Jean Paul [Reprint 2019 ed.] 9783486750935, 9783486750928


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German Pages 148 [152] Year 1924

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Table of contents :
Vorrede
Inhalt
1. Unsichtbare Loge
2. Hesperus
3. Quintus Fixlein
4. Biographische Belustigungen
5. Siebenkäs
6. Kampanertal
7. Briefe und bevorstehender Lebenslauf
8. Die wunderbare Gesellschaft
9. Titan
10. Anhang zu Titan
11. Flegeljahre
12. Attila Schmelzte
13. Friedenspredigt
14. Dämmerungen
15. Herbstblumine
16. Der Komet
Sachregister
Don dem Verfasser ist ferner n. a. erschienen
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Jean Paul [Reprint 2019 ed.]
 9783486750935, 9783486750928

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Der Dreiturmbücherei 91 r. 5/6

Herausgeber: Jakob Brummer, München und Ludwig Hasenclever, Würzbmg

Kreidezeichnung seines Schwiegersohnes Ernst Förster.

Jean Paul Auswahl von

Josef Müller

München und Berlin 1925

Druck und Verlag von R. Oldenbourg

Vorrede „Ieaa Paal ist eia reicher, üppiger Blumengarten and eia ftgmx volle- aähreade- Fruchtfeld »"gleich. Lr ist betaah« der grö-le Dichter, «elchea ich tarne, wenn maa die Ratar mit ihre« Waadera aab da- measch, liche Her» als die erste» «ad grüßten Stoffe aad Lafgabea der Porst« »a, erkennt.' So sagt vottstieb stellet, «ach ei» großer Dichter »ad Seele», keaaer. Uad »och a«»erdi»gs hat Stefaa George Ieaa Paal »die grüßte dichterische straft der Deatschea' geaaaat, gleichwie Goethe die „höchste küastlerische Dolleadaag des Dichter-'. Ja der Tat, der Waaflebler Pfarrerssoha ist ei» Dealer erste« Raag-, bea »Icht- »wische» Himmel a»d Erd«, Dache» aad Stiemt», Hütte aad Palast, kletaer aad großer Welt »»berührt gelassen. Da- komplitierte Phänomen Ieaa Paal ia seiner Bielseltigteit aad doch harmonische» Etaheit, ia setaer Dedeataag al- Lharakter, al- Philosoph, Ethtker, religiüser Dealer, Er»ieh«r, Ästhetiker, Dichter, Sprachmeister aad Politiker seinem Doll vor»»sühr«» »ad »a erkläre», hab« ich ia meta«« Werk „Ieaa Paal »ad sein« Bedeatang für die Gegenwart' (a. Auflage bet Felix Meiner, Leipzig) versucht. Aach eia« Biographie hab« ich 1913 in Traten,Verlag herau-gegebea. Hier handelt e- flch daran, da- Schüaste au- dem Reicht»« des Geaia- aa-»»«ähle», »ich« daß der Leser flch damit begnüg«, sonder» am Appetit nach de» übrige» Schätze» »a «ecken. Bereit- ist eine Gesamt, au, wie «eaig solcher Auge» ruhe» ans den Gebirge« »ab auf der sinkenden Soaue und auf der flnkeade» Blume! Eine IV. bester« Kaste, dächte mau, (tast' es nach der dritte» -ar nicht gebe»; aber es gibt Menschen, die nicht bloß tta artistische-, soadera eia heilige- Auge auf die Schöpfung falle» laste» — die i» diese blühende Welt die zweite verpflanze» uod unter die Geschöpft bea Schöpfer — die «ater dem Rausche» uad Brause» de- tausend, zwelgigea, dicht eiagelaubtea Lebea-bavme- atederkatea uvd mit dem darta wehende» Seat«- rede» «olle», da sie selber aur geregte Blätter daran sind — die den tteftn Tempel der Natur nicht als eine Villa voll Gemälde »ab Statue», souderu als eine heilige Stätte der Andacht brauche» — kurz, die nicht bloß mit dem Auge, soader» auch mit dem Herze« spaziere« geh». *

„Es ist keia Wahn, daß Eagel um bea bedrohte» Menschen mitte» ia ihre» Freude» wache», wie die Mutter unter ihre» Freude» »ad Geschäfte» ihre Kinder hütet. O! Ihr unbekannten Uasterb, lichea! schließet Euch ein eioztger Himmel tta? — Dauert Euch nie der «ehrlose Erdeasohu? — Solltet Ihr größere Lräaea abzu, ttockueu habe» als unsre? — Ach, wenn der Schöpfte seiae Liebe so ia Euch wie ta uas gelegt hat, so stakt Ihr gewiß auf diese Erde uvd

tröstet das ««stürmte Herz antet dem Monde, fliegt nm die -e, drückte Seele, deckt Cure Hand ans die verflegende Wunde und denkt an die armen Menschen! „Und wenn hienieden ein Geist geht, der Luch einmal gleichen wird, könnt Ihr Suren Bruder vergessen? — Engel der Freude! sei mit meinem und Deinem Freunde, wenn die Sonne kommt, und laß ihn schöne fromme Morgen angrünen! Sei mit ihm, wenn sie höher geht, und wenn ihn die Arbeit drückt! — O, nimm den entfernten Seufzer einer Freundin und kühle damit feinen! Sei mit ihm, wenn die Sonne «eicht, und richte fein Auge auf den im weißen Trauergewand auffieigenden Mond und auf den weiten Himmel, worin der Mond und Du gehen! — „Engel der Tränen und der Geduld! Du, der Du öfter um den Menschen bist! Ach, vergiß mein Her» und mein Auge und laß fle bluten — sie tnn es doch gern —; aber stille, wie der Tod, das Herz und das Auge meines Frennbes und leid' Ihnen auf der Erde nichts als den Himmel jenseits der Erde! — Ach, Engel der Tränen und der Geduld! Du kennst das Auge und bas Herz, das flch für ihn ergießet, Dn wirst feine Seele vor fle bringen, wie man Blumen in den Sommerregen stellet! Aber tn es nicht, wenn es ihn zn traurig macht! O, Eugel der Geduld! ich liebe Dich, ich kenne Dich! ich werde In Deinen Armen sterben! „Engel der Freundschaft! — vielleicht bist Du der vorige Engel? .... ach! .... Dein himmlischer Flügel hülle sein Herz ein und wärm' eS schöner, als die Menschen können—ach, Du würdest auf einer andern Erde, und ich auf dieser «einen, wenn an einem kalten Herzen sein heißes, wie am geftierenden (Elfen die «arme Hand, anklebte und blutig abriffe?.... O, bedeck' lh»! aber wenn Du es uicht kannst, so sag mir seinen Jammer nicht! „£>, Ihr immer Glücklichen in andern Welten! Such stirbt nichts, Ihr verliert nichts nnd habt alles! — Was Ihr liebt, brückt Ihr an eine ewige Brust; was Ihr habt, haltet Ihr in ewigen Händen. — Könnt Zhr's denn fühlen in Suren glänzenden Höhen droben, in Eurem ewige« Seeleubuude, daß die Menschen hieuieden getrennt werten, daß wir einander nur aus Särge», eh fle uuterflukeu, die Hände reichen, ach, daß der Tod nicht bas Einzige, uicht das Schmerz, Hasteste ist, was Menschen scheibet? — Eh er uns auseinander nimmt, so drängt flch noch manche kältere Hand herein und spaltet Seele von Seele-------- dann fließet ja auch das Auge, und das Herz fällt klagend zu, ebenso gut, als hätte der Tod zertreout, »le in der völligen

Sonnenfinsternis, so gut wie in -er längen» Nacht der Lau finkt, die Nachtigall klagt, die Blume zuqnillt! „— Alles Gute, alles Schöne, alles, was den Menschen beglückt und erhebt, sei mit meinem Freunde! Und alle meine Wünsche ver, einigt mein stilles Gebet." 2. Hesperus. Elende Extra,Silbe über die Kirchenmusik.

Ich sehe allemal mit Vergnügen, daß die Leute in einer Kirchen, muflk fitzen bleiben, weil es ein Beweis ist, daß keiner von der Tarantel gestochen ist; denn liefen sie hinaus, so sähe man, fle könnten keine Mtßtöne anshalten und wären also gebissen. Ich als profaner Mnstkmeister setze nur für wenige Kirchen — nämlich für geflickte oder für neue -en Eimveihungslärm — und verstehe also im Grunde von der Sache nichts, worüber ich mich im Vorbeigehen auslassen will; aber so viel sei mir doch erlaubt ju behaupten, daß die luther, ischen Kirchenmusiken etwas taugen — auf dem Laude, nicht in den Residenzstädten, wo vielleicht die wenigsten Mißtöne richtig vor, getragen werden. Wahrlich, ein elender, versoffner, blauer Kantor, der in Bravour,Arien sich braun singt und andere braun schlägt — es gibt also zweierlei Bravour,Arien — ist imstande, mit einigen Handwerkern, die Sonntags auf der Geige arbeiten, mit einem Trompeter, der die Mauern Jericho's niederpfeifen könnte ohne Instrument, mit einem Schmied, der sich mit den Pauken herumprügelt, mit wenigen krampfhaften Zungen, die das Singen noch nicht einmal können, und die doch einer Sängerin gleichen, welche nicht, wie die schönen Künste, allein für Ohr und Auge arbeitet, sondern auch (aber in einem schlimmern Sinn als die Jungen) für einen dritten Sinn, und mit dem wenigen Wind, den er aus den Orgel,Lungenflügeln und aus seinen eignen holt, ein solcher stampfen, der Mann ist, sag" ich, imstande, mit so außerordentlich wenigem musikalischen Gerümpel doch ein viel lauteres Donnern und Geigen, harz,Blitzen um den Kanzel^inai, ich meine, eine weit heftigere und mißtönendere Kirchenmusik aus seinem Ehor herauszumachen als manche viel besser unterstützten Theater,Orchester und Kapellen, mit deren Wohllauten man so oft Tempel entweiht. Daher tut es nachher einem solchen lauten Manne weh", wenn man sein Kirchen, Gekratze und Geknarre verkennt und falsch beurteilt. Soll sich denn

in alle unsre Provinzialkirchen da- »eiche, leise Herrnhutische Tönen einschleichen? — Es gibt aber zum Glück noch Stabtkantoren, t>te dagegen arbeiten, und die wissen, worin reiner Chor, und Mißton fich vom Kammerton zu unterscheiden habe. Den Lesern nicht, aber Organisten kann ich zumuten, daß fle wisieu, warum bloße Dissonanzen — denn Konsonanzen sind nur unter dem Stimmen der Instrumente zu ertragen — auf- Chor gehören. Dissonanzen find nach Euler und Sulzer Ton,Verhält, uiffe, die in großen Zahlen au-gedrückt «erden; fle mißfallen unalso nicht «egen ihre- Mißverhältnisse-, sondern wegen unserUnvermögen-, fle in der Eile in Gleichung zu bringen. Höhere Geister würben die nahen Verhältnisse unserer Wohllaute zu leicht und eintönig, hingegen die größern unserer Mißtöue reizend und nicht über ihre Fassung finden. Da nun der Gottesdienst mehr zur Ehre höherer Wesen al- zum Nutzen der Menschen gehalten wird, so muß der Kirchensttl darauf dringen, daß Muflk gemacht «erde, die für höhere Wesen paßt, nämlich eine au- Mißtöueu, und baß man gerade die, die für unsre Ohren die abscheulichste ist, al- die zweck, mäßigste für Tempel wähle. Machen wir einmal der Herrnhutischen Jnstrumentalmuflk die Kirchentüre auf, so steckt uu- zuletzt auch ihr Singen an, und e- ver, ltert flch nach und nach alle- Singe-Geblök, welche- unsre Kirchen so lustig macht, und welche- für Kastratenohren ein so unangenehmer Hammer de- Gesetze-, aber für un- ein so guter Beweis ist, daß wir den Schweinen ähneln, die der Abt de Baigne auf Befehl Lud, wtgS Xl., nach -er Tonleiter geordnet, mit Tangenten stach und zum Schreien brachte. So t>enf ich über Kirchen, oder neubeutschen Schlachtgesang.

*

Ich habe hundertmal mit meinem juristischen onus probandi (Last zu beweisen) auf dem Buckel an die Weiber gedacht, die im, stände find, durch einige Anstrengung sowohl ohne alle Gründe zu handeln al- zu glauben. Denn am Ende muß doch jeder — nach allen Philosophen — flch zn Handlungen und Meinungen bequemen, denen Gründe fehlen; denn da jeder Grund flch auf einen neuen beruft und dieser flch wieder auf einen stützt, der un- zu einem schickt, welcher wieder seinen haben muß, so müssen wir — wenn wir nicht ewtg gehen und suchen «ollen — endlich zu einem gelangen, den wir ohne allen Grund annehmen. Nur fehlt der Gelehrte darin, daß er

gerade die wichtigste» Wahrheitev — die oberste» Prinzipien der Moral, der Metaphyflk rc. — ohne Gründe glaubt «ab sie ta der Aagst — er will sich dadnrch Helfta — notwendige Wahrheiten beaeaot. Die Fra» htagegea macht kleinere Wahrheit«» — z.B. es muß morgea weggefahren, eiageladea, gewaschea «erde» ic. — zu notwendigen Wahrheiten, die ohne die Assekuranz «ad Reasse, kuraaz der Gründe angenommen «erden müssen — und dies ist's eben, was ihr einen solchen Schein von Gründlichkeit aastreicht. — Ihnen wird es leicht, stch vom Philosophen z» unterscheiden, der denkt «ad dem die Wahrheitssonne so wagrecht ta die Augen flammt, daß er darüber weder Weg noch Gegend fleht. Der Philosoph muß ta den wichtigsten Handlungen, ta den moralischen, sein eigner Gesttzgeber und Gesetzhalter sein, ohne daß ihm sein Gewissen die Gründe dazu sagt. Bet einer Fra« ist jede Neigung eia kleines Gewissen und haßt Heteronomiea «ad sagt «eiter keine Gründe, so gut wie das große Gewtffeu. Und durch diese Gab«, mehr aus eigener Machtvollkommea, hett als aus Gründen zu handeln, passen eben die Weiber recht für die Männer, «eil diese lieber ihnen zehn Befehle als drei Gründe geben. *

ES gibt Pflaazeameaschea, Tiermeaschev und Sottmeaschea. — Als wir geträumt «erben sollteu, wurde ein Engel düster und entschlief und träumte. Es kam Phaatasus*) und bewegte ge, brochne Lusterschetnuugen, Dinge wie Nächte, Lhaosstücke, zusammen, geworstle Pflanzen vor ihm und verschwand damit. ES kam Phobetor und trieb tierische Herden, die unter dem Sehen würgten und grasten, vor ihm vorüber und verschwand damit. Es kam Morpheus «ad spielte mit seligen Kindern, mit be, kränzten Müttern, mit küssenden Gestalten und mit fliegenden Menschen vor ihm, und als die Entzückung den Engel «eckte, «ar Morpheus und bas Menschengeschlecht und die Weltgeschichte ver, schwanden.... — Jetzt schläft und ttäumt der Engel noch — wir stad noch ta seinem Traum — erst Phobetor ist bet ihm, und Morpheus wartet noch darauf, daß Phobetor mit seinen Tiere« verschwinde.... *) Der Gott des Schlafes wurde von drei Wesen umgebe«, von Phan, tasus, der sich nur in leblose Dinge verwandeln konnte, von Phobetor, der alle Liergestalteu, und von Morpheus, der alle Meuscheugestalte» auuehmeu «ab vorgaukeln konnte. Metamorph. L. II. Fab. io.

Aber lafftt uns, statt zu träumen, denken uad hoffe«, «ab jetzt frage«: werden auf Pflanzeamenschea, auf Tiermeaschev evdltch Gottmeaschen kommen? Verrät der Gang der Welt-Uhr so viel Zweck wie der Da« derselbe«, ««d hat ste et« Zifferblatt-Rad «ad etuea Zeiger?

* SuteS schöaes Geschlecht! Zuweilen, wenn ich ei« demaateaes Herj über deiaem warmen hängen sehe, so frag' ich: trägst Du etwa« et« abgebildetes darum auf deiner Brust, um dem Amor, dem Schicksal u«d der Derleuutduug das gleiche Ziel ihrer verschiedene« Pfeile zu bezeichnen, wie der arme Soldat, der kviead umgeschossen wird, durch ei« ta Papier geschattteues Herz de« Kugel« seiner Kameradea die Stelle des schlageadea anwetst?--------- '

★ AIS Viktor aalandete in der Pfarre, hört' er den Geburts, helden des Tages, de« Pfarrer, in seiner Stvdierstnbe dozieren uad schreie«. Eymaan goß seinen heilige« Geist in die langen Ohre« seiner Katechvmene« ans, in die keine feurigen Zungen zu bringen waren. Er handhabte eine Dunst« aus einer Einöde (einem ein­ zigen Hanse im Walde) und wollte vor ihr den Unterschied des Löseund deS Bindeschlüssels aufklären. ES war aber nicht zu machen; der Kaplan vnd Wtedergeborne hatte schon eine halbe Stunde über die Schulzeit mit dem Aufklären zvgebracht; die Dunst» vergriff flch immer in den Schlüsseln, als wäre ste eine — Weltdame. Der Kaplan hatte seinen Kopf darauf gesetzt, auf die Erhellung des ihrigen — er stellte ihr alles vor, was Eisenholz und Eisensteine gerührt hätte, sein heutiges Wiegenfest, die allgemein-versalzene Lust, die halbe Überschuß-Stunde, um ste zu Überreden, daß ste den Unterschied

begriffe — sie tat'S nicht, ste sah ihn nicht ein — er ließ sich zu Ditte« herab vnd sagte: „Schatz, Lamm, Bestie, Beichttochter, fass' eS, fleh' ich — mache deinem Seelenhirten die Freude und repetier' ihm den außerordentlichen Unterschied zwischen Bind- und Löseschlüffel — mein' ich's denn nicht redlich mit dir? — Aber mein Pfarramt fordert es von mir, daß ich dich nicht wie ein Vieh, ohne einen Schlüssel z« kennen, weglasse. — Ermanne dich nur und sprich mir nur Wort für Wort nach, teuer erkaufte Christen,Bestie." — Das that ste endlich, und da ste fertig «ar, sagt' er ftendig: „So gefällst du

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deinem Lehrer und mitt' ferner auf." — Draußen rekapttvlierle sie es wieder, «ad sie hatte Alles gut gefaßt, ausgenommen, daß sie statt der Bind, und L-seschl-ffel allemal vernommen hatte Bindund Löseschüsseln.

3. Quintus Fixlein. Ich konnte nie mehr als drei Wege, glücklicher (nicht glücklich) t« werden, auskundschastea. Der erste, der in die Höhe geht, ist: so «eit über das Gewölle des Lebens hinausjudriagea, daß man die ganze äußere Welt mit ihren Wolfsgruben, Betnhäusern und Ge­ witterablettern von weitem unter seinen Füßen nur wie ein eingeschrumpstes Kinbergärtchen liegen sieht. — Der zweite ist: gerade herabzufallen ins Gärtchen und da sich so einheimisch in eine Furche etnzuntstea, daß, wenn man aus seinem warmen Lerchenaest heraus­ sieht, man ebenfalls keine Wolfsgruben, Deiahävser und Stangen, sondern nur Aehren erblickt, deren jede für den Nestvogel ein Baum und ein Sonnen- und Regenschirm ist. — Der dritte endlich — den ich für den schwersten und klügste« halte — ist der: mit den beiden ander« zn wechseln. —

*

Keine Freuden laben wie Hausbrot immer ohne Ekel, große wie Zuckerbrot zeitig mit Ekel. — Wir sollten uns von den Kleinig­ keiten nicht bloß plagen, sonder« auch ersteuen lassen, nicht bloß ihre Gtst-, sonder« auch ihre Honigblase auffangen; «ad wenn uns ost die Mücke an der Wand irren kann, so sollten uns auch die Mücken, wie den Domitian, belustigen, oder wie einen noch lebenden Kurfürsten beköstigen. — Man muß dem bürgerlichen Leben und seinen Mtkrologtea, wofür der Pfarrer einen angebornen Geschmack hat, einen künstlichen abgewtanen, indem man es liebt, ohne es zu achten, indem man dasselbe, so tief es auch unter dem mensch­ lichen stehe, doch als eine andere Derästuvg des menschlichen so poetisch genießet, als man bet dessen Darstellungen in Romanen tut. Der erhabenste Mensch liebt und sucht mit dem am tiefsten gestellten Menschen einerlei Dinge, nur aus höher» Gründen, nur auf höhern Wegen. Jede Minute, Mensch, sei dir ein volles Leben! — Verachte die Angst und den Wunsch, die Zukunst und die Dergaugeahett! — Wenn der Sekundenweiser dir kein Wegweiser in ein Eden deiner Seele wird, so ivtrd's der Monaisweiser noch V-VI/2

minder; denn du lebst sicht von Monat zu Monat, sondern von Sekunde zu Sekunde! — Genieße dein Set« mehr als deine Art zu sein, und der liebste Gegenstand Deines Bewußtseins sei dieses Bewußtsein selber! — Mache deine Gegenwart zu keinem Mittel der Zukunst; denn diese ist ja nichts als eine kommende Gegenwart, und jede verachtete Gegenwart war ja eine begehrte Zukunft! — Setze in keine Lotterien — bleibe zu Hause — gib und besuche keine großen Gastmahle — verreise nicht zu halben Jahren! — Verdecke dir nicht durch lauge Plaue dein Hanswesen, deine Stube, deine Bekannten! — Verachte das Leben, um es zu genießen! — Be, sichtige die Nachbarschaft deines Lebens, jedes Stubeubrett, jede Ecke, und quartiere dich zusammeukrtechend in die letzte und häuslichste Windung deines Schneckenhauses ein! Halte eine Residenzstadt nur sür eine Kollekte von Dörfern, und ein Dorf für die Sackgasse ans einer Stadt, den Ruhm sät das nachbarliche Gespräch unter der tzaustüre, eine Bibliothek für eine gelehrte Unterredung, die Freude für eine Sekunde, den Schmerz sät eine Minute, das Leben fiir einen Tag und drei Dinge sät Alles: Gott, die Schöpfung, die Tugend.---------

*

Und ich ging ohne Ziel durch die Wälder, durch Täler und über Bäche und durch schlafende Dörfer, um die große Nacht zu genießen wie einen Tag. Ich ging und sah, gleich dem Magnet, immer auf die Mitteruachtsgegend hin, um das Herz au der «achgltmmende« Abendröte zu stärken, au dieser herauftetcheudeu Aurora eines Morgens unter unser« Füßen. Weiße Nachtschmetterlinge zogen, weiße Blüten flatterten, weiße Sterne fielen, und das lichte Schneegestöber stäubte silbern in dem hohe« Schatten der Erde, der über den Mond steigt und der unsere Nacht ist. Da fing die Aeols-Harfe der Schöpfung an zu zittern «nd zu klingen, von oben herunter angeweht, und meine um sterbliche Seele war eine Saite auf dieser Laute. — Das Herz des verwandteu ewigen Menschen schwoll unter dem ewigen Himmel, wie die Meere schwellen unter der Sonne und unter dem Mond. — Die fernen Dorf-locken schlugen um Mitternacht gleichsam in bas fortsummende Geläute der alten Ewigkeit. — Die Glieder meiner Tote« berührten kalt meine Seele und vertttebeu ihre Flecken, wie tote Hände Hautausschläge heUen. — Ich ging still durch kleine Dörfer hindurch und nahe an ihren äußeren Kirchhöfen vorbei, auf denen morsche herausgeworstue Sargbretter glimmten, indes die 18

funkelnden Augen, die in ihnen gewesen waren, als grane Asche stäubten.—Kalter Gedanke, greife nicht wie eia kaltes Gespenst an meta Her»! Ich schaue auf zum Sternenhimmel, und eine ewige Reihe jteht sich hinauf und hinüber und hinunter, und alles ist Leben und Glut und Licht, und alles ist göttlich ober Gott....

* Gewisser ist wohl nichts, als baß.manchen Menschen eia tücki, scher Dämon verfolgt «ab ihm lange Sperrhakea ins Gettiebe seiues Lebens steckt, wenn es gerade am Besten umläuft und eben aus, schlagen will. Jeder muß Menschen kennen, die lauter Unglück im Spielen — Kriegen — Heiraten — in allem haben, sowie andere wieder lauter Glück. Bei mir wird gar Glück «ud Unglück amtschi, rungsweise neben «ad auftinander verpackt in eine Tonne, anstatt baß es Jupiter in zwei verftlllte. Ist vollends bas Vergnügen, die Ehrenbezeugung, die rührende Empfindung, die ich habe, groß, sehr groß, so verlasst ich mich darauf, daß es nun -er Dämon gewahr «erden und mir alles hinterdrein gesegaen «erde. So versalzet er mir gern sch-ne Lustfahrten durch einen häusltchea Hader; und ein Ehrenbogen ist für mich eia Regenbogen, der drei elende Tage an, kündigt. So hat er mir heute in diese Kirche nachgesetzt, «eil er voraus, sah, die blühende Predigt «erde mir einiges Vergnügen reichen; und nun W ich mich seit der Desperpredigt in das Gotteshaus inhaftiert, und das Schicksal weiß, «an» ich htnansgelasse« «erbe. Dena ich kann weder Tür noch Feaster ausbrecheu, und das größte Unglück ist, daß gerade heute Bußtag ist, wo keine Magd auf den Gottes, acker geht; unter allen meinen dummen Schreibern hat ohneht» keiner so viel Verstand, daß er mich in der Sakristei auffuchte. Diese Kirche ist mir überhaupt avffätztg; ich habe darin schon eia Unglück gehabt, und es «ar heute nichts als der Widerschein eine- alten, daß ich unter der Hand der ganze» Gemeinde abgefaagea wurde, indem ich still und vergnügt in meinem Kircheastvhle saß und meine nage, druckte Anweisung zu einem gerichtlich,blühenden Stil in Gedanken prüfte. Denn ich bin leider in vielen Sättel gerecht, eben weil mich der Dämon immer aus jedem hebt. Ich habe mich sonst mit Versen abgegeben — welches jetzt wenig, steus meinem Stile zuschlägt — und nachher ««gesattelt; denn ich wollte Pfarrer werben, und kein Amtsvogt. Die Geschichte ist im Grunde unterhaltend, obwol auf meine Kosten. Ich wollte nämlich als Student in meinem Geburts,Dorfe (eben hier in der Kirche)

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mit einer Sastpredigt ausstehen und hatte deshalb eine große Perrücke mit einem hohen $onpee#@emäuer meiner Mutter jur Liebe auf, gesetzt. Gleich im Exordio stieß ich auf ein Abenteuer, indem ich die Nutzanwendung, die sich auch wie jenes mit „Teuerste ic. Zuhörer" anhebt, unglücklich mit dem Eingänge verwechselte; aber ich hielt — leicht und mit zweckmäßigen Veränderungen — den Zuhörern den Schwan» so in meiner Hand hin wie ein Endchen Kopf. Tausend andere hätten von der Kanzel gemußt; ich hingegen kam wohl, behalten vor dem Kanzelliede an und sagte: nun wollen wir ein an, dächtiges Lied miteinander singen — und das war mein Unglück. Denn da ich mich — wie es auf den meisten Kanzeln Sitte ist — so mit dem Kopfe aufs Pult hinlegte und niederkrempte, daß ich nichts mehr sehen konnte als den Kanzel,Frack — sowie von mir auch nichts zu sehen war als mein Knauf, die Perrücke mit dem Wall, — so mußf ich (wollt' ich nicht dumm sein und ins Kanzeltuch hinein, singen) aus Mangel an Gestchtsempfindungen während des Singens denken. — Ich suchte also auf dem Pulte den Eingang, womit ich schließen wollte, zur Nutzanwendung umzufärben — ich wurde von einer Subdiviston auf die andere verschlagen — ich hatte mich wie ein Nachtwandler unter meine Gedanken verstiegen, als ich plötzlich mit Erstarren vermerkte, daß schon längst nichts mehr sänge, und baß ich nachdächte, während die sämtliche Kirche auflauerte. Ze länger ich erstaunte in meiner Perrücke, desto mehr Zeit verlief, und ich über, legte, ob es noch schicklich sei, so spät das Toupee,Fallgatter aufzu, heben und darunter den Kirchleuten wiederzuerscheineu. Jetzt war — denn der Kanzeluhrsand lief in einem fort — noch mehr Zeit ver, strichen; die außerordentliche Windstille der Gemeinde lag ganz schwül auf meiner Brust, und ich konnte, so lächerlich mir zuletzt der ganze Ohr und Fuß spitzende Kirchenhaufe vorkam, und so sicher ich hinter meinem Haar,Stechhelm lag, doch leicht einsehen, daß ich weder ewig niedergestülpet bleiben, noch mit Ehren in die Höhe kommen könnte. Ich hielfs also für das Anstänbigsie, mich zu hären und mit dem Kopfe langsam aus der Perrücke, wie aus einem Ei, auszu, kriechen und mich heimlich mit bloßem Haupte in die an die Kanzel, treppe stoßende Sakristei hinunterzumachen. Ich lass und ließ die ausgekernte, auSgeblaseue Perrücke droben vikarieren. Ich verhalt' es nicht, indes ich in der Sakristei mit dem unbefiederten Kopfe auf, und abging, so passete jetzt (denn mein brach liegender Ad, junktus und Geschäfisttäger schauere in einem fort schweigend auf die Seelen herunter als Anfang eines Seeleuhitten), so passete,

gesteh' ich, jetzt Groß und Klei«, Man« «ob Weib darauf, daß der Kopf-Socken aafiage sich aufjurichtea and ihnen vorzulesen und jeden so zu erbauen, wie ja homiletische Kollegien uns alle, hoff' ich, afa richten. Ich brauche de» Lesern nicht zu sage«, daß die erledigte Perrücke nicht aufstand, beraubt aller Zulage und ihres Einsatzes. Zum Glück stellte sich der Kantor auf die Fußzehen und sah in die Kanzel herein — er stieg sans fa;on herab und hinauf und zog meine Kapuze beim Schwänze in die Höhe und zeigte der Parochie, daß wenig oder nichts drinnen wäre, was erbauen könnte, kein Seelensorger — „die Fülle ist schon aus der Pastete heraus," bemerkt' er öffentlich bei diesem Kopf-Hiatus und steckte meine« Mkartus zu sich. — Und seitdem hab' ich diese Kanzel nicht mehr gesehen, geschweige betrete«....

4. Biographische Belustigungen. Eine Grabrede.

Guter alter Saus! „So wird Dich in vielen Jahren kein Mensch geheißen haben sondern Landstreicher oder so was — außer heute. In vielen Jahren sind nicht so viele fteundliche Gesichter um Deines gestanden — außer heute, wiewohl in Deinen gestorne« Augen der schwarze Star des Todes ist. I« viele» Jahren bist Du nicht so bald zu Bette gegangen und so wenig durch Schenkwirte gestört worden — außer heute, an Deinem lLngste« Rasttage. Und dieses einzige Mal, Alter, legst Du Dich nicht hungrig nieder und stehst nicht hungrig auf.... Oberseeser! ist einer unter euch zähe und mühsam zu rühre», so folg' er mir jetzt nach, wie ich neben dem alten Zaus nur einen Tag hergehe, «eil ich seine Leiden, seine Mücken- und Sonnenstiche zählen will. „Wir wundern uns schon über das matte gedehnte Erwache« des armen Mannes Im Hirtevhause; es ist ihm nicht recht, daß die ruhige Nacht so hurttg abgelaufen ist, in der er nicht marschieren und nicht finge« durste; und müder als der Gemeinbote Hilst er sich aus dem Htrtenhause heraus, und draußen steht ein breiter langer Tag vor ihm, der ihm nichts gibt und verspricht als den alten schmale» Botenlohn von einem Heller vor jeder Haustüre. Auf etwas Neues, Sonderliches kann er sich nicht spitzen; ein Bettler, ihr Leute, hat weder Ostern, noch Pfingsten, noch Sonntage, noch Marieatage, noch Markttage in der Stadt — 365 Werkel- und Jammertage hat er in seinem bittern Leben, und wahrlich nicht eine Stunde mehr...

Ihnen, Herr Amtsrichter, Herr Abjuaktus, braucht's als Gelehrten sie gesagt zu «erde», daß nichts fataler ist beim Aufwachen, als wen» eia Alltags-Tag, et» ausgeleerter, prosaischer, tauseadmal gefelgter oder gestürzter Treberatag vor der Bettlade steht uad uns empfange» will. — «Wir wollen wieder hinter Zausen hersein; außerordentlich muß er laufe», zumal, wenn ihn hungert, um nur ein Dorf zu er­ lauft». Auf jedem Berge verspricht er fich, in eines htnabzuschauen; aber wie müde knickt er den Berg herunter, wenn er nichts gesehen als einen neuen ebenso hohe»! Er watet durch Kornfelder und nasse Wiesen hindurch, worin man ihn kanm sehen kann; aber der Segen Gottes gibt ihm schlechte Freude — er hat nichts davon, er darf daran nicht einmal Helfta mähen, er geht in seinem Leben nicht wieder durch. Endlich läuft er in einem rttterfchafilichen Dorf ein, wo Kirmes ist; überall riecht «ad raucht das beste Essen. Was Hilst es ihm, wenn er nMer lauter Tischgebeten herumgehen muß und an keinem mitbeten darf? Er faltet den Brandbrief, der, wie sein Herz, schon tausendmal zusammeagebrochea worben, wieder auf und «eiset ihn vor; aber das lustigste Kirmesgeflcht setzt er durch seinen Brief plötz­ lich in ein verdrießliches um, und wie will er anders? Aber darnach ftagt er auch nicht- mehr, er stagt, seitdem er den Bettelstab statt deS Fäustels ergriffen, nach der ganzen Welt nichts mehr — denn die ganze Welt ftagt nach ihm nichts mehr, wiewohl sein braunes Hündchen christlicher denkt und auSzuaehmen ist. — Die ganze Welt soll ihn schimpfen uad lästern, es tut ihm gar nicht wehe; er wirb nicht- mehr auf der Erbe; so «eatg wie euer Dteh kann er etwa» eia Zweispänner ober gar eia Vierspänner, geschweige eia Schultheiß «erden, eines Schulmeisters gar nicht zu gedenken. Ihr wollt alle haben, daß man evrer gedenke; er aber verlangt nichts, als baß man seiner vergesse. V, du guter, jammervoller Maun! Seht, wir stehen jetzt alle um ihn; aber wenn dieser Tote in dieser Maule flch vor uns aufrichtete, so würde er nichts tun als die welke braune Hand auSstrecken und sagen: „Teilt einem armen Abgebrannten auch was mit!" und er würde uns drei Herren zuerst aabetteln. Ich würd' ihm von ganzem Herzen etwas geben; leerer Toter, «er könnte das metallne, eiserne Herz haben und deinen eisernen Brief aufschlagea uad ihn doch leer zurückgeben und dir die kleinste Freude versalzen, die auf der ganzen Erbe nur möglich ist, die über eine Gabe? — Wer unter uaS? Ach Gott! was hat denn der Detller auf unserer reichen vollen Erbe? Diel tausend Wunden und tausend

Zähre« und nur einen Heller. O, wen« du aufivachtest, Aller, würdest du nicht in der Menschengestalt vor uaS stehen, mit dem Mage«, mit dem Herzen, mit dem Jammer eines Mensche«? — Und verdienen wir etwas Besseres als du, mehr unsre großen Gaben als du die kleinste? Ö, was k-antest du getan habe«, daß du keinen Bergknappen hast, der mit dir einen Krng Bier trinkt, keine Frau, die dich pflegt und dich ftagt, was dir fehlt, keine Kinder, die deine Finger spielend aafassea und dich sanft an ihren kleinen Busen hinuuterziehe«, sonder« nur andre Kinder, die eher nach dem alte« Manne boshaft werfen! — Wenn ich jetzt diesem geplagten Meselbacher, dessen Herz doch schläft, so recht htaetasehe i»S zu, sammengeknttterte Gesicht voll Erde des Alters, mit den fest an die obere Kinnlade heraufgestülptea Unterkinnbacken, in seine paar Haare, in die nicht Abendlüstchen geblasen haben, sonder« reißende Stürme — in seine graue« Augenbrauaen — in seinen leeren rechte» Ärmel, wiewohl im linke« auch nichts ist als ein Knochenpaar — in seine roten Auge«, die er gewiß erst «ach dem Tode und voa keinen größer» Stachel» holte als von Jasekteastachela — «en» ich das tue, so kann mich bas wenig oder nicht trösten, daß der Tod schon alles gestillt hat, seine Augen «ad seine Wunden, sondern nur das, daß Du, o großer guter Dater über uns, die schöne Einrichtung ge, trofft«, daß uns aagefallaea Mensche» der zweite traurige Tag niemals so weh« tut als der erste traurige. »Ich fthe jetzt in Eure Seele, Oberseeser: Ihr wollt ihm gerne etwas geben; aber schauet auf zu de« Sternen, er reicht seine Hand nicht droben herunter zu Eurem Almosen und bedarf nicht- mehr, keine Träne, keinen Leib nicht, diesen Sarg nicht. Aber er schickt seine Geschwister «nter un- herum: o, «en« ihr in eurem Leben nur einen Bettler gesehen hättet, ihr würdet ihm alle gebe» und euch um ihn schlagen, anstatt daß ihr ihn jetzt selber schlage» lasset durch den Bettelvogt, weil es euch etwas Gewohntes ist. „Sinke aber endlich hinab in das breite Lager der Ruhe, auf dem so viele Tausende neben dir mit ganzem und mit abgefallaem zerstäubte« Rücke« liegen! Unter diesen kleinen grüne» Häusern um uns wohnen nur Ruhige. — Du brauchtest keinen Abendsegen im Leben, weil dich die Nacht viel weniger anfiel als der Tag — und jetzt, da der schwere Tod sich über deine Augen und Ohren gelegt, hast du ihn noch weniger' vonnöten. Gehe sanft aus einander, altes, gedrücktes, ost zerbrochenes Menschengerippe! Kein Kette«, Hund, kein Bettelvogt, kein wütiger Hunger erschrecke« dich mehr

und treiben dich anf. Aber wenn d» dich einst austichtest, so wird ein anderer Mond am Himmel stehen als jetzt, nab dein« freie, ewige Seele wird groß vnd reich unter alle Menschen treten vvd sie alle um nichts mehr bitten! — Ihr Lieben, wenn wir fortgehen, so legt flch der Tod stumm zu ihm hinein und nimmt ihm sanfter als de» rechte« Arm die übrigen Glieder ab, in denen noch alle unsre Schmerzen fortreißev. Aber «en« wir uns aus dieser stillen, ungezählten, unter dem Grün schlummernden Gesellschaft absondern vnd wieder näher in die ftohen Töne trete«, die wir jetzt schwächer in den Gottes­ acker herauf vernehmen, und nach denen eure Söhue und Töchter um den kurzen Abend flattern, wen« wir von hier weg find, so wollen wir doch an alles das denken, was wir hier entweder zurückgelassen — oder zugedeckt — oder angehört — ober bejammert — oder be­ schlossen haben. Amen! Und gute Nacht, alter Mann!" — I« wenig Minuten deckte ihn auf immer die Erde mit ihrem dunkeln, von Blumen durchwirkten Kleide zu. — Ich will de« kleinen, leichten Rest der Geschichte den ttaurig-schönen Gefühlen guter Leser durch Verstummen opfern und schweigend mit meinem Buche von ihnen weggehen, damit ihr ftuchtes Auge voll Träume »och einige Minuten auf dem letzten und tiefsten Schachte, worein unser armer Bergmann verschwand, und dessen Auszimmerung und Gruben­ lichter und schimmernde Adern wir alle nicht kennen, suchend und flnnead ruhen bleibe, besonders da fle, wenn sie an dem, der jetzt fortgeht, oder an sich selber heruntersehen, an jenem und an sich den ganzen Derghabit zur Einfahrt schon erblicken 5. Siebenkäs.

Extrablättchen über den Trost. Es kann, d. h. es muß uoch eine Zeit kommen, wo es die Moral befiehlst, nicht bloß andere ungequält zu lassen, sonder» auch flch; es muß eine Zeit komme«, wo der Mensch schon auf der Erbe die meiste» Tränen abwischt, und «5t' es nur aus Stolz! — Die Natur reißet zwar mit solcher Eile Tränen aus den Augen und Senfzer aus der Brust, daß der Weise nie den Trauerflor vom Körper ganz abheben kann; aber seine Seele ttage keinen! Denn ist es einmal Pflicht ober Verdienst, das kleinste Leiben heiter zu über­ nehmen, so muß auch das Verschmerzen des größten noch Ver­ dienst sein, nur ein größeres, sowie derselbe Grund, der die Der-

gebung Heiner Beleidigungen gebietet, auch für das Derieihe« der größten gilt. Das erste, was wir am Schmerze — wie am Zorn — zu be, kämpfen oder zu verschmähen haben, ist seine giftige, lähmende Süßigkeit, die wir so ungern mit der Arbeit des Trösten- und der Vernunft vertauschen und vertreiben. Wir müssen nicht begehren, daß die Philosophie mit einem Federzuge die umgekehrte Verwandlung von Rubens nachtue, der mit einem Striche eia lachendes Kind in ein weinendes um, zeichnete. Es ist genug, wenn sie die ganze Trauer der Seele in tzallbtrauer verwandelt; es ist genug, wenn ich zu mir sagen kann: „Ich will gern den Schmerz tragen, den mir die Philosophie noch übrig gelassen; ohne sie wär' er größer und der Mückenstich ein Wespenstich." Sogar der körperliche Schmerz schlägt seine Funken bloß aus dem elektrischen Kondensator der Phantasie auf uns. Die heftigsten Stiche erlitten wir ruhig, wenn sie eine Terzie lang währte»; aber wir stehen ja eben nie eine Schmerzensstunde aus, sondern nur zusammengereihete Schmerzens-Terzien, deren 60 Strahlen bloß die Phantasie in den heißen Stich, und Drennpuntt einer Sekunde fasset und auf unsere Nerven richtet. Das Peinlichste am körperlichen Schmerze ist das — Unkörperliche, nämlich unsere Ungeduld, und unsere Täuschung, daß er immer währe. Wir wissen alle gewiß, daß wir uns über manchen Verlust in zwanzig, zehn, zwei Jahren nicht mehr betrüben; warum sagen wir nicht zu uns: So will ich denn eine Meinung, die ich in zwanzig Jahren verlasse, lieber gleich heute wegwerfeu; warum will ich erst zwanzigjährige Irrtümer abdankea, und nicht zwanzigstüadige?"" Wenn ich aus einem Traum, der mir ein Otahetti auf den schwarzen Grund der Nacht hinmalte, wieder erwache und bas blumige Laad zerflossen erblicke, so seufz" ich kaum und denke, es war nur geträumt. Wie, und wenn ich diese blühende Insel wirklich im Wachen besessen hätte, und wenn sie durch ein Erdbeben eingesunken wäre, warum sag" ich nicht da: die Insel «ar nur ein Traum. Warum bin ich untröstlicher bei dem Verlust eines länger» Traums, als bei dem Verlust eines kürzern (denn das ist der Unterschied), und warum findet der Mensch eine große Einbuße weniger nothwendig und wahr, scheialich als eine kleine? — Die Ursache ist: jede Empfindung und jeder Affekt ist wahn, finnig und fordert oder bauet seine eigne Welt; der Mensch kann

sich ärger», daß es schoa oder erst xa Uhr schlägt. — Welcher Unsinn! Der Afsttt will nicht nur seine eigene Welt, sein eigene- Ich, auch seine eigne Zett. — Ich bitte Jeden, einmal innerlich seine Affekte ganz an-reden zu lassen und sie abzuhören und an-juftagen, was sie denn eigentlich «ollen; er wirb über da- Ungeheuere ihrer bisher nur halb gestammelten Wünsche erschrecken. Der Zorn wünschet dem Menschen­ geschlecht einen einigen Hals, die Liebe ein einziges Her», die Trauer zwei Tränendrüsen, und der Stolz zwei gebogne Knie! — Wenn ich in Widmann'- Höfer Chronik die ängstlichen blutigen Zeiten des dreißigjährigen Kriege- durchlas, gleichsam durchlebte; wenn ich da- HÜlferufen der Geängstigten wieder hörte, die in den Donaujttudeln ihrer Zeit arbeiteten, und da- Zusammenschlagen der Hände und da- wahnsinnige Herumirren auf den zerstreuten, mürben Brücken-Pfttlern wieder sah, gegen welche schäumende Wogen und reißende Eisfelder anschlugen — und wenn ich dann dachte: alle Wogen sind zerflossen, da- Eis zerschmolzen, da- Getümmel ist verstummt und die Menschen auch mit ihren Seufzern, so erfüllte mich ein eigner, wehmütiger Trost sfr alle Zeiten und ich ftagte: „War und ist denn dieser flüchtige Jammer unter dem Gottesackertore de- Lebens, den drei Schritte in der nächsten Höhle be­ schließen, der feigen Trauer wert?" — Wahrlich, wenn es erst, wie ich glaube, unter einem ewigen Schmerze wahre Stanbhastigkeit gibt, so ist ja die im fliehenden kaum eine. Eine große, aber unverschuldet« Landplage sollte uns nicht, wie die Theologen wollen, demütig machen, sondern stolz. Wenn bas lange, schwere Schwert des Krieges auf die Menschheit nieder­ finkt, und wenn tausend bleiche Herzen zerspalten bluten — oder wenn im blauen, reinen Abend am Himmel die rauchende, heiße Wolke einer auf den Scheiterhaufen geworfiren Stadt finster hängt, gleichsam die Aschenwolke von tausend eingeäscherten Herzen und Freuden, so erhebe flch stolz dein Geist, und ihn ekle die Träne und da-, wofitr sie fällt, und er sage: „Du bist viel zu klein, gemeine- Leben, sfr die Trostlosigkeit eines Unsterblichen, zerrissene-, unförmliches Pauschund Bogen-Leben — auf dieser aus tausendjähriger Asche geründtten Kugel, unter diesen Erdengewittern aus Nebel, in dieser Wehklage eines Traums ist eS eine Schande, daß der Seufter nur mit seiner Brust zerstiebt, und nicht eher, und die Zähre nur mit ihrem Auge."— Aber dann mllbere sich dein erhabner Unmuth und lege dir die Frage vor: wenn nun der verhüllte Unendliche, den glänzende Abgründe und keine Schranken umgeben, und der erst die Schranken

erschafft, die Unermeßlichkeit vor deine« Ange« öffnete und dir sich zeigte, wie er ansteilt die Soaaea — die hohe« Geister — die kleiae« Meascheagetster — u«d unsere Tage und einige TrLaen darin, würdest du dich aufrichten aus deinem Staube gegen ihn und sagen: Allmächtiger, ändere Dich! — ? Aber eia Schmerz wird dir verziehen oder vergolten: es ist der um deine Gestorbnen. Den» dieser süße Schmerz um die Der, körnen ist doch nur eia anderer Trost; — wenn wir «ns nach ihnen sehnen, ist es »ur eine wehmütigere Weise, fle fortzulieben — und wenn wir an ihr Scheiden denken, so verstehen wir ja so gut Tränen, als wen« wir naS ihr frohes Wiedersehen malen, und die Tränen flnb wohl nicht verschieden.

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Der Autor tu Verlegenheit. Ich wünschte, ich schweifte gelegentlich ein wentg auS; aber es fehlt mir an Mut. Denn es gibt heut zn Tage wenige Leser, die nicht alles ver, stehen — wenigstens unter den junge« vnd geadelte« —, und diese fordern (ich verarg' eS ihnen nicht) von ihren Schoßautoren, sie sollen noch mehr wissen, was etae Unmöglichkeit ist. Durch bas englische Maschinenwesen der Enzyklopädien — der enzyklopädischen Wörterbücher — der Konversationslexika — der Auszüge aus dem größer« Konversationslexikon — der allgemeinen Wörterbücher aller Wissenschaften von Ersch und Gruber, setzt flch ei« junger Mana in wenigen Monaten bloß am Tage — die Nächte braucht er nicht einmal — in eine« ganzen akademischen Senat voll Fakultäten um, de« er allein vorstellt und «ater welchem er als die akademische Jugend gewissermaßen selber sieht. Ei« ähnliche- Wunder, als eia solcher junger Mann und Haupt, städter, ist mir nie vorgekommen, es müßte denn der Man« sein, de« ich in der Batreuther Harmonie gehört, welcher setnerseits wieder eine ganze Acad6mie royale de musique, ein ganzes Orchester dar, stellte, indem er mit seinem einzigen Körper alle Instrumente trug und spielte. Ss blies dieser Paaharmonist vor uns TeUharmontsten ein Waldhorn, das er unter dem rechte« Arme festhielt, dieser strich wieder eine Geige, die er unter dem linke« hielt, und dieser klopfte wieder zur schicklichsten Zeit eine Trommel, die er auf dem Rücken trug — und oben halt' er eine Mütze mit Schellen aufgesetzt, die er leicht mit dem Kopfe janitscharenmäßig schüttelte — und an die

beide» Fußkaorre» hatt' er Ianitschareobleche angeschvallt, die er damit kräftig wider einander schlug; — uud so war der ganze Ma»» eia laager Liang, vom Wirbel bis zur Sohle, so daß ma» diese» GleichnisMann gern wieder mit etwas vergliche» hätte, mit einem Fürste», der alle Staats,Instrumente, Staats,Glieder und Re, Präsentanten selber repräsentiert.-------------- Wo soll nun aber vor Hauptstädtern und Lesern, welche einem solche» Allspieler gleichen, ein Mana wie ich, der, wenn es hoch kommt, nur von fleben Lünsten Heidelberger Magister und einiger Philosophie Doktor ist, rechten Mut hernehmen, in ihrer Gegenwart künstlich und glücklich aus, zuschweifen? — Fortgang in meiner Erzählung ist hier weit stcherer.

* Trost in der Natur. In das freie, enthüllte, blühende All, unter den großen Himmel, trug er gern seine Seufzer und seinen Lummer, und er machte in diesen Garten, wie sonst die Juden in kleine, alle seine Gräber. — Und wenn uns die Menschen verlassen und verwunden, so breitet ja auch immer der Himmel, die Erde und der kleine blühende Baum seine Arme aus und nimmt den Verletzten darein auf, und die Blumen drücken stch an unsern wunden Dusen an, und die Quellen mischen stch in unsere Tränen, und die Lüste fließen kühlend in unsere Seufzer — das Weltmeer von Bethesda erschüttert und beseelt ein hoher Engel, und wir tauchen uns mit allen tausend Stichen in seine heißen Quellen und steigen zugeheilt und mit abgespannten Lrämpfen aus dem Lebenswasser wieder heraus.

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Mein Neujahrwunsch an mich selber.

„Das neue Jahr öffnet seine Pforte, das Schicksal steht zwischen brennenden Morgenwolken und der Sonne auf dem Aschenhügel des zusammengesunknen Jahrs und teilt die Tage aus — um was bittest Du, Natalie?" „Um keine Freuden — Ach, alle, die in meinkm Herzen waren, habe« nichts darin zurückgelassen als schwarze Dornen, uud ihr Rosendufi war bald zerlaufen — neben dem Sonnenblick wächst die schwere Gewitterwolke, und wenn es um uns glänzt, so bewegt stch nur das wieberscheinenbe Schwert, das der künftige Tag gegen den fteudigen Dusen zieht.-------- Nein, ich bitt' um keine Freuden; fle machen das durstige Herz so leer; nur der Lummer macht es voll."

„Das Schicksal teilt die Zukunst aus — was wünschest Du, Natalie?" „Keine Liebe — O, wer die stechende weiße Rose der Liebe an das Herz drückt, dem blutet es, und die warme Freudenzähre, die in ihren Rosenkelch tropft, wird ftüh kalt und dann ttocken — am Morgen des Lebens hängt die Liebe blühend und glänzend als eine große rosenrote Aurora im Himmel — o, tritt nicht in die glimmenbe Wolke, ste besteht aus Nebel und Träne«. — Nein, nein, wünsche keine Liebe, stirb an schönern Schmerzen, erstarre unter einem erhabeneren Giftbaum als die kleine Myrte ist." „Dn kniest vor dem Schicksal, Natalie — sag' ihm, was Du wünschest?" „Auch keine Freunde mehr — Nein — wir stehe« alle auf ausgehöhlte« Gräbern «eben einander — und wen« wir nun ein­ ander so herzlich an de« Händen gehalten und so lange mit einander gelitten haben, so bricht der leere Hügel des Freundes et« und der Erbleichende rollt hinab, und ich stehe mit dem kalten Lebe« einsam «eben der gefüllten Höhle.------- Nein, nein; aber dann, «en« das Herz unsterblich ist, wenn einst die Freunde auf der ewigen Welt beisammen stehen, bann schlage «ärmer die festere Brust, bann «eine ftoher das unvergängliche Auge, und der Mund, der nicht mehr erblassen kann, stammele: Nun komm' zu mir, geliebte Seele, Henle «ollen wir uns liebe«; den« au« werde« wir nicht mehr gettenat." „O, Du verlassene Natalie, um waS bittest Du denn auf der Erbe?" „Um Geduld und um baS Grab, um mehr nicht. Aber das versage nicht. Du schweigendes Geschick! Trockne das Auge, daun schließe es! Stille das Herz, und dann brich es! — Ja, einstmals, «an« der Geist in einem schöner« Himmel seine Flügel hebt, wann das neue Jahr in einer retnern Welt anbricht, und wann alles flch wieder steht und wieder liebt: dann bring' ich meine Wünsche... Und für mich keine — denn ich würbe schon zu glücklich sein..."

6. Kampanertal. Ich schlug häufig in der Destillation über de« Helm das Phlegma der Erdkugel nieder, die Polarwüste«, die Eismeere, die rusflsche« Wälder, die Eisberge und Hundsgrotten, und extrahierte mir bann eine schöne Nebenrebe, ein Nebenplanetche«, aus dem Ueberrest; man kann eine sehr hübsche, aber kleine zusammengeschmolzene Erde

zusommenbringen, wenn man dieReize der alten exzerpiert und ordnet. Man nehme zu den Höhlen seiner Miniatur, und Ditto,Erde die von Antiparos und von Baumann — zu den Ebenen die Rhein, gegenden — zu den Bergen den Hybla und Tabor und Montblanc — zu den Inseln die Freundschastsinseln, die seligen und die Pappel, Insel — zu den Forsten Weutworth's Park, Daphnens Hain und einige Eckstämme aus dem Paphischeu — zu einem guten Tal bas Seiftrsdorfer und bas Kampaner: so befltzt man neben dieser wüsten schmutzigen Welt die sch-nste Bei, und Nachwelt, ein Dessert, service von Belang, einen Vorhimmel zwischen Dorhöllen.-----*

„Es gibt eine innere, in unserem Herzen hängende Geisterwelt, die mitten aus dem Gewölle der Körperwelt wie eiue warme Souue bricht. Ich meine das innere Universum der Tugend, der Schön­ heit und der Wahrheit, drei innere Himmel und Wellen, die weder Teile noch Ausflüsse uud Absenker noch Kopien der äußern stnd. Wir erstaunen darum weniger über das unbegreifliche Dasein dieser drei transcendenten Himmelsgloben, weil sie immer vor uns schweben, und weil wir töricht wähnen, wir erschaffen fle, da wir fle doch blos erkennen?) Nach welchem Vorbild, mit welcher plastischen Natur uud woraus könnten wir alle dieselbe Geisterwell in uns hineinschaffen? Der Atheist z. B. frage sich doch, wie er zu dem Riesen,Ideal einer Gottheit gekommen ist, das er entweder bestreitet oder verkörpert. Ein Begriff, der nicht aus »et, glicheue» Größen und Graden aufgetürmt ist, well er das Gegen, teil jedes Maßes und jeder gegebenen Größe ist — kurz, der Atheist spricht dem Abbild daS Urbild") ab. 7. Briefe und bevorstehender Lebenslauf. Der doppelte Schwur der Besserung. Heinrich war ein fünfzehnjähriger Jüngling, das heißt, voll guter Vorsätze, die er selten hiell, und voll Fehler, die er täglich *) Man sollte daher nicht sagen: mundus inteüigibilis, sondern mundus intellectus. *) Man sage immerhin, mit dieser Wendnng werde jedes Utopien, das auch ein Abbild sei, realisiert; denn das Urbild aller Träume, Severamben, länber, Utopien it. existiert auch wirklich — wiewohl stückweise; hingegen daS Urbild des Unendlichen kann nicht stückweise existieren.

bereut«; er hatte seine« Vater uad seioe« Lehrer innig lieb, aber

seine Vergnügungen ost stärker; er wollte gern das Leben für beide aufopfern, aber nicht seinen Willen, uad seine aufbrenaende Seele eatri- denen, die er liebte, nicht mehr Tränen als ihm selber. So irrte schmerzlich fein Leben zwischen Dereuea und Sündigen umher; und zuletzt nahm sein langer Wechsel zwischen guten Entschlüssen «ad verderblichen Fehltritten seinen Freunden und sogar ihm die Hoffnung der Besserung. Jetzt kam dem Grafen, seinem Vater, die Sorge nicht mehr aus dem zu ost verwunbeten Herzen, daß Heinrich auf der Akademie und auf Reisen, wo die Irrwege des Lasters immer blumiger und abschüssiger werden and wohin keine zurückziehende Hand, kein« zurückrustnde Stimme des Vaters mehr reicht, von Schwäche zu Schwäch« staken und endlich mit einer besudelten, entnervten Seele «tederkehrea «erde, die ihre reinen Schönheiten «ad alles verloren, sogar de» Widerschein der Tugend, die Reue. Der Graf «ar zärtlich, sanft und stemm, aber kränklich uad zu «eich. Die Trust seiner Gemahlin stand gleichsam unter dem Fußboden seines Lebens und unterhöhlte jedes Beet, «o er Blumen suchte. — Jetzt würd' er an seinem Geburtstag «ad vielleicht durch diesen krank, so «entg ertrug die gelähmte Brust einen Tag, «o das Herz stärker an sie schlug. Da er von Ohnmacht in Ohnmacht sank, so ging der gequälte Sohn in das englische Wäldchen, worin das Grabmal feiner Matter und das leere «ar, bas sein Vater sich in der Letchenklage hatte bauen lassen, und hier gelobte Heinrich dem mütterlichen Geiste den Krieg mit seinem Jähzorn «ad mit seinem Heißhunger nach Freuden an. Der Geburtstag des Vaters rief ihm ja zu: „Die dünne Erde, die deinen Vater hält «ad ihn vom Staube deiner Mutter absondert, «irb bald etabrechen, vielleicht in wenig Tagen, und dann stirbt er bekümmert uad ohne Hojstrung, und er kommt zu deiner Mutter und kann ihr nicht sagen, daß du besser bist." O, da weint' er heftig; aber, unglücklicher Heinrich, was hilft Deine Rührung und Dein Weinen ohne Dein Bessern? Nach einigen Tagen erhob sich der Vater wieder und drückte im kränklichen Uebermaße von Rührung und Hoffnung den reuigen Jüngling an die fieberhafte Brust. Heinrich berauschte sich in der Freube über die Genesung und über den Kuß — er wurde stoher und wilder — er trank — er verwilderte mehr — sein Lehrer, der die steche Weichheit des Vaters durch kraftvolle Sttenge gutzumachea suchte, bestritt bas Auffchwellen des Freudentaumels—Heinrich «nrbe

glühend bea Geboten ungehorsam, die er für keine weichen väterlichen hielt — und da der Lehrer fest, stark «ad notwendig sie wiederholte, verletzte Heinrich im Taumel das Hert und die Ehre des strengen Frenades zn tief — und da flog auf das so ost getroffene kranke Herz des hoffenden Vaters der Auftuhr gegen den Lehrer wie eia giftiger PfeU, und der Vater unterlag der Wunde nnd sank auf das Kranken­ bette zurück. Ich will euch, liebe Kinder, weder Heinrichs Gram noch Schuld abmalen; aber schießet in das strenge Urteil, das ihr über seine sprechen müsset, auch jede ein, die ihr vielleicht auf euch geladen! Ach, welches Kind kann an das Sterbebette seiner Eltern treten, ohne daß es sagen muß: „wenn ich ihrem Leben auch keine Jahre nahm, o so kost' ich ihnen doch Wochen und Tage! — Ach, die Schmer, zen, die ich jetzt lindern will, hab' ich vielleicht selber gegeben oder verstärtt, und bas liebe Auge, das so gern noch eine Stunde lang ins Leben blicken wollte, drücken ja bloß meine Fehler früher zu!" — Aber der wahnsinnige Sterbliche begeht seine Sünden so kühn, bloß «eil sich ihm ihre mörderischen Folgen verhüllen; er kettet die in seine Brust eiagesperrtea reißenden Tiere los und läßt fle in der Nacht unter die Menschen dringen; aber er steht es nicht, wie viele Unschuldige das losgebuadne Untier ergreife und würge. Leichtsinnig wirst der wilde Mensch die glimmenden Kohlen seiner Sünden umher, und erst, wenn er im Grabe liegt, brennen hinter ihm die Hütten auf von seinen eingelegten Funken, und die Rauch, sänle zieht als eine Schandsäule auf sein Grab nnd steht ewig darauf. Heinrich konnte, sobald die Hoffnung der Genesung verschwand, die zerfallende Gestalt des gntea Vaters vor Qualen nicht mehr an, schauen; er hielt flch bloß im nächsten Zimmer auf und kniete, während Ohnmachten mit dem väterlichen Leben spielten, wie ein Missetäter still und mit verbundn«« Augen vor der Zuknast und vor dem zerschmettern, bea Schrei: Er ist tot! — Endlich mußf er vor den Kranken kommen, um Abschied zu nehmen und die Vergebung zu empfangen; aber der Vater gab ihm nur seine Liebe, aber nicht sein Derttauea wieder «ad sagte: „Aeadere dich, Sohn, aber versprich es nicht!" Heinrich lag niedergedrückt von Scham und Trauer im Neben, zimmer, als er wie erwachend seinen alten Lehrer, der auch der Lehrer seines Vaters gewesen, diesen etasegnea hörte, als ziehe schon die längste Nacht um das kalte Leben: „Schlummere süß hinüber," sagf er, „du tugendhafter Mensch, du treuer Schüler! Alle guten

Vorsätze, die du mir gehalle«, alle deine Siege über dich und alle deine schönen Taten müssen jetzt wie hellrote Abendwolken durch die Dämmerung deines Sterbens ziehen! Hoffe noch in deiner letzte« Stunde auf deiuen unglücklichen Heinrich, und lächle, wen« du mich hörest und wen« in deinem brechenden Herze« «och eine Entzückung ist!" Oer Kranke konnte sich unter dem schweren über ihn gewälzten Eise der Ohnmacht nicht ermannen, die gebrochaen Sinne hielten die Stimme des Lehrers für die Stimme des Sohnes, und er stammelte: „Heinrich, ich sehe dich nicht, aber ich höre dich; lege deine Hand auf mich und schwöre es, daß du besser wirst." Er stürzte herein zum Schwure; aber der Lehrer winkte ihm und legte die Hand auf das erkaltende Herz vnd sagte leise: „ich schwöre in deinem Namen." Aber plötzlich fühlt" er das Herz gestorben und ausruhend von der lange» Bewegung des Lebens. „Flieh, Unglücklicher," sagt" er, „er ist ohne Hoffnung gestorben." Heinrich floh aus dem Schloß. O, wie hätt" er eine Trauer schaue« ober teilen dürfe«, die er selber über die väterliche« Freunde gebracht? Er ließ seinem Lehrer bloß das Versprechen und die Zeit der Wiederkehr znrück. Schwankend und laut weinend kam er ins englische Wäldchen und sah die weißen Grabmäler wie bleiche Skelette die grüne Umlaubung durchschneiden. Aber er hatte nicht den Mut, die leere künftig« Schlummerstätte des Vaters zu berühren; er lehnte sich bloß an die zwette Pyramide, die et« Herz bedeckte, das nicht durch seine Schuld gestorben war, das mütterliche, das schon lange stille stand im Staube der zerfallende« Brust. Er durfte nicht weine« und nicht geloben; schweigend, gebückt und schwer trug er den Schmerz weiter. Ueberall begegneten ihm Erinnerungen des Verlustes und der Schuld — jedes Kind war eine, das dem Vater mit der hoch ein, hergettagnen Aehrenlese eatgegenlief — jedes Geläute kam aus einer Totenglocke — jede Grube war ein Grab — jeder Zeiger wies, wie auf jener königliche« Uhr*), nur auf die letzte väterliche Stunde. Heinrich kam an. Aber nach Mas dunkeln Tagen voll Reue und Pein sehnt" er sich zum Freunde des Vaters zurück und schmachtete, ihn durch die Erstlinge seiner Veränderung zu trösten. Der Mensch *) Im chateau royal zu Versailles war sonst eine Uhr, die so lange, als der König lebte, stand und auf die Todesstunde des vorigen zeigte und nur ging, wenn wieder einer starb. (6. Sander's Reisen, I. B.) Ein schöneres memento mori als irgend eines! — V-VI/3

feiert seine« Geliebten ein sch-neres Totenfest, wenn er fremde Tränen trocknet, als wenn er seine vergießt; «ad der schönste Blumen, nad Iypresstakranz, den wir an teuere Grabmäler hängen können, ist eia Frnchtgewiade ans guten Taten. Er wollte erst Nachts mit seiner Schamröte in die Trauer, Wohnung tteten. Als er durch das Wäldchen ging, stand die weiße Pyramide des väterlichen Grabes schauerhast zwischen dem leben, dtgea Gezweig, wie im Blau des reinen Himmels die graue Dampf, wolle eines zusammeagebraantea Dorfes schwimmt. Er lehnte das finkende Haupt an die harte kalte Säule und konnte nur dumpf und sprachlos «einen, und im dunkeln, mit Martern aa-efülltea Herzen war kein Gedanke fichtbar. Hier stand er verlassen; keine fasste Stimme sagte: weine nicht mehr! — Sem Daterherz zerschmolz und sagte: D« bist genug gestraft. Das Rauschen der Gipst! schien eia Zürnen und die Dunkelheit ein Abgrund. Dieses so Unwiederbriag, liche im Verlust lagerte flch wie ein Meer weit um ihn, das niemals rückt und niemals fällt. Endlich erblickte er nach dem Fall einer Träne einen sanften Stern am Himmel, der milde wie das Auge etues himmlischen Geistes zwischen die Gipfel heretablickie; da kam eia weicherer Schmerz in die Brust, er dachte an den Schwur der Besserung, den der Tod zerrissen hatte, und anv sank er langsam ans die Kniee und blickte zum Stern hinanf und sagte: „£> Vater, Vater! (und die Wehmuth erdrückte lange die Stimme) hier liegt dein armes Kind an deinem Grabe und schwört dir — Ja, reiner frommer Geist, ich «erde anders «erden; nimm mich wieder an!--------- Ach, könntest du ein Zeichen geben, daß du mich gehört hast!" Es rauschte um ihn; — eine langsame Gestalt schlug die Zweige zurück — und sagte: „Ich habe dich gehört, und ich hoffe wieder!" Es «ar sein Vater. Das Mittelding zwischen Tod und Schlaf, die Schwester des Todes, die Ohnmacht, hatte wie eia gesunder tiefer Schlummer ihm das Leben wiederbeschert, und er war dem Tode wieder entgangen. Guter Vater! uud hätte der Tod dich in deu Glanz der zweiten Welt gettagea, dein Herz hätte nicht ftoher zittern und süßer über, strömen können als in dieser Auftrstehungsmiuute, wo dein vom schärfsten Schmerze umgeäadetter Sohn mit dem bessern an deines sank und dir die schönste Hoffnung eines Vaters wtederbrachte! — Aber, indem der Vorhang dieser kurzen Szene fällt, so frag' ich euch, geliebte junge Leser: habt ihr Elter«, denen ihr die schönste Hoffnung

noch nicht gegeben habt? O dann erinnere ich euch wie ein Gewißen daran, daß einmal et» Tag kommen wird, wo ihr keine» Trost habt und wo ihr avsrufi: „Ach, sie haben mich am meiste» geliebt; aber ich ließ fle ohne Hoffnung sterben, und ich war ihr letzter Schmer;!"

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Die Neujahr-nacht eines Unglücklichen.

„Sin alter Mensch stand in der Neujahrsmitteraacht am Feaster und schaute mit dem Blick einer lauge« Verzweiflung anszum na, beweglichen ewig blühenden Himmel und herab ans die stille reine weiße Erde, worauf jetzt niemand so fteuben# und schlaflos war als er. Denn sein Grab stand nahe an ihm, es war blos vom Schnee des Alter-, nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte nichts mit aus dem ganten reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, Sünden und Krankheit, einen verheerten Körper, eine verödete Seele, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Sein« schönen Jugendtage wandten flch heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor de» Hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheibe, weg des Lebens gestellt, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites ruhige- Land voll Licht und Ernten und voll Engel bringt, und welcher links tu die Maulwurfsgänge des Lasters hinab, zieht in eine schwarze Höhle voll heruutertropftndem Gift, voll zielender Schlangen und finsterer schwüler Dämpft. „Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gisttropfeu auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war. „Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: „Gib mir die Jugend wieder! O Vater, stelle mich auf den Scheideweg wieder, damit ich auders wähle!" „Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker er, löschen, und er sagte: „Es stnd meine törichten Tage." — Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erbe zerrinnen: „Das bin ich," sagte sein blutendes Herz, und die Schlaugeuzähue der Reue gruben darin in den Wunden weiter. „Die lodernde Phautafle zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern, und die Windmühle hob ihre Arme drohend zum Zerschlagen auf, und eine im leeren Totenhause zurückgebliebne Larve nahm allmählig seine Züge an.

„Mitten in den Krampf floß plötzlich die Mvflk für da- Neu, jähr vom Turm hernieder wie ferner Kirchengesaug. Er wurde

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fatifitet bewegt — er schaute irm den Horizont herum und über die «eite Erde, «ad er dachte an seine Jugendfreunde, die nun, glücklicher und besser als er, Lehrer der Erde, Däter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „£> ich tonnte auch, wie ihr, diese erste Nacht mit trocknen Augen verschlummern, wenn ich ge­ wollt hätte — ach, ich tonnte glücklich sein, ihr teuern Eltern, wenn ich euere Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte." „Im fieberhaften Erinnern an seine Jünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf — endlich wurde sie durch den Aberglauben, der in der Neujahrs­ nacht Geister und Zukunft erblickt, zu einem lebendigen Jüngling, der in der Stellnng des schönen Jünglings vom Kapitol fich einen Dorn auszieht, und seine vorige blühende Gestalt würd" ihm bitter vorgegaukelt. „Er tonnt' es nicht mehr sehen — er verhüllte das Auge — tausend heiße Tränen strömten verfiegend in den Schnee — er seufzte nur noch leise, trostlos und sinnlos: „Komme nur wieder, Jugend, komme wieder!"".... — Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrs­ nacht so fürchterlich geträumt; — er war noch ein Jüngling. Nur seine Derirrungen waren kein Traum gewesen; aber er dankte Gott, daß er noch jung, in den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der Ernten leitet. Kehre mit ihm, junger Leser, um, wenn du auf seinem Irrweg stehst! Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter «erden; aber wenn dn einst jammervoll rufen würdest: „Komme wieder, schöne Jugend!" — so würbe sie nicht wiederkommen.

8. Die wunderbare Gesellschaft.*) „In der künftigen Zeit wird freie Reflexion und spielende Phan­ tasie regieren, keine kindischen Gefühle; man wird keinen Namens­ und Geburts- und Neujahrstag mehr feiern und kein Ende des Jahr-

♦) Die Dichtung, der dieses Stück entnommen wurde, ist eine Sylvesterphanlafle »um Anbruch des iy. Jahrhunderts und gibt eine« über, raschenden Dorblick in dessen Entwicklnng. Die auftretende« Personen sind reine Phantaflegestalte«: Pfeifeoberger und der schwedische Spitzkopf vertreten die schlimmen, die Jungfrau, der Jüngling und der Knabe die edlen Elemente der Zeit.

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Hunderts, weil man nicht weiß, wann es schließet, ob bei Lern ersten Merteln oder letzten Glockenschlage, oder bet dem Ausgehen oder bei dem Anlangen des Schalles, und «eil in jeder Minute ioo Jahre zu Ende find. Auch wird die Erde, eh fle verwittert, uoch ost von anno i an batiren, wie die Franzosen — Die Juden und Priester «erden aufhören, und die Völker, die Weiber, die Neger und die Liebe frei werden — Sprachgelehrte werden In alten Bibliotheken nach einer Edda und nach einer Bibel forschen, und ein künftiger Schiller wird das neue Testament lese«, um flch in die Charaktere eines Christen und Theisten tSuschenb zu setzen und dann beide aufs Theater — Griechenland wird wie Pompeji de» Schutt der Zett ai>, werfen, und von keiner Lava übergossen, werden seine Städte in der Sonne glänzen — Große Geschichtsforscher «erden, um nur etwas von den Begebenheiten und Menschen des barbarischen, kleinstäbti, scheu, finstern Mittelalters (so nennen fle daS aufgeklärte Jahrhundert) zu erraten, sogar einen daraus übrig gebliebueu Homerischen Hans Sachs studieren, von dessen Werken ein künstiger Wolf er, weisen wird, daß fle von mehrern Sängern zugleich gemacht worden, z.B. von einem gewissen Pfeifenberger — Was freilich Seine opuscula omnia anlangt, mein guter Freund, (— hier lächelte das Eisfeld; denn zu einem Eisberg «ar das Ding nicht kräftig genug) so wird es dem besten Aterator, der flch zum Studium der seltensten Inkunabeln sogar bis ins zwanzigste Jahrhundert zurückgewühlet, nicht glücken «ollen, mit irgend einer Notiz von ihm und seinen Schreibereien auszuhelfen." — — Es wäre mir in dieser Gespensternacht nicht zu verdenken gewesen, wenn ich von diesem UeberlLustr aus dem Jenenflschen Amtzistenorden in den Jnimtzistenorben einige Mal geglaubt hätte, den lebendigen Teufel vor mir zu haben. Aber seine Hoffnung, baß die kultivierte Zukunft keinen Sott und Altar mehr haben «erde — wie bet den Jude« nur unpolierte Steine zum Altare taugten, — sein vernünftiger Frost, worin keine Blume« mehr wachsen als die aus Eis —seine perennierende Aufgeschwollenheit, die ihn gegen jede Rüge verpanzert, wie nach dem Plinius flch der Dachs durch Aufblasung gegen Schläge verwahrt — und seine Bitterkeit, die jetzt die sanftesten Neueren (mich selber ausgenommen) mehr an als in flch haben, so baß fle wirklich so gut zu genießen find als die Staren, denen man, bevor fle gebraten werben, bloß den bittern Balg ab, zieht------- Alles dieses zeigte leicht, daß er mehr zu den sanften Neueren zu schlagen sei als zu den Teufeln selber. 37

Obgleich die Pfetfeubergertsch« Bosheit wieder LebenSftuer «ater meinen, vom Gespeafierhauche falt geblasenen Nerven an­ schürte, so machte doch di« Mitt, womit der Schwedenkopf menschÜche Gesichter in Brot bofsierte und die Physiognomien einem schwarzen Spitz unter dem Kanapee zu fresse« gab, mir es schwer, ihm wie einem rechten Menschen zu begegnen. Ich 'fing denn so gefaßt, als ich

konnte, an: „Ich antwort' Ihm, mein Pfeifenberger, auf seine Weissagung nur mit Still- und anderem Schweigen, besonders puncto meiner. In kalten Zeiten, wo die Menschen nichts mehr im Herzen haben als ihr Blut, verlang' ich nicht einmal hinein; leider sind jene von der ewtg wachsende» Volksmenge des Erdballes zu fürchten, die wie eine große Stadt und Reise und aus gleichem Grund Kälte gegen Menschenwert mitteilt; der Mensch ist jetzt dem aader» nur im Kriege so heilig wie sonst tat Frieden, und im Frieden so gleichgUtig wie sonst im Kriege. Uebrigens bescheid' ich mich gar gerne, daß Jahrhunderte, ja Jahrtausende komme», die mich nicht lesen. Wie bisher, so muß künftig mit der Ausdehnung «ud Durchkreuzung der Wissenschaften, mit dem Veralten der Schön­ heiten und mit der Uebuug des geistigen Auges die Kürze des Güls, die Derwaudluug alter Bilder in neue Farben, und kurz der äfiheüsche Luxus höher steigen; mithin wird eia zeitiger Schreiber, wie ich, zwar anfangs noch eine Zett lang als korrett mtüaufen, endlich «erd' ich als gar z» nüchtern, als ein zu ftanzöflscher ha- und magerer zweiter Gellert, der bloß glatt, und matten Leipziger» ge­ fallen will, bet Sette geschoben. Niemand ist wohl von diesem Unglück fester überzeugt als ich selber. — Irgend einmal wirb Sein und mein Deutsch, Freund, sich zu dem küufiigen verhaften, wie das in Enikel's Chronik zum jetzigen; wir werden also gerade so oft auf den Toilette» aufgeschlagen liegen als jetzt Otftied's Evangelium, nämlich bloß um die einfältige Schreibart und die Reinheit der Sitten zu studier«» au Ihm und mir. „Wahrlich, bei einer gar zu langen Unsterblichkeit verflüchügt sich der Autor, und nur der Bodensatz, bas Werk, sttzt fest; ich wünschte nicht, ein Konfutse, Homer oder Trismegistus zu seiu (ihre breiten Namen sind in ein unarükulirtes Lust-Pftiftn zerfahren), sondern lieber ettvas Näheres und Kompafteres, etwa ei» Friedrich II. ober etu J.J. ober ei« Pfeifenberger nach Seinem Tod." — Hier würd' ich, zumal in einer so kranken Haut, ungemein erweicht von einem benachbarten Gedanken: „Ich «erbe also so gut verschwinden," fuhr ich fort, „wie mein Jahrhundert — die

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Sanduhr der Zeit wirb ihren Hügel so gut über mich gieße« wie über den Hesperus am Htaunel; wahrlich, ich «erde «ad maß eine« letzte« Leser habe« .... Letzter Leser---------- eine wehmütige «ad fasste Idee! Beim Himmel! ich häng' ihr irgend einmal nach nab rede den Menschen an und sage etwa«: „,,O du, in dem ich mit meinen spielenden Kindern und mit meinem ganzen Herzen zuletzt «ohne, sei der Seele günstig, an die auf der «eiten Erbe und in der «eiten Zukunst kein Freund mehr denkt al- du, und deren Träume und Welten und Bilder alle sterben, wenn du entschläfst!"" — Der Knabe nickte, als meins ich ihn. Der ernste Jüngling schien niemand zn hören. Jetzt fing die geschminkte MaSke einen entsetzlich-langen Perioden an and sagte mit eintöniger ergreifender Stimme: „Wenn die große Uhr in der Marienkirche zu Lübeck nicht mehr zn brauchen sein wird, «eil fle gar zu ost umgestellt worben, und «eil auch der Mond schon anders umläust als fle'). — Wenn mancher Hottentott noch einen alten, »nach verbesserter und alter Zett wohl eingerichteten lustigen Historienkalender auf das gemeine Jahr 100,000" verweisen kann, den seine Ururgroßeltera durchschießen lassen, um Termine, Gäste und HanShaltuagSsache» auf treuherzige alte Weise (der Enkel kana'S nicht ohne Lächeln lesen) eiazntragea — Wenn die bittere Zeit bagewesea ist, «0 Menschenliebe in keinen Herzen mehr «ar außer in denen der Hunde—Wenn, obwohl lange «ach der Eroberung Europas durch die Amerikaner, der häßliche Weißen,Handel aus­ gehört, den die Schwarzen zum Teil nach ihren aordiadtsche« De, fltzungen hin getrieben — Wenn wegen der entsetzlichen Bevölkerung alle Dörfer stch zu Städten anSgebauet und die großen Städte mit den Toren an einander stoßen, und Paris bloß ein Stadtviertel ist, und der Sandmann »st auf seinem Dache ackert, daS er ganz artig urbar gemacht — Wenn in ganz Europa so schwer ein hölzernes HanS zu finden ist wie jetzt eia -olbaeS, bloß weil man bei dem mir begreiflichen Holzmaagel statt der Silberstangen Holzstangen sowohl a«S Indien holen muß als auS unsern Schachten, wo die Dorwelt fle so vorflchtig aufgespeichert; daher eS leicht zu erklären, warum man dann SlaS nur mit flch, nämlich mit Breangläsern macht, und warum man im Winter so künstlich von außen heizt mit der Sonne durch ') Sie zeigt den tägl. Stand und Sang der Himmelskörper it. bis zum Jahr 1875; dann muß sie verändert «erben.

besonders geschliffne Scheiben — Wenn endlich, weil durch ewiges Graben »nd Münzen das Geld schon lange zu Spartischem Eisen, gelb devalvtert geworden, nur Perlen die kleine Münze sind «ad Juwelen die große — Wen» die Prachtgesetze die einfache alte wohl, feilere Tracht zurückgesührt, indem sie überall auf Seide bestanden, und wenn die Mode die höchsten Verlängerungen und Verkürzungen (bis zur Natioualkleidung der Menschheit, der Nacktheit) und jede Der, setzung durchgesptelt, so daß bei Weibern die maillots1), die Schürzen am HalS, die am Rücken, die hinten offnen Totentalare, die bedmats, und bei den Männern die mat-beds, die peaux de lion, die Berghabite, die hinten zugeschaallt und zugespttzten Schuhe, die hinten zngeknöpfien Röcke, der doppelte Schuhs) und die Schleier und Schürze« wieder schon ein paar Mal ab, und aufgekommen stab — Wenn bie Handwerker und Gelehrten in immer kleinere Subsubdiviflone» aus einander gewachsen') — Wenn das letzte wilde Volk aus seiner Puter-Eierschale ausgekrochen, und zwar schneller als das erste'), «eil alle zahme an der Schale hackten, wenn zwischen allen Völkern, wie jetzt zwischen Herrnhutern und Juden, die Schiffe wie Weberschtffe verwebend hin und her schießen, und der Thüringer seinen nordamerikanischen Reichsanzeiger mithält und den aftikanischea Moniteur — Himmel l wenn bann der ganze GlobuS schreibt, der Nord- und der Südpol Autor ist «nd jede Insel Autorin, wenn Rußland die Werke selber verfertigt, die es eben daher früher

*) Ich brauche den Leserinnen wohl nicht zu sagen, baß dieses erst zu, künftige Moden sind. *) An den jetzigen eigentlich halben Schuh wird nämlich künftig hinten eia neuer angebauet, der leer bleibt wie unser hoher Hnt. ') Der Wilde und der «estphLliagische Bauer machen sich, wie der Redner SorgiaS, alles selber; mit der Kultur teilen sich die Handwerker auseinander; diese Abteilungen «erden sich wieder spalteu, «nd z. B. die Muabköche sich in DSgel,, Flschköche it., diese wieder in Lachs», Forellen,, Karpfen, ic. Köche sondern. Bet den Gelehrten werben die AbLstongen noch üppiger auSfalle«. I. B. in der ungeheuer aufwachsenden Geschichte wird jedes Volk, jedes Jahrtausend seinen eignen Historiker fordern, der von seinem historischen Waadaachbar gar nicht zu wissen braucht, daß er in der Welt ist. 4) Völker (wie Kinder moralisch und physisch) wachsen anfangs am schnellsten und stärksten; in einer gewissen Höhe der Kultur kann bie Menschheit sich nur langsam ändern und höher heben, wie all« Sterne vom Horizont schneller aufsteigen als von der halben Bahn.

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sicht eingelassen, vad die Molucken mit den Gewürze« aus Habsucht die Makulatur dazu liefern, und die Kamtschadalen alle die Blas­ phemie», Zweideutigkeiten und Höhnereieu, die sie vorher mündlich verrauchen ließen, besser in Romane auffangen; wenn natürlicher­ weise eigne Städte gebauet «erden müsse», wo bloß Bücher wohnen, so wie ganze Judengassen bloß für schreckliche Registraturen; wenn die Menge so herrlicher Genies und die Menge der Natioaalgeschmäcke so vieler Insel», Küsten und Jahrhunderte die höchste Toleranz, Uebersicht, Vermischung und Laune geboren — Wenn man die Wolken so richtig wie kürzere Sonnenfinsternisse prophezeien kann. Schwanz­ sterne ohnehin; und wenn die Flora nnd Fauna im Monde so gut bearbeitet ist als die Länderkuude des Abendsterus — Wenn alle Raphaele verwittert, alle jetzigen Sprachen gestorben, neue Laster und alle mögliche Physiognomien und Karaktere dagewesen, die Zartheit und Besonnenheit und Kränklichkeit größer, die Hohlwege zehnmal tiefer und die tiefsten Wahrheiten platte geworden — Wen» Flotten von Luftschiffen über der Erde ziehen und die Zeit alle ihre griechischen Futura durchkonjugiert — Wenn alles unzählige Male bagewesen, ein Gottesacker auf dem andern liegt, die alte runzltchte graue Menschheit eia Jahrtausend »ach dem andern vergesse» und nur »och, wie andere Greise, sich ihrer schönen Jugendzeiten in Griechenland und Rom erinnert, und der ewige Jude, der Planet, doch noch immer läuft------- sag an, o bleicher Jüngling, wenn schlägt es in der Ewigkeit in Uhr, nnd die Geisterstunde der ErdErscheinungen ist vorbei?"" — „Ach Gott (sagte der Knabe sonderbar-klug), das Leben ist lang, aber die Zeit ist kurz, sie hat nichts als Augenblicke — Alle Uhren gehen sehr (wobei er eine herauszog und ansah, auf der sieben über einander stehende Weiser*) unten rückten, liefe» und oben pfeilschnell flogen) — O, die große Uhr rasselt schon und schlägt das Jahrhundert aus — dann fliegt die weiße Taube sehr anmutig durch die Sterne, und die Toten des Jahrhunderts ziehen getrost." Hier schlang er sich an die Brust der Jungftau und gab seine Uhr mit den 7 Zeigern der Maske. „Die große Uhr draußen hat freilich," sagte diese, „ein Richtschwert zum Perpendikel, und das ist Geistern ganz fatal?/"

*) Nämlich die Terzie wieder in 60 Teilchen, jedes wieder In 60, und dieses wieder geteilt. ’) Stifter fliehen nach dem Aberglanben Richtschverter.

Er trug die schwtudelab tu einaader laufeude Uhr unter den Spiegel. Fürchterllch war es mir, als thu der Spiegel sicht abbildete uud die auderu auch uicht. — Im Hintergründe des Zimmers standen wieder neue unkenntliche Gestalten, die alle streuge auf ihre Uhrea sahen. — Der Schwedenkvpf drehte bald umarmende Menschen, bald Herzen ans Brot und fütterte den schwarzen Hund. — Die Jungftav faltete sanft die Hände empor; aber unter dem Erheben überzog sich das göttliche Auge des Ringes mit einem weißen Augenlid. — Mein Herz zuckte bange zurück vor dem nächtlichen kalten Anwehea eines hin und her geschwungenen Dolchs und vor dem ersten Glockeato«, der das Jahrhundert ausmachte. Der Moud strahlte plötzlich den Jüngling an; groß, uabeweg, lich, bleich, aber voll Slaaz fing er an, ohne der Maske zu antworten, und «ater der Rede bebten tiefe Töne im Klaviere, aber keine Laste regte flch: „Es gibt einmal einen letzten Menschen — er wird auf einem Berg unter dem Aequator stehe» und herabschane» auf die Wasser, welche die «eite Erde überziehen — festes Eis glänzet an den Polen herauf — der Mond «ad die Sonne hängen ausgebreitet und tief und nur blutig über der kleineu Erde, wie zwei trübe fetndüche Augen oder Kometen — daS aufgetürmte Gewblke strömet eilig durch den Himmel und stürzet flch ins Meer und fährt wieder empor, und nur der Blitz schwebt mit Mhendea Flügeln zwischen Himmel und Meer und scheidet (le1) — Schau auf zum Himmel, letzter

*) Die Astronomie beweiset, baß flch die Erbe der Sonne (wie »ach Euler der Mond der Erde) in einer Spirale immer näher drehe; «ab schon die Mechanik beweiset es, da eS ebenso wenig außer als auf der Erb« ein perpetuum mobile geben kann, «eil ja Kraft und Zeit im umgekehrten Verhältnis stehe» und mithin jene Rull würd«, «en» diese »aeabllch würde. Aber eh« der Planet zur Sonne wird (wie der Mensch zur Erde), «ovo» er genommen ist, so ist «eaiger die Erhitzung beS Erbkbrpers — die z. B. nicht bisher mit der Soaaeanähe am Aequator unter den geraden Strahle» wuchs, und die ja nicht vom Sonnen,Abstande ab, hängt, da wir keine diversen Merkmale desselben in den fernsten und nächsten Planeten entdecken — als sein« überschwemmuag zu befürchten, «eil — außerdem, daß alle Meere immer gegen den Aequator hinaof, strSmen — die nähere Anziehung der Sonne, des Mondes und mithin der andern Planeten, wie in den Aequiaoktien, fürchterlich die Flut der Meer« und ebenso des Dunstkreises und zuletzt der Elektrizität austrelben und über unsere Ameisenhaufen, bi« wir vom Maulwurf des Erdbebens ge, erbt, herüberstürzen muß.

Mensch! Auf deiner Erde ist schon alles vergangen — deine großen Ströme ruhe« anfgelöset im Meere. —

„Oie allen Menschen, in welchen die frühern Alte« lebten, wie Versteinerungen in Ruinen, zergehen unter dem Meere — nur die Welle klinget noch, «ad alles schweigt, und das Geläute der Uhren, womit deine Brüder die Jahrhunderte wie einen Bienenschwarm verfolgten, regt flch nicht im Meeressand — Bald flattert das noch von dir bewohnte Sonnenstäubchen hinauf, «ud die größeru blinke«/ den Staubkörner auch; aber die Sonne ttägt den Kinbersarg der Menschheit leicht im Arm und hüpfet, von deiner Flugerde schwach bestäubt, jugeudltch, obwohl kinderlos, mit andern Schwestern um die Muttersouue «eiter... Schwacher Sterblicher, der du vor allem zitterst, was älter wird als du, höre «eiter! Auch die Sonnen der Milchstraße ergreife» endlich einander ftiabltch und umschlingen flch kämpftad zu einer Riesenschlange, vad eine chaotische Welt aus Welten arbeitet breaaeab «ad flutend — Aber im unendlich«« Himmel hängt ihre schwarze und feurige Gewitterwolke nur un/ bemerkt und klein, «eit über vnd unter ihr schimmern die Sterne ftteblich in ihren tausend MUchstraßea. — Vernimm «etter. Er/ schrockaer! In der Ewigkeit kommt ei» Tag, wo auch alle diese Sttaßeu «ud weißen Wölkchen flch verfinstern, «ad wo in der wetten Unermeßlichkett nur Gewitterwolken ziehen, aus Sonnen gemacht, und wo es dämmert in der ganzen Schöpstmg ... Dana ist Gott noch; er steht licht iu der Nacht; seine Sonne zog die Sonnea/Wolkea auf, seine Sonne zerteitt sie wieder — und baun ist wieder Tag.-------Und nun sprich nicht mehr von der kleinen Vergangenheit der kleinen Erbe! — Gott hat den Donner «ad den Sturm in der Hand «ab den Schmerz und ordnet die Ewigkeit — und bas weiche Würmchen pflanzet flch doch fort durch die stürmische» Jahrtausende —; aber der Mensch, die Parze der Erbe, die auf Würmchen austrat, uub die überall Opfer forderte und machte, klagte über die Höher» für bas Höchste.---------Der Unendliche und die Sonne waren ihm, so wie seine Erdscholle flch auf/ oder unterwärts kehrte, bald im Auf/, bald im Untergang — Tor! fle haben beide keine» Morgen «ad Abend, sondern fle glänzen ewig fort; aber fle ziehen mit dir vad deinem Ball in die unbekannte Gegend *)-------- Letzter Mensch, denke nicht

l) Bekanntlich bewegt flch die Sonne mit ihrem Sefolge «ach einem noch unbekannten Ziel im Norden deS Himmels.

nach über die lange Welt vor und nach dir; im Universum gibts kein Alter — Die Ewigkeit ist jung — finke in die Welle, wenn fie kommt; fie verflegt, und nicht du!" 9. Titan.

Hohe Natur! wenn wir dich sehen und lieben, so lieben wir unsere Menschen wärmer, und wenn wir fie bettauern ober ver­ gessen müssen, so bleibst du bei uns und ruhest vor dem nassen Auge wie ein grünendes abendrotes Gebirge. Ach, vor der Seele, vor welcher der Morgentau der Ideale flch zum grauen kalten Land­ regen entfärbet hat — und vor dem Herzen, dem auf den unter­ irdischen Gängen dieses Lebens die Menschen nur noch wie dürre gekrümmte Mumien auf Stäben in Katakomben begegnen — und vor dem Auge, das verarmt und verlassen ist, und das kein Mensch mehr erfreuen will — und vor dem stolzen Gbttersohne, den sein Unglaube und seine einsame, menschenleere Brust an einen ewigen unverrückten Schmerz anschmieben-------- vor allen diesen bleibst du, erquickende Natur, mit deinen Blumen und Gebirgen und Katarakten treu und tröstend stehen, und der blutende G-ttersohn wirst stumm und kalt den Tropfen der Pein aus den Augen, damit fie hell und weit auf deinen Vulkanen und auf deinen Frühlingen und auf deinen Sonnen liegen!--------

* Selige, selige Zeit! Du bist schon lange vorbei! O, die Jahre, worin der Mensch seine ersten Gedichte nnd Systeme liefet und macht, wo der Geist seine ersten Welten schafft und segnet, und wo er voll ftischer Morgengedanken die ersten Gestirne der Wahrheit kommen steht, tragen einen ewigen Glanz und stehen ewig vor dem sehnenden Herzen, das fie genossen hat, und dem die Zeit nachher nur astro­ nomische Cphemeriden und Restaktionstabellen über die Morgen­ gestirne reicht, nur veraltete Wahrheiten und verjüngte Lügen! — O, damals würd' er von der Mich der Wahrheit wie ein frisches durstiges Kind gettänkt und großgezogen; später wird er von ihr nur als ein welker skeptischer Hektikus kurirt! — Aber du kannst steilich nicht wiederkommen, herrliche Zeit der ersten Liebe gegen die Wahrheit, und diese Seufzer sollen mir eben nur deine Erinne­ rung wärmer geben; und kehrst du wieder, so geschieht es gewiß nicht hier im tiefen, niedrigen Grubenbaue des Lebens, wo unsere Morgen-

r-te in den Goldflämmlein auf dem Goldkiese besteht und unsere Sonne im Grubenlicht — nein, sondern dann kann es geschehen, wenn der Tod uns ausdeckt und den Sargdeckel des Schachte- von den tiefen blaßgelben Arbeitern wegreißet, und wir nun wieder wie erste Menschen in einer neuen, vollen Erde stehen und unter einem frischen unermeßlichen Himmel! — ★ An Karl. „Fremder! jetzt in der Stunde, wo uns im Totenmeere und in den Tränen die Siegessäulen und Thronen der Menschen und ihre Brückenpfeiler gebrochen erscheinen, fragt dich stet ein wahres Her» — und deines antwort' ihm treu und gern! Wurde dir das längste Gebet des Menschen erhört, Fremder, und hast du deinen Freund? Wachsen deine Wünsche und Nerven und Tage mit seinen zusammen wie die vier Zedern auf Libanon, die nichts um sich dulden als Adler? Hast du zwei Herzen und vier Arme, und lebst du zweimal wie unsterblich in der kämpfenden Mlt? — Oder stehst du einsam auf einer frostigen verstummten schmalen Gletscherspitze und hast keinen Menschen, dem du die Alpen der Schöpfung zeigen könntest, und der Himmel wölbt flch «eit von dir und Klüfte unter dir? — Stenn dein Geburtstag kommt, hast du kein Wesen, das deine Hand schüttelt und dir ins Auge fleht und sagt: wir bleiben noch fester beisammen? — „Fremder, wenn du keinen Freund hättest, hast du einen verdient? — Wenn der Frühling glühte und alle seine tzonigkelche ösftkete und seinen reinen Himmel und alle hundert Tore an seinem Paradiese: hast du da schmerzlich aufgeblickt wie ich und Gott um ein Herz gebeten für deines? — O, wenn Abends die Sonne ein, sank wie ein Berg und ihre Flammen aus der Erde fuhren und nur noch ihr roter Rauch hinanzog an den silbernen Sternen: sähest du aus der Vorwelt die verbrüderten Schatten der Freundschaft, die auf Schlachtfeldern wie Gestirne eines Sternbildes mit einander untergingen, durch die blutigen Wolken als Riesen ziehen, und dachtest du daran, wie ste sich unvergänglich liebten, und du warst allein wie ich? — Und, Einsamer, wenn die Nacht, wo der Geist des Menschen, wie in heißen Ländern, arbeitet und reiset, ihre kalten Sonnen verkettet und aufdeckt, und wenn doch unter allen «eiten Bildern des Aethers kein geliebtes teures ist und die Unermeßlichkeit dich schmerzlich aufzieht und du auf dem kalten Erdboden fühlest.

daß dein Herz an keine Brust anschlägt als nur an deine: o (5e, liedter, weinest du dann und recht innig? — Karl, ost zählt' ich am Geburtstag die wachsenden Jahre ab, die Febern im breiten Flügel der Zeit, und bedachte das Der, rauschen der Jugend; da streckt' ich «eit die Hand nach einem Freunde aus, der bet mir in Charons Nachen, worin wir geboren werden, stehen bliebe, wenn vor mir die Jahreszeiten des Lebens am Ufer vorüberlaufen mit Blumen und Blättern und Früchten, und wenn auf dem langen Strome bas Menschengeschlecht in tausend Wiegen und Särgen htnnnterschießet. „Ach, nicht das bunte Ufer fliehet vorüber, sondern der Mensch und sein Sttom; ewig blühen die Jahreszeiten in den Gärten des Gestades hinauf und hinab; aber nur wir rauschen einmal vor den Gärten vorbei und kehren nicht um. „Aber der Freund geht mit. O, wenn du tu dieser Stunde der Gaukeleien deS Todes den bleichen Fürsten mit den Jugend, Bildern auf der Brust ansiehst und an den grauen Freund denkst, der ihn verborgen im Tartarus bettauert, so wird dein Herz zer, fließen und in sanften «armen Flammen in der Brust umherrinnen und leise sagen: ich will lieben und dann sterben und dann lieben; o Allmächtiger, zeige mir die Seele, die sich sehnet wie ich! „Wenn du das sagst, wenn du so bist, so komm an mein Herz! Ich bin wie du. Fasse meine Hand und behalte sie, bis fle welkt. Ich habe heute deine Gestalt gesehen und auf ihr die Wunden des Lebens; tritt an mich! ich will neben dir bluten und streiten. Ich habe dich schon früh gesucht und geliebt. Wie zwei Ströme «ollen «tr uns vereinigen und mit einander wachsen und tragen und ein, trocknen. Wie Silber im Schmelzofen, rinnen wir mit glühendem Licht zusammen, und alle Schlacken liegen ausgestoßen um den reinen Schimmer her. Lache bann nicht mehr so grimmig, daß die Menschen Irrlichter sind! Gleich Irrlichtern brennen und fliegen «tr fort im regnenden Sturme der Zeit. — Und dann, wenn die Zett vorbei ist, finden «tr uns wie heute, und es ist wieder im Frühling.

* Nicht nach den Kinderjahren, sondern nach der Jünglingszeit würden wir uns am sehnsüchtigsten umkehren, wenn «tr aus dieser so unschuldig wie aus jenen herkämen. Sie ist unser Lebens,Festtag, wo alle Gaffen voll Klang und Putz sind und um alle Häuser goldne Tapeten hängen, und wo Dasein, Kunst und Tugend uns noch als 46

sauste Göttinnen mit Liebkosungen locke«, die uns Im Alter als strenge Götter mit Seboteu ruft». — Und in dieser Zeit wohnt die Freundschaft noch im heiter offnen griechischen Tempel, nicht wie später in einer engen gotischen Kapelle.

10. Anhang zu Titan.

Je älter der bessere Mensch wird ober je stiller und stimmet, desto mehr hält er bas Angeborne für heilig, nämlich den Sinn und die Kraft; indes stch für die Menge das Erworbene, die Fertigkeit und die Wissenschaft überall prahlend vordrängt, weil dieses allgemein und auch von denen begriffen wird, die es nicht haben, jenes aber nicht. In der Dämmerung und im Mondschein treten die Sonnensterne verhüllt In den Aether zurück; aber die nahen erdigen Wandelsterne halten immerfort ihr entlehntes Lichtchen fell. Die stühern Völker, wo der Mensch mehr «ar und weniger wurde, hatten einen kindlichem bescheidnem Sinn für alle Gaben des Uu, endlichen, z. D. für Stärke, Schönheit, Glück, nnd sogar alles Un, willkürliche «ar ihnen heilig und Weissagung und Eingebung; daher ihre Traumdeuterei der Reden der Kinder, der Wahnsinnigen, der Tmnknen und der Träumer. 11. Flegeljahre.

Das Glück eines schwedischeu Pfarrers.

„So will ich mir deuu diese Wonne ohne allen Rückhalt recht groß hermaleu und mich selber unter dem Pfarrer meinen, damit mich die Schllderuug, wen« ich ste nach einem Jahre wieder überlese, ganz besonders auswärme. Schon eia Pfarrer an stch ist selig, ge, schweige in Schweden. Er genießet da Sommer und Winter rein, ohne lange verdrießliche Unterbrechungen; z.B. in seinen späten Frühling fällt statt des Nachwinters sogleich der ganze reife Dor, sommerein, «eißrot und blütmschwer, so daß man in einer Sommer, nacht bas halbe Italien und in einer Wiuteruacht die halbe zweite Welt haben kann. „Ich will aber bei dem Winter anfangen und das Christfest nehmm. „Der Pfarrer, der aus Deutschland, aus Haslau iu ei« sehr nördlich^olarisches Dörflei« voziert worden, steht heiter «m 7 Uhr

auf und brenut bis 91/, Uhr sein dünnes Licht. Noch um 9 Uhr scheinen Sterne, der Helle Mond «och Unger. Aber dieses Herein­ laagen des Sternen-Himmels in den Vormittag gibt ihm liebe Empfindungen, weil er ein Deutscher ist und über einen gestirn­ ten Vormittag erstaunt. Ich sehe den Pfarrer und andere Kirchen, gäuger mit Laternen in die Kirche gehen; die vielen Lichterchen machen die Gemeinde zu einer Familie und setzen den Pfarrer in seine Kiaderjahre, in die Winterstunden und Weihnachtsmettea zurück, «0 jeder sein Lichtchen mit hatte. Auf der Kanzel sagt er seinen lieben Zuhörern lauter Sachen vor, deren Worte gerade so in der Bibel stehen; vor Gott bleibt doch keine Vernunft ver­ nünftig, aber wohl ein redliches Gemüt. Darauf teilt er mit heim­ licher Freude über die Gelegenheit, jeder Person so nahe ins Gesicht zu sehen und ihr, wie einem Kinde, Trank und Speise einzugeben, das heUige Nachtmahl aus und genießet es jeden Sonntag selber mit, «eil er sich »ach dem nahen Ltebesmahl in den Händen ja sehne» muß. Ich glaube, es müßt' ihm erlaubt sein." „Wenn er dann mit den Seintgen aus der Kirche tritt, geht gerade die Helle Christ- und Morgensonne auf und leuchtet ihnen allen ins Gesicht entgegen. Die vielen schwedischen Greise «erben ordentlich jung vom Sonaenrot gefärbt. Der Pfarrer könnte dann, wenn er auf die tote Muttererde und den Gottesacker hin­ sähe, worin die Blumen wie die Menschen begraben liegen, wohl diesen Polymeter dichten: „„Auf der toten Mutter ruhen die toten Kinder in dunkler Stille. Endlich erscheint die ewige Sonne, und die Mutter steht wieder blühend auf, aber später alle ihre Kinder." „Zu Hause letzt ihn ein «armes Museum samt einem langen Sonneastreif an der Bücherwand. „Den Nachmittag verbringt er schön, weil er vor einem ganzen Blumeagestelle von Freuden kaum weiß, wo er anhallen soll. Jst's am heiligen Christfest, so predigt er wieder, vom schönen Morgen­ lande oder von der Ewigkeit; dabei wird's ganz dämmernd im Tempel; nur zwei Altarkerzen werft« wunderbare lange Schatten umher durch die Kirche; der oben Herabhängeade Taufengel belebt sich ordentlich und fliegt beinahe; draußen scheinen die Sterne oder der Mond herein — der feurige Pfarrer oben im Finstern auf seiner Kanzel bekümmert sich nun um nichts, sondern donnert aus der Nacht herab, mit Tränen und Stürmen, von Welten und Himmeln und allem, was Brust und Herz gewaltig bewegt.

„Äommt er flammend herunter, so kann er am 4 Uhr vielleicht schoa «ater einem am Himmel wallenden Norbschein spajieren gehen, der für ihn gewiß eine aas dem ewtgea Südmorgen herüberschlagende Anrora ist oder eia Wald aas heiligen fearigea Mofis,Büschen am Sattes Thron. „Jst^s ein anderer Nachmittag, so fahren Gäste mit erwachsenen Töchtern von Betragen an; wie die große Welt, diniert er mit ihnen bet Sonnenantergang am 2 Uhr and trinkt den klaffe« bet Mond, schein; das gante Pfarrhaus ist ein dämmernder Zaa-erpalast. — Oder er geht aach hinüber zam Schulmeister in die Nachmittags, schale «ad hat alle Jtinbet seiner Pfarrktader gleichsam als Enkel bet Licht am sein Großvater,Säte «ad ergehet and belehret sie. — „Ist aber das alles nicht, so kann er ja schon von drei Uhr an In der «armen Dämmerang darch den starken Mondschein in der Stabe aas und ab waten and etwas Orangenzncker baja beißen, am das schöne Welschland mit seinen Gärten ans die Zunge und vor alle Sinne zn bekommen. Sann er nicht bet dem Monde denken, daß dieselbe Silberscheibe jetzt in Italien Mischen Lorbeerbäumen hänge? Sann er nicht erwägen, daß die Aeolsharft und die Lerche und die gant« Musik and die Sterne and die Sinder in heißen and kalten Ländern dieselben sind? Wenn nun gar die rettende Post, die aaS Italien kommt, durchs Dorf bläset and ihm ans wenigen Tönen blumige Länder an daS geftorne Museumsfenster hebt; wenn er alte Rosen, and Llltenblätter aas dem vorigen Sommer in die Hand nimmt, wol aach eine geschenkte Schwanzftder von einem Paradiesvogel; wenn dabei die prächtigen Slänge SalatzeU, Sirschen, zeit, Trtnitatissonntage, Rosenblüte, Marientage das Her» an, rühren, so wird er kaam mehr wissen, daß er In Schweden ist, wenn Licht gebracht wird und er verdutzt die fremde Stube anfleht. Will er^S noch «eiter treiben, so kann er sich daran ein Wachskerzen, Endchen anzünden, am den ganzen Abend tu die große Welt hinein, zusehen, aas der «'S her hat. Denn ich sollte glauben, baß am Stockholmer Hofe, wie anderwärts, von den tzofbedienten Endchen von Wachskerzen, die auf Silber gebrannt hatten, für Gelb zu haben

wären. „Aber nun nach Verlauf eines halben Jahres klopft auf einmal etwa- Schöners als Jtallen, wo die Sonne viel stüher als tu Haslan untergeht, nämlich der herrlich belabne längste Tag an seine Brust an und hält die Morgenröte voll Lerchengesang schon nm 1 Uhr Nachts in der Hand. Ein wenig vor 2 Uhr oder Sonnenaufgang

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trifft die oben gedachte niedliche, bunte Reihe im Pfarrhause ein, «eil sie mit dem Pfarrer eine kleine Lustreise vorhat. Sie ziehen nach L Uhr, wenn alle Blumen blitzen und die Wälder schimmern. Die warme Sonne droht kein Gewitter und keinen Platzregen, weil beide selten sind in Schweden. Der Pfarrer geht so gut in schwedischer Tracht einher wie jeder — er trägt sein kurzes Wamms mit breiter Schärpe, sein kurzes Mäntelchen darüber, seinen Rundhut mit wehenden Federn und Schuhe mit Hellen Bändern; — natürlich sieht er, wie die andern auch, wie ein spanischer Ritter, wie ein Pro­ venzale oder sonst ein südlicher Mensch aus, zumal da er und die muntere Gesellschaft durch die in wenigen Wochen aus Beeten und Aesten hervorgezogne hohe Blüten- und BlätterfÜlle fliegen. „Daß ein solcher längster Tag noch kürzer als ein kürzester ver­ fliege, ist leicht zu denken, bei so viel Sonne, Aether, Blüte und Muße. Schon nach 8 Uhr abends bricht die Gesellschaft auf — die Sonne brennt sanfter Über den halbgeschloffenen schlästigen Blumen — um 9 Uhr hat sie ihre Strahlen abgenommen und badet nackt im Blau — gegen io Uhr, wo die Gesellschaft im Pfarrdorfe wieder ankommt, wird der Pfarrer seltsam bewegt und weich gemacht, weil im Dorfe, obgleich die tiefe laue Sonne noch ein müdes Rot um die Häuser und an die Scheiben legt, alles schon still und in tiefem Schlafe liegt, so wie auch die D-gel in den gelbdämmernden Gipfeln schlummern, bis zuletzt die Sonne selber, wie ein Mond, einsam unter­ geht in der Sülle der Welt. Dem romantisch bekleidetenPfarrer ist, als sei jetzt ein rosenfarbenes Reich aufgetan, worin Feen und Geister herumgehen, und ihn würd" es wenig wundern, wenn in dieser goldenen Geisterstunde auf einmal sein in der Lindheit ent­ laufener Bruder heranträte, wie vom blühenden Zauberhimmel gefallen. „Der Pfarrer läßt aber feine Reisegesellschaft nicht fort; er hält sie im Pfarrgarten fest, wo jeder, wer will, sagt er, in schönen Lauben die kurze laue Stunde bis zu Sonnenaufgang verschlummern kann. „Es wird allgemein angenommen und der Garten besetzt; manches schöne Paar tut vielleicht nur, als schlaft es, hält sich aber wirklich an der Hand. Der glückliche Pfarrer geht einsam in den Beeten auf und ab. Kühle und wenige Sterne kommen. Seine Nachtviolen und Levkoien tun sich auf und duften stark, so hell es auch ist. In Norden raucht vom ewigen Morgen des Pols eine goldhelle Dämmerung auf. Der Pfarrer denkt an sein fernes Kindheits­ dörfchen und an das Leben und Sehnen der Menschen, und wird

still Ulld voll genug. Da greift die frische Morgeusonue wieder in die Welt. Mancher, der sie mit der Abendsonne vermengen will, tut die Augen wieder zu; aber die Lerchen erklären alles und «ecken die Lauben. „Dana geht Lust «ad Morgen gewMg wieder an;-------- und es fehlt wenig, so schilder' ich mir diesen Tag ebenfalls, ob er gleich vom vorigen vielleicht um kein Blütenblatt verschieden ist."

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Deutscher Sommer. Gott, welche Jahreszeit! Wahrlich, ich weiß ost nicht, bleib' ich in der Stadt oder geh' ich aufs Feld, so sehr ist's einerlei und hübsch. Geht man zum Tore hinaus, so erfteuen einen die Bettler, die jetzt nicht frieren, und die Postreiter, die mit vieler Lust die ganze Nacht zu Pferde sitzen können, und die Schäfer schlafen im Freien. Man braucht kein dumpfes Haus; jede Staude macht man zur Stube und hat dabei gar meine guten emsigen Bienen vor sich und die prächtigsten Iweifalter. In Gärten auf Bergen sitze» Gymnasiasten und ziehen im Freien Vokabeln aus Lextzts. Wegen deS Jagd/ Verbotes wird nichts geschossen, und alles Leben in Büsche» »nb Furche» und auf Aesten kann sich so recht sicher ergehen, überall kommen Reisende auf allen Wegen daher, haben die Wagen meist zurückgeschlagen, de« Pferden stecken Iweige im Sattel und den Fuhrleuten Rosen im Mund. Die Schatten der Wolken laufen, die Vögel fliegen dazwischen auf und ab, Haadwerksbursche wandern leicht mit ihren Bündeln und brauchen keine Arbeit. Sogar im Regeawetter steht man sehr gern draußen und riecht die Erquickung, und es schabet den Diehhirten weiter nichts die Näss«. Und tst's Nacht, so sitzt man nur in einem kühlern Schatten, von wo aus mau den Tag deutlich sieht am nördlichen Horizont und an den süßen warmen Himmels/Sternen. Wohin ich nur blicke, so find' ich mein liebes Blau, am Flachs in der Blüte, an den Kornblumen und am göttlichen unendlichen Himmel, in den ich gleich hineinspringeu möchte wie in eine Flut. — Kommt man nun wieder nach Hause, so findet sich in der Tat frische Wonne. Die Gasse ist eine wahre Kinder-Stube; sogar abends nach dem Essen «erden die Kleine«, ob sie gleich sehr wenig anhaben, wieder ins Freie gelassen, und nicht wie im Winter unter die Bettdecke gejagt. Maa ißt am Tage und weiß kaum, wo der Leuchter steht. Im Schlafzimmer sind die V-VI/4*

Feaster Lag und Nacht offen, auch die meiste« Türen, ohne Schade». Die älteste» Weiber stehe» oha« Frost am offenen Feaster and nähen, überall liege» Blumen, neben dem Tintenfaß, aaf den Akte», ans de» Sesflous, «ad Ladentischen. Die Mader lärme» sehr, nad am» hört bei Rolle» der Kegelbahuea. Die halbe Nacht geht ma» ta bea Gaste» aaf aad ab uab spricht lavt aad fleht die Sterne am hohe» Himmel schieße». Selber die Fürstin geht »och abead- vor dem Essen im Park spaziere«. Die fremden Virtuosen, die gegen Witter, »acht »ach Hause gehe», geigen noch auf der Gaffe fort bis in ihr Quartier, «ad die Nachbarschaft fährt an die Feaster. Die Extra, poste» komutea später, u»d die Pferde wieher». Maa liegt im Lärm am Feaster aad schläft eia; maa erwacht voa Posthörnern, und der gaaze gestirnte Himmel hat flch aufgethaa. £> Gott, welches Freuden, Lebe» auf dieser kleine» Erde! Uad doch ist das erst Deutschlaud! — Denk" ich vollends an Welschlaad!

* Peter Neapeters Wtegeafest. Der Notarius konnte de» ganze» Morgea nichts Gescheites mache» als Plaae, aa einem solche» Ehreutage et» »euerer Petrarka zu sei» ober et» ta einem Dorft gebrochener Juwel, der flch auf der Edelstetumühle der Stadt schon sehr ausgeschltffeu. Er hielt flch vor, das sei das erste Mal, da- er in de» schimmernden Tier,Kreis des fetastea Cercle oder Kränzchens rücke. „Gott, wie fei» «erde» fle alles drehe»," sagte er flch, „uad vor Turaüre kaum rede»! „Madame" — kann der Graf sagen — „ich bi» zu glücklich, um es zu sei»." „Herr Graf," kau» fle versetze«, „ihr Verdienst «ad Ihre Schuld" — „Darf maa das Errate» erraten," stagt er — „Sollte Fragen mehr erlaubt sein als Antworten" — stagt fle — „Das eine erspart das andere," versetzt er. — „Oh, Graf," sagt fle — „Aber, Madame," sagt er; denn nun können fle vor Feinheit nichts mehr vorbrtngea, uad wenn fle toll würden. Ich für meine Person setze vieles in de» Hoppelpoppel oder das Herz." Walt goß flch bet Zetten seinen Sonntags,Beschlag, den Nanking, als sein eigner Gewgteßer über uad setzte statt des brauaflammtgea Hutes — deu wollt" er ta der Hand tragen — mehr Puder als ge, wöhalich auf. Er ging geputzt ein paar Stunden leicht auf und ab. Er hörte vergnügt einen Wagen nach dem andern vordonaern; „nur abgeladen," sprach er, „lauter Fracht und Meßgut für den

Roman, in dem ich Leute von Stande so nötig habe als Tinte. Und wie wird sich ans allen mein Klothar von so mannichfachen Seiten »eigen müssen; der alt« treue Freund! Gott wird mir schon dazu verhälfen, daß ich anch etwas sagen kann ju ihm." Da er endlich bei einem neuen Rollen es für Zeit hielt, sich hinab ju machen und den Cercle zu schließen und »u runden mit seinem eignen Bogen und Bückling, so stellt' er sich oben mit seinem Hute in der Hand ans Treppengeländer und schaute so lange hiedurch hinab, bis er dem neuen Nachschuß sich »uschteßen konnte, um so unbemerkt und ohne sonderliche Kurvaturen im Saale einjutreffen. Er glänzte sehr, der Saal; die vergoldeten Schlösser waren aus den PapierMickeln herausgelassen, dem Lüstre der Stand, und Bußsack ausgezogen, die Seidenstühle hatten höflich vor jedem Steiß die Kappen abgenommen, nnd ans dem getäfelten Fußboden «ar die Leinwand ganz von den Papiertapeten «eggezogen, welche die ost, indische Decke so »«deckten, daß diese sowol sich als den getäfelten Fnßboben an einigen Winkeln leicht »etgt«. Den Salon selber hatte der Kaufinann, weil lebendige Sachen »nletzt jeden krönen, mit Gästen, Gefüllsel ordentlich wie ein hohes Pasteten,Gewölb saturirt, nament, sich mit Aigretten — Chemtseu — Schminkbacken — Rotnasen — feinsten Tuchröcken — spanischen Röhren — Patentwaaren nnd ftan»öflschen Uhren, so daß vom Kirchenrat Glan» an bis »u netten Reisedienern und ernsten Buchhaltern sich alles mischen mußte. Der große Kaufmann sucht «eiter in keine höchste Klaffe »u kommen als in die der Gläubiger, wenn seine hohen Schuldner fallieren. Er als kalter stiller Justierer des Verdienstes schätzt gleich sehr den niedrigsten Bürger, wenn er Geld hat, nnd den höchsten Adel, wenn dessen altes Blut in silbernen und golbnen Adern läuft und dessen Stammbaum Rahrungs, und HandeUjweige tteibt. Freilich — so wie dem Pater Hardouin die Münzen der Alten mehr historische Glaubwürdigkeit hatten als alles Schriftliche derselben — so kann der abwägende Kanftnann Adelspergament und sonstige Ehrenpunktierkunst nie so hoch stellen als dessen Münzen, insofern er von fremder Zuverlässig, keit sprechen soll.

Schon die Anfuhrt deS Ehrentages fand der Notar viel lnstiger und leichter, als er nur hoffen «ollen; denn er bemerkte bald, baß er nicht bemerkt wurde, sondern sich auf jeden Seibenstuhl setzen konnte und ihn »um Weberstuhl seiner Tränme machen. Roch hatt« er nichts vom Grafen noch vom Wiegenftst und den beiden Töchtern

gesehen — als endlich Klothar, der Eßköaig, ju seiner Freude blühend hereintrat, obwol in Stiefeln und Überrock, als hab' er sich mehr auf parlamentarische Wolleasäcke ju setzen als auf seidue Agentenstühle. „Herr Hofagevt," fast' er, ohne die Versammlung zu prüfen, „wenn Sie wollen, mich hungert verdammt." Der Hof­ agent befahl Suppe und Töchter; denn er schätzte den Grafen längst und innigst, weil er als der Agioteur von dessen Renten am Besten wußte, wie viel er war, besonders ihm selber, und er behauptete ost, einem Manne von so vielen jährlichen Einkünften solle doch jede ver­ nünftige Seele es zu Gute halten, wenn er seine eignen Meinungen habe, oder lese, was er «olle. Plötzlich kam Mustk — mit ihr die Suppenterrine mit gedruckten Geburtsfestliedern — dann die beiden Töchter mit einer langen Dlumea-Guirlanbe, die fle Neupeter so geschickt über den Körper wanden, daß er in einem blühenden Ordensband dastand — die Komtoristen liefen und teilten die Gedichte aus — und zuerst ihrem Prinzipal ein vergoldetes — nun fing andere Jnstrumeatalmufik an, um bas Karmen oder vielmehr den Gesang desselben zu begleiten — die Gesellschaft mit ihren Papieren in den Händen stimmte ihn an als ein längeres Tischgebet — und selber Neupeter sah flngenb in sein Blatt. Dult hätte nicht unter die gehört, die dabei am Ernsthaftesten geblieben wären, zumal als der blumige Ordens-Mann stch selber ansang; aber wohl Gottwalt war dazu gemacht. Eta Mensch, sobald er an seine Geburt denkt, ist so wenig lächerlich, als es ein Toter sein kann; da wir, wie flneflsche Bilder, zwischen zwei langen Schatten oder langen Schlummern laufen, so ist der Unter­ schied nicht groß, an welchen Schatten man denkt. Walt quälte fich mit leisem Singen bet schlechter Stimme; und als es vorbei und der Alte sehr gerührt «ar, über das ftemde Gedächtnis für sein Wiegenfest bet eigner Vergeßlichkeit, und die Seimgen ihm früher gratulierten als die Fremden, so war kein Glückwunsch so auftichtig in irgend einem Herzen als Gottwalts ferner und stiller; aber es beklemmte ihn, daß der Mensch — „besonders, seh' ich, an Höfen" -acht' er — gerade den heUtgen Tag, wo er sein erneuertes Leben überrechnen und ebnen sollte, im Rauschen ftember Wellen verhört — daß er das neue Dasein mit der lärmenden Wiederholung des alten feiert, anstatt mit neuen Entschlüssen — daß er statt der einsamen Rührung mit den Seintgen, deren Wiegen oder Gräber seinen ja am Nächsten stehen, den undankbaren Prunk und trockne Augen sucht. Der Notar setzte fich vor, seinen ersten Geburtstag, an den ihn ein guter Mensch er-

innere — denn noch $atf er in seiner harten Armut keinen einjigea erlebt — ganz anders t» begehen, nämlich sehr «eich, still «ad fromm. ' - Man setzte sich zu Lisch. Walt wurde neben den z«eiten armen Leufel — Flittev — als der erste postiert und recht- neben den jüngsten Buchhalter. Ihm verschlugt wenig; ihm gegenüber saß der Graf. Rund wie Geld, das wie der Tod alles gleich macht, «ar die Tafel, gleichsam ein größerer Kompaguieteller. Der Notar, ganz geblendet von der Neuheit des Geschirres und dessen Inhalts, streckte statt seiner sonstigen zwei linken Hände zwei rechte aus und suchte mit wahrem Anstand zu esse« und den Ehren-ELbel des Messers zu führen; belesen genug, um mit der Brette des Löffels zu essen, nicht mit der Spitze, erhielt er sich bloß bei bedenklicheu Vorfällen durch die alte Vorsicht im Sattel, nicht eher anzuspteßea, bis ihm andere das Speisen vorgemacht; wtewohl er sie bet den Artischocken so wentg für nötig erachtete, daß er. Beweisen nach, deren bittern Stiel «ad die Spitzblätter aufläute, die er hätte in die holländische Sauce getunkt «blecken können und sollen. Was ihm indes «eit besser schmeckte als alles, was darin lag, waren die Senfbosen, Dessertlöffel, Eierbecher, Etstaffe«, goldene Obstmesser, «eil er das neue Geschirr in seinen Doppelroman als in einen Küchenschraak ab# liefrrn konnte: „Esset Ihr in Gottesnamen," dacht' er, „die Kibitzen, Eier, die Mainzer Schinken und Rauchlächse; sobald ich nur die Namen richtig überkomme durch meinen gute» Nachbar Flitte, so hab' ich alles, was ich für meinen Roman brauche, und kann austischen." tR?3» die höchste Schule der Lebensart gingen seine Augen bei dem Grafen, der keine Umstände machte — geradezu weißen Port, wein forderte — und einen Kapaunenflügel mit nichts abschälte als mit dem Gebiß — des Gebackn«» nicht zu gedenken, das er mit den Fingern annahm. Diese schöne Freiheit — eingekleidet noch in Stiefeln und Überrock — spornte Walten au, daß er, als mehrere Herren Xonfeft einsteckten für ihre Kinder, sich es zur Pflicht und Welt rechnete, auch einige süße Papierchen oder Süßbrtefche«, die ihm ganz gleichgültig waren, tu die Tasche zu schaffen. Auch sein Nachbar Flitte, der ««gemein floß und forderte, zeigte deutlich, wie man zu leben habe — besonders wovon. I Indes war sein ewiger Wunsch der, etwas zu sagen und von Klothar vernommen, wenn nicht gar angeredet zu werbe«. Aber es ging gar nicht. Dem Grafen war aus Achtung ein philosophischer Nachbar, der Zttrchenrat Glanz, an die linke Seite gebeten — au

die rechte die Agentin gesetzt; — aber er aß bloß. Walt sann scharf »rach, inwieweit die Vorsitzende Dorschrtst feinster Sitten j« kopieren sei, kein Wort zu sagen t«r Hausftav. Er behalf fich, wie eia Der, liebt«, mit optischer Gegenwart ans Kosten der Zukunft. LS war ihm doch einige Lrqntcknng, wenn der schöne gräfliche Jüngling etwas vom Teller nahm — od« die Flasche — oder froh «mhersah — ober träumend in de» Himmel hinter dem Fenster — od« in den ans einem liebliche« Gesicht. Aber bttt«böse würd' er auf den Kirchen, rat, der einer so ftuchttrageaden Nachbarschaft aasttzen konnte, ohne den geringsten schönen Gebranch von -«selben, da er doch so leicht, dachte Walt, über Klothars Hand jufällig mit seiner hi», stretche« könnte «nd vollends ihn ins Reden locke». Allein Glanz glänzte lieb« — er «ar v«götterter Kaazelredner «ad Kanzel, schreiber—, auf seinem Gesicht stand wie auf den Bologaesermüazea geprägt: „Bononia docet“1) — wie andere Redner die Augen, so schloß « die Ohren unter dem Flusse der Zunge.------- Mit eia« solchen Autors,Eitelkeit schloß er Klothars stolzen Mund. Darüber aber machte auch Walt seinen nicht auf. Er hielt es für Tischpflicht, jedem Gesicht eine Freuden,Blume über die Tafel htnüberzutverfea — die Artigkeit tu Person zu sein — und immer ei« «eaig zu sprechen. Wie gern härt' er sich öffentlich ansgedrückt und ausgesprochen! Leiber wie Moses saß er mit leuchtendem Antlitz und mit schwerer Zunge da, »»eil er schon zu lange mit dem Dorsatze gepaßt, in das aufgetischte Zunge», «ad Lippengehäcke, bas er fast roh und «n, bedeutend fand, etwas Bedeutendes seinerseits zu »verfen, da eS ihm unmöglich «ar, etwas Rohes «te der Kauftnann zu sagen; eia West, fale, b« einen feinen Fade« spinnt, ist gar nicht vermögend, einen groben zu ziehen. Je länger eia Mensch seine« sonnige» Aufgang verschob, desto glänzend«, glaubt «, müßt' er aufgehea, und flaut auf eine Sonne dazu; könnt' er endlich mit eia« Sonne eiafallea, so fehlt ihm wieder der schickliche Osten zum Aufgang, und in Westen will er nicht gern zuerst empor. Auf diese Weise sage» au« die Men, scheu hteniebea nichts. Walt legte sich indes auf Taten. Die beiden Töchter Reu, peters hatten unter allen schönen Gesichtern, die er je gesehen, die häßlichsten. Nicht einmal der Notarius, der «te alle Dichter zu den weibliche« Schönheitsmitteln gehörte «nd nur wenige Wochen und Empfindungen brauchte, um ein Wüstengeflcht mit Reizen *) Bologna lehrt. 56

anzusäen, hätte sich darauf einlaffen können, eine und die andere Phantafleblnme in Jahren ans beide Stengel fertig yt sticken. Ls war yt schwer. Da er nun gegen nichts so viel Mitleiden trug als gegen eine weibliche Häßlichkeit, die er fftt einen lebenslangen Schmerz hielt, so sah er die Blonde (Raphaele hieß sie), die ihm znm Glücke bltckschnßrecht saß, in einem fort mit unbeschreiblicher Liebe an, um ihr dadurch zu verraten, Hoffs er, wie wenig er sich von ihren @e# flchtsecken abstoßen lasse. Auch auf die Brünette, Namens Engel, berta, ließ er von Zeit zn Zeit einen sanften ruhenden Seitenblick anfallen, wiewohl er sie «egen ihrer Lustigkeit nur eines mattern Mitleids würdigte. Ls stärtte und erquickte ihn ordentlich bet seinem Mitleiden, daß beide Mädchen mit Pntz und Pracht jeden weiblichen Neid Ms sich zogen; — als vergoldete Wirthschastsbirnen, geschminkte Blatternarben, in herrlichen Franz gebundene Leberreime mußte man sie anerkennen. Hoch rnnflf er bei dieser Denkungsart den sympathetischen Nachbar glitte stellen, der mit ihm in Aufmerksam, kett und Achtung für dieselbe häßliche Raphaele wetteiferte! Er drückte Flitten — der als armer Teufel nichts »eiter von der ver, haßten Schönheit wollte als die Hand mit dem Heiratsgut — unter der Serviette die (einige und sagte nach dem dritten Glas Wein: „Auch ich würde mit einer Häßlichen zuerst sprechen und tanzen unter vielen Schönen" — „Sehr galant! (sagte der Elsässer) Sahen Sie aber je eine süperbere Taille?" — Diese nahm jetzt erst der Notar an beiden Töchtern ans Erinnern wahr; wer sie köpfte, machte jede zur Benns; ja, mit dem Kopfe sogar konnte jede sich für eine Grazie halten, aber in doppelten Spiegeln. Gelehrte kennen keine Schön, heilen als phyflognomische; Walt war majorenn geworben, ohne zn wisftn, baß er zwei Backenbärte habe, oder andere Leute Taillen, schöne Finger, häßliche Finger u. s.— „Wahrhaftig," antwortete der Notar dem Äsässer, „ich wollte wol einer Häßlichen ohne allen Gewissensbiß die schöne Taille ins Gesicht sagen und loben, nm die Arme damit bekannt und darauf stolz zu machen." Wenn glitte etwas gar nicht begriff, so fragte er nichts darnach, sondern sagte schnell ja. Walt heftete jetzt in einem fort recht sichtbar die Augen auf RaphaelenS Taille, um sie damit bekannt zu machen. Die Blonde schielte von seinen Blicken zurück und suchte sich tugendhaft zu beunruhigen über die Frechheit des jungen Harnisch. *>"„Wer mir lieber, Herr? Die Blonde oder Branne?" (sagte der Hofagent, vom Weine lustig). — „Auf jeden Fall die Blonde, sag' ich; denn sie kostet vierteljährlich der Kassa 12 Groschen weniger. 57

Für 3 Taler 12 Groschen gutes Geld verkauft der Muudkoch Goullon tu Weimar setue Flasche roten Schminkessig (vinaigre de rouge), nota bene für Blonde; für Braune hingegen jede um nette 4 Taler; hat sie vollends schwarjes Haar, so muß ich gar die Flasche zu 4 Taler i2 Groschen verschreiben. Raphel! Du sollst leben!" — „Cher pire," versetzte sie, „nennen sie mich doch nur Raphaela!" — „Er verdientes (dachte Walt, betroffen über NeupeterS Um schicklichkeit), daß fle sagte: Scher-Bär?" Dena so hatt" er verstanden.

„Heute gibt der arme blinde Baron sein Flötenkonzert," sagte schnell Raphaela; „ach! ich weiß noch, wie ich über Düloa geweint." — „Ich weiß des Menschen Namen nicht" — sagte die brtllaatierte Mutter, Namens Pulcheria, aus' Leipzig, wohin fle beide Töchter mehrmals abgeftihrt, als in eine hohe Schule bester Sitten — der Habenichts ist aber ein grober Knoll und dabei ein Flausenmacher." — Walt arbeitete in sich, «einglühend, an der schnellsten Verteidigung. — „Sobald ein poweres Cdelmänncheu," sagte Engelbert« spöttisch, „nur etwas lernt und versteht, so nehm" ich's nicht so genau." — „Wer weiß eS denn", sagte die Mutter, „was er auf der Flöte kann für Leute, die schon was ge­ hört haben?" — „Er ist," fuhr Walt in größter Kürze los, „nicht grob, nicht dürftig, nicht ungeschickt, nicht manches andere, sondern wahrlich ein königlicher Mensch." Hinterher merkt" er selber die un­ absichtliche Hitze in seiner Sümme und Kürze; aber seinen sanften Geist hatte die absprechenbe Kauffrau überrumpelt, die zwar in den Zeiten hübsch gewesen, wo fle Gellerten reiten sehen, die aber jetzt — aus ihren eignen Relikten bestehend — als ihr eignes Gebein­ haus — als ihre eigne bunte Totlettenschachtel — ihren kostbaren Anzug zum bemalten, metallischen, mit Samt ausgeschlagenen, mit vergoldeten Haadhebea beschlagenen Prunksarg ihrer gepuderten Leiche machte. — Walt hatte gar nicht wild sei« «ollen, nur gerecht. Man hörte seine vorlaute PhraflS mit kurzem Erstaunen und Verachten an. Neupeter aber nahm sofort den Faden auf: „Bulchea," sagte er zur Fra« in aagettunkener Barmherzigkeit, „ich will, «etl'S doch eine arme Haut sein soll und noch dazu blind, drei Billette für Euch Weibsen holen lassen vom powern Wicht." „Die ganze Stadt geht hin," sagte Raphaela, „auch meine teuerste Wina. O! Dank, eher pfcre! Wenn ich den Unglücklichen höre, zumal im Adagio, ich freue mich darauf, ich weiß, da „sammeln

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sich alle gefangenen Tränen um mein Herz,") ich denke an den blinden Julius im „Hesperus", und Tränen begießen die Freuden, blumen." Darauf sah sie nicht nur der Vater entzückt über ihren Sprech, stil an — ob er gleich als ein alter Mann den seinigen fortackerte— des, gleichen Flitte begeistert; sondern auch der Notar begab sich mit innigstem Beifall wieder in ihr Gesicht herauf, voll kurzer Wünsche, letzteres wäre auSzustehen ober doch zu heben durch Liebe, da er unter einem Dache mit ihr lebte. Aber ihm wurde durch Wiuas An, kündigung ein Sturm in die Seele geschickt — sein beseeltes Ange hing'sich an'ihren Bräutigam — als plötzlich wieder Raphaela die größten Revolntionen an dem Tische anstistete durch die Frage an Glanz: „Wie kommt's, Herr Kirchenrat, um auf Sehende zu kommen, daß alle Bilder im Auge verkehrt sind, nnd wir doch nichts verkehrt erblicken?" Dann als der Kirchenrat langsam und langweilig die Sache auS seiner Lektüre so gut auseinandersetzte, daß die Tafel bewnnbern mußte, so fing der Graf Feuer. Es sei, da- er satt «ar des EssenS — oder satt des Hörens — oder übersatt der Glanzischen theologi, scheu Halbwisserei und lingua franca, jener schalen Kanzelphilo, sophie, wovon V« moralisch,'/« unmoralisch, */« verständig, */« schief ist und daS Ganze gestohlen — genug, der Graf begann und unter, hielt ein so langes heftiges Feuern gegen den Kirchenrat — wozu die nahe Nummer Congeries von mäusefahlen Katzenschwän, zen aus, und eingeräumt wird —, daß er ordentlich nicht mehr Haß gegen bas Mattgold der theologischen Moralisten und Autoren hätte zeigen können, wenn er auch der Flötenspieler Quod deus vult selber gewesen wäre, der sich allerdings so aussprach: „Don alten Schimmel, Wäldchen der Philosophen klanben sich die Theologen die abgefallnen Lesestüchte auf und säen damit an. — Diese größten, engsten Egoisten machen Gott znm frere servant der Pönitenzpfarren, wohin sie voziert worden, und auf dem Wege nach dem Filial glauben sie, die Sonnenfinsternis sei gekommen, damit sie weniger schwitzen und schattiger reiten — und so fegen sie die Herzen und Köpfe, wie in Irland die Bedienten die Treppen, mit ihren Perrücken."

* Er setzte sich mit weit mehr Welt und Leichtigkeit an das 8ß, täfelchen, als er selber gedacht hatte. Der General, der ein nnanf, *) Die Redensart hat sie aus dem „HeSper".

hörliche- Sprechen und Unterhalten begehrte, sann Walten an, etwa- zv erzählen, etwa- Aufgeweckte-. Mit etwa- Rührendem wär' er leichter bei der Hand gewesen; so aber sagt" er: er «olle nach, sinnen. E- fiel ihm nicht- bet. Schwerer ist wohl nicht- al- daImprovifleren der Erinnerung. Diel leichter improvtfirt der Scharf, und Tiefsinn, die Phaatafle, att die Ertaueruag, zumal wenn auf allen Sehtrahügela die freudigsten Feuer brennen. Dreitausend fatale Bonmot- hatte der Notar allemal schon gelesen gehabt, sobald er fle von einem andern erzählen hbrie; aber er selber kam nie zuerst darauf, und er schämte sich nachher vor dem Zkorreftreaten. Sehr hätt" er da- Schämen nicht nötig, da solche Reftrendarien be­ fremden Witze- und solche Pofischtffe der Gesellschaft meist platt« Gehirne tragen, auf deren Tenne nie die Blumen wachsen, die fie da auffpetchera und austrocknen. „Ich sinne noch nach," versetzte Walt geängstigt einem Blicke Zablockt- und flehte Sott um einen Spaß au; denn «och sah er, daß er nur eigentlich über da- Ginnen sinne und dessen Wichtigkeit. Die Tochter reichte dem Dater die Flasche, die nur er — seine Briefe aber fle — aufflegelte. „Trinken fle die- Gewäch- für 48ger oder Saget?" sagte der General, al- man Walten da- Sla- bot. Sr trank mit der Seele auf der Zunge und suchte forschend an di« Decke zu blicken. „Er mag wol," versetzt" er, „um die Hälfte älter sein almetn voriger Wein, den ich eher sät jungen 48ger halte; — ja (setzt" er ftst barzu und blickte in- Sla-), er ist gewtß herrliche 83 Jahre alt." Zablockt lächelte, «eil er eine Anekdote, statt zu hören, erlebte, die er

schön weiter geben konnte. Der General wollt" thu au- dem stillen innerlichen Schnappen »ach Bonmot- herauSstageu durch die Rede, wie er nach Rosenhof komme? Walt wußte keine rechte osteufible Ursachen — wiewohl diese ihm gegenüber saß im weißen Hute—auzugebeu, au-geuommen Natur und Reiselust. Da aber diese keine Geschäfte waren, so be, griff ihn Jablocki nicht, sondern glaubte, er halte hinter irgend einem Berge, und wollte durchau- hinter ihn kommen. Walt schüttelte von seinen poetischen Schwingen die köstlichen Berge und Täler und Bäume auf da- Tischtuch, die er auf dem seligen Wege mehr aufgeladen al- durchflogen hatte. Zablockt sagte nach Walt­ langer AuSspeade von DUdera: „Beim Teufel! nimm, oder ich fress' nicht!"" Wina — denn diese hatt" er in jenem Aebe-zorn angeredet, den weniger die Väter gegen ihre Töchter al- die Männer gegen ihre Weiber haben — nahm erschrocken ein große- Stück vom

Schnepfen, dem Schoßkinds des väterlichen Gaumens, «ad reichte, höflicher als Zablocki, den Teller dem betretenen Notar hinüber, nm ein paar hundert Verlegenheiten zu ersparen. Walt konnte auf keine Weise fassen, «ie bei so mündlicher lebendiger Darstellung der lebendigen, beinahe mündlichen Natnr, als seine war, eia Schnepfe mit allem seinem Album graecum noch einige Sensation z« machen im Stande sei. Poetische Naturen, wie Walt, stad in Nordländern — denn ein Hof oder die große Welt ist der geborne Norden des Geistes, so wie der geborne Gleicher des Körpers — nichts «etter als ElephaatenzLhae in Sibirien, die unbegreiflich an einem Orte abge, worfen worden, wo der Elephant erfriert. Mit einschmeichelnder Stimme stagt" ihn wieder Zablocki, ob ihm noch nichts eingefallen, «ad Wina sah ihn unter dem Abendrot« des rottafteaen Hutfutters so lieblich augeaaickead und bittend an, daß er sehr gelitten hätte, wenn ihm nicht die drei Bonmots, auf die er flch gewöhnlich besann, endlich zugekommea wären, und daß er wieder nahe daran «ar, eia gelteftrter Mana zu «erden «ad alles zu vergessen, weil das kindlich bttthaste Auge zu viel Platz — nämlich allen — in seiner Phantasie, Memorte und Seele etnaahm. „Stu harthöriger Minister — fing er an — hörte an einer fürst, lichen Tafel".... „Wie heißt er und wo?" fragte Zablocki. DaS wußt" er nicht. Allein da der Notar den wenigen Historie», die ihm zufteleu, keinen Boden, Geburtstag und Geburtsschein- zuzuwendea wußte — vorfabeln wollt" er nie — so braucht es Sozietäten nicht erst bewiesen zu werben, wie farbenlos er als Historienmaler auftrat, und «ie sehr eigentlich als ein luftiger historischer Improvisator. „Sin harthöriger Minister hörte an einer festlichen Taftl die Fürstin eine komische Anekdote erzählen und lachte darüber mit dem ganzen Zirkel unbeschreiblich mit, ob er gleich kein Wort davon vernommen. Jetzt versprach er eine ebenso komische zu erzählen. Da trug er zum allgemeinen Erstaunen die eben erzählte wieder als eine neue vor." Der General glaubte, so schnapp" es nicht ab; da er aber hörte, es sei aus, so sagt" er spät: „Deliziös!" lachte indes erst zwei Minuten später hell auf, weil er gerade so viel brauchte, um sich heimlich di« Anekdote noch einmal, aber ausführlicher vorzutragen. Der Mensch will nicht, daß man ihm die spitze, blanke Pointe zu hitzig auf der Schwelle auf das Zwerchfell setze. Eine gemeine Anekdote ergreift ihn mit ihrem Ausgang ftoh, sobald er nur vorher durch viele Lang«, weite dahin getrieben wurde. Geschichte» «ollen Länge, Meinungen Kürze. Walt trieb die zweite anonyme Geschichte, von einem Holländer,

auf und vor, welcher geru ein Landhaus, wegeu der Herrüchen Aus, sicht auf die See, besessen hätte, wie alle Welt um thu, allem uicht das Geld dazu hatte. Der Mauu aber liebte Ausflchteu dermaßen, daß er alle Schwierigketteu dadurch zu beflegeu suchte, daß er sich auf einem Hügel, den er gegen die See hatte, eine kurze Wandmauer und darein ein Fenster brechen ließ, in welches er sich nur zu legen brauchte, um die ossiie See zu genießen und vor sich zu haben, so gut als irgend ein Nachbar in feinem Gartenhaus. Sogar Wtna lächelte glänzend unter dem roten Taftfchatten hervor. Mit noch mehr Anmut als bisher teilte Walt die dritte Anekdote mit. „Ein Frühprediger, dessen Kehlkopf mehr zur Kanzel,Prosa als zur Attar,Poesie gestimmt war, rückte zu einer Stelle hinauf, die ihn zwang, vor dem Attare das „Gott in der Höhe sei Ehr'" zu singen. Er nahm viele Singstunden; endlich nach vierzehn Singtagen schmei, chelte er sich, den Vers in der Gewalt und Kehle zu haben. Die halbe Stadt ging früher in die Kirche, um der Anstrengung zuzuh-ren. Ganz mutig trat er aus der Sakristei (denn er hatte sich darin vom Singmetster noch einmal leise überhören lassen) und stieg gefaßt auf den Attar. Alle Erzähler der Anekdote stimmen überein, daß er treffüch angehoben und sich anständig genug in den Choral hinein, gesungen hatte, als zu seinem Ruin ein blasender Postillon draußen vor der Kirche vorbei ritt und mit dem Posthorn ins Kirchenlied etnfiel; — das Horn hob den Prediger aus dem alten Sing,Geleise in ein neues hinein, und er sah sich gezwungen, das ernste Lied mitten vor dem Altare nach dem vorbeireitenden Trompeterstückchen auf die lustigste Weise hinauszuflngen." tq Der General lobte sehr den Notar und ging heiter aus dem Zimmer; aber er kam nicht wieder.

* Kindheit. „Ich erinnerte mich," versetzte Walt, „den ganzen Abend fort, und zwar der Kindheit; denn sonst hatt' ich noch nichts." — „Lehre mich diese GedächtniSkunst," sagte Dult. — „Das Schulmeisterlein Wuz von I. P. macht' es wie ich; so wunderbar errät ein Dichter das Geheimste. Ich möchte wohl Tage lang über die kleinen Frühlings, blümchen der ersten Lebenszeit reden und hören. Im Alter, wo man ohne hin ein zweites Kind ist, dürfte man sich gewiß erlauben,

ein erstes jn sein nnd lange zurückzuschauen ins Lebensftührot hinein. Dir offenbar' ich's gern, baß ich mir höhere Wesen, B. Engel, ordentlich weniger selig ans Mangel an Kindheit denken kann, wiewohl Gott vielleicht keinem Wesen irgend eine Kindheits, oder Dergißmeinnichtsteit mag abgeschlagen haben, da sogar Jesus selber ein Kind war bei seiner Geburt. Besteht denn nicht das gute Kinderleben nur aus Lust und Hoffnung, Bruder, und die Frühregen der Tränen fliegen darüber nur flüchtig hin?" „Früh,Regen und alter Weiber Tänze und so weiter — näm, lich junge Not und alte Lust und so weiter. Fall' ich noch in den Zeitpunkt deiner versus memoriales?" sagte Dult. „Wahrlich, stets hob ich in Leipzig und hier nur Tage dazu her, aus, wo du noch nicht mit dem Mustkus entlaufen warst." „So erinnere dich deines heutigen Erinnerns wieder vor mir," bat Dult; — „ich stehe dir mit neuen Zügen bei." „Ein neuer Zug aus der Kindheit ist ein goldnes Geschenk," sagte Walt — „nur wirst du manches zu kindisch finden. („Kindisch bloß", sagte Dult.) Ich nahm heute zwei Tage, nahe am kürzesten und längsten. „SDer erste Tag fiel in die Adventszeit. Schon dieser Name und der andere „Adventsvogel" umfliegt mich wie ein Lüstchen. Im Winter ist ein Dorf sch-n; man kann es mehr überschauen, «eil man mehr darin beisammen bleibt. Nimm nur den Montag l Schon den ganzen Sonntag freute ich mich auf die Schule am Montag. Jedes Kind mußte um fleben Uhr bei Sternenschein mit seinem Lichtchen kommen; ich und du hatten schön bemalte von Wachs. Dielleicht mit zu großem Stolze ttug ich einen Quartbanb, einige Oktavbände und ein Sedezwerkchen unter dem Arm." „Ich weiß," sagte Dult, „du holtest der Mutter noch Semmel aus dem Wirtshause, als du schon den Markus und seinen Ochsen griechisch exponiertest." „Dann fing die schöne Welt des Singens und Lehrens in der süßen Schulstubenwärme an. Wir großen Schüler waren hoch über die kleinen erhoben; dafür hatten die ABC,Zwerge das Recht — und es «ar ihnen zu gönnen —, daß ste den Kandidaten laut aurebeu und ohne Anstand ein wenig aufstehen und herumgehen dursten. „Wenn er nun entweder die Spezialkarte aufhing und wir am meisten froh waren, daß Haslau und Elterlein und die umliegenden Dorfschafieu darauf standen — ober wenn er von den Sternen sprach 6z

nnb sie bevölkerte «ad ich voravssah, daß ich a-ead- dea Litera aad flaechtea dasselbe erweise« würbe — oder wenn er aas laut vor, lesea hieß: —" „Du weißt," fiel Dult eia, „baß ich daaa das Wort „Sakra, ment", er mochte sage», was er wollte, immer mit einem Akzeut herlas, als ob ich fluchte, desgletchea „Donnerwetter". Auch «ar ich der einzige, der ins laute gemeinschaftliche Abbetea eine Art'/,,Takte zu briugeu versuchte." „Ich hätte dem arbeitsamen Manae so gern Lutzückuageu ge, geben, weaa ich sie gehabt hätte. Ich betete ost eia leises Dateruaser, damit Gott tha etaea Finken, wen« er hinter seinem Koben lauerte, darauf fangen ließe; «ad du wirst dich erinnern, daß ich stets die Schlachtschlüssel mit Fletsch (du aber nur den Suppeatopf) zu ihm trug. Wie ich mich auf das nächste Wiedersehen ta der Schale steute!" „Mr mich hart gegea dea Schulmeister findet," sagte Dult, „dem halt' ich bloß vor, daß mir der Schulman» einmal etae an, gerauchte Pfeift abpfändete aad sie in derselben Schulstunde -ffeat, sich vor meiner Nase gar aasrauchte. Heißt dies exemplarischer Lebenswandel von Schulmeistern? Oder etwa dies, baß sie Fischchen, faagea «ad Dögelstellea uas Scholaren sprichwörtlich verbiete«, wie Fürste« die Wagspiele, sich aber selber erlaube»? Darüber möchf ich einmal MLaaer ta -ffeatlichea Blätter» hören." — „O die liebe erste Schulzett! Mr war alles erwüascht, was gelehrt aad geböte« wurde; die kleinste Wiffeaschast war ja ganz voll Reuig, kette», iadeS ihr jetzt ta Messe» aar einige aachwachsea. flam au» vollends der Pfarrer mit dea große« Augenbrauen im Priester, oraat «ad verdunkelte doch dea flaadtbatea wie eia flatser oder Papst eiaea Laadesregeatea, dea er besucht: wie süß,schauerlich! Wie groß fiel jeder Laut seiner Baßstimme l Wie wollte man bas Höchste «erde» l Wie wurde jedes Wort «asres SchomakerS dreifach beflegelt durch seines! »Ich glaube, maa ist schon darum ia der fliudheit glücklicher als im Mer, «eil es ia ihr leichter wird, eiaea große» Maaa zu finden and zu wähnen; eia geglaubter großer Measch ist doch der einzige Dorschmack des Himmel-." „Iasoftra," sagte Dult, „möcht' ich ein fliad sei», bloß um zu bewundern, weil man damit sich so gut kitzelt als andere. Za, ich möchte als eia FötuS mit Spiuneaarmeu an die Welt trete«, um die Wehmutter als eine Zuuo Ludovtsi aazustauuen. Lia Floh findet

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leicht seinen Elephanten; ist man hingegen älter, so bewandert man

am Ende keinen Hnnd mehr. Doch muß ich dir bekennen, daß ich schon damals unserem knurrenden Pfarrer Gelbköppel auS seiner Kragenglorie einige Strahlen ausrupste. Ich hatte, wie gewöhn/ ltch, ein Buch unter die Schultafel in der Absicht fallen lassen, hinunter zu kriechen und drunten die Fruchtschnur von HLngfüßen am Bank/ galgen lächerlich zu finden; als ich auch Gelbköppels Woche«/ stiefel auf dem Boden anttaf und durch den aufklaffenden Priester, rock die Hosen, die er bet dem Srummetaufladen angehabt, zu 0e/ sicht bekam — weg «ar seine ganze oben darauf gepelzte Würbe. — Der Mensch, wenigstens der Apostel, fei aus einem Stück gekleidet, er sei kein halber Aposteltag, Walt!" „Dult, bist du dergleichen nicht fast in mancher Bemerkung? Nun kam elf Uhr heran, wo wir beide auf den Turm zum -Luten und Uhrauftiehen gehen dnrfien. Ich weiß noch gut, wie du dich oben auf dem Glockenstuhl an das Seil der ausschwankenden Glocke hingst, um geschwungen zu «erben, obgleich viele dir sagten, sie werfe dich durch das Schallloch. Ich hätte selber htndurch fliegen mögen, wenn ich so hinauSsah über das ganze kreuzwets gebahnte Dorf voll lärmender Dreschtennen und an die dunkle Bergstraße nach der Stadt und über den «eiten Schneeglanz auf allen Hügeln und Wiesen und dabei den blauen Himmel darüber her! Doch damals «ar der Erde der Himmel nicht sehr nöttg. — Hinter mir halt' ich die ernst/ haste Glocke mit ihrer eiskalten Zunge und mit ihrem Hammer, und ich dachte mir es schauerlich, wie sie einsam in der frostigen Miller/ nacht zu mir ins tiefe Haus und warme Bette hinabreden «erde. Ihr Summen und Aussummen in dieser Nähe umfloß den Geist mit einem stürmenden Meere, und alle drei Zeiten des Lebens schienen darin unter einander zu wogen." „Bet Gott! Hier hast du Recht, Walt. Nie hör' ich dieses Tonbrausen ohne Schauder und ohne Gedanken, daß der Müller erwacht, sobald die rauschende Mühle still steht; unser Leib mit seiner Holz/ und Wafstrwelt; indes ergeht die Bettachtung schlecht für den Augenbllck." „Nimm nicht dein ernstes Herz so wieder zurück, Bruder! Sollt' ich dein Gleichnis wieder mit einem beantworten, so würd' ich sagen, diese Stille sei die auf dem Gipfel des Gotthardberges. Alles ist dort stumm, kein Bogel und kein Lüstchen zu hören, jener findet keinen Zweig, dieses kein Blatt; aber eine gewaltige Welt liegt unttr dir, und der unendliche Himmel mit allen übrigen Welten

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umfängt dich rings. — Willst du jetzt weiter gehen in unserer Kind­ heit, oder lieber morgen?" „Jetzt, besonders jetzt. Der Kindheit werf' ich nichts vor als zuweilen — Eltern. Wir stiegen also beide die langen Turmtreppen herunter" — — „und im elterliche« Hause wurden wir durch die reinlich ge­ ordnete Mittagswelt erfreut an der Stelle der trüben Morgenstube; überall Sonnenschein und Aufordnung. Da aber der Vater in der Stadt war und also das Mittagsbrod schlechter und später, so ließ ich mir es bis nach der Schule aufheben, weil ich nicht zu spät in diese kommen wollte, und weil mir jetzt aus der Ferne durchs Fenster schon Kameraden und Lehrer wieder neu erschienen. „In der Schulstube grüßte man die unveränderten Bänke als neu, weil man selber verändert ist. Ei« Schulnachmittag ist, glaub' ich, häuslicher, auch wegen der Aussicht, abends zu Hause und noch häuslicher zu bleiben. Ich freute mich auf das ungewöhnliche Allein­ effen und auf den Vater mit seinen Sachen aus der Stadt. Ein ganzer Wolkenhimmel von Schneeflocke» wirbelte herunter, und wir Schüler sahen es gern, daß wir kaum mehr die kleine Bibel lesen konnten in der ohnehin dunkel» traulichen Schulsiube. „Draußen nun sprang jeder in neugefallnen Schnee sehr lustig mit den langen müßigen Gliedmaßen. Du warfst deine Bücher ins Haus und bliebst weg bis zum Gebetläuten; denn die Mutter er­ laubte dir das Austoben am meisten in Absein des Vaters. Ich folgte dir selten. Der Himmel weiß, warum ich stets kindischer, ausgelassener, hüpfender, unbeholfen-eckiger war als du — ich machte meine Kind- oder Narrenstreiche allein, du machtest deine als Befehlshaber fremder mit." „Ich war zum Geschäftsmann geboren, Walt!" „Aber in der Vesper las ich lieber. Ich hatte erstlich meinen orbis pictus, der, wie eine Jliade, das Menschentreiben aus ein­ ander blätterte. Ich hatte auf dem Gesimse auch viele Beschreibungen, teils vom Nordpol, teils von alter Nordenzeit, z. B. die frühsten Kriege der Skandinavier u. s. w., und je grimmig kälter ich alles in den geographische» Büchern fand oder je wilder in den historischen, desto häuslicher und bequemer wurde mir. Noch kommt mir die altnordische Geschichte wie meine Kindheit vor, aber die griechische, indische, römische mehr wie eine Zukunft. „In der Dämmerung verflatterte das Schneegestöber, und aus d.em reinen Himmel blitzte der Mond durch das Blumengebüsch

der gefrierenden Fenster. — Hell klang draußen in der strenge» Luft das Abendläuten unter den aufgebäumten Rauchsäulen. — Unsere Leute kamen händereibend aus dem Garten, wo sie die Bäume und Bienenstöcke in Stroh eingebaut hatten. — Die Hühner wurden in die Stube getrieben, weil sie im Rauche mehr Eier legen.—Das Licht wurde gespart, weil man ängstlich auf den Vater harrte. — Ich und du standen aufden Hand- oder Fußhaben der Wiege unserer sel. Schwester, und unter dem heftigen Schaukeln hörte» wir dem Wiegenlied von grünen Wäldern zu, und der kleinen Seele taten sich lauschimmernde Räume auf. — Endlich schritt der geplagte Man» über den Steg, bereift und beladen, und eh er »och den Quersack abgehoben, stand sein dickes Licht auf dem Tisch, kein dünnes. Welche herrliche Nach­ richten, Gelder und Sachen bracht' er mit und seine eigne Freude!" „Wer bezweifelt seine Entzückung weniger als ich, den er darin allemal ausprügelte, bloß weil ich auch mit entzückt sein wollte und dadurch, springend und tanzend, den Lärm erregte, den er in stiller Lust am meisten verfluchte; so wie ein Hund sich nie mehr kratzen muß, als wenn er fteudig an seinem Herr» aufspringt." „Scherze nicht! Und bedenke, was er uns mitbrachte; ich weiß es aber nicht mehr — mir einen für mein Geld gekauften Bogen Konzeptpapier, wovon ich damals nicht denken konnte, daß so etwas Breites, Nettes nicht mehr koste als zwei Pfennige—Für die Schwester ein ABC-Buch mit Goldbuchstaben schon auf der äußern Deckel­ schale und mit frischen saubern Tierbildern im Vergleich gegen unsere abgegriffenen alten." „Schießpulver als Digestivpulver für das Schwein, wovon die wenigen Körnchen, die ich zusammenkehrte, mir bessere Feuer­ werke auf einen Spa» bescherten als irgend einem König ein dreißig­ jähriger Krieg." — „Das beste war wohl der neue Kalender. Es war mir, als hielt' ich die Zukunft in der Hand, wie einen Baum voll Fruchtlage. Mit Lust überlas ich die Name«: Lätare, Palmarum, Jubilate, Kantate, wobei mir mein wenig Latein gute Dienste that. Die Epiphanias waren mir verdrießlich, besonders zu viele; hingegen je mehr Trinitatissonntage fielen, desto länger grüne, dacht' ich, die freudenreiche Zeit. Lächerlich kommt es mir vor, daß, eben da ich hinten im Kalender die Haslauer Postberichte las, die kaiserliche reitende Post im Dorfe ins Horn stieß und ich den guten Menschen bewunderte und bedauerte, der nun, laut dem Berichte, mitten im Winter allein nach ganz Pommern, Preußen, Polen und Rußland V-VI/5*

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ritt; ein Irrtum, den ich erst in Leipzig fahren ließ. Wenn nun darauf der Kandidat Schomaker zum Essen kam, und wir vom Vater manche Historien mit Vergnügen zum zehnten Mal hörten — wenn du nach dem Essen auf einer Span-Geige aus gewichstem Zwirn­ faden kratztest — und ich einen glimmenden Schleißenspan zu einem Feuerrad umschwang — und ich und dn und der lange Knecht, der mir damals, wie den Kindern vielleicht alle gewohnten Gestchter, schön vorkam, spielten und sangen: „Ringe, ringe Reihe, 's find der Kinder dreie, sttzen auf dem Holderbusch, schreien alle Musch, Musch, Musch! Setzt Euch nieder! Es sitzt 'ne Frau im Ringeletn, mit 7 kleinen Kindern. Was essen's gern? Fischelein. Was trinken's gern? Roten Wein. Setzt Euch nieder!" — Innig erfreut las ich neulich in Gräters Bragnr das einfältige Kinderdtng — Ich muß aber meinen Satz ganz anders angefangen haben." — „Nunmehr ist er geschlossen. Das Leben fängt, wie das griechische Drama, mit Possen an. Beginn ohne, eh du erwachst, deinen versprochenen Sommertag!" „Ich könnte ihn wohl von der Fastnacht anheben, wo der neu erstandene Frühling lauter Sonnenstrahlen in die Schulstube voll kleiner geputzter Tänzer streut, so daß es in den Seelen früher blühte als in den Gärten. Schon der alte simple Vers: „Zur Lichtmeß essen die Herrn am Tag, zur Fastnacht tun's die Dauern auch nach," zog Abendröte und Blütenschatten um den Abendtisch. Gott, wie wehen noch die Namen:Marientage, Salatzeit, Kirschenblüte, Rosen­ blüte die Brust voll Jauberduft! — So denk' ich mir auch die Jugend meines Vaters bloß als einen ununterbrochenen Sommer, besonders in der Fremde; so wie ich meinen Großvater und überhaupt die zurück liegende Zeit vor meiner Geburt immer jung und blühend sehe. Da gab's schöne Menschentage, sagt man sich. Wie frisch und hell springend, gleich Frühlingsbächen, kommen mir die alten Universi­ täten Bologna und Padua vor mit ihren ungemessenen Freiheiten, und ich wünschte mich ost in diese hinein!" „Macht' ich weniger aus dir, so müßt' ich bei deinem Wunsche denken, es wäre damals, außer Hauspump, Buxen, Landesvater, auch gassatim Rumoren und Degenwetzen deine Sache gewesen; aber ich weiß gut, du wolltest zu allem nur ruhig sttzen und zusehen als Rector magnificus. — Allein gib nun deinen heutigen Som­ mertag !" „Es war das heilige Dreifaltigkeitsfest, und zwar das jener Woche, worin du auf- und davongtngst. Nur vorher lasse mich

noch bemerken, daß mir deine erwähnten Stubenteawörter teils ne« klingen, teils roh. An diesem heiligen Feste nn«, bas mit Recht in die schönste Iahrszeit fällt, gingen, wenn du es nicht vergesse», unsere Eltern immer jum heiligen Abendmahl. Gerade an jenem Sonnabend — wie den» überhaupt an jedem Beichtsoanabead — bezeigten die lieben Eltern flch noch gütiger und gesprächiger gegen «ns Binder als sonst; Gott aber schenke ihnen in dieser Stunde die Freude, die mir jetzt in ihrem Angedenken das Herz durchwallt l Die Mutter ließ vieles im Stall durch Leute besorgen und betete auS dem schwarzen Kommuntoabüchletn. Ich stand hinter ihr «ad betete unbewußt mit herunter, bloß weil ich das Blatt «mkehrte, wenn fle es herab hatte. Die Bauernstube «ar so rein und schmuck aufgeräumt für den Sonntag — wie am heiligen Ehrtstabend war es am Betchtabead — aber schöner und höher — dazu hing nun der retchschwere Frühling herein, und der Blüteageruch zog durch das ganze Haus und jeden Dachziegel — Frühling und Frömmig­ keit gehören gewiß recht für einander — Ich sah nachher, als der Nachtwächter antrat, «och ein wenig auS dem Dachfenster; voll Düste und Sterne war der Himmel über dem Dorfe — die Generalin ging so spät noch mit ihrem Kinde an der Hand auf dem Schloß­ wall spazieren, und das ganze Dorf wußte, daß fle morgen kom, muntzierte und ich und du die Kommnntkanteatüchleia dabei hielten — Wahrlich, ob ich gleich schon lateinisch sprechen konnte, die weiß­ gekleidete Generalin kam mir als die Mutter Gottes vor und das Kind als ihr Kind." „Hat denn die Generalin eine» Sohn?" Walt sagte verlegen: „Ich stellte mir nämlich ihre damalige Tochter so vor in der Ferne. Ich möchte jetzt noch vor Frende über die Wunbernacht weinen, wenn du nicht lachtest..." „So «eine zum Henker! Wer lacht denn, Satan, wenn einmal eia Mensch die Aufrichtigkeit in Person ist?" „Es erschien denn das heilige Trinitatis-Fest mit einem blauen Morgen voll Lerchen und Birkeadüste; und als ich aus dem Boden­ fenster diese Bläue über das ganze Dorf ausgespanat erblickte, wurde mir nicht, wie sonst an schönen Tagen, beklommen, sondern fast wie jauchzend. Unten fand ich di- Mutter, die sonst nur in die Nachmittags­ kirche ging, schon angeputzt, und den Vater im Gotte-tischrock, wodurch fle mir, zumal da fle unser Sonntagswarmbier nicht mit­ tranken, sehr ehrwürdig erschienen. Den Vater liebt' ich ohnehin am Sonntag starker, weil er bloß da rastert war. Ich «ad du folgten

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ihnen in die Kirche; nnd ich weiß, wie darin die Heiligkeit meiner Eltern gleichsam in mich herüberzog unter der ganzen Predigt; eine fremde wird in einem blutsverwandten Herzen fast eine größere." „Mein Fall war es weniger. Ich lebte nie lustiger als an ihren Kommuniontagen, weil ich wußte, daß sie es für Sünde hielten, mich früher als nach Sonnenuntergang auszuwichse» — und weil sie «ach dem Abendmahl auch das Mittagsmahl bei dem Pfarrer »ahmen und wir folglich das Schachbrett zum Rösselsprung frei hatten. Steht es noch vor deiner Seele, malt es sich noch glühend, färbt es sich noch brennend, daß ich an demselben Sonntage mit einem Taschenspiegel vom Chore herab den Sonnenglanz wie eine« Paradiesvogel durch die ganze Kirche und sogar um die zugedrückten Augen des Pfarrers schießen ließ, indes ich selber ruhig mit nachsah und nachspürte? Und gedenkst du «och — denn nun entsinn" ich mich alles —, daß mich darüber der satanische Kandidat erwischte und der Vater nach der Kirche mich nach der peinlichen Halsgerichtsorbaung von Karl, die (im Art. 113) Gefangenschaft mit Besenstreiche» leicht ver, lauschen läßt, aus Andacht bloß einkerkerte, anstatt, was mir lieber gewesen, mich halb tot zu schlagen?"" „Du hieltest aber dennoch in der Kirche das rechte Altartüchleiv bet der Oblate unter den Kommunikanten auf und ich das linke beim Kelch. Es soll nie von mir vergessen werden, wie demütig und rührend mir unser blasser Vater auf seinen Knien an der scharlachenen Altarstufe vorkam, indes der Pfarrer ihm sehr schreiend den goldnen Kelch vorhielt. Ach, wie wünscht" ich, daß er stark tränke vom heiligen Weine und Blut! Und bann die tief geneigte Mutter! Wie «ar ich ihr unter dem Trinken so reingut! Die Kindheit kennt nur un­ schuldige weiße Rosen der Liebe; später blühe» sie röter «ad voll Schamröte. Vorher aber trat die majestätische, lange Generalin in ihrem schwarzen und doch glänzenden Seideagewand an die Altar­ stufe, sich und die langen Augenwimpern senkend wie vor einem Gott, und die ganze Kirche klang mit ihren Tönen drein in die andächtige Gegenwart dieser idealen Herzogin für uns alle im Dorf."" „Oie Tochter soll ihr so ähnlich sehen, Walt?"" „Die Mutter wenigstens ist ihr sehr ähnlich. Darauf zog man denn aus der Kirche, jeder mit emporgehobnem Herzen — die Orgel spielte in sehr hohen Tönen, die mich als Kind stets in helle ftemde Himmel hoben — und draußen hatte sich der blaue Aether ordentlich tief ins Sonatagsdorf hineingelagert, und vom Turme wurde Jauchzen in den Tag herab geblasen — jeder Kirchgänger trug die

Hojstmng eines langen Freutevtags auf dem Gesichte heim — die sich wiegende lackierte Kutsche der Generalin rasselte durch uu- alle durch; nette, reiche Bedienten sprangen herab-------- überhaupt — wäre nur nachher nicht die Sache mit dir gewesen-------- "

„Zu ost käue sie nicht wieder!" „Also ging der Dater im Gottesrischrock ins Pfarrhaus und hinter ihm die Mutter. Und als ich, da sie abgegesseu hatten, die Klingeltüre des Pfarrhofs bffnete und schon die Truthühner desselben mit Achtung sah: —"

„Du brauchst mir's nicht zu verdecken, daß du mich drüben aus meiner verfluchten Karjerkammer losbitten wolltest, weil ich ju sehr schrie und Fenster und Kopf eintustoßen schwur."

„Die Bitte half wenig beim Dater; vielleicht weil der Pfarrer sagte, du hättest ihn zu sehr beleidigt und geblendet. Ich vergaß leider bald dich und die Ditte über dem herrlichen süßen Wein, de» ich trank. Auf dem Lande hat man j« wenig Erfahrung der vornehmern Welt und bewundert ein GlaS Wein. Der Pfarrer ließ mich Entrückten durch ein Prisma schaue« und gleichsam jedes einrelae Stück Welt mit einer Aurora und Iris umstehe«. Ich bildete mir ost ein, ich könnte wohl, da ich so viel Gefühl für Maleret, sogar sät Farben an Schachteln, Zwickeln, Ziegelsteinen jetgte, fast mehr zum Maler taugen, als ich dächte. Da ich meinen Dater tief unten an der Tafel fltzen sah, dacht' ich mir das Dergnügen, ihn einst sehr ausjuieichnea, fall- ich etwas würde." „Es ist auffallend, wie oft auch ich schon seit Jahren geschworen, mich meiner Herkunst zu entsinnen, wenn ich im Publikum bedeutend in die Höhe und Dicke wüchse, und mich weder deiner noch der Eltern tu schämen. Man kann fast nicht früh genug anfangen, sich be, scheiden ju gewöhnen, weil man nicht weiß, wie unendlich viel man noch wird am Ende. — Liebe für Farben, wovon du sprachst, ist darum noch keine für Zeichnung; inzwischen kannst du immer, wenn die eine Art Maler sich von ftemder Hand die Landschaften, die andere sich die Menschen darin malen ließ, beide Arten in dir vereinen. Vergib den Spaß!" „Recht gern! Wir zogen als vornehme Gäste durchs Dorf «ach Hause, wo der Dater die Scharlachweste anlegte und mit mir und der Mutter spatieren ging, um Abends gegen 6 Uhr im Garten­ häuschen zu essen. Run glaub' ich nicht, daß an einem solchen Abende, wo alle Welt im Freien und angeputzt und fteubtg ist, und die

Generalin und andere Vornehme mit rotsetdnen Sonnenschirmen spazieren gehen, irgend ein Herz, wenn es znmal in einem Brvder schlägt, es ertragen kann, daß du allein im Setser hausest." „Sakerment!" sagte Dult. „Sondern es «ar natürlich, daß ich vnd der Snecht dir eine Dachleiter aas Fenster setzten, damit du herunter könntest ins Dorf zur Lust. — Nein, kein Spaziergang mit Menschen ist so schön als der eines Kindes mit de» Eltern. Wir gingen durch hohe grüne Kornfelder, worin ich die Schwester hinter mir nachführte in der engen Wafferfurche. Alle Wiesen brannten im gelben Frühlingsfeuer. Am Flusse lasen wir ausgespülte Muscheln «egen ihres Schiller­ glanzes auf. Das Flößholz schoß in Herben hinab in ferne Städte und Stuben, und ich hätte mich gern auf ein Scheit gestellt und wäre mitgeschifft. Mele Schafherden waren schon nackt geschoren und legten sich mir näher aas Herz, gleichsam ohne die Scheidewand der Wolle. Die Sonne zog Wasser in langen, wolkigen Strahlen; aber mir kam es vor, als sei die Erde mit Glanzbändern an die Sonne ge­ hangen und wiege sich an ihr. Eine Wolke, die mehr Glanz als Wasser hatte, regnete bloß neben, nicht auf uns; ich begriff aber da­ mals gar nicht, als ich die Grenzen der nassen und der trockenen Blumen sah, wie ein Regen nicht allezeit über die ganze Erde falle. Die Bäume ueigte» sich gegen einander, als die Wolke tropfend darüber wegwehte, wie die Mensche» am Abendmahls-Altar. Wir gingen ins Gartenhaus, daS innen und außen nur weiß ist; aber warum glänzt dieser kleine Name über alle stolz gedeckten Pracht­ gebäude herüber und blinkt in seinem Abendrot sehr gegen ftemdes Morgenrot? Alle Feaster und Thüren waren aufgemacht — Sonne und Mond sahen zugleich hinein — die rotweißen Aepfelknospen wurden von ihren starren, struppigen Aestea hineingeyalten und zu­ weilen eine schneeweiße Aepfelblüte mit (o Dult, ich geb« den Apfel für die Aepfelblüte gern) — die Dienen gaben dem Vater Zeichen eines nahen Schwärmens — ich fing mir in eine Schachtel Gold­ käfer, für welche ich den Zucker längst avfgespart hatte — noch glänzt mir das Gold und der Smaragd dieser Paradiesvögelchen hienieden, in Deutschland, meint' ich — auch zog ich mir im Garten Schößlinge aus, um sie daheim anzupflaazea zu einem Lustwäldchen unter meinem Knie. Die Di^el schlugen wie bestellt in unserm Gärtchen, das nur

fünf Apfelbäume und zwei Kirschbäume hatte und mehrere Pflaumen­ bäume sammt guten Johaanisbeer- und Haselstaude». Zwei Finken schlugen, und der Dater sagte, der eine singe den scharfen Weingesang

und der andere des Bräutigam. Aber ich zog — und «och jetzt — meinen guten Embritz vor —"

„Deutlicher in der ornithologische« Sprache Emmerling, Gold, ammer, Gröning, Gelbling, Geelgerst, Emberiza citrinella L." — „welcher, wie die Eltern sagten, sang: „wenn ich eine Sichel härt', wölk' ich mit schnieb." — WaS ist denn da- Dunkle im Menschenkennern, daß ich wirMch den einfachen Embritz, wenn ich durch Wiesen gehe und ihn an belaubten Abhängen höre, leider über die göttliche Nachtigall, die freilich wenig rein durchgeführt, sondern heftig springt, zu setzen suche? — Floß aber nicht nachher die Abendröte in den ganzen Garten hinein und färbte alle Zweige? Jtcm sie mir nicht wie ein goldner Sonnentempel mit »leien Türmen und Pfeilern vor? Und gingen nicht auf den Wolkenbergen die Sternchen wie Maienblümchen auf? — und die breite Erde war ein Webstuhl rosenroter Träume? Und als wir spät nach Hause wanbeken, hingen nicht in den finstern Büschen goldne Tau, tropfen, die lieben Johanniswürmchen? Und fanden wir nicht im Dorfe ein ganz besonderes Festleben, sogar die kleinen Diehhtrten endlich im Sonntagsputz, und dem Wirtshause fehke nichts als Muflk, und auf dem Schlosse wurde gesungen?"

„Und nahm mich nicht," fuhr Dult fort, „der gute Vater, als er mich In dieser Freude als Teilhaber fand, leise bei den Haaren mit nach Hause und prügeke mich so verflucht? — O daß doch der Teufel alle Erziehungen holte, so wie er selber keine erhaken! Wer nimmt mir jetzt die Festprügel ab und den Karzer? Du kannst dich leicht herstellen und entsinnen und vergnügt außer dir sein und die Repetieruhr der Erinnerung aus der Tasche ziehen. Aber, Hölle, was hab' ich denn schmelzend mich zu erinnern als an die läufige Aurora eines aufgehenden Schwanzsterns? O wie glücklich, glücllich könnte man ein Kind machen! Dies probiere aber einmal einer bei einem greisen Schelm von 40 Jahren! Ein einziger Kindertag hat mehr Abwechsel als ein ganzes Mannsjahr. Sieh an, wie er mich, wenn das kühne Bild zu gebrauchen ist, aus einem zarten weißen Kindsgeflcht so zu einem braunen Jtopfc geraucht und erhitzt hat wie einen Pfeifenkopf! — Wärme mich nicht mehr wieder so auf! — Was seh' ich denn von Elyflen und elyflschen Aeckern um mich her als ein paar Sessel? — unsern Bett, und Stubenschirm? — nichts zu ttinken? — Dich guten Millionär bloß voll innerer Gedächtnis, münzen?—und einen hölzernen Sitz der Seligen?—O, ich möchte...

He,herein nur! Vielleicht bringt uns doch. Walt, ein Himmels, bürger eia oder eia paar HtmmelSpfortea «ad Empyreeu." Es schritt die gelb« Postmontur eia mit dem. „Hoppelpoppel ober bas Herz" «ater dem Arm, das der Magister Dyk mit dea Worte» zurückschickte, er verlege zwar gern Rabeuerssche «ad Wezel'sche PlLsaateriea, aber aie solche. „Nu, ist das keia Sonaeablick aus uaserm Freudenhimmel?" stagte Dult. „Ach," sagte Walt, „ich glaube, ich war ebea vorhin und bisher zu glücklich; darauf kommt immer ein wenig Betrübnis — Es ist doch gut, daß das Werk nicht ans der Post hin und her verloren gegangen." — „O du weiches — Holz!" fuhr Jener auf. „Aber nicht du sollst es ausbaden, sondern der Magister. Ich will ihn waschen mit Seewasser, ob's gleich nicht weiß macht." Er setzte sich auf der Stelle nieder und schrieb im Grimm einen unftankierten Brief an dea Magister, worin die Höflichkeit des Brief, Ms so gut als ganz hintangesetzt war.

* Das Maiblümchen. „Weißes Glöckchen mit dem gelben Klöppel, warum senkst du dich? Ist es Scham, weil du bleich wie Schnee früher die Erde durchbrichst als die großen stolzen Farbenflammea der Tulpen und der Rosen? — Oder senkst du dein weißes Herz vor dem gewaltigea Himmel, der die neue Erde auf der alten erschafft, ober vor dem stürmenden Mat? Ober willst du gern deinen Tautropfen wie eine FreudenttLae vergießen für die junge schöne Erde? — Zartes, weißes Knospenblümlein, hebe dein Herz! Ich will es füllen mit Blicken der Aebe, mit Tränen der Wonne. O Schönste, du erste Aebe deS Frühlings, hebe dein Herz!"

12. Attila Schmelzte. Beinahe vergäß' ich's, daß ich doch in meinem Dörfchen, während beide Schwäger, der Dragoner und der Postillon, ttanken, eine kleine Furcht glücklich bestanden, «eil das Schicksal zweimal auf meiner Sette gewesen. Ich sah unweit eines Jagdschlosses »eben einem schönen Baumklumpen eine weiße Tafel mit schwarzer Inschrift schimmern. Die» ließ mich hoffe», daß mich dort ein kleines Sarg, Kunstwerk, ein Ehren,Pfahl, irgend ein Treff,, Zier, und Spieß,Dank

für einen Toten erwarte. Auf einem unbetretenen blumigen @e, winde lang' ich vor dem Schwarz auf Weiß an und lese im Mondschein mit Entsetzen: „Jedermann wird hier vor dem Selbstschu ß gewarnt!" E» stand ich also vielleicht einen Fußzehen,Nagel breit von dem Düchsenhahn, womit ich, wenn ich die Ferse rückte, mich selber als einen verblüfften Stocknarren und Ladstock in die andere Welt unter die Seligen hineinschoß. Ich suchte vor allen Dingen mich mit den Fußnägeln in den Boden wie einzubeißen und einzuftessen — weil ich wenigsten- so lange am holden Leben bleiben konnte, als ich mich festpflöckte neben der daliegenden Atropos,Schere und Henkers, bühne; — darauf wünscht' ich, mich zu entsinnen, auf welchen Steigen der Teufel mich unerschossen herbeigesührt. Aber vor Angst halt' ich alles ausgefchwitzt und wußte gar nichts, — im nahen Höllendorf «ar kein Hund zu ersehen und zu erschreien, der mich etwa auS dem Wasser hätte holen können, und die beiden Schwäger soffen selig. Indes, ich faßte Mut und Entschluß — schrieb auf einem Pergament, blatte meinen letzten Willen so wie meine zufällige Sterbart nieder und meinen TobeS,Dank ans Bergelchen — und flog dann mit vollen Segeln auf Geratewohl und geradeaus den kürzesten Weg hindurch, unter der Voraussetzung, mich bei jedem Schritte nieder, zuschießen und mir so mit eigner Hand auf mein noch langes Lebens, licht den Bonsoir oder Lichttöter zu setzen. Aber ohne Schuß kam ich an. In der Schenke lachte steilich mehr als ein Narr über mich, «eil, waS nur ein Narr wissen konnte, die Warnungstafel schon seit zehn Jahren ohne Schüsse da geblieben, wie ost diese ohne jene. So aber steht'S, Ihr Freunde, mit unserer Jagdpolizei, die gegen alles warnt, nur nicht gegen Warnungstafeln. *

ES war bei meiner Ordination zum Feldprediger, als ich zum heiligen Abendmahle ging am ersten Ostertag. Während ich nun so dastand, weich bewegt vor dem Altargeländer mit der ganzen Männer,Gemeinde — ja, ich vielleicht stärker gerührt als einer dar, unter, weil ich als ein in den Krieg Ziehender mich ja halb als einen Sterbenden betrachten durste, der nun wie ein zu Henkender die letzte Seelenmahlzeit empfangt — so warf in mir, mitten in die Rührung von Orgel und Sang, etwas — sei eS nun der erste Oster, feiertag gewesen, der mich auf daS sogenannte alte christliche Oster, gelächter brachte, oder der bloße Abstich teuflischer Lagen gegen die gerührtesten — kurz, etwas in mir (weswegen ich seitdem jeden Ein,

fälliger» in Schutz nehme, der sonst dergleichen dem Teufel anschrieb!) — die- Etwas warf die Frage in mir auf: „@äh" es denn etwas Höllischer-, al- wenn Du mitten im Empfange des helligen Abend­ mahls verrucht und spöttisch zu lachen anfingest?" Sogleich rang ich mich mit diesem Höllenhund von Einfall herum — versäumte die stärksten Rührungen, um nur den Hund im Gesichte yt behalten und abtutreiben — kam aber von ihm abgemattet und begleitet vor dem Allarschemel mit der jammervollen Gewißheit an, daß ich nun in Kurzem ohne Weitere- yt lachen anfangen würde, ich möchte innen «einen und stöhnen, wie ich wollte. Als daher ich und ein sehr würdiger alter Bürgermeister uns miteinander vor dem langen Geistlichen verbeugten und letzterer mir (vielleicht kam er mir auf dem medrtgen Kniepolster yt lang vor) die Oblate in den klemmen Mund steckte, so spürt" ich schon, daß an den Mundwinkeln alle Lachmuskeln sardonisch t» stehen anfingen, die auch nicht lange an der unschuldigen Gesichts­ haut arbeiteten, als schon ein wirNiches Lächeln darauf erschien — und als wir uns gar turn zweiten Male verneigten, so grinste ich wie «in Affe. Mein Nebenmann, der Bürgermeister, redete ganj mit Recht, als wir hinter den Altar um gingen, mich leise an: „Um Gotte­ willen, sind Sie ein ordinierter Prediger oder ein Pritschenmeistee? — Lacht denn der lebendige Gottseibeiuns au- Ihnen?"" — „Ach, Gott! wer denn sonst?"" sagt" ich; erst nachher bracht" ich meine Andacht ernst­ hafter zu Ende. "13. Frieden-predigt.

Der kleine Krieg in der Brust. Der Krieg hat über Deutschland ausgedonnert. Die Römer feierten einen Tag de- Donner- heilig, und die Destrke, In die er geschlagen, wurden von der gemeinen Erde geschieden. Wie viele Tage und Länder find in diesem Sinne uns jetzt gehelligt! Eine Ungerechtigkeit, die nun an verwundeten Völkern begangen wird, schreit mit zwei Stimmen gen Himmel. Geh auf die langen Felder, wo halbe Heere sich unter die Erde gelagert haben, und drücke dann stech genug da-, was noch über ihr übrig geblieben, in sie nach und nieder; setze, wie der rechte Mensch den Frieden mitten im Kriege, so den Krieg im Frieden fort, und bejammere doch unverschämt den langen ungeheuern Schmerz, den ein Eroberer aus seinem Gewitter­ himmel schickt, indes du noch mit deinen kurzen Armen kleine Wunden austeilst! In jeder Sünde wohnt der ganze Krieg, wie in jedem

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Funken eine Feuersbrunst. Mancher außen unbescholtene Mann ist vielleicht in nichts von einer Geißel Gottes verschieden als im Mangel des Rohms und des Geipelgriffs. Der Krieg ist nur der vergrößernde Hohlspiegel der Wunden, die wir so leicht machen, nur das Sprach, rohr und Sprachgewölbe der Seufzer, die wir einzeln auspressen. Laßt uns also richtiger und ruhiger die Schwärze wie den Glanz des Kriegs ins Auge fassen, nnd wenn wir auf der einen Sette oft den Siegeshelden nur als ein Sternbild aus den hellen Taten einer Menge zusammengesetzt betrachten, so wollen wir auch auf der andern uns seinen Schattenriß nicht aus den Tatflecken seine- Heeres zu, sammenmaleu ober seinen Namenszug in den Steppenfeuern seines Volks erblicken. Der Macht wirb stets zu viel durch Freunde von den Ehrentaten der Menge, und zu viel durch Feinde von den Unehren, taten derselben zugeschrieben.

* Luxus.

Die nette Zett hat sich vor einem Feinde, der die alte besiegte, um so mehr zu fürchten, da sie selber ihn entwaffnet hat; dies ist der Luxus, der vor ihr das — Geld strecken mußte. Verarmung tut, wie dem Einzelwesen, so noch mehr den Völkern so viel Abbruch als Armut Vorschub; diese sperrt den Luxus mit seinen guten und seinen bösen Kindern zugleich aus, jene wirbt durch die bösen um den Vater an. Eine Zeit lang werben die Densschen — Beispiele zeigen sich sogar schon — aus Unmut und Geldmangel verschwenden. Man hält nur bann am Liebsten zu Rate, wenn man etwas vor sich gebracht, und der reiche Geizhals wäre leicht in seinen liederlichen Erben umzugießen, sobald man ihm das halbe Vermögen wegzöge. Schätze sparen, heißt Gegenwart opfern und verschwenden; dazn muntert aber nicht gefürchtete Zukunft auf, sondern gehoffte. Eine Kontribution gehört unter die Auftvandsgesetze; aber alle schlagen fehl. Unser jetzt auf den halben Sold gesetzter Luxns bringt alle sittlichen Nachteile eines auf den ganzen gesetzten mit, die Deruntteuungen an sich und an Andern, die Biegsamkeit und Berbogenhett, die Gelbsucht ic. Und werden nicht noch andere Zufälligkeiten bas Gift des Luxus noch dicker kochen? z. B. das Bet, spiel eines berühmten und vergrößerten Landes und besonders dessen Hauptstadt, da sie uns näher angeht als London — die jedem Kriege nachfolgenden Ueberberetcherungen einzelner — die betäubende Lockspeise neuer Staateneinrichtungen — bas Throngepränge,

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welches man dem Sieger des Jahrhunderts, der sie ans säknlarischen Gründen wählte, am Leichtesten nachjuspielen hat, ohne mit ihm die Gründe gemein ju Haden? Denn was das letztere anbelangt, so ist's bei einem Genins einerlei, ob er sich durch Prunk oder, wie Attila und der Lord Friedrich der Zweite, durch Unprunk von seinem Gefolge unterscheidet, und sein geistiger Glan» kann äußerlichen eben so gut entschuldigen als ersetzen. Indes wird die Furcht dieser Einwirkungen durch die Betrachtung, daß uns j. B. das Luxus-Kapua, London, weniger geschadet, und daß im Mittelalter die Pracht­ gesetzlosigkeit der Throne darum nicht Prachtgesetze nötiger gemacht, sehr gemildert, besonders wenn man noch zweierlei Lupus von ein­ ander trennt. Der des Volkes ist nur ein scheinbarer; denn er ist nichts als der gleiche Schritt des Genusses mit dem Erwerben und Erfinden, und am italienischen oder stnesischen Bauer ist Seide so wenig Luxus als am Seidenwurm. Auch sucht der Dolksluxus weniger gehaltlosen Schimmer und ftembe Meinung als eigene derbe Aus­ füllung; und es genießt ihn nur wie Sonntage, ja nur an Sonntagen, folglich in gesunden Zwischenräumen als Stärkungsmittel ver­ schwitzter Werkeltage, die ihn wieder durch den Abstich würzen. Aber wie anders löst der Luxus des Hochstandes weniger die Arbeilsknoten als das Lebensgewebe selber auf! Dieser, mit der Unersättüchkeit und Grenzenlosigkeit der Phantasie und mit der All­ macht der fremden Meinung treibend, jagt in einen unendlichen Wechsel hinein, und der Schaum dieses Ueberflusses macht nicht, wie der Dollttunk des Volks, froher und stärker, sondern durstiger, matter und trüber. — Er geht nicht, wie der volkhafte, vom Ueberfluß aus, sondern rennt diesem erst nach und macht arm, um zu verarmen, gleich sehr austrocknend Berg und Tal, den höchsten und den niedrigsten Stand. Stenn in lustigern Zeiten der Luxus der Hanse, Hollands, des deutschen Mittelalters nur ein solcher Volks­ luxus, obwol verschiedner Stände, war, der den eignen Ueberfinß zu ftemdem erzog, so breitet der jetzige tzochstandsluxus, das üppige Knd der Phantasie, der Durst nach Dnrst und Trank zugleich, die Eß­ lust nach Eß- und Magenmitteln und nach Schauessen zugleich, dieser breitet und säet seine relative Armut unter das Volk als wirkliche aus, und eben das Jahrhnndert, das Geld so verschwendet wie Zeit und Blut, steht da behangen mit einem Attributengeräte von Sparsnppen, Sparlampen, Sparöfen und Sparbetten. Die Rumfordischen Suppen «erden alle in Hofküchen gekocht, und die Armenanstalten müssen die Reichenanstallen gnt machen.

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Aber was wollt ihr vornehme» Deutsche» deaa tu» bagegea, d. h. für euch selber? — Was ihr Rechtes dagegen tüchtig wollt, dies vermögt ihr jetzt am leichtesten; deaa da der Staadesluxus, nicht der Geaußlvxus, eigentlich mir fremde Zungen sucht, wie der Kanftnanasgott Merkur vom Opfertiere, da er nur für andere glücklich sein will, wie die Tugend für andere unglücklich, so kommt ja jedem, der sonst der fremden Meinung zu sehr diente, jetzt diese selber zu Hilfe; man steigt nie leichter und unbeschränkter in der Gesellschaft herab als mit dieser selber zugleich, wie die sonst eitel» Ausgewanderten bewiesen. Jetzt ist ja jedes Auftvaadsgesetz, das ihr euch selber gebt, eiu stilles für jeden «ad von jedem. Könntet ihr ench in dieser Zeit, die den Gift des Luxus mit welken, steche» Staate» bezeugt, und die euch »och dazu die englische» negativen Goldküsteu versperrt, nicht Kränze durch Entbehren erobern, die ihr sonst durch Erkaufe» gewännet? — Wann wäre es leichter als jetzt, daß ganze deutsche Gesell, schäften — deutsche zu höherem als Wörterzweck — höhere Heilands, ordea, auferstäadea und zusammenträten, um die amerikanische Lia, ctnaatusgesellschast durch das Beispiel der Lossage vom pressenden Schleppwerk des Leib, und Stubengerätes zu wiederholen — um besonders den geftäßige» Möbelluxus von sich abzuhalteu — um sich in die Sonne der bloßen Freude zu setzen und elende Neben, sonnen des Scheins, diese Propheten des schlechten Wetters, nur angehörig dem Dnnstkreis, nicht dem Himmel, zu verschmähen?------Himmel! wie wohlfeil ist das Leben, wenn man nur ftoh sein, nicht es scheinen will! Wie viel mehr kostet die ftemde Meinung uns täg, lich Geld und Sünde als die eigene! Das reißende Untier des Lnxus kann kein einzelner, sondern nur eine Menge bezwingen. Fürsten reichen, wenn nicht in der Verfassung selber die Münzstätte der spartischea Notpfennige ist, mit ihren Prachtgesetzen nicht wett. Ihr könnt alle voraussehen, daß dieser Knochenfraß des Staates, da er niemals tanehallea kann, noch «eit mehr euere Kinder verzehren und aushöhlen muß, wenn ihr nichts Besseres dagegen vorkehret als ein paar Lehren, euch — nicht aachz«, ahmen, und wenn ihr nicht durch Eutsagungs,Gesellschaften ihnen das entgegengesetzte Beispiel der schlechten Vielheit gebt. Aber bisher gabt ihr noch statt des Verbots, euch nachzuahmea, sogar den Befiehl und Reiz dazu, indem ihr den armen Kindern den Frühgenuß der ellerlichea Freuden, und dadurch den künftigen Ekel davor und den Durst nach vergrößerten aufdringt. Die Kron, und Kaufmanns,

gütergemeiaschast der Kinder mit de» Elter» (z. B. TeUnahme a» Bälle», am modische» Kleiderschnitt vvb Wechsel) ist sicht bloß Der, gistuag der Gegeawart, wie etwa ost bei de» Ater», foabera Der, gifwag der Zukunst; dea» jeder elterliche Luxus wird im Kinde ei» verdoppelter, weil es, bei feinet »och überfüllte» dichte» Knospen, aatvr voll Gegenwart und Traum zugleich, nut auf eine» halbe» Sold u»d i» eine» halbe» Feiertag gesetzt zu werde« braucht, um weit mehr als die Elter» mit ihrem ganzen zu habe». O warum ist das Geben so ost nur verkleidetes Rehmen uvd so manches Geburtstags, gescheak ein Kirchenraub des HeUigsten? Was oben vom Botte galt, gilt noch mehr von Kindern; nicht der Magen, oder Eiafledlerluxus oder der genießende ist der giftigere (denn unsere Alte» habe« ihn auch gehabt uud nur de» Ueberreiz durch Uebermaaß sich ersetzt), soader» der Auge«, oder Gesellschastsluxus, der scheiaende; denn die hierüber verordne»-« Pha»taste uud Eitelkeit finden und setzen, wie alles Geistige, keine Grenze, und man schränkt leichter das Schwelgen als das Schimmern eia; jener ist die ost erdrückende, aber giftlose Riesenschlange, dieser die schimmernde Brillen, oder die vorlaute Klapperschlange, und beide find die giftigsten Tiere. Aber wer soll helfen? A» wen soll die Rede stch richte»? — An die Männer nicht. Sie, überhaupt urehr in Gaume», als in Augealuxus versunken — eine Welt voll Männer würde wenig zu prunken suche», desto mehr eine voll bloßer Weiber — und ohnehin dea weiblichen Prachtordnuagea untertan und zinsbar, vermögen hier nichts. An die Weiber wend' ich mich noch weniger, diese ge, währen hier nichts; überall mehr als jene auf ftemde Meinung geimpft, stecken fle mehr ins Ohr als jene in dea Magen — eia feines Tischzeug ist ihnen, wenigstens dem Geschmacke nach, ein indianisches Dogelaest — ihre verschleierten Taten (gegen die prahlend offen, gelegte» der Männer) wolle« fle flch wenigstens durch aufgedeckteu Schimmer an flch »nd den Ihrigen belohnen — auch habe» ste flch zwei Geschlechtern auf ein Mal in teuern Äußerlichkeiten zu zeige» — wir kanm einem—fle können mit dem ihrige» nicht, wie wir mit unserem, auf Hieb und Stoß zweikämpfen, sondern mit Geld, und Glaazsucht — und endlich hUst keine Predigt im Auerbachischen Hof. Kurz, die Weiber flad die ewigen Tierwärterinaen des Raubtiers des Luxus, die Schutzheiligen dieses verwüstenden Sünders und am Ende die Seeleneinkäuferinnen für Amerika, wohin und worunter die Rot hinweht und treibt, welche ähnlich der Strafe des Kiel,

holen-, die den Verbrecher unten um da- Schiff herumtieht, eben so andere um die Erdkugel herumschleppt. Aber au wen «vent/ ich mich denn? An die Mütter! Und diese tet>' ich an voll Hoffnung, daß sie, wenn Spartanerinnen und Römer­ innen für da- Vaterland Schmuck, sogar Haare opferte», für ihre Töchter nicht weniger tun und sie durch Beispiel und Gewöhnung von dem Abgrunde «egjteheu, der sich wie ein Bergwerk tiefer gräbt, je mehr Gold darau- geholt worden. Keine Mutter sage, daß sie ihr Kind länger liebt, al- sie e- au der Brust oder an der Lippe hat, wenn sie da- arme Wesen in eine verarmte «ad verdorbene Zeit mit den Bedürfnissen der Unersättlichkeit hiuau-schickt. In Piemont pflanzt der Vater bei der Geburt einer Tochter 1000 Pappelbäume, im sechzehnten Jahre ist ihr au- der Erde eine Mitgab« von 16000 Livr. erwachsen?) Aber welch eine noch schönere jährlich sich verdoppelnd« Mitgabe wäre eine ganz andere Pflanzung in den Töchterherzea, die, welche einmal in den spartanische» und erst-r-mischea blühte, die Verschmäh«»- des Schein- und Prunks! Wie würde dann das dunkle deutsche Lebe» gelichtet! Wie leicht würden die neuen Laste» werden und wie stark die Kraft, sie abzuwersta oder keine neueste» aufzuladen!------- Aber wie kann es geschehen? Nicht durch eine Mutter, sondern durch Mütter, und der Himmel und die Ehemänner mögen sie uns bescheren! * Hoffnungen und Aussichten.

Die ängstliche Gebärde der Zett unter dem Alpdrücke einer ver­ bogenen Schlummerlage kann nur die Uebel verhärten, die man beklagt. Dem ersten Schmerze ist Uebermaß natürlich «ad verzeihlich. Was Helvetius sagte: juger c/est sentir, geschieht umgekehrt: sentir c'est juger, obwol beides falsch ist. Wir sehen am Ende Redeblumen, wie Fieberkranke die Bettblumen, für Gestalten an, die sich drohend regen. Himmel! wie anders aber erduldeten unsere Vorfahren eia ganz größeres, ein dreißigjähriges Weh! Was sie ans der Erde begruben, strahlte ihnen «tderscheiaend aus dem Himmel zurück, und gegen jeden Schmerz gab eö einen Gott, der ihn in eine Freude der Zukunft umschuf. Aber jetzige Furcht kennt keinen Gott, sondern aur den Teuft!, der seine Hölle täglich tiefet wühlt und wölbt. Wenn man wenige *) Reisen des Abbö Coyer.

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Schriftsteller ausnimmt — und nur diese «ach ihrem politische« Glaubeuösysiem — so liest man überall nur abgedruckte Weiber; aber alte Christen, alte Stoiker, alte.Scherzmacher trefflich feite« aa; «ad um eia Almosen für et« geplündertes Dorf weicheu^Herzen «ad «affe« Auge« abzuquetscheu, verleugnet «um deutsche Männlich, kett «ad kecke Aastcht «ad schmelzt sich «ad andere, «m damit härtere Metalle ia Fl«- za bringen. Obgleich «och so manche deutsche Staate», teile stisch «ad heil dastehea, so machen es doch die Schriftsteller aus ihaea wie die Nevgrtechea auf Morea, welche (nach Pouqueville) alle, so gesund «ad rüstig fle auch eiahergehea, die letzte Oeluag nehmen, sobald ei« M-uch durchreist, »eil, sagen sie, eia solcher Mann nicht alle Lage zu haben ist. Nur ist's schlimm, daß politisch aicht hllft, was physisch errettet vor Gewitter» «ad Bären, nämlich schetaletcheahafieS Hiulegeu auf die platte Erde (in fle täte eher etwas); jedes Volk vergeht wie et« faulender Schwamm zerfließend, wenn es keine» Mut mehr hat; ohne Hofftmug aber gibt es keinen, «ad wie nach Dato die Hoffnung dem Körper, so ist fle noch mehr dem Staatskörper gesund.

Was heißt Aussichten Deutschlands oder EuropeaS? die auf ein Jahr, oder auf ein Jahrhundert, oder eia Jahrtausend, oder auf die gauz« Erdeuzeit? — Man darf eben keine Zeit nennen «ad meinen, sondern nur die ewigen Naturgesetze, wtiche ja schon hinter «ns in der Geschichte thronen und reden.

Die Wilden halten kurze Derfinsteruagea der Sonne und des Mondes, und Adam ia der Epopöe die noch längere Phase, »Lm, sich die Nacht, für Weltuntergang; wie leicht müssen wir nicht bei ringförmigen Finsternissen «ad Nächten der Staaten, die zumal oft länger flut» als «aser Leben, ftrrchtsame Irrtümer der Zukunft empfangen, indes fle gleichwohl der erste Sonnenblick deS großen Naturgangs vertilgt? Und man müßte daher eia Jahrtausend Leben hinter fich habe» und folglich eines vor sich, um nie zu verzagen, sondern stets zu vergleichen. Aber euch solle« Ideen statt der Jahre dienen, «ad Gott sei die Ewigkeit. Dana fürchtet, wenn ihr könnt! Doch wir haben hier, statt der Aussicht vom Gipfel, bloß die tiefere vom Zweige nötig, um die Welt und die Hofftrung zu sehen. Will man Hoffnungen aicht zugestehen, so nenne man sie Träume; nach Kant aber sind auch dem tiefsten Schlafe Träume nötig, um daS Leben anzufachen. Bei Staaten wird der Irrglaube, etwas zu

vermöge«, leicht zur Wahrheit, so wie Fraakli« sagt, «m zu schwimme«, brauche maa sich aur eiazubilde«, daß «raa's köaae.

Wen« es eine bekannte Klage ist, daß die neueren Staaten mehr Staatskörper, die alten hingegen Staatsseelen sind, welche mehr mit dem Geistig« bewegten nnd verknüpften durch Beredsamkeit, durch Sitten, durch Musik, nicht durch hölzerne Räderwerke des Formalismus, so fällt diese Klage auf keinen Staat gerechter und verstärkter als auf den deutschen. Schon im Gegensatze -egen die alten unumgewälzten Franzosen, bei denen gerichtliche Beredsamkeit, allgemeine, selber die Könige zügelnde Meinung, der schnell auflodernde Enthusiasmus für jede Neuheit, die Dlttzgewalt der Bonmots — deren elektrisch durchschlagende und ost die Pole umkehrende Wirkung wenigstens für einen geistigen Einfluß spricht — schon gegen jene stüheren Franzosen standen wir zurück mit unserer politischen Ma, schtnemneisteret. Unsere äußerliche Förmlichkeit — unsere träge Nachäfferei, welche die auswärtigen Modepuppen als bestimmende Glieder und Flügelmänner für uns wählte — gewissermaßen unsere außerordentlichen Gesandten und Professoren, die weniger gellen als der Ordinarius — unsere Sejsionsztmmer, worin die Köpfe wie die Bäume im Winter so stehen, daß der ftnchtbare ebenso aussehen muß wie der unftuchtbare, und folglich umgekehrt — unser politisches Derztchttun auf jedes Fretgetstige und unsere Fluchtstrafen eines jeden Schrittes aus dem Marschreglement oder der Schrtttordnung der Kollegienschnecken — unser Exerztr, und Prügel, und Alljährt-, keitswesen, das Greise fiir Veteranen nimmt, bloß weiße Köpfe fiir «eise, oder kahle für volle, kurz den Allerswinter str Kriegsfeuer, als ob ein aller Mann nicht weicher gebettet zu werben verdiente als anst Ehrenbette: alles dies, was dem deutschen Reichskörper so wenig Reich-seele, spirit public, esprit de corps eingeblasen, und was ihm so sehr alle Etnhell des iebensgefühls genommen, daß er wie der Krebs seine rechte Schere mit der linken kneipend, diese alfeindliche voraussetzend absprengte — alles dies, womit sich, was *) Sonderbar, daß man für die höhere« Krieg-würde« bisher nicht da-Kraftalter al- di« rechte Zeit annahm, indeß doch ans der höchsten «in Alexander, Cäsar, Karl XII., Friedrich II., Napoleon u. s. w. gerade in der Jagend ihr« Glanzsiege schufen, wozu noch kommt, daß diese al- vber, befehl-haber doch mehr di« Kälte und Einsicht d«< Alter- nötig hatten, sowie die meist anr ausübenden Unterbefehlshaber mehr die Feuermacht der Jugend.

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daS deutsche ReichSkabtaet zu einem Mobellkabiuet von Maschinen macht und selber die Maschiaeagötter wieder zu Maschinen und den StaatSherrn zu einem hölzernen Kempens Schachspieler, der lebendige Untertanen auf dem Schachbrett seines Territoriums ruht- hin und wieder stellt und zieht — alles womit wir dem Vogel Sttauß ähnlich wurden, der zwar einen starken Magen, aber keine Flügel hat: dieses Deutschenübel werden die Beispiele und die Folgen der Zeit, und die Nähe und die Einwirkung einer im politischen Leben so begeisterten Nation, wie wir im dichtenden, zu brechen diene«. Wenn sonst mancher deutsche ThrougeniuS, anstatt seinen Geist fortzupflaazen und sein Volk sich zum Nebenbuhler zu erziehen, dieses nur zum Lastträger und Zeiger seiner Gedanken machte, so ging der Staat, wie PfaffluS' Terzienuhr, noch fort, sogar «och eine Stunde, nachdem daS Gewicht abgenommen war; dann stand er. Aber der jetzige Astralgeist und regierende Planet EvropenS (der Abend, oder Weststern) will auS seinem Geiste Geister mache« und damit Körper nicht bloß erschaffen ober bewegen, sondern auch beseelen. Dieses Beispiel wirb auf näheren und ferneren Wegen auf unS Deutsche herüber wirken, wie Friedrich II. auf Josef II., und wir fangen viel, leicht in einem höheren Sinne alS bisher Oestreich daS Militärjahr vom November an. Ihr scheltet die Zeit klein? Folglich sagt ihr, daß stch etwas Großes in derselbe» gezeigt, waS den Rest zum Zwerg und Tal gemacht. CS entsteht keine verkleinerte Zeit ohne eine verkleinernde. Die echt,kleine Zeit ist die Ebene und Stille, die stch in keine Tiefen und Höhen geteilt. Freilich kann eine Zeit stch im Handeln so wenig selber alS groß erfinden als eia großer Mann stch im Unter, nehmen einer großen That; wie könnte Dem etwas groß erscheinen, der"S eben vermag und dem eS leicht und tunlich ist, der aber erst wett hinter der Wirklichkeit seine Felsen und Riesen fleht? Zwar kann er ste auch in der Vergangenheit oder Geschichte erblicken; aber der Fall bleibt derselbe, «eil diesseits und jenseits der Gegen, wart daS Ideal regiert. Aber inwiefern gehört dies unter die versprochenen Hoffnungen? Insofern: «eil jede Kraft zuletzt die ftembe stärkt — weil die Wett, bah« der Kräfte stch austut — «eil überhaupt der Mensch stch am Menschen ermannt, wie Montaigne schon vom bloßen Anschaue» Gesunder zu leben versprach — weil zum Glück die Größe fich zwischen Sieger und Deflegte verteilte — und weil wir ja keine Griechen sind, sondern Deutsche. 84

14. Dämmerungen,

über de» Gott in der Geschichte und im Leben. Wer mit Goethe sagt: „das Schicksal will gewöhnlich mit vielem nur wenig", dem ist „die Weltgeschichte ein Weltgericht", aber eines das unaufhörlich verdammt und sich mit. Allerdings blickt die Vergangenheit uns so grausend an wie ein aufgedeckter Meeresboden, welcher voll liegt von Gerippen, Untieren, Kanonen, modernden Kostbarkeiten und verwitternden Götterstatuen. Es möge denn hier ein Geist, der sich an der Der, gangenheit noch blutiger abquält als andere an der Gegenwart, seine Klage über den Weltgang recht aussprechen. Das Gleichnis vom Meere (wirb er sagen) reicht weit genug; wir schiffen »nd holen auf dem leuchtenden und grünenden Meere; aber unter uns liegen die Bettler mit ihren Schätzen und Knochen, welche anch einst freudig darüber gefahren. — Schwer geht daS Erstarken der Staaten, flüchtig ihr Dollblühen, etel-langsam ihr Niederfaulen. Wie lange mußte nicht der Barbar am römischen Reiche schlingen, bis daS eine Raubtier das andere in sich gezogen, so widrig dem Auge, wie wenn die große Sumpfschlange ein lebendiges Krokodil hinterwürgt. Wie lange frißt der SultanivmuS schon am ätherische» Griechenland! Hoffe nur kein Herz Nachhilfe oder Rettung auf seiner Bahn zu irgend einem reinsten Ziel! — Allerdings greift vielleicht ein Arm aus der Wolke herab, aber ebenso ost, um eine Eiche beim Gipfel aus der Wurzel zu reißen, als eine gegen den Sturm auft recht zu halten. Der edelste König Frankreichs, Heinrich IV., neben dem edelsten Minister, muß gerade auf dem Himmelswege zu einem allgemeinen europäischen Fürstenbunde, der nicht wie sonst Kriege beschloß, sondern ausschloß, dem Opfermesser auf dem Altare des Teufels heimfallen, dieser edle Fürstengeist, der, was unter allen fürstlichen Bestrebungen die seltenste ist, mit dem Wohle seines Staates daS Wohl der Menschheit, d. h. aller Staaten, beftuchten und er, ziehen wollte. Er starb; armer Sully, armes Frankreich! — Ein hohes KönigSherz, das die Gräuel eines Herzogs von Orleans, eines Ludwig's XV. und folglich der Revolution der matten Menschheit erspart hätte, mußte stillstehen, nachdem es ein Evangelist Johannes, Fenelon, in göttlichen Gang gebracht. Armer Fenelon, armes Frankreich! — Und darauf wollt ihr doch euch wundern, wenn euch Einzelnen mitten im AuSstrecken euerer Hand, um zu helft» oder 85

zurechtzuweise« ober um eine fr ernte zu drücken, diese Hand von einem unfichtdarea Schlage abgehauev wird? Was ist denn das Beste, was ihr vorhabt, gegen da- Beste, das schon verwehrt und ver, zehrt worben? — Daher glaube nur kein Fürst Leopold, etwa darum, «eil er vom Ertrinke« retten will, selber dem Ertrinke« zu entrinnen; ihr «erbet das Opfer euerer aufangs begünstigten Aufopferungen am Ende so gut als Howard das der Pest. Auch waS nur einmal da ist und nie «iederkommt, Alexa«, driaische Bibliotheken, Schiffe und Städte voll Knustgebilde sanken «nter, sammt unersetzliche« Gedanken unsterblicher Grieche«. Fast spöttisch band das Schicksal die Freiheit eines Staats an den Spinnen­ faden des Zufalls, dort Englands an eine Schneiderschere, hier Genua's au ein Boot;') dort aber hielt, hier riß er.

Der besondere Saatwurf eines großen Individuums — ent­ sprösse auch daraus ein seliges Jahrtausend — gUt vor dem Ver­ hängnis so viel wie der Saattvurf eines Völker vergiftenden Samens; zufällig wird der eine, zufällig der andere beregnet, nicht einmal der Gtstsame ausschließlich. Oft wählt das Verhängnis auf dem Scheidewege zwischen Fegfeuer und Höllenfeuer bas letztere. Wie glücklicher hätte flch bas römische Reich «nter einem Julius Cäsar gestaltet ohne Brutus' Dolch, diese Straftute dreier Weltteile, wodurch der römische Thron bloß bas breite Blutgerüste der Länder und Herrscher zugleich geworden. Der Verhängnis verschonte die Welt weder mit Kato's Sterben, noch mit Brutus' Töten und Sterben, und drei solche Große mußten ihre Gräber zu Thronstufeu für einen Augustus hergeben. Den» daß etwas ebenso Schlimmes oder noch Schlimmeres als der Leichenzug der römischen Kaiser­ historie erftlgt wäre, wenn Julius Cäsar seinen Namen nicht einem Monate, sonder« einer ganzen Julianischen Regterungspertobe hätte geben dürfen, läßt flch schwer behaupten.

Zuweilen wirst das Verhängnis in die eine Wagschale so viel Leichen und Siege als in die andere, damit von neuem nachgeworfen «erbe» muß. Zweimal muß Nelson auf dem Wasser entscheidend flegea, zweimal Napoleon auf dem Lande, bloß damit entweder dort oder hier ein neuer Blutttäueunachguß in die Schalen die wägende stetlrechte Zunge beuge. ') Die Magna Charta fand Robert Cotton bei einem Schneider der sie eben zu einem ganz andern Maß verschneiden wollte. Fiesko's Unter­ gang ist bekannt.

Und eben das Grausamste in der Geschichte ist dieser Wechsel zwischen Glücken und Mißglücken jedes sittlichen oder unsittlichen Zwecks — fast ähnlich dem Jubeln, Beftuchlev «ad Lieben der organi­ schen Welt Im Frühling auf der einen Seite nad dem Zusammenftessea ans der andern; der ganze ftohe Frühling ist voll «»gehörten Mordes in drei Elementen, nur daß sich der Mord noch stiller im lau­ ten Meere begeht, in welchem kein Leben anders lebt als von einem andern Leben, und welches gerade zwei Drittel der Erde ansmacht. Nur etwas sucht daS Verhängnis heim, nicht die eigene Schuld des HerzenS, sondern die unschuldige Schuld des Kopfes, und gegen ein Laster werden hundert Dummheiten gezüchtigt. So ist die Welt und unser Trost!

Gleichwohl könnte jemand diese Verzweiflung nachbeten, ohne darum etwas anderes zu bleiben als eia Christ; denn er nähme bloß die Kirchhofsmauer zu seinem Derteidigvagswall «ad den kühnen Ausweg oder Ausflug in die zweite Welt, für deren Dor, schule, Dorhimmel und Dorhölle er die erste erklärte, wozu er denn auch alle übrigen Erbe» und Sonnen »och schlagen müßte, da alles Irdisch« eia Unteilbares ist. Aber dieses ist auch ein Uaaameßbares (Inkommensurables) für die geistige Zukunst. Jede Welt von beiden muß flch selber rechtfertigen. Den erwartete» Gott der Ewigkeit kenn' ich den» schon in meinem jetzigen Innern, das eben in Zeit und''Geschichte wandelt; folglich hab' ich durch den mir im Erden­ herzen mitgegebnen Ewigkeitsgott schon ein jetziges Derhältats oder Mißhälmis mit der gleichzeitigen Erde mitbekommen und zu erkennen.

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Germanismen. Es gibt eine Menschenklasse — schwer ihr selber zu beschreiben und also schwer den Deutschen, da sie bet ihnen die Mehrzahl bildet — welche bloß überall auf unserer so eckigen Erdeakugel zu existirea brauchte, um bas ganze Leben und alle Tabors und Tempes in eine kahle platte Heide von Lüneburg zu verkehren und eiazuplätschea. Nämlich es gibt Leute, welche nicht sowol das Alte fortwollen — wie etwa» die großen Freistaaten — sondern das Alltägliche, was für einen Freistaat öfters eine große Neuerung wäre.

Spräche diesen geistigen Dettelorde» der Seelen eia anderer scharf auS, so müßte er sagen: „er wünscht vom Leben nichts als eS zu 87

führe« und da«« mit hergebrachten Zeremonien j« verlasst«, damit es ei« asderer wieder aufauge." — Dabei verlangt er das nötige Fabrik, «ad Regternagswesen — sammt so viel Philosophie u«d Poesie, und Uneigeanützigkeit und Eigeaautz, als er selber hat, und ta der Jugend Jugeadfehler, und bann de« gesetzte« Mana. — Die Herzkammern dieser Leute scheinen Amethyste zu sein, welche jedes Berauschen abhaltea; ja, der Begeisterte selber wird vor ihnen vernichtet und eatfalbt sich mager, so wie sich im Froste die fettesten Gesichter zu hageren eiaziehen. Das Gähnfieber, das im siebenten Jahrhundert in Italien tötete, brächten jene Unbegetsterten uns geistig wieder, wenn sie könnten. Nach ihnen bleibt die Menschenwelt ewig, wie sie ist; und es tut mir leid, daß Brandes diesen erftterenden Abgebrannten des Geistes in seinem Zeitgeiste das Wort durch die Behauptung redet, daß Kantischer und Ftchtesscher (eigentlich Herder'scher) Glaube an ein Forttücken der Menschheit eben Dentschland so weit rückwärts geschoben. Auf diese Weise das Weltgebäube — denn ich wüßte nicht, warum unser Mittelplanet gerade der schlechteste und stätigfie sein sollte — zu einer maison des incurables zu machen, ist nur ein so ttostloser Unglaube als der an die Unsterblichkeit. — Freien Geistern — im Gegensatze knechtischer Körper — ist eine forttückeade Verschlimmerung, ja Verbesserung leichter möglich alS der stehende Sumpf der Unveränderlichkeit. Da man doch einigen Völkern Fort, gang zugestehen muß: warum sollte nicht eine zufällige Mehrzahl Lhnltcher — wenn ich so blasphemisch,zweifelnd reden darf — ei« Uebergewicht fortwuchernder Veredelung über Stehen und Sinke« erringen «nd festsetzen? Gewiß ist übrigens, daß alles Große, was noch auf der Kleivig, keitserbe getan worden, nur aus dem begeisternde» Glaube« an eine Erhebung desselben entstanden ist. Gibt's eine Weltgeschichte nur der Danatben, gilt die häßliche Meinung Robtnet's, daß immer alles, Gutes und Böses, Wahrheit und Irrtum, Glück und Unglück, in zwei gleichen Teilen wagrecht über die Erde hänge, so sind alle Aufopferungen gelähmt — alle Helden kletternde Nachtwandler ohne Ziel — die Zeiten nur ein wechselndes Austvechselv der Ge­ fangenen — die Erde eine sine cura,Stelle — und daS Leben eine Drehkrankheit toller Schafe. Inzwischen kann doch die Sache anders sein und ein Gott wirklich existiren statt eines bloßen Teufels.

Kriegserklärung gegen -en Krieg. Ich sagte oft, seitdem ich die seltsame Tatsache gelesen: ich wünschte, niemand trommelte hienieden «eiter als in Bamberg der Professor Stephan ans seinem Ohre mit dem Hammer heraus, gesetzt auch, man hörte das Wenigste. Aber leider ist der Bellona kaum das jetzt lebende Europa breit geuug jur Sturmtrommel, und sie häutet Weltteil «ach Weltteil ab, um die Haut über die Regimentstrommel ju spanne».

Gegen de« Krieg schreiben, ist allerdings so viel, als im Druck harte Winter scharf rügen oder die Erbsünde. Denn bisher waren die Geschichtskapitel mit Krieg gefüllt, unter welche der Friede einige Noten setzte. Seit der Schöpfungsgeschichte treibt dieses wahre perpetuum mobile des Teufels die Dernichtungsgeschichte fort. Der Friede war bisher nur eine blühende Dorstadt mit Landhäusern und Gärten vor der Festung des Kriegs, der jene bei jedem Anlaß nteberschoß. Zn der alten Geschichte trifft man wol 120jährige Kriege an, aber keinen so grauen, lebenssattea Frieden. Gleichwol wäre ein Wort für den Krieg noch heilloser, als eine- dagegen ftuchtlos ist, in keiner Zeit aber mehr als in der jetzige«, »0 die personifijtrte Zwietracht, welche in Voltaires Henriade die Maschinengötün ist, im heutigen Epos wieder einhilft, und «0 (sind anders kleinliche Sptelworte dem an flch kleinlichen Kriegs, spiele angemessen) vernagelte Köpfe und vernagelte Kanone» einerlei gelten «ollen, und wo alle Blüten der Völker flch bloß dem Stchelwagen der Kriegsminister auf ihren eisernen Gleisen unter, streuen sollen. Allerdings trägt bas rednerische, dichtende und ge, schichtschreibende Volk einige Schuld an der Fortsetzung der Kriege durch die gemeine Fortsetzung seiner Kriegslobreben. Freilich ist es Rednern leichter — daher junge Schauspteler und veraltete Fürsten dasselbe wollen—Tyrannen darzustellen als Friedensfürstea, so wie Klavieranfänger am Liebsten Durtöne spielen. Alles Gute nimmt wie der Himmel nur wenige Farben an; eS gehört mehr Kenntnis dazu, einen Friedensfürsten als einen Kriegsfürsten zu malen. Indessen bliebe auch die Menschheit, samt der menschähnlichste» Tierheit — den Hunden, Pferden und Elefanten, diesem an unserer Seite mitfechtenden Tier,Geryon und Zerberus — ewig auf dem Schlachtfeld und Kriegsfuß stehen, und hälfe keine Friedensprebigt zum ewigen Frieden, so würd" ich fle gleichwohl halten; ist der Wille nicht zu bessern, so doch vielleicht das Urteil.

über die jetzige Sonnenwende der Religion. Allerdings könnten jetzt die bekehrten Wilden «ns selber wieder Heidenbekehrer zuschtcken. — Wenn sonst für eine geschriebene Bibel 5 Soldguldev, bann für die ersten gedrvckten 60 nab später 30 bezahlt wurden?) so kehren wenigstens gewisse Stände Ueber es so mn, baß eine gedruckte jetzt so selten bei ihnen zu staden ist als sonst eine geschriebene. Oie Kirchen, sonst als Kreuze gebaut, drücken mit der Figur ihr heutiges Schicksal aus. — Man findet jetzt leichter alle Heuchler, sogar irreügiöse, als religiöse. Diderot verlangt einen leeren Stuhl zum Essen hiagestellt, um die Kinder an den unsicht, baren Sott zu erinnern; — mit leeren Kirchenstühlen stellen wir gut genug die Wohnung der Allgegenwart vor. — Und zieht flch nicht die Religion immer dünner aus, je länger sie sich spinnt? Halte nicht selber der theologisirende Luther unter drei Söhnen nur einen, der flch auf GotteSgelehrsamkeit legte, nämlich den Martin, indes sein Johann Jura, sein Paul Arznetkuube studirte, und jener als Kanzlet, rat, dieser als Hoftat, beide in Weimar angestellt wurden, Marita aber nicht? Besonders waren von jeher Thronen «ab Throastufen der höheren Stände selten Ktrcheastühle; auf dem päpstlichen Stuhle saßen, sogar dem Zeitalter entgegen, vielleicht so viele Atheisten als ans weltlichen Thronen, überhaupt war schon sonst der vor, nehm« Süden nicht so religiös als der vornehme Norden, geschweige der gemeine.') Maa vergleiche Päpste, Kardinäle nab ftanzöflsche Könige mit den religiösen Fürsten nab Ministern in Schweden, Deutschland, Dänemark vnd England. Auch tst's ungewiß, ob die Montmorency'-, die älteste ftanzöflsche Familie, es »och der Mühe wert halten, ihren alten Titel, „die ersten Ehrtsten und die ersten Barone von Frankeich", noch ganz fortzuführeu. So wie aber der Norden flch und seine Wälder lichtet und mit, hin flch zum Süden erhitzt, so führt auch bei «ns Klimaswärme Reügioaskälte ein, und es gibt mehrere Lente, welche sagen: ich glaube an alle-, nur nicht an Gott. Man kann dasselbe noch in andern Sätzen aussprechea. Die elegante Welt ist weniger gewöhnt, Itt der Kirche zu fltzev, als in ihr, obwol tot, zu liegen und folglich l) Busch, Handbuch der Erfindungen. *) In Schweden haben manche Dorfbewohner 6 Meilen zur Kirche und reisen Sonnabends ab und kommen Montags zurück. Arndt'S Reise, beschreibung.

daselbst mit mehr Entschuldigung ju schlaft«, als bei Lebzeiten an, ginge. Die Letten, die man unter der Predigt über den Fahrweg jur Ltrche spannt, scheinen jetzt schon vor der Predigt zu sperren.

15. Herbstblumme. über die erfnndne Flugkunst von Jakob Degen in Wien.»)

Im Extrablatte der Baireuther Zeitung Nro. XIX vom raten Mat (1808) steht die Nachricht: „der Uhrmacher Jakob Degen in Wien sei mit Flügeln aus jusammengenähtem Papier, welche eine Last von a^o Pfirnd bewegen, im Reithause vor einer Zuschauerschast 54 Fuß hoch nach beliebigen Richtungen geflogen." — Rur dieses Wunder fehlt« noch unserer wunderreichen, mit der steigende« und fallende« Sucht behaftete« Zeit, baß wir «ns wie Schmetterlinge entpuppten «ab folglich beflügelten. Mit diesen Mügeln setzt der Uhrmacher Dege« — da ihre Er­ findung leicht ihre Derbesserung «achzieht — dem ganzen Europa ein neues Gehgewtcht und Getriebe ein, und die Entdeckungen find uvabsehltch, aufwelche dieses Segelwerk die EtnschwLrjer—die Roane»— die Polizeibedieaten — die Diebe und die Autoren bringe« muß. Um die letzten j« überfliegen und ihnen von der Entdeckung, wie vom Spargel, die erste« und besten Spitze« wegjvgenießen, setz' ich mich sogleich nieder und äußere meine Gedanke« über den Fuad, so daß die andern Schreiber nichts mehr aufjutische» ver­ mögen, als was ich schon abgedroschen habe. Das Erste und Wichtigste, was noch in diesem Jahre in der Sache geschieht, ist allerdings, daß eine Gesetzkommisslon (in jedem Staate) nieder- und von ihr eine vorläufige Flugorbnvng aufgesetzt wirb. Dre nötigsten Lustaufseher, Lusträte und Lustschreiber «erben verpflichtet. Sehr verständig ist's, baß fle — wenn ich nicht zu viel hofft — jedem das Fliegen und Erheben untersagen, der nicht vom Adel ist oder sonst von einer gewissen Standeserhöhuag. Die untern Stände müssen unten bleiben; der Erdboden ist der golbne Boden ihres Handwerkes, indes die höher« mehr von Lust und in Luft­ schlössern leben; und woju Flügel für einen Pöbel, der so gut zu Fuße ist gegen den Adel in Lutschen und Sänften? Es kann im ganjen Lufidepartement nur eine Stimme darüber sein, daß das *) AuS dem Juni des „Morgenblattes" 1808.

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Volk, wenn man ihm nicht die Flügel beschneidet, nämlich abschnallt — wie im Kriege die Waffen nnd in Italien die Messer — nichts wirb als ein fliegender Drache, aber ohne Schnur und nicht ganj von Papier, der, wie schon längst die Hexen, bloß zur Anbetung des Leufels durch den Himmel reist. Denn darf der Pöbel die Lust dvrchschwärmen, so ist Nachts kein Hut auf dem Kopfe und kein Schinken im Rauch­ fange mehr sicher; — an Leipziger und Hamburger Torgroschen ist nicht mehr |u denken (jeder Kerl schwänge sich im Finstern in die Stadt, wenn er wollte), und das Fallen der Staatspapiere folgt auf das Steigen des Volkes. — Der Jan-Hagel würde sich wie die Schwal­ ben im Fluge ernähren wollen, die Wilddiebe schössen von oben her­ unter und stießen wie Geier auf alles. Kurz, das Staatsunkraut würde sich wie der Distelsame ausbreiten, nämlich durch Flügel, da man es doch mit dem Volke wie mit dem Tannensamen zu machen hätte, dem der Forstmann die Flügel abreißt, ehe er ihn aussät. Gleichwohl bin ich ganz mit der trefflichen Flugkammer und mit dem Lustsenate einverstanden, daß fle in herrschaftlichen Diensten eine Ausnahme von der Entflügelung des Volkes in der Flugordnung ausdrücklich festsetzen. Nach Aehnlichkeit der Tanzftoneu nimmt die Kammer mit Recht auch Flugstonen an, und allerdings kann ein Postzug geflügelter Fronbauern einem Rittergutsbesitzer oder einem Herrn von Hofe ungemessene Dorspanndienste in einem (erst noch zu erfindenden) Steigfuhrwerk tun, worin er steilrecht in die Höhe und den Himmel geht. Künftig wird es etwas Gewöhnliches sein, daß die Dauern die Herrschaft erheben. Vielleicht auch bei Feuersbrünsten dürften sowol den sogenannten steigenden Hand­ werkern als den Angstopfern im fünften Stockwerke Rettungsfittiche nachzulassen sein — vielleicht so bei Erdbeben, bei Überschwemmungen als Notrnder — sogar den Vogelnester-Aus, und Einnehmern in Island — so den Spionen — so den Eilfliegern im Amte der Eil­ boten und allen Flugpostämtern ohne Kunststraßen — so den Schau, spielern statt der Stricke der Laufengel, wenn fle in Opern zu fliegen haben — so Dichtern, wenn fle eine begeisternde Idee noch höher als unter dem Dache auSzubrüten wünschen — sogar einem Muflkchore, nicht von Vögeln, sondern von Lonkünstlern, das gern, um eine neue überraschende Wirkung z. B. mit Tafelmuflk auf die offne Tafel eineHofes zu machen, oben herunter die Sphärentöne mit andern ge­ fiederten Singstimmen fallen lassen will. — Doch dieses ganze Flatterpersonale ist von den Spionen au bis zu den Poeten ja ohnehin als Dienerschaft und Geflügel und Y2

Feberwildpret des Hofes schon in den höher« Ständen ein, begriffen. Die Lnstorbnung, welche zu den Gesetzen der fallenden Körper die der steigenden nachträgt, ist reich an guten Paragraphen. Tafel, fähige und flügelfähige Personen stnb eins. — Wer flch geistig er, hoben, bekommt körperliche Ehrenflügel; und diese Schwingen aus Papierschnitzchen vertreten gewiß den sogenannten papierneu Adel genugsam. — Besondere Cour, und Galaflügel können «och nicht festgesetzt sein. — Gichtbrüchige und zipperleinhafte Geschäfts, männer haben von Natur das Privilegium der Flügel als uneut, behrlicher Motionsmaschinen. Auch nimmt man den gradum und den Flügel zugleich an. Gleichwohl find' ich's gut, daß die Lust, inspektiou des Mißbrauches wegen verordnet, daß in Nebeln niemand oben schwimme (was wohl die Nässe der Papierflügel von selber ver, bietet, so daß man nur mit dem Wetterglase steigen kann), baß kein Flügelmann flch zu sehr erhebe (außer während des Jagdverbots) «egen der Gefahr, als Habicht angesehen und geschossen zu werden — daß Nachts jeder Flugbürger eine Laterne ttage, wie der suri, namische Laternenträger, und am Tage eine besondere Lustuuiform, damit die Luftpolizeibedienten (gleichsam höhere Paßkordoaisten), welche auf Türmen mit Ferngläsern auf den Lusthimmel iuvigUieren, ihn nicht als verdächtiges Vagabunden,Gefludel und ,Gevögel ohne weiters heruuterschießen. Laßt «ns die Gesetz,Sitzungen verlassen und andere sehr hübsche Folgen verfolgen! Nach einiger Zeit find' ich hier in Baireuth, wenn ich aus dem Fenster schaue, nichts häufiger in der Luft als eine Spazierflugpartie von Herren und Damen. Don Amor's Flügeln mögen wohl dabei die des Uhrmachers Degen oft die Flügelscheide« oder Flügeldecken sein. UebrigenS gefällt mir die Kette ober das Volk (um wie von Rebhühnern zu reden) ausnehmend; nach Aehnlichkeit eines Gruben, kletds zum Einfahren find für die Damen sehr brauchbare Höhe«, kletder zum Auffahren erfunden und überall zu Kauf, und es erquickt ungemein, daß fle alle oben im Himmel und gerade im größer« Lust, raume weit anständiger bekleidet (schon um Wind weder zu fangen noch zu leiben) umfliegen als hier unten. Die Töchter nehmen allgemein nach de« Tanzmetster« bei Flugmeister« Lehrstunden und geben diesen dafür zuweilen Schäfer, stunde«. Wen« Insekten niemals eher heiraten, als bis ste Flügel bekommen, so ist freilich dieser Fall jetzo bei Heim, und Entführungen

häufiger durch solche Dr. Fausts-Mäntel «ab FortunatusMünsch, hütleiu, «ad Töchter «ach Töchter» fliege« de» Elter» aus dem Neste, um sich eiues zu baue». — Die romanhaftesten Wiederfindungen, die »och atcht einmal in Romane» stehe», fallen vor. Die Geliebte kann die Ankunst aus dem Schlachtfeld gar nicht erwarte« — fie fliegt deshalb Abends in die Höhe »och vor Mondaufgang, und oben glänzt ihr die ganze Helle Mondscheibe von unten herauf entgegen. — Geblendet fleht sie eine dunkle Gestalt wie eine abgeschiedene im Nachtblau ziehen. — Sie muß hier ängstlich an den Geliebten denken, indes er (denn er ist wirklich die Gestalt und hat nur den Mondschein auf dem Rücken) sich näher gegen sie schwingt und sie für einen fliegenden Engel an, fleht, «eil das Mondlicht unglaublich ihr schönes Gesicht verklärt. — Und endlich fliegen beide einander unter den Sternen, wie in einem Himmel, ziemlich hoch über der Erde in die Arme. — Solcher Geschichten ist kein Ende. Ein Dichter will die Sonne anfgehen sehen und schaut entzückt in die Morgenröte — statt der Sonnenscheibe steigt eine lebendige Aurora auf und sieht thu unten siehe« und fliegt aus dem toten Morgenrot heraus und auf ihn herunter, «eil sie wirklich seine Geliebte ist. — Da Drncksteiheit ohne Lesesteiheit so gnt ist als ein Spott mehr über geistige Gefangene, nnd da die fteimütigsten Bücher des beut# schen Nordens nichts helfen dem deutschen Süden, wenn sie nicht In diesen kommen dürfen, so hängt zum Glücke die Lust überall voll vou fliegenden Lolporteurs nnd SortimentbnchhLndlern, welche die besten nnd bittersten Werke, wie süße abführende Mannakörner auf die Städte (fle berechnen sich schon nachher auf der Leipziger Messe) herunterfallen lassen nnd mit Recht solche Werke Flugschriften

nennen. — Fliegende Corps, die nicht in den Rücken fallen, sondern ans den Kopf, find sehr häufig; man hat zwar noch rechten nnd linken Flügel, aber im eigentlichen Sinne; — Sturmfliegen statt Sturm, laufen, Ueberfltegen der Anfztehbrücken und des englischen Kanals sind zu bekannte Sachen nächstens, — ebenso die Reserve,Adler. Schöner ist wol nichts als ein fliegender Bal par6 mit Lichtern (er soll, glaub" ich, einen Fackeltanz vorstellen) und die Musici hinter, drein geschwungen — und doch komisch dabei. — Es gibt nur ein gutes, ja ein einziges Werk über den Nordpol (was aber natürlich noch nicht da sein kann), nämlich das Werk, das der erste und für jetzo beste Polfahrer über den Nordpol darum ge.

schriebe», weil er a»S seinem eiugeschmiedeteu Schiffe Wische» bea zermalmende» Eisfelder» auSsteigeu »ad da»» att^Flugmeasch voa Insel i» Insel vad Scholle za Scholle (als Absteigequartier) immer «eiter fliegen konnte, bis er oben auf dem.Pole saß, gerade «uter dem Polarster«. — Nicht bloß Schiffbrücken, auch andere Drücken «erden in viele» knausernden Ländern erspart und ersetzt durch Flügel, die mau gegen Brückenzoll Fußgängern vorstreckt aus den sogenannte» Schwingen, Häuschen am Ufer; wollte aber ein unredlicher Fußgänger mit dem Leihflügel entwischen, so feuerte ihm nach der Regel der bewaffnete Brücken,Inspektor gelaßen nach. — An die Dichter deut ich mir schwer, bloß um unparteiischer z« erscheinen, als ich sein will. ES ist genug, wenn diese köstlichen Wesen — wozu mehr als Einer von uns gehört — gleich Flügelfischeu, die vor Seehechte» aufflüchteu, endlich auch einen AuSweg vorfiodeu, aber auch einen hinavf, indem sie, ungleich dem Riesen AutäuS, der erst auf der Erde die Kräfte «tederbekam, hoch im Aether die ihrigen zurückgewiuueu und mit dem Leibe steigen, um mit dem Geiste zu schweben. — DaS Papier, worauf fie uns so ost geistig erhoben, würd« sie nicht bloß körperllch erheben, sondern gleichfalls geistig, wett, wenn schon Berge unser Innres verklären, ein Paar Flügel von Degen, die über diese htuauSttageu — an PsycheuS Flügel augeschtevt — ja jeden Prosaisten zu einem halben Dichter und jeden Dichter z« einem halben Engel machen müssen, und der Berfaffer Dieses, der zu seinem Glück schon ein Dichter ist, kaun eS kaum erwarten, «aS er wird, wenn er steigt. Sott gebe nur, daß a«S dem ganzen Fliegen etwas wird, oder wenigstens, daß die Zeitungen die Nachricht nicht eher «tberrnfm, als bis dieser Aussatz im „Morgeublatte" abgedruckt ist! Nachschrift, 1815. AlleS oder auch viel ist dato noch nicht auS der Flügelmaschtne geworben, und man hätte sowohl Größeres gewüuscht, den Erfolg anlaugend, alS Kleineres, die Mittel be, tteffeud. Jetzo erhebt die Flügelvorspaun von Lustkugelu de» Flug, küastler blos zu einem Lustfische, welcher Schwimmblase und Floß, federn zugleich zum Steigen vonuöthea hat. Aber auch dies erhebt, wentgsteuS geistig, den Menschen; denn er selber hat sich zuerst die Blase und die Federn bauen müssen. Der Verfasser Dieses ver, zagt »och immer au der Dolleudnug bequemer menschlicher Flügel nicht, da wir ja et» Paar große unbequeme durch viele kleine ver, drängen »ud durch baS Perpetuum mobile unserer Willenskraft

>te metallenen Uhrfedern nnsers Treibfiugwerks immer von neuem anffpannen können. Zwei Arme — zwei Füße — ein beweglicher Äopf — eine Last einsaugende und Lust ausstoßende Brust — also Ruder und Gegenrnder — elastische Metall- und andere Federn — Winde, welche durch diagonale Luftfänge so gut zum Heben als die Seewinde durch Segelrtchtung zum Seitenbewegen helfen müssen, und mehr dergleichen, was mir jetzo nut nicht einfällt, weil ich sonst die Flugkunst ja selber hier erfunden gäbe, deren Finden ich erst an­ kündige — alles dies verbindet und verbürgt flch uns für die Hoff­ nung, daß einmal endlich — nach umgekehrter Rangordnung — aus dem geistigen Steigen und Fliegen der Menschen ein körper, liches entstehen und den Geistern die Leiber nachfliegen werben.

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Erinnerungen aus den schönsten Stunden für die letzten. „Gib mir", bat in der abmattenben Dürre der Krankheit Herber seinen Sohn, „einen großen Gedanken, damit ich mich erquicke 1" — Was aber halten wir gewöhnlich den liegenden Gefangenen im dunkeln Krankenbette vor, wenn vor ihnen -er Glanztau auf ihrem Leben bunkelgrau geworden? Nichts als noch einige Schreckbilder mehr statt erhellender Sternbilder. Seltsam und hart ist es freillch, baß flch gerade um den Lotkranken Klagen und Rührungen versammeln und frei aussprechen, welche man sonst dem Gesunden bei seiner Stärke verhehlt, ordentlich als solle der Sterbende die Gesunden austichttn. Ich bringe hier nicht einmal den jetzo allmählich entweichenden Unsinn der Geistlichen in Rechnung, die sonst den letzten Stunden unnütze Minutenbekehrungen abfolterten, und welche, ohne zu wissen, ob nicht die geistige Welt noch hinter dem Begräbnis auf der faulenden organischen phosphoresziere, HöllentrLume dem sterbenden Gehirn einbrennen, die vielleicht im Sarge fortnagen und fortglühen. — Aber da steht im schwülen Krankenzimmer — dies beklag' ich — keine Seele vor dem krast- und farblosen Geflchte, die auf ihm ein heiteres Lächeln erweckte, sondern Beichtväter und Rechtsgelehrte und Aerzte, die alle befehlen, und Verwandte, die alles bejammern. Da steht kein kräftiger, über die eigne Trauer erhöhter Geist, der in die niederliegenbe, nach Freubenlabung durstige Seele die alten Frühlingswasser froher Erinnerung leitete und diese mit den letzten Entzückungen vermählte, welche in Sterbenden das Heranschweben eines andern Lebens vorbedeuteten. Sondern da wird das Kranken-

bette zum deckellosen Sarge eingeengt; das Leben wird Dem, der aus ihm scheiden soll, durch weinende Lügen der Genesung oder durch Worttrauer wichtiger vorgemalt und die Bahre als ei» Blutgerüst ausgestellt — und in die Ohren, welche noch lebendig bleiben, wenn die Augen schon gestorben stnd, werben die scharfen Mißtöne des Lebens nachgeschickt, anstatt daß bas Leben nur wie ein Echo in immer tiefere, aber weichere Töne verwehen sollte. Und doch hat der Mensch das Gute in sich, daß er sich der kleinsten Freude, die er einem Sterben­ den mitgegeben, lieber erinnert und rühmt als vieler gr-ßern, die er an Gesunde ausgeteilt; vielleicht auch darum, «eil er nur im letzten Falle noch zu verdoppeln und nachzuholen vermag; «tewol der Sterbliche beherzigen sollte, wie leicht jede Freude könne als eine letzte gegeben oder empfangen werde«. Es würde also unser Lebensaustritt viel schmerzlicher sein als unser Eintritt, wenn nicht die gute Mutter Natur, wie überall, voraus gelindert hätte, um ihre schlaftrunkenen Kinder auf ihre« wiegenden Armen sanft aus einer Welt in die andere zu tragen. Denn in den vorletzten Stunden läßt sie um den Heißbeweinten einen Panzer von Gleichgiltigkeit gegen die zurückbleibenden Menschen gestierea. Und in den nächstletzten umschwimmen und umspielen das Gehirn—wie die Nachrichten der erweckten Scheintoten und die Menen und Töne vieler Sterbenden bestättgen — weiche Wonuewogen, welche auf der Erde mit keinem andern so viele Aehalichkeit haben als mit den Frohgefühlen, worin die magnetischen Kunsttote« sich genesend baden. Noch wissen wir nicht einmal, wie hoch sich diese Sterbewoanen, da wir sie nicht in ihrer Vollendung, sondern durch belebte Scheintote und also nur in ihrer Unterbrechung kennen, noch zu steigern ver­ mögen, und ob nicht eben fortwachsende Entzückungen und Ver­ zückungen, welche mehr Leben verbrauchen als die Zuckungen des Schmerzes, in einem unbekannten Himmel das unsterbliche Leben abttsea von dem gemeinen hiesigen. Es gibt eine wichtige ungeheure Weltgeschichte, die der Sterbenden; aber auf der Erde «erden uns ihre Blätter nicht aufgeschlagen. Den „Erinnerungen aus den schönsten Stunden für die letzten", welche der Titel des Aufsatzes verspricht, habe ich nur so viel Geschichte vorauszuschicken, als zu ihrem Verständnis nötig ist; diese selber kann irgendwo anders einen brettern Raum ge­ winnen. Im Dörfchen Heim wohnte Gottteich Hartmann bei seinem alten Vater, einem Geistlichen, den er glücklich machte, ob dieser

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gleich alles, was er geliebt, überlebt hatte. Gottreich verwaltete für ihn das Predtgtamt, nicht sowohl um seiaeawentg alternde» Kräf, ten beizustehea, als nm de« eignen ftnrtgea Luft und dadurch dem Greise die eigentümliche Freude ju machen, daß der Sohn den Vater erbauet. In ihm drängte und kaospete nun ein Geist, der dichterisch blühen will; er war aber nicht, wie die meisten dichterische» Jüag, liage, eia Knollengewächs, das einige dichterische Blumen treibt und nach deren Abfallen unter der Erde unscheinbare grobe Früchte aasetzt, sondern er war ein Daum, der seine süße« bunten Blüten mit süßen bnatea Früchten krönte, und diese Blüleatttebe wurden noch von der Wärme der neueren Dichtermoaate gelockt. Sein Vater war von ähnlichen Kräften zum Dichter berufen, aber nicht von der Zeit begünstigt; denn in der Mitte des vorigen Jahrhundetts mußte mancher Kunstgeist, welcher stiegen konnte, bloß auf der Kanzel oder auf dem Lehrstuhl »der auf dem Richterstuhl bleiben und haften, weil der elterliche Bürgerstand seine Kinder ans jeder Ebene und in jedem Tale reichlicher zu weiden glaubte als auf dem spitzen Musenberge. Jedoch zurückgedräagter Dichtergeist tvendet sich, wenn er nicht in Schöpfungen sich verhauchen darf, desto innig, heißer und schmückend auf daS eigene Herz zurück; die nnausge, sprochenen Empfindungen reden wie Stumme lebendiger durch Bewegung, und die Taten drücken Bilder aus. Auf diese Weise lebt der stumme Dichter so lange, wie der Mensch selber, der innen zu dessen Geschöpf und Stoff wird. So durchdauert der «eiche kurz, lebige Schmetterling — so wie vorher als Puppe — den langen harten Winter, wenn er im Sommer nicht hat zeugen könne«. Aehn, ltches widerfuhr dem alten Hartmann, aber schöner, da die jung, fräuliche Dichterseele in der Kanzel, wie in ihrer Noanenzelle, wohnen durfte und die Zwtlltngsschwestern, Religion und Dichtkunst, einander so nahe und helfend beisammen leben konnten. Wie rein und schön ist die Stelle eines Geistlichen! Alles Gute liegt um diese herum: Poeste, Religion, Seeleahirtenleben, indes andere Aemter diese Nachbarschaft so dunkel verbauen. Sohn und Vater lebte» sich so immer tiefer in einander hinein, und auf der Stelle der kindlichen und väterlichen Liebe erwuchs eine seltne Freundschaft eigner Art; denn nicht bloß mit der Wieder, gebürt der verlornen Dtchterjugend erquickte ihn der Sohn, sondern mit der andern noch schönern Aehalichkeit des Glaubens. Ja frühern Zeiten konnte ein Greis, der seinen Sohn in die theologischen tzörsäle

hinausschickte, niemand zurückerwarteu als eine« Bilder, «ad Him, melsstürmer alles dessen, was er in seinem Amte auf dem Altare bisher altgläubig angebetet; der Sohn kam als Heidenbekehrer oder Antichrist des Vaters nach Hanse. Es mag damals väter, liche Leiden gegeben haben, welche, obwohl verschwiegener, doch tiefet waren als mütterliche. — Jetzo geht es zuweilen besser. Gottreich war — ob er gleich mit der gewöhnlicheu kleinen üppigen Freigeister«! des Dorjünglings ans die hohe Schule gegaugeu — doch mit dem Glauben seiner Väter und seines Vaters von den jetzigen Lehrern zurückgekommea, welche die Gefühle der alten Theologie vor den Auflösungen der Aufklärer bewahren lehrten und dem Lichte, das bet Menschen wie Gewächsen nur dem äußern Wachsen dienlich ist, nicht die Wurzeln schädlich entblößten. So fand nun der alte Vater sein altes christliches Herz an der Brust seines Gottreich^s mit jünger« Schlägen wieder und die Recht, fertiguag seiner lebenslangen Ueberzeugnagea und seiner Liebe zugleich. Weua es weh tut, zugleich zu ltebeu uub zu widersprechen, und den Kopf abzubeugen, indem man sich mit der Brnst zuaeigt: so ist es desto süßer, stch und seinen Glauben durch eine jüngere Zeit fortgepflanzt zu finden; daS Leben wird dann eine schöne Sternen, nacht, wo kein altes Gestirn uutergeht, ohne daß eia neues aufsteigt. Gottreich hatte ein Paradies, in dem er bloß als der Gärtner desselben für den Vater arbeitete und diesem zugleich Gattin, Schwefier, Bruder, Tochter, Freund und alles war, was eia Mensch zu liebeu hat. Jeder Sonntag brachte ihm eine neue Freude, nämlich eine neue Predigt, die er vor dem Vater halten konnte. So viel Kräfte, besonders poetische, bot er im Kanzelvortrag auf, daß er fast immer mehr für die Erhebungen und Rührungen des Vaters als für die Erleuchtung der Gemeinde zu arbeiten schien; wiewohl er doch nicht ganz mit Ua, recht «»nahm, daß dem Volke, wie den Kindern, höhere Zumutungen des Verstehens gedeihlich find und forthelfen, und baß man nur am Uuersttegeneu steigen lerne. Ein nasses Auge oder ein schnell betendes Häabefaltea des Greises machte den Sonntag zu einem Fest der HtmmÄfahrt, und im stillen kleinen Pfarrhaus wurden oft Freuden, feste begangen, deren Feier außen niemand verstand und niemand vernahm. Wer Predigten halten oder hören für eine matte Freude anstehl, wird stetlich noch weniger die andere begreifen, mit welcher beide Freunde flch über die gehaltene und über die nächste «ater, hielten, als wäre eine Kaazelkrittk so wichtig wie eine Theaterkritik. Der Beifall und die Liebe eines kräftigen Greises wie Hartmann, V-VI/7*

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welchem auf den kalten Höhen der Jahre nicht die geistigen Glieder erstarrten, und dessen Körper sogar durch die breite Höhe, zumal im Rücken gesehen, sein Alter um Iahrzente zu gering angab, mußte einen Jüngling wie Gottreich stark ergreifen, der, leiblich und geistig zärter und dünner gebaut, in schnellere und höhere Flamme aufschlug. . Zu diesen beiden Glücklichen trat noch eine Glückliche. Justa, eine doppelte Waise, Herrin ihres Vermögens und aller ihrer Derhältniffe, hatte das ganze väterliche Kaufhaus in der Stabt ver­ lassen und verkauft und war ins obere Stockwerk des schönsten Bauern­ hauses gezogen, um dem Lande recht und nicht halb, sonder» ganz zu leben. Justa tat alles in der Welt ganz, nur aber zuweilen — wodurch sich wieder ein Halbes einschlich — manches noch mehr als ganz, nämlich etwas darüber, wenigstens da, wo Großmut anzu­ bringen war. Das erste, was sie im Dörfchen Heim vornahm, nachdem sie den sanften Gottreich und dessen fromme Dichteraugen gesehen und von ihm vier und fünf Lenzpredigten angehört, dieses war, daß sie ihm ihr tugendtrunknes Herz geradezu gab, doch aber die Hand bis auf die Zeit zurückbehielt, wo mit dem großen Welt­ frieden zugleich ihr Bund geschloffen werden konnte. Ueberall tat sie lieber das Schwere als das Leichte. Wenn jene heilige Jnsta mit ähnlicher Kraft, wie unsere in Heim, Opfer fteubiger brachte als empfing, so läßt sich der König von Leon, welcher deren körperliche Hülle von den Mauren in Sevilla durch einen Krieg abgefobert und auch endlich abgewonaen, mit dem Jüngling Gottreich recht­ fertigen, welcher in der lebenden Justa eine Heilige zu finden glaubte und zu erringen strebte. Ich wünschte, es wäre hier der Ort, das Mat­ leben abzumalen, das im niedrigen Pfarrhause neben dem niedrigen Kirchturme unter Justa'S Händen blühte — die Morgen, wo sie aus ihrem Häuschen zur Anordnung des Tages in das Pfarrhaus flog — die Abende im Pfarrgärtchen, das nicht nur 12 Beete in sich hatte, sondern auch eine Menge durchwäfferter Auen um sich, der fernen Hügel und Sterne gar nicht zu gedenken — das Ineinander­ spielen dreier Herzen, wovon keines in so reinen und engen Um­ gebungen etwas anderes kennen und fühlen konnte als nur allein das Schönste, und bei denen Gutsinn und Frohsinn bloß zum täg­ lichen Lebenswandel gehörte. Jeder Sitz war ein Kirchenstuhl und alles geistlich, und der Himmel bloß ein größeres Kirchengewölbe. In manchem Dörfchen, in manchem Hause mag sich ein wahres Eden verstecken, das nie genannt und geschildert wurde, weil die

Freude ihre zartesten Blumen gern überlaubt und zudeckt. Gottreich ruhte in einer solchen Dichterfiille der Wonne und Liebe — der Oichtkunst und der Frömmigkeit — des Frühlings und der Vergangen­ heit und der Zukunft, daß er sich heimlich fürchtete, sein Glück anders auszusprechea als betend. Nur im Gebet, dacht' er, darf der Mensch alleS sagen (und wagen), sein Glück und sein Unglück; die unbe­ kannten neidischen und unterirdischen Mächte scheinen dann es nicht zu hören, eben weil es ein Gebet ist. — War denn nicht sogar der Vater beglückt und bekam ein warmes Alter, das kein Winterabend, sondern ein Sommerabend war ohne Finsternis und Frost, obgleich die Sonne seines Lebens ziemlich tief hinter den Grabhügel gesunken war, worunter seine Gattin sich schlafen gelegt? Nichts erinnert einen edlen Jüngling so leicht an die letzten Stunden des Lebens als grade die schönsten, die innigfrohsten. Gottreich, welchen Körper- und Seelenbau in die Klasse der tzöltys stellte, mußte in einem so seltenen Zusammendufien und Zusammen­ glänzen aller Freudenblumen grabe in der frischen tauige» Morgen­ zeit des Lebens schon unter dem Morgenstern des Lebens immer daran denken, daß ihm dieser bald als Abenbstern desselben erscheinen «erde. Da sagte er zu sich: „Alles steht jetzo so klar und fest vor mir, Schön­ heit und Seligkeit des Lebens — der Gang des Weltall — der Schöpfer — der Wert und die Größe des Herzens — die Sternen­ bilder ewiger Wahrheiten — der ganze gestirnte Jdeenhimmel, der den Menschen bestrahlt und zieht und hält. — Wenn ich nun aber einmal alt bin und im matten Sterben, wird mir nicht alles anders, ergraut und starr erscheinen, was jetzo so lebendig und blühend vor mir rauscht? — Denn grade wenn ter Mensch nahe an dem Himmel ist, in welchem er so lange geschaut, da hält der Tob den matten Augen das Sternrohr verkehrt vor und läßt sie in einen leeren, fernen, ausgelöschtea blicken. Aber ist dies den» recht und wahr? Ergreifen meine blühenden ober meine welkenden Kräfte richtiger und fester die Welt? Werd' ich künftig mehr recht haben, wenn ich nur mit halbem Leben empfinde und denke und hoffe, jedes scharfen Blicks und heißen Gefühls unfähig, oder hab' ich jetzo mehr recht, wo mein ganzes Herz «arm ist, mein ganzer Kopf heiter und alle Kräfte frisch? — Daß ich jetzo mehr recht habe, erkenn' ich, und grade wieder dies erkenn' ich jetzo am Gewissesten. So will ich diese herr­ liche Tagzeit der Wahrheit recht aufmerkend durchleben und sie hinübertragen in die dunkele Abendzeit, damit sie mein Ende er­ leuchte." I0I

Irr den schönsten Matstuadea, wo Himmel «ad Erde und sein Her» t« einem vollen Oreiklaug zvsammenschlnge», gab er daher den feurigen Gefühlen feurige Worte, um sie schrtfiüch festzuhaltea und auftubewahrea unter der Aufschrift: Erinnerungen auS den schönsten Stunden für die letzten. Mit diesen Av-stchtea seine- feügstea Leben- tooCf er sich einmal auf dem letzten Lager erquicken «ad in da- Zugeubftührot auS dem Spätrot hinüber, sehen. Er nahm sich vor, diese Erinnerungen — die ua- der Derfdlg der Geschichte geben wird, und welche so anfingea: „Denke daran in der dunkela Stunde, daß der Glanz de- Weltevall einst Deine Brust erfüllte" — mit neuen Maistunden zu ver, länger»; denn man weiß nicht, welchen langen Trost man zuletzt nötig hat. So wohnten die drei Mensche«, sich immer inniger an ein, ander erfteueud, la ihrem «armen Glücke, al- endlich die Streit, wagen und die Sieg-wagen de- heiligen Xrteg- anfingea über die Erde zu rollen. Jetzo wurde au- Gottreich ein verwandelter Mensch; gleichsam eia junger Zugvogel, welcher, obwohl mit heißen Ländern unbekannt, sich sehastichtig abarbeitet in seinem «armen Gefängat-, well er den ältern Zugvögeln «achzufliegev avgettiebea ist. Die tätigen Kräfte in seiner Natur, die bisher nur still seinen poeüsch, rednerischen hatten zuhörea müßen, standen auf, und «- war ihm, al- suchten die Flammen der Begeisterung, die bisher, wie die aus einem Naphthabodea, vergeblich in die leere Lust gestiegen, einen Gegenstand zum Ergreifen. Nur wagte er nicht, dem Vater die Trennung vorzuttagen, sondern er quälte «ud labte sich bloß inner, ltch mit der Vorstellung seine- Mitziehens und Mitkämpfer»-' Allein seiner Justa vertraute er den Wunsch, aber ohne ihn von ihr gebilligt zu hören, «eil sie die Einsamkeit de- Vater- zu hart fand. Sie hatte lade- nicht auch die ihrige mtigemeint. Denn aler «inst in einer Predigt für da- deutsche Vaterland die glücklich gepriesen, welche in die Stürme ziehen dursten, womit sich die Völker Taigen und befestigen — al- er die Niedrigen hoch gestellt, welche

auf dem Schlachtfeld« sich neben ihren Fürsten Thronen bauen durch ihre Gräber — und als er die Heerführer in ihrem «eit strahlen, den Glanze gezeigt, womit sie den Heeren vorragen und vorleuchten, um vielleicht tausend frohe Tage ihrer Zukunft für eine Wunde htazugeben, auS welcher für ganze Länder Leben-wasser fließt — und al- er jeden, welcher könne und dürfe, angefeuert, in den heUigen Kreis zu treten, den Höchste und Niedrigste und Reichste und Gelehrte

uad Alte, sogar Frauen mit verknüpfte» Hände», obwohl ost durchs stochen, gegen das Eindringen unterirdischer böser Mächte schließen: da wnrde in Justa's Seele ein Entschluß gegründet, -er ste über die Aebe hinweg und hinauf trieb jur Vaterlandsliebe, nämlich der Entschluß, verkleidet ihr Leben auch ju wage» «ad j« krönen vnd gleichsam ihren Geliebten zu verttetea oder zu ersparen. Aber einem Menschen mußte ste durchaus ihre Kühnheit und Entfernung anvertraueu, nicht dem Geliebten — welcher nie in eine Stellvertretung etngewilligt hätte, die er selber übernehmen wollen — sondern dem Vater Hartmann, dessen Fever flch nicht von der Asche des Alters erdrücken ließ und dem das Kühne für gute Zwecke gewöhnlich das Rechte «ar. Begeistert wie Sohn und Braut für Krieg, versagte er doch sein Ja; Gottreich hingegen, sagte er, möge hiaziehen, der eS schon lange gewollt, nur aus Aebe ihn geschont; aber er hoffe schon mit Gottes Hilfe auf ei» Jahr sein Prebigtamt versehen t« ton# neu; — und so tu' er selber doch auch noch etwas für das Vaterland. Als er hierauf seinen Sohn mit dieser Erlavbais, in den Krieg zu ziehen, überraschte und auf einmal über alle» Hans, uad Kirchen, stieben emporhob — als Gottreich hörte, welches Herz feine Justa trug und wie ähnlich dem seinigen — als diese glÄchsam ihre ge, wünschte Aufopferung nachgiebig wieder aufopferte und flch mit dem Lose begnügte, die Pflegerin des arbeitenden Greises zu werben, und statt bloß ihrer selber den Geliebten tu de» Gefahre» zu sehen: so vereinigte wol nie eine schöne Stunde so viele schöne und ver, schiebene Freude» und Menschen zugleich. Gottreich zog fort, im Derttauen auf den Herbstflor von Kräften in seines Vaters beben. Er wnrde gemeiner Krieger und, wo er konnte, Prediger zugleich. Eine neue Laufbahn erneuert zugleich die Kräfte, und jeder bezeichnet fle mit größern Schritten. Laten waren bisher dem zu Reben verpflichtete» Jüngling versagt; desto kecker und eisttger, ja unbesonnener suchte er die stuchtbaren Stelle« dazu auf. Aber obgleich das Schicksal die Wunde verweigerte, die er so gern in den künftige« Frieden seines Standes, gleichsam als einen Brennpunkt der schönen heiße« Jugendlage, mitgebracht hätte, so «ar es doch Glück genug, an den Kämpfe» und Kämpfern teil, nehmen zn können und, gleichsam wie ein alter Republikaner, mit einem ganzen Volke für gemeinschaftliche Zwecke mitzustreiten, indes sonst der jetzige Bürger nur einsam ohne Gesellschaft für das Vater, land fühlt und opfert.

Als endlich der schönste Mai, den jemal Deutschland mit Siegen erworben, in Siegs- und Freudenfesten mehr als eines Volks ge­ feiert wurde, wollte der Jüngling diese Feiertage nicht so fern von seinen liebsten Menschen begehen, sondern in ihrer Nähe, um seine Freuden durch ihre ju verdoppeln. Er begab sich ans den Weg nach Heim, — und auf diesem «ollen wir den letzten Reisetag einmal näher begleiten bis zur Ankunst im Dörfchen. Lausende haben hinter und vor ihm damal die Reise gemacht, welche durch befreite Länder aus einer beglückten Vergangenheit in eine beglückte Gegenwart zogen; aber wohl nicht viele sahen, wie Gottreich unterwegs, einen solchen reinblauen Himmel auf den Bergen ihrer Heimatstäler, in welchem auch kein altes Stern­ chen fehlte, sondern jedes blitzte. Justa hatte ihm nämlich früher die kleinen Zeitungen des Pfarrhauses geschickt, wie fle sich sehne und wie der Vater flch freue, der auf die wahrhaftesten und längsten Kriegs­ berichte seines Sohnes harre, und wie der Greis die Arbeiten des Amtes unversehrt überstanden, manche Predigten sogar ihm nach­ zuhalten gesucht u.s. w., und wie fle ihm noch schönere Freuden­ geheimnisse aufbewahre. Unter diese gehört vielleicht eines, nämlich ihr Versprechen, ihm nach dem großen Frieden ihre Hand zu geben. Mit solchen Ausstchten genoß er vom Pfingstfeste schon den heiligen Abend, wo er vor Sonnenuntergang in Heim eintreffen wollte, um dem alten Manne unerwartet alle Geschäfte abzunehmen und die ruhigsten Festtage zu bereiten. Da er stch so das heutige Wiedersehen dachte und die Berge des Daterdorfs, in welchem er nach wenigen Stunden seine besten Herzen an das setnige fassen sollte, immer deutlicher in dem blauen wehenden Himmel standen, so klangen seine „Erinnerungen aus den schönsten Stunden für die letzten" wieder seiner Seele vor, und er konnte stch nicht enthalten, noch unterwegs unter fle das hiesige Wiedersehen der Menschen hineinzumalen. Vielleicht tooCt' er durch das Gedenken an den Tod auch jener unbekannten Macht ein Opfer bringen, welche grade die heiligsten Freude« durch heilige Schmerzen ausgleicht. Denn es gibt wirklich fromme Entzückungen, die man, weil das Schicksal ihnen gern ähnlich große Foltern nach­ schickt, ausschlagen müßte, wenn nicht ein kräftiger Mensch den Himmel lieber trotzig mit einem Fegfeuer bezahlte, nur daß hier dieses Feuer erst hinter dem Himmel kommt. Ihm nach zog ein mehr wasser- als feuerschwangeres Gewitter aus Osten auf seine Heimat zu, vor welchem er flch — zumal da

ihn der Feldzug durch die Donnerwolken auf dem Erdboden mit den schönern am Himmel ausgesöhnt und befteundet hatte — als ein ftoher Bote vorauszugehen schien, weil nach den Wassern der warmen Wolken der zerlechzte Boden, die umgebogenen Blumen, die »er, gelbenden Kornspitzen so lange durstend geschmachtet hatten. Ein Eingepfarrter aus Heim, der in der Ferne ackerte, drückte durch Gruß und Zeichen seine Freude aus, baß endlich sowohl er als ein Regen komme. Nun sah er schon den kurzen Kirchturm aus der Erde keimen, und er ttat in die Küste des Tals, worin daS Pfarrhaus lag, von der Abendsonne hell gerötet. An jedem Fenster hoffte er seine Braut zu sehen, die den Sonnenuntergang, ehe sich das Gewitter über ihn hing, anschauen würde; in der Nähe hoffte er die Feaster offen und in der Feststube Pfingstbtrken zu erblicken; aber er fand nichts. Endlich ttat er in das ganz stille Pfarrhaus und öffnete langsam die vertraute Thüre. Das Zimmer war leer; doch über flch hörte er Bewegung. Als er das mit Abendglanz gefüllte obere Zimmer auftnachte, kniete Justa betend am Bette seines Vaters, welcher halb ««stecht mit dem Hagern starkknochigen Angeflcht der Abeadsoune entgegengerichtet saß, in seltsamer Anfärbung der Kranken­ bläffe. Eia Sturz der Freundin an sein Herz und ein „Ach!" war der ganze Empfang. Der Vater aber, der ihn mit den wegen Schwäche von der Sonne ungeblendeten Augen erkannte, reichtt ihm langsam die gelbe, dürre Hand entgegen und sagte abgemattet: „Du kommst eben zu der rechten Zeit," aber ohne zu bestimmen, ob er das Predigen oder das Scheiben meine, und ohne weitere Grüße zu geben ober zu erwarten. Justa erzählte mit wenigen eiligen Worten, wie dem alten Mann, der flch durch Arbeiten übernommen, auf einmal Körper und Geist zusammengesunken sei — gleichsam zum bloßen Schatten­ risse des ähnlichen Sohns — wie er an nichts teil nähme und flch doch sehne nach Teilnehmen, und wie er mit abgeschaittenea Flügeln auf dem Boden wie ein dürftiges Kind aufblicke, um Er­ hebung flehend. Das schwere Gehör des Alters hatt' ihr diesen Bericht in seiner Gegenwart erlaubt. Gottteich erfuhr die Bestätigung bald selber. Er hätte, da er mit dem Nachglanze der Schlachtfeuer in der Brust gekommen war und der Rettungskrieg der Menschheit in ihm nachglühte, gern die Siegsfeuer, die als rote Abendwolken den schönen Tag Europa's verkündigten, vor das alte, sonst so starke Herz gerückt, aber er hörte

keine Frage und keine» Wunsch darnach; der Greis hielt sein Auge an der Sonne fest, bis diese endlich vom Gewitter überflutet wurde. Auch der Krieg am Himmel ergriff, wie eS schien, ihn wenig, und durch das dicker «erdende Eis des Sterbens brach der Glanz des Lebens nur trübe. Der Sterbende kennt keine Gegenwart, nur Zukunft und Vergangenheit. Plötzlich wurde die ganze Gegend düster, alle Lüste stockten, gedrückt wartete die Erde: da fiel ei» Regensturz und ei« Donner­ schlag — Feuer hatte um den Greis gestrahlt, und er sah verändert und verwundert umher. — „Ich höre," sagt" er, „ja de» Regen wieder. — Sprecht, ihr Kinder, bald; denn ich «erde bald gehen." r " Vielleicht hatte die Donaererschütterung sein Gehör wieder gegestimmt; aber noch wahrscheinlicher hatte der Blitz burch einen Sttetsschlag sein ganzes Wesen wie Magnetpole umgeschaffen und seine» Körper der Auflösung, wie seinen Geist der Vollendung ge­ nähert. Beide Kinder umschlangen ihn, aber er war zu schwach, fle zu umarme». Als jetzo die «armen Heilquellen der Wolken die kranke Erde badete«, vom strömenden Baume bis zum Gräschen herab, und als der leuchtende Himmel anr mild schimmerte wie eine Freudertträne, und nicht wie ein Zorn blitzte, und die Donner nur auf den fernen Gebirgen einander beftiegten: so zeigte der Kranke hinauf und sagte: „Siehe die Herrlichkeit Gottes! — Ach, mein Sohn, stärke jetzt zu guter letzt meinen matte« Geist mit etwas Geistlichem. — Aber keine Bußermahnnagev, ich bin mit meinem Sott in Richtigkeit — sage mir etwas recht Liebreiches von dem Allmächtigen und von seinen Werken, wie in Deinen Frühlingsprebigten!" Da gingen dem Sohne die Augen schmerzlich über, «eil ihm der Gedanke kam, daß er feine „Erinnern«-«» auS den schönsten Stunden für die letzten", die er bloß für sein eignes Sterbe« auf­ bewahrt hatte, am Sterbebette seines Vaters vorttagea sollte; und als er dieses ihm gesagt, anttvortete der Greis: „Eile, Sohn!" — Und er fing an mit bebender Stimme — und die Braut zerriß in «einende Schmerze», weil fle zugleich den Vater und den Sohn flch sterbend denken mußte. — „Denke daran in der dunkeln Stunde, daß der Glanz des Welteaall einst deine Brust gefüllt, und baß du erkannt die Größe des Seins! Hast du nicht in der Nacht in die halbe Unendlichkeit hinein­ gesehen, in den gestirnten Himmel, und am Tage in die andere? Denke den nichtigen Raum weg und deine verdeckende Erde, so

umwölben dich, wie einen Mttelpvnkt, Welten über dir, nm dich, unter dir — alle treibend und getrieben — alle Sonnen |u einem Sonnen/All an dich herangepreßt — dränge und reiße dich Ewig, ketten lang durch die Allstnne: du kommst nicht hinan- in den leeren und finstern Raum. Das teere wohnt nur zwischen den Welten, nicht um die Welt. „Denke daran in der dunkeln Stunde, an die Zeiten, wo du in der Entzückung zu Sott gebetet, und wo du ihn gedacht, den größten Gedanken der Endlichen, den Unendlichen..." —

Der Greis faltete seine Hände und betete still. Oer Sohn fuhr fort: „Hast du nicht das Wesen erkannt und gefühlt, dessen Unendlich, keit nicht nur In Macht und Weisheit und Ewigkett besteht, sondern auch in Liebe und Gerechtigkeit? Kannst du vergessen die Tage, wo flch der blaue Taghimmel und der blaue Rachthimmel dir als die blauen Augen austaten, mit welchen der sauste Gott dich anblickte? — Hast du nicht die Liebe des Unendlichen empfunden, wenn fle flch in ihren Widerschein verbarg, in liebende Menschenherzen, ja in liebende Tierherzen, wie die Sonne ihren hellen Tag nicht nur auf den nahen Mond für unsre Rächte wirst, sondern auch auf den Morgen, und Abenbstern und auf die fernsten Waudelsternchen der Erde? —

„Denke daran in der dunkeln Stunde, wie dir im Frühling deines Lebens die Gräber nur als die Bergspitzen einer fernen neuen Wett erschienen, und wie du mitten In der Fülle des Lebens den Wert des Todes erkannt! Oie Srstornen des Alters wärmt der Schneehügel deS Grabes in ein neues Leben auf. Wie ein Schiffer von dem kühlen, winterlichen, öden Meere ohne Durchgang durch ein langsames Keimen plötzlich auf einer Küste aussteigt, die im warmen vollen Frühling blüht: so landen wir — oder Ehristns bliebe eine ewige Leiche, und nur der gemeine Körperstaub wäre unsterblich — durch einen einzigen Stoß unseres Schiffes nach unserem Winter auf einmal im ewigen Frühling an. — Kannst du ängstlich dein eignes Scheiben ansehen, wenn die so kurz lebenden Menschen flch völkerweise in die offenen Gräber des Krieges stürzen, gleichsam Schmetterlinge, die durch einen Scheiterhaufen, ober Kolibris, die durch ein aufgetürmtes Sturmmeer fliegen, und wenn die Sttetter des Vaterlands da- junge Herz, das zarte Auge, die weiße Stirne der glühenden Kugel und dem scharfen Eisen entgegentragen? Schaue das große Sterben de- Kriegs in deinem einsamen an und ziehe

ermannt dem langen großen Völker- und Heldeniuge willig nach jnm eignen heiligen Grabe...

»Ich sage dies zu mir (unterbrach er sich), mein Vater!" Aber der Greis schüttelte sauft sein Haupt und sagte: „Fahre fort!" „Freue dich in der dunkeln Stunde — fuhr er fort — daß dein Leben im großen «eiten Leben wohnt. Der Erdkloß des Erdballs ist göttlich angehaucht; nun wimmelt eine Welt, jedes Baumblatt ist ein Land der Seelen, und alles säugt und saugt. Jedes kleine Leben würde erfrieren und sinken, würd' es nicht vom ringsumwallen­ den Leben gewärmt und getragen; das Meer der Zeit leuchtet wie das Weltmeer durch zahllose lichte Wesen, und Sterben und Ent­ stehen find nur die Fevertäler und Feuerberge des ewig wogenden Ozeans. Es gibt kein Totengerippe; was so scheint, ist nur ein andrer Leib. Ohne allgemeines Lebenbigsein gäb' es nur einen «eiten unendlichen Tod. An den Alpen der Natur kleben wir als Moose, die an ihren hohen Wolken sangen; der Mensch ist der Schmet­ terling, der auf dem Chtmboraffo flattert, und hoch über dem Schmet­ terling schwebt der Kuntur; aber gleichviel, klein oder groß, der Riese und das Kind wandeln frei in einem Garten, und die Eintags­ fliege führt ihre unendlich lange Ahnenreihe durch alle Stürme und Feinde bis zu den Voreltern zurück, die einst über den Flüssen des Paradieses vor der Abendsonne gespielt. — Vergiß den Gedanken nie, der jetzo sich vor dir so hell ausbreitet, daß das Ich die grimmigsten Geisterletden, die glühendsten Geifierfteuden unversehrt ausdauert, ja sich darin noch Heller empfindet, indes der Leib unter großen Körper­ schmerzen und -Reizen auseinanderbricht; so gleichen die Seelen den Irrlichtern, welche im Sturm und Regenwetter sich unerloschen be­ wegen. „Kannst du es vergessen in der dunkeln Stunde, daß es große Menschen gab, und daß du ihnen nachziehst? Erhebe dich durch die Geister, die auf ihren Bergen standen und die Gewitter des Lebens nur unter, nicht über flch hatten! Rufe dir zurück die Thronfolge der Weisen und der Dichter, welche Völker nach Völkern begeistert und erleuchtet haben!"

„Sprich von unserem Erlöser!" sagte der Vater. Der Sohn fuhr fort: „Denk an Jesus Christus in der dunkeln Stunde, der sie auch gehabt, an diesen sanften Mond der Gottheit-Sonne für die menschlichen Nächte. Das Leben sei dir heilig und das Sterben; denn er hat beides mit dir geteilt. Seine milde und hohe Gestalt

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blicke dich an im letzte» Dunkel und zeige dir deinen und seinen Vater!" Ein sanftes Donnern wandelte jetzo über die dämmernden lichter« Wetterwolken, und die Abendsonne füllte allmählich das Gewölbe mit schönerem Feuer. „Denke daran in der letzten Stunde, wie das Herz des Men­ schen lieben kann — denke an die heiligen Zeiten der Liebe, worin der Mensch der Träne das Auge nachsenden will, dem Auge das Herz und das Leben, um nur den geliebten Wesen so viel Selig, kett zu opfern, als er empfängt. Kannst du vergesse» die Liebe, worin ein Herz Millionen Herzen ersetzt und die Seele ein Leben lang sich von einer Seele nährt und belebt, wie die hundertjährige Eiche dieselbe Stelle mit ihren Wurzeln festhält und aus ihr hundert Frühlinge hindurch neue Kräfte und Blüten saugt?..." „Meinst du mich auch?"' sagte der Vater. — „Ja; ich denke auch an meine Mutter," sagte der Sohn. Justa zerschmolz in ihren Tränen, weil ste hörte, wie -er Geliebte mit ihre« eignen Tagen der Liebe flch in seinen letzten Stunden erfteuen wollte; und der Vater sagte leise, an seine Gatttn denkend: „Wiedersehen, Wiedersehen." „So denke daran," fuhr Gottreich fort, „in den letzten Stunden an die jugendlichen Zeiten, wo das Leben schön und groß gewesen — wo du freudig im Frühling geweint — wo du emporgehoben gebetet, und wo dir Gott erschienen — wo du das erste und letzte Herz der Liebe gefunden — und schließe froh das Auge zu!" Plötzlich zerspaltete stch das Gewitter in zwei hohe schwarje Berge, und die tiefe Sonne sah dazwischen, wie aus einem Tale zwischen Felseawänden, liebreich mit ihrem fteudengläazeaden Mutterauge die Erde wieder an. Da sagte der ersterbende Greis: „Welche Blitze!" „Cs ist nur die Abendsonne, mein Vater!" — „Ja, ich sehe ste wieder, und noch heute," fuhr der Vater fort, meinte aber die lange entschlafene Gattin. Jetzo war der Sohn vor Bewegung nicht vermögend, die Seligkeit des irdischen Wieder, sehens, die er heute unterwegs vorausgenossen und beschrieben, dem Vater auszumalen und es ihm zu sagen, wie das Wiedersehen die Liebe auf höherer Stufe neu anfange, und wie, indes das erste Sehen nur in eine Zukunft verschwamm, der Wieberblick in die Blüten der Zukunft die Früchte der Vergangenheit in einem Sttauß zusammen, bindet. Aber wie hätte er die Reize des irdischen Wiedersehens dem

Sterbenden »eigen können, welcher schon ta de« Glan» des über/ irdischen »« schonen anfiag. Erschrocken fragte er: „Vater, »le ist dir?" — „Ich denke daran ta der dnakela Stunde — ja, daran und daran — und das Sterben ist auch schön und das Abscheiden in Christo," murmelte für sich der Greis und griff nach Gottreich's Hand, doch ohne sie zu brücken; denn es »ar nur das gewöhnliche Flockenlesen der Scheidenden. Er glanbte immer den Sohn noch reden »u hören und sagte immer verstörter und entzückter: „O Du, mein allgütiger Gott!" Denn die Nebensonnen des Lebens waren vor ihm ausgelöscht, und nur die Sonne stand noch in seiner Seele, Gott.

Auf einmal erhob er sich und breitete mit Arast die Arme aus und rief: „©ort stehen die drei schönen Regenbogen über der Abend, sonne; ich um- der Sonne nach und auch mit hindurchgehen!" — Da sank er zurück und «ar vorüber und hinüber. Erst jetzo ging die Sonne unter und schimmerte noch im Sinken in einem weiten Regen, bogen im Morgen. — „Er ist doch," sagte Gottreich mit stockender Stimme zu Justa, „unter lauter große« frommen Freuden von uns zu seinem Gott gegangen, und «eine also nicht zu sehr, Justa!" Aber nun ent, stürzten ihm selber alle bisher festgehaltenen Träne« in Sttömen, und er drückte die Hände des Toten auf seine heiße« Augen. Es wurde dunkel, und eia «armer Regen träufelte leise auf die dämmernde Erde. Beide Liebende verließen die stille Gestalt und «einten sanfter ihrer eignen Sonne, dem Vater, nach, der aus den Gewitterwolken des Lebens mit ftenndlichem Glänzen zu einem andern Morgen ge, zogen «ar. * * *

Schreiben des Rektor Seemaus über den mutmaßlichen Erd,Untergang am i8ten IulluS dieses Jahrs (1816).

Wenn den Lesern des Morgenblattes der Rektor Seemaus, der im vorigen Jahre seine Unruhe vor dem mögliche» tötlichen Gewinne der beiden Herrschaften Walchern und Lizelberg in einem Briefe mitteilte, noch erinnerlich ist, so «erden sie vieles in seinem zweiten besser verstehen, den ich in seiner verttaulichen Zkunstloflg, kett ohne die geringste Verkürzung abliefere. Mit meiner Antwort bar, HO

auf verschob ich um so billiger das Morgeublatt, da ich ohnehin ia diesem vor kurzem eine» so große» Platz mit meiner Wetteransstelluag eingeuommeu. «ltgst.

Nie geuug zu verehreuder Legatiousrat! Ls ist seltsam geuug, daß ich Ihnen gerade vor eiuem Jahre von der Augst vor einem Frevdeutod am zo. Junius — die sehr «»nöthig gewesen, ba ich weder von den 50 Nebengewtnste« noch den 4 Hauptgewiusteu etwa# bekommen, obwol eigentlich de« fünften größten, nämlich Ihren Brief, — schreibe« mußte, und daß jetzo der i8te des künsttgev Julius oder Heumonats wieder einen, «iewol nicht Sterb,, doch Schretbanlaß aabietet. Tanz unerwartet halten nva wieder Ge, spenster und Poltergeister ihren Basler Totentanz ia meinem Hause, Im Marktflecken, auf den Dörfern umher, auf den Ritter, fitzen nad «etter weg. Diese schwarze Sparltsche Suppe mit Tränen, brot hat «aS bloß der Baireuther Zeitungsschreiber eiugebrockt, obgleich wider Willen, da er gern, «en» die schwachen Mägen es nicht verbieten. Feste der süßen Brote giebt. Er berichtete «ns aäm, ltch in der Soaatagszeitung No. 148 (den 23. Juni), daß eia Professor der Sternwarte von Bologna das Ende der Erde auf den i8ten Heumonat dieses Jahrs unwiderruflich anberaumt, «ad daß er die Prophezeihuag nicht auS Träumen, sondern aus den neuen sechs großen Flecke« der Sonne gewetssagt, welche, schließt der Wäsche, die in keiner Braadverflchervagskaffe stehende Erde zum letzten Mal ia Brand steckt. Den Professor hat zwar der Prokurator der Jnquisttiou ia Ftrmo gefangen gesetzt und der Dominikaner Moritz Olvtert in Untersuchung genommen; was hat aber unser Marktflecken und der ganze Matakrets davon, wenn der Doktor fitzt bis an den jüngsten Tag «ad dieser eben kommt, denken gemeine Leute; und selber -e, bildete wollen vermuten, etwas sei an der Sache, «eil die Jaqui, fltion darwider sei, welche, wie die Artillerie, kein andres Feuer gern gemacht sehe als ihr eignes. Kurz, die Furcht, am i8te» Heumouat ia den Himmel zu kommen, ist im Marktflecken allgemein und greift in den Dörfern zusehends um sich. Man weissage den Menschen nur eia recht grauseahastes Unglück und bestimme vollends de» Tag dazu, sie glauben es leichter als ein wahrscheinlicheres, aber unbedeutendes. Nun schlage flch gar — wenn ich auch manchen von der Basler Trattatea,Gesellschaft hermngeschicktea Säemann mit christlichen Tüchelchen nicht einmal

in

rechne — vollends mit Hagelschüffe« und Waffersiürzea der jetzige diuretische Wolkenhimmel daju, so daß man früher z« verhungern als zu verbrennen fürchten muß! — Wahrlich, wer in der Stadt ist, Herr Legationsrat, und kein Feld hat, der stellt stch nicht vor, wie ein armer Landman» halb grimmig in den zerstörten Himmel blickt, wie ihm so Stunde nach Stunde das Wasser wie eine Wasser­ sucht höher an Schlund und Kehle steigt, und wie ihn Nachts das Niederrauschen erbärmlich aufweckt und einschläfert, und wie ihm das Wetter statt des ganzen Unglücks auf einmal jeden Tag bloß ein größeres Stück bringt. Mein elendes Gerstenfeld hat ebenso gelb« Spitzen wie mein Gesicht selber, und das Schulkorn steht ebenso niedergebogen wie wir alle im Ort. Nun fehlte wahrlich den Leuten weiter nichts nach dieser letzten Oelung mit Wasser als gar der jüngste Tag mit seinem größten Scheiterhaufen. Wie es seit der 148 sie» Nummer der Baireuther Zeitung hier zugeht, kann ich Ihne« leicht malen; ich brauche nur meinen, mich zunächst umrankenden Familienjammer zu bringeu. Mehr Gesänge als Gespräche W ich von meinen Weibsleuten, wäche so gern «och einige Jahrzehnte in diesem Jammertal, das so stütz ein Feuerkater werden soll, verhustet hätten, und die stch sogar durch den große» Brenntag um die letzte Ehre und eia christliches Be­ gräbnis und Totenkleid gebracht sehen. Meine Frau fürchtet, schon vor bloßem Schrecken werde sie bei dem großen Feuer hinfalleu und doch avferstehen müssen, wie längst Ruhende, aber im Haushabit. An stch hab' ich wol jetzo mehr Ruhe vor meiner Schwiegermutter, die aus einem harten Gewölke weiches Eisen geworben und nun, wenn sie auch ihr Inneres öffnet, die Galle, wie geschickte Köchinnen bei Oeffnea und Ausweiden eines Karpfen, zuerst wegtut; aber ihr Gebet ist eigentlich eia verstecktes Gezänk mit Gott, bei welchem sie leichter selig zu werden hofft als bei einem mit Menschen; und dabei hab' ich den Verdruß, daß sie alle und Meinige täglich von mir fodern, sie recht zu widerlegen und zu beruhigen, wenn sie mir auch nicht glauben. Meine älteste Tochter (Ursula), die ich Ende Jahrs an Mann bringen wollte — an ein wackeres kurzbeiniges, langnasiges Männchen, einen Ihnen übrigens gleichgtltigen Schulhalter nach Stephaui's Lautiermethode—, weiß stch über die klägliche Zeit ihres Brautstandes kaum zu lassen; doch will sie (so läßt sie ihren Vater wenigstens hoffen) noch vor dem i8ten Tag, eh ihr Eingebrachtes nur halb zusammen­ gebracht ist, dem Schulhalter ihre Hand geben, um ihm ihre Liebe, wenn auch nur kurz, zu zeigen.

Im ganzen Marktflecken will Jeder andächtig anssehea und bekehrt, nad keiner laut lachen, so daß mau am Lude selber mit, brummt, wie ich denn für meine Person fast eineu lebeudtgeu Mieder, mann vorstelle, welcheu sich die Maler Halle«, um dara« die Falten ju studireu, wiewohl ich sie mehr mit dem Gesicht als mit dem Gewände werfe. Außer dem Tanjwtrte, ju welchem uiemaud mehr kommt aus Buße, leidet am stärksten der Pfarrer, veil jeder t« ihm kommt. Sonst staub er, weun j« der Wocheuaudacht (dreimal w-cheutlich) geläutet «ar, am Fenster vnb gab acht, ob irgend eine oder die andere Frau auftrat, welche in seine Ermahnungen hvstea wollte; kam nun nichts, so hielt er nichts, well es sich für einen bloße» an, dächtigen Dualis oder Redezweikampf von ihm und dem Kantor nicht der Mühe lohnte. Ich hoffe beilänfig, es wird keine Sünde ge, wesen sein, daß ich zuweilen fast boshafierweise eine Viertelstunde laug bart» meine Andacht hatte und vor seine» Ange» hineiuging, um de» trägen Morgenbeter durch mein Beispiel zu seine» Amts, pflichte» zu sporne» (Bei der Wtederlesuug meiner vorigen Zeilen find' ich meine» Briefstil doch fast zu nachlässig; wird mir wohl ei» großer Stilistiker verzeihen könne»?..) Jetzo hingegen zieht jede» Morgen die ganze Gemeinde wie an einem Bußtage in die Kirche, und die Weiber putzen sich ordenllich schwarz; ja, sowohl des fort, «ährenden Regens als des künftigen Feuers «egen «olle» sie gar um »och drei Andachten mehr anhalte». Dem Unwesen könnte ftellich niemand besser Widerpart halte» als er selber durch eine oder zwei aufklärenbe Predigte» — denn er für seine Person glaubt über, Haupt «enig und kann am wenigsten das ewige Deien ausstehe»; aber er will gern die Angst vor dem jüngsten Lage, welche den ganze» Marktflecken mit Betchttöchtern und Beichtsöhne» bevölkert, so lang als möglich mitnehme», so wie de» Beichtpfennig dabei; den» er sitzt an keinem Ort lieber als im Beichtstuhl und vergäbe, als ei» weiter lebendiger Mantel der Liebe, für eirz Geringes die Sünde gegen den heiligen Geist, käme einer damit vor den Stuhl. Dies ist die Ursache, warum er die Wochenandachten, als das kleinere Uebel des jüngste» Lags, verzieht. Kurz, überall stößt man auf die Traurigkeit, welche die Mensche« jedesmal befällt, wenn sie sich bekehre» und de» alten Adam in ihrer Mause arrsziehen müssen, wie Vögel unter dem Mausern traurig stumm sitzen und Edelfalke» gar ihre Raubkünste vergesie». — Die wenige» halten sich noch für die Glücklichste», welche am Jakobi,Quatember starke Pachtgelder ober starke» HauSztns zu be, V-VI/8

HZ

zahlen haben, so wie einige Wechselschnlbver ans den Rittersitzea. Ein alter Edelmann will noch zur rechten Zeit sein Erbbegräbnis versilbern; sein Sohn, eia Offizier, will erst den lytea nach Heil, Quecksilber, als der vornehmen Spiegelfolie des Aeußera, greift« — und die wassersüchtige Edeldame (seltsam genug, alle auf einem Edelhofe) verschiebt die Abzapfung ihres Wassers, um sich vielleicht un­ nützen Schmerz oder das Wasser selber für das Feuer zu ersparen. Was indes einige durchreisende Husarenoffiziere von mehr als dreißig weiblichen unverheirateten Personen ganz verschiedenes Standes ausgesagt und beschworen haben, als ob diese seit der Baireuther Sonntags-Zeitung sich und ihren guten Ruf durch den i8tea oder sogenannten Materaus-Tag über alle Folgen hätten hinausgesetzt gehalten, bezweifl' ich jedoch. Noch einseitiger wär' es, wenn ich Sie, mein Gönner, nicht auch mit den wohltätigen Vorläufern des jüngsten Tages, nämlich mit den vielen Besserungen erfreuen wollte, welche das Soantagsblatt hier und allenthalben ausgebrütet und nachgelassen, und zwar deren mehre als ein ganzer Band voll Predigtblätter. Cs ist in der Tat auffallend, aber erfteulich, wie Menschen nach dem Himmel trachten, wenn sie die Hölle sehen. Ein Paar zanksüchtige Eheleute (ich kenne sie selber), welche bisher ihr Zusammenreime», wie Schauspieler den Reim, künstlich verbargen, wollen sich doch vor dem Abgänge der Erdschaubühne wieder reimen, wie bei Shakespeare die Ende der Austritte. Ein anderes Ehepaar verschiebt die Scheidung auf dem nassen Wege durch die Tinte des Ehegerichts und »erspart sie für die Scheidung auf dem trocknen durch das Feuer des jüngste» Gerichts; denn jeder Teil hofft, bloß der andere werde verdammt, und dann trenne der Himmel die Ehe am besten, die er selber geschlossen. Ein sonst rechtschaffener Beamter meiner Bekanntschaft hatte bisher den besonderen Fehler an seinen Fingern — wenn es einer «ar —, baß daran nicht bloß Goldblättchen wie an allen Fingern hängen blieben, sondern auch dicke Goldstücke selber; seit der Prophezeihuug aber haben sich seine Finger gebessert, und nur an dem Goldfdrger klebt noch, wie natürlich, der Ring. Wahrlich, von dem Höker unsers Ortes an, der nun seine frischen Häringe wieder zu alten zurückdatirt, bis zum Landrichter unsrer Gegend hinauf, der nun den Weltrichter fast so sehr fürchtet, wie wir alle ihn selber, greift Besserung um sich. Mehrere, wenn auch nicht viele Forstbediente haben sich eigenhändig noch eia zweites, aber härteres Jagdverbot (als das alljährliche), das weibliche Landvolk n4

betreffend, aufgelegt. — Und so geht und zieht das Bessern von Ort zu Ort, von Maua zu Manu. Auch io Ihrer ebenso schön gebauten als schön umgrünten Stadt sollen mehre bedeutende Leute durch Ihren eignen Zeitungsschreiber bekehrt worden und in sich gegangen fei»,1) was ich sehr gern glaube. — Ueber etwas wundern Sie Sich daher nicht! Die schöne Juden­ bekehrung, aus Angst vor dem kommenden Mesflas, ließ mich auf de» Gedanken kommen, die Frage, wie der allgemein gesunkven Religio« wieder aufzuhelfen, in einer kleinen Preisschrift für das dicke Prediger-Journal, sobald ich nach dem i8ten einige Muße ge­ winne, vielleicht ganz neu zu beantworten. Stark drohende Weis­ sagungen nämlich stell' ich als die Hebebäume der liegenden Sittlich­ keit auf. Könnte man nicht — will ich in der Preisschrift für das Journal ftagea — den Leuten den jüngsten Tag, da man von je her sah, wie er alles bekehrt, immer von Zeit zu Zeit als gewiß ein­ brechend, wie einen Cour-Tag himmlischsteu Ortes, zum Galakleiben ansagen? Maa erinnere sich der allgemeinen Bejstruag, welche am Ende des ersten christlichen Jahrhunderts — oder auch 1033 — ober zu Luther's Zeiten auf bas Wort des Magister Stiefel — und sonst jedesmal der vorgezeigte jüngste Tag als der Heidenbekehrer ganzer Länder hervorgebracht. Denn so ausgeartet war nie der Mensch, daß er vor dem nah an ihm aufgerissenen Höllenrachen nicht lieber in sich gegangen wäre als frech in diesen selber hinein, ober daß er nicht steudig die Welt hätte fahren lassen nahe vor dem Untergänge derselben; und lassen nicht die zahllosen Bekehrungen aufdem Toten­ bette hoffen, daß, wenn die ganze Erde durch den jüngsten Tag ein Millionen Meilen breites Totenbette zu werben drohte und man die Stunde dazu recht entschieden wüßte, vielleicht in allen deutschen Kreisen kein eivziger linker Schächer für Geld mehr aufzutreiben wäre, wohl aber rechte Schächer zu ganzen Regimentern? Dasselbe gilt von allen übrigen Teilen des christlichen Europa, selber von *) Diesem zweideutige» Gerüchte von Baireuth durft' ich aus Quellen in meiner Antwort an Seemaus widersprechen, und ich beteuerte, daß wir alle die Sach« nicht glaubten, wenn man das Landvolk ausaähme. „übrigens," fügt' ich noch bei, „sind wenigstens in größer» Städten, wenn eS auch nicht für unsre kleine gelten kann, Leute von Stand und Stabt vornehme Wachslichter, welch« fortleuchten ohne alles Schneuze» ihrer Schnappe»; nur die bürgerlichen und gemeinen Talglichter «erden stets gepntzt, und ich Halle hier den Beichtstuhl (nächst dem Richterstuhl) für die Lichtschere."

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Paris. Freilich weiß ich so gut als etaer, der mir es eiuwenbea will, daß dies nut eine Salgenbekehruag Europas wäre; aber einem begnadigten Strickkiabe bleibt doch immer ei« Niederschlag vo« seinen salzige» Bußträneu zurück, der nachher als eia heilsames Wunder, salz aachwirkea muß, so wie eia beerdigter Scheintoter stets stimmet aus der Erde wieder steigen wird. Die bestimmtesten Weissagungen des Tages selber wären leicht und ohne besondern Betrag zu geben. Ja der frühern Kirche setzte man ihn auf die Adveutszeit fest — daher wurde darin Tanzen verboten und Fasten geboten —, Luther verlegte thu in die Oster, tage?) überhaupt in die Frühlings,Tag, und Nachtgleiche; der Eng, läader Winchester aber glaubt, er sei auch tu der Herbst,Tag, und Nachtgleiche möglich; Juug,Stilltag bestimmt tha schon viel näher und schärfer, »ämlich nach zvauztg Jahren. Au solchen be, kehrenden Weissagungen des letzten Gerichts ist vielleicht der besondre Vorzug nicht als ihr geringstes Verdienst anzvsehea, daß man durch sie den Erduntergaag, so ost man will ober eS nötig findet, auf irgend einen bestimmten Tag aasetzea kann, ohne auch uur deu kleinsten stommeu Dettug zu spielen. Dena da man der Bibel zufolge deu Tag des Herrn nicht eatschiebea vorausweiß, sonder« solcher in der Nacht kommt — daher Stilling,Jnag selber mit Recht voraus, sagt, daß seine Jüngsten,Tages,Prophezethuageu leichtlich fehl, schlagen —, so kann man nun so viele davon, als man braucht, ohne Belügen zu jeder Zeit aussprecheu, «eil mau ja dabei nicht ver, spricht, daß fle etntteffea. Inzwischen ist aber doch dieser warme Tag nicht immer zu haben zum Gesetzprediger, zum Kauterisier,Eisen und Höllenstein unseres wilden Fleisches; daher fahr" ich tu der Preisschrtst für bas Prediger,Journal, wenn ich anfaage, fort und schlage für die Zwischen, räume der Angst mehre Landplagen vor, mit welchen etwa abzu, wechseln ist im Weissagen. So bewegt z. B. ein Erdbeben — wie Ziehens Weissagung schon bewiesen — bas Herz ganz gut, und die Erde wird nur eine größere Kanzel, welche verstockte Menschen zn Tausenden erschüttert. Dena ganz ungleich einem Gestelle von Stern, sehröhrea, dessen Zittern bas rechte Sehen in den Himmel stört, HUst gerade dieses Zittern unseres Erdgestells uur desto besser zum Blicken nach oben. Selten wird ein Mensch gut, dem es gar zu gut geht; bas Gewissen regt flch, wie die Fußzehen, am öftesten in grimmigem *) Dessen Tischreden, Ä. 43., Frankfurt am Maln MDLXXI. 116

Frost. Mit Erderschütterung übrigens wollt" ich ohne Lüge jedes Jahr drohe»; den« fiel bei uns keine vor, so «ar eine doch entweder da oder dort. Auch Pefizeit — Hungersnot — Wasseraot, alle bilden in der gedachte«, erst zu vollendenden Preisschrist eine gute bußpredi­ gende Propaganda, wenn sie von weitem gezeigt werde« durch den Propheten, da den Mensche« das dvnkle Anrücken des Jammers mehr aagreist als das Helle Dastehen desselben; es fehlt also nur an Propheten, wenn wir nicht genug Christen habe«. Und zuletzt: «en« uns alle diese Galgenpater — würd" ich in der Preisschrist stagea — ausgehe«, zu was HLngt den« der Himmel voll langer Kometenschwänze, welche von je her die Fuchsschwänze gewesen, womit man die erkaltete« Herzen wie Harzschetben wieder elektrisch oder retbfeurig peitschte? Die Kometen könnte» eigentlich, da man nicht jedes Jahr gelbe und Nerven-Fieber und Hungers- und Master, not