasos, todo ello habrá de incorporarse en la novela que está en trance de nacer" (zit. nach Aparici Llanas 1982: 10). Mit seinem polemischen Charakter scheint der Roman in den siebziger Jahren noch auf jene Niederlage der spanischen Republik zu reagieren, die letztlich von krausistisch orientierten Literaten, Philosophen und Akademikern getragen worden war. Als „novel of propaganda" (Dendle 1968: 101) hatte diese die Schwächen des Immanenzmilieus zu kompensieren, um den politischen Akteuren der Revolution auf symbolischer Ebene vorauszueilen, „[intentando presentar] el estado de espíritu de la sociedad teocrática que dio lugar a las guerras civiles y de la nueva sociedad liberal que la combatía y se le oponía" (Jiménez Fraud 1973: 73). So ist nachzuvollziehen, dass dieser Typus des Erzählens die religiöse Frage mehr noch unter öffentlich-politischen denn anthropologischen Aspekten zu beantworten sucht. Panentheistische Gottesvorstellungen sind dabei angesichts ihrer kaum zu vermittelbaren Komplexität einer aufklärerischen Religionskritik untergeordnet. Dass sich letztere überwiegend auf die Institution einer despotischen Kirche und deren Allianz mit dem Absolutismus beschränkt hatte, sollte jedoch alsbald zu einer Einsicht gehören, die Valera bezüglich der französischen Philosophen des 18. Jahrhunderts äußert, „[pues] habían atacado superficial-

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mente la religión; se habían encarnizado, por decirlo así, con el cuerpo mismo de ella, y se habían injuriado con burlas y sarcasmos [...]" (Valera 1949, 2: 1383). Doch erfahren diese klassisch-aufklärerischen Dispositionen ihre Sicherheit zumeist von einer auktorialen Erzählinstanz, die sich ihrer selbst so gewiss sein muss wie der Angemessenheit ihrer Botschaft. Dass diese Gewissheit dem impliziten Autor indes, wenn überhaupt, nur temporär zu Gebote steht, haben wir an dem im Anblick seiner Stadt versunkenen Don Fermín sehen können. Wie dessen Illusion von Allmacht einer unvermittelten Bewusstlosigkeit weicht, so untergräbt „die selbstironische Rückbezüglichkeit [des Chronisten] auf den eigenen Schreibprozeß [...] die Zuverlässigkeit des Erzählers" und fuhrt „dem Leser den narrativen Entwurf als Fiktion vor Augen" (Beisel 1995: 90). Diese Illusionsbrechungen ergeben sich aus metafiktionalen Verfahren, mit denen sich der Erzähler seinen eigenen Konstrukten zuwendet. Unumstößlich erscheinende Bilder werden durch andere Zeichnungen konterkariert, so dass jedes Wort, wie Valentin Volosinov (1975: 94) in seiner klassisch gewordenen Formulierung schreibt, wie „eine kleine Arena [erscheint], in der sich verschiedengerichtete soziale Akzente überschneiden und bekämpfen, [...] ein Wort aus dem Munde eines Einzelwesens das Produkt der lebendigen Wechselbeziehung sozialer Kräfte [ist]." Die so erstellten cuadros de costumbres contemporáneas stehen mit „the all-inclusive but unrepresentable totality" (Gold 1993: 198) für eine Darstellung, die trotz ihres umfassenden Charakters die Statik dieser Bilder ebenso zu berücksichtigen hat wie die zwischen ihnen wirkenden Differenzen. Ungeachtet des idealistischen Tenors, wie er etwa Doña Perfecta zugeschrieben wird (vgl. López Morillas 1980: 138), ist bereits in der Gestaltung der Rosario zu beobachten, dass sich das Denken des Außen der Transmission von Innerlichkeit und Seele entwindet. 32 '' Wie verschiedenfarbige Folien legen sich Teilaspekte übereinander und setzen die Transparenz der Gebilde dem Verdacht einer bewussten Täuschung aus. Die Oberfläche verweist nicht mehr auf den Innenraum, so dass romantische Konnotationen, Zitaten gleich, allenfalls Erinnerungen an poetischere Figuren evozieren (vgl. Correa 1972). Zwar scheint auch hier die Außenseite der Haut den Blick des Betrachters bis in die Tiefe der Seele freizugeben. Die platonische Anmut des jungen Mädchens besteht nämlich in „una especie de transparencia, prescindiendo del nácar, del alabastro, del marfil y demás materias usadas en la composición descriptiva de los rostros humanos, una espe325

Wie in den Krankheitssymptomen u n d im erotischen Begehren der Ana Ozores, so überlagern sich auch bei Rosario Formen spanischer Mystik und Dispositionen der vitalen Tiefendimension (vgl. Weber 1966, 57: 189).

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cíe de transparencia, digo, por la cual todas las honduras de su alma se veían claramente; honduras no cavernosas y horribles como las del mar, sino como las de un manso y claro río" (Pérez Galdós 1984a: 92-93). Dass stille Wasser dennoch tief sind, wird allerdings mit dem Hinweis des Erzählers „auf die mangelnde Formung ihrer [Rosarios] psychischen Vermögen offenkundig" (Beisel 1995: 76). Gleich einem wilden Fluss findet ihre Persönlichkeit keine Grenzen, „[pues] el vasto caudal de su espíritu se desbordaba, amenazando devorar las estrechas riberas" (Pérez Galdós 1984a: 93). Mit diesem Differenzial zwischen einer ruhigen Oberfläche und einem problematischen Untergrund gleicht der Erzähler ein entscheidendes Defizit der (literarischen) Sprache aus, ohne dabei freilich ser Aporie des SubjektObjektdenkens entgehen zu können. Im Sinne der von Delgado (2000) erörterten imagen elusiva, des gleitenden und mehrdeutigen Bildes, kann er die Wirklichkeit als eine „intersección de una multiplicidad de imágenes y lenguajes" darstellen (ebd.: 91) und so der Gefahr begegnen, bestimmte Zuschreibungen in einer Momentaufnahme zu fixieren. Diese vielstimmige Erzählkunst, die sich nicht allein auf Pérez Galdós beschränkt, sondern einer Zeiterfahrungspartitur entspricht, beruht auf einer Konstruktion des sprachlichen Zeichens „como uno de los signos engañosos en un mundo caracterizado por la disolución de las categorías fijas, sean éstas morales, sociales o literarias" (ebd.: 88). Hier macht sich die Vorstellung von einer dynamischen Realität geltend, wie sie noch im deutschen Lexem 'Wirklichkeit als „Inbegriff dessen aufscheint, was wirkt bzw. wirksam geworden, ins Dasein getreten, zur Existenz gekommen und als ein Wirksames oder Gewirktes greifbar bzw. erkennbar ist" (Hoffmeister 1955: 672, vgl. auch Grimm 1991, 30: 582,1). In dem Maße, wie die Erzählinstanz die Wirklichkeit aus einer Innenperspektive ins Werk setzt und in immer neuen Bilder zeichnet, ist eine vollendete mimetische Darstellung jedoch ausgeschlossen, insofern diese den objektiven „Anspruch auf notwendige Allgemeingültigkeit'" (Sandkühler 1999, 2: 543) zu ihren eigenen Voraussetzungen erhebt. Denn eben dieser käme jener Statik gleich, die der Erzähler gerade im Bewusstsein einer „naturaleza conflictiva, cambiante" (Delgado 2000: 87) zu vermeiden sucht. Schon aus diesem Grund wird in 'realistischen' Texten nicht allein die zeitgenössische Wirklichkeit zum Substrat der Abbildung. Auch mythische Elemente gehen als „una creación imaginativa muy apartada de la tradición realista" (Benítez 1990: 130) in die Darstellung ein, so dass die 'realistische' und die sagenhaft-symbolische Seite in ein komplementäres Verhältnis zueinander treten (vgl. dazu auch Prill 1999). Entgegen jener Sprachregelungen, nach denen sich der Realismus als bloße Reproduktion des Faktischen, als „système qui consiste à reproduire, à peindre la nature telle qu'elle est" (La-

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rousse 1866-90, 13: 754,1), ausweist, ist der jüngeren Forschung zu entnehmen, dass sich die gran novela auf eine Vielzahl von Texten aus anderen Epochen bezieht und sich ihre vermeintlich durchschaubare Oberfläche merklich eintrübt. In die Erzählwelten von Galdós gehen der pikareske Roman und die Figur der Kupplerin Celestina ebenso ein wie die Mystik der Teresa von Ávila, die asketische Literatur und Heiligenviten (Benitez 1992). Ähnlich verhält es sich mit den Romanen Valeras, die von zahlreichen Intertexten, wie den Legenden Zorillas, den Dramen Shakespeares, der Historienliteratur Scotts und den schwarzen Erzählungen E.T.A. Hoffmanns durchzogen sind, „[que] reñían en mi alma contra el volterianismo" (zit. nach Jiménez Fraud 1973: 86). Noch deutlicher tritt hier das Spiel mit einem „idealismo de carácter bastante romántico" hervor, der sich im Widerstreit mit einem „pragmatismo de profundas raíces escépticas" befindet (García Cruz 1978: 133). Auch die intellektuelle Entwicklung, die Clarín in vier Etappen (katholisch, krausistisch, krausistisch-positivistisch, idealistisch) durchläuft (Garcia San Miguel 1987: 53), lässt auf eine Vielzahl sprachlich-ideologischer Welten schließen, die seine Erzählungen und Romane durchdringen. Eine Figur, die sich wie keine andere in unzählige Romane der Restaurationsepoche einschreibt und auch das Interesse der genannten Autoren auf sich zieht, ist freilich der von Chimären und Tagträumen heimgesuchte Alonso Quijano. Auf Grund ihrer nationalliterarischen Tradition und internationalen Rezeption ist die unter dem Pseudonym Don Quijote de la Mancha bekannte Figur förmlich dazu prädestiniert, sich in den Einbildungsstrukturen des bürgerlichen Zeitalters zu vervielfachen und in deren Bildern eine Spannung zu neuen Denkmustern, zu einem anderen Habitus und zu veränderten historischen Erfahrungen zu entfalten. Zum Zitat oder Verweis geworden, vermag der schon in seiner Ikonographie unverwechselbare Landjunker das Vertraute in der Travestie eines Ritters fremd, das Unbekannte aber alltäglich erscheinen zu lassen. Dass diese Figur in anderen Rollen und Funktionen wiederkehrt, relativiert auch die Abgrenzungsstrategien mancher Autoren zu jenen wegen ihrer Dekadenz gescholtenen Jahrhunderten (vgl. Benitez 1990: 127-161). In den Illusionen und Fiktionen des bürgerlichen Zeitalters wirkt die Welt des Barocks noch unvermindert fort, wenngleich die Pracht der Aristokraten von einem Mittelmaß abgelöst wird, das staatliche Beamte und Angestellte bestimmen (vgl. Casalduero 1970: 72). Zwar lässt sich mit Gumbrecht (1990, 1: 813) behaupten, dass „der heute in der gesamten westlichen Kultur vertraute (und sogar lexikalisierte) 'Don Quijote' sich überhaupt erst im Diskurs der Generación del 98 herausbildete." Zu einem Repräsentanten

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nationaler Identität und der Regeneration Spaniens326 konnte dieser aber nur in Folge einer langen Rezeptionsgeschichte werden (vgl. Strosetzki 1991b), im engeren historischen Kontext nicht zuletzt auf Grund jener Erörterungen, welche das zunächst weniger unmittelbar politische Interesse der Zeitgenossen bereits am Vorabend der Septemberrevolution und in den ersten Jahrzehnten der Restaurationsepoche auf diese Figur lenken.327 Besonders Arbeiten von Campoamor und Patricio de Azcárate Corral (1800-1886) sollten in diesem Zusammenhang eine größere Rolle spielen. Der Vater Gumersindo de Azcárates erblickt in Cervantes den Begründer des Rationalismus in Spanien, da dieser ähnlich wie Descartes in seinen Meditations über den methodischen Zweifel zur Gewißheit der eigenen Existenz gelangt sei (vgl. Britt Arredondo 2005: 211). Hauptaugenmerk wird dabei auf die ethische Haltung des Don Quijote gelegt, die zugleich ein idealistisch-poetisches Bild von der Wirklichkeit und einen emblematischen Weltentwurf impliziert. Jene „geistige Ent-Eignung", mit der sich die Schöpfung nach 1898 von ihrem Schöpfer trennt (Gumbrecht 1990, 1: 813), war jedoch schon zuvor erfolgt. So entsteht ein Mythos, der den einstigen Werkkontexten entkleidet ist und dem Verwirrspiel politischer wie kultureller Konjunkturen folgt. So spricht der katalanische Rechtswissenschaftler Josep Coroleu i Inglada (1835-1895) vom Quijotismo als „un exceso de generosidad y nobleza; y como éste, en su más alta expresión, llega al absoluto y espontáneo sacrificio que el hombre hace de su voluntad, de sus gustos ó de su vida en servicio de Dios ó del prójimo" (Coroleu 1889: 113). Dennoch werden noch Vorbehalte geltend gemacht, war der Stifter dieser an sich selbstlosen Idee doch immerhin „un soñador sempiterno é incorregible, á prueba de desengaños, y esencialmente refractario á la realidad, de puro enamorado de lo ideal, quimérico é irrealizable" (ebd.: 115). Eindeutig positive Konnotationen der Figur, wie sie nach 1898 überwiegen sollten, sind bei unseren Autoren noch nicht erkennbar. So sei es Galdós im Rahmen seiner frühen Lektüre nicht gegeben, wie Casalduero schreibt, die melancholische Erkenntnis nachzuvollziehen, dass in den Abenteuern des

3 2 6 Vgl. Arredondo (2005: 18): „[...] Quixotism sought to encourage the spiritual and moral transformation of the decadent Spanish nation. O n the whole, Quixotism sought to preserve and deepen the nation's faith and trust in the essential marks of its cultural identity. [ . . . ] " (ebd.: 6). „Their Quixotism [the Generation of 1898) was a formula for negating the historical, ephemeral reality of Spain's decline as an empire and affirming the essential, ever-lasting reality of the Spanish nation's imperial identity." 3 2 7 Vgl. dazu Adolfo Bonilla y San Martín (1905) in seinem Vortrag vor dem Ateneo von Madrid. Erwähnenswert ist auch die Rede Sobre el 'Quijote'y sobre las diferentes maneras de comentarlo y juzgarlo, die Valera 1864 vor der Academia Española hält.

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D o n Q u i j o t e „el ideal y el h e r o í s m o [...] la realidad y lo burgués" z u m O p f e r fallen ( C a s a l d u e r o 1 9 7 0 : 7 1 ) . A l l z u e i n d e u t i g w i r d der z u m Ü b e r n a t ü r l i c h e n t e n d i e r e n d e Ritter v o n der traurigen Gestalt m i t M y t h e n u n d F i k t i o n e n i d e n tifiziert 3 2 8 , d i e Priesterbetrug u n d d u n k l e M a c h e n s c h a f t e n zur N i e d e r h a l t u n g ängstlicher Geister e r s o n n e n h a b e n . 3 2 9 D o c h a b g e s e h e n d a v o n , dass diese Pers p e k t i v e e i n e m d u r c h g r e i f e n d e n W a n d e l u n t e r w o r f e n ist 3 3 0 , m u s s a u c h der S p a n n u n g z w i s c h e n „el a m o r a la gloria y el h e r o í s m o " u n d einer „a la disc i p l i n a [y] al servicio d e la s o c i e d a d " ausgerichteten V e r n u n f t (Casalduero 1 9 7 0 : 7 1 ) selbst e i n e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e s G e w i c h t e i n g e r ä u m t w e r d e n . D e n n i n d e m G a l d ó s der h o h e n Poesie andere P r o t a g o n i s t e n z u w e i s t als der n i e d e r e n S u c h e n a c h einer m e n s c h e n w ü r d i g e n Existenz, w e r d e n z u g l e i c h u n terschiedliche P e r z e p t i o n s f o r m e n e v i d e n t , d i e sich aus d e m interessengeleiteten Blick unterschiedlicher Klassen ergeben m ü s s e n : W ä h r e n d Dichter, Ritter u n d T h e o l o g e n , z u Lebzeiten der G e n e r a t i o n v o n 1 8 6 8 d e r e n N a c h f o l g e r , „los p o l í t i c o s d e café y los literatos d e las tertulias" ( B e n í t e z 1 9 9 0 : 4 4 ) , ihr K o l l e k t i v s y m b o l i m D o n Q u i j o t e f i n d e n , s i n d es d i e k ü m m e r l i c h e Kanaille

328 Interessanterweise taucht dieser Nexus wiederum im barockkritischen Diskurs der Gloria (Pérez Galdós 1984: 31 bzw. 34-35) auf, der „una inclinación demasiado ardiente al idealismo, la cual, si bien producía maravillosos efectos en la poesía y en las artes, era tal que sacaba a la sociedad fuera de su asiento." Die Inadäquatheit einer zügellosen Phantasie, die sich dem Sinn einer utilitaristischen und zweckgebundenen Vernunft verweigert, erweist sich somit an der topischen Trennung von Traum und Wirklichkeit, Poesie und tätigem Handeln, Individuum und Gesellschaft: „Los poetas, los grandes guerreros, los teólogos, los hombres de inteligencia cultivada entrevén una sociedad mejor, vislumbran un mundo moral superior a aquel en que viven y se agitan los pedigüeños desnudos, los holgazanes, picaros [...] Los unos piden pan, destinos, bien-estar; los otros piden gloria, amor exaltado, profunda fe, caballerosidad, justicia perfecta, belleza perfecta [...]." In der Differenz zwischen dem Ritter und seinem bäuerlichen Schildknappen verdichtet sich die Unverträglichkeit zwischen einem nach fernen Ruhm drängenden Ideal und einer Lebenspraxis, die zur Tat und unmittelbaren Veränderung aufruft: „Basta leer este libro [de Cervantes] para comprender que la sociedad que lo inspiró no podía llegar nunca a encontrar una base firme en que asentar su edificio moral y político. ¿Por qué? Porque Don Quijote y Sancho Panza no llegaron a reconciliarse nunca [...]." Eine wirkliche Lösung wäre eine Synthese des Unverträglichen gewesen, „si Don Quijote hubiera aprendido con Sancho a ver las cosas con su verdadera figura y color natural, quizá habría podido realizar parte de los pensamientos sublimes que llenaban su grande espíritu [...]." 329 Das Verständnis von Mythos und Fiktion, das eine Priesterkaste aus heuchlerischen Erwägungen erdacht hat, ist zumindest eine Dominante bei Fontenelle und in differenzierterer Hinsicht auch bei Diderot: Peur, Crainte, Intimider, Trembler sind die Stichworte, nach denen Diderot seine Artikel in der Encyclopédie bezeichnenderweise konzipiert (vgl. Gumbrecht 1990, Bd. 4: 21-38). 3,0 Vgl. dazu Benítez (1990: 41-56) bzw. Smith (1992: 54). Am Beispiel einer in zwei Versionen herausgegebenen Kurzgeschichte von Galdós La conspiración de las palabras (1868 bzw. 1889), die in einem späteren Kapitel Teil dieser weiteren Untersuchung sein wird, deutet sich eine Entwicklung in seinen Sichtweisen an: [...] „como vimos en la introducción, el desarrollo del concepto cervantino y quijotesco en el pensamiento de Galdós evoluciona desde una visión

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der Straße, die habsüchtigen Kleinbürger und die geizigen Bourgeois vom Schlage eines Torquemada, deren maßloser Materialismus im Bauern Sancho Panza überein kommt. Diese „dicotomía esencial hispánica", die zwischen einem „idealismo extremado y el realismo bajo" (Benítez 1990: 40) verläuft, steht im Gegensatz zu einem vom Utilitätsdenken erfüllten bürgerlichen Dasein. Was sich für Galdós in der Lebenstragik des Cervantes konzentriert, radikalisiert sich in der Unverträglichkeit von praktischen Lebensaufgaben und aristokratischen Standesidealen: Cervantes, muriéndose de hambre mientras atesoraba las más ricas facultades intelectuales que caben en nuestra naturaleza, nos da la medida fiel del estado social de la España entonces, demasiado emprendedora, más por afán de gloria que por

bien de propios y extraños; demasiado espiritualista, de más imaginación que cálcu-

lo, más inclinada a los bellos extremos de la gloria que a las ocupaciones prácticas de su vida interior [...] (zit. nach G o l d m a n 1971, 6: 101 Hervorhebungen von uns hervorgehobenen Gegensatzpaaren)

Zunächst erscheint die Weltfremdheit des Ritters wie eine Krankheit, die der zum Therapeuten berufene realistische Romancier unschwer im anachronistischen Festhalten an überkommenen Wertmaßstäben diagnostiziert, „fijados en el siglo XVII, propios de la vida militar y religiosa" (Benítez 1990: 43). Noch immer gibt sich eine imaginäre Ritterschaft einem lächerlichen Mummenschanz hin, um imaginäre Reiche zu erträumen, Heldenlieder zu erdichten und zu neuen Taten aulzurufen (ebd.: 44). Wiederum im Vorgriff auf Valle-Inclán präsentiert sich das Land als ein Friedhof der Donquichotterie, auf dessen Trümmern nichts Neues gedeihen kann: So befinde man sich, wie es in O'Donnell (1904) heißt, in einem Hospiz, in dem Bürokraten und Militärs Asyl gefünden hätten, in einem Spanien, „fecunda en ingenios, en héroes, en santos y en monstruos, [que] nos da estos engendros de la razón y la sinrazón, de la fe mística y el orgullo marcial fundidos dentro de un alma" (zit. nach Benítez 1990: 43). Ein ganzes Volk, dem die unverrückbare Souveränität ihrer unnahbaren Monarchen zum Habitus geworden ist, wird nach dem Sturz der Königin Isabella II. von einem bodenlosen Taumel erfasst. Obschon von der provisorischen Regierung unter General Francisco Serrano y Domínguez erneuert, ist der konstitutionellen Monarchie der Kopf auch ohne Guillotine abhanden gekommen. Das kopflos gewordene Land begibt sich auf traumselige Suche nach einem neuen König, als wollte es sich, wie einst das jüdische Volk, eigene Götzen schaffen, die von einem Tag zum anderen vom Podest fallen können, wie es in España sin Rey (1908) heißt: negativa ante un héroe estrafalario, hacia una comprensión profunda de la sabiduría cervantina, basada en la capacidad no ya dialéctica, sino dialogal, del hombre."

Das Ende der Identität

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El pueblo, desnudo unas veces, vestido otras, hacía lo que antes hicieron reyes y tribunos. La plebe, transformada por la adquisición del dinero, escalaba las alturas y modelaba los ídolos monárquicos con un yeso que no había de fraguar ídolos para largo tiempo, pues ya no hay calor que endurezca la blanda masa de que están compuestos. 3 " Der Leser erinnert sich zweifellos noch des Journalisten Galdós, der in einem visionären Zwiegespräch mit der enthronten Monarchin

ähnlichen

Selbstverblendungen erlag. Gleich den Hirngespinsten des zum Nationalsymbol aufgerückten Ritters berauscht sich das Volk nicht weniger an eigenen Trugbildern, die zu seinem Spielball geworden sind und nur umso präsenter erscheinen, wie der eigentliche Souverän abwesend ist: - Quizás esté usted en lo cierto, pues ahora todo es figuración, y el mejor Rey será el que sirva de imagen para llevado en andas en la procesión política. Con más fervor lo adorará nuestro pueblo viéndolo de palo que viéndolo de carne y hueso. El pueblo gusta de venerar los sujetos cuando se les presentan en traza de objetos barnizados e inmóviles, con ojos de vidrio... Y los que medran al amparo de esta superstición, no quieren Rey vivo, sino un lindo juguete monárquico que lo más, lo más, diga papá y mamá, y eche firmitas (ebd.: 173). Dass die in ihren Grundfesten erschütterte „Monarquía española, cada vez más [indefensa] desde el día en que dió entrada á las libertades sin D i o s " , u m s o mehr die Phantasie der Massen herausfordert und deren „bajas pasiones é instintos populacheros" weckt, wie es der legitimistische Literaturhistoriker Padre García Blanco ( 1 8 9 1 - 1 8 9 4 : 3 1 7 ) formuliert, lässt das Prinzip der Repräsentation selbst als eine Absurdität in der Tradition des Q u i j o t e erscheinen. D o c h insoweit stellt das zur Ikone gewordene Romanbild unter Beweis, das die Q u e l l e der Krankheit bereits den Schlüssel zu ihrer Heilung enthält, „la guarigione del chisciottismo c o m e male nazionale." M i t der Rückkehr des Q u i j o t e in den Romanen von Galdós und besonders Clarín, von der in der neueren Forschung die Rede ist (Maria Alfani 2 0 0 0 : 27), erschließt sich in Romanen wie La desheredada, La regenta oder Fortunata y Jacinta eine ironische Erzählstruktur als „strumento di diagnosi e di cura: c o m e diré curiamo il chisciottismo con Cervantes." Immer wieder k o m m t es zwischen Ärzten, Ingenieuren oder Lehrern, kurzum den Helden des bürgerlichen Zeitalters, zu Begegnungen mit den Schattenwesen einer längst verflossenen Epoche, stets „lo specchio cervantino della follia chisciottesca" (ebd.: 21) vor Augen. Cervantes, so wäre zu resümieren (Benitez 1990: 83), „aparece continuamenPérez G a l d ó s ( 1 9 8 7 b : 124). Einen grafischen Aufschluss über die mentale Situation dieser Zeit erhalten wir in der demokratischen Zeitschrift Gil Blas (Vgl. Alvarez J u n c o 2 0 0 3 ) . A u f der Zeichnung ersetzt eine P u p p e im Hermelin und mit Krone die Vakanz auf d e m spanischen T h r o n , der von einem Prätendenten aus d e m Ausland besetzt werden soll.

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te ligado a la teoria galdosiana de Espana y a la evoluciön de las técnicas de su novela." Dass diese Einschätzung auch auf andere Autoren wie Clarin und Valera zutrifft, sei an dieser Stelle nochmals hervorgehoben. Es ist daher durchaus legitim, das symbolische Auftreten des traurigen Ritters in verschiedenen Romanfiguren als Seismographen einer Zeit zu werten, der es nicht mehr gelingen will, divergente Wirklichkeitserfahrungen in einem kohärenten Weltentwurf zu vereinen. Denn für eben dieses Unvermögen standen die Abenteuer des verlachten Kavaliers doch schon in ihrer Zeit.332 Der Ubergang von einem aus Identitäten und Ähnlichkeiten gewirkten kognitiven Schema, „[qui] a joué un rôle bâtisseur dans le savoir de la culture occidentale...jusqu'à la fin du XVIe siècle" (Foucault 1966: 32) zum differenzierenden Denken wird in der Begriffsperson des Don Quijote als „héros du Même" auf einen geradezu zeichentheoretischen Punkt gebracht (ebd.: 60). Hier trifft sich ein die gesamte Natur einfassender Blick, der dem Zauber gegebener Kodierungen in den großen Epen und Ritterromanen erliegt, mit einem rationalen Denken, das sich an Maße, geometrischen Formen und Kalkül orientiert und das Verwertbare vom Nutzlosen zu unterscheiden weiß. Im 17. Jahrhundert hatte es sich dabei um eine Zeit gehandelt, in der das trompel'oeil, die komischen Illusionen, die Träume und Visionen eine privilegierte Stellung einnehmen: Don Quichotte est la première des oeuvres modernes puisqu'on y voit la raison cruelle des identités et des différences se jouer à l'infini des signes et des similitudes; puisque le langage y rompt sa vieille parenté avec les choses, pour entrer dans cette souveraineté solitaire d'où il ne réapparaîtra, en son être abrupt, que devenu littérature; puisque la ressemblance entre là dans un âge qui est pour elle celui de la déraison et de l'imagination. La similitude et les signes une fois dénoués, deux expériences peuvent se constituer et deux personnages apparaître face à face. Le fou, entendu non pas comme malade, mais c o m m e déviance constituée et entretenue, comme fonction culturelle indispensable, est devenu, dans l'expérience occidentale, l'homme des ressemblances sauvages (Foucault 1966: 62-63).

Auf ähnliche Weise verhält es sich im Roman Nazarin mit dem gleichnamigen Protagonisten, einem Armenpriester, der in Begleitung zweier Prostituierter als wandernder Narr in Christo durch Spanien irrt und es seinem 332 Vgl. Guy Davenport in seinem Vorwort zu Nabokov (1991: 18-19), der die Natur des Don Quijote aus dem quichotesken Charakter der historischen Epoche selbst erklärt. So habe das Rittertum Philipps II. eine bloße Maske der Repräsentation sein können, deren Wertvorstellungen seinerzeit historisch längst abgegolten waren: Bei Truppenparaden habe der König seine leere Rüstung zur Schau gestellt, obwohl er selbst am Schreibtisch saß und Befehle austeilte: „Und wenn unserm Don Quijote ein Urbild gefunden werden kann, so ist er es, Philipp II. - freilich als ein Anti-Don Quijote. Wie unser Don lebte auch er in einer Traumwelt, deren Gefuge immer neue Risse bekam."

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berühmten Vorgänger gleichtut (vgl. Casalduero 1970: 125-126). Mit der Nachfolge Jesu wird er in seinem Aufbegehren gegen die ignorante Obrigkeit zugleich auch zum Synonym des armen Ritters selbst, „por que la esencia del personaje cervantino se ha tornado esencia del personaje galdosiano" (ebd.: 157). Z u seinen Lebzeiten als Heiliger angesehen sieht D o n Nazario einem Irren zum Verwechseln so ähnlich, dass man ihm nach seiner Gefangennahme durch die Guardia Civil den Rat gibt, sich auf seinen Wahn und seine Unvernunft zu berufen. Das Heilige könne auf weniger Verständnis hoffen als der zur Krankheit erklärte Irrsinn, von dem immerhin keine soziale Klasse oder Bildungsschicht ausgeschlossen sei: « N o tenga cuidado, padre, q u e allá le absolverán por loco. L o s dos tercios de los procesados q u e pasan p o r nuestras m a n o s , por locos escapan del castigo, si es q u e castigo merecen. Y presuponiendo q u e sea usted un santo, no por santo le han de soltar, sino por loco; que ahora priva m u c h o la razón de la sinrazón, o sea q u e la locura es quien hace a los m u y sabios y a los m u y ignorantes, a los q u e sobresalen por arriba y por abajo» (Pérez G a l d ó s 1992c: 2 0 1 ) .

In diesen Erwägungen kommen jene Unentschiedenheit und Unsicherheit zum Ausdruck, welche auch die Disputanten im Nachfolgeroman Halma bewegen. Die unkonventionelle Heiligkeit des Geistlichen ruft bei seinen Mitmenschen allenthalben Bewunderung, aber auch Fassungslosigkeit hervor. Dessen Rebellion gegen eine den Armen entfremdete Amtskirche verbietet es, den Priester noch als gehorsamen Diener Gottes zu betrachten, koexistieren in seiner Seele doch augenscheinlich zwei unzertrennliche Naturen, „el santo y el loco, sin que sea fácil separar una de otra, ni marcar entre las dos una línea divisoria" (Pérez Galdós 1979: 159). In D o n Nazario „el hombre de conducta ejemplar, el sacerdote sumiso y obediente" (ebd.: 188) wieder aufzurichten, erscheint als eine schier unlösbare Aufgabe, entgleitet der Priester doch einer sozialen Kontrolle, deren Parameter selbst ins Wanken geraten sind und derer sie gleichwohl bedarf. Selbst wenn der therapeutische Staat inzwischen seine Vorherrschaft gegenüber der Theologie postuliert, „[pues] ahora la ley civil le dice a la eclesiástica: yo, apoyada en la opinión de la ciencia, he debido declarar y declaro que ese hombre está loco" (ebd.: 188), sind die Attribute des Heiligen von den Symptomen der Geisteskrankheit im Verhalten des Geistlichen kaum zu unterscheiden. Wie beim Quijote nicht die Lauterkeit seines Anliegens in Zweifel zu ziehen ist, so steht die Heiligkeit Nazarins außer Frage, nicht aber dessen Realitätssinn. 333 Dass das Heilige,

3 , 1 Zurechtweist Nigg (1993: 249) daraufhin, dass „Pfarrer, Barbier, Wirte, Bauernmägde, Herzöge in ihrer banausischen Gesinnung über Don Quijote [lachen]." Dieses erbärmliche Unverständnis berühre diesen indes keineswegs: „Nie klappt [er] vor dem schnöden Hohn zusam-

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wie von Otto (1991: 53ff) hinreichend belegt, von alters her neben einer faszinierenden auch eine unheimliche Seite hat, muss im wissenschaftlichen Zeitalter die Wächter der Vernunft auf den Plan rufen.334 Da „das Profane vom Heiligen überlagert und das Heilige vom Profanen durchzogen [ist]" (Kamper/Wulf 1997: 5), fugt es sich eben, dass jene „perfección del sentimiento religioso" (Gullón 1973b: 123) nicht von den Schlacken der Unreinheit verschont ist: Von Seiten der Gesellschaft wird der Priester „en el ángulo equívoco de la criminalidad, la vagancia y la locura" wahrgenommen (Correa 1962: 170). Diese Figur geht jedoch über ihre eigene Ambiguität hinaus, wie sie explizit am Beispiel der beiden Romane für die narrative Ästhetik von Pérez Galdós geltend gemacht wurde (Goldman 1974, Kronik 1974). Sie fasst zudem die unsichere metaphysische Stimmung einer Epoche ein, die auf ähnliche Weise von der Uberlagerung epistemologischer Systeme gekennzeichnet ist wie vormals das 17. Jahrhundert.335 Gehört die Verschränkung theologischer und wissenschaftlicher Studien noch bis 1843 zur akademischen Norm in Spanien, so erreicht die krausistische Philosophie als „transition between the late Enlightenment and early Romanticism at the turn of the eighteenth and nineteenth Century" (Rodgers 1987: 15) gerade dann ihren Höhepunkt, als auch darwinistische Konzepte in die öffentliche Diskussion eingehen (vgl. Sala Catalá 1987; Núñez 1969). Die jähe Überschneidung dessen, was Ernst Bloch als Heils- und Unheilslinie (Hegel vs. Nietzsche) in der abendländischen Philosophie des 19. Jahrhunderts bezeichnet (Bloch 1991, 4: 355-357), dürfte gerade im Roman, „el género literario más adecuado al espíritu y tendencias de los tiempos presentes" (López-Morillas 1972: 17), ein bevorrechtigtes Medium finden. Das Fehlen eines allgemeinverbindlichen BegrifFsapparats im naturalistischen Roman Lo prohibido, welcher dem Diskurs hinreichende Parameter zur Interpretation der von Galdós konstatierten „confumen; seine Standhaftigkeit verrät eine geheime Christlichkeit von vorbildlichem Wert." Als Bruder der großen Mystiker „befindet [er] sich auf dem 'Weg nach oben', denn er ist vom Ewigen angehaucht." 3 3 4 Über den mäßigen Erfolg ist man sich allerdings im Klaren: „- Según eso, usted sigue viendo en él las dos naturalezas, el santo y el loco, y ni sabe separarlas, ni fundirlas, porque locura y santidad no pueden ser lo mismo. [ . . . ] - Bien podría deducirse de todo ello que, en nuestra imperfectísima comprensión de las cosas del alma, no sabemos lo que es locura, no sabemos lo que es santidad" (Pérez Galdós 1979: 180). 3 3 5 Vgl. dazu auch García del Pozo (1988: 16): „El caballero de la Triste Figura posee la soledad sin esperanza del que defiende un orden cultural inexorablemente periclado. Don Quijote es presentado como 'el héroe de lo mismo' al aferrarse a una estructura cultural e histórica pasada cuya defensa nadie comprende. Su desfase es, no obstante, considerado activo y afirmativo, por eso es valorado como 'héroe'" (Hervorhebungen von uns). Auch in diesem Befund wird das Phänomen der Ungleichzeitigkeit als Konstante der kulturellen Formation angesehen.

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sión evolutiva" hätte geben können (Pérez Galdós 1990: 163), scheint nicht zuletzt auf einer unvermittelten Koexistenz idealistischer und materialistischpositivistischer Erkenntnismodelle zu beruhen. Diese begegnen sich unversehens da, wo sie sich im Sinne des Naturalismus eigentlich ausschließen müssten. Dabei muss sich dem Leser geradezu zwangsläufig der Eindruck des Anarchischen und Ubergangsmäßigen aufdrängen, wie dies vor dem Hintergrund abrupter Modernisierungs- und Europäisierungsschübe in der spanischen Kultur der Restaurationszeit zu konstatieren ist: Al concepto de una 'fatal armonía' entre individuo y sociedad se o p o n e , de esta manera, el concepto del pacto provisional', es decir, de una vinculación más aparente entre las propiedades individuales heredadas, procedentes d e la naturaleza y d e la historia, y las condiciones del medio. En lugar de la idea de una evolución regida por leyes naturales preestablecidas, se crea la imagen de un proceso esencialmente abierto, q u e tiene las características de lo provisional, d e lo inestable y también de lo aparente y ficticio (Matzat 1 9 9 6 : 8 5 ) .

So sind die Signaturen der Zeit von ähnlichen Gespinsten und Trugbildern erfüllt, wie dies in epistemologischen Ubergangsphasen, in der vom „semantisch-symbolisch-kulturellen Organisationstyp zu einem syntaktisch-analytisch-ordnenden" (de Toro 1994: 250) im 17. Jahrhundert der Fall gewesen war: Im ständigen Wechsel-Spiel von Illusion und Desillusion wie von Sinngebung und Sinnverlust geben sie Anlass zu Irrtümern, denen der Mensch in dürftiger Zeit gerade zwischen der Zerstörung von Autoritäten und Qualitäten einerseits und seinen latent religiösen Affekten andererseits ausgesetzt ist. Wiederum erwächst jener verstörenden Bewegung des Irrens, die nach Heidegger zu einer immer wiederkehrenden Kategorie der Zeit geworden ist, und dem Taumel, der den Menschen vom Geheimnis des Seins zum Gängigen oder Gangbaren stürzen lässt (Heidegger 1976: 196), ein schier topisches Motiv in der emblematischen Gestalt des Quijote: So werden die handelnden Akteure in ähnlich phantastische Wechselspiele verwickelt, wie dies einst dem Ritter aus La Mancha beim Ubergang von einer auf Ähnlichkeiten beruhenden pandeterministischen Ordnung zum differenzierenden neuzeitlichen Rationalismus widerfahren war. 336 Paradoxe Erscheinungen, wie sie sich aus einem früheren und vorausblickenden Wissen ergeben, privilegieren wiederum jene Metaphysik des Schwebens, die den Menschen keine Gewissheiten mehr über ihre Existenz zu geben vermag. Wie am Beispiel von La Regenta ersicht-

3 3 6 Diese explizite oder wenigstens implizite Bezugnahme auf das Motiv des Don Quijote, welches durch die Weltliteratur vagabundiert und ein verwirrendes Nebeneinander unterschiedlicher Erkenntnismuster zu markieren pflegt, hat längst breites Interesse in der Forschung hervorgerufen, so z. B. Goldin (1985) bzw. Dolgin (1989).

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lieh, erhält der spanische Realismus/Naturalismus einen „unbestimmten ontologischen Status", so dass „das positivistische Modell der Milieubeziehung von seinen biologischen Voraussetzungen gelöst wird fund] seine ontologische Fundierung verliert" (vgl. Matzat 1995: 37). Auch in La familia de León Roch zeigt sich eine epistemologische Offenheit, wenn das Konzept der moralischen Regeneration Spaniens „por medio de la educación, y sobre todo el planteamiento krausista de educar con el ejemplo" auf ihre Sinnhaftigkeit und in ihrer Umsetzung befragt wird (Aldaraca 1992: 93). Beim Leser muss daher der Eindruck einer ungeheuren Spannung zwischen Idealität und Realität entstehen, in der die diskursive Unsicherheit der Zeit aufscheint. So sei der Roman „el palenque donde [...], rompen lanzas el racionalismo optimista, muy siglo XVTII, de los discípulos de Krause y el determinismo pesimista que, más acorde con los tiempos [...]." Es bestünde aber kein Zweifel, so Lopez Morillas, „de que lo acepta muy a pesar suyo, pues en Galdós queda siempre un trasfondo de perfectibilismo dieciochista" (López Morillas 1973: 102, zit. nach Aldaraca 1992: 93). Angesichts dieser Prämissen beschränken sich Romane von Pérez Galdós, Clarín oder Valera nicht darauf, europäische Paradigmen zu aktualisieren, wie sich dies bereits in den summarischen Begriffen vom 'Realismus/Naturalismus' mitteilt. Ebenso sind sie als Einstellungspartituren ihrer Zeit, jener tiempos bobos „en años y lustros de atonía, de lenta parálisis" (Pérez Galdós 1912: 277), zu begreifen, in welchen das Sich-ins-Werk-setzen einer für Spanien spezifischen Wahrheit (Heidegger 1994: 50) auch mit einer metaphysischen Stimmung korrespondiert, wie sie Gustave Flaubert schon Mitte des Jahrhunderts für das aus seiner Sicht düstere bürgerliche Zeitalter geltend gemacht hatte. In dem Maße, wie die Wissenschaft noch nicht und die Theologie nicht mehr in der Lage sind, dem modernen Menschen eine plausible Erklärung von Gott und Welt anzubieten, schließt sich dieser in ein weitläufiges Labyrinth religiöser Wunschträume und Wahngebilde ein. Gleich dem Ableben einer geliebten Person, deren Abwesenheit uns nur umso schmerzlicher gegenwärtig wird, macht sich auch hier der Verlust einer gemeinsamen Transzendenz bemerkbar. Wenn weder Thron noch Altar in der Lage sind, alle neuen Gläubigen zu einer Gemeinschaft zusammen zu führen, finden diese nur zu einem kleineren Teil in den bestehenden Kirchen Trost. Vor allem verschlägt es die Endzeit geplagten Zeitgenossen in zahllose neue Sekten: Le temps n'est pas loin où vont revenir les langueurs universelles, les croyances à la fin du monde, l'attente d'un messie. Mais, la base théologique manquant, où sera maintenant le point d'appui de cet enthousiasme qui s'ignore? Les uns chercheront dans la chair, d'autres dans les vieilles religions, d'autres dans l'art; et l'humanité, comme la tribu juive dans le désert, va adorer toutes sortes d'idoles. Nous

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s o m m e s , nous autres, venus un peu trop tot, dans vingt-cinq ans, le point d'intersection sera süperbe aux m a i n s d ' u n maltre (Flaubert 1926f: passim in einer Korrespondenz mit Louise C o l e t a m 2 7 . Juli 1 8 5 2 ) .

Unter diesem Aspekt verbindet den Armenpriester nicht nur die christliche Tollheit mit dem Ritter aus La Mancha, sondern eben auch das Irren, selbst wenn es anscheinend noch vom christlichen Ideal neutralisiert wird. Dieser Widerspruch löst sich alsbald auf, wenn man bedenkt, dass es „der Gläubige auf sich nehmen [muss], gleich Christus selbst in den Augen der Welt für einen Toren gehalten zu werden." 3 3 7 Die Heilsbotschaft, wie sie aus dem Leben und Wirken des Nazareners als „Träger göttlicher Heilskräfte" (Schlatter 1989: 642) erwächst, ist in den Evangelien erst in Grundentwürfen umrissen. Der Menschensohn, der unter dem seinerzeit nicht eben seltenen Namen Jesus Christus bekannt werden sollte ( B H H 1964, 2: 859), hatte kein Lehrsystem entwickelt, da er „kein Schriftgelehrter in dem damals üblichen Sinn des Wortes war" (ebd.). U m so mehr wurden seine Worte in einer zweitausendjährigen Geschichte von christlicher Dogmatik und Ikonographie zu einem Lehrgebäude erweitert. Unter anderen Umständen wären seine Predigten ebenso in Vergessenheit geraten wie die anderer zahlloser jüdischer Sektierer, die ihm in Erwartung des Messias vorausgingen und folgten. Unter den Bedingungen der dürftigen Zeit werden seine eschatologischen Reden jenes allumfassenden metaphysischen Systems entkleidet, zu dem sie sich verdichtet haben 338 : Der irrende Charakter seines Wirkens muss dabei in den Vordergrund rücken und ein Gefühl der Verlassenheit bewirken, das er gegenüber einem unerreichbar gewordenen göttlichen Vater am Kreuz empfindet. 339 Nietzsche deutet gerade die Kreuzigungsszene in dem von uns skizzierten Sinne um, wenn er diese „bittersten aller Worte [des Religionsstifters als] 3 , 7 WBB (1964: 667). So dankt Jesus seinem Vater, „quia abscondisti haec a sapientibus et prudentibus et revelasti ea parvulis" (Mt 11,25), während Paulus (Cor 1,18) davon spricht, dass das Wort vom Kreuz denen, die verlorengehen, eine Torheit, uns aber, die wir gerettet werden, eine Kraft Gottes sei. Der Geist, der die Einfältigen beseelt, steht in Gegensatz zum Geist der Welt. Wenn Paulus selbst für einen Narren gehalten wird, erweist sich die Torheit der Liebe als höchste Weisheit und begründet damit eine bis Erasmus wirkende Tradition. Wie zahlreiche Prediger oder Wunderheiler hatten sich auch der Erlöser und seine Jünger auf einer Wanderschaft durch das damalige Galiläa befunden, welche die permanente Heimatlosigkeit als Fremdheit der Christen auf Erden präfigurieren sollte (WBB 1964: 187). 3 3 8 Vgl. dazu auch B H H (1962, 1: 395), in dem gerade diese Sinngebung bestätigt wird, wie sie in die Exegese eingegangen ist: „Jesu Ruf bekundet nicht etwa das Scheitern der Hoffnung, der Vater werde im letzten Augenblick zu Hilfe kommen, sondern das Festhalten an dem Gott, der den Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet hat." 1 3 9 In diesem Zusammenhang ist jene Stelle im Matthäus- bzw. Markusevangelium beachtenswert, mit der die Einsamkeit der menschlichen Existenz angesichts von Hohn und Spott thematisiert wird: „Et circa horam nonam clamavit Iesus voce magna dicens Heli Heli lema

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das Zeugnis einer allgemeinen Enttäuschung und Aufklärung über den Wahn seines Lebens [verstanden wissen will]." Dieser sei in dem Augenblick der höchsten Qual hellsichtig über sich selber geworden, „so wie der Dichter es von dem armen sterbenden Don Quixote erzählt" (Nietzsche 1954, 1: 1088). Gegenüber der christlichen Transzendenz, die noch im ersten neuzeitlichen Roman zu einer mächtigen Projektionsfläche für den unzeitgemäßen Ritter wird, markieren dessen Abenteuer „am Anfang der Zeit, wo der Gott des Christentums die Welt zu verlassen beginnt [und] wo der Mensch einsam wird" (Lukacs 1971: 89), schon einen ersten signifikanten Bruch. Wie René Girard in seiner Studie darlegt, beginnt sich die Hinwendung des Menschen zu Gott in unzählige Figuren des Begehrens zu zergliedern, so dass diese ihm weniger zur Quelle seiner Erlösung denn zur Ursache seines Irrens werden. Als „victime exemplaire du désir triangulaire" (Girard 1961: 16) führt der Ritter ein Paradigma ein, das ihn gerade in dieser Hinsicht ausdrücklich mit den französischen Erzählern des 19. Jahrhunderts und zumindest implizit auch mit Romanciers der spanischen Restaurationsepoche verbindet. Dass sich angesichts einer „nunmehr immanent erstrahlenden Welt" (Lukacs 1971: 49) im Don Quijote auch die Sehnsucht des modernen Subjekts nach der untergegangenen Totalität des Epos kund tut, hatte Georg Lukacs bereits in Anlehnung an Hegel bemerkt. 340 Cervantes lebe in der Periode der letzten, großen und verzweifelten Mystik, des fanatischen Versuchs einer Erneuerung der versinkenden Religion aus sich selbst. Indem sich Don Quijote dazu bekennt, Amadis von Gallien, dem Helden des häufig imitierten Ritterromans, selbst nachzuahmen, wandelt sich angesichts dieser Prämissen auch die Transzendenz. Wie die christliche Existenz Nachfolge Christi ist, so besteht das ritterliche Dasein in der Nachahmung des gallischen Prinzen. Die Funktion des Göttlichen oder Absoluten geht auf einen neuen der immanenten Welt verpflichteten Mittler über, der die Objekte des mimetischen Begehrens ftir den Landedelmann auswählt, „[car] la négation de Dieu ne supprime pas la transcendance mais elle fait dévier celle-ci de l'au-delà vers l'en deçà" (Girard 1961: 75-76). Das Ich erhebt sich zu einem Gott, oder genauer gesagt zu einem Götzen, dessen triumphierende Gesten naturgemäß in ihr Gegenteil sabacthani hoc est deus meus deus meus ut quid dereliquisti me" (Mt 27, 46, vgl. dazu Me 15, 34). 340 Hegel (1976, 2: 4 6 6 ) hatte den anachronistischen Charakter eines Mittelalters betont, das fur den Leser des Amadisromans zur Quelle der Einbildung wird. So habe der Roman des Cervantes „das Rittertum schon als eine Vergangenheit hinter sich, die daher nur als isolierte Einbildung und phantastische Verrücktheit in die reale Prosa und Gegenwart des Lebens hereintreten kann, doch ihren großen und edlen Seiten nach nun auch ebensosehr wieder über das zum Teil Täppische, Alberne, zum Teil Gesinnungslose und Untergeordnete dieser prosaischen Wirklichkeit hinausragt und die Mängel derselben lebendig vor Augen führt."

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umschlagen müssen, „[s'y débattant] dans un bonheur sans nom jusqu'au jour où le perfide Enchanteur réalité effleure les fragiles constructions du rêve et les réduit en poudre" (ebd.: 42). Wenn Don Quijote im Barbierbecken Mambrins Helm, in Weinsäcken Giganten oder in Schafherden opponieren(ebd.: 30), de Armeen erblickt, wird er zum Vorbild, zum individu-modèle für die romantischen Gemüter im Roman des 19. Jahrhunderts, die wie er Fiktionen allzu wörtlich nehmen. Im Besitz des Objektes erwarten die Romanhelden - zumeist vergebens - eine umfassende Metamorphose ihres Wesens, zielt die Nachahmung gemäß dem Anderen doch auf die Ich-Werdung gemäß dem Anderen: L'élan de l'âme vers Dieu est inséparable d'une descente en soi-même. Inversement, le repli de l'orgueil est inséparable d'un mouvement panique vers l'Autre (ebd.: 75).

Allerdings lassen sich auch signifikante Unterschiede gegenüber Stendhal, Flaubert, Proust oder Dostojewskij ausmachen, die das mimetische Begehren im Gegensatz zu den romantischen Poeten vor dem skeptischen Leser als Konstruktion der Lüge aufdecken: Desto mehr wir uns der Moderne nähern und die Transzendenz der Erde immanent wird, desto mehr hebt sich die Distanz zwischen Mittler und begehrendem Subjekt auf. Umso mehr der Wert des begehrten Objekts ins Metaphysische wächst, um so schmerzlicher erweisen sich die Empfindungen des Subjekts. Hatte Don Quijote sein Leben noch nach einem zeitlosen und unerreichbaren Mittler eingerichtet, um es in eine poetische Lüge zu verkehren, sind die Figuren aus den Romanwelten des bürgerlichen Zeitalters zusehends in einer losen Folge zeitlich beschränkter, 'romantischer' Irrtümer verstrickt, die mitunter auf eine kaum messbare Zahl von Mittlern zurückgehen. Anders als bei der externen Vermittlung nimmt der Mittler hier eine Doppelrolle ein, die des faszinierenden Vorbilds und gleichzeitig die des unüberwindbaren Hindernisses im Hinblick auf das Objekt. Immer wieder suchen sich die Figuren ein neues Objekt, ein neues Begehren, so dass sich die Eitelkeit mit der zunehmenden Nähe zur Moderne, vom ehrgeizigen Emporkömmling Julien Sorel bis zu den Pariser Snobs aus den Erzählwelten Prousts um ein Vielfaches steigert. Indem die Transzendenz in die Immanenz übergeht, gerät mit der von Hegel angesprochenen Aufwertung des humanuni letztendlich auch das Göttliche in den Verfallsprozess der materiellen Wirklichkeit, deren zersplitternde Zeichen in Folge der Uberlagerung der Episteme zumal widersprüchlichen Deutungen unterliegen. Über die Figuren in dem hier präsentierten Textkorpus hinaus ist das Personal zahlreicher weiterer spanischer Romane in der Struktur triangulären Begehrens befangen. Gerade dem narrativen Diskurs, „aunque poesia libre del métro y

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con mayor licencia para descender de lo sublime y noble a lo vulgar y pedestre" (Valera 1949, 2: 189), kann hier eine besondere Spannungsbreite zwischen Idealität und Realität attestiert werden. Wie Frédéric Moreau, Mathilde de la Mole und allen voran E m m a Bovary, „un don Q u i j o t e con faldas y un mínimo de tragedia sobre el alma" (Ortega y Gasset 1983: 399), „after all, a copy of D o n Quijote" (Valis 2005: 84), begeben sich der Provinzabgeordnete Manuel Infante, der Weltumseegler Morsamor, die Gattin des Gerichtspräsidenten Ana Ozores, die schwärmerische Tristana, der reiche Einwanderer Augustin Caballero oder auch der Sozialrevolutionär Ángel Guerra auf eine romantische Irrfahrt, die vor ihm schon der Landjunker aus La Mancha angetreten hatte. Selbst wenn sie wie der Professor Manso oder Teodoro Golfín davon überzeugt sind, dass nüchterne Rationalität und moderne Wissenschaften eine noch so wirre Realität zu erklären imstande sind, folgen sie einer im Grunde ausgetretenen Spur: Derrière toutes les doctrines occidentales qui se succèdent depuis deux ou trois siècles il y a toujours le même principe : Dieu est mort, c'est à l'homme de prendre sa place. La tentation de l'orgueil est éternelle mais elle devient irrésistible à l'époque moderne car elle est orchestrée et amplifiée de façon inouïe. La 'bonne nouvelle' moderne est entendue par tous. Plus elle se grave profondément dans notre cœur plus le contraste est violent entre cette promesse merveilleuse et le démenti brutal quie lui inflige l'expérience (Girard 1961: 72-73).

So entdeckt Manuel Infante seinen Mittler in den Jungfrauendarstellungen Rafaels und den Skulpturen, welche die Antike von der Göttin Venus hinterlässt. Wie der ideale Leser seiner Geschichte erweist sich Morsamor als ausgezeichneter Kenner und Bewunderer jenes expansionistischen Intertextes, „[de] los más famosos varones [...] sus altas hazañas o [...] sus inmortales escritos" (Valera 1984: 68), der im Heldenepos Os Lusiadas und in portugiesischen Reisebeschreibungen der Zeit überliefert ist (vgl. Ares Montes 1973). Mystische Schriften wie jene des Thomas a Kempis (1380-1471) gehören zur Lektüre einer Ana Ozores, die sich diese Vorbilder zu eigen macht und sich selbst als entsagungsvolle Mystikerin der Öffentlichkeit zeigt. Schließlich versucht sie sich auch in der Rolle der romantischen Erlöserin, die den männlichen Sünder in der Nachfolge der Doña Inez wieder zu Gott zurückführt. Máximo Manso findet seinen Mittler wiederum in der Philosophie Hegels, aus der er einen angemessenen Habitus als weltentrückter Akademiker schöpft und dabei zugleich zu falschen Schlüssen hinsichtlich der von ihm begehrten D a m e kommt. Die trügerische Poesie der romantischen Liebe entfaltet sich ebenso in leidenschaftlichen Korrespondenzen, welche die junge Waise Tristana mit dem Maler Horacio fuhrt. Auch dem arglosen, aber wenig

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weltmännischen Augustin Caballero in Tormento fasziniert weniger die reale Geliebte als vielmehr die eigenen Wunschvorstellungen eines idealen Eheweibes, die ihn über die wahren Motive seiner Hingabe hinwegtäuschen. Und der Sozialrevolutionär Angel Guerra ist dem Irren auf besonders tragische Weise nahe, wenn er sich bei der Suche nach seiner Liebe von religiöser Begeisterung leiten lässt, ohne seine eigentlichen erotischen Beweggründe zu erkennen. Diese Beispiele, die sich um zahlreiche weitere ergänzen ließen, bestätigen die von uns umrissene Zeitstimmung des Dürftigen. Zwar schließt sich Girard nicht dem Diktum Heideggers über die Flucht des Göttlichen an, da er mit Proust und Dostojewskij auch nicht von der Abwesenheit des Heiligen ausgeht, „comme le font les philosophes" (Girard 1961: 231). In den Erzählwelten Prousts glaubt er immerhin ein verderbtes und korrumpiertes Heiliges vorzufinden, das sämtliche Lebensquellen in ihr Gegenteil verkehrt. Aber in ihrer tyrannischen Gegenwart beschränken sich diese Götter der Salons doch darauf, den Platz der alten Transzendenz zu erobern, ohne die Nachfolge Christi antreten zu können: Wenn es stimmt, dass „nicht nur das Heilige als die Spur zur Gottheit verloren [gegangen ist], sondern sogar die Spuren zu dieser verlorenen Spur beinahe ausgelöscht [sind]" (Heidegger 1994: 248), pflegen die Menschen falschen Fährten zu folgen. Himmel und Erde, Sterbliche und Göttliche sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Die imago dei ist gänzlich zu einem menschlichen Bild geworden, das Original und Kopie, Gott und Mensch zugleich ist. Daseinsekel und Resignation stellen sich ein, wenn der selbst zum Gott gewordene Mensch in der von ihm verarbeiteten Materie nur seinesgleichen wiederfindet und dabei ein autonomes Gegenüber schmerzlich vermißt, wie dies die Worte des um seine Macht bangenden Göttervaters Wotan in Richard Wagners Ring des Nibelungen erkennen lassen.341 Die Differenz zwischen Gott und Mensch war bisher in einer hierarchisierenden Sprache festgehalten, die sich in dem Maße entblättert, wie Idealität und Realität in ihren Entsprechungen von 'Urbildlichkeit', 'Vollkommenheit' (vgl. Kirchner 1907: 277) bzw. 'idealem Sein (vgl. Eisler 1904. 1: 464) und Realität fester Zuordnungen entbehren. Mit dem Monismus haben beide in der immanenten Welt ihren Platz gefunden, umso mehr als dass „der Begriff der Idealität ausdrücklich darin [besteht], die Wahrheit der Realität zu sein [...]" (Hegel 1979, 8: 203). Als neue Götter sind die Menschen 3 4 1 Vgl. Wagner ( 1 9 7 8 : 6 1 5 ) : „Wie s c h ü f ich den Freien,/ den nie ich schirmte,/ der im eig nen Trotze/ der trauteste mir?/ W i e macht ich den Andern,/ der nicht mehr ich,/ und aus sich wirkte,/ was ich nur will? [...]/ Z u m Ekel find ich/ ewig nur mich/ in Allem, was ich erwirke;/ das Andere, das ich ersehne,/ das Andere erseh ich nie:/ denn selbst m u ß der Freie sich schaffen;/ Knechte erknet ich mir nur."

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den alten so ausnehmend ähnlich, dass sie sich von ihrem eigenen göttlichen Schein blenden lassen. In ihrer eigenen Transzendenz eingeschlossen und von ihren Mitmenschen isoliert suchen sie sich selbst im Ideal ihres jeweiligen Mittlers abzubilden, um eine gelungene Subjektsetzung zu erreichen, die für sie doch immer unerreichbar bleiben wird. Dem Augenblick des errungen geglaubten Triumphs folgt der tiefste Absturz, sofern beide Momente mitunter nicht sogar im selben Moment miteinander koinzidieren. Im mimetischen Begehren wiederholt sich das Spiel des Gottessignifikanten, mit dem das Absolute umfassende Präsenz und unausgesetzten Entzug zugleich erlangt, das Subjekt aber mit seiner Allmacht auch seine Bewusstlosigkeit erfährt. Man könnte nun zu Recht einwenden, dass sich die fundamentalanthropologische Prämisse Girards von der mimetischen Grundstruktur des Menschen schwerlich mit der These Derridas von der Vollendung der abendländischen Metaphysik verträgt. Dabei würde man jedoch außer Acht lassen, dass diese das Ende des Menschen als Metaphysik treibendes Subjekt ebenso wenig ausschließt wie den Fortbestand des Mimesisbegriffs, der in Philosophie und Kunst sogar eine Renaissance erfährt (vgl. Sandkühler 1999, 1: 848f bzw. Gebauer/Wulf 1992: 372f). Immerhin wird die trianguläre Beziehung zwischen Gott, weltlichem und innerem Ich lediglich durch weltliche Instanzen (begehrendes Subjekt, Mittler und begehrtes Objekt) ersetzt, die das Prinzip der Nachahmung keineswegs antasten. Auch könnte man mit Deleuze (1997: 81) nochmals daran erinnern, dass Gott so lange erhalten bleibt, wie dies auch dem endlichen Ich widerfährt, da sich beide Seiten gegenseitig als Einheit bestätigen. Dennoch verändert sich mit dieser Projektion (von Gott zum Menschen) auch der Charakter der Mimesis: Indem sich die Haltung der Nachahmung wie die Rolle der Mittlerinstanz in die Immanenz verlagert, „erhält die Mimesis eine neue schriftgebundene Bedeutung", die ihre Bewegungen „Brüche, Verdichtungen und Verschiebungen [kennzeichnen]" (Gebauer/Wulf 1992: 419 bzw. 421). Die Wirklichkeit kann nicht mehr als Präfiguration des Realen gelten, als die sie Hegel im Sinne einer theologischen Mimesis postuliert. Gerade im Zeichen des Quijote, der zur Metapher des modernen Menschen geworden ist, verkehrt das Prinzip der Nachahmung Welt und Wirklichkeit in einen Irrgarten, ,,[as they] can no longer be subsumed under the image of any pre-existing social and aesthetic whole" (Cascardi 1992: 84). An die Erde gebunden gerät die Mimesis auf der Ebene des Romans in Konflikt mit dessen diskursiver Heterogenität, die es letztlich auch dem spanischen Realismus nicht erlaubt, seine Theoreme von der Transparenz des bürgerlichen Lebens in die Erzählpraxis umzusetzen. Dass dieses Problem vornehmlich in den Thesenromanen als ethische Suche artikuliert wird, ist

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letztlich auch der Einsicht geschuldet, dass der von Bachtin eingeführte Begriff der Heteroglossie mit der diskursiven Heterogenität der Welt korrespondiert. Der Widerspruch zwischen Derrida und Girard löst sich insofern auf, als dass das Seiende des Menschen die Welt noch immer als ein Seiendes, als ein großes Ganzes, betrachtet, „[perché] Dio è morto, cioè la metafisica e la differenza sono finite, ma ancora ci vorranno secoli perché l'umanità se ne renda conto, perché gli effetti di questo evento dispieghino tutta la loro potenzialità liberatrice" (Vattimo 2001: 92). Nur unter dieser Bedingung, „in questo Zwischen ' (ebd.), vermag er an einem Prinzip der Nachahmung festzuhalten, das in der Ungleichartigkeit und Vielfalt historischer Erscheinungen letztlich nicht ins Recht gesetzt wird. Das bürgerliche Zeitalter findet daher auch nicht in Jesus Christus sein Leitbild, begegnet nicht in ihm einer möglichen Ausdeutung seiner Zerrissenheit, sondern in jenem Ritter aus La Mancha, der über den Horizont der Welt hinaus wollte und doch an diesem zerbrechen musste. Selbst wenn Romanfiguren wie Nazarin starke christologische Züge tragen, gleichen sie Don Quijote doch mehr denn jenem Religionsstifter, der in der Tradition des Glaubens den Tod überwunden hatte, um in den Himmel aufzusteigen und sich mit seinem Vater zu vereinen.342 Konnte Christus noch an die Poesie des Lebens glauben und diese in ein umso poetischeres Jenseits des Lebens hinüberretten, verwandelt sich sein spanischer Bruder nach einem langen Schlaf der Vernunft wieder in jenen irdischen und fehlbaren Alonso Quijano, der er immer gewesen war. Mit ihm stirbt auch jene phantastische Welt, in der die Wunder des Glaubens noch vom Glauben an die Wunder gelebt hatten. Konnte die Theologie des inkarnierten Gottes schon in der spanischen Geschichte des 17. Jahrhundert letztlich nur unter Anstrengungen eine Chronologie der versinnbildlichten Zeiten entfalten, so wird bereits in historischen Romanen der Restaurationsepoche antizipiert, dass sich das bürgerliche Zeitalter umso weniger als Vollstrecker eines geistigen Prinzips anbietet und sich die Erfüllung der Zukunft nicht aus den revolutionären Präfigurationen der Vergangenheit vollzieht.

6 . 2 . 2 D I E E N T M Y T H I S I E R U N G DES H I S T O R I S C H E N

DENKENS

Wenn das Dasein nicht mehr von Gedankengebäuden verstellt ist, die es im vorgegebenen metaphysischen Sinn einfassen könnten, verfällt auch der 3 4 2 In einer letzten Kraftanstrengung sieht sich der leidgeprüfte Armenpriester eine heilige Messe feiern, bei er die Stimme seines christlichen Ur- und Vorbildes zu hören vermeint. Diese aber hält ihm den Wahn seiner fieberhaften Vision vor Augen, „[que] esta misa es figuración insana de tu mente" (Pérez Galdós 1992c: 2 0 2 ) .

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Platzhalter des Absoluten, der Gottes- oder Menschensohn, der Immanenz und ihrer Zeitlichkeit. Hatte der Vorgang der Erlösung darin bestanden, dass sich „die transzendente Zeit [...] mit der immanenten Zeit Jesu verbindet, ohne in ihr aufzugehen" (Achtner 1998: 169), so belegt die zweite Person der Trinität den Verlust dieser Autonomie, auch in Hinblick auf das Motiv des wiederkehrenden Christus in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts: In seine eigene Bedürftigkeit haben sich die Zeichen einer Zeit eingeschrieben, die ihm wie seinen Brüdern und Schwestern zu einer Irre und nicht zu einer Verheißung geworden ist. Dieses Problem der Christlichkeit, wie Löwith es nennt, umschreibt nämlich auch das Problem des aufklärerischen Denkens überhaupt, dem es in der Entwicklungsbewegung von Hegel bis Nietzsche nicht mehr erlaubt ist (vgl. Löwith 1995: 350-415), auf die versöhnende Dialektik von Entmythisierung und Fortschrittsglaube zu setzen: Was zunächst lediglich in seiner Beschränkung auf das theologische Wesen Jesu Christi der Kritik unterzogen werden sollte, stellt schließlich die Einheit der menschlichen Natur mit dem Göttlichen überhaupt in Frage. Wenn die Entmythisierung nach der Aufklärung nicht mehr über jenes Potential an Energien verfügt, um abgegoltene Qualitäten und Autoritäten zu zerstören, wird nicht nur verständlich, so Gumbrecht in einem Plädoyer für die Dekonstruktion, warum „das 19. Jahrhundert das fruchtbarste Zeitalter in der Anwendung des historischen Denkens" gewesen sei. Diese These perspektiviere das Jahrhundert zudem „als Anfang eines Endes' - als den Beginn des Posthistoire", da es gerade die von der Dialektik des historischen Denkens genährte Hoffnung nicht erfüllt habe, dass „'radikal entmythisierte', 'rein anthropozentrische' Sinnstrukturen von allen Menschen - sozusagen ohne Widerstand' — angenommen würden" (Gumbrecht 1988: 97). Im Grundsatz heißt dies, dass es nicht im Sinne Feuerbachs gelingen konnte, das besondere Wesen Gottes im allgemeinen Wesen des Menschen zu bewahren, dessen Zerfall in zahllose Interessen und Einzelglieder nicht ausbleiben konnte. Auch musste sich unter einer solch unhaltbaren Abstraktion, so möchte man hinzufugen, die Brüchigkeit der Metaphysik nur um so deutlicher abzeichnen, als sich nun „das Jenseits im Spiegel der Phantasie" auf ein Diesseits zurückwirft, das sich eben jener „im Bilde angeschauten, von aller groben Materie gereinigten" Reflexion des Idealen entledigt hatte (Feuerbach 1956, 1: 284). Damit musste die übersinnliche Welt den zahlreichen Wechselspielen der sinnlichen Welt ebenso verfallen wie die Universalgeschichte der Vielzahl der historischen Diskurse und Erzählungen. Obwohl die Epoche des 'historischen Denkens' nach Gumbrecht im Fin de sihle zu ihrem Abschluss kommt und die Dialektik von Entmythisierung und Wissensfortschritt erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts im

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Bewusstsein der Intellektuellen an einen Endpunkt gelangt, weist er in einem anderen Zusammenhang darauf hin, dass die Entwicklung der Episodios Nacionales diesen Paradigmenwechsel bereits vorausahnen lässt. Begann jene monumentale Romansammlung mit der ersten Serie über die Welt des antinapoleonischen Unabhängigkeitskrieges 1876 noch in dem Bewusstsein, dass eine neue bürgerliche Mittelklasse auf Grund ihres Patriotismus, ihrer sozialen Mobilität und Kompetenz die Fähigkeit habe, die von politischen Wirren durchzogene spanische Nationalgeschichte zum Quartiermacher eines besseren Lebens in kommenden Zeiten zu machen, 343 so tritt diese narrative Transparenz, wie Gumbrecht in einem anderen Zusammenhang ausfuhrt, bereits in der zweiten Serie hinter dem fatalen Dualismus der dos Españas zurück. Besonders aber mit der darauffolgenden Reihe — nur wenige Monate vor dem militärischen Debakel Spaniens im Krieg um Kuba veröffentlicht entwickelt sich diese fiktionale Historiographie zur Trägerin eines anachronistischen Bewusstseins, welches schon aus der Perspektive des späteren Zeitgenossen um die Ergebnisse einer in sich verfehlten und von enttäuschten Hoffnungen gezeichneten Geschichte weiß und im Ausbleiben einer machtvollen historischen Vernunft immer wieder auf die Figuren der locos zurückgreift. In die Sympathie des Erzählers für die Opfer der Bürgerkriege mischt sich die resignative Uberzeugung, dass diese eingedenk einer absurden Geschichte nicht einmal für einen höheren Sinn (als Ergebnis einer letztlich barmherzigen Dialektik) erbracht worden seien, wie die cuarta serie zeigt. Sind in den ersten Reihen noch begründete Erwartungen auf ein selbstbewusstes Bürgertum dominant, so machen sie nun einem „mythologisch gewordenen Diskurs" Platz, in dem sich eher vage Hoffnungen auf das Volk artikulierten (Gumbrecht 1990, 1: 743). Gerade an den unmittelbaren Erfahrungen einer

343 Schon die fiktive Biographie des Gabriel Arcaeli als gesamtes Lebensbild mag dem Leser die Einsicht in die Idee der Nation vermitteln, erweist sich doch in der Karriere vom elternlosen und umso patriotischeren Jungen zum General des nationalen Heeres: Allen Bürgern eröffnet sich die Möglichkeit, ohne Unterschied des Standes an den Kämpfen und Triumphen der Nation teilzuhaben. Noch mehr aber sind es die Kriegserfahrungen des Helden, welche im Angesicht der Schlacht von Trafalgar und der in Gefechtsordnung aufgefahrenen Flotten detailliert als 'NationalgefühP diskursiviert werden. Der 'barbarische Stolz', einer erfolgreichen „casta de matadores de moros" anzugehören, verwandelt sich zu einer quasi göttlichen Unternehmung, der eine einigende zivilisatorische Kraft innewohnt: „Pero en el m o m e n t o que precedió al combate, comprendí todo lo que aquella divina palabra significaba, y la idea de nacionalidad se abrió paso en mi espíritu, iluminándolo, y descubriendo infinitas maravillas, como el sol que disipa la noche y saca de la obscuridad un hermoso paisaje. M e representé a mi país como una inmensa tierra poblada de gentes, todos fraternalmente unidos; me representé la sociedad dividida en familias, en las cuales había esposas que mantener, hijos que educar, hacienda que conservar, honra que defender [...] (Pérez Galdós 1983: 113-114 bzw. zu diesem Motiv auch Hinterhäuser 1961: 86-91).

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deprimierenden Jetztzeit bricht sich „die aufsteigende teleologische Linie des Fortschritts als Darstellungsprinzip": Eben solche Sicherheit [des historischen Bewußtseins] entging dem Autor der

Episodios nacionales,

weil eine sich immer intensivierende Sensibilität in der Pers-

pektivierung der Vergangenheiten und in der Erfahrung der jeweiligen Gegenwarten jene Möglichkeit von Teleologie ausschloß: als Vorgeschichte bedrückender Gegenwarten konnte die Vergangenheit nicht mehr Ausgangspunkt und Durchgangsphase eines national-historischen Fortschrittsoptimismus sein (ebd.: 744).

Was am Ende der sechsundvierzig Romane umfassenden Sammlung in Cánovas (1912) erscheint, ist daher nicht das janusköpfige Gesicht des berühmten ángelus novus, das den zum Himmel wachsenden Trümmerhaufen vergangener Zeiten zugewandt ist, während ihn ein Sturm vom Paradiese her mit geöffneten Flügeln „unaufhaltsam in die Zukunft" treibt (Benjamin 1980, 1/2: 698): Es ist die Muse der Historiographie selbst, die sich entgegen dem von Walter Benjamin gezeichneten Bild zur Ruhe begeben muss, weil die Geschichte angesichts der restaurativen tiempos bobos offensichtlich in Trägheit und Apathie erstarrt, so dass es nichts mehr zu berichten gibt. Der historische Zeitraum der quinta serie, der das Ende der Regentschaft Isabellas II. bis zur Restauration der bourbonischen Herrschaft umfasst, gibt dem Erzähler aus der Sicht eines anachronistischen Bewusstseins Gelegenheit, mit zunehmender Kritik auf die politische Apathie des spanischen Bürgertums zu reagieren (Llorens 1974: 105-124): Galdós es el más típico representante de la ideología burguesa que inició la revolución, que contribuyó a consolidarla y que, finalmente, entró en crisis a finales del siglo (Oleza 1 9 7 6 : 9 1 - 9 2 ) .

Allerdings mischt sich in die Schärfe seiner Sprache nicht nur die Enttäuschung über die bürgerliche Klasse, sondern auch Verwirrung hinsichtlich einer Zeiterfahrung, welche der „charakteristischen Spannung zwischen 'raison' und 'réalité'" abzugehen scheint (Hinterhäuser 1961: 70): Los episodios van a ser ahora menos una dolorosa exploración que un ardoroso, áspero alegato, diatriba contra los que no han sabido cumplir su deber histórico, o contra los que han asumido el mando para hundir más en la charca a la nación (Montesinos 1 9 8 0 , 3: 245).

Die Flucht aus der Unzulänglichkeit der historischen Zeit in die Transzendenz einer nationalen Utopie, die Hinterhäuser besonders in zahlreichen Einlagen des neununddreißigsten und vierzigsten episodio bemerkt, zeigt sich wiederum in Valeras literarischem Vermächtnis Morsamor (1897), das uns überdies noch am Ende unserer Untersuchung beschäftigen wird. Das aus-

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schließliche Erleben der Geschichte in der Welt des Traums geht mit dem Postulat einher, dass die Figuren diese nur noch innerhalb ihrer Einbildungen oder ihrem Begehren erleben können, wohingegen ihrem Bewusstsein allenfalls nachvollziehende und nicht mehr gestaltende Funktion zukommt: Das endgültige Ende der imperialen Geschichte am Vorabend des Spanisch-Amerikanischen Krieges lässt so nochmals die Transzendenz eines siglo de oro aufscheinen, die vertikales Sein im Himmel und auf Erden allenfalls als poetisierte Vergangenheit vorstellbar macht. Eine bewusste Entfaltung erlebter Vergangenheit als Antizipation einer besseren Zukunft muss der Geschichte fortan versagt sein, da eine sich über die Zerstreutheit der Ereignisse wölbende Synthese nur noch als Desiderat des träumenden Morsamor Bestand hat und mit seinem Ableben ausgeträumt ist. Das in Morsamor evozierte Motiv der Bewusstlosigkeit historischen Erlebens und die Mythisierung der Geschichte als einer besseren, aber nicht realisierbaren in den abschließenden Teilen der Episodios Nacionales beziehen sich auf eine gemeinsame Zeiterfahrung. Mit ihrem Entschwinden in Cánovas hatte Klio nicht allein die zu ihrem Abschluss kommende Dialektik von Bewegung und Gegenbewegung veranschaulicht. Anders als die dem Kampf für die Unabhängigkeit zugedachten Episodios oder die Gesellschaftsromane aus den ersten Jahrzehnten der Restauration, in denen die Stimmigkeit von 'ästhetischer Wahrheit' und 'Wirklichkeit' noch zur Voraussetzung des Erzählens gehören, zeichnet sich im Schlummer der Göttin die Unmöglichkeit ab, Ereignisse der Vergangenheit literarisch zu gestalten (Gumbrecht 1990, 1: 746). Die in diesem mythologischen Ausdruck festgehaltenen Symbole, Griffel und Bücherrollen zum Erfassen laufender Ereignisse, die Bücherkiste zur Aufbewahrung des Aufgezeichneten sowie die Wasseruhr als Organisation und Zählung der Zeit, stehen den Göttern als den Souveränen der Geschichte nicht mehr zu Gebote. Damit aber sind auch jene Bedingungen des Kontinuierlichen aus der Souveränität des Bewusstseins erschüttert, wie Foucault sie in der Einleitung seiner Archéologie kritisiert hatte (Foucault 1969: 21-24). Jene Instrumente hatte sich das schreibende und erzählende Subjekt nutzbar zu machen gewusst, um in „el progreso indisolublemente ligado a los ideales de patria, paz, libertad y orden" einen Diskurs zu schaffen, der von Episode zu Episode, von Generation zu Generation weitergetragen wird (Oleza 1976: 95). So galt es, über den Wechsel der Zeiten ein Bild des Menschen zu wahren, wie es von einer Geschichte postuliert wurde, „[que] no es otra cosa que la manifestación visible, en hechos de la naturaleza y de la inteligencia, de la idea invisible de Dios" (Sanz del Rio 1872, I: XXVI, zit. in: Abellán 1984, 4: 481). Blickt man nochmals zurück auf Gabriel Araceli, der Erzählerfigur der ersten Serie, wird der Abstand zur schlafenden Göttin umso

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einprägsamer. Wie in den späteren Protagonisten der ersten novelas contemporáneas werden auch hier die bürgerlichen Mittelklassen als Schrittmacher des Fortschritts und als Subjekte einer aussichtsreichen Reterritorialisierung aufklärerischer Ideen versinnbildlicht: [Así] se transforma en el héroe del futuro, el héroe burgués, cuyo heroísmo radica sobre el imperativo del deber, la voluntad de trabajo, la rectitud de conciencia y el amor, valores que le hacen triunfar socialmente (Oleza 1976: 97).

Der Geist der Vernunft als Fortschreiten zum Vollkommenen und zum stufenweisen Erreichen der Freiheit vollzieht sich hier noch, wenngleich nicht als bloße Kopie von Hegels Geschichtsentwurf (Hinterhäuser 1961: 63), aber doch in den Spuren eines nach Perfektibilität drängenden aufklärerischen Denkens. D a liest man neben dem Triumph des Bürgertums auch von „una denuncia de la inutilidad histórica de la aristocracia y de la maleabilidad e inconsistencia del pueblo, exaltación y denuncia que se identifican con la exaltación de una España moderna y liberal y la condena de una España absolutista y estancada" (Oleza 1976: 97). Verflüchtigt sich der wiewohl auch von skeptischen Tendenzen verzerrte Glaube, das revolutionäre Subjekt könne sich in der nach seinem Bild umgestalteten Wirklichkeit wiederfinden, so verändert sich auch die Natur der Wirklichkeit selbst, zumal wenn der Bürger sich selbst und anderen zum Despoten geworden ist: T o d o ha cambiado. La extinción de la raza de tiranos ha traído el acabamiento de la raza de libertadores. Hablo de tirano en el concepto antiguo, pues ahora resulta que la tiranía subsiste, sólo que los tiranos somos ahora nosotros, los que antes éramos victimas y mártires, la clase media, la burguesía, que antaño luchó con el clero y la aristocracia [...]. 344

Wenigstens seit dem großen historischen Datum von 1898 wird zu Utopie und Traum, was sich spätestens seit 1886 mit dem Ende der großen naturalistischen Romane ankündigt: Wenn die Harmonie des ersten unbewegten 144 Pérez Galdós (1990: 167). Bereits in Amigo Manso (vgl. Pérez Galdós 1991a: 48) kommt dieser Geschichtspessismus zum Tragen: „El dinero y el ingenio, sustituidos a menudo por sus similares, agio y travesura, han roto aquí las barreras todas, estableciendo la confusión de clases en grado más alto y con aplicaciones más positivas que en los países europeos donde la democracia, excluida de las costumbres, tiene representación en las leyes. Bajo este punto de vista, y aparte de la gran desemejanza política, España se va pareciendo, cosa extraña, a los EstadosUnidos de América, y como esta nación, va siendo un país escéptico y utilitario, donde el espíritu fundente y nivelador domina sobre todo. La historia tiene cada día entre nosotros menos valor de aplicación y está toda ella en las frías manos del arqueólogo, del curioso, del coleccionista y del erudito seco y monomaniaco. Las improvisaciones de fortuna y posición menudean, la tradición, quizás por haberse hecho odiosa con apelaciones a la fuerza, carece de prestigio, la libertad de pensamiento toma un vuelo extraordinario, y las energías fatales de la época, riqueza y talento, extienden su inmenso imperio."

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Bewegers mit der von ihm angestoßenen Bewegung zu erlahmen scheint, erzwingen die realen Zustände der späteren Restauration eine „concepción del mundo, de día en día más espiritualista, soñadora y visionaria", die es Pérez Galdós unmöglich macht, eindeutig Partei zu ergreifen (Oleza 1976: 128). Die erneute Flucht in den früheren Antiklerikalismus, das verzweifelte Hoffen auf ein neues revolutionäres Subjekt in einem romantisch verklärten Volk sowie das Festhalten an Liebe und Barmherzigkeit bei der Lösung der sozialen Frage korrelieren mit einer augenfälligen Inkohärenz in seinen Stellungnahmen, „llegando a dejarse arrastrar por la retórica, leyendo lo que le daban escrito y llegando a afirmaciones tan subversivas que su biógrafo Berkowitz dice que debieron ofender a sus propios oídos" (ebd.). Diese „oscilación ideológica", die Oleza seit 1898 bei Pérez Galdós verifiziert und sich nach seiner Analyse aber schon zuvor andeutet (Oleza 1976: 126), ist im Hinblick auf das gesamte Immanenzmilieu nicht zu unterschätzen, da er sich nach den Worten Torrente Ballesters als ein Autor erweist, „que corresponde a la burguesía española en su etapa ascensoriat' (Torrente Ballester 1965: 69, zit. nach Oleza 1976: 126). Vom Gedanken an eine vom Fortschrittsgeist durchwirkten transparenten Welt zur ansehnlichen Textualität eines spanischen ^z« del siglo mit seinen Todesahnungen, „la belleza de las seducciones misteriosas pero temibles y crueles, el placer masoquista de la autodestrucción" (Litvak 1990: 256), erschließt sich ein überschaubarer Zeitraum von etwa dreißig Jahren. In diesem, so lässt sich resümieren, kann das Schwinden des Kirchenglaubens und das Ende der katholischen Einheit zumindest temporär durch ein säkularisiertes und rationalistisches Prinzip aufgefangen werden, das die providentielle Absicht Gottes in einem System aktualisiert. Ist aber auch dies in seinen Integrationsleistungen erschöpft, muss jene Spannung, die „zwischen schon zeichenhaft begonnener Gottesherrschaft und noch ausstehender Vollendung [lebt]" (Achtner 1998: 169), umso schroffer in eine Negativität umschlagen. In einer solchen kommt es zu einem ständigen Wechselspiel von Illusion und Desillusion wie von Sinngebung und Sinnverlust, dem der Mensch zwischen der Zerstörung religiöser Qualitäten einerseits und seinen latent religiösen Affekten andererseits ausgesetzt ist. Auch wenn Pérez Galdós angesichts des sozialen Aufbegehrens der unteren Klassen die anthropologische Unverbrüchlichkeit des Glaubens beschwört, geben seine Beobachtungen 1893 zu erkennen, dass sich die Religion in Spanien nicht mehr auf solide Grundlagen berufen kann. Zu einer bloßen Ideologie geworden, reagiert sie nur noch auf den widersprüchlichen Prozess der Säkularisierung, der sich in den Spuren einer nostalgie du paradis psychische Abhilfe schafft und seinerzeit auch Sektenwesen und anarchistische Eschatologien hervorbringt:

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Jenseits von altem G o t t u n d ' N e u e m Menschen' A la m a r e a materialista sigue c o m ú n m e n t e u n a m a r e a espiritualista. El m u n d o espiritual se desbarata y se reconstruye en p e r í o d o s sucesivos d e t i e m p o . A los p e r í o d o s d e d e c a d e n c i a religiosa sigue, p o r ley n a t u r a l d e equilibrio, los p e r í o d o s d e exaltación mística. Las escuelas filosóficas n o f u n d a n n a d a estable, y t o d o sistema desacredita a sus predecesores y es d e s a c r e d i t a d o p o r los q u e le suceden. La fe existe siempre, y existirá m i e n t r a s haya h o m b r e s en el m u n d o , p o r q u e es esencial e n el a l m a h u m a n a . El escepticismo y el d e s c r e i m i e n t o la p r o d u c e n m á s viva, y la h a c e n r e t o ñ a r con las talas q u e d e t i e m p o le d a n (Pérez G a l d ó s 1 9 7 3 : 4 8 7 - 4 8 8 ) .

Wie kaum ein anderer literarischer Zeitgenosse von Pérez Galdós, aber durchaus in Entsprechung zu dessen Zeitdiagnosen hat Rosalia de Castro die Signaturen jener „zerbrechlichen, zerbrochenen Übergangszeit" auf den Punkt gebracht, in der „das Eis, das heute noch trägt, schon sehr dünn geworden [ist]" (Nietzsche 1999, 3: 628-629). Aber in kaum einem anderen Text wie in En las orillas del Sar (1884) verdichtet sich die Wahrnehmung, dass bisher alle in Spanien tragenden Ideale zerstoben seien, weil, wie Nietzsche fast zeitgleich in seiner Fröhlichen Wissenschaft (1882) bemerkt, es nichts zu 'konservieren gäbe und kein Weg in die Vergangenheit zurückführe. Ebenso wenig könne man aber 'liberal' sein, weil es keinen Sinn mehr mache, für den 'Fortschritt' zu arbeiten (ebd.: 629). Aus dem Niedergang „eines ursprünglich religiös begründeten Lebensgefühls" (Kreutzer 1991: 66) und „la desintegración de los valores religiosos" (Shaw 1986: 174) lässt sich nicht allein „eine schwere weltanschauliche und existenzielle Krise" ablesen (Kreutzer 1991: 66), sondern auch der Eindruck einer träge dahinfließenden Zeit, in der das Irren zwischen neuer religiöser Hoffnung 3 4 5 und einer metaphysischen Leere zu einer immer wiederkehrenden Kategorie geworden ist. Der Einsicht Baudelaires in die nackte Vergänglichkeit des Daseins 346 scheint auch Rosalia de Castro nicht fernzustehen: H o r a tras h o r a , día tras día,/ E n t r e el cielo y la tierra q u e q u e d a n / E t e r n o s vigías,/ C o m o t o r r e n t e q u e se d e s p e ñ a / Pasa la vida.// [...] T i e m p o s q u e f u e r o n , llantos y

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Castro (1991: 26): „¿Es verdad que lo ves? Señor, entonces/ Piadoso y compasivo/ Vuelve a mis ojos la celeste venda/ De la fe bienhechora que he perdido,/ Y no consientas, no, que cruce errante,/ Huérfano y sin arrimo,/ Acá abajo los yermos de la vida,/ Más allá las llanadas del vacío." Das ständige Zusammentreffen von transzendentaler Geborgenheit und Heimatlosigkeit gehört zum Tenor dieser Gedichte, in denen sich „el loco pensamiento", das tolle Denken, sogar zur Unsterblichkeit von Gott und Mensch versteigt, „ya que al cabo es verdad/ Que es venturoso el que soñando muere, Infeliz el que vive sin soñar" (Castro 1991: 30). 346

Vgl. Baudelaires Gedicht L'ennemi (1855), in dem der Feind des Menschen in der Zeit steckt: „Ma jeunesse ne fut qu'un ténébreux orage,/ Traversé aus der Erinnerung an die Götter der Antike und an Jesus Christus, erwächst eine „alles unendliche Einigkeit, aber in diesem Allem ein

Schlusskapitel

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vorzüglich Einiges und Einigendes, [...] unter uns Gott" (Hölderlin 1801, zit. nach RGG 1956, 3: 399), die Anwesenheit eines alle Menschen einigenden Heiligen, das sich mit seiner Instrumentalisierung auch dem Denken in Subjekt und Objekt, Freund und Feind entzieht. Jene das Leben gebenden und nehmenden Mächte, die „das Herz der fühlenden Menschen" (ebd. 2: 109) bedürfen, um in ihrer Gegenwart wahrgenommen zu werden, haben als pantheistische Götter nichts mit dem persönlichen Gott gemein. Anstatt als ungeschaffener Schöpfer aller Geschöpfe (Heidegger 1987: 56) „überlegener Herr der Zeit" (BHH 1966, 3: 2210) zu sein, sind sie als Götter der Zeit ganz mit der Zeit identisch, die selbst ebenso wenig verfügbar ist wie sie. In dieser Hinsicht ist jenen Einschätzungen beizupflichten, die auf Grund einer gewissermaßen religiösen Terminologie Heideggers Begriffe wie 'Sein' oder auch Zeit als Äquivalenzen zu 'Gott' verstehen wollten, zumal dies „ein konsistentes System der negativen Theologie auf seinsgeschichtlicher Grundlage" (Köchler 1991: 49) ergeben würde. Es geht hier nicht um einen vordergründigen Atheismus, der doch nur die personale Struktur jenes kausal-ontologischen Gottes in seiner Negation bestätigt. Als moralisches Wesen, als Vollstrecker von Belohnungen oder Strafen, als Seinsgrundlage des denkenden Ichs erstickt dieses Numen an der Theologie als Ontotheologie. Zu sehr ist es den Zwängen, den engen Bildern und endlichen Rollen unterlegen, die daraus folgen. Obschon das Sein gerade sein Wesen als das schlechthin Unbestimmbare und Undefinierbare erfasst, erstickt es dieser Gott, indem er es ganz aus seinem Wesen erklären will (vgl. Kordic 2003: 30f). Auch in Spanien ist man sich selbst in katholischen Kreisen dieser Problematik bewusst: So gibt der spanische Gelehrte José Moreno Nieto zu bedenken, dass „la belleza de Dios, pero de un Dios-idea al cual no se puede asignar atributo alguno positivo sin destruirle, porque significa la negación de todo lo que aparece, la indefinición de cuanto se define" (Moreno Nieto 1875: 499). Wie der Gott der Metaphysik erschaffen wurde, konnte er unter diesen Voraussetzungen wie ein sterbliches Wesen von jenen hingemordet werden, die ihn zum Instrument ihres Subjektdenkens in Anspruch genommen hatten. Der Nihilismus hinterlässt in der europäischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts unfehlbar seine Spuren, so in William Blakes bekanntem Gedicht To Nobodaddy\ in Jean Pauls Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab und schließlich in Friedrich Nietzsches Tollem Menschen. So ist jener 'Tod Gottes' nichts als ein Wort der ontotheologischen Metaphysik, in der sich der eigentliche Nihilismus vollendet (vgl. Heidegger 1989: 348). Auf die spanischen Verhältnisse bezogen ist der 'Fehl Gottes', wie wir sehen konnten, von doppelter Konsequenz: Die tiefgreifende Krise, von der das biblisch-theistische Gottesbild erfasst worden war, wird von jenen idealis-

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tischen Systemen verstellt, welche die Ontotheologie tradieren, indem sie die Vorstellungen von einem persönlichen Uberwesen an die Erfordernisse der neuen bürgerlichen Ordnung anzupassen suchen. Auf der politischen Ebene wird dieser Gott einer ontologischen Metaphysik in Spanien aber genau zu jenem Wesen, das Hölderlin mit der Rückbindung an die elementaren Kräfte des Seins überwinden wollte. Er gerät in die Verfügungsmacht liberaler und klerikaler Ideologien, die ihn beide zu ihrer Trophäe machen. Die in Europa kursierende Auffassung von der besonderen Intoleranz, Unwissenheit des Pyrenäenstaates, die sich seit dem 16. Jahrhundert als Leyenda Negra einen berüchtigten Namen gemacht hatte, wird drei Jahrhunderte später selbst zum Gegenbild des europäischen Spaniens. Gegen jenen Schrecken der Ketzer, jenes Licht von Trient und jenes Schwert des römischen Papstes (vgl. H K G 1999, 7: 611-613) malt sich eine liberale Mythologie im Zeichen der Aufklärung nicht weniger einprägsame Bilder aus (vgl. Starobinski 1979), die sich gegen den Obskurantismus klerikaler Dunkelmänner richtet. So entsteht nach dem Unabhängigkeitskrieg (1808-1814) ein unversöhnlicher Konflikt zwischen katholischen Traditionalisten und progressiven Liberalen als „la negación de la patria y de la tierra a unos españoles a los que en nombre de la religión, de la patria y del amor se ha llamado 'antiespañoles'" (Abellán 1984, 4: 151). Mit einiger Verspätung erreicht jener europäische Diskurs des Krieges mit seiner „conception binaire de la société" (Foucault 1997: 44) auch Spanien, der mit dem alten Apriori einer katholisch-imperialen Einheit bricht: Diese hatte eine Ordnung entstehen lassen, in der die Gegensätze außerhalb der eigenen Grenzen verlegt wurden, wie der Ausschluss der Heterodoxie aus der Orthodoxie zeigt. Mit dem Dualismus des Schwarzen und des Weißen Spanien werden die innerhalb der eigenen Grenzen entstandenen Gegensätze hingegen auf ein jeweils anderes Ich gebannt: Der Kreislauf des Gleichen verdoppelt sich, weil die verlorene Sinngebung der Einheit (das Ich des Königs, des göttlichen Vaters) durch den Antagonismus zweier Mächtegruppen ersetzt wird. Doch selbst in diesem Vorgang vollzieht sich nichts geringeres als jene dürftige Zeit, die einer Art Gottesfinsternis, d. h. einer Gesichtsverborgenheit Gottes gleichkommt, wenigstens soweit es jenes eindringliche N u m e n betrifft, das als Fundament menschlichen Denkens gilt und dem Subjekt Kohärenz verleiht (Deleuze 1997: 81). Denn mit dieser Krise radikalisiert sich die dualistische Denkform der Metaphysik, welche ideologische Feindbilder zur Sprache des politischen Räsonnements werden lässt und die eigentlichen Gründe der sich so artikulierenden Gegensätze verschleiert. Jene imagotypische Selbstzeichnung Spaniens in zwei einander abgewandte Hassgesichter kann letztlich als historisches Ergebnis eines inquisitorischen Geistes gelten, der anstelle einer Institu-

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tion deren fortgeschrittene Praktiken zum Inquirieren von Geständnissen fortsetzt und den sprachlichen Gestus auf Bekenntnisse und Thesen reduziert. Eine entpragmatisierte, vorzugsweise eine poetische Sprache, die sich als Medium der Selbstinterpretation des Menschen eignet und ideologischen Verengungen entzieht, bietet sich an, diese Defizite in Ausgleich zu bringen. Auf der theologisch-philosophischen Ebene macht sich dieser Gegensatz in zwei metaphysischen Entwürfen bemerkbar, die im 19. Jahrhundert zu den einflussreichsten ihrer Zeit gehören und aus den wichtigsten Schulen des Landes kommen (Stoetzer 1996: 90). Beide unternehmen auf ihre Weise den Versuch, die Dichte und Einheit des göttlichen Zeichens zu retten. Als dessen christliche Ausdeutung ist jene Trinität zu verstehen, welche die Vielheit der Erscheinungen in eine zirkuläre Struktur bannt. In dieser gebührt dem Ursprung stets Vorrang gegenüber dem disparaten Sein, das auf den Vater der Schöpfung zurückgeführt wird. Eine derartige Konfiguration des Zeichens strebt stets eine Versöhnung zwischen der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und dem zuhöchst gesetzten Seienden an. Zurückgeworfen auf die Verwandtschaftsverhältnisse der absolutistischen Staatsordnungen, welche die patria potestas im Zeichen des Römischen Rechts aufgewertet hatten, gewinnt das göttliche Zeichen in der ersten Person eine ungeheure Dichte. Mit der Abwertung der Paternität in der Moderne büßt es diese Festigkeit jedoch ein. Auf diese Gegebenheiten reagiert Donoso Cortes mit seinem Ensayo sobre el catolicismo, el liberalismo y el socialismo, der die Welt in ihrem apokalyptischen Zustand wieder an die demiurgische und vor allem gesetzgeberische Gewalt des absolutistischen Vatergottes zurückzuführen sucht, wie er in der Kunst der Renaissance hinlänglich illustriert wurde (Michelangelo, Raffael, Masacio, Ribera, El Greco). Ein zweiter Entwurf bildet sich, wie wir feststellen konnten, im Ideal de la Humanidad ab, in dem der Sohn gegenüber dem Vater aufgewertet und im Sinne der bürgerlichen Revolution zum Bruder unter Brüdern wird. Jene anachronistisch gewordene Hierarchie, die den Sohn als Untertan dem gebieterischen Herrn und Vater überordnet, hat hier anders als noch bei Donoso an Legitimität eingebüßt. Das neue intellektuelle und literarische Milieu, das sich im Krausismus auf den brüderlichen Menschheitsbund beruft, behauptet sich in der Entmachtung der genealogischen Ordnung und des alten Vatergottes. Doch wenn Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik hinsichtlich der Darstellbarkeit des Göttlichen vermerkt, dass die Künste sich nicht an Gottvater, sondern an seinem Sohn zu orientieren hätten, geht er weit über die Frage der Gestaltung hinaus: Erschauen wir in Christus nämlich „dies Moment der Individualität und des Menschseins als ein göttliches Moment", so ist Gottvater eher als „geistige Persönlichkeit und höchste Macht, Weisheit

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usf. [zu begreifen], aber als gestaltlos und als eine Abstraktion des Gedankens festgehalten" (Hegel 1979, 15: 45). Dass sich der Ursprung nur als Prinzip, nicht aber als Person denken lässt, hat im Umkehrschluss zur Folge, dass das zwar darstellbare Antropomorphe seine Endlichkeit und seine Grenzen haben muss. Indem das Absolute als „das in sich Bestehende, das Unbedingte, Uneingeschränkte" (Hoffmeister 1955: 6) aber auf den Menschensohn übergeht, der schließlich in der Menschheit, in dem historischen Fortschritt oder den Produkten der Erde immer neue unzählige Ebenbilder findet, wird es mit allen Konsequenzen zum Teil der Immanenz. Unter diesen Bedingungen hört das Absolute auf, „das vollkommene und vollständige Sein [zu sein], von dem alles Seiende abhängig ist, der Grund der alles trägt, und das letzte Ziel, dem alles Wirkliche zustrebt" ( E K L 1985, 1/1: 38). Wenn die alten Mächte, die bisher auf ein symbolisches Jenseits verwiesen waren, der 'wirklichen Welt keinen Widerschein mehr zu geben vermögen, kann sich das Prinzip der theologischen Mimesis, der Gottebenbildlichkeit „aus der bis dahin unlösbaren Verklammerung von Urbild und Abbild" (Blumenberg 1981: 47) befreien. Wenn die Verwandtschaft zwischen Vater und Sohn zerbrochen ist, dann geschieht das Leiden jenes historischen Jesus nicht mehr im Namen seines Schöpfers und damit als Entäußerung Gottes, die zur erlösenden Rückkehr zu sich selbst führen muss. Dann kann seine Tragik nur noch die eines Menschen sein, welcher seine Endlichkeit zu ertragen hat, um eine Einsicht des fiir das 19. Jahrhundert so bedeutsamen anthropologischen Materialismus aufzugreifen (vgl. dazu Schmidt 1988). Indem die Theologie zur Christologie wird, kann der Alte der Tage, zu dem der einst jugendliche Gottvater in den darstellenden Künsten des späten Mittelalters und der Renaissance geworden war (von den Steinen 1965: 163), seine Macht kaum mehr entfalten: Allein sein Sohn erlebt als Mensch in der Literatur des 19. und 20. Jahrhundert Auferstehung, wenn er als Irrender vor seine ungläubigen Glaubensbrüder tritt, wie dies in Erzählungen so unterschiedlicher Autoren wie Perez Galdös, Teixeira de Pascoaes, Dostojevskij, Hauptmann oder Carl Einstein der Fall ist. Doch anders als der Erlöser, der die Poesie mit seiner Auferstehung in das Jenseits hinübergerettet hatte, gleicht dieser Christus eher seinem Bruder D o n Quijote. Zur kollektiven Metaphorik der bürgerlichen Gesellschaft geworden, hinterlässt dieser mit seinem Tod eine prosaische Welt, die im 'Fehl Gottes' auch ein eidetisches Vakuum hinsichtlich des Absoluten und überhaupt den Verlust der Poesie zu beklagen hat. Die Konsequenzen lassen sich im Vergleich der beiden genannten Entwürfe ablesen. Während sich der Archetypus eines tyrannischen Vatergottes schlüssig bei Donoso Cortes aus einem theozentrisch-genealogischen Geschichtsbild ableitet, erweisen sich manche Begriffe in der deutschen Origi-

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nalfassung wie in der von Sanz del Río erstellten Übersetzung insoweit überholt, als sie die von ihnen intendierten metaphysischen Sinngehalte nicht in jeder Hinsicht auf adäquate Weise zu bezeichnen verstehen: Die Bilder, die sie evozieren, erinnern zuweilen immer noch an jenes im Grundsatz entmachtete Wesen, das dem Menschen jedoch zum Vorbild empfohlen wird. So heißt es zunächst im Sinne eines nach innen gerichteten Christentums, dass „die Liebe zu G o t t ihn [den Menschen] das göttliche Ebenbild in sich selbst lieben, und es allseitig auszubilden suchen [lässt]" (Krause 1851: 68). Dann aber strebt er „in den Schranken seiner endlichen Natur so vollkommen zu sein, als es der ewige Vater aller Wesen in seiner Unendlichkeit auch ist" (ebd.). So sehr sich dieser „Sér Supremo sobre la humanidad y la historia" (Krause/Sanz del Río 1 8 6 0 : 2 6 7 ) auch von jenem „maestro divino [de] aquel ordenador universal" (Donoso Cortés 1973: 2 3 3 ) des katholischen Dogmatikers unterscheiden mag, so sehr tradiert es doch mit seinem Namen ein überkommenes Bild, das es nicht mehr einzulösen im Stande ist. Dessen ungeachtet nährt es die Illusion, jener alte Gott könne noch im Schatten des 'Neuen Menschen' über eine Geltung verfügen, derer er sich - zumal im Immanenzmilieu der liberalen Intellektuellen — indes längst nicht mehr erfreut. Letztlich operiert dieses Milieu, wie wir bereits konstatieren konnten, selbst mit einem zwischen Pantheismus und Theismus oszillierenden

Gottesbegriff,

„nach dem Gott nicht im Sein der Welt aufgeht und ihm personales Selbstbewußtsein zukommen soll" ( R G G 1 9 5 6 , 5: 36). Was in seinen Bezeichnungen zunächst hohe Erwartungen weckt, muss in Enttäuschung umschlagen, was im Namen noch die Wertung des Absoluten trägt, muss in der diskursiven Heterogenität der Moderne vielfältige Brechungen erfahren und in unzählige Einzelperspektiven zerfallen, die keinen übergeordneten Standpunkt mehr dulden. Diese Einsichten schließen nicht allein die Macht des alten Gottes, sondern auch die Selbstermächtigung jenes 'Neuen Menschen' ein, dessen Umrisse sich in der säkularen Religionsgeschichte seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert (vgl. Küenzlen 1994), aber auch in der epistemologischen Ordnung abzuzeichnen beginnen (Foucault 1966). Indem sich der Mensch als empirisches Objekt der modernen Wissenschaften und als transzendentales Subjekt der Wahrheit aller Erkenntnis begreift, muss es zu einem Missverhältnis zwischen seinen Erfahrungen und seiner eigenen Selbstüberhebung kommen. In dem Maße, wie er dazu aufgerufen ist, sich in seiner Welt wiederzukennen und diese nach seinen Bedürfnissen umzugestalten, wandert das Verhältnis von Idealität und Realität in die Immanenz ein, um in das Spannungsfeld von Subjekt und Objekt zu geraten. So ist das Ideale nunmehr „ein in seiner Vollkommenheit, d. h. dem Zweckwillen absolut angemessener Seinsweise vorgestelltes, gedachtes, erhofftes er-

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strebtes Object" (Eisler 1904. 1: 458), das dem Subjekt, wie es René Girard (1961) in seiner Theorie des Begehrens besonders an Romanen des 19. Jahrhunderts exemplifiziert, in zunehmender Nähe und deshalb trügerischer Reichweite gegenüber steht. Dass das Seiende des Menschen die Welt dennoch weiterhin als ein Seiendes, als ein großes Ganzes betrachtet, das eines persönlichen Vatergottes bedarf, bestimmt die Epoche zwischen 1868 und 1898 als eine frühe Phase nachchristlicher Zeit in Spanien, „in der das Christentum jene umfassende öffentliche Herrschaft nicht mehr ausübt, aber [...] in vielfacher Hinsicht sich in das Gesicht der Zeit eingegraben hat und es [zu] jener merkwürdigen Verbindung von Antichristentum, Entchristlichung und säkularisiertem christlichem Erbe" (RGG 1956, 6: 788) kommt. Die Sprache, in der die Vergangenheit „überall Keime und Fußspuren des verlorenen Sinns" (Lukacs 1920: 131) gegenwärtig macht, bringt einen merkwürdigen Vorgang zum Vollzug: In diesem konstituiert sich aus der christlich-platonischen Tradition ein gestalthafter Sinn, der indes gleichsam auf einen leeren gestaltlosen Sinn verwiesen wird. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang nochmals an Clarins La Regenta erinnert, in der sich ein Kirchenmann im Vollbesitz seiner Macht wähnt. Der Blick, den er über seine Stadt schweifen lässt, wird im Roman zu einem Bild, das sich als „das Anschauungsmodell für eine jedem unmittelbaren wie auch endgültigen Zugriff sich entziehende Wirklichkeit überhaupt [...]" (Imdahl 1994: 318) erweist: In ihrer äußersten Präsenz, in Reichweite des Betrachters gerückt, weicht die Vision zurück, so dass sie ihn „en el lejano dia del sueno" (Clarin 1981, 1: 106) umso ferner und flüchtiger erscheinen muss. Um so mehr dem humanum sein Begehren und seine Ziele wie ein Widerschein des Absoluten anmuten, um so mehr kommt es jener „imagen elusiva" (Delgado 2000) nahe, in der sich Mythographie und Mythenzerstörung (Prill 1999), Sinnkonstitution und Sinnreduktion gleichsam verdichten. Jenseits des Alten Gottes und des 'Neuen Menschen', jenseits einer biblischen und säkularen Eschatologie eröffnet sich auf verschiedenen Feldern ein sprachlicher Modus, mit dem sich die Metaphysik des Schwebens artikuliert (Schulz 1985). Besonders die Dichtung begründet in dieser Hinsicht ihre Bedeutung als „das Ins-Werk-Setzen der Wahrheit" (Heidegger 1994: 61), „als das zeigende Erscheinenlassen des Unsichtbaren [und] die höchste Art des Zeichens" (Heidegger 1971: 162). Diese metaphysische Unsicherheit hat ihre Grundlage im Zeichenbegriflf der Moderne, dessen Konfiguration prinzipiell von der zirkulären Struktur des theologischen Zeichens differiert. In der Bibel haben „Zeichen für den Empfänger vergewissernde und erinnernde Funktion, nicht aber als Hinweis auf Abwesendes, sondern als Manifestation des Bezeichneten" (EKL 1985. 4/11: 1360). Dabei vergewissern sie sich entweder „der gegenwärtigen Gel-

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tung einer vergangenen Heilsstiftung [...], dienen zur Bestätigung der wirksamen Gegenwart göttlicher Macht [...] oder sind selbst der Anbruch kommender Ereignisse" (ebd.). Wie in diesem Sinn „jedes Erinnern ein Glaubensakt" (Rauh 2004: 157) ist, etwa in der Eucharistiefeier, sind die Zeichen dem Wort Gottes untergeordnet und auf den Glauben angewiesen (vgl. B H H 1966, 3: 2209). Demgegenüber beruhen Signifikant und Signifikat des sprachlichen Zeichens auf einem Zusammenhang, dessen Arbitrarität die Gegenwart einer dahinterliegenden Wahrheit verwirft. Diese Abwesenheit eines transzendentalen Signifikats, „comme ébranlement de l'onto-théologie et de la métaphysique de la présence" (Derrida 1967: 73), hat ganz unmittelbar das Zerbrechen des göttlichen Zeichens, den Bruch der Verwandtschaft von Vater und Sohn zur Folge. Damit findet eine zweitausendjährige Tradition ihr Ende, die mit der Bergpredigt begonnen hatte: An einer zentralen Stelle (Mt. 5, 17) hatte Christus davon gesprochen, dass er die Weissagungen der Priesterschrift zu erfüllen und nicht aufzulösen habe. Wird die zweite Person der Trinität als das Fleisch gewordene Wort Gottes indes autonom, erhält sie entgegen dem ihm zugewiesenen auch einen eigenen Sinn, den wir in Anlehnung an Jacques Derrida (1972a: 109) mit dem ArbeitsbegrifF Gottessignifikant versehen haben. Einerseits kommt in seinem Namen das Göttliche, das zu höchst gesetzte Seiende zu einem Ausdruck, der doch nur Schein bleibt. Denn andererseits markiert dieser das Ausbrechen der Sprache aus einer Kontinuität, in welche dieses Seiende das Sein gestellt hat, um die Vielzahl der Bedeutungen einem allumfassenden Sinn unterzuordnen. Entzieht sich das Sein der Sprache aber diesem Seienden Gottes, zersplittert der in seinem Wesen aufbewahrte Sinn, der bisher dem väterlichen Subjekt oblag. Nicht die Sinnlosigkeit der Welt entfaltet sich hier, sondern die Vielfalt und Inkontingenz der Sinne. Das höchste Zeichen, mag es Gott oder Mensch heißen, ist nicht mehr im Stande, die Gesamtheit des Seienden in seiner Hierarchie auszudrücken, um sich das Sein gefugig und damit verfügbar zu machen: Vielmehr bildet sich nun zwischen dem Signifikat des Göttlichen und dessen Signifikanten eine unaufhebbare Differenz, die auch die Erwartungen der Zeichenbenutzer in die Wirkung der Worte und deren Einlösung berührt. So steht der Gottessignifikant für sich selbst, und seine Verweisungen entgehen in der Eigendynamik der Sprache der synthetisierenden Macht des Sprechers und dem Urgrund seiner Innerlichkeit. In unserem Zeitkontext erklärt sich diese Wirkung aus jenem Ubergang, der sich vom Apriori der katholischen Einheit und zum Zeitalter ihres Verlusts vollzieht. Wir erinnern dabei an kleinere Erzählungen bzw. Gedichte von Pérez Galdös und Clarin, aber auch an Alltagserfahrungen, den diese und andere Zeitgenossen mit dem Numinosen machen, sei es in Hinblick auf künstleri-

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sehe Darstellungen, auf religiöse Höhepunkte des Kirchenjahres oder politische Krisen. Es entfaltet sich eine Zeiterfahrungspartitur, in der die Monarchie nicht mehr in der Lage ist, die Gegenwart und Verborgenheit Gottes in die eigene Gegenwart und Verborgenheit zu verwandeln. Besonders der Roman, der die Literatur der Restaurationsepoche als Diskursart maßgeblich bestimmen und darüber hinaus auch bezüglich der Konflikte der Zeit nicht ohne Einfluss bleiben sollte, ist aus unserer Sicht ein privilegiertes Wirkungsfeld des Gottessignifikanten. In der von uns vorgenommenen Auswahl, die sich auf Romane von Pérez Galdós und Juan Valera beschränkt, kommt 'der Fehl Gottes' im Verlust einer festen Seinsgrundlage zur Geltung. Hineingehalten in das Nichts des Daseins (vgl. Heidegger 1986b: 15) werden die Figuren vom Einbruch des Unbekannten aus ihrer Bahn geworfen. Deren sich aus dem Text ergebenden Schwächen und Defizite kontrastieren augenfällig mit einer hohen Sinnordnung, wie sie ihnen in sprechenden Namen vorgegeben ist (Pepe Rey, León Roch, Amigo Manso etc.) und sie als ästhetische Figuren in die Nähe von Begriffspersonen rückt (vgl. Deleuze/Guattari 1991). In der historischen Eingangsskizze haben wir den König als „Mittler zwischen den Menschen und den Göttern" (Voegelin 1993: 19) beschrieben. In unseren Textanalysen hielten wir es für durchaus legitim, bestimmte Protagonisten als Figur eines 'Königs' zu lesen, der sich zunächst als Pseudonym eines souveränen Subjektes einführt, um sich in seinem Handeln als eine im Sturz begriffene Göttlichkeit erkennen zu geben. Dabei kam es uns nicht darauf an, im Bildzusammenhang der Literatur nach einer größtmöglichen Kraft des Göttlichen Ausschau zu halten. Es hieß vielmehr im Gegenteil, sich die narrative Sprache in ihrer Verweigerung anzueignen oder als unmittelbaren Ausdruck dessen, was unwiederbringlich entzogen ist. So signalisiert der Tod des fiktiven Ich-Erzählers in Amigo Manso auch das Ende eines Denkens, das die Widerstände der Welt im Flug des idealistischen Philosophen zu überwinden glaubt. So wenig wie sich der Schüler Manuel Peña in ein Ebenbild seines Lehrherrn verwandelt, so wenig folgen auch die Worte in seinen mit allgemeinem Applaus bedachten Reden der Logik einer tragenden Idee: Zu leeren Signifikanten geworden gehorchen sie nur noch den Regeln einer effektvollen Rhetorik. Zugleich nimmt sich die Geburt des Manso aus der Metafiktion und aus der Bewegung der Schrift wie die narrative Inszenierung jener ontologischen Differenz aus, die den Menschen auf die Konstruktionen und Regeln der Sprache verweist. Mit den Anstrengungen des León Roch, die Unterschiede der Geschlechter und Anschauungen in der Einheit der Familie zu domestizieren, scheitert mehr als nur das Repräsentationsprinzip der bürgerlichen Gesellschaft oder das Vereinswesen der Menschheit, um an die Ansprüche krausistischer Intellektueller zu erin-

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nern. Seine Niederlage ist umso totaler, als der Versuch, die Ganzheit eines Leibes von Mann und Frau zu schaffen, in das absolute Gegenteil umschlägt. Die Trennung von Mann und Frau, von Geliebtem und Geliebter sowie von Bruder und Schwester besiegelt den Zerfall des Ganzen in Fragmente und lässt so die Skepsis des Lesers wachsen, ob umfassendere Konstruktionen als bürgerliche Ehe und Familie überhaupt noch denkbar sind. Es stellt sich für ihn die Frage, ob der Mensch überhaupt noch in eine Relation zu Gott als dessen Ebenbild gebracht werden kann: Ist es vorstellbar, dass sich eine transzendente Ganzheit als adäquater Projektionsrahmen für ein Seiendes anbietet, das sich nicht in einem höheren Seienden widerspiegelt und in eine genealogische Rangordnung stellt, sondern sich im Sein disparater Rollenzwänge, Sinnstreuungen und vor allem der sprachlichen Redemodi wiederfindet? Eine entsprechende Beobachtung ließ sich auch im Roman Miau ausmachen, in dem die Erwartungen in einen barmherzigen Vatergott durch die Weltverlorenheit und den Selbstmord des Villaamil gründlich widerlegt werden. Der Sohn des väterlichen logos ist nicht deshalb tragisch zu nennen, weil er sich von diesem Bezug gelöst hat. Seine eigentliche Tragik besteht in den Erwartungen an eine Gottheit, der er zuschreibt, sie könne sich dem Sein der Sprache, dem Dualismus von Anwesenheit und Abwesenheit der Zeichen entziehen. Dabei muss sich dieses göttliche Uberwesen, das sich in den Tagträumen seines Enkels wie ein oberster Bürokrat ausnimmt, doch selbst einer mittelbaren Signifikation bedienen und mit den Ministern als erfolgloser Bittsteller in briefliche Korrespondenz treten. Mit einem Schlag alles präsent zu machen, wie Eco (1991: 400) es einer theologisch strukturierten Verständigung zuschreibt, liegt dem Mathematiker Pepe Rey oder dem Arzt Teodoro Golfin ebenso nahe wie dem Abgeordneten Infante. Diese sind allesamt den Versuchungen ausgesetzt, alles repräsentieren zu wollen, ohne es dabei aufzugeben, sich selbst zu repräsentieren. So will der christologisch gezeichnete Mathematiker Pepe Rey (Cristo Rey) eine ihm feindliche träum- und mythenselige Umwelt durch sein positives Wissen bezwingen. Dabei mutet er sich zu, selbst zum Zentrum einer von ihm entworfenen Wirklichkeit zu werden und sein cogito in den Schatten seines Triumphes zu stellen. Um Ähnliches ist der Positivist Teodoro Golfin bemüht, wenn er der Bergbaustadt Socartes, dem Topos widerstreitender Wissensformen, seine Erkenntnis als einzig mögliche aufdrängen will und dabei eher wie ein Ritter von der traurigen Gestalt erscheint denn als Wissenschaftler. Im Übergang und Vergleich vom Briefroman La Incögnita zum Dialogroman Realidad werden die Grenzen des erkennenden Subjekts umso deutlicher: Ist der Briefschreiber und autodiegetische Erzähler Manolo Infante im ersten Fall in seiner Subjektivität befangen, muss er in der zweiten Version hinter einer Vielzahl von Stimmen zurücktre-

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ten, die erst in ihrer Gesamtheit Aufschluss über die Wirklichkeit geben. Ein weiterer Held mit dem Namen Faustino, der zu den 'problematischen Naturen' des erzählten Jahrhunderts gehört, zerbricht an den hohen Ansprüchen von Familie, Gesellschaft und eigenem Ich. Die Verpflichtung auf den Monotheismus hatte mit der Bindung des Menschen an bestimmte Gebote schon immer einen bestimmten Typus des Menschseins impliziert, selbst dann, wenn das Numinose auf neue Götter übergegangen ist. So treten immer wieder Figuren in Erscheinung, die an der Disziplinierung ihres Selbst zerbrechen oder die ihnen aufgezwungenen Normen zu brechen suchen: Ihr Körper und Geist sind entweder entzweit (Doctor Faustino) oder sie erkennen sich nicht mehr in ihrem Nächsten wieder (Doctor Anselmo). Auch das Bewusstsein des Morsamor hat sich von der Welt getrennt, kann er doch nur im betäubten Zustand seine Abenteuer erleben, die sich an der Grenze zwischen Himmel und Hölle bewegen. In den hier untersuchten Romanen ist abzusehen, dass das cogito in seinen Anstrengungen unterliegt, die ins Leere gehenden Selbstreflexionen in die Richtung eines apriorischen göttlichen Sinns zu treiben. Es steht zunehmend vor der Notwendigkeit, dieses Nichts als Platzhalter von offenen Lebensentwürfen anzuerkennen, um es mit eigenen temporären und fließenden Sinnkonstrukten zu besiedeln. Wenn das Ich noch von den erfüllten Bildern einer religiösen Epoche zehrt oder den Versuch unternimmt, die Gestimmtheit von Subjekt und Welt mit Hilfe neuer ontotheologischer Verfasstheiten des Seins im humanum zu vergegenwärtigen, beginnt das Spiel des Gottessignifikanten. Zumal im Roman kommt es zu einem Wechselspiel zwischen kodifiziertem und textuellem Sinnbezug (vgl. Assmann 1980), aus dessen Bewegung sich Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen den Worten und den Dingen ergeben. Im Ergebnis ist dabei von untergeordneter Bedeutung, ob der Mensch an eine von ihm geschiedene und übergeordnete göttliche Person glaubt oder eine entsprechende Substanz im eigenen Ich voraussetzt. In Hinblick auf die realistische Erzählpraxis konnten wir feststellen, dass sich in den behandelten Romanen eine Bewegung abzeichnet, in der die Leere der metaphysischen Ordnung die Fülle der Realien (als metaphysische Voraussetzung einer gelungenen Mimesis) abzulösen beginnt. Die beobachtende Vernunft des Realismus macht einer Selbstbeobachtung der Vernunft Platz, welche die Selbstreferenzialität modernen Erzählens überhaupt erst ermöglicht. Indem auch das literarische Zeichen seinen Anspruch dieser fundamentalen Einheit mit der göttlichen Realität aufgibt, erschließt sich die Sprache der Fiktion eine Produktivität, die sie für die philosophische Reflexion fruchtbar macht (vgl. Assmann 1980, Eoff 1965 bzw. Karimi 2002).

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3 . 0 MORSAMOR

ODER DIE A B N U T Z U N G

CHRISTLICHER

GOTTESBILDER

In unserer Untersuchung haben wir uns auch nichtfiktionaler Aussagen angenommen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Göttlichen und seinen Darstellungen in der historischen Wirklichkeit nähern: Neben einer Vielzahl von Texten, auf die wir aus pragmatischen Gründen nur verwiesen haben, konnten wir politische (Azcárate 1876), philosophische (Giner de los Ríos 1889), theologische (Campoamor 1865, Laverde 1868, Moreno Nieto 1882), literarische (Nieto 1875, Palacio Valdés 1877-1878, Campoamor 1890), wissenschaftstheoretische (Draper 1885) und kunsttheoretische Quellen (Pérez Villamil 1877, Suarez Bravo 1877, Leighton 1890) berücksichtigen. Gemeinsam ist diesen und anderen Stimmen nicht nur, dass sie sich zwischen 1868 und 1898 Gehör verschaffen. So unterschiedlich die Fragen auch sind, die sie aufwerfen, sosehr kommen sie doch darin überein, dass die einst so mächtigen religiösen Einbildungsstrukturen ihre Bindekraft eingebüßt haben. Wie der religiösen Idee, die Kunst und Dichtung inspiriert hatte, in dürftiger Zeit Fragmentierungen und Brüche wiederfährt (vgl. Alonso Martínez 1877), so erscheinen die tradierten Bilder und Ikonen, die dem Menschen Zugang zum Göttlichen versprechen, vernutzt und entwertet. Im historischen Schaltjahr von 1898, mit dem wir unsere Zeiterfahrungspartitur im wesentlichen abgeschlossen haben, kulminiert dieses „ruinöse Christentum" (Friedrich 1996: 47) am Zerfall des spanischen Reiches, um sich im Rückgriff auf „manichäische und gnostische Frühformen" (ebd.) neuen Bildern zu öffnen. War der spanisch-amerikanische Krieg nach nur wenigen Monaten entschieden, so dass bereits am Ende des Jahres ein Friedensvertrag zwischen den Kriegsparteien abgeschlossen wurde, sollten die politischen und kulturellen Folgen von immenser Bedeutung sein. D e m ohnehin geschwächten und gedemütigten Land haftete fortan das Stigma einer 'sterbenden Nation' an, die den neuen imperialistischen Mächten den Weg freizumachen hätte, um an jene berühmte Rede von Lord Salisbury zu erinnern (vgl. Balfour 1997: 48). Die einstigen Kolonien waren für Spanien verloren, nicht etwa weil das Zeitalter des Imperialismus bereits seinen historischen Abschluss erreicht hätte, sondern weil sie zu den letzten Relikten eines anachronistischen Reiches gehörten, „which had become strategically important in the new drive for imperial expansión of the late nineteenth Century" (vgl. ebd.: 46). Aus dieser Niederlage erwächst in Spanien das allgemeine Empfinden eines unabwendbaren Verfalls, dessen sichtbare Zeichen bislang nur von einem Ubermaß an Illusionen verdrängt worden waren (vgl. ebd.: 66). Noch zwei Jahre nach

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dem Desaster konnte man in der Presse die Bestürzung nachlesen, die vor allem die intellektuellen Zeitgenossen erfasst hatte. Alles sei in diesem unglücklichen Land zerbrochen; es gäbe keine Regierung mehr, keine Wählerschaft, keine politische Partei, keine Armee und keine Flotte, so heißt es in einer Zeitung aus Madrid. Alles beruhe auf abgelebten Fiktionen. Doch in Wahrheit befinde sich das Land in Niedergang und bestehe nur noch aus Ruinen (zit. nach ebd.). Im Zeichen einer spanischen Regenerationsbewegung, „a deliberately vague and ambiguous concept" (Harrison 2000: 5; vgl. Varela Ortega 1998: 264-267), suchen Intellektuelle, Wissenschaftler und Literaten nach den Symptomen für die Krankheiten der Nation. Deren Vorstellungen schließen sich auch gestandene Politiker wie Francisco Silvela (1843-1905) an, die als Reaktion auf die englischen Totenreden die baldige Auflösung des spanischen Staatskörpers erwarten (Harrison 2000: 5). Sosehr diese Vorstellungen auch biologische und historische Prozesse miteinander verknüpfen, sosehr bestätigen sie in ihrer Ontotheologie doch, dass mit dem über Erdteile verstreuten Reich auch eine Transzendenz ihren historischen Abschluss findet. War die imperiale Identität über Jahrhunderte auch Garant der territorialen Einheit gewesen, so fuhrt dieser doppelte Verlust in jener Phase auch zu einer Schwächung der nationalen Einheit: „Más bien diríamos, que el Imperio hizo a España y que su caída, si no ha deshecho su unidad, al menos la está haciendo retemblar" (Bueno 1999: 367). Alle Teile dieses bisherigen Ganzen, Kirche, Staat, Untertanen und besonders die Provinzen, die lediglich in der imperialen Transzendenz miteinander verwoben waren, müssen einen neuen Standort finden. Sie müssen ihre Legitimation mit den geänderten Voraussetzungen in Ausgleich bringen. Wie auch andere Quellen (vgl. Brenan 2001) haben wir daraufhingewiesen, dass sich die aus dem Gesamtzusammenhang entlassenen Akteure vornehmlich mit Gewalt begegnen, da sich deren gegenläufigen Interessen, „in the absence of any common plan of life" (ebd.: 18), zunächst in destruktiven Energien entladen. Einen Vorgeschmack auf diesen Vorgang haben wir bereits mit einer frühen Erzählung von Pérez Galdós La conspiración de las palabras aus dem Revolutionsjahr 1868 erhalten, die den Kampf aller gegen alle auf groteske Weise nachgestaltet und dabei die Gattung des esperpento antizipiert (Smith 1992: 59). Der Macht des großen Akademiewörterbuchs entronnen, streiten die Lexeme bis aufs Blut miteinander, da sie in den anderen Sprachgliedern zu Recht Bedeutungen vermuten, deren Konnotationen ihnen einstmals gegen ihren Willen zugewiesen worden waren. Allenfalls eine gottähnliche Grammatik als Lehre von den Strukturen und Regeln der Sprache ist noch im Stande, die bisherige Ordnung unter Zwang zu restaurieren, so dass sie,

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wie von Nietzsche (1999, 6: 78) angenommen, eine göttliche oder zumindest gottähnliche Stellung einnimmt. Eben diese Transzendenz weiß sich am Nullpunkt spanischer Geschichte kaum noch Geltung in bürgerlichen Kreisen oder gar im proletarischen Milieu der Städte zu verschaffen, so dass sich das Land auf einer neuen immanenten Grundlage definieren muss. Zu sehr den mächtigen Interessengruppen (Kaziken, Parteien) ausgeliefert und vor allem der früheren „miembros del cuerpo político del Imperio" (Bueno 1999: 366) entblößt, mutet die spanische Monarchie eher wie eine Attrappe an, die schwerlich noch als Projektion vertikalen Seins begriffen werden könnte. Vordergründig setzt die Niederlage Spaniens das Prestige althergebrachter Institutionen, vor allem einer antimodernen und ebenso verunsicherten Kirche, aufs Spiel, „que se había implicado claramente en el conflicto a favor de la intervención militar [...]" (Mira Abad/Moreno Seco 2003: 259). Doch wie eine jüngere Untersuchung über den mentalen Wandel in der Provinz Alicante zeigt, gibt der schwindende Einfluss der Geistlichkeit, in welcher der republikanische Kleinbürger und der anarchistische Arbeiter die Macht in ihrer sakralen, vertikalen und repressivsten Instanz erblickt (vgl. Delgado 1992), zudem Aufschluss über jenen „proceso caracterizado por una pérdida de influencia de la religión en la sociedad, que a su vez implica modernización" (Mira Abad/Moreno Seco 2003: 257). Hartnäckige Versuche einer erneuten Missionierung zeugen davon, dass die Gesellschaft eine Entchristianisierung erfasst hat, deren Zeichen zur Jahrhundertwende unübersehbar geworden sind (ebd.: 261-263). Wenn Intellektuelle „eine auratische Vergangenheit heraufbeschwören, um noch für wenige Wochen die Illusion der Ebenbürtigkeit mit einer mächtigen Nation der Gegenwart zu retten" (Gumbrecht 1990, 1: 791), zeigt sich, dass eine negative Metaphysik die Zeit bestimmt, in der sich die Geschichte eines spatium imperiale nicht mehr erfüllen kann und sich gerade aus dieser Leere Anlässe zu Debatte und Reflexion ergeben. Denn angesichts jener „eclipse definitivo del Imperio español" (Bueno 1999: 18) sind die auf Zukünftiges gerichteten Hoffnungen unerfüllt geblieben, „[pues] la Idea de Imperio, una vez liquidado el Imperio real, en 1898, siguió actuando en España" (ebd.). Als eines der frühesten literarischen Beispiele darf in dieser Hinsicht der eher vergessene Roman Morsamor (1899) von Juan Valera gelten. Eine Reihe jener Motive, die uns in den anderen narrativen Texten beschäftigt haben, finden hier konzentrierten Ausdruck und sollen in diesem Zusammenhang resümiert werden: Die Trennung des körperlichen Seins vom Bewusstsein (Amigo manso, Marianeid) bzw. die Zerrissenheit zwischen den empirischen Wahrnehmungen und jenem vom Christentum aufgewerteten inneren Menschen (Doña Perfecta), die Auflösung des persönlichen Gottes im bloßen Sein

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oder in der Allheit der Natur gehören zu jenen Leitgedanken, die sich am Ende unseres Zeitbogens in diesem Text verdichten. Mit Morsamor stellt auch Juan Valera entgegen früheren Ansichten unter Beweis, dass gerade eine Zeit, die ihrer großen religiösen und historisch erhabenen Bilder entblößt ist, die Reflexion der Metaphysik treibenden Subjekte erfordert. Zudem fuhrt uns dieser Roman auf das Problem der Abnutzung von Sprache und Bildern, das uns immer wieder beschäftigt hat. Der erste Teil erzählt dem vom Verlust des Imperiums erschütterten Leser, „al considerar a España tan abatida" (Valera 1984: 63), wie der Mönch Miguel de Zuheros dank der weißen Magie seines Mitbruders Ambrosio seine Jugend zurückgewinnt und zum Ritter Morsamor wird. Dessen Ziel ist es, an den großen iberischen Weltumsegelungen des 16. Jahrhunderts teilzunehmen, um ferne Länder, nunca dantes navegados, kennen zu lernen und für die Christenheit zu gewinnen. Der zweite Teil lässt Züge einer historischen Erzählung erkennen, die den Helden auf eine Initiationsreise ins Jenseits seiner bisherigen Erfahrungswelt (vgl. Litvak 1985) schickt und so auch die Auseinandersetzung mit einer apriorischen Transzendenz wagt. Mit seinem Schiff steuert er in Begleitung seines Mitbruders Tiburcio von Lissabon aus jenen Seeweg an, den vor ihm schon Vasco da Gama am Kap der Guten Hoffnung vorbei nach Indien genommen hatte. In Goa und Benares macht Morsamor die Bekanntschaft mit dem Reinkarnationsglauben fernöstlicher Sekten, in denen sich die starke Prägung des Romans durch theosophische und spiritistische Strömungen der Zeit mitteilt (Litvak 1985). Was zunächst wie die Verpflichtung auf ein großes imperiales Ziel zu sein schien, „a extenderse y a triunfar la religión de Cristo y la civilización de Europa" (Valera 1984: 73), offenbart nichts als eine Aufeinanderfolge sinnloser Ereignisse, eine „vertiginosa sucesión de imágenes, de mundos, de escenarios diversos y casi siempre exóticos" (Ferreras 1988: 110), welche die gestaltende Kraft einer Idee oder gar eines Gottes vermissen lässt. Nachdem er es dem portugiesischen Seefahrer Magellan gleich getan und die Erde umrundet hatte, erreicht er den alten Kontinent auf dem Schiff 'Victoria', das noch in der Sichtweite der portugiesischen Küste in einem Sturm untergeht, „en este momento, [...] cuando ya acaricia el triunfo, levántase furiosa tempestad y nuestro héroe se hunde en las aguas" (ebd.: 113). Die Rahmenhandlung, die den ersten wie den dritten Teil des Romans miteinander verknüpft, endet da, wo sie in der zurückgezogenen Atmosphäre des Klosters begonnen hatte. Wie aus einem langen Schlaf erwacht Morsamor, der stets der greise Mönch geblieben war, um von seinem Magus zu erfahren, dass seine Reise in die Ferne und seine Abenteuer nur auf einem Traum beruhen. Das Ende dieser Illusion im Zustand wiedererlangten Bewusstseins bedeutet, so wie es im 'Tanzlied' aus Nietzsches Zarathustra anklingt (Nietzsche 1999, 4: 285-286),

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das Aufwachen aus einem rauschhaften Leben, das der Lust keine Dauer verheißt, sosehr sich diese auch nach Ewigkeit sehnt: Vom Drang alles Irdischen befreit, will sich der todkranke Ordensmann mit Gott versöhnen. Doch als geheimer Arrangeur der Wunderkräfte stellt Tiburcio eben diese saumselige Verneigung vor dem christlichen Schöpfer in Abrede. Nach seinen Worten habe der verstorbene Bruder Miguel de Zuheros „aquel misticismo de última hora" nur erfunden, „para darse tono y para engañar a la vez al mágico que le había engañado" (Valera 1984: 314). Der verstörte Alchimist, Bruder Ambrosio, vermeint in dem zynischen Mitbruder die Gestalt Satans selbst zu sehen und verbrennt jene von der Mutter Kirche gebilligten Schriften der Magie, die dem Verstorbenen einst seine imaginäre Reise ermöglicht hatten. So sind der sich imaginierende Ritter und sein Mentor Ambrosio selbst jenem androgynen D ä m o n erlegen, deren Trugbilder ein wohlmeinender Gott letztlich nicht zu bannen wusste. Unmittelbar vor seinem Ableben bleibt Morsamor dennoch die aus den Psalmen gewonnene Einsicht, dass den Tapferen der Sieg im K a m p f ebenso wenig gehört wie den Klugen der Reichtum und den Begabten der Beifall. Einerlei wie die Verdienste oder Fehlschläge eines Menschen auch immer gewesen seien, einerlei ob er sie erlebt oder erträumt habe - stets sei er einer irdischen Geschichte unterworfen, die sich in Zeit und Zufall, im launischen Spiel historischer Ereignisse erschöpfe, „sed tempus casumque in ómnibus" (Ecl 9,11). Wenn der Mensch als historisches Subjekt abdankt und Schlüsselereignisse wie der Spanisch-Amerikanische Krieg lediglich als Details eines im Grunde flüchtigen Menschheitsdramas zu erachten sind, scheint der christliche Gott mit seinem unergründlich erscheinenden Heilsplan obsiegt zu haben. Auch in seinem Charakter könnte sich Morsamor als ein Mann ohne Eigenschaften erweisen, dem lediglich die Aufgabe zufiele, Bauer im göttlichen Schachspiel zu sein und sich dem „Todo cósmico o divino" zu beugen (Ferreras 1988: 117). So könnte man sich der Ansicht anschließen, dass der Roman eine im Grunde recht traditionelle katholische Konzeption vertritt, die den Menschen in den Schoß der Mutter Kirche zurückführt. Doch unter der Oberfläche des Textes scheinen sich eben Figuren jener unvertrauten Transzendenz zu sammeln, die sowohl über den alten Gott als auch über den 'Neuen Menschen' hinausweist. Zunächst führt der Erzähler den Mentor und seinen Schüler als fromme Christen ein, die beide von jenem messianischen Glauben beseelt sind, wie ihn Valera (1949, 3: 1139) an anderer Stelle noch als Symptom des nationalen Niedergangs beklagt hatte. So erträumt sich der Magus die Spanier als „[un] flamante pueblo de Dios y nuevo e inmortal caudillo que la providencia suscitaría a fin de que se cumpliesen sus altos designios" (Valera 1984:

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78). Wie eine Prophetie jenes Nationalepos von Camöes stellt sich der künftige Ritter schon bald ein großes Poem vor, in dem seine Landsleute die Rolle des Kollektivhelden übernehmen, „como pueblo elegido, como nuevo pueblo de Dios que había de vencer a todos los enemigos de su ley, [...] que había de dar cima a mil inauditas empresas" (ebd.: 105). Der implizite Autor befindet sich gleichwohl im Zeitalter eines europäischen Imperialismus, in dem Leitbilder dieser Art religiöser Patina kaum mehr bedürfen und längst zur Legitimation barbarischer Unternehmungen verkommen sind. Inzwischen wütet die Kolonialpolitik der europäischen Mächte, vor allem seitens jenes Spaniens der Moderne, in gnadenlosen Schlächtereien gegen andere Völker, „[and] the whole white race is reveling openly in violence, as though it had never pretended to be Christian", wie der britische Poet Wilfred Scawen Blunt (1840-1922) am Ausgang des 19. Jahrhundert resigniert anmerkt (zit. nach Hamerow 1983: 411). Vor dem Hintergrund dieses aus Erzählersicht anachronistischen Bewusstseins wird auch jenes obskurantistische Weltbild verständlich, das Vasco da Gama den Afrikanern nach den Worten des Erzählers nahe zu bringen sucht, „que España era la cabeza de Europa y Portugal la cumbre de la cabeza; que el rey portugués era el primero de los reyes y que el mismo nombre de Dios era su nombre [...]" (Valera 1984: 179). Doch diese Apologien bestätigen nur, dass der skeptische Protagonist seine Reise keinesfalls auf so sicherer Grundlage antritt. Schon der Umstand, dass ihn nicht sein Kinderglaube in Trance versetzt, sondern die von seinem Mentor beherrschten magischen Zeichen, macht ersichtlich, dass auch die sprachlichen Repräsentationen der Religion aus korrumpierbaren Setzungen erwachsen. Lediglich ein Idiom, „primitivo y puro" (ebd.: 110), das den Gesetzen der Alltagssprache gänzlich enthoben ist und unmittelbar dem Bezeichneten anhaftet, verfugt noch über die ursprüngliche magische Kraft. Diese aber bleibt allein einer kleinen Schar von Auserwählten vorbehalten, wie dem Alchimisten Bruder Ambrosio de Utrera, dem Mystiker und Philosophen Paracelsus, dem mit Okkultismus und Kabbala vertrauten Arzt Agrippa von Nettesheim, dem sagenhaften Astrologen Johann Faustus, dem fernöstlichen Gelehrten Sankarachária, die allesamt miteinander in eine symbiotische, aber außersprachliche Beziehung treten. Wie sich die Geheimsprache des Klosterbruders im heimatlichen Spanien in ihrer Essenz nicht an andere übermittelt lässt, so beruht auch die okkulte Wissenschaft in jener Republik der indischen Mahatmas allein auf deren innerer Weisheit, Selbsterfahrung und Reinkarnation. Was hier wie dort der breiten Masse zugänglich gemacht werden kann, beschränkt sich als „toda aquella parte más vulgar de su magia" (ebd.: 81) lediglich auf empirisches Wissen und blasse Routine. Weisen die geheimen Worte indes Bezüge zum

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pneumatischen Sprechen auf, wie es als „lebenspendender Atemhauch (Lebensodem) Tieren und Menschen von G o t t geschenkt ist (Ps 1 0 4 2 9 Prd 3 1 9 ) " ( B H H 1 9 6 2 , 1: 5 3 4 ) , so evoziert dieses unverdorbene Idiom die Sprache der Gnosis als „Urform christlicher Mystik" (Keller 1 9 9 4 : 197). Im Gestus des Magischen und Ubersinnlichen, der sich der unmittelbaren Signifikation zu bedienen pflegt, ist sie die „erste große Psychotherapeutik" (Sloterdijk 1993: 4 6 ) überhaupt, geht es ihr doch zuvörderst nicht um ein überpersönliches Heil im Geiste einer abstrakten Moral. Die Gnostik erweist sich vielmehr als „mythischer Ausdruck der Selbsterfahrung" (Quispel 1 9 9 5 : 3 9 ) , in dem sich „eine neue Sprache der Unzufriedenheit mit der Welt" (Sloterdijk 1 9 9 3 : 29) Gehör verschafft. Offensichtlich haben wir es mit einem allgemeinen Unbehagen an der Kultur zu tun, das die grüblerische Titelfigur des Morsamor eindringlich artikuliert. Eingedenk dieses gnostischen Hintergrunds entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass sich der Held auf eine innere, eine virtuelle Reise um die ganze Welt begibt, die sich als eine Suche nach Ursprüngen jenseits falsch erachteter mittelalterlicher Ideale ausweist, „[caídos] por tierra como ídolos quebradizos, desbaratados y rotos bajo los certeros golpes del cetro de hierro de los nuevos soberanos" (Valera 1 9 8 4 : 69). Denn gleichzeitig unterminiert der fromme Mentor die skizzierten Chimären imperialer Macht, wenn er seinen Ritter getreu der dem Roman vorangestellten Devise des auktorialen Herausgebers von seiner Ruhmsucht zu heilen gedenkt. Valera selbst hatte in seiner Vorrede daran erinnert, dass sich die Regeneration Spaniens nicht im Bau neuer Schiffe und Schutzwälle zu bewähren habe, sondern in dem Versuch, den eigenen Niedergang in Geschichten zu bewältigen (ebd.: 65). Man solle jenem im letzten K a m p f unterlegenen Don Quijote nacheifern, der es fortan aufgeben sollte, den verwegenen Ritter nach dem Vorbild des Amadis von Gallien zu spielen, um „als isolierte Einbildung und phantastische Verrücktheit in die reale Prosa und Gegenwart des Lebens" (Hegel 1 9 7 9 , 15: 4 1 0 ) zu treten und als ein ebensolches Relikt der Vergangenheit unverstanden zu bleiben. W i e ambivalent diese tragische Einsicht ist, zeigt sich allerdings im Schicksal der beiden Figuren, die nach dem Erwachen aus ihrem heroischen Rausch nur noch den Tod zu erwarten haben. Am Ende seines Lebens, das wie der Untertitel des Romans besagt, an Irrungen und Wirrungen, an „peregrinaciones heroicas y lances de amor y fortuna" reich ist, bescheidet sich Morsamor mit der bloßen Selbsterkenntnis, von einer Geschwulst, „un cáncer [...] que roía mis entrañas" (Valera 1 9 8 4 : 3 1 0 ) , geheilt worden zu sein. Bevor die Poesie jedoch abdanken muss, malt sie dem eher ziellos umher streifenden Morsamor die Kolorite aus, die der im 19. Jahrhundert gefeierten Religionsgeschichte entnommen sind. In seinem Traum, in dem er nach

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Ernst Jünger „für einen Augenblick den wunderbaren Teppich der Welt mit seinen magischen Figuren [erblickt]" (zit. nach Biedermann 1998: 450), wird zur Wahrheit, was sich schon die Titelfigur von Balzacs Louis Lambert ersehnt hatte: Dieser wollte sich in Abgründe der Vergangenheit einschiffen lassen, „comme l'insecte qui posé sur quelque brin d'herbe flotte au gré d'un fleuve" (Balzac 1980: 28). Auch Morsamor sinnt darauf, den Charakter alter Völker zu erkunden und jene großen Geister kennen zu lernen, die einst diese Wörter schufen und um ihre mythische Tiefendimension wissen. Obschon sich der einstige Klosterbruder immer weiter nach Osten wendet und dabei fiir abendländische Reisende bislang unentdeckte Wege einschlägt, hält er Ausschau nach ersten Ebenbildern seines christlichen Gottes oder nach indischen und fernöstlichen Vorbildern, die diesen in einer fremden semantisch-kulturellen Welt zu präfigurieren im Stande wären. Seine virtuelle Erdumrundung könnte man demnach als Selbstentäußerung des Geistes deuten, die sich nach dem platonischen Schema im Ubergang vom verharrenden Urbild zum hervorgehenden Abbild und schließlich in der Rückkehr zur originären oder Gestalt Idee bewährt (vgl. Horn 1995: 129). Auf dem magischen Wort auf eine im Grunde metasprachliche Reise geschickt, begegnet er derweil anderen esoterischen Idiomen, die sich eingedenk ihres hermetischen Charakters vor ihrer Abnutzung in Raum und Zeit abzuschirmen wissen und dennoch selbst bei dem unkundigen Protagonisten eine Ahnung vom Reichtum außerchristlicher Religionen hinterlassen. Insofern ruft seine Fahrt auch weniger die Expeditionen jenes portugiesischen Abenteurers Fernäo Mendes Pinto (1509-1583) ins Gedächtnis, der als Zeitgenosse des Morsamor in Frage kommen könnte. Eher erinnert uns dessen Suche an den ins Nichts hinein gehaltenen Menschen des 19. Jahrhunderts, der mit seiner eigenen Nichtigkeit erfährt, dass „nichts mehr da [ist], vor allem kein Gott, der das Dasein trägt und begründet" (Schulz 1991: 45, vgl. dazu auch Heidegger 1986). Mag er sich auch an jenem Monotheismus orientieren, „[che] cerca instancabilmente l'unico fra i molti" (Volli 1992: 15), so begibt er sich doch auf die Spur jener Vielgötterei, die fiir die vor- wie nachchristliche Zeit konstitutiv ist. Denn zumal der „in der Moderne entstehende gesellschaftliche, religiöse und weltanschauliche Pluralismus [...] ein prinzipieller geworden [ist], lässt er sich auch metaphysisch nicht aufheben" (Körtner 2001: 228) Die Vergangenheit des Christentums ist auch dessen Zukunft, die einen a-christlichen Polytheismus herauf beschwört und nicht „in der Rückkehr der Philosophie zum Gott des Christentums" (ebd.) mündet: Der nichtebenbildliche Projektionsrahmen, wie er in den vielgestaltigen Gottheiten der alten indischen Kultur ebenso sichtbar wird wie für das theosophische Sektenwesen empfängliche bürgerliche Milieu in Spanien, mag

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sich schwerlich den Postulaten eines „Dios único" (Litvak 1985: 197) unterordnen, wie sie vom impliziten Autor vertreten werden. Selbst die Rigveda, der seinerzeit auch in Spanien weithin rezipierte älteste Text in Sanskrit (vgl. ebd.), besingt in ihren Hymnen und Lobliedern nicht, wie der Roman in der zitierten Stelle insinuiert, einen Gott allein, sondern eine Mehrzahl von Gottheiten, die in ihrer Mannigfaltigkeit bei anderen Völkern der indoeuropäischen Sprachgruppe unter anderen Namen erscheinen. Der ewige Widerstreit zwischen Mono- und Polytheismus tritt hinter einem Glauben „an einzelne, abwechselnd als höchste hervortretende Götter" (Kaegi 1881: 48) zurück, in dem beide Auffassungen in einen Ausgleich gebracht werden und ihre wechselseitige Bedingtheit unter Beweis stellen. Wenn das so verehrte Numen aber in sich verschieden ist und immer andersartige Gestalten reinkarniert, kann es auch nicht jenem göttlichen Subjekt entsprechen, das in „Jesus die Identität des Vaters und Gottes" ( W B B 1964: 285) verbürgt. Der Zweifel an einem einzigartigen göttlichen Wesen, das seine Herde wie ein guter Hirte beschirmt, ist auch dem Gelehrten Sankarachária, einem Diener des Siddharta Gautama, anzumerken. Dieser ist eher einem pantheistischen Gott zugetan, „el ser único, infinito e indeterminado en quien todo cuanto es y en quien todo cuanto puede ser se contiene" (Valera 1984: 197), in dem der Einzelne sein Selbst verliert und sich ganz der Unendlichkeit der allumfassenden Substanz hingibt, „acabada ya la serie de transmigraciones del alma y gozando de inefable reposo" (ebd.), wie dies dem am Ende in den Fluten versinkenden Morsamor widerfährt. Die unverrückbar erscheinende Grenze zwischen Gut und Böse als Trennlinie zwischen Segen und Fluch, Heil und Unheil verblasst (vgl. N H T G 1991, 1: 37), wenn eine mit dem Göttlichen identische Natur, den Fluch der Erbsünde tilgt, wie dies die aus der Sicht der abendländischen Gäste moralisch vage, und daher um so dämonischer anmutende Lehre der Mahatmas nahe legen mag (vgl. Valera 1984: 2 5 8 f ) . Auch die Anspielungen auf eine pagane Viel- oder Allgötterei beschränken sich nicht auf die fernen Ziele der Reise. Die beiden Kurtisanen, die Morsamor zuweilen Gesellschaft leisten, wecken in ihrer ewigen Jugend Assoziationen an „las deidades mitológicas [...], los seres inmortales" (ebd.: 123). Macht Olimpia de Belfiore in ihrem Verstand und Gebaren starke Renaissancemenschen wie Lucrecia Borgia oder die Herzogin von Ferrara gegenwärtig, ruft Teletusa la Culebrosa als neue Herodias die vom Dichter Martial gefeierte antike Tänzerin in Erinnerung, während deren Diener so hinlänglich bekannte Namen tragen, wie Asmodi, dem „Vorkämpfer des bösen Prinzips" ( R G G 1956, 1: 649), und Beizebub, „ein schimpflicher Beiname, den die Juden dem Baal gegeben [haben]" (WdM 1874: 100). Ähnlich verhält es sich mit jenen materialistischen Anschauungen der Teletusa, welche die All-

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gottlehre von ihren theologischen Grundlagen löst, um sie einer von Atomen und Molekülen bewegten allgegenwärtigen Materie zuzuschreiben. Diese umfasst alle denkbaren Stoffe, Geschmacks- und Moralvorstellungen bis in ihre gegensätzlichen Ausprägungen, „sin que sean menester elementos distintos para producir las mil distintas cosas que llenan y enriquecen el universo" (Valera 1984: 172). Gleichwohl werden diese widerstreitenden Anschauungen nicht mehr von einem monotheistischen Prinzip zusammen gehalten. Im Unterschied zum Intertext der Lusiadas, der wie ein entsprechendes und gleichsam ungleiches Doppel an ihm haftet, haben wir es nicht mehr mit einem heidnischen Götterhimmel zu tun, der sich damit bescheidet, einen poetischen Vermittlerstatus zwischen einer immerhin erkennbaren göttlichen Vorsehung und den sterblichen Helden auszuüben (vgl. Nicolopulos 2000: 93). Steht die Religion im Epos als Synonym für die Expansion des Reiches, „because the latter is linked to the workings of divine providence" (Lim 1998: 211), verkehrt sie sich im Roman zu einem privaten Bekenntnis, das dem von heftigen Selbstzweifeln befallenen Protagonisten kaum noch ein Kompass auf seiner Seereise ist (vgl. Valera 1984: 295). Schließen wir hingegen von ihm auf Gott als den einzigen Garanten seines mit sich selbst identischen Ichs, erscheint nicht nur Morsamor als „poseedor de una personalidad gris y sin relieve" (Litvak 1985: 184). Es stellt sich letztlich die Frage, ob sein fehlendes Profil nicht ein menschliches Korrelat jener Konturlosigkeit ist, die auch sein göttliches Gegenüber erkennen lässt. Dass letzteres kaum noch Ähnlichkeiten mit jenem persönlichen Gott aufweist, wie es in der philosophischen Tradition als „Ursache des Seienden" (Heidegger 1997: 242) gedacht wird, ist eine Erfahrung, die sich auch in diesem Roman wiederholt: Zwischen Liebe und Tod dahin taumelnd mag Morsamor im Zeichen seines Namens nur ein Spielzeug in der Hand des Schöpfers sein. Doch dieser ist ebenso in einem kosmischen Ganzen aufgegangen wie sein Geschöpf, das wie er zu einer unerklärlichen Größe geworden ist. Diese Sicht einer negativen Ebenbildlichkeit sieht sich in den Akzidenzen der historischen Dauer bestätigt, zu dem sich ihr kosmisches Pendant, „[la] Primera Causa" (Ferreras 1988: 117), nicht indifferent verhält (vgl. WBB 1964: 790). Reflektieren wir „die volle Bedeutung des Begriffs der Geschichte [...] als die umfassende Seinsweise der menschlichen Existenz, die auch noch die Erkenntnis des Immerseienden [...] in sich begreift" (vgl. RGG 1956, 2: 1496), können wir die historische Zeit nicht vom Numinosen trennen, um so weniger als das höchste Seiende im Christentum „jenseits des ewigen Kreislaufs von Leben und Tod" (Tillich 1963: 20) ein Gott der Zeit und nicht wie sein jüdischer Urahn ein Gott des Raums ist. Im Kontext des Romans offenbart sich das Verdämmern christlicher Offen-

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barung, das sich in die Geschichte zurückwirft, auf mehrfache Weise: im Unvermögen des portugiesischen Reiches, „como árbol frondoso, rico en flores y frutos, cuyas raíces no penetraban hondo en la tierra" (Valera 1984: 195), seine asiatischen Territorien den anderen Transzendenzen zum Trotz in der Einheit von Religion und Imperium miteinander zu verschmelzen, im Scheitern des spanischen Reiches, seinen bisherigen Kolonien eine gemeinsame Transzendenz zu geben und zu verhindern, dass diese in ihrer Vielzahl neue territoriale Bindungen eingehen. Dass der Bruder Ambrosio, „[que] desempeña el papel del autor omnisciente" (Wolfzettel 2002: 206), seine Bücher der Magie verbrennt, offenbart nicht nur das klägliche Ende des realistischen bzw. naturalistischen Projektes in der Literatur. Als „testamento literario y político de la generación del 6 8 " (Ferreras 1988: 109) zieht es zugleich Bilanz über die Odyssee der Zeitgenossen, die diese durch philosophische Schulen, religiöse Anschauungen und politische Auffassungen geführt hatte. Unter diesem Aspekt metaphorisiert die Traumfahrt des Morsamor durch fremde Religionen und Transzendenzen jene Irrfahrten, welche die spanischen Intellektuellen im letzten Drittel ihres Jahrhunderts zwischen Idealismus und Materialismus, zwischen Werden und Evolution (vgl. Nuñez 1969 bzw. 1975), zwischen der Theologie eines zum menschliches Logos gewordenen Gottes und gnostischer Selbsterfahrung zurücklegten. Primär besiegelt die Vernichtung der magischen Quellen indes den unwiderruflichen Bruch zwischen den liturgisch erstarrten Formeln oder Bildern und jener gnostischen Selbsterfahrung, die sich in ihren Tag- und Nachtträumen unausgesetzt ihre eigenen Einbildungen schafft. Der Mentor muss sich eingestehen, dass sich diese letztlich ebenso seiner Kontrolle entziehen wie die esoterische Lehre, die eine schattenhafte Begleiterin der christlichen Kirche war, aber immer wieder von ihr als Häresie verurteilt wurde. Die Gnosis sucht Gleichnisse und Bilder, wie sie in den kanonischen und apokryphen Schriften entfaltet werden, nicht in ihrem Literalsinn zu verstehen. Vielmehr interpretiert sie Sprachfiguren oder Begriffe wie etwa das 'Reich Gottes' als Bildworte, die sich nicht von einem theologischen Lehrgebäude vereinnahmen lassen: Mitnichten verweisen sie auf die mächtige Verheißung eines himmlischen Topos, den es in der Treue zu einem Kirchenglauben zu erringen gilt. Das 'Reich Gottes' liegt nach Auffassung der Gnostiker im Selbst des Menschen und symbolisiert einen höheren Bewusstseinszustand, der sich in jedem Individuum auf spezifische Weise vollzieht. Auch Jesus Christus gerät dabei eher zum Sinnbild mystischer Selbsterkenntnis denn zu einem Messias, der den einzelnen im Versprechen auf ein Himmelreich von dieser Sinnsuche entbindet. D a diese Erfahrungen auch jeweils andersartige Vorstellungen evozieren, sind sie unmittelbar dem Selbst vorbehalten und bewähren

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sich in der Intimität eines inneren sprachlichen Gestus: „Each person must receive 'his own name' - not, o f course, one's ordinary name, but one's own identity" (Pageis 2006: 136). Im Rekurs auf ein zeitloses okkultes Idiom, das auf frühe Offenbarungen aus der Kabbala, griechischer Philosophie, aus persischen wie ägyptischen Religionen zurückgeht, verkörpert sich die zeitgestimmte Sehnsucht nach einem unverbrauchten sprachlichen Gestus, „[como] „las palabras [...] han caído de su primitiva nobleza y están villanamente oscurecidas y deformadas [...]" (Martínez Sierra, zit. nach Litvak 1985: 195). Der Unmut über ein provinzielles Christentum, „puramente occidental" (Litvak 1985: 187), impliziert damit auch das Unbehagen an sinnlich entleerten Formeln und Bildern, die in der jüngeren Kirchengeschichte inzwischen selbst bei Theologen zusehends ihre Autorität eingebüßt haben. So lässt sich die Flucht aus einer eidetisch überlebten Konkretion exemplarisch an den sich wandelnden Einbildungsstrukturen eines Himmels belegen, der sich seiner „Gestalt und Farbe" entledigt hat und ein „konturloses, graues Gebilde" geworden ist (Beinert 2006: 115). Die Anschaulichkeit jener Wohnstätte Gottes (vgl. W B B 1964: 328-331), „feliz con su sola contemplación y haciendo dichosos á los espírituos á quienes revela la inmensidad de su ser" ( E P N 1862, 1: 511), ist im Laufe des 20. Jahrhunderts abstrakter Gedanklichkeit und nichtsinnlichen Formen gewichen (vgl. Lang/McDannell 1990: 466f)- Die reformierte wie katholische Theologie erkennt im Himmel lediglich „das theologische Bildwort für den endgültigen Heilszustand der durch Christus mit Gott für immer vereinten, geretteten Menschen [oder] für die neue Form seiner Anwesenheit." Er könne nicht „räumlich bestimmt werden, weder außerhalb noch innerhalb der Welt, aber [...] auch nicht einfach als 'Zustand' vom Zusammenhang des Kosmos abgelöst werden" (LTK 1960, 5: 355). Es bleiben nur Worte aus abgegoltenen Bildern, die als rhetorische Instrumente „einen Problemfall im Modell des Geläufigen" ( E K L 1985, 2/4: 213) abbilden, um das Göttliche zu entmythologisieren und unserer Logik zu unterwerfen (vgl. Bultmann 1992). Auf diese Weise ist es uns kaum noch gegeben, an den naiven Naturalismus des Paradieses und die lieben Engelein zu glauben. Zugleich fehlt es uns aber auch an neuen Bildern, die uns noch glaubwürdig mit einem göttlichen Wesen vertraut machen könnten.

4 . 0 D I E O F F E N H E I T DER TRANSZENDENTALEN

EINBILDUNGSKRAFT

A m Ende unserer Untersuchung lassen sich Konsequenzen ziehen, die über deren unmittelbaren Gegenstand hinausgehen. Sie verdichten sich zu der Frage, warum Menschen ihren Glauben an Gott verlieren, zu Agnostikern wer-

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den oder in Hinblick auf die Religion zur Indifferenz neigen. Warum verkehrt sich das Vertrauen in einen liebenden, häufig aber auch strafenden Schöpfergott in Skepsis und Unglaube? Eine erste Auskunft erhalten wir von der Rechtstheorie, die den herrschenden Diskurs immer noch zu prägen scheint. Demgemäss wird die Religionsfreiheit als Fundament aller menschlichen Freiheiten, als „das Ursprungsrecht der verfassungsmäßig gewährten Grundrechte" (Jellinek 1895: 1) betrachtet, weil in dieser Selbstbestimmung des Subjekts „der erste Keim zur Erklärung der übrigen Menschenrechte enthalten ist" (Bloch 1975: 6 6 f). Das Gewissen ist dabei jener Ort, an dem sich der Mensch mit seinem freien Willen für oder wider einen Glauben entscheidet. Diese Freiheit entspricht dem Menschen als einem einzigartigen und einmaligen Wesen, dessen Würde das religiöse Bekenntnis in erster Linie auf einen individuellen Gewissensakt beschränkt und zu einer Privatsache erklärt wird. Abgesehen davon, dass sich mit Autonomie und Willensfreiheit des Rechtssubjekts noch keine Antwort auf unsere Frage erschließt, wird dabei auch die eidetische Seite von Religion und Glauben außer Acht gelassen. Aus unserer Sicht ist es dem Einzelnen ebenso wenig gegeben, „im Glauben an Gott alle Abhängigkeit von der Welt [zu] durchbrechen" (vgl. R G G 1 9 5 6 , 1: 1 1 1 3 ) wie im Unglauben. In unseren Erörterungen sind wir entgegen einem bewusstseinsphilosophischen Ansatz von der Auffassung ausgegangen, dass die Religion nicht so sehr eine gewusste, denn eine in Anschauungen und Bildern verkörperte Wahrheit ist, „far more through narrative, image, and enactment than through definitions and logical demonstrations" (Bellah 1 9 9 1 : 2 2 1 ) . Der Unglaube steht in der Sprache der Bibel für ein mangelndes Vertrauen (vgl. B H H 3: 2 0 5 0 ) , das sich „in der Nichtanerkennung der Zeichen und Zeugen des göttlichen Wortes" mitteilt ( W B B 1964: 6 8 8 ) . Sein Gegenteil beruht hingegen auf einer Urbildlichkeit, die in Bildern wenigstens „einen ihrer Aspekte [...] zur sichtbaren Darstellung" bringt und dabei „eine Ahnung des Ganzen" vermittelt ( T R T 1983, 1: 183). Denn auch jene Sprache der Innerlichkeit, in welcher der Kirchenvater Augustinus die Quellen des Selbst und den eigentlichen Zugang des Menschen zu Gott erblickt (vgl. Taylor 1 9 9 6 : 2 3 5 - 2 6 1 bzw. Augustinus 1 9 7 4 und 1987), ist „bleibend auf Begriffe, Bilder und Sätze angewiesen" ( N H T G 1 9 9 1 , 2: 2 4 6 ) . Im eigentlichen Sinn profane Bilder machen „die Wahrheit eines Urbildes offenbar", um „in verdichteter Bedeutsamkeit" ( T R T 1983, 1: 184) ihre sakrale Seite zur Schau zu stellen. Je einprägsamer und dichter sie sich erweisen, umso überzeugender gelingt es ihnen, als Teil eines sekundären modellbildenden Systems an allgemein verbindlichen Vorstellungen mitzuwirken, die für eine menschliche

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Gemeinschaft auf Dauer zur primären Wirklichkeit werden (vgl. Geertz 1994: 48). In dem Maße, wie diese Bilder wanken und ihre Überzeugungskraft einbüßen, sind sie im Sinne der ontologischen Metaphysik auch nicht mehr im Stande, das Sein im göttlichen Seienden, im Absoluten, zu repräsentieren. Der 'Fehl Gottes', der im Zentrum unserer Untersuchung steht, ist einer ruinösen oder unzulänglich empfundenen Bildlichkeit geschuldet, die in ihrem 'Fehl' ebenso wenig umhin kann, einen sich entziehenden Gott darzustellen. Wie wir in den von uns behandelten Texten nachweisen konnten, sind es gerade jene von Pepe Rey verhöhnten „imágenes charoladas y bermellonadas" (Pérez Galdós 1984a: 129), die mit dem von ihm zugleich beklagten Niedergang der sakralen Kunst den Unglauben nur vertiefen können. Dieser aber bringt die Unglaubwürdigkeit des bestehenden Glaubens zur Besinnung, die wiederum auf die sakralen Bilder zurück wirkt und den Verlust ihrer einstigen Aura bloß legt. Indem sich das Bild als Repräsentation Gottes zum Bild als Kunstobjekt wandelt, verschiebt sich das „'Substrat seiner Einmaligkeit' von der Ebene der transzendenten Ferne des repräsentierten Seins auf die Ebene der transzendentalen Nähe des repräsentierenden Seins", um nicht länger Repräsentation, sondern nur noch ästhetischer Ausdruck zu sein (Mazumdar 2004: 234). Wenn sich das Bild in einer säkularen Umgebung auf technische Weise reproduzieren lässt, wird „der Unterschied zwischen heilig und profan eingeebnet", so dass mit der heiligen Bruchstelle auch der auratische Raum verschwindet (ebd.: 232). Unsere Untersuchung legt daher die Antwort nahe, dass sich mit dem Zusammenbruch der Bilder auch die Vorstellung von einem persönlichen Gott verflüchtigt, in dem sich ein menschliches Ich noch spiegeln könnte. Wenn wir uns einen Gott mit menschlichem Antlitz nicht mehr vorstellen können, erlischt umgekehrt auch die Idee von einem Menschen, der ein Gott werden könnte. In dem Umstand, dass „Gott selbst undarstellbar geworden [ist]" (RGG 1956, 6: 1041), kommt eine negative Theologie zum Ausdruck, die uns von der Illusion der Ontotheologie befreit, wir könnten über Gott in inneren oder äußeren Bildern verfügen. Dieser stets verneinende Geist teilt sich gerade in der modernen Kunst und Literatur mit, denen es leichter fällt, sich „das Bild des Dämonen und des dämonisierten Menschen" vorzustellen als „das Bild des großen und menschlichen Menschen [...], das Bild des heiligen und des Gottesmenschen" (Sedlmayr 1951: 156). Wie kann das Göttliche aber unter diesen Umständen überhaupt noch repräsentiert werden? Kann es eigentlich noch Bilder geben, die es darstellen, ohne es als das schlechthin Unverfugbare auf menschliches Maß zu reduzieren? Hat nämlicher Vorgang nicht eben zur Folge, dass das mit dem Men-

Schlusskapitel

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sehen identifizierte Numen beständig Erwartungen an eine Transzendenz weckt, die sich nicht erfüllen? Da dieser Aporie nicht zu entgehen ist, soll sie mit einem Aperçu aus dem zitierten Louis Lambert beantwortet sein. Da heißt es in einem der Fragmente, dass der Inbegriff eines neuen Evangeliums jenes berühmte Diktum des Johannes umkehren müsse, nach dem das Wort in der Erscheinung des Gottessohnes Fleisch geworden sei. Das Fleisch müsse sich wieder in ein Wort verwandeln, damit es das Wort Gottes werde (Balzac 1980: 170). Anders gesagt, dieses Wort und mit ihm die Bilder, die es evoziert, bedürfen einerseits einer ständigen Erneuerung, die ihrer Vernutzung und Automatisierung entgegen wirkt. Andererseits müssen wir uns der eidetischen Möglichkeiten unserer Zeit bewusst sein: Wir beugen nicht mehr die Knie vor „den griechischen Götterbildern [...] Gottvater, Christus, Maria, [mögen wir sie] noch so vortrefflich finden und noch so würdig und vollendet dargestellt sehen", wie Hegel (1979, 13: 141) in seiner Ästhetik beteuert. Mit dem Ende der alten Ontotheologie endet eine Bildergeschichte Gottes, die das Numinose in seiner Souveränität, seiner Größe, aber auch in seinen Leiden häufig genug Machtinteressen und Willkür gefugig gemacht hatte. Wenn sich das Göttliche in dürftiger Zeit auch der eidetischen Tradition entzieht, so hinterlässt diese der Nachwelt doch immerhin ein prächtiges Archiv christlich inspirierter Kunst und Literatur. Dass mit dem Absterben dieser Bilderwelt Sinnlichkeit und Verstand ihre gemeinsame Mitte eingebüßt haben, konzentriert die weiter oben gestellte Frage nach der Darstellbarkeit des Numinosen auf das eigentliche Problem. Denn diese Mitte, die als Wurzel die beiden Stämme zusammenhält und „ihnen Halt und Mächtigkeit verleiht" (Lehmann 2003, 2: 478), ist die transzendentale Einbildungskraft. In dieser teilt sich dem Menschen auch mit, dass er im Wechselspiel von Erde, Himmel, Sterbliche und Unsterbliche in ein Dasein geworfen ist, das ihn in einen unaufhebbaren Schwebezustand zwischen Immanenz und Transzendenz bringt. Soll er sich nicht als ausschließliches Maß aller Dinge erfahren und in einen notwendigen Kontext von Selbst-, Mit- und Gegebensein stellen, muss er sich - wie der Indienfahrer Morsamor — auf die Suche nach dieser transzendentalen Einbildungskraft begeben, die heimatlos geworden ist (Heidegger 1998: 125) und sich damit nicht auf einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Bekenntnis festlegen lässt. Diese Suche führt durch wenigstens zwei Gründe, die zu der beschriebenen Lage gefuhrt haben: die Dogmatisierung der biblischen Quellen und das Phantasieverbot der Wissenschaften, welche gleichsam die Imagination des Einzelnen steuern und in ihrer Ökonomie begrenzen. So wird die christliche Botschaft über eine Vielzahl gleichnishafter und prophetischer Erzählungen vermittelt, die im Laufe der Jahrhunderte ihres

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narrativen Grundcharakters entkleidet und in einem Kanon kirchendogmatischer und häufig genug auch apologetischer Argumentationen an die Gläubigen vermittelt wurden (Weinrich 1985). Diese Tendenz zeichnet sich in der gesamten Kirchengeschichte ab - in der mittelalterlichen Scholastik mit ihren rigiden Argumentationsverfahren, in der tridentinischen Rhetorik von Dogma und Gegendogma oder in den Versuchen protestantischer Theologen, die Botschaft Jesu von mythologischen Elementen zu reinigen, „quizás fatal en el gran proceso de desnarrativización de la religion cristiana" (ebd.: 91). Aus dieser fragwürdigen Denkbewegung vom Mythos zum Logos leitet sich freilich auch jenes Interdikt ab, das sich der Positivismus bei der „Diffamierung oder Abdrängung [der Metaphysik und der Phantasie] in ein arbeitsteiliges Spezialbereich" (Adorno 1998, 8: 336) zugute hält. Aus unserer Sicht ist es nur konsequent, den narrativen Gestus gegenüber dem rhetorischen Argument aufzuwerten, wie dies seitens einer narrativen Theologie geschieht, die seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in theologischen Kreisen Aufnahme gefunden hat. Während die argumentatio den Sprechenden zu Rede wie Gegenrede zu provozieren und eben solche ideologischen Konflikte zu reproduzieren pflegt, wie wir sie eingangs beschrieben haben, setzt sich in einer Erzählung ein Räderwerk mit Geschichten in Bewegung, die nicht völlig miteinander übereinstimmen, sich aber auch nicht gänzlich von ihresgleichen zu trennen vermögen (vgl. Weinrich 1985). Soll das Christentum hier gerade als unabgeschlossene und auch nicht abschließbare Erzählung ins Recht gesetzt werden, die den gläubigen wie agnostischen Leser immer wieder zu offenen Bilddeutungen auffordert, nähert sich der amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman diesem Problem von einer anderen Seite. Den seiner heiligen Aura beraubten Signifikanten 'Gott' führt er als Synonym für erzählerische Identitäten ein, „[as] the ñame of a great narrative, one that has sufficient credibility, complexity, and symbolic power so that it is possible to organize ones life around it" (Postman 1996: 4). So unterscheidet er zwischen Göttern, die ihren Namen in seinem Sinne nicht verdienen, und solchen, die den Menschen auf der Suche nach Orientierung dienen könnten. Diese Einsicht kann auch noch nach dem Zusammenbruch der Meistererzählungen, „des narrations à fonction légitimante" (Lyotard 1994: 34), Geltung für sich beanspruchen. Trotz dieses Endes, das der Dialektik der Bedeutung, der Hermeneutik des Sinns und der Emanzipation des vernünftigen Subjekts beschieden ist, hat sich die Frage nach einer Sinngebung, allerdings in immanenten Kontexten, keineswegs erledigt. Weiterhin leben wir in einer Zeit, in welcher „der religiöse Instinkt zwar mächtig im Wachsen ist, [dieser] aber gerade die theistische Befriedigung mit tiefem Mißtrauen ablehnt" (Nietzsche 1954, 2: 615). Ungeachtet unserer Sehnsucht nach Universalität

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Schlusskapitel

u n d Absolutheit (vgl. Sandler 2 0 0 2 ) zeichnen D i c h t u n g und darstellende K u n s t auch weiterhin eine Z e i t s t i m m u n g auf, die gerade angesichts einer Proliferation bunter Bilder zu keinen verbindlichen und verbindenden religiösen Ikonen mehr fähig ist. Wir müssen uns in jenen metaphysischen Schwebezustand einfinden, der besonders in der K u n s t „Sein und Schein, Wahrheit und T ä u s c h u n g zugleich [fixiert]. Als im G r u n d zweideutig

legt sie nicht on-

tologisch fest und bringt in die Schwebe" (Schulz 1985: 4 2 3 ) . Auch die vorliegenden R o m a n e machten neben den anderen Diskursformen aus der spanischen Restaurationsepoche zwar ersichtlich, dass diese in Zeiten eines unterschwelligen Krieges zu willfährigen Instrumenten von Ideologien werden können. D e n n o c h war hier zugleich erkennbar, dass durch die Kunst erfasst wird, „was für die Kunst von jeher wesentlich war", so dass „diese D e u t u n g der zweideutig gebrochenen Weltstellung des Menschen entspricht" (ebd.: 4 2 5 ) . In den von uns untersuchten Texten entfaltet sich zumal ein Spielraum, in d e m sich eine a u t o n o m gewordene transzendentale Einbildungskraft a m ehesten zu artikulieren versteht. M a n täuschte sich aber, wenn m a n sich von dieser Mitte, die „das herk ö m m l i c h e G e f ü g e der Seelenvermögen" ( L e h m a n n 2 0 0 3 , 2: 4 7 8 ) sprengt, noch einen erneuten Z u g a n g zu jenem einstmals gemeinschaftlich verehrten göttlichen Subjekt erwartete. Entgegen jenem theozentrischen Weltbild des Christentums, das sich zwischen Mittelalter u n d Barock noch in den Imaginationen eines göttlichen Weltenbaumeisters wieder fand (Curtius

1984:

543f)> sind wir uns bewusst, dass eine universale Erzählung nicht in der M a c h t der Menschen u n d ihrer Ideologien steht. Aus der Vielfalt sinnstiftender Erzählungen, in denen sich differente Wahrheiten brechen, verschiedene Geschichten

abheben

und

unterschiedliche

Stimmen

vernehmen

lassen,

zeichnen sich Bilder ab, die das disparate Sein nicht mehr a u f eine mimetische Gleichung mit d e m göttlichen Seienden bringen können. Der N a m e Gottes will uns eher als das S u m m e n w o r t für einen heterogenen Sinn erscheinen, der d e m Einzelnen abseits eines gemeinsamen liturgischen Bezugsrahmens einzig in seiner Selbsterfahrung und Lebenspraxis zuteil wird. Jenes Licht, das uns in der transzendentalen Einbildungskraft einen Z u g a n g zur Wirklichkeit aufschließt, wird uns d a m i t vertraut machen, dass das Leiden a m E n d e nur Leiden sein könnte, ohne Ursache, B e s t i m m u n g oder Ziel. Aber aus dieser Angst werden wir in die Leere des Göttlichen hinein i m m e r wieder Geschichten entwerfen, mit denen wir unsere W ü n s c h e und Erwartungen in Worte fassen, nicht ohne, dass diese durch die Arbeit unseres D e n kens auch wieder in sich zerfallen. W o m ö g l i c h ergeht es uns dabei ähnlich wie d e m Armenpriester Nazarin, der in der Kontemplation der A b e n d d ä m m e r u n g verloren heiter und traurig zugleich g e s t i m m t ist, „ p o r q u e esos sones

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y esa placidez no hacen más que reflejar el estado de nuestra alma, triste porque ve acabarse un día, y un día menos, es un paso más hacia la muerte; alegre, porque vuelve al hogar con la conciencia satisfecha de haber cumplido los deberes del día, y en el hogar, el alma encuentra otras almas que le son caras; triste, porque la noche lleva en sí una dulce tristeza, la desilusión del día pasado; alegre, porque toda la noche es esperanza y seguridad de otro día, del mañana, que ya está tras el Oriente acechando para venir" (Pérez Galdós 1992c: 125).

TEIL

V

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778

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen 4.0

A AG AC Acr AION—SR AL AHDE An AO ASNSL AT At BBMP BHH BHi BHS BKK BRM BSDP BSS Calw CC CER CIEG CIR CN CM CuA CuH DEE DHA DHEE DIA DL DTV EiC EKL EM EPN EPJ

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780 PhW PL PMLA PRADO PRBA PUF QIA RCEH RDM RAC RE, REH REP REs RevB RC RevEd RevEh Revlb RF RGG RFE RFH RH RHM RL RLC RN ROC RR RRQ SAR SchR SJPh Sign SN UP TRE TRT WBG WdM ZAK

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Index Nominum

781

5 . 0 INDEX N O M I N U M

Abellän, José Luis 30, 35, 92, 93, 112, 117, 119, 129, 134, 166, 167, 174, 193, 202, 204, 207, 210, 213, 215, 219, 220, 258, 266, 296-300, 306, 309, 312, 319, 321, 326, 337, 365, 399, 412, 414, 415, 439, 460, 461, 467-469, 600, 602, 656, 666, 670, 705 Adorno, Theodor W. 30, 43, 48, 56, 63, 67, 87, 1 0 6 , 2 1 3 , 2 7 7 , 3 5 1 , 493, 536, 551, 596, 694, 705, 733, 739 Alarcón, Pedro Antonio de 30, 304, 354, 356, 376, 430, 698, 758 Alas Urena, Leopoldo ('Clarin') 10, 20, 22, 27, 28, 30, 63, 67, 79, 80, 83, 88, 203, 287, 304, 327-329, 333, 338-343, 348-351, 369-371, 379, 383, 384, 388, 409, 412, 414, 417, 418, 431, 432, 540, 572, 583, 584, 586, 674, 675, 697, 698, 706, 711, 718, 722, 730, 745, 750, 751, 753, 754, 758, 766, 767 Alcalde Prieto, Domingo 186, 254, 375, 698 Anderson, Benedict 21, 94, 618, 720 Aranguren, José Luis L. 69, 70, 115-118, 138, 160, 163, 165, 166, 1 9 3 , 4 1 1 , 4 3 8 , 4 3 9 , 6 0 4 , 707 Assmann, Aleida 38, 48, 52, 68, 443-445, 524, 578, 678, 708 Assmann, Jan 124, 129, 130, 708, 735, 753 Augustinus, Aurelius 46, 50, 138, 216, 228, 232-234, 256, 257, 261, 446, 483, 521, 623, 691, 708, 712, 739, 745, 765 Azanay Diaz, Manuel 17-18, 113, 119, 293, 302, 764

Azcárate, Gumersindo de 20, 79, 174, 177, 180, 186-189, 262, 299, 313, 380, 662, 679, 699, 7 3 1 , 7 5 1 Bachtin, Michails 291, 395, 708 Balzac, Honoré de 24, 28, 345, 350, 353, 404, 422, 647, 686, 693, 706, 709, 752 Bellah, Robert Neelly 33, 691, 710 Barth, Karl 262 Barthes, Roland 609 Bellah, Robert Neelly 33, 691, 710 Benjamin, Walter 16, 57, 117, 351, 398, 5 0 1 , 5 9 5 , 7 1 0 , 752 Bennassar, Bartolomé 16, 110, 111, 118, 122, 166, 168, 2 8 6 , 2 9 2 , 293, 294, 710-711 Blanco García, Francisco 383, 542, 5 5 9 , 6 1 3 , 6 1 5 , 6 4 8 , 699 Bloch, Ernst 144, 182, 183, 270, 342, 386, 6 6 1 , 6 9 1 , 7 1 2 Blumenberg, Hans 29, 53, 131, 375, 444,672,712 Bly, Peter 249, 494, 595 Bourdieu, Pierre 19, 21, 62, 407, 413 Brenan, Gérald 319 Briesemeister, Dietrich 166, 171, 714 Bueno, Gustavo 75, 91-95, 658, 680, 681,715 Bürger, Peter 289, 487 Bultmann, Rudolf 496 Calderón de la Barca, Pedro 355, 466, 600, 6 3 1 , 7 1 6 , 755 Campoamor, Ramón de 72, 79, 186, 203, 204-210, 215, 380, 412, 418, 666, 679, 699, 703 Canalejas, Francisco de Paula 180, 186, 225, 313, 325, 330-332, 356, 374, 410, 699, 764 Cánovas del Castillo, Antonio 331

782

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen

Caro Baroja, Julio 17, 22, 26, 34, 89, 117, 160, 309, 315-317, 600, 658, 716 Casalduero, Joaquin 81, 348, 349, 379, 380, 381, 385, 479, 491, 513-516, 520, 524, 535, 543, 591, 612, 620, 6 2 1 , 6 2 2 , 632, 6 3 4 , 7 1 6 , 7 1 7 Castelar, Emilio 80, 177, 209, 217, 222, 229, 297, 336, 460, 588, 699, 703 Castro, Américo 87, 92, 109, 111, 117, 118, 137, 150, 156, 177, 300, 700, 746 Castro, Rosalia de 402, 416, 430 Cervantes, Miguel 22, 206, 294, 359, 376, 380-383, 390, 421, 423, 449, 606, 710, 723, 726, 732, 753-757, 761, 768, 770 Comte, Auguste 124, 214, 237, 276, 290, 300, 3 4 6 , 5 1 5 , 5 1 7 , 526, 5 3 0 - 5 3 3 , 6 1 8 , 7 1 9 , 726, 758 Costa Martinez, Joaquin 20 Curtius, Ernst Robert 97, 166, 169, 180, 197, 217, 240, 448, 592, 695, 720 Darwin, Charles 212, 345 Deleuze, Gilles 49, 71-74, 159-174, 187, 190, 191,224, 2 3 5 , 2 9 5 , 3 0 1 , 322, 325, 327, 330, 338, 349, 373, 394, 410, 413, 422-423, 448, 454-462, 483, 506, 540, 550, 650, 658, 670, 676, 719-720, 727, 740 Derrida, Jacques 39, 43, 49, 52, 57, 74, 141, 394, 395, 450, 595, 608, 625, 675, 714, 721, 727, 743, 744, 752, 753, 760 Descartes, René 37, 163, 164, 171, 201, 233, 299, 380, 537, 538, 659, 660,712, 721,731,761 Donoso Cortés, Juan 53, 54, 74, 255-262, 266-268, 307, 322, 342,

468, 587, 588, 604, 620, 623, 671-673, 710, 723, 729, 751, 759, 768 Draper, John William 76, 303, 375, 679, 700 Eco, Umberto 56, 485, 497, 590, 636, 677, 724 Eliade, Mircea 34, 220, 228, 372, 724 Elias, Norbert 145 Ferdinand VII. 193, 473 Feuerbach, Ludwig 71, 88, 100, 144, 232, 238, 268, 274, 333, 334, 368, 369, 396, 529, 556, 559, 565, 624, 726 Flaubert, Gustave 21, 345, 362, 371, 388, 389, 391, 404, 405, 407, 408, 421, 422, 706, 727, 757, 767 Foucault, Michel 28, 34, 45-48, 54, 55, 62, 6 6 , 7 1 , 7 2 , 7 6 , 9 1 , 9 8 , 104-108, 120, 123, 141, 156, 160, 173, 183, 198, 236, 247, 277, 300, 307-309, 337, 345, 369, 384, 399, 406, 413, 427-429, 437, 442, 448, 449, 453, 458, 465, 4 6 6 , 4 7 4 - 4 7 6 , 481, 483, 497, 518, 576, 624, 656, 665, 670, 673, 714, 720, 723, 727-729, 735, 740, 745, 752, 754, 765, 770 Frank, Manfred 41, 42, 44, 405, 408, 497, 728 Ganivet, Angel 26 Garcia Lorca, Federico 158 Garcia Pelayo, Manuel 121 Geertz, Clifford 33, 34, 122, 692, 730 Gener, Pompeyo 301, 603, 731 Giner de los Rios, Francisco 20, 79, 174, 177, 220, 264, 265, 300, 322, 410, 412, 467, 468, 474, 557, 679, 701,731,751,767 Girard, René 390-395, 593, 613, 621, 674, 7 3 1 , 7 5 2

Index Nominum Glucksmann, André 165, 731 Goethe, Johann Wolfgang von 44, 55, 96, 191,230, 299, 4 2 6 , 5 1 5 , 534, 592, 7 3 1 , 7 4 2 González Serrano, Urbano 174, 176, 185, 202, 269, 373, 374, 701, 754 Goya, Francisco de 117, 536, 714, 733 Groethuysen, Bernhard 182, 257, 552, 733 Gumbrecht, Hans Ulrich 24, 152, 153, 221, 306, 309, 362, 363, 379-381, 396-399, 409, 411, 423, 566, 665, 681,734 Habermas, Jürgen 65, 166, 184, 313, 734 Halbwachs, Maurice 124, 446, 735 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 16, 20, 35, 41, 42, 45, 47-49, 63, 65, 71-75, 89, 97, 164, 171, 181-183, 188, 198, 209, 211, 212, 221, 225, 230, 232, 237, 238-240, 250, 252, 258, 264, 269-271, 276, 282, 297, 299, 300, 325, 333, 334-338, 341, 344, 372, 386, 390-396, 406, 413, 416, 424, 459, 524, 533, 540, 544, 547, 550, 660, 662, 663, 665, 671, 672, 685, 693, 706, 712, 718, 729, 733, 736, 745, 749, 750 Heidegger, Martin 23, 31, 36-47, 53-57, 63, 66-69, 77, 87, 90, 91, 94, 95, 97-100, 105, 130, 142, 168, 183, 192, 195, 205, 206, 227, 228, 232, 277, 278, 305, 323, 326, 338, 342, 352, 387, 388, 393, 415, 420, 424, 428, 443, 482, 528, 595, 596, 649, 666, 668, 669, 674, 676, 686, 688, 693, 706, 709, 715, 723, 731, 735-737, 743, 744, 747, 750, 755, 763, 770, 7 7 1 , 7 7 3 Heine, Heinrich 160, 206, 254, 255, 637,641,737

783

Herder, Johann Gottfried von 521, 547, 5 5 5 , 7 3 7 Hinterhäuser, Hans 14, 24, 103, 107, 268, 397, 398, 400, 463, 470, 471, 656, 738 Hobbes, Thomas 163, 449, 452, 545, 738, 765 Hölderlin, Friedrich 31, 36, 39-47, 53, 65, 183, 278, 352, 638, 639, 665, 668-670, 706, 731, 736, 738, 740, 7 4 1 , 7 5 0 , 7 5 1 , 7 5 5 , 7 7 0 , 774 Hofifmann, E. T. A. 540, 753 Humboldt, Alexander von 585, 622 Ibáñez, Blasco 22, 304 Isabella II. María Luisa 75, 140, 177, 279, 280, 282, 284, 329, 382, 398, 438, 469, 662 Juderías, Julián 103 Kamen, Henry 93 Kamper, Dietmar 62, 90, 122, 123, 129, 3 8 6 , 7 4 1 , 7 4 2 Kant, Immanuel 20, 37, 45, 55, 97-101, 104, 166, 2 0 5 , 2 1 1 , 2 2 9 , 234, 235, 264, 300, 314, 372, 419, 467, 524, 525, 579, 610, 637, 640, 6 5 1 , 6 6 1 , 6 6 5 , 7 3 7 , 742 Kantorowicz, Ernst H . 83, 127, 128, 135, 154, 247, 742 Karimi, Kian-Harald 29, 42, 198, 368, 369, 451, 459, 480, 481, 504, 510, 603, 678, 742 Kierkegaard, Seren 414-416, 534, 540, 5 5 0 , 5 5 1 , 5 5 5 , 743 Kodalle, Klaus-Michael 212, 221, 237, 238, 263, 729, 730, 743, 750 Koppen, Erwin 301, 744 Krause, Karl Christian Friedrich 18, 20, 4 3 , 4 8 , 7 4 - 7 7 , 89, 102, 175, 176, 185, 187, 211-216, 219, 220, 227-229, 237, 238, 257, 258, 262-266, 299, 322, 325, 388, 418,

784

Jenseits von altem Gott und 'Neuem Menschen'

458, 460, 461, 467, 468, 471, 496, 502, 503, 526, 533, 566, 622, 661, 662, 665, 667, 673, 729, 730, 743, 744, 750, 768, 776 Kristeva, Julia 211, 630, 745 Lacan, Jacques 568, 746 Lange, Wolf-Dieter 108, 735, 746 Larra, Mariano José de 113 Laveleye, Érnile de 76, 301, 603, 701 Laverde Ruiz, Gumersindo 19, 296, 679, 701 Leighton, Frederick 79, 357, 679, 701 Lerroux Garcia, Alejandro 317, 318, 322, 747 Lévi-Strauss, Claude 34, 89, 107, 213, 445, 747, 748 Lowith, Karl 55, 212, 214, 217, 237, 333, 336, 396, 526, 527, 532, 533, 666, 749 Lope de Vega Carpio, Félix 17, 22, 156,355, 358, 707, 728 Lotman, Jurij 66, 155, 464, 484, 485, 486, 479 Lukacs, Georg 371, 390, 421, 674, 749, 750 Machado, Manuel 178 Madariaga, Salvador de 178, 201 Mallarmé, Stéphane 47, 59, 88, 194, 372, 403, 404, 665, 755, 764 Maravall, José Antonio 107, 129, 134, 147, 150, 156, 158, 160, 750 Marx, Karl 65, 173, 198, 214, 299, 306, 319, 369, 495, 512, 523, 551, 751 Matzat, Wolfgang 27, 77, 108, 325, 348, 387, 388, 425, 451, 597, 710, 735, 746, 752 Mauthner, Fritz 69, 204, 208, 210, 239, 242, 253, 265, 373, 655, 660, 752

Menéndez Pelayo, Marcelino 19, 26, 113, 118, 119, 180, 188, 192, 233, 258, 294, 295, 298, 301-304, 308, 313, 315, 418, 476, 656, 716, 753, 761,763 Moreno Nieto, José 224, 323, 669 Nieto, Emilio 355, 374 Nietzsche, Friedrich 35, 47, 61, 65, 183, 184, 195, 196, 198, 212, 250, 256, 274, 299, 300, 3 1 1 , 3 1 9 , 343, 344, 355, 374, 386, 389, 390, 396, 402, 431, 435-436, 442, 450, 459, 471, 497, 557, 559, 578, 584, 602, 603, 618, 625, 669, 681, 682, 694, 736, 737, 7 5 1 , 7 5 6 , 7 7 1 , 7 7 3 Nocedal, Cándido 180, 313 Novalis 13 f., 151 Ortega y Gasset, José 92, 113, 178, 362, 3 9 2 , 4 1 0 , 490, 757 Orti y Lara, Juan Manuel 180, 354, 412, 702 Otto, Rudolf 26, 248, 386, 664, 757 Pagels, Elaine 222 Palacio Valdés, Armando 30, 79, 304, 357, 374, 375, 477, 479, 482, 498, 572, 639, 679, 702, 757 Pardo Bazán, Emilia 20, 22, 30, 32, 79, 206, 220, 298, 304, 413, 417, 430, 697, 703, 729, 749, 750, 758, 776 Pereda, Antonio de 22, 25, 30, 80, 81, 304, 376, 417, 482, 486, 714, 725, 726, 753, 758 Pérez Galdós, Benito passim Philipp II. 107, 141, 142, 143, 148, 160, 384, 657 Philipp IV. 150-151,474 Platon 85, 97, 162, 235, 262, 323, 333, 422, 452, 5 1 1 , 5 1 5 , 526, 530, 570 Prill, Ulrich 27, 60, 64, 88, 378, 409, 6 2 5 , 6 2 9 - 6 3 1 , 6 7 4 , 759

Index Nominum Proust, Marcel 362, 391, 393, 404, 774 Quevedo, Francisco de 114 Rahner, Karl 144, 233, 241, 446, 748, 760 Rancière, Jacques 471-472 Renan, Ernest 227, 268, 274, 275, 319, 320, 429, 496, 665, 680, 701, 702, 758, 760 Revilla, Manuel de 186 Ribadeneyra, Pedro de 136 Sala y Villaret, Pedro 79, 80, 176, 355, 356, 367, 375, 704 Salmerón Alonso, Nicolás 375 Sánchez Albornoz, Claudio 109 Sanz del Río, Julián 18, 48, 74, 175-177, 1 8 7 , 2 1 2 , 2 1 4 - 2 1 8 , 227-229, 257, 258, 262-267, 299, 322, 399, 410, 412, 418, 458, 460, 461, 467-469, 502, 535, 566, 622, 629, 667, 673, 744, 748, 751, 764, 772, 775 Sartre, Jean-Paul 194, 196, 403-408, 663, 764, 774 Schlegel, August Wilhelm 14 Schmitt, Carl 255, 262, 452, 587 Schulz, Walter 35, 48, 65, 99, 184, 213, 277, 278, 342, 343, 372, 666, 674, 686, 695, 741, 745, 766, 774

785

Spinoza, Baruch 74, 97, 163, 173, 182-185, 461, 660, 661, 723, 726, 7 5 1 , 7 5 2 , 767, 776 Suárez, Francisco 171 Tibon-Cornillot, Michel 220, 221, 275, 334, 662, 769 Toro, Alfonso de 14, 16, 68, 77, 106, 110, 111, 118, 152-157, 2 4 5 , 3 8 7 , 422, 427, 451, 504, 601, 612, 770 Valdés, Alfonso de 96 Valente, José Ángel 88 Valera y Alcalá-Galiano, Juan 20, 25, 30, 67, 72, 7 3 , 7 9 - 8 3 , 88, 112, 117, 167, 185, 1 9 9 - 2 1 1 , 2 1 3 , 2 1 8 , 254, 296, 297, 308, 309, 318, 329, 332, 333, 348, 356-358, 364, 365, 376, 377, 379, 380, 384, 388, 392, 398, 417, 430, 450, 451, 460-463, 482, 537, 638-653, 655, 663, 666, 676, 681-689, 701-705,707, 710, 720, 724, 729, 740-742, 745, 749, 7 5 1 , 7 5 4 , 757, 758, 762, 770 Vidart, Luis 565 Vitoria, Francisco de 92, 165 Weber, Max 222, 301, 406