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German Pages 543 Year 2015
jahrbuch der deutschen schillergesellschaft
Brief von Paul Celan an Hans Magnus Enzensberger, 19. 12. 1960. © Eric Celan (Paris) und Suhrkamp Verlag (Berlin)
jahrbuch der deutschen schillergesellschaft internationales organ für neuere deutsche literatur
im auftrag des vorstands herausgegeben von wilfried barner † ⋅ christine lubkoll ernst osterkamp ⋅ ulrich raulff 59. Jahrgang 2015
de gruyter
ISBN 978-3-11-041459-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041631-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041644-2 ISSN 0070-4318 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
inhalt
vorwort
Zum Tod von Wilfried Barner (3. Juni 1937–22. November 2014) . . . . . . . . . . . . . . 3 Zum Tod von Eberhard Lämmert (20. September 1924–3. Mai 2015) . . . . . . . . . . 6
texte und dokumente arno barnert Der Bücherschrank als »Apotheke des Geistes«. Eine Lazarett-Bibliothek aus dem Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
susanna brogi Private Bibliotheken emigrierter Autorinnen und Autoren im DLA Marbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
aufsätze daniele vecchiato Eine »lächerliche Fratze«? Zur Bedeutung und Funktion des astrologischen Motivs in literarischen Wallenstein-Darstellungen des späten achtzehnten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
viktor konitzer Gerade / krumm. Zur Poetik des Scheidewegs in Schillers Wallenstein . . 108
horst römer Die Überwindung der Tragödie – Schillers Wilhelm Tell als »Schauspiel« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
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VI
fabian sturm Das »Blätterwerk« der Kunst. Auf den Spuren eines morphologischen Narrativs in Goethes Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
christiane baumann Die »Vorkämpfer« des deutschen Naturalismus und ihre Bemühungen um den Verleger Cotta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
philip ajouri Der ›Volksgoethe‹ von Erich Schmidt. Eine populäre Goethe-Ausgabe um 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
achim aurnhammer / ann-christin bolay Stefan George in Heldenportraits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
peter utz Urkatastrophe, Ohropax und ferner Donner. Zur Literatur aus der Schweiz im Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
gunter martens Rilkes Dichtungen in authentischer Gestalt? Probleme beim kritischen Edieren von Texten Rainer Maria Rilkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
sebastian paul klinger »Ein Wort, das ich vor einiger Zeit bei Leo Schestow gelesen habe...« Eine neue Lektüre Paul Celans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
theo elm Liebe erzählen? Zur Narratologie der Liebe in Goethezeit und Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
berichte nicolai riedel Marbacher Schiller-Bibliographie 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
astrid dröse / carina middel / anne-sophie renner / claudia sandig Tagungsbericht »Schillers Europa« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
inhalt
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marbacher vorträge monika grütters Schiller-Rede. Am 3. November 2014 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
deutsche schillergesellschaft ulrich raulff Jahresbericht der Deutschen Schillergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Anschriften der Jahrbuch-Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 Zum Frontispiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
vorwort
zum tod von wilfried barner (3. juni 1937–22. november 2014) Seit 1988 zählte Wilfried Barner zu den Herausgebern des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft. Fast drei Jahrzehnte lang hat er das Profil des Jahrbuchs mit seinem philologischen Sachverstand, seiner intellektuellen Neugier, seiner literarischen Kennerschaft und seiner beeindruckenden Arbeitsdisziplin geprägt. Zu jedem der bei der Redaktion eingegangenen Aufsätze hat er ein ausführliches Gutachten vorgelegt, das die wissenschaftlichen Vorzüge und Schwächen des Beitrags jeweils sorgfältig abwog und dessen Leistung in der aktuellsten Forschung präzise – immer fair, selten mit polemischer Schärfe – bestimmte. Wollte man all diese Gutachten in einer Edition zusammenfassen, so ergäbe dies eine beeindruckende Geschichte der Germanistik in den letzten drei Jahrzehnten. Mit nie ermattendem Interesse und mit der ihm eigenen Weite des historischen Blicks hat Wilfried Barner die methodischen Entwicklungen und aktuellen Debatten in der deutschen Literaturwissenschaft verfolgt und sie mit dem kritischen Sachverstand des Philologen kommentiert. Deshalb lagen ihm auch die vom Jahrbuch – oft auf seine Initiative hin – veranstalteten Diskussionen über die Situation der Literaturwissenschaften und über die Bedeutung der Literatur im öffentlichen Raum besonders am Herzen; seine 1997 im Jahrbuch nicht ohne Sorge aufgeworfene Frage, ob der Literaturwissenschaft ihr Gegenstand abhanden komme, rief erregte fachpolitische Debatten hervor. Denn bei aller Neugier und Offenheit für Trends und Methoden standen doch immer Form, Funktion und ideeller Gehalt des literarischen Textes im Zentrum seiner wissenschaftlichen Interessen; die kulturwissenschaftliche Öffnung und Neupositionierung der Literaturwissenschaften war für ihn, den bedeutenden Barockforscher, ohnehin zu selbstverständlich, als dass er aus ihr ein Dogma hätte machen müssen. Er, der unbestechliche Philologe, hat sich jedenfalls immer darum bemüht, das Jahrbuch für die jüngsten Entwicklungen des Faches offen zu halten. Die Gabe, sich intellektuell überraschen zu lassen, bewahrte er sich ebenso wie die Fähigkeit, alles wissenschaftlich Neue in die Geschichte des Fachs einordnen und so die wissenschaftlichen Innovationspotentiale eines methodischen Richtungswandels mit sicherem Blick bestimmen zu können. Dankbar dürfen seine Mitherausgeber auf eine fünfzehn Jahre umspannende intensive Zusammenarbeit zurückblicken, die nie von Konflikten belastet war, weil sie immer auf die Kraft des Arguments ver-
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traute, und für sich das Resümee ziehen, dass sie sich an keine Sitzung erinnern können, in der sie nicht von Wilfried Barner gelernt hätten. Dies auch deshalb, weil der Literaturhistoriker Wilfried Barner die Geschichte der europäischen Literatur von der Antike bis zur Gegenwartsliteratur überblickte und damit in einer Zeit, in der die historischen Arbeitsfelder der einzelnen Literaturwissenschaftler sich ständig zu verengen drohen, auf staunenswerte Weise die Einheit der Philologie repräsentierte. Promoviert wurde er nach dem in Göttingen und Tübingen zügig absolvierten Studium der griechischen, lateinischen und deutschen Philologie im Jahre 1963 mit einer Arbeit über Alkaios-Papyri. Seine im Jahre 1970 erschienene Habilitationsschrift Barockrhetorik stellte die neuere Barockforschung auf völlig neue Grundlagen, indem sie nicht allein die rhetorische Prägung der barocken Poesie durch die zeitgenössischen Handbücher der Rhetorik erschloss, sondern zugleich auch die Verankerung der Barockrhetorik im Bildungswesen des siebzehnten Jahrhunderts materialreich rekonstruierte; das Buch, das 2002 in zweiter Auflage erschien, ist bis heute ein Standardwerk der Forschung geblieben. Schon bald trat der junge Germanist die Nachfolge Friedrich Beißners auf dessen Tübinger Lehrstuhl an. 1992 wechselte er als Nachfolger Albrecht Schönes auf den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur an der Universität Göttingen, wo er bis zu seiner Emeritierung lehrte. In den langen Jahren seiner Lehrtätigkeit hat Wilfried Barner unermüdlich neue Forschungsfelder erschlossen und neue Entwicklungen im Fach angestoßen, die er mit seinem kritischen Sachverstand begleitete. Als Hauptherausgeber hat er die Edition der Werke Lessings, dem seine besondere Liebe galt, im Deutschen Klassiker Verlag betreut; mit Bewunderung liest jeder Benutzer seinen großen Kommentar zum Laokoon und zu den Briefen, antiquarischen Inhalts, in dem seine altphilologische Kompetenz glanzvoll zur Entfaltung gelangen konnte. Als Herausgeber und Mitautor hat er das Wagnis einer großen Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart (1994) auf sich genommen und darin mit sicherer Hand das zerklüftete Gelände der deutschen Nachkriegsliteratur kartografiert. Als 1989 – während einer Herausgebersitzung – die Mauer fiel, fragte sich der immer auch politisch Denkende, ob das Konzept einer »geteilten Literatur« der Geschichte noch standhalten würde. Die letzten Kapitel und die Neuauflage von 2006 reagieren umgehend auf die historischen Entwicklungen. Barners leidenschaftliches Interesse galt darüber hinaus der Fachgeschichte seiner Disziplin – dabei vor allem dem Beitrag der jüdischen Philologen zur Germanistik. Die prominente Rolle der Juden in der Geschichte der deutschen Goethe-Verehrung hat er in dem lesenswerten Büchlein Von Rahel Varnhagen bis Friedrich Gundolf (1992) dargestellt. Dass Wilfried Barner bei seiner wissenschaftlichen Arbeit die Nöte und Sorgen der Studierenden nie aus dem Auge verlor, zeigt die von ihm begründete Reihe der Arbeitsbücher zur Germanistik, deren
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erfolgreichstes, Lessing. Epoche, Werk, Wirkung (zuerst 1975, danach in vielen aktualisierten Neuausgaben), ihn selbst zum Mitautor hat. Dass er als Mitherausgeber der Zeitschrift Germanistik (seit 1987) keine Mühe gescheut hat, die kaum noch überblickbare germanistische Forschung kritisch zu sichten und zu gewichten, sei mit besonderem Dank vermerkt. Aber all dies sind nur Beispiele für die reichen Erträge eines arbeitsreichen Lebens. Wilfried Barner, der leidenschaftliche Philologe, war alles andere als ein Stubengelehrter; er hat sich nie vor institutioneller Verantwortung gescheut. Die Deutsche Schillergesellschaft und das Deutsche Literaturarchiv haben in hohem Maße von seinem Engagement profitiert. Nahezu ein Vierteljahrhundert lang, von 1976 bis 2000, gehörte er dem Ausschuss der Deutschen Schillergesellschaft an und hat deren Arbeit in diesen Jahren durch seinen Rat und seine Erfahrung auf vielfache Weise geprägt. Viele Jahre lang hat er sich im Wissenschaftlichen Unterausschuss (dem legendären WUA) um die Auswahl der Marbacher Stipendiaten verdient gemacht. Und 1989 gehörte er selbstverständlich zu den Gründungsmitgliedern des Marbacher Arbeitskreises für die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik. Wie kein anderer verkörperte er die longue durée des Deutschen Literaturarchivs und seiner Gremien, förderte mit seinem Rat drei Generationen von »Marbachern« und begleitete die Entwicklung der Marbacher Institutionen auf ihrem Weg in die internationale Forschung. Die Herausgeber des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft werden Wilfried Barner auf besondere Weise vermissen. Von 1988 bis zu seinem Tod amtierte er als lebendes Gedächtnis der Philologie und unbestechlich kritischer Geist bei der herausgeberischen Gestaltung des Jahrbuchs. Die turnusmäßig einmal im Jahr in Göttingen stattfindenden Herausgebersitzungen gestaltete er, den in den letzten Jahren manchmal auch eine Aura von Einsamkeit umgab, zu wunderbaren kleinen Festen herzlichster Gastfreundschaft. Er hat uns viele Jahre lang aufs großzügigste bewirtet: mit kritischem Witz, mit sicheren Urteilen, mit dem Ethos der Philologie, aber auch mit Speis und Trank. Dies ist nun das letzte Jahrbuch, das Wilfried Barners Handschrift trägt; bis in die letzten Wochen seines Lebens hinein hat er, dem wohl bewusst war, dass dies das letzte von ihm mit verantwortete Jahrbuch sein würde, seine Mitherausgeber bei der Auswahl der Beiträge beraten. Wir gedenken seiner in Verehrung und großer Dankbarkeit. Die Herausgeber
zum tod von eberhard lämmert (20. september 1924–3. mai 2015) Die Einheit von älterer und neuerer Literaturgeschichte bildete im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert die Grundlage akademischer Wirksamkeit. Wer als Ordinarius das Fach der Deutschen Philologie vertrat, musste dies in ganzer Breite tun. Sein Arbeitsgebiet erstreckte sich vom Nibelungenlied bis zur Romantik – ein Parcours, der schwindelerregend anmutet. In der Tat ist es heute schwer vorstellbar, dass ein einziger Gelehrter ein solches Spektrum wissenschaftlich bewältigt. Der Philologe Eberhard Lämmert war nicht nur in dieser Hinsicht eine Ausnahmegestalt in einer Forschungslandschaft, die von Zersplitterung und Spezialistentum gekennzeichnet scheint. Als Germanist und Komparatist hat Lämmert seit seiner zum Standardwerk gewordenen Dissertation über Bauformen des Erzählens (1955) die ganze Bandbreite des deutschen und europäischen Kanons seit dem Mittelalter durchschritten. Seinem Selbstverständnis als Vertreter des Fachs Deutsche Philologie entsprach es, dass er sich – acht Jahre nach der Promotion – 1960 in Bonn mit einer mediävistischen Untersuchung über Reimsprecherkunst im Spätmittelalter habilitierte. Das war schon damals, im Anschluss an eine Arbeit zur Erzähltheorie am Leitfaden moderner Exempla, durchaus ungewöhnlich und verrät viel über das Bild von der Einheit der Disziplin, das Eberhard Lämmert vertrat. In seinen historischen, theoretischen und fachgeschichtlichen Studien hat er stets die Gesamtheit des europäischen Literatur-Ensembles beleuchtet. Die ultima ratio für diesen hohen Anspruch liegt in der Sache selbst. Wer die Welt der Fiktion analytisch erfassen möchte, benötigt ein profundes Wissen über die Querverbindungen und Netzwerke, die sie, diachron wie systematisch, ausbildet. Er muss die verschlungenen Strebungen und Gitterlinien kennen, die Texte miteinander verknüpfen und in ein manchmal schwebendes, manchmal stabiles Gefüge von Korrespondenzen versetzen. Eberhard Lämmert hat das theoretisch-systematische Versprechen, das von seinem Erstling, den Bauformen des Erzählens, ausging, konsequent eingelöst. Unter den literarischen Gattungen, die er analysierte, steht der Roman an der Spitze. Arbeiten über Goethe, die Romantiker, den europäischen Realismus und Naturalismus, Thomas Mann, Döblin, Hesse und Grass bekunden die Bedeutung eines Genres, dem sich Lämmert auf unterschiedlichsten Wegen näherte: über die Poetik (etwa frühromantischer Provenienz), die Geschichtserfahrung, das Zeitpanorama (einschließlich politischer Optionen), aber ebenso die Figurenpsy-
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chologie oder die Konstruktion von Glück. Es ist dieser Reichtum der Techniken und Blickwinkel, die den Autor Eberhard Lämmert immer wieder zum Roman zurückführten, zu den großen Linien einer modernen Poetik, welche auch in Momenten krisenhaften Darstellungszweifels das Grundvertrauen in die Erzählbarkeit der Welt nicht preisgibt. Literatur lebt aus der Kraft ihrer Motive, und so war es zwingend, wenn auch Lämmert, gut komparatistisch, ihren Vernetzungen folgte. Spiegelungen sind das Grundmuster, das Lämmert vielfach benannte und erkundete. Es ist auffallend, dass unter seinen favorisierten Leitmotiven die heiteren deutlich überwiegen: Liebe, Glück, Selbstbewusstsein. Gemessen und überprüft wurden sie an den tragenden Modellen der griechisch-lateinischen Tradition: Homer, Ovid, Plautus; weitergedacht und verknüpft aber an ihren modernen Adaptionen durch Kleist, Goethe, Friedrich Schlegel und Thomas Mann. Solche Reihen ließen sich durchaus verlängern; ihr Muster gehorcht ähnlichen Prinzipien: Einer kundigen archäologischen Grabung folgte die Spurensuche bei den Neueren, wobei die Linienführung argumentativ-beweissichernd, nicht spekulativ-assoziierend verlief. Die Fülle des Gewussten und Gelesenen verstand Lämmert zu bündeln durch rational geleitete Analyse und Vergleich. Die Tugenden des philologischen Denkens, dessen angemessenes Verfahren das der Induktion ist, entfaltete er mit singulärer Meisterschaft. Neben die komparatistische Topos- und Motivgeschichte trat die Wissenshistorie. Dass die Literatur ihre Ansichten von der Welt nicht allein aus Erfahrung und Erfindung, sondern zugleich aus gelehrten Kenntnissen schöpft, war im Humanismus noch selbstverständlich. Die poetische Moderne verschleiert diesen Fundus bisweilen, indem sie den Eindruck erweckt, als operiere sie unabhängig von Quellen und Wissensschätzen. Lämmerts Studien richteten ihren Blick immer wieder auf die szientifisch-diskursiven Hintergründe fiktionaler Inszenierung. Ein Musterbeispiel für dieses Verfahren boten seine Essays über die meteorologischen Rahmungen, denen das Erzählgeschehen im Roman seit dem achtzehnten Jahrhundert vielfach gehorcht. Die Tatsache, dass Eberhard Lämmert ein Studium der Geologie und Mineralogie begonnen hatte, ehe er zur Philologie fand, hinterließ Spuren auch in der Wahl solcher Themen. Wenn man, wie Lämmert es tat, Wissenschaft als Möglichkeit der Selbstreflexion begreift, muss man notwendigerweise auch die Geschichte des eigenen Fachs untersuchen. Seit er 1966 einen vieldiskutiertem Beitrag über Germanistik als deutsche Wissenschaft publizierte, hat er diesen Arbeitsbereich immer wieder traktiert. Das bot ihm Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der Genealogie von Methoden, mit der Geschichte von Schulen und Streitfeldern. Politische, zuweilen handfest nationale Zwänge wurden dabei ebenso deutlich wie die oft geübte Bereitschaft der Germanistik, sich äußeren Einflüssen opportunistisch zu
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unterwerfen. Wer Fachgeschichte treibt, gewinnt einen vernünftigen Abstand zur eigenen Position – und eine gewisse Skepsis gegenüber allzu schnellen Trendwenden und Methodenwechseln. Er begreift die Relativität des Urteils und die historische Determination dessen, was vermeintlich objektiv ist. Die Einsicht in die perspektivische Gebundenheit jeder Erkenntnis bildete eine der wesentlichen Konsequenzen, die aus Lämmerts fachhistorischen Studien resultierten. Sein methodischer Liberalismus, der ihn auch zu einem enorm wirkungsvollen akademischen Lehrer hat werden lassen, entsprang diesem Befund. Wo immer Lämmert eine Kartografie des Fachs vorlegte, vermied er disziplinäre Einseitigkeit oder nationalphilologische Beschränkung. Die Mythen einer glorifizierenden Wirkungsgeschichte – Goethes zumal – haben ihn als Phänomene der kulturellen Petrifizierung interessiert: als Mechanismen einer Versteinerung, die Autoren verklärt, statt sie zu verstehen. Sein eigener Zugang zu den großen Texten des Kanons offenbarte dagegen stets die Mechanismen klug abwägender Urteilsbildung, getragen vom Wissen, dass die hohen Leistungen der Kunst nicht kritiklose Bewunderung, sondern eindringendes Erkennen verdienen. Seit 1962 bekleidete Eberhard Lämmert eine ordentliche Professur für Deutsche Philologie an der Freien Universität. Von 1970 bis 1976 versah er einen Heidelberger Lehrstuhl, ehe er 1976 an die Freie Universität zurückkehrte, nun auf die Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, die Peter Szondi bis zu seinem Tod im Oktober 1971 innegehabt hatte. Die Rolle des öffentlichen Intellektuellen, des kritischen Reformators und Gestalters nahm Lämmert sehr bewusst wahr, getragen durch seine wissenshistorischen Einsichten in die Gefahren einer intellektuellen Hermetik, die mit politischer Blindheit einherzugehen droht. Aus diesem Selbstverständnis hat er ab Mitte der 60er Jahre die Konsequenz gezogen und in wachsendem Umfang Verantwortung für Institutionen übernommen. Als Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Deutschen Germanistenverbandes (1964–1976), als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft, als Kuratoriumsmitglied und Angehöriger des Vorstands im DAAD (1970–1999), als Präsident der Freien Universität (1976–1983) und als Präsident der Deutschen Schillergesellschaft (1988–2002) hat Lämmert sein intellektuelles Gewicht und seinen Einfluss auf institutioneller Ebene zur Geltung gebracht. Er tat das, in oft schwierigen Zeiten, mit der festen Überzeugung, dass Dialog und Diskurs auch im politischen Feld die einzig angemessenen Formen der Auseinandersetzung beim Ringen um die richtigen Argumente und die besten Lösungen sind. Er hat dabei, geduldig und eloquent, fair und offen, zahlreiche Konflikte moderiert, Kompromisse auch in kompliziertesten Konstellationen gefunden und sich höchstes Ansehen als Hochschulpolitiker, Reformator und Impulsgeber erworben. Eberhard Lämmerts Engagement für das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar war vielfältig, es begann 1972 im Ausschuss der Schillergesellschaft,
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setzte sich im Vorstand fort und mündete 1988 in die Übernahme der Präsidentschaft, die er bis 2002 innehatte. Seine vierzehn Jahre währende Tätigkeit an der Spitze der Schillergesellschaft war von zahlreichen neuen Impulsen geprägt. Die wachsende Erweiterung des Archivs um Sammlungsgebiete im Bereich der literarischen Moderne, der Erwerb der Handschrift von Kafkas Process-Roman, die zunehmende Internationalisierung der Gast- und Stipendienprogramme, die expandierende wissenschaftliche Aktivität der Mitarbeiter und die immer reicher werdende Vielfalt der Ausstellungen machten die Schillerhöhe unter Lämmerts Ägide zu einem blühenden Literaturort, der weltweite Anerkennung gewann. Der institutionell agierende Impulsgeber Lämmert lässt sich vom weltläufigen Philologen so wenig trennen wie der Reisende vom Leser, der Vermittler vom Analytiker, der Historiker vom Systematiker. Weder dem Taumel der Spekulation noch der Sterilität kunstferner Abstraktion anheimfallend, zeigte Lämmert, dass die Philologie eine strenge Wissenschaft ist. Geistesgegenwart und Rationalität, Kunstsinn und historisches Wissen bildeten die Ingredienzen für seine analytische Arbeit am Text. Deren Formen und Funktionen in ihrer historischen Dimension zu erschließen, blieb das Ziel sämtlicher seiner Untersuchungen. Gelehrte Leser wie ihn, die Ratio und Passion verbinden, gibt es selten. Er wird uns fehlen, in Marbach und Berlin, in Bonn und Cambridge, in Princeton und Peking – wo immer seine prägenden Lektüren ihre Spuren hinterlassen haben. Peter-André Alt
texte und dokumente
arno barnert
der bücherschrank als »apotheke des geistes« Eine Lazarett-Bibliothek aus dem Ersten Weltkrieg
Der Regimentsmedicus Friedrich Schiller, 1782 aus der württembergischen Armee desertiert, wurde schnell zum Klassiker in den deutschen Militärlazarett-Bibliotheken. Schon 1815 ist der Wallenstein in einer der ersten preußischen Lazarett-Bibliotheken in Aachen belegt.¹ Auch für das Stuttgarter Garnisonslazarett wurden »Schillers poetische Meisterwerke« angeschafft.² Im Ersten Weltkrieg tauchen Schillers Werke immer wieder in Berichten von verwundeten Soldaten über ihre Lektüre auf. Im Dankbrief für eine Büchersendung erwähnt ein Felddivisionspfarrer, wie ein Unteroffizier um »Wallensteins Tod« gebeten habe.³ 1916 unternahm man im Leipziger Garnisonslazarett den Versuch, die Patienten »Wallensteins Lager« und andere Dramen in verteilten Rollen lesen zu lassen.⁴ Im Bosch-Lazarett Stuttgart-Feuerbach wurde der Wilhelm Tell verteilt.⁵ Schillers Werke waren in Soldatenbüchereien so weit verbreitet, dass dies auch Gegenreaktionen hervorrief. Ein Feldgeistlicher bedankte sich 1915 für eine Büchersendung der Evangelischen Militärseelsorge mit den Worten: »Das ist doch endlich mal was Brauchbares und nicht Schiller und Katechismen, Ludwig Thoma und Predigtbücher, wie man es von christlichen Schriftversandstellen dann und wann bekommt.«⁶ 1
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Friedrich Mann, Über die Lazarethe, berücksichtigt als sittliche Bildungs-Anstalten und über die Errichtung von Lazareth-Bibliotheken, in: Journal des Nieder- und Mittel-Rheins, 12. August 1815, Nr. 96, S. 817–819, hier S. 818. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (im Folgenden: HStA Stuttgart), M 22 Evangelische Feldpropstei, Bü 490, Brief der Intendantur des XIII. Königlich-Württembergischen Armeekorps an das Königliche Garnisonlazareth Stuttgart, 19. Januar 1891. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (im Folgenden: GStA PK), I. HA Rep. 191 Ministerium für Volkswohlfahrt – Staatskommissar für die Regelung der Wohlfahrtspflege, Nr. 3111, Bl. 202, Spendenaufruf und Bericht der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung, August 1915, mit Auszügen aus Dankbriefen aus Lazaretten. Literarische Unterhaltung im Lazarett: Das Lesen in verteilten Rollen, in: Blätter für die Freunde von Reclams Universal-Bibliothek, Nr. 3, Mai 1916, S. 1 f. Paul Dorsch, Lazarettbilder aus dem ersten Jahr des Weltkriegs, Stuttgart 1915, S. 67. Stimmen aus Ost und West. 25 Feldpostbriefe von Feldgeistlichen, hg. vom Ausschuß für Unterstützung der evangelischen Militärseelsorge im Felde, 1915, in: GStA PK, I. HA Rep. 191
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So standen Schillers Werke auch in dem einzigartigen Bücherschrank einer Lazarett-Bibliothek von 1914, der dem Deutschen Literaturarchiv Marbach im Frühjahr 2014 als Dauerleihgabe überlassen wurde. Es handelt sich um einen von etwa 180 Bücherschränken, wie sie von der Königlichen Hausbibliothek in Berlin, der Privatbibliothek der Hohenzollern im Berliner Schloss, um die Jahreswende 1914 / 15 an Kriegslazarette verschickt wurden. Auf der Innentür des Schrankes befindet sich das alte Bestandsverzeichnis mit 134 Bänden. Weltweit hat sich – soweit bisher bekannt – kein vergleichbares Objekt erhalten.⁷ Nach der aufwendigen Restaurierung des Schrankes im Herbst 2014 wird der Bestand der LazarettBibliothek nun als Spezialsammlung rekonstruiert. Sie bildet eine Ergänzung zur Truppenbücherei aus dem Ersten Weltkrieg, die für die Ausstellung »August 1914. Literatur und Krieg« (Oktober 2013 bis April 2014) zusammengestellt wurde.⁸ Außerdem führt sie zurück in die Geschichte der Deutschen Schillergesellschaft und ihres Vorläufers, des Schwäbischen Schillervereins und seiner Publikationen. Gerade in Lazarett-Bibliotheken kamen das »Hausbuch schwäbischer Erzähler« von 1911 sowie das »Haus- und Feldbuch schwäbischer Erzähler« von 1916 zur Verteilung. Der folgende Aufsatz skizziert zunächst die Geschichte der Lazarett-Bibliotheken vor 1914, untersucht dann speziell die von der Königlichen Hausbibliothek 1914 / 15 zusammengestellten Bücherschränke für verwundete Soldaten und geht schließlich auf die Konzepte der Bibliothekare und Militärs zur Literaturversorgung der Truppe ein. Der Anhang enthält einen ausführlichen Abbildungsteil sowie eine Bibliografie, in der die drei bisher bekannten Bestandsverzeichnisse von Lazarett-Bibliotheken der Königlichen Hausbibliothek transkribiert sind. Soweit es der Gesundheitszustand verwundeter Soldaten im Lazarett erlaubte, wurden sie üblicherweise mit leichten Garten- und Landwirtschaftsarbeiten oder mit Handwerks- und Handfertigkeitsarbeiten wie Flechten, Schnitzen und Schreinern beschäftigt. Zur Freizeitgestaltung und Unterhaltung standen den hospitalisierten Rekonvaleszenten meist nur Karten-, Würfel- oder Dominospiele zur Verfügung, manchmal auch Gesellschaftsspiele wie Schach und Halma. Sehr beliebt waren Musikinstrumente wie Klavier, Geigen, Gitarren und
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Ministerium für Volkswohlfahrt – Staatskommissar für die Regelung der Wohlfahrtspflege, Nr. 3111, Bl. 134–147, hier Bl. 142. Das DLA Marbach dankt dem großzügigen Stifter Dr. Hans-Jürgen Goebelbecker, Karlsruhe. – Für wichtige Hinweise zur Geschichte der Lazarett-Bibliotheken danke ich Sabine Hahn (Bibliothek der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Potsdam), Rainer Schlösser (Jena) und Christian Schrödel (Leipzig). Arno Barnert, »Die Mobilmachung der Bücher«. Zur Rekonstruktion einer Truppenbücherei aus dem Ersten Weltkrieg, in: August 1914. Literatur und Krieg, Marbacher Magazin, 144 (2013), S. 72–88.
der bücherschrank als »apotheke des geistes«
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Mundharmonikas. Feldpostkarten aus Lazaretten belegen, dass viel in kleinen Gruppen musiziert wurde.⁹ Die Betreuung und Versorgung der erkrankten Soldaten mit Lektüre gehörte laut dem preußischen »Feld-Lazareth-Reglement« von 1787 zur Aufgabe der Lazarettprediger: Die gewöhlichen Andachtsbücher, welche die Lazareth-Prediger von der Haupt-Lazareth-Direktion, oder dem Königlichen Feld-Kriegs-Commissariat erhalten, müssen sie gehörig in die Kranken-Stuben vertheilen, und dahin sehen, daß einige Rekonvalescenten, oder leicht Verwundete alle Morgen und Abend das Geschäft des Vorlesens, oder des Singens übernehmen.¹⁰ Für die Lazarette war religiöse Literatur vorgesehen, während die Regimentsbüchereien und Offiziersbibliotheken, die ebenfalls Ende des achtzehnten Jahrhunderts entstanden, eine breitere Literaturauswahl enthielten. Weitere Überlegungen zum Ausbau und zur Erweiterung der Literaturversorgung in den Militärlazaretten stammen aus dem Jahr 1815, nach den Schlachten von Leipzig und Waterloo. Der in Aachen stationierte Brigade-Prediger Friedrich Mann wies auf die besondere Empfänglichkeit der Lazarettkranken hin, auf ihr »Bedürfnis nach geistiger Unterhaltung und Nahrung«. Er sah die Lazarette als »Erweckungsanstalten für das innere sittliche und religiöse Leben« und gründete eine Lazarett-Bibliothek als »Apotheke des Geistes«.¹¹ Sie umfasste über 1.000 Bände und bestand »aus mehreren Exemplaren von Bibeln, Gesangbüchern, (welche in keinem Lazareth fehlen sollten) von Scheiblers geistlicher Waffenrüstung (einem ganz vorzüglichen Buche für die Lazarethe,) von Krummachers Sontagsbuch, und Christfest, von Manns Sieg von Belle-Alliance, (von welchem außerdem einige hundert Exemplare an die Verwundeten vertheilt sind) von Scheiblers Dankpredigt auf den Sieg vom 18. Juni, von mancherlei Erbauungsbüchern, Reisebeschreibungen, von Schillers Wallenstein, von E.M. Arndt’s Schriften und Gedichten, von alten Volksbüchern, als Reinike Fuchs, Thaten Herzogs Walther, Genoveva, Thaten Laudons usw., von neuen Volksliedern auf die deutschen Helden der Zeit, ernsten und lustigen Inhalts.«¹²
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Wolfgang U. Eckart, Die Wunden heilen sehr schön. Feldpostkarten aus dem Lazarett 1914– 1918, Stuttgart 2013, S. 154–192. Königlich-Preußisches Feldlazareth-Reglement, Berlin 1787, Erste Abteilung, Achtes Kapitel, S. 49, § 1 Von den Lazarethpredigern. Friedrich Mann, Über die Lazarethe, S. 818. – Friedrich Mann, P. H. Grünwald, Anzeige betreffend die Lazareth-Bibliothek zu Aachen, ebd., 28. September 1815, Nr. 116, S. 973. Ebd.
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Doch blieb die Aachener Lazarett-Bibliothek von 1815 eine Ausnahme. Weder in den Lazarett-Verordnungen von 1813 / 15 noch in den Reglements für die Friedens-Lazarette der preußischen Armee von 1825 und 1852, die die medizinische, administrative und militärische Lazarettverwaltung bis ins letzte Detail regelten, wird die Versorgung der Patienten mit Lesestoff berücksichtigt.¹³ Im Hinblick auf die Soldatenfürsorge und Betreuung war die Epoche der Restauration ein Rückschritt gegenüber der Zeit der Revolutionskriege. Die Versorgung kranker Soldaten mit Lektüre blieb der Initiative einzelner Militärgeistlicher überlassen. So richtete der Militär-Oberprediger des 5. Armee-Korps in Posen um 1850 sowohl eine Lazarett- als auch Gefangenenbücherei für Soldaten ein, schickte die Kataloge an den preußischen Kriegsminister und schlug die allgemeine Einführung von Bibliotheken in den Militär-Strafabteilungen und Lazaretten des preußischen Heeres vor. Bemerkenswert ist, dass der evangelische Militärgeistliche selber die Wirkung religiöser Erbauungsschriften in Frage stellte und darauf hinwies, dass die Soldaten vor allem erzählende Literatur verlangen: Wer in Lazarethen und Strafsectionen auch nur flüchtig sich umgesehen, muß die betrübende Bemerkung gemacht haben, dass die Kranken und Gefangenen theils in gedankenloser Langeweile verdumpfen, theils durch lose Reden, mehr oder weniger gefährliche Lektüre und verderbliches Kartenspiel, welches Alles, auch bei der strengsten Aufsicht, kaum wird verhindert werden können, zu Grunde gehen. […] Weil dem nun aber so ist, muß man den Leuten, die unter dem Drucke der Krankheit und der Gefangenschaft doch immer noch am empfänglichsten für etwas Besseres sind, auf andere Weise beizukommen, muß sie vor langer Weile, Kartenspiel, schlechter Unterhaltung und noch schlechterer Lektüre zu bewahren und zugleich, ohne dass sie es selber ahnen, umzuwandeln und zu veredeln suchen. Und auf welche Weise? – Durch gute Lektüre! Aber eigentliche Erbauungsschriften, besonders Gebet- und Andachtsbücher, ja selbst Bibel und Gesangbuch helfen da zunächst nicht; die meisten Sträflinge und auch Kranke haben eine Abneigung dagegen; sie wollen, wie sie sagen, nicht fromm gemacht sein; 13
Sammlung einzelner Vorschriften, Dienstanweisungen und sonstiger Ausarbeitungen über die Verwaltung der Lazarethe bei der Königl. Preußischen Armee. Zweite, in einigen Punkten berichtigte Auflage, hg. von Friedrich Wilhelm Christian von Ribbentrop, 2 Bde., Berlin 1815–1819. – Ders., Sammlung von Vorschriften, Anweisungen und sonstigen Aufsätzen über den Dienst der Krieges-Kommissarien, das Kassenwesen, die Trains, Verpflegung, den Kultus und die Lazarethverwaltung bei der Königlich Preußischen Armee, Berlin 1821. – Reglement für die Friedens-Lazarethe der Königlich-Preußischen Armee, Berlin 1825. – Reglement für die Friedens-Lazarethe der Königlich Preußischen Armee vom 5. Juli 1852, Berlin 1852.
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sie sind für diese Art von Erbauung, welche allerdings das letzte und höchste Ziel bleiben muß, noch nicht reif. Dagegen hören und lesen die Sträflinge und Kranken Geschichten sehr gern, ja sie haben, weil sie durch dieselben angenehm unterhalten werden, wie die Kinder einen förmlichen Hunger nach solcher Speise; diesen muß man stillen, um zugleich damit die Geister und Herzen zu veredeln.¹⁴ Der Kriegsminister stimmte zwar der Einrichtung von Bibliotheken für die Sträflinge zu, lehnte jedoch Lazarett-Bibliotheken ab. Die Lazarette seien »keine Bildungs- sondern Heilanstalten und für den größten Theil der Kranken könnte das Lesen von Büchern eine der Heilung entgegenwirkende Anstrengung sein«.¹⁵ Offenbar setzte sich die Idee des Militär-Oberpredigers aber doch durch. Am 11. August 1857 gab das Militär-Ökonomie-Departement einen Erlass zur Einrichtung von Lazarett-Bibliotheken in den Garnisonen der preußischen Armee-Korps bekannt: Zur Beförderung christlicher und kirchlicher Gesinnung in der Armee, und um in den Soldaten eine warme Vaterlandsliebe und einen echt soldatischen Geist zu wecken und zu beleben, sollen, einer Allerh. Anordnung zufolge, in den Militär-Lazarethen Bibliotheken eingerichtet werden. Von den zu diesem Zwecke durch den Etat gewährten Geldmitteln stellt das Departement dem Königl. General-Kommando hierdurch den Betrag von 340 Thlrn. mit dem ganz ergebensten Ersuchen zur Disposition, die Garnison-Lazarethe des Korps-Bereichs mit den entsprechenden Büchern und Schriften ausstatten und hierbei nachstehende Bedingungen gefälligst beachten zu lassen: 1. Der konfessionelle Unterschied ist bei der Einrichtung gebührend zu berücksichtigen, so dass in dieser Beziehung für den Soldaten sowohl des evangelischen als des katholischen Glaubensbekenntnisses gleiche Sorge getragen wird. Demgemäß ist seitens der Lazareth-Kommission 2. wegen der zu treffenden Auswahl der zu beschaffenden Bücher und Schriften (bei welchen auch darauf zu achten sein wird, dass sie durch Erzählung wirklicher oder erdichteter Begebenheiten die Aufmerksamkeit der Soldaten fesseln und mit der Belehrung Stoff zur Unterhaltung gewähren) mit den betreffenden Militär-Geistlichen zu konferiren.¹⁶
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Hochwürden Niese an Kriegsminister von Bonin, Posen, 25. Mai 1852, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, III Sekt. 1 Abt. XXI Nr. 92. Ebd., Kriegsminister von Bonin an Hochwürden Niese, Berlin, 3. August 1852. Zit. nach C. J. Prager, Das Preussische Militär-Medicinal-Wesen. In systematischer Darstellung, 2. völlig umgearbeitete Aufl., Berlin 1875, Bd. 2, S. 452.
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1865 plante der Militär-Oberprediger des 2. Armee-Korps in Stettin eine Zeitschrift mit dem Titel »Der Monatsgast in Kaserne, Wachstube und Lazareth«, von der aber nicht mehr als ein Probeheft erscheinen konnte.¹⁷ Seit 1866 gab das »Preußische Central-Comité zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger«, der Vorläufer des Deutschen Roten Kreuzes, die Zeitschrift »Kriegerheil« heraus. Im Juni 1866 rief sie kurz vor Beginn des deutsch-österreichischen Krieges auch zu Bücherspenden für die Militärlazarette auf.¹⁸ Die Berliner Buchhändler Adolph Enslin und Wilhelm Hertz berichteten im August 1866 über die »zahlreich zusammenströmenden Beiträge an Büchern« von privater Seite und aus dem Buchhandel, die »zur Erbauung, Belehrung, Erholung und Erheiterung der leidenden Tapferen« dienen sollten. Sie bauten eine Verteilungsstelle auf und machten den Vorschlag, künftig eine zentrale Lazarett-Bibliothek aufzubauen, die im Kriegsfall schneller reagieren kann.¹⁹ Diese Idee wurde jedoch nicht verwirklicht. Im deutsch-französischen Krieg von 1870 / 71 übertrug man die »Verbreitung guter Schriften unter der kämpfenden Truppe und in den Lazaretten Frankreichs und Deutschlands sowie unter den Gefangenen« der Felddiakonie und dem evangelischen Central-Ausschuss für die Innere Mission. In den Lazaretten und bei den Belagerungstruppen vor Paris kamen 85 Kisten mit 17.000 Büchern zur Verteilung.²⁰ Erst die Friedens-Sanitäts-Ordnung von 1891, die für das gesamte deutsche Heer gültig war, regelte die Einführung von Lazarett-Bibliotheken.²¹ Es wurde festgelegt, dass alle Garnisonslazarette Bibliotheken zu unterhalten haben und Verzeichnisse »zum Handgebrauch« anzulegen sind (§ 124, Abs. 1). Bei der Buchauswahl sei »Rücksicht auf Förderung christlicher und kirchlicher Gesinnung, auf Belebung einer warmen Vaterlandsliebe und eines echt soldatischen Geistes in der Armee maßgebend« (§ 124, Abs. 2). Die Erwerbungen sollten mit dem Militärgeistlichen abgestimmt werden. Patienten ohne ansteckende Krankheiten 17
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Ebd., Der Monatsgast in Kaserne, Wachstube und Lazareth. Ein Monatsblatt zur Erbauung, Belehrung und Unterhaltung für christliche Soldaten, hg. von C. Wilhelmi, Probeheft 1865, mehr nicht erschienen. Kriegerheil. Organ des Central-Comité’s des Preußischen Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, Jg. 1, Nr. 3 (Juni 1866), S. 21. Adolph Enslin und Wilhelm Hertz, Lazareth-Bibliotheken, in: Kriegerheil. Organ des Central-Comité’s des Preußischen Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, Jg. 1, Nr. 7 (August 1866), S. 61. Wilhelm Scheffen, Die Liebesarbeit für unsere Feldgrauen. Die Arbeiten der Inneren Mission und verwandter Bestrebungen, Leipzig 1917, S. 70 f. Friedens-Sanitäts-Ordnung, Berlin 1891, §§ 124, 150. – Zum Sanitätswesen im deutschen Friedensheer zwischen 1871 und 1914 siehe Peter Kolmsee, Unter dem Zeichen des Äskulap. Eine Einführung in die Geschichte des Militärsanitätswesens von den frühesten Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 1997, S. 142–152.
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durften »Unterhaltungs- und Erbauungsschriften« erhalten (§ 124, Abs. 3) und auch »gute Bücher aus ihrem eigenen Besitz lesen, sofern hiergegen vom Chefarzt keine Bedenken erhoben werden« (§ 150, Abs. 1). Das Ziel war, den Kranken »eine angemessene Zerstreuung« (ebd.) zu gewähren. In der Praxis waren meist die Garnisonsgeistlichen für die Lazarett-Bibliotheken zuständig. So wurden die Spital- und Lazarett-Bibliotheken im Königreich Württemberg durch die Evangelische Feldpropstei unterhalten, etwa im 1901 / 02 neu erbauten Garnisonslazarett Stuttgart.²² Um 1900 verfügten die meisten Militärkrankenhäuser über Patientenbibliotheken, doch es gab keine weiterführenden Überlegungen für den Kriegsfall. Die Kriegs-Sanitäts-Ordnungen von 1878 und 1907 enthielten keine Bestimmungen über die Bücherversorgung der im Krieg Verwundeten. Sie waren auf einen kurzen Bewegungskrieg ausgerichtet, nicht auf eine längere Kriegsdauer und hohe Verwundetenzahlen.²³ Daher war für die Feldlazarette in Frontnähe, aber auch für die Kriegs- sowie Etappenlazarette im rückwärtigen Kampfgebiet keine Versorgung mit Lesestoff vorgesehen.²⁴ Als nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Anzahl der zu behandelnden Verwundeten anstieg, kam schnell die Frage auf, wie man die Lazarette mit Lesestoff versorgen kann. Buchhandel, Bibliotheken, Vereine und Verlage schlossen sich noch im August 1914 im »Gesamtausschuß zu Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten« zusammen,²⁵ um »gesunde geistige Nahrung« für die Verwundeten zur Verfügung zu stellen.²⁶ Schnell produzierten die Verlage wie etwa Reclam und Insel spezielle Bücherreihen für Feld und Lazarett.²⁷ 1915 legte
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Württ. Garnisonlazarett Stuttgart. Beschrieben von der Intendantur und dem Sanitätsamt XIII. (K.W.) Armeekorps, hg. von der Medizinal-Abteilung des Königlich Württembergischen Kriegsministeriums, Stuttgart [ca. 1908], S. 10 und Plan 2. – Zur Lazarett-Bibliothek der Stuttgarter Garnison siehe auch HStA Stuttgart, M 22 Bü 134 und Bü 490. Siehe Peter Kolmsee, Unter dem Zeichen des Äskulap, S. 166. Zur Organisation des Heeressanitätswesens und der Krankenpflege: Friedrich von CriegernThumitz, Lehrbuch der freiwilligen Kriegs-Krankenpflege. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig 1891. – Birgit Panke-Kochinke und Monika Schaidhammer-Placke, Frontschwestern und Friedensengel. Kriegskrankenpflege im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ein Quellen- und Fotoband, Frankfurt a. M. 2002. Der Gesamtausschuss zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten bildete sich am 18. August 1914 und war dem Kaiserlichen Kommissar der freiwilligen Krankenpflege unterstellt sowie dem Central-Komitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz als Abteilung 19 angeschlossen. Begründung einer Organisation zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 23. September 1914, S. 1433. Klaus Kirbach und Hans-Eugen Bühler, Insel-Bücher für Feld und Lazarett – Eine erste Bestandsaufnahme der Insel-Bücherei im Ersten Weltkrieg, in: Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde, Nr. 8 (1993), S. 6–36. – Ralf Schnabel und Thilo Krau, Die Feld- und Lazarett-
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Erwin Ackerknecht, der damalige Leiter der Stadtbücherei Stettin und spätere Direktor des Schiller-Nationalmuseums, eine Empfehlungsliste zur »Lesestoffversorgung von Lazaretten und Feldtruppen« vor.²⁸ 1916 entstand am Militärhospital in Gent eine große Lazarettbücherei,²⁹ in München eine Verwundeten-Bücherei.³⁰ Sie wurden von zahlreichen Institutionen und Organisationen mit Lesestoff versorgt, etwa vom evangelischen Central-Ausschuss für die Innere Mission, vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und vom Ausschuss für fahrbare Kriegsbüchereien, um nur einige zu nennen. Bis zum Frühjahr 1917 verteilte der »Gesamtausschuß zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten« 2,2 Millionen Bücher an die Militärlazarette.³¹ Schnell gerieten diese Büchermassen auch in das Visier der Schundkämpfer, die vor allem gegen die Kolportageliteratur zu Felde zogen.³² Dennoch blieb etwa Karl May einer der beliebtesten Autoren der Patienten.³³ Noch im August 1914 eröffnete die Königliche Hausbibliothek, die 1862 im Berliner Schloss gegründete Bibliothek der Hohenzollern, eine Büchersammelstelle für Lazarett- und Feldbibliotheken. Sie rief die deutschen Verleger, die Berliner Bevölkerung und die Schulen zu Buchspenden auf: Mit Genehmigung des Oberhofmarschallamtes des Kaisers und im Einvernehmen mit dem Roten Kreuz ist von der königlichen Hausbibliothek im Hause Behrenstraße 21 (Eingang vom Palast des Kaisers Wilhelm I., Unter den Linden) eine Sammelstelle für Bücher zur Schaffung von Lazarettbibliotheken eingerichtet worden. Sie ist von Montag, 17. August, an täglich von 9 bis 6 Uhr (Sonntags von 9 bis 1 Uhr) zur Annahme von Büchern geöffnet. Es wird gebeten, in Familien und Schulen Sammlungen zu veranstalten und diese dann abzuliefern. Aus sanitären Gründen können von benutzten Büchern
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ausgaben der Österreichischen Bibliothek im Ersten Weltkrieg, in: Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde, Nr. 23 (2003), S. 73–85. Erwin Ackerknecht, Billiger Lesestoff für Lazarette und Feldtruppen, München 1915. Verzeichnis der Lazarettbücherei des Kriegslazaretts Militärhospital Gent, Ausgabe 1916, Druckerei der Kriegszeitung der 4. Armee. Gottfried Schulz, Die Verwundetenbücherei in München, München 1916. Gustav Adolf Erich Bogeng, Entwicklung und Kriegstätigkeit des Deutschen Roten Kreuzes, Berlin 1917, S. 74. Siehe etwa P. D., Keine schlechten Bücher für die Lazarette!, in: Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist, 17 (1914/15), S. 148 f. – Wilhelm R. Richter, Lesestoff und Bücherspenden, ebd., S. 251–254. – Hertha Jerrmann, Wie wir in Hamburg Lazarettbibliotheken ordneten, in: Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen, 16 (1915), S. 82 f. Siehe die Glosse von Euchar Albrecht Schmid, In der Lazarettbücherei, in: Karl-May-Jahrbuch 1928, S. 406–407: Karl May sei »in allen ›Kerkern‹ (seien es Gefängniszellen, Lazarette oder sonstige Krankenzimmer) [...] der beliebteste und meistgelesene Schriftsteller«.
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nur ganz saubere, gut erhaltene Exemplare zur Verwendung kommen. Die Bücher werden in zu Regalen hergerichteten Holzkisten verpackt und dem Roten Kreuz, in dessen Besitz sie übergehen, zur Überweisung an die zuständigen Stellen übermittelt. Unsere genesenden Krieger sollen auch die geistige Nahrung nicht entbehren, wenn sie danach verlangen.³⁴ Diese Initiative ging von Bogdan Krieger (1863–1931) aus, der von 1895 bis 1929 als Hausbibliothekar der Hohenzollern amtierte.³⁵ Er hatte seit 1882 in Berlin Geschichte und Philologie studiert, wurde 1888 promoviert und arbeitete seitdem als Hilfsarbeiter in der Königlichen Hausbibliothek. Diese hatte 1914 einen Bestand von etwa 80.000 Bänden und umfasste alle Büchersammlungen der preußischen Könige seit Friedrich II.³⁶ 1927 wurde die Königliche Hausbibliothek der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten unterstellt und in Schlossbibliothek umbenannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte die Rote Armee die Bibliothek nahezu vollständig in die Sowjetunion. Die wenigen in Deutschland verbliebenen Bestände – darunter drei erhaltene Teilbibliotheken von Friedrich II. im Schloss Sanssouci, im Neuen Palais und im Schloss Charlottenburg – werden heute von der Bibliothek der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Potsdam verwaltet.³⁷ 1895 übernahm Bogdan Krieger in der Nachfolge von Walter Robert-Tornow die Leitung der Königlichen Hausbibliothek und der Privatbibliotheken des Kaisers sowie der Kaiserin. Als überzeugter Monarchist publizierte er zahlreiche 34 35
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Lazarettbibliotheken, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 22. August 1914, S. 1287. Zu Leben und Werk Kriegers siehe: Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925–1980, hg. von Alexandra Habermann, Rainer Klemmt und Frauke Siefkes, S. 172. – Stefan Graf Finck von Finckenstein, Ich habe keine Zeit, müde zu sein! Bogdan Krieger, Biographie und Bibliographie, in: Bellevue. Vom Königlichen Schloss zum Berliner Amtssitz des Bundespräsidenten, hg. von ders., Berlin 2008, Anhang. – Der Teilnachlass von Bogdan Krieger ist im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde nicht mehr auffindbar. Ein Porträtfoto von Bogdan Krieger hat sich in den Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz erhalten (Portr. Slg. / Bibl. kl / Krieger, Bogdan, Nr. 1), siehe unten Abb. 11. Bogdan Krieger, Die Berliner Schlossbibliothek, insbesondere die Bibliotheken Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelms II., Friedrich Wilhelms III., der Königin Luise und Friedrich Wilhelms IV., deren geistige Umwelt und literarische Beziehungen, Typoskript, ca. 1930, Bibliothek der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Potsdam. – Das Archiv der Königlichen Hausbibliothek wurde im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört. Parallelüberlieferung: GStA PK, BPH Rep. 113 Oberhofmarschallamt. Sabine Scheidler, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg – Bibliothek Schloß Charlottenburg, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, hg. von Bernhard Fabian u. a., Hildesheim, Zürich und New York 1992–2000, Band 15 (Berlin), Teil 2, S. 147–149.
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Arbeiten über die Hohenzollern, über die Berliner und Potsdamer Schlösser sowie die Büchersammlungen der preußischen Könige.³⁸ Bekannt wurde Krieger seit 1910 als Bearbeiter und Herausgeber von Georg Büchmanns weit verbreitetem Werk »Geflügelte Worte – Der Zitatenschatz des deutschen Volkes«. 1914 legte er in der Abhandlung »Friedrich der Große und seine Bücher« Kataloge aller Bibliotheken Friedrichs II. vor. Im Ersten Weltkrieg gab er mehrere patriotische Kriegsbilderhefte heraus, 1916 auch die kriegsverherrlichende Anthologie »Feldgraue Dichter«.³⁹ Nach dem Krieg war er weiterhin für die Haus- beziehungsweise Schlossbibliothek zuständig und publizierte kaisertreue, anti-demokratische Rechtfertigungsliteratur.⁴⁰ Bogdan Kriegers bibliothekarische Arbeit auf dem Gebiet der Sammlungserschließung und in der Literaturversorgung der Soldaten kann als innovativ gelten. Der Aufbau der Büchersammelstelle an der Königlichen Hausbibliothek hatte großen Erfolg, wohl auch wegen ihrer zentralen Lage. Im »Reichsanzeiger« vom 2. November 1914 wurde über die ersten Ergebnisse berichtet: Die Büchersammelstelle der Königlichen Bibliothek für Feld- und Lazarettbibliotheken, die dem Gesamtausschuß für die Kriegsbibliotheken im Reichstag angegliedert ist, hat seit ihrem dreimonatigen Wirken bisher über 180.000 Bände an Lazarette in Groß Berlin, in der Mark Brandenburg und im übrigen Deutschen Reich abgegeben. Viele tausend Bände wurden an die Marine geschickt und durch die maßgebenden Stellen in Kiel, Wilhelmshaven und Cuxhaven zur Verteilung gebracht. Auch nach Brüssel wurden Mitte Oktober 10 Kisten mit insgesamt 2.000 Bänden abgesandt. Die Vereinslazarettzüge des Zentralkomitees vom Roten Kreuz in Berlin und der Landesvereine in München, Dresden, Karlsruhe und Stuttgart wurden mit Lazarett-Bibliotheksschränken ausgestattet. Die Leiter dieser Züge nahmen auf Bitten der Sammelstelle je 10 bis 20 kleinere Bücherpakete mit durchschnittlich 50 bis 60 Büchern mit, um sie nach ihrem Ermessen an die Feldlazarette, die sie auf ihrer Fahrt berührten, zu verteilen.⁴¹ 38
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Bogdan Krieger, Hohenzollern-Bibliotheken. Die Königliche Hausbibliothek, Bielefeld und Leipzig 1902. – Ders., Die Hohenzollern und ihre Bücher, in: Hohenzollern-Jahrbuch, 7 (1903), S. 112–141. Bogdan Krieger, Feldgraue Dichter. Kriegsdichtungen unserer Soldaten, Berlin 1916. – Ders., Der Kaiser im Felde, Berlin 1918. Bogdan Krieger, Das »Geheimleben des Preußischen Hofes«. Randbemerkungen eines Kundigen, Berlin 1919. – Ders., Die Wahrheit über die angebliche Abdankung und Flucht des Kaisers, Berlin 1919. Deutscher Reichsanzeiger und Königlich Preußischer Staatsanzeiger, 2. November 1914, S. [4], Sp. 2.
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Bis Herbst 1915 verschickte die Königliche Hausbibliothek über 330.000 Bände an Lazarette und Feldtruppen, bis Herbst 1916 über 500.000 Bände, bis Kriegsende 900.000 Bände. Damit war sie eine der größten Sammel- und Verteilungsstellen im Reich, nur noch übertroffen vom Central-Ausschuss für die Innere Mission der evangelischen Kirche.⁴² Im Oktober 1915 gründete Bogdan Krieger zusätzlich eine Abteilung, die die Soldaten im Feld, im Lazarett und in der Gefangenschaft mit Musiknoten und Liederbüchern versorgte. Die Hausbibliothek übernahm fortan die Funktion einer Zentralstelle für die gesamte Musikalienversorgung des Heeres.⁴³ Die »Notenspenden-Abteilung« verschickte bis Herbst 1917 über 7.500 Noten-Sendungen,⁴⁴ bis Kriegsende insgesamt 12.500 Musikalien-Pakete. Im Kalender des Roten Kreuzes für das Jahr 1917 wurde über die Reaktionen berichtet und zu weiteren Spenden aufgerufen.⁴⁵ Um 1930 hat Bogdan Krieger in seiner Geschichte der Berliner Schlossbibliothek die Kriegszeit rekapituliert: Bei Beginn des Weltkrieges stellte sich auch die Hausbibliothek in den Kriegsdienst mit der Errichtung der im Hause Behrenstraße 41 untergebrachten Büchersammelstelle der Königlichen Hausbibliothek für Feld- und Lazarett-
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Siehe die vom Gesamtausschuss zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten erstellten Übersichten über ausgegebene Bücher, GStA PK, I. HA Rep. 191 Nr. 3111, Bl. 88 (Stand September 1915) und Bl. 159 (Stand Februar 1916). – Wilhelm Scheffen, Die Liebesarbeit für unsere Feldgrauen. Die Arbeiten der Inneren Mission und verwandter Bestrebungen, Leipzig 1917, S. 139. Siehe die Briefe von Bogdan Krieger an den stellvertretenden Staatskommissar für die Kriegswohlfahrtspflege, den Geheimen Regierungsrat Dr. Richard Pokrantz, vom 20. September 1916, in dem er um die Erlaubnis zu einem Spendenaufruf für Musiknoten bittet. GStA PK, I. HA Rep. 191 Ministerium für Volkswohlfahrt – Staatskommissar für die Regelung der Wohlfahrtspflege, Nr. 3595. Ebd., Brief von Bogdan Krieger an den preußischen Staatskommissar für die Regelung der Wohlfahrtspflege, Berlin, 14. September 1917. Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1917, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, bearbeitet vom Königl. Hausbibliothekar Dr. Bogdan Krieger, Berlin 1917, Kalenderblatt 29. Juni 1917: »Welche Freude die Notenspenden unsern Truppen im Felde und in den Lazaretten, in Ost und West, auf hoher See, ja selbst in französischer, englischer und russischer Gefangenschaft bereitet haben, davon zeugen weit über 4000 Dankschreiben, die den Empfang von Sendungen bestätigen. In wie hohem Maße die Musik berufen ist, unsere deutschen Krieger an Gemüt und Herz aufzurichten, die grauenvollen Schlachtenbilder vergessen zu lassen und die angestrengten Nerven wirkungsvoll aufzufrischen, Mut und Hoffnung neu zu stählen für den weiteren Fortgang dieses gigantischen Ringens bis zum siegreichen Ende, davon hat die Notenspenden-Abteilung der Kgl. Hausbibliothek einen die Arbeit lohnenden Eindruck erhalten. Täglich laufen von allen Teilen der Fronten eine große Zahl von Bitten ein, die der Reihe nach und soweit es die Vorräte gestatten, erledigt werden.«
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bibliotheken, die erst im Herbst 1919 geschlossen wurde. Unterstützt durch ungezählte opferwillige und arbeitsfreudige freiwillige Hilfskräfte konnte die Hausbibliothek im Laufe von fünf Jahren die vom deutschen Verlagsbuchhandel, von den Schulen Groß-Berlins und von tausenden von Berliner Familien gespendeten Bücher, ohne die Zeitschriften 900.000 Bände, ins Feld und an die Lazarette im Felde und in der Heimat zur Versendung bringen. Da in jeder Sendung die verschiedenen Zweige der Literatur vertreten sein sollten, mußte, um eine schnelle Zusammenstellung zu ermöglichen, laufend die Masse des eingehenden Stoffes nach Disziplinen gesondert werden. Die Berliner Tischler-Innung und einige größere Tischlereien spendeten 120 eigens für die Aufnahme von Lazarettbibliotheken hergestellte kleine Schränke. Die verschiedensten Firmen schenkten hunderte von Kisten, die Berliner Spediteure kostenlos zu den Bahnhöfen beförderten. Da für jede Bücherspende schriftlich gedankt und allen Sendungen zur Kontrolle Bücherverzeichnisse beigegeben wurden, bedurfte es eines beträchtlichen Schreibwerkes. Industrielle Betriebe überließen der Sammelstelle Schreibkräfte, die anfangs mit 8–10 Schreibmaschinen arbeiteten. In der Hausbibliothek selbst arbeitete eine bald nach der Büchersammelstelle ins Leben gerufene, in ihrer Art in Deutschland allein wirkende Organisation zur Versorgung der Truppen und Lazarette mit Noten und Liederbüchern, für die die Mittel meist durch Schenkungen gewonnen wurden. Im ganzen sind 12.500 Notenpakete von der Hausbibliothek versandt worden.⁴⁶ Während sich Krieger 1930 an 120 Bücherschränke für Lazarett-Bibliotheken erinnert, wurde im Kalender des Roten Kreuzes für das Jahr 1917 von 180 gespendeten Schränken berichtet.⁴⁷ Soweit bisher bekannt, ist der nun in Marbach aufbewahrte Bücherschrank das einzige erhaltene Exemplar aus dieser Baureihe. Er trägt die Nummer 228. Es könnte also sein, dass über die 120 beziehungsweise 180 in der Literatur erwähnten Schränke noch weitere Stücke hergestellt wurden. Denkbar wäre auch, dass die ersten Lazarett-Bibliotheken in Kisten verschickt wurden und eine fortlaufende Nummerierung für Kisten- und Schrankbüchereien bestand. Sicher ist, dass die Produktion der Schränke eine begrenzte Aktion bis etwa Frühjahr 1915 war und spätere Büchersendungen an Lazarette in Kisten 46 47
Bogdan Krieger, Die Berliner Schlossbibliothek, Typoskript, ca. 1930, Bibliothek der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Potsdam, S. 16. Die Büchersammelstelle der Kgl. Hausbibliothek für Lazarett- und Feldbibliotheken, in: Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1917, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, bearbeitet vom Königl. Hausbibliothekar Dr. Bogdan Krieger, Berlin 1917, Kalenderblatt 26. September 1917. – Die Reichsbuchwoche 18. Mai bis 3. Juni 1916, ebd., Kalenderblatt 1. Juni 1917.
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erfolgten. Zunächst versorgte man die Lazarette innerhalb des Deutschen Reiches sowie die Kriegsmarine, dann auch Kriegs- und Etappenlazarette im rückwärtigen Kampfgebiet. Der Marbacher Schrank (Höhe 140 Zentimeter, Breite 65,5 Zentimeter, Tiefe 29,5 Zentimeter) besteht aus Kiefernholz und wurde mehrmals überlackiert. Der äußere Anstrich ist grau, darunter erscheint an manchen Stellen eine frühere Elfenbein-Krankenhausfarbe hervor. Drei originale höhenverstellbare Massivholzfachböden werden durch Holzdübel an den Seiten gehalten. Auf der Schrankinnentür befindet sich über dem Bestandsverzeichnis der Stempel »TischlerInnung Berlin« und ein Haken, an dem ein Katalog zum Handgebrauch durch die Verwundeten aushing. Durch die Restaurierung wurde an der Rückwand des Schrankes teilweise ein Stempel der Berliner Schreinerwerkstatt freigelegt, die den Schrank hergestellt hat.⁴⁸ Die Bauform könnte von dem um 1900 in Deutschland weit verbreiteten Margarethenschrank inspiriert worden sein, einem Holzschrank, der mit Gegenständen für die Krankenversorgung bestückt war und in möglichst vielen Haushalten und sozialen Einrichtungen stand.⁴⁹ Ein erster Bericht über die Bücherschränke für Lazarett-Bibliotheken findet sich im »Börsenblatt für den deutschen Buchhandel« vom 12. Oktober 1914. Dort heißt es, dass in der Leipziger Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik seit dem 4. Oktober 1914 »auch eine von der Sammelstelle der Königlichen Hausbibliothek in Berlin zusammengestellte Lazarettbibliothek« zu sehen ist: Der einfache, in vier Fächer geteilte, mit dem Roten Kreuz und der Nummer 200 versehene Schrank, der durch zwei eiserne Handgriffe transportabel gemacht ist, enthält 118 Werke, deren Titel für jeden Buchhändler als Schema einer Lazarettbibliothek mitteilenswert sind.⁵⁰
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Bisher nicht sicher zu entziffern: »Kornicke & […] / (Möb)el(f)abr(ik) / […] (n)er Strass(e) / […] & Le(b)«. Dieser Schranktyp geht auf die Stiftung eines Bauern aus Schleswig-Holstein von 1895 im Andenken an seine jung verstorbene Tochter Margarethe zurück. Die Margarethenschränke fanden über Schleswig-Holstein hinaus weite Verbreitung. Vgl. 150 Jahre Rotes Kreuz – 150 Museumsobjekte, hg. von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rotkreuzmuseen, Berlin 2013, S. 20 und den Wikipedia-Artikel unter http://de.wikipedia.org/wiki/Margarethenschrank (letzter Zugriff: 15. 6. 2015). Lesestoff für Lazarette, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 12. Oktober 1914, S. 1517 f.
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Es folgt das genaue Bestandsverzeichnis (siehe Bibliografie im Anhang). Eine weitere ausführliche Meldung enthält die »Allgemeine Buchhändlerzeitung« vom 5. November 1914: Die Sorge um die Pflege unsrer Verwundeten und erkrankten Krieger schließt auch die Schaffung von Lazarett-Bibliotheken in sich, denn ein gutes Buch ist der beste Freund, namentlich in der Hand des Kranken und Genesenden. Im engen Anschluß an das Rote Kreuz betätigen sich daher verschiedene Stellen mit der Sammlung und Zusammenstellung von Büchereien, deren Verteilung dann das Rote Kreuz vornimmt. Als erste trat die Hausbibliothek unsres Kaisers auf den Plan und bringt nun jeden Tag eine größere Anzahl von Bibliotheken in Kisten und Schränken (Stiftung der Berliner Tischler-Innung und einzelner Möbelfabrikanten) zur Abfertigung, nachdem in den Räumen der alten Königlichen Bibliothek im Palais Kaiser Wilhelms I. durch die Opferfreudigkeit des Deutschen Verlagsbuchhandels, der höheren Schulen Groß-Berlins und der Berliner Familien binnen kurzer Zeit etwa 100.000 Bände eingelaufen sind. Der leicht tragbare Schrank enthält durchschnittlich 120 Werke unterhaltenden, geschichtlichen und allgemein-wissenschaftlichen Inhalts, Reisebeschreibungen und Erbauungsbücher; außerdem wird jeder Bibliothek eine Kiste mit illustrierten Zeitschriften beigegeben. Die Bücher sind vielfach vollständig neu, auf jeden Fall äußerlich und inhaltlich sauber und tragen nach Möglichkeit jedem Geschmack und jeder Bildungsstufe der Kranken Rechnung. Sie sind alphabetisch geordnet und haben auf dem Rücken sowie auf dem Titelblatt fortlaufende Nummern. Ein Inhaltsverzeichnis ist auf die Innenseite der Schranktür geklebt, ein zweites, in blauen Umschlag geheftet, hängt darüber und kann dem Leselustigen behufs Auswahl eines Werkes an das Bett gebracht werden. Der unten anlehnende Abreißkalender ist für den offenen Aushang im Lazarett bestimmt. Die ganze Einrichtung macht dem Volk der Dichter und Denker Ehre, man sieht, daß man bei uns an alles denkt.⁵¹ Auch die »Zeitschrift für Bücherfreunde« berichtete im Oktober 1914 und hob vor allem den ästhetischen Wert der Bücherschränke hervor: Die Büchersammelstelle der Königlichen Hausbibliothek […] machte es sich von vornherein zum Grundsatz, die Ordnung und Überlegung nicht vermissen zu lassen, die sich jetzt überall in anderen Erscheinungen des öffentlichen 51
Aus der Zeit für die Praxis, in: Allgemeine Buchhändlerzeitung, 21 (1914), Nr. 34/39, 5. November 1914, S. 405.
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Lebens zeigten. Deshalb erschien ihr bei der Bücherspende, die den genesenden Krieger erquicken und unterhalten sollte, die ihre ethischen Werte dem Bücherinhalte verdanken mußte, auch die äußere Form der Büchergabe nicht unwichtig, ihr ästhetischer Wert. Sie wollte in besonders dazu eingerichteten Bücherschränken kleine Büchersammlungen den Lazaretten zur Verfügung stellen, und sie konnte, dank der Opferwilligkeit der Berliner Tischlerinnung, und anderer Gönner, diesen Plan, teilweise wenigstens, verwirklichen. Ein sauberer Schrank, in dem die sorgfältig verzeichnete Bücherauswahl in größtenteils neuen Exemplaren reinlich untergebracht ist, der einen Katalog enthält, um dem ans Bett gefesselten Kranken die bequeme Benutzung zu ermöglichen, dem als Beigaben einer unserer guten Abreißkalender mit Bildern und die neuen Kriegskarten beigefügt sind, muß dem Verwundeten, der ihn durchmustert, erweisen, daß in dem Lande, das sich seiner neu erweckten Bibliophilie so oft gerühmt hat, wenigstens der Versuch gemacht wurde, zu zeigen, dass Bibliophilie mehr ist als eine Spielerei der Langeweile des Friedens. Die Aufgabe war nicht, rasch zusammengestapelte Büchermassen plan- und wahllos zu verteilen, sondern auch den Bücherschrank als ein heilkräftiges Mittel in den Dienst des Roten Kreuzes zu stellen.⁵² Zwei zeitgenössische Fotos der Lazarett-Bibliotheks-Schränke finden sich im Kalender des Roten Kreuzes von 1916 (siehe unten Abbildung 1).⁵³ Für die Zusammensetzung der Lazarett-Bibliotheken galten die Richtlinien des »Gesamtausschusses zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten«, dessen Arbeitsausschuss Bogdan Krieger angehörte. Danach sollte jede Bibliothek »möglichst Bücher verschiedensten Inhalts und für die verschiedenen Bildungsstufen enthalten, etwa in folgender Zusammensetzung: Unterhaltungsschriften für Alle 50%, Unterhaltungsschriften für Reifere 10%, Gedichte 5%, Illustrierte Blätter 10%, Belehrendes 5%, Religiöses 15%, Spezielles (Mäßigkeitsschriften und andere) 5%«.⁵⁴ Bisher sind drei Kataloge von Lazarett-Bibliotheken der Königlichen Hausbibliothek bekannt: (1) Die Lazarett-Bibliothek Nr. 200, die im Oktober 1914 auf der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig ausgestellt wurde und im »Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel« vom 12. Oktober 1914 52 53
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Zeitschrift für Bücherfreunde. Neue Folge, Jg. 6, Heft 7 (Oktober 1914), S. 320. Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 102 der Bücher-Sammelstelle der Königlichen Hausbibliothek Berlin, 1914, in: Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1916, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, Berlin 1916, nach Kalenderblatt 18.–24. 6. 1916. Gesamtausschuss zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten, Richtlinien für die Sammlung von Büchern für Kriegsbüchereien, 1914/15, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 1, Nr. 64.
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verzeichnet ist; (2) die Lazarett-Bibliothek Nr. 228 aus Karlsruhe oder Umgegend, die sich heute im DLA Marbach befindet, mit dem Bestandsverzeichnis auf der Innentür des Schrankes; und (3) die Lazarett-Bibliothek Nr. 252 aus dem Johanniterkrankenhaus Stuttgart-Plochingen, deren Handkatalog im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand Johanniterorden, überliefert ist.⁵⁵ Bogdan Krieger schickte die Lazarett-Bibliothek Nr. 252 am 8. September 1914 an das Lazarett des Johanniterordens in Plochingen.⁵⁶ Aus diesem Versanddatum geht hervor, dass der heute in Marbach aufbewahrte Schrank mit der Nr. 228 vorher – wohl noch im August 1914 – zusammengestellt wurde. Eine Analyse der drei Kataloge, die im Anhang transkribiert sind, ergibt, dass die vom »Gesamtausschuss zur Verteilung von Lesestoff im Felde und in den Lazaretten« empfohlene Zusammensetzung im Wesentlichen eingehalten wurde. Signifikante Abweichungen sind nur in zwei Bereichen festzustellen: Der Anteil Belehrendes war größer als empfohlen (14% statt 5%), dafür war weniger Religiöses vorhanden (6,5% statt 15%).⁵⁷ Die Bibliotheken waren breit sortiert, das Spektrum reichte von antiken Klassikern (Seneca) über die deutsche Literatur des achtzehnten / neunzehnten Jahrhunderts (Johann Wolfgang Goethe, E. T. A. Hoffmann, Theodor Fontane) bis hin zu Kolportage- und Unterhaltungsromanen (Eugène Sue, Arthur Zapp). Viele bekannte internationale Autoren sind vertreten, etwa Charles Dickens, Per Hallström, Francis Bret Harte, Jens Peter Jacobsen, Rudyard Kipling, Edgar Allan Poe, Walter Scott, Charles Sealsfield, Henryk Sienkiewicz, August Strindberg, Leo Tolstoi, Iwan Turgenjew, Mark Twain, Jules Verne und Lewis Wallace. Eine deutsch-nationale Verengung ist in den Lazarett-Bibliotheken von 1914 / 15 noch nicht festzustellen. Unter den Werken, die in mehr als einem Katalog vorhanden sind, finden sich deutsche Klassiker (Friedrich Schiller, Gedichte), die Erzählliteratur der Jahrhundertwende (Hermann Hesse, Unterm Rad, Ricarda Huch, Der letzte Sommer, Henryk Sienkiewicz, Quo vadis), Werke der Weltliteratur (Tausendundeine Nacht), Humoristisches (Der fidele Reiseonkel), Militärisches (Johan Ludvig Runeberg, Fähnrich Stahl) und zeitgenössische Reiseliteratur (George Kennan, Sibirien und das Verbannungssystem). Für die Verteilung und den Betrieb der Lazarett-Bibliotheken waren karitative Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz oder die Johanniter zuständig. Der Marbacher Schrank kommt aus dem Bereich des Roten Kreuzes. Der Vorbesitzer
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HStA Stuttgart, P 7/1 Bü 230 und P7/1 Bü 232. HStA Stuttgart, P 7/1 Bü 231. – Zur Geschichte des Johanniterkrankenhauses Plochingen: HStA Stuttgart, P 7/1 Bü 191 und Bü 200. – Der Johanniterorden richtete 1914 auch Lazarettzüge ein: P 7/1 Bü 234 und Bü 235. Für die Mithilfe bei der Bestandsanalyse danke ich Helene Kraus (Weimar und Jena).
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berichtet, dass er das Objekt aus »einer Art Vereinsheim des Deutschen Roten Kreuzes« in der Gegend des Karlsruher Archivplatzes und der Mathystraße in den frühen 1980er Jahren übernommen hat. In der Otto-Sachs-Straße, der östlichen Begrenzung des Archivplatzes, die in die Mathystraße mündet, waren um 1980 mehrere Stellen des Deutschen Roten Kreuzes angesiedelt.⁵⁸ Der Schrank stammt wohl entweder aus dem Gebäude des Landesverbandes Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes, der bis 1980 in der Otto-Sachs-Straße 5 / Ecke Mathystraße seinen Sitz hatte,⁵⁹ oder aus dem Kreisverband Karlsruhe des Deutschen Roten Kreuzes, der bis 1985 in der Otto-Sachs-Straße 1 sein Büro hatte.⁶⁰ Das Rote Kreuz betrieb im Ersten Weltkrieg eine eigene Büchereiabteilung, die Soldaten in Lazaretten mit Lesestoff versorgte und in der Etappe Lesehallen für Soldaten einrichtete.⁶¹ Einige Untergliederungen gaben auch eigene Publikationen heraus.⁶² Der Marbacher Schrank könnte zu einem Reserve- oder Vereinslazarett des Roten Kreuzes im Raum Karlsruhe gehört haben.⁶³ Wie aus den Kriegssanitätsberichten der Karlsruher Reserve- und Vereinslazarette von 1914 bis 1919 hervorgeht, gab es in den meisten Anstalten feste Bibliotheken oder zumindest Kleinbüchereien.⁶⁴ Im Kriegssanitätsbericht des Karlsruher Vereinslazaretts Dr. Gutsch in der Kaiserstraße 182 vom 22. August 1914 bis 28. Juni 1915 wird erwähnt, dass den Kranken neben der Hausbibliothek des Stifters auch eine »Wanderbibliothek des Badischen Landesvereins vom Roten Kreuz« zur Verfügung stand.⁶⁵ Möglicherweise handelte es sich bei dieser Wanderbibliothek um den heute in Marbach befindlichen Bücherschrank. Das würde bedeuten, dass der Schrank damals zwischen verschiedenen badischen Lazaretten zirkulierte.
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Otto Sachs (1824–1912) war langjähriger Generalsekretär des Badischen Frauenvereins vom Roten Kreuz. Adreßbuch der Stadt Karlsruhe, Ausgabe 1980, 103. Jahrgang, S. 364, s. v. Otto-SachsStraße 5. Adreßbuch der Stadt Karlsruhe, Ausgabe 1985, 108. Jahrgang, S. 687, s. v. Otto-SachsStraße 1. Siehe Stefan Schomann, Im Zeichen der Menschlichkeit. Geschichte und Gegenwart des Deutschen Roten Kreuzes, München 2013, S. 153–155. Heidelberger Soldatenbüchlein für Feld und Lazarett, hg. vom Roten Kreuz Heidelberg, Heidelberg 1917. Reservelazarette wurden von der Heeresverwaltung eingerichtet, Vereinslazarette vom Roten Kreuz oder anderen karitativen Organisationen betrieben. Generallandesarchiv Karlsruhe (im Folgenden: GLA Karlsruhe), Bestand 456 F 113, XIV. (Badisches) Armeekorps, Sanitätsamt, Nr. 193–198, 203, 207–209, 217, 220, 269. – Siehe die Übersicht über die 9 Karlsruher Reservelazarette sowie 15 Vereinslazarette (Stand 1917): ebd. Nr. 103. GLA Karlsruhe, 456 F 113, Nr. 220, Ziffer 13: Beschäftigung der Kranken, Arbeitsbehandlung, Werkstätten.
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Bei Übernahme durch das Deutsche Literaturarchiv war der Schrank konservatorisch in einem schlechten Zustand. Im Holz wurde ein aktiver AnobienBefall (Anobium punctatum) festgestellt, im Innenraum außerdem weißer Schimmelpilz. Auf dem Boden und auf den Fächern befanden sich Reste von Leinöl und Farbe. Von außen war der Schrank mit einem schmierigen Schmutzfilm bedeckt. Auf der rechten Seite traten offene Fugen und Spalten hervor. Die Restaurierung hat die Stuttgarter Firma Futterknecht in Abstimmung mit dem Referat Bestandserhaltung und mit der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs im Herbst 2014 durchgeführt.⁶⁶ Der Schrank wurde einer giftfreien Thermischen Holzwurmbehandlung nach DIN 68800/4 unterzogen. Darauf folgte die Restaurierung: Zunächst die vorsichtige Lösung der Verbindungen des Schrankes, dann die Reinigung der Nut von alten Leimresten und eine neue Verleimung; anschließend die Reinigung der originalen Fachböden und des Bodens. Die Oberfläche des Schrankes wurde zuerst trocken gereinigt, danach mit einer Neutralseifenlauge vorsichtig abgewaschen und mit kaltem Wasser neutralisiert. Am oberen Deckel wurde die später aufgebrachte graue Farbe vorsichtig auf einer Fläche von 10 × 7 Zentimetern abgeschoben. Dadurch ist jetzt in einem Ausschnitt die darunterliegende Elfenbeinfarbe sichtbar. Das Schloss wurde ausgebaut, innen gereinigt, gefettet und mit einem zeitgenössischen Schlüssel versehen.⁶⁷ Seit Ende November 2014 befindet sich der restaurierte Schrank im Marbacher Bibliotheksmagazin II (siehe unten Abbildungen 2–6). Der Bestand der LazarettBibliothek Nr. 228 wird gegenwärtig – soweit noch nicht vorhanden – anhand der überlieferten Liste erworben und wieder im Schrank aufgestellt. Hervorzuheben ist die Ende 2014 gelungene Erwerbung eines Exemplars mit dem Originalstempel der Lazarett-Bibliothek Nr. 2 der Königlichen Hausbibliothek (Paul Goldschmidt, Berlin in Geschichte und Gegenwart, 1910, siehe unten Abbildung 7). Ein weiteres Exemplar mit dem Stempel der Lazarett-Bibliothek Nr. 25 befindet sich in Privatbesitz (Adalbert Stifter, Nachkommenschaften, Insel-Bücherei 69, 1913, siehe unten Abbildung 8). Mit der neuen Sammlung Lazarett-Bibliothek wird ein Lesefeld rekonstruiert, das nicht nur bibliotheks- und militärgeschichtlich relevant ist und einen wichtigen Informationsraum aus dem Ersten Weltkrieg zugänglich macht, sondern auch in die Anfangsjahre der Deutschen Schillergesellschaft zurückführt. Der erste Direktor des Schiller-Nationalmuseums Otto Güntter engagierte sich in der Soldatenfürsorge. Verwundete aus den Kriegslazaretten in Stuttgart, Ludwigs66 67
Futterknecht Restaurierung: http://futterknecht.de (letzter Zugriff: 15. 6. 2015). Ralf Futterknecht, Dokumentation Restaurierung Lazarett-Bibliotheksschrank, Stuttgart, 28. Oktober 2014, Bestandsakte Lazarett-Bibliothek, DLA Marbach.
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burg und Marbach wurden ins Schiller-Museum eingeladen. Der Verein spendete Bücher für Feldbüchereien und Lazarett-Bibliotheken. So ging das von Güntter und dem Verein herausgegebene Haus- und Feldbuch schwäbischer Erzähler von 1916 in sechshundert Exemplaren an verschiedene Truppenteile, Angehörige der Flotte und Lazarette.⁶⁸ Das Hausbuch schwäbischer Erzähler von 1911 wurde als Spende des württembergischen Königs in dreihundert Exemplaren an das Johanniterkrankenhaus Plochingen geschickt.⁶⁹ In der zeitgenössischen bibliotheksfachlichen Literatur dominieren zwei Metaphern zur Funktionsbestimmung der Lazarettbüchereien: Sie sollten den verwundeten Soldaten entweder als »geistige Nahrung« oder als »geistige Waffe« dienen. Mit zunehmender Kriegsdauer geriet die Literaturversorgung der Soldaten mehr und mehr in den Blick der Militärpropaganda und auch der Kirchen. Wilhelm Scheffen, Mitarbeiter im »Central-Ausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche«, schrieb 1917 über die besondere Empfänglichkeit und Möglichkeit zur Beeinflussung der Soldaten durch Lektüre: Vielleicht war die Gelegenheit zu einer intensiveren Berührung zwischen Volk und Buch noch nie so günstig wie jetzt. Auch der Arbeiter hat durch die Volksschulbildung und durch die gesamte Entwicklung des Volksbildungswesens zum Buch ein mehr oder weniger persönliches Verhältnis. Dabei ist der Soldat aus seinem gewöhnlichen Dasein herausgerissen, die Lage, in der er sich befindet, ist in jedem Fall eine außerordentliche. Es ist psychologisch ganz folgerichtig, daß alles, was sich in so außergewöhnlicher Lebenslage zuträgt, sich besonders stark dem Gedächtnis einprägt. So kann ein Buch, das im Schützengraben oder im Lazarett gelesen wird, mehr sein als ein bloßes Mittel zur Unterhaltung und Zeitverkürzung.⁷⁰ Auch die katholische Kirche rief mehrfach über den Borromäusverein zur Unterstützung von Lazarett-Bibliotheken und zur Beschaffung religiöser Schriften für die Front auf.⁷¹ Eine von der »Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit« in Düs68
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Schwäbischer Schillerverein Marbach-Stuttgart, Neunzehnter Rechenschaftsbericht über das Jahr 1. April 1914/15, Marbach a. N. 1915, S. 5. – Schwäbischer Schillerverein MarbachStuttgart, Einundzwanzigster Rechenschaftsbericht über das Jahr 1. April 1916/17, Marbach a. N. 1917, S. 6. Vgl. etwa den Brief der Bücherei-Abteilung des Roten Kreuzes an das Johanniterkrankenhaus Plochingen, 10. September 1914, HStA Stuttgart, P 7/1 Bü 231. Wilhelm Scheffen, Die Liebesarbeit für unsere Feldgrauen. Die Arbeiten der Inneren Mission und verwandter Bestrebungen, Leipzig 1917, S. 79. Religiöse Schriften in die Front, in: Die Wacht. Zeitschrift für katholische Jünglinge – Organ der katholischen Jugendvereine, 10. Jg., Nr. 17, 1914/15, Anfang Dezember 1914, S. 123. –
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seldorf herausgegebene Schrift über die »Kulturarbeit im Lazarett« empfahl die planmäßige Beschäftigung und geistige Anregung der Verwundeten sowie die Einrichtung von Büchereien.⁷² Aus dieser Erkenntnis heraus begannen auch militärische Dienststellen, die Soldatenfürsorge auszubauen und Bibliotheken einzurichten. So wandte sich das Stellvertretende Generalkommando des XIII. Königlich-Württembergischen Armeekorps im Sommer 1918 an schwäbische Unternehmer mit der Bitte um Spenden für die Lazarett-Bibliotheken. In einem Brief des Stellvertretenden Generalkommandos an Emil Lilienfein, den kaufmännischen Leiter und Teilhaber der Fortuna- und Norma-Werke Stuttgart-Cannstatt, vom 11. Juni 1918 heißt es: Es ist ein dringendes Erfordernis, die zum Teil äußerst bescheidenen und abgenützten Lazarettbüchereien zu ergänzen und durch Darbietung guten Lesestoffs mit nicht nur unterhaltendem sondern auch belehrendem Inhalt für die geistige Auffrischung und Fortbildung der zahlreichen Lazarettinsassen der annähernd 200 württembergischen Reserve- und Vereins- usw. Lazaretten Sorge zu tragen. Da der Büchervorrat immer knapper wird, ist es nötig vollends rasch zuzugreifen. Hiezu sind namhafte Mittel erforderlich. Es wäre dankenswert, wenn Sie zu diesem guten und vaterländischen Zweck eine Spende zur freien Verfügung des Unterrichtsoffiziers [für die Lazarette] stellen könnten.⁷³ Während die Heeresleitung eher auf humoristische Literatur zur Ablenkung setzte, wird hier von offizieller Seite um Lesestoff »mit nicht nur unterhaltendem sondern auch belehrendem Inhalt« gebeten. Auch andere Berichte von Soldaten und Bibliothekaren belegen, dass nicht nur Unterhaltungsliteratur gefragt war. Ein Artikel über »Lesehunger im Schützengraben« vom August 1915 schildert »die überaus rege Nachfrage nach technischen Büchern und Schriften, die so hoch gestiegen ist, daß sie trotz des Ankaufs tausender Druckschriften kaum bewältigt werden kann«.⁷⁴ Der Erfahrungsbericht eines Oberleutnants über das
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P. Müller, Lazarettbibliothek, in: Korrespondenzblatt für kath. Jugendpräsides. Offizielles Organ der Präsides der katholischen Jugendvereinigungen Deutschlands und mehrerer anderer Verbände. Heft 9–12, 12. Jg, 1914, S. 81–82. Kulturarbeit im Lazarett, hg. von der Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit Düsseldorf, Düsseldorf 1915. HStA Stuttgart, M 77/1 Bü 473. – Eine Aktenübersicht zum Thema Feld- und Lazarettbüchereien im Militärarchiv Stuttgart findet sich in: Ulrich Hohoff, Quellen zur Geschichte der Volksbibliotheken in Württemberg und Hohenzollern 1806–1918. Ein sachthematisches Inventar, Stuttgart 1990, Nr. 460–472. Lesehunger im Schützengraben, in: Das Rote Kreuz. Central-Organ für deutsche Wohlfahrts- und Wohltätigkeitsbestrebungen, Jg. 33, Nr. 16, 8. August 1915, S. 564.
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Kriegsbüchereiwesen konstatiert ebenfalls das Interesse für »alles, was Elektrizität, Flugwesen und andere Technik behandelt«, außerdem die »tiefe Abneigung unserer Soldaten gegen jedes aufdringliche, ›geistig erziehende‹ Wort«.⁷⁵ Auch der Rotkreuzdelegierte Carl-August Graf von Drechsel, der den Frontabschnitt hinter Verdun betreute, hielt in seinem Tagebuch fest, dass er zunehmend alle Kriegsliteratur vermeide.⁷⁶ Solche Äußerungen zeigen, dass sich das Lektüreverhalten im Krieg änderte und die Soldaten eine gewisse Resistenz gegen Versuche der Beeinflussung und Steuerung entwickelten. Die Lazarett-Bibliotheken und Truppenbüchereien gerieten mehr und mehr ins Blickfeld der Volkserzieher und der Militärpropaganda. So galt etwa für die fahrbaren Kriegsbüchereien seit 1916 eine eher deutsch-patriotische, rein national orientierte Bestandsauswahl.⁷⁷ Im Gegensatz dazu spiegeln die Lazarett-Bibliotheken der Königlichen Hausbibliothek von 1914 / 15 die internationale Literatur der Jahrhundertwende wider. Ihr Literaturangebot durchlief bibliothekarische Auswahlprozesse (siehe unten Abbildungen 9 und 10), war aber breit und pluralistisch angelegt. Die Ansätze zur flächendeckenden Einrichtung von Lazarett-Bibliotheken im kaiserlichen deutschen Heer wurden später von der Reichswehr und Wehrmacht fortgeführt. Neben den Truppenbüchereien und Offiziersbibliotheken sollte jedes Heereslazarett Unterhaltungsbüchereien erhalten.⁷⁸ Die Einrichtung von Lazarett-Bibliotheken im Ersten Weltkrieg hatte auch über das Militär hinaus Auswirkungen auf die zivilen Krankenhäuser. Seit den 1920er Jahren etablierten sich mehr und mehr Patientenbibliotheken – obwohl gerade in Deutschland immer wieder hygienische Bedenken angeführt wurden, um sie zu verhindern.⁷⁹ Mit
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Oberleutnant Trowitzsch, Meine Erfahrungen im Kriegsbücherei-Wesen, in: Mitteilungen betr. Kriegsaufklärung, 13. Oktober 1917, Nr. 8, Anlage 2. »So geht das Morden täglich weiter«. Erinnerungen des Rotkreuzdelegierten Carl-August Graf von Drechsel 1914–1919, hg. von Stefan Schomann, Regensburg 2014, S. 134. Vgl. Christian Schrödel, Die »Bildungskanonen«. Fahrbare Feldbüchereien im deutschen Heer des Ersten Weltkriegs, Masterarbeit an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig 2015, S. 61–63. Reichswehr-Sanitäts-Vorschrift, Teil 5: Lazarette, vom 29. Dezember 1934, Berlin 1935, S. 18, Nr. 116–117. – Siehe auch die Bibliografie Krankenhaus- und Lazarettbüchereien in: Joris Vorstius, Die Erforschung des Buch- und Bibliothekswesens in Deutschland 1933–1945. Systematische Bibliografie der Bücher und Zeitschriftenaufsätze mit Erläuterungen, Amsterdam 1969, S. 77. – Aus dem Zweiten Weltkrieg ist etwa das Bücherverzeichnis des »SSLazarett Berlin« mit Stand von 1942 überliefert. Es gliedert sich in die drei Bereiche Politik (479 Titel), Geschichte und Naturwissenschaft (263 Titel) und Unterhaltung (1843 Titel). Vgl. den geschichtlichen Rückblick in: Richtlinien für Patientenbibliotheken, erarbeitet von einer Expertengruppe der Kommission für besondere Benutzergruppen des Deutschen Bibliotheksinstituts, Textfassung und Redaktion: Detlef Schwarz, Berlin 1995, S. 7 f.
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dem Marbacher Schrank, seiner Bestandsliste und dem rekonstruierten Inhalt kann dieser Bibliothekstyp nun in seinen Ursprüngen näher untersucht werden. Die Geschichte der Lazarett-Bibliotheken liefert wichtige Daten für Forschungen zum Verhältnis von Militär, Medizin, Gesellschaft und Staat, das in jüngster Zeit stärker in den Blick gerät.⁸⁰ Die Konstitution von Sammlungen und Ordnungsstrukturen ist oft in Extremsituationen begründet. Die Lazarett-Bibliotheken sind ein Zeugnis dafür, wie die Menschen mitten im Krieg Sammlungen aufbauten, die in ihrer Bestandsauswahl die kriegerische Kultur der Zeit widerspiegelten, aber ihren Nutzern auch Freiräume eröffneten, die nicht dem offiziellen militärischen Leitparadigma entsprachen und eine individuelle Reflexion von Gewalterfahrungen ermöglichten. Die Soldatenbibliotheken des Ersten Weltkriegs können als Literatursysteme im Spannungsfeld von propagandistischer Beeinflussung und selbständiger Meinungsbildung verstanden werden.
Bibliografie Lazarett-Bibliothek Nr. 220 (Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 12. 10. 1914, S. 1518) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 80
Achleitner, A.: Der Bahnwächter. Barzini, L.: Peking – Paris im Automobil. Beitzke, H.: Geschichte des russischen Krieges im Jahre 1812. Björnson, B.: Arne. Blau, P.: Die Seele und ihr Heil. Bleibtreu, K.: Friedrich der Große bei Kolin. Bloem, W.: Das lockende Spiel. Blüthgen, V.: Die kleine Vorsehung. Bock, A.: Die harte Scholle. Böhlau, H.: Ein Sommerbuch. Bölsche, W.: Von Sonnen und Sonnenstäubchen. Bork, H.: Deutschlands große Jahre 1870 / 71. Botstiber, J.: Tagebuch eines bösen Buben. Bret Harte, F.: Kalifornische Erzählungen. Dehn, P.: Wilhelm I. als Erzieher. Delbrück, H.: Persönliche Erinnerungen an den Kaiser Friedrich und sein Haus. Ernst, O.: Laßt Sonne herein! Fontane, Th.: Meine Kinderjahre. François, L. v.: Frau Erdmuthens Zwillingssöhne. Freytag, G.: Die Brüder vom deutschen Hause. Funcke, O.: Reisebilder und Heimatklänge. Vgl. den Tagungsbericht: Der militärisch-medizinische Komplex in der Frühen Neuzeit. Zum Verhältnis von Militär, Medizin, Gesellschaft und Staat, 7.–8. November 2014 Hamburg, in: H-Soz-Kult, http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte–5876 (17. März 2015).
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Ganghofer, L.: Gewitter im Mai. Gantzer, F.: Der Karnickelbaron. Garlepp, B.: Am Hofe Friedrichs I. von Preußen. Geyer, A.: Das Amulett. Gotthelf, J.: Wie Uli, der Knecht, glücklich wird. Grillparzer, F.: Der arme Spielmann. Hackländer, F.W.: Eugen Stillfried, I. Band. – do. II. Band. Hahn, W.: Hans Joachim von Zieten. Hallström, P.: 3 Novellen. Hanning, H.: Münchhausens Jagd- und Reiseabenteuer. Hansjakob, H.: Der steinerne Mann von Hasle. Hauff, W.: Lichtenstein. Hauptmann, H.: Auf tönernen Füßen. Hebbel, F.: Schnock. Hebel, J. P.: Ausgewählte Erzählungen und Gedichte. Hedenstjerna, A.v.: Allerlei Leute. Heer, J. C.: Joggeli. Hegeler, W.: Eros. Herzog, R.: Komödianten des Lebens. Höcker, P. O.: Die verbotene Frucht. Hoffmann, E. T. A.: Der goldene Topf u. a. Hoffmeyer, L.: Kaiser Wilhelm der Große. Hopfen, H.: Mein Onkel Don Juan. Huch, R.: Seifenblasen. Humor, Deutscher. Humor des Auslandes. Immermann, K.: Der Oberhof. Jacobsen, J. P.: Erzählungen. Jahnke, H: Fürst Bismarck. Jensen, W.: Osmund Werneking. – Deutsche Männer. Kallenberg, T.: Auf dem Kriegspfad gegen die Massai. Kennan, G.: Sibirien und das Verbannungssystem. Kern, R.: Preußische Geschichte. Kipling, R.: Das Soldatenkleeblatt. Köppen, F. v.: Die Hohenzollern und das Reich. Korpin, H.: Heerwesen und Kriegsführung im 19. Jahrhundert. Krüger-Westend, H.: Goethe als Mensch. Kühns, C.: Unter Napoleons Joch. Küttner, H.: Unter d. dtschn. Roten Kreuz im südafrikan. Kriege. Lagerlöf, S.: Eine Gutsgeschichte. Laverrenz, V.: Seemannslatein. Marine-Humoresken. Lindau, P.: Herr und Frau Bewer u. a. Meister, F.: Die Schatzsucher im Eismeer. – Im Kielwasser des Piraten. Meyer, A.: Aus guter alter Zeit. Berliner Bilder. Müller-Bohn, H.: Die stumme Schuld. Neumann-Strela, K.: Die Hohenzollern in Wort und Bild. Noeldichen, Ch. E.: Wunderliche Gesellen. Ompteda, G. v.: Denis de Montmidi. Otto, E.: Coopers Lederstrumpf-Erzählungen. Perfall, A. v.: Aus meinem Jägerleben.
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75. Petersdorff, H. v.: Der erste Hohenzollern-Kaiser im Dienste preußischer und deutscher Größe. 76. – Königin Luise. 77. Petrich, H.: Unser Kaiser. 78. Poe, E.A.: Phantastische Erzählungen. 79. Polenz, W. v.: Wald. 80. Presber, R.: Von Kindern und jungen Hunden. 81. Ranke, L. v.: Die Erhebung Preußens im Jahre 1813. 82. Reiseonkel, Der fidele. Allerhand Humoristisches. 83. Reuter, F.: De mecklenbörgschen Montecchi un Capuletti. 84. Runeberg, J. L.: Fähnrich Stahls Kriegsgeschichten. 85. Sarcey, F.: Die Belagerung von Paris. 86. Schiel, A.: 23 Jahre Sturm und Sonnenschein in Südafrika. 87. Schlicht, Freiherr v.: Leutnant Krafft. 88. Schmidt, M.: Am goldenen Steig. 89. Schulze-Berghof, P.: Die Königskerze. 90. Scott, W.: Der Talisman. 91. Sealsfield, Ch.: Nathan der Squatter. 92. Seeliger, E. G.: Zwischen den Wäldern. 93. Seidel, A.: Unser Hohenzollernhaus. 94. Sienkiewicz, H.: Quo vadis. 95. Slatin Pascha: Feuer und Schwert im Sudan. 96. Sperl, A.: Die Fahrt nach der alten Urkunde. 97. Spielhagen, F.: Die Dorfkokette. 98. Standtfest, R. v.: Bismarck. 99. Stanley, H. M.: Wie ich Livingstone fand. 100. Strauß und Torney, L. v.: Der Hof am Brink. Das Meerminneke. 101. Stülpnagel, C. v.: Heiße Tage. 102. Stumvoll, R.: Es ist die letzte, höchste Not. 103. Stünkel, E.: Friedrich Wilhelm v. Seydlitz, der Held von Roßbach. 104. Tanera, C.: Ernste und heitere Erinnerungen eines Ordonanz-Offiziers im Jahre 1870/71. 105. Tausend und eine Nacht. 106. Tausend und ein Tag. 107. Tolstoi, L. N.: Volkserzählungen. 108. Trog, C.: Rheinlands Wunderhorn. 109. Turgenjeff, J.: Memoiren eines Jägers. 110. Ubisch, E. v.: Der Freiheitskampf aus 1813. 111. Uhlhorn, G.: Der Kampf des Christentums mit dem Heldentum. 112. Viebig, C.: 3 Erzählungen. 113. Vormeng, K.: Erlebnisse eines Arztes 1870 / 71. 114. Weigand, W.: Die Frankenthaler. 115. Weizsäcker, C.: Das Neue Testament. 116. Weule, K.: Negerleben in Ost-Afrika. 117. Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen. 118. Zeit, Aus großer: Der Krieg gegen Frankreich 1870 / 71. Hierzu für jedes Lazarett eine Kiste illustrierter Zeitschriften, Volks- und Erbauungsbücher, ferner zum Aushang im Lazarett: Deutscher Armeekalender 1914 und 3 Flemmings Kriegskarten.
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Lazarett-Bibliothek Nr. 228 (DLA Marbach) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.–30. 31.–33. 34.–36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59.
Anthes: Heinz Hauser. Baer: Prinzess Elisa Radziwill. Bardeleben: Festlichkeit am Brandenburgischen Hofe. Bisland: Eine Blitzfahrt rund um die Erde. Bleibtreu: Die Vielzuvielen. Boelsche: Aus der Schneegrube. Bonnet: Lebensbilder aus der Reformationszeit. Boschen: Kriegserinnerungen 1870 / 71. Brand: Vor der Fremdherrschaft. Brand[t]: Sehen und Erkennen. Brekenfeld: Erlewnisse ut 1870 un 71. Brentano: Märchen. Büchlein zum Weitergeben. Nr. 5. Dehn: Wilhelm der Erste als Erzieher. Dickens: David Copperfield. Bd 1. Dickens: David Copperfield. Bd 2. Dieskau: Jochen Albrecht. Dun[c]ker: Die heilige Frau. Eberwein und Lobe: Goethes Schauspieler und Musiker. Eckstein: Kyparissos. Freytag: Aus dem Jahrhundert des großen Königs. Friedemann: Der Schuldige. Frommel, [Otto]: Emil [Frommel]. Ein Lebensbild. Gebhardt: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Greville: Dosia. Hackländer: Europäisches Sklavenleben. Hackländer: Wachtstubenabenteuer. Hackländer: Der letzte Bombardier. Hallström: Eine alte Geschichte. Hammer: Schau um dich und schau in dich. Hart: Träume der Mittsommernacht. Hartenstein: Der gute Kamerad. Hartleben: Die Geschichte vom abgerissenen Knopf. Hedenstjerna: Der Majoratsherr von Halleborn [recte: Halleborg]. Heer: Der König der Bernina. Heyking: Ille mihi. Hirundo: Till Riemenschneider. Höcker: Auf der Wacht im Osten. Höcker: Ludwig Devrient. Holitscher: Das sentimentale Abenteuer. Huch: Der letzte Sommer. Immelmann: Graf Albrecht von Roon. Jensen: Karin von Schweden. Junghans: Eine Versuchung. Kapp: Leben des Generals Friedrich Wilhelm von Steuben. Kaerl: Die Flucht im Automobil. Keller: Auf dein Wort. Kennan: Sibirien und das Verbannungssystem. Kipling: Das Soldatenkleeblatt. Klee: Zwanzig deutsche Volkslieder. Knabenbbuch, Deutsches.
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Knobloch: Gläserne Wände. Koppen: Bubi. Koppen: Kleinstadtzauber. Kotzde: Der Gott, der Eisen wachsen liess. Krieg: Konstantin von Alvensleben. Krüger: Gottfried Kämpfer . Künzel: Die Briefe der Liselotte. Lachenmaier: Schiller-Breviarium. Liliencron: Kriegsnovellen. Mehlhorn: Wahrheit und Dichtung im Leben Jesu. Meyer: Jürg Jenatsch. Meyr: Regine. Mittler: Die deutsche Kriegsflotte 1913. Müller, H.: Die Erziehung für Dienst- und Tatenfreudigkeit. Müller, W.: Illustr. Geschichte des Krieges 1870 / 71. Müsebeck: Ernst Moritz Arndt. Neumann-Strela: Unser Kaiserpaar. Ohnet: Die Damen von Croix-Mort. Bd 1. Ohnet: Die Damen von Croix-Mort. Bd 2. Ompteda: Unter uns Junggesellen. Osenbrüggen: Die Schweizer daheim und in der Fremde. Otto: Unser Kaiser. Petrich: Vom alten Fritz. Pichler: Der alte Nettelbeck. Perfall: Vaterschaft. Plötz: Kein Raum. R.[edern], H.v.: Auf Umwegen. Reade: Ein gefährliches Geheimnis. Bd 1. Reade: Ein gefährliches Geheimnis. Bd 2. Reinick: Märchen und Lieder. Reiseonkel, Der fidele. Reuter: Ut mine Stromtid. Bd 1. Reuter: Ut mine Stromtid. Bd 2. Richter: Geschichte des Freiheitskrieges 1813–15. Röder: Reisebilder aus Amerika. Rod: Sein Schicksal. Rouanet: Von Toulouse bis Beeskow. Rumpel[t]: Sizilien und die Sizilianer. Rützebeck: Dänischer Sommer. Schüber [recte: Schieber, Anna]: Amaryllis. Schiller: Ausgewählte Gedichte. Schimmelpfennig: Der Pfarrer von Wetterberg. Schneider: Eine Weihnachtsfeier in Labrador. Schreckenbach: Der böse Baron von Krosigk. Schubin: Die Tragödie eines Idealisten. Sienkiewicz: Strudel. Sonnenburg: König Bert[h]ari. Spicer: Blätter und Blüten aus Kroatiens Gauen. Spielmann: Aufgang aus Niedergang. Spohn: Briefe an Reservisten. Strindberg: Kleine historische Romane. Sue: Der ewige Jude. Tausend und eine Nacht.
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Treitschke: Zwei Kaiser. Universum, Das Neue. Verne: Der Triumph des 19. Jahrhunderts. Vogelschutzkalender 1914. Vormeng: Erlebnisse eines Arztes 1870 / 71. Voss: Psyche. Wallace: Ben Hur. Wir deutsche Offiziere. Wir deutsche Soldaten. Wolzogen: Ferdinand Raimund. Würdig: Burggraf Friedrich von Nürnberg. Würtenberger: Der Hengarthof. Zahn: Die Frauen von Tanno. Zapp: Der falsche Hundertmarktschein. Zapp: Seiner Majestät Schönster. Ziegler: Monte Carlo. Zingerle: Johanna. Zobeltitz: Das versunkene Goldschiff. Zimmermann: Fer’sche Gemiedhe. Zschokke: Werke.
1 Berliner Kalender 1914. 1 Deutscher Evangelischer Volkskalender 1914. 8 Exemplare von Flemmings Kriegskarten.
Lazarett-Bibliothek Nr. 252 (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand P 7 / 1, Bü 230 und Bü 232) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
Abseits vom Wege. Agahd K. Siegart. Ahrens W. Gelehrten-Anekdoten. Aram K. Familie Dungs. Auerbach B. Das Landhaus am Rhein, Band 1. Bartsch Der letzte Student. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 3. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 4. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 5. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 16. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 17. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 22. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 33. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 23. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 24. Bachem’s Novellen-Sammlung Band 38. Bachem’s Romane Band 1 Bachem’s Romane Band 2. Bachem’s Romane Band 3. Bachem’s Romane Band 4. Bachem’s Romane Band 5.
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Baumbach R. Kaiser Max und seine Jäger. Birndt F. Licht- und Schattenbilder. Bleibtreu C. Marschälle, Generale, Soldaten Napoleons I. Bodenstedt F. Die Lieder des Mirza-Schaffy. Boehmer H. Luther. Bonne G. Im Kampf um die Ideale. Bosse R. Eine Dienstreise nach dem Orient. Braunfels L. Das Nibelungen-Lied. Bückmann L. Ajo der Guging. Bürger G. A. Wunderbare Reisen des Freiherrn von Münchhausen. Busch W. Die fromme Helene. Christensen Aus dem Leben eines Junggesellen. Christoterpe, Neue. Conrad, Ein feste Burg ist unser Gott! Daheim-Kalender 1898. Deutsche Vaterlandslieder. Deutschlands-Jugend Band 13. Dove K. Die deutschen Kolonien Band 2. Eckardt P. Zwei Kriegsjahre beim Südwestafrikanischen Train. Eyth M. Hinter Pflug und Schraubstock. Feldhaus F.M. Luftfahrten einst und jetzt. Feuillet O. Künstlerehre. Frenssen G. Jörn Uhl. Ganghofer L. Der laufende Berg. Gartenlaube-Kalender 1893. Geijerstam G.af Pastor Hallin. Goethe W.v. Gespräche mit Eckermann Band 1. Goethe W.v. Gespräche mit Eckermann Band 2. Goethe W.v. Werke Band 27–31. Grillparzer F. Sappho. Grimm H. Unüberwindliche Mächte Band 1. Grimm H. Unüberwindliche Mächte Band 2. Haas H. Aus der Sturm- und Drangperiode der Erde Band 1. Haas H. Aus der Sturm- und Drangperiode der Erde Band 2. Hach O. Johann Gottfried Schadow. Haegeholz W. Im Kampf um Liebe und Pflicht. Hanslick E. Die moderne Oper. Hebbel Fr. Ein Lebensbuch. Hertz P. Italien und Sizilien. Hesse H. Unterm Rad. Höcker G. Die Vorbilder der deutschen Schauspielkunst. Hoffmeyer L. Wilhelm der II. Huch R. Der letzte Sommer. Humoristen, deutsche Band 3. Huning. Die Entwicklung der Schiffs- und Küstenartillerie bis zur Gegenwart. Illustriertes Jahrbuch 1900. In eiserner Zeit 1914. Jensen W. Unter heisserer Sonne. Jonas S. Sagen des Altertums. Jugendfreund, neuer deutscher. Jungdeutschland-Kalender 1913. Keller S. Mosaikbilder. Kinkel G. Otto der Schütz.
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Koch J. Römische Geschichte Band 1. Koch J. Römische Geschichte Band 2. Kotzde W. Der Gott, der Eisen wachsen ließ … Kriegstagebuch 1870–1871. Kurze F. Deutsche Geschichte Band 1. Kurze F. Deutsche Geschichte Band 2. Kurze F. Deutsche Geschichte Band 3. Labtau T. Die Stunde der Erlösung. Lamprecht K. Deutscher Aufstieg 1750–1914. Las Cases. Napoleon I. Lauff J. Kevelaer. Lehne F. Die Schuld. Liliencron A.v. Reiterbriefe aus Süd-West. Linde R. Die Lüneburger Heide. Mereschkowski D. Julianus Apostata. Mörike E. Drei Erzählungen. Nack A. Schnurrenschüssel. Neumann P. Luftschiffe. Ohnsorge Fr. Hinaus! Ohnet G. Gräfin Sarah Band 1. Ohnet G. Gräfin Sarah Band 2. Pasqué E. Wer hat dich, du schöner Wald? Perthes J. Taschenatlas. Peschel-Wildenow Theodor Körner Band 1. Peschel-Wildenow Theodor Körner Band 2. Pietsch L. Knaus. Poe E.A. Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym. Pohlmann-Hohenaspe A. Laienbrevier der National-Oekonomie. Reitlinger E. Freie Blicke. Reuter Fr. Werke Band 15–18. Rodd R. Friedrich III. Rosegger P.K. Die Älpler. Rosegger P.K. Das ewige Licht. Rosegger P.K. I.N.R.I. Schaffner J. Die Erlhöferin. Schian M. Gedanken im Lazarett. Schieber A. Alle guten Geister … Schiller Fr.v. Gedichte. Schloemp F. Das Gespensterbuch. Schubin O. Vollmondzauber. Seneca. Vom glückseligen Leben. Sienkiewicz H. »Quo Vadis?« Sonnenburg F. Sängerruhm. Spanien in Wort und Bild. Speidel L. Heilige Zeiten. Sperl A. Die Fahrt nach der alten Urkunde. Steffens H. Breslau 1813. Stratz R. Arme Thea! Strauss E. Freund Hein. Strecker K. Goethes Faust. Strindberg A. Historische Miniaturen. Swett-Marden O. Die Macht des Gedankens. Tagebuch des preussisch-deutschen Kriegsruhms.
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Theuriet A. Mein Onkel Scipio. Thomas von Kempen. Vier Bücher von der Nachfolge Christi. Twain M. Reisebilder. Vambéry H. Sittenbilder aus dem Morgenlande. Verne J. Reise um die Erde in 80 Tagen. Voss R. Das Mädchen von Anzio. Weitbrecht C. Deutsche Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts Band 1. Weitbrecht C. Deutsche Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts Band 2. Wildenbruch E.v. Das schwarze Holz. Wolff J. Assalide. Wolff J. Tannhäuser. Band 1. Wolff J. Tannhäuser. Band 2. Zobeltitz H.v. Des Lebens Enge. Fraentin-Halensee. Ja, ja Amerika. Schaerowitz: Drei Jahre deutschen Flugsports. Ein Denkmal der Arbeit. Tegner. Frithjofs-Sage. Runeberg: Fähnrich Stahl. Ohnesorge: Hinaus! 3 Heimatkalender für das Land Jericho. Dielitz: Lebensbilder. Dielitz: Naturbilder und Reiseskizzen. Thea Wolf: Im Lande des Lichts. P.O. Höcker: An der Spitze meiner Kompagnie Das deutsche Soldatenbuch
Deutscher Volksfreund 1914. Flemmings-Kriegskarten 8 Exemplare. Fritz von Uhde.
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1. Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 102 der Bücher-Sammelstelle der Königlichen Hausbibliothek Berlin, 1914, aus: Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1916, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, Berlin 1916, nach Kalenderblatt 18.–24. Juni 1916. © DLA Marbach
2. Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 228 der Bücher-Sammelstelle der Königlichen Hausbibliothek Berlin, verschickt im August 1914, Dauerleihgabe von Dr. Hans-Jürgen Goebelbecker an das DLA Marbach, Zustand Herbst 2014, nach der Restaurierung. © DLA Marbach
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3. Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 228, Zustand Herbst 2014, nach der Restaurierung, mit den drei originalen Regalböden und dem auf die Innentür geklebten Bestandsverzeichnis von 1914. © DLA Marbach
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4. Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 228, Zustand Frühjahr 2014, vor der Übernahme durch das DLA Marbach und der Restaurierung durch die Firma Futterknecht. © Dr. Hans-Jürgen Goebelbecker
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5. Bestandsverzeichnis der Lazarett-Bibliothek Nr. 228 auf der Innentür des Schrankes. © DLA Marbach
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6. Blick in den Lazarett-Bibliothek-Schrank Nr. 228 mit dem teilweise rekonstruierten Bestand, Frühjahr 2015. © DLA Marbach
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7. Besitzstempel der Lazarett-Bibliothek Nr. 2, Buch Nr. 40, DLA Marbach. © DLA Marbach
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8. Besitzstempel der Lazarett-Bibliothek Nr. 25, Buch-Nr. 95, Privatbesitz Dr. Michael Steiner, Rostock. © Dr. Michael Steiner
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9. Kistenbüchereien der Königlichen Hausbibliothek Berlin, aus: Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1917, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, bearbeitet vom Königl. Hausbibliothekar Dr. Bogdan Krieger, Berlin 1917, nach Kalenderblatt 26. September 1917. © DLA Marbach
10. Die Büchersammelstelle der Königlichen Hausbibliothek Berlin, aus: Roter Kreuz-Kalender für das Jahr 1917, hg. vom Centralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, bearbeitet vom Königl. Hausbibliothekar Dr. Bogdan Krieger, Berlin 1917, nach Kalenderblatt 01. Juni 1917. © DLA Marbach
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11. Porträtfoto Dr. Bogdan Krieger (1863–1931), von 1895 bis 1929 Leiter der Königlichen Hausbibliothek Berlin und Initiator der Lazarett-Bibliotheken, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Portr. Slg / Bibl. kl / Krieger, Bogdan, Nr. 1. © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
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12. Buchlektüre im Ludwigsburger Reserve-Lazarett, aus: Das Rote Kreuz. Central-Organ für deutsche Wohlfahrts- und Wohltätigkeitsbestrebungen, Jg. 33, Nr. 19, 19. September 1915, S. 682. © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
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private bibliotheken emigrierter autorinnen und autoren im dla marbach Bücher sind elementare Inspirationsquellen für Schreibende. Ihre äußerst sorgsame Behandlung ebenso wie intensive Gebrauchs- und Abnutzungsspuren, aber auch ein affektives Verhältnis zum Buchbesitz, das sich durch Erwerbsvermerke, Widmungen und Einlagen ausdrücken kann, verleihen Nachlassbibliotheken einen individuellen Charakter. Nicht selten bilden heute Bibliothekszimmer das Herzstück von Dichterhäusern, denkt man an Johann Wolfgang von Goethes vor dem Zugriff der Besucher gesicherte Sammlung in seinem Weimarer Haus am Frauenplan oder an Anna Seghers’ »durch viele glückliche Zufälle über die Exilzeit« gerettete, »seit ihren Jugendjahren zusammengetragene Bibliothek«¹ in Berlin Adlershof. Als Instrument der wissenschaftlichen Beschäftigung mit voraussetzungsreicher Dichtung und komplexen Autorenpoetiken hat sich die Katalogisierung und Erschließung von Dichterbibliotheken, über museale Präsentationsformen hinausgehend, zu einem spezifischen Arbeitsbereich von literatur-, bibliotheks- und buchwissenschaftlicher Relevanz entwickelt. Damit werden Voraussetzungen geschaffen sowohl für die Nutzung einzelner Bände – etwa zum Nachweis intertextueller Bezüge – als auch zur Beschreibung und Analyse sich darin abbildender Wissensgebiete.² Zu den Sondersammlungen der Bibliothek des DLA Marbach gehören die (nun aus ihren letzten Aufstellungskontexten herausgelösten) privaten Arbeitsbibliotheken so namhafter Autorinnen und Autoren wie Hans Blumenberg, Paul Celan, Hilde Domin oder Reinhart Koselleck.³ Einige Bibliotheken, die den Schrei-
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Bodo Plachta, Dichterhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Stuttgart 2011, S. 249. Der vorliegende Aufsatz entstand im Projekt Autorenbibliotheken. Materialität – Wissensordnung – Performanz des vom Bundesmininsterium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbandes Marbach Weimar Wolfenbüttel (www.mww-forschung.de). Dank institutioneller Kooperationen und Digitalisierungsprojekte lassen sich auch solche Bestände virtuell zusammenführen, die auf unterschiedliche Standorte verteilt oder sogar verloren gegangen sind. Vgl. etwa Arno Barnert, Die Erschließung und Rekonstruktion von Paul Celans Nachlassbibliothek, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, Jg. 56, Göttingen 2012, S. 309–324.
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benden zugleich als Arbeitsinstrumente dienten, können als »Exilbibliotheken« erforscht werden.⁴ Seit der Erwerbung der Bibliothek Kurt Tucholskys als Teil des Tucholsky-Archivs im Jahr 1969 haben die Privatbibliotheken emigrierter Autorinnen und Autoren und Intellektueller die Sondersammlungen der Bibliothek erweitert, darunter die (Teil-)Bibliotheken von Siegfried Kracauer (1972), Eduard Berend (1973), Kurt Pinthus (1975), Claire und Iwan Goll (1978), Jean Améry (1987), Hans Sahl (1989), H. G. Adler und Werner Kraft (1996), Norbert Elias (1999), Karl Otten (2002), Alfred Döblin (2001), Walter Hasenclever (2002), Hilde Domin und Erwin Walter Palm (2006), Konrad Merz (2007) sowie von Karl und Olga Lieblich (2012).⁵ Diese Bibliotheken gelangten in unterschiedlichsten Zusammenhängen nach Deutschland zurück: im Zuge der Remigration (Kurt Pinthus), dank des Engagements nahestehender Personen (Kurt Tucholsky), als Nachlassbestandteil (Siegfried Kracauer) oder als spätere Nachlass-Ergänzung (Karl Lieblich). Von inhaltlichen Aspekten abgesehen, wäre für jede einzelne dieser Privatbibliotheken der Exilcharakter individuell darzustellen. Ihnen könnten vergleichend Bibliotheken anderer Standorte an die Seite gestellt werden, darunter die in der Berliner Akademie der Künste liegenden Nachlassbibliotheken von Theodor W. Adorno, Alfred Kerr, Ludwig Strauß, George Grosz oder Arnold Zweig, am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam die Bibliothek Alex Beins, in der Exilbibliothek des Literaturhauses Wien die Bibliothek Mimi 4
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Anschließend an eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Exilbegriff selbst bedarf gerade auch die Charakterisierung als Exilbibliothek einer theoretischen Grundlegung. Die Notwendigkeit hierfür kann im Rahmen dieses Beitrags nur angedeutet werden, soll jedoch in einer gesonderten Darstellung mit Blick auf entsprechende Bibliotheken im internationalen Kontext vorgelegt und zur Diskussion gestellt werden. Einige Bibliotheken sind aus unterschiedlichen Gründen nur als Teilbibliotheken im DLA Marbach überliefert. Von der vormals äußerst umfangreichen Bibliothek Stefan Zweigs besitzt das DLA Marbach einen großen Teil der teilweise annotierten Auktionskatalogsammlung sowie die dazu gehörende, vor allem von Friederike Zweig geführte Kartei. Die Bibliothek des nach Brasilien emigrierten Karl Lieblich erscheint bei näherer Betrachtung aufgrund der Besitzvermerke zugleich als Bibliothek Olga Lieblichs, deren Leseinteressen sich hierin klar abzeichnen. Ebenfalls in der Bibliothek des DLA Marbach befindet sich als Depositum der Bundesrepublik Deutschland ein Teil der Sammler-Bibliothek des jüdischen Wiener Rechtsanwalts Ludwig Töpfer. Die ursprünglich ca. 7000 Bände umfassende Sammlung konnte Töpfer zunächst noch über Paris mit nach Luzern bringen, wo er schließlich das Auktionshaus Gilhofer & Ranschburg mit der Veräußerung beauftragte. Unter dem Druck zu verkaufen, gelangte die Sammlung für eine Summe, die einen Bruchteil ihres Wertes darstellte, nach Verhandlungen mit Martin Bormann – wovon Töpfer, der sich mittlerweile in Südfrankreich auf der Flucht befand, freilich nichts wusste – ins Stift Kremsmünster, wo für das geplante Linzer »Führermuseum« vorgesehene Bestände aufbewahrt wurden. Siehe Martin Schumacher, Von Max Alsberg bis Ludwig Töpfer. Bücher und Bibliotheken jüdischer Rechtsanwälte nach 1933. Verluste, Fundstücke und ein Erbe aus »Reichsbesitz«, Neustadt an der Aisch 2012, S. 123–146.
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Grossbergs, in der Villa Aurora, Los Angeles, und der USC Lion Feuchtwangers und in der Jerusalemer Nationalbibliothek Israels Gershom Scholems Bibliotheken.⁶ Historisch verbindet diese Sammlungen, dass ihre im Nationalsozialismus als Juden verfolgten Besitzer gezwungen waren, Deutschland zu verlassen. Erika und Klaus Mann betonen in ihrer frühen Abhandlung Escape to Life, in der sie die Erinnerung an die aus Deutschland geflohenen Literaten, Kunstschaffenden und Denker festzuschreiben suchen, dass Zahl und Schicksal der Exilanten aufgrund verschlungener Ausreisewege und vieler Durchgangsstationen faktisch nicht erfassbar und bezifferbar seien: »Many – altogether too many! – are driven from one country to another, forced to vagabond lives. The restless ones, the eternal wanderers, cannot be catalogued.«⁷ Noch weit schwieriger als die Wege der Buchbesitzer nachzuzeichnen, ist es, die Wege ihres Besitzes zu dokumentieren: Oft sind die zusammen mit weiteren Haushaltsbestandteilen in Containern transportierten Bücher nicht an alle Orte mitgenommen oder an ungeeigneten Stellen zwischengelagert worden. H. G. Adler verlor seinen von ihm als große Kostbarkeit wahrgenommenen Buchbesitz bereits vor der eigenen Deportation, als er ihn in Sicherheit zu bringen glaubte. In einem Brief vom 17. Oktober 1947 berichtet er voller Bitterkeit über dessen Veruntreuung durch einen Bekannten: »Im Frühjahr 1938 wollte ich [meine Bibliothek] in ›kluger‹ Voraussicht der kommenden Dinge retten und schaffte sie zu einem ›Freund‹ nach Palästina – nun, Du kennst ja die Schätze, und der Lump hat sie nach Kriegsbeginn samt diversen Antiquitäten und allen meinen Noten verschleudert.«⁸ Für die überlieferte (Teil-)Bibliothek Adlers sei hiermit angedeutet, was für das Gros privater Bibliotheken, besonders aber für die durch das Exil geprägten Bibliotheken gilt: Bisweilen finden sich ganze Lektüre- und Arbeitsphasen darin nicht repräsentiert. Gravierende Dezimierungen bei den Vorbereitungen der Emigration und schließlich im Zuge der gewandelten Lebens- und Arbeitsbedingungen im Exil waren die Regel.⁹ Je nach Einreiseland änderten sich die Relevanz der (meist
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Ein Atlas oder Handbuch zu überlieferten Exilbibliotheken steht noch aus; wichtige Impulse gaben die beiden im Weiteren genannten, Publikationen: »Wie würde ich ohne Bücher leben und arbeiten können?« Privatbibliotheken jüdischer Intellektueller im 20. Jahrhundert, hg. von Ines Sonder, Karin Bürger und Ursula Wallmeier, Berlin 2008 – Bibliotheken und Sammlungen im Exil, hg. von Claus-Dieter Krohn und Lutz Winckler, München 2011. Erika Mann und Klaus Mann, Escape to Life, Boston 1939, S. VIII. Brief von H. G. Adler an Wolfgang Burghart, 17. Oktober 1947, zitiert nach Franz Hocheneder, H. G. Adler (1910–1988). Privatgelehrter und freier Schriftsteller, Wien, Köln und Weimar 2009, S. 113. Vgl. Caroline Jessen, Bücher als Dinge. Funktionen emigrierter Bücher und Buchsammlungen für deutsch-jüdische Einwanderer in Palästina / Israel nach 1933 aus Perspektive
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deutschsprachigen) Bücher und das ursprüngliche Profil schneller und drastischer als üblich.¹⁰ Somit bedarf es einer Rekonstruktion entsprechender Sammlungsdynamiken, wie sie durch solch massive Verluste, aber auch durch den Erwerb neuer Literatur im Exil erzeugt wurden. Zur Funktionsbestimmung der nachweislich mitgenommenen Bücher ist eine Berücksichtigung der im Exil ausgeübten beruflichen Tätigkeiten notwendig. Neben dem sich kontinuierlich verengenden Aktionsradius nach 1933 veranlassten schließlich das absolute Redeverbot und nachdrückliche Warnungen seines Umfelds Kurt Pinthus zur Emigration. Aus Pinthus’ Sicht basierte seine erste in den USA aufgenommene Tätigkeit an der New Yorker New School for Social Research auf dem Vorhandensein seiner Bibliothek als Arbeitsmittel für Forschung und Lehre.¹¹ Bei einer vergleichenden Charakterisierung der Autorenbibliotheken als Exil-Bibliotheken ist es so notwendig wie problematisch, sich mittels der überlieferten Buchbestände dem Besonderen des durch den Nationalsozialismus bedingten Exils anzunähern. Viele Bibliotheken erfuhren Erweiterungen durch Exildrucke und die Produktionen ausländischer Verlage, eine Internationalisierung, die sich in Wörterbüchern und Grammatiken wie auch in Reiseführern und Kochbüchern ausdrücken konnte. Entsprechend weisen Autorenbibliotheken, deren Besitzer wie Kurt Pinthus und Siegfried Kracauer die Weimarer Republik literarisch-feuilletonistisch mit geprägt haben, Übereinstimmungen auf, die über solche gruppentypischen Lese- und Sammlergewohnheiten hinausweisen – so sehr Kracauers Bibliothek heute als Arbeitsbibliothek und Pinthus Bibliothek als ein Erinnerungsort für die Literatur der Moderne erscheinen mag.¹²
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der Kanonforschung, in: Bibliotheken und Sammlungen im Exil, hg. im Auftrag der Gesellschaft für Exilforschung / Societey for Exile Studies von Claus-Dieter Krohn und Lutz Winckler, München 2011, S. 12–27. So schreibt Caroline Jessen: »Der rapide ökonomische Wertverlust des in Deutschland Gedruckten mag durch die prekäre Situation deutscher Literatur im Jischuw, dem jüdischen Teil Palästinas, bekräftigt worden sein. Bücher waren nicht nur als Medien von Literatur, sondern auch in Typographie und Ausstattung durchdringende Symbole eines Wertesystems, das spätestens nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Verruf geraten war.« Ebd., S. 17. Vgl. Ingrid Belke, »Wir sitzen alle auf dem Pulverfass«. Zur späten Emigration des Publizisten Kurt Pinthus 1937/38, in: Integration und Ausgrenzung. Studien zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Festschrift für Hans Otto Horch zum 65. Geburtstag, hg. von Mark H. Gelber, Jakob Hessing und Robert Jütte in Verbindung mit Dominic Bitzer, Doris Vogel und Michaela Wirtz, Tübingen 2009, S. 305–316. Kanonische Aspekte und deren Implikationen stehen im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts »Kanon im Exil. Lektüren deutsch-jüdischer Emigranten in Palästina / Israel« von Caroline Jessen und des Erschließungsprojektes in Jerusalem; vgl. https://www.dla-marbach.de/
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Weil an dieser Stelle nur Raum für eine exemplarische Vergegenwärtigung solcher Spezifika ist, fokussiert der Beitrag im Weiteren zweierlei: Durch die Reihe Bücherei des Schocken Verlags sollen Bestandsdynamiken von Exil-Autorenbibliotheken hinsichtlich des überlieferten Verlagsspektrums angedeutet werden, während das darauffolgende Kapitel inhaltliche Korrespondenzen der Bibliotheken skizziert. Hier läge eine Darstellung thematischer Entsprechungen, wie sie infolge der Vertreibung und der Shoah bei fast allen Bibliotheken wahrnehmbar sind, nahe.¹³ Anstelle dessen werden mit den Werken Fedor Dostoevskijs und Franz Kafkas zwei auf den ersten Blick wenig überraschende exemplarische Vertreter angeführt, deren Omnipräsenz zunächst ganz den Lesekonventionen der Zeit zu entsprechen scheint. Ihre tiefere Bedeutung für die Autorenbibliotheken als Exilbibliotheken gewinnen sie jedoch erst infolge der Berücksichtigung von Lesespuren und weiteren Notizen.
Die Bücherei des Schocken Verlags: Subversivität und Internationalität Privatbibliotheken, deren Eigentümer nicht (wie etwa Kurt Tucholsky oder Siegfried Kracauer) bereits im zeitlichen Umfeld von 1932/1933 emigrierten, weisen häufig Erzeugnisse der als ›jüdisch‹ diffamierten und an den Rand gedrängten Verlage dieses Übergangszeitraums auf. In dieses Spektrum fallen Exemplare des Schocken-Verlags, speziell auch der Bücherei des Schocken Verlags, wobei die Reihenbezeichnung unüberhörbar auf die bedeutende Tradition der Insel-Bücherei anspielt.¹⁴ Etwas unscheinbarer im Äußeren, entsteht Varianz in erster Linie dank unterschiedlich farbiger Pappeinbände. Evident wird die programmatische Anlehnung an die erfolgreiche Reihe neben buchgestalterischen Aspekten durch
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forschung/koordinationsstelle-zur-erforschung-deutsch-juedischer-nachlaesse-in-israel/ (September 2015). Eine Durchsicht der Bibliotheksbestände ist ungemein erhellend, und der Vergleich lässt sehr Verschiedenes zutage treten. So weist Siegfried Kracauers Bibliothek äußerst wenige Publikationen auf, die einen direkten offensichtlichen Bezug zur Judenvernichtung enthalten, während in der Bibliothek der Familie Lieblich bereits unter den Autoren mit dem Buchstaben A durch einschlägige Texte H. G. Adlers, Jean Amérys oder Clara Asscher-Pinkhofs sowohl im Sachbuch wie im Kinderbuch die Shoah präsent ist. Wiederholt ist auf den persönlichen Einsatz von Stefan Zweig im Zusammenhang mit der Gründung der Insel-Bücherei hingewiesen worden; vgl. Donald A. Prater, Stefan Zweig und die Insel-Bücherei, in: Insel-Bücherei, Mitteilungen für Freunde, 5, hg. von Hans-Eugen Bühler und Jochen Lengemann, Frankfurt a. M. und Leipzig 1992, S. 7–19.
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eine ebenfalls dichte Erscheinungsfrequenz, niedrige Preisgestaltung, solide Ausstattung und einen limitierten Seitenumfang.¹⁵
Abb. 1: Almanach und Exemplare der Bücherei des Schocken Verlags aus unterschiedlichen Autorenbibliotheken © DLA
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Vgl. Volker Dahm, Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. überarb. Aufl., München 1993, S. 326–329. Ingrid Belke, In den Katakomben, in: In den Katakomben. Jüdische Verlage in Deutschland 1933–1938, Bearbeitet von Ingrid Belke, Marbach 1983 (Marbacher Magazin, 25), S. 1–18, vor allem S. 10–13 und Gershom Schocken, Ich werde seinesgleichen nicht mehr sehen. Erinnerungen an Salman Schocken, in: ebd., S. 19–53, hier S. 44–47. Karl-Hartmut Kull, Die Insel-Bücherei war das praktische Vorbild für die Bücherei des Schocken Verlags, in: Insel-Bücherei. Mitteilungen für Freunde, 25, Frankfurt a. M. und Leipzig 2006, S. 48–51. Die zur Zeit nicht nur hinsichtlich der Seitenzahl, sondern besonders auch bezogen auf die vielen berücksichtigten Facetten wichtigste Veröffentlichung zum Berliner Schocken Verlag ist: Der Schocken Verlag / Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931–1938, hg. von Saskia Schreuder und Claude Weber, Berlin 1994.
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In den Exilbibliotheken (zu denen mit einem gewissen Recht auch Paul Celans umfangreiche Bibliothek zu rechnen wäre¹⁶), reicht das Vorhandensein der Schocken-Bücherei sowie des in sechs Bänden vom Programmleiter und Lektor Moritz Spitzer herausgegeben Almanachs des Schocken Verlags vom Einzelexemplar bei Karl Otten bis zur nahezu vollständigen Überlieferung in der Bibliothek Kurt Pinthus’. Erst eine Katalogisierung der in Frage kommenden Bibliotheken wird eine präzise Dokumentation und den systematischen Vergleich der in den Autorenbibliotheken des Exils überlieferten Bände ermöglichen. Doch würde eine quantitative Aspekte in den Vordergrund rückende Erhebung der Bedeutung dieser nur während weniger Jahre erschienenen Reihe vermutlich nicht gerecht, lässt sich deren Status doch weniger in Zahlen denn in markanten Provenienzmerkmalen bemessen. Anhand repräsentativer Exemplare kann angedeutet werden, dass der sukzessiven und systematischen Ghettoisierung des jüdischen Verlagswesens und Buchhandels, dem prekären Nischencharakter der Reihen Bücherei und Almanach, ihre vom Exil beeinflusste, bis heute anhaltende internationale Verbreitung entgegensteht. Diese kann – wie es jüngst Renate Evers anhand der Nachlässe des New Yorker Leo Baeck Instituts gezeigt hat – als ein verbindendes Merkmal vergleichbarer Buchsammlungen gelten.¹⁷ Eine die Reihe prägende konzeptionelle Orientierung und deren spätere Realisierung in den Einzelbänden bildeten den Grundstein für die Annahme der Bücherei durch das Publikum und deren heutige Überlieferung: Die Bücherei des Schocken Verlags will in allmählichem Aufbau aus dem fast unübersehbaren und häufig unzugänglichen jüdischen Schrifttum aller Länder und Zeiten in sorgfältiger Auswahl dasjenige darbieten, was den suchenden Leser unserer Tage unmittelbar anzusprechen vermag. Die alte hebräische Literatur, deren Lebendigkeit sich gerade in kritischen Zeiten bewährt, soll durch sinnvolle Auszüge und angemessene Übertragungen, sowie durch zweisprachige Ausgaben dem heutigen Leser erschlossen werden. Aus dem zeitgenössischen jüdischen Schrifttum werden dichterische und erörternde 16
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Paul Celan sah sein Exil in Paris in der Tradition Heinrich Heines, Lev Šestovs oder Walter Benjamins stehend; vgl. Christine Ivanovic, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung. Dichtung und Poetik Paul Celans im Kontext seiner russischen Lektüren, Tübingen 1996, S. 75, 103–107, 168–170 und John Felstiner, Paul Celan. Eine Biographie, München 1997, S. 90–112. Zahlreich sind auch die poetologisch relevanten Exil-Bezüge in seinen Gedichten (etwa In Ägypten, Auf Reisen, Und mit dem Buch aus Tarussa). Renate Evers, Die »Schocken-Bücherei« in den Nachlasssammlungen des Leo Baeck Institutes New York, in: MEDAON. Magazin für jüdisches Leben und Forschung und Bildung 8/2014, S. 1–21, online unter Renate Evers, 2014, http://medaon.de/pdf/MEDAON_14_Evers. pdf (31. Januar 2015).
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Arbeiten aufgenommen, die in gedrängter Form Gültiges mitzuteilen haben. Verschollene oder nicht gebührend bekannte Werke der jüngeren Vergangenheit werden in Neudrucken herausgegeben. Hinzu kommen in wachsendem Maß Bücher belehrenden Inhalts.¹⁸ In Einklang mit dieser programmatischen Bestimmung konnten bis Ende 1938 insgesamt 83 Bände erscheinen. Aufgrund von Doppelbänden, die in Leinen gebunden wurden, und einer erzwungenen zweifachen Nummernvergabe endete die Reihe mit einer die Nr. 92 tragenden Ausgabe von Briefen Hermann Cohens. Bereits dem Erwerb und Besitz von Exemplaren des Almanachs oder der Bücherei konnten unterschiedliche Einstellungen beziehungsweise weit voneinander entfernte Bedürfnisse zu Grunde liegen, die mit Blick auf die Präsenz dieser Ausgaben in den Autorenbibliotheken zu umreißen sind: Zunächst mag der Wunsch tragend gewesen sein, angesichts der systematischen Ausgrenzung einen im intellektuellen wie religiösem Sinn geistigen Raum zu beanspruchen, dessen materielle Seite unter anderem durch diese Buchreihe realisiert wurde. Infolge der äußeren Ähnlichkeit mit der Insel-Bücherei und personeller Überschneidungen der vertretenen Autoren wurde viel Vertrautes übertragen und im Idealfall die Bereitschaft gefördert, sich mit religiösen Inhalten und jüdischen Traditionen (neu) auseinanderzusetzen. Besonders stark bringt die Bibliothek Karl (und Olga) Lieblichs durch ihre oft mit Datum, Ortsangaben des Erwerbs und Namenseintragungen versehenen Exemplare beider Reihen zum Ausdruck, dass das verlegerische Kalkül aufgehen konnte. Provenienzmerkmale dieser Bibliothek sprechen von einer bereits vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Sammelleidenschaft zunächst der InselBücherei sowie vom Erwerb mehrerer Ausgaben der Schocken-Bücherei in Brasilien und Israel, also nach dem Verlassen Deutschlands.¹⁹ Noch bleibt zu klären, auf welchem Wege die mit Stempeln der 1940 gegründeten jüdischen Hilfsorganisation Escudo Vermelho de David, mit Aufklebern der Zionistischen Exekutive Jerusalem oder eingeklebten Leihscheinen versehenen Bände in den Besitz der 18
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Diese in den meisten Ausgaben der Bücherei im Anhang wiedergegebene Charakterisierung, auf die eine Auflistung der bereits erschienenen Bände zu folgen pflegt (es gibt Ausnahmen), findet sich abgedruckt auch bei Claude Weber, »Halt und Richte«. Zur Programmatik des Schocken Verlags, in: Der Schocken Verlag / Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931–1938, hg. von Saskia Schreuder und Claude Weber, Berlin 1994, S. 39–54, hier S. 46. Im Gespräch über die Autoren- und Familienbibliothek Olga und Karl Lieblichs hat deren nach der Remigration ihrer Eltern in São Paulo gebliebene Tochter, die Journalistin Judith Patarra, am 13. September 2014 die Annahme der Verfasserin für wahrscheinlich gehalten, dass ihre Eltern ihre Leidenschaft für die Insel-Bücherei nach 1933 auf die Bücherei des Schocken Verlages übertragen haben.
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Abb. 2: Exemplar aus der Bibl. Karl Lieblich mit Bibliothekssignatur und einem Stempel der Hifsorganisation »Escudo Vermelho de David« © DLA
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Abb. 3: Exemplar aus der Bibl. Karl Lieblich mit einem Aufkleber der »Zionistischen Exekutive Jerusalem« © DLA
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Familie Lieblich gelangten und welche Bedeutung die Unterdrückung der deutschen Sprache in Brasilien unter der Herrschaft Getúlio Vargas in diesem Zusammenhang besaß. Kontinuität garantierten Autoren wie Heinrich Heine (Bde. 57 u. 80) oder Martin Buber²⁰ (Bde. 4, 11, 16, 21, 43, 62, 88), die zeitgleich aus dem Programm des Insel-Verlags entfernt wurden, aber auch prominente Titel: die zum bildungsbürgerlichen Kanon gehörende Judenbuche, Adalbert Stifters Abdias oder Jizchok Leib Perez’ Jüdische Geschichten.²¹ Auch mag den Kauf der Wunsch begleitet haben, den durch Entlassungen in Not geratenen Beiträgern Anerkennung und Unterstützung zukommen zu lassen. Ein Rechenschaftsbericht des Verlegers und zeitweiligen Leiters des Berliner Schocken Verlags Lambert Schneider aus dem Jahr 1965 deutet im Kapitel In den Katakomben. 1933–1945 Spielraum und Grenzen des Veröffentlichens an und zeigt, dass diese Reihe sogar über die primäre Zielgruppe der wachsender Verfolgung ausgesetzten Lesenden hinaus rezipiert wurde: So seltsam es klingen mag, in den ersten Nazi-Jahren konnte der Schocken Verlag geistig viel freier arbeiten als die anderen deutschen Verlage, deren Furcht vor der gestrengen Obrigkeit sehr groß war. […] Die Nazis waren der Ansicht, sie hätten den Schocken Verlag in ein jüdisches Ghetto gesperrt, nur Juden würden diese jüdischen Bücher lesen, und so griffen sie nur ein, wenn ein treudeutscher Leser sich bei ihnen beschwerte. So haben sie – lange nach Erscheinen – aus der Schocken-Bücherei verboten und beschlagnahmt: Die Judenbuche der Droste und den Abdias von Stifter. […] Doch dann haben sie uns die erste Gesamtausgabe der Werke Franz Kafkas verboten, was uns schmerzlicher traf. […] Der Schocken Verlag war das Sammelbecken aller damals noch in Deutschland geistig arbeitenden Juden. Die Publikationen waren notwendig und wichtig, die jüdischen Autoren kamen zu Wort und sie erhielten ihr Honorar, das sie dringend brauchten. Schocken sorgte gut für ihren Lohn.
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Auch mit Übersetzungen war Martin Buber an diversen weiteren Bänden beteiligt. Ein Exemplar des Verlagsprospekts Die Bücher des Insel-Verlags. Ein Verzeichnis zum Frühjahr 1933, das im Insel-Verlagsarchiv des DLA überliefert ist, belegt die programmatische Neuorientierung des Verlags als Zugeständnis an die NS-Regierung: Sämtliche Titel Martin Bubers sind mit blauem Stift durchgestrichen worden. Dieser Band erschien 1916 als Nr. 204 der Insel-Bücherei und wurde dann 1936 als Nr. 66 der Schocken-Bücherei in neuer Übertragung und mit veränderter Auswahl unter dem Titel Chassidische Erzählungen herausgegeben. Siegfried Kracauers Bibliothek enthält ein Exemplar der Insel-Ausgabe.
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[…] Anfangs haben sich die Nazis geirrt, wenn sie meinten, nur Juden würden die Bücher des Schocken Verlages lesen. Das beweisen unsere Absatzziffern, das beweisen auch die Erfahrungen meiner Frau, die mit diesen Büchern das Sortiment bereiste. Ursprünglich hatte Fritz Picard Hegner, Cassirer, Schocken und meinen Verlag vertreten. Als er nicht mehr arbeiten durfte, war meine Frau für ihn eingesprungen. Wir wußten, welche Buchhandlungen es wagten, die Schocken Bücher verstreut auf die Tische zu legen und kannten die, die sie unter der Theke für ihre besonderen Kunden liegen hatten. Aber alles wurde von Tag zu Tag schwieriger und problematischer.²² Durch Hermann Hesse hatten die Neuerscheinungen der Schocken-Bücherei einen so prominenten wie inhaltlich problematischen Unterstützer, der in den ersten Jahren wiederholt in unterschiedlichen Zeitungen darauf hinwies. In seiner wahrscheinlich frühesten, unter dem Titel Jüdische Bücher erschienenen Besprechung schiebt sich bei aller Würdigung von Verlag, Reihe, Autoren und Publikationen ein unüberhörbar hämischer Ton in den Vordergrund: Jüdische Bücher Man hört nicht selten sagen, die deutschen Juden hätten ihr Los verdient, und zwar nicht bloß die erfolgreichen und gerissenen Geschäftsjuden, sondern die deutsche Judenschaft als Ganzes, und man belegte das Urteil mit dem Hinweis auf die oft unwürdigen Anpassungsversuche deutscher Juden an ihr Wirtsvolk und auf die in der Tat feige und unedle Art, mit der die Mehrheit der deutschen Juden ihre Brüder, die Ostjuden, ablehnte. All dies ist richtig, es wird aber meist vergessen und ist überhaupt wenig bekannt, daß gerade in jüngster Zeit aus der deutschen Judenschaft, und zwar nicht der angepaßten, sondern der echt jüdischen, hohe geistige Werke und Leistungen hervorgegangen sind. Übrigens haben die Juden selbst […] zum Teil auf ihr jetziges Unglück durchaus würdig reagiert, die schönsten Worte dafür fand Martin Buber in seinem Vorwort zu dem kleinen Almanach des Schocken-Verlages. […] Aus diesem Kreise nun kommt eine schöne, sorgfältig gedruckte und aus22
Lambert Schneider, Rechenschaft über vierzig Jahre Verlagsarbeit 1925–1965. Ein Almanach, Heidelberg [o.J.], S. 40–42. Inhaltlich sind bei dieser Erinnerung vermutlich punktuelle Korrekturen notwendig, die beispielsweise das Verbot des Vertriebs von Abdias betreffen. Hierauf hat Volker Dahm hingewiesen und als Gegenargument angeführt, dass das letzte Gesamtverzeichnis vom Herbst 1938 im Almanach auf das Jahr 5699 den Titel Abdias als lieferbar anführte; vgl. Volker Dahm, Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. überarb. Aufl., München 1993, S. 360. Vielleicht ist dies aber kein stichhaltiges Argument, weil die jeweils am Ende in den der Bänden der Bücherei des Schocken Verlags abgedruckten Verzeichnisse sogar bezogen auf Die Judenbuche uneinheitlich sind.
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gewählte Reihe kleiner jüdischer Bücher: die Bücherei des Schocken-Verlags, wohlfeile Taschenbändchen in hübschen Pappbänden. Wir finden hier, aus Bubers deutscher Bibel, die Tröstung Israels aus dem Jesaja, die altjüdische Dichtung Josef und seine Brüder, ferner Hundert chassidische Geschichten, in Bubers Bearbeitung, ein Bändchen In der Gemeinschaft der Frommen, sechs Erzählungen von S[amuel] J[osef] Agnon, und eine Auswahl Zionslieder des Jehuda Halevi, deutsch von Franz Rosenzweig. Mehrere der Bücher sind zweisprachig, hebräisch und deutsch. In der Erschütterung und Prüfung, der das deutsche Judentum heute unterliegt, ist es für jene Minderheit und geistige Elite nicht nur eine Tröstung, sondern eine lebenswichtige Besinnung, sich seines geistigen Erbes neu und vertieft zu bemächtigen. Neben Bubers letzten beiden Büchern, dem Kampf um Israel und dem Königtum Gottes, werden die kleinen Schockenbücher manchem Juden Anlaß zu dieser Besinnung geben.²³ Gegen Ende betont Hesse den Gedanken der Tröstung als elementaren inhaltlichen Ansatz. Diese Programmatik klingt bereits in Titeln wie Die Tröstung Israels (Bd. 1), Midraschim der Klage und des Zuspruchs (Bd. 36) oder dem ›De-profundis-Werk‹ Aus Tiefen rufe ich dich (Bd. 51) an. Weniger offensichtlich kehrt der Anspruch auf inhaltlicher Ebene wieder, so etwa in Texten der Märchensammlung Die Zauberdrachenschnur (Bd. 69) von Ludwig Strauß, die von wunderbarer Errettung aus ausweglosen Situationen erzählen.²⁴ Ebenso in den Kontext der Tröstung gehören die von Moritz Spitzer herausgegebenen Almanache des Schocken Verlags, literarisch anspruchsvolle und zugleich kompositorisch höchst ambitionierte Anthologien. Schon der erste zu Rosch ha-schana 1933 erschienene Almanach auf das Jahr 5694 steht mit seiner diachronen Berücksichtigung literarischer Repräsentationen unter dem Paradigma der Wiederaufnahme, Aktualisierung und Reformulierug jüdischer Traditionen: »eine jüdische Anthologie von eigenem literarischen Wert […], die dem alten, aber durch die Zeitereignisse bedrängende Aktualität erhaltenden Thema der Galut-Existenz, des Lebens in der Diaspora, gewidmet war.«²⁵ 23
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Hermann Hesse, Jüdische Bücher, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 19: Die Welt im Buch IV. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1926–1934, hg. von Volker Michels, Frankfurt a. M. 2003, S. 445 f. Es muss angemerkt werden, dass dieser Ton in den späteren Besprechungen angesichts der immer weiter voranschreitenden antisemitischen Repressalien deutlich zurückgewichen ist. Äußerst lohnend wäre eine gesonderte Publikation, die systematisch unter Einbeziehung der Materialien im Jerusalemer Schocken Archiv der Frage nach der Korrelation von Tröstung und Subversion nachgeht. Volker Dahm, Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. überarb. Aufl., München 1993, S. 325.
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Mindestens genauso wichtig wie die Textauswahl selbst sind die zahlreichen bisher kaum beachteten Paratexte der Verlagsproduktion zwischen 1933 und 1938. So erinnert sich Lambert Schneider an ein Gespräch mit dem bereits im Insel-Verlag herausragenden Autor Martin Buber, der Schneider zufolge die Nutzung von Formen verdeckter Schreibweisen zum Prinzip erhoben sehen wollte: Buber formulierte das etwa so: »Wir müssen lernen, in den Katakomben zu leben. Für uns Schriftsteller kommt es darauf an, so klug zu schreiben, daß die derzeit Mächtigen nicht gleich unseren Widerstand sehen und uns beim Wickel nehmen können, so klug schreiben, daß uns viele Menschen gelesen haben, ehe man uns zur Verantwortung ziehen kann.« Das leuchtete mir auch als Verleger ein, […]. In den Katakomben leben, ja möglichst überleben, jedoch ohne Kompromiß in der Arbeit, ohne Heuchelei, hilfsbereit jedem Gefährdeten gegenüber, so wollten wir es versuchen. Das ist keine heldische Haltung. Aber so gelang es uns, in dieser Zeit zu existieren und die Gewissensnot durchzustehen.²⁶ Als das sicher prominenteste Beispiel einer vielleicht erst auf den zweiten Blick provokanten Veröffentlichung ist im Jahr 1936 die Aufnahme der Judenbuche Annette von Droste-Hülshoffs (Bd. 68) ins Programm der Schocken-Bücherei anzusehen, deren Vertrieb später aufgrund eines Schreibens des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer vom 16. April 1937 untersagt wurde. Neben der an sich schon auffälligen Autorschaft mag das anonym publizierte Nachwort als leise Provokation begriffen worden sein: »In den Kanon der Deutschen Dichtung, zu dem ›ewigen Vorrat‹ deutscher Prosa gehört unbestreitbar diese ›Erzählung von dem Burschen aus dem Paderbörnschen, der den Juden erschlug‹.«²⁷ Die durch das Verbot heute seltene, in der Bibliothek von Pinthus gleichwohl zusammen mit dem ›Ersatzband‹ überlieferte Ausgabe gibt keinen Verfasser des
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Lambert Schneider, Rechenschaft über vierzig Jahre Verlagsarbeit 1925–1965. Ein Almanach, Heidelberg [o. J.], S. 38 f. [Anonym], Nachwort, in: Annette von Droste-Hülshoff. Die Judenbuche, Berlin 1936 (Bücherei des Schocken Verlags, 68), S. 86–90, hier S. 86. Zum Verbreitungsverbot vgl. Volker Dahm, Das jüdische Buch im Dritten Reich, 2. überarb. Aufl., München 1993, S. 526 (Anhang X). Dahm hat in seiner frühen Arbeit diesen Fall der Veröffentlichung und des Verbots dokumentiert. Interessant erscheint eine nähere Betrachtung des doppelbödigen, an manchen Stellen vielleicht ebenfalls als ungeschickt zu wertenden Nachworts, das ohne Namensnennung des Verfassers erschienen ist und das bislang nicht in die Beschreibung des Falls einbezogen worden ist. Der von Friedrich Podszus stammende Text ist aufgrund seiner allegorischen Charakteristik, die das Vergangene in Bezug zur Gegenwart setzt, hoch interessant.
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Nachworts an. Auf der Rückseite des Titelblatts heißt es lediglich: »Mit einem Nachwort und dem Bericht August von Haxthausens: ›Geschichte eines Algierer Sklaven‹.« Auf der Inhaltsebene zitiert der Text eine Quelle der Judenbuche und eröffnet, indem er sie als »farbigen, gut erzählten, eindeutigen Bericht«²⁸ wertet, ein andeutendes Sprechen über allegorisches Erzählen und symbolische Bildlichkeit (»weder in noch zwischen den Zeilen«; »Es ist die Kraft und das Geheimnis wirklicher Dichter, den Teil für das Ganze setzen zu können, und das zu begreifen oder wenigstens zu ahnen, macht das Glück des wahren Lesers aus.«²⁹). Indem es die Erzählung aus dem dörflichen Umfeld der westfälischen Wälder als repräsentativ für die großen Ereignisse deklariert, weist das Nachwort das Schicksal der Juden, die »unter Gefahren des Leibes und der Seele um das bittere Brot des Exils ringen«³⁰ als verallgemeinerbar aus. Ein Gleiches wird für den aufgrund schwieriger Lebensumstände auf den falschen Weg geratenen Verbrecher nahegelegt. Das Ende rekurriert auf den Suizid des Mörders, »der den Juden erschlug«,³¹ ein sich erfüllender »Bannspruch leidgeschüttelter Juden«.³² Angedeutet sei damit, was sich ebenso an anderen Paratexten der SchockenBücherei zeigen ließe: notorisch gilt gerade dem scheinbar Nebensächlichen besondere Aufmerksamkeit, um den Spielraum der Kritik so weit wie möglich auszudehnen und den Lesenden ein Gefühl der Komplizenschaft im Widerstand zu vermitteln. Zu den inhaltlich eindeutigen, wiewohl unauffällig platzierten Aufrufen, dem nationalsozialistischen Deutschland den Rücken zu kehren, gehört 1937 die Veröffentlichung einer Brief-Anthologie Max Liebermanns (Bd. 84). Diesen Band beschließt ein »[a]nläßlich einer Aktion des jüdischen Jugendbunds ›Werkleute‹ zugunsten einer Siedlung in Palästina«³³ verfasster Brief vom 28. Februar 1934, der noch von Max Liebermanns Haus am Pariser Platz, also aus der ›Mitte‹ der Gesellschaft, abgesendet wurde: Aus dem schönen Traum der Assimilation sind wir leider, leider! nur zu jäh aufgeweckt. Für die jüdische Jugend sehe ich keine Rettung als die Auswandrung nach Palästina, wo sie als freie Menschen aufwachsen kann und den Gefahren des Emigrantentums entgeht.
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Annette von Droste-Hülshoff, Die Judenbuche, Berlin 1936 (Bücherei des Schocken Verlags, 68), S. 86. Ebd., S. 87. Ebd. Ebd., S. 88. Ebd. Max Liebermann, Siebzig Briefe, hg. von Franz Landsberger, Berlin 1937 (Bücherei des Schocken Verlags, 84), S. 86.
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Leider bin ich, der ich im 87sten stehe, zu alt um auszuwandern, aber der heranwachsenden jüdischen Generation zu einem freien Dasein zu verhelfen, scheint mir die wünschenswerteste Hilfe.³⁴ Die letzte Doppelseite schließt den Brief optisch und semantisch mit einer Zeichnung des Künstlers zusammen. Dieses Liebermanns Vater zeigende Bild mutet auf den ersten Blick wie ein spätes Selbstporträt des Malers an: eine vom Alter gezeichnete, in sich zusammengesunkene Figur, die trotz des im Hintergrund schwach angedeuteten Fensters den Kontakt zur Außenwelt verloren zu haben scheint.
Abb. 4: Max Liebermann, Siebzig Briefe, Berlin 1937, S. 86 f. © DLA
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In Deutschland zu bleiben, wird so mit Passivität und Bedrohung, das Auswandern ins Ungewisse hingegen als Chance zu »einem freien Dasein« begriffen. Verlagsdokumente belegen, dass sich für Moritz Spitzer spätestens im Juli 1938 das Ende der Reihe unter den beständig schärfer werdenden Bedingungen als unausweichlich abzeichnete. Theodor Schocken schreibt am 14. Juli 1938 an Salman Schocken: Die Bücherei möchte Dr. Spitzer langsam weiterführen, sodass etwa zu Pessach nächsten Jahres Band 100 erscheint, den Dr. Spitzer jetzt im Gegensatz zu seinen früheren Auffassungen als Abschlussband der Bücherei betrachtet. Dr. Spitzer glaubt, dass als Folge der jetzigen Vorgänge der Käuferkreis für unsere Bücher in ganz kurzer Zeit zusammenschrumpfen wird, und dass der deutsche Markt also keine genügende Basis für eine weitere Produktion bietet. Er hat auch den Eindruck, dass das Interesse der Juden an der Lektüre von Büchern jüdischen Inhaltes erheblich vermindert ist, und er glaubt, dass – ganz im Gegensatz zu der Lage im Jahre 1933 – es keine Stütze mehr für das deutsche Judentum bedeutet, wenn man jüdische Bücher noch herausbringe.³⁵ Wie oben angedeutet, sind es wegen der Liquidierung des Verlags zum Jahreswechsel 1938/1939 keine hundert Bände der Schocken-Bücherei mehr geworden. Kurt Pinthus’ auf Vollständigkeit angelegte, wiewohl nicht ganz lückenlos überlieferte Sammlung endet wahrscheinlich nicht zufällig im Jahr 1937, dem Jahr, in dem er zum ersten Mal Deutschland verlassen hat, bevor er zurückkehrt, um unter Lebensgefahr die Ausreise seiner Bibliothek zu veranlassen. Provenienzmerkmale der Bibliotheken von Werner Kraft, Karl Otten und Paul Celan weisen auf Erwerbungen auch in Israel, Frankreich und Brasilien hin und damit deutlich über den ihnen zunächst zugestandenen Wirkungsradius hinaus. Aus der Londoner Bibliothek H. G. Adlers ist mit Leo Baecks Die Pharisäer ein Band der Schocken-Bücherei überliefert, aus dem Vermerke von Vorbesitzern sorgfältig wegradiert worden sind. Eine auf dem Schmutztitel platzierte Widmung lautet: »H. G. Adler/ mit herzlichen dankbaren/ Wünschen/ L. Baeck«.
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Brief von Theodor Schocken an Salman Schocken, 14. Juli 1938, zitiert nach: Der Schocken Verlag / Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931–1938. Essayband zur Ausstellung »Dem suchenden Leser unserer Tage« der Nationalbibliothek Luxemburg, hg. von Saskia Schreuder und Claude Weber in Verbindung mit Silke Schaeper und Frank Grunert, Berlin 1994, S. 85 f.
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Abb. 5: Leo Baeck, Die Pharisäer, Berlin 1934; Widmungsexemplar für H. G. Adler © DLA
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Aus welchem Anlass Leo Baeck oder H. G. Adler, der seinen Namen nach Kriegsende und der Befreiung aus dem Lager konsequent abgekürzt hat, in den Besitz dieses Exemplars gelangt ist, lässt sich vielleicht wie der Namenszug und das Schicksal der Vorbesitzer nicht mehr ermitteln. Nach der gemeinsamen Internierung in Theresienstadt, auf die bei Adler weitere Stationen in Vernichtungslagern gefolgt sind, hat es mehrere Begegnungen und brieflichen Austausch gegeben. Dass auch Leo Baeck seinen Vornamen (beim Signieren) häufig abzukürzen pflegte, demonstrieren Widmungsexemplare aus dem New Yorker Leo Baeck Institut.³⁶ Ebenso wenig untypisch ist es für Baeck, kein Datum anzugeben, doch leuchtet es in diesem Kontext besonders ein, liest man die Widmung als Ausdruck einer auf Dauer gestellten, Dankbarkeit und Wertschätzung einschließenden Beziehung. Im Medium der Literatur spiegelt diese sich dann auch im Geleitwort Baecks zu H. G. Adlers Abhandlung Theresienstadt und der darin durch Adler vorgenommenen Würdigung Leo Baecks wider: »Den größten Dank schulde ich Herrn Dr. Leo Baeck, ohne dessen tätige Hilfe, Ermunterung und nie versagenden Rat dieses Buch nicht beendet worden wäre.«³⁷
Kafkas Exil: Repräsentation(en) anderer Autoren in den Exilbibliotheken Bei der Charakterisierung von Autorenbibliotheken liegt es nahe, zu fragen, welche Schriftstellerkollegen darin besonders präsent sind. Die Überlegungen, welche Autoren in welchem Zeitraum gesammelt und gelesen und vor allem, in welcher Weise sie produktiv rezipiert worden sind, bilden das Zentrum philologischer Erforschung von Autorenbibliotheken. Ein durch Erika und Klaus Manns Exil-Werk Escape to Life übermittelter Ausruf von Kurt Pinthus, der die beiden 1938 enthusiastisch zu einer Ausstellung seiner Bibliothek in die New School für Social Research eingeladen hatte, lässt sich in Besonderheit auf Exilbibliotheken übertragen. Die Verfasser werden durch ihr Werk in Gestalt von Büchern vertreten: You must come to the New School and inspect my library – a portion of it is on exhibition there. You are all represented, all your books are there, and I have
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Ich möchte an dieser Stelle sehr herzlich Renate Evers danken, Leiterin der Bibliothek des Leo Baecks Instituts New York für die Auskünfte und die zur Verfügung gestellten Scans entsprechender Widmungsexemplare. H. G. Adler, Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Reprint der zweiten Auflage von 1960, S. XXVII.
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first editions of them all. You will find some of your works again, that you have entirely forgotten; your wild effusions of 1919 and 1920, I have collected them all; it is really an exhaustive collection!³⁸ Wie oben erwähnt, ist eine Bewertung der Bedeutung der repräsentierten Autoren bezogen auf die in diesem Beitrag fokussierten Bibliotheken schon deshalb nicht einfach, weil sich generationentypische Vorlieben für bestimmte Verfasser nicht leicht von exilbedingten (Neu-) Orientierungen trennen lassen. Fedor Dostoevskij und Franz Kafka gehören wie der oben erwähnte Henrich Heine zu den Autoren, die aufgrund der Häufigkeit, mit denen sie in den Autorenbibliotheken dieser Zeit begegnen, offensichtlich relevant sind, doch erst Spuren der Buchbenutzung und entsprechende schriftliche Äußerungen lassen im Einzelfall eine Bestimmung der Reichweite dieser Bedeutung zu. Weil sich nicht immer bestimmen lässt, in welche Richtung eine sich durch seltene Erst-, annotierte Einzel-, Widmungs- oder Gesamtausgaben manifestierende Präsenz weist, liegt es nahe, die Beobachtungen in den Kontext der literarischen Texte, Briefe und Tagebücher zu rücken. So wie sich Exil-Netzwerke im Medium Brief³⁹ abbilden, geben Widmungsexemplare in Autorenbibliotheken Auskunft über kollegiale und freundschaftliche Vernetzung. Joseph Roth erscheint als ein Autor, dessen Romane (und hier in Besonderheit Hiob und die in den Exiljahren bei Querido und Allert de Lange publizierten Texte) in mehreren Autorenbibliotheken des DLA Marbach mit sprechenden Zueignungen reich vertreten sind und dessen Schicksal, wie Briefe es dokumentieren, die Kollegen und Verleger im Exil beschäftigte.⁴⁰ Eine Vorliebe für Fedor Dostoevskij verbindet im DLA Marbach unter anderem die Nachlassbibliotheken von Alfred Döblin, Siegfried Kracauer, Walter Hasenclever, Karl Lieblich und Konrad Merz, eine für diese Zeit nicht überraschende Auseinandersetzung mit vielfältigen Implikationen und eine Gemeinsamkeit, die die genannten Autoren zudem mit dem 1924 verstorbenen Franz Kafka teilen. Kafka schreibt entsprechend am 2. September 1913 in einem Brief an Felice Bauer:
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Erika Mann und Klaus Mann, Escape to Life, Boston 1939, S. 302. Vgl. http://www.dla-marbach.de/dla/entwicklung/projekte/vernetzte_korrespondenzen_ neli/index.html (29. März 2015). Beispielhaft sei hier eine schon 1964 von Hermann Kesten herausgegebene Briefsammlung genannt: Hermann Kesten, Deutsche Literatur im Exil. Briefe europäischer Autoren 1933– 1949, Wien, München und Basel 1964.
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Abb. 6: Zusammenstellung von Exemplaren der bei Piper erschienenen Dostoevskij-Ausgabe aus unterschiedlichen Exilbibliotheken © DLA
Und doch – Sieh, von den vier Menschen, die ich (ohne an Kraft und Umfassung mich ihnen nahe zu stellen) als meine eigentlichen Blutsverwandten fühle, von Grillparzer, Dostojewski, Kleist und Flaubert, hat nur Dostojewski geheiratet, und vielleicht nur Kleist, als er sich im Gedränge äußerer und innerer Not am Wannsee erschoß, den richtigen Ausweg gefunden.⁴¹ Bei vielen Autoren – etwa bei Alfred Döblin – geht die zwischen identifikatorischer Aneignung und pragmatischer Auseinandersetzung changierende Lektüre Dostoevskijs der Exilzeit voraus. Sie wäre damit zunächst als allgemeineres und nicht als exilspezifisches Phänomen zu bewerten, gehört Dostoevskij doch (neben Lev Tolstoj, der hier aber eine geringere Rolle zu spielen scheint), zu den seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts maßgeblichen russischen Autoren, welche als Vermittler zwischen Realismus und Klassischer Moderne
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Brief von Franz Kafka an Felice Bauer, 02. September 1913, in: ders., Gesammelte Werke, hg. von Max Brod, Bd. 9: Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit, hg. von Erich Heller und Jürgen Born, Frankfurt a. M. 1976, S. 459–462, hier S. 460.
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die produktive Rezeption russischer Dichtung vor allem »im Kontext der Frage nach dem Verhältnis von Ästhetik und Ethik im Zeitalter einer ›transzendentalen Obdachlosigkeit‹ (Lukács) und in einer daraus resultierenden […] literarischen Sinnsuche«⁴² dominieren. Vorgängigkeit und anhaltende Beschäftigung mit Dostoevskij ließen sich anhand von Döblins Romanpoetik zeigen, aber auch anhand von Schriften Walter Benjamins, Stefan Zweigs oder Thomas Manns.⁴³ Neben der in die Moderne weisenden polyphonen Anlage der Romane Dostoevskijs⁴⁴ entfaltet die dort verwirklichte »Verbindung von Sozialkritik, schonungsloser Selbstbefragung, weltanschaulicher Sinnsuche«⁴⁵ und außergewöhnlicher künstlerischer Befähigungen seiner psychologisch komplexen Figuren einen enormen Reiz. Davon, dass auch die nachfolgende Generation diese emphatische Lektüreerfahrung geteilt hat, zeugen ein Brief Hilde Domins an den Verleger ihres autobiografischen Romans Das zweite Paradies, Klaus Piper, sowie die Lektürespuren und Tagebuchnotizen von Konrad Merz. Um der persönlichen Bedeutung ihrer (leider im DLA Marbach nicht überlieferten) Werkausgabe Dostoevskijs Ausdruck zu verleihen, rekurriert Hilde Domin auf die Zeit des Exils: »Vielleicht freut es Sie, daß die roten Dostojewski-Bände, die ich seit meiner Gymnasiastenzeit habe, und einige Kunstbücher von Palm mit uns die unfreiwillige Reise bis an das ›Ende der Welt‹ und zurück machten, von Heidelberg nach Heidelberg.«⁴⁶ Obgleich die briefliche Aussage nicht auf Inhaltliches abhebt, erscheint sie als Zeichen für das Wissen um eine sich in diesem Buchbesitz manifestierende existentielle Angewiesenheit auf Kontinuität. Auch nach der Remigration bleibt das Exil als
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Jürgen Lehmann, Russische Literatur in Deutschland. Ihre Rezeption durch deutschsprachige Schriftsteller und Kritiker vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Stuttgart 2015, S. 70. Wilhelm Wolfsohn stellte den sicher wichtigsten Vermittler russischer Literatur dar, der auch Fontane damit bekannt machte; vgl. Erhard Hexelschneider, Wilhelm Wolfsohn. Ein jüdischer Kulturermittler zwischen Rußland und Deutschland, in: Dresdner Hefte 14, 1996, H. 45, S. 58–62. Vgl. Alfred Döblins Erlebnis zweier Kräfte oder Goethe und Dostojewski, Stefan Zweigs Drei Meister. Balzac – Dickens – Dostojewski oder Walter Benjamins Der Erzähler und Der Idiot von Dostojewski sowie bei Thomas Mann die Dostoevskij-Bezüge in den Betrachtungen eines Unpolitischen. Vgl. Michail Bachtin, Probleme der Poetik Dostoevskijs, Frankfurt a. M. und Berlin 1985. Jürgen Lehmann, Russische Literatur in Deutschland. Ihre Rezeption durch deutschsprachige Schriftsteller und Kritiker vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Stuttgart 2015, S. 71. Hilde Domin, München bei der Rückkehr 1954/55. Brief an Klaus Piper, 1981, in: dies., Gesammelte Autobiographische Schriften. Fast ein Lebenslauf, Frankfurt a. M. 1998, S. 53–62, hier S. 61. Leider ist die erwähnte Piper-Ausgabe nicht in der Bibliothek Hilde Domins im DLA Marbach überliefert.
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Spur dauerhaft gegenwärtig. In ihrer Wahrnehmung hat sich folglich das erlittene Exil den Büchern angelagert, so wie sich der Exilort Santo Domingo buchstäblich über das Schreiben Hilde Domins gesetzt hat. Hierin äußert sich eine Bindung, die nahelegt, bei der Beschreibung einer Bibliothek gerade auch nach ›blinden Flecken‹, nach verdeckten Spuren zu suchen. Auf literarischem Gebiet entspräche Domins Andeutung einem Dichtungsverständnis, wie Paul Celan es in seiner Rede anlässlich der Entgegennahme des Bremer Literaturpreises formuliert hat: Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, »angereichert« von all dem.⁴⁷ So beiläufig Domins Aussage erscheinen mag, eignet ihr im Sinne der von Celan subtil angesprochenen ›Anreicherung‹ ein subversives Moment: Mit der »unfreiwilligen Reise« bringt Domin eine Chiffre ins Spiel, durch die das Schicksal der Emigranten mit dem der Getöteten verbunden wird, diente doch die Bezeichnung »Reise« bereits 1933 als Tarnbegriff für die Emigration, bevor sie zum Täuschen der Briefzensur für die Deportation Verwendung fand.⁴⁸
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Paul Celan, Ansprache anläßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen, in: ders., Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd. 3: Gedichte III, Prosa, Reden, hg. von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bücher, Frankfurt a. M. 2000, S. 185 f. Als ein frühes Beispiel sei an dieser Stelle ein Brief des Verlegers Fritz H. Landshoff an Alfred Döblin vom 15. September 1933 zitiert: »Auch ich sträubte mich dagegen, einen ›Emigrantenverlag‹ zu machen. Es ist aber nicht aus der Welt zu schaffen, daß die meisten der bei uns erscheinenden Autoren seit langem aus Deutschland ›verreist‹ und auch schwer zu bewegen sind, diese Reise abzubrechen. Ja, – Sie sind schuld daran (schuld in Ihrem Sinne, ich sehe keine Schuld darin). […] Sie sind verreist, und die Gründe dieses Reisens sind nicht mißzuverstehen. Der deutschen Regierung genügt diese Reise – sie weiß, was diese Reise zu bedeuten hat, sie weiß es tausendmal besser, als ein Vorwort einer Zeitschrift es erklären kann.« Fritz H. Landshoff an Alfred Döblin am 15. September 1933, zitiert nach: Fritz H. Landshoff, Erinnerungen eines Verlegers. Mit Briefen und Dokumenten, Berlin und Weimar 1991, 2. Aufl., S. 212 f. Als Beispiel einer verschlüsselten Nachricht über die eigene Deportation mag das letzte Lebenszeichen der Autorin Ruth Rewald, eine Postkarte vom 18. Juni 1942 an ihren Ehemann Hans Schaul im Internierungslager Djelfa, erwähnt werden: »Ich glaube nicht, daß Du sobald Nachricht bekommst. Aber Du wirst etwas hören, sorgt
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Abb. 7 u. 8: Tagebuch von Konrad Merz mit Eintrag vom 6. Mai 1944 © DLA
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Obwohl die gleiche Dostoevskij-Ausgabe aus der Bibliothek von Konrad Merz (1908–1999) keiner auch nur annähernd so weiten ›Reise‹ wie die Ausgabe der Bibliothek Domins und Palms ausgesetzt war, kommt ihr heutiger Erhalt keinem geringeren Wunder gleich. So spricht die Materialität der fragmentierten Bände von kontinuierlichem Gebrauch: kräftige, ausholende Anstreichungen und Notizen mit diversen Stiften (Bleistift, Kugelschreiber, Filzstifte unterschiedlicher Farben) deuten an, was registerartig mit Seitenzahlen und Datierungen versehene Notizen im Bereich der Vorsatzpapiere verbalisieren: eine von den Grenzerfahrungen des zeitweise in einem Schrank liegenden Verstecks, der Lebensgefahr und Bespitzelung sowie dem (späteren) Wissen um Deportationen und Vernichtung geprägte Auseinandersetzung.⁴⁹ Im Tagebucheintrag vom 6. Mai 1944 erscheint die Lektüre von Die Dämonen als eine alle gültigen Gewissheiten verunsichernde Erfahrung: »Dies ist kein Roman, es ist eine Prophetie. Nicht nur im Inhalt, es hat die Kraft, hat die Gewalt der alten Propheten. Und ist doch so neu, wie heute geschrieben und morgen geschaut und übermorgen geschrien.«⁵⁰ Die sich andeutende Tradition von Lektüre und Neu-Lektüre Dostoevskijs wäre durch eine Sichtung weiterer Exilbibliotheken besonders auch der nach Russland emigrierten und der späteren DDR-Autoren zu überprüfen. Aber die beiden hier umrissenen Beispiele stecken die Grenzen der Beurteilung von Bibliotheksbeständen gerade bei verbreiteten Ausgaben ab: Vorhandensein ebenso wie Abwesenheit bleiben mehrdeutige Größen. So wenig wie in den Exilbibliotheken die Anwesenheit der seinerzeit immer wieder neu aufgelegten Dostoevskij-Ausgabe überrascht, verwundert die feststellbare Präsenz der Werke Franz Kafkas. Genauer betrachtet, erweist sich auch diese Auffälligkeit als ebenso vielgestaltig und facettenreich wie das Werk der Kafka lesenden Autoren selbst. So dominieren beim Sammler Pinthus die Primär-
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Euch darum nicht. Außer der Trennung von Anja [die fast 5-jährige, später ebenfalls deportierte Tochter der beiden] wird mir nichts etwas ausmachen. […] Euch allen guten Mut. Ich habe ihn. Es wäre wunderbar, wenn ich mit meinen Reisegefährtinnen zusammenbleiben könnte.« Zitiert nach: Dirk Krüger, Nachwort, in: Ruth Rewald, Vier spanische Jungen, hg. und mit einem Nachwort von Dirk Krüger, Köln 1987, S. 160–190, hier S. 173. Eine entstehende Dissertationsschrift von Laura John befasst sich mit der Poetik der nach dem Exil entstanden Texte von Konrad Merz. Vgl. auch Jan Bürger, Ein Mann, den Hitler nicht erschossen hat. Die Deportationspapiere des Konrad Merz, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, H. 2 (2008), S. 97–109. Jan Bürger verdanke ich außerdem den Hinweis, dass auch die Bibliothek von Konrad Merz im DLA Marbach nur einen Bruchteil der vormaligen Sammlung darstellt. DLA Marbach, A: Merz, Tagebuch 26. Oktober 1943–10. November 1944, siehe Abb. 7 und Abb. 8.
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texte in wunderbaren Erstausgaben, während Paul Celans ›Kafka-Abteilung‹ von einer produktiven Aneignung durch die Lektüre spricht.⁵¹ Unter den Exil-Autorenbibliotheken des DLA Marbach nimmt H. G. Adlers Teilbibliothek aufgrund der Inhaftierung und Deportation Adlers und seines dem Ende des Nationalsozialismus nachfolgenden Exils eine besondere Position ein. Zu einem Zeitpunkt, an dem seine eigene Bibliothek bereits verschollen ist, begegnet Adler Relikten der einstigen Autorenbibliothek Kafkas,⁵² als er im Winter 1941/1942 im Bücherlager der Prager Jüdischen Kultusgemeinde seinen Dienst tut: Ich erinnere mich noch, wie der Buchnachlaß Franz Kafkas (aus der Wohnung seiner Schwester) durch meine Finger glitt, Bücher, die er geliebt haben mochte, mit seinem teuren Namenszug, mit Widmungen an ihn, namentlich von Brod und den anderen Prager Autoren, auch die erste englische Ausgabe des Schlosses, die man wohl der Schwester geschenkt hatte, war darunter. Ich war daran, diese und noch viele andere Bücher, die ich gerettet hatte, zur Seite zu schaffen und zu retten, als das Verhängnis, das uns schon ein paarmal geschnappt hatte, aber noch – vor allem durch meine unwahrscheinlichen Bemühungen – freigelassen hatte, endlich ereilte und nicht mehr losließ. Ich hatte uns, Geraldine und mich, ihre Eltern und eine Tante von ihr, aus einem Transport gerettet, glaubte es zumindest, als uns in der Nacht vom 6. zum 7. Feber 1942 die beauftragten Schergen der Judengemeinde überraschten und zusammenklaubten, wie wir waren, sofort zum Prager Internierungsplatz, von wo aus die Transporte abgefertigt wurden.⁵³ Durch die Engführung der äußerst emotionalen Begegnung mit dem Rettungsversuch von Kafkas Buchnachlass nach der Deportation von Kafkas Schwester Ottla mit der traumatischen Erfahrung der eigenen Deportation erhält die unvorherge-
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Neben Erstausgaben weist die Bibliothek Siegfried Kracauers durchgearbeitete Sekundärliteratur auf (etwa von Max Brod) sowie eine französische Übersetzung des Romans Der Prozess. Ein Karteikärtchen als Lesezeichen am Beginn des Kafka-Essays von Walter Benjamin befindet sich in einer Benjamin-Ausgabe aus dem Jahr von Kracauers Tod, 1966, und stellt die einzige Lektürespur in diesem Band dar. Vgl. Jürgen Born, Kafkas Bibliothek. Ein beschreibendes Verzeichnis, zusammengestellt unter Mitarbeit von Michael Antreter, Waltraud John und Jon Shepherd, Frankfurt a. M. 1990; Jeremy Adler, A Note on Kafka’s Library, in: German Life and Letters, 46 (1993), S. 176– 178; Hartmut Binder, »Man muß die Nase dafür haben«. Kafka und seine Bücher, in: Kafkas Bibliothek. Expressionismus, Katalog des Antiquariats Blank, 52, Stuttgart 2001, S. 3–8. Franz Hocheneder, H. G. Adler (1910–1988). Privatgelehrter und freier Schriftsteller, Wien, Köln und Weimar 2009, S. 75.
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sehene Konfrontation mit Exemplaren aus Kafkas einstigem Buchbesitz enormes Gewicht. Bereits zuvor hat die Lektüre Kafkas auf der Folie des einsetzenden Antisemitismus nachhaltigen Eindruck beim Leser H. G. Adler hinterlassen: Ab 1933 änderte sich mein gesamtes, namentlich mein inneres Leben. Ich lernte jetzt erst Kafka näher kennen, über den ich anfänglich maßlos erschrak [...]. Außer Kafka hat mich in meiner Prosa nur weniges beeinflußt, so starke Eindrücke ich auch sonst, vor allem auch in jener Zeit empfangen haben mochte. So las ich schon im Jahr zuvor fast alles von Dostojewski, aber auch wieder sehr viel Jean Paul, übrigens auch Sterne, Cervantes und vor allem Stifter.⁵⁴ Im Zusammenschließen der Erfahrungen der versuchten und schließlich vergeblichen Bücherbergung mit den mehrfach unternommenen und ebenso vergeblichen Anstrengungen, der Deportation zu entgehen, wird ein umfassender Verlust verbalisiert: Die fremde und zugleich inhaltlich längst angeeignete Bibliothek Kafkas grenzt an die ›verschollene‹ eigene Bibliothek, und die Deportation und Ermordung der Kafka nahestehenden Personen an das Schicksal der eigenen Verwandten. Das Sprechen über die Begegnung mit den Büchern aus Kafkas Besitz wird so zum Medium der Artikulation des Allerpersönlichsten, zur Möglichkeit, sich mittels der Sprache dem Unsagbaren anzunähern, der eigenen Verletzung und der unwiederbringlichen Verluste in einer Emotionalität, wie H. G. Adler sie sich in seiner Studie Theresienstadt versagt hat. Bei der Übernahme der Teilbibliothek H. G. Adlers sind einige Bücher des Bestandes noch im Londoner Familienbesitz verblieben. Hierzu gehören die von Adler mit Anstreichungen, Annotationen und Lesezeichen versehenen, nach 1945 erworbenen Werke Kafkas: Romane, Erzählungen, Tagebücher und Briefe. An ihnen ließe sich vielleicht Adlers spätere Kafka-Lektüre, wie sie sich unter anderem sowohl im Rahmen der erwähnten Dokumentation als auch anhand seines 1974 publizierten Aufsatzes Kafka zwischen den Zeiten zeigt, in ihrer Aufeinader-Bezogenheit verdeutlichen. Im Vorwort zur zweiten Auflage von Theresienstadt bezieht Adler Stellung zu Leserreaktionen auf die Erstveröffentlichung: Man hat es beklagt, daß ich die Dinge offen beim Namen nenne, daß ich nichts verberge, daß ich Licht und Schatten in der Darstellung unseres abgründigen Unglücks so und nicht anders verteilt habe, daß ich meine Anklagen auch gegen meine jüdischen Brüder richte. Ich konnte und kann es nicht anders tun. Je inniger ich mich zum Judentum, zu meinem Volk, zu den Angehörigen 54
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der Theresienstädter Zwangsgemeinschaft bekenne, aus deren wirklicher und möglicher Schuldgemeinschaft ich mich als einen ihrer Geringsten nie und nirgendwo ausnehme, desto mehr muß ich streben, die Wahrheit zu enthüllen, das Gedächtnis der Nachwelt mit ihr zu tränken, so schmerzlich und bitter die Wahrheit auch sein mag.⁵⁵ Auch bezogen auf Kafkas Poetik stellt Adler das nicht nur inhaltlich, sondern zugleich strukturell wirksame Herrschaftsprinzip und die damit korrelierende Unmöglichkeit, »gut oder böse« als zwei unvereinbare widerstreitende Prinzipien zu begreifen, heraus: Die Herrschaft. Mit dem Themenkreis »Recht« zum Teil eng verwandt, betreffen die einschlägigen Probleme: Gesellschaft, Stellung des Einzelnen wie des Volks gegenüber den Mächtigen der Regierung, der Hierarchie, der Bürokratie; ferner die Abhängigkeit des Menschen von ihnen und seine Einordnung, aber auch der Versuch des Protestes gegen die bestehende Ordnung. […] Die reale Herrschaft, wahrscheinlich ein überaus unvollkommenes und dennoch mächtiges Abbild einer höheren Herrschaft, ist nie ausschließlich gut oder böse, enthält aber stets Elemente des Guten und Bösen.⁵⁶ Neben der angedeuteten Wahrnehmung Kafkas, seines Werks und seiner Bibliothek bei H. G. Adler, die es ihm ermöglichen, Artikulations- und Einordnungsmodi für die traumatischen Erfahrungen zu finden, sind auch von anderen bekannten Verfassern produktive Aneignungen und Interpretationen auszumachen, die ebenfalls Versuche darstellen, die traumatischen Ohnmachtserfahrungen zu artikulieren.⁵⁷ So findet sich in mehreren Autorenbibliotheken die literarische Kontrafaktur von Kafkas Erzählung Die Verwandlung aus Walter Mehrings Die verlorene Bibliothek in frühen englisch-, französisch- und deutschsprachigen Ausgaben:
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H. G. Adler, Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Reprint der zweiten Auflage von 1960, S. XX f. H. G. Adler, Kafka zwischen den Zeiten, in: Emuna. Horizonte zur Diskussion über Israel und das Judentum. Zwischen Prag und Wien. Literatur und Musik, 9, Nr. 4, Juli /August 1974, S. 260–274, S. 264 f. Die Bibliothek von Kurt Pinthus weist außerdem einen in diesem Zusammenhang ebenfalls interessanten Text von Hans Joachim Schoeps auf; vgl. Hans Joachim Schoeps, Franz Kafka oder Der Glaube in der tragischen Position, in: ders., Gestalten an der Zeitenwende, Berlin 1936, S. 54–76.
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Ein jüdischer Handlungsreisender – Gregor Samsa – findet sich eines Morgens in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Bislang von der Schöpfung als ein ständig jedem Auftrag nachfahrender Verkäufer geführt, sieht er sich nun den Käfern zugeteilt; und ein Finger Jahwes hatte ihn, zu seiner Hiobsprüfung, auf den Schalenrücken umgedreht, um zu erproben, ob er sich ohne fremde Hilfe sozusagen – die seines leiblichen Vaters oder des Chefs seiner irdischen Firma – aus Eigenem auf seinen drei vorschriftsmäßigen Beinpaaren wieder zu Gott aufrichten könne …⁵⁸
Abb. 9: Walter Mehrings »Die verlorene Bibliothek« in Ausgaben aus den Bibliotheken Siegfried Kracauers von 1951 (links) beziehungsweise Claire und Yvan Golls aus dem Jahr 1958 (rechts) © DLA
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Walter Mehring, Die verlorene Bibliothek. Autobiographie einer Kultur, Hamburg 1952, S. 202.
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Das sich so abzeichnende Bild einer produktiven Kafka-Deutung, verschränkt mit der Hiobs-Erzählung, kann abschließend durch den Paratext einer in der Bücherei des Schocken Verlags erschienenen Kafka-Anthologie erweitert werden, der einmal mehr den Anspruch, Zensurmaßnahmen zu unterlaufen, vergegenwärtigt. Trotz eines Verbots, die im Schocken Verlag begonnene (in der Bibliothek von Kurt Pinthus überlieferte) Werkausgabe Kafkas in Deutschland fortzusetzen, lieferte der Schocken Verlag bis zu seiner Liquidierung ein 1934 erschienenes Auswahlbändchen mit dem Titel Vor dem Gesetz (Bd. 19) aus.⁵⁹ Interessant ist an dieser Ausgabe zunächst die vom Kafka-Forscher Heinz Politzer vorgenommene Textauswahl, doch besonders das Nachwort des Herausgebers, der 1938 über Palästina in die USA emigrieren konnte, verdient Beachtung. Er mündet in eine Auslegung von Josefine, die Sängerin, oder das Volk der Mäuse, also ausgerechnet in die Interpretation eines in seiner Vieldeutigkeit und Vielbezüglichkeit unerschöpflichen Textes. Mit der auf die erfahrenen Repressalien und die Sprache der Verfolger anspielenden Zusammenfassung führt Politzer in einer gleichfalls anspielungsreichen Lesart vor, dass literaturgeschichtliches, politisches und religiöses Verständnis zusammenführbar sind und dass auch die von der historischen Stunde geforderte engagierte Haltung des Kritikers das unvereinbar Scheinende leisten kann: die Anliegen der in Bedrängnis geratenen Menschen ernst zu nehmen und dennoch durch subtilen Einsatz von Mehrdeutigkeit Bedingungen und Anspruch literarischer Kritik selbstreflexiv zur Geltung zu bringen: Da nun der gnadenhafte Zustand des Volkes aufgelöst, die Magie des Gesanges vergessen, die alten Symbole verschollen sind, nimmt die Menge Josefinens Pfeifen zum Vorwand; in ihm sammeln sich die Bedrängten und Bedürftigen als in dem letzten blassen Abglanz des glückhaften Volkes, das sie einst gewesen. So fügt sich der Künstler dieser Tage, auch wider sein Wissen und Wollen der Gemeinschaft; er, der sich als Mitte zu fühlen gewohnt war, wird Mittel, wird Instrument der Sammlung und sein Gesang, sei er selbst so häßlich wie Josefinens Pfeifen, ist erlaubt und geboten als Ahnung gnadenvoller Vergangenheit und Zukunft. Scheint doch die Fabel »Josefine« von Heiterkeit geschöpft und getragen; einer Laune, die Kafkas Stil sonst zumindest nicht offenbar zu eigen ist. Ja, tönt es aus ihr, das Volk wird leben, die Geschichte seiner Schmerzen und die der Schmerzen seiner Einzelnen wird nicht vergebens durchlitten sein; es darf verlangen, daß Josefine um seinetwillen pfeift; und daß die K.s um
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Franz Kafka, Vor dem Gesetz, Berlin 1934 (Bücherei des Schocken Verlags, 19). Überliefert ist der Band unter anderem in Karl Ottens Bibliothek.
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seinetwillen Märtyrertode sterben, verdient es. Das Volk allein ist wichtig – Gottes Partner im künftigen Band.⁶⁰ Neben Karl Ottens Bibliothek enthält die an Kafka-Erstausgaben überreiche Bibliothek von Kurt Pinthus auch diese Ausgabe. Pinthus hat sie, anders als das Gros seiner Kafka-Texte, zusammen mit den anderen Veröffentlichungen des Schocken Verlags der Rubrik »Jüdische Bücher« zugeordnet. Aus den überlieferten Umzugsunterlagen geht hervor, dass die Judaica in seiner letzten Wohnung vor der Remigration nach Marbach in seinem Hauptregal untergebracht gewesen sind. Dies ist zwar kein Beweis, mag aber ein Indiz dafür sein, dass Pinthus die Judaica und die Bücherei des Schocken Verlags am Herzen gelegen haben. Für die Erforschung von Autorenbibliotheken bedeuten die Überlegungen dieses Beitrags, dass es im besten Falle gelingen kann, sich Dynamiken von Bibliotheken anzunähern und dass sich auf der Ebene des Buchbestands nicht alles rekonstruieren und katalogisieren lässt. Es ist 1. notwendig, sowohl historische Aufstellungsorte als auch mögliche historische individuelle Systematiken so umfassend wie möglich zu reflektieren und zu dokumentieren, und 2. bei Auswahl im Rahmen der Übernahme einer Autorenbibliothek auch solchen Ausgaben Beachtung zu schenken, die massenhaft verbreitet gewesen sind und keine Annotationen aufweisen. Durch andere Quellen könnte es sich schließlich herausstellen, dass gerade dem unaufgeschnittenen und unbenutzt wirkenden Exemplar vormals die größte Wertschätzung seines Besitzers gegolten hat.
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Heinz Politzer, Nachwort, in: Franz Kafka, Vor dem Gesetz, Berlin 1934 (Bücherei des Schocken, Verlags 19), S. 75–80, hier S. 80.
aufsätze
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eine »lächerliche fratze«? Zur Bedeutung und Funktion des astrologischen Motivs in literarischen Wallenstein-Darstellungen des späten achtzehnten Jahrhunderts
Es ist im Wesentlichen Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie zu verdanken, dass das Bild des kaiserlichen Generalissimus bis heute im allgemeinen Bewusstsein mit der Astrologie assoziiert wird. Mehr als jede wissenschaftliche Studie zur Leidenschaft des historischen Wallenstein für die Sternkunde hat das zwischen 1798 und 1799 uraufgeführte und 1800 veröffentlichte »dramatische[] Gedicht« (NA VIII N/2, 451)¹ zur Profilierung des Herzogs von Friedland als astrologisch interessiert beigetragen.² Auch die bildliche Rezeption von Schillers Wallenstein, die von den großen Historiengemälden Carl Theodor von Pilotys (Seni vor der Leiche Wallensteins, 1855) und Hermann Freihold Plüddemanns (Wallenstein und Seni, 1867) bis hin zu den illustrierten Ausgaben der Trilogie reicht, zeigt, dass der Feldherr des Dreißigjährigen Kriegs ohne die Begleitung des Genueser Sterndeuters Giovanni Battista Senno kaum vorstellbar ist.³ Und doch hat sich Schiller lange Zeit mit dem Gedanken getragen, das astrologische Motiv, das in den historischen Biografien⁴ und in den zeitgenössischen literarischen Darstellungen des Generals ein beliebtes Kuriosum darstellte, in seinem Werk auszu1
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Schillers Werke werden nach der Nationalausgabe (Sigle: NA) mit römischer Bandzählung und anschließender arabischer Seitenzählung zitiert. Die Zitate aus Wallenstein folgen der Textgrundlage des Erstdrucks von 1800 in der von Norbert Oellers herausgegebenen Neuedition des Dramas (NA VIII N/2, 449–777). Vgl. Angelika Geiger, Wallenstein und die Astrologie. Eine kritische Überprüfung der Überlieferung nach dem gegenwärtigen Quellenbestand, Graz 1983, S. 23. Vgl. ebd., S. 312–324. Zum historischen Senno vgl. ebd., S. 235–311. Die astrologischen Züge des Wallenstein-Bildes wurden vor allem durch die Lebensgeschichte Albrechts von Waldstein des italienischen Grafen Gualdo Priorato bestimmt, die 1643 erschien und mit der deutschen Übersetzung von 1769 zur Wallenstein-Faszination im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts entscheidend beitrug. Vgl. Arno Strohmeyer, Zwischen Kaiserhof und französischem Hof. Wallensteinbilder in den Biografien des Conte Galeazzo Gualdo Priorato, in: Wallensteinbilder im Widerstreit. Eine historische Symbolfigur in Geschichtsschreibung und Literatur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, hg. von Joachim Bahlcke und Christoph Kampmann, Köln 2011, S. 51–74.
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sparen. Wie aus der Korrespondenz mit Johann Wolfgang von Goethe im frühen Dezember 1798 hervorgeht, wollte Schiller ursprünglich den historisch bezeugten Sternenglauben Wallensteins »nie recht ernsthaft anfaßen« (NA XXX, 10–11). Den astrologischen Stoff, so fürchtete Schiller, konnte er höchstens als eine »lächerliche Fratze« in der Dynamik des Stückes gebrauchen (NA XXX, 8). Erst durch den Austausch mit Goethe gelangte der Autor zur Einsicht, dass das astrologische Motiv doch eine wirkungsvolle poetische Umsetzung finden und der Geschichte des Generals sogar eine zusätzliche tragische Dimension verleihen konnte. Schillers Abneigung gegenüber der Astrologie, die er als einen »Thörigten und abgeschmackten« Gegenstand betrachtete (NA XXX, 9), und seine Skepsis, diese literarisch zu verwenden, hing zum Teil auch mit der Verbreitung des Themas in der Trivialliteratur seiner Zeit zusammen.⁵ In den zahlreichen Dichtungen zum Dreißigjährigen Krieg, die in den beiden letzten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum erschienen und eine unvermutete Popularität genossen,⁶ spielte nämlich das Thema Astrologie eine prominente Rolle. In den literarischen Wallenstein-Darstellungen der Zeit erfreute sich die leicht obskure Figur Sennos – in den Texten Seno, Seni oder Senni genannt – besonderer Beliebtheit: Auf der einen Seite bot sie den profitorientierten Verfassern von Konsumliteratur einen Anlass, esoterische Merkwürdigkeiten zur Unterhaltung des breiten Publikums zu präsentieren; auf der anderen Seite gewährte sie aufklärerisch gesinnten Schriftstellern die Möglichkeit, durch eine Ridikülisierung Sennos die astrologischen Praktiken als Aberglauben zu entlarven. Mit seiner Bearbeitung des astrologischen Motivs in der WallensteinTrilogie entschloss sich Schiller, einen dritten Weg zu beschreiten, der weder mit den massenwirksamen Strategien des Trivialen operierte noch auf eine Polemik gegen das Irrationale abzielte, sondern wesentlich zur Entfaltung des geschichtsphilosophischen Pessimismus in seinem Werke beitragen sollte. Im vorliegenden Beitrag wird der Versuch unternommen, Schillers Darstellung des Themenkomplexes »Wallenstein und die Astrologie« in den literaturund ideengeschichtlichen Kontext seiner Zeit zu verorten. Zu diesem Zweck wird zunächst die Darstellung des astrologischen Motivs in ausgewählten Dichtungen von auctores minores vorgestellt und analysiert. Herangezogen werden das 5
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Zum idiosynkratrischen und doch nicht völlig ablehnenden Verhältnis Schillers zur Trivialliteratur vgl. Rudolf Dau, Friedrich Schiller und die Trivialliteratur, in: Weimarer Beiträge, 16.9 (1970), S. 162–189. Vgl. Daniele Vecchiato, Der Dreißigjährige Krieg als transversales Thema. Schillers Wallenstein im Dialog mit der (Trivial-)Literatur des späten 18. Jahrhunderts, in: Dynamik und Dialektik von Hoch- und Trivialliteratur im deutschsprachigen Raum im 18. und 19. Jahrhundert. 1 – Die Dramenproduktion, hg. von Anne Feler, Raymond Heitz und Gérard Laudin, Würzburg 2015, S. 161–179.
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Drama Wallenstein (1786) von Gerhard Anton von Halem, der Roman Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn (1788) von Benedikte Naubert sowie die gattungstypologisch nicht eindeutig zu bestimmenden Dichtungen Gustav Adolph König in Schweden (1790) von Niklas Vogt und Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale (1794) von Andreas Georg Friedrich von Rebmann. In der Analyse wird die diskursive Breite dieser bisher noch wenig erforschten Texte aufgedeckt; gleichzeitig ermöglicht es der Blick auf Schiller in Kontrast zu anderen Literaten seiner Zeit, eine Einsicht in den ungeheuren Komplexitätsgewinn zu liefern, den der Autor in seiner Deutung und Gestaltung des astrologischen Motivs gegenüber seinen dasselbe Thema behandelnden Zeitgenossen erreichte. Bei einer komparativen Untersuchung von Schillers Trilogie mit den Texten der minores fallen thematische Konvergenzen auf, die Schillers Kenntnis dieser Werke (oder zumindest eines Teils davon) wohl vermuten lassen.⁷ Es kann jedoch nicht immer mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Autor die erwähnten Dichtungen rezipiert hat. Dies ist in einigen Fällen plausibler als in anderen. Auf der Grundlage der Briefe Schillers ist zum Beispiel nicht zu ermitteln, ob er Halems Wallenstein gelesen hat; wohl aber muss er das Drama mindestens zur Kenntnis genommen haben, weil Christoph Gottlieb von Murr im Vorwort zu seinen Beyträgen zur Geschichte des dreyssigjährigen Krieges (1790), die Schiller als Quelle verwendete, darauf verweist.⁸ Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Schiller auch Nauberts Thekla von Thurn gekannt, wie die Namensübereinstimmung mit seiner Thekla und weitere textuelle Indizien im Wallenstein es vermuten lassen.⁹
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Diese Plausibilität bestätigt auch Norbert Oellers, der in seinem Kommentar zur Neuedition des Wallenstein die Dichtungen von Halem, Naubert und Rebmann unter den »mögliche[n] literarische[n] Quellen« erwähnt (NA VIII N/3, 41–42). Für eine detaillierte Auslegung der Konvergenzen und Divergenzen der schillerschen Trilogie mit den hier angeführten Werken der minores vgl. Daniele Vecchiato, Verhandlungen mit Schiller. Historische Reflexion und literarische Verarbeitung des Dreißigjährigen Kriegs im ausgehenden 18. Jahrhundert, Hannover 2015. Halem erntet Murrs Lob, weil er »in seinem schönen Schauspiele Wallensteins Charakter meist richtig getroffen« habe (Christoph Gottlieb von Murr, Beyträge zur Geschichte des dreyssigjährigen Krieges, insonderheit des Zustandes der Reichsstadt Nürnberg, während desselben. Nebst Urkunden und vielen Erläuterungen zur Geschichte des berühmten kaiserlichen Generalissimus Albrecht Wallensteins, Herzogs zu Friedland, Nürnberg 1790, Vorbericht [ohne Seitenzahl]). Schiller hat im Übrigen Halem durch den gemeinsamen Freund Karl Ludwig von Woltmann persönlich kennen gelernt und ihm 1796 erlaubt, in den Horen einen Einakter zu veröffentlichen, wofür sich Halem Jahre später mit einem Epigramm bedankte (vgl. NA XL/2, 194). Vgl. NA VIII N/3, 646–647. Nachweislich hat Schiller mehrere Werke Nauberts rezipiert, allerdings ohne es zu wissen, weil sie anonym oder mit männlichem Titlonym veröffentlicht wurden. Hierzu vgl. zuletzt Jennifer Driscoll Colosimo, Mortimers ›gothic‹ Vorgänger. Eine
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Rebmann, der 1789 in Jena die Möglichkeit hatte, Schiller als Professor zu erleben, zitiert in seiner Wallenstein-Dichtung mehrere Stellen aus der Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs seines Meisters;¹⁰ es ist allerdings nicht zu eruieren, ob Schiller seinerseits Rebmanns Text während der Arbeit an der Trilogie als Quelle herangezogen hat. Mit Sicherheit hat er ein Exemplar von Vogts Gustav Adolph in der Hand gehabt, das ihm der Erzbischofskoadjutor von Mainz Karl Theodor von Dalberg im Frühjahr 1790 überreichte.¹¹ Bevor die Werke der minores im Einzelnen präsentiert und im Hinblick auf die Thematik der Astrologie(-kritik) ausgelegt werden, seien hier einige einleitende Worte zum Verständnis der deutenden Sternkunde im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert angeführt.
Astrologie und Astrologiekritik im achtzehnten Jahrhundert Johann Christoph Adelung definiert in seinem Wörterbuch (1774–1786) die Astrologie als »die Kunst, aus dem Stande der Gestirne und ihrem Einflusse auf die Erdkugel künftige Dinge vorher zu sagen«.¹² Dass er die Kenntnisse und Methoden dieser Disziplin für unwissenschaftlich hält, kommt nach wenigen Worten zum Ausdruck, als er sie als eine nicht ernst zu nehmende »Afterkunst« bezeichnet,¹³ als eine Pseudowissenschaft also, die aus dem gelehrten Kanon eines aufgeklärten Zeitalters auszugrenzen sei. In ähnlicher Weise konnotiert er den Sterndeuter als einen Scharlatan, der »die Fertigkeit besitzt, oder zu besitzen glaubt, die zufälligen menschlichen Schicksalle aus den Sternen und deren Stellung vorher zu sagen«.¹⁴ Ein vergleichbares Bild zeichnet auch die Encyclo-
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mögliche Quelle für Schillers Maria Stuart in der englischen Schauerliteratur, in: Zeitschrift für deutsche Philologie, 129.2 (2010), S. 161–171. Vgl. Andreas Georg Friedrich von Rebmann, Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale. Halb Geschichte einer mißlungenen Revolution des siebzehenden Jahrhunderts, halb Roman, Leipzig 1794, Vorrede [ohne Seitenzahl] sowie S. 10 und 129–130. Vgl. Vogts Brief an Schiller vom 21. Juni 1802 (NA XXXIX/1, 287–288). Charlotte von Lengefeld erwähnt das Buch in einem Brief vom Ende Juli 1790 (vgl. NA XXXIV/1, 23–24). Außerdem kannte Schiller Vogts Abhandlung Ueber die Europäische Republik, von der die Gustav Adolf-Dichtung ein poetisches Pendant bildet (vgl. den Brief vom 29. November 1790 an Ludwig Ferdinand Huber, NA XXVI, 60). Johann Christoph Adelung, Die Astrologie, in: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, rev. von Franz Xaver Schönberger, Bd. 1, Wien 1811, Sp. 456. Ebd. Johann Christoph Adelung, Der Sterndeuter, in: ebd., Bd. 4, Sp. 357. Es wundert nicht, dass Adelung in seiner siebenbändigen Geschichte der menschlichen Narrheit (1785–1789) unter
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pédie (1751–1765) von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, der zufolge die so genannte »natürliche Astrologie«, die den Zusammenhang von Planeten und Naturphänomenen untersucht, durchaus Gültigkeit besitzt, während die »Judiciar-« oder Horoskopastrologie als reine Superstition abgelehnt werden muss.¹⁵ Die Idee einer Parawissenschaft, die die Zukunft prognostizieren will und das Schicksal jedes Individuums für vorgegeben und unabwendbar hält, kollidiert mit dem aufklärerischen Postulat der Selbstbestimmung des Menschen und wird daher als inakzeptabel empfunden.¹⁶ Diese Definitionen bringen die rationale Skepsis der Aufklärer gegenüber der Astrologie zum Ausdruck, die als eine Form von Aberglauben und Okkultismus die Vernunft und die Mündigkeit des Menschen zu zersetzen droht.¹⁷ Gewiss war die Kritik an der traditionsreichen Lektüre des Himmelsgewölbes und am Glauben an die Möglichkeit eines Einflusses der Gestirne auf irdische Verhältnisse kein exklusives Phänomen der Aufklärung: Wie Brian Vickers erklärt, hatte die besonders im Mittelalter und in der Renaissance sehr populäre Astrologie bereits »am Ende des 17. Jahrhunderts ausgespielt« und wurde immer betonter »mit Quacksalbern, Schelmen und Scharlatanen in Verbindung gebracht«.¹⁸ Allerdings kann erst mit der Aufklärung von einer systematischen Bekämpfung astrologischer Studien und Praktiken gesprochen werden. Die wenigen Dissertationen zur Astrologie, die im achtzehnten Jahrhundert noch angenommen wurden, sind eher als Einzelerscheinungen in der Gelehrtenwelt der Zeit zu betrachten:¹⁹ In den vielen populärwissenschaftlichen Zeitschriften der Spätaufklärung sind kaum noch Abhandlungen zur missachteten »Sterndeuterey« zu finden²⁰ und in der Dichtung ist fast
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anderen auch bekannte Astrologen wie Lucas Gauricus, Johannes Cario und Nostradamus vor den Richterstuhl führt. Vgl. Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Bd. 1, hg. von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, Paris 1751, S. 781. »L’Astrologie judiciaire […] est l’art prétendu d’annoncer les évenemens moraux avant qu’ils arrivent. J’entends par évenemens moraux, ceux qui dépendent de la volonté et des actions libres de l’homme; comme si les astres avoient quelque autorité sur lui, et qu’il en fût dirigé« (ebd.). Zur Astrologie als Entmündigung vgl. Wolfgang Bock, Astrologie und Aufklärung. Über modernen Aberglauben, Stuttgart 1995, passim. Brian Vickers, Kritische Reaktionen auf die okkulten Wissenschaften in der Renaissance, in: Zwischen Wahn, Glaube und Wissenschaft. Magie, Astrologie, Alchemie und Wissenschaftsgeschichte, hg. von Jean-François Bergier, Zürich 1988, S. 167–239, hier S. 197. Vgl. Wilhelm Knappich, Geschichte der Astrologie, Frankfurt a. M. 1967, S. 292. Peter Höyng zählt nur elf Beiträge zur Astrologie in den deutschsprachigen Zeitschriften zwischen 1750 und 1815. Vgl. Peter Höyng, Die Sterne, die Zensur und das Vaterland. Theater und Geschichte im späten 18. Jahrhundert, Köln 2003, S. 23.
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»vergebens nach Relikten der Sternenweisheit« zu suchen.²¹ Dennoch hielt sich die Neugierde für astrologische Voraussagen zumal in der ländlichen Bevölkerung hartnäckig: Als Friedrich der Große beispielsweise versuchte, die astrologischen Rubriken in den Hauskalendern gesetzlich zu verbieten, wurde er mit dem heftigen Widerstand des Volks konfrontiert und musste den Erlass zurücknehmen.²² Wenn auch diese Zensurmaßnahme des aufgeklärten Monarchen von der Kritik der intellektuellen Elite am astrologischen Glauben zeugt, so ist die Reaktion bestimmter sozialer Schichten ein Zeichen der anhaltenden Beliebtheit der Sterndeutung bei der Bevölkerung. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Glauben und Kritik an astrologischen »Wahrsagereyen«, das sich gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts zuspitzte, wurde auch in der Literatur reflektiert und fruchtbar gemacht. Wie im Folgenden am Beispiel verschiedener Dichtungen zum Dreißigjährigen Krieg illustriert wird, lassen sich mindestens zwei Modalitäten der Auseinandersetzung mit der Astrologie beobachten: Zum einen wird die Sternkunde in der Konsumliteratur als Faszinosum verwendet und mit dem Geheimnisvollen und Phantastischen assoziiert; zum anderen wird sie mit aufklärerischer Intention argumentativ demontiert oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Auf den kommenden Seiten wird ein Überblick über die verschiedenen Darstellungen des Motivs »Wallenstein und die Astrologie« bei den minores gegeben. Im Anschluss daran wird die Bedeutung und Funktion des Themas in Schillers Trilogie erläutert, um aufzuzeigen, welche Dichte und Komplexität das triviale astrologische Motiv bei dem Klassiker erhält.
Wallenstein und die Astrologie in den Dichtungen der minores Begonnen sei die Beispielreihe von literarischen Wallenstein-Darstellungen aus dem späten achtzehnten Jahrhundert mit Benedikte Nauberts Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn, oder Scenen aus dem dreyssigjährigen Kriege (1788). Es handelt sich um einen historischen »Zweischichtenroman«, in dem sich die fiktive Geschichte erfundener Figuren vor dem Hintergrund der dokumentierten 21
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Gerhard H. Lemke, Sonne, Mond und Sterne in der deutschen Literatur seit dem Mittelalter. Ein Bildkomplex im Spannungsfeld gesellschaftlichen Wandels, Bern und Frankfurt a. M. 1981, S. 43. Eine bedeutende Ausnahme stellt – neben Schillers Wallenstein – das Incipit von Goethes Dichtung und Wahrheit dar, in dem das Geburtshoroskop des Autors ausführlich beschrieben wird. Vgl. hierzu Kocku von Stuckrad, Geschichte der Astrologie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2007, S. 281–285. Vgl. Wilhelm Knappich, Geschichte der Astrologie, S. 294. Als weniger kompromissbereit erwies sich Kaiserin Maria Theresia, als sie 1756 »alle astrologischen Wahrsagereyen und abergläubischen Mutmaßungen« aus den Kalendern verbannte (vgl. ebd.).
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Historie abspielt.²³ Der zweibändige Roman erzählt die Geschichte Theklas, der temperamentvollen Tochter des Grafen von Thurn, die in abenteuerlicher Fahrt durch Europa hin und her gerissen wird und die wichtigsten Ereignisse aus der frühen Phase des Dreißigjährigen Kriegs erlebt, darunter auch die Ermordung Wallensteins. Neben dem Unterhaltungsziel, das durch die Kriegs- und Liebesabenteuer der Heldin erfüllt ist, verfolgt das Werk auch pädagogische Zwecke: die Dissemination grundlegender historischer Kenntnisse, die oft mit der Angabe wissenschaftlicher Belege in den Fußnoten vertieft werden,²⁴ aber auch die Lehre von der weiblichen Tugend, die in der Geschichte der Zähmung des wilden Soldatenmädchens durch die bürgerliche Hochzeit ein Sympathie erweckendes Exempel findet.²⁵ Im Roman wird die Astrologie im zweiten Buch im Kapitel zu Wallensteins Tod (Abschnitt 71) thematisiert, als Seno das Horoskop des Generals erstellt und in dessen Gesellschaft ausharrt, bis die Stunde der Gefahr überwunden zu sein scheint: Seno bedeckte die Tafel mit einer Menge Papieren und andern astrologischen Geräth; beyde setzten sich und fiengen an zu rechnen. Des Herzogs ganzer Lebenslauf ward gemustert, jeder Umstand bemerkt, wo die große Kunst zugetroffen oder getäuscht hatte, und nun kam die Zukunft an die Reihe. Ein erstes schauervolles Gespräch erhub sich; die immer bleicher werdenden Gesichter zeigten, wie sehr beyde von dem Gegenstand, den sie vor sich hatten, angegriffen wurden. Zuweilen waren ihre Meynungen streitig, […]. Wallenstein glaubte aus den Gestirnen nur Gefahr von der ersten Art gesehen zu haben; Seno war der entgegengesetzten Meynung, sie bewiesen
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Zu dieser Erzähltechnik, die für Naubert typisch ist und laut Forschung sogar ein Modell für die Romane Walter Scotts geboten habe, vgl. u. a. Kurt Schreinert, Benedikte Naubert. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des historischen Romans in Deutschland, Berlin 1941, S. 43–44; Frauke Reitemeier, Deutsch-englische Literaturbeziehungen. Der historische Roman Sir Walter Scotts und seine deutschen Vorläufer, Paderborn 2001, passim. Naubert lernte autodidaktisch Geschichte und Philosophie in der Bibliothek ihrer Brüder, die als Universitätsprofessoren tätig waren. Ihre historischen Romane gründen auf sorgfältigen historiografischen Vorstudien und es wundert nicht, dass die im Juni 1788 erschienene Besprechung der Thekla in der Allgemeinen Literatur Zeitung unter die Rubrik »Schoene Wissenschaften« statt unter die Belletristik eingeordnet wurde. Vgl. [Rezension von] Geschichte der Gräfinn Thekla von Thurn, oder, Scenen aus dem dreyßigjährigen Kriege, in: Allgemeine Literatur Zeitung, 153a (1788), Bd. 2, Sp. 685–686. Hierzu vgl. Waltraud Maierhofer, Hexen – Huren – Heldenweiber. Bilder des Weiblichen in Erzähltexten über den Dreißigjährigen Krieg, Köln 2005, S. 67–100.
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ihre Sätze, und so gieng endlich die Stunde hin, deren Endigung der Herzog so sehnlich wünschte.²⁶ Die Lektüre des Himmels mit dem alten Weisen²⁷ wird zum einen als exotische Szene zur Unterhaltung des Lesers konstruiert, zum anderen zeigt sie auch die Aporien der Sterndeutung, die eher Desorientierung als Sicherheit schafft. Durch die Unbestimmtheit des astrologischen Schicksals Wallensteins wird der Erzählfokus auf die psychische Verfassung der Figur in diesem Moment der Angst und Verzweiflung gelenkt. Wallenstein geht zunächst »unruhig und schwankend im Zimmer auf und ab«, er nimmt die Misere seiner Lage wahr und fühlt sich dem stellaren Urteil vollkommen ausgeliefert: »Der, den die ganze Welt einen Helden nennt, […] der den Tod in tausendfacher Gestalt ohne Zittern, oft auf sich zueilen sah, der bebt jetzt vor einem Schatten.«²⁸ Der große Heerführer, der in den meisten Biografien der Zeit als ein Ungeheuer porträtiert wird, wirkt in seiner Menschlichkeit fast zerbrechlich.²⁹ Als aber die Gefahr vorüber zu sein scheint, springt er dreist auf, umarmt Seno und schreit vor Freude, während der Astrologe ihn zur Vorsicht mahnt: Zur Sicherheit würde er sich gerne länger mit seinem Herrn aufhalten, aber dieser möchte schlafen, und Seni ist gezwungen, das Zimmer »mit Thränen im Auge« zu verlassen.³⁰ Wallenstein, der sich komplett auf die Astrologie verlässt (»Die Stimme der Gestirne ist ewige Wahrheit!«),³¹ wird durch die Lektüre der Himmelszeichen realitätsblind und schreitet unbewusst dem Tod entgegen. Naubert verwendet also die astrologische Passage, um den Aberglau-
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Benedikte Naubert, Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn, oder Scenen aus dem dreyssigjährigen Kriege, Bd. 2, Leipzig 1788, S. 356 und 358. In den Dichtungen der minores wie bei Schiller wird der Astrologe ohne Ausnahme als alter Weiser beschrieben, obgleich der historische Senno erst in seinen frühen Dreißigern war, als Wallenstein starb. Benedikte Naubert, Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn, Bd. 2, S. 354 und 357. Dieser Aspekt wird im Roman schon bei der Beschreibung der ersten Begegnung der Protagonistin mit Wallenstein akzentuiert: Thekla ist von der Pracht, in welcher der Herzog lebt, ebenso überrascht wie von seiner Menschlichkeit. Sie hat sich den General als einen »Götzen« voller »Stolz und Übermut« vorgestellt und findet stattdessen einen ungezwungenen und freundlichen »Mann« (ebd., S. 322–323). Ebd., S. 359. Naubert hat diese Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit nach den Annales Ferdinandei (1634–1646 verfasst, 1720 ff. veröffentlicht) von Khevenhüller gestaltet, in denen es heißt: »Der Astrologus Joan Baptista Seno, so der Hertzog bey sich gehabt, ist gleich wie die Soldaten ins Hauß gekommen, von ihm aus dem Zimmer gangen, und seynd sie in der Calculation nicht eins gewesen, dann der Astrologus in der seinigen, daß die Stunde der Gefahr noch nicht, der Hertzog aber, daß sie vorüber sey, befunden« (Frantz Christoph Khevenhiller und Annales Ferdinandei, Bd. 12, Wien 1726, Sp. 1164). Benedikte Naubert, Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn, Bd. 2, S. 357.
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ben Wallensteins und seinen schwachen Persönlichkeitskern zu konturieren, aber auch um Spannung aufzubauen und das tragische Ende des ahnungslosen Generals narrativ vorzubereiten. Während Nauberts Roman keine explizite Kritik an der Astrologie enthält, wird die Parawissenschaft – und deren symbolischer Vertreter Seni – in den Dichtungen der Spätaufklärer Halem, Rebmann und Vogt mit besonderer Vehemenz angegriffen. Indem sich die Autoren mit der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs auseinandersetzen, sehen sie sich zwangsläufig mit einem Zeitalter konfrontiert, das sie in der Regel mit Obskurantismus und Rückständigkeit assoziierten und dessen Lebenspraktiken und Werte sie als überholt empfanden. Diese Ambivalenz von Identifikation und Abgrenzungsbedürfnis wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass zumindest Halem und Rebmann in ihren Dichtungen die Absicht verfolgen, Wallenstein anachronistisch als einen Vorreiter der Aufklärung zu konturieren, der um Glaubensfreiheit, Toleranz und eine gerechte Verteilung der politischen Macht in Europa bemüht war. Wie konnte das Bild eines aufgeklärten progressiven Politikers mit dessen einfältigem Interesse für die Bewegung der Himmelskörper und deren angebliche Zukunftsrelevanz vereint werden? Der Versuch einer Versöhnung zwischen astrologischem Glauben und aufklärerischem Zweifel findet sich im Schauspiel Wallenstein (1786) des Oldenburger Juristen und Intellektuellen Gerhard Anton von Halem.³² Im ersten Dialog zwischen dem Titelheld und dem Astrologen Seni wird ausführlich über die Astrologie und ihre Gültigkeit reflektiert:³³ (Seni kommt, ein Buch unterm Arm.) WALLENST. Guten Abend, Seni! Woher so spät? SENI. Ich dächt’ es wäre nicht wunderbar, den Sternenkunder zur Zeit der Sterne zu sehen. Es ist die schönste Nacht und ich sah – WALLENST. Ach Seni! laß die Sterne! Sie flimmerten einst mir so mild; sie flimmerten Ruh’ in dies Herz. Seit ich an ihrer Stirne die Schicksale lese, ist oft mir furchtbar ihr Glanz. SENI. Traurig wär’s, wenn Menschenkunde uns den Menschen furchtbar machte. WALLENST. Ja wohl traurig!
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Zum Stück vgl. Maria Wolf, Wallenstein als Dramenheld. Literarische Gestaltungen von Vernulaeus bis Schiller, Heidelberg 1992, S. 112–144; Roland Heinze, Halem, Schiller und Wallenstein. Probleme der Dramengestaltung und der Darstellung des Krieges im Wallenstein, in: Pankower Vorträge, 78 (2006), S. 32–43. Zu dieser Stelle vgl. auch Peter Höyng, Die Sterne, die Zensur und das Vaterland, S. 58–65.
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SENI. Ich dächte, je schärfer wir schauten, je mehr gewänne die Liebe zum Menschen. – Und anders wär’s bei den Gestirnen? WALLENST. Ach Seni! Wir ahnden so wenig vom Menschen, und wollen forschen in den Sternen? Seni, wirf deinen Nostradamus in’s Feuer! Die Hand auf’s Herz. Es sind heiße orientalische Schwärmereyen, womit wir uns beschäftigen. […] SENI. […] Die Gestirne haben so großen Einfluß auf die physische Natur, wie sollten sie’s nicht auch auf die geistige haben, die so sehr von der physischen abhängt? […] – Doch ich kam izt, Herr General, nicht zu demonstriren, sondern zu sagen, was ich sah. […] Jener kriegerische Stern, der bey deiner Geburt funkelte, ich sah ihn in der günstigsten Stellung mit Jupiter. (Mit Seher-Anstand und Blick:) Ich sage dir Wallenstein, dein längst verkündetes Glück, es blühet, dein Name wird unter Königen glänzen. WALLENST. Laß ab, Seni! Du machst mich schwindeln. – – Doch sehen will ich.³⁴ Drei Aspekte fallen bei der Lektüre dieses Passus auf. Der erste ist die Skepsis Wallensteins gegenüber der Astrologie beziehungsweise sein Verdruss über den eigenen Sternenglauben: Früher hat ihm die Beobachtung der Sterne Herzensruhe gespendet, aber seitdem er sich wissenschaftlich (oder parawissenschaftlich) mit den Konstellationen und deren Einfluss auf die Menschen beschäftigt, ist er in einen Zustand von Angst und Unsicherheit gefallen. Es ist plausibel, in diesen Worten eine Reminiszenz an Jean-Jacques Rousseaus Discours sur les sciences et les arts (1750) zu sehen, den Halem sehr schätzte.³⁵ Dort formuliert Rousseau bekanntlich eine Kritik an der exzessiven Verfeinerung des Menschen durch überflüssige wissenschaftliche Kenntnisse zugunsten eines natürlichen und unmittelbaren Zugangs zur Welt. In Einklang mit diesen Überlegungen wird Halems Wallenstein seit seiner Hinwendung zur Astrologie naturfremder und handlungsmüde. Die Angst, die er empfindet, ist nicht bloß mit der Möglichkeit verbunden, in den Sternen böse Vorahnungen für sich zu lesen, sondern
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Gerhard Anton von Halem, Wallenstein, ein Schauspiel, Göttingen 1786, S. 20–22. Halem war ein begeisterter Leser der Werke Rousseaus. Anfang der 1780er beschäftigte er sich intensiv mit Rousseaus erstem Discours, dem Contrat social und den Briefen, und exzerpierte ausführliche Passagen aus diesen Texten. Vgl. Klaus-Peter Müller, Seekrank im Sturm? Ein kurzer Streifzug durch die Kollektaneen Gerhard Anton von Halems zur Zeit der Französischen Revolution, in: Im Westen geht die Sonne auf. Justizrat Gerhard Anton von Halem auf Reisen nach Paris 1790 und 1811, hg. von Egbert Koolman und Peter Reindl, Bd. 1, Oldenburg 1990, S. 62–68, hier S. 63.
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liegt bereits in der Tatsache, dass Gestirne das menschliche Handeln heteronom steuern und hemmen können.³⁶ Ein zweites interessantes Element ist die von Seni angesprochene Parallele von Stern- und Menschenkunde, die er durch die Annahme erklärt, dass Sterne, Satelliten und Planeten nicht nur auf die »physische Natur« der Erde Einfluss haben, sondern auch auf »die geistige», das heißt auf das Leben des Menschen.³⁷ Hiermit spielt die Figur auf die historische Verknüpfung von Astrologie und Humoralpathologie im Weltbild des Mittelalters an, die bis in die frühe Neuzeit Einfluss besaß.³⁸ Um Wallenstein von seiner Skepsis gegenüber der Astrologie zu deprivieren, versucht Seni, ihn von der positiven Seite seiner Disziplin zu unterrichten: Genauso wie man den Menschen umso mehr lieben soll, je näher man ihn kennt, so sollte man auch die Sterne umso weniger fürchten, je intensiver man sie erforscht. Die Argumentation überzeugt Wallenstein allerdings nicht. Er klagt: »Ach Seni! Wir ahnden so wenig vom Menschen, und wollen forschen in den Sternen?« Die unbefriedigende Kenntnis vom Menschen, der Mangel an anthropologischer Kompetenz, den der Generalissimus anspricht, ist ein zentrales Thema des Stückes. Denn bei Halem – wie später auch bei Schiller³⁹ – kommt der Titelheld gerade wegen seiner fatalen Unfähigkeit, Freund von Feind zu unterscheiden zu Fall: Er verlässt sich auf Piccolomini und Gordon, wird aber von ihnen verraten. Schließlich sei auf die Ambivalenz der Haltung Wallensteins gegenüber der Astrologie hingewiesen. Einerseits präsentiert sich der Held als ein unzeitgemäßer Rationalist, der seinen Zweifel an den »heiße[n] orientalische[n] Schwär-
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Eine ähnliche Position wird in Schillers Wallenstein vertreten. So klagt die Frau des Generals im Gespräch mit ihrer Tochter Thekla: »Ihn floh [nach dem Regensburger Kurfürstentag, D. V.] die Ruhe, und dem alten Glück, / Der eignen Kraft nicht fröhlich mehr vertrauend / Wandt’ er sein Herz den dunkeln Künsten zu, / Die keinen, der sie pflegte, noch beglückt« (NA VIII N/2, 667, V. 1406–1409). Ähnlich heißt es bei Schiller: »Die himmlischen Gestirne machen nicht / Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer – nicht / Dem Sä’mann bloß bezeichnen sie die Zeiten / Der Aussaat und der Aernte. Auch des Menschen Tun / Ist eine Aussaat von Verhängnissen« (NA VIII N/2, 540, V. 986–990). Vgl. die Lemmata »Astrologie« und »astrologische Medizin« in: Lexikon des Mittelalters, hg. von Robert Auty, Robert-Henri Bautier u. a., München und Zürich 1980, Bd. 1, Sp. 1135–1145. Die verhängnisvolle Selbsttäuschung Wallensteins ist auch bei Schiller von eminent anthropologischer Natur, denn sie gründet auf seiner Unkenntnis des Menschen. Wallenstein weiß nämlich nicht, dass er verraten ist, weil er die Menschen um sich nicht kennt: Er glaubt, »des Menschen Kern untersucht« zu haben, und »sein Wollen und sein Handeln« zu wissen, aber er irrt sich (NA VIII N/2, 646, V. 959–960). Zum Verhältnis von Astrologie und (missverstandener) Freundschaft bei Schiller vgl. Harold C. Hill, Astrology and Friendship. The Net of Commitment in Wallenstein, in: Modern Language Notes, 91.3 (1976), S. 467–477.
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mereyen« zum Ausdruck bringt und die Prophezeiungen von Nostradamus verbrennen will. Andererseits aber bleibt Halems Wallenstein ein Kind seiner Zeit, der vielleicht die eigene Schwäche mit Unbehagen betrachten mag, sich ihr aber nicht endgültig entziehen kann. So will er »doch« in den Himmel sehen, als Seni ihm ankündigt, dass die Planeten für seinen gloriosen Aufstieg günstig stehen. Halems Wallenstein oszilliert also zwischen seiner Leidenschaft für die Sterndeutung und dem Bewusstsein über ihre wissenschaftliche Anfechtbarkeit. Der Autor, der in der Vorrede zum Drama einen Anspruch auf historische Authentizität erhebt,⁴⁰ versucht den Aberglauben des historischen Wallenstein mit seinem eigenen Bedürfnis nach einer Denunziation des Irrationalen zu versöhnen. Im Dialogroman⁴¹ Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale (1794) des jakobinischen Publizisten Andreas Georg Friedrich von Rebmann wird die aufklärerische Astrologiekritik mit politischen Elementen verwoben.⁴² Ziel der Dichtung ist, neben der Rehabilitierung des historischen Wallenstein und seiner Entlastung von der Verratsthese, eine Kritik an der politischen Macht der katholischen Kirche, insbesondere der Jesuiten, von denen man in bestimmten spätaufklärerischen Zirkeln glaubte, dass sie trotz der offiziellen Abschaffung ihres Ordens im Jahr 1773 insgeheim an einem Komplott zur Welteroberung arbeiteten.⁴³ Indem Rebmann die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs in den Blick nimmt, in welcher militante Jesuiten in der Tat einen großen Einfluss auf die Herrschafts-
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In der Vorrede äußert Halem die Überzeugung, »daß der historische Wallenstein ungefähr der gewesen ist, den ich darzustellen versucht habe« (Gerhard Anton von Halem, Wallenstein, S. 3–4). Rebmanns Wallenstein-Dichtung setzt wie eine historische Biografie an, wechselt aber schnell zum Drama, als der Erzähler die Absicht erklärt, den Protagonisten seiner Geschichte Stimme zu verleihen. Der Text besteht dann zum großen Teil aus Figurenrede, die gelegentlich von Szenenangaben und Überleitungsabschnitten in Prosa unterbrochen wird. Die Form des Dialogromans, die aus heutiger Sicht unkonventionell erscheinen mag, war im achtzehnten Jahrhundert keine Seltenheit. Vgl. Hans Gerhard Winter, Dialog und Dialogroman in der Aufklärung. Mit einer Analyse von J. J. Engels Gesprächstheorie, Darmstadt 1974. Zum Werk vgl. Rainer Kawa, Georg Friedrich Rebmann (1768–1824). Studien zu Leben und Werk eines deutschen Jakobiners, Bonn 1980, S. 172–177; Maria Wolf, Wallenstein als Dramenheld, S. 145–172. Zum Antijesuitismus im späten achtzehnten Jahrhundert vgl. u. a. Richard van Dülmen, Antijesuitismus und katholische Aufklärung in Deutschland, in: Historisches Jahrbuch, 89.1 (1969), S. 52–80; Christine Vogel, Les revers de la propagande antijésuite des Aufklärer. La pensée conspirationniste entre antijésuitisme et anti-Lumières, in: Les Antijésuites. Discours, figures et lieux de l’antijésuitisme à l’époque moderne, hg. von Pierre-Antoine Fabre und Catherine Maire, Rennes 2010, S. 495–509.
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politik der weltlichen Mächte ausübten,⁴⁴ partizipiert er zugleich an der antijesuitischen Polemik seiner Zeit. In diesem Licht erklärt sich seine Beschreibung von Seni als einem von Jesuiten besoldeten Spion: Der Herzog stand […] in dem Wahn, das Schicksal der Menschen sey in den Gestirnen verzeichnet, und liebte die Astrologie. Nichts wurde den Jesuiten leichter, als […] dem Feldherrn einen gewissen genuesischen Astrologen, Senni zu empfehlen, eine ihrer gewandtesten und abgerichtetesten Creaturen, den Wallenstein mit großen Kosten zu sich kommen ließ […]. Er sagte dem Feldherrn einige wichtige Todesfälle voraus […] und setzte sich in Wallensteins Vertrauen so fest, daß seine Obern sicher seyn konnten, durch den Sterndeuter auch den leisesten Gedanken des Feldherrn zu erfahren, der nichts unternahm, ohne Senni um Rath zu fragen, und auch seine liebsten Entwürfe aufschob oder gar aufgab, wenn ihm sein Orakel versicherte, die Sterne seyen ihm ungünstig. So gieng der Mann, auf dessen Wink sich Tausende einem fast gewissen Tod entgegen stürzen mußten, am Gängelbande eines von seinen Todfeinden gedungenen Gauklers.⁴⁵ Rebmann schildert den Astrologen als einen korrupten Scharlatan, der keine ernste Wissenschaft betreibt, sondern – »in Loyolas Schule ergraut«⁴⁶ – ausschließlich dem jesuitischen Einfluss und dem eigenen ökonomischen Interesse gehorcht. Dabei greift der Autor nicht nur die in der Geschichtsschreibung vertretene These auf, der historische Senno sei ein Agent des Wiener Hofs gewesen,⁴⁷ sondern präsentiert ihn als einen bei der jesuitischen Verschwörung gegen Wallenstein aktiv Mitwirkenden. Der Astrologe ist also Teil jener »Paffencabale«,⁴⁸ die in der Version Rebmanns den Fall des Feldherrn herbeiführt. Und doch scheint Senni zuweilen zwischen seiner Aufgabe als Spion und seiner Zuneigung gegenüber Wallenstein zerrissen zu sein: Am Ende des Romans, als er die Gefahr der Lage erkennt, versucht er Wallenstein zweimal vor den »falschen Freunden« zu warnen, die gegen ihn konspirieren, aber seine Stimme bleibt ungehört.⁴⁹ Diese 44 45 46 47 48 49
Vgl. Robert Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War. Kings, Courts and Confessors, Cambridge 2003. Andreas Georg Friedrich von Rebmann, Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale, S. 16–17. Ebd., S. 68. Vgl. beispielsweise Johann Christian Herchenhahn, Geschichte Albrechts von Wallenstein, des Friedländers. Ein Bruchstük vom dreissigiährigen Krieg, Bd. 2, Altenburg 1790, S. 38–39. Andreas Georg Friedrich von Rebmann, Albrecht der Friedländer Hochverräther durch Cabale, S. 18. Vgl. ebd., S. 168–170 und 208–210.
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plötzliche Sinnesänderung ist jedoch nicht von aufrichtiger Reue, sondern nur von Opportunismus diktiert: Wenn Wallenstein sterben würde, so die Überlegungen Sennis, würde er auch »jede Wichtigkeit für den Orden [verlieren], der die Astrologie gut besoldete«.⁵⁰ Während Halem aufklärerische Argumente gegen die Astrologie vorbringt und Rebmann sie für seine antiklerikale Polemik funktionalisiert, wird die Kritik an der Sterndeutung bei dem hauptberuflichen Historiker Niklas Vogt von satirischen Elementen begleitet. Seine zweibändige Dichtung Gustav Adolph König in Schweden (1790)⁵¹ behandelt Wallenstein eher marginal als eine Kontrastfigur, die mit ihren finsteren Zügen der Apotheose des aufgeklärten schwedischen Monarchen dienen soll.⁵² Um den »fürchterlichen und stolzen« Wallenstein abzuwerten, führt ihn Vogt im ersten Buch gerade durch seinen »kindischen Glauben« an die Astrologie vor.⁵³ Im vierten Gesang findet sich eine lange Dialogsequenz, in der die Bestechung Senis durch kaiserliche Gesandte inszeniert wird. Auch Vogt vertritt, wie Rebmann, die These des korrupten Astrologen, der den unmündigen Wallenstein mit seinen falschen Prophezeiungen in Schach hielt.⁵⁴ Um das Betrügerische und Gauklerische an Seni hervorzuheben, lässt ihn Vogt bereits bei seinem ersten Auftritt wie einen Zauberer erscheinen:
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Vgl. ebd., S. 133. Es handelt sich um eine hybride Dichtung, die als Versepos beginnt, sich als Drama fortsetzt, seitenlang die Konturen eines politischen Traktats einnimmt, um schließlich als dramatischer Roman zu enden. Zum Werk vgl. Magdalene Herrmann, Niklas Vogt, ein Historiker der Mainzer Universität aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, München 1916, S. 89–91; Kevin Cramer, The Thirty Years’ War and German Memory in the Nineteenth Century, Lincoln 2007, S. 60–62; Heinz Duchhardt, Niklas Vogt und Gustav II. Adolf, in: Wege der Neuzeit. Festschrift für Heinz Schilling zum 65. Geburtstag, hg. von Stefan Ehrenpreis, Ute Lotz-Heumann u. a., Berlin 2007, S. 521–531. Die Gegenübersetzung der zwei Heerführer hatte bereits in der historiografischen Überlieferung eine konsolidierte Tradition. Auch Schiller arbeitet im vierten Buch seiner Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs (1790–1792) produktiv mit diesem Kontrast und problematisiert ihn zugleich. Vgl. Steffan Davies, The Wallenstein Figure in German Literature and Historiography 1790–1920, Leeds 2010, S. 27–35. Niklas Vogt, Gustav Adolph König in Schweden, als Nachtrag zur europäischen Republik, Bd. 1, Frankfurt a. M. und Mainz 1790, S. 113. Ein deutlich positiveres Bild des Generals wird der Autor in einem späteren Aufsatz zeichnen: Niklas Vogt, Wallenstein, oder über die Vereinigung der deutschen Nation, in: ders., Europäische Staats-Relationen, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1805, S. 231–238. Es ist plausibel, dass Vogt den Vorwurf der Käuflichkeit Senis von Mauvillons Gustav-AdolfBiografie übernommen hat. Vgl. Jakob Eléazar de Mauvillon, Histoire de Gustave-Adolphe, Amsterdam 1764, insbesondere S. 169.
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Er saß in einem halbdunklen Zimmer, ober ihm hiengen ausgestopfte Krokodillen und Schildkröten. – Hier grinzte einem ein Todtenkopf und ein Geripp entgegen – dort wallten in langen Ringen Schlangen und Eidexen in Gläsern – auf dem Tische stunden Himmelskugeln und Schmelztiegel – und überall umher lagen Bücher – Himmelszeichen – Rezepte – Seherohr und cabbalistische Zahlen.⁵⁵ Die Beschreibung von Senis Arbeitszimmer kommt dem Geschmack des breiten Lesepublikums für das Magische und Geheimnisvolle entgegen. Die Figur des Astrologen überschneidet sich mit der des Zauberers, wodurch ihre vorgetäuschte wissenschaftliche Aura in Frage gestellt wird. Seni, der »ein Zauberkleid [bemalt] mit magischen Figuren« trägt, rühmt sich nicht nur, durch die Beobachtung der Sterne die Zukunft vorauszusehen, sondern zum Beispiel auch anhand eines magischen Spiegels »vergangene Geister in ihrer natürlichen Gestalt zeigen« zu können.⁵⁶ Er wird somit nicht als ein ehrenwürdiger Gelehrter, sondern als ein aufgeblasener »Charlatan«⁵⁷ präsentiert: Er redet verworrene mathematische Formeln vor sich hin, spricht Floskeln in Küchenlatein wie die grotesken vecchiFiguren der italienischen Commedia dell’arte, und als die kaiserlichen Räte ihn besuchen, hält er sie für magi aus dem Orient.⁵⁸ Der Spätaufklärer Vogt zeichnet also eine Karikatur des Astrologen, die für belustigende Momente im Text sorgt. Er thematisiert die Sternkunst, um sie ins Licht der Lächerlichkeit zu rücken. Nicht zuletzt wird die Astrologie auch dadurch diskreditiert, dass Seni sich korrumpieren lässt und seine vermeintliche Wissenschaft den Feinden seines Herrn verkauft. Süffisant bis spöttisch fällt der Kommentar von Questenberg nach dem Bestechungsgespräch mit Seni aus: »Hat doch jeder Mensch einen Zwirnsfaden, wo er angebunden ist. Dieser große Wallenstein, der wie ein Gott gebietet und donnert, wird von diesem Charletan [sic] regieret.«⁵⁹
Das astrologische Motiv in Schillers Wallenstein Auch bei Schiller scheint Seni – zumindest am Anfang – als eine komische Gestalt konstruiert zu sein. Bei seinem ersten Auftritt ist er »wie ein italienischer Doctor schwarz und etwas phantastisch gekleidet […], ein weißes Stäbchen in der Hand«
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Niklas Vogt, Gustav Adolph, Bd. 1, S. 113. Ebd., S. 117. Ebd., S. 113. Ebd., S. 115–125. Ebd., S. 125.
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(NA VIII N/2, 524): Seni trägt das Kostüm des dottore aus der Commedia dell’arte, er wird also als eine skurrile Figur präsentiert, wie die Bezeichnung als »Narr« durch einen Bedienten es unterstreicht (NA VIII N/2, 526, V. 630). Zur Lächerlichkeit Senis tragen auch seine abergläubischen Bemerkungen zur Zahl der Stühle im Raum bei, die zwar »mit Gravität« gesprochen werden, aber alles andere als tiefsinnig erscheinen (NA VIII N/2, 525). Diese erste Darstellung des Sterndeuters zeugt von Schillers kritischer Sicht auf die Astrologie. Der Aufklärung verpflichtet, definiert er im Brief an Goethe vom 4. Dezember 1798 das astrologische Motiv, dem er noch keine poetische Wirkung zutraute, als »eine lächerliche Fratze«: Eine Szene mit der Lektüre von Wallensteins speculum astrologicum wäre seiner Meinung nach »ohne dramatisches Interesse«, sie würde »trocken, leer und noch dazu wegen der technischen Ausdrücke dunkel für den Zuschauer« ausfallen (NA XXX, 8). Schiller erklärt hier den Zwiespalt zwischen der Notwendigkeit, »dem Geist des Zeitalters nahe [zu] bleiben« und der technischen Schwierigkeit, dem trivialen astrologischen Stoff einen »gewissen tragischen Gehalt« abzugewinnen (NA XXX, 9). Durch den Austausch mit Goethe, der am 5. Dezember den Dichterkollegen dazu ermutigte, eine Verbindung zwischen der astrologischen »Fratze« und dem Tragischen zu versuchen,⁶⁰ kam Schiller nach einigem Zögern zur Einsicht, dass er doch »noch etwas bedeutendes für diese Materie thun« konnte (NA XXX, 11). Als er wenige Tage später August Wilhelm Iffland das Piccolomini-Manuskript zur Aufführung im Berliner Theater zuschickte, empfahl er daher, »Seni […] nicht […] in gar zu karrikaturistische Hände zu geben, weil er, im dritten Stück, bei einem sehr pathetischen Anlaß erscheint, und die Rührung von Wallensteins letzter Scene leicht verderben könnte« (NA XXX, 18). Schiller bemüht sich also bei der Arbeit am dritten Teil seines WallensteinDramas, das fratzenhafte astrologische Motiv auf der tragischen Ebene zu legitimieren und ihm »eine poetische Dignität zu geben« (NA XXIX, 58). Zu diesem Zweck bedient er sich des Sternenglaubens des historischen Wallenstein, um zunächst die defizitäre Entscheidungskraft seiner Figur zu beleuchten. Bereits in den Piccolomini fällt auf, dass Wallensteins Glaube an die Astrologie eine fatal retardierende Wirkung auf die Handlung ausübt. Das Warten auf die »rechte Sternstunde« lähmt den General und schränkt ihn in seiner Entscheidungsfreiheit ein:
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Goethe spricht zwar vom scheinbar »unauflösbare[n] Bruch zwischen dieser Fratze und der tragischen Würde«, fügt aber hinzu: »[M]ich dünkt, man müßte den astrologischen [Stoff], um ihn zu beurtheilen, nicht unmittelbar gegen das tragische halten, sondern das astrologische wäre als ein Theil des historisch, politisch, barbarischen Temporären mit in der übrigen Masse gegen das Tragische zu stellen und mit ihm zu verbinden« (NA XXXVIII, 12–13).
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Da thut es Noth, […] Die rechte Sternenstunde auszulesen, Des Himmels Häuser forschend zu durchspüren, Ob nicht der Feind des Wachsens und Gedeihens In seinen Ecken schadend sich verberge. Drum laßt mir Zeit. Thut ihr indeß das Eure. Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich thun will. (NA VIII N/2, 540, V. 993–999) In diesen Worten wird evident, was Goethe in seinem Piccolomini-Aufsatz prägnant formuliert: »Wer die Sterne fragt was er thun soll? ist gewiß nicht klar über das was zu thun ist« (NA VIII N/3, 386). Wallenstein weiß nicht, wie er in der Geschichte zu handeln hat, weil ihm die Kette der Ereignisse, in die er eingreifen soll, bis zum Ende ein Rätsel bleibt. Wie im dritten Aufzug von Wallensteins Tod von seiner Frau zu erfahren ist, hat er sich der Astrologie nach dem Regensburger Kurfürstentag von 1630 verschrieben, auf dem seine – für ihn unerklärliche – Absetzung beschlossen wurde (NA VIII N/2, 667, V. 1402–1409). Vor der radikalen Erfahrung der geschichtlichen Kontingenz versucht Wallenstein, Orientierung und Halt bei den Sternen zu finden, die quasi zum Transzendenzersatz werden. Der Einbruch der Zufallskomponente in die Geschichte weckt bei ihm das Bedürfnis, an eine höhere Lenkung der Ereignisse zu glauben, an eine Vorsehung, die er durch die Ordnungskategorien der Astrologie als Schicksal, als gegebene Notwendigkeit interpretieren kann. Wallensteins Glaube an die Wirkung der Gestirne auf »des Menschen Thun«,⁶¹ der am deutlichsten im Gespräch mit Illo im zweiten Aufzug der Piccolomini artikuliert wird (NA VIII N/2, 539–540, V. 960–1002), zeugt von diesem Bedürfnis nach Sinn in einem chaotischen, durch die Immanenz bestimmten Geschichtslauf.⁶² Der Friedländer wartet also auf einen Hinweis der Gestirne bezüglich eines günstigen Aktionsmoments. Als dieser in der ersten Szene von Wallensteins Tod endlich kommt, hat er jedoch keinen entscheidenden Einfluss auf die Handlung. Gewiss gibt Senis Feststellung der glücksverheißenden Planetenkonstellation 61
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Zum Verhältnis von Astrologie und Politik in der Trilogie vgl. Maria Wolf, Der politische Himmel. Zum astrologischen Motiv in Schillers Wallenstein, in: Schiller und die höfische Welt, hg. von Achim Aurnhammer, Klaus Manger und Friedrich Strack, Tübingen 1990, S. 223–232. Dasselbe gilt auch für Wallensteins blindes Vertrauen in Träume als Zeichen des Übernatürlichen. Der General glaubt, dass Octavio Piccolomini ihm bei der Schlacht von Lützen nach einem warnenden Traum das Leben gerettet hat und ihm deswegen auf immer treu bleiben wird. Als Illo den Einwand erhebt: »Das war ein Zufall«, antwortet Wallenstein resolut: »Es giebt keinen Zufall« (NA VIII N/2, 646, V. 943).
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dem nachdenklichen General »einen augenblicklichen Schwung« (NA XXX, 9): »Jetzt muß / Gehandelt werden, schleunig, […] / Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen« (NA VIII N/2, 614, V. 32–35). Zu den Unterhandlungen mit den Schweden stößt Wallenstein allerdings erst nach dem »böse[n], böse[n] Zufall« der Gefangennahme von Sesina (NA VIII N/2, 617, V. 98), als er in den Zugzwang der Ereignisse gerät.⁶³ Und über die wirkliche Vollbringung der Tat ist er immer noch unentschieden, wie dem berühmten Achsenmonolog⁶⁴ und dem Gespräch mit der Gräfin Terzky⁶⁵ klar zu entnehmen ist. Die Aktion wird also nicht von den Sternen oder von irgendeiner anderen höheren Instanz gesteuert, sondern ausschließlich von der Immanenz der historischen Ereignisse.⁶⁶ Somit wird deutlich, dass Wallensteins Idee des Schicksals nur die Projektion seines eigenen Bedürfnisses nach einer Providenz oder einer Teleologie darstellt, in die er sein Handeln einordnen kann. Diese kann jedoch in der Geschichte keinen Raum finden. Denn gemäß dem Pessimismus und der geschichtsphilosophischen Frustration Schillers nach der Französischen Revolution⁶⁷ ist die Geschichte nicht als ein vektorialer Fortschrittsprozess aufzufassen, sondern als ein sinnloses Hin und Her, das nur aus politischem Kalkül, ruchloser Staatskunst, Intrigen und Zufällen besteht.
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Wie Schiller Goethe erklärt, erfüllt »das Wunderbare« – die Astrologie – nur die Funktion, »ein[en] muthvolle[n] Glaube[n] an das Glück der Unternehmung« in Wallenstein zu erwecken (NA XXX, 8), ehe die Nachricht der Gefangennahme von Sesina ihn tatsächlich zur Handlung zwingt. »Bey’m großen Gott des Himmels! Es war nicht / Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie. / In dem Gedanken bloß gefiel ich mir« (NA VIII N/2, 619, V. 146–148). »WALLENSTEIN. Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer / Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn / Erwählen, und das Aeußerste vermeiden« (NA VIII N/2, 631, V. 482–484); »GRÄFIN. […] Der Augenblick ist da, wo du die Summe / Der großen Lebensrechnung ziehen sollst, / Die Zeichen stehen sieghaft über dir, / Glück winken die Planeten dir herunter / Und rufen: es ist an der Zeit! Hast du / Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf / Gemessen? […] Nur um ein heiteres Spiel damit zu treiben? / Führt alle diese Zurüstung zu nichts, / Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst, / Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich / Vermag im Augenblicke der Entscheidung?« (NA VIII N/2, 635, V. 627–642). Vgl. hierzu auch Klaus F. Gille, Das astrologische Motiv in Schillers Wallenstein, in: Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, 1 (1972), S. 103–118; Mario Zanucchi, Die »Inokulation des unvermeidlichen Schicksals«. Schicksal und Tragik in Schillers Wallenstein, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, 50 (2006), S. 150–175. Unter anderen vgl. hierzu Helmut Koopmann, Die Tragödie der verhinderten Selbstbestimmung. Schillers Aufklärungsdenken, die Französische Revolution und Wallenstein als politische Antwort, in: ders., Freiheitssonne und Revolutionsgewitter. Reflexe der Französischen Revolution im literarischen Deutschland zwischen 1789 und 1840, Tübingen 1989, S. 13–58; Michael Hoffmann, Schillers Reaktion auf die Französische Revolution und die Geschichtsauffassung des Spätwerks, in: Schiller und die Geschichte, hg. von Michael Hoffmann, Jörn Rüsen und Mirjam Springer, München 2006, S. 180–194.
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Anders als in Schillers frühen historischen Schriften, die von der optimistischen Idee einer fortschrittsorientierten Universalgeschichte geprägt sind,⁶⁸ ist hier kein Versuch einer vernunftgemäßen Ordnung der Geschichte abzulesen. Mithilfe der Sterndeutung versucht Wallenstein, das Zufällige an der Geschichte ins Notwendige zu transformieren. Als aber gegen Ende der Tragödie der illusorische Charakter dieses Versuchs offenbar wird, findet ein radikaler Umbruch in der Haltung des Protagonisten gegenüber der Astrologie statt. Diese Peripetie, die eine gewisse tragische Ironie in den letzten Szenen auslöst,⁶⁹ zeichnet sich durch Wallensteins fortschreitenden Vertrauensverlust in die Gestirne – und in das Übernatürliche im Allgemeinen⁷⁰ – aus, der spätestens nach der Entdeckung von Octavios Verrat im dritten Akt von Wallensteins Tod einsetzt. Unmittelbar vor der Katastrophe liest Seni im »Planetenstand«, dass vom Bündnis mit »falschen Freunden« – den Schweden – ein »nahes Unheil« droht. Wallenstein jedoch, der nun rational argumentiert, entgegnet nüchtern: »Von falschen Freunden stammt mein ganzes Unglück, / Die Weisung hätte früher kommen sollen, / Jetzt brauch’ ich keine Sterne mehr dazu« (NA VIII N/2, 764, V. 3611–3613). Und ferner, spöttisch: »Leg dich schlafen / Baptista! Solche Zeichen fürcht’ ich nicht« (NA VIII N/2, 765, V. 3622–3623). Die tragische Ironie besteht darin, dass der früher abergläubische Sternbeobachter zum falschen Zeitpunkt aufgeklärt wird. Aber auch darin, dass am Ende nicht die Schweden kommen, wie es die Mörder von Wallenstein vermutet hatten, sondern die Kaiserlichen, die ihn lebendig verhaften wollten. Doch es ist »zu spät«: Wallenstein ist aufgrund eines Missverständnisses ermordet worden.⁷¹ Das Ende des Stückes besiegelt somit die totale Abwesenheit einer sinnstiftenden Dimension: Der krude Zufall ist der Grund für Wallensteins Untergang. Dies bestätigt auch die allerletzte Szene, in der wiederum der Blick in den Himmel evoziert wird, wenn auch in einem nicht-astrologischen Zusammenhang.⁷² Octavio erhält von
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Obwohl bereits dort vereinzelte geschichtsskeptische Töne zu vernehmen sind. Hierzu vgl. Helmut Koopmann, Schillers Wallenstein und der Ausbruch des Geschichtspessimismus, in: Études germaniques, 60.4 (2005), S. 745–759, insbesondere S. 748–750; Ulrich Raulff, Schiller, der Enthusiasmus, die Historie, in: Friedrich Schiller und der Weg in die Moderne, hg. von Walter Hinderer, Würzburg 2006, S. 325–338, insbesondere S. 333–334; Alexander Jakovljević, Die Unbegreiflichkeit der Weltgeschichte. Schillers Geschichtsdenken, Berlin 2015, passim. Vgl. Dieter Borchmeyer, Macht und Melancholie. Schillers Wallenstein, Frankfurt a. M. 1988, S. 32–39. Vgl. Mario Zanucchi, Die »Inokulation des unvermeidlichen Schicksals«, S. 168–170. »Es ist ein Irrthum«, wiederholt Gordon (NA VIII N/2, 771–772, V. 3745 und 3755). Hierzu vgl. René-Marc Pille, La force des choses. Schillers Wallenstein als Tragödie der politischen Vergeblichkeit, in: Euphorion, 99 (2005), S. 153–188.
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Gordon den Brief seiner Ernennung zum Fürsten, aber, statt sich darüber zu freuen, »erschrickt« er »und blickt schmerzvoll in den Himmel« (NA VIII N/2, 777). Piccolomini, der neben dem Sohn Max nun auch den teuren Freund Wallenstein verloren hat, sieht keinen Grund zur Freude. Er blickt zum Himmel empor auf der Suche nach einer Antwort, aber der Himmel ist leer: »Der Vorhang fällt« (NA VIII N/2, 777). Es gibt keine Instanz – astrologischer oder gar theologischer Natur – die ihm Tröstung oder Erlösung bieten kann.
Fazit Aus der vergleichenden Lektüre verschiedener Wallenstein-Darstellungen des späten achtzehnten Jahrhunderts geht hervor, dass die Astrologie bei der Konturierung der literarischen Figur Wallensteins noch vor Schillers Trilogie eine zentrale Rolle spielte. Die herangezogenen Texte der auctores minores behandeln das astrologische Motiv als Element barocken Zeitkolorits oder aber als eine Form von Aberglauben, die in Anlehnung an die aufklärerische Polemik gegen die »Sterndeuterey« problematisiert werden musste. Der Astrologe Seni wird mal als ein enger Freund des Generals und würdiger Weiser, mal als ein Scharlatan oder sogar Manipulator dargestellt, der sich der politischen Macht (beziehungsweise den Absichten der Jesuiten) verkauft und seinen Herrn rücksichtslos verrät. Die Lektüre der schillerschen Trilogie vor dem Hintergrund zeitgenössischer Wallenstein-Darstellungen ermöglicht es, die Auseinandersetzung des Autors mit dem astrologischen Thema in ihren zeittypischen Zügen, aber auch und vor allem in ihrer Besonderheit zu beleuchten. Im Verlauf der Arbeit am Wallenstein überwindet Schiller sein anfängliches Widerstreben gegenüber dem trivialen Sujet und verleiht ihm durch die von Goethe vorgeschlagene Verbindung mit dem Tragischen die erwünschte »poetische Dignität«. In Unterschied zu den minores thematisiert Schiller die Astrologie weder um eine aufklärerische Kritik an Aberglauben und Obskurantismus zu formulieren, noch um die Wirksamkeit seiner Dichtung durch die bizarre Figur Senis zu steigern. Das astrologische Motiv wird bei ihm mit tragischer Dichte aufgeladen und zur Profilierung eines tiefen geschichtsphilosophischen Pessimismus verwendet. Der Glaube an die Sterne wird als Transzendenzersatz präsentiert, als Ausdruck des Bedürfnisses nach einem sinnstiftenden Telos im Geschichtslauf. Durch die Macht der historischen Kontingenz, die im Stück in all ihrer Präpotenz in Erscheinung tritt, wird aber jede Schicksalsidee sowie jedes geschichtsphilosophische Modell radikal in Frage gestellt. So musste der junge Georg Wilhelm Friedrich Hegel die Trilogie »entsetzlich« finden, weil sie den Fall des Protagonis-
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ten »unter einem schweigenden und tauben, toten Schicksal« beschreibt: »Wenn das Stück endigt« – so der Philosoph in einer berühmt gewordenen Besprechung des Wallenstein – »ist alles aus, das Reich des Nichts, des Todes, hat den Sieg behalten«.⁷³
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Über Wallenstein [1800/1801], in: ders., Werke, Bd. 1: Frühe Schriften, red. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a. M. 1986, S. 618– 620.
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gerade / krumm Zur Poetik des Scheidewegs in Schillers Wallenstein
So umfangreich und heterogen sich die neuere Forschung zu Friedrich Schillers dramatischer Wallenstein-Trilogie präsentieren mag, so einig ist sie sich doch in einem Punkt: Das Schauspiel behandelt das Thema von Wahl und Entscheidung; davon zeugt nicht nur eine Vielzahl von Aufsätzen, die das ›Entweder / Oder‹ mehr oder minder explizit im Titel tragen, sondern auch die Häufung apodiktischer Wendungen wie »Wallenstein ist das Drama der Entscheidungsfindung«¹ oder die Feststellung, es sei »the agony of choice, seen as the dilemma of human life itself, that is […] the central theme of Schiller’s Wallenstein«.² Weniger Aufmerksamkeit erhält hingegen ein metaphorisches Feld, das Schillers Drama motivisch strukturiert und gerade für die Frage der Wahl von zentraler Bedeutung ist: der (Scheide-)Weg und seine divergenten Verläufe.³ Aus welcher begrifflichmotivischen Tradition heraus die Wegmetapher 1799 Einlass in Schillers Dichtung als »dramatische[s] Hauptwerk dieser Zeit«⁴ findet, ist endlich gänzlich unkommentiert; der folgende Aufsatz unternimmt es, diese Lücke zu schließen.
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Rainer Godel, Schillers Wallenstein. Das Drama der Entscheidungsfindung, in: Aufklärung und Weimarer Klassik im Dialog, hg. von Andre Rudolph und Ernst Stöckmann, Tübingen 2009, S. 134. Robin Harrison, »Wer die Wahl hat, hat die Qual«. Philosophy and Poetry in Schiller’s Wallenstein, in: Publications of the English Goethe Society, 64 (1996), S. 136. Aus der Fülle von Publikationen stechen lediglich zwei hervor: Barbara Lange befasst sich in ihrer Dissertation zur Sprache des Dramas im Unterkapitel »Bildlichkeit« mit seiner Wegmetaphorik; vgl. Barbara Lange, die Sprache von Schillers Wallenstein, Berlin und New York 1973, S. 158–162. O. J. Matthijs Jolles widmet dem Sujet des Wegs im Wallenstein zusammen mit der auffälligen Herz-Metaphorik einen ganzen Aufsatz; vgl. O. J. Matthijs Jolles, Das Bild des Weges und die Sprache des Herzens. Zur strukturellen Funktion der sprachlichen Bilder in Schillers Wallenstein, in: Deutsche Beiträge zur geistigen Überlieferung, hg. von H. Stefan Schultz, Bd. 5, Bern und München 1995, S. 111–142; gleichwohl fragt Jolles nicht nach Quelle und Ambivalenz der Wegmetaphern des Textes, sondern konstatiert in erster Linie ihre Bedeutung für die Charakterisierung der Figuren. Wolfram Ette, Wallenstein – das Drama der Geschichte, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 85 (2011), S. 33.
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Zu diesem Zweck lohnt zunächst der Blick auf eine Reihe von Textstellen, die in geordneter Heuristik exemplifizieren sollen, auf welche Weise das Begriffsfeld des Wegs die Trilogie dominiert. Der folgende Schritt verbindet Wallenstein mit einem Topos, der das metaphorische Paradigma eröffnet, an dem Schiller, wie hier gezeigt werden soll, partizipiert: dem Mythos von Herkules am Scheideweg. Anhand einer Skizze seines Ursprungs und seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung seit dem Altertum legt die Untersuchung dar, inwiefern das klassische Motiv bei Christoph Martin Wieland eine innovative Wendung zum Programm der Empfindsamkeit erfahren und schließlich implizit Aufnahme in Schillers Entscheidungsdrama über den Dreißigjährigen Krieg gefunden hat: Analog zur Figur des antiken Halbgottes erscheint der Protagonist des Theaterstücks als Charakter ›am Scheideweg‹, der eine nicht zuletzt ethisch bedeutsame Wahl zu treffen hat, und dessen Zwang zur Entscheidung sich in den übrigen Figuren der Handlung gespiegelt findet. Dass der Text es dabei gezielt vermeidet, seine beiden zentralen Metaphern für die zur Wahl stehenden Wege – »gerade« und »krumm« – semantisch und moralisch unzweideutig zu fixieren, thematisiert der letzte Teil der Analyse. Für Wallenstein erweist sich Schillers »hohe Kunst äußerster Ambivalenz«⁵ als dominantes ästhetisches Charakteristikum, das an der Problematik der Wegwahl die Aporie einer Logik binärer Oppositionen vorführt.
Die vielen Wege des Wallenstein Das hodologische (von gr. hodos: der Weg) Bildregister veranschaulicht Wallensteins Schwanken zwischen Kaisertreue und Hochverrat als Grundkonflikt der Trilogie. So spielen Die Piccolomini und Wallensteins Tod ostentativ mit der untersuchten Bildlichkeit; gegenüber der später mitunter inflationären Verwendung im metaphorischen Sinn bahnt sich der buchstäbliche, hier noch topografisch denotierte Weg gleich zu Beginn der Handlung einen Pfad in den ersten Vers: »ILLO. Spät kommt Ihr – Doch Ihr kommt! Der weite Weg, / Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen.«⁶ Während Buttler Wallensteins Mörder später »Durch 5
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Johannes Süßmann, Geschichtsschreibung oder Roman? Zur Konstitutionslogik von Geschichtserzählungen zwischen Schiller und Ranke (1780–1824), in: Frankfurter historische Abhandlungen, 41, Stuttgart 2000, S. 104. Friedrich Schiller, Wallenstein, in: Schillers Werke. Nationalausgabe, 43 Bde. in 55 Teilbänden, hg. von Julius Petersen und Hermann Schneider, Bd. 8, hg. von Hermann Schneider und Lieselotte Blumenthal, Weimar 1949, S. 59 (1. Akt, 1. Auftritt, Vers 1 f.). Alle Schriften Schillers werden im Folgenden nach der Nationalausgabe zitiert (Sigle NA), bei wiederholtem Zitat mit Angabe von Band- und Seitenzahl im Fließtext. Für die Zitatstellen des Dramentexts finden die üblichen Siglen Verwendung (L = Wallensteins Lager; P = Die Pic-
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eine hintre Pforte« (T V.2, v. 3358) führt, beabsichtigt der Heerführer selbst einen Kurier »auf geheimem Weg« (T III.10, v. 1721) an die Schweden zu entsenden. Schon zuvor markiert die Assoziation des Wegs mit Heimlichkeit und Verstellung, Spiel, Maske und ›gewundener‹ Rede den wichtigsten Aspekt des Sprechens über Wege in Die Piccolomini, wobei dort die topografische in eine figurative Semantik überführt wird. Terzky hält Wallenstein vor, das strategisch bedeutsame Bündnis mit den Sachsen zu gefährden, »Weil du so krumme Wege machst – / Was sollen alle diese Masken? Sprich!« (P II.5, v. 847 f.) und initiiert damit das Hauptmotiv des »krummen Pfads«. Der Herzog macht sich die Metaphorik wiederum in der Anrede des kaiserlichen Gesandten Questenberg zu eigen: »Wozu die krummen Wege, Herr Minister? / Gerad heraus!« (P II.7, v. 1256 f.) Max Piccolomini äußert sich emphatisch über Wallenstein: »Er soll mein Glück entscheiden, er ist wahrhaft, / Ist unverstellt und haßt die krummen Wege« (P III.5, v. 1700 f.). Sein Vater Octavio urteilt dagegen über den Generalissimus: »Mit leisen Tritten schlich er seinen bösen Weg« (P V.1, v. 2477), nur um zuzugeben, »Auf anderm Weg« (P V.1, v. 2418) – also selbst abseits des direkten Tugendpfads – von Wallensteins angeblichem Verrat erfahren zu haben. Zwischen Vater und Sohn Piccolomini spitzt sich der Konflikt der Wegdeutung zu. In Anwesenheit Questenbergs erläutert Octavio sein Konzept der krummen als der tugendhaften Bahn: Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen / Gering nicht achten! Köstlich unschätzbare / Gewichte sinds, die der bedrängte Mensch / An seiner Dränger raschen Willen band; / Denn immer war die Willkür fürchterlich – / Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen, / Er ist kein Umweg. (P I.4, v. 463–469) Zum Ende des zweiten Teils hält Max dem Vater ebendiese Auffassung vor, indem er sie ins Negative wendet: »Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle / In deinem Spiele spielen, hast du dich / In mir verrechnet. Mein Weg muß gerad sein« (P V.3, v. 2601–2603), und kündigt an, »eure künstlichen Gewebe / Mit einem graden Schritte zu durchreißen« (P V.3, v. 2612 f.). Im letzten Teil der Trilogie kommt es zur endgültigen Abkehr des Sohnes vom Vater: »MAX Leb wohl! OCTAVIO Du folgst mir doch bald nach? MAX ohne ihn anzusehen Ich dir? / Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht. Octavio läßt seine Hand los, fährt zurück / O! wärst du wahr gewesen und gerade, / Nie kam es dahin, alles stünde anders!«
colomini; T = Wallensteins Tod); die Belege werden gleichfalls direkt im Fließtext unter Angabe von Akt, Auftritt und Verszahl des Bandes NA 8 nachgewiesen.
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(T II.7, v. 1191–1194) Gegenüber dem Herzog von Friedland als zweiter Vaterfigur bekräftigt Max diesen Standpunkt: MAX Mein General! – Du machst mich heute mündig. / Denn bis auf diesen Tag war mirs erspart, / Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung. / Dir folgt ich unbedingt. Auf dich nur braucht ich / Zu sehn und war des rechten Pfads gewiß. / Zum ersten Male heut verweisest du / Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl / Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen. / WALLENSTEIN Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick, / Du konntest spielend deine Pflichten üben, / Jedwedem schönen Trieb Genüge tun, / Mit ungeteiltem Herzen immer handeln. / So kanns nicht ferner bleiben. Feindlich scheiden / Die Wege sich. (T II.2, v. 711–724) Deutlich kommt in dieser Auseinandersetzung das metaphorische Konzept des Lebenspfads zur Sprache, dessen alternative, einander wechselseitig ausschließende Verläufe ihm den Charakter des Scheidewegs verleihen. Der Herzog sinniert im von Goethe als »Achse des Stücks«⁷ bezeichneten Monolog über die Position an der Wegscheide und seine gleichsam unfreiwillige Wahl eines verhängnisvollen Lebenspfads: Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite, / Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte? / Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt? / Bahnlos liegts hinter mir, und eine Mauer / Aus meinen eignen Werken baut sich auf, / Die mir die Umkehr türmend hemmt! (T I.4, v. 153–158) Obgleich im entscheidenden Dialog mit der Gräfin Terzky ersehnt, bietet sich Wallenstein kein »milderer Ausweg« (T I.7, v. 482 f.) aus dem Dilemma, das ihn zum Verrat am Kaiser zwingt; er ist nicht fähig, »den goldnen Mittelweg« (T V.4, v. 3549) zu wählen, zu dem sein früherer Weggefährte Gordon rät und den er noch kurz vor seiner Ermordung verächtlich verwirft. Die Empfindung seines Lebensals Scheideweg wird schließlich in einer Wendung manifest, die die Liminalität der Wegwahl als ›Noch-nicht-entschieden-Haben‹ artikuliert: »Noch ist sie rein – noch! Das Verbrechen kam / Nicht über diese Schwelle noch – So schmal ist / Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!« (T I.4, v. 220–222)
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Johann Wolfgang Goethe, Die Piccolomini. Wallensteins Erster Teil. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen von Schiller, in: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. 21 Bde. in 26 Teilbänden, hg. von Karl Richter u. a., Bd. VI.2 (Weimarer Klassik), hg. von Victor Lange u. a., München 1988, S. 684.
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Herkules am Scheideweg und seine Bedeutung für Schillers Drama Das Wählen-Müssen als Diktat der Entscheidung strahlt von der Hauptfigur in Schillers Schauspiel auf die anderen Charaktere aus; Wallensteins Votum für oder wider Kaiser Ferdinand potenziert sich im notwendigen Beschluss seiner Untergebenen, dem Generalissimus im Falle des Verrats die Treue zu halten oder sich gegen ihn zu wenden. Die Erfahrung der »Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet« wird prägnant von Max Piccolomini in Worte gefasst: »Das Herz in mir empört sich, es erheben / Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust, / In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.« (T III.21, v. 2279–2281) Der Ausdruck gemahnt an Goethes sprichwörtliche Formel im Faust: »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, / Die eine will sich von der andern trennen.«⁸ Während diese Verse in den frühen Faust-Dichtungen noch nicht vorhanden sind, findet sich schon 1773 ein motivischer Vorfahr bei Wieland; in seinem »lyrischen Drama« Die Wahl des Herkules bekennt der Protagonist: »Zwoo Seelen – Zu gewiß fühl ichs! – / Zwoo Seelen kämpfen in meiner Brust.«⁹ Herkules spricht diese Worte, derweil sich die Allegorien der Tugend und Wollust um das Recht streiten, den weiteren Lebensweg des Jünglings bestimmen zu dürfen; Herkules schließt sich letztlich der Tugend an. Dabei nimmt der Halbgott implizit Bezug auf den Adressaten des Stücks: Wielands Text fungierte als Geburtstagsgabe für den jungen Erbprinzen Carl August, dessen Erziehung dem Weimarer Dichter oblag.¹⁰ Mit seinem im Teutschen Merkur veröffentlichten Singspiel, das Elemente des französischen Théâtre-Lyrique beziehungsweise des Melodramas aufgreift, führt Wieland die Arbeit an einem mythisch-moralischen Topos fort, der seit der griechischen Klassik überliefert wird; auf eine verlorene Schrift des Sophisten Prodikos von Keos zurückgehend, vollzieht ihn Xenophon um 370 v. Chr. in seinen Memorabilia / Erinnerungen an Sokrates nach. Es handelt sich um den Mythos von Herkules am Scheideweg: arete und kakia, Tugend und Lasterhaftigkeit treten in Frauengestalt an Herkules heran und versuchen jeweils rhetorisch geschickt, den unentschlossenen Jüngling von ihrer ›Führungskompetenz‹ für seine Lebensbahn 8
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Johann Wolfgang Goethe, Faust. Eine Tragödie, in: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche in 40 Bänden, hg. von Christoph Michel, Bd. VII.1, hg. von Albrecht Schöne, Frankfurt a. M. 2005, 6. Aufl., S. 57. Christoph Martin Wieland, Die Wahl des Herkules. Ein lyrisches Drama für das hohe Geburtsfest des Duchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Carl August, Erbprinzen zu Sachsen-Weimar und Eisenach, in: Wielands Werke. Historisch-kritische Ausgabe, hg. von Klaus Manger und Jan Philipp Reemtsma, 36 Bde. (projektiert), Bd. XI.1, Berlin und New York 2009, S. 16. Vgl. Klaus Manger, Wielands Leben, in: Wieland-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, hg. von Jutta Heinz, Stuttgart und Weimar 2008, S. 7–9.
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zu überzeugen. Die Dichotomie der beiden Allegorien bringt die Lasterhaftigkeit selbst in Ablehnung des ›schweren‹ Pfads der Tugend auf den Punkt: »Merkst du wohl, Herakles, welch schwierigen und langen Weg zur Lebensfreude dir dieses Weib vorschlägt? Ich dagegen werde dich den leichten und kurzen Weg zur Glückseligkeit führen.«¹¹ Bemerkenswerterweise kommt Herkules bei Xenophon weiter keine Entscheidungsgewalt zu; er bleibt stumm, indes die Personifikationen über den ›rechten Weg‹ disputieren – der Kontext der Nacherzählung mag das Votum des Helden für die Tugend beweisen, expliziert wird sie vom Philosophen nicht. Der prodikeische Herkulesmythos hat in der Folge vielfältige Resonanz gefunden und literarische Aneignung wie Transformation erfahren. Der Frage nach seiner besonderen Prägnanz widmet sich Erwin Panofsky, der das Narrativ als Amalgam dreier ehedem unverbundener Aspekte bestimmt: D a s e r s t e M o t i v ist der allgemein anerkannte Moralsatz, daß die Tugend mühsam und entbehrungsreich, das Laster dagegen leicht und süß sei […]. D a s z w e i t e M o t i v ist der ebenfalls unendlich verbreitete, in vielen Literaturen anzutreffende, auch in das Märchen eingegangene Vergleich des Lebens mit zwei »Wegen«, deren einer zum Guten, deren anderer aber zum Bösen führt […], und die, dem eben erwähnten Moralsatz entsprechend, im positiven Fall als schmal und beschwerlich, im negativen als breit und gemächlich geschildert werden. […] D a s d r i t t e M o t i v ist jene echt griechische Kunstform, die man als »Synkrisis« zu bezeichnen pflegt: der paradigmatische Redewettstreit zweier Gegner, die entweder als reale Personen eingeführt werden […], oder aber, und häufiger, unmittelbar bestimmte Geistes- und Lebensmächte »verkörpern«.¹² Gemeinsam ergeben die geschilderten Motive eine »Allegorie auf die m e n s c h l i c h e W i l l e n s f r e i h e i t «.¹³ In der Forschung wird ferner diskutiert, inwieweit sich der Topos aus zwei weiteren Quellen speist: Zum einen scheint der Buchstabe Y als res significans und Signum der Weggabelung, wie Pythagoras ihn beschreibt, kulturgeschichtlich relevant.¹⁴ Zum anderen findet sich bei Hesiod »die Wahl zwischen zwei in Beschaffenheit und Ziel konträren Wegen, dem 11
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Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, griechisch / deutsch, hg. und übers. von Peter Jaerisch, Düsseldorf und Zürich 2003, S. 95 (die Herkulesepisode findet sich im II. Buch, 1. Kap., Abschnitt 21–34, S. 91–99). Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst, Leipzig und Berlin 1930, S. 43 f. Erwin Panofsky, ebd., S. 45. Vgl. Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970, S. 29 ff.
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beschwerlichen zur Arete und dem leicht begehbaren zur Kakia, beide als Wege zu Berghöhen verstanden«.¹⁵ Während das pythagoräische Y »in mehr geometrischer Symbolik vor allem den Begriff der ›Divergenz‹ zum Ausdruck bringt«,¹⁶ beabsichtigt die Gebirgsschilderung bei Hesiod, »in konkreterer, man möchte sagen: landschaftlicher Symbolik«¹⁷ topografische Werte mit moralischem Gehalt zu versehen. Vielleicht lassen die vielfältigen Ursprünge darauf schließen, dass es sich beim Denken in Wegbildern und bei der Figur des sich gabelnden bivium um anthropologisch konstante Metaphern handelt; in diesem Sinne argumentiert, wiederum auf Wallenstein bezogen, Lange, wenn sie postuliert, die Wegmetaphern in Schillers Stück seien »in der vorhandenen Sprache verankert; die Bilder scheinen wie von selbst aus ihr emporzusteigen«.¹⁸ So lässt sich womöglich auch der Gebrauch hodologischer Metaphern in der Bibel interpretieren, der nicht auf pagane Mythenbildung rekurrieren muss, um sehr ähnliche Sprachbilder hervorzubringen. Bei Matthäus heißt es: Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind ihrer, die ihn finden. (Mt 7,13–14)¹⁹ Lukas spricht in analoger Weise von der »enge[n] Pforte« (Lk 13,24)²⁰ und bei Johannes schließlich wird Christus selbst zum Weg: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.« (Joh 14,6)²¹ Überhaupt hat sich die christliche Tradition nicht als so unvereinbar mit dem antiken Tugendmythos erwiesen, wie es die Vermutung nahelegt, »die Vorstellung von einer derartigen Wahl des eigenen Lebensweges stehe als zu heidnisch-individualistisch der mittelalterlichen Moralkonzeption entgegen«.²²
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Wolfgang Harms, ebd., S. 40 f. Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege, S. 64. Erwin Panofsky, ebd., S. 64. Barbara Lange, Die Sprache von Schillers Wallenstein, S. 161. Vgl. zu einem solchen Verständnis unbewusster Metaphernbildung, die über Literatur und Ästhetik hinaus anthropologische Geltung beansprucht: George Lakoff und Mark Johnson, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, Heidelberg 1998. Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, nach der dt. Übers. Martin Luthers, o. O. 1967, S. 865. Die Bibel, ebd., S. 936. Die Bibel, ebd., S. 971. Wolfgang Harms, Homo viator in bivio, S. 36.
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Tatsächlich findet sich etwa mit dem Motiv der vrîen wal in Hartmanns von Aue und Arnolds von Lübeck Gregoriusdichtungen ein der Wegwahl des Herkules eng verwandtes Prinzip, infolgedessen Harms konstatiert: Den für die Vermeidung der Herakles-Szene vorgebrachten Begründungen, die von dem angeblich unüberbrückbaren Widerspruch von mittelalterlicher religiös-ontologischer Problemstellung und moralisch-psychologisch geprägtem Scheideweg-Motiv ausgehen, kann man nicht mehr folgen.²³ Das Konzept des ›Zweiwegs‹ lässt sich noch in weiteren Texten des Mittelalters nachweisen, so in Wolframs von Eschenbach Parzival;²⁴ zudem sind die Leitgedanken des Abkommens vom rechten Weg und der verführerischen Anrede des Protagonisten durch zwei weibliche Figuren prominent auch in Dantes Commedia ausgebildet.²⁵ Und doch wird deutlich, dass der Motivkomplex mit Humanismus und Renaissance eine Revitalisierung erfährt: Zwar entkräftet Harms in skizzierter Weise Panofskys Überzeugung, das Thema sei »dem Mittelalter fremd gewesen«,²⁶ dennoch eröffnet die Kapiteluntertitel von der »Wiedergeburt einer griechischen Moralerzählung im deutschen und italienischen Humanismus«²⁷ eine wichtige Perspektive; so referiert der Kunsthistoriker, die Renaissance habe in der Herkulesfabel einen Stoff begrüßt,
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Wolfgang Harms, ebd., S. 37. Wolfgang Harms, ebd., S. 221. Harms’ Augenmerk gilt wohlgemerkt dem Auftreten tatsächlicher in bivio-Situationen im Parzival und weniger dem terminologisch scheinbar verwandten doppelten Cursus der mittelalterlichen Artusepik. Gleich der erste Gesang der »Hölle« beginnt: »Als ich auf halbem Wege stand unsers Lebens / Fand ich mich einst in einem dunklen Walde, / Weil ich vom rechten Weg verirrt mich hatte«. Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie, aus dem Italienischen v. Philalethes (König Johann von Sachsen), Frankfurt a. M. 2012, 5. Aufl., S. 9. Im 19. Gesang des »Fegefeuers« heißt es: »Zur Stunde, da nicht mehr des Tages Wärme / Vermag den Frost des Mondes zu erlauen / […] Auf einem Weg, der kurze Zeit noch dunkelt, / Erschien dem Träumenden ein stotternd Weib mir, / Mit schelem Blick, gekrümmt auf seinen Füßen; / […] ›Ich bin‹, war ihr Gesang, ›ich bin die süße / Sirene, die auf hoher See die Schiffer / Verlockt, so voll der Lust bin ich dem Hörer. / Ich zog Ulyssen ab von seinem Irrpfad / Durch meinen Sang, und wer sich mir gesellet, / Trennt kaum sich mehr, so ganz wird er begnüget.‹ / Sie hatt’ annoch nicht ihren Mund geschlossen, / Als neben mir ein Weib, geschwind und heilig, / Erschien, daß es die andere verwirre. / ›Virgilius, o Virgilius, wer ist diese?‹ / Sprach sie voll Zorns; der kam allein, auf jene / Ehrsame hingerichtet seine Blicke. / Die andre faßt’ und, ihr Gewand zerreißend, / Enthüllt’ er vorn und ihren Bauch mir zeigt’ er, / Der durch den Stank, der draus entstieg, mich weckte.« Dante Alighieri, ebd., S. 222 f. Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege, S. VII (Vorwort). Erwin Panofsky, ebd., S. 37.
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der wie kein anderer die Möglichkeit bot, das spätmittelalterliche Schema des erbaulich-belehrenden Bühnenspiels, der sogenannten »Moralität«, mit mythisch-antikem Gehalt zu erfüllen, zumal sie bei ihrem zugleich heroischen und pädagogischen Charakter sowohl den Ansprüchen einer fürstlichhöfischen als einer schulmäßig-akademischen Zuhörerschaft entgegenkam.²⁸ Als Beispiel für eine entsprechende Moralsatire mit prononcierter Scheidewegmetaphorik, die sich zudem explizit auf den Herkulesmythos bezieht, nennt Panofsky Sebastian Brants Das Narrenschiff.²⁹ Offenbar motiviert der Topos des Hercules in bivio in besonderer Weise eine Konkretisation, um mit Wolfgang Iser zu sprechen,³⁰ der mythischen Leerstellen durch reales Personal: Während Wieland seinem Helden den Weimarer Thronfolger als Adressaten ›unterschiebt‹, versetzt Schiller die Figur des Herzogs von Friedland in die Situation des Halbgotts am Scheideweg. Um begreiflich zu machen, warum sich gerade das von Xenophon überlieferte Narrativ als fruchtbares Feld des ästhetischen Bezugs auf konkrete Gestalten der Historie präsentiert, formuliert Panofsky ein pointiertes Theorem der ›konstruierten Allegorie‹, wie sie der Herkules Prodikos vorstellt: Es ist das Schicksal aller Gestalten, die nicht in einer mythisch-anschaulichen, sondern in einer theoretisch-gedanklichen Sphäre erzeugt worden sind, daß ihnen von Anfang an ein gewisser Mangel an innerer Festigkeit eignet: sie bieten sich einerseits willig einer fortschreitenden Allegorisierung und Differenzierung dar, und tragen andererseits ein eigentümliches Verwandlungs- und Verlebendigungsstreben in sich, das sie zur Assimilation an die konkreteren Gestalten der Geschichte oder des Mythos treibt.³¹ So ist die Tendenz zu erklären, die ›Leere‹ des Topos mit den Gestalten tatsächlicher Herrscher zu füllen, sei es in der Erzählung, im Schauspiel oder in der Malerei. Panofsky berichtet von einem Bühnenstück Joseph Grünpecks, das 1497, 28 29 30
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Erwin Panofsky, ebd., S. 83 f. Vgl. Erwin Panofsky, ebd., S. 52 ff. Der rezeptionsästhetische Mechanismus, wie ihn Iser im Rückbezug auf Roman Ingarden für die Literatur beschreibt, kann in gleichem Maße Gültigkeit für die Aktualisierung abstrakter mythischer Topoi beanspruchen: »Der Text als solcher hält nur verschiedene ›schematisierte Ansichten‹ parat, durch die der Gegenstand des Werks hervorgebracht werden kann, während das eigentliche Hervorbringen zu einem Akt der Konkretisation wird.« Wolfgang Iser, Der Lesevorgang. Eine phänomenologische Perspektive, in: Rezeptionsästhetik, hg. von Rainer Warning, München 1975, S. 253. Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege, S. 49.
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im Erscheinungsjahr des lateinischen Narrenschiffs, »– echt höfisch – nicht mehr Hercules, sondern Kaiser Maximilian als Schiedsrichter zwischen ›Virtus‹ und ›Fallacicaptrix‹ auftreten läßt«.³² Damit ist das Paradigma gesetzt, an welchem beinahe drei Jahrhunderte später auch Wieland teilhat, wenn er seine Herkulesallegorie als Moralparabel und pädagogischen Fingerzeig für den Zögling und kommenden Herzog konzipiert. Zwar tritt der künftige Fürst als Wählender hier wieder hinter der mythischen Figur des Herkules an der Wegscheide zurück, deren didaktische Rolle aber gleichwohl durch die pragmatische Dimension des Feststücks als Geburtstagsgabe zwei Jahre vor Volljährigkeit und Regierungsantritt gewahrt bleibt. Die bildende Kunst hat sich des Themas ebenfalls bereitwillig angenommen, etwa mit den Illustrationen zu Brants Narrenschiff, einem Kupferstich Dürers oder Annibale Carraccis stilbildender Fassung des Motivs; seine neuzeitliche Reaktualisierung zeigt sich besonders deutlich im Barock, wo es medienübergreifend verhandelt wird.³³ Auch die deutsche Malerei des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts trägt dem Topos noch Rechnung; der Goethe-Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein produziert 1779 eine Version von Herkules am Scheideweg und beweist damit die ästhetische Aktualität des Sujets zwischen Wielands Singspiel und Schillers impliziter Wiederaufnahme des Themas im Wallenstein.³⁴ Eine weitere Bearbeitung des Gegenstands aus dem Umfeld deutscher ›Klassiker‹, allerdings wieder im Bereich der Literatur, stellt Karl Philipp Moritz’ Doppelroman Andreas Hartknopf. Eine Allegorie (1786), sowie, vier Jahre später, Andreas
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Erwin Panofsky, ebd., S. 85. Ein Beispiel für die zahlreichen emblematischen Lehr- und Moralspiele des 17. Jahrhunderts, die sich des Sujets bedienen, ist Daniel Casper von Lohensteins Sophonisbe: »Der [vierte, V. K.] Reyen zeigt den Herkules am Scheideweg, wie ihn – mit anderen Emblematikern – Gilles Corrozet dargestellt hat. Links geht die Voluptas davon; ihre Hand mit Nelcken, ihr Blumenwerck nennt auch Lohensteins Reyen. Herkules folgt der Virtus, die nackten Fußes über Dornen tritt, er geht – so heißt es im Reyen – der Tugend Distel-Bahn.« Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 1993, 3. Aufl., S. 177 f. Neben dem ungebrochenen Interesse der Malerei an der Ikonografie des bivium (Johann Liss, Johann Heiss, Sebastiano Ricci) hat das Barock zudem mit Johann Sebastian Bachs Kantate Laßt uns sorgen, laßt uns wachen / Hercules am Scheidewege (1733) und Georg Friedrich Händels Oratorium The Choice of Hercules (1751) die prominentesten musikalischen Umsetzungen des Themas hervorgebracht. Schon 1774 / 1775 malt Georg Melchior Kraus Wieland im Kreise seiner Familie, passenderweise mit einem Gemälde des Herkules am Scheideweg im Hintergrund. Vgl. Franz Siepe, Wieland und der prodikeische Herkules. Zu einem Detail in Kraus’ Gemälde Wieland im Kreis seiner Familie und zu Wielands lyrischem Drama Die Wahl des Herkules, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 45 (2001), S. 73–96.
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Hartknopfs Predigerjahre dar. Das Werk konstruiert verschiedentlich für seinen allegorischen Charakter integrale bivium-Situationen, etwa im Kapitel »Der Umweg« in den Predigerjahren: Die Straße gieng durch das Dorf, ein Fußweg gieng vorbei – sollte er die gerade Straße oder den krummen Fußweg gehen? Er gieng die gerade Straße nicht; denn sein Innerstes war mit sich selbst im Streit. – Hier war es, wo seine Lebensbahn aus dem Gleise wich.³⁵ Krumme und gerade Linie werden einander prägnant gegenübergestellt, wobei erstere eine besondere Faszination auf Hartknopf ausübt; zudem kommt es zur expliziten Benennung der Weggabelung als Lebensprinzip des sonderbaren Helden: »Ein jeder, der die ächte Weißheit suchte, kam an diesen Scheideweg«.³⁶ Die für Wallenstein bedeutsame Schwelle, »die zwei Lebenspfade scheidet« (T I.4, v. 220–222), klingt an: »Als Hartknopf über die Schwelle trat, veränderte sich der Lebensplan«;³⁷ vor allem aber wird dieser Motivverbund direkt mit der Figur des jugendlichen Herkules analogisiert, als dessen Abbild sich Hartknopf imaginiert: Die Jahre seiner frühsten Jugend traten in ihrer Kraft und Blüthe vor seine Seele. Um seine Schultern schlotterte die Löwenhaut – und auf die schwere Keule stützte sich sein Arm. – Die Welt lag vor ihm offen vom Aufgange bis zum Niedergange. – Er bahnte zwischen Ungeheuern durch Wüsten sich seinen Weg, bis aus den dunklen Zweigen, die goldne Frucht ihm entgegen blinckte, und er sie dem seufzenden Stamme mit kühner Hand entriß.³⁸ Die Formulierung, Hartknopfs ›herkulische‹ Jugend trete »vor seine Seele«, deutet dabei schließlich – wie bereits das Zitat »sein Innerstes war mit sich selbst im Streit« – auf einen Aspekt der Innerlichkeit, um den maßgeblich Wielands Die Wahl des Herkules die ›literarische Ikonografie‹ des Scheidewegtopos erweitert hat. Wenn in dem höfischen Singspiel, das Moritz’ Allegorie dreizehn Jahre vorausgeht, die »[z]woo Seelen« des Halbgotts einen innerlichen Kampf ausfechten,
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Karl Philipp Moritz, Andreas Hartknopf. Eine Allegorie / Andreas Hartknopfs Predigerjahre, hg. von Martina Wagner-Egelhaaf, Stuttgart 2013, S. 149. Karl Philipp Moritz, ebd., S. 75. Karl Philipp Moritz, ebd., S. 166. Karl Philipp Moritz, ebd., S. 179.
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klingt ein Moment der Internalisierung an, das in diesem – ohnehin alles andere als erschöpfenden – Versuch einer Synopse des bivium-Motivs noch nicht zur Sprache kam, weil es bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhundert für die ›Arbeit am Mythos‹ kaum relevant war.³⁹ Innovativ wirkt bei Wieland die Versenkung des Konflikts in die Brust des Protagonisten, die zunächst die genialische »Gluth in meinem Busen«⁴⁰ schürt, um darauf den inwendigen Wettstreit zwischen Tugend und Wollust zu ermöglichen: »Glich meinem Schmerzen / Wohl je ein Schmerz? / Der innre Aufruhr / Zerreißt mein Herz.«⁴¹ Die Hauptfigur bedarf letztlich nur des äußerlichen Anstoßes seitens der Allegorien, um in der Folge das moralische Dilemma in ihrer Psyche auszutragen. Damit wendet der Weimarer Autor das von Xenophon übernommene Narrativ hin zur empfindsamen Idee einer ›Erfindung der Seele‹, wie sie im für Wielands Herkules zentralen Ausdruck der Introspektion zur Sprache kommt: »Wer bin ich?«⁴² Dass die Erkenntnis des nach innen gerichteten Blicks die eines Kampfes opponierender moralischer Kraftfelder sein kann, stellt das verbindende Element der Motivkette von Wielands jungem Herkules über Moritz’ Andreas Hartknopf hin zu Schillers Max Piccolomini im Wallenstein dar, wenn dieser bekennt: »Das Herz in mir empört sich, es erheben / Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust, / In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.« (T III.21, v. 2279–2281)
Wallenstein am Scheideweg Schon der vorangegangene Abschnitt begann mit der Beobachtung, Schillers Historiendrama dränge nicht nur seinen Protagonisten, sondern das gesamte Personal zur Entscheidung. So formuliert Max im genannten Zitat zur ›Spaltung des Innern‹ eine Empfindung, deren Metaphorik Wallenstein und die anderen Figuren des Stücks gleichermaßen in Anspruch nimmt. Knut Lohmann hat sich die Mühe gemacht, die Anzahl der neben »Brust« und »Busen« mit Abstand häufigsten Sinnbilder des Seelenlebens im Schauspiel zu eruieren: Das »Herz« wird,
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Angedeutet findet es sich in der wiederkehrenden Situierung der Wegwahl im Traum als ›Bühne‹ des Innerlichen bzw. Unbewussten; vgl. die bereits zitierte Traumerfahrung der Commedia, Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, S. 222 f. Christoph Martin Wieland, Die Wahl des Herkules, S. 5. Christoph Martin Wieland, ebd., S. 18. Christoph Martin Wieland, ebd., S. 5. Damit betont Wielands Singspiel seine Verwandtschaft mit dem Melo- oder Monodrama, dessen bekanntester Vertreter, Jean-Jacques Rousseaus Pygmalion (1762), sich ebenfalls der seelischen Selbsterkundung widmet.
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Komposita nicht eingerechnet, im Lager neunmal, in den Piccolomini dreiundvierzigmal und in Wallensteins Tod gar zweiundsiebzigmal genannt.⁴³ Max macht sich die Metapher am entschlossensten zu eigen. Als Wallenstein ihm die Unmöglichkeit vor Augen führt, »Mit ungeteiltem Herzen immer handeln« (T II.2, v. 711–727) zu können, klagt er: »O! Welchen Riß erregst du mir im Herzen!« (T II.2, v. 736) Über seine Geliebte, Wallensteins Tochter Thekla, sagt er: »Sie soll mein Leiden sehen, meinen Schmerz, / Die Klagen hören der zerrißnen Seele […].« (T II.7, v. 1237 f.) Offenbar eignet sich der jugendliche Held und Idealist bevorzugt für die Darstellung dieses psychischen Aspekts der Scheidewegthematik, indem er als dem jungen Herkules entsprechender Charakter Wallensteins Dilemma vor Augen führt. Der Protagonist selbst klagt seinen scheinbar treuen ›Busenfreund‹ an: »Das war kein Heldenstück, Octavio! / Nicht deine Klugheit siegte über meine, / Dein schlechtes Herz hat über mein gerades / Den schändlichen Triumph davongetragen.« (T III.9, v. 1681–1684) Es fällt auf, dass das Herz hier mit dem topologischen Terminus der Geradheit eine metaphorische Eigenschaft übernimmt, die eigentlich dem hodologischen Bildbereich eignet. Stets aber, darauf weist der Überblick dieser Motivverbindung, partizipiert Schiller bei der Ergänzung der Metapher des Wegs durch die des Herzens beziehungsweise der Brust an der empfindsam-aufklärerischen Aneignung des Themas, wie sie im Übergang von Rousseaus Melodrama zu Wielands Die Wahl des Herkules nachvollzogen werden kann. Bezüglich Schillers Stoff- und Motivwahl fällt die Tatsache ins Auge, dass sich der Autor zur Mitte der 1790er Jahre mit der Idee für ein idyllisches Herkulesgedicht trug, wie er im November 1795 an Wilhelm von Humboldt schreibt: »Die Vermählung des Herkules mit der Hebe würde der Inhalt meiner Idylle seyn.«⁴⁴ Offenbar plante er, mit der Apotheose des Helden einen Text zu produzieren, der in seiner ostentativen Losgelöstheit vom drückenden, das Individuum seiner Entscheidungsgewalt beraubenden »Notzwang der Begebenheiten« (P III.1, v. 1367) auf eine bemerkenswerte Weise geradezu ›anti-wallensteinisch‹ wirken sollte: Denken Sie Sich aber den Genuß, lieber Freund, in einer poetischen Darstellung alles Sterbliche ausgelöscht, lauter Licht, lauter Freyheit, lauter Vermögen – keinen Schatten, keine Schranke, nichts von dem allen mehr zu 43
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Vgl. Knut Lohmann, Die Bedeutungssphäre des Wortes »Herz« im dramatischen und philosophischen Werk Friedrich Schillers, Münster 1959, S. 112. »Nicht selten wird Schiller das ewig sich wiederholende › H e r z ‹ zum Vorwurf gemacht.« Barbara Lange, Die Sprache von Schillers Wallenstein, S. 106. Friedrich Schiller, An Wilhelm von Humboldt vom 29. und 30. November 1795, in: NA 28 (Briefwechsel. Schillers Briefe 1. Juli 1795–31. Oktober 1796), hg. von Norbert Oellers, Weimar 1969, S. 119.
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sehen – Mir schwindelt ordentlich, wenn ich an diese Aufgabe – wenn ich an die Möglichkeit ihrer Auflösung denke. (NA 28, 120) Zur Ausführung des Projekts kam es nicht. Ein anderes drängte sich wieder in den Vordergrund und mit ihm die harsche Absage an ein poetisches Modell der Idylle jenseits des Zwangs zur Wahl, das der Darstellung historischer Realität lediglich als verheißungsvoller Schatten erhalten bleibt: Das Hauptgeschäft, das Schiller in jener Zeit umtrieb und von dem er noch fast drei Jahre in Anspruch genommen wurde, die Arbeit an der WallensteinTragödie, der Tragödie des Scheiterns aus Größe, tat ein übriges, den Idyllenplan in den Hintergrund treten zu lassen. Wo immer im Wallenstein idealische Verhältnisse in Bildern der Idylle erinnert werden, geschieht es zur Kontrastierung der ›gemeinen‹ Wirklichkeit der Dinge und Verhältnisse, die den Lauf der Welt zu bestimmen pflegen.⁴⁵ Keiner der Kommentatoren zieht darüber hinaus die Möglichkeit in Betracht, dass sich Schiller die mythologische Form der Herkuleserzählung bewahrt haben könnte, indem er sie über die geläufige Metapher des bivium implizit an die Figur des Wallenstein knüpfte; oder dass – einen Schritt weiter gedacht – der Plan zur Idylle gar nur das träumerische Nebenprodukt der dramatischen Arbeit am Wallenstein darstellte, deren motivische Struktur sich mit der Prodikosfabel immer stärker einem anderen Abschnitt des Herkulesmythos zuzuwenden begann; stattdessen gehen die Mutmaßungen über ein literarisches Surrogat des Gedichts sehr unterschiedliche Wege.⁴⁶ 45
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Norbert Oellers, Herkules im Himmel und Orpheus in der Unterwelt. Zu zwei Gedichtplänen Schillers, in: Friedrich Schiller. Zur Modernität eines Klassikers, hg. von Michael Hofmann, Frankfurt a. M. und Leipzig 1996, S. 203. Rehm mutmaßt, Schiller habe später die Idee zur »Auffahrt des Herakles nicht in der geplanten Heraklesidylle, sondern vor allem in der Jungfrau von Orleans« verwirklicht. Walther Rehm, Schiller und das Barockdrama, in: Schiller. Zur Theorie und Praxis der Dramen, hg. von Klaus L. Berghahn und Reinhold Grimm, Darmstadt 1972, S. 101. Binder dagegen ist der Ansicht: »Es lag nahe, den Schluß des ›Tell‹ als das dramatische Pendant jener nicht geschriebenen Idylle anzusehen.« Wolfgang Binder, Ästhetik und Dichtung in Schillers Werk, in: Schiller, hg. von Klaus L. Berghahn und Reinhold Grimm, S. 216. Oellers schließlich konstatiert: »An die Stelle der Idylle Herkules im Himmel setzte Schiller die Elegie Klage des Ceres, die im Juni 1796 entstand.« Norbert Oellers, Herkules im Himmel und Orpheus in der Unterwelt, S. 202. Oellers liefert darüber hinaus aber eine Bestimmung von Schillers sentimentalischem Verhältnis zur mythologischen Überlieferung, die ein Licht auf Panofskys Charakteristik der formorientierten Allegorie als rezeptionsästhetisch ›leer‹ und damit aktualisierungsbedürftig wirft: »Der griechische Mythos hat für Schiller gar
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Die Figur des Wallenstein, wie Schiller sie tatsächlich geschaffen hat, trägt durchaus herkulesähnliche Züge. Schon der Prolog zu Wallensteins Lager präsentiert ihn als »verwegene[n] Charakter« (L Prolog, v. 93), dessen »großen Taten« (L 7, v. 470) seine Soldaten in extenso huldigen. Das Heer wie auch Wallensteins spätere Mörder attestieren ihm eine – gleichwohl diabolisch gedeutete – Unverwundbarkeit, die ihn der Sphäre der gewöhnlichen Wesen entrückt und befähigt, herkulisch »über die gemeinen Häupter / Der Menschen weg zu ragen« (T III.4, v. 1517 f.), wie er selber meint. Das Drama mag den Heerführer in seiner realen Schwäche angesichts der notwendigen Handlung zeigen, von seinen Untergebenen wird er doch als großer ›Schöpfer‹ adressiert: »Noch gar nicht war das Heer. / Erschaffen erst / Mußt es der Friedland, er e m p f i n g es nicht, / Er g a b s dem Kaiser!« (P I.2, v. 251–253) Wallenstein selbst sagt über sich: »Da steh ich, ein entlaubter Stamm! Doch innen / Im Marke lebt die schaffende Gewalt, / Die sprossend eine Welt aus sich geboren.« (T III.13, v. 1792–1794)⁴⁷ Max liefert schließlich eine utopische Beschreibung des zukünftigen Wallenstein als ›Herkules in Ruhe‹, die sowohl den apotheotischen Charakter der verworfenen Idylle aufgreift als auch die mythischen Arbeiten des Herkules anklingen lässt: Er wird den Ölzweig in den Lorbeer flechten, / Und der erfreuten Welt den Frieden schenken. / Dann hat sein großes Herz nichts mehr zu wünschen, / Er hat genug für seinen Ruhm getan, / Kann jetzt sich selber leben und den Seinen. / […] Bis an den Fuß der Riesenberge hin / Streckt sich das Jagdge-
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keine konkrete Realität; er glaubt nicht an das Vorhandensein leibhaftiger Götter, sondern versteht den Mythos symbolisch, als sinnfällige Darstellung abstrakter Ideen, die keinerlei religiösen, sondern nur noch poetischen Gehalt besitzen. Insofern sind antike Göttergeschichten für Schiller weitgehend entstofflicht.« Norbert Oellers, ebd., S. 200. Hier konvergiert die herkulische mit einer (Selbst-)Deutung Wallensteins im Paradigma des Prometheus. Der menschliche Schöpfer eines Menschengeschlechts tritt noch deutlicher in der für den Mythos des Feuerbringers bedeutsamen Metaphorik des ›Eigenlichts‹ zutage; Wallenstein zur Herzogin: »Die Sonnen also scheinen uns nicht mehr, / Fortan muß eignes Feuer uns erleuchten.« (P II.2, v. 685 f.) Zu Buttler: »Die Brust ist wieder frei, der Geist ist hell, / Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen.« (T III.10, v. 1742 f.) Die Charakterisierung der Hauptfigur als Schöpfer weist Wallenstein zudem als Nachkommen der in Schillers frühen Dramen genieästhetisch aktiven »Kraftkerls« aus. Dem augenfälligen Bezug zum vorgeblich regellosen Selbstschöpfer Karl Moor in den Räubern entsprechend bringt dieser in seiner von Abscheu vor dem »tintenklecksenden Säkulum« triefenden Sturm-und-Drang-Tirade Prometheus, Herkules und die Zeugungskraft zusammen: »Der lohe Lichtfunke Prometheus ist ausgebrannt, dafür nimmt man izt die Flamme von Berlappenmeel – Theaterfeuer, das keine Pfeiffe Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun wie die Ratten auf der Keule des Herkules, und studieren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein Ding sey, das er in seinen Hoden geführt hat?« Friedrich Schiller, Die Räuber, in: NA 3, hg. von Herbert Stubenrauch, Weimar 1953, S. 20 (I.2).
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hege seiner Wälder. / Dem großen Trieb, dem prächtig schaffenden, / Kann er dann ungebunden frei willfahren. / […] Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann, / So mag er kämpfen mit dem Element, / Den Fluß ableiten und den Felsen sprengen, / Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen. (P III.4, v. 1656–1676) Vor allem aber wird Wallensteins Nähe zur Mythologie des antiken Halbgotts angesichts seiner Position an einem moralisch ebenso wie politisch und militärisch bedeutsamen Scheideweg flagrant, dessen Dilemma Schiller dem von Xenophon her tradierten Topos nachgebildet hat. Das zeigt zum einen die Konnotation der sich dem Herzog bietenden Wahlmöglichkeiten: Der mögliche Verrat an Reich und Kaiser wird von seinen Antagonisten wiederholt mit Assoziationen aus dem lexikalischen Feld von »Laster« und »Begierde« belegt, die Wallensteins ›Wollust des Herrschens‹ exponieren sollen und somit einen impliziten Konnex zur Allegorie der kakia herstellen. Schon im Prolog erscheint er als Betörter: »Denn seine Macht ists, die sein Herz verführt, / Sein Lager nur erkläret sein Verbrechen.« (L Prolog, v. 117 f.) Questenberg reflektiert Wallensteins Korrumpierbarkeit: Wo war die Überlegung, / Als wir dem Rasenden das Schwert vertraut, / Und solche Macht gelegt in solche Hand! / Zu stark für dieses schlimmverwahrte Herz / War d i e Versuchung! Hätte sie doch selbst / Dem bessern Mann gefährlich werden müssen! (P I.3, v. 303–308) Wallenstein selbst resümiert demgemäß seine psychische ›Begegnung‹ mit der verführerischen Wollust der Macht, die ihn zur Wahl des Abfalls vom Gehorsam führt: »Ich müßte / Die Tat v o l l b r i n g e n , weil ich sie g e d a c h t , / Nicht die Versuchung von mir wies – / […] Die Wege bloß mir offen hab gehalten?« (T I.4, v. 140–145) Auf der anderen Seite kennzeichnet die Gräfin Terzky die Möglichkeit, loyal im kaiserlichen Heer zu verbleiben, im Zwiegespräch mit dem Herzog betont als tugendhaft: WALLENSTEIN Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer / Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn / Erwählen, und das Äußerste vermeiden. / GRÄFIN Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg / Liegt nah vor dir. […] / Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein / Vergangnes Leben weg, entschließe dich / Ein neues anzufangen. Auch die Tugend / Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück. (T I.7, v. 482–490)
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Gleichwohl gilt es hier zu berücksichtigen, dass die Gräfin in diesem Dialog durchaus nicht beabsichtigt, Wallenstein einen sittsamen »Ausweg« aufzuzeigen, sondern es rhetorisch gewandt versteht, dem Heerführer mit »machiavellistischen Zynismen«⁴⁸ die Aporie der Tugend und Unausweichlichkeit des Hochverrats begreiflich zu machen. In Anbetracht seines politisch-moralischen Dilemmas wendet sich Wallenstein konsterniert den Sternen zu: Zeigt einen Weg mir an, aus diesem Drang, / Hilfreiche Mächte! Einen s o l c h e n zeigt mir, Den i c h vermag zu gehen – I c h kann mich nicht, / Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer, / An meinem Willen wärmen und Gedanken – / Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt, / Großtuend sagen: Geh! Ich brauch dich nicht. (T I.7, v. 521–527) Neben den moralisierenden Konnotationen von Wallensteins Wahlmöglichkeiten ist vor allem die Zwiesprache des Herzogs mit den ihm nahestehenden Nebenfiguren selbst bedeutsam, um eine Analogie seiner Situation zu der des Hercules in bivio zu etablieren; sie stellt eine Variante der Synkrisis dar, wie Panofsky sie oben beschreibt, die im Paradigma der Innerlichkeit als ›rhetorischer Wettstreit um die Seele‹ verstanden werden kann. Dabei ist signifikant, dass im Wallenstein zwar auf die konventionellen Figuren des Scheidewegtopos rekurriert wird, aber die Möglichkeit, den Charakteren in diesem Rollenspiel eine jeweils eindeutige Funktion und moralische Wertigkeit zuzuordnen, zusehends kollabiert: Letztlich fällt es dem Publikum des Bühnenstücks ebenso schwer wie dessen Titelfigur, zwischen laster- und tugendhafter Handlung und jeweils assoziiertem Akteur zu differenzieren. So besetzt Wallenstein in der Unterredung mit der Gräfin die Position des unsicher Suchenden, der in seiner mannigfachen Bezugnahme auf den Begriff des (Aus-)Wegs als Held an der Wegscheide erscheint; die Gräfin dagegen tritt als vertraute Frauengestalt und Ratgeberin auf und empfiehlt eine moralisch integre Wegwahl, was ihre Deutung als Figuration der Tugend nahelegt – dass ihre Rede tatsächlich von »spitzer Ironie«⁴⁹ und Machtkalkül bestimmt ist, lässt sie als Kippfigur erkennbar werden, deren rhetorisches Gewand nur umso bereitwilliger den lasterhaften Kern eines opportunistischen Denkens des Kairos entblößt: 48
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Klaus Lüdersen, Dämonie und Rhetorik: »…denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens…«. Ambivalenzen oder Paradoxien in Schillers Wallenstein, in: Insel-Almanach auf das Jahr 2005. Friedrich Schiller 1759–1805, hg. von Hans-Joachim Simm, Frankfurt a. M. und Leipzig 2004, S. 211. Gert Sautermeister, Das Spannungsverhältnis von Politik und Moral – Zur Modernität der Gestalt Wallensteins, in: Zum Schillerjahr 2009 – Schillers politische Dimension, hg. von Bernd Rill, München 2009, S. 63.
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»Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm [dem Kaiser, V. K.] / Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht, / Nur von der Macht und der G e l e g e n h e i t !« (T I.7, v. 624–626) Der Herzog lässt sich in diesem entscheidenden Dialog vom ›Laster‹ überzeugen: »Von dieser Seite sah ichs nie – Ja! Dem / Ist wirklich so.« (T I.7, v. 618 f.) Gegenüber seiner Hoffnung auf einen phantasmagorischen »goldnen Mittelweg« (T V.4, v. 3549), wie Gordon ihn später preist, eignet dem pragmatischen Überredungsvermögen der Gräfin die größere Evidenz. In der sich anschließenden Unterredung mit Max scheinen die Rollen wieder klar verteilt: Der junge Piccolomini tritt als überzeugender Statthalter der Tugend in Erscheinung und argumentiert geradezu wortgleich mit Wielands Allegorie in Ablehnung der verführerischen Wollust: MAX mit Bedeutung O! fürchte, fürchte diese falschen Mächte! / Sie halten n i c h t Wort! Es sind Lügengeister, / Die dich berückend in den Abgrund ziehn. / Trau ihnen nicht! Ich warne dich – O! kehre / Zurück zu deiner Pflicht. Gewiß! Du kannsts! (T II.2, v. 810–814) Der Heerführer hat sich hier gleichwohl bereits entschieden und präsentiert sich entsprechend nicht mehr als unentschlossen-neutraler Charakter in bivio, sondern spricht vielmehr selbst aus der Perspektive des Lasters, sodass die Synkrisis weniger als rivalisierende Ansprache an die Seele eines Schwankenden denn als direktes Aufeinandertreffen der beiden divergierenden Prinzipien aufzufassen ist: »Feindlich scheiden / Die Wege sich.« (T II.2, v. 723–724) So kann schließlich auch Wallensteins resignative Selbstbeschreibung als unverhohlener Ausdruck der endgültigen Präpotenz der kakia verstanden werden: »Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur, / Und zu der Erde zieht mich die Begierde. / Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht / Dem guten.« (T II.2, v. 797–800) Zugleich kann aber auch Max nicht dauerhaft die Position eines souverän entrückten Moralismus für sich reklamieren. Zwar erweist sich der standhafte Idealist als unverführbar durch das Laster, aber der ›Streit der Stimmen in der Brust‹ zeigt, dass Max, der gegenüber seinem Befehlshaber so entschlossen als sittliche Instanz auftritt, selbst mit ebendem Zwiespalt konfrontiert ist, in dem er sich in Anwesenheit Wallensteins als Wegweiser in Szene setzt. »In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen« (T III.21, v. 2281), vom jungen Oberst gegenüber der Gräfin bekundet, könnte als Aporie der Wahl ebenso gut von Wallenstein im Dialog mit einer der beiden Figuren geäußert werden. Max’ Ausruf: »Wo ist eine Stimme / Der Wahrheit, der ich folgen darf?« (T III.21, v. 2295 f.), vollzieht exakt Wallensteins Appell an die »Hilfreiche[n] Mächte« (T I.7, v. 522) nach, von denen er sich einen Weg erhofft, »Den i c h vermag zu gehn« (T I.7, v. 523). Der Zusammenbruch der einst klar geschiedenen Oppositionen in der Synkrisis geht
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offenbar mit dem Verlust der Figurenautonomie einher: Im gleichen Maße, wie die Zuordnungen im Raster starrer Antagonismen verschwimmen und kein Charakter mehr auf eine Rolle im Dreieck von Tugend, Wollust und Umkämpfter Seele fixiert werden kann, haben letztlich alle Figuren an Wallensteins Schicksal teil und perpetuieren seine elementare Erfahrung des »Notzwang[s] der Begebenheiten« (P III.1, v. 1367). Das Drama verfügt über eine Struktur destruktiver Selbstfortzeugung, die eine Tat notwendig aus der vorausgehenden folgen lässt und das gesamte Personal in einen Sog von Entscheidungszwang und Verantwortlichkeit zieht; Schiller zeigt sich gegenüber Goethe stolz, dass es ihm gelungen sei, »die Handlung gleich von Anfang in eine solche Præcipitation und Neigung zu bringen, daß sie in steetiger und beschleunigter Bewegung zu ihrem Ende eilt«.⁵⁰ Im Text selbst findet sich dieses Prinzip in den Worten Octavios poetisiert: »Das eben ist der Fluch der bösen Tat, / Daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.« (P V.1, v. 2452 f.) Das Modell erinnert an den Mechanismus des klassischen Atridenfluchs und ist einerseits für die exzentrische Zeitstruktur des tragischen Handlungsverlaufs verantwortlich, in dem Wallenstein zur Entscheidung für die Illoyalität gezwungen wird, weil man in Wien annimmt, er habe sich bereits wider den Kaiser gewandt; es entspricht seiner Erkenntnis, er müsse »Die Tat v o l l b r i n g e n , weil ich sie g e d a c h t « (T I.4, v. 141). Dieses hysteron proteron, das Ursache und Wirkung vertauscht, hat Schiller schon in seiner historischen Schrift zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs auf den prominenten Chiasmus gebracht: »so fiel Wallenstein, nicht weil er Rebell war, sondern er rebellirte, weil er fiel.«⁵¹ Andererseits sorgt der »Fluch der bösen Tat« dafür, dass der Generalissimus die dramaturgisch konzipierte Tragik seiner Rolle mit allen Figuren, die ihn – mitunter explizit – auf seinem »Weg« begleiten, teilt. Von Max’ Dilemma der Wegwahl und dem Disput mit seinem Vater in Anbetracht der Differenz von gerader und krummer Bahn war bereits die Rede; ihm kommt als jungem Helden ›am Scheideweg‹ eine besondere Funktion in der Herkulesanalogie des Schauspiels zu. Neben den beiden Piccolominis partizipiert Buttler, der über Wallenstein meint, dieser beschreite »einen Weg, der meinem gleicht« (P IV.4, v. 2012),⁵² besonders ausgiebig an der Bildlichkeit des (Scheide-) 50
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Friedrich Schiller, An Goethe, 2. Oktober 1797, in: NA 29 (Briefwechsel. Schillers Briefe 1. November 1796–31. Oktober 1798), hg. von Norbert Oellers und Frithjof Stock, Weimar 1977, S. 141. Friedrich Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, in: NA 18 (Historische Schriften. Zweiter Teil), hg. von Karl-Heinz Hahn, Weimar 1976, S. 329. Damit entspricht der spätere Anstifter zum Mord am Herzog der häufigen Spiegelung der Hauptfigur in extremistischen Gegenbildern, wie Schillers Dramen sie vorstellen; genannt seien nur Die Räuber mit Franz Moor, der Karls Ideal der Selbstschöpfung in eine rationalis-
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Wegs. Bevor er von Octavio angeklagt wird, er habe sich »von dem guten Pfade, / Auf dem Ihr vierzig Jahre seid gewandelt« (T II.6, v. 1154 f.), weglocken lassen, weist er Illo spottend an, nicht zu erwarten, »Daß euer Spiel mein grades Urteil krümmt – / Daß Wankelsinn und schnell bewegtes Blut, / Noch leichte Ursach sonst den alten Mann / Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt.« (P IV.4, v. 1987– 1990) Analog zu Octavios Rede über den gekrümmten »Weg der Ordnung« (vgl. P I.4, v. 463–478) verortet er sich auf der moralisch unanfechtbaren Seite des Gehorsams: »Laßt Euch das enggebundene Vermögen / Nicht leid tun. Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum, / Doch sicher ist der schmale Weg der Pflicht.« (T IV.4, v. 2513–2515) Thekla schließlich bleibt es vorbehalten, mit ihrer Frage: »Wie geht der Weg?« (T IV.10, v. 3080), figurativ auf ihre Teilhabe an Wallensteins Situation an der Weggabelung hinzudeuten und überdies den Grundkonflikt des Schauspiels insgesamt in Worte zu fassen. Offenbar sind die sie umgebenden Charaktere als Valenzen der Hauptfigur Wallenstein konzipiert, die je für sich ein hodologisches Dilemma durchleben und dasjenige des Herzogs in der gemeinsamen Interaktion potenzieren. »Was alle anderen sind, sind sie durch ihn.«⁵³ – So sehr dies für den der Handlung vorangegangenen Kriegsverlauf gilt, so bedeutsam ist es doch auch für die allen gemeinsame notwendige Entscheidung. »Alle Figuren der Wallenstein-Tragödie sind in gewisser Weise ›wallensteinisch‹«⁵⁴, sie vertreten Positionen der Wegwahl, »die in Wallenstein amalgamiert erscheinen«.⁵⁵ Der Charakter präsentiert sich »aufgespalten in einander durchkreuzende Ich-Fragmente«⁵⁶ und zieht seine Umwelt unweigerlich in die spannungsreiche Konfrontation mit dem ›Zweiweg‹ hinein.
Die Aporie der Differenz – »gerade« und »krumm« Das Thema der Wegwahl wird im Wallenstein wiederholt mit den Formassoziationen von »gerade« und »krumm« in Verbindung gebracht; anhand der beiden Begriffe legt dieser abschließende Teil dar, inwiefern sich die im vorigen Abschnitt
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tisch überspitzte Gegennatur zu überführen versucht, und dem Räuber Spiegelberg, dessen Verzerrung von Karls libertinär-gewalttätigen Umtrieben in seinem Namen sinnbildlich wird. Alexander Honold, Geschichtsmechanik oder Improvisationskunst? Das Spiel im Wallenstein, in: Schiller, der Spieler, hg. von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff, Göttingen 2013, S. 73. Norbert Oellers, Poetische Fiktion als Geschichte. Die Funktion erfundener Figuren in Geschichtsdramen Schillers, in: Friedrich Schiller. Zur Modernität eines Klassikers, hg. von Michael Hofmann, Frankfurt a. M. und Leipzig 1996, S. 276. Norbert Oellers, ebd., S. 276. Gert Sautermeister, Das Spannungsverhältnis von Politik und Moral, S. 60.
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beschriebene Auflösung eindeutiger moralisch-terminologischer Zuschreibungen von der Position der Figuren zueinander auf die Wertigkeit der von ihnen verwendeten Notionen erstreckt. Der gerade Weg findet in Max Piccolomini seinen entschlossensten Apologeten. Wie aus den zitierten Wortgefechten mit seinen ›Vätern‹ Octavio und Wallenstein ersichtlich, adressiert er ihn als Ausdruck von Tugend, Treue und Authentizität. Zusammen mit seinem häufigen Rekurs auf das »Herz« bewegt sich Max so zugleich im Einflussbereich einer pietistischen Ethik aus dem Innern dringender Aufrichtigkeit⁵⁷ und im Paradigma kantischer Moralphilosophie: Mit der als Streit zweier Stimmen empfundenen Bedrängnis »läßt Max den kantischen Dualismus zwischen Pflicht und Neigung als seinen inneren Konflikt erkennen«.⁵⁸ Als er sich schließlich gegen den »krummen« Weg Wallensteins entscheidet, gemahnt sein »Du machst mich heute mündig« (T II.2, v. 711) an Kants Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?⁵⁹ Den Widerpart zur positiven Interpretation des geraden Wegs stellt der krumme als Sinnbild von Unaufrichtigkeit und Niedertracht dar, das auch satanisch konnotiert ist; in Reaktion auf Wallensteins politische Erwägung des Bündnisses mit den Schweden meint Max: »[D]as ist schwarz, / Schwarz, wie die Hölle!« (T II.2, v. 777 f.), und folgt damit dem Urteil seines Vaters.⁶⁰ Eine zusätzliche Dimension erhält diese Deutung mit der Figur der Schlange. Wallenstein, der selbst wiederholt als Verkörperung des Teufels beschrieben wird und beabsichtigt, »den bösen Dämon zu vertreiben / Der um mein Haupt die schwarzen Flügel schlägt« (T III.4, v. 1473 f.), sagt nach der Kenntnisnahme von dessen Verrat über Octavio: »Wer vermag / Der Hölle Macht zu widerstehn! Ich zog / Den Basilisken auf an meinem Busen, / Mit meinem Herzblut nährt ich ihn« (T III.18, v. 2109– 2111). Das Motiv veranschaulicht an dieser Stelle einmal mehr das Schwinden der Figurenautonomie, wenn Max in seiner Replik nicht zwischen Wallensteins und Octavios Verfehlung differenziert, um in der sich anschließenden Regiean57 58 59
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Vgl. ebd., S. 62 f. Horst Hartmann, Wallenstein. Geschichte und Dichtung, Berlin 1984, 4. Aufl., S. 98. Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Kant’s gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, 29 Bde., Bd. 8 (Werke. Abhandlungen nach 1781), S. 33–42. Vom Philosophen selbst stammt der im Zusammenhang der problematisierten Begriffe bemerkenswerte Aphorismus: »[A]us so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.« Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in: Kant’s gesammelte Schriften 8, S. 23. Octavio hat – im ambivalenten Modus des luziferischen Lichtbringers – seinen Sohn zuvor ›aufgeklärt‹: »Das schwärzeste Komplott entspinnet sich / Vor deinen Augen, eine Macht der Hölle / Umnebelt deiner Sinne hellen Tag – / Ich darf nicht länger schweigen, muß die Binde / Von deinen Augen nehmen.« (P V.1, v. 2298–2302)
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weisung gleichsam selbst ›zur Schlange‹ zu werden: »Warum muß / Der Väter Doppelschuld und Freveltat / Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden? / Warum der Väter unversöhnter Haß / Auch uns, die Liebenden, zerreißend scheiden? Er umschlingt Thekla mit heftigem Schmerz« (T III.18, v. 2137–2141).⁶¹ Über Wallensteins Nachvollzug einer Kriegsepisode, die ihn den Söldnerführer Mansfeld »Durch alle Schlangenkrümmen seiner Flucht« (T III.15, v. 1927) verfolgen ließ, wird die figura serpentinata⁶² an den negativ konnotierten Wegverlauf des gewundenen Pfads geknüpft; wie eng die Assoziationen zwischen literaler Formbeschreibung und davon nicht zu lösender Wertung der Weggestalt sind, wird deutlich, wenn man die Phänomenologie des krummen ›Schlangenpfads‹ mit dem Motiv der Verführung in Zusammenhang bringt: Die weibliche kakia des paganen Mythos, die den prodikeischen Herkules auf ihren Weg zu locken versucht, verbindet sich der alttestamentarischen, in satanischen Krümmungen um den Baum der Erkenntnis geringelten Schlange Evas;⁶³ wie bereits angeklungen ist, nimmt im Wallenstein die Gräfin Terzky gegenüber dem Unschlüssigen die Rolle einer »dämonischen Frau«⁶⁴ und überzeugenden Ratgeberin ein, deren »bemerkenswerte Intelligenz und […] virtuos-infame Rhetorik«⁶⁵ den Protagonisten zum Verlassen der ihm von seinem Herrn aufgezeigten Bahn verführen.
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Die Schlange erscheint hier als augenfällige Metapher der Verknotung, (Figuren-)Verwicklung und damit Liquidierung vormals klar voneinander geschiedener Formen und Entitäten; als solche ist sie gleichfalls prädisponiertes Sinnbild des dramatischen Knotens, dessen Verschlingungen im Falle des Wallenstein zwar auf der Handlungsebene mit dem Tod des Protagonisten gleichsam gewalttätig zerschnitten werden, in Bezug auf die moralischterminologische Verworrenheit der zentralen Begriffe und Konnotationen aber unaufgelöst erscheinen. Vgl. zum dramatischen Motivkomplex von ›Knoten‹ und ›Schlange‹, desis und lysis: Juliane Vogel, Verstrickungskünste. Lösungskünste. Zur Geschichte des dramatischen Knotens, in: Poetica, 40 (2008), S. 269–288. Wie komplex die Äußerung Max Piccolominis tatsächlich ist, zeigt darüber hinaus der Aspekt der markanten Onomatopoesie des »ß« als Schlangenlaut: Die Sequenz muß – gräßlich – Haß – zerreißend windet sich mit ihrem schlangenhaften Frikativ durch die Worte des jungen Helden und illustriert lautmalerisch die von ihm beklagte »Umwindung« durch das »Schlangenpaar«, der er sich doch selbst so wenig entziehen kann, dass er in Wortwahl und »Umschlingung« Theklas vom Text gleichsam zum Mittäter gemacht wird. Vgl. zu diesem manieristischen, auf Michelangelo zurückgehenden Formkonzept Emil Maurer, Manierismus. Figura serpentinata und andere Figurenideale, Zürich 2001. Vgl. neutestamentarisch Apg 13,9–10 zur Begegnung mit einem »Zauberer«: »Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll heiligen Geistes, sah ihn an und sprach: O du Kind des Teufels, voll aller List und Bosheit, Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf, krumm zu machen die geraden Wege des Herrn?« Die Bibel, S. 995. O. J. Matthijs Jolles, Das Bild des Weges und die Sprache des Herzens, S. 115. Gert Sautermeister, Das Spannungsverhältnis von Politik und Moral, S. 64.
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Pointierte Kritik am Konzept des geraden Wegs kommt dagegen von Octavio. Seine »›Prunkrede‹ auf die alten Ordnungen«⁶⁶ betont die Rücksichtslosigkeit eines blinden Voranschreitens: »Grad aus geht des Blitzes, / Geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad – / Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an, / Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.« (P I.4, v. 469–472) Seine Einschätzung ist anbindbar an die als ruchlos charakterisierte Soldateska in Wallensteins Lager, aus deren Kreis ein Jäger bekundet: Wir heißen des Friedländers wilde Jagd, / Und machen dem Namen keine Schande – / Ziehen frech durch Feindes und Freundes Lande, / Querfeldein durch die Saat, durch das gelbe Korn – / Sie kennen das Holkische Jägerhorn! (L 6, v. 213–217) Der Text erweckt mit seinem impliziten Kommentar zum unerbittlichen »Querfeldein« der Heerschar⁶⁷ Sympathie für Octavios Position, die die potenzielle Gnadenlosigkeit der geraden Wegbahn prononciert: »Die traditionale Herrschaft findet in Octavio einen wortmächtigen Apologeten, und es wäre eine Verkürzung der politischen Perspektive des Dramas, wenn man davon ausginge, daß Schiller ihn in dieser Eigenschaft nur habe desavouieren wollen.«⁶⁸ Dafür spricht auch eine hermeneutische Kontroverse, die sich der Autor mit dem Kritiker Böttiger lieferte, gegen dessen Deutung Octavios als »Bube« sich Schiller verwahrte.⁶⁹ Neben seiner Missbilligung des direkten erscheint der gewundene Weg bei Octavio als Pfad sowohl der Natur als auch von Recht und Gehorsam: Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen, / Er ist kein Umweg. / […] Die Straße, die der Mensch befährt, / Worauf der Segen wandelt, diese 66 67
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Dieter Borchmeyer, Macht und Melancholie. Schillers Wallenstein, Frankfurt a. M. 1988, S. 165. Über einen Rekruten heißt es nachgerade mephistophelisch: »BÜRGER Eine Braut läßt er sitzen in Tränen und Schmerz. ERSTER JÄGER Recht so, da zeigt er ein eisernes Herz. BÜRGER Die Großmutter wird für Kummer sterben. ZWEITER JÄGER Desto besser, so kann er sie gleich beerben. (L 7, v. 411–414) Dieter Borchmeyer, Macht und Melancholie, S. 164. »So lag es z. B. nicht in meiner Absicht, noch in den Worten meines Textes, daß sich Octavio Piccolomini als einen so gar schlimmen Mann, als einen Buben, darstellen sollte. In meinem Stück ist er das nie, er ist sogar ein ziemlich rechtlicher Mann, nach dem Weltbegriff, und die Schändlichkeit, die er begeht, sehen wir auf jedem Welttheater von Personen wiederholt, die, so wie er, von Recht und Pflicht strenge Begriffe haben. Er wählt zwar ein schlechtes Mittel, aber er verfolgt einen guten Zweck.« Friedrich Schiller, An Böttiger, 1. März 1799, in: NA 30 (Briefwechsel. Schillers Briefe 1. November 1798–31. Dezember 1800), hg. von Lieselotte Blumenthal, Weimar 1961, S. 33.
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folgt / Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen, / Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhügel, / Des Eigentums gemeßne Grenzen ehrend – / So führt sie später, sicher doch zum Ziel. (P I.4, v. 468–478) Diese Auffassung macht sich gar eine Vertikalisierung der Schlangenlinie zu eigen: »Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen«, als Krümmung der Figur im Ausdruck der Unterwerfung unter die kaiserliche Autorität verstanden, erklärt Gordons Begriff der »Beugung«, mit dem er eine Octavio nachempfundene Rede über den Herzog beschließt: Ihn hält / In Schranken nur das deutliche Gesetz / Und der Gebräuche tiefgetretne Spur. / Doch unnatürlich war und neuer Art / Die Kriegsgewalt in dieses Mannes Händen; / Dem Kaiser selber stellte sie ihn gleich, / Der stolze Geist verlernte sich zu beugen. (T IV.2, v. 2485–2491) Die unwidersprochene Macht des Kaisers erweckt so den Anschein einer Rechtmäßigkeit, die sich in der Beschaffenheit der Natur (»Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen«), ihrer kultivierenden Aneignung durch den Menschen (»das Weizenfeld, de[r] Rebenhügel«) und in bewährtem Brauchtum (das »Eigentum«, »der Gebräuche tiefgetretne Spur«) gespiegelt findet. Wer es versteht, die eigene Geradheit, den »stolze[n] Geist« vor diesen Instanzen zu »krümmen«, wahrt die sich aus natürlicher Herrschaft ableitende Ordnung. Eine entscheidende Pointe des Verhältnisses von geradem und krummem Weg im Wallenstein ist schließlich poetologischer Natur. Ausgehend von Max’ emphatischer Proklamation des Geraden als »wahrhaft« und »unverstellt« (P III.5, v. 1700 f.) durchzieht ein Deutungsstreit der ›geraden Rede‹ Die Piccolomini, der für die gesamte Trilogie signifikant ist: Die positive Auffassung der direkten Bahn wird in den folgenden bereits zitierten Äußerungen zu einer Forderung geradliniger Rhetorik umgedeutet, für die offenbar die Stilqualitäten der perspicuitas und brevitas von besonderer Bedeutung sind; Terzky zu Wallenstein: »Weil du so krumme Wege machst – / Was sollen alle diese Masken? Sprich!« (P II.5, v. 847 f.) Wallenstein zu Questenberg: »Wozu die krummen Wege, Herr Minister? / Gerad heraus!« (P II.7, v. 1256 f.) Begreift man diesen Anspruch auf eine gleichsam unumwundene Ausdrucksform im Wortsinn des geforderten ›geradeaus gerichteten Sprechens‹ als Verlangen nach einer provorsa oratio, so fällt auf, dass Schiller selbst sich für die Form des Dramas, das thematisch den Abgrund zwischen ›gerader‹ und ›krummer‹ Rede auslotet, nicht für die Gestaltung in Prosa, sondern für die in Versen entschieden hat. Sein Ringen um diese Wahl ist ausführlich dokumentiert. Hatte der Dichter zunächst noch beabsichtigt, Wilhelm von Humboldts Empfehlung zur Verwendung ungebundener Sprache zu fol-
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gen,⁷⁰ so gab er schließlich doch der – bisweilen gar gereimten – Versform den Vorzug: »Es ist nun entschieden, daß ich ihn [den Wallenstein, V. K.] in Jamben mache, ich begreife kaum, wie ich es je anders habe wollen können, es ist unmöglich ein Gedicht in Prosa zu schreiben.«⁷¹ Goethe gegenüber begründet Schiller die Wahl im Rekurs auf eine notwendige »Abweichung von der Wirklichkeit« ausführlich.⁷² Das diesem Abwägen zugrundeliegende Prinzip des Verhältnisses von Stoff und Form findet sich einerseits allgemein in Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen verhandelt;⁷³ von dort strahlt es aus in theoretische Abhandlungen mit konkreterem Textbezug, wie sie die Vorrede zur Braut von Messina darstellt, Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie. Um »die Kunst zugleich ganz ideell und doch im tiefsten Sinne reell seyn«⁷⁴ zu lassen, kommt der gebundenen Rede in Versen besondere Bedeutung zu: »[D]ie metrische Sprache selbst ist ideal« (NA 10, 10), und: »Durch Einführung einer metrischen Sprache ist man indeß der poetischen Tragödie schon um einen grossen Schritt näher gekommen.« (NA 10, 10) Das Drama Wallenstein äußert sich im Prolog selbst explizit zur Relation von Dichtung und Wirklichkeit und profiliert den Darstellungsweg abseits der Prosa, die Versrede in Reimen: Und wenn die Muse heut / Des Tanzes freie Göttin und Gesangs, / Ihr altes deutsches Recht, des Reimes Spiel, / Bescheiden wieder fordert – tadelts nicht! / Ja danket ihrs, daß sie das düstre Bild / Der Wahrheit in das heitre 70
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»Humbold meynt, ich soll den Wallenstein in Prosa schreiben; mir ist es, in Rücksicht auf die Arbeit ziemlich einerley ob ich Jamben oder Prosa mache. Durch die ersten würde er mehr poetische Würde, durch die Prosa mehr Ungezwungenheit erhalten. Da ich ihn aber im strengen Sinn, für die theatralische Vorstellung bestimme, so wird es wohl beßer gethan seyn, Humboldten hierin zu folgen.« Friedrich Schiller, An Körner, 28. November 1796, in: NA 29, S. 19. Friedrich Schiller, An Körner, 20. November 1797, in: NA 29, S. 158. Vgl. Friedrich Schiller, An Goethe, 24. August 1798, in: NA 29, S. 265–266. Neben dem Theorem von Stoff-, Form- und Spieltrieb (11.–16. Brief) ist für die von Schiller als ausufernd empfundene Stofffülle des Wallenstein auch eine Bemerkung wie die folgende relevant: »Und nicht bloß die Schranken, welche der specifische Charakter seiner Kunstgattung mit sich bringt, auch diejenigen, welche dem besondern Stoffe, den er bearbeitet, anhängig sind, muß der Künstler durch die Behandlung überwinden. In einem wahrhaft schönen Kunstwerk soll der Inhalt nichts, die Form aber alles thun«. Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, in: NA 20 (Philosophische Schriften. Erster Teil), hg. von Benno von Wiese, Weimar 1962, S. 381 f. (22. Brief). Friedrich Schiller, Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie, in: NA 10 (Die Braut von Messina. Wilhelm Tell. Die Huldigung der Künste), hg. von Siegfried Seidel, Weimar 1980, S. 9.
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Reich der Kunst / Hinüberspielt, die Täuschung, die sie schafft, / Aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein / Der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt, / Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. (L Prolog, v. 129–138) Aus diesem Blickwinkel zieht der Text die ›gewundene‹, ästhetisierte Form der ›geraden‹, vermeintlich wahrhaftigen vor, die mithin durchaus nicht authentischer anmutet als eine betont poetische, die »die Täuschung, die sie schafft, / Aufrichtig selbst zerstört«. Dazu fügt sich Schillers in den Kallias-Briefen vorgetragene Bewunderung für die als besonders »frei« empfundene Ästhetik der Schlangenlinie.⁷⁵ Die Apologie der gewundenen Gestalt, des krummen Wegs, wie sie im Stück von Octavio geäußert wird, findet sich insofern von Schiller auch theoretisch fundiert. Der aus dieser Beobachtung zu ziehende Schluss soll nun aber nicht sein, das Drama insgesamt als verborgene Huldigung an den krummen Weg zu begreifen, die den geraden Idealismus Max Piccolominis verwürfe; vielmehr möchte diese Analyse aufzeigen, dass dem Drama im Textgewirr vermeintlich monosemer Begriffe gezielt eine ›Wahrheit‹ abhanden kommt, die es ermöglichte, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Schillers Wallenstein inszeniert ein »dualistisches Denken, das seine Extremwerte bis zum Zerreißen anspannt«;⁷⁶ auf der formalen Ebene des dramatischen Wortgebrauchs führt es so ebenjenes Dilemma vor, das seine Hauptfigur im Angesicht der sich eröffnenden (Deutungs-)Wege mit einer Unentscheidbarkeit konfrontiert, die Wallenstein zur Handlungslosigkeit und Erduldung der »Præcipitation« seines Geschicks zwingt. Die Aporie der Entscheidung, die Schiller aus seiner Aneignung des antiken Hercules in bivioSujets entwickelt, verleiht seiner Trilogie dabei eine strukturelle Komplexität, die die des Herkules Prodikos, wie Xenophon ihn schildert, und auch jene Wielands mit seiner Versenkung des Topos ›in die Seele‹ des Helden übertrifft. Sein Modell gewinnt gleichsam selbst die von den Figuren im Text geforderte Authentizität, indem es im Sinne einer »Neuen Unübersichtlichkeit«⁷⁷ die Mechanismen ent-
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»Die Natur liebt keinen Sprung. Sehen wir sie einen thun, so zeigt es, daß ihr Gewalt geschehen ist. Freiwillig hingegen erscheint nur diejenige Bewegung, an der man keinen bestimten Punkt angeben kann, bey dem sie ihre Richtung abänderte. Und dieß ist der Fall mit der Schlangenlinie, welche sich […] durch ihre F r e i h e i t unterscheidet.« Friedrich Schiller, An Körner, 23. Februar 1793, in: NA 26 (Briefwechsel. Schillers Briefe 1. März 1790–17. Mai 1794), hg. von Edith Nahler und Horst Nahler, Weimar 1992, S. 216. Peter Utz, »Alles« oder »nichts«. Schillers dramatisches Spiel um den höchsten Einsatz, in: Schiller, der Spieler, hg. von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff, Göttingen 2013, S. 89. Vgl. Jürgen Habermas, Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V, Frankfurt a. M. 1985.
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hüllt, die den Topos seit seinen Anfängen untergründig strukturieren: Semantische Offenheit der diskutierten Begriffsopposition, rhetorisch verfertigte, subjektive Parteinahme der Kontrahenten in der Synkrisis und, aus diesen resultierend, Unfähigkeit des Protagonisten, aufgrund objektiver Kriterien zwischen beiden Seiten eine Wahl zu treffen.⁷⁸ Insofern scheint es fraglich, ob der Ausdruck einer »neuen« Unübersichtlichkeit überhaupt angemessen ist oder nicht vielmehr der einer neuen Bereitschaft, die stets schon vorhandene hermeneutische Komplexität des Scheideweg-Motivs zu offenbaren, anstatt sie im Modus semantischer Schließung zu negieren. Hier offenbart sich der Kern dessen, was Schillers Dramatik auszeichnet, die sich – wie seine Dichtung insgesamt – doch wiederholt des Vorwurfs an ein vermeintlich zu starres Operieren in klar lösbaren Dualitäten zu erwehren hat. »Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens« (T I.4, v. 161), stellt die Hauptfigur des Wallenstein fest und benennt damit das zugleich konstitutive wie nicht zu bewältigende Spezifikum ihrer Existenz. Das Theaterstück als aktualisierte Fortschreibung des Mythos von Herkules am Scheideweg stellt mit seiner Poetik des ›Zweiwegs‹ unter Beweis, wie sich in der dramatischen Textur aus scheinbar simplen Begriffen ein hochkomplexes Spiel von Formen, Motiven und Assoziationen entfalten lässt. Bedeutet das aporetische Schwanken zwischen gerade und krumm, ›entweder‹ und ›oder‹ für Wallenstein die Unausweichlichkeit des Todes im Geflecht tragischer Dichtung, so geht das Publikum des Stücks – trotz berechtigter Erfahrung von eleos und phobos angesichts des Endes – über diese Erfahrung fataler Unentscheidbarkeit hinaus und bezieht im Gegenteil im Sinne des von Schiller in den Briefen über die ästhetische Erziehung geforderten »ästhetischen Zustands« (vgl. NA 20, 375) einen Gewinn aus dem reinen, jedem Zwang zu semantischer Vereindeutigung enthobenen Hin- und Herwenden der Worte und ihrer Bedeutung.
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Man denke an die sonderbare Entscheidungslosigkeit des Herkules bei Xenophon oder die scheinheilige Beteuerung der Tugend bei Wieland: »Die Wahrheit, Herkules, ruft keine Rednerkünste / Zu ihrem Beystand« (Christoph Martin Wieland, Die Wahl des Herkules, S. 12), obgleich sie selbst fortwährend nichts anderes unternimmt.
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die überwindung der tragödie – schillers wilhelm tell als »schauspiel« Am 16. März 1802, als Schiller noch Material für seinen Wilhelm Tell sammelte, hat er in einem Brief an Cotta das zukünftige Werk »ein Schauspiel« genannt.¹ Im Sommer 1802 trug er den Wilhelm Tell im Verzeichnis seiner Pläne als »Tragödie« ein.² Auch in einem Brief an Wilhelm von Wolzogen vom 4. September 1803, zehn Tage, nachdem er mit der Ausarbeitung des Stückes angefangen hatte,³ kündigte er an, »eine große Tragödie« aus dem Stoff zu machen.⁴ Mit dem Titel Wilhelm Tell, ein Schauspiel von Schiller ist das Stück 1804 schließlich erschienen. In seinem Brief an Cotta hat Schiller den Begriff »Schauspiel« noch als Synonym für das »Drama« allgemein gewählt.⁵ Als offizieller Untertitel eines Stückes aber wird das Wort zur Bezeichnung einer speziellen Dramengattung. Als solche erhält der Begriff einen spezifischen Sinn, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts durchaus geläufig war. Dies zeigt zum Beispiel die Definition aus dem Brockhaus von 1809: »Schauspiel oder Drama im eigentlichen Sinn, welches die Darstellung ernsthafter Begebenheiten ist, deren Entwickelungen einen dem menschlichen Herzen wohlthuenden Ausgang haben.«⁶ Schiller scheint die Wechsel der Gattungsbezeichnungen nie schriftlich kommentiert zu haben. Die Wahl beziehungsweise Änderung eines Untertitels bei der Veröffentlichung eines Werkes setzt aber einen Entscheidungsprozess voraus, in dem das Stück mit den konstitutiven Merkmalen der Gattung in Beziehung gesetzt wurde; und dabei kann es nicht um Einzelheiten des Werkes gehen, sondern um seine 1 2 3 4 5
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Schillers Werke. Nationalausgabe. Zehnter Band, Weimar 1980, S. 368; im Folgenden zitiert mit: NA 10, S. (Seitenzahl) oder V. (Verszahl). NA 10, ebd. NA 10, S. 371. NA 10, ebd. Dafür spricht, dass in diesem Brief an Cotta Schiller ein »anderes kleines Schauspiel« erwähnt, womit er die Braut von Messina meint, die später den Untertitel Trauerspiel mit Chören trägt. Vgl. Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta, hg. von Wilhelm Vollmer, Stuttgart 1876, S. 450. Brockhaus Conversations-Lexikon, Bd. 5, Amsterdam 1809, S. 77–86, hier S. 84.
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Grundstruktur. Bei diesem Prozess müssen etwa die Fragen geklärt worden sein, wieso bei dem offensichtlich »wohlthuenden Ausgang« des Stückes, nämlich dem Sieg der Schweizer und dem Erfolg des Helden Tell, dieses Werk lange Zeit als »Tragödie« bezeichnet wurde und wieso es dann doch als »Schauspiel« auf den Markt kam. Die Gattungszugehörigkeit und der Gattungswechsel des Wilhelm Tell werden in der Forschung durchaus konstatiert, aber nicht explizit zur Interpretation genutzt.⁷ Dies soll im Folgenden unternommen werden. Dabei wird sich erweisen, dass Schillers letztes veröffentlichtes Drama die Lösung von Problemen enthält, die Schiller sich zuvor in seinen Tragödien und Trauerspielen selbst geschaffen hat. * Wie das bürgerliche Trauerspiel gehört das Schauspiel zu dem Prozess der Auflösung beziehungsweise Transformation der traditionellen Gattungen im achtzehnten Jahrhundert.⁸ Es wurde in Deutschland durch die in Frankreich entstandene und kontrovers diskutierte »Comédie larmoyante« bekannt, dann durch die Dramen und die zugehörigen Reflexionen von Denis Diderot.⁹ Er gab seinen Stücken den Untertitel »comédie«, später aber »drame«,¹⁰ nannte das neue Genre »le genre sérieux«,¹¹ Begriffe, für die Lessing in seiner 1760 publizierten 7
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Eine Ausnahme bildet Georg-Michael Schulz in seinem Artikel über Wilhelm Tell in: Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, hg. von Matthias Luserke-Jaqui, Sonderausgabe, Stuttgart und Weimar 2011, S. 214–235, hier S. 231. Er weist auf die Tatsache hin, dass Wilhelm Tell das erste Schauspiel unter Schillers Dramen ist und in einer Reihe mit Lessings Nathan und Goethes Iphigenie steht, die einen »ernsten Stoff mit einem versöhnlichen Ausgang« behandeln. Schulz gibt an, dass Schiller sich damit der »Antinomie von Trauerspiel und Lustspiel« entziehe. Die vorliegende Untersuchung wird zeigen, dass es sich um die Antinomie von Trauerspiel bzw. Tragödie und Rührstück handelt. Auch Helmut Koopmann geht bei seiner Interpretation des Fiesko kurz auf die Gattungszugehörigkeit ein; vgl. Schiller-Handbuch, hg. von Helmut Koopmann, Stuttgart 2011, 2., durchgesehene und akt. Aufl., S. 373–383, hier S. 380. Vgl. Wolfgang Schaer, Die Gesellschaft im deutschen bürgerlichen Drama des 18. Jahrhunderts. Grundlagen und Bedrohung im Spiegel der dramatischen Literatur, Bonn 1963 (Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur), S. 5–29; Roger Bauer, Die wiedergefundene dritte Gattung, oder: Wie bürgerlich war das bürgerliche Drama? In: Revue d’Allemagne, 5 (1973), S. 475–496; Roland Mortier, Diderot in Deutschland 1750–1850, Stuttgart 1972. Le Fils naturel ou les Épreuves de la vertu (comédie en cinq Actes et en Prose, avec l’Histoire véritable de la pièce), veröffentlicht 1757, und Le père de famille (comédie en cinq Actes, et en Prose, avec un discours sur la poésie dramatique), veröffentlicht 1758. Klaus-Detlef Müller, Nachwort zu: Das Theater des Herrn Diderot. Aus dem Französischen übersetzt von Gotthold Ephraim Lessing, Stuttgart 1986, S. 407. Oeuvres de Théatre de M. Diderot, avec un discours sur la poésie dramatique. Tome premier, Paris 1771, S. 212.
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deutschen Übertragung der Dramen und Abhandlungen den Begriff »Schauspiel« benutzte, der sich in den 1780er Jahren durchsetzte.¹² All diese Stücke verbanden die Ernsthaftigkeit der Konflikte aus der Tragödie mit dem glücklichen Ende aus der Komödie. Sie hoben die Ständeklausel auf, indem sie das typische Personal der Komödie (vom niedrigen Adel abwärts) in ernsten Stücken auftreten ließen. Diderot sprach auch von komischen beziehungsweise tragischen Abschattungen einer Tragödie beziehungsweise einer Komödie.¹³ Lessing hat dieses Phänomen knapp charakterisiert: Die Komödie »hat man um einige Staffeln erhöhet«, die Tragödie »um einige herabgesetzt«.¹⁴ Goethe und Schiller setzten sich mit der Gattung kritisch auseinander. Für sie scheint das Schauspiel stets zur Trivialdramatik zu tendieren. Durch das »sogenannte Drama«, so Goethe, »fühlen wir uns gerührt, wenn wir nach peinlicher Erwartung zuletzt noch kümmerlich getröstet werden«.¹⁵ Und Schiller meint: »Viele unsrer Romane und Trauerspiele, besonders der sogenannten Dramen […] und der beliebten Familiengemälde […] bewirken bloß Ausleerung des Tränensacks und eine wollüstige Erleichterung der Gefäße; aber der Geist geht leer aus […]«.¹⁶ Damit spielten sie auf die Tatsache an, dass die Unterhaltungskultur diese Gattung bereitwillig aufgegriffen und zahlreiche »Rührstücke« geschaffen hatte.¹⁷ In der Tat treten in den Dramen Diderots und seiner Nachahmer und Nachfolger – in Deutschland sind vor allem Kotzebue und Iffland zu nennen – keine Konflikte auf, die durch die Beteiligten selbst gelöst werden, diese drücken lediglich ihre Verzweiflung aus. Die Hilfe kommt durch den Zufall und von außen oder durch das traditionelle Mittel der Anagnorisis oder die reuige Umkehr derjenigen Personen, die für die Störung verantwortlich waren. Die abschließenden Szenen in den Stücken Kotzebues zum Beispiel »ähneln sich alle bis in die vorgeschriebenen, stilisierten Gebärden hinein, die die Schlußszenen oft zu lebenden Bildern erstarren lassen. Das happy end ist bei Kotzebue genau so ein ›Muß‹, wie er sich auf Tragik nie einlassen darf und alle Probleme, Katastrophen, Intrigen, 12 13
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Vgl. Klaus-Detlef Müller, Das Theater des Herrn Diderot, S. 15, 181 und Wolfgang Schaer, Die Gesellschaft im deutschen bürgerlichen Drama, S. 23. »Nuances de la tragédie« bzw. »une teinte comique«; vgl. Klaus-Detlef Müller, Das Theater des Herrn Diderot, S. 178 und Oeuvres de Théatre de M. Diderot, avec un discours sur la poésie dramatique. Tome seconde, Paris 1771, S. 268. Gotthold Ephraim Lessing, Abhandlungen von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele, in: Werke, hg. von Herbert G. Göpfert, Bd. 4, München 1973, S. 11. Johann Wolfgang von Goethe, Shakespeare und kein Ende, in: Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bde., Bd. 12, München 2000, S. 293. Friedrich Schiller, Über das Pathetische, in: Sämtliche Werke, Bd. V, München 2004, S. 516; vgl. auch die Xenien, Nr. 401–412 (Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. I, München 2004, S. 301 f.). Vgl. Klaus-Detlef Müller, Das Theater des Herrn Diderot, S. 430.
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die die Spannung steigern, als scheinbare aufzeigen muß.«¹⁸ Ziel der Stücke ist die Rührung der Zuschauer. Meist spielt die Handlung in der vertrauten privaten Welt der Familie. Aber auch wenn Kotzebue fremde Gegenden wählt oder die Geschichte, bleiben »seine Exoten oft nur verkleidete Biedermänner« und »die Historiendramen bloße, mit pseudo-geschichtlichen Requisiten ausgestattete Rührstücke […]«.¹⁹ Umso erstaunlicher muss es daher erscheinen, dass vor allem Goethe viele seiner Stücke »Schauspiel« nannte. Er schuf mit dem Götz von Berlichingen, der Stella, der Iphigenie auf Tauris und dem Torquato Tasso ohne erklärte Absicht und weitgehend unbemerkt eine anspruchsvolle Form des Schauspiels, der »modernen dramatischen Poesie« – so Hegel –, der es darum gehe, »daß, den Unterschieden und Konflikten von Interessen, Leidenschaften und Charakteren zum Trotz, sich eine in sich einklangsvolle Wirklichkeit dennoch durch das menschliche Handeln zustande bringe«.²⁰ Schiller dagegen hielt, mit der Ausnahme des Wilhelm Tell, beharrlich an der Tragödie fest, die auch noch nach der Auflösung der traditionellen Gattungsgrenzen neben dem Epos als poetische Königsdisziplin galt. Er entwickelte sogar eine eigene Tragödientheorie. Dabei wurde er sich allerdings bewusst, dass die Bedingung für die Blütezeit der Tragödie, nämlich die Welt der antiken Mythologie, in der Neuzeit nicht mehr existierte. Zusammen mit Goethe erkannte er, dass in den Epen und Tragödien die »Welt der Phantasien, Ahnungen, Erscheinungen, Zufälle und Schicksale« vorkomme, »wobei denn für die Modernen eine besondere Schwierigkeit entsteht, weil wir für die Wundergeschöpfe, Götter, Wahrsager und Orakel der Alten, so sehr es zu wünschen wäre, nicht leicht Ersatz finden […]«.²¹ Schiller war sich im Klaren darüber, dass »eine blinde Unterwürfigkeit unter das Schicksal immer demütigend und kränkend für freie, sich selbst bestimmende Wesen« ist. Dies sei es, »was uns auch in den vortrefflichsten Stücken der griechischen Bühne etwas zu wünschen übrig läßt, weil in allen diesen Stücken zuletzt an die Notwendigkeit appelliert wird und für unsere vernunftfodernde Vernunft immer ein unaufgelöster Knoten zurückbleibt […]«.²² Über die Bedeutung des Orakels im Ödipus meinte er, dass es »schlechterdings durch nichts anderes zu ersetzen ist; und wollte man das 18 19 20
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Doris Maurer, August von Kotzebue. Ursachen seines Erfolges. Konstante Elemente der unterhaltenden Dramatik, Bonn 1979 (Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur), S. 181. Ebd., S. 159. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke 15. Vorlesungen über die Ästhetik III, Frankfurt a. M. 1973 (Theorie Werkausgabe), S. 532 f. Als Beispiele nennt Hegel Goethes Iphigenie und Torquato Tasso. Diese Variante des Schauspiels als eine eigene Gattung ist anscheinend nur von Hegel erkannt worden. Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. V, S. 791 (Über epische und dramatische Dichtung). Friedrich Schiller, ebd., S. 381 (Über die tragische Kunst).
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Wesentliche der Fabel selbst, bei veränderten Personen und Zeiten, beibehalten, so würde lächerlich werden, was jetzt furchtbar ist […]«.²³ Die Tragödie war im Grunde überholt, da ihre wesentlichen Bestimmungen in Frage gestellt wurden. Nicht der Glaube an die Abhängigkeit von höheren Mächten prägte das Menschenbild der Intellektuellen um 1800, auch das Schillers, sondern an das Subjekt, das seine Welt gestaltet.²⁴ Dies wirkte sich auch auf die Akzeptanz des tragischen Untergangs aus. Das Individuum im Drama, das sich für eine Idee opfert, sollte zwar beim Rezipienten die sittlichen Vernunftskräfte stärken, der Mensch in der Realität aber die Sittlichkeit nicht im Akzeptieren des Todes bewähren. Das Projekt von Aufklärung und Klassik, der Gebrauch des Verstandes, die Kultivierung des Gefühls, die allseitige und harmonische Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten im Sinne des Guten, Wahren, Schönen, zielt auf eine Realisierung im Leben des Einzelnen, der Gesellschaft und des Staates. Daher hatte Schiller erhebliche Schwierigkeiten mit seinen Trauerspielen. Jedes Mal galt es, einen »Ersatz« für die mythologische Welt zu finden und den Untergang des Protagonisten als sinnvolles Opfer darzustellen. So ist es kein Zufall, dass er häufig die Untertitel änderte beziehungsweise ganz auf Untertitel verzichtete. In der Unterdrückten Vorrede (1781) nennt er sein Erstlingsstück ein »Trauerspiel«. In der Vorrede (zur ersten Buch-Ausgabe 1781) heißt es aber »Schauspiel«. Diesen Untertitel trägt das Werk auch in der überarbeiteten Buchfassung 1782. Einer im selben Jahr erschienenen weiteren Fassung, die auf dem Mannheimer Soufflierbuch basiert, gab Schiller allerdings den Titel Die Räuber ein Trauerspiel. Der Don Carlos war anfangs als Trauerspiel konzipiert (Bauerbacher Entwurf 1783), in der ersten Druckfassung 1787 trug es keinen Untertitel, in der Ausgabe von 1801 erschien das Stück als Ein dramatisches Gedicht, was darauf hinwies, dass es in Versen geschrieben ist. In den zahlreichen Fassungen dazwischen, einschließlich der Briefe über Don Karlos, firmiert das Werk als »Tragödie«, als »Trauerspiel« oder hat keine Gattungsbezeichnung.²⁵ In der Ausgabe der Wallenstein-Trilogie von 1800 tragen die ersten beiden Stücke keinen Untertitel, das dritte heißt »Trauerspiel«, die gesamte Trilogie »Ein dramatisches Gedicht«. Das bei der Wahl der Untertitel sich offenbarende Problem zeigt sich auch in der Handlungsführung und Figurengestaltung. Schiller entwickelte eine Reihe von Techniken, um seinen Dramen einen tragödienhaften Charakter zu verlei23 24
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Schillers Briefe, hg. und mit Anm. versehen von Fritz Jonas, 5. Bd., Stuttgart, Leipzig, Berlin u. a. o. J., S. 271 (an Goethe 2. Oktober 1797). Wilhelm Spengler weist auf die Tragödienfeindlichkeit von Schillers Weltanschauung hin (Das Drama Schillers. Seine Genesis, Leipzig 1932, S. 121 f.). Vgl. auch Hartmut Reinhardt, Don Karlos, in: Schiller-Handbuch, hg. von Helmut Koopmann, S. 399–415, hier S. 402. Vgl. Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. I, S. 955 f.; Hartmut Reinhardt, Don Karlos, in: Schiller-Handbuch, hg. von Helmut Koopmann, S. 402.
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hen. Dazu gehört die Extremisierung der Charaktere,²⁶ die die Figuren zu unvernünftigem Handeln antreibt, unter anderem dazu, im entscheidenden Moment die Kommunikation zu verweigern. Wir erleben zum Beispiel eine Amalia, die mit allen Mitteln den Tod sucht, einen Ferdinand, der nicht zuhört, wenn die Intrige gegen ihn aufgedeckt wird, einen Posa, der seine Pläne nicht preisgibt, einen Don Carlos, der etwas ahnt, aber nicht nachfragt – alles Verhaltensweisen, die einen Untergang herbeiführen, aber keine tragische Unausweichlichkeit begründen. Ferner greift Schiller zu archaischen beziehungsweise rituellen Elementen wie Schwur, Fluch, Opfer, Epiphanie und Apotheose. Die Fürstenfamilie von Messina leidet nicht nur an einem interfamiliären Beziehungskonflikt, sondern wird zusätzlich, um die tragische Wucht des Stückes zu garantieren, von einem atavistischen Fluch verfolgt. Maria Stuart, eine Femme fatale, stilisiert Schiller kurz vor ihrer Hinrichtung mit großem Aufwand zu einer Heiligen, damit ihr Tod als moralischer Sieg erscheinen kann. Als letzte Technik sei angeführt, dass häufig Nebenfiguren zu Tode kommen, wenn der Untergang des Helden auf der Bühne vermieden werden soll oder seinem Ende das Tragische mangelt. Daher wird in den Räubern »en suite getötet«,²⁷ daher begeht Max Piccolomini einen Selbstmord, der den Tod Wallensteins flankieren muss, da diesem die Aura des Erhabenen fehlt. All diese Beispiele, die sich noch vermehren ließen, beeinträchtigen nicht das jeweilige Stück als ganzes, zeigen aber, wie problematisch es war, wider besseres Wissen Tragödien zu schreiben.²⁸ * Mit dem Wilhelm Tell verließ Schiller seine gewohnte Bahn zunächst nicht. Dass er das neue Stück als Tragödie bezeichnete, kann vorderhand als sinnvoll erscheinen. Denn nach dem Verständnis der Zeit gehörten historische Stoffe in die Tragödie, weshalb er diese Bezeichnung wahrscheinlich zunächst als naheliegend empfand. In Sulzers Theorie der schönen Künste etwa wird als Untergattung der Tragödie das Politische Trauerspiel genannt, dessen Gegenstand »die Erhaltung oder der Untergang des Staates« sei. Ferner heißt es dort: »Die Protagonisten in 26 27 28
Der Begriff stammt von Helmut Koopmann, Schiller und die dramatische Tradition, in: ders., Schiller-Handbuch, S. 143–161, hier S. 145. Hans Richard Brittnacher, Die Räuber, in: Schiller-Handbuch, hg. von Helmut Koopmann, S. 344–372, hier S. 348. Diese dramaturgischen »Mängel« sind natürlich in der Literatur behandelt, allerdings nicht immer auf die Gattungsproblematik bezogen worden. Neben den einschlägigen Artikeln des von Koopmann herausgegebenen Schiller-Handbuchs sei verwiesen auf: Schiller: Leben – Werk – Zeit. Bd. I und Bd. II, hg. von Peter-André Alt, München 2000; Jutta Linder, Schillers Dramen: Bauprinzip und Wirkungsstrategie, Bonn 1989 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik und Literaturwissenschaft); Gerhard Storz, Der Dichter Friedrich Schiller, Stuttgart 1959.
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einem Drama, welches so große Angelegenheiten umfasset, wie die Nationalinteressen sind, müssen nothwendig starke Seelen seyn, die sich gegen allgemeine Vorurtheile, gegen Uebel, die unter hohem Schuze stehen, mit dem Muthe der heroischen Zeiten bewaffnen.«²⁹ Das passt zu dem Kampf der Schweizer gegen Habsburg und zu dem Helden des geplanten Stücks. Allerdings bereitete gerade dieser Stoff Probleme. In einem Brief an Körner bemängelt Schiller, dass der Freiheitskampf der Schweiz »großentheils eine Staatsaction ist, und (das Mährchen mit dem Hut und Apfel ausgenommen) der Darstellung widerstrebt«.³⁰ In dem gemeinsamen Text der Klassiker Über epische und dramatische Dichtung hatten die Autoren herausgefunden: Die Gegenstände des Epos und der Tragödie sollten rein menschlich, bedeutend und pathetisch sein: die Personen stehen am besten auf einem gewissen Grade der Kultur, wo die Selbsttätigkeit noch auf sich allein angewiesen ist, wo man nicht moralisch, politisch, mechanisch, sondern persönlich wirkt. Die Sagen aus der heroischen Zeit der Griechen waren in diesem Sinne den Dichtern besonders günstig.³¹ Schiller stand vor der Frage, wie man einem historisch fixierten Stoff den Charakter einer Heldensage verleiht, wie man aus einer historischen Epoche eine Epenwelt erschafft – oder mit Schillers Worten, wie man es fertigbringt, dass die Darstellung »aus dem historischen heraus u. ins poetische eingetreten ist […]«.³² Er erledigte diese Aufgabe, indem er die Schweizer Welt dem annäherte, was Sulzer ›heroische Zeiten‹ nannte. Es geht dabei um eine historische Formation, aus der die Stoffe von Epos und Tragödie stammen und die in der Forschung unter den Begriffen »Heldendichtung« und heroic age behandelt werden.³³ Der im Tell vorgeführte Lebensbereich ist ein Amalgam aus Heldenzeit und modernen Verhältnissen.³⁴ Nicht nur Tell 29
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Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Bd. 2, Leipzig 1774, S. 914 f.; Hinweis bei Rosemarie Zeller, Der Tell-Mythos und seine dramatische Gestaltung von Henzi bis Schiller, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 38 (1994), S. 69. NA 10, S. 369 (9. September 1802). Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. V, S. 790. NA 10, S. 369. Vgl. C. M. Bowra, Heldendichtung. Eine vergleichende Phänomenologie der heroischen Poesie aller Völker und Zeiten, Stuttgart 1964; H. Munro Chadwick, The Heroic Age, Cambridge 1912; Klaus von See, Was ist Heldendichtung?, in: ders., Europäische Heldendichtung, Darmstadt 1978 (Wege der Forschung), S. 1–38. Vgl. dazu Dieter Borchmeyer, Tragödie und Öffentlichkeit. Schillers Dramaturgie im Zusammenhang seiner ästhetisch-politischen Theorie und die rhetorische Tradition, München 1973, S. 178–184. Der Autor behandelt den episch-heroischen Charakter der Tell-Handlung,
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ist es gelungen, durch seine »Tat die entgegenstehende Gewalt der Geschichte zu besiegen«.³⁵ Alle Schweizer sind Helden, führen eine ›Staatsaktion‹ durch, wehren ›selbsttätig‹ durch ihr Planen und Handeln einen Angriff auf ihr Gemeinwesen ab, wodurch eine neu gegründete Schweiz entsteht. Damit erfüllt der spezielle Inhalt des Stückes exakt ein allgemeines Merkmal aller Heldendichtung: »Wenn ein ganzes Land unter fremde Herrschaft gerät, steht jedem Mann, der gegen die Eroberer Widerstand leistet oder sie bekämpft, die Möglichkeit offen, ein Held zu werden.«³⁶ Die Selbsttätigkeit ist im heroic age aber nicht Ausdruck vereinzelter Subjektivität; sie ist gebunden an das, was Hegel »die substantielle Gemeinsamkeit des objektiven Lebens und Handelns« nannte.³⁷ Diese drückt sich in der Gesinnung der Schweizer aus, in ihrer Verwurzelung in Tradition und Religion. Die Bewohner der Kantone pochen auf ihre eigene Geschichte, sehen ihr politisches und gesellschaftliches Sein mit einer religiösen Sphäre verbunden,³⁸ berufen sich auf die Ehre, beschwören »Freiheit«, »Volk«, »Vaterland«, »Heimat«, »Stamm« und »Blut«.³⁹ Es sind Werte, die Gruppen betreffen. Auch die persönlichen Beziehungen sind typisch für das heroische Zeitalter. Ist man nicht verwandt, kennt man sich, man hilft sich, man hält zusammen. Was alle eint, ist der
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geht dabei intensiv auf Hegel ein und arbeitet auch die Nähe von dessen Analysen zu Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen heraus. Borchmeyers Nachweis des Heroischen beschränkt sich auf die Figur Wilhelm Tells und bezieht die Forschungen zum heroic age nicht mit ein. Gerhard Kaiser interpretiert die Welt der Schweizer im Wilhelm Tell als Idylle. Ohne Zweifel trägt diese Welt idyllische Züge, aber da es sich um eine gesellschaftlich-politische Großformation handelt, in der kriegerische Aktionen stattfinden, passt der Begriff heroic age besser. Vgl. Gerhard Kaiser, Idylle und Revolution in Wilhelm Tell, in: ders., Von Arkadien nach Elysium. Schiller-Studien, Göttingen 1978, S. 167–205, hier S. 170–173. Gert Ueding, Friedrich Schiller: Wilhelm Tell, Stuttgart 1992, 2000, S. 5. Ueding weist in dieser Darstellung auch auf die archaisch-heroische Dimension der Tellfigur hin. C. M. Bowra, Heldendichtung, S. 122; vgl. H. Munro Chadwick, The Heroic Age, S. 330: »Love of home and zeal in its defence are of course frequently mentioned in both groups of poems.« (Gemeint sind die griechischen und germanischen Heldendichtungen.) Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik III, S. 340. Dies gilt vor allem für die Ermordung des Kaisers, die Rösselmann kommentiert: »Das sind des Himmels furchtbare Gerichte.« (NA 10, V. 2938) Hans Krah interpretiert dieses Ereignis so, dass »die Weltordnung sie [die Schweizer, H. R.] der Notwendigkeit einer weiteren Aktion enthebt und die Schweizer dafür belohnt, bisher im Rahmen der Ordnung agiert […] zu haben und in ihren Schranken geblieben zu sein«. (Ders., »…Der Freiheit ewig Zeichen«. Schillers Wilhelm Tell als klassische Lösung revolutionärer Probleme, in: Recherches germanistiques 32 (2002), S. 1–25, hier S. 20.) Rosmarie Zeller weist auf die religiöse Interpretation der Rettung Tells durch den Fischer und seinen Knaben hin. Vgl. Rosemarie Zeller, Der Tell-Mythos, S. 82 f. NA 10, V. 438, 777, 848, 860, 921, 1160, 1202, 1444–1453, 2376.
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hohe Wert der Familie.⁴⁰ Dieser persönliche Aspekt gilt auch für die negativen Kontakte. Alle Übergriffe der Vögte geschehen nicht als Amtshandlung: Der Wolfenschießen will sich an Baumgartens Frau vergreifen, der Landenberger schikaniert Melchthal, Geßlers Strafe für Tell ist Ausdruck kalter Rachsucht.⁴¹ Die agrarische Grundstruktur der Schweiz erspart es Schiller, vorindustrielle Zustände künstlich herzustellen. Die Schweizer können als Menschen erscheinen, die »noch nicht von dem lebendigen Zusammenhange mit der Natur und der kräftigen und frischen, teils befreundeten, teils kämpfenden Gemeinschaft mit ihr losgelöst erscheinen […]«.⁴² Als ›befreundeten‹ Umgang könnte man die Arbeit der Bauern und Hirten bezeichnen, als ›kämpfenden‹ die der Jäger und Wildheuer. Als verdeutlichenden Kontrast lässt Schiller die unheroische Welt, den ›gegenwärtigen Weltzustand‹ (Hegel) im Stück aufscheinen.⁴³ Dazu gehört die Welt der Städte sowie das in der Nachbarschaft der Kantone drohende Reich der Habsburger, seine »Märkte«, »Gerichte«, seine »Kaufmannsstraßen« und die Zölle.⁴⁴ Doch schränkt Schiller auch die episch-heroischen Züge der Eidgenossenschaft dezent ein, verrückt sie kaum merklich in Richtung der modernen Zeiten. So sind die Bewohner der Kantone keine Adelsgesellschaft, aus der üblicherweise das Personal der Heldendichtung stammt.⁴⁵ Sie sind nicht einmal ein archaisches Volk der Hirten, als das sie sich gerne selbst sehen. Sie bestehen aus Hirten, Jägern, selbstständigen und hörigen Bauern, Handwerkern, Unfreien, Adligen.⁴⁶ Mit Berthas und Rudenz’ Worten am Schluss und Attinghausens Vision in IV, 2 wird sogar die Abschaffung des Adels angedeutet, das heißt dessen freiwilliger Verzicht auf seine Sonderstellung und der Übergang in den nachrevolutionären Bürgerstand.⁴⁷ Auch existieren schon rechtliche und politische Ins40 41
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Hans Krah, Der Freiheit ewig Zeichen, S. 11. Vgl. Gonthier-Louis Fink, Schillers Wilhelm Tell, ein antijakobinisches republikanisches Schauspiel, in: Friedrich Schiller, hg. von Matthias Luserke-Jaqui, Darmstadt 2009, S. 211– 240, hier S. 217 f.; Hans Krah, Der Freiheit ewig Zeichen, S. 12. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik III, S. 341. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke 13. Vorlesungen über die Ästhetik I, Frankfurt a. M. 1973 (Theorie Werkausgabe), S. 253. NA 10, V. 874 ff. Vgl. H. Munro Chadwick, The Heroic Age, S. 364; C. M. Bowra, Heldendichtung, S. 56; Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik I, S. 251. Vgl. Hans Krah, Der Freiheit ewig Zeichen, S. 9 f. Vgl. Maria Carolina Foi, Schillers Wilhelm Tell: Menschenrechte, Menschenwürde und die Würde der Frauen, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 45 (2001), S. 193–223, hier S. 209. Hans Krah betont: Der genaue »soziale Status, ob Rudenz als Adeliger oder als Bürgerlicher zu gelten hat, wird nicht angesprochen und bleibt offen.« (Der Freiheit ewig Zeichen, S. 24) Fink weist ebenfalls darauf hin, dass Rudenzʼ Verzicht nicht bedeute, dass
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titutionen; der Rütlischwur ist nicht nur ein Paradebeispiel für eine friedliche, demokratisch legitimierte Revolution, sondern auch für eine ›Legitimation durch Verfahren‹. Daher wird auch der Rachegedanke bekämpft, der für die Heldenwelt unabdingbar ist.⁴⁸ Kämpfe und Schlachten, Haupttätigkeiten von Heroen, werden zu vermeiden versucht. Schiller gestaltet die Welt im Drama so vorbürgerlich wie möglich, so bürgerlich wie nötig, um ein Geschehen zu gewährleisten, das im Wesentlichen in der heroischen Welt stattfindet, ohne aber wie in der Jungfrau von Orleans zum »Mährchen« werden zu müssen. Nur so kann Schiller, wie Hannelore Schlaffer konstatiert, seiner »Utopie zugleich die Glaubwürdigkeit des Geschehenen und die Idealität des Nicht-Aktuellen« verleihen.⁴⁹ * Ein weiteres Problem für Schiller stellte die Struktur der Handlung dar. Politische und soziale Auseinandersetzungen, die Taten von herausgehobenen Einzelnen in dieser Sphäre – solche Gegenstände finden traditionellerweise im Epos beziehungsweise Roman ihren Platz. Es ist bezeichnend, dass Goethe, der wohl zuerst die Idee hatte, die Tell-Geschichte zu verarbeiten, dabei an die »epische Form« dachte.⁵⁰ So sah es auch Schiller, denn als er das Thema aufgegriffen hatte, schrieb er über seine Hauptquelle Tschudis Schweitzerische Geschichte an Körner (9. September 1802): »[…] dieser Schriftsteller hat einen so treuherzigen herodotischen ja fast homerischen Geist, daß er einen poetisch zu stimmen im Stand ist.« Zugleich führt ihn der epische Charakter der Schweizerischen Geschichte zu der Erkenntnis, dass »nun gleich der Tell einer dramatischen Behandlung nichts weniger als günstig scheint«. Das rühre daher, dass »die Handlung dem Ort und der Zeit nach ganz zerstreut auseinander liegt«.⁵¹ Erzählen heißt Aneinanderreihen von Ereignissen und damit Zeiten und Orten oder mit Goethes und Schillers Worten (Über epische und dramatische Dichtung): »Schlachten, Reisen, jede Art von Unternehmung, die eine gewisse sinnliche Breite fordert […]«. Die Tragödien, so wie die
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»alle Adelsvorrechte in den Kantonen erloschen sind«. Er will damit aber verdeutlichen, dass Schiller einen evolutionären Prozess befürwortet (Gonthier-Louis Fink, Schillers Wilhelm Tell, S. 230). Das Ablegen der Adelsrechte thematisiert schon Kaiser (Gerhard Kaiser, Idylle und Revolution, S. 188 f.). Vgl. H. Munro Chadwick, The Heroic Age, S. 345; C. M. Bowra, Heldendichtung, S. 68; Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik I, S. 242. Hannelore Schlaffer, Dramenform und Klassenstruktur. Eine Analyse der dramatis persona »Volk«, Stuttgart 1972, S. 74. Johann Wolfgang von Goethe, Tag- und Jahreshefte (8. Oktober 1797), zitiert nach: NA 10, S. 367; vgl. auch Goethe an Heinrich Meyer (23. März 1798): »meine beiden epischen Gegenstände sowohl Tell als Achill«, zitiert nach: NA 10, S. 367. NA 10, S. 369.
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beiden sie definierten, spielen zwar in ›heroischen Zeiten‹, zeigen aber »den nach innen geführten Menschen« und »bedürfen daher nur weniges Raums […]«.⁵² Dies ist durch die Konzentration auf den Untergang des Helden möglich, die sich bei dem neuen Stück aber verbietet. Die Darstellung des Schweizer Aufstandes erfordert hingegen einen ständigen Raumwechsel (13 verschiedene Orte). Alle Beteiligten befinden sich in einer permanenten Bewegung um den Vierwaldstätter See. Mit dem Raumwechsel geht auch eine gewisse zeitliche Erstreckung einher, die in ihrer Gesamtheit nicht problemlos auf die Bühne zu bringen ist. An »die wirkliche Ausführung«, schreibt Schiller noch am 5. August 1803 an Iffland, »hat mich der verzweifelte Kampf mit dem Stoff bis jetzt nicht kommen lassen. Bei diesem Stück aber liegt gerade alles in der Anordnung und die Ausführung ist dann die leichtere Arbeit.«⁵³ Schiller hat eine »Anordnung« gefunden, nämlich die sogenannte Heldenreise, die es einem Autor erspart, den gesamten Werdegang des Helden umfassend darstellen zu müssen. Vielmehr kann man sich auf bestimmte Stationen beschränken. Das Schema der Heldenreise hat seinen Ursprung in den Mythen und Sagen der Welt und bestimmt noch heute die Struktur des klassischen Hollywoodfilms.⁵⁴ Es lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: In der ersten Phase befindet sich der Held in einer vertrauten Welt. Er macht sich auf den Weg aufgrund eines initialen Auslösers, meist in Form einer anderen Figur. Vor dem Antritt des Weges gilt es, einige Hindernisse zu überwinden, die einzeln oder in Kombination auftreten können: die Weigerung des Helden, Warnungen durch andere, die Aktionen eines »Türhüters« beziehungsweise »Schwellenwärters«. In der nächsten Phase tritt der Held in die unbekannte Welt ein. Dort hat er einen Gegner, den er in einer Reihe von Abenteuern bekämpfen muss. Dem Helden stehen Berater und Helfer zur Seite. Eines der Abenteuer bedeutet einen Wendepunkt der Reise, denn der Held muss seine Absicht, die Richtung seines Weges ändern. Dies ist verbunden mit einer existenziellen Herausforderung, die ihn verändert und Teil einer inneren Reise ist. Zuletzt besteht der Held die finale Auseinandersetzung mit dem Gegner. Ihr gehen oft Beratschlagungen voraus. Nach dem Kampf kann der Held nun in die vertraute Welt zurückkehren; diese ändert sich mit ihm und durch ihn. Die Ereignisse im Wilhelm Tell bestehen aus nichts anderem als Etappen von Heldenreisen. Das gesamte Volk der Schweizer, dargestellt als Menge oder durch
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Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. V, S. 790. NA 10, S. 370. Vgl. Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt a. M. 1978 (erstmals 1949 als »The Hero with a Thousand Faces«); Michaela Krützen, Dramaturgie des Films. Wie Hollywood erzählt, Frankfurt a. M. 2004.
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einzelne Vertreter, ist auf einer Heldenreise.⁵⁵ Der Weg dieser Reise führt von der idyllischen Welt über die abenteuerliche Welt des Aufstandes zu einer neuen, höheren Form der Ausgangswelt.⁵⁶ Die initialen Auslöser der Reise sind die Verfolgungen, denen die Bewohner ausgesetzt sind und die im ersten Akt schlaglichtartig vorgeführt werden. Das Abenteuer des Volkes beginnt mit den heimlichen Absprachen zu einer Versammlung, die dann auch auf dem Rütli stattfindet. Die dort gefassten Beschlüsse, ihr Inhalt und die Art des Zustandekommens, sind der zentrale Wendepunkt, der die Handlungsrichtung von der Ohnmacht zum Widerstand ändert. Der Showdown ist die Erstürmung der Festungen. Das Volk hat sich ebenfalls geändert; es ist nicht nur frei geworden, sondern hat gelernt, wie man eine ideale Revolution macht. Alle individualisierten Figuren im Wilhelm Tell unternehmen eine solche Heldenreise, am ausführlichsten wird die der Hauptfigur vorgeführt. Wir erleben Tell zunächst in seiner vertrauten Welt, der idyllischen Schweiz mit den archaischen menschlichen Tätigkeiten: jagen, hüten, fischen. Er hat den ursprünglichsten der drei Berufe, ist Jäger, fühlt sich nicht zum Hirten geboren. Tell wird aber sofort mit der unbekannten Welt konfrontiert. Er rettet Baumgarten, einen von den Mächten der anderen Welt Verfolgten. Danach zieht er sich so schnell wie möglich zurück und meidet die unbekannte Welt. Als ihn durch Stauffacher der Ruf erreicht, der initiale Auslöser, in die Welt des Abenteuers zu wechseln, weigert er sich, zeigt regelrechtes Fluchtverhalten. Doch distanziert er sich nicht völlig von der großen Politik, er ist gegebenenfalls zur Tat bereit. Tells kommunikatives Bedürfnis ist durch seine Familie befriedigt. So reagiert er zum Beispiel auf die Bitte des Sohnes und die Vorhaltungen Hedwigs zunächst mit den üblichen Sentenzen, wird dann aber kommunikativer, redet Hedwig mit »Mutter«, »liebes Weib« an, beginnt sein Gefühle zu äußern und gesteht ihr die Begegnung mit Geßler.⁵⁷ Solch freundlichen Umgang zeigt auch das Gespräch mit seinem Sohn Walther auf dem Weg nach Altorf. Genau in dem Moment, wo Tell tief in seine ursprüngliche Welt eingetaucht ist, kommt es zu einem weiteren Zusammentreffen mit der bedrohlichen Welt. Daher reagiert er nicht, als er auf den »Schwellenwärter« in Person Friesshardts stößt. Er nimmt nicht wahr, dass er dabei ist, die andere Welt zu betreten. Selbst als sein Gegner Geßler erscheint, bittet er um Gnade und will dem Kampf ausweichen. Erst als Geßler ihn zum Apfelschuss auffordert, betritt er endgültig die andere Welt. Das neue Abenteuer stellt eine existenzielle Herausforderung und den zentralen Wendepunkt dar. Denn noch vor dem Schuss,
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Als erster der Dramatiker, die den Tell-Stoff gestaltet haben, brachte Schiller »das Volk auf die Bühne« (Rosemarie Zeller, Der Tell-Mythos, S. 72). Vgl. zu diesem Schema: Gerhard Kaiser, Idylle und Revolution, S. 197 f., 200. Vgl. NA 10, V. 1485–1489, 1548–1570.
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als er den zweiten Pfeil einsteckt, weiß er, dass er dem Kampf auf Leben und Tod gegen seinen Feind Geßler nicht ausweichen kann und ihn töten muss.⁵⁸ Er kann sich der großen Welt der Politik nicht mehr entziehen.⁵⁹ Die Bewegungsrichtung seiner Heldenreise ändert sich, was man ihm in der Apfelschussszene nur ansehen kann, im Nachhinein aber in seinem Monolog erfährt. Die dort von ihm geäußerten Argumente, die das Attentat rechtfertigen sollen, sind die Fortsetzung von Gedanken und Gefühlen während der Apfelschussszene. Der viel geschmähte und von Schiller heftig verteidigte Monolog ist die für die Heldenreise typische Beratschlagung. Er besteht aus einer Aneinanderreihung fiktiver Dialoge, eingeleitet, einmal unterbrochen und beendet durch Selbstgespräche.⁶⁰ Tell reflektiert und führt virtuelle Unterredungen. Am Anfang steht ein kurzes Selbstgespräch, in dem Tell lediglich das Terrain sondiert und das Technische plant.⁶¹ Danach klagt Tell Geßler an und bringt drei Punkte vor:⁶² Geßler habe ihn persönlich angegriffen, seine Familie bedroht und sein Land unterdrückt.⁶³ Als Nächstes folgt eine von Magie und atavistischem Denken geprägte Passage, in der Tell seine Waffen beschwört.⁶⁴ Daran schließ sich unmittelbar ein völlig gegensätzlicher rein reflektierender Monologteil an.⁶⁵ Tell wirft einen Blick in eine moderne, arbeitsteilige Welt, in der es keine Heldenreisen, sondern nur noch Dienst- und Geschäftsreisen gibt und in der der Mord keine Tat ist, die aus »teufelischer Lust« geschieht oder eine »heilge Schuld« darstellt,⁶⁶ sondern eine Tätigkeit neben anderen sein kann.⁶⁷ Im Folgenden erklärt Tell seinen Kindern die geplante Tat und stimmt sich abschließend auf das Attentat mental ein, indem 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67
So auch Gonthier-Louis Fink, Schillers Wilhelm Tell, S. 225. Vgl. Gert Ueding, Schiller: Wilhelm Tell, S. 15. Luserke-Jaqui spricht von »wechselnden imaginären Adressaten«, (ders., Schiller-Handbuch, S. 224). NA 10, V. 2560–2565. NA 10, V. 2566–2596. Damit führt Tell eindeutig ein politisches Motiv an, was oft übersehen wird; vgl. etwa PeterAndré Alt, Schiller II, S. 582. NA 10, V. 2597–2608. NA 10, V. 2609–2621. NA 10, V. 2581, 2589. Vgl. Gerhard Kaiser, Idylle und Revolution, S. 194 f.: »Die Verkehrung der Natur im Tell legt sich über die gesamte Monolog- und Tyrannenmordszene als eine fahle Färbung der Fremdheit und Entfremdung der Welt, die an Büchner erinnert«; ähnlich Jan Philipp Reemtsma, Hat Wilhelm Tell eigentlich die Schweiz befreit? Oder: Vom Wesen der Tangentialbewegungen, in: Literatur in Bayern, 71 (2003), S. 24–32, hier S. 29: »Es schließen diese Zeilen unmittelbar an das Portrait der zerrissenen Moderne an, wie es Schiller in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen entwarf«. Gert Ueding sieht den Monolog als Ausdruck einer »ganz dem neuzeitlichen Denken verhaftete[n] Anschauungsweise, die, um ein Individuum für seine Handlungen verantwortlich machen zu können, verlangt, dass
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er seine Schützenkompetenz aktiviert.⁶⁸ Mit Tells Auftritt in der hohlen Gasse beginnt die Rückkehr in die vertraute Welt. Der Monolog zeigt, wie sehr sich Tell gewandelt hat. Archaische Züge bildeten seine Grundkonstitution als einsamer Jäger; seine sozialen Beziehungen bestanden aus der Bindung an die Familie, von Fall zu Fall an seine Landsleute. Auch zeigte Tell Kenntnisse über die außerhalb der Schweizerlande gelegenen Städte, wie man bei seinem Gespräch mit Walther erkennen kann.⁶⁹ Aber in diesem Monolog gewinnt das alles eine andere Dimension, der für die Heldenreise typische Moment der Bewusstseinsänderung ist eingetreten. Tell akzeptiert seine Rolle als Agierender in der öffentlichen Sphäre. Er hat erkannt, dass seine selbst gewählte Identität des naturverbundenen Einzelgängers zerstört ist: Er muss das ›Ungeheure‹ tun, seine moralische Integrität mit Mordgedanken ›vergiften‹.⁷⁰ Er ahnt, dass das Attentat keine Heldentat darstellt, sondern ein Verbrechen. Diese Reflexionen stehen unvermittelt neben den Bindungen zur Familie, neben dem archaischen Waffenkult. Die Persönlichkeit Tells ist zerbrochen, er erlebt den Tiefpunkt seiner inneren Heldenreise, den er mit dem Attentat, zu dem er keine Alternative sieht, überwindet. »Der Mord erscheint so als paradoxe Wiedergewinnung der eigenen Würde […]«.⁷¹ Im weiteren Verlauf des Stückes wird dieser Wandel offenbar. Die Erweiterung des familienbewussten Einzelgängers um die politisch-öffentliche Perspektive zeigt sich in seinem Siegesruf nach dem Attentat. Tell betont sowohl die persönlichen wie die politischen Motive: »Frei sind die Hütten [politisch], sicher ist die Unschuld / Vor dir [persönlich], du wirst dem Lande nicht mehr schaden [politisch].«⁷² Als Hedwig später zögert, Tells Mörderhand zu ergreifen, führt er wieder die Doppelfunktion seiner Tat ins Feld: »Hat euch verteidigt und das Land gerettet«.⁷³ Und gegenüber Parricida versucht Tell beide Motive in dem Begriff »die heilige Natur« zusammenzufassen, die Stauffacher auf dem Rütli die »ewgen Rechte« nannte.⁷⁴ Auch der Verlust seines ursprünglichen, naiven Selbstver-
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es deren Modus und ihre Umstände erkannt und abgewogen habe.« (Schiller: Wilhelm Tell, S. 26). NA 10, V. 2622–2650. Werner Kohlschmidt weist auf diese Passage hin, die das Bild Tells als privatisierender Einzelgänger relativiert: »Nun liegt freilich eine Stelle vor, in der Tell sich als der nicht völlig apolitische erweist.« (Ders., Tells Entscheidung, in: Schiller. Reden im Gedenkjahr 1959, hg. von Bernhard Zeller, Stuttgart 1961, S. 87–101, hier S. 93). Vgl. NA 10, V. 2572–2574. Maria Carolina Foi, Schillers Wilhelm Tell, S. 219; vgl. auch Werner Kohlschmidt, Tells Entscheidung, S. 96: »Was jetzt geschieht, darf den alten Tell nicht aufheben, es muß ihn ergänzen vor allem nach der Tiefe hin.« NA 10, V. 2793 f. NA 10, V. 3143. NA 10, V. 3182, 1279.
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ständnisses kommt erneut zum Ausdruck. Trotz seiner vehementen und dezidierten Vertretung seines Standpunktes, nämlich unschuldig zu sein und sich moralisch fundamental von Parricida zu unterscheiden, ist sich Tell sehr wohl der Fragwürdigkeit seiner Tat bewusst und bezeichnet sich daher als »Mensch der Sünde«.⁷⁵ Er verhüllt sein Gesicht zum Zeichen der Schuld, genau wie es Parricida tut.⁷⁶ Er legt seine bisherige Rolle ab, dadurch sichtbar gemacht, dass er die Armbrust niederlegt, die er als einen Teil von sich empfand. Er wird zum Hirten, genauer zu einem Hofbesitzer, der von sich sagt: »Ich stehe wieder auf dem Meinigen!«⁷⁷ Dazu passt auch seine völlig neue Aufgabe, die er kurz darauf übernimmt, nämlich die eines Beraters und Helfers. Er wird für Parricida zu einem zweiten Stauffacher. Sein Spruch: »Vom Tell soll keiner ungetröstet scheiden« entspricht Stauffachers Aussage: »Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zu äußerst / Am offnen Heerweg stehts, ein wirtlich Dach / Für alle Wandrer, die des Weges fahren […]«.⁷⁸ Die Parallele reicht aber noch weiter. Tell ermöglicht Johann von Schwaben eine Heldenreise, die diesen vom Mörder zum Geläuterten wandeln kann. Dazu erklärt er ihm präzise den Weg nach Rom, der wegen seiner anschaulich geschilderten Gefährlichkeit für Parricida nicht nur zu einer inneren Reise, sondern zu einem echten Abenteuer werden wird. Für diese Lösung nimmt es Tell auf sich, den Mörder vor seiner Frau und den anderen Schweizern zu verbergen: »Ich höre Stimmen. Fort.«– »Eile! sie nahn.«⁷⁹ Insgesamt stellt Schiller seine Hauptfigur am Ende des Stückes als eine neue, aber nicht idealisierte Persönlichkeit dar.⁸⁰ Tell hat sich vom einsamen Helden, der sein Image vor 75 76 77 78 79
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NA 10, V. 3222. Vgl. Peter André Alt, Schiller II, S. 584. NA 10, V. 3135. NA 10, V. 3225, 346–348. NA 10, V. 3271, 3278. Hans Krah (Der Freiheit ewig Zeichen, S. 15) schreibt: »Bei Parricida endet Tells Kompetenz, hier kann er nur auf einen ihm übergeordneten Helfer, den Papst, verweisen.« Damit sieht zwar Krah die neue Helferrolle, schätzt den Wert von Tells Aktion aber zu gering ein. Tell verweist nicht nur auf diese Hilfe, sondern ermöglicht sie nicht ohne persönliches Risiko. Tells Entfaltung sieht Fritz Martini als poetische Umsetzung von Schillers Idealbild, das dieser v. a. in Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen entwickelt hat (ders.: Wilhelm Tell, der ästhetische Staat und der ästhetische Mensch, in: Schiller. Zur Theorie und Praxis der Dramen, hg. von Klaus L. Berghahn und Reinhold Grimm, Darmstadt 1972, S. 368–406). Das Tragische löst sich jedoch in der Parricida-Szene nicht auf, wie Martini behauptet (S. 406). Peter-André Alt weist zu Recht auf die »Bruchlinien« des Schlussbildes hin, überbewertet aber die Tatsache, dass Tell am Ende schweigt (Schiller II, S. 584, 586). Auch die anderen Helden der Revolution (Melchthal, Stauffacher) sagen nichts, außer: »Es lebe Tell, der Schützer und Erretter!« (NA 10, V. 3281) Durch die verbale Zurückhaltung kommt die wichtige Umwälzung, die Rudenz vollzieht bzw. proklamiert, um die neue Schweiz zu errichten, besser zur Geltung. Auch die Musik vom Berge, die Kuhreihen,
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allen Anfeindungen fast neurotisch bewahren will, zu einem Bürger gewandelt, der sich den Anfeindungen stellt. Durch ihn wird der Aufstand der Schweizer wesentlich vorangetrieben. Man hatte auf dem Rütli keine konkrete Lösung für die Ausschaltung des als gefährlichsten Gegner angesehenen Landvogts Geßler gefunden und das Problem offengelassen. Diese leere Stelle füllt Tell durch sein Attentat. Auf diese Weise bewirkt Schiller, dass Tells »Privatsache […] am Schluss mit der öffentlichen Sache zusammengreift […]«.⁸¹ Auch Melchthal und Rudenz vollziehen eine Heldenreise. Melchthal wandelt sich vom Draufgänger und Rächer zum strategisch handelnden Revolutionär, ohne seine Kampfkraft zu verlieren. Rudenz wird von einem karrieresüchtigen Renegaten zum Schweizer Patrioten. Er und Melchthal beteiligen sich am Burgenbrechen und haben so einen wichtigen Anteil am Erfolg des Aufstandes. Durch den verkündeten Verzicht auf die Vorrechte des Adels macht Rudenz deutlich, »dass die Freiheitsidee […] als unteilbares und umfassendes Prinzip nicht nur der staatlichen Beziehungen, sondern auch des sozialen Zusammenlebens zu gelten hat […]«.⁸² Stauffacher geht in der Rolle des Beraters auf, knüpft das Netzwerk der Verschwörung, moderiert und leitet sie. Auch die Frauen fügen sich ins Schema der Heldenreise: Berta ist die Beraterin von Rudenz, Gertrud die ihres Mannes. Hedwig ist so etwas wie eine radikale Warnerin, die das Treiben der Männer generell kritisch betrachtet.⁸³ Armgard ist zu einer heldenmütigen Aktion bereit, an der sie nur ihre Rolle und Konstitution als Frau hindert. Mit Geßler schließlich hat Schiller einen veritablen Gegner geschaffen mit geradezu psychopathischen Zügen. *
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die leitmotivisch den arkadischen Anfang zitieren, markieren ein Happy End. Vgl. zur musikalischen Gestaltung des Wilhelm Tell: Detlef Altenburg, Zur dramaturgischen Funktion der Musik in Friedrich Schillers Wilhelm Tell, in: Resonanzen. Festschrift für Hans Joachim Kreutzer zum 65. Geburtstag, hg. von Sabine Doering u. a., Würzburg 2000, S. 171–189, zum Schluss des Stückes S. 177. NA 10, S. 374 (Brief an Iffland 5. Dezember 1803). Die Funktion Tells besteht nach Reemtsma darin, dass er »der Revolution ersparte, blutig zu werden«, sein Attentat stehe für die »Nachtseite der Modernisierung – Dialektik der Aufklärung.« (Jan Philipp Reemtsma, Hat Wilhelm Tell eigentlich die Schweiz befreit?, S. 29). Ähnlich sieht es Gonthier-Louis Fink, Schillers Wilhelm Tell: »Nur dadurch, daß Tell keinen Teil an der Verschwörung hatte, konnte die Utopie einer unblutigen Revolte aufrechterhalten werden.« (S. 227). Gert Ueding, Schiller: Wilhelm Tell, S. 13; vgl. dazu auch Gerhard Kaiser, Idylle und Revolution, S. 189. Sie vertritt, wie Foi überzeugend argumentiert, »ein Recht, das wohl im weitesten Sinne als ein mütterliches Recht, ein Recht der Frau als Mutter bezeichnet werden kann« (Maria Carolina Foi, Schillers Wilhelm Tell, S. 215).
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Mit der Heldenreise in einer episierten Schweiz hat Schiller ein weiteres archaisierendes Element aufgegriffen, bewegt sich somit noch inmitten des Tragödienterrains – und ist gleichzeitig dabei, es zu verlassen. Denn heroic age und Heldenreise sind ebenso dazu geeignet, ein glückliches Ende zu garantieren. Epen gehen im Sinne der Helden gut aus: Troja fällt, Odysseus erobert sein Königreich zurück, Gilgamesch wird ein weiser Herrscher. Auch die Reise des Helden endet mit dessen Rückkehr und der »Segen, den er bringt, wird der Welt zum Heil«.⁸⁴ Der historische Stoff, den Schiller wählte, war zudem eine Erfolgsgeschichte. Schiller brauchte nur noch den endgültigen Sieg der Schweizer Eidgenossen von 1648 auf den Tod Albrechts I. 1308 vorzuverlegen und ansonsten die historisch ohnehin nicht überlieferten Elemente »Tell«, »Apfelschuss«, »Rütlischwur« und »Burgenbruch« nach Belieben einzubauen.⁸⁵ Der derart zurechtgerückte Ausschnitt aus der Geschichte, kombiniert mit der Heldenreise, erlaubte es Schiller, das Aufbauschema des Schauspiels zu wählen und sein Stück schließlich auch so zu nennen. Wir haben einen eindeutig als positiv gezeichneten Ausgangszustand, ernste, schwerwiegende und nicht mit gutem Willen oder bloßer Wiedererkennung aufzulösende Gegensätze sowie deren klare Überwindung durch die Aktionen der Beteiligten. Dies führt zu einem im Stück als ›glückliches‹ Ende dargestellten Zustand. Daher finden wir auch Rührszenen und Tableaus nach Art Diderots, Kotzebues und Ifflands, mithin deutliche Elemente der sonst verachteten Trivialdramatik. Neben den Passagen mit Tells Familie, der Sterbeszene Attinghausens und der Schlussszene mit der ›Heil bringenden‹ Botschaft von Rudenz und der ausgefeilten musikalischen Gestaltung ist auch die Apfelschussszene zu nennen. Sie »erlaubt […], rührende Tableaus zu gestalten, die die Emotionen der Zuschauer erwecken, und das ist ja bei diesem Stoff, welcher größtenteils eine Staatsaktion ist, um mit Schiller zu sprechen, höchst nötig […]«.⁸⁶ So konnte Schiller die polemisch verfolgten Rührstücke in die neue Gattung integrieren. Andererseits vermieden die prinzipielle Offenheit und Härte der Auseinandersetzung zwischen den Kantonen und den Habsburgern die prästabilierte Harmonie des Rührstücks. Auch haben wir nicht dessen typische private Welt vor uns, in der es »um Geld und Gut« geht, um »Standesunterschiede, unglückliche Liebschaften, innere Schlechtigkeiten in kleineren Kreisen und Verhältnissen und dergleichen mehr,
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Joseph Campbell, Der Held, S. 238. Zum historischen Stoff vgl. Frank Suppanz, Friedrich Schiller. Wilhelm Tell, Stuttgart 2005 (Erläuterungen und Dokumente), S. 58–64. Rosemarie Zeller, Der Tell-Mythos, S. 77.
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überhaupt um das, was wir auch sonst schon täglich vor Augen haben«.⁸⁷ Schiller hat das Heroische der geschichtlichen Welt aus der Tragödie in das Schauspiel hinübergerettet. In einem Szenenplan für Iffland erklärt Schiller beiläufig, was außerdem von der Tragödie übernommen wurde: »Das poetisch große liegt überal nicht in der Maße, sondern in dem Gehalt der Situationen und in der tragischen Dignität der Charactere.«⁸⁸ Die Schwere seines Kampfes, der innere Wandel, den er vollziehen muss, verleihen dem ›Character‹ des Helden auch ohne ein tragisches Ende ›tragische Dignität‹. An die Stelle der Tragödie, die in moderner Zeit immer schwieriger zu gestalten ist, tritt das Schauspiel mit seinem tragisch wirkenden, aber nicht tragisch endenden Verlauf. Der tragische Untergang wird durch tragische »Situationen« ersetzt. Am Beispiel der Apfelschussszene stellt Rosemarie Zeller fest: »Der Apfelschuss wird also von einem lebensbedrohenden zu einem lebensrettenden Mittel.«⁸⁹ Schon Lessing hatte mit Bezug auf das Trauerspiel darauf hingewiesen: »Der wahre Dichter verteilt das Mitleiden durch sein ganzes Trauerspiel; er bringt überall Stellen an, wo er die Vollkommenheiten und Unglücksfälle seines Helden in einer rührenden Verbindung zeigt, das ist, Tränen erweckt.«⁹⁰ Die ›Verteilung des Tragischen‹ mag für die Tragödie ein sekundäres Bauprinzip sein, das die Wirkung erhöht. Für das Schauspiel ist es die essenzielle Struktur, da das tragische Ende, der Untergang des Helden, fehlen muss. Seine Heldenreise, die aus einer Reihe von Abenteuern besteht, die alle den Tod des Helden als Möglichkeit enthalten, bietet nicht nur Gelegenheiten zur emotionalen Steigerung. Die Erhabenheit, die der Held in der Tragödie durch seinen Untergang ausstrahlt, verteilt sich im Schauspiel auf die kleinen Tode der Abenteuer.⁹¹ Auch bleibt trotz des Wechsels zum Schauspiel der Ideengehalt der schillerschen Tragödien unberührt. Er wird sogar auf eine Art und Weise ausgedrückt, die eine Alternative zu seinen bisherigen Dramen darstellt. Gert Ueding weist darauf hin: Nur in Schillers letztem Drama werde der »tragische Antagonismus
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Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Ästhetik III, S. 568; in ähnlichen Formulierungen Schillers Xenien (Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. I, S. 301 f. [Nr. 402, 404, 406, 408]). NA 10, S. 458. Iffland hat behauptet, dass man durch die Parricidahandlung »aus dem Großen gleichsam ins Detail geführt« werde. Rosemarie Zeller, Der Tell-Mythos, S. 77. Gotthold Ephraim Lessing, Werke, Bd. 4, S. 186 (Briefwechsel über das Trauerspiel). Ähnlich auch Schiller in seiner Abhandlung Über die tragische Kunst (Friedrich Schiller, Sämtliche Werke, Bd. V, S. 387). Borchmeyer hat diese beiden Varianten, die eigentlich das Schauspiel und die Tragödie darstellen, als »zwei Begriffe der Tragödie« interpretiert. Die eine sei »ausschließlich durch ihre Wirkung definiert«, die andere »inhaltlich als Darstellung einer zum Untergang des Helden führenden Handlung« (Dieter Borchmeyer, Tragödie und Öffentlichkeit, S. 235).
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[…] zu jener festlichen Versöhnung« geführt, »die die Schluss-Szene von Wilhelm Tell präsentiert«. Damit habe Schiller es geschafft, dass »der utopische Gedanke seiner Geschichtsphilosophie und Ästhetik zum theatralischen Ereignis wird und nicht bloß als regulative Idee über den tragischen Ausgang triumphiert […]«.⁹² Der Wilhelm Tell gehört somit zu den großen Werken des Genres des hohen Schauspiels und steht in einer Reihe mit Goethes Iphigenie auf Tauris und Lessings Nathan der Weise. In allen drei wird die Utopie Ereignis. Schiller hat im Wilhelm Tell von der Tragödie bewahrt, was ohne den Untergang des Helden von ihr übrig bleibt: den Helden selbst, die große Welt, die Auseinandersetzung mit dem Tod, das Pathos, den Anspruch einer hohen Idee. Losgeworden ist er das Problem, den Tod des Helden quasitranszendent zu motivieren. Der Wilhelm Tell rückt damit in den Mittelpunkt, was in der Praxis und Theorie der Tragödie von Anfang an ein Nebenaspekt war. Schon viele Stücke der griechischen Tragiker enden nicht mit dem Untergang des Helden, sondern bieten einen glücklichen Ausgang. Aristoteles spricht in seiner Poetik von der zweitbesten Tragödie, die beim Publikum oft die beliebteste sei wegen des Schlusses: »[…] niemand tötet oder wird getötet.«⁹³ Im siebzehnten Jahrhundert gab es in Frankreich eine Diskussion darüber, ob eine Tragödie immer traurig enden müsse, ebenso in Deutschland im achtzehnten Jahrhundert.⁹⁴ Sulzer meinte etwa, dass die Tragödie »größtentheils« einen traurigen Ausgang habe – »Allein zur Regel kann dieses nicht gemacht werden […]«.⁹⁵ Lessing schrieb in seinem Briefwechsel über das Trauerspiel über den Ausgang einer Tragödie: […] das stelle ich in des Dichters Gutbefinden, ob er lieber die Tugend durch einen glücklichen Ausgang krönen, oder durch einen unglücklichen uns noch interessanter machen will. Ich verlange nur, daß die Personen, die mich am meisten für sich einnehmen, während der Dauer des Stücks, die unglücklichsten sein sollen. Zu dieser Dauer aber gehöret nicht der Ausgang.⁹⁶ Damit hat er im Grunde das Schema des Wilhelm Tell skizziert. Am weitesten ging Goethe, der den Unterschied zwischen Schauspiel und Tragödie argumentativ einebnete. In seinem Aufsatz Nachlese zu Aristoteles’ Poetik bemerkt er, 92 93 94 95
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Gert Ueding, Schiller: Wilhelm Tell, S. 6. Aristoteles, Poetik. Griechisch/Deutsch, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1982, S. 40 f. (1453a). Vgl. Dieter Borchmeyer, Tragödie und Öffentlichkeit, S. 235. Johann Georg Sulzers Theorie der Dichtkunst. Zum Gebrauch der Studirenden, bearb. von Albrecht Kirchmayer, öffentlichem Lehrer der Beredsamkeit auf dem Kurfürstl. Schulhause zu München. Zweyter Theil. München 1789, S. 25, vgl. auch S. 242 f. Gotthold Ephraim Lessing, Werke, Bd. 4, S. 163.
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dass auch die Tragödien durch ihre Katharsis eine »aussöhnende Abrundung« besäßen, »welche eigentlich von allem Drama, ja sogar von allen poetischen Werken gefordert« werde. In der Tragödie geschehe dieser Ausgleich durch »eine Art Menschenopfer« oder aber durch »ein Surrogat«. Eine »Söhnung, eine Lösung« aber sei unbedingt notwendig. Dadurch nähere sich die Tragödie der »Mittelgattung«.⁹⁷ In dem Moment, als die Obsoletheit der ›ersten‹, ›besten‹ Tragödie immer schwerer zu verbergen ist, tritt die ›zweitbeste‹ an ihre Stelle. Allerdings muss Schiller mit dem Wilhelm Tell seine anspruchsvolle Wirkungsästhetik aufgeben, die er im Zuge seiner Tragödientheorie entwickelt hat. Dies zeigt der häufig zitierte Brief an Wilhelm von Humboldt (2. April 1805): Noch hoffe ich in meinem poetischen Streben keinen Rückschritt gethan zu haben, einen Seitenschritt vielleicht, indem es mir begegnet seyn kann, den materiellen Foderungen der Welt und der Zeit etwas eingeräumt zu haben. Die Werke des dramatischen Dichters werden schneller als alle andre von dem Zeitstrom ergriffen, er kommt, selbst wider Willen, mit der großen Masse in eine vielseitige Berührung, bei der man nicht immer rein bleibt. Anfangs gefällt es, den Herrscher zu machen über die Gemüther, aber welchem Herrscher begegnet es nicht, daß er auch wieder der Diener seiner Diener wird, um seine Herrschaft zu behaupten; und so kann es leicht geschehen seyn, daß ich, indem ich die deutschen Bühnen mit dem Geräusch meiner Stücke erfüllte, auch von den deutschen Bühnen etwas angenommen habe.⁹⁸ Es war Schiller bewusst, mit dem Wilhelm Tell das Tragödienprojekt verlassen zu haben. Was er als höheres ›reines, poetisches Streben‹ empfand, hat er dem »Zeitstrom« – wir würden sagen: dem Zeitgeist – geopfert, dem Unterhaltungsbedürfnis »der großen Masse«. Denn das »Schauspiel« war ihm noch immer suspekt, zu nah am ›geräuschvollen‹, spektakulären, emotionalen Rührstück, obwohl er dessen banale Stoffe durch historisch bedeutsame, dessen scheinbare Konflikte durch komplexe und ernsthafte ersetzt hat und obwohl der Tell intellektuellen Ansprüchen zu genügen vermag. (Das Stück enthält immerhin eine Rechtfertigungstheorie des gewaltsamen Widerstands und den Entwurf einer idealen Revolution.) Es ging Schiller beim Wilhelm Tell aber darum, das Publikum emotional zu überwältigen, den ›Herrscher zu machen‹, nicht die sittliche Selbstständigkeit zu wecken. »Unter den historischen Dramen war es zweifellos der Tell, mit dem der Bühnenautor am gezieltesten auf einen Publikumserfolg hinarbeitete«,⁹⁹ 97 98 99
Johann Wolfgang von Goethe, Werke, Bd. 12, S. 343. NA 10, S. 385 f. Jutta Linder, Schillers Dramen, S. 53.
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schreibt Jutta Linder und resümiert damit eine Reihe schillerscher Äußerungen. Schon während der Arbeit teilte er am 12. Juli 1803 Iffland mit, dass das neue Stück »als ein Volksstück Herz und Sinne interessiren« werde.¹⁰⁰ In einem Brief an seinen Schwager Wilhelm von Wolzogen heißt es im Oktober desselben Jahres: »[…] auch bin ich leidlich fleißig und arbeite an dem Wilhelm Tell, womit ich den Leuten den Kopf wieder warm zu machen denke.«¹⁰¹ Nicht nur viele Äußerungen Schillers machen es wahrscheinlich, dass die Emotionalisierung der Zuschauer sein Hauptanliegen bei allen Dramen war.¹⁰² Auch das Fehlen bestimmter Aussagen spricht dafür. Denn in dem Moment, wo Schiller anfängt, seine Stücke zu konzipieren, ihren Stoff zu recherchieren, sie zu schreiben oder zu inszenieren, gilt das, was Jutta Linder feststellt: »Umsonst begibt man sich […] auf die Suche nach dem Philosophen Schiller. Dieser tritt trotz des […] hohen Reflexionsniveaus der jeweils geführten Argumentation mit keinerlei Diskussionen über philosophische Kategorien in Erscheinung.«¹⁰³ Im Vordergrund stehen dann nicht mehr die Wirkungsästhetik, sondern die »Wirkungsstrategie«,¹⁰⁴ »die Mittel der Affekterregung«,¹⁰⁵ die Popularität des Stoffes, seine optimale Organisation, die Realisierung auf der Bühne. In Wilhelm Tell lässt Schiller sein ureigenstes Anliegen die Struktur des Dramas bestimmen. Während die Entwicklung des Schauspiels der hohen Literatur in die Richtung geht, die Schillers Wallenstein und Goethes Torquato Tasso andeutet, nämlich zum Schauspiel mit unglücklichem oder offenem Ende, begründet der Wilhelm Tell eine andere Tradition. Mit der Kombination von heroic age und postheroischer Neuzeit, von tragischen Kämpfen und Happy End, von Heldenreise und rührenden Tableaus enthält das Stück Elemente, die die Unterhaltungskunst seit dem zwanzigsten Jahrhundert präfigurieren, am klarsten verkörpert im klassischen Hollywoodfilm.¹⁰⁶
100 NA 10, S. 370. 101 NA 10, S. 372 (27 Oktober 1803). 102 Vgl. Florian Prader, Schiller und Sophokles, Zürich 1954 (Züricher Beiträge zur deutschen Literatur und Geistesgeschichte), S. 13–15. 103 Jutta Linder, Schillers Dramen, S. 49. 104 Ebd., S. 24. 105 Ebd., S. 143. 106 Dies kann hier nur behauptet werden. Als Andeutung eines Arguments muss der Nachweis der Heldenreise, das Erzählmuster des Hollywoodfilms, als Struktur des Stücks genügen. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die Verbindung des Wilhelm Tell zum Film nicht unentdeckt geblieben ist. Auf die Parallelen des Wilhelm Tell z. B. zum Western weisen hin: Barbara Piatti, Tells Theater. Eine Kulturgeschichte in fünf Akten zu Friedrich Schillers Wilhelm Tell, Basel 2004, S. 124 f. und Jan Philipp Reemtsma, Hat Wilhelm Tell eigentlich die Schweiz befreit?, S. 29–32.
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das »blätterwerk« der kunst Auf den Spuren eines morphologischen Narrativs in Goethes Novelle
Goethes Novelle als Schauplatz einer morphologischen Verhandlung von Natur und Kultur Am 18. Januar 1827 äußert sich Goethe gegenüber Eckermann zur Arbeit an seiner Novelle: Um für den Gang dieser Novelle ein Gleichnis zu haben […], so denken Sie sich aus der Wurzel hervorschießend ein grünes Gewächs, das eine Weile aus einem starken Stengel kräftige grüne Blätter nach den Seiten austreibt und zuletzt mit einer Blume endet. – Die Blume war unerwartet, überraschend, aber sie mußte kommen; ja, das grüne Blätterwerk war nur für sie da und wäre ohne sie nicht der Mühe wert gewesen.¹ Nun soll es hier nicht darum gehen, den Entstehungskontext von Goethes Text zu rekonstruieren oder dessen Genese werkbiografisch nachzuvollziehen. Vielmehr schärft die obige Äußerung Goethes den Blick gleichermaßen für kulturtheoretische wie narratologische Fragestellungen, von denen eine Lektüre der Novelle angeregt werden kann und in deren Spektrum sich auch diese Untersuchung situiert. Denn die botanische Metaphorik (»Blume«, »Blätterwerk«) ist hier mehr denn bloßer Redeschmuck: Sie parallelisiert die Prozesse literarischer und natürlicher Gestaltwerdung und setzt die Größen ›Natur‹ und ›Kultur‹ in ein Verhältnis von Austausch und Transformation. Gleiches findet sich in Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, die, durch Verfahren der Ästhetisierung und Narrativierung, beständig der Literatur zustreben.² Diese Interdependenz von natürlicher Ästhetik und Ästhetik der Natur kennzeichnet vor allem einen Bereich 1 2
Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Weimar 1982, S. 184 (Gespräch vom 18. Januar 1827). Vgl. Martina Eicheldinger, Die neuere Forschung zu Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, in: Johann Wolfgang von Goethe. Romane und theoretische Schriften. Neue Wege
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der goetheschen Naturwissenschaft: die Morphologie. Ausgeführt in den Heften zur Morphologie in den Jahren 1817 bis 1824 lautet ihr Credo: »Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre.«³ Dieses dekliniert sie an den Untersuchungsgegenständen von Naturgeschichte, Anatomie und Zootomie⁴ durch. Sie zielt auf eine Typologie sämtlicher Lebewesen, die aus deren Verhältnis zu einem »anatomischen Typus«⁵ generiert wird. Die Morphologie scheint also ganz Naturwissenschaft – doch ihre Schlüsselbegriffe sind mehrdimensional: Hier ist die Rede von »Lebenskraft«,⁶ von den »geistige[n] Kräfte[n]«⁷ der Pflanze, von »Erscheinung« und »Idee«.⁸ Die morphologischen Prozesse von Gestaltung und Veränderung oder der Dualismus von Stoff und Form können reibungslos vom Naturwissenschaftlichen ins Ästhetische überführt werden. Namentlich Goethes Novelle steht nun paradigmatisch für eben diese Verhandlung von Natur und Kultur im Medium der Literatur: »Die ganze Novelle durchzieht dieser Gegensatz von Natur und Kultur oder Zivilisation.«⁹ Daran anschließend soll hier nun die These verfolgt werden, dass der vielschichtige und in der Novelle omnipräsente Dualismus von Natur und Kultur über eine narratologisch und kulturtheoretisch gewendete Morphologie konstituiert wird: Morphologische Strukturationen, Mechanismen und Regulative implementieren eine Dynamik von Natur und Kultur in den Text. Zentrale Aspekte der Novelle – die Selbstverortung des Menschen als natürlicher beziehungsweise kultureller Akteur, das Tier als Doppelwesen zwischen Wildnis und Domestikation oder sich ablösende Wahrnehmungspraktiken – sie alle sind morphologisch organisiert. Ziel ist es daher, die Prämissen der Morphologie als Strukturelemente der Narration in der Novelle aufzudecken und daraus das Kräfteverhältnis der Antagonis-
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der Forschung, hg. von Bernd Hamacher und Rüdiger Nutt-Kofoth, Darmstadt 2007, S. 190– 216, hier S. 204 ff. Johann Wolfgang von Goethe, Werke in sechs Bänden, hg. von Friedmar Apel u. a., Bd. 6: Versepen. Schriften. Maximen und Reflexionen, hg. von Friedmar Apel u. a., Frankfurt a. M. 2007, S. 419–444 [Auswahl aus den Schriften zur Morphologie], hier S. 433 (im Folgenden zitiert: GW 6). Vgl. ebd. Ebd., S. 424. Ebd., S. 419. Ebd., S. 420. Ebd., S. 423. Erika Klüsener, Novelle (1828), in: Interpretationen. Goethes Erzählwerk, hg. von Paul Michael Lützeler und James E. McLeod, Stuttgart 1985, S. 429–448, hier S. 432. Vgl. auch Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte. Erzählte Räume in Goethes Novelle, in: Goethe und die Musik, hg. von Walter Hettche und Rolf Selbmann, Würzburg 2012, S. 125–144, der den »Kampf um die Grenze von Natur und Kultur« als zentrales Motiv der Novelle ausmacht (S. 144).
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ten Natur und Kultur in diesem Text abzuleiten. Dies geschieht in drei Schritten: Eine Vorbetrachtung soll, in Rekurs auf Goethes Ästhetik, zunächst nachweisen, warum die naturwissenschaftliche Morphologie überhaupt als universelles natürliches wie anthropologisches und ästhetisches Strukturmodell gelten kann. In einem zweiten Schritt wird die Morphologie zudem als narratives Strukturmodell ausgewiesen und aufgezeigt, dass sich gerade die Novelle mit ihrer topologischen Organisation und dem Leitmotiv des ›Sehens‹ für eine Analyse unter morphologischen Vorzeichen anbietet. Darauf aufbauend kann die Genese der Morphologie und damit das Verhältnis von Natur und Kultur in der Novelle durch eine narratologische Analyse nachvollzogen werden.
Vorbetrachtung: Morphologie als »Universalästhetik« Das eingangs angeführte Zitat vollzieht bereits in seiner Metaphorik eine Analogisierung von botanischer und literarischer Gestaltung. Ähnliche Formulierungen finden sich bei Goethe allerorts. So stellt etwa Paralipomenon 78 zu Dichtung und Wahrheit explizit den Bezug der Lebensgeschichte zur Metamorphose der Pflanzen heraus: Ehe ich diese nunmehr vorliegenden drei Bände zu schreiben anfing, dachte ich sie nach jenen Gesetzen zu bilden, wovon uns die Metamorphose der Pflanzen belehrt. In dem ersten sollte das Kind nach allen Seiten zarte Wurzeln treiben und nur wenig Keimblätter entwickeln. In zweiten der Knabe mit lebhafterem Grün stufenweis mannigfaltiger gebildete Zweige treiben, und dieser belebte Stengel sollte nun im dritten Bande ähren- und rispenweis zur Blüte hineilen und den hoffnungsvollen Jüngling darstellen.¹⁰ Goethes »stufenweise« (auch das ein morphologischer Terminus) Lebensgeschichte wird hier in ein universales, anthropologisches wie natürliches Modell von Entwicklung und Entfaltung überführt. Die Gesetzmäßigkeiten der Morphologie beziehungsweise der Metamorphose scheinen also nicht auf einen botanischen oder anatomischen Untersuchungsgegenstand beschränkt. Vielmehr stellt die Natur nur einen von vielen Bereichen dar, der durch morphologisch organisierte Abläufe strukturiert ist. Olaf Breidbach hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Morphologie ein »ästhetischer Begriff« ist, der »zwar in der Naturforschung expliziert wird, aber nicht aus der Naturforschung 10
Johann Wolfgang Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, hg. von Klaus-Detlef Müller, Frankfurt a. M. 2007, S. 971.
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gewonnen ist«.¹¹ Diskursbegründer dieser nur vordergründig naturwissenschaftlichen Disziplin ist demnach auch ein genuin literarischer Autor: Ovid.¹² Vor dem Hintergrund einer erweiterten Morphologie ist botanische Metaphorik also mehr denn rhetorische Stilblüte. Sie ist Ausdruck weitreichender Strukturanalogien von Kunst und Natur sowie einer »Identität von Kunst- und Naturgesetzen«.¹³ Natur- und Kunstbetrachtung schneiden sich im Begriff der Form, deren »Theorie und Praxis […] Goethe den Namen Morphologie gegeben« hat.¹⁴ Damit besitzt das Morphologische, wie Rüdiger Görner in seinen Studien herausstellt, »strukturelle Bedeutung« auch und gerade für das literarische Werk Goethes¹⁵ und Dorothea Kuhn resümiert: »Schließlich eröffnen die morphologischen Vorstellungen neue Dimensionen in Goethes Dichtung.«¹⁶ Nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch Kunstwerke können also zum Objekt morphologischer Untersuchung werden. Die Forschung hat dies früh erkannt und vielerlei morphologische Elemente in Goethes literarischen Werken identifiziert.¹⁷ 11 12
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Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, München 2006, S. 270. Vgl. ebd. und Eva Geulen, Metamorphosen der Metamorphose. Goethe, Cassirer, Blumenberg, in: Intermedien. Zur kulturellen und artistischen Übertragung, hg. von Alexandra Kleihues, Barbara Naumann und Edgar Pankow, Zürich 2010, S. 203–217, hier S. 205. Martina Eicheldinger, Goethes naturwissenschaftliche Schriften, S. 197. Eva Geulen, Funktionen von Reihenbildungen in Goethes Morphologie, in: Experimentalanordnungen der Bildung. Exteriorität – Theatralität – Literarizität, hg. von Bettine Menke und Thomas Glaser, Paderborn 2014, S. 209–222, hier S. 222. Rüdiger Görner, Goethes geistige Morphologie. Studien und Versuche, Heidelberg 2012, S. 9; ders., Form und Verwandlung. Ansätze zu einer literaturästhetischen Morphologie, Heidelberg 2010. Dorothea Kuhn, Grundzüge der Goetheschen Morphologie, in: dies., Typus und Metamorphose. Goethe-Studien, hg. von Renate Grumach, Marbach a. N. 1988, S. 133–145, hier S. 145. Dies führte gar zur Etablierung einer ›morphologischen Literaturwissenschaft‹, vgl. Karl Richter, Beziehungen von Dichtung und Morphologie in Goethes literarischem Werk, in: In der Mitte zwischen Natur und Subjekt. Johann Wolfgang von Goethes Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. 1790–1990. Sachverhalte, Gedanken, Wirkungen, hg. von Willi Ziegler, Frankfurt a. M. 1992, S. 149–164, der die Morphologie ebenfalls als einen fruchtbaren Zugang zu Goethes Ästhetik erkennt, ihr aber den Rang eines »umfassende[n] Schlüssel[s] der Deutung« abspricht (S. 155). Ferner haben etwa Michael Jaeger und Olaf Breidbach morphologische Strukturen in beiden Teilen des Faust nachgewiesen; vgl. hierzu Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 268–288; Michael Jaeger, Kontemplation und Kolonisation der Natur. Klassische Überlieferung und moderne Negation von Goethes Metamorphosedenken, in: Goethe Jahrbuch, 124 (2007), S. 60–73. Barbara Thums hat eine »diskursive Vernetzung von Metamorphosenlehre, Diätetik und Toilettenkunst« als inhaltliches und narratives Modell in Der Mann von funfzig Jahren ausgemacht (Barbara Thums, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und Selbstbegründung von Brockes bis Nietzsche, München 2008, S. 120). Jüngst hat Gabriel Trop das Paradigma einer »morphological poetry« für
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Der Morphologie kann und muss somit der Rang eines breitgefächerten Deutungsmusters eingeräumt werden. Als kulturell-natürliche Universalkategorie artikuliert sie einen Gleichklang von Natur und Kultur. Ihren diskursiven Ort findet diese Strukturanalogie in der klassischen Ästhetik. Um den Status der Morphologie als ästhetisch-naturwissenschaftliche Doppelkategorie weiter zu profilieren, lohnt daher der Blick in eine ästhetische Schrift Goethes. In Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil¹⁸ wird deutlich, warum gerade die Morphologie im Rahmen der Autonomieästhetik eine Konjunktur erlebt. Die hier schon im Titel dargestellte Klassifikation künstlerischer Tätigkeit konstituiert sich über das Verhältnis des Künstlers zur Natur – auch hier also die Verhandlung von Natur und Ästhetik. Der »Stil«, den Goethe als den »höchste[n] Grad« der Kunst anpreist, »ruht […] auf den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge, insofern es uns erlaubt ist, es in sichtbaren und greiflichen Gestalten zu erkennen«.¹⁹ Der ›Stil‹ ist ein Mittler zwischen Anschauung und Idee – und operiert somit morphologisch. Denn auch in der Morphologie gilt: »Die Erfahrung muss uns vorerst die Teile lehren, die allen Tieren gemein sind, und worin diese Teile verschieden sind. Die Idee muß über dem Ganzen walten und auf eine genetische Weise das allgemeine Bild abziehen.«²⁰ Auch die Morphologie »basierte auf Vermittlungen von Erscheinung und Idee, trug dazu bei, sie zu einem selbstverständlichen Element im Kunstprogramm der Weimarer Klassik zu machen«.²¹ Die Morphologie bietet ein Instrumentarium, hinter den mannigfaltigen Erscheinungen der Natur Regularien und Grundprinzipien – in der Terminologie der Klassik: Ideen – zu erkennen. Im »anatomischen Typus« manifestiert sich der idealistische Gestus der Morphologie, er ist, in Goethes Worten, »allgemeine[s] Bilde, worin die Gestalten sämtlicher Tiere, der Möglichkeit nach, enthalten wären«.²² In Goethes Elegie Die Metamorphose der Pflanzen heißt es entsprechend: »Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel, / Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt. / Jede Pflanze verkündet dir nun
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eine Analyse von Goethes Lyrik fruchtbar gemacht und aufgezeigt, wie gerade im fiktionalen Rahmen der Literatur zentrale Prämissen der Morphologie eingelöst werden können – ein Sachverhalt, der auch für die Untersuchung von Goethes Novelle von Bedeutung sein wird (Gabriel Trop, Poetry and Morphology. Goethes Parabase and the Intensification of the Morphological Gaze, in: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur, 105, Nr. 3 (2013), S. 389–406, hier S. 391). GW 6, S. 197–201. Ebd., S. 199. Ebd., S. 425. Karl Richter, Dichtung und Morphologie, S. 151. GW 6, S. 424.
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die ew’gen Gesetze«.²³ Kunst und Morphologie verbindet also das Bestreben, auf eine ideelle Ebene hinter der bloßen Erscheinung durchzustoßen. Damit befindet sich die Morphologie im Fahrwasser einer klassischen Ästhetik, die auf die künstlerische Konfiguration einer »zweyte[n] Natur«²⁴ zustrebt. In dieser werden die Gesetze der Natur gleichermaßen reproduziert und im Modus ästhetischer Kohärenz transzendiert. Somit wird eine »stilvolle Komposition des Bedeutenden erschaff[en], um eine gleichsam geläuterte Natur zu gestalten, in der die Gesetze der natürlichen Schöpfung mit anderen Mitteln fortgesetzt werden und das Geheimnis jener ersten Wirklichkeit offenbar wird«.²⁵ Diese Gesetze, ganz gleich ob in ›erster‹ oder ›zweiter‹ Natur, sind für Goethe die der Morphologie: organische Genese, haushälterischer Ausgleich, Entwicklung durch Umgestaltung. Von der Seite der klassischen Ästhetik aus gesehen, scheint die Morphologie also eine durch und durch ästhetische Kategorie, die das Bestreben der Kunst nach sinnstiftender Evolution in das Feld der Naturwissenschaft spiegelt. Olaf Breidbach kann daher völlig zu Recht die Morphologie als »universelle Ästhetik« oder »Architektur der Ästhetik«²⁶ bezeichnen.
Morphologie und Narration: Goethes Novelle Die Morphologie kann also als sinnstiftendes Element der klassischen Ästhetik gelten, das sowohl in Kunst wie Natur Kontingenz in bedeutsame Prozesse von Gestaltung und Umformung transformiert. Hier lässt sich nun der Bogen zur Narratologie spannen. Denn auch und gerade im fiktionalen Modus eines (Erzähl-) Textes müssen Einzelereignisse zu einer sinnhaften Narration verknüpft werden. Die Narratologie kennt hierfür den Begriff der Motivierung. Im Folgenden soll es also darum gehen, die Formen einer ›morphologischen Motivierung‹ des Geschehens in Goethes Novelle aufzuzeigen. Denn die ästhetische Komposition in diesem Text kann nicht (wie im Fall einer durchgängig kausalen Motivierung) auf Ursache-Wirkung-Ketten reduziert werden. Diese werden den komplexen Verfahren der Sinnstiftung in der Novelle nicht gerecht. Es sind vielmehr die morpholo23
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Johann Wolfgang von Goethe, Werke in sechs Bänden, hg. von Friedmar Apel u. a., Bd. 1: Gedichte. West-östlicher Divan, hg. von Hendrik Birus und Karl Eibl, Frankfurt a. M. 2007, S. 230 (im Folgenden zitiert: GW 1). Vgl. Sebastian Treyz, »Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst«. Überlegungen zum Verhältnis von Natur und Kunst in Goethes Ästhetik, in: Goethe Jahrbuch 126, (2009), S. 366–373, hier S. 370. Ebd., S. 372. Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 302.
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gischen Gesetze von »Stetigkeit«, »Kompensation« und »Steigerung«,²⁷ die hier die Narration steuern. Diese Affinität zur Morphologie zeigt schon ein erster, gattungspoetisch-makroskopischer Blick auf die Novelle. Die Novelle wurde vielfach als »metapoetische[r] Text« gelesen, der die Bedingungen der Novellenform reflektiert und »erprobt, […] was in der von ihm aufgestellten Definition als das ›Unerhörte‹ der Novelle zu begreifen ist«.²⁸ Tatsächlich spricht der Erzähler in der Novelle explizit vom »unerhörten Ereignis«,²⁹ welches bis heute in jeder Novellendefinition zu finden ist.³⁰ ›Unerhörte‹ Ereignisse gibt es in der Novelle mehr als genug: das Feuer in der Stadt, die Tötung des Tigers, das latent erotische Intermezzo zwischen Honorio und der Fürstin, die Zähmung des Löwen durch den Knaben. Wie diese außerordentliche ›Ereignishaftigkeit‹ der Novelle narrativ-morphologisch angelegt ist, kann im Rückgriff auf die strukturalistische Raumtheorie gezeigt werden. Jurij Lotman macht den Grad der »Sujethaftigkeit«, also den Ereignischarakter eines Textes, von dem Vorkommen topologischer Grenzüberschreitungen abhängig: »Die klassifikatorische Grenze zwischen […] einander gegenübergestellten Welten erhält die Merkmale einer räumlichen Linie […]. Der sujetlose Text bestätigt die Unerschütterlichkeit dieser Grenzen. Der sujethaltige Text wird auf der Grundlage des sujetlosen als dessen Negation aufgebaut.«³¹ Kurz: Jedes Ereignis verfügt über eine topologische Dimension. Für die Novelle, die per definitionem die Gattung des Ereignisses darstellt, gilt dies in erhöhtem Maße. Es 27
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Margrit Wyder, Von der Stufenleiter der Wesen zur Metamorphosenlehre. Goethes Morphologie und ihre Gesetze, in: Von der Pansophie zur Weltweisheit. Goethes analogisch-philosophische Konzepte, hg. von Hans-Jürgen Schrader und Katherine Weder in Zusammenarbeit mit Johannes Anderegg, Tübingen 2004, S. 31–54, hier S. 50 f. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 139. Dass Goethes Text indes mit zahlreichen Gattungskonventionen der Novellistik bricht, zeigt der Kommentar von Dieter Borchmeyer u. a., Novelle, in: Johann Wolfgang von Goethe, Werke in sechs Bänden, hg. von Friedmar Apel u. a., Bd. 2: Dramen. Novellen, hg. von Dieter Borchmeyer u. a., Frankfurt a. M. 2007 (im Folgenden zitiert: GW 2), S. 751–767, hier S. 755 f., der Goethes Novelle im Kontext der europäischen und deutschen Novellistik verortet. So wurde Goethes Novelle, etwa durch ihren »feierlichen Tonfall« oder ihre Präferenz des Idealen zugunsten des Realen geradezu »nicht stilbildend« für die spätere Novellistik (S. 756). Erika Klüsener, Novelle, S. 433, bezeichnet den Titel der Erzählung gar als »Verlegenheitslösung«. Johann Wolfgang von Goethe, Novelle, in: GW 2, S. 515–534, hier S. 527. Zitate aus der Novelle werden im Folgenden im Text in Klammern angegeben. Vgl. etwa Horst Thomé und Winfried Wehle, Art. Novelle, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. von Harald Fricke u. a., Bd. II, Berlin und New York 2007, S. 725– 731, hier S. 726. Jurij Lotman, Künstlerischer Raum, Sujet und Figur, in: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, hg. von Jörg Dünne und Stephan Günzel, Frankfurt a. M. 2006, S. 529–545, hier S. 538 f.
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verwundert daher nicht, dass (Goethes) Novelle als hochgradig sujethafter Text auch eine komplexe und vielschichtige topologische Organisation aufweist.³² Allein die Anzahl der erzählten Räume ist, gemessen am geringen Umfang des Textes, beachtlich. Die »Raumchoreographie«³³ beinhaltet Schloss, Marktplatz, Gärten, Wald, Wiese, Gebirge und Stammschloss. Alle Räume werden vom Personal der Erzählung (oder zumindest von Teilen desselben) durchquert oder betreten. Räume sind in diesem Text also stets Schauplatz statt Kulisse; die Topologie dirigiert die Handlung und steckt die Handlungsdispositionen der Figuren ab. »Die […] Schauplätze werden dabei mit Voranschreiten der Handlung dadurch dynamisiert, dass sie als durchquerter Raum […] aneinandergereiht und von den Figuren erfahren werden.«³⁴ Diese topografische Reihung erfolgt, so wird zu zeigen sein, nach den Maßregeln morphologischer Umformung. Die Raumstruktur der Novelle ist also zentrales Konstituens morphologischer Strukturen – und damit ein Indikator für das Verhältnis von Natur und Kultur. Eine weitere Eigenheit der Novelle, die sie für eine ›morphologische Analyse‹ interessant werden lässt, ist das Leitmotiv der Wahrnehmung. Die Novelle darf durchaus als eine Anleitung zum Sehen gelesen werden – exemplifiziert an der Figur der Fürstin. Diese erschließt ihre Umwelt durch verschiedenste Modi der Wahrnehmung. So liest sich der Beginn der Novelle wie eine »Wahrnehmungsgeschichte en miniature«,³⁵ die hier kurz nachvollzogen werden soll: Der Blick der Fürstin in das Teleskop am Beginn der Novelle eröffnet erstmals die Ansicht auf die alte Stammburg. Zunächst dirigiert hier noch das voreingestellte Teleskop, »in der Stellung, wo man es gestern Abend gelassen hatte« (516), den Blick der Fürstin. Diese ergreift jedoch umgehend den aktiven Part der Raumerschließung. Sie beginnt, das Fernrohr selbst auszurichten, um die Jagdgesellschaft ihres Mannes in den Fokus zu bekommen – im Text wird dieses proaktive Sehen im Modus der internen Fokalisierung durch die Fürstin dargestellt. Dieser Übergang vom passiv-mittelbaren Wahrnehmen zum aktiven und unmittelbaren 32
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Die Novelle hat daher mehrfach Anlass zu intensiven Raumanalysen gegeben. So etwa schon bei Erwin Wäsche, Honorio und der Löwe. Studie über Goethes Novelle, Brombach bei Lörrach 1947, S. 29–38; ferner Eberhard Mannack, Raumdarstellung und Realitätsbezug in Goethes epischer Dichtung, Frankfurt a. M. 1972, S. 204–223; Erika Klüsener, Novelle, S. 442–448; Michael Mandelartz, Vom Gestein zur Poesie. Zum Verfahren der Steigerung in Goethes Novelle, in: Herder-Studien, 5 (1999), S. 127–159, S. 132–141 oder jüngst mit kulturwissenschaftlich-narratologischem Ansatz bei Alexandra Strohmaier, Annäherungen an eine kulturwissenschaftliche Narratologie des Raumes am Beispiel von Goethes Novelle, in: Topographie und Raum in der deutschen Sprache und Literatur, hg. von Fabrizio Cambi und Wolfgang Hackl, Wien 2013, S. 40–65, hier S. 47–65. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 129. Alexandra Strohmaier, Narratologie des Raumes, S. 48. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 138.
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Sehen wiederholt sich mehrfach und kann daher als Programm der Wahrnehmungsgeschichte in der Novelle gelten. So wird die Fürstin schon wenig später mit der nächsten Facette der Raumerschließung konfrontiert: diesmal mit der ästhetischen. Ein Zeichner legt der Fürstin die »Ansichten der Stammburg« vor, vom »Meister […] auf dem Papier ausgedrückt« (517). Doch auch die ästhetische Ansicht der Burg bedeutet für die Fürstin nur ein passives Vorgesetzt-Bekommen; auch die Zeichnung zwingt der Betrachterin eine durch den Zeichner vorgeschriebene, rigide Perspektive auf: »Ein medial ungebrochener Zugang zum Ursprung« der Stammburg scheint nicht möglich.³⁶ Wieder zeigt sich die »Sehbegierde«³⁷ der Fürstin, ihr Bestreben, die Wahrnehmung der Burg selbst zu steuern: »Reiten wir hinauf und lassen Sie mich in der Wirklichkeit sehen, was Sie mir hier im Bilde zeigten. Seit ich hier bin, hör ich von diesem Unternehmen und werde jetzt erst recht verlangend, mit Augen zu sehen, was mir in der Erzählung unmöglich schien und in der Nachbildung unwahrscheinlich bleibt« (518). Den medialen Reproduktionen und Transformationen der Welt (durch Fernrohr, Erzählung und Zeichnung) setzt die Fürstin ihre »Lust mich heute weit in der Welt umzusehen« (519) entgegen. Später, bei der Betrachtung des Feuers auf dem Markt, konkurrieren die »guten unbewaffneten Augen« (523) der Fürstin, die das Unglück ›live‹ und unvermittelt betrachten, mit den »Schreckensbilder[n]« der »Einbildungskraft«, die »des trefflichen Oheims wiederholte Erzählung von dem erlebten Jahrmarkts-Brande leider nur zu tief eingesenkt hatte« (ebenda). Diese perzeptive Emanzipation der Fürstin entspricht dem hohen Stellenwert der Wahrnehmung im Programm der Morphologie. Denn auch diese fordert als »Theorie des Anschauens«³⁸ eine proaktive Wahrnehmung, formuliert nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch Gesetze für die Natur. Wenn es in der Metamorphose-Elegie heißt: »Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt«,³⁹ so entsteht die Natur hier aus »einer Anschauung, die den Betrachter selbst in die Natur setzt. Hier erwächst ein Zusammenspiel von Subjekt und Objekt, in dem sich das Subjekt im Objekt findet, und das Objekt zugleich durch das Subjekt bestimmt ist«.⁴⁰ Naturerkenntnis ist immer auch Selbsterkenntnis – Selbstbestimmung mündet in produktive Anschauung der Natur. Für das Verhältnis von Mensch und Umwelt formuliert die Morphologie also nicht nur eine einseitige Abhängigkeit des »Säugetiers« von der »Wirkung des Klimas, der Berg-
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Bernhard Jahn, Das Hörbarwerden des unerhörten Ereignisses. Sinne, Künste und Medien in Goethes Novelle, in: Euphorion, 95 (2001), S. 17–37, hier S. 22. Ebd., S. 25. Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 303. GW 1, S. 230. Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 290.
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höhe, der Wärme und Kälte«⁴¹ im Zuge klimatheoretischer Diskurse. Hier tritt der Mensch als »Moment und zugleich Zentrum dieses Prozesses einer Selbstfindung der Natur« auf.⁴² Sein Blick bedingt jede Konzeption von Natur – und die Novelle stellt eben diesen Blick in den Mittelpunkt. Neben Raum und Ereignis sind also Blick und Wahrnehmung weitere zentrale narratologische Kategorien, die das dynamische Verhältnis von Natur und Kultur in der Novelle konfigurieren.
Morphologische Darstellungsverfahren in der Novelle Zusammenfassend ist also festzuhalten: Die Morphologie ist ein natürliches, kulturelles und namentlich auch narratologisches Strukturprinzip, welches in der Novelle mittels der Kategorien Raum (als Konstituent von Ereignis) und Fokalisierung (als Vermittlerin der Wahrnehmung) analytisch zu fassen ist. Damit ist nun der Weg bereitet, die Genese morphologischer Narration in der Novelle nachzuvollziehen. Diese lässt sich in drei Stufen gliedern: 1.) Der morphologische Raum der Berglandschaft, welcher im Ausritt der Gruppe um die junge Fürstin nacheinander ausgeformt wird. 2.) Nach dem Ausbruch des Brandes auf dem Markt gerät das morphologische (Erzähl-)Modell in eine Krise, bevor es 3.) mit der Ankunft der morgenländischen Familie reaktiviert wird und im heterotopischen Raum des Stammschlosses in der Zähmung des Löwen kulminiert. Doch diese Analyse morphologischer Narration in der Novelle stellt keinen Selbstzweck dar. Die Morphologie wurde als ästhetische Kategorie konturiert, der eine Verhandlung von Natur und Kultur stets inhärent ist. Somit zeichnet die Analyse morphologischer Erzählverfahren in der Novelle auch das dort vermittelte Verhältnis von Natur und Kultur, von Mensch und Umwelt nach. Die Morphologie ist eine potenzierte Kategorie: Sie ist auf (fiktionsinterner) Handlungsebene motivierender Katalysator der Narration, als Analyseinstrument ist sie Indikator der Wechselwirkungen zwischen den Bereichen Natur und Kultur. Im Zusammenhang mit dem Aufstieg der Gruppe um die junge Fürstin zur Stammburg hat Gerhard Neumann von einem »morphologische[n] Blick auf die Welt-Landschaft«⁴³ gesprochen. Damit ist die in der Tat auffallende morphologi41 42 43
GW 6, S. 430. Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 291; vgl. auch Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 135. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 132. Neumann betont das morphologische Modell für den ersten Teil der Novelle bis zur Ankunft der morgenländischen Familie: »Liest man den ersten Teil der Novelle als eine Wahrnehmungs-Geschichte, die dem Gesetz der natürlichen Morphologie folgt, der stufenweisen Aneignung der Welt […], so steht der zweite Teil im Zeichen der Musik« (S. 135). Das Vorhandensein morphologischer Strukturen kann auch
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sche Organisation von Perspektive und Raumgestaltung in diesem Abschnitt der Novelle treffend beschrieben. Nach der wahrnehmungstechnischen Exposition im Schloss zu Beginn der Novelle, die, wie oben beschrieben, sämtliche Zugriffe auf die Natur – technische, ästhetische und individuelle – en nuce enthält, und dem Durchritt durch Stadt und Marktplatz betritt die Gruppe eine »heiterste Gegend« (521). Das »Tore« (ebenda) markiert als topografische Grenze den Eintritt in den Raum der Natur. Nun wird, dem Wunsche der Fürstin gemäß, selbst durchritten, was sie zuvor in der Übersicht durch das Teleskop sah: »Busch, Berg und Waldgipfel«, die »öde[] steinige[] Fläche« (516). Sukzessive wird nun Raum für Raum ausgeformt: Der Weg führte zuerst am Flusse hinan, einem zwar noch schmalen, nur leichte Kähne tragenden Wasser, das aber nach und nach als größter Strom seinen Namen behalten und ferne Länder beleben sollte. Dann ging es weiter durch wohlversorgte Frucht- und Lustgärten sachte hinaufwärts, und man sah sich nach und nach in der aufgetanen wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wäldchen die Gesellschaft aufnahm und die anmutigsten Örtlichkeiten ihren Blick begrenzten und erquickten. Ein aufwärts leitendes Wiesental […] empfing sie freundlich, und so zogen sie einem höheren Standpunkt entgegen […], alsdann aber vor sich noch in bedeutender Entfernung über neuen Baumgruppen das alte Schloß, den Zielpunkt ihrer Wallfahrt, als Fels- und Waldgipfel hervorragen sahen. Rückwärts aber […] erblickten sie durch zufällige Lücken der hohen Bäume, das fürstliche Schloß links […]; den wohlgebauten höhern Teil der Stadt […] und so fort nach der Rechten zu die untere Stadt, den Fluß in einigen Krümmungen, mit seinen Wiesen und Mühlen; gegenüber eine weite nahrhafte Gegend (521 f.). Hier wird jeder Raum organisch aus dem vorigen entwickelt; die topografische Evolution generiert eine »lückenlose Genealogie«⁴⁴ der Örtlichkeiten – analog zum Gestaltungsbegriff der Morphologie. Dort ist die Gestalt »ein bewegliches, ein werdendes, ein vergehendes« Moment.⁴⁵ Die Morphologie postuliert, »daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vorkommt, sondern daß vielmehr alles in einer steten Bewegung schwanke«.⁴⁶ Und so ver-
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für den zweiten Teil der Novelle behauptet werden – dann jedoch in erweiterter Form mit kulturtheoretischen Implikationen; nicht mehr als narrative Raumstrukturation, sondern als Dispositiv eines wechselseitigen Austauschprozesses von Natur und Kultur. Michael Jaeger, Kontemplation und Kolonisation, S. 67. GW 6, S. 433. Ebd., S. 438.
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weist in diesem Abschnitt der Novelle jeder Raum schon auf denjenigen, der ihn ablösen wird, gleichwohl der neue Raum stets im vorigen enthalten ist. Die personifizierten Räume werden »aufgetan[]«, »leiten aufwärts«, die Gesellschaft wird von ihnen »aufgenommen« und »empfangen«. Alles was Schauplatz wird, war zuvor schon da – das morphologische Programm der ›Stetigkeit‹ und ›Steigerung‹ kennt keine »Creatio ex nihilo«.⁴⁷ Die durchgängige Hypotaxe verschränkt die verschiedenen Räume, steigert das »Wasser« zum »Strom«, den »Busch« zum »Wäldchen«, schließlich zu »neuen Baumgruppen«: Der Schachtelsatz wird zum Medium der Ausschachtelung. Die topografische Umgestaltung erfolgt dabei im Modus zeitlicher Linearität; Temporaladverbien steuern die Abfolge der Räume: »man sah sich […] nach und nach um«, »erst ein Busch, sodann ein Wäldchen«, »alsdann […] das alte Schloß« [meine Hervorhebungen, F.S.]. Hier waltet die Morphologie als »Strukturierungsprinzip jeder Anschauung«,⁴⁸ welches ein topologisches Nebeneinander verschiedener Räume in das temporale Nacheinander einer »genetische[n] Entwicklung«⁴⁹ überführt. Hieran schließt die Panoramasicht über den bisher durchrittenen Raum, der mit dem Blick durch das Teleskop zu Beginn der Erzählung korrespondiert. Dieser bot den Blick auf den Berg, jener ist der Blick vom Berg. Diese Übersichten stellen – gewissermaßen als topologische Ana- beziehungsweise Prolepsen im chronologisch-organisierten Programm der Raumerschließung – den Status jedes Raums als Summe seiner vorhergehenden und ihn ablösenden Räume dar. Doch diese Aufsummierung ist emergent – analog zur Morphologie, nach der sich »das Leben in seiner Einheit […] als Kraft äußert, die in keinem seiner Teile besonders enthalten ist«.⁵⁰ Eben darum kann sich in der morphologischen Erzähllogik der Novelle die Raumaneignung der Figuren nicht in der reinen Übersicht erschöpfen. Der Raum – und darauf drängt die Fürstin zu Beginn! – muss ›er-fahren‹, erritten und betreten werden; erst am und durch das Subjekt im Raum kann sich das morphologische Modell vollziehen. Vermittelt wird dies durch einen extradiegetisch-heterodiegetischen Erzäh-
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Michael Jaeger, Kontemplation und Kolonisation, S. 67. Diese morphologische Prämisse lässt sich auch mit dem Prinzip der »variierenden Wiederholung« vereinbaren, welches Borchmeyer u. a., Novelle, S. 759 für die Novelle aufgezeigt haben. Dieses manifestiert sich nicht nur in der intertextuellen Verfasstheit der Novelle (S. 753) oder der ihr über- und eingeschriebenen gattungspoetischen Auseinandersetzung mit der Novellistik (S. 756), sondern auch als motivierendes Moment der Narration. Auch Jürgen Jacobs, »Löwen sollen Lämmer werden«. Zu Goethes Novelle, in: Literarische Utopie-Entwürfe, hg. von Hiltrud Gnüg, Frankfurt a. M. 1982, S. 187–195, spricht im Zusammenhang mit der Novelle von Prozessen der »Gestaltung und Umgestaltung« (S. 194). Olaf Breidbach, Goethes Metamorphosenlehre, S. 301. Barbara Thums, Aufmerksamkeit, S. 121. GW 6, S. 436.
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ler, der sich keine von den Figuren entkoppelte Übersicht gewährt, sondern die für die Figuren gestaffelt auftretenden Räume nachvollzieht. Doch nicht nur die Abfolge der Räume, sondern auch deren Wahrnehmung durch die Figuren ist morphologisch organisiert. Der Morphologie wohnt ein stark regulatives und kompensatorisches Moment inne, das haushälterisch die Prozesse von Bildung und Umgestaltung steuert. Es besagt, »daß keinem Teil etwas zugelegt werden könne, ohne daß einem andern dagegen etwas abgezogen werde, und umgekehrt. […] und so kann sich die Natur niemals verschulden oder gar bankrutt werden«.⁵¹ Das morphologische Prinzip schützt auf dem Feld der Form vor Entgrenzung und Ausartung und – so in der Novelle – auf dem Feld ästhetischer Wahrnehmung vor der Ohnmacht gegenüber dem Erhabenen. So bieten die sich öffnenden Räume stets nur »begrenzte[]« Sicht. Die Übersichten über die Landschaft werden wiederholt als begrenzt oder gestaffelt beschrieben, »überall die Gliederung, die dem Blick die Übersicht erleichtert«.⁵² So ist das erste Panorama durch den teleskopischen Blick gerahmt (516). In obigem Zitat kann die Landschaft nur durch »zufällige Lücken der hohen Bäume« erblickt werden, sodass sich die Gruppe alsbald zu einer »weniger begrenzten Aussicht« (522) aufmacht. Doch auch diese bietet keine totale Entgrenzung des Blicks. Hier herrscht eine Aussicht, »die zwar schon in den Blick des Vogels überging aber sich doch noch malerisch genug hinter einander schob« (ebenda) – zusätzlich kommt wieder Honorios Fernrohr zum Einsatz: Die Sonne, beinahe auf ihrer höchsten Stelle, verlieh die klarste Beleuchtung, das fürstliche Schloß mit seinen Teilen […] erschien gar stattlich; die obere Stadt in ihrer völligen Ausdehnung, auch in die untere konnte man bequem hineinsehen, ja durch das Fernrohr auf dem Markte sogar die Buden unterscheiden. […] man schaute den Fluß hinauf und hinab, diesseits das bergartig terrassenweis unterbrochene, jenseits das aufgleitende flache und in mäßigen Hügeln abwechselnde fruchtbare Land […]. (522) Trotz des exponierten Standpunkts der Gruppe wird deren Wahrnehmung filtriert, segmentiert und selektiert. Die Sonne akzentuiert Teile des Bildausschnitts, der Flusslauf dirigiert den Blick »hinauf und hinab« zu »terrassenweis« gestaffelten Bergen und »aufgleitende[n]«, »mäßigen Hügeln«. Eine ausgefeilte Blick-Regie schützt also vor der Überlastung des Wahrnehmungsapparates, sodass sich hier nicht, wie später etwa in Stifters Condor oder Büch51 52
Ebd., S. 428. Emil Staiger, Goethe. Novelle, in: ders., Meisterwerke deutscher Sprache aus dem neunzehnten Jahrhundert, Freiburg i. Br. 1961, 4. Aufl., S. 135–162, hier S. 137.
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ners Lenz, ein Subjekt in einer übermächtigen und erhabenen Natur verliert. Die (in obigem Zitat) intern fokalisierte Natur-Schau führt nur vor, was die Figuren »bequem« sehen können, nicht, was sie sehen müssen. »Es entsteht«, wie schon Erwin Wäsche festgestellt hat, »dergestalt ein künstlicher, genau umgrenzter Raum«.⁵³ Die morphologische Narration integriert somit das diätetische Modell der naturwissenschaftlichen Morphologie⁵⁴ in die Wahrnehmung der Natur. Morphologisches Erzählen stellt somit auch die Akteure Mensch und Natur in ein Verhältnis von Austausch und Balance; Natur und Naturwahrnehmung sind harmonisch aufeinander abgestimmt und bedingen sich wechselseitig. Dieses harmonisch-morphologische Erzähl- und Wahrnehmungsmodell gerät mit dem Ausbrechen des Feuers auf dem Markt in eine Krise. Zwar entbehrt auch dieses Ereignis im discours der Novelle nicht der morphologischen Motivierung: »Die folgende Katastrophe findet gleichfalls als Wiederholung, als Aufführung in der ›Einbildungskraft‹ statt.«⁵⁵ Doch der Brand markiert den »Einbruch des Elementaren«:⁵⁶ Nun regiert für kurze Zeit Chaos, Verwirrung und Bedrohung. Ausgelöst durch den Anblick der Katastrophe treten »in ihrer [d.i. der Fürstin, F.S.] Einbildungskraft alle die Schreckbilder« des letzten Brandes zutage: Die Fürstin […] sah den Rauch sich verbreiten, sie glaubte, einen aufflammenden Blitz gesehen, ein Schlag gehört zu haben […]. Fürchterlich wohl war jener Fall […] als zur Nachtzeit auf dem großen budenreichen Marktraum ein plötzlicher Brand Laden auf Laden ergriffen hatte, ehe noch die in und an diesen leichten Hütten Schlafenden aus tiefen Träumen geschüttelt wurden; der Fürst selber […] ans Fenster sprang, alles fürchterlich erleuchtet sah, Flamme nach Flamme, rechts und links sich überspringend, ihm entgegenzüngelte. Die Häuser des Marktes […] schienen schon zu glühen, drohend sich jeden Augenblick zu entzünden und in Flammen aufzuschlagen; unten wütete das Element unaufhaltsam, die Bretter prasselten, die Latten knackten, Leinwand flog auf […]. Diener und Knechte mit den Herren bemühten
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Erwin Wäsche, Honorio und der Löwe, S. 37. Vgl. Barbara Thums, Aufmerksamkeit, S. 116. Dieter Borchmeyer u. a., Novelle, S. 758. Karl Richter, Beziehungen von Dichtung und Morphologie, S. 162: Richter macht das »Elementare« und das »Morphologische« als zwei gegenläufige Prinzipien aus. Die Tilgung des Elementaren bedingt daher das morphologische Programm: »In der entstehenden Gestalt erscheint das Gefährliche des Elementaren aufgehoben, ja eine Bedingung des neuen Lebens«. Vgl. auch Emil Staiger, Novelle, S. 140: »Suchen wir nach einem Namen, diesen Widersacher, wie ihn Goethe spürte, zu benennen, so werden wir zu dem Begriff des ›Elementaren‹ hingedrängt.«
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sich von Flammen ergriffene Ballen fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell noch einiges wegzureißen […] an der einen Seite brannte, glühte schon, was an der andern noch in finsterer Nacht stand. (523 f.) Was in dieser Analepse geschildert wird, steht dem morphologischen Modell von Umwandlung und Genese diametral entgegen. Es herrscht der Gestus des Abrupten: »Blitz« und »Schlag« kündigen vom Chaos auf dem Markt, dort wird »geschüttelt«, gesprungen, übersprungen und gerissen. Im »Wirrwarr« (524) des Brandes werden die Ereignisse nicht mehr organisch nach- und auseinander entwickelt; sie geschehen »überraschend« und »plötzlich« (523). Die morphologische Sukzession, die in der Aufstiegs-Episode den Raum stufenweise öffnete und gliederte, schaltet um in zeitliche Simultaneität: »[A]n der einen Seite brannte, glühte schon, was an der andern noch in finsterer Nacht stand.« Wo zuvor zeitraffendes Erzählen die Linearität sich entwickelnder Räume herausstellte, verwehrt nun zeitdeckendes Erzählen jede Abstrahierung, Selektierung und Staffelung der Wahrnehmung. Das »Element« (524) hebelt die morphologische Konsolidierung von Geschehen und Wahrnehmung, von Mensch und Umwelt völlig aus. Die Umwelt des Menschen ist hier eine unstrukturierte und chaotische – die morphologischen Abläufe als Gegenmodell zu »Gesetzlosigkeit, Zerstörung und Deformation«⁵⁷ treten zurück. Die Unterbrechung des morphologischen Programms in der Novelle markiert daher auch den Punkt höchster Divergenz von Mensch und Natur. Diese kulminiert in der Tötung des Tigers durch Honorio – statt Austausch zwischen Mensch und Umwelt nun der »Kriegszug« gegen die Natur (516): Honorio kniet auf dem toten Tiger, dessen Fell ist »Triumphzeichen« der Sieger (525). Die bellizistische Bildlichkeit dieser Szene zeigt an: Der Moment höchster Rigidität und Opposition im Verhältnis von Mensch und Natur ist erreicht, »[d]as Vertrauen in die Natur ist zerstört«.⁵⁸ Die nun auftretende morgenländische Familie initiiert den Prozess einer Befriedung von Mensch und Natur und reaktiviert den dynamischen Austausch zwischen Natur und Kultur. Die Familie bildet das Korrektiv, welches das Verhältnis von Mensch und Natur, das »von der Gefahr des Unbeweglichen und Starren bedroht«⁵⁹ war, wieder in morphologische Austausch- und Umgestaltungsprozesse zurückführt. Zeigten sich die morphologischen Strukturationen vor dem Ausbruch des Feuers als Dirigent der Raumstruktur und Koordinator von Umwelt und Wahrnehmung, so treten sie mit der Ankunft der Familie in anderer Form
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Karl Richter, Beziehungen von Dichtung und Morphologie, S. 163. Emil Staiger, Novelle, S. 143. Benno von Wiese, Novelle. Nachwort, in: Johann Wolfgang von Goethe, Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, München 1981, Bd. 6, S. 746–771, hier S. 750.
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auf. Sie bestimmen fortan die Transformationen von Natur in Kultur, weisen Kultur als Verlängerung der Natur aus. Für den Interpreten avanciert die Morphologie damit zur kulturtheoretischen Metafigur, die eine Synthese von naturalistischen und kulturalistischen Konzeptionen zu bewerkstelligen vermag. Sie zeigt sich als »Ort[] des Austausches zwischen den epistemischen Regimes ›Natur‹ und ›Kultur‹«.⁶⁰ Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die Morphologie eine Strukturanalogie von Natur und Kultur ausdrückt. Eben diese artikuliert nun der Vater der Schaustellerfamilie und reanimiert damit die festgefahrene Dynamik von Mensch und Natur: Seht den Felsen, wie er fest steht und sich nicht rührt, der Witterung trotzt und dem Sonnenschein, uralte Bäume zieren sein Haupt und so gekrönt schaut er, weit umher; stürzt aber ein Teil herunter, so will es nicht bleiben was es war, es fällt zertrümmert in viele Stücke und bedeckt die Seite des Hanges. Aber auch da wollen sie nicht verharren, mutwillig springen sie tief hinab, der Bach nimmt sie auf, zum Flusse trägt er sie. Nicht widerstehend, nicht widerspenstig-eckig, nein, glatt und abgerundet gewinnen sie schneller ihren Weg und gelangen von Fluß zu Fluß, endlich zum Ozean, wo die Riesen in Scharen daher ziehen und in der Tiefe die Zwerge wimmeln. (529) Was hier beschrieben wird, ist die Metamorphose eines Steins. Der Stein als Inbegriff des Leblosen, Statischen und Unbeweglichen wird in einen Prozess der Umgestaltung und Transformation integriert: nichts »bleib[t], was es war«, nirgends wird »verharr[t]«, nichts »widersteh[t]« der Dynamik der Natur. Auch hier vermag, wie in der Aufstiegs-Episode, die zeitraffende Schilderung das Feste zu verflüssigen – im wahrsten Sinn des Wortes: Stein wird binnen weniger Zeilen zu Sand. Der fiktionale Zeitraffer beschleunigt langwierigste geologische Prozesse; Umwelt ist nicht mehr »stille, passive Kulisse«,⁶¹ sondern Akteurin. Auch hier begegnet die Klimax von »Bach«–»Fluss«–»Ozean« als Formvariante morphologischer Reihenbildung. Michael Mandelartz hat dieses narrative Verfahren »als eine für Goethes naturwissenschaftliches Denken typische Bewegung« gekennzeichnet:
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Albrecht Koschorke, Zur Epistemologie der Natur/Kultur-Grenze und zu ihren disziplinären Folgen, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 83 (2009), Heft 1, S. 9–25, hier S. 22. Dipesh Chakrabarty, Das Klima der Geschichte. Vier Thesen, in: KlimaKulturen. Soziale Wirklichkeiten im Klimawandel, hg. von Harald Welzer, Hans-Georg Soeffner und Dana Giesecke, Frankfurt a. M. und New York 2010, S. 270–301, hier S. 278.
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Das Objekt wird zunächst in seiner Totalität synthetisch aufgefaßt, sodann die Gegenposition bedacht, die jeden Zusammenhang bestreitet […]. Der Schluß verschiebt den Widerstreit jedoch vom Gegenstand auf das denkende Subjekt, das auf diese Weise mit seinem Gegenstand identifiziert wird, sich gewissermaßen in ihm auflöst.⁶² Der Monolog des Vaters schließt somit motivisch und narrativ zum morphologischen Programm auf, das die Evolution der Landschaft vor Ausbruch des Brandes bestimmte. Die Universalität dieser morphologischen Struktur bleibt indes nicht auf den Stein beschränkt; im Monolog des Vaters wird sie erweitert auf »Biene«, »Ameise«, »Pferd« und (domestizierter) »Löwe«, schließlich auf »Mensch« und »Engel« (529 f.). Der späteren Zähmung des Löwen durch das Kind wird programmatisch der Boden bereitet: »Doch der Mensch weiß ihn [den Löwen, F.S.] zu zähmen und das grausamste Geschöpf hat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch die Engel gemacht sind, die dem Herrn dienen und seinen Dienern.« (530) Der Akt der Zähmung stellt demnach keinen Bruch mit den Prinzipien der Schöpfung dar, sondern verlängert die morphologische Reihenbildung vom Löwen, dem Herrscher über »alles Getier« (ebenda), auf den Menschen, das »Ebenbilde Gottes«. »Der Mensch besänftigt die Wildheit des Raubtiers und gewinnt damit eine Kraft aus der Sphäre der ›kolossalen Gegner‹ für das Reich einer friedlichen, natürlich-menschlichen Ordnung.«⁶³ Die Überführung des Löwen vom Reich der Natur in den Bereich der Kultur widerstrebt damit mitnichten den Prämissen der Morphologie. Gerade durch den kulturellen Akt der Zähmung verbindet sich der Mensch mit der Natur und komplettiert die Reihe von der »Biene« bis hin zu den »Engeln«. Sowohl die Bewegung der Natur als auch die kulturelle Tätigkeit des Menschen sind damit Funktionen eines ubiquitären Strukturmodells. »Hier ist Natur Fülle und Herrlichkeit der Schöpfung in ihrer unendlichen Bewegtheit […]. Ob nun Natur oder Gesellschaft, ob Gesteins- oder Pflanzenwelt, überall geht es […] um das Wahre und Ewige, das alle diese verschiedenen Erscheinungsformen durchdringt.«⁶⁴ Schließlich gipfelt in der Rede des Vaters diese kulturell-natürliche Reihenbildung im intertextuellen Verweis auf Daniel in der Löwengrube. Auch der Text zeigt sich damit als Transformation des Immer-schon-da-Gewesenen, bildet die Text-Reihe mit dem 62
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Michael Mandelartz, Vom Gestein zur Poesie, S. 147. Auch Emil Staiger, Novelle, S. 152, stellt die im Monolog des Vaters vollzogene Reihenbildung in Bezug zum morphologischen ›Typus‹: »Den Löwen, das Pferd, die Biene, die Ameise, das Urtier […] kennt der in Goethes Geist Erzogene unter dem Begriff des Typus, der alles Individuelle trägt«. Zum Stellenwert der Reihenbildung in Goethes Morphologie vgl. auch Geulen, Reihenbildung. Jürgen Jacobs, »Löwen sollen Lämmer werden«, S. 190. Benno von Wiese, Novelle, S. 749.
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Prätext Bibel. Das entspricht auch dem poetologischen Verfahren im Lied des Kindes, das limitiertes Text-Material umgestaltet und variiert: Aus den Gruben, hier im Graben, Hör’ ich des Propheten Sang; Engel schweben ihn zu laben, Wäre da dem Guten bang? Löw’ und Löwin, hin und wieder, Schmiegen sich um ihn heran; Ja, die sanften frommen Lieder Haben’s ihnen angetan! […] Engel schweben auf und nieder Uns in Tönen zu erlaben, Welch ein himmlischer Gesang: In den Gruben, in dem Graben Wäre da dem Kinde bang? Diese sanften frommen Lieder Lassen Unglück nicht heran; Engel schweben hin und wieder Und so ist es schon getan. (530 f.) Hier zeigt sich eine syntaktische Morphologie, in der – ganz im Sinne von Roman Jakobsons ›poetischer Funktion‹ – das Syntagmatisch-Realisierte beständig auf das Paradigmatisch-Mögliche verweist. Die Liedstrophen vollziehen somit performativ das morphologische Programm der Umgestaltung und Neuordnung und kündigen proleptisch von der Zähmung des Löwen durch das Kind. Auf die narrative Meta-Position, die der Familie durch solche Elemente in der Erzähllogik der Novelle zukommt, wird später noch zurückzukommen sein. Die morgenländische Familie besetzt also die Rolle eines Vermittlers zwischen Natur und Kultur. Die drei Figuren – Vater, Mutter, Kind – sind entsprechend dieser Mittler-Rolle konzipiert; schon die Konstellation erinnert an die »heilige[] Familie«⁶⁵ und damit an den Typus der Ur-Familie schlechthin. Sie bilden als Repräsentanten eines »an das alte Mythische anknüpfende[n] Weltordnungsmodell[s] des Humanen« die »wunderbare Gegenwelt«⁶⁶ zu den Vertretern der 65 66
Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 128. Ebd.
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modernen weltlichen Macht um das Fürstenehepaar. Nur der Schaustellerfamilie wohnen die genuin natürlichen Bezüge inne, um eine Verhandlung von Natur und Kultur in Gang zu setzen: Sie sind der »personifizierte[] Orient […], der als Ursprung aller Kultur noch vernehmlich mit der Stimme der Natur zu sprechen scheint«.⁶⁷ Sie sprechen eine »natürliche Sprache, kurz und abgebrochen, […] eindringlich und rührend; vergebens würde man sie in unsern Mundarten übersetzen wollen« (527). Die Äußerungsformen der Familie liegen fernab kulturell konventionalisierter Sprachnormen. Sie sind »natürliche[r] Enthusiasmus« (530): emotionale Expression statt rational-sprachlicher Weltaneignung. Doch die eigentliche Sprache der Familie ist die Musik. Sie ist als Ausdrucksform zwischen Natur und Kultur angesiedelt: eine »Melodie, die keine war, eine Tonfolge ohne Gesetz, und vielleicht eben deswegen so herzergreifend; die Umstehenden schienen wie bezaubert von der Bewegung einer liederartigen Weise« (529). Elemente kultureller Provenienz – Regelhaftigkeit und »Gesetz« – gelten für diese Musik nicht. Doch gerade diese archaische, improvisierte und damit natürliche Ur-Musik spricht die Figuren auf emotionaler Ebene an. Und nicht nur die menschlichen Akteure sind »gerührt« (531) von den Klängen – auch der Löwe wird durch sie gezähmt. Diese Musik adressiert das Gemeinsame von Mensch und Tier. Wenn Mensch und Natur auf einer Strukturanalogie beruhen, wenn sie keine Antagonisten, sondern beide nur Figurationen ein und desselben universellen morphologischen Prinzips von Wandel und Entwicklung darstellen – dann ist die Musik des Kindes der Code eben dieses Prinzips. Das in der Novelle als narratives Strukturmodell waltende und in der Schaustellerfamilie personifizierte »sanfte Gesetz, das alle Kreaturen […] in harmonischer, gewaltloser unschuldiger Beziehung zueinanderführt«⁶⁸ – ist die Morphologie. Entsprechend der Vermittlerrolle zwischen Natur und Kultur besetzt die Familie auch im narrativen Gefüge der Novelle eine Metaposition. So ist etwa die Mutter des Kindes mit überzeitlicher und transpsychologischer Kompetenz ausgestattet. Sie ist autorisiert, proleptische Andeutungen zu verkünden. So etwa den Jägern, die als Vorsichtsmaßnahme gegen den Löwen ein Feuer entzünden wollen: »Es ist nicht not, sagte die Frau, es wird ohne das alles in Güte geschehen« (531). Es folgt ein kurzer Dialog mit Honorio, den sie »in tiefen Gedanken versunken« und »zerstreut« (532) auffindet. Vorausgegangen war die »erotische Anagnorisis«⁶⁹ zwischen ihm und der Fürstin, seine flammenden Ehrerbietungen ihr gegenüber (vgl. 525 f.). Ihm rät nun die Mutter: »Du schaust nach Abend […], du tust wohl daran dort gibt’s viel zu tun; eile nur, säume nicht, du wirst 67 68 69
Dieter Borchmeyer u. a., Novelle, S. 760. Jürgen Jacobs, »Löwen sollen Lämmer werden«, S. 188. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 133.
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überwinden. Aber zuerst überwinde dich selbst« (532). Sie fasst damit die Tragik Honorios zusammen: seine bald beginnende Reise, die jedoch mit der Entsagung gegenüber der Fürstin verbunden ist. Die Frau überblickt also die Zusammenhänge der Narration und der Figurenkonstellation, sie artikuliert, was weder die Figuren noch der Erzähler explizieren (können). Sie steht damit nicht nur zwischen Natur und Mensch, sondern auch metaleptisch innerhalb und außerhalb der erzählten Welt. Stand nach dem Auftreten der Familie zunächst der Monolog des Vaters und anschließend, wie eben beschrieben, die Mutter im Mittelpunkt des Geschehens, so wird der letzte Teil der Novelle vom Kind bestimmt. Dieses betritt nun den finalen Schauplatz: das Stammschloss. Die alte Burg bildet nicht nur den Zufluchtsort des Löwen, sondern auch den Fluchtpunkt der Novelle, ist seit dem Blick der Fürstin durch das Fernrohr zu Beginn der Erzählung stets präsent. Daher lohnt ein eingehenderer Blick auf diesen Ort. Das Stammschloss wird schon früh im Text als Natur-Kultur-Hybrid beschrieben. Es besetzt damit in der Topografie der Novelle die Position, welche in der Figurenkonstellation schon der morgenländischen Familie zukam. »Die Burg repräsentiert […] den Ursprung der Kultur, der mit der Natur noch untrennbar verwachsen ist.«⁷⁰ Nun haben wir manches getan um diese Wildnis [das verwachsene Schloss, F.S.] zugänglicher zu machen, denn mehr bedarf es nicht, um jeden Wanderer, jeden Besuchenden in Erstaunen zu setzen, zu entzücken. […] niemand wüßte zu sagen wo die Natur aufhört, Kunst und Handwerk aber anfangen. […] Es ist eine Wildnis wie keine, ein zufällig-einziges Lokal, wo die alten Spuren längst verschwundener Menschenkraft mit der ewig lebenden und fortwirkenden Natur sich in dem ernstesten Streit erblicken lassen. (517) Das Stammschloss ist durch Kultur forcierte Wildnis, in der »die Natur durch höchsten Kunstaufwand inszeniert wird«:⁷¹ Von den Landschaftsplanern in ästhetischer Absicht bewusst natürlich gehalten, jedoch bequem »zugänglich[]« gemacht. Hier »haben mächtige Bäume hie und da zu Wurzeln Glück und Gelegenheit gefunden […], nun erstrecken sie ihre Äste bis in die Galerien hinein, auf denen der Ritter sonst auf und ab schritt« (517 f.). Die Natur hat diesen Ort okkupiert – jedoch nur, weil der Mensch diesen Vorgang zuließ, ja wünschte. Das alte Schloss entspricht damit ganz Hartmut Böhmes Beschreibung des Parks
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Michael Mandelartz, Vom Gestein zur Poesie, S. 135. Dieter Borchmeyer u. a., Novelle, S. 759.
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als »Insel- oder Museumsvorstellung«, als »symbolische[s] Merkzeichen«⁷² einer Natur, die nur noch unter kultureller Lizenz ungestört existieren kann und darf. Stephen Greenblatt hat solche Amalgame aus Natur und Kultur treffend beschrieben: Die Wildnis wird gleichzeitig festgehalten und ausradiert durch die amtlichen Gesten [im Fall des Schlosses etwa der Anbindung an die ›Infrastruktur‹ der Wanderwege, F.S.], die ihre Grenzen festlegen; das Natürliche wird dem Künstlichen gegenübergestellt in einer Weise, die deren Unterscheidung sinnlos macht.⁷³ Dem letzten Schauplatz der Novelle ist ein hochdynamischer Dualismus von Natur und Kultur eingeschrieben – ein passender Ort also für die finale Verhandlung derselben. Die Burg ist Natur und gleichzeitig Nicht-Natur. Michel Foucault hat für solche »Gegenorte« den Begriff des »Heterotops«⁷⁴ geprägt. In ihnen werden »die realen Orte […], die man in der Kultur finden kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt«.⁷⁵ So ist das Stammschloss weder Natur noch Kultur, sondern jene topografisch realisierte »Scharnierstelle«,⁷⁶ wo diese beiden Konzepte in- und auseinander transformiert werden. Typisch für einen heterotopischen Raum ist der Zugang zu diesem Ort begrenzt.⁷⁷ Die Konfiguration der Figuren wird im Aufstieg zum Schloss sukzessive reduziert. Erst »entfernte der Fürst mit wenigen sich eiligst, die Fürstin folgte langsamer mit dem übrigen Gefolge« (531), auch Honorio wird sinnierend zurückgelassen. Schließlich halten auch der Wärtel und die Mutter vor dem Eingang zum Schloss inne. Nur das Kind betritt also »die Arena des Schauspiels« (532). Bemerkenswert: Nicht einmal der Erzähler folgt dem Kind ins Innere des Schlosses; die Zähmung 72
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Hartmut Böhme, Historische Natur-Konzepte, ökologisches Denken und die Idee der Gabe, in: Ökologie und Literatur, hg. von Peter Morris-Keitel und Michael Niedermeier, New York u. a. 2000, S. 7–22, hier S. 15. Stephen Greenblatt, Grundzüge einer Poetik der Kultur, in: Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, hg. von Dorothee Kimmich, Rolf G. Renner und Bernd Stiegler, Stuttgart 2008, S. 259–279, hier S. 273. Michel Foucault, Von anderen Räumen, in: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, hg. von Jörg Dünne und Stephan Günzel, Frankfurt a. M. 2006, S. 317–329, hier S. 320. Auch Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 134 und Alexandra Strohmaier, Narratologie des Raumes, S. 60 f. betonen den heterotopischen Charakter des Stammschlosses. Michel Foucault, Von anderen Räumen, S. 320. Albrecht Koschorke, Zur Epistemologie der Natur/Kultur-Grenze, S. 22. Vgl. Michel Foucault, Von anderen Räumen, S. 325.
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des Löwen durch das Flötenspiel dringt, extern fokalisiert, nur durch akustische Signale nach außen.⁷⁸ Der Gegenort verlangt nach einer Gegenfigur: Nur dem Kind eignen Unschuld, Natürlichkeit und ›kulturelle Unbeflecktheit‹. Nur diese Figur kann das Heterotop betreten und dort den Kampf von Natur und Kultur, der mit der Tötung des Tigers losgetreten wurde, befrieden. Schließlich verlässt das Kind die Burg mit dem gezähmten Löwen und stimmt abermals sein Lied an: Denn der Ewige herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick; Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurück. Blankes Schwert erstarrt im Hiebe, Glaub’ und Hoffnung sind erfüllt; Wundertätig ist die Liebe, Die sich im Gebet enthüllt. (533 f.) Aus dem Löwen, dem »Tyrannen der Wälder« (534), ist das domestizierte Lamm, »[a]us ›Natur‹ ist ›Kultur‹ geworden«.⁷⁹ Doch diese Metamorphose bildet – und hierin ist sie weniger Ovidisch denn morphologisch – keinen ›Sprung‹ von der Natur zur Kultur. Dem ›wilden‹ Löwen wird kein kulturelles Verhalten aufoktroyiert. Vielmehr werden die kulturellen Anlagen reaktiviert, die dem Löwen im Text zuvor zugeschrieben wurden. So ist der Löwe in der Novelle, ähnlich dem Stammschloss und dem Kind, als hybrides Wesen zwischen Natur und Kultur konzipiert. Schon die Malereien auf dem Marktstand bilden einen anthropomorphen Löwen ab, »majestätisch, als wenn er keine Beute seiner würdig vor sich sähe« (521). Auch in den Charakterisierungen des anderen wilden Tieres, des Tigers, wird dieser von den Schaustellern als »lächeln[d]« und »spielend« beschrieben (527). Liegt also, als Schlusspunkt der Novelle, der Löwe mit einem »Ausdruck von Freundlichkeit von dankbarer Zufriedenheit« (534) auf dem Schoß des Kindes, so wurde hier keine Kultur aus dem Nichts erschaffen. Es wurde organisch entwickelt, was – im Rahmen der Novelle – schon immer im Löwen angelegt war. Natur und Kultur bilden hier ein »Nullsummenspiel«,⁸⁰ verändert wird lediglich das ›Mischungsverhältnis‹ dieser beiden Größen. Beides – natürliche
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Vgl. zum Verhältnis von Sehen und Hören in der Novelle Jahn, Das Hörbarwerden des unerhörten Ereignisses, S. 29: »So bleibt auch dieses letzte Ereignis als ein unerhörtes Ereignis [für einen Großteil des Personals, F.S.] unerhört, auch ungesehen, und nur die Tierbändigerfamilie, der Burgwärter, aber auch der Leser vermögen das Unerhörte zu hören«. Gerhard Neumann, Fernrohr und Flöte, S. 137. Albrecht Koschorke, Zur Epistemologie der Natur/Kultur-Grenze, S. 10.
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Kraft und kulturelle Zähmung – bleibt dem Löwen jedoch zu eigen. Er ist nicht »wie der Überwundene, denn seine Kraft blieb in ihm verborgen, aber doch wie der Gezähmte, wie der dem eigenen friedlichen Willen Anheimgegebene« (30). Im liminalen Raum des Stammschlosses treffen sich Tier und Mensch, Natur und Kultur an ihrer gemeinsamen Grenze, die ebenso trennt wie sie verbindet. Denn das Kind, Akteur der Natur, interagiert mit einem kulturell aufgeladenen Löwen, der selbst weniger Tier denn »animot«⁸¹ ist. Vom Löwen geht in der Novelle nicht die geringste Aggression aus – tierhaft und wild ist er nur in Zuschreibungen von Erzähler und Figuren. Diese kennzeichnen ihn als »Tyrann« (so der Erzähler, 534) oder »gefährliche[s] Tiere« (so Wärtel, 533). Der Löwe ist, ganz im derridaschen Sinne, die »Chimäre«,⁸² in der verschiedenste kulturell-vorskizzierte Bilder und Stereotype vom Wilden konvergieren. Die chiastische Verschränkung von naturhaftem Menschen und anthropomorphem Tier zeugt von einem morphologischen Natur- und Kulturmodell. Es begreift Natur und Kultur sowie Mensch und Tier als kontinuierlich sich auseinander formende Prinzipien.
Fazit Wird der Novelle mit einem kulturtheoretischen und narratologischen Blick begegnet, so zeigt sie sich als ein Schauplatz einer Verhandlung von Natur und Kultur. Es ist dies eine Verhandlung, die auf der Folie der Morphologie stattfindet. Denn im literarischen Modus umkreist die Novelle – so wie die Morphologie im naturwissenschaftlichen – die Frage nach dem Primat von Kultur oder Natur. Dabei werden die Grenzen zwischen Natur und Kultur, zwischen Mensch und Tier nicht abgesteckt, sondern unterwandert und dekonstruiert: Natur ist Produkt kulturell-determinierter Wahrnehmung, Kultur Verlängerung der Natur. Goethes Novelle darf somit als paradigmatischer Analysegegenstand einer ›morphologischen Narratologie‹ gelten, die Regularien und Prämissen der goetheschen Morphologie als Impulse für die Textanalyse wahrnimmt. Schnell wird dabei deutlich: Die Gesetzmäßigkeiten der Morphologie – mitsamt ihren Implikationen für das Verhältnis von Mensch und Natur – werden in der Novelle nicht nur behauptet, sondern narrativ exemplifiziert. Denn Goethes spätes Prosastück weist eine morphologische Struktur quer durch alle narratologischen Kategorien auf: Raum, Wahrnehmung, Motivierung. Historische Konzepte und Theoriebildungen
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Jacques Derrida, Das Tier, das ich also bin. Aus dem Französischen von Markus Sedlaczek, Wien 2010, S. 71. Ebd.
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wie die Morphologie schlagen sich in konkreten Erzählstrategien und narrativen Verfahren nieder. An diese Untersuchung ließen sich weitere anschließen, darunter eine (literar)historische und eine systematische: Was bedeutet der Gleichklang von Naturwissenschaft und Kunstproduktion für die Ästhetiken des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts? Wie verhält sich Goethes universelles morphologisches Modell etwa zu den Universalpoesien der Romantiker? Und: Können, neben Morphologie und Novelle, weitere, auch aktuelle Schauplätze einer Verhandlung von Natur und Kultur ausgemacht werden? Denn auch heute bilden naturwissenschaftliche Theorien kulturelle Raster ab, sind diskursive und narrative Begegnungsorte von Natur und Kultur. Diese Disziplinen heißen nun nicht mehr Morphologie, sondern etwa Genetik oder Biotechnologie.
christiane baumann
die »vorkämpfer« des deutschen naturalismus und ihre bemühungen um den verleger cotta
Die Frühphase des deutschen Naturalismus Studien zu den Anfängen des deutschen Naturalismus sind wenig populär. Während eine Vielzahl von Arbeiten sich der Zeit ab 1889 widmet,¹ wird die Entstehungsphase dieser Literaturbewegung in einschlägigen Werken als hinlänglich bekannt betrachtet. Einschätzungen, die Forschung sei über die Frühphase »recht gut informiert«,² überdies könne der »Frühnaturalismus« im Programmatischen als »Leerformel« gelten,³ lassen den Gang ad fontes nicht ergiebig erscheinen. Für Irritationen sorgt demgegenüber die zeitliche Fixierung des »Frühnaturalismus«, die in der Forschung zwischen 1877 / 1878, als die Brüder Heinrich und Julius Hart ihre ersten Zeitschriften Deutsche Dichtung und Deutsche Monatsblätter herausgaben, und 1887 – dem Jahr der Veröffentlichung von Georg Hauptmanns novellistischer Studie Bahnwärter Thiel – variiert. In diesem Zeitfenster erfahren Wilhelm Friedrich als »frühnaturalistischer Verleger« und die Kritischen Waffengänge (1882–1884) der Brüder Hart als »wichtigste[s] Organ des deutschen Frühnaturalismus« ihre Zuordnung.⁴ Die neben den Berliner Monatsheften für Literatur, Kritik und Theater (1885) der Gebrüder Hart bedeutendste, von Michael Georg Conrad in München herausgegebene Programmschrift Die Gesellschaft (1885 ff.) findet sich als »bajuwarische[r] Vorposten der frühnaturalistischen
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Es sei exemplarisch auf Studien von Wolfgang Bunzel, Jutta Kolkenbrock-Netz, Günther Mahal, Theo Meyer, Helmut Scheuer, Peter Sprengel und Ingo Stöckmann verwiesen. Ingo Stöckmann, Der Wille zum Willen. Der Naturalismus und die Gründung der literarischen Moderne 1880–1900, Berlin und New York 2009, S. 138. Günther Mahal, Naturalismus, München 1975, 2. Aufl., S. 42. Manfred Hellge, Der Verleger Wilhelm Friedrich und das »Magazin für die Literatur des Inund Auslandes«. Ein Beitrag zur Literatur- und Verlagsgeschichte des frühen Naturalismus in Deutschland, Frankfurt a. M. 1976, Sp. 796. Theo Meyer, Theorie des Naturalismus, Stuttgart 1984, S. 17.
die »vorkämpfer« des deutschen naturalismus
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Bewegung« verortet.⁵ Ein Hauptmann-Gedicht von 1887, Der Wächter, rangiert unter dem Stichwort »Frühnaturalismus«.⁶ Grund für die Verwendung des Begriffes »Frühnaturalismus« für einen Zeitraum von zehn Jahren sind unterschiedliche methodische Ansätze. Die Reduzierung des Naturalismus auf seine literarisch gültigen Werke verschiebt seine Anfänge in die Zeit Ende der 1880er Jahre, in denen sich die naturalistische Methode mit Hauptmanns Bahnwärter Thiel, seinem Drama Vor Sonnenaufgang (1889) oder Hermann Sudermanns Roman Frau Sorge (1887) zu etablieren begann. Hier bietet sich ästhetisch Gültiges als Forschungsgegenstand an, was auch die Konzentration von wissenschaftlichen Studien auf das Jahrzehnt von 1885 bis 1895 erklärt. Die Folge ist eine Kanonisierung des Autorenensembles, das für den Naturalismus in Anspruch genommen und damit begründet wird, auf weniger wichtige Autoren verzichten zu können, da in der »auf das Wesentliche reduzierten Analyse« sich nicht berücksichtigte Werke der »Formgeschichte des Naturalismus« zuordnen ließen.⁷ Zum gängigen Tableau gehören der bedeutendste Repräsentant Gerhart Hauptmann sowie Arno Holz und Johannes Schlaf als Begründer des so genannten konsequenten Naturalismus. Hinzu kommen Max Kretzer, Hermann Sudermann, Max Halbe, Otto Erich Hartleben, Hermann Conradi und Conrad Alberti. Als Programmatiker und Publizist weckt neben den Wortführern der Berliner und Münchner Zentren des Naturalismus, den Gebrüdern Hart und Michael Georg Conrad, Karl Bleibtreu wissenschaftliches Interesse. Auch die theoretischen und publizistischen Werke Wilhelm Bölsches und Leo Bergs werden einbezogen. Der auf die naturalistische Methode zielende ästhetische Ansatz, der das Gesamtphänomen »Gesellschaft« vernachlässigt, kann jedoch der naturalistischen Protest-Bewegung mit ihrer sozial- und kulturkritischen Haltung sowie ihrem antitraditionellen Bewusstsein, die ihren Anfang mehr als zehn Jahre vor den ästhetisch bleibenden Zeugnissen nahm, nicht gerecht werden. Hier erweisen sich Untersuchungen als produktiv, die den Naturalismus als Revolte der jungen Generation im gründerzeitlichen Kaiserreich nach 1871 fundieren und die Anfänge der Bewegung in den sozialpolitischen Kontext nach der Reichsgründung stellen, wodurch die 1870er und frühen 1880er Jahre als »Frühphase des Naturalismus« in den Blickpunkt des Forschungsinteresses geraten.⁸ Unter dieser Prämisse ist Heinrich Harts berühm5 6 7 8
Leo Berg, Im Netzwerk der Moderne. Briefwechsel 1884–1891, Kritiken und Essays zum Naturalismus, hg. von Peter Sprengel, Bielefeld 2010, S. 23. Peter Sprengel, Gerhart Hauptmann – Bürgerlichkeit und großer Traum. Eine Biographie, München 2012, S. 127. Hanno Möbius, Der Naturalismus. Epochendarstellung und Werkanalyse, Heidelberg 1982, S. 7. Rüdiger Bernhardt, Die Programmschriften des frühen deutschen Naturalismus, in: Weimarer Beiträge, hg. von Siegfried Rönisch u. a., Jg. 28 (1982), H. 7, S. 5–34, hier S. 6. Vgl. auch
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ter Essay Neue Welt, der die Zeitschrift Deutsche Monatsblätter 1878 eröffnete, Ausgangspunkt naturalistischer Programmbildung, deren politisch-soziale Hintergrundfolie Kulturkampf, Sozialistengesetz und die Verschärfung der sozialen Widersprüche im Deutschen Kaiserreich nach dem Gründerkrach 1873 waren und die darauf abzielte, in der Verbindung von Kunst und Wissenschaft, die unter anderem mit Darwins und Haeckels Entwicklungslehre sowie Taines Milieutheorie bahnbrechende Leistungen aufweisen konnte, dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt in Kunst und Literatur eine adäquate Antwort entgegenzusetzen, womit insbesondere ausländische Vorbilder wie Zola, Ibsen und Turgenjew als Bezugspunkt wichtig wurden. Macht dieser Forschungsansatz einerseits die Herausbildung naturalistischer Programmatik und Literatur in ihrer Prozesshaftigkeit sichtbar, so wirft er andererseits die Frage auf, wie sich der kulturkritische Protest der jungen Generation im Widerstreit mit Staat, politischen Institutionen und Kirche allmählich gegen soziale Strukturen durchsetzte, bis er um 1890 zu ästhetisch gültigen Zeugnissen führte. Dieser methodische Ansatz berücksichtigt außerästhetische Zusammenhänge und betrachtet den Autor im Spannungsverhältnis von künstlerischem Selbstverständnis und Publikum, Politik und Gesellschaft, sowie kulturpolitischen Instanzen wie Verlagen und Theaterinstitutionen. Dabei sind auch Schriftsteller einzubeziehen, die im ästhetischen Sinne unbedeutend und heute nahezu vergessen sind, denen in der Anfangszeit der naturalistischen Bewegung als zeitweise Mitstreiter, Begleiter und Netzwerker jedoch Bedeutung zukam. Horst Claus konstatierte zuerst als das »Plus des Frühnaturalismus« die »Eroberung stofflichen Neulandes« und verwies damit für die konstituierende Phase des Naturalismus auf das Primat inhaltlicher Neuorientierung, womit sich für ihn Namen verbanden, die in literaturgeschichtlichen Darstellungen, wenn überhaupt, nur als Randerscheinung rangieren: Alfred Friedmann, Richard Voß, Ernst von Wildenbruch, Wilhelm Walloth und Hermann Heiberg.⁹ Mit dieser Perspektiverweiterung auf den literarischen Prozess, die die in Untersuchungen beklagte »Beschränkung auf eine Handvoll exemplarischer Texte« und Autoren aufbricht,¹⁰ eröffnen sich der Naturalismus-Forschung neue Zugänge. Manfred Hellge verwies im Zusammenhang mit dem Verleger Wilhelm Friedrich
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ders., Sieg und Überwindung des Naturalismus. Gerhart Hauptmanns soziales Drama »Vor Sonnenaufgang«, in: Klassiker der deutschen Literatur. Epochen-Signaturen von der Aufklärung bis zur Gegenwart, hg. von Gerhard Rupp, Würzburg 1999, S. 117–160 sowie Klaus Michael Bogdal, Schaurige Bilder. Der Arbeiter im Blick des Bürgers am Beispiel des Naturalismus, Frankfurt a. M. 1978. Horst Claus, Studien zur Geschichte des deutschen Frühnaturalismus. Die deutsche Literatur von 1880–1890, Halle 1933 (Diss.), S. 38. Ingo Stöckmann, Naturalismus. Lehrbuch Germanistik IX, Stuttgart und Weimar 2011, S. VIII.
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schon vor Jahren darauf, dass das »etablierte Epochenbild des deutschen Naturalismus – insbesondere für die noch kaum erforschte Frühzeit – der Korrektur und Differenzierung bedarf«.¹¹ Hierbei ist der Herausbildung eines naturalistischen Bewusstseins in den 1870er Jahren nachzufragen, um zu subtileren Darstellungen der Anfänge der Bewegung zu gelangen und präfigurierende Aspekte in Publizistik und Literatur herauszufiltern. Ressentiments gegenüber dem Frühnaturalismus als Forschungsgegenstand, vor allem aber die methodische Einengung auf den ästhetisierenden Ansatz und Epochebegriff haben nicht nur zu einer Entpolitisierung der naturalistischen Bewegung per se beigetragen, sondern insbesondere den Zugang zur Erforschung ihrer Anfänge, die als gesamtkultureller Erneuerungsversuch zu verstehen sind, verstellt. Mit dem hier verfolgten soziologisch intendierten Vorgehen geraten die »Vorkämpfer« des Naturalismus, eine Gruppe von in den 1850er Jahren geborenen Autoren, und ihr Netzwerk der 1870er Jahre in den Fokus des Forschungsinteresses. Ihre Beziehungen zum Cotta-Verlag, dem seinerzeit bedeutendsten Verlag nicht nur in Deutschland, sollen unter Heranziehung bislang unveröffentlichter Briefe und Dokumente untersucht werden.
Die »Vorkämpfer« des deutschen Naturalismus und ihr Netzwerk Die frühen naturalistischen Zeitschriften der Brüder Hart, Deutsche Dichtung (1877) und Deutsche Monatsblätter (1878–1879), waren keine singuläre Erscheinung, sondern Teil eines in Profil und Intention vergleichbaren Zeitschriftenensembles, das zwischen 1877 und 1881 naturalistische Programmatik vorbereitete.¹² Ab 1877 bildete sich um die Berliner Köpfe des Naturalismus Heinrich Hart (1855–1906) und Julius Hart (1859–1930) sowie um die Herausgeber und Mitarbeiter dieser zumeist kurzlebigen Zeitschriften – Allgemeine Literarische Correspondenz für das gebildete Deutschland (Leipzig 1877–1881), Dramaturgische Blätter (Leipzig 1877–1879), Mehr Licht! (Berlin 1878–1879) und Die Literatur (Berlin 1880) – in Berlin und Leipzig ein Netzwerk junger oppositioneller Autoren. Diese Autoren verband kein Programm oder Verein. Sie trafen sich in ihrem Streben nach sozialen Reformen, nach einer geistigen Erneuerung des Literatur- und Kunstbetriebs im Kaiserreich und nach einer modernen deutschen Nationalliteratur. Ihre Zeitschriften waren der Versuch, ihre Bestrebungen zu institutionalisie-
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Manfred Hellge, Der Verleger Wilhelm Friedrich, Sp. 796. Christiane Baumann, Die »Vorkämpfer« des deutschen Naturalismus – frühe Netzwerke und Zeitschriften Ende der 1870er Jahre, in: Studia Niemcoznawcze, hg. von Lech Kolago, Bd. 52 (2013), S. 215–239.
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ren, ein Vorgang, der die naturalistische Bewegung bis in die 1890er Jahre prägen sollte. Man unterstützte sich mit Beiträgen, warb für die Journale, führte aber auch einen mitunter kontroversen Diskurs zu politischen, sozialen und künstlerischen Fragen, zu Naturwissenschaften und Philosophie, zur Gründerzeitliteratur sowie zu möglichen Vorbildern einer modernen deutschen Nationalliteratur. Herausgeber und redaktionell Verantwortliche dieser Blätter waren neben den Brüdern Hart die Schriftsteller und Publizisten Johannes Proelß (1853–1911, Allgemeine Literarische Correspondenz), Wilhelm Henzen (1850–1910) und Otto Hammann (1852–1928, beide Dramaturgische Blätter), der Journalist und Herausgeber Silvester Frey (*1851, Mehr Licht!) sowie der Schriftsteller Max Stempel (1857–1929, Die Literatur).¹³ Selbst keine Naturalisten waren sie frühe Wegbegleiter der Harts, sympathisierten mit naturalistischen Positionen und nahmen diese sowie spätere Naturalisten in ihre Blätter auf. Zu den Netzwerkern der Zeitschriften zählten Joseph Kürschner (1853–1902), dessen Literaturkalender bis heute als »der Kürschner« ein Begriff ist, sowie der Schriftsteller Hans Herrig (1845–1892). Als wichtige Beiträger finden sich der spätere Wortführer der Münchner Naturalisten Michael Georg Conrad (1846–1927), Karl Bleibtreu (1859–1928), dessen Revolution der Literatur 1886 für Aufsehen sorgte, die Schriftsteller Peter Hille (1854–1904), Ernst von Wildenbruch (1845–1909) und Richard Voß (1850–1918), der Autor Alfred Friedmann (1845–1923), der Schriftsteller und Pädagoge Karl Kehrbach (1846–1905), die Autoren Oskar Linke (1854–1928), Wolfgang Kirchbach (1857–1906), Hermann Heiberg (1840–1910) sowie der später als deutscher Zola gefeierte Max Kretzer (1854–1941).¹⁴ Gemeinsame soziale Grunderfahrungen prägten diese Autorengruppe und wirkten identitätsstiftend. Geboren in den 1850er Jahren oder früher hatten sie den Deutsch-Französischen Krieg bewusst, zum Teil an der Front, miterlebt und setzten bereits in den 1870er Jahren der Kriegsverherrlichung nach der Reichsgründung einen aus erfahrener Kriegsgräuel genährten Pazifismus entgegen. Den »krieg soll der teufel holen«, schrieb Kürschner.¹⁵ Linke beklagte das »traurig Heldenlos«.¹⁶ Voß prangerte den Krieg als »Verbrechen« an.¹⁷ Schrieb J. Proelß
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Silvester Frey ist das Pseudonym für Emil Eppenstein, der später Redakteur der Zeitschrift »Tierbörse« wurde. Richard Voß wurde nicht 1851 geboren, wie Lexika ausweisen, sondern laut Eintragung im Kirchenbuch 1850. Zit. n. Rudolf Wilhelm Balzer, Aus den Anfängen schriftstellerischer Interessenverbände. Joseph Kürschner: Autor – Funktionär – Verleger, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Frankfurt a. M. 1977 (Bd. XVI), Sp. 1482. Oskar Linke, Jesus Christus. Eine Dichtung, Bremen 1880, S. 175. Richard Voß, Nachtgedanken auf dem Schlachtfelde von Sedan, Jena 1871, S. 26.
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von den Deutschen, die »vom Kriege, von Raub und Plünderung« lebten,¹⁸ so forderte Conrad »Abscheu vor dem Völkermord«.¹⁹ Das Kriegserlebnis schlug sich vielfach als Zäsur nieder. Gebrochene Biografien waren die Folge. Herrig kehrte nicht mehr in den Staatsdienst zurück und wurde Journalist. Voß begann in Jena wie Proelß, Henzen und Kehrbach zu studieren, brach jedoch die akademische Ausbildung ab, um sich der Literatur zuzuwenden. Auch Proelß, Henzen und Kirchbach beendeten ihre Studien nicht, sondern wechselten zur Literatur beziehungsweise zum Journalismus. Linke, der wie die Harts, Bleibtreu, Wildenbruch und Kirchbach 1885 in das naturalistische Lyrik-Manifest, die Anthologie Moderne Dichter-Charaktere, Aufnahme fand, gab 1877 seine akademische Laufbahn auf und wurde Schriftsteller. Max Stempel, Richard Voß und Ernst von Wildenbruch gehörten 1877 zur Berliner Bohème der Brüder Hart, deren bevorzugte Hörsäle »Straße, Kneipe und Kaffeehaus, zuweilen auch der Reichstag« Berlins waren.²⁰ Schon frühzeitig tauschte man sich in Lesezirkeln über »Dichtungen, in denen der Sturm und Drang geistiger Revolutionsepochen gärte«,²¹ aus und hing wie die Harts und Hille mit ihrem Schülerbund »Satrebil«, in der Umkehrung Libertas, den Ideen der Französischen Revolution an. Diese junge Generation prägten »der neuzeitige Materialismus, die revolutionäre Dichtung und die mechanistische Wissenschaft« bereits zehn Jahre früher als die für den Naturalismus in Anspruch genommene Generation der in den 1860er Jahren Geborenen.²² Die Schriften Darwins, Haeckels, Schopenhauers und Eduard von Hartmanns gehörten zu den entscheidenden Lektüreerlebnissen, die zu einem materialistischen Geschichtsverständnis und zur Absage an die christliche Theologie führten. Mit ihren antiklerikalen Positionen versuchten sich diese jungen Autoren in den Zeiten des Kulturkampfes Gehör zu verschaffen. Zu nennen sind Proelßʼ Skizzen Am Meer (1878), Voßʼ Scherben. Gesammelt vom müden Manne (1878 ff.) und Moralische Kleinigkeiten aus dem Schooße der alleinseligmachenden Kirche (1879), Conrads Spanisches und Römisches (1877), Kirchbachs Märchen (1879) und Linkes Lyrikband Blumen des Lebens (1876) sowie sein Jesus Christus (1880). Die journalistischen und literarischen Anfänge dieser »Jungen« fielen in die 1870er Jahre. Sie sahen sich mit den Auswirkungen des Gründerkrachs nach 18 19 20 21
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Johannes Proelß, Am Meer. Seaside-Skizzen und Nordsee-Bilder, Leipzig 1878, 2. Aufl., S. 142. Michael Georg Conrad, Parisiana. Plaudereien über die neueste Literatur und Kunst der Franzosen, Breslau und Leipzig 1880, S. 311. Heinrich und Julius Hart, Lebenserinnerungen. Rückblicke auf die Frühzeit der literarischen Moderne, hg. von Wolfgang Bunzel, Bielefeld 2006, S. 29. Johannes Proelß, Autobiographische Skizze, in: Für unser Heim. Bunte Spenden deutscher Dichter und Denker der Gegenwart für das Deutsche Schriftstellerheim in Jena, hg. von Timon Schroeter, Leipzig 1902, S. 251. Johannes Schlaf, Aus meinem Leben. Erinnerungen, Halle (Saale) 1941, S. 18.
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1873 unmittelbar konfrontiert, verloren, wie Voß und Kürschner, sogar ihr Vermögen. Verunsichert in einem neu gegründeten Kaiserreich, das seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Europa ausbaute, erlebten sie Armut, Elend und Ausgrenzung als Auswirkungen von Krieg, Industrialisierung und sich verschärfender sozialer Widersprüche. Selbst oftmals in prekären materiellen Verhältnissen lebend und sensibilisiert für die Not der Massen sowie soziales Außenseitertum, nahmen sie die gesellschaftlichen Veränderungen nicht nur auf, sondern formulierten ihre Kritik an Staat, Kirche, Militarismus, sozialem Elend, Zensur und Sozialistengesetz, dabei programmatisch auf der Suche nach einer modernen, die Konflikte und Themen der Gegenwart gestaltenden Literatur. Das brachte sie in den 1870er Jahren in Opposition zu der die Reichsgründung und den Krieg bejubelnden offiziellen Meinung sowie in Konflikt mit der Zensur und führte wie im Falle von Conrad und Voß zu Literaturverboten und Veröffentlichungen im Ausland. Der etablierte Zeitschriften- und Buchmarkt blieb den jungen Autoren weitgehend verschlossen. Um nur einige Beispiele zu nennen. Versuche von Voß ab 1875 in der liberalen Wiener Neuen Freien Presse Fuß zu fassen, scheiterten.²³ Im Sommer 1876 reichte er bei der Wochenschrift Die Gegenwart, die Paul Lindau herausgab,²⁴ einen Artikel ein, der abgelehnt wurde.²⁵ Der 17-jährige Kirchbach wandte sich 1874 ebenfalls erfolglos an Lindau mit der Bitte, einige seiner Verse in der Gegenwart zu publizieren.²⁶ Kürschner, der 1874 im Feuilleton der Deutschen Bühnen-Genossenschaft untergekommen war, bemühte sich sowohl zu Lindau als auch zu Julius Rodenberg,²⁷ dem Herausgeber der bedeutendsten Kulturzeitschrift im neuen Reich, der Deutschen Rundschau, ab 1875 um Kontakt, was jedoch nicht zu den erhofften Redaktionsbeteiligungen führte. Er zog es schließlich vor, »bei der Neugründung eines Blattes ein Unterkommen zu finden, als sich weiter bei anderen Zeitschriften vergeblich zu bemühen«.²⁸ 1877 traf Kürschner auf die Brüder Hart, wurde Mitarbeiter ihrer ersten Zeitschrift Deutsche Dichtung und fand in ihnen Partner für seine Anliegen, eine sozial orientierte Berufsorganisation der Schriftsteller zu schaffen sowie
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Voß veröffentlichte vermutlich unter dem Kürzel »V.« 1876 drei Beiträge in der Wiener Neuen Freien Presse. Paul Lindau (1839–1919), erfolgreicher Schriftsteller, Journalist und Theaterleiter. Richard Voß an Paul Heyse, Bergfrieden, 2. August 1876, Bayerische Staatsbibliothek München, Heyse-Archiv VI, Voss, Bl. 9. Zitate aus Briefen werden in Schreibweise und Interpunktion nach den Originalhandschriften wiedergegeben. Wolfgang Kirchbach an Paul Lindau, Dresden, 22. November 1874, Marbach, Deutsches Literaturarchiv, im Folgenden zitiert: DLA, A: Lindau, 59.771. Julius Rodenberg (1831–1914), Journalist und Schriftsteller, gründete 1874 das Monatsjournal Deutsche Rundschau. Rudolf Wilhelm Balzer, Aus den Anfängen schriftstellerischer Interessenverbände, Sp. 1466.
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erstmals die zeitgenössischen Autoren in einem jährlichen Deutschen Literaturkalender, den er 1882 von den Harts übernahm, zu verzeichnen. Seine Unternehmungen zur Gegenwartsliteratur sah der etablierte Kulturbetrieb als Konkurrenz. 1878 wurde er deshalb von der Deutschen Bühnen-Genossenschaft entlassen. Aus der skizzierten Situation resultierten jene kurzlebigen Zeitschriften, die ab 1877 von den jungen, auf den Markt drängenden Autoren initiiert wurden. Als 1881 das letzte dieser Zeitschriftenprojekte, die Allgemeine Literarische Correspondenz für das gebildete Deutschland, vor dem finanziellen Aus stand, verwies der Herausgeber Johannes Proelß darauf, dass es in Deutschland einem solchen Literaturblatt »völlig an Odem« gebrechen würde, »ohne den Rückhalt einer großen Firma, die aus dem Verlegen desselben einen schönen und edlen Luxus machen müsste«.²⁹ Die Harts betrachteten sich mit dem Blick auf die ausgehenden 1870er Jahre als »Mittelpunkt der literarischen Bewegung«.³⁰ Ihre Kritischen Waffengänge waren die programmatische Essenz einer seit 1877 intensiv und kontrovers geführten publizistischen Debatte zu modernem Roman und Drama, zu möglichen literarischen Vorbildern im In- und Ausland, zu literarischem Epigonentum, zum Theaterwesen und zur Kritik sowie zum Verhältnis von Literatur und Wissenschaft. An diesem Diskurs hatten ihre Wegbegleiter wesentlichen Anteil. Johannes Proelß bezeichnete sich und seine Mitstreiter als »Progonen, Vorkämpfer einer neuen Zeit«.³¹ Führende Naturalisten wie Hermann Conradi kamen ebenfalls zu diesem Urteil und sahen in Heiberg, Kirchbach, Linke, Voß und Wildenbruch »Vorkämpfer« der naturalistischen Bewegung.³² Auch Eugen Wolff, als Begründer des naturalistischen Vereins Durch in Berlin unter den Jüngstdeutschen in exponierter Stellung, würdigte in seiner Literaturgeschichte die Gebrüder Hart, Kirchbach, Conrad und Bleibtreu als »Bahnbrecher«, die für ihre Bestrebungen »geistig gelyncht wurden«.³³ Er verwies zu Recht darauf, dass Gerhart Hauptmann Jahre später das »als Kennzeichen von ungewöhnlicher Befähigung und bahnweisender Originalität« angerechnet wurde,³⁴ was einst zur Verurteilung
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Johannes Proelß, Unser Abschiedswort an unsere Leser, Mitarbeiter und Freunde, in: Allgemeine Literarische Correspondenz für das gebildete Deutschland. Eine Rundschau über das geistige Leben der Gegenwart, hg. von Johannes Proelß und Julius Riffert, Bd. 8 (1881), Nr. 12, S. 177–178, hier S. 178. Heinrich und Julius Hart, Lebenserinnerungen, S. 28. Johannes Proelß, Unsre Hoffnungen und unsre Ziele. Ein Rückblick auf das Literaturjahr 1880, in: Allgemeine Literarische Correspondenz für das gebildete Deutschland, Bd. 7 (1881), Nr. 7, S. 97–99, hier S. 98. Hermann Conradi, Ich bin der Sohn der Zeit. Ausgewählte Schriften, hg. von Rüdiger Bernhardt, Leipzig und Weimar 1983, S. 174. Eugen Wolff, Geschichte der deutschen Literatur in der Gegenwart, Leipzig 1896, S. 78. Ebd.
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der »Vorkämpfer« geführt hatte. Von den frühen naturalistische Programmatik vorbereitenden Zeitschriften gingen jene in die Literaturgeschichte ein, die die Wortführer der Berliner Naturalisten, die Harts, zu verantworten hatten, nicht zuletzt auch, weil sie mit ihren Aktivitäten in allen Berliner Gruppenbildungen des Naturalismus bis in die 1890er Jahre eine wichtige Rolle spielten und Popularität erlangten. Die anderen Zeitschriftenprojekte gerieten in Vergessenheit, zumal sich ihre Herausgeber und viele ihrer Mitstreiter bereits nach dem Erlass des Sozialistengesetzes neu orientierten und aus der naturalistischen Bewegung ausschieden. Gestaltete sich die Aufnahme in etablierte Zeitschriften ausgesprochen schwierig, so wirkte die beschriebene Situation für Buchveröffentlichungen der »Vorkämpfer« wie eine nahezu unüberwindliche Barriere. Conrad erinnerte sich, dass die Jüngstdeutschen »in der großen vaterländischen Presse, im Norden wie im Süden, im Westen wie im Osten, verschlossene Türen« fanden und konstatierte: »Wir konnten zwar Bücher und Broschüren schreiben, aber den Weg ins Volk fanden wir nicht damit.«³⁵ Ähnlich äußerte sich Julius Hart. Er bezeichnete Verleger und Redakteure als »Zerberusse, die den Eingang zum Weg der freien Kunst und Schriftstellerei bewachten« und Publikationen der jungen oppositionellen Autoren systematisch verhinderten.³⁶ Das wirft die Frage auf, ob die in der Naturalismus-Forschung vertretene These des zeitlichen Nacheinanders von pamphletisch-kulturkritischer Positionierung und literar-ästhetischer Realisierung des künstlerischen Protests der Jüngstdeutschen aufrechterhalten werden kann, ob nicht vielmehr Zensur und etablierte Verlage das parallele Erscheinen literarischer Werke wenn nicht boykottierten,³⁷ so zumindest behinderten und die zeitgleich zur Publizistik entstandenen literarischen Texte, die dort inhaltlich anknüpften, wegen ihres sozialkritischen Potenzials ablehnten. Verlegt in unbedeutenden oder ausländischen Verlagen wurden die zugegebenermaßen aus ästhetischer Sicht weniger beachtenswerten, im Stofflichen jedoch brisanten Texte aus der Literaturgeschichtsschreibung von den später ästhetisch gültigen verdrängt, zumal sie oftmals schwer oder nicht mehr auffindbar waren. Ein Indiz, dass diese Annahmen zutreffen könnten, ist, dass die in dem Netzwerk miteinander agierenden jungen Autoren sich nahezu ausnahmslos in den 1870er Jahren an den renommierten Cotta-Verlag wandten, um bei ihm mit literarischen Werken Aufnahme zu finden.
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Michael Georg Conrad, Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Erinnerungen zur Geschichte der Moderne, Leipzig 1902, S. 74. Heinrich und Julius Hart, Lebenserinnerungen, S. 137. Vgl. hierzu Peter Sprengel, Gerhart Hauptmann. Epoche – Werk – Wirkung, München 1984, S. 36.
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Die nach der Reichsgründung 1871 in den literarischen Prozess eintretende, in den 1850er Jahren geborene Autorengruppe propagierte zunächst einen geistig-kulturellen Aufbruch, wurde in ihren Erwartungen jedoch schnell von den politisch-sozialen Entwicklungen im Bismarck-Staat eingeholt. Enttäuschung und Kritik am Staat und seinen Institutionen sowie der Kirche artikulierten diese Autoren bereits Mitte der 1870er Jahre in publizistischen Texten. Der Zugang zu etablierten Presseorganen oder Verlagen blieb ihnen jedoch weitgehend versperrt. Die Folge war ab 1877 die Gründung eigener Zeitschriften in Berlin und Leipzig, die das Zentrum eines Autorennetzwerkes bildeten, das auf gemeinsamen politischen und kulturkritischen Ambitionen fußte. Nach dem Erlass des Sozialistengesetzes brach dieses frühe Autorennetzwerk 1879 / 1880 auseinander. Zahlreiche Protagonisten des Netzwerkes fanden mit ihren literarischen Texten ab 1880 beim Leipziger Verleger Wilhelm Friedrich Aufnahme. Anhand ihrer Kontakte zum Cotta-Verlag kann exemplarisch nachgezeichnet werden, auf welche Widerstände die »Bahnbrecher« des Naturalismus im Verlagsbetrieb der 1870er Jahre stießen.
Kontakte und Beziehungen der »Vorkämpfer« des Naturalismus zum Cotta-Verlag Der traditionsreiche Cotta-Verlag, dessen Anfänge ins siebzehnte Jahrhundert zurückreichen, entwickelte sich über mehrere Generationen zu einem Unternehmen mit Weltruf. Dieser Erfolg ging auf den umtriebigen Johann Friedrich Cotta (1764–1832) zurück, der durch die Verbindung zu Goethe und Schiller und den Erwerb der Rechte auf ihre Gesamtausgaben zum Verleger der Klassik avancierte. Auch Uhland, Kerner, Lenau, Platen und andere bedeutende Dichter band er an seinen Verlag, so dass sein Sohn Georg von Cotta (1796–1863) bei Verlagsübernahme einen erstrangigen Autorenbestand vorfand und nach dem Erwerb der Rechte an Klopstock, Lessing und Wieland 1853 die Volksbibliothek deutscher Klassiker etablieren konnte, mit der er erstmals auch weniger bemittelte Schichten als Zielpublikum einschloss. Unter seiner Ägide erhielt das wissenschaftliche Verlagsprofil ein größeres Gewicht. Heinrich Heine und Ludwig Börne, die schon unter seinem Vater als Korrespondenten tätig waren, finden sich in den cottaschen Journalen als wichtige Autoren ebenso wie die Vertreter des Jungen Deutschland Karl Gutzkow, Heinrich Laube und Ludolf Wienbarg, wobei diese Modernen nur »zögernd« Einzug in den Buchverlag hielten.³⁸ Georg von Cottas 38
Cotta und das 19. Jahrhundert. Aus der literarischen Arbeit eines Verlages, hg. von Dorothea Kuhn, unter Mitarbeit von Anneliese Kunz und Margot Pehle, Marbach 1995 (Marbacher Kataloge Nr. 35), 2. Aufl., S. 75.
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Verhältnis zu den Autoren des Jungen Deutschland war zwiespältig. Wenn er nach dem Verbot ihrer Schriften durch die Frankfurter Bundesversammlung 1835 dem inhaftierten Gutzkow weiterhin in der Allgemeinen Zeitung eine Plattform bot, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Redakteur seines Literaturblattes, Wolfgang Menzel, mit seiner denunzierenden Kampagne in diesem Journal maßgeblich zu dem Verdikt beigetragen hatte. Cotta wies zudem in einem Brief an Wienbarg auf seine eigene Haltung »als Christ«, der sich »strenge an das Dogma halte«,³⁹ womit er seinen Konservatismus unterstrich. Dass ein solches Bekenntnis des Verlegers in Zeiten scharfer Zensur und »Briefspionage« auch als Schutzbehauptung gelten konnte,⁴⁰ sei dahingestellt. Die Naturalisten, die sich später bezugnehmend auf den Epochenbegriff des Jungen Deutschland als Jüngstdeutsche bezeichneten, betrachteten vor allem Heine und Gutzkow als literarische Bezugsfiguren. Insofern kann es nicht verwundern, dass die »Bahnbrecher« des Naturalismus in den 1870er Jahren bestrebt waren, zum renommierten Verleger Carl von Cotta (1835–1888) Kontakte zu knüpfen, zumal sich damit die Hoffnung auf eine gesicherte wirtschaftliche Existenz verband. Carl von Cotta, der 1863 an die Spitze des Unternehmens trat, vermochte allerdings »dem schöngeistigen Verlag nur wenige neue Autoren« zu gewinnen.⁴¹ Nach der Reichsgründung sah er sich mit einer sich rasant verändernden Verlagslandschaft konfrontiert. So stieg die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen zwischen 1871 und 1880 um rund 30 Prozent.⁴² Machte 1871 die »schöne Literatur« nur neun Prozent der Gesamtproduktion aus, so erhöhte sich dieser Anteil im ersten Jahrzehnt des Kaiserreichs ebenfalls um knapp 30 Prozent.⁴³ Die Pluralisierung der Verlagslandschaft und Konzentration neu entstehender Verlage in Berlin, das bald »die Rolle der führenden Verlagsstadt« einnahm,⁴⁴ technische Neuerungen, die billige Massenauflagen ermöglichten und das Buch zur Ware werden ließen, erforderten neue Strategien, um sich auf dem zunehmend kommerzialisierten Markt zu behaupten. 1867 waren zudem die Verlagsrechte Cottas an den deutschen Klassikern erloschen, was problematisch war, umfassten sie doch mehr als die Hälfte
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Georg von Cotta an Ludolf Wienbarg, 4. Dezember 1835, in: Cotta und das 19. Jahrhundert, S. 103. Walter Dietze, Junges Deutschland und deutsche Klassik. Zur Ästhetik und Literaturtheorie des Vormärz, Berlin 1957, S. 82. Cotta und das 19. Jahrhundert, hg. von Dorothea Kuhn, S. 75. Barbara Kastner, Statistik und Topographie des Verlagswesens, in: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, hg. von der Historischen Kommission i. A. des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Frankfurt a. M. 2003 (Bd. 1, Teil 2), S. 301. Barbara Kastner, Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 315. Monika Estermann und Stephan Füssel, Belletristische Verlage, in: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, S. 171.
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seines Verlagsprogramms.⁴⁵ Cotta bemühte sich, mit einer preiswerten Bibliothek für Alle gegenzusteuern, »die innovativen Verlage der neuen Reihen und Einzelpublikationen waren ihm jedoch in Absatzfragen und bald auch in der Qualität überlegen«.⁴⁶ 1868 verkaufte er die Göschensche Buchhandlung, 1869 die Literarisch-Artistische Anstalt. Doch hielt er an seiner »auf Tradition bedachten Geschäftspolitik« fest,⁴⁷ was zum Fehlen wichtiger zeitgenössischer Autoren wie Fontane, Storm oder Keller in seinem Verlag führte. Die Verschärfung der Zensur in den 1870er Jahren und der Erlass des Sozialistengesetzes dürften den konservativ eingestellten Carl von Cotta in seinem Kurs bestätigt haben und waren wohl kaum dazu geeignet, ihn zu ermuntern, seinen Verlag einer gegen Staat und Kirche rebellierenden jungen Autorengeneration zu öffnen. Vielmehr sah er im Verlegen biografischer und historischer Werke »sicheres« Terrain und gründete 1882 mit den Gebrüdern Kröner die Bibliothek der Weltliteratur. Anfang der 1870er Jahre hatte Carl von Cotta zeitweilig mit dem Gedanken gespielt, sich aus dem Unternehmen vollständig zurückzuziehen. Auch den Verkauf der Augsburger Allgemeinen Zeitung, des einstigen Flaggschiffs seines Verlages, erwog er. Letzteres bestätigen Briefe von Hermann Heiberg, einem der »Vorkämpfer« des Naturalismus, an den Verleger. Heiberg wandte sich im Februar 1872 an Carl von Cotta, um als Unterhändler einen möglichen Verkauf der cottaschen Augsburger Allgemeinen Zeitung zu sondieren. Dabei ging es Heiberg um finanzielle Zusagen, falls das Geschäft zustande käme, und um seine Stellung in dem künftigen politischen Blatt, das zu einem »deutschen ›Reichs Central Organ‹ in Berlin« umgestaltet werden sollte.⁴⁸ Die Idee für das politische Profil eines solchen Blattes reklamierte Heiberg für sich. Ganz offensichtlich hatte der gelernte Buchhändler nach dem Scheitern seines Schulbuchverlages eine journalistische Karriere avisiert. Zu diesem Zeitpunkt verdiente er sich bereits bei der Norddeutschen Zeitung in Berlin erste Sporen. Der Transfer kam letztlich nicht zustande. Heibergs literarischer Erstling, Plaudereien mit der Herzogin von Seeland, der Popularität erlangte, erschien 1881 in Hamburg beim Verlag Karl Grädener, der 1874 aus Boyes & Geisler entstanden war. Der noch junge Verlag trat traditionell mit einem gemischten Angebot an, das unter anderen musik- und bildungstheoretische Schriften einschloss. Im Literarischen war ein zentrales Projekt die Herausgabe von Shakespeares Werken in englischer Sprache. Deut-
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Ebd., S. 173. Ebd., S. 185. Ebd., S. 173. Hermann Heiberg an Cotta, Schleswig c/o Hamburg, 5. März 1872, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) im Folgenden zitiert: DLA / Cotta, Cotta: Briefe.
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sche Gegenwartsautoren nahmen wenig Raum ein. Heiberg wechselte 1887 mit seinem Erstling zu Wilhelm Friedrich nach Leipzig, bei dem er bereits ab 1882 als Autor unter Vertrag war. Es war Oskar Linke – von H. Hart als »liebender Schwärmer, ein Neuhumanist und Neuhellenist« charakterisiert – der sich als Erster der jungen Autoren bemühte,⁴⁹ beim Cotta-Verlag mit einem literarischen Werk unter Vertrag zu kommen. Im Oktober 1873, noch während seiner Berliner Studienzeit, sandte Linke ein »bescheidenes, phantastisches Lehrlustspiel« an Cotta.⁵⁰ Er berief sich auf im Cotta-Verlag beheimatete Vorbilder wie August von Platen, dessen Werke H. Hart später in seinem Essay Neue Welt zu den Vorarbeiten einer modernen Literatur zählte, und den Vormärz-Dichter Robert Prutz, der allerdings nur mit seinem Holberg-Band bei Cotta untergekommen war, mit der Begründung, beide hätten »die höheren Formen des Lustspiels« gepflegt. Linke bot Honorarverzicht an, denn wichtig wäre ihm, »bekannt zu werden, dieses aber in heutigen Zeiten das schwierigste« sei. Thematisch zielte er auf die Auswüchse »des modernen Schwindelwesens und Lebens« sowie den »Kunstgeschmack des Mammonpriestertums« und damit auf aktuelles Zeitgeschehen. Sein Stück sei ein »spottendes Geschoß, das sein Ziel nicht verfehlen« würde, betonte Linke und wies den Verleger auf politischen Zündstoff hin. Im Falle einer Veröffentlichung rechnete er damit, dass viele mit ihren »Recensentenklappen« nach ihm schlagen würden, aber, so Linke, das sei für Cotta »gewiß nicht zum Nachtheil, wenn nicht zum Vortheil«. Seine Bemühungen waren vergeblich. In seinem Ablehnungsschreiben vom 25. Oktober 1873 würdigte der Cotta-Verlag die Dichtung inhaltlich keines Wortes, sondern argumentierte ausschließlich formal, indem er auf anderweitige Druckvorhaben wies, die es nicht erlauben würden, weitere Verpflichtungen einzugehen. Vermutlich behagten dem Verlag angesichts der angespannten Marktlage und inmitten der einsetzenden Wirtschaftskrise sowie aufgrund der scharfen Zensur weder der unbekannte Autor noch das Thema. Sein Standard-Argument, dass er nur erfolgreich aufgeführte Stücke drucken würde, verwandte der CottaVerlag nicht. Die erste Buchveröffentlichung gelang Linke mit seiner Lyrik. Sein Band Blumen des Lebens erschien 1876 im Verlag Denicke, der 1872 den Inhaber gewechselt hatte und nach Berlin übergesiedelt war. Das Profil von Denickes Verlag Link & Reinke orientierte vor allem auf philosophische, theologische und naturwissenschaftliche Schriften, nahm Themen der modernen Naturwissenschaften auf, beispielsweise den Darwinismus, und umfasste auch Belletristik. Linkes Lyrik passte zu dem philosophisch-naturwissenschaftlichen Verlagspro49 50
Heinrich und Julius Hart, Lebenserinnerungen, S. 34. Oskar Linke an Cotta, Berlin, 18. Oktober 1873, DLA / Cotta: Briefe. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Brief.
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gramm, wie das in seiner Einleitung niedergelegte Credo zeigt. So wies er auf seine naturwissenschaftlich geprägte, freie Weltanschauung, auf die Tendenz des Bandes sowie die ihm zugrunde liegende poetische Idee, die in der Wirklichkeit wurzle, deshalb nicht in einer Ästhetik des Schönen aufgehe, sondern auch das Hässliche einschließe. Diese dem »Kampf des Lebens« verpflichtete poetische Standortbestimmung korrespondierte auffallend mit dem zeitgleich einsetzenden Publizistik-Diskurs der »Bahnbrecher« des Naturalismus und stand im Gegensatz zur klassischen Ausrichtung des Cotta-Verlages.⁵¹ Linkes bereits 1878 entstandene Dichtung Jesus Christus, die er ebenfalls als »Tendenzdichtung« betrachtete, »deren Gegenstand gerade heute jedermann interessieren muss«,⁵² druckte 1880 der Verlag J. Kühtmann in Bremen, der auch die Deutschen Monatsblätter und den Allgemeinen Deutschen Literaturkalender der Brüder Hart sowie ihre literarischen Erstlinge veröffentlichte. Allerdings verzichtete Linke auf ein Honorar und bot an, für die Deutschen Monatsblätter »unentgeltlich mancherlei Redaktionsgeschäfte zu übernehmen, kritische Arbeiten u. s. w. beizusteuern«,⁵³ wenn der Verlag seinen Jesus Christus annehmen würde. Die Dichtung stellte unter Bezug auf moderne Wissenschaften und historische Forschung der Verlogenheit des Klerus das »unverfälschte, reine Christentum« entgegen,⁵⁴ ein brisantes Thema, das sich in naturalistischer Literatur später immer wieder finden sollte. Kühtmann gab in erster Linie Schulbücher, Wörterbücher, Stadtpläne, Stadtansichten, geografische Werke und Reisebeschreibungen heraus. Daneben verlegte er Literarisches und Politisches und scheute auch die Auseinandersetzung mit der Zensur nicht. Das machte den Verlag in den 1870er Jahren teilweise zum Partner der jungen oppositionellen Autoren. Michael Georg Conrad, der spätere Wortführer der Münchner Naturalisten, wandte sich Mitte der 1870er Jahre erstmals an den Cotta-Verlag. Während seines Italienaufenthaltes bot er Anfang 1876 der cottaschen Augsburger Allgemeinen Zeitung Beiträge an, die zum Teil auch erschienen. Allerdings gestaltete sich die Zusammenarbeit schwierig. So beschwerte sich Conrad im Februar 1876 beim Stuttgarter Verlagshaus bezüglich ausstehender Honorare für die Beiträge Il Novellino und Biblioteca.⁵⁵ Es blieb wie bei Voß und der Wiener Neuen Freien Presse bei sporadischen Kontakten. Conrads sozialkritische und antiklerikale Bände Humanitas! Kritische Betrachtungen über Christentum, Wunder und Kernlied (1875) oder
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Oskar Linke, Blumen des Lebens. Fünf Bücher Gedichte, Berlin 1876, S. 5. Oskar Linke an N.N. [Kühtmann], Berlin, 12. Oktober 1879, DLA, B: O. Linke, 83.885 a. Ebd. Oskar Linke, Jesus Christus. Eine Dichtung, Bremen 1880, S. IV. Cotta an Michael Georg Conrad, 11. Februar 1875 [recte: 1876], DLA / Cotta: Copierbuch Expedition der Allgemeinen Zeitung und Buchdruckerei Augsburg 1872–1878, S. 232.
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Mehr Licht! Kritische Betrachtungen über die Freimaurerei (1877) erschienen in Zürich bei Schabelitz. Der Verlag des Schweizers Jakob Lukas Schabelitz, der von 1845 bis 1848 in England gelebt hatte und Mitglied im Bund der Kommunisten war, entwickelte sich nach seiner Gründung 1854 zu einem Anlaufpunkt für deutsche Oppositionelle, die aus Gründen der Zensur im Ausland verlegen mussten. Zu seinem Verlagsprogramm gehörten Schriften von Karl Marx, Friedrich Engels und August Bebel. Schabelitz wurde zu einer der ersten Verlagsadressen der deutschen Naturalisten. Neben Conrad veröffentlichten bei ihm in den 1870er Jahren Richard Voß, später auch Arno Holz, John Henry Mackay, Hermann Bahr sowie Otto Erich Hartleben. Conrad sah offenkundig nur die Chance, bei Cotta als Journalist unterzukommen, nicht als Schriftsteller, denn er bemühte sich mit seinen Büchern nicht um eine Aufnahme in den Verlag. Vermutlich war er davon überzeugt, dass Cotta seine Skizzen-Bände Spanisches und Römisches (1877) sowie Die letzten Päpste (1878) nicht drucken würde, erteilte er doch darin Religion und Kirche sowie der katholischen Wissenschaft als »Archäologie« eine Absage.⁵⁶ Beide Werke erschienen in Breslau bei dem jüdischen Verleger Salo Schottlaender, der seinen Verlag 1876 gegründet hatte und einer der reichsten schlesischen Grundbesitzerfamilien entstammte. Schottlaender, das größte belletristische Verlagshaus in Breslau, verfolgte die Intention, dem »etwas gesunkenen Roman-Verlag« wieder zu mehr öffentlichem Ansehen zu verhelfen,⁵⁷ edierte aber auch Essays und wissenschaftliche Publikationen. Mit seinem Prestige-Projekt, der aufwändig gestalteten Ausgabe von Ariosts Rasendem Roland, die der Münchner Dichterfürst Paul Heyse redigierte, sorgte der millionenschwere Verleger 1880 im Kaiserreich für Aufsehen. 1882 erschien bei ihm die Erstausgabe von Fontanes L’Adultera. Er verlegte Autoren wie Ludwig Anzengruber, Karl Emil Franzos, Karl Gutzkow oder Leopold von Sacher-Masoch, die von den Jüngstdeutschen als Vorbilder einer modernen deutschen Literatur geachtet waren. Der national-liberal eingestellte Schottlaender, zugleich Inhaber der Zeitung Schlesische Presse und ab 1879 der lindauschen Zeitschrift Nord und Süd, öffnete seinen Verlag jungen, sozialreformerisch und kirchenkritisch ausgerichteten Autoren wie Conrad und Voß, deren Bücher kaum als Publikumsrenner taugten, die Zensur auf den Plan riefen und zudem Geldeinbußen brachten. Der Prozess um Conrads Bände Spani-
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Michael Georg Conrad, Spanisches und Römisches. Kritische Plaudereien über Don Emilio Castelar, Pio Nono, den Vatikanischen Gott und andere kuriose Zeitgenossen, Breslau 1877, S. 233. Zit. n. Urszula Bonter, Die Breslauer Verlagsbuchhandlung von Salo Schottlaender. Eine jüdische Verlagsgründung in der frühen Phase des modernen Antisemitismus, in: Jüdisches Leben zwischen Ost und West. Neue Beiträge zur jüdischen Geschichte in Schlesien, hg. von Andreas Brämer u. a., Göttingen 2014, S. 328.
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sches und Römisches sowie Die letzten Päpste endete mit einer Geldstrafe, wie die Harts in ihrem Literaturkalender mitteilten: Am 18. Dezember 1879 ist in Breslau gegen den Buchhändler S. Schottlaender als Verleger der Conrad’schen Schriften Spanisches und Römisches und Die letzten Päpste vom Stadtgericht verhandelt und erkannt worden, dass er wegen Fahrlässigkeit (er hatte die Mskpte. durch Lektoren prüfen lassen, anstatt sie selbst zu lesen) 300 Mk. zu zahlen, die Schrift Spanisches und Römisches aber zu vernichten, in der zweiten die inkriminierten Stellen zu streichen habe. Diese Stellen sollen Gotteslästerungen und Beschimpfungen der katholischen Kirche enthalten.⁵⁸ Die Einschätzung, dass der Prozess vor dem Hintergrund des schlesischen Kulturkampfes im Kern als antisemitische Kampagne gegen den Verleger zu werten ist, dem allein die »ganze Verbissenheit« galt, vernachlässigt, dass sich Conrads Texte auch mit der Pressefreiheit, sozialreformerischen Ideen sowie moderner Wissenschaft und Philosophie auseinandersetzten, insofern weiter griffen und mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes im Herbst 1878 sich die Zensur im Deutschen Kaiserreich erheblich verschärfte, was dem Breslauer Prozess sowie dem Urteil im Dezember 1878 eine grundsätzlich politische Bedeutung zuwies.⁵⁹ Schottlaenders Ruf als Verleger litt unter diesen Invektiven. Wichtige Gegenwartsautoren wie Heyse, Fontane oder Franzos konnte er langfristig nicht an sich binden. Die antisemitischen Anwürfe und politischen Auseinandersetzungen sowie die öffentliche Konfrontation mit den Zensurbehörden luden Autoren nicht gerade zu einer Zusammenarbeit mit seinem Verlag ein und brachten auch einen vermögenden Verleger wie ihn in eine Außenseiterstellung. Conrad, der sich zum Zeitpunkt des Prozesses um seine beiden Bücher in Italien aufhielt, ließ 1883 seine Pariser Liebesgeschichten Lutetias Töchter, von Hellge als »Beginn des literarischen Frühnaturalismus in Deutschland« betrachtet, in Leipzig bei Wilhelm Friedrich erscheinen, der sich seit 1879 um seine Mitarbeit bemüht hatte.⁶⁰ Cottas Augsburger Allgemeine Zeitung übte auch auf Otto Hammann und Hans Herrig Anziehungskraft aus. Dabei erging es dem primär publizistisch tätigen Otto Hammann, der 1877 bis 1879 mit Henzen als Redakteur die Dramaturgischen Blätter verantwortete, ähnlich wie Conrad. Zwar erschienen seit 1876 in Cottas Blatt von ihm einzelne journalistische Beiträge, doch belasteten Honorarstreitig-
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Allgemeiner Deutscher Literaturkalender für das Schaltjahr 1880, hg. von Heinrich und Julius Hart, Jg. 2, S. 337. Urszula Bonter, Die Breslauer Verlagsbuchhandlung von Salo Schottlaender, S. 334. Manfred Hellge, Der Verleger Wilhelm Friedrich, Sp. 1091–1092.
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keiten das Verhältnis zu Cotta, so dass es bei einer punktuellen Zusammenarbeit blieb. Hans Herrig, Mitarbeiter der Harts an ihrer ersten Zeitschrift Deutsche Dichtung und bis 1880 wichtiges Bindeglied zwischen den frühen Zeitschriftenprojekten der jungen Autoren, setzte auf die cottaschen Journale im Zusammenhang mit der Popularisierung eigener Werke. Herrig hatte bereits 1872 mit dem Trauerspiel Alexander debütiert, das als Textbuch in der Allgemeinen Deutschen Verlagsanstalt Berlin erschien. Da die Augsburger Allgemeine Zeitung dieses Trauerspiel »so sehr liebenswürdig« beurteilt hatte, übersandte er dem Stuttgarter Verlagshaus im November 1876 das in der Allgemeinen Deutschen Verlagsanstalt gedruckte Textbuch seines Schauspiels Kaiser Friedrich der Rotbart, das kurz vor der Aufführung am Münchner Hoftheater stand, mit der Bitte »einer geneigten kritischen Berücksichtigung«.⁶¹ Vermutlich hegte Herrig die Hoffnung, Cotta würde das Textbuch in seinen Verlag übernehmen. Diese erfüllte sich nicht. Die zweiten Auflagen von Kaiser Friedrich der Rotbart und Alexander besorgte 1879 Friedrich Luckhardt, der sich nach der Reichsgründung als Verleger zunächst in Kassel und Leipzig mit wenig Erfolg um eine Modernisierung des Buchhandels bemüht hatte, 1873 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, zwei Jahre später in Berlin einen Verlag mit dem Schwerpunkt auf der Herausgabe militärischer Werke etablierte und dessen Programm schließlich um Belletristik erweiterte. Nach dem Scheitern der Zeitschriften der Harts und ihrer Mitstreiter trat Herrig 1881 als Redakteur in Luckhardts antisemitisch aufgeladenes und national-konservativ ausgerichtetes Deutsches Tageblatt ein, das offenbar seiner bereits 1880 in anonym veröffentlichten Beiträgen erkennbaren politischen Haltung entsprach. Sein Drama Jerusalem, das unter den Jüngstdeutschen besondere Beachtung fand, brachte Herrig 1874 im Musikverlag von Ernst Wilhelm Fritzsch heraus, dem Verleger Richard Wagners und Friedrich Nietzsches. Vermutlich fungierte Wagner, den Herrig kannte, bei Fritzsch als Protegé.⁶² Auch im Falle Herrigs übernahmen weniger belletristisch ausgewiesene Verlage die ersten Veröffentlichungen. Beispiele, wie das publizistische Wirken der jungen oppositionellen Autoren in ihren eigenen Zeitschriften zu Berührungen mit Cotta führte, finden sich bei Max Stempel und Johannes Proelß. Stempel, der 1879 seinen lyrischen Erstling Auf leichten Schwingen bei Kühtmann in Bremen verlegte, wandte sich 1878 an Cotta im Zusammenhang mit einem Essay über Leopold Sacher-Masochs Novellensammlung Das Vermächtnis Kains. Er hatte vom Verlag Freiexemplare erhalten und erbat nun Informationen über Erscheinungsjahr, Auflagenhöhe, Absatz
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Hans Herrig an Cotta, B. [Berlin], 15. November 1876, DLA / Cotta: Briefe. Vgl. Christiane Baumann, Zwischen Faszination und Distanz. Richard Wagner und der deutsche Naturalismus, in: wagnerspectrum, hg. von Udo Bermbach u. a., Jg. 10 (2014), Bd. 2, S. 208.
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sowie »sämmtliche Recensionen, Notizen u. s. w.«,⁶³ was Cotta mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit der Angaben ablehnte. Tatsächlich verfasste Stempel unter einem Pseudonym für die Deutschen Monatsblätter der Brüder Hart zu Das Vermächtnis Kains eine Studie, die im Juni 1879 erschien und Stempels ungeteilte Sympathie für den Autor erkennen ließ.⁶⁴ In den frühnaturalistischen Zeitschriften nahm die Beschäftigung mit Sacher-Masoch breiten Raum ein, was nicht verwundert, hatte ihn doch H. Hart in seiner Neuen Welt jenen Schriftstellern zugeschlagen, die die »Tendenz auf den Naturalismus« verkörperten,⁶⁵ insofern vorbildhaft waren. Stempel vermied gegenüber Cotta jeden Hinweis auf die Deutschen Monatsblätter, sprach lediglich von einem Essay in einem »Werke« und wies sich als Schriftsteller aus.⁶⁶ Johannes Proelß, einer der Mitarbeiter der Harts in ihrer ersten Zeitschrift Deutsche Dichtung und Redakteur der Allgemeinen Literarischen Correspondenz für das gebildete Deutschland, trat 1876 mit Carl von Cotta in Kontakt, wobei er den Verleger lediglich auf seine Schiller-Aufsätze hinwies und anfragte, ob ihn diese berechtigten, ein Freiexemplar des Briefwechsels zwischen Schiller und Cotta zu erbitten.⁶⁷ Der Verlag entsprach seinem Anliegen. Im Mai 1879 kam es zu einer Kontroverse, in deren Ergebnis sich Proelß beim Cotta-Verlag für eine fehlerhafte redaktionelle Notiz in der Allgemeinen Literarischen Correspondenz für das gebildete Deutschland entschuldigte. Diese hatte sich auf eine Rezension Richard Weltrichs über Friedrich Theodor Vischers Roman Auch Einer in der Beilage zur cottaschen Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 26. Mai 1879 bezogen. Der Cotta-Verlag warf daraufhin der Zeitschrift mangelnde Seriosität vor, wogegen sich Proelß verwahrte zumal er, wie er betonte, die Augsburger Allgemeine Zeitung sehr schätzte. Er unterstrich, dass er seine Zeitschrift »ohne viel Lohn, aber unter sehr angreifenden und schwierigen Verhältnissen« redigieren würde und stellte in dem an Weltrich in Abschrift beigefügten Brief klar, dass es seinem Blatt fern läge, »literarische Händel aus Lust am Skandal vom Zaune zu brechen«, dass es ihm vielmehr darum ginge, sich »einer gerechten, achtungsvol-
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Max Stempel an Cotta, Berlin, 15. Februar 1878, DLA / Cotta: Briefe. Friedrich von Bärenbach (d.i. Max Stempel), Literatur-kritische Studien über Sacher-Masochs »Das Vermächtnis Kains«, in: Deutsche Monatsblätter. Centralorgan für das literarische Leben der Gegenwart, hg. von Heinrich und Julius Hart, Bd. 3 (1879), S. 66 ff. Heinrich Hart, Neue Welt. Literarischer Essay, in: Deutsche Monatsblätter, Bd. 1 (1878), S. 18. Max Stempel an Cotta, Berlin, 15. Februar 1878, DLA / Cotta: Briefe. Johannes Proelß an Cotta, Leipzig, 16. November 1876, DLA / Cotta: Briefe. Bei den Aufsätzen handelte es sich um: ders., Friedrich Schiller und sein Verhältnis zur Typographie, in: Annalen der Typographie und der verwandten Künste, Centralorgan für die technischen und materiellen Interessen der Presse, Leipzig 1876, Nr. 377, S. 309–310. Ders., Schiller und Cotta. Der Briefwechsel, in: Illustrirte Zeitung, Bd. 27 (1876), S. 397 ff.
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len Kritik und eines durchaus anständigen Tons auch in der Polemik« zu befleißigen.⁶⁸ Proelß veranlasste umgehend eine Richtigstellung in seinem Journal. Der Schriftwechsel belegt die aufgeheizte Stimmung am Zeitschriftenmarkt. Ganz offenkundig verfolgte der Cotta-Verlag die Journale der jungen oppositionellen Autoren mit ihren polemischen Beiträgen zu Literatur, Kunst und Kritik aufmerksam. Weshalb Proelß so nervös reagierte, erklärt ein Brief, den er einen Monat später an den Verlag sandte. Gegenstand der Korrespondenz, die sich 1880 fortsetzte, war die Gutzkow-Biografie, an der Proelß seit 1878 arbeitete. Er bat den Verlag ihn zu unterstützen, insbesondere um Karl Gutzkows Tätigkeit für Cottas Allgemeine Zeitung bewerten zu können, und empfahl sich als kompetenter Partner für eine Zusammenarbeit. Der folgende mit Carl von Cotta geführte Briefwechsel belegt, dass der Verleger hierfür offen war. Das Angebot, den Verlag der Biografie zu übernehmen, das Proelß am 4. März 1880 unterbreitete, lehnte Cotta jedoch unter Hinweis auf seine Geschäftsgrundätze ab. Angeblich wollte er dem ursprünglichen Verleger nicht die Rechte entziehen. Obwohl Proelß versuchte, dieses Argument zu entkräften und auf bestehende Konflikte mit dem Verleger verwies, änderte Cotta seine Meinung nicht. Die Biografie, die 1880 im Leipziger Schlicke-Verlag erscheinen sollte, blieb letztlich ungedruckt. Proelß war der Erste, der den unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Gutzkow und dem CottaVerlag einsehen konnte, doch Publikationsmöglichkeiten boten sich ihm bei dem Verlag nicht. Sein Erstling Weinphantasien aus Auerbachs Keller kam 1877 bei Edwin Schloemp, einem unbedeutenden Leipziger Verlag, von dem nur noch wenige Bücher nachweisbar sind, heraus. Proelß’ Band Am Meer. Seaside-Skizzen und Nordsee-Bilder erschien 1878 bei Hermann Foltz in Leipzig, dem Verleger der Allgemeinen Literarischen Correspondenz für das gebildete Deutschland, der 1880 Konkurs anmelden musste. In diesen kulturkritischen Streiflichtern aus dem Londoner Straßenleben und englischen Seebädern reflektierte Proelß alle Themen, die der Publizistik-Diskurs der jungen oppositionellen Autoren einschloss: den »Kampf ums Dasein« und die Schattenseiten der Weltstadt, des »modernen, schnellatmigen London«,⁶⁹ das – geprägt von Industrialisierung, Technisierung des Lebens, modernen Verkehrsadern – alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens grundlegend veränderte. Hinter dem eher beifälligen und zensurfreundlichen Titel Am Meer verbargen sich Skizzen und Glossen über das Verhältnis des Künstlers zum Volk, über die Kommerzialisierung und Niveaulosigkeit der Bühnen, zu literarischen Vorbildern, von denen Heine mit seinen Nordseebildern ebenso herausragte wie Dickens, der für den deutschen Naturalismus Vorbild68 69
Johannes Proelß an Cotta, Leipzig, 28. Mai 1879, DLA / Cotta: Briefe. Johannes Proelß, Am Meer. Seaside-Skizzen und Nordsee-Bilder, Leipzig 1878, 2. Aufl., S. 9 und S. 62.
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funktion erlangte. Angeprangert wurden die Überlebtheit der konstitutionellen Monarchie und das Deutsche Kaiserreich, denn aus britischer Sicht lebten die Deutschen »vom Kriege« und Bismarck war »ein Ungeheuer«.⁷⁰ Proelß ging 1881 zur Frankfurter Zeitung. Seine Katastrophen. Poetische Bilder aus unserer Zeit erschienen 1883 im Verlag Bonz. Cotta-Autor wurde er – Ironie der Geschichte – 1892 mit seinem Band Das Junge Deutschland. Nahezu stereotyp wiederholte der Cotta-Verlag seine Begründungen in den Absagen an die jungen Autoren. An Alfred Friedmann, der in die naturalistische Positionen vorbereitenden Journale um die Gebrüder Hart als Mitarbeiter und Autor eingebunden war, schrieb der Cotta-Verlag im Mai 1878, man könne sein episches Gedicht – gemeint war Die Feuerprobe der Liebe (1879) – nicht verlegen, weil »die Ungunst der Zeiten« den Verlag zwinge, seine verlegerische Tätigkeit einzuschränken und ihn die vierte Reihe der »deutschen Volksbibliothek auf Jahre vollständig in Anspruch« nehmen würde.⁷¹ Friedmanns Band erschien schließlich wie sein Erstling Merlin. Orpheus (1874) in Wien, doch nicht bei Rosner, sondern im Verlagshaus Wallishausser. Der Schriftsteller Wolfgang Kirchbach bemühte sich um Cottas Gunst mit einer ausführlichen Darstellung seines poetischen Credos, war deshalb aber nicht erfolgreicher. Kirchbach, der 1879 nach München ging und sich dort dem Kreis der Naturalisten um Michael Georg Conrad anschloss, hatte 1878 mit der dramatischen Farce Kosmopolitische Originale – als Textbuch gedruckt – debütiert. Im Februar 1878 wandte er sich mit einem Roman-Exposé an den Cotta-Verlag. Es handelte sich um seinen 1880 erschienenen Roman Salvator Rosa. Kirchbach wies gegenüber Cotta auf die Aktualität seines »historisch-psychologischen« Romans hin, der einen »Culturkampf« schildere, aber anders als »Producte[n] des Tages« »auf eingehendem Studium des jesuitischen Strebens und Prinzips« beruhe.⁷² Kirchbach grenzte sich von der Sozialdemokratie ab, indem er betonte, sein Masaniello, der »Socialdemokrat jener Sage«, würde sich von jener durch die »Betonung des Nationalbewußtseins und der Einheitsbestrebungen« unterscheiden. Sein Roman, der »neben der politischen, die pädagogische und erzieherische Wirksamkeit der Gesellschaft Jesu« beleuchte, verfolge überhaupt »ein hervorragend pädagogisches Interesse« und sei in einer Reihe mit Goethes Wilhelm Meister zu sehen. Schließlich charakterisierte Kirchbach seine »Schreibart« als »eine durchaus naturalistische«, betonte jedoch, den Begriff »Naturalismus« nicht so zu fassen, »als ob das nicht normale Hässliche zu schildern in der Absicht
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Ebd., S. 142. Cotta an Alfred Friedmann, 6. Mai 1878, DLA / Cotta: Copierbuch IX, S. 694. Wolfgang Kirchbach an Cotta, 1. Februar 1878, DLA / Cotta: Briefe. Die folgenden Zitate sind diesem Brief entnommen.
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des Schriftstellers läge«. Dieser Brief ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Belegt er das frühzeitige kirchenkritische Engagement Kirchbachs, so weist der Goethe-Bezug auf Parallelen zu Heinrich Harts programmatischem Essay Neue Welt, in dem er unter Hinweis auf den »großen Entwurf eines Arbeiterstaates« Wilhelm Meisters Wanderjahre in die deutsche Ahnenreihe des Naturalismus aufnahm.⁷³ Schließlich sind die Selbstverortung im Naturalismus, die Verwendung des Begriffs und das deutliche Absetzen von einer Ästhetik des Schönen hervorzuheben, betonte Kirchbach doch wie selbstverständlich und ganz im Sinne der späteren Argumentation der Harts das Recht des Schriftstellers, das »Hässliche« als Teil der Wirklichkeit zu schildern. Die Harts führten 1882 in ihrem Zola-Essay aus, »dass kein Stoff, auch der unsittliche und gemeine nicht, […] undichterisch« sei.⁷⁴ Der universelle Ansatz, dem sich Kirchbach als Schriftsteller verpflichtet sah und der über das Ästhetische hinaus, politische, pädagogische und erzieherische Intentionen einbezog, zeigt bereits zu diesem Zeitpunkt seine Übereinstimmung mit naturalistischer Programmatik. Kirchbach kam mit diesem Künstlerroman, aber auch mit seinem ebenfalls 1880 erschienenen, jedoch früher entstandenen Band Märchen im Stofflich-Thematischen eine Vorreiterrolle zu, wie die Texte der Sammlung zeigen. So wurde in Der Einsiedler die Eisenbahn zum konstituierenden erzählerischen Element, das die Möglichkeiten des technischen Fortschritts kontrastiv gegen überholtes Denken und kirchliche Dogmen setzte. Beide Bände Kirchbachs erschienen nicht bei Cotta, sondern bei Axt in Dresden beziehungsweise beim Leipziger Musikverlag Breitkopf & Härtel. Im Falle von Salvator Rosa hatte die Fürsprache des außerordentlich populären Schriftstellers Felix Dahn in dem etablierten Musik-Verlag zur Annahme geführt.⁷⁵ Auch Richard Voß’ Vorstoß beim Cotta-Verlag in den 1870er Jahren war nicht von Erfolg gekrönt. Voß, der nach seinen Nachtgedanken auf dem Schlachtfelde von Sedan (1871) und dem Verbot seiner Visionen eines deutschen Patrioten (1874) überwiegend bei Schabelitz in Zürich, aber auch bei Rosner in Wien, bei Schottländer in Breslau und beim Verleger der Erstausgabe von Ibsens Brand, Theodor Kay in Kassel, veröffentlichte, galt um 1878 der sich formierenden naturalistischen Bewegung als Hoffnungsträger und als einer der »Modernsten«.⁷⁶ Voß bot Cotta, »dem Besten der Besten« unter den Verlegern, im Juli 1879 eine »poetische 73 74 75
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Heinrich Hart, Neue Welt, S. 15. Heinrich und Julius Hart, Für und gegen Zola, in: Kritische Waffengänge, H. 2 (1882), S. 47. Wolfgang Kirchbach in seiner Zeit. Briefwechsel und Essays aus dem Nachlass, hg. von Marie Luise Becker und Karl von Levetzow, München 1910, S. 5. Felix Dahn verdankte seine Popularität seinem Erfolgsroman »Ein Kampf um Rom«, den Breitkopf & Härtel 1876 verlegt hatte. Leo Berg, Der neue Gott von Richard Voß, in: ders., Neue Essays, Oldenburg und Leipzig 1901, S. 373.
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Spezialität« an.⁷⁷ Es handelte sich um das verschollene Prosawerk Melusine, das Voß als »Geschichte in poetischer Prosa« und als »Nachklang« des »Romantizismus« charakterisierte.⁷⁸ Voß zitierte dabei das Urteil des bekannten Schriftstellers Levin Schücking, den er in Rom kennengelernt und der seine Melusine auf eine Stufe mit Brentano, Arnim oder Fouqué gestellt hatte. Weiter übermittelte Voß eine Übersicht der von ihm bisher erschienenen Texte, einschließlich der verbotenen Visionen eines deutschen Patrioten, und wies sich damit als gestandener Autor aus. Der Cotta-Verlag zeigte sich angesichts des Fürsprechers und Hinweises auf die Romantik offen und bat um Einsendung des Manuskripts, wenn dies »ohne jedwede Verpflichtung« erfolgen könne.⁷⁹ Dieser Bitte kam Voß mit einem ausführlichen Brief nach, in dem er sich als »verspäteter letzter Romantiker« bezeichnete, der in der »Gegenwart der Politik, der Thatsachen, der Wirklichkeit« aufgrund seines »Idealismus« seine Berechtigung hätte.⁸⁰ Damit grenzte sich Voß bewusst von Antike und Klassik ab. Hinter dieser Begrifflichkeit verbarg sich aber vor allem seine von den Jungdeutschen übernommene Überzeugung, dass die von Goethe als das Kranke bezeichnete Romantik dem politischen Leben näher stand als die Klassik. In diesem Sinne begriff er seine Texte als »krankhafte« Produkte und als künstlerische Antwort auf eine in ihrer Ganzheitlichkeit und Harmonie zerstörten Welt. Daraus erklärt sich auch seine Vorliebe für Jean Paul, den er bereits sehr früh für sich entdeckte und der ihm mit seinen in der Erzählperspektive gebrochenen Ich-Figurationen als Widerpart zum Formenideal der Klassik erschien. Indem er betonte, seine Melusine habe, »mit der bekannten Sage kaum mehr als den Titel gemein«,⁸¹ gab er seinem Empfinden einer Politisierung aller Lebensbereiche Ausdruck, die sich im Aktualitätsbezug der Literatur widerspiegeln müsse. So wird verständlich, dass Voß gegenüber Paul Heyse im Oktober 1879 hinsichtlich der Melusine von einem »Missgriff im Stoff« sprach.⁸² Zu einer Veröffentlichung seiner Melusine-Adaption kam es weder bei Cotta noch bei einem anderen Verlag. Seinen Prosa-Band Frauengestalten verlegte 1879 Schottlaender in Breslau und die neue Folge seiner sozialkritischen Scherben, in denen Voß die Vision von einer »menschenwürdigen Menschheit« entwarf,⁸³ brachte Schabelitz in Zürich heraus. Nicht zu vergessen seine Moralischen Kleinigkeiten aus dem Schooße der alleinseligmachenden Kirche, die im gleichen Jahr anonym 77 78 79 80 81 82 83
Richard Voß an Cotta, Bergfrieden, 21. Juli 1879, DLA / Cotta: Briefe, Fasz. 1a. Ebd. Cotta an Richard Voß, 22. Juli 1879, DLA / Cotta: Copierbuch X, S. 162. Richard Voß an Cotta, 1. August 1879, DLA / Cotta: Briefe / Voß, Fasz. 1b. Richard Voß an Cotta, 21. Juli 1879, DLA / Cotta: Briefe / Voß, Fasz. 1a. Richard Voß an Paul Heyse, 21. Oktober 1879, Bayerische Staatsbibliothek München, HeyseArchiv VI, Voss, Bl. 28. Richard Voß, Scherben. Gesammelt vom müden Manne, Neue Folge, Zürich 1879, S. 5.
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bei Schabelitz erschienen und in denen er sich als Atheist, als »Mitarbeiter an der Befreiung des Menschengeschlechts von einem traurigen Wahn«,⁸⁴ der Religion, bekannte. Vor allem die Scherben begründeten Voß’ Ruf als »Vorkämpfer« des Naturalismus, weil er soziale Außenseiter wie Dirnen, Verbrecher und Irre in das Figurentableau aufnahm, moderne Prosaformen wie die Skizze und Milieustudie nutzte und die gestalteten Themen und Konflikte in ihrer sozialkritischen Prägnanz in der Literatur ein Novum darstellten. 1882 scheiterte ein zweiter Versuch von Voß, bei Cotta Fuß zu fassen. Es gelang ihm nicht, den Verlag für sein Jamben-Drama Sampiero und für sein preisgekröntes, in Mannheim uraufgeführtes Stück Luigia Sanfelice zu gewinnen, mit dem er seinen ersten bedeutenden Bühnenerfolg feierte. Der Sampiero blieb unveröffentlicht und gilt als verschollen. Luigia Sanfelice erschien noch im gleichen Jahr im traditionsreichen Frankfurter Verlag Koenitzer. 1883 öffneten sich Voß bei Wilhelm Friedrich in Leipzig und über Joseph Kürschner bei Wilhelm Spemann in Stuttgart Verlagstüren. Mit dem Cotta-Verlag trat er erst 1896 wieder in Kontakt, wobei er nun als erfolgreicher Unterhaltungsschriftsteller umworben wurde, die einstige Abweisung aber keineswegs vergessen hatte. Die durchgängige Ablehnung der jungen oppositionellen Autoren in den 1870er Jahren durch Cotta war kein Zufall, sondern basierte auf dem der Tradition verpflichteten Verlagsprofil, das aus der politisch-konservativen Haltung und dem klassischen Literaturverständnis des Verlegers resultierte. Noch 1894 formulierte Adolf Kröner, der ab 1882 mit Carl von Cotta zusammenarbeitete und 1889 den Verlag erwarb, für die Zeitschrift Die Romanwelt Grundsätze, die ein verlegerisches Programm erkennen ließen, das eine zeitkritische moderne Literatur ausklammerte. Ausgeschlossen wurde »alles Unbedeutende, Dilettantische, aber ebenso alles Niedrige, Gemeine, alle Schöpfungen von Schriftstellern, welche das Nüchterne und Hässliche als eine notwendige Eigenschaft und Bedingung moderner Kunst betrachten«.⁸⁵ Die systematische Zurückweisung der jungen Autoren, die mit den Reizworten »Naturalismus« und »Romantik« gegen die in Formalismus erstarrte Gründerzeitliteratur und ihre Institutionen rebellierten, der Ästhetik des Schönen eine Absage erteilten und politischen Ideen das Wort redeten, war somit keineswegs einzelnen Fehlentscheidungen geschuldet, sondern Ausdruck und Ergebnis eines verlegerischen Programms, das folgenreich sein sollte. Mit seiner restriktiven Haltung gegenüber den jungen, auf den Markt drängenden Autoren stellte Cotta bereits in den 1870er Jahren Weichen, die ihm in den 1880er Jahren den Zugang zur naturalistischen Literatur und später zur Moderne 84 85
Richard Voß, Moralische Kleinigkeiten aus dem Schooße der alleinseligmachenden Kirche. Den wackern Männern erzählt, so da lieber wissen statt glauben, Zürich 1879, S. 2. Die Romanwelt. Programm, in: Cotta und das 19. Jahrhundert. S. 108–109.
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versperren sollten. Das belegt besonders augenfällig der Ende der 1870er Jahre geführte Briefwechsel zwischen dem Cotta-Verlag und Heinrich Hart, dem bereits zu diesem Zeitpunkt in Berlin zusammen mit seinem Bruder eine Führungsrolle unter den jungen oppositionellen Autoren zukam und dessen Essay Neue Welt der naturalistischen Bewegung 1878 programmatisch Wege bahnte. Heinrich Hart wandte sich im März 1877 an den Cotta-Verlag. Er bot seine Dramen-Trilogie Sphinx an. Cotta lehnte aus zwei Gründen ab: Zum einen verwies er auf die Verlagsgrundsätze, die eine dramatische Veröffentlichung nur dann zuließen, wenn ein Stück an den »größten Bühnen mit dauerndem Erfolge zur Aufführung« gelangte.⁸⁶ Zum anderen sah es der Verlag wegen des gewählten Stoffes als sicher an, dass diese Werke »Buchdramen« bleiben würden.⁸⁷ Hart fand für die Trilogie offenbar auch keinen anderen Verleger. Seinen Erstling, die Lyriksammlung Weltpfingsten, verlegte 1879 Kühtmann in Bremen. Erst 1882 erschien von ihm die Tragödie Sedan im traditionsreichen Leipziger Buchverlag Wigand. Trotz der abschlägigen Antwort entschloss sich H. Hart im Januar 1880 erneut, an Carl von Cotta heranzutreten. Unter Berufung auf bedeutende Persönlichkeiten »der Kunst, der Wissenschaft und des Staates«, er bezog sich auf den Philosophen Eduard von Hartmann, schlug er vor, eine Wochenschrift zu gründen, die sich der »großen Neubestrebungen unserer Sturm- und Drangepoche« annehmen sollte: Darwinismus und Realismus, Spiritismus und Pessimismus, Zukunft der Religion und der Kirchen, Nationaltheater und Zukunftsmusik, Entwicklung der Technik u.s.w. – sollte es etwas Zeitgemäßeres geben, als diese bewegenden Fragen der Gegenwart in einer Zeitschrift zu einem Gesammtbilde zusammenzufassen, ihre Behandlung in recht modernem Sinne zu fördern!⁸⁸ Damit hatte H. Hart exakt jene Aspekte benannt, die in den naturalistische Positionen vorbereitenden Zeitschriften der jungen Autoren seit 1877 im Fokus standen, aber auch in ihren literarischen Texten bereits ihren Niederschlag fanden. Nach dem Scheitern der frühen Zeitschriften-Projekte und wissend um die Notwendigkeit eines finanzkräftigen Verlagshauses für ein solches Vorhaben, erhoffte sich H. Hart von Cotta die notwendige Unterstützung. Damit warb er zwei Jahre vor den Kritischen Waffengängen und fünf Jahre vor der Gründung seiner Berliner Monatshefte für Litteratur, Kritik und Theater bei Cotta für eine Wochenschrift, die ganz im Sinne naturalistischen Denkens Literatur und Kunst in einen universellen gesellschaftlichen Zusammenhang stellen und die für eine moderne National86 87 88
Cotta an Heinrich Hart, 19. März 1877, DLA / Cotta: Copierbuch IX, S. 352. Ebd. Heinrich Hart an Cotta, 7. Januar 1880, DLA / Cotta: Briefe.
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literatur aus seiner Sicht bestimmenden Kontextfaktoren – moderne Naturwissenschaft, Technik, sowie die Philosophie Schopenhauers und Hartmanns – einbeziehen sollte. Harts Vorschlag eröffnete Cotta die Chance, sich an die Spitze der neuen literarischen Bewegung zu setzen. Doch der Verleger wies das Angebot, ein Unternehmen dieses »modernen« Profils zu befördern, zurück. Er begründete die Ablehnung damit, dass der Verlag mit »größeren« Projekten »vollauf beschäftigt« und die »Zeit- und Wirtschaftsverhältnisse für die Gründung des geplanten Blattes« nicht geeignet seien.⁸⁹ Diese Absage an einen der späteren Wortführer der naturalistischen Bewegung in Deutschland war beispielhaft für den Umgang des Verlages mit den Naturalisten und zugleich richtungsweisend, verlor Cottas Literaturblatt damit doch in der Folge seine Position als erstes literaturkritisches Organ auf dem Zeitschriftenmarkt in Deutschland. Die Aufgabe, die jungen oppositionellen Autoren verlegerisch zu zentralisieren, sollte ab 1880 Wilhelm Friedrichs Magazin für die Literatur des In- und Auslandes übernehmen, wobei der 1851 geborene Verleger der Generation der jungen Autoren angehörte und ein Außenseiter der Branche war, vergleichbar in seiner Rolle nur mit dem Züricher Verlagsmagazin Schabelitz.⁹⁰ Friedrich wurde zum »Cotta der Modernen«, wie ihn der Berliner Börsenkurier 1912 nannte.⁹¹ In der Konsequenz führte das konservative Beharren Carl von Cottas dazu, dass es der Verlag nicht vermochte, bedeutende zeitgenössische Autoren an sich zu binden. Im Ergebnis fehlten Naturalisten wie Gerhart Hauptmann, Karl Bleibtreu, Michael Georg Conrad, Wolfgang Kirchbach oder Max Kretzer ebenso wie Gottfried Keller, Theodor Fontane oder Richard Dehmel, Detlev von Liliencron, Heinrich Mann und Rainer Maria Rilke in seinem Verlagsprogramm – eine Lücke, die sich auf Dauer nicht schließen ließ. Als Verleger des Naturalismus machten sich zunächst Wilhelm Friedrich und später Samuel Fischer einen Namen. Dabei zeigte sich, dass Friedrich mit dem Magazin für die Literatur des Auslandes 1878 eine Zeitschrift übernahm, die sich bereits nach 1871 unter ihrem Herausgeber Joseph Lehmann als Vermittlerin ausländischer Literatur und der modernen Naturwissenschaften ausgezeichnet hatte. Neben Aufsätzen und Rezensionen zu Ibsen, Turgenjew, Bret Harte und Zola, die zum ausländischen Portfolio des deutschen Naturalismus gehörten, wurde ab 1871 eine kontinuierliche, zum Teil auch kritische Auseinandersetzung mit dem Darwinismus geführt, fanden sich Aufsätze zu Taine und Comté. Indem Lehmann den europäischen Naturalismus und naturwissenschaftliche Grundlagen aufnahm sowie materialistische Geschichts- und Philosophiekonzeptionen reflektierte, in deren Kontext sich der deutsche Naturalismus entwickelte, 89 90 91
Cotta an Heinrich Hart, 9. Januar 1880, DLA / Cotta: Autorencopierbuch I, S. 19–20. Vgl. dazu Manfred Hellge, Der Verleger Wilhelm Friedrich, Sp. 878. Zit. n. Monika Estermann und Stephan Füssel, Belletristische Verlage, S. 214.
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verschaffte er der Zeitschrift genau den universellen Ansatz, den die jungen Autoren verfolgten und den H. Hart gegenüber Cotta angeregt hatte. Parallel bot das Magazin für die Literatur des Auslandes ab 1872 bereits zwei »Vorkämpfern« der naturalistischen Bewegung ein Podium: Hans Herrig und Richard Voß. So erschien im November 1872 eine wohlwollende Besprechung zu Herrigs dramatischem Erstling Alexander, im September 1873 zu seinem Drama Kaiser Friedrich der Rotbart.⁹² Bereits im Februar 1874 veröffentlichte das Magazin den ersten literaturkritischen Beitrag zu Voß, der sich auf seine bei Schabelitz verlegten Bände Visionen eines deutschen Patrioten und Helena. Aus den Papieren eines verstorbenen Pessimisten bezog. Dabei wurden die »Schilderungen einer beginnenden Demoralisation Deutschlands« als »in einem Victor Hugo’s würdigen Stil« verfasst bezeichnet.⁹³ Wenige Monate nach dem Voß-Aufsatz publizierte Herrig im Magazin seinen Essay Der Niedergang des deutschen Theaters und das historische Drama, der deutlich in Richtung naturalistische Programmatik wies. Herrig sprach der etablierten zeitgenössischen Literatur »alle leitenden wahrhaft künstlerischen Gesichtspunkte« ab und nahm die Diskussionen um die Sittlichkeit der Kunst, ausgelöst insbesondere durch französische Vorbilder, auf.⁹⁴ Anknüpfend an Darwins Entwicklungslehre, betrachtete er mit Bezug auf die moderne Weltanschauung die Literatur in ihrem dialektischen Entwicklungsprozess, kritisierte die epigonale Gründerzeitliteratur ebenso wie die zeitgenössischen Bühnenverhältnisse und sprach bereits von einem modernen nationalen Drama »als Kind der Gegenwart«.⁹⁵ Weitere Aufsätze Herrigs folgten im Magazin im März und im August 1875. 1876 rezensierte das Journal Herrigs Drama Der Kurprinz, das gerade erschienen war. An dieser inhaltlichen Ausrichtung knüpfte der Verleger Wilhelm Friedrich 1878 an und schärfte das Profil der Zeitschrift weiter, wenn auch zunächst vorsichtig. Noch im gleichen Jahr tauchte Michael Georg Conrad auf, dessen in Breslau erschienene Schriften Die clericale Schilderhebung, Die religiöse Krisis sowie Spanisches und Römisches rezensiert wurden.⁹⁶ Ab 1880 gab es Besprechungen zu Werken Karl Bleibtreus, bevor dann Friedrich 1881 sukzessive »eine systematische ›Eindeutschung‹ seines Programms – mit traditionellen, epigonalen und gemäßigten Kräften nicht minder wie mit den progressiven 92
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T. v. B., Alexander. Trauerspiel von Hans Herrig, in: Magazin für die Literatur des Auslandes, hg. von Joseph Lehmann, Jg. 41 (1872), S. 573; G. H., Kaiser Friedrich der Rotbart, in: Magazin, Jg. 42 (1873), S. 570. F. Friedmann, Es ist die Stimme eines Predigers in der Wüste, in: Magazin, Jg. 43 (1874), S. 110–111. Hans Herrig, Der Niedergang des deutschen Theaters und das historische Drama, in: Magazin, Jg. 43 (1874), S. 345. Ebd., S. 348. H. H-g. [d.i. Hans Herrig], Kulturkampf und kein Ende, in : Magazin, Jg. 47 (1878), S. 125.
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Vertretern der neuen naturalistischen Autorengeneration« vornahm.⁹⁷ Ab 1881 zählten unter anderem die Autoren Voß, Wildenbruch, Julius Hart, Friedmann und Kirchbach, etwas später Conrad, Bleibtreu, Linke, Walloth, Heiberg und Kretzer zu den Mitarbeitern des Blattes und zu seinem Buchverlag.⁹⁸ Damit hatte Friedrich Anfang der 1880er Jahre in seinem Verlag jenes Ensemble von Autoren versammelt, die von Conradi und Eugen Wolff als »Vorkämpfer« der naturalistischen Bewegung betrachtet wurden. Er büßte seine Position als bedeutendster Verleger moderner deutscher Gegenwartsliteratur erst Ende der 1880er Jahre ein, was in erheblichem Maße der Zensur geschuldet war. Der Leipziger »Realistenprozess« gegen Friedrich wegen Verbreitung gotteslästerlicher und unsittlicher Schriften verschaffte ihm das Image eines »staatsfeindlichen, unmoralischen, atheistischen Verlegers, der zweifelhafte Literatur in Umlauf brachte, fragwürdige Autoren protegierte und unter Polizeiaufsicht stand«,⁹⁹ wodurch ihm Schriftsteller und Publikum abhanden kamen. Parallelen zum Verleger Schottlaender drängen sich auf. Verlegerische Fehlentscheidungen wie die Ablehnung von Hauptmanns Manuskript Vor Sonnenaufgang traten hinzu, so dass Friedrich seine Vorreiterrolle schließlich an den Verlag S. Fischer verlor. Der Cotta-Verlag, dem sich die »Vorkämpfer« des Naturalismus mit ersten literarischen Texten vergeblich angedient hatten, war von diesen Entwicklungen der zeitgenössischen Literatur abgekoppelt. Den »Bahnbrechern« des Naturalismus eröffneten sich in der Verlagslandschaft nach 1871 für ihre stoffliches Neuland betretenden, sozial- und kirchenkritischen Texte nur zögerlich Publikationsmöglichkeiten bei neu gegründeten und wenig profilierten oder nicht primär belletristisch ausgerichteten Verlagen. Viele ihrer literarischen Texte entstanden bereits Mitte der 1870er Jahre, konnten jedoch nicht, erst später oder nur im Ausland verlegt werden. Inhaltlich-thematisch knüpften diese Texte am publizistisch-kulturkritischen Diskurs der »Vorkämpfer« an. Während dieser Diskurs jedoch zwischen 1877 und 1881 in eigens gegründeten Zeitschriften gebündelt geführt wurde und zur späteren programmatischen Profilierung des Naturalismus wesentlich beitrug, erschienen die den Publizistik-Diskurs begleitenden literarischen Texte der »Vorkämpfer« verstreut in zahlreichen, zumeist unbedeutenden Verlagen. Diese Texte, die sich inhaltlich-thematisch zeitgenössischen Themen zuwandten und in ihrem sozialkritischen Potenzial vielfach Übereinstimmungen aufwiesen, wurden somit später nicht mehr wahrgenommen, was seitens der Forschung zur Annahme eines zunächst ausschließlich »pamphletisch-kulturkritisch« geführten Protest97 98 99
Manfred Hellge, Der Verleger Wilhelm Friedrich, Sp. 1162. Ebd., Sp. 1085–1086. Ebd., Sp. 851.
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Diskurses der Jüngstdeutschen führte. Hierzu trug auch bei, dass sich zahlreiche »Vorkämpfer« nach dem Erlass des Sozialistengesetzes von einstigen Idealen und ihren literarischen Erstlingen distanzierten, der Prozess der gesellschaftlichen Etablierung gleichermaßen den Vorgang ihrer Verdrängung einschloss. 1878 trat mit Wilhelm Friedrich ein Verleger in den Literaturmarkt ein, der die Autoren des naturalistische Positionen vorbereitenden Netzwerkes aufnahm, zu dessen erster Anlaufstelle wurde und mit seinem Magazin für die Literatur des In- und Auslandes hierfür auch die publizistische Plattform bot. Das Nebeneinander von publizistischen und literarischen Bemühungen der »Vorkämpfer« des Naturalismus belegt das sukzessive Entstehen eines naturalistischen Denkens, naturalistischer Themen und Motive im literarischen Prozess, ohne dass hier aus ästhetischer Sicht einer Apologie dieser literarischen Zeugnisse das Wort geredet werden soll. Es erhellt, welche enormen Widerstände den Jüngstdeutschen mit Zensur und etablierten Verlegern wie Cotta im System der sozialen Strukturen erwuchsen, die bei der Herausbildung einer naturalistischen Literatur in Deutschland zu überwinden waren. Die erkennbare prozesshafte Herausbildung des deutschen Naturalismus im Kontext der Reichsgründung und damit als Ausdruck eines konkreten gesellschaftlichen Zustands zeigt einmal mehr, dass die Konzentration auf das ästhetisch herausragende Einzelwerk und die Konstruktion einer chronologischen Abfolge literarischer Epochen dem widerspruchsvollen sowie konfliktreichen Mit- und Nebeneinander von Autoren und literarischen Bewegungen, ihren Überschneidungen und Wechselwirkungen nicht gerecht werden können. Der soziologische, den literarischen Prozess ausleuchtende Ansatz, der das Gesamtphänomen Gesellschaft berücksichtigt, ermöglicht hingegen, die Rolle eines so bedeutenden Verlages wie Cotta bei der Herausbildung des deutschen Naturalismus zu bestimmen und seine Ablehnung gegenüber frühen Protagonisten der literarischen Bewegung aus seinem verlegerischen Konzept herzuleiten. Erwies sich der Verleger aufgrund seines traditionell-konservativen und wenig risikobereiten Agierens für die jungen oppositionellen Autoren als Hemmschuh, so kostete ihn diese verlegerische Haltung letztlich den Anschluss an die literarische Moderne.
philip ajouri
der ›volksgoethe‹ von erich schmidt eine populäre goethe-ausgabe um 1900 Werkausgaben von Schriftstellern haben nicht nur in der alltäglichen Arbeit von Geisteswissenschaftlern, sondern auch im Bewusstsein weiterer, literarisch interessierter Kreise eine große Bedeutung.¹ Für die meisten Leser gilt dabei wohl, dass ausgewählte, gesammelte oder sämtliche Werke eines Autors – um nur drei Ausgabentypen herauszugreifen – weitgehend unreflektiert ›benutzt‹ werden, um einen bestimmten Text zu lesen. Der Literaturwissenschaftler wird zwar in der Regel versuchen, die Zuverlässigkeit der Textkonstitution zu beurteilen, aber deshalb wird die Werkausgabe noch nicht selbst zu einem Objekt historisch informierter Forschung. Forschungsgegenstand werden Werkausgaben nämlich außerhalb des eng umrissenen Bereichs der Editionsphilologie nur selten.² Dabei sind sie komplexe kulturelle Artefakte. Sie stehen zwischen Marktökonomie, Förderpolitik, Urheberrecht, Buchkunst, Druck- und Herstellungstechnik, Editionsphilologie und individuellen, fachspezifischen oder allgemeineren Vorstellungen über Literatur und denjenigen Autor, dessen Werkausgabe veranstaltet wird. Sie implizieren literaturwissenschaftliche Konzepte wie Autor-, Text- und Werkvorstellungen, sie basieren auf Annahmen über Rezipienten, sie spiegeln den Stand der Editions- und der jeweiligen Autorphilologie sowie der spezifischen Überlieferungssituation wider. Damit sind Werkausgaben Knotenpunkte verschiedenster 1
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Dieser Aufsatz entstand im Projekt Text und Rahmen. Präsentationsmodi kanonischer Werke des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel (www.mww-forschung.de). Vgl. die Buchreihe Bausteine zur Geschichte der Edition, die von Rüdiger Nutt-Kofoth und Bodo Plachta herausgegeben wird. Der erste Band versammelt Dokumente zur Editionsgeschichte: Dokumente zur Geschichte der neugermanistischen Edition, hg. von Rüdiger NuttKofoth, Tübingen 2005. Ferner widmet sich die von Hans-Gert Roloff herausgegebene Reihe Berliner Beiträge zur Editionswissenschaft immer wieder Fragen der Editionsgeschichte bzw. der Funktion von Editionen in der Gesellschaft. Vgl. z. B.: Im Dickicht der Texte. Editionswissenschaft als interdisziplinäre Grundlagenforschung, hg. von Gesa Dane, Jörg Jungmayr und Marcus Schotte, Berlin 2013. Ferner: Die Funktion von Editionen in Wissenschaft und Gesellschaft. Ringvorlesung des Studiengebiets Editionswissenschaft an der Freien Universität Berlin, hg. von Hans-Gert Roloff, Berlin 1998.
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wissenschaftlicher und anderer gesellschaftlicher Kräfte, Diskurse und Techniken und können dementsprechend aus einer Vielzahl von Perspektiven erforscht werden. Im Herbst 1909, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, erschien im InselVerlag eine sechsbändige Goethe-Ausgabe. Der sogenannte ›Volksgoethe‹ war eine populäre Leseausgabe von Goethes Schriften und enthielt eine Gedichtauswahl, beide Teile des Faust, weitere Dramen, Wilhelm Meisters Lehrjahre, Dichtung und Wahrheit sowie, im letzten Band, eine Kompilation von biografischen, ästhetischen und naturwissenschaftlichen Schriften Goethes. Das Werk war ein Gemeinschaftsprojekt des Germanisten Erich Schmidt, der im Auftrag der Goethe-Gesellschaft handelte, und dem von Anton Kippenberg geführten Insel-Verlag. Als Gemeinschaftsprojekt war der ›Volksgoethe‹ außerordentlich erfolgreich: Bis zur veränderten Neuausgabe 1925 wurde er 70.000 Mal gedruckt und erreichte 1933 eine Auflage von 100.000.³ Nach dem zweiten Weltkrieg (1949 / 52) erschien, teilweise immer noch unter der Ägide Kippenbergs, eine weitere, stark erweiterte und veränderte Ausgabe.⁴ Es folgten Neuausgaben noch in den Jahren 1965 und 1998. Obwohl alle diese späteren Ausgaben andere Herausgeber hatten und sich Textauswahl, Textgrundlage und Paratexte änderten, blieb gleichsam als Markenzeichen die Sechsbändigkeit erhalten. Goethe war eine feste Größe im Verlagsprogramm des Goethekenners und -bewunderers Kippenberg. Neben den zeitgenössischen Autoren Hans Carossa, Hugo von Hofmannsthal, Ricarda Huch, Rainer Maria Rilke und Stefan Zweig war er der wichtigste Autor des Verlags.⁵ Keineswegs war der ›Volksgoethe‹ die einzige Auswahl aus Goethes Werken im Insel-Verlag. Kippenberg führte beispielweise die unter der künstlerischen Leitung von Harry Graf Kessler begonnene Großherzog Wilhelm Ernst-Ausgabe von Goethes Schriften fort.⁶ Diese Reihe, in der auch das Werk Schillers, Körners, Schopenhauers und Kants erschien, machte in buchkünstlerischer Hinsicht Epoche, weil sie erstmals (zunächst englisches)
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Heinz Sarkowski, Der Insel Verlag. Eine Bibliographie. 1899–1969, Frankfurt a. M. und Leipzig 1999, S. 90. Zum Vergleich: Die Weimarer Sophienausgabe erschien in Auflagen von 1500 bis 3000 Exemplaren pro Band. Vgl. Herbert Kraft, Editionsphilologie, Frankfurt a. M. u. a., S. 17. Heinz Sarkowski, Der Insel Verlag, S. 90 f. Vgl. 100 Jahre Insel Verlag. Begleitbuch zur Ausstellung, hg. von der Deutschen Bibliothek und dem Insel Verlag, Frankfurt a. M. und Leipzig 1999, S. 25–50. Zu dieser Ausgabe vgl.: Jörg Meier, Das moderne Buch. Harry Graf Kesslers Ästhetik der Lebenskunst im Spiegel der »Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe deutscher Klassiker«, Mainz 2008 (Diss.). Ferner: Jörg Meier, Kesslers Klassiker. Programmatik und Gestaltung der Wilhelm-Ernst-Ausgabe, in: Ilm-Kakanien. Weimar am Vorabend des Ersten Weltkriegs, hg. von Franziska Bomski, Hellmut Seemann und Thorsten Valk, Göttingen 2014, S. 281–293.
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Dünndruckpapier verwendete, die ledernen Einbände flexibel gestaltete, als Drucktype eine Antiqua einsetzte und schließlich beinahe auf alle Schmuck- und Zierformen, die Einbände und Titelblätter damals üblicher Weise aufwiesen, verzichtete.⁷ Diese Ausgabe, die wesentlich von englischen Buchkünstlern gestaltet wurde, hatte europaweite und lang anhaltende Ausstrahlung. Die französische Bibliothèque de la Pléiade ließ sich von ihr inspirieren und noch der in den 1980er Jahren gegründete Deutsche Klassiker Verlag stand in ihrer Tradition. Natürlich war der ›Volksgoethe‹ auch auf dem Buchmarkt nicht einzigartig. Denn nach dem »Klassikerjahr«⁸ 1867, also nach der Aufhebung des Urheberschutzes und der verschiedenen Privilegien der vor 1837 verstorbenen Autoren im Jahr 1856, waren auch Goethes Werke gemeinfrei und konnten von jedem nachgedruckt werden.⁹ Diese Gelegenheit verstanden viele Verlage zu nutzen. Dass der ›Volksgoethe‹ trotz der Konkurrenz so erfolgreich wurde, lag an der Zusammenarbeit von Herausgeber beziehungsweise der Goethe-Gesellschaft mit dem Verlag. Das soll anhand der folgenden Untersuchungsschritte gezeigt werden: Zunächst kann mit Blick auf die Entstehungsgeschichte belegt werden, dass erst Kippenberg den ›Volksgoethe‹ zum modernen und funktionalen Massenbuch machte, obwohl freilich das ökonomische und symbolische Kapital der Goethegesellschaft sowie die Expertise des Herausgebers die notwendigen Bedingungen des Erfolgs waren (1). Kippenberg war auch für die Ausstattung der Ausgabe verantwortlich, die er zusammen mit Emil Rudolf Weiß entwarf. Sie ist in ihrer Einfachheit so markant, dass sie als Alleinstellungsmerkmal gelten kann und den Erfolg förderte (2). Schmidt als Herausgeber verfasste die rahmenden Herausgebertexte. Im wichtigsten Paratext, dem einleitenden Lebenslauf, entwarf er den chronikalischen Zusammenhang von Goethes (Liebes-)Leben mit seinem Werk. Das kam einem Bedürfnis entgegen, das nicht nur, aber doch besonders in der populären Goethe-Verehrung ausgeprägt war (3). Textanordnung und Textauswahl entsprachen der im Lebenslauf ausgebreiteten Idee (4, 5). Abschließend wird die Rezeption dieser Werkausgabe ausschnittsweise dokumentiert und selektiv dargestellt (6).
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Zu dieser Ausgabe und ihrem programmatischen Charakter vgl.: Jörg Meier, Das moderne Buch, S. 64–112. Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991, S. 208, 247. Vgl. ebd., S. 208. Zur komplizierten und langwierigen Privilegierung von Goethes Ausgabe letzter Hand vgl.: Heinz Fröbe, Die Privilegierung der Ausgabe »letzter Hand« Goethes sämtlicher Werke. Ein rechtsgeschichtlicher Beitrag zur Goetheforschung und zur Entwicklung des literarischen Urheberrechts, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. II, hg. von der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V., Frankfurt a. M. 1960, S. 1561–1603.
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Entstehung des ›Volksgoethe‹ Erste Pläne für eine populäre Goethe-Ausgabe der Goethe-Gesellschaft hatte schon Paul von Bojanowski 1901.¹⁰ Die Goethe-Gesellschaft hatte auf ihrer Jahresversammlung 1905 vielleicht unter dem Eindruck der Schiller-Ausgaben, die zum 100-jährigen Todestag veranstaltet worden waren, über einen Antrag diskutiert, der die »Verteilung billiger Goethe-Ausgaben an ärmere Deutsche und namentlich an Volksbibliotheken im Auslande«¹¹ betraf. Im Zuge der Diskussion wurde mitgeteilt, dass der Vorstand der Goethe-Gesellschaft beschlossen habe, eine »Volksausgabe Goethescher Werke zu veranstalten«.¹² Ernst Martin, Jakob Minor, Erich Schmidt und Bernhard Suphan, die alle dem Vorstand angehörten, hätten eine Kommission gebildet und die Vorarbeiten begonnen.¹³ Der 23. Jahresbericht von 1908 über die Generalversammlung am 25. Mai 1907 hält fest, dass die Goethe-Gesellschaft den Vorstand ermächtigt, diese Ausgabe aus dem Kapitalvermögen der Gesellschaft (im Jahr 1908 circa 90.000 Mark¹⁴) zu fördern. Noch seien die Verhandlungen zur Veranstaltung dieser Ausgabe aber nicht zum Abschluss gekommen.¹⁵ In der Tat waren in der letzten Zeit die Pläne der Goethe-Gesellschaft für ihre Goethe-Ausgabe ins Wanken geraten. Bis ins Jahr 1907 hatte die Gesellschaft mit verschiedenen Verlagen und Druckereien (Hermann Böhlaus Nachfolger, Poeschel&Trepte und andere) geplant. Sie hatte mit sechs Bänden im repräsentativen Lexikon-Oktav-Format (circa 25–30 Zentimeter Höhe) gerechnet und war von einer Auflage von 10.000 Stück ausgegangen.¹⁶ Dafür sollte die Gesellschaft bei einem Ladenpreis von sechs Mark über 30.000 Mark Druckkostenzuschuss leisten.¹⁷ Wie aus einem Brief Henry van de Veldes an Hans Olde erhellt, hatte man bislang an eine Verzierung des Einbandes gedacht, denn van der 10 11 12 13 14 15 16
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Vgl. Wolfgang Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, Weimar 1936, S. 60. Paul von Bojanowski und Karl Johann Nebe, Einundzwanzigster Jahresbericht der GoetheGesellschaft, in: Goethe-Jahrbuch, 27 (1906), S. 1–17 (zweite Zählung), hier S. 4. Ebd., S. 5. Vgl. hierzu auch: Wolfgang Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 56. Vgl. Eduard Raehlmann, Vierundzwanzigster Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft, in: Goethe-Jahrbuch, 30 (1909), S. 1–17 (zweite Zählung), hier S. 9. Vgl. C. von Goeckel, Dreiundzwanzigster Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft, in: GoetheJahrbuch, 29 (1908), S. 1–13 (zweite Zählung), hier S. 4. Vgl. die Kalkulation, die Poeschel&Trepte am 4. Oktober 1907 vorlegte (Goethe- und SchillerArchiv, 149 / 1101, Nr. 62). Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar wird im Folgenden durch die Sigle ›GSA‹ abgekürzt. Der Vertragsentwurf vom 29. August 1907 von Hermann Böhlaus Nachfolger sah diesbezüglich ähnliche Konditionen vor (vgl. GSA 149 / 1101, Nr. 48). Vgl. GSA 149 / 1101, Nr. 62.
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Velde schrieb angesichts der Probeeinbände, dass es besser sei, »diese Deckel ganz ohne Ornament ausführen zu lassen«.¹⁸ Die Kommission plante also eine großformatige, repräsentative und verzierte Goethe-Ausgabe in relativ geringer Auflage bei zugleich hohem Druckkostenzuschuss. Damit hielt sie am Zusammenhang von Buchformat und Wertschätzung des Autors fest.¹⁹ Eine Breitenwirkung hätte eine solche in der Herstellung und im Vertrieb teure Ausgabe nicht haben können. Nun hatte die Kommission am 25. Oktober 1907 ein Schreiben des InselVerlags erhalten, das das bisherige Konzept radikal in Frage stellte. Kippenberg versetze die ihm übersandte Druckprobe in »gelindes Entsetzen«.²⁰ Ein ›Volksgoethe‹ im Lexikon-Format verfehle den Zweck und führe sich selbst »ad absurdum«.²¹ Er rechnete vor, wie kläglich es sei, dass bei 80 Millionen Deutschen im In- und Ausland nur 6000 Exemplare gedruckt werden sollten.²² Er dagegen stelle sich »50–100000 Expl.«.²³ vor, eine Zahl die sich ein Leser aus dem Kreis der ›Volksgoethe‹-Kommission doppelt rot unterstrich. Kippenberg argumentierte, dass viele vollständigere Goethe-Ausgaben für sechs Mark auf dem Markt seien und dass ein ›Volksgoethe‹ durch Auswahl und Preis überzeugen müsse. An einem Lexikon-Format hätten die Buchhändler kein Interesse; Werkausgaben in diesem Format kosteten zu viel Fracht und seien schwer zu verkaufen.²⁴ Dann unterbreitet er seinen Vorschlag: »vier Bände viel kleineren Formats in Pappbände gebunden, je etwa 500 Seiten, nicht zu dickes Papier, anständig gedruckt, für M. 5.-«.²⁵ Kleineres Format, weniger Bände, einfacher ausgestattet, billiger und viel strenger ausgewählt – so sollte der ›Volksgoethe‹ im ersten Entwurf Kippenbergs werden. Der von der Goethe-Gesellschaft geplante Inhalt hätte sich auf diesen 2000 Seiten niemals unterbringen lassen. Dafür entwarf Kippenberg die Vision einer Goethe-Ausgabe, die zum Vorzugspreis von drei Mark an »Bildungs- und Arbeitervereine, Vereine, Schulen«²⁶ verkauft werden könnte. Das
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Henry van de Velde an Hans Olde, 20. September 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 57). Zur Semantik von Buchformaten vgl. Gérard Genette, Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buchs. Mit einem Vorwort von Harald Weinrich. Aus dem Französischen von Dieter Hornig, Frankfurt a. M. 1989, S. 23–27. Anton Kippenberg an Hofrat [Bernhard Suphan?], 25. Oktober 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 73r). Anton Kippenberg an Hofrat [Bernhard Suphan?], 25. Oktober 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 73r). Nicht klar ist, wie Kippenberg auf diese Zahl kommt, da in den Angeboten der Verlage immerhin von 10.000 Stück die Rede ist. Anton Kippenberg an Hofrat [Bernhard Suphan?], 25. Oktober 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 73r). Vgl. Anton Kippenberg an Hofrat [Bernhard Suphan?], 25. Oktober 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 73v). Anton Kippenberg an Hofrat [Bernhard Suphan?], 25. Oktober 1907 (GSA 149 / 1101, Nr. 74r). Ebd.
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wäre ein »unerhörtes Verdienst«²⁷ der Goethe-Gesellschaft. Dazu aber müsste die Goethe-Gesellschaft strenger auswählen und den »Standpunkt des gebildeten Goethe-Kenners«²⁸ verlassen, um denjenigen des »Volksbildners«²⁹ einzunehmen. Dann fügte Kippenberg an, dass für eine solche Ausgabe der Zuschuss der Goethe-Gesellschaft viel geringer sein müsste als bei den anderen Angeboten. Er schloss mit der Bemerkung, dass hier einmal eine Gelegenheit sei, »Goethe wirklich zu popularisieren, soweit er sich überhaupt dafür eignet«³⁰ und dass die Goethe-Gesellschaft diese Chance nicht verpassen dürfe. Tatsächlich spiegelt die so skizzierte Goethe-Edition Kippenbergs generelles Verständnis von Werkausgaben wider. Das zeigte sich beispielsweise auch wieder bei der Neuausgabe des ›Volksgoethe‹ im Jahr 1949. Am 16. Juli 1944 schrieb Kippenberg an den Herausgeber Reinhard Buchwald, dass er das deutsche Verlagswesen beim Wiederaufbau »zum Guten Teil auf falschem Wege«³¹ sähe: »Ich möchte aber nach Möglichkeit richtig wieder aufbauen und nicht Steine für Brot bieten. Zu solchen Steinen gehören vielbändige kritische Dichterausgaben, die geplant werden, als wäre nichts im letzten Jahrzehnt geschehen.«³² Man kann hinzufügen, dass solche ›Steine‹ schon vor dem Nationalsozialismus nicht der verlegerischen Vision Kippenbergs entsprachen, sondern dass er nicht auf historisch-kritische, sondern stets auf breiter rezipierbare Klassikerausgaben zielte. Selbst ein »Volksbildner«, wollte Kippenberg »alles daran […] setzen, dass Goethes Werk zum Volke spricht«, so Kippenberg in einem Brief an Ernst Beutler am 16. März 1945.³³ Kippenbergs Mahnruf an die Goethe-Gesellschaft zeigte offenbar Wirkung. Am 4. Januar 1908 schrieb Schmidt an den geschäftsführenden Ausschuss der Goethe-Gesellschaft, dass man »weder das Format, noch den Umfang, noch den Preis aufrechterhalten«³⁴ könne. Damit hatte sich die Goethe-Gesellschaft verlegerisch modernen Prinzipien angeschlossen. Nicht mehr die repräsentativ großformatige und verzierte Goethe-Ausgabe für einen eingeschränkten Leserkreis war das Ziel, sondern das moderne, praktische und preiswerte Massenbuch. 27 28 29 30 31 32 33
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Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Anton Kippenberg an Reinhard Buchwald, 16. Juli 1944 (GSA 09 / 23, Nr. 107). Ebd. Vgl. Susanne Buchinger, »Alles daran zu setzen, dass Goethes Werk zum Volke spricht«. Goethepflege im Spiegel des Briefwechsels zwischen Ernst Beutler und Anton Kippenberg, in: Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts (2007), S. 305–370, hier S. 305. Erich Schmidt an den geschäftsführenden Ausschuss der Goethe-Gesellschaft, 4. Januar 1908, in: Thomas Neumann, »Armut und Würde« – oder: Faust II gehört nicht dazu! Erich Schmidts »Volks-Goethe«-Ausgabe im Insel-Verlag (1909), in: Zeitschrift für Germanistik, N.F. 10 (2000), S. 614–620, hier S. 616.
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Wie radikal Kippenberg das Problem der Auswahl ins Auge fasste, zeigen ein Brief und beiliegende Kalkulationen, die er am 14. April 1908 an Erich Schmidt sandte: Reineke Fuchs und Stella wollte er ausschließen,³⁵ Dichtung und Wahrheit von 44 auf 30 Bogen kürzen. Er plädierte andererseits dafür, zusätzlich zum ohnehin geplanten Abdruck des fünften Aktes von Faust II – an die integrale Aufnahme des ganzen Werks dachte damals noch niemand – auch die erste Szene des ersten Aktes von Faust II aufzunehmen und die Lücke durch eine Herausgeber-Überleitung zu füllen. Vor allem aber legte er zwei getrennte Kalkulationen vor, eine sechsbändige Goethe-Ausgabe und eine fünfbändige, die ohne den Band Wilhelm Meisters Lehrjahre auskam. Das zeigt, dass man um 1900 auf die Lehrjahre eher zu verzichten können glaubte als auf Dichtung und Wahrheit, das den fünften Band ausfüllte.³⁶ Die Vorstandssitzung vom 12. Juni 1908 beschloss, der Generalversammlung vorzuschlagen, mit dem Insel-Verlag abzuschließen.³⁷ Der 24. Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft über die Generalversammlung vom 13. Juni 1908 nennt dann den Insel-Verlag als Veranstalter der Werkausgabe: Sie solle in einer »einfachen, aber anständigen Ausstattung«³⁸ erscheinen. Holzfreies Papier im »bequemen«³⁹ Oktavformat und Pappeinbände sollten benutzt werden. Die Ausgabe werde sechs Bände umfassen und insgesamt sechs Mark kosten – bei der Bandanzahl hatte sich offenbar die Kommission des ›Volksgoethe‹ durchgesetzt, und Wilhelm Meisters Lehrjahre blieb in den ausgewählten Werken enthalten. Der Verlag drucke in einer ersten Auflage 20.000 Exemplare, wenn die Goethe-Gesellschaft 20.000 Mark hinzuschösse, was bei dieser für Volksausgaben gehobenen Ausstattung nötig sei. 1000 Freiexemplare und ermäßigte Exemplare für Mitglieder der Goethe-Gesellschaft seien ebenso vorgesehen. Im Übrigen stehe die Auswahl der aufzunehmenden Texte fest. Die Jahresversammlung segnete diese Rahmendaten ab.⁴⁰ Der Verlagsvertrag enthält die auf der Jahresversammlung vorgestellten Bestimmungen. Was Druck, Papier und Bindung betrifft, so heißt es jetzt, die Aus-
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Er zweifelte beim Reineke Fuchs aber gleich wieder. Dennoch wurden letztlich beide Werke nicht abgedruckt. Vgl. Anton Kippenberg an Erich Schmidt, 14. April 1908 (GSA 149 / 1101, Nr. 91r) und (GSA 149 / 1101, Nr. 93, 94). Vgl. den »Auszug a[us] dem Protokoll über die Vorstandssitzung am 12. VI. 08« (GSA 149 / 1101, Nr. 98r). Eduard Raehlmann, Vierundzwanzigster Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft, S. 5. Ebd. Ebd., S. 5 f.
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gabe sollte »in würdiger Ausstattung«⁴¹ erscheinen. Der Verlag verpflichtete sich, die ermäßigten Exemplare zu 3,70 Mark an die Goethe-Gesellschaft zu verkaufen, vorausgesetzt, sie wiederum verschenke diese. Weitere Verhandlungen sollten geführt werden, falls eine Neuauflage nötig werde.
Die schlichte Ausstattung und ihre Botschaft Wie wichtig Kippenberg die Ausstattung des ›Volksgoethe‹ war, erhellt bereits aus dem Briefwechsel mit Schmidt: Kippenberg übersandte nämlich mit dem Brief vom 14. April 1908 ein Probe-Exemplar des Einbandes, das er bat, nicht außerhalb der Kommission zu zeigen, denn er finde diesen Einband, der bis auf das Rückenschild fertig sei, sehr schön und halte ihn für »ein wenn auch bescheidenes geistiges Eigentum«.⁴² Die »Durchschlagkraft der Ausgabe [hänge; P.A.] nicht zum wenigsten eben an dem äusseren Gewande«.⁴³ Während die gestalterische Grundidee (Pappband mit Papierüberzug, Format) offenbar also auf Kippenberg selbst zurückgeht, entwarf Emil Rudolf Weiß das Rückenschild; auch war er an der Farbgebung beteiligt. Weiß war von dem Unterfangen sehr angetan und erfasste sofort die Ausrichtung des ›Volksgoethe‹. An Kippenberg schrieb er am 10. Mail 1909: Den Volksgoethe find ich als Leistung in seiner Art ausgezeichnet und gratuliere Ihnen zu dem Unternehmen. Es wird wohl das werden, was er sein will, der Volksgoethe, den man überallhin mit sich nimmt. Es handelt sich jetzt dabei um die Frage des Einbands, die gerade bei solchen Werken besonders sorgfältig überlegt und ausgeführt werden muß. Diese Ausgabe eignet sich meines Erachtens auch sehr gut, um von kleineren und mittleren Lehranstalten als Schulpreis verwendet zu werden und sollte deshalb nicht nur im Pappband (den ich, wohl mit Recht, voraussetze), sondern auch, um auch
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Vgl. den Verlagsvertrag vom 7.–11. November 1908, abgedruckt in: Thomas Neumann, »Armut und Würde«, S. 616–618. Anton Kippenberg an Erich Schmidt, 14. April 1908 (GSA 149 / 1101, Nr. 92r). Es ist also wahrscheinlich, dass die Einbandgestaltung nicht nur von Emil Rudolf Weiß, sondern auch von Kippenberg selbst stammte. Vgl. dagegen die alleinige Zuschreibung an Weiß bei: Heinz Sarkowski, Der Insel Verlag, S. 89 und Barbara Stark, Das Buch als Persönlichkeit. Emil Rudolf Weiß und der Insel-Verlag, in: Vom Ornament zur Linie. Der frühe Insel-Verlag 1899– 1924. Ein Beitrag zur Buchästhetik im frühen 20. Jahrhundert, hg. von John Dieter Brinks, Laubach und Berlin 2000, S. 149–164, hier S. 154. Anton Kippenberg an Erich Schmidt, 14. April 1908 (GSA 149 / 1101, Nr. 92r).
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im Einband alle Altertümelei zu vermeiden, in einen glatten, schlichten, Halbpergamentband gebunden werden oder in ein schönes, ziemlich glattes Leinen von dauerhafter Qualität und Farbe, um den Ansprüchen an besseres Material und größere Haltbarkeit zu genügen.⁴⁴ Kippenberg hatte ja der Goethe-Gesellschaft gegenüber gerade das zunächst geplante Lexikon-Format kritisiert. Weiß nun erkennt, dass die Portabilität für die Ausgabe (»den man überallhin mit sich nimmt«) ein wichtiges Merkmal ist. Dauerhaft, aber schlicht und praktisch und dabei nicht altertümlich, so lautet die Devise. Die Leinen- und Halblederausgaben, nicht aber das von Weiß gewünschte Pergament, folgten ab der zweiten Auflage. Die einfache Ausstattung der schlanken, 18,5 Zentimeter hohen Bände ist auf den Preis abgestimmt.⁴⁵ Der Pappeinband ist mit schmucklosem Glanzpa-
Erich Schmidts ›Volksgoethe‹ im Insel-Verlag (1909, hinten) und eine Goethe-Ausgabe des Max Hesse Verlags (circa 1909, vorne), © DLA Marbach
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Emil Rudolf Weiß an Anton Kippenberg, 10. Mai 1909 (GSA 50 / 3701,1). Autopsiert wurde das Exemplar aus der Produktionsbibliothek des Insel-Verlags im Deutschen Literaturarchiv Marbach.
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pier überzogen, dessen Struktur sichtbar ist. Dadurch stellt der Einband seine Materialität aus, das heißt, es ist deutlich erkennbar, dass Buch und Einband aus Papier sind. Nur das kleine, oben angebrachte und farblich abgesetzte Rückenschild hat einen Zierrahmen, der an die Buchkunst des achtzehnten Jahrhunderts gemahnt.⁴⁶ Diese Rückenschilder wurden von Weiß entworfen; sie machten ihm nicht wenig Mühe, da er das Ornament an die unterschiedlichen Bandstärken anpassen musste. Zunächst war Kippenberg von den Entwürfen wenig begeistert. Er dachte an eine mittige Positionierung der Schilder auf dem Buchrücken und fand sie zu klein. Zudem schien ihm die Umrandung des Rückenschildes »reichlich lebhaft«⁴⁷ für den »innen und aussen so ausserordentlich schlichten Band«.⁴⁸ Weiß dagegen wollte die Schilder oben anbringen und verteidigte seinen Buchschmuck: Im übrigen finde ich das gerade nett: der innen und außen so einfachen Ausgabe einer Stelle einen Kleinen wirklichen Schmuck zu geben, wie ein kleines Haus eine gezierte Tür hat – oder ein reizvolles Oberlichtgitter über der glatten Haustür, wie man es an den einfachsten Rococo- und auch Empirehäuschen sieht. Das finde ich schön.⁴⁹ Weiß fasste also den Buchrücken als architektonisches Werk auf, das schlicht zu sein hat, aber ein Zierelement aufweisen darf. Seinen Schmuck rechtfertigte er unter Rückgriff auf das achtzehnte und frühe neunzehnte Jahrhundert; er orientierte sich nicht an der im Entstehen begriffenen modernen Architektur, die schließlich alle Zierelemente weglassen sollte. Einfach wie der Pappeinband ist auch der Schnitt. Der obere Schnitt des holzfreien Buchblocks ist farblich dem Einband angeglichen und will keinesfalls als farbiger Akzent wirken; er dient lediglich dem Schutz. Unverziert ist auch das Vorsatzpapier. Der Schmutztitel, also das dem Haupttitelblatt vorgebundene Schutzblatt, trägt nur das Verlagssignet. Das Titelblatt ist markant eingerahmt. Titel und Bandangabe heben sich in demjenigen gedämpften Rot vom übrigen Text ab, das auch beim Rückenschild zur Anwendung kommt. Diese Elemente tragen zu einem schlichten, einheitlichen und durch die Ausstellung der Materialität ›ehrlichen‹ Gesamteindruck bei, der bewusst reduziert und damit überlegt
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Vgl. Jörg Meier: Das moderne Buch, S. 222. Anton Kippenberg an Emil Rudolf Weiß, 7. August 1909 (GSA 50 / 3701,1). Ebd. Emil Rudolf Weiß an Anton Kippenberg, 8. August 1909 (GSA 50 / 3701,1).
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wirkt. Der ›Volksgoethe‹ markierte klar, dass Kippenberg den Jugendstil für überholt erachtete.⁵⁰ Jede Abteilung der Werkausgabe hat ein eigenes Titelblatt, das gänzlich schmucklos lediglich den gedruckten Titel zeigt (»Einleitung«, »Gedichte«, Faust[.] Eine Tragödie«, und so weiter). Trotz der einfachen Materialien setzt sich so der großzügige Eindruck fort. Die Drucktype von Goethes Texten ist eine Fraktur und nicht zu klein; der Kommentar ist kleiner gedruckt und tritt somit in seiner Bedeutung hinter Goethes Schriften zurück. Die gleichzeitig für deutsche Klassiker erprobte Antiqua der Wilhelm Ernst-Ausgabe kam nicht zur Anwendung; man hielt sich an die bewährte Fraktur. Durch die relativ große Drucktype wirkt der Text nicht gedrängt, sondern großzügig angeordnet. Die erste Auflage, 20.000 Exemplare, wurde nur in dieser Ausstattung angeboten.⁵¹ Später verlangte Kippenberg nach einer Leinen- und einer Halbfranzausgabe, was die Goethe-Gesellschaft zunächst nicht gestatten wollte. Schließlich gab die GoetheGesellschaft nach, die wohl um den ›Volks‹-Charakter ihrer Ausgabe fürchtete.⁵² Auch das ist ein Beleg, wie angemessen man schließlich die Ausstattung für eine Volksausgabe empfand. Dass die Wilhelm Ernst-Ausgabe mit ihrem Ganzledereinband, dem Dünndruckpapier, dem Goldschnitt und dem Preis von vier bis sechs Mark pro Band (1910) von vornherein eine andere Zielgruppe im Visier hatte, liegt auf der Hand. Aber auch von anderen, populären Klassikerausgaben unterscheidet sich der ›Volksgoethe‹ markant. Die Neuen Leipziger Klassiker-Ausgaben des Max Hesse Verlags wurden in vier Ausstattungen ausgeliefert, von broschiert über den Leineneinband bis zur Luxus- und Salonausgabe (siehe Abbildung 1).⁵³ Die vier, 16 Zentimeter hohen und im Vergleich zum ›Volksgoethe‹ dickeren Leinenbände von Goethes ausgewählte[n] Werke[n] dieses Verlags kosteten ebenfalls sechs Mark. Sie sind großflächig mit zweifarbigem Jugendstilornament verziert; der Titel, dem Buchrücken eingeprägt, ist vergoldet. Auf dem vorderen Buchdeckel 50
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Vgl. hierzu: Heinz Sarkowski, Wolfgang Jeske, Der Insel-Verlag 1899–1999. Die Geschichte des Verlags. 1899–1964 von Heinz Sarkowski. Chronik 1965–1999 von Wolfgang Jeske. Eingeleitet von Siegfried Unseld, Frankfurt a. M. und Leipzig 1999, S. 126. Jörg Meiers Aussage, diese Goetheausgabe sei auch in blauem Halbleder erschienen, muss sich also auf die späteren Auflagen beziehen. Vgl. Jörg Meier, Das moderne Buch, S. 222. Vgl. GSA 149 / 1103, Nr. 4–28. Der ›Volksgoethe‹ stand 1914 vor dem Ende, da die gestiegenen Druckkosten die Ausgabe vollends unrentabel machten, die Goethe-Gesellschaft keinen Zuschuss zahlen wollte und der Ladenpreis nur in Abstimmung mit der Goethe-Gesellschaft auf 6,50 Mark erhöht werden durfte. Vgl. Anton Kippenberg an den Geschäftsführenden Ausschuss der Goethe-Gesellschaft, 19. Januar 1914 (GSA 149 / 1103, ohne Nummerierung). Vgl. Goethes ausgewählte Werke in sechzehn Bänden. Mit einem Bildnis Goethes, sowie einer Einleitung; Goethes Leben und Werke, hg. von Simon M. Prem, Leipzig [ca. 1909], hier Bd. 16, S. 1 der angebundenen Verlagswerbung am Ende des Bandes.
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prangt in großen Lettern »Goethe« und suggeriert damit, man habe hier keine Werkauswahl, sondern den Autor selbst in der Hand. Der Buchschnitt ist an allen drei Seiten marmoriert. Das Vorsatzpapier ist farbig gemustert, dem ersten Band ist ein Bildnis von Goethe beigegeben, das mit seiner Unterschrift versehen ist.⁵⁴ Unzweifelhaft setzt diese Ausgabe stärker auf den modischen Jugendstil und versucht dadurch zu gefallen. Sie verlässt sich auf die auratische Wirkung von Autorbild und Schriftzug. Und sie versucht durch eine kleine Frakturtype auf geringem Raum viel Text unterzubringen. Das waren sicher allesamt verkaufsfördernde Merkmale dieser Ausgabe. Enger am Konzept Kippenbergs sind Bongs Klassiker, also die Werkausgaben des deutschen Verlagshauses Bong&Co. Goethes Werke erschienen dort circa 1909 in 20 Teilen. Die Bände haben dasselbe Format wie der ›Volksgoethe‹, doch sie sind in rotes Leinen mit Goldprägung gebunden. Auch hier also unterbietet Kippenberg seine Konkurrenten in der Pracht der Ausstattung, so wie er versucht, sie in der konsequenten Gestaltung zu übertreffen. Wie schon aus dem Brief Kippenbergs an die Goethe-Gesellschaft vom 25. Oktober 1907 erhellt, kannte der Verleger diese Ausgaben, die im Buchhandel wichtige Konkurrenten waren. An Julius Petersen schrieb er, dass sich angesichts seiner eigenen Werkausgabe »sogenannte[ ] weitere[ ] Kreise« hoffentlich davon überzeugen würden, »wie unsagbar scheusslich die Ausgaben von Bong und Hesse sind«.⁵⁵ Der Briefpartner, der auch als Rezensent des ›Volksgoethe‹ in Erscheinung treten sollte, hatte schon zuvor die »Gediegenheit der Ausstattung«⁵⁶ gelobt. Jonas Fränkel machte in seiner Rezension in der Frankfurter Zeitung nicht nur den Ehrentitel »Volks-Goethe« zur gängigen Münze, er verglich andere Ausgaben, die vornehmlich repräsentativ wirken, mit einem »vergoldete[n] Möbelstück«,⁵⁷ das ungelesen im Wohnzimmer des »Bildungsprotz[es]« stehe. Genau damit warb auch der Verlag: »Diese neue Ausgabe […] tritt mit dem entschiedenen Anspruch hervor, gelesen zu werden und nicht im ›Klassiker-Schrank‹ das unberührte Dasein der Werke zu führen, ›die man besitzen muß‹.«⁵⁸ Das genau war die Botschaft der schlichten Ausstattung: Das Buch war nur zur Lektüre bestimmt und nichts sollte von diesem Zweck ablenken.
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Zum Autorenportrait als Mittel der Werbung um 1900 – bereits als Foto bei der Vermarktung lebender Autoren – vgl. Sandra Oster, Das Autorenfoto in Buch und Buchwerbung. Autorinszenierung und Kanonisierung mit Bildern, Berlin und Boston 2014, S. 100–116. Anton Kippenberg an Julius Petersen, 1. November 1909, abgedruckt in: Thomas Neumann, »Armut und Würde«, S. 619. Julius Petersen an Anton Kippenberg, 30. Oktober 1909, abgedruckt in: ebd. Jonas Fränkel, Der Volks-Goethe, in: Frankfurter Zeitung vom 1. Januar 1910, S. 5 (erstes Morgenblatt). Zitiert nach: Heinz Sarkowski, Wolfgang Jeske, Der Insel-Verlag 1899–1999, S. 82.
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Dass sich der ›Volksgoethe‹ im literarischen Feld der Goethe-Ausgaben behaupten konnte, lag aber sicher nicht nur am Preis und an seiner ästhetisch gelungenen und markant von der Buchkunst der Jahrhundertwende⁵⁹ abweichenden Ausstattung. Die Goethe-Gesellschaft, in dessen Auftrag die Ausgabe herausgegeben wurde, ermöglichte sie nicht nur durch die finanzielle Unterstützung, sondern sie verlieh ihr auch symbolisches Kapital. Dass sie selbst ebenfalls von der Ausgabe profitierte, mag ein späterer Seitenhieb von Georg Witkowski belegen, der beklagte, dass der ›Volksgoethe‹ »die einzige[ ] ins Allgemeine wirkende[ ] Lebensäußerung der Goethe-Gesellschaft«⁶⁰ gewesen sei. Aus dem Entstehungskontext der Ausgabe lässt sich also erkennen, dass der »Volks-Goethe« – diese Bezeichnung wurde in den Briefen und Akten der Goethe-Gesellschaft schon vor dem Erscheinen verwendet⁶¹ und findet sich zum Beispiel auch im Verlagsprospekt von Weihnachten 1914⁶² – tatsächlich auf breiteste Schichten berechnet war. Er sollte als kostenloses Exemplar in Volksbibliotheken des Auslands gelangen, er wurde als Band XXIV der Schriften der GoetheGesellschaft an die 3252 Mitglieder (Stand: Ende 1909) verteilt,⁶³ er wurde auf Anweisung der Goethe-Gesellschaft durch den Insel-Verlag zu dem ermäßigten Preis an Vereine, Gesellschaften und Institute geliefert, und er ging schließlich für preiswerte, aber keineswegs konkurrenzlose sechs Mark in den Buchhandel.
Literarische Charakteristik: Schmidts Einleitung Lebenslauf und der chronikalische Zusammenhang von Goethes Leben und Werk Erich Schmidt zeichnete für den Inhalt der Ausgabe verantwortlich. Damit übernahm eine der zentralen Figuren im Wissenschaftsbetrieb die Herausgabe. Schmidt war als Schüler Wilhelm Scherers einer der Herausgeber der Weimarer Sophienausgabe von Goethes Werken, er war Direktor des neugegründeten Wei59 60 61
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Einen zeitgenössischen Überblick hierüber gibt: Otto Grautoff, Die Entwicklung der modernen Buchkunst in Deutschland, Leipzig 1901. Georg Witkowski, Von Hempel bis Wilhelm Ernst, in: Navigare necesse est, hg. von Katharina Kippenberg, Leipzig 1924, S. 89–102, hier S. 101. Vgl. u. a. den oben zitierten Brief Schmidts an den geschäftsführenden Ausschuss der Goethe-Gesellschaft am 4. Januar 1908, abgedruckt in: Thomas Neumann, »Armut und Würde«, S. 616. Vgl. Bücher des Insel-Verlages Weihnachten 1914, hg. vom Insel-Verlag (Deutsches Literaturarchiv Marbach, noch nicht katalogisiert). Im Folgenden wird das Deutsche Literaturarchiv Marbach durch die Sigle ›DLA‹ abgekürzt. Siehe den sechsundzwanzigsten Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft, in: Goethe-Jahrbuch, 32 (1911), S. 1–19, hier S. 9 und den dem Jahrbuch beiliegenden Anmeldezettel (enthalten im Exemplar der Bibliothek des DLA, Sig.: Xlr).
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marer Goethe-Archivs (1885–1886), in der hier interessierenden Zeit Präsident der Goethe-Gesellschaft, Nachfolger auf Scherers Lehrstuhl an der Universität zu Berlin (1887–1913) und Jubiläums-Rektor dieser Universität (1909 / 10).⁶⁴ Es sei dahin gestellt, ob der ›Volksgoethe‹ wirklich das »Hauptgeschäft«⁶⁵ seiner Präsidentschaft war, aber angesichts des hohen finanziellen Beitrags der GoetheGesellschaft und der breiten Wirkung der Ausgabe war sie sicherlich nicht nur ein Meilenstein für die Weimarer, sondern auch für die an der Goethe-Philologie zur Wissenschaft gewordene Neugermanistik. Denn es handelt sich beim ›Volksgoethe‹ nicht nur um die Popularisierung von Goethes Schriften, sondern auch um den Versuch, die Goethe-Philologie zu popularisieren. »Du sollst nicht töten, sondern lebendig machen«,⁶⁶ war der Wahlspruch Schmidts, der sich im Stammbuch der von ihm regelmäßig besuchten Germanistenkneipe fand. Die wichtigsten Paratexte des ›Volksgoethe‹ sind der einleitende Lebenslauf im ersten Band, die Erläuterungen im Anhang jeden Bandes und Wörterverzeichnisse, die sich ebenfalls in jedem Band befinden. Dem Charakter einer Volksausgabe, die vor allem verständlich sein will, entspricht am deutlichsten das Bestreben des Herausgebers, erklärungsbedürftige Begriffe zu erläutern. Das »Wörterverzeichnis« in jedem Band erklärt nicht nur Götternamen wie Jupiter, sondern auch Fremdwörter wie Atheist, Pokal, Statut oder veraltete Begriffe wie Witz. Auch in seinen eigenen Erläuterungen vermied Schmidt weitgehend alles, was ihm schwer verständlich schien. Er nannte seine Einleitung Lebenslauf, nicht Biografie, er schrieb »Geheimweisheit« und setzte die »Alchemie« in Klammern dahinter,⁶⁷ er erklärte »Metamorphose« durch »Umwandlung«,⁶⁸ den Homunculus durch »chemisches Menschlein«,⁶⁹ und so weiter. Eine höhere Schulbildung wird somit nicht zwingend vorausgesetzt und die Ausgabe dem Anspruch gerecht, Goethes Werke auch für nicht-Akademiker zugänglich zu machen. 64
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Vgl. Volker Ufertinger, Erich Schmidt. Philologie und Repräsentation im Kaiserreich. Hausarbeit zur Erlangung eines magister artium der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1995. Volker Ufertinger, Schmidt, Erich, in: Internationales Germanistenlexikon. 1800– 1950. 3 Bde., hg. von Christoph König, Berlin und New York 2003, Bd. 3, S. 1618–1621, hier S. 1619. Zu Schmidt vgl. weiterhin: Wolfgang Höppner, Erich Schmidt (1853–1913), in: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Portraits, hg. von Christoph König, Hans-Harald Müller und Werner Röcke, Berlin und New York 2000, S. 107–114. So das Urteil von: Wolfgang Goetz, Fünfzig Jahre Goethe-Gesellschaft, S. 60. Zitiert nach: Volker Ufertinger, Erich Schmidt. Philologie und Repräsentation im Kaiserreich, S. 92. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Goethes Werke in sechs Bänden. Im Auftrage der GoetheGesellschaft ausgewählt, hg. von Erich Schmidt, Leipzig 1909, hier Bd. 1, S. 638 (Kommentar). Vgl. ebd., Bd. 6, S. 503. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 643.
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Der Lebenslauf spiegelt wider, dass die Philologie der Zeit auf die Biografie des Autors als Leitfaden für das Werk fixiert war. Dieser Text, der ein vielschichtiges Bild von Goethe in seiner Zeit entwirft, wurde noch in der Neubearbeitung Gustav Roethes von 1949 / 52 abgedruckt.⁷⁰ Vom (häufig nationalen gefärbten) Pathos, das in der Goethe-Verehrung des neunzehnten Jahrhunderts zu spüren ist und das auch in Werkausgaben Goethes um 1900 aufgefunden werden kann,⁷¹ merkt man hier kaum etwas. Goethe ist nicht mehr die Urgewalt, die voraussetzungslos über die Deutschen hereinbricht und aus sich heraus ein neues Klima schafft, in dem seither ein ganzes Volk lebt.⁷² Auf diese Weise hatte aber Herman Grimm in seinen einflussreichen Goethe-Vorlesungen (ED 1877) die Frage beantwortet: »Was war Goethe […]?«⁷³ In seiner Rede Die litterarische Persönlichkeit (1909) legt Schmidt die Prinzipien seiner literarhistorischen Autor-Charakteristik offen. Der Scherer-Schüler orientiert sich an den Kategorien des Ererbten, Erlebten und Erlernten.⁷⁴ Damit hat er drei Fragerichtungen etabliert, in denen er gesetzmäßige Zusammenhänge aufspüren will. Doch Schmidt möchte einen großen Autor nicht in diesem Kausalgefüge aufgehen lassen; dafür steht der Begriff der »Persönlichkeit«. Zwar sieht er die Anfänge selbst des größten Genies durch geschichtliche und literarische Bedingungen determiniert, und diese Konstellationen muss man positivistisch erforschen, doch mit zunehmender Reife prägt die »eigen-
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Zu den Änderungen, die Kippenberg dem neuen Bearbeiter Gustav Roethe zur Neuausgabe 1925 vorschlug vgl.: Anton Kippenberg an Gustav Roethe am 1. April 1925 (?) (DLA, SUA: Insel-Verlag, Briefwechsel Insel-Verlag / Goethe-Gesellschaft und Verträge, 1923–1925 [noch nicht katalogisiert]). Vgl. z. B. den Einleitungssatz der Goethe-Ausgabe des Max Hesse Verlags von Prem: »Aus langer Trübsal und Schmach erhob sich im 18. Jahrhunderte das unterdrückte deutsche Volk langsam zu einem besseren Dasein.« (Goethe, Goethes ausgewählte Werke in sechzehn Bänden, Bd. 1, S. III). Zu den unterschiedlichen Auffassungen Schmidts und Grimms über die Bedeutung der Philologie und der Literaturgeschichte vgl. Volker Ufertinger, Erich Schmidt. Philologie und Repräsentation im Kaiserreich, S. 59–61. Und nicht: Wer war Goethe? (Herman Grimm, Aus: Goethe. Vorlesungen gehalten an der Kgl. Universität zu Berlin, in: Goethe im Urteil seiner Kritiker. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil III: 1870–1918, hg. von Karl Robert Mandelkow, München 1979, S. 69–87, hier S. 74). Vgl. z. B. »Goethe hat im geistigen Leben Deutschlands gewirkt wie eine gewaltige Naturerscheinung im physischen gewirkt hätte. […] Goethe hat unsere Sprache und Literatur geschaffen« (ebd.). Erich Schmidt, Die litterarische Persönlichkeit. Rede zum Antritt des Rektorats der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität am 15. Oktober 1909, in: ders., Reden zur Litteraturund Universitätsgeschichte, Berlin 1911, S. 1–20, hier S. 17.
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artige[ ] Persönlichkeit«⁷⁵ dem Erlernten einen »persönlichen Stempel«⁷⁶ auf. Weil sich dieser Wandel nicht restlos erklären lässt, billigt er dem Genie zu, ein »Geheimnis«⁷⁷ zu sein. Das Einfallstor für das Geheimnisvolle scheint das Erlebte zu sein, das Schmidt nun mit Wilhelm Dilthey als »Erlebnis«⁷⁸ versteht.⁷⁹ Damit nimmt er eigenen Ausführungen zufolge eine Position ein zwischen Wilhelm von Humboldt, der meinte, das Genie breche mit der Kausalität, und Hippolyte Taine, der glaubte, Genies als »reduzierbare Produkte«⁸⁰ ganz auf Kausalgesetze zurückführen zu können.⁸¹ Schmidt ist es wichtig, jede Veränderung im Hinblick auf ihren Innovationscharakter zu befragen. Dieser Neuigkeitswert gilt ebenfalls im Hinblick auf den zeitgenössischen Rezipienten: Man solle stets fragen, inwiefern der Dichter »an der Entdeckung neuer Welten in uns, um uns, über uns«⁸² beteiligt sei. Das Ziel der Charakteristik wird mit Goethes Gedicht Urworte. Orphisch (ΔΑΙΜΩΝ, Dämon) bezeichnet: Mit diesen sinnschweren Urworten hat Goethe, der geistige Horoskopsteller, die gesetzmäßige Dauer im Wechsel einer historisch bedingten und nach ihrer Eigenart fortschreitenden Persönlichkeit ausgesprochen, davon durchdrungen, daß ein Mensch, zehn Jahre früher oder später geboren, ein anderer sein müßte […].⁸³ Neben einer Biografie des Menschen in seiner Zeit wird es Schmidt also darauf ankommen, den unveränderlichen Wesenskern einer ›porträtierten‹ Person zu erfassen. Da Schmidts Ausführungen um die Textsorte der Charakteristik kreisen, gehören seine Ausführungen in die Geschichte dieser Gattung und markieren dort ihre post-positivistische Theoriebildung.⁸⁴ 75 76 77 78 79
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Ebd. Ebd., S. 18. Ebd., S. 12. Ebd., S. 17. Natürlich spielt auch das Ererbte eine Rolle hierbei. Aber Schmidt räumt ein, dass beim Ererbten das ›Ignoramus‹, vielleicht sogar das berühmte ›Ignorabimus‹ Dubois-Reymonds gelte. Vgl. ebd., S. 10. Ebd., S. 12. Zur Stellung von Schmidts Charakterisierungskunst zwischen Scherer und Dilthey vgl. die Bemerkungen bei: Wolfgang Höppner, Erich Schmidt (1853–1913), S. 113 f. Vgl. auch den Abschnitt über Schmidts Die litterarische Persönlichkeit bei: Volker Ufertinger, Erich Schmidt. Philologie und Repräsentation im Kaiserreich, S. 107–112. Erich Schmidt, Die litterarische Persönlichkeit, S. 14. Ebd., S. 9. Den Begriff »Charakteristik« verwendet Schmidt mehrfach. Ihm ist bewusst, dass er damit in einer Tradition steht, die bei Herders Literarische Denkmale beginnt und über die Charak-
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Damit sind grundlegende Koordinaten auch des Lebenslaufs bezeichnet, der ebenfalls eine Charakteristik sein will. Obwohl man diesem Text Schmidts GoetheVerehrung deutlich anmerkt – er bezeichnet etwa Goethe »als ein heranreifendes Genie«⁸⁵ – so ist der Ton im Ganzen recht nüchtern. Superlative meidet er.⁸⁶ Auch wird der Monumentalisierung dadurch entgegengewirkt, dass Goethe als Mensch mit Schwächen gezeigt wird. Unselbständig in seinen literarischen Anfängen, »schuldig«⁸⁷ in der Liebe zu Friederike Brion, gezeichnet von »schwere[n] Prüfungen durch seelische und körperliche Leiden«,⁸⁸ entsagend im letzten Drittel seines Lebens. Durch diese Charakterisierung erscheint Goethe nahbar und nicht als ehernes Monument, vor dem der einfache Leser vor Ehrfurcht zu erstarren hat. Auch ein anderer Schwerpunkt scheint gegen eine stereotype Goethe-Auffassung gerichtet zu sein: Entgegen der üblichen Stilisierung Goethes zum Prototyp des Deutschen⁸⁹ beleuchtet Schmidt auf einer halben Seite Goethes Weltoffenheit und zitiert sein Konzept einer »Weltliteratur«; ein Schwerpunkt, der gut zur Auffassung des Verlegers Kippenberg passte.⁹⁰ Schmidt lenkt die Neugier des Lesers ganz zu Beginn der Biografie von Goethe ab und hin zu den ›Kontexten‹. Schon im zweiten Satz muss sich der Leser mit Friedrich dem Großen, Klopstock und Lessing auseinandersetzen. Das Erlernte
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terisierungskunst der Romantiker bis in die eigene Gegenwart reicht. Lob- und Leichenrede, die Eloge, Karikatur und Essay werden als Textsorten hinzugezogen, um die Charakteristik abgrenzend zu profilieren. Vgl. ebd., S. 4–9. Zur Textsorte der Charakteristik vgl.: Günter Oesterle, »Kunstwerk der Kritik« oder »Vorübung zur Geschichtsschreibung«? Form- und Funktionswandel der Charakteristik in Romantik und Vormärz, in: Literaturkritik – Anspruch und Wirklichkeit. DFG-Symposion 1989, hg. von Wilfried Barner, Stuttgart 1990, S. 64–86. Ferner: Christopher Busch, Kontinuität der Form? Zum Verhältnis von Philologie, Charakteristik und Literaturgeschichtsschreibung bei Friedrich Schlegel, in: Athenäum, 21 (2011), S. 17–46, hier S. 20 f. Erich Schmidt, Einleitung, in: Goethes Werke in sechs Bänden. Im Auftrage der GoetheGesellschaft ausgewählt, hg. von Erich Schmidt, Leipzig 1909, Bd. 1, S. II–XXVIII, hier S. V. Vgl. dagegen das national-superlative Pathos, mit dem Prem in der Einleitung zur GoetheAusgabe des Max Hesse-Verlags den Faust beschreibt: »Sein ›Faust‹ ist eine der größten und tiefsinnigsten Schöpfungen der Menschheit […]. Für die Deutschen bedeutet es geradezu das größte nationale Werk, in welchem die Ziele des gesamten Volkes in der Einsetzung aller Kräfte zur Erhöhung der Weltkultur gesteckt werden.« (Goethes ausgewählte Werke in sechzehn Bänden, Bd. 1, S. LXXVIII) Diese Selbstaussage Goethes wird zitiert (ebd.). Ebd., S. XII. Vgl. hier auch Schmidts Bemerkung, dass die Gotik, anders als es Goethes Aufsatz Von deutscher Baukunst nahelegt, französischen Ursprungs sei. Vgl. ebd., S. VI. Vgl. z. B. Kippenbergs spätere Rede Goethe und seine Welt von 1932 (Anton Kippenberg, Goethe und seine Welt. Worte, gesprochen bei der Eröffnung der Ausstellung in Berlin am 19. März 1932, in: ders., Reden und Schriften, Wiesbaden 1952, S. 213–219, hier S. 213 f.).
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wird nie ausführlich geschildert, aber präzise benannt.⁹¹ Literatur (Klopstock, Lessing, Wieland, Shakespeare, etc.) geistige und religiöse Strömungen (Pietismus, Antike, Spinozismus, etc.), Politik oder Universitätsstudium werden als Einflussgrößen angeführt. Zu Beginn werden die (literar-)historischen Kontexte breiter geschildert, weil sich eben die »gesunde[ ] abhängige[ ] Unreife«⁹² von diesen bedingen lässt. Schmidt unterscheidet also zwischen dem jungen Goethe, der unselbständig nachahmte,⁹³ und dem späteren, dem »[l]iterarische Moden […] nichts mehr anhaben«⁹⁴ konnten und dessen Lyrik einen »der bisherigen Stubenpoesie fremden, naturfrischen Aufschwung«⁹⁵ erhalten habe. Unter dem Erlebten nehmen die ausführlicher geschilderten Liebesbeziehungen eine wichtige Position ein. Auch die soeben erwähnte Veränderung in Goethes Lyrik wurde Schmidt zufolge durch die Liebe zu Friederike Brion ausgelöst. Bei der Erzählung dieser Liebesbeziehungen wird immer wieder auf Gedichte Goethes angespielt oder es werden entsprechende Zitate gegeben, sodass der Zusammenhang zwischen Leben und Dichten augenfällig wird.⁹⁶ Überhaupt wird dieser Zusammenhang am sinnfälligsten durch die Frauenbeziehungen demonstriert, die Goethe unterhielt: Die Römischen Elegien wurden »hervorgerufen«⁹⁷ durch Christiane Vulpius, der Roman Die Wahlverwandtschaften »entsprang«⁹⁸ der entsagenden Neigung zu Minna Herzlieb, das Verhältnis zu Marianne von Willemer kam dem West-Östlichen Divan »herrlich zugute«.⁹⁹ Bei den Liebesbeziehungen des nicht mehr jugendlichen Goethe deutet Schmidt am mutigsten ursächliche Verbindungen zu seinen Werken an. So tritt die Liebe (das Erlebte) tendenziell an die Stelle des Erlernten, das den ganz jungen Goethe prägte. Allerdings ändert sich die Wertung dieser bedingenden Beziehungen: Während die Anfänge weitgehend als unselbständige Nachahmungen abgewertet werden, reift Goethe durch die Liebschaften und schafft Werke eigenen Stils. Ohne dass Schmidt es ausspricht, kann vermutet werden, dass an diesem Punkt das Geheimnis seiner Persönlichkeit zu suchen ist. Hier zeigt sich der chronika91
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Etwa als Lessings Schriften erwähnt werden und Schmidt bemerkt, Goethe habe sie »begierig und gelehrig« aufgenommen (Erich Schmidt, Einleitung, S. IV). Diesbezüglich ähnlich wird die Beziehung zu Herder, dem »Anreger ersten Ranges«, geschildert (vgl. ebd., S. Vf.). Erich Schmidt, Die litterarische Persönlichkeit, S. 12. Etwa der Stil Gellerts, der in Briefen an die Schwester geübt wird. Die Gedichtsammlung Annette wird als »sehr unreif« bezeichnet. Vgl. Erich Schmidt, Einleitung, S. IIIf. Ebd., S. IV. Ebd., S. V. Vgl. etwa die Bemerkung, dass die Liebe zu Friederike Brion »kein schwaches Rosenband« sein sollte (ebd.). Ebd., S. XVII. Ebd., S. XXIV. Ebd.
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lische Zusammenhang von Leben und Werk, also das in der Zeit fortschreitende (Liebes-)Erleben und sein Niederschlag in dichterischer Produktion, besonders im Gelegenheitsgedicht. Diese implizite Theorie steuert die Aufmerksamkeit auf Goethes Leben: Die Liebschaften und die ihr jeweils ›zugehörigen‹ Werke werden nämlich besonders ausführlich besprochen. Schließlich werden diese Werke, wie weiter unten gezeigt wird, überproportional häufig in Schmidts Werkauswahl aufgenommen. Gegen Ende kommt Schmidt, ohne auch nur einen neuen Absatz zu bilden, unvermittelt auf den ›Kern‹, »die gesetzmäßige Dauer«¹⁰⁰ von Goethes Leben und Werk zu sprechen, indem er, losgelöst vom biografischen Fortgang, Goethes »Weltanschauung«¹⁰¹ darlegt. Das ›Schauen‹, die spinozistisch gedachte Einheit von Gott und Welt, die Selbstbeschränkung eines »maßlose[n]«¹⁰² Denkers, seine Stellung zwischen Materialismus und Idealismus, – all das und mehr wird auf einer guten Seite im Stakkato vorgetragen. Die grundlegenden Prinzipien macht Schmidt dabei, ungewöhnlich für eine populäre Ausgabe um 1900 und doch passend zu Textauswahl, in den Gemeinsamkeiten aus, die Goethe als Dichter, Philosoph und Naturwissenschaftler verbinden: »die Grundmeinungen von Ausdehnung und Zusammenziehung, Kraft und Schranken, Streben und Bedingtheit, dies Selbstbewußtsein und die Unterwerfung unter das allgemeine Gesetz, diese gottergebene Weltfrömmigkeit der Ehrfurcht«¹⁰³ habe Goethe »in Prosa und Versen«¹⁰⁴ ausgedrückt. Schmidt hat also im Bewusstsein dieser Gemeinsamkeiten auch die naturwissenschaftlichen Schriften aufgenommen, und also nicht nur deshalb, weil Goethe ein »Vorgänger[ ] Lamarcks und Darwins«¹⁰⁵ gewesen sei. So wird Goethe, um eine Metaphorik Schmidts aufzugreifen, weder als »Säulenheilige[r]« auf einen einsamen Sockel gestellt noch zurück in »Reih und Glied« mittelmäßiger Dichter verwiesen.¹⁰⁶ Selbst Goethe steht in einem Kontext, der ihm als Erlerntes zur Verfügung steht und ihn, anfangs mehr, dann immer weniger, prägt. Das Liebes-Erleben tritt an dessen Stelle und wird nun zum primären Werk-Generator. In dieser Entwicklung Goethes und in den abschließend vorgetragenen weltanschaulichen Prinzipien wollte Schmidt wohl das ›Charakterisitische‹ von Goethes Persönlichkeit erfassen. 100 101 102 103 104 105
Erich Schmidt, Die litterarische Persönlichkeit, S. 9. Erich Schmidt, Einleitung, S. XXVI. Ebd., S. XXVII. Ebd. Ebd. Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 6, S. 512 (Kommentar). Erich Schmidt positioniert sich aber auch hier gekonnt in der Mitte zwischen Emil Dubois-Reymonds Kritik von Goethe als Wissenschaftler (Goethe und kein Ende) und Ernst Haeckels Goethe-Verehrung. 106 Erich Schmidt, Die litterarische Persönlichkeit, S. 12.
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Die Textanordnung zwischen dem Paradigma der Sophienausgabe und dem Interesse am chronikalischen Zusammenhang von Goethes Leben und Werk Befragt man die Bände hinsichtlich ihrer Textanordnung, so fällt zunächst auf, dass Schmidt der Anordnung der Sophienausgabe und damit Goethes Ausgabe letzter Hand in groben Zügen folgt: Er beginnt mit den Gedichten (erste Hälfte des ersten Bandes), gibt dann die Dramen (Faust I und II in der zweiten Hälfte des ersten Bandes, Übriges im zweiten Band). Es folgt die Epik (Werther, Wahlverwandtschaften und Kleineres in Band drei) und Wilhelm Meisters Lehrjahre in Band vier, Band fünf enthält Dichtung und Wahrheit und schließlich folgen in Band sechs weitere biografische Schriften, Texte »Zur Literatur«, »Zur Kunst« und »Zur Naturwissenschaft«. Die Abfolge der Hauptgattungen Lyrik, Drama und Epik, einige Züge der Anordnung der Prosa (erst Wahlverwandtschaften, dann Wilhelm Meisters Lehrjahre), die Abfolge von Dichtung und Wahrheit und weiteren biografischen Schriften wie der Italienischen Reise (in Auszügen) und der Campagne in Frankreich (beides in Band sechs): Das alles folgt in der Anordnung der Sophienausgabe und damit der Ausgabe letzter Hand. Der Großteil des sechsten Bandes ist schließlich Goethes nachgelassenen Werken entnommen, die Johann Peter Eckermann und Friedrich Wilhelm Riemer herausgaben und die in der Sophienausgabe auf das Korpus der Ausgabe letzter Hand (ab Bd. 41) folgen. Auch hier ist mit der Abfolge Literatur – Kunst – Naturwissenschaft die Reihenfolge der Sophienausgabe beibehalten worden. Zwei Eigenwilligkeiten Schmidts seien im Folgenden bezüglich der Textanordnung knapp besprochen. Es ist auffällig, dass Schmidt den Faust, entgegen der Anordnung der Ausgabe letzter Hand und der Sophienausgabe, vor die übrigen Dramen vorgezogen hat.¹⁰⁷ Damit ist wohl eine Wertung impliziert. Man soll das Beste von Goethe schon im ersten Band beieinander haben, nämlich die Gedichte und beide Teile des Faust. Die zweite Auffälligkeit gegenüber der Anordnung der Sophien-Ausgabe ist die überwiegend¹⁰⁸ chronologische Reihung der Gedichte in Band eins und der
107 Dass er beide Teile des Faust hintereinander abdruckte, entspricht der Sophienausgabe, nicht aber der Ausgabe letzter Hand, in der Faust II noch nicht aufgenommen wurde; er findet sich erst in den nachgelassenen Werken. 108 Vgl. den Kommentar Schmidts, in dem er schreibt, dass die chronologische Ordnung der vermischten Gedichte, im Gegensatz zu derjenigen der Balladen, »nicht mit völliger strenge durchgeführt erscheint« und dass die Sprüche des alten Goethe »einer gewissen inneren Anordnung« folgen (Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 637 [Kommentar]).
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Dramen in Band zwei.¹⁰⁹ Das ist für Schmidt nicht selbstverständlich, weil er sich als einer der Herausgeber der Sophienausgabe eigentlich Goethes Ausgabe letzter Hand verpflichtet fühlen müsste. Hier hatte Goethe die Gedichte bekanntlich nicht chronologisch angeordnet, sondern unter verschiedene thematische Überschriften gebracht. Wilhelm Scherer hatte in einem langen, dreiteiligen Aufsatz Über die Anordnung Goethescher Schriften Goethes Ausgabe letzter Hand zum alleinigen Maßstab einer Werkausgabe erhoben. Eine chronologische Anordnung bezeichnete er dagegen als »Luxus, den wir nicht bezahlen können«.¹¹⁰ Im Herausgebergremium der Sophienausgabe war die Frage der Anordnung zunächst umstritten. Gustav von Loeper, der der Großherzogin nahestand, stimmte mit Scherer in diesem Punkt nicht überein und votierte offenbar für eine chronologische Anordnung.¹¹¹ Obwohl es sich für Scherer um einen »Hauptpunkt«¹¹² handelte, wollte er sich zunächst aus politischen Gründen fügen. Doch dann schwenkte Loeper um und übergab Scherer die Aufgabe, über die Anordnung zu entscheiden.¹¹³ Dieser hielt sich dann an Goethes Ausgabe letzter Hand und wusste Schmidt dabei an seiner Seite.¹¹⁴ Doch später entwickelte Schmidt offenbar eine andere Auffassung.¹¹⁵ In den Jahresberichten für neuere deutsche Literaturgeschichte ist zu lesen: Über die prinzipiell bedeutsame Frage, ob man Goethes Gedichte in einer neuen Ausgabe chronologisch ordnen dürfe, sprach in der »Gesellschaft für deutsche Literatur« Erich Schmidt [...]. Er verkennt die Bedenken nicht, die
109 Schmidt war mit der Idee einer chronologischen Anordnung auch in der Goethe-Philologie nicht allein: Für die zeitliche Anordnung entschied sich auch die Propyläen-Ausgabe von Goethes Werken und die Werksammlung Der junge Goethe, die damals gerade von Max Morris für die zweite Auflage im Insel-Verlag überarbeitet wurde. 110 Wilhelm Scherer, Über die Anordnung Goethescher Schriften, in: Goethe-Jahrbuch, 3 (1882), S. 159–173; 4 (1883), S. 51–78; 5 (1884), S 257–287, hier Goethe-Jahrbuch, 5 (1884), S. 286. Die Alternative einer chronologischen Anordnung von Texten stand seit Karl Goedekes SchillerAusgabe (1867–1876) im Raum. Vgl. Rüdiger Nutt-Kofoth, Einleitung, in: Dokumente zur Geschichte der neugermanistischen Edition, hg. von Rüdiger Nutt-Kofoth, Tübingen 2005, S. IX–XXXIX, hier S. XIX. 111 Vgl. Wilhelm Scherer an Erich Schmidt, 21. Mai 1885, in: Wilhelm Scherer und Erich Schmidt, Briefwechsel. Mit einer Bibliographie der Schriften von Erich Schmidt, hg. von Werner Richter und Eberhard Lämmert, Berlin 1963, S. 203. 112 Wilhelm Scherer an Erich Schmidt, 21. Mai 1885, in: ebd. 113 Wilhelm Scherer an Erich Schmidt, 3. Juli 1885, in: ebd., S. 212. 114 Vgl. Wilhelm Scherer an Erich Schmidt, 21. Mai 1885, in: ebd., S. 203. 115 Vgl. Ludwig Bellermann, Zur Erinnerung an Erich Schmidt. Gedenkworte von Ludwig Bellermann in der Sitzung der Gesellschaft für Deutsche Literatur am 21. Mai 1913, o. O., o. J., S. 11.
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sich gegen eine Zerstörung der feinsinnigen Anordnung Goethes erheben, hält aber die chronologische Ausgabe wissenschaftlich für notwendig. Sie soll in sechs Gruppen zerfallen: 1. Bis 1770, 2. bis Herbst 1771, 3. bis November 1775, 4. bis zur italienischen Reise, 5. und 6. nach Goethes eigenen Ausgaben bis zum Nachlass. Durchweg soll die erste Fassung, neben ihr nur in Einzelfällen eine spätere gedruckt werden. Damit wird eine Forderung erfüllt, die schon Loeper aufstellte, aber erst in einer fernen Zukunft für durchführbar hielt.¹¹⁶ Die »feinsinnige Anordnung«, über die sich Schmidt bewusst hinwegsetzte, war dabei von Scherer in seinem Aufsatz zu Goethes letzter Werkausgabe besonders anhand der Gedichte vorexerziert worden. Er kam zu dem Ergebnis, dass in den Gedichten zum Teil »eine Art von romanhaftem Verlauf, ein epischer Faden deutlich nachweisbar«¹¹⁷ war. Warum entschied sich Schmidt für die zeitliche Abfolge, warum riss er beispielsweise Prometheus und Ganymed auseinander, warum löste er die von Goethe geschaffenen Unterkategorien der Gedichte beinahe ganz auf? Schmidt hält diese Anordnung »wissenschaftlich für notwendig« und man darf vermuten, dass er dabei primär an die Stilgeschichte dachte.¹¹⁸ Aber die chronologische Anordnung ist kompatibel mit einer weiteren, gesellschaftlich sehr relevanten Perspektive auf Goethes Werk, nämlich mit dem chronikalischen Zusammenhang von Leben und Werk. Er kommt der populären Intention der Ausgabe viel näher und so darf vermutet werden, dass Goethes Gedichte als innere Biografie gelesen werden sollten, so wie der Lebenslauf die äußeren Umstände schilderte, die die Werke hervorbrachten. Einen solchen Hinweis erhält man durch weitere Ausführungen des Berichterstatters der Jahresberichte, Robert Riemann. Er bespricht im selben Zusammenhang eine zweibändige Ausgabe Otto Pniowers von Goethes Gedichten, die innerhalb einzelner Gruppen chronologisch geordnet ist, und vermerkt: »Ganz abgesehen von den wissenschaftlichen Vorteilen, gewährt es einen hohen Genuss, immer wieder innerhalb der Gruppe die Entwicklung Goethes zu durchleben.«¹¹⁹ 116 Robert Riemann, Lyrik, in: Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte, 16 (1905), S. 555–560, hier S. 555. 117 Wilhelm Scherer, Über die Anordnung Goethescher Schriften, S. 283 (Goethe-Jahrbuch, 5 [1884]). 118 Vgl. z. B. seine Aussage in Aufgaben und Wege der Faust-Philologie: »Die Chronologie arbeitet mit der Stilgeschichte […]« (Erich Schmidt, Aufgaben und Wege der Faustphilologie, in: Goethe im Urteil seiner Kritiker. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil III: 1870–1918, hg. von Karl Robert Mandelkow, München 1979, S. 207–226, hier S. 211). 119 Robert Riemann, Lyrik, S. 555.
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Zwei Beobachtungen sind hier wichtig, die knapp ausgeführt werden müssen: Zum einen ist der Entwicklungsbegriff für die Idee, die Werke chronologisch anzuordnen, sicher zentral. Zum anderen ging es vielen Menschen um 1900 nicht so sehr um eine wie auch immer zu spezifizierende ›Entwicklung‹ von Goethes Dichtung, sondern um die Entwicklung des Autors im Spiegel des Werks. Das Ziel einer Beschäftigung mit Goethe war weit eher die Erfassung seiner Persönlichkeit als die Analyse oder die historische Kontextualisierung seiner Werke. Wilhelm Dilthey fasste nur eine spätestens seit Herman Grimms Goethe-Vorlesungen verbreitete Stimmung zusammen, wenn er 1906 in Das Erlebnis und die Dichtung schrieb: »Zumal wenn wir Goethe lesen, tritt das Interesse an jedem einzelnen Werk zurück hinter dem an der Persönlichkeit, welche in allen Werken gegenwärtig ist.«¹²⁰ Obwohl Dilthey um den Ursprung des Entwicklungskonzepts in der Goethezeit wusste, ging damit keine historische Relativierung einher. Goethe erkennt mit dem Entwicklungsprinzip viel mehr einen inneren Vorgang, der auch für die Menschen um 1900 von der größten Bedeutung ist und den man an erster Stelle in Goethes Leben und danach auch in seinen Werken beobachten kann: Indem Goethe diesen Gang unseres Lebens damals in sich erfuhr, tiefer, bewußter als irgend ein anderer Mensch des Jahrhunderts und doch zugleich typisch und vorbildlich, trat ihm das Leben unter den Begriff der Entwicklung, die in gesetzmäßigen Stufen dem Ideal der vollen wahren allgemeingültigen Menschlichkeit sich annähert.¹²¹ Mit Goethes Lebensgang wurden die höchsten Werte und Ziele der damaligen Kultur verbunden. Sein Leben zu studieren hieß, sich der Grundlagen des Menschseins (in den nationalistischen Spielarten der Goethe-Rezeption: des Deutschseins) zu vergewissern. Die wichtigsten Dokumente waren dafür, neben Dichtung und Wahrheit, die Gedichte. Sie werden gerade in der populären Goethe-Rezeption als »Gelegenheitsgedichte«¹²² gelesen, die nur »Selbsterlebtes«¹²³ enthalten. Innerhalb von Goethes Werk erhalten Sie beinahe fraglos die Höchstwertungen.¹²⁴ 120 Wilhelm Dilthey, Aus: Das Erlebnis und die Dichtung, in: Goethe im Urteil seiner Kritiker. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil III: 1870–1918, hg. von Karl Robert Mandelkow, München 1979, S. 331–340, hier S. 340 f. 121 Ebd., S. 335 (Kursivierung von mir, P.A.). 122 David Friedrich Strauß, Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß, in: Goethe im Urteil seiner Kritiker: Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil III: 1870–1918, hg. von Karl Robert Mandelkow. München 1979, S. 3–14, hier S. 4. 123 Ebd. 124 Vgl. die Hervorhebung der Lyrik vor anderen Gattungen bei David Friedrich Strauß: »als Lyriker ist er vielleicht der größten Dichter aller Zeiten« (ebd.).
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Und wo andere Werke gelobt werden, so geschieht das nicht selten mit Hinblick auf die »lyrischen Elemente in einem weiten Sinn«.¹²⁵ Goethes Gedichte chronologisch zu ordnen heißt also, Zeugnisse einer typischen und allgemeingültigen Entwicklung des Menschen vor Augen zu stellen und erlebbar zu machen. Dem entspricht die chronologische Ordnung von Goethes Leben im Lebenslauf. Die Liebe hat in diesen Chronologien einen entscheidenden Stellenwert, verbindet sie doch Leben und Werk am sinnfälligsten.¹²⁶ Um die geradezu religiöse Dimension dieses Ansinnens zu verdeutlichen, kann man abermals auf David Friedrich Straußens Erfolgsbuch Der alte und der neue Glaube zurückgreifen. Anlässlich von Dichtung und Wahrheit erklärte er: Indem wir mit einem Individuum uns sympathisch in eins setzen dürfen, das unter dem Schutze seines Genius sicher vorwärts schreitet, aller Hindernisse Meister wird, aus allen Verwicklungen und Kämpfen siegreich hervorgeht, finden wir uns über uns selbst erhoben, den Glauben an die Macht eines reinen Strebens und eine zu dessen Gunsten eingerichtete Welt, damit den Mut des freudigen Wirkens, die Wurzel aller Tugend wie alles Glücks, in uns gestärkt.¹²⁷ Es geht Strauß also letztlich, wie Friedrich Nietzsche bösartig und doch treffend bemerkte, um ein »ästhetische[s] Himmelreich«,¹²⁸ um die Wiedergewinnung eines »Glauben[s]«, eines neuen, nicht-kirchlichen Glaubens, der nun unter anderem an Goethes Schriften festgemacht wird und für einen harmonischen Zusammenhang von Mensch und Welt bürgen soll. Das ist allerdings die fernere Perspektive, die bei Schmidt sicher so nicht mitgemeint war. Er selbst war zu sehr akademischer Philologe, um sich diesen Spekulationen hinzugeben. Grundsätzlich stimmte er mit Strauß darin überein, dass »das persönliche Bekenntnis, das echte Gelegenheitsgedicht, die ›Beichte‹«,¹²⁹ das Besondere und besonders zu Schätzende an Goethes Lyrik war. Die »Krone«¹³⁰ dieser Gelegenheitsdichtung aber ist auch für Schmidt die Liebeslyrik. Die Parallelität von chronologischem Lebenslauf mit dominanten Liebesgeschichten Goethes und der chronologischen Anordnung der bekenntnishaften Gedichte 125 Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, S. 337. 126 Das Junktim von Entwicklungsgang und Liebesbegegnung mag von Goethe selbst stammen, z. B. aus der aufsteigenden Linie von Frauenfiguren in Wilhelm Meisters Lehrjahren. 127 David Friedrich Strauß, Aus: Der alte und der neue Glaube, S. 11. 128 Friedrich Nietzsche, Unzeitgemässe Betrachtungen. Erstes Stück: David Strauss[.] Der Bekenner und der Schriftsteller, in: ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin und New York 1967 ff., Bd. III / 1, S. 153–243, hier S. 180. 129 Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 635 (Kommentar). 130 Ebd.
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dürfte also auch bei Schmidt keineswegs zufällig sein. Doch er sieht zugleich, dass beim späteren und späten Goethe das persönliche Bekenntnis zurücktritt.¹³¹ Wie mit Blick auf die Textauswahl gezeigt werden kann, führt das dazu, dass Schmidt die frühere Dichtung vor der Alterslyrik privilegiert.
Die charakterisierende Textauswahl Über die Textauswahl legte Schmidt im ›Volksgoethe‹ genau so wenig Rechenschaft ab wie über die Textkonstitution. Trotzdem rief die Auswahl in den Rezensionen meistens Zustimmung hervor. Fränkel notierte beispielsweise, dass üblicherweise ausgewählte Werke nichts anderes als »a b g e t r e n n t e Bände«¹³² der Gesamtausgaben wären, die zum Beispiel sämtliche Gedichte Goethes böten. Dagegen sei hier eine echte Auswahl getroffen.¹³³ Im Übrigen versuchen einige Rezensenten, die Auswahl, die Schmidt traf, als ›Charakteristik‹ Goethes zu verstehen und wenden damit ein Konzept, das eine literaturkritische Textsorte beschreibt, auf eine Werksammlung an.¹³⁴ Besonders der sechste Band mit der Auswahl aus den biografischen, kunsttheoretischen und naturwissenschaftlichen Schriften, auf den Schmidt großes Gewicht legte, wurde gelobt: Als »Meisterstück«¹³⁵ wurde er in einer Rezension in Die Rheinlande bezeichnet, als »Krönung des Ganzen«¹³⁶ bezeichnete ihn Fränkel. Der Rezensent Hermann Hesse sprach vom »überraschenden Genuß«,¹³⁷ den die Lektüre dieses Bandes selbst einem Goethekenner
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Vgl. ebd. Jonas Fränkel, Der Volks-Goethe, S. 5. Ebd. Herman Krüger-Westend spricht von »charakteristische[ ] Proben«, die Schmidt auch noch aus den Tagebüchern hätte geben können (Herman Krüger-Westend, Der Volks-Goethe, in: Der Türmer, 12 (1910), S. 411–412, hier S. 412). Für Edzard Nidden ist im sechsten Band eine Art »Charakterisierungsstreben« erkennbar (Ezard Nidden, Erich Schmidts »Volksgoethe«. Etwas gegen den Strom, in: Der Kunstwart, 24 (1910), S. 298–301, hier S. 299). Georg Terramare spricht von einem »Anspruch auf Abgeschlossenheit, Charakteristik oder gar Vollständigkeit«, die die Leser an eine Ausgabe stellten (Georg Terramare, Eine sechsbändige Goethe-Ausgabe, in: Österreichische Rundschau, 22 (1910), S. 315–316, hier S. 316). Diese Vermutungen lagen umso näher, als Schmidt doch selbst zwei Bände mit Aufsätzen zur Literaturgeschichte unter dem Titel Charakteristiken veröffentlicht hatte. Vgl. Erich Schmidt, Charakteristiken, 2. Bde., Berlin 1886 / 1901. 135 [Anonymus,] Goethe für Knaben, in: Die Rheinlande. Monatsschrift für deutsche Art und Kunst, 21 (1911), S. 178, hier S. 178. 136 Jonas Fränkel, Der Volks-Goethe, S. 5. 137 Hermann Hesse, Erich Schmidts kleiner Goethe. Aus: März, München vom 16. September 1910, in: ders., Sämtliche Werke, hg. von Volker Michels, Bd. 16, S. 492 f., hier S. 493.
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biete. Dieser Band enthält tatsächlich für eine Auswahlausgabe höchst ungewöhnliche Texte, die wohl mit Blick auf die Rezipienten aufgenommen wurden: Goethes Rede bei der Eröffnung des neuen Bergbaues zu Ilmenau (1784) wird man in einer Auswahlausgabe nur selten, seine Allgemeinen frommen Betrachtungen (1821) über Bettler und Handwerksburschen sonst wohl nie finden.¹³⁸ Die in der Entstehungsgeschichte greifbare Idee, eine Goetheausgabe für »ärmere Deutsche« und Volksbibliotheken zu veranstalten, hat hier in der Textauswahl konkreten Niederschlag gefunden, indem Goethes Beschäftigung mit dem ›Volk‹ beispielhaft hervortritt. Erneut fällt das große Interesse an Goethes Biografie und seiner Entwicklung auf. Dichtung und Wahrheit füllt, leicht gekürzt, einen ganzen Band, der sechste Band mit sonstigen Schriften bietet ebenfalls auf circa 340 Seiten (von knapp 500) Biografisches im weiteren Sinne. Das ist ein zusätzlicher Beleg für das große Interesse an Goethes Leben, ein Interesse, das auch in der Auffassung von Goethes Gedichten als Gelegenheitsgedichten leitend war. Selbst die Auswahl an nicht-poetischen Schriften im sechsten Band ist innerhalb der einzelnen Rubriken chronologisch geordnet, um die Entwicklung Goethes auf den verschiedenen Gebieten zu demonstrieren. Textauswahl und Textkonstitution können hier nicht in voller Breite besprochen werden, doch sei im Folgenden auf die Auswahl der Gedichte näher eingegangen. Auch hierbei wird sich die Vermutung bestätigen, dass wesentliche, charakterisierende Züge von Goethes Werk herausgearbeitet werden sollten, und das heißt, dass der chronikalische Zusammenhang von Lieben und Dichten privilegiert wird. Die 212 Seiten starke Gedichtsammlung ist in die Rubriken »Vermischte Gedichte«, »Westöstlicher Divan«, »Balladen« und »Sprüche« eingeteilt. Damit weicht Schmidt von Goethes Rubriken der maßgeblichen Sammlung von 1815 (und damit von der Weimarer Ausgabe) ab. Das hat zur Folge, dass Beispiele aus unterschiedlichsten Rubriken (zum Beispiel »Lieder«, »Elegien«, »Antiker Form sich nähernd«) unterschiedslos nacheinander unter »Vermischte Gedichte« abgedruckt werden. Obwohl es für das Prinzip der Chronologie sinnvoll gewesen wäre, den Text nach den ersten Drucken der Gedichte zu konstituieren, lehnte sich Schmidt an die Weimarer Ausgabe und damit an die Fassung letzter Hand
138 Vgl. Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 6, S. 12–15, S. 73–76. Der letztere Text findet sich nicht einmal in den umfänglichen Frankfurter oder der Münchner Goetheausgaben, wohl aber in der Sophienausgabe. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen, 146 Bde., Weimar 1887– 1919 (Reprint Deutscher Taschenbuchverlag 1987), Bd. 46, S. 259–265 (entspricht WA I, Bd. 41.1).
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an.¹³⁹ Allerdings glich er die Orthographie der damaligen Praxis an und entfernte sich damit von der Weimarer Ausgabe. Die Gedichtsammlung, und damit die Werkausgabe, beginnt – dem Prinzip der Chronologie entgegenstehend – mit der Zueignung (Der Morgen kam…, 1787), die bereits die erste Gesamtausgabe von Goethes Schriften 1787 eröffnete und seit 1815 am Anfang der Gedichte stand, die seit dieser Edition ihrerseits die Gesamtausgaben eröffnen.¹⁴⁰ Die Anfänge Goethes im Rokoko werden durch vier Gedichte repräsentiert (insbesondere aus den Neuen Liedern, 1770).¹⁴¹ Die Geniezeit ist ausführlicher vertreten, doch fällt auf, dass heute als typisch erachtete Gedichte wie Wanderers Sturmlied oder Harzreise im Winter fehlen, was sich vielleicht durch die Schwierigkeit ihres pindarisierenden Stils erklären lässt. Von den antiken Versmaßen wurden drei Beispiele aus den Römischen Elegien (I, V, VII der Zählung von 1815), Auszüge aus den Venezianischen Epigrammen und den Vier Jahreszeiten, und Elegien wie Alexis und Dora, Schweizer Alpe und Euphrosyne aufgenommen. Immerhin 14 Seiten aus dem nie recht populären West-östlichen Divan fanden Eingang in Schmidts Auswahl. Hier wurde dem lyrischen ›Dialog‹ zwischen Suleika und Hatem, also, wie der Lebenslauf ausführt, zwischen Marianne von Willemer und Goethe,¹⁴² besonderen Platz eingeräumt, während Gedankenlyrik wie Selige Sehnsucht weggelassen wurde. Die Alterslyrik ist zudem insbesondere durch die Trilogie der Leidenschaft vertreten. Erneut wurde also ein Werk bevorzugt, dass sich in das Paradigma des Gelegenheitsgedichts einreihen lässt. Auffällig ist ferner die circa 50 Seiten lange und streng chronologisch verfahrende Auswahl aus Goethes Balladen. Insgesamt überwiegen Gedichte des jungen und klassischen Goethe deutlich das Alterswerk.¹⁴³ Lieder beziehungsweise Gesellige Lieder dominieren stärker regulierte Formen (kein einziges Sonett wurde aufgenommen), die Liebes- und Naturlyrik tritt viel deutlicher hervor als die Gedankenlyrik und die Lehrdichtung (trotz der Auswahl »Sprüche« – etwa wurde Urworte. Orphisch nicht abge-
139 Z. B. das Gedicht Nachgefühl (Wenn die Reben wieder blühen…, 1797), das seinen Titel erst 1815 erhielt (davor: Erinnerung). Vgl. Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 90. Ferner: Johann Wolfgang von Goethe, Gedichte, 2 Bde., hg. von Karl Eibl, Frankfurt a. M. 1998, Bd. 1, S. 1215 (Kommentar). 140 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 747 (Kommentar). 141 Aus der Sammlung Annette und den Behrisch-Oden wurde nichts aufgenommen. 142 Vgl. Erich Schmidt, Einleitung, S. XXIV. 143 Hans-J. Weitz schrieb anlässlich der Neuauflage des ›Volksgoethe‹ 1949 / 52, dass die Alterslyrik im Laufe der verschiedenen Auflagen des ›Volksgoethe‹ immer mehr an Gewicht gewonnen habe: »Damit ist der Anteil der späten Lyrik gegenüber der vorigen Ausgabe auf das Doppelte, gegenüber der ersten gar auf das Dreifache angewachsen.« (Hans-J. Weitz, Die sechsbändige Insel-Ausgabe, in: Die Wandlung, 4 (1949), S. 681–687, hier S. 685).
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druckt). Schmidt wies selbst darauf hin, dass die didaktische Poesie (Die Metamorphose der Pflanzen; Metamorphose der Tiere, etc.) nicht mit eingeschlossen wurde.¹⁴⁴ Das verwundert vor allem, weil Schmidt ja selbst in der Einleitung auf den Zusammenhang von Naturwissenschaft und Dichtung bei Goethe hinweist, sodass diese Gedichte gut als Illustrationen hätten dienen können. Es ist also wohl die Rücksicht auf das Publikum, die Schmidt von der Integration dieser Gedichte absehen ließ. So kann man feststellen, dass Schmidt auf das Gelegenheitsgedicht und insbesondere die Liebeslyrik ebenso zielte wie auf die populäre Ballade. Ersteres lässt sich auf den chronikalischen Zusammenhang von Leben und Werk zurückführen, wie ihn der Lebenslauf entwirft. Diese frühe Lyrik Goethes wurde zudem bekanntlich von volkstümlichen Formen inspiriert und so musste es naheliegend erscheinen, sie auch in eine Volksausgabe aufzunehmen. Was die Bevorzugung der Ballade betrifft, so war wohl die Erwägung leitend, dass die Ballade bei Goethe an die »Volkspoesie«¹⁴⁵ anknüpfte und noch dazu in der Schule einen besonderen Stellenwert hatte (und hat). Wir sahen bereits, dass von Faust II zunächst der letzte Akt, dann auf Vorschlag Kippenbergs die erste Szene des ersten Akts und der fünfte Akt aufgenommen werden sollten. Das spiegelt sich im Kommentar zu Faust wieder. Dort erwähnt Schmidt, dass er Faust II »nur zögernd aufgenommen«¹⁴⁶ habe. Das ist sicher wiederum ein Beleg dafür, wie sehr Schmidt seine Goethe-Ausgabe auf breite Schichten berechnete, denen er die Lektüre des schwierigen Werks nicht zumuten wollte. Im Kommentar distanziert sich Schmidt von einer Forschungstradition, die Faust II »lang verkannt«¹⁴⁷ habe, ein Beleg dafür, dass tatsächlich das Voraussetzungsreich-Gelehrte von Faust II für das Zögern bei der Aufnahme in die Werkausgabe verantwortlich war, nicht etwa ästhetische Bedenken. Streng genommen hat Schmidt sogar Faust I nur fragmentarisch aufgenommen, ließ er doch den als Intermezzo betitelten »Walpurgisnachtstraum« weg. Das mag allerdings weniger ein Zeichen von philologischer Sorglosigkeit als ein Beleg von Expertise sein. Denn der erste Band ist der stärkste des ›Volksgoethe‹ und konnte aus Verlagsgründen unmöglich noch dicker werden. Wenn man aber auswählen muss, dann mag die Unterdrückung des Walpurgisnachtstraums im Kontext der 144 Vgl. Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 642 (Kommentar). 145 So Schmidts Charakterisierung der goetheschen Ballade in: Erich Schmidt, Goethes Balladen (1897), in: Charakteristiken, 2 Bde., hg. von Erich Schmidt, Berlin 1886 / 1901, Bd. 2, S. 190–202, hier S. 191. 146 Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 642 (Kommentar). Vgl. hierzu auch: Thomas Neumann, »Armut und Würde«. 147 Goethes Werke in sechs Bänden, Bd. 1, S. 642 (Kommentar). Vgl. z. B. die Aussage von Strauß, dass Faust II ein »allegorisch schemenhaftes Produkt« sei (David Friedrich Strauß, Aus: Der alte und der neue Glaube, S. 6).
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Goethe-Philologie der Jahrhundertwende gerechtfertigt erscheinen. Denn akribische Lektüre und die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte hatten ergeben, dass im Faust »keine vollendete Ganzheit«¹⁴⁸ vorliege und deshalb der »FaustInterpret […] kein zwängender und pressender Einheitshirte«¹⁴⁹ sein dürfe. Es lag also für eine populäre Auswahlausgabe nahe, auch aus dem Faust I einen Teil wegzulassen, der getrennt entstanden war, den man für das Verständnis der Handlung nicht brauchte und der deshalb entbehrlich schien.¹⁵⁰
Der ›Volksgoethe‹ im Spiegel der Kritiken Wie bereits aus einigen Beispielen deutlich geworden ist, nahm die Literaturkritik die neue Goethe-Ausgabe ganz überwiegend wohlwollend auf. Am entschiedensten betont wohl Georg Terramare die Neuerung, die der ›Volksgoethe‹ gegenüber anderen Auswahlausgaben bedeutete: Es steht unstreitig fest, daß diese Ausgabe der Anfang einer neuen Epoche der Klassikerausgaben, der Anfang einer Erscheinungsform, die den breiten Schichten der Bildungssuchenden nicht mehr mit schlecht vergoldeten Buchrücken die Augen blenden will, und in der Brust eines Optimisten mag wohl die Hoffnung auf den richtigen Volksklassiker, auf das gute Volksbuch, wachwerden.¹⁵¹ Auch hier wird ein großes Gewicht auf die neuartige und schlichte Ausstattung gelegt, die nicht mehr der Repräsentation dient, sondern vorwiegend funktional für die Lektüre sein will. Dass eine Goethe-Ausgabe ein »Volksbuch«¹⁵² oder ein »Volksklassiker«¹⁵³ wird, dass man »das Lebendigste an Goethe ins Volk«¹⁵⁴ senden könne, dass eine »Vertief[ung] des goetheschen Einflusses auf die weites148 Erich Schmidt, Aufgaben und Wege der Faustphilologie, S. 209. 149 Ebd. 150 Vgl. auch die Faust-Ausgabe Schmidts in Cottas Jubiläumsausgabe von Goethes Werken. Hier ist der Walpurgisnachtstraum freilich enthalten, aber Schmidt legt in den Erläuterungen nahe, dass Entstehung und avisierter Publikationsort, Schillers Musenalmanach, auf einen nur losen Zusammenhang mit Faust hindeuten. Der Germanist Hermann Baumgart übertreibe »höchlich den organischen Zusammenhang« (Goethes Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in 40 Bänden, hg. von Eduard von der Hellen, Stuttgart und Berlin [1902–1907], hier Bd. 13, S. 335 [1903]). 151 Georg Terramare, Eine sechsbändige Goethe-Ausgabe, S. 315. 152 Ebd. Ebenfalls: [Anonymus,] Goethe für Knaben. 153 Georg Terramare, Eine sechsbändige Goethe-Ausgabe, S. 316. 154 Jonas Fränkel, Der Volks-Goethe, S. 5.
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ten Schichten des deutschen Volkes und aller Deutschredenden […]«¹⁵⁵ erreicht werden könne: Das war die Hoffnung und zum Teil auch der Glaube nicht nur der meisten Rezensenten, sondern auch Kippenbergs. Natürlich müssen diese Hoffnungen vor dem Hintergrund der Kontroversen um Goethes Breitenwirkung um 1900 gesehen werden. Das Spektrum reichte vom polemisch zu verstehenden Diktum Friedrich Nietzsches »[…] Goethe ist in der Geschichte der Deutschen ein Zwischenfall ohne Folgen […]«¹⁵⁶ bis hin zur Meinung, Goethe sei Allgegenwärtig und spreche aus dem Innersten eines jeden Menschen.¹⁵⁷ Die Zeitschrift Der Kunstwart, das Organ des Dürerbundes, zweifelte zum Beispiel daran, dass der ›Volksgoethe‹ überhaupt auf das Volk wirken werde, denn beim trockenen Philologen Schmidt herrsche ein »unfruchtbare[r] Geist«,¹⁵⁸ »er sei kein ›Versteher‹«¹⁵⁹ und noch weniger ein »Nacherleber«¹⁶⁰ goethescher Dichtung. Die Volksbildung erwartete sich der Kunstwart aber gerade von der »Gefühlsverfeinerung [...] durch das Nacherleben der Kunstwerke«,¹⁶¹ und nicht von der akademischen Philologie, der Schmidt nun einmal angehörte. Herman Krüger-Westend fragte ebenfalls, wie Goethe populär werden könne. Er hatte im Wissen um die Ausgabe von Goethes Werken durch die Goethe-Gesellschaft die Schrift Der Volks-Goethe (1907) verfasst.¹⁶² In einem pathetischen Ton erhob er Goethe gleich im ersten Satz zur »göttlichen Offenbarung des höchsten Prinzips vom Sittlich-Schönen«, zum »Menschheitsideal« und zum »Unendlichen«.¹⁶³ Dieser Stil erschien ihm offenbar geeignet für eine Popularisierung Goethes. Teilen der Goethe-Philologie warf er vor, dass ihre Beschäftigung mit Lesarten oder auch mit Details aus Goethes Leben gerade jungen Menschen den Blick auf Goethe verstelle und nicht zur ästhetischen Erziehung des Volks beitrage. Die Goethe-Philologie habe den
155 Ebd. 156 Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Zweiter Band, in: ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Berlin und New York 1967 ff., Bd. IV / 3, S. 1–342, hier S. 245 (Giebt es »deutsche Classiker«?). 157 Am sinnfälligsten ausgedrückt in Hugo von Hofmannsthals Prolog zu einer nachträglichen Gedächtnißfeier für Goethe am Burgtheater zu Wien den 8. October 1899. 158 Ezard Nidden, Erich Schmidts »Volksgoethe«, S. 301. 159 Ebd., S. 298. 160 Ebd. 161 Gerhard Kratzsch, Kunstwart und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus, Göttingen 1969, S. 325. 162 Der ›Volksgoethe‹ wird sogar als bereits erschienen erwähnt, was vielleicht darauf hindeutet, dass die kleine Broschüre auf dem Titelblatt ein falsches Erscheinungsdatum trägt (vgl. Herman Krüger-Westend, Der Volks-Goethe, Berlin 1907, S. 25). 163 Alle drei Zitate: ebd., S. 3.
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Kontakt zum Volk verloren.¹⁶⁴ Als Rezensent des ›Volksgoethe‹ lobte er zwar die Werkausgabe, bemerkte aber, dass der Einleitung die »ehrliche Begeisterung« fehle, die doch für das Volk so wichtig sei: »Man hat den Eindruck, als kenne Erich Schmidt seinen Goethe besser als das Volk.«¹⁶⁵ So wurde der ›Volksgoethe‹ in die Kontroversen um die Rolle der neugermanistischen Philologie bei der Volkserziehung und, allgemeiner, in die Debatte um Kunst und Leben um 1900 hineingezogen. Zwei bekannte Germanisten, der Schmidt-Schüler Julius Petersen und Georg Witkowski, zollten dem ›Volksgoethe‹ in Sammelbesprechungen Anerkennung. In diesen Rezensionen wurde die Auswahl durchweg begrüßt,¹⁶⁶ die Textbearbeitung (insbesondere die Kürzungen in Faust I und in Dichtung und Wahrheit, aber auch die Unterdrückung der Stella) für gelungen erklärt,¹⁶⁷ Paratexte gelobt, der Ausstattung bescheinigt, »auf der Höhe des modernen Geschmackes«¹⁶⁸ zu stehen, und der Preis mit Staunen registriert. Aufschlussreich sind diese Besprechungen, weil sie den ›Volksgoethe‹ im Kontext anderer Goethe-Ausgaben besprechen, etwa der luxuriösen und chronologisch aufgebauten Propyläen-Ausgabe (ab 1909, 45 Bde., Georg Müller Verlag), der Ausgabe des Tempel-Verlags oder der Großherzog Wilhelm Ernst-Ausgabe des Insel-Verlags. Es wird hierbei deutlich, dass tatsächlich Auswahl, Ausstattung und Preis, wie von Kippenberg antizipiert, entscheidend für die Empfehlung sind, die die Rezensenten dem ›Volksgoethe‹ aussprechen. Während beispielweise der großen Propyläen-Ausgabe angelastet wird, dass sie zwar chronologisch verfahre, die Texte aber gleichwohl nicht in der frühesten Form, sondern in der Fassung letzter Hand biete, wird derselbe Missstand dem ›Volksgoethe‹ nicht angelastet.¹⁶⁹ Und während durchaus gesehen wird, dass andere Ausgaben hochwertiger ausgestattet sind – Petersen zufolge befriedigt die Großherzog Wilhelm Ernst-Ausgabe den »verwöhntesten Geschmack«¹⁷⁰ –, so wird der ›Volksgoethe‹ wegen seiner einfachen Erscheinung
164 Ebd., S. 9. 165 Herman Krüger-Westend, Der Volks-Goethe, S. 412. 166 Vgl. Georg Witkowski, Goethe-Schriften, in: Das literarische Echo, 12, 15. März 1910, Sp. 841–849, hier Sp. 844. Julius Petersen, »Goethe-Ausgaben«, in: Süddeutsche Monatshefte, 7 / 1 (1910), S. 273–283, hier S. 276. Witkowski fügt einschränkend hinzu, dass bei der neuen Auflage der Reineke Fuchs zugunsten der entbehrlichen Stücke Paläophron und Neoterpe und des Maskenzugs von 1818 aufgenommen werden sollte. 167 Vgl. Georg Witkowski, Goethe-Schriften, Sp. 844. Ferner: Julius Petersen, »Goethe-Ausgaben«, S. 275 f. 168 Ebd., S. 276. 169 Vgl. Georg Witkowski, Goethe-Schriften, Sp. 843. Dasselbe Argument bei: Julius Petersen, »Goethe-Ausgaben«, S. 277. 170 Ebd., S. 276.
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doch nicht angegriffen. Allenfalls ein dauerhafterer Einband wird gewünscht,¹⁷¹ der dann ja auch kurze Zeit darauf als Leinen- und Halbledereinband kam. Keineswegs ist es also eine einfache oder gar voraussetzungslose Arbeit, Goethes Geist in eine Werkausgabe zu bannen. Ökonomische, ästhetische, institutionelle Interessen müssen gegeneinander abgewogen werden. Die antizipierten Rezipienten, hier das breite ›Volk‹, sind freilich eine Konstruktion des Herausgebers und des Verlags, aber die auf dieser Konstruktion basierenden Annahmen bestimmen wesentlich, was in die Ausgabe aufgenommen wird. Hinzu treten die Traditionen und Praktiken der Germanistik sowie weitere ideengeschichtlich relevante Vorstellungen wie die Idee vom chronikalischen Zusammenhang von Leben und Werk. Was dabei herauskommt, ist ein Produkt, das dem Leser nicht nur etwas über Goethe verrät, sondern das als Knotenpunkt von Praktiken, Ideen und Sehnsüchten der Zeit um 1900 gelesen werden kann.
171 Z. B. von Georg Witkowski, Goethe-Schriften, Sp. 844.
achim aurnhammer / ann-christin bolay
stefan george in heldenportraits Wenige Dichter der Moderne wurden so häufig portraitiert wie Stefan George.¹ Die meisten seiner Bildnisse sind zwar publiziert, aber weder kunst- noch literarhistorisch genauer analysiert.² George arrangierte selbst die bildkünstlerische und fotografische Inszenierung seiner Person und lenkte mit der gezielten Publikation und Weitergabe der Bildnisse die eigene Ikonografie.³ An diese Bildtradition schließt noch Robert Boehringers dokumentarischer Tafelband an, der mit 1
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Dieser Aufsatz entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 948 Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA), dem Stefan George Archiv Stuttgart (StGA), den Germanic Studies Archives der University of London und dem Vöge-Archiv der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg danken wir für die Bereitstellung von Materialien und die Erlaubnis zur Veröffentlichung. Alexandra Hertlein danken wir für die umsichtige Redaktion. Vgl. Michael Thimann, Bildende Kunst, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, hg. von Achim Aurnhammer, Wolfgang Braungart, Stefan Breuer und Ute Oelmann, Bd. 2, Berlin und Boston 2012, S. 551–584, hier Kap. 2.4: George in Darstellungen der bildenden Kunst, S. 576–582. Zwei schmale Kataloge stellen Bildnisse Georges zusammen: Stefan George im Bildnis. Auswahl bearb. von Walther Greischel und Michael Stettler, Düsseldorf und München 1976 (Drucke der Stefan-George-Stiftung) sowie Stefan George in Darstellungen der bildenden Kunst. Ausstellung zum 50. Todestag des Dichters am 4. Dezember 1983, hg. von Robert Wolff, Heidelberg 1983. Vgl. außerdem Stefan George in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, dargestellt von Franz Schonauer, Reinbek bei Hamburg 1982 (Rowohlts Monographien, 44) sowie Michael Stettler, Bildnisse Stefan Georges von Alexander Zschokke, Düsseldorf und München 1974 (Drucke der Stefan-George-Stiftung). Zur Kopfplastik des George-Kreises ist im Zuge einer Marbacher Ausstellung 2008 ein Katalog erschienen: Ulrich Raulff und Lutz Näfelt, Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung. Köpfe aus dem George-Kreis, Marbach a. N. 2008 (marbacher magazin, 121). Ulrich Raulff, Plastische Passbilder. Stefan George, die Fotografie und die Skulptur, in: Bildwelten des Wissens 1,2 (2003), S. 28–36; Michael Thimann, Kunstproduktion im GeorgeKreis, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Bd. 2, 2012, S. 562–575, hier S. 566– 568. Nach 1900 waren es vor allem die Fotoserien der Brüder Hilsdorf, die das öffentliche Bild Georges prägten und nur nach seiner Autorisierung an die Öffentlichkeit gelangen durften.
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seinem Bild von Stefan George das Charisma des Dichters zu verbürgen sucht.⁴ Arthur R. Evans bestimmt die fotografischen und bildkünstlerischen Inszenierungen der Physiognomik Georges als antiken »Typus des heroischen Portraits nach dem Bilde des Löwen«, indem er Augenzeugenberichte über Georges angeblich leoninenhafte Wirkung zusammenstellt.⁵ Zu kurz kommt der spezifisch heroische Aspekt bei Gert Mattenklott, der Georges Inszenierungspraktiken als »ästhetische Opposition« zur gesellschaftlichen Praxis deutet.⁶ Francesco Rossi zeigt am Beispiel der George-Portraits von Karl Bauer, wie privater Kult und öffentliche Wirkung zusammenfallen, und erläutert Bauers Bildstrategien als Konzept »visueller Größe«.⁷ Unterbestimmt blieben bislang allerdings die bildkünstlerischen Stilisierungen Georges nach ikonografisch etablierten Heldenmodellen.⁸ Diese lassen sich mit Erwin Panofskys Drei-Stufen-Schema der Kunstbetrachtung differenzieren.⁹ Die heroischen Portraits zeigen als »natürliches Sujet« (»Phänomensinn«) physiognomisch unverkennbar Stefan George; als »konventionales Sujet« (»Bedeutungssinn«) repräsentieren sie zugleich eine heroische Figur, die 4 5
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Robert Boehringer, Mein Bild von Stefan George, 2 Bde., 2. erg. Aufl., Düsseldorf und München 1967. Arthur R. Evans, Das Antlitz Stefan Georges. Physiognomische Theorie und heroische Portraits, in: Castrum Peregrini, hg. von Manuel R. Goldschmidt, 89 (1969), S. 54–67, Zitat S. 54. Vgl. im Anschluss an Evans auch die Zusammenstellung von Augenzeugenberichten bei Martin Roos, Stefan Georges Rhetorik der Selbstinszenierung, Düsseldorf 2000, S. 115 f. Gert Mattenklott, Bilderdienst. Ästhetische Opposition bei Beardsley und George, München 1970. Ebenso Klaus Bartels, der stärker den dandyhaften Typus Georges hervorhebt: Klaus Bartels, Die zwei Körper des Dichters. Stefan Georges Arbeit an seinem öffentlichen Gesicht, in: Autorinszenierungen. Autorschaft und literarisches Werk im Kontext der Medien, hg. von Christine Künzel und Jörg Schönert, Würzburg 2007, S. 25–46. Zu den Inszenierungspraktiken Georges vgl. auch den Beitrag von Thomas Wegmann, »Bevor ich da war, waren all die Gedichte noch gut«. Über Stefan Georges Marketing in eigener Sache, in: Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur, hg. von Heinz Ludwig Arnold, 168 (2005), S. 97–104. Francesco Rossi, Karl Bauers Stefan George. Autorenporträts im Kultur- und Medienkontext von der Jahrhundertwende bis zu den 1920er Jahren, in: George-Jahrbuch, hg. von der Stefan-George-Gesellschaft, 10 (2014/15), S. 143–167, hier S. 154. Bisher wurden vor allem die literarischen Werke des George-Kreises auf ihre Imitatio-Strategien hin untersucht, vgl. Gunilla Eschenbach, Imitatio im George-Kreis, Berlin und New York 2011. Die drei Sinnschichten der kunsthistorischen Deutungsarbeit (»Phänomensinn«, »Bedeutungssinn«, »Dokumentsinn«) hat Erwin Panofsky terminologisch folgendermaßen modifiziert: »Natürliches Sujet«, »Konventionales Sujet« und »Gehalt«. Vgl. Erwin Panofsky, Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance [1955], in: ders., Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 1978, S. 36–67. Die ursprüngliche, wohl von Karl Mannheim beeinflusste Systematik findet sich in Erwin Panofsky, Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der Bildenden Kunst, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, hg. von Richard Kroner, 21 (1932), S. 103–119.
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sich als solche durch Konfiguration, Gebärde, Mimik oder charakteristische Attribute identifizieren lässt. Aus der Beziehung von Phänomen- und Bedeutungssinn resultiert so als drittes der »Gehalt« oder »Dokumentsinn«, also die ›weltanschauliche Vorstellung‹, die im Kunstwerk zum Ausdruck kommt, ohne vom Autor bis ins letzte intendiert zu sein. Stefan George förderte die heroisierenden Überblendungen seiner Person. So betonte er seine Wahlverwandtschaft mit bestimmten historischen Figuren, wie bildliche Darstellungen aus dem Kreis bekräftigen.¹⁰ Indem George sich bei den Kostümfesten der Münchener Kosmiker als Dante oder Caesar verkleidete, stilisierte er seine Berufung zum Dichterpropheten ebenso wie zum Tathelden.¹¹ Die bildkünstlerische Angleichung Georges an Heldenfiguren in ihren Formen, Strategien und Funktionen zu analysieren, ist das Erkenntnisinteresse unserer Fallstudie. Als Beispiele einer imitatio heroica werden untersucht: erstens die visionäre Überblendung von Georges Profil mit einer Caesar-Büste in den Erinnerungen von Edgar Salin (1948), zweitens die Stilisierung Georges zum Heiligen Ritter Georg in einem Ölgemälde Karl Bauers (ca. 1903), drittens die Gegenüberstellung mit dem Renaissance-Condottiere Bartolomeo Colleoni in einer Lithografie Karl Bauers (1901) sowie einem Bildgedicht von Saladin Schmitt (ca. 1905) und viertens die Modellierung Siegfrieds nach dem Profil Stefan Georges in Helmut Skarbinas Illustrationen der Nibelungen-Sage (1925). Heldenfiguren aus zentralen Epochen der europäischen Geschichte dienen als Modell: Caesar repräsentiert die Antike, der Heilige Georg das Mittelalter, der Condottiere Colleoni die Renaissance. Durch die Inversion der imitatio heroica in der Siegfried-Darstellung wird Stefan George schließlich seinerseits zum Heldenmodell der Moderne.
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Vgl. beispielsweise das Linksprofil in Dante-Art von Leo Samberger (o. D.), in: Stefan George in Darstellungen der bildenden Kunst, hg. von Robert Wolff, 1983, S. 52. Karl Bauer hat wiederum Dante in einer Lithografie nach 1900 mit den Gesichtszügen Georges ausgestattet, vgl. die Abbildung bei Francesco Rossi, Karl Bauers Stefan George, in: George-Jahrbuch 10 (2014/15), S. 164. Vgl. Abb. 1. Weitere Fotografien dieser Feste sind abgebildet in Robert Boehringer, Mein Bild von Stefan George, Tafelband, 1967, S. 90 f. Zu Georges Selbststilisierung als poeta vates vgl. Gabriela Wacker, Poetik des Prophetischen. Zum visionären Kunstverständnis in der Klassischen Moderne, Berlin 2013 und Barbara Beßlich, Vates in Vastitate. Poetologie, Prophetie und Politik in Stefan Georges Der Dichter in Zeiten der Wirren, in: Poetologische Lyrik von Klopstock bis Grünbein. Gedichte und Interpretationen, hg. von Olaf Hildebrand, Köln, Weimar und Wien 2003, S. 201–219.
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George und Caesar Stefan George Dass du voll Herrschsucht bist, ich wusste es lange; dann las ich, Dass du als Jüngling schon habest den Caesar gemimt.¹² Den Vergleich mit Caesar zogen nicht nur die Verehrer des Dichters, auch George selbst hat ihn bei Kostümfesten für sich in Anspruch genommen. (Abb. 1) Das epigrammatische Distichon des Kunsthistorikers Wilhelm Vöge (1868–1952) deutet diese histrionische Selbststilisierung als Willen zur Macht.¹³
Abb. 1: George als Caesar bei einem Kostümfest in München 1903. Aufnahme von R. F. Schmitz. © StGA Stuttgart, Fotografie 0477. Unter den Teilnehmern: Karl Wolfskehl, Hermann Schlittgen, Anna M. Derleth, Ria Claassen und Franziska zu Reventlow.
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Wilhelm Vöge, Stefan George, in: Vöge-Archiv der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Gedichte III: Kleine Formen 120–199, Nr. 146. Vöge, Doktorvater von Ludwig Thormaehlen, steht in seiner unveröffentlichten Dichtung George und seinem Kreis kritisch gegenüber; vgl. Achim Aurnhammer, Die Lyrik des Kunsthistorikers Wilhelm Vöge. Zur Krise der Beschreibungssprache in der Klassischen Moderne, in: Wilhelm Vöge und Frankreich, hg. von Wilhelm Schlink, Freiburg i. Br. 2004, S. 117–138, bes. S. 127–129.
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In einer Schlüsselszene, auf die Ulrich Raulff und Michael Thimann verwiesen haben, wird der Vergleich zwischen Caesar und George zur imitatio heroica überformt.¹⁴ Anfang des Jahres 1914 schenkten Edgar Salin, Wolfgang Heyer und Norbert von Hellingrath ihrem Freund und Lehrer Friedrich Gundolf einen Gipsabguss der Londoner Caesar-Büste aus dem British Museum. Sie erhielt einen Ehrenplatz auf Gundolfs Schreibtisch, da er bei ihrem Anblick jederzeit die »echten Züge des geliebten Heros der abendländischen Geschichte durchfühlen« konnte.¹⁵ (Abb. 2) Als Edgar Salin in Gundolfs Heidelberger Wohnung Stefan George zum zweiten Mal begegnet, veranlasst ihn die Büste zu einer imaginären imitatio heroica. Während George am Schreibtisch Hölderlin-Abschriften redigiert, wandert Salins Blick durch das Arbeitszimmer Gundolfs: […] der Raum hatte einen neuen Ausdruck, einen nicht mehr durch seinen Bewohner geprägten Geist dadurch erhalten, dass auf dem Schreibtisch ein Abguss der Londoner Caesar-Büste stand. […] Nun hob sich Georges Kopf, ein wenig nach vorne über die Blätter geneigt, im Profil ab von dem Profil der Caesar-Büste, deren Blick durch das Fenster hindurch in die Ferne wies, und es war nicht nur unser Wissen um den gleichen Tag der Geburt, sondern die unentrinnbare Magie dieses Bildes, die zum Vergleich der Züge drängte. (21 f.) Das auratische Doppelbildnis, George und Caesar-Büste, überführt den Betrachter in einen meditativen Zustand, der in der Überblendung beider Profile gipfelt. Die angebliche Ähnlichkeit von Caesar und George erschließt in einer plötzlichen Erhellung wechselweise deren Charaktere: »Nie hatten wir bis dahin geahnt, wie
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Ulrich Raulff, Der Bildungshistoriker Friedrich Gundolf. Nachwort, in: Friedrich Gundolf. Anfänge deutscher Geschichtsschreibung von Tschudi bis Winckelmann. Aufgrund nachgelassener Schriften Friedrich Gundolfs bearbeitet und herausgegeben von Edgar Wind, Neuausgabe hg. von Ulrich Raulff, Frankfurt a. M. 1993, S. 115–154, hier S. 132; Michael Thimann, Caesars Schatten. Die Bibliothek von Friedrich Gundolf. Rekonstruktion und Wissenschaftsgeschichte, Heidelberg 2003, vgl. bes. S. 138–142 und die Abbildungen (Frontispiz, S. 23 und S. 138). Thimann verdeutlicht, wie durch den Vergleich Georges mit der Caesar-Büste »Genealogie und Geistesverwandtschaft« (S. 138) zwischen dem zeitgenössischen Dichter und dem historischen ›Täter‹ konstruiert wurden, ohne allerdings den Aspekt einer imitatio heroica näher zu beleuchten. Edgar Salin, Um Stefan George, Godesberg 1948, S. 30. Eine zweite Auflage erschien 1954 im Verlag Helmut Küpper vormals Georg Bondi: Edgar Salin, Um Stefan George. Erinnerung und Zeugnis, 2. neugestalt. u. wesentl. erw. Aufl., München und Düsseldorf 1954. Nach dieser Ausgabe wird im folgenden Unterabschnitt zitiert. Die Seitenangaben erfolgen bei wörtlichen Zitaten direkt im Text.
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Abb. 2: Friedrich Gundolfs Schreibtisch in der Heidelberger Wohnung am Schlossberg mit dem Gipsabguss der Marmor-Büste von Gaius Iulius Caesar aus dem British Museum. Fotografie, um 1925. © Nachlass Friedrich Gundolf, Germanic Studies Archives, Senate House Library, University of London.
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stark auch im Dichter die Kraft des Täters lag, – nie war uns die Geistigkeit des Römers so deutlich entgegengetreten.« (22) Betont Salin sprachlich-stilistisch die Neuheit der Erkenntnis, so hebt er gleichzeitig die Trennung von Dichter und Tatmensch auf und präsentiert in der Überlagerung beider Physiognomien zwei Heroen des Geistes wie der Tat. Das lebendige Profil Georges fesselt Salins Blick. Er unterzieht die Physiognomie einer detaillierten Betrachtung: Von den tiefliegenden Augen ging der Blick zu der zugleich zierlichen und kräftigen Nase, – zu den Lippen, den fest gepressten; leicht stand die Unterlippe vor, gab dem Mund die herbe Entschlossenheit und leitete abwärts zum Kinn, in dessen mächtigem Vorsprung der Anspruch und das Recht des Herrschers gesammelt schien. Wie schön und gross geformt war das Ohr, – es deuchte uns weiter entfernt von Auge und Nase als bei anderen Menschen, so als sei jeder Teil dieses Kopfes für sich und im Ganzen vollkommen. Der Blick folgte dem Haar zur Stirn, die hart und gewaltig über dem Haupt thronte, – sie war, fast ohne Furchen, die geistige Stirn eines Denkers und war zugleich, an der Seite leicht gebuckelt und über dem Auge leicht gewulstet, die willensgeladene Stirn eines Täters, – sie war steinern und wie von einem harten Meissel geformt und sie war im Zusammenklang mit dem reichen, gewellten Haar, in dessen Braun sich die ersten weissen Strähnen mischten, von jener anmutigen Würde überflutet, für die sich uns das Wort Charis unentziehbar aufdrängte. (22) Die ekphrastischen Ausführungen gleichen der Beschreibung einer Büste. Georges Kopf wird zum plastischen Kunstwerk stilisiert: »gross geformt war das Ohr«, die Stirn »steinern und wie von einem harten Meissel geformt«. Die imaginäre Überblendung mit Caesar wirkt in der Beschreibung insofern nach, als Salin die Stirn Georges als die »geistige Stirn eines Denkers« und »zugleich […] die willensgeladene Stirn eines Täters« wahrnimmt. Wie sehr Salins neue Sicht auf George vom transitorischen Augenblick geprägt ist, zeigt die Metaphorik der detaillierten Gesichtsstudie: So deute der Mund auf »herbe Entschlossenheit« und das Kinn auf das »Recht des Herrschers«. Salins Erinnerungen präsentieren eine imitatio heroica als Prozess. Zunächst erscheint George als Phänomen der optischen Wahrnehmung, bevor er durch die Überblendung mit der Büste Caesars neue, heroische Bedeutung gewinnt. Georges Physiognomie wird in einer Ekphrasis zu einem kultischen Objekt überhöht. Die Verehrung kommt auch im einvernehmlichen »wir« zum Ausdruck, das im engeren Sinn die anwesenden Betrachter einschließt, im übertragenen Sinn aber für alle Verehrer Georges gilt. Der autofiktionale Charakter des Textes,
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der diese eher beiläufige Szene mit heroischer Bedeutung auflädt und zu einem epochalen Moment stilisiert, ist sicher auch dem zeitlichen Abstand von Ereignis (1914) und Erzählung (erschienen 1948) geschuldet. Mit seiner Caesar-George-Kombination kann Salin an ein kreisintern etabliertes Vergleichsmuster anschließen. So konstruierte etwa Gundolf in seinen monografischen Schriften über den antiken Staatsmann eine genealogische Linie bis zu George.¹⁶ Seine rezeptionshistorische Studie Caesar im neunzehnten Jahrhundert (1926) schließt mit einem Verweis auf den Dichter: »Noch ist kein Herrscher erschienen der weise ist, aber schon wirkt wieder ein Weiser mit herrscherlichem Willen […].«¹⁷ Auch hier wird die Dichotomie von Tat und Wort aufgehoben in der visionären Synthese von »Herrscher« und »Weisem«. Dass Caesar und George zudem beide am 12. Juli geboren worden waren, verstand der Kreis als schicksalhafte Fügung.¹⁸
George als Ritter Sankt Georg Stefan George, dessen Name schon zu einer Identifikation mit ›St. Georg‹ einlädt, wurde von Karl Bauer in einem Ölgemälde, das wohl im Jahre 1903 entstanden ist, als Ritter dargestellt. (Abb. 3) Der Dichter als Ritter, so lautet der Titel auf der Rückseite des Gemäldes.¹⁹ Den Vergleich mit Sankt Georg bekräftigte Stefan George auch selbst, indem er eine Zeitlang ein Siegel mit einer Darstellung des Heiligen mit sich führte.²⁰ (Abb. 4) Das Bildnis zeigt Stefan George als Halbfigur im Profil. Die markanten Konturen des Gesichtes und das üppige, gewellte Haupthaar lassen an der Identität des Dargestellten keinen Zweifel, auch wenn der Körper vom Hals abwärts in einem spätmittelalterlichen Harnisch steckt. Die hohe Halsberge schließt am Kinn an und geht in einen Brustpanzer über, die Armschienen reichen bis zu den ungeschützten Händen, die um eine Lanze wie zum Gebet gefaltet sind. Die
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Vgl. hierzu auch Ulrich Raulff, Der Bildungshistoriker, in: Friedrich Gundolf. Anfänge deutscher Geschichtsschreibung, 1993, S. 133. Friedrich Gundolf, Caesar im neunzehnten Jahrhundert, Berlin 1926, S. 88. Vgl. Michael Thimann, Caesars Schatten, 2003, S. 142. Vgl. Bildnisse. Verzeichnisse der Plastiken, Gemälde, Handzeichnungen, Scherenschnitte im Schiller-Nationalmuseum und Deutschen Literaturarchiv Marbach, hg. von Gertrud Fiege in Zusammenarbeit mit Albrecht Bergold, Marbach a. N. 1978, S. 44, s.v. George, Stefan. DLA Marbach, B 68.328. Nach freundlicher Auskunft von Sabine Fischer liegen keine Hinweise zur Datierung vor. Eine Erinnerung an das Siegel findet sich bei Robert Boehringer, Mein Bild von Stefan George, Bd. 1, 1967, S. 11.
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Abb. 3: Der Dichter als Ritter. Ölgemälde von Karl Bauer, ca. 1903. © DLA Marbach, B68.328.
ruhig verschränkten Hände harmonieren mit dem gefasst wirkenden Gesicht, dessen Blick in die Ferne gerichtet scheint. Von der Halbfigur verdeckt ist eine Lichtquelle, die den Kopf wie ein Heiligenschein umleuchtet. Den Hintergrund bildet die Wand einer gotischen Kapelle. Dies legt die angeschnittene Darstellung rechts oben nahe, die an ein Bildnis der Muttergottes mit Jesuskind erinnert: Dargestellt ist ein Frauenkopf mit Gloriole, der sich über ein Wickelkind beugt. Der dunkel gehaltene linke Bildhintergrund zeigt ein verstäbtes und mit Maßwerk geziertes buntes Spitzbogenfenster, vermutlich ein gotisches Kirchenfenster mit Glasmalerei. Hinter dem Fenster ist am linken Rand die Silhouette einer weiblichen Figur zu erkennen. Die Lanze mit Fahne, die der Ritter in seinen geschlossenen Händen hält, erinnert an die Siegbanner christlicher Heiliger.
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Abb. 4: Siegelabdruck mit dem Heiligen Georg aus Stefan Georges Besitz. © StGA Stuttgart, Fotografie 0273.
Mehrere Gründe sprechen dafür, in dieser mediävalisierenden Darstellung des Dichters als Ritter eine Angleichung an den Heiligen Georg zu sehen.²¹ Erstens handelt es sich um eine bildkünstlerische interpretatio nominis, die ›St. George‹ in ›Sankt Georg‹ transponiert. Zweitens verbürgen die spärlichen, aber in ihrer Gesamtheit stimmigen ikonografischen Merkmale die Stilisierung des Dichters zum ›Neuen Sankt Georg‹: der angedeutete Heiligenschein um das Haupt des Dichters, die Lanze mit Fahne, wie sie für die Georg-Ikonografie typisch ist, sowie die sakrale Sphäre, die den Dichter als miles christianus erscheinen lässt.²² Drittens alludiert Karl Bauers George-Portrait den älteren Bildtypus des sakralisierenden Portraits, das weltliche Personen mit den Merkmalen und Attributen eines Heiligen darstellt. 21
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Francesco Rossi erkennt in dieser Art der Überblendung ein Verfahren der composite portraiture, bei dem Gegenwart und Vergangenheit miteinander verwoben werden. Francesco Rossi, Karl Bauers Stefan George, in: George-Jahrbuch 10 (2014/15), S. 162. Neben den bildlichen Repräsentationen Georgs als Märtyrer sowie als Drachentöter und Befreier der vom Drachen bedrohten Prinzessin ist der Heilige Georg oft als Ritter in einer Rüstung dargestellt. Vgl. Sigrid Braunfels, Art. »Georg«, in: Lexikon der christlichen Ikonographie. Ikonographie der Heiligen, Bd. 6, hg. von Wolfgang Braunfels, Rom, Freiburg, Basel u. a. 1974, S. 366–390.
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Abb. 5: Kaiser Maximilian I. als Heiliger Georg. Eisenradierung von Daniel Hopfer, um 1501 / 1507. © Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, DHopfer AB 3.78.
Als ikonografisches Musterbeispiel sei Daniel Hopfers Eisenradierung vom Beginn des sechzehnten Jahrhunderts angeführt, die Kaiser Maximilian I. als Heiligen Georg präsentiert.²³ (Abb. 5) Auch Hopfer, dessen Monogramm »DH« im Bild ähnlich prominent sichtbar ist wie Karl Bauers Signatur, hat Kaiser Maximilian im Profil dargestellt. Der Heiligenschein ist nicht nur als Glanz angedeutet, sondern als Nimbus klar hervorgehoben. Die Attribute, Georgslanze mit Fahne, Schild und Schwert von zwei als Knappen fungierenden
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Kaiser Maximilian I. als Heiliger Georg. Eisenradierung von Daniel Hopfer, um 1501/1507. Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, DHopfer AB 3.78. Die Zahl »81« neben dem Monogramm in der Radierung ist die Nummer der Bildfolge, die im 17. Jahrhundert von David Funck (Nürnberg) und dann 1802 bei Silberberg gedruckt wurde. Vgl. Sigrid Braunfels, Art. »Georg«, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 6, 1974, S. 386.
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Engeln getragen, sind ähnlich fragmentarisch präsentiert wie in Bauers Darstellung. Maximilian trägt überdies eine Kette mit Kruzifix, die ihn als Patron der Georgsritter ausweist. Dieser explizite imitatio-Bildtypus ist in Bauers GeorgeBildnis insofern zurückgenommen oder interiorisiert, als der Heiligenschein zum Glanz und die militärischen Attribute auf die Lanze mit Siegesfahne reduziert werden. Doch ist der Habitus des miles christianus durch Ritterrüstung, sakralen Kontext und Betgestus deutlich markiert. Die Namensanalogie, der ikonografische und der typengeschichtliche Aspekt beglaubigen somit Bauers George-Portrait als imitatio heroica. Doch damit ist die Bedeutung des Bildes keineswegs geklärt. Warum stilisierte Bauer den Dichter zum Ritter? Diese Frage lässt sich aufgrund der spezifischen Differenz des Gemäldes zu anderen Georgsdarstellungen beantworten: Georges Blick in die Ferne vor dem nächtlichen Fenster und der Betgestus mit der Lanze verleihen der Darstellung – stärker als in den traditionellen Heiligenportraits – einen prospektiven Gestus. Bauer präsentiert den Dichter nicht als Sieger, sondern als einsamen christlichen Kämpfer. Dieser Bedeutungssinn lässt sich durch intermediale Bezüge des Bildes präzisieren. Bisher blieb wenig beachtet, dass Bauer die Darstellung Georges als Ritter wohl auch dessen Dichtung verdankt. Als plausibelste Vorlage kommt das Gedicht Sporenwache aus den mediävalisierenden Sagen und Sängen in Frage,²⁴ das Karl Bauers »Empfindung«, wie er George gegenüber brieflich bekennt, »am meisten […] entsprochen« hat.²⁵ Sporenwache ist ein zweiteiliges Gedicht in jambischen, kreuzgereimten Fünfhebern, die zu vier- und fünfversigen Strophen angeordnet sind. Anfang und Ende sind insofern metrisch markiert, als die Anfangsstrophen beider Teile und die Schlussstrophe jeweils fünf Verse umfassen.
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Stefan George, Sporenwache, in: ders., Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte · der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten, Stuttgart 1991 (Sämtliche Werke, III), S. 43. Zuerst erschienen in: Blätter für die Kunst II 1 (Jänner 1894), S. 43 f. Auf die intermediale Bezugnahme verweist Mario Zanucchi, Art. »Bauer, Karl Konrad Friedrich«, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Bd. 3, 2012, S. 1268–1270, hier S. 1269. Ernst Morwitz, Kommentar zu dem Werk Stefan Georges, Düsseldorf und München 1960, S. 79 f., nennt zwar »mittelalterliche Bilder, etwa des Vaters von Holbein« als bildkünstlerische Entsprechung zu den »beflügelten Engelsköpfen« (V. 44), erwähnt aber Bauers George-Portrait nicht. Brief von Karl Bauer an Stefan George aus Paris am 30. Januar 1894, StGA Stuttgart, George III, 490.
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Sporenwache Die lichte zucken auf in der kapelle. Der edelknecht hat drinnen einsam wacht Nach dem gesetze vor altares schwelle ›Ich werde bei des nahen morgens helle Empfangen von der feierlichen pracht
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Durch einen schlag zur ritterschar erkoren · Nachdem der kindheit sang und sehnen schwieg Dem strengen dienste widmen wehr und sporen Und streiter geben in dem guten krieg. Ich muss mich würdig rüsten zu der wahl · Zur weihe meines unbefleckten schwertes Vor meines gottes zeit und diesem Mal · Dem zeugnis echten heldenhaften wertes:‹ Da lag der ahn in grauen stein gehauen · Um ihn der schlanken wölbung blumenzier · Die starren finger faltend im vertrauen · Auf seiner brust gebreitet ein panier · Den blick verdunkelt von des helmes klappen – Ein cherub hält mit hocherhobner schwinge Zu häupten ihm den schild mit seinem wappen · In glattem felde die geflammte klinge.
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* Der jüngling bittet brünstig Den da oben Und bricht gelernten spruches enge schranken Die hände fromm vors angesicht geschoben · Da wurde unvermerkt in die gedanken Ihm eine irdische gestalt verwoben: ›Sie stand im garten bei den rosmarinen Sie war viel mehr ein kind als eine maid · In ihrem haare goldne flocken schienen Sie trug ein langes sternbesticktes kleid‹
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Ein schauer kommt ihn an · er will erschrocken Dem bild das ihm versuchung dünkt entweichen · Er gräbt die hände in die vollen locken Und macht das starke bösemferne zeichen · In seine wange schiesst es rot und warm · Die kerzen treffen ihn mit graden blitzen · Da sieht er auf der Jungfrau schosse sitzen Den Welt-erlöser offen seinen arm. ›Ich werde diener sein in deinem heere Es sei kein andres streben in mir wach · Mein leben folge fortab deiner lehre · Vergieb wenn ich zum lezten male schwach‹ Aus des altares weissgedeckter truhe Flog ein schwarm von engelsköpfen aus · Es floss bei ferner orgel heilgem braus Des Tapfren einfalt und des Toten ruhe Zu weiter klarheit durch das ganze haus.
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Geschildert wird eine Sporenwache, ein mittelalterlicher rite de passage, dessen Kenntnis George dem Kapitel »L’entrée dans la chevalerie« in Léon Gautiers kulturgeschichtlichem Werk La Chevalerie (1884)²⁶ verdankt.²⁷ Ein »edelknecht« (V. 2) verbringt die Nacht vor dem Tag, an dem er zum Ritter geschlagen werden soll, in einer Kapelle, um sich auf sein Gotteskriegertum vorzubereiten. Der erste Teil (V. 1–21) präsentiert den jungen Mann, der sich in einem Soliloquium (V. 4–13) selbst Mut zuspricht, »in der Kapelle« (V. 1). Für seine Mission ist ihm »der ahn« (V. 14), an dessen Grabmal er wacht, das heroische Vorbild, das »zeugnis echten heldenhaften wertes« (V. 13). Der zweite Teil (V. 22–47) setzt mit einem Gebet ein, das von der Erinnerung an eine kindliche Liebe gestört wird. Die amouröse Reminiszenz ist metrisch als
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Léon Gautier, La Chevalerie, Paris 1884. Vgl. Hans Stefan Schultz, Studien zur Dichtung Stefan Georges, Heidelberg 1967, S. 33–36, hier S. 33. Ernst Morwitz, Kommentar zu dem Werk Stefan Georges, 1960, S. 79 f., bleibt weitgehend paraphrastisch, merkt aber an, dass George »mehr an französisches als an deutsches Mittelalter als Vorbild gedacht habe« (ebd., S. 79); siehe dazu auch Jutta Schloon, Mittelalter-Rezeption, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Bd. 2, 2012, S. 672– 682, bes. 677.
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Störung der »Sporenwache« durch einen Wechsel des Kreuzreims in einen umarmenden Reim abgebildet (V. 35–38). Der Rosmarin als Hochzeitsblume und Liebeskraut versinnbildlicht die erotische Attraktion des Mädchens,²⁸ dessen Goldhaar und Sternenkleid die verführerische Gestalt der ›Allerleihrauh‹ in Grimms Märchen alludieren. Von der Versuchung heilt den Betenden der Blick auf die Jungfrau Maria und die Christusgestalt, die den jungen Krieger zur Absage an die weltliche Liebe und zu einem festen Glaubensbekenntnis veranlasst. Das Credo entspricht einem Treuegelübde, mit dem sich der »edelknecht« dem Dienst »in deinem [scil. Jesu Christi] heere« (V. 39) verschreibt. Die mystische Vision einer Engelsschar (»flog ein schwarm von engelsköpfen aus«, V. 44), mit welcher der zweite Teil endet, korrespondiert mit der »cherub«-Statue (V. 19) in der Schlussstrophe des ersten Teils. Auch wenn die Verlebendigung des Kunstwerks ins Präteritum distanziert ist, bringt sie zum Ausdruck, dass das Gebet des Novizen erhört und aus dem »edelknecht« ein miles christianus wurde. Die Vollendung des rite de passage und das Gelingen der imitatio heroica zeigt sich in der Großschreibung des »Tapfren« und seines Ahnen, »des Toten«, sowie in der Synthese ihrer beider Eigenschaften, »einfalt« und »ruhe«, »zu weiter klarheit« (V. 46 f.). Bauers Portrait Der Dichter als Ritter transferiert die Sporenwache, die Nachtwache eines jugendlichen Ritters in einer Kapelle, auf George. Indem Bauer den Gedichttext der Ikonografie des Heiligen Georgs anpasst,²⁹ gewinnt die vage Mission, zu der sich der werdende Ritter im Gedicht entschließt, eine neue Bedeutung: Bauer präsentiert George als heroischen Ritter, der dem Schönen entsagt und sich in göttlichen Dienst begibt. Die imitatio heroica, die Darstellung Georges als ›Neuer Sankt Georg‹, der als Visionär in die Zukunft blickt, illustriert im Dichter-Ritter der Sporenwache die ästhetische Umorientierung vom Ästhetizismus zur lehrhaften Dichtung. Damit gewinnt Georges ästhetische Konversion den Dokumentsinn einer religiösen Lebensentscheidung.
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Als Liebes-, Treue- und Fruchtbarkeitssymbol sowie zur Abwehr böser Geister flocht man früher Rosmarin in den Brautkranz. Vgl. Art. »Rosmarin«, in: Udo Becker, Lexikon der Symbole, 7. Aufl., Freiburg, Basel und Wien 2006, S. 244. Bei Léon Gautier, La Chevalerie, 1884, S. 315 f., ist »ce saint en habit de chevalier«, in dessen Kapelle der Novize die Nacht vor dem Ritterschlag verbringt, nicht der Heilige Georg, sondern der Heilige Martin.
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George mit Colleoni In der Lithografie Dichterbildnis mit Colleoni (auch: George mit dem Colleoni),³⁰ die ebenfalls von Karl Bauer stammt und aus dem Jahr 1901 datiert,³¹ wird eine typologische Beziehung Georges zu dem venezianischen Condottiere Bartolomeo Colleoni (um 1400–1475) gestiftet.³² (Abb. 6) Die Lithografie zeigt in unmittelbarer Nah- und leichter Untersicht das Profil Georges. Klare Linien und Formen, eine scharfe Konturierung, strenge Symmetrie des Bildaufbaus und harte Schwarz-Weiß-Kontraste betonen die stolze Haltung des Dichters. Das Portrait füllt den gesamten Bildvordergrund. Während Schulter und Brust dem Betrachter zugewandt sind, ist Georges Kopf nach rechts ins Profil gedreht. Sein Blick geht starr in die Ferne, die Lippen sind fest geschlossen, das Kinn gereckt.³³ Sein schwarzer Anzug, der das untere Bilddrittel einnimmt, und der weiße Stehkragen verströmen ebenso wie Haltung und Blick eine Aura gebieterischen Anspruchs und herrschaftlicher Strenge. Über der linken Schulter findet sich die Signatur Karl Bauers, über der rechten Schulter hingegen als symmetrisches Pendant eine Darstellung von Andrea del Verrocchios Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni in Venedig.³⁴ (Abb. 7) Die im Verhältnis zu George deutlich kleiner gezeichnete und blassere Statue ist von Georges Schulter partiell verdeckt. Nur Kopf und Bug des Pferdes sowie der Reiter im Sattel sind zu erkennen. Colleoni, gerüstet und behelmt, blickt nach links aus dem Bild heraus. Möglicherweise folgt Karl Bauers Darstellung einer Seitenansicht, die 1902 entstanden ist.³⁵ (Abb. 8) Die Profile beider Männer zeigen unverkennbar ähnliche Züge.
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So die Bildunterschrift bei Michael Thimann, Bildende Kunst, in: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch, Bd. 2, 2012, S. 579. Standort der Lithografie ist das DLA Marbach, B 58.30a, Maße: 36,7 × 48,5 cm. Das DLA Marbach und das StGA Stuttgart verwahren weitere Varianten dieser Lithografie, die sich lediglich in der Farbgebung unterscheiden. Stefan George in Darstellungen der bildenden Kunst, hg. von Robert Wolff, 1983, S. 34. In einer Festschrift für Eberhard Gothein findet sich ein Hinweis auf die Colleoni-Rezeption im weiteren Umfeld des George-Kreises: Paul Clemen, Bartolomeo Colleoni, in: Bilder und Studien aus drei Jahrtausenden. Eberhard Gothein zum siebzigsten Geburtstag als Festgabe dargebracht von Georg Karo, Edgar Salin, Alfred von Domaszewski, Hans von Schubert, Paul Clemen, Friedrich Gundolf, Friedrich Wolters, Hermann Oncken, München und Leipzig 1925, S. 107–142. Rossi deutet die Darstellung als figura leonina, als »ikonologische Konstante des Heroenbildes in der westlichen Kultur«. Vgl. Francesco Rossi, Karl Bauers Stefan George, in: GeorgeJahrbuch 10 (2014/15), S. 165, Fn. 66. Das Original der Bronzestatue steht auf einem hohen Marmorsockel vor der Kirche SS. Giovanni e Paolo in Venedig. Seit den 1890er Jahren wurden umfangreiche fotografische Reihen des Monuments angefertigt. Auch zeitgenössische Künstlermonografien enthalten Nahaufnahmen des Colleoni-
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Abb. 6: Dichterbildnis mit Colleoni. Lithografie von Karl Bauer, 1901. © DLA Marbach, B58.30a.
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Abb. 7: Reiterdenkmal des Bartolomeo Colleoni von Andrea del Verrocchio, Bronze, 1496, Venedig, Campo SS. Giovanni e Paolo. Fotografie von ca. 1900. © Alinari Archives, BGA-F-12362A-0000.
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Abb. 8: Profil des Bartolomeo Colleoni, Reiterdenkmal Detail. Fotografie von 1902. © Alinari Archives, ADA-F-024531–0000.
Colleoni und George entsprechen sich in der Darstellung Bauers physiognomisch: Georges gewelltes Haar korrespondiert mit dem Helm Colleonis; die aufrechte Haltung Georges wie des reitenden Colleoni und der entschlossene Blick zeigen denselben Herrschaftsanspruch. Die Ähnlichkeit von Colleonis Gesicht mit der Mimik Georges ist frappant: markante Nase, wulstige Brauen, gefurchte Stirn, herrischer Blick. So werden in der Bildnisangleichung Mimik, Gestus und Habitus des Vorbildes auf George übertragen. Zu dieser bildkünstlerischen Überblendung regte Karl Bauer, wie er Wolters gegenüber bekennt, die physiognomische Verwandtschaft Georges mit Darstellungen bedeutender Tatmenschen an: Die sehr breite nach oben stark zurückfliegende Stirn – mit den vielen Kanten und Flächen eine richtige Bildhauerstirn – die dichten dicken in ihrem Ansatz damals weit hereinreichenden Haare, dazu das triebsichere impulStandbildes, vgl. Hans Mackowsky, Verrocchio, Bielefeld und Leipzig 1901. Das Reiterstandbild findet noch in den 1920er Jahren als Kartenmotiv Eingang in den Kreis. Vgl. die Postkarte von Heinrich Schnitzler an Friedrich Gundolf, Venedig, 21. Juli 1925, Friedrich Gundolf Papers, 32 d, Germanic Studies Archives, Senate House Library, University of London.
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sive Kinn erinnerten mich an die Büste Alexanders des Großen, ebenso der mächtige löwenhafte Kieferknochen, während mich das Ganze mit dem energisch gepreßten Mund an die Münzen italienischer Renaissance (Malatesta, Coleoni [!] und anderer) denken ließ.³⁶ Die januskopfartige Ausrichtung – George blickt nach rechts in die Zukunft, Colleoni reitet nach links in die Vergangenheit – erhellt den Bedeutungssinn des Bildes. Colleoni verkörpert als Söldnerführer der Republik Venedig den Tat- und Kriegshelden. Da George als Dichter das Wort repräsentiert, lässt ihre Zusammenstellung in Form des Januskopfes sich entweder als Ablösung der Tat durch das Wort deuten oder als Synthese von Wort und Tat im Dichteramt Georges. In beiden Fällen wird die prominente Rolle Georges durch das ungleiche Größenverhältnis von Reiterfigur und Portrait deutlich. Das ›Bild im Bild‹ verweist auf den historischen Colleoni, auf die Typengeschichte des Reiterstandbildes und auf die Statuskonkurrenz von Wort und Bildender Kunst. Alle drei Aspekte wirken sich auf den Dokumentsinn des Dichterbildnisses aus: Die Zusammenstellung mit dem charismatischen Söldnerführer stilisiert den Dichter zu einer heroischen Führerfigur.³⁷ Die Kombination mit dem Reiterstandbild nobilitiert ihn, indem sie ihn auf eine herrschaftliche Darstellungstradition bezieht. Zugleich wird dem Dichter im Sinne der horazischen Ode III, 30 (»exegi monumentum aere perennius« [»ich habe ein Denkmal ewiger als Erz geschaffen«]) überzeitliche Geltung zuerkannt und sein Wort über das vergängliche Kunstwerk aus Metall gestellt. In der Elften und Zwölften Folge der Blätter für die Kunst (1919) erschien Saladin Schmitts Dichterbildnis mit Colleoni, entstanden wohl 1905:³⁸ 36
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Karl Bauer in einem Brief an Friedrich Wolters vom 20. Juni 1914. Zit. nach Friedrich Wolters, Stefan George und die Blätter für die Kunst. Deutsche Geistesgeschichte seit 1890, Berlin 1930, S. 64. Vgl. auch Francesco Rossi, Karl Bauers Stefan George, in George-Jahrbuch, 10 (2014/15), S. 158. Beide sind Prototypen charismatischer Führerpersönlichkeiten. Als Heerführer, eine Art ›Binnenherrscher‹ über eine Gruppe von Soldaten, hatte Colleoni innerhalb des politischen Gefüges Venedigs eine bedeutende Position. Dem entspricht bei George der Führungsanspruch über eine elitäre Gruppe von Jüngern, die sich als ›Geheimes Deutschland‹ verstand. Saladin Schmitt, Dichterbildnis mit Colleoni, in: Blätter für die Kunst, begr. von Stefan George, hg. von Carl August Klein, Elfte und Zwölfte Folge (1919), S. 225. Wieder in Saladin Schmitt, Die so gegangen sind. Seine Gedichte und sein Verhältnis zu Stefan George, hg. und erzählt von Robert Boehringer mit Georg Peter Landmann, Düsseldorf und München 1964 (Drucke der Stefan-George-Stiftung), S. 34 und 113 (Kommentar). Danach stammt das Gedicht aus einer Sendung Schmitts an George »von Anfang Februar 1908«. Die Titelseite bildete wohl das Gedicht Dichterbildnis mit Colleoni als einer zuschrift an Stefan George. Die Widmung an George entfiel im Erstdruck. Saladin Schmitts Gedicht ist ohne Vorbilder,
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Wie fasstest je du was erdämmerte In seiner schluchten schauer diesem hirn Und welches willens klöppel hämmerte Die ungeheure glocke dieser stirn? Was durch die kuppeln dieser brauen stürmte Im bebenden umfassen eines ziels Und was auf dieses kinnes sockel türmte Die breiten schweren staffeln des profils? Erforsche dich eh du vor diesen trittst · Es ist ein eherner zeiger den du drehst · Und wähntest du gebändigt was du littst Verwirf es stolz wenn hier du nicht bestehst! Wenn durch die kraft der sendung nicht gebunden Du zweifellos dein antlitz birgst im staube Und eh du sahst der hand und seite wunden In demut kniend stammelst: herr · ich glaube!
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Neben der Widmung im Untertitel (als einer zuschrift an Stefan George) erweist sich das Bildgedicht auch metrisch als Hommage an George. Denn die Strophenform, der Vierzeiler mit weiblich / männlich wechselnden Kadenzen im Kreuzreim, war in Deutschland maßgeblich von George propagiert worden.³⁹ Thematisch ist das vierstrophige Gedicht zweigeteilt, was der Wechsel von Reimgeschlecht und Tempus in den beiden Schlussstrophen akzentuiert: In den ersten beiden Strophen wird mit rhetorischen Fragen die Physiognomie des Dichterbildnisses überhöht; die Strophen drei und vier benennen apodiktisch die Bedingungen, welche zu erfüllen sind, um eine Begegnung mit dem dargestellten Dichter zu bestehen. Die erste Gedichthälfte ist der Konfrontation mit dem Dichterbildnis gewidmet. Angesichts des Portraits reflektiert der Betrachter in einer Du-Ansprache
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wenngleich Verrocchios Colleoni vielfach Gegenstand von Bildgedichten wurde. Vgl. die Zusammenstellung bei Gisbert Kranz, Das Bildgedicht. Theorie – Lexikon – Bibliographie, Bd. 1, Köln und Wien 1981, S. 585. Es ist wohl wesentlich ein Verdienst Georges, dass diese Strophenform in der deutschen Lyrik des Zwanzigsten Jahrhunderts am häufigsten vorkommt; vgl. Horst Joachim Frank, Handbuch der deutschen Strophenformen, 2. Aufl., Tübingen und Basel 1993, Nr. 4.106, S. 321–327, hier 324. In den Strophen 3 und 4 variiert Schmitt das Reimgeschlecht: Die Reime der dritten Strophe sind ausschließlich männlich, die der Schlussstrophe ausschließlich weiblich.
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rückblickend das Wunder, den übermächtigen Geist des Portraitierten jemals »gefasst« (V. 1) zu haben. Das Wunder wird in einer deiktischen Diärese des »profils« (V. 8) metonymisch ausgemalt (»diesem hirn« [V. 2], »dieser stirn« [V. 4], »dieser brauen« [V. 5], »dieses kinnes« [V. 7]). Die räumlich-architektonische Metaphorik, welche diese Diärese ausschmückt, von der Kirchenglocke der Stirn über die Dachkuppeln der Augenbrauen bis zum Sockel des Kinns, stilisiert den Dargestellten zu einem kunstvollen Kirchenbau aus Stein und Metall und nähert ihn so materialiter wie räumlich der bronzenen Reiterstatue des Colleoni an. Die zweite Gedichthälfte behält zwar die Du-Anrede bei, ist aber als Warnung an jeden potentiellen Verehrer gerichtet, der eine Begegnung mit George sucht. Gemeint ist nun nicht mehr Karl Bauers Dichterbildnis, sondern George selbst. Führt in Rilkes Dinggedicht Archaïscher Torso Apollos allein die Betrachtung des Kunstwerks zu dem programmatischen Schluss »Du musst dein Leben ändern«,⁴⁰ lässt das Kunstwerk in Schmitts Bildgedicht nur ahnen, welch einschneidendes Erlebnis eine Begegnung mit dem dargestellten Dichter bedeutet. Der George-Jünger wird in die Rolle eines Novizen oder Mysten gerückt, von dem imperativisch eine Selbsterforschung verlangt wird. Denn die Begegnung wird als »eherner zeiger« (V. 10), als irreversibler Einschnitt verbildlicht, der jede vorgängige Leidensbändigung als Wahn in Frage stellt. Die Schlussstrophe forciert die Asymmetrie, indem eine Proskynese des Verehrers antizipiert und in einer modifizierten Figuration der Begegnung des auferstandenen Christus mit dem ungläubigen Thomas illustriert wird. Das Adverb »zweifellos« (V. 14) ist insofern doppeldeutig, als es einerseits die Demutsgeste des Mysten, andererseits aber auch dessen Glaubensgewissheit im Voraus verbürgt. George wird nicht nur in die Rolle Christi gerückt, die Begegnung übersteigert sogar die biblische Figuration. Denn anders als der ungläubige Thomas, der sich von der Identität des Gottessohns erst überzeugt, indem er seinen Finger in die Wundmale legt, formuliert der neue Jünger Georges bereits sein Credo, bevor er die charismatische Gestalt seines Heilands sieht. Die erste Gedichthälfte von Schmitts Bildgedicht überhöht die Betrachtung des heroisierenden Dichterbildnisses symbolisch zum Gang in eine Kirche, während die zweite Gedichthälfte die Begegnung mit George zur Christusverehrung verklärt. Mit Karl Bauers Dichterbildnis mit Colleoni wird ein säkulares Bild zu einem Altarbild stilisiert und somit – als Dokumentsinn – die bildkünstlerische imitatio heroica zu einer poetischen imitatio Christi forciert.
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Rainer Maria Rilke, Archaïscher Torso Apollos, in: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Bd. 1: Gedichte 1895 bis 1910, hg. von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Frankfurt a. M. und Leipzig 1996, S. 513.
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George als Heldenmodell 1925 erschien im Oldenburger Gerhard Stalling Verlag eine Nacherzählung der Nibelungen-Sage, herausgegeben von Will Vesper.⁴¹ Seine Fassung richtet sich an die Jugend, deren nationale Bedeutung für das deutsche Volk das Vorwort beschwört:⁴² Mit einem Wort, dies ist kein Buch für die Wissenschaft und die Philologen, sondern für das lebendige Leben unseres Volkes, das heute mehr denn je aus den großen Schöpfungen seiner eigenen Vergangenheit Kraft und Trost, neuen Mut, Hoffnung und Glauben an sich selber finden soll. Haben die Alten dies verloren, so laßt uns in der Jugend aufbauen, langsam und von innen.⁴³ Um die Nibelungen-Sage der Jugend näher zu bringen, modernisierte Vesper den mittelalterlichen Stoff und verstand sich als Kompilator, der »aus allem, was […] vorliegt, aus Bruchstückhaftem und Ausgeführtem, ein Neues […] schaff[t]«.⁴⁴ Unterstützt hat ihn der Kinder- und Jugendbuchillustrator Helmut Skarbina, von dem neben den Federzeichnungen und Initialen im Text der farbig gestaltete Einband stammt.⁴⁵ (Abb. 9 und 10) Auf der Ebene des Phänomensinns zeigt die kolorierte Darstellung auf der Vorderseite des Einbands den auf einem Schimmel reitenden Siegfried in Profilansicht nach rechts gewandt. Die unruhige Bewegung des Pferdes kontrastiert 41
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Will Vesper, Die Nibelungen-Sage, Oldenburg 1925. Will Vesper war Jugendbuchautor des Gerhard Stalling Verlags und publizierte in den 1920er und 1930er Jahren unter anderem Märchen- und Sagenbücher. Vgl. das Publikationsverzeichnis im Jubiläumsband von Eugen Roth, Einhundertfünfzig Jahre Verlag Gerhard Stalling 1789–1939. Zum Gedenktage des 150jährigen Bestehens am 23. Oktober 1939, Oldenburg 1939, S. 107 f. In den 1940er Jahren erlebten einige der Bände Neuauflagen. Vgl. die Korrespondenz des Verlags mit Will Vesper in den Jahren 1943–1945 im DLA Marbach, A: Vesper, 76.2628/23. Will Vesper trat 1931 in die NSDAP ein und war für sein nationalsozialistisches Engagement bekannt, an dem er auch über das Ende des Krieges hinaus festhielt. Vgl. Hans Sarkowicz und Alf Mentzer, Art. »Vesper, Will«, in: Schriftsteller im Nationalsozialismus. Ein Lexikon, Berlin 2011, S. 595–597. Zit. nach der unveränderten Ausgabe von 1942: Will Vesper, Die Nibelungensage, Oldenburg 1942, S. 6. Ebd., S. 5. Allerdings war bereits 1921 eine erste Auflage der Nibelungen-Sage erschienen, die noch mit Illustrationen des Malers und Grafikers Ernst Rudolf Vogenauer versehen war. Die Ausgabe von 1925 gestaltete dann Helmut Skarbina. Offenbar verkaufte sich der Band gut, da bis 1942 mehrere Neuauflagen erschienen. Von Helmut Skarbina, über den wenig bekannt ist, wurden im Gerhard Stalling Verlag in der Reihe ›Nürnberger Bilderbücher‹ etliche Bände illustriert. Vgl. das Gesamtverzeichnis des Verlags bei Eugen Roth, Einhundertfünfzig Jahre Verlag Gerhard Stalling, 1939, S. 104–108.
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Abb. 9: Siegfried als Ritter. Farblithografie von Helmut Skarbina. Will Vesper: Die Nibelungensage, Oldenburg 1925, Einbandillustration Vorderseite. Privatbesitz.
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Abb. 10: Siegfried als Sänger. Farblithografie von Helmut Skarbina. Will Vesper: Die Nibelungensage, Oldenburg 1925, Einbandillustration Rückseite (Ausschnitt). Privatbesitz.
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mit der aufrechten Haltung des Protagonisten, der mit starrem Blick in die Ferne schaut. Er trägt ein weißes, mit gelben Rädern gemustertes Gewand; seine üppigen blonden Haare sind zurückgekämmt. Die rechte Faust, exakt in der Mitte des Bildes, hält ein von Strahlen umglänztes und gen Himmel gerichtetes Schwert. Den Hintergrund der Reiterfigur bildet eine heroische Landschaft: ein von schroffen Felsen begrenztes Tal, eine mächtige Burg, ein schwarzer Tannenwald und ein wolkenverhangener Himmel, vor dem ein Falke auf den Betrachter zufliegt.⁴⁶ Zahlreiche Symbole und Merkmale der Nibelungen-Sage sind in dieser Darstellung versammelt. Siegfrieds Schwert Balmung hebt durch seine zentrale Position und den Strahlenkranz die Bedeutung des Kampfes für den Helden hervor. Gezeigt wird der einsame Held vor der Tat. Stärke und Kampfbereitschaft sind in seiner Haltung, die noble Herkunft in seiner Kleidung versinnbildlicht. Die zitathaften Anspielungen auf den Falken aus Kriemhilds Traum, die Burg in Worms und den Rhein deuten Siegfrieds tragisches Schicksal voraus. Das Profil des Reiters hat Helmut Skarbina augenfällig nach dem Stefan Georges gestaltet.⁴⁷ Die blonde Haartracht ist – mit Ausnahme der Farbe – George nachgebildet, ebenso das markante Profil mit hoher Stirn und hohen Wangenknochen, tiefliegenden Augen, hervorspringender Nase und scharf konturiertem Kinn. Ob Will Vesper selbst diese imitatio heroica angeregt hat, muss offen bleiben, auch wenn seine Mitsprache bei Illustrationen brieflich bezeugt ist⁴⁸ und er in direktem Kontakt zum Kreis um Stefan George stand.⁴⁹ 46
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Sowohl die dramatische Inszenierung des Bildhintergrunds als auch die Staffage legen die Einordnung als heroische Landschaft nahe. Vgl. etwa Walter Geese, Die heroische Landschaft von Koch bis Böcklin, Straßburg 1930 oder Christian Kämmerer, Die klassisch-heroische Landschaft in der niederländischen Landschaftsmalerei 1675–1750, Diss. masch., Berlin 1975. Die Darstellung ähnelt überdies dem von Paul Richter verkörperten Siegfried im 1924 produzierten Nibelungen-Film von Fritz Lang, sodass auch eine doppelte Bezugnahme plausibel ist. Aus den Korrespondenzen zwischen dem Gerhard Stalling Verlag und Will Vesper geht hervor, dass Vesper mit der illustratorischen Leistung Skarbinas nicht zufrieden war. In einem Brief des Verlegers Martin Venzky an Will Vesper vom 18. Februar 1926 kritisiert dieser angesichts der Illustration eines geplanten Bandes die Fähigkeiten Skarbinas: »Ich möchte Sie deshalb bitten, dass Sie mir die Genehmigung geben, für die Illustrationen von ›Tristan und Isolde‹ Skarbina, den Illustrator der ›Nibelungensage‹ heranzuziehen. Seien Sie nicht zu erschrocken! Ich werde aber Skarbina, der ein gefälliger junger Mann ist, seine Aufgabe ganz genau umgrenzen, dann, denke ich, wird es einigermaßen leidlich werden.« DLA Marbach, A: Vesper 76.2623/6. Am 6. Oktober 1926 schreibt Venzky an Vesper: »Ich habe dieser Tage durch Dr. Heimeran vom Ernst Heimeran-Verlag, München, einige Illustratoren genannt bekommen, an die ich wegen der Illustration des ›Tristan‹ geschrieben habe. Ich möchte die Proben dieser Illustratoren abwarten, ehe ich endgültig auf Skarbina zurückgreife.« DLA Marbach, A: Vesper, 76.2623/14. In zwei Briefen vom 8. Januar 1906 und 15. März 1909 versucht Will Vesper Stefan George dazu zu bewegen, Gedichte für eine geplante Anthologie zur Verfügung zu stellen. StGA
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Zeigt die Vorderseite den nach George gestalteten Siegfried als heroischen Vorreiter der deutschen Jugend, so präsentiert die Rückseite des Einbands Siegfried als Sänger. Er sitzt im langen roten Gewand auf einem Felsen. Vertieft ins Harfenspiel, ist sein Blick auf ein Notenblatt gerichtet. Das Schwert lehnt in der Scheide am Fels. Auch bei dieser Abbildung handelt es sich um eine Profildarstellung Siegfrieds. Typengeschichtlich folgt sie dem Bild des nachdenklichen Walther von der Vogelweide in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (ca. 1300–1340).⁵⁰ (Abb. 11) Wohl inspiriert von dieser Illustration, verglich auch eine 1930 erschienene Studie Walther von der Vogelweide mit Stefan George: »Dichter sie beide, die ausschließlich in der Form der Lyrik längst getrennte Lebensformen, in mythischen Vorzeiten eins, wieder vereinigen: Priester und Herrscher, Dichter, Richter und Prophet.«⁵¹ Siegfried, die Zentralgestalt der deutschen Heldengeschichte, ist in Skarbinas Einbandillustrationen sowohl als Tatmensch als auch als Dichtersänger nach der Ikonografie Georges modelliert: eine bemerkenswerte Inversion früherer imitatio heroica-Strategien. Wurde zuvor George durch heroische Vorbilder aus der Vergangenheit als Nachfolger und Vollender aufgewertet, liefert er nun physiognomisch wie programmatisch ein Vorbild für die zentrale Heldenfigur des deutschen Mittelalters und – im Sinne Will Vespers – für die deutsche Jugend. Dieser generationell wie ethnozentrisch perspektivierten imitatio heroica liegt als Dokumentsinn das Gefolgschaftsmodell Stefan Georges und seines Kreises zugrunde.
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Stuttgart, George III, 13491 und StGA Stuttgart, George III, 13492. Es handelt sich um den Band Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik (erstmals erschienen 1908). George gab seine Gedichte allerdings auch nach erneuter Nachfrage nicht zum Abdruck frei. Dass Vesper in Kontakt zum George-Kreis stand, zeigt auch ein Antwortbrief vom 13. Oktober 1906 auf eine Einladung von Hanna Wolfskehl, DLA Marbach, 95.54.938/1. Die Minnelieder Walthers von der Vogelweide wurden auch im Kreis rezipiert. Friedrich Wolters publizierte eigene Übertragungen der Minnelieder, die zum Teil auch Aufnahme in die Blätter für die Kunst fanden. Wolters rückte Stefan George im Vorwort des Bandes in unmittelbaren Bezug zur Minnelyrik: Er habe den Geist der Dichtung des Mittelalters wiederbelebt. Vgl. Minnelieder und Sprüche, hg. von Friedrich Wolters, Berlin 1909, bes. S. 6–9. Hans Naumann, Das Bild Walthers von der Vogelweide, Berlin und Leipzig 1930, S. 19 f. Der Verfasser, ab 1933 Parteifreund Will Vespers in der NSDAP, versuchte durch den Vergleich beider Dichter, ihren Willen zu Macht und Herrschaft zu bezeugen. Friedrich Gundolf äußerte sich in einem Brief an Naumann »erfreut und bereichert« über diesen Vergleich: »Die ›wechselseitige‹ Erhellung des mittelalterlichen und des heutigen Fahrt- und Rügedichters macht beide deutlicher, und gerade das zuerst befremdende des Vergleichs bringt an Walther seine plastischen, richterlichen, dantischen Züge in volleres Licht, als sie seit seiner romantischen Beliebtheit waren (trotz dem Wissen der Forscher darum) und an George seine schweifenden.« Zit. nach einem unpublizierten Brief von Friedrich Gundolf an Hans Naumann vom 28. April 1930, Friedrich Gundolf Papers G3, Germanic Studies Archives, Senate House Library, University of London.
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Abb. 11: Walther von der Vogelweide, Cod. Pal. germ. 848. Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Zürich, ca. 1300–1340, Bl. 124r. Heidelberger historische Bestände digital, © Universität Heidelberg.
Fazit Die Stilisierung Stefan Georges nach heroischen Figuren und ikonografischen Mustern folgt unterschiedlichen Strategien und Text-Bild-Relationen. Die Portraits von Karl Bauer stellen auf der Ebene des Phänomensinns zunächst den Dichter dar. Auf der Ebene des Bedeutungssinns repräsentieren beide Bildnisse heroische Figuren. In Der Dichter als Ritter deuten sakrales Setting, ikonografische Muster und Kostümierung auf den Heiligen Georg; die Integration von
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Verrocchios Standbild im Dichterbildnis mit Colleoni verweist auf den Renaissance-Condottiere. Helmut Skarbina hingegen invertiert in der NibelungenIllustration die Rollen: Erst der Bedeutungssinn des Bildes enthüllt George als Referenz. Edgar Salins Vision stellt insofern eine Ausnahme dar, als sich in der Überblendung von George und Caesar die Ebenen von Phänomen- und Bedeutungssinn unauflösbar verschränken. In Georges Heldenportraits spielt neben dem bildkünstlerischen Arrangement die Darstellung seiner Physiognomie eine entscheidende Rolle. Als heroischer Gestaltungsmodus dominiert die stilisiert-distanzierte Profilansicht: Sie beglaubigt durchgängig die Ähnlichkeit der Zielfigur Stefan George mit der heroischen Ausgangsfigur. Zugleich werden auf diese Weise charakteristische Eigenschaften hervorgehoben, wie etwa die Wölbung der Stirn den starken Willen betont. Auf der Ebene des Dokumentsinns verfolgen die ›Heldenmacher‹ Karl Bauer, Edgar Salin und Helmut Skarbina das Ziel einer wechselseitigen Annäherung: Heroische Vorbilder werden in Form einer Überblendung oder Aneignung vergeistigt, der Dichter wird ›vertätigt‹. Georges Verhältnis zur historischen oder legendarischen Figur stellt darüber hinaus eine typologische Beziehung dar: Die jeweilige Ausgangsfigur deutet als ›Typos‹ bereits auf Stefan George als ›Antitypos‹ voraus.⁵² Die imitatio im Bild visualisiert damit eine heilsgeschichtliche Erfüllung, in der George als Vollender inszeniert wird. Indem Tätergestalten als Vorbilder dienen, wird der Gegensatz von Wort und Tat aufgehoben in einem neuen Heldenkonzept, das beides einschließt. Muster dieser heroischen Stilisierungen Georges sind jedoch nicht die Heldenfiguren aus Antike, Mittelalter und Renaissance, sondern jeweils deren bildkünstlerische Repräsentationen, die ihrerseits bereits spezifische Eigenschaften betonen. Der imitierende Verweis gilt daher weniger der historischen Figur als vielmehr der heroischen Bedeutung, die ihr in der Rezeption zugeschrieben wurde. Indem George in eine ikonografische Tradition eingerückt wird, reicht der wirkungsgeschichtliche Bezug über die individuelle Ausgangsfigur hinaus und verweist auf Heldentypen wie Herrscher, Heiliger und Krieger. Stefan George gewinnt in den Heldenportraits somit einen überzeitlichen Status.
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Vgl. zum Begriff der ›Typologie‹ etwa Stuart George Hall, Art. »Typologie«, in: Theologische Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Müller, Bd. 34, Berlin und New York 2002, S. 208–224.
peter utz
urkatastrophe, ohropax und ferner donner Zur Literatur aus der Schweiz im Ersten Weltkrieg
Im Rückblick auf den Rückblick wird es deutlich: Die lautstarken Erinnerungsfeiern zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges haben im Jahr 2014 zwar neben ritualisierter Rhetorik auch reiche neue historische Erkenntnisse geliefert. Doch mit der hohen Aufmerksamkeit, die das Jahr 1914 durch das Jubiläum gefunden hat, wurde es häufig auch zum Jahr eines entscheidenden Epochenbruchs überhöht. Dies verband sich vielfach mit der Etikettierung des Ersten Weltkrieges als einer »Katastrophe«. Auch für eine breitere Öffentlichkeit ist das schon ältere Wort von George F. Kennan von »the great seminal catastrophe of this century« (1979) in diesem Jubiläumsjahr in dramatisierender Eindeutschung zur »Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts« geworden.¹ Der Begriff unterstellt einen Epochenbruch 1914 und eine kausale, ja deterministische Folge der Ereignisse bis zum Zweiten Weltkrieg, zur Shoah und darüber hinaus. Der Weltkrieg ist in dieser Perspektive nicht der letzte Krieg des langen neunzehnten, sondern der erste des zwanzigsten Jahrhunderts. Das wäre kritisch zu überprüfen: Einmal in Hinsicht auf die Periodisierungsfrage, bei der ja etwa für das Habsburgerreich das Jahr 1918 den viel größeren Epochenbruch darstellt als das Jahr 1914. Auch der Katastrophendiskurs als solcher hat problematische Implikationen. Er stammt selbst aus jener Epoche, die er analytisch begründen soll. Thomas Mann beispielsweise, der wie viele den Krieg begrüßt hatte, bezeichnet ihn 1915 in seinen Gedanken im Kriege als »das große Wetter« und als »europäische Katastrophe«, der er aber eine eigene »Notwendigkeit« zurechnet.² Und noch im Zauberberg wird er im Rückblick von 1924 den Krieg als »eine Katastrophe« ankündigen, als »ein Donnerwetter und aufräu-
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Dazu und zur Problematik des Begriffs: Oliver Jahraus und Christian Kirchmeier, Der Erste Weltkrieg als »Katastrophe«. Herkunft, Bedeutungen und Funktionen einer problematischen Metapher, in: Erster Weltkrieg. Kulturwissenschaftliches Handbuch, hg. von Niels Werber, Lars Koch und Stefan Kaufmann, Stuttgart und Weimar 2014, S. 495–509. Thomas Mann, Gedanken im Kriege [1915], in: ders., Essays II, 1914–1926, hg. von Hermann Kurzke, Frankfurt a. M. 2002, S. 27–46, hier S. 31.
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mender Sturmwind, der den Bann der Welt brechen, das Leben über den ›toten Punkt‹ hinwegreißen und der ›Sauregurkenzeit‹ einen schrecklichen Jüngsten Tag bereiten werde«.³ So wird der Krieg in der Überlagerung von apokalyptischen Bildern und Naturmetaphern zum Ereignis, das als »Katastrophe« kaum mehr die Frage nach konkreten Ursachen und Verantwortlichkeiten zulässt. Das Beispiel von Thomas Mann zeigt zudem, wie die Literatur an diesem Diskurs kräftig mitgestrickt hat, mit nachhaltiger Wirkung bis heute. Die Literatur hat jedoch in der Zeit auch viele andere Töne und Register, im weiten Raum zwischen Affirmation und Anklage. Sie tönt bereits im Kriegsjahr längst nicht so unisono, wie es ihre propagandistische Verwertung in der Zeit selbst und danach wahrhaben will. Schon 1914 erklingt kein Einheitschor – dies hat Roland Berbig in einer raffinierten Montage von unterschiedlichsten literarischen Zeugnissen dieses Jahres erfahrbar gemacht.⁴ Einen eigentlichen Epochenbruch kann man hier nicht ausmachen; gewiss gehört etwa die beispiellose Flut der Kriegsgedichte, die Arm in Arm mit der Kriegspropaganda Europa mobilisieren, mehr jenem bürgerlichen Zeitalter an, das Europa in den Krieg getrieben hatte, als der literarischen Moderne.⁵ Diese fand sich zunächst eher in den Randzonen und Dachkammern des Literaturbetriebs, außerhalb der Massenmobilisierung. Franz Kafka trägt bekanntlich am 2. August 1914 in sein Tagebuch ein: »Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. – Nachmittag Schwimmschule.«⁶ Dann wendet er sich wieder seinem neuen Projekt zu, dem Proceß-Roman. Diesen kann man höchstens als eine sehr indirekte, literarische Antwort auf das Gewaltgeschehen des Krieges verstehen, doch steht er damit für die Ungleichzeitigkeiten und Überschiebungen, mit denen sich die Moderne hinter den Fronten des Krieges ihren Weg sucht. Gerade dort, wo die Literatur sich nicht genötigt sieht, lautstark ihre Stimme zu erheben, kann sie zum Medium werden, das im Hinhören auf die Zeit auch deren unterdrückte Untertöne zu registrieren vermag. Gerade die Stille öffnet ihr die Ohren. Kafka, im Juli 1916 im Urlaub in Marienbad, nennt sich gegenüber Felice einen »Behorcher alles Lärms«.⁷ Einen solchen Ort fern des Gefechtslärms findet die Literatur auch in der vom Krieg verschonten Schweiz, am Rande der kriegführenden Sprachkulturen
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Thomas Mann, Der Zauberberg, Frankfurt a. M. 1988, S. 671. Roland Berbig, »Dichter könnte man wirklich zu Hause lassen«. Literarisch-kulturelle Streifzüge im Kriegsjahr 1914, in: Sprache im technischen Zeitalter, 52 (2014), Nr. 211, S. 290–311. Vgl. Geert Buelens, Europas Dichter und der Erste Weltkrieg, aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert, Berlin 2014. Franz Kafka, Tagebücher 1910–1923, Frankfurt a. M. 1983, S. 305. Franz Kafka, Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit, hg. von Erich Heller und Jürgen Born, New York 1967, S. 664.
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und gleichzeitig an ihrem Schnittpunkt. Sie wird insofern zum privilegierten Ort für alternative literarische Reaktionen auf den Krieg, wobei den Autoren dieses Privileg auch zum Problem und zum Thema wird. Deshalb soll die Literatur aus der Schweiz im Folgenden daraufhin befragt werden, wie sie die Kriegszeit wahrnimmt und welche Rückwirkungen dies auf ihre eigene Selbstbestimmung hat. Dabei spielt das Paradigma der »Katastrophe« eine wesentliche Rolle, aber auch jene akustische Sensibilität, die sich – wie bei Kafka – fern von den Fronten besonders schärft und literarisch artikuliert. Dies kann hier nur thesenhaft und an einzelnen Autoren und Textzeugnissen geschehen, die im Hinblick auf ihre Anteilnahme am europäischen Konflikt präsentiert werden. Dies ist noch kaum systematisch und im vergleichenden Blick auf die deutsch- und französischsprachige Literatur aus der Schweiz versucht worden; ohnehin erhält in den aktuellen deutsch- und französischsprachigen Literaturgeschichten der Schweiz das Datum von 1914 ein sehr unterschiedliches, aber letztlich kaum entscheidendes Gewicht.⁸ Eher spricht man von einem literarischen Generationswechsel, der sich in der Zeit vollzieht. Die Periodisierungsfrage ist jedoch auch in der Schweiz letztlich eine historisch-politische Interpretationsentscheidung: Aus der Sicht der Dreißiger Jahre mit ihrer sogenannten »Geistigen Landesverteidigung« wurde der Erste Weltkrieg – im Einklang mit der Periodisierung von Kennans »Urkatastrophe« – als Anfangspunkt einer erfolgreichen Selbstbehauptung der Schweiz in den europäischen »Katastrophen« des 20. Jahrhunderts wahrgenommen, die sich wesentlich ihrer Neutralität und Einigelung verdanke. Dieses Geschichtsbild hat sich bis weit in den Kalten Krieg hinein gehalten. Der Erste Weltkrieg erschien dabei gewissermaßen als Hauptprobe zum Zweiten, aus der man einige Lehren gezogen und damit nochmals und besser das glückliche Ende herbeigeführt habe.⁹
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Roger Francillon, Histoire de la littérature en Suisse Romande, Carouge-Genève 2015, p. 513–521, sieht keinen Epochenbruch im Ersten Weltkrieg. Die Emanzipation aus dem engen Patriotismus des neunzehnten Jahrhunderts und die Erneuerung der Littérature Romande sei schon vorher eingeleitet worden mit der Gründung der Zeitschriften Voile latine und den Cahiers Vaudois. – Die Geschichte der deutschsprachigen Literatur der Schweiz im 20. Jahrhundert, hg. von Klaus Pezold, Berlin 1991, zieht die Hauptlinien der Entwicklung »Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des ersten Weltkriegs«. – Die Schweizer Literaturgeschichte, hg. von Peter Rusterholz und Andreas Solbach, Stuttgart 2007, markiert zwar einen Kapiteleinschnitt mit »1914«, greift aber in vielen Teilkapiteln vor- und zurück, da insbesondere eine Generation von neuen Schweizer Autoren (Steffen, Walser, Ilg, Schaffner) diese Epochengrenze bricht. Vgl. Jakob Tanner, Die Schweiz im Grossen Krieg. Plädoyer für eine transnationale Geschichte, in: 14 / 18. Die Schweiz und der Grosse Krieg, hg. von Roman Rossfeld, Thomas Buomberger und Patrick Kury, Baden 2014, S. 8–17, hier S. 9.
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Dazu konnte die Wahrnehmung und Darstellung des Kriegsgeschehens als einer »Katastrophe« maßgeblich beitragen. Von Anfang an hat dieses diskursive Muster die Deutung des Krieges in der Schweiz wesentlich bestimmt. Für Schweizer Ohren beginnt der Große Krieg als großes Gewitter. Mit der Metapher einer Naturkatastrophe eröffnet der Bundesrat am 2. August 1914 seine Botschaft an die Bundesversammlung »betreffend Maßnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität«: »Die schwarze Wolke, die seit Jahren gefahrdrohend am politischen Himmel stand, hat sich entladen. Die Kriegsgefahr ist in unmittelbare Nähe gerückt.«¹⁰ Von Anfang an wird damit der Krieg als ein Gewitter metaphorisiert. Es fordert das Zusammenrücken der bedrohten Eidgenossenschaft. Die Metapher vom Gewitter erlaubt es aber auch, über konkrete Ursachen und Verantwortlichkeiten für diese Bedrohung zu schweigen, im Zeichen jener schweizerischen »Neutralität«, welche die bundesrätliche Botschaft in der Folge umso deutlicher bekräftigen kann. Am gleichen Tag, dem 2. August 1914, stellt der Westschweizer Autor Charles Ferdinand Ramuz in der Gazette de Lausanne eine seiner regelmäßigen Kolumnen unter den Titel Tourmente, »Unwetter«.¹¹ Zunächst evoziert er nur den seit Tagen anhaltenden Sturm über dem Genfersee, um dann doch auf jenes andere, politische Gewitter anzuspielen, von dem man nicht wissen könne, ob es die Schweiz verschonen werde. Noch seien die Jurahöhen still, doch diese Stille könne auch eine vor dem Sturm sein. Was dem Bundesrat eine meteorologische Metapher ist, das entfaltet Ramuz als sprachgewaltiges Bild und situiert es in jener Schweizerlandschaft, die er und seine Leser vor Augen haben. So konvergieren der politische und der literarische Diskurs in der Kodierung der politischen und militärischen Bedrohung als einer Naturkatastrophe, deren Drohung als dumpfes Grollen am Horizont zu hören ist. Das ist symptomatisch und folgenreich: In der Metaphorik eines Naturereignisses, einer »Katastrophe«, wird der Ausbruch des Krieges als Bruch der historischen Kontinuität verstanden. Und ihre geglückte »Bewältigung« wird zum Teil eines Narrativs, das für den schweizerischen Identitätsdiskurs in der Folge bestimmend wird, in den Zweiten Weltkrieg hinein und über diesen hinaus. Das kann ich nur an zwei wirkungsmächtigen Beispielen andeuten: an Robert Faesis Füsilier Wipf und an Meinrad Inglins Schweizerspiegel. Der nachmalige Zürcher Germanistikprofessor Faesi publiziert den schmalbrüstigen Roman Füsilier Wipf
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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (vom 2. August 1914), in: Bundesblatt Nr. 31, 5. August 1914, S. 5. Charles Ferdinand Ramuz, Œuvres complètes, hg. von Roger Francillon und Daniel Maggetti, Genf 2005 ff, Vol. XII, S. 138–140.
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1917 in erster Fassung in der Reihe »Schweizerische Erzähler« des Huber-Verlages. In das friedliche Leben des Coiffeurgehilfen Wipf bricht der Krieg als »Katastrophe« herein: »Krach! Da war auch schon die Katastrophe: Deutschland erklärt Russland den Krieg.«¹² Für Wipf bedeutet er die Chance, dass er im Militärdienst vom schwächlichen Zivilisten zum ganzen Mann heranwachsen kann. 1938 erweitert Faesi den Roman um Kapitel, welche die Wacht am Gotthard und die Rettung eines Flüchtlings an der Südgrenze zeigen. Dies parallel zum Filmdrehbuch, das Leopold Lindtberg als den bis heute erfolgreichsten Film der Schweizer Filmgeschichte realisiert. Am neuen Schluss, der mit dem 1. August 1918 schon das glückliche Kriegsende in den Blick nimmt, lodern in den Höhenfeuern die patriotischen Flammen der »Geistigen Landesverteidigung« in den Himmel. Die Schweiz schreibt mit diesem Buch und diesem Film nachträglich ihre Gründungsgeschichte in den Ersten Weltkrieg zurück. Eine analoge Funktion, aber von ungleich größerem literarischen Gewicht, erhält auch Meinrad Inglins Roman Schweizerspiegel. Inglin gestaltet nach literarischen Vorbildern des neunzehnten Jahrhunderts seine Erfahrungen als Offizier im Ersten Weltkrieg zum großen historischen Familien- und Gesellschaftsroman aus. Gleich nach seinem Erscheinen 1938 prägt Inglins Roman die schweizerische Wahrnehmung des Ersten Weltkrieges mit; das Manuskript wird 1939 an der »Schweizerischen Landesausstellung« in Zürich ausgestellt, und noch 2014 wird dieser Roman immer wieder zitiert, wenn man einem breiteren Publikum eine ›authentische‹ Darstellung der Schweiz im Ersten Weltkrieg vermitteln will. Die skeptischen Untertöne und hoch differenzierten Charakterzeichnungen will man darin allerdings weniger lesen als die letztlich dann doch erfolgreiche Bewältigung des Ersten Weltkrieges, die man als Modell für die Gegenwart versteht. Dazu trägt bei, dass der Roman immer wieder die Rhetorik der »Katastrophe« bekräftigt, wenn er vom Krieg spricht; er vergleicht den Kriegsausbruch mit dem »Anbruch einer Naturkatastrophe von unvorstellbarem Ausmaß«, »einer nie gesehenen Verdüsterung des Himmels und einem ausdauernden unterirdischen Donnern«.¹³ Dieser Donner wird dann konkreter, als die Schweizer Soldaten an die Grenze ziehen und »wie gebannt dem Grollen des heraufziehenden Krieges entgegenhorchten«.¹⁴ Das ferne Donnern von jenseits der Grenze hält im Roman die Armee und die ganze Schweiz in ständiger Alarmbereitschaft. Doch gegen Ende des Romans verwechselt ein Korporal im Fieberdelirium mitsamt einer
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Robert Faesi, Füsilier Wipf. Eine Geschichte aus dem schweizerischen Grenzdienst, Frauenfeld und Leipzig 1917, S. 17. Meinrad Inglin, Gesammelte Werke in 10 Bänden, hg. von Georg Schoeck, Zürich 1987, Bd. 5.1, S. 203. Ebd., S. 332.
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Truppe von Grippekranken ein nächtliches Gewitter mit dem entscheidenden Angriff und stürzt barfüßig auf den imaginären Feind los.¹⁵ Die Mehrdeutigkeit der Donnerdrohung, die über dem Land hängt, wird an dieser Stelle zur Groteske gewendet; die Bedrohungsneurose wuchert, je mehr sich die Grenzen schließen. Kein Zufall, dass Inglin diese Passage wie viele andere radikal kürzt, als er den Roman nach dem Zweiten Weltkrieg formal zurichtet und dabei einige Ecken und Kanten glättet. Diese harmonisierendere Version von 1955 sollte in der Nachkriegszeit weiterwirken. Bis in den Kalten Krieg hinein schafft Inglins Roman so eine Kontinuität der schweizerischen Selbstbehauptung, die dem Narrativ der »Urkatastrophe« entspricht. Mit dem Gewitter vom 2. August 1914 beginnt in dieser Sichtweise für die Schweiz eine Folge von letztlich positiven Katastrophen. Noch in der Ansprache zum Nationalfeiertag am 1. August 2014 erinnert Bundespräsident Didier Burkhalter unter Verweis auf den dunklen Himmel, unter dem er spricht, an den Kriegsausbruch vor hundert Jahren, daran, »dass wir nie vor einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ursprungs gefeit sind«.¹⁶ Burkhalter aktiviert den gemeinsamen Nenner des Begriffs »Katastrophe«, egal welchen Ursprungs. Dieser ermöglicht es der Schweiz schon 1914, dem Krieg mit jenen Strategien der Bewältigung von Naturkatastrophen zu begegnen, welche sie im neunzehnten Jahrhundert entwickelt hatte. Die Naturbedrohungen werden in eine identitätsstiftende helvetische »Katastrophenkultur« eingebaut; die Katastrophe wird zum Integrationsinstrument.¹⁷ Nicht nur innere, sondern auch äußere Katastrophen dienen dabei als Solidaritätskitt: Als »Unwetter« tobt der europäische Krieg jenseits der Grenze; die Schweizer dagegen bleiben die verschonten Zuschauer. Dieses Bild prägt Carl Spitteler in seiner Rede vom 14. Dezember 1914 vor der »Neuen Helvetischen Gesellschaft« in Zürich als Unser Schweizer Standpunkt. Gegen den »Graben« zwischen der deutschen und der französischsprachigen Schweiz, der das Land mit dem Kriegsausbruch zu zerreißen droht, setzt er auf die Formierung einer homogenen Zuschauergemeinschaft. Sie ist derjenigen des klassischen Dramas nachgebildet, aus dem nicht zufällig auch der Begriff der »Katastrophe« selbst stammt. Am Schluss seiner Rede definiert Spitteler die Haltung des Tragödienzuschauers als den richtigen, als den neutralen »Schweizer Standpunkt«. Er bedeutet, beim »fürchterlichen Trauerspiel, das sich gegenwärtig in Europa abwi-
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Ebd., Bd. 5.2, S. 865 f. Der Redetext bei: http://www.admin.ch/br/dokumentation/media/nat/00757/index.html? lang=de (23. 3. 2015). Vgl. Peter Utz, Kultivierung der Katastrophe. Literarische Untergangsszenarien aus der Schweiz, München 2013.
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ckelt«, im »Zuschauerraum« zu sitzen, von allem Handlungszwang entlastet.¹⁸ Allein zu emotionaler Anteilnahme sind die Zuschauerschweizer verpflichtet; sie sollen »mit dem Herzen horchen« auf das »internationale Leid«. Dieses humanitäre Hinhören allein überwindet jene imaginäre Bühnenschranke, welche die Schweiz von der europäischen Tragödie trennt. So findet Spitteler zu einer ästhetischen Begründung jener politischen Grenze, hinter die sich die Schweiz zunehmend zurückzieht. Die bedrohlichen inneren Gräben, zunächst zwischen den Sprachen, dann auch zwischen den sozialen Schichten, werden umgelegt an die Außengrenze, die man nun, während der vier Jahre dauernden »Grenzbesetzung«, auch ideologisch immer dichter besetzt. Dies erklärt, wieso Spittelers Rede nachträglich zu einem eigentlichen Mythos werden konnte.¹⁹ Nur allzu gerne wollte sich die Schweiz der »Geistigen Landesverteidigung« in dieser durch den Nobelpreisträger von 1919 ästhetisch nobilitierten Neutralität wiedererkennen, auch um ihre konkreten Verstrickungen in die zu tragischen »Katastrophen« erklärten europäischen Konflikte nicht reflektieren zu müssen. 1939 hängt Spittelers Bild in der Ehrenhalle der »Schweizerischen Landesausstellung«; ab 1945 erscheint die vom konservativen Bundesrat Etter bevorwortete offizielle Spitteler-Gesamtausgabe; 1954 findet zum vierzigsten Jahrestag der Rede ein offizieller Gedenkanlass in der Aula der Universität Zürich statt, und 1964 betont ein Gedenkband nochmals die Aktualität der Rede im Kalten Krieg. So wird die Spitteler-Rede zum Gründungsdokument der helvetischen Zuschauerposition bei den Weltkatastrophen emporstilisiert. Andere Zeitdiagnosen von helvetischen Intellektuellen dagegen hatten weniger Wirkungschancen: Das kritische Pamphlet des Berner Publizisten Carl Albert Loosli Ist die Schweiz regenerationsbedürftig? von 1912 zum Beispiel wurde zwar im gleichen Jahr noch ins Französische übersetzt, dann aber so gründlich vergessen, wie es eine so selbstkritische Frage verlangte.²⁰ Spittelers Rede liegt auch deshalb so nachhaltig richtig, weil sie dem Selbstverständnis der Schweiz als einer »Friedensinsel« entspricht, das sich im Ersten
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Carl Spitteler, Unser Schweizer Standpunkt, in: ders., Gesammelte Werke, hg. von Gottfried Bohnenblust, Zürich 1945–1958, Bd. 8, S. 579–594, hier S. 594. – Vgl. dazu Peter Utz, Kultivierung der Katastrophe, S. 93–114. François Vallotton, Ainsi parlait Carl Spitteler. Genèse et réception de »Notre point de vue suisse« de 1914, Lausanne 1991. – Vgl. ferner: Magnus Wieland, Carl Spittelers Schreibtischgefechte. Zur Entstehung der epochalen Rede »Unser Schweizer Standpunkt«, in: Neue Zürcher Zeitung vom 18. Oktober 2014, S. 68. Carl Albert Loosli, Ist die Schweiz regenerationsbedürftig? in: ders., Werke, hg. von Fredi Lerch und Erwin Marti. Zürich 2006–2009, Bd. 5, S. 291–245. – Vgl. dazu: Dariusz Komorowski, Ein Intellektueller im Narrenhabitus. Carl Albert Looslis Publizistik in der nationalen Identitätsdebatte der Schweiz um 1900, Würzburg 2014.
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Weltkrieg erst auszubilden beginnt.²¹ Diese »Insel« wird im Zweiten Weltkrieg zum staatstragenden Selbstbild, und sie kann als »Reduit« die Stacheln zeigen. Robert Faesi fügt erst 1938 in die Zweitfassung seines Füsilier Wipf eine entsprechende Passage ein, welche die Schweiz als »Insel« in der »Blutflut« und als »Arche Noah« in der »Sintflut« zeigt, auf welche sich die »Vernunft, Verträglichkeit, Völkerliebe und Glauben« flüchten können.²² Bei Spitteler selbst findet sich dieses Bild noch nicht; die Schweiz des Ersten Weltkriegs ist anders als die des Zweiten Weltkriegs alles andere als eine geschlossene Insel. Zumindest anfänglich sind ihre Grenzen allseitig offen. Das gilt nicht nur für die kräftig anziehenden Waren- und Finanzströme, mit denen die Schweiz an der Kriegskonjunktur partizipiert. Das gilt auch für die zahlreichen Emigranten, die in der Schweiz Zuflucht finden. Wenn von ›Literatur aus der Schweiz‹ in dieser Epoche die Rede sein soll, dann müsste man einbeziehen, wer in der Zeit hier alles lebt und schreibt, von Hermann Hesse über Romain Rolland, Pierre Jean Jouve, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Stefan Zweig, René Schickele bis zur Gruppe der Dadaisten um Hugo Ball. Karl Kraus flüchtet ins hinterste Glarner Bergtal, um dort den Schluss der Letzten Tage der Menschheit zu entwerfen, und Lenin bereitet in der Spiegelgasse in Zürich die Weltrevolution vor. Allerdings haben diese exilierten Autoren unter einander nur wenig Kontakt; sie bleiben isoliert, isoliert auch von den Schweizer Autoren. So wird die Schweiz zum Raum voll von künstlerischen Talenten und kreativen Ungleichzeitigkeiten des Gleichzeitigen, eigentlich ein Laboratorium der Moderne.²³ Zu ihm tragen auch jene Schweizer Autoren bei, die aus dem Ausland in die Schweiz zurückkehren und dabei ihre Erfahrungen mit den Kapitalen der literarischen Moderne mitbringen. Diese behalten sie aber weiterhin im Blick. Die jeweiligen deutschen, französischen oder italienischen Sprachkulturen bleiben entscheidende Referenzräume, auf die sich die Schweizer Autoren beziehen, auch wenn sie in der Schweiz schreiben und publizieren. Dabei entstehen jedoch manchmal verzerrte und zeitverzögerte Nachhall- und Echoeffekte über die Grenzen hinweg. Robert Walser etwa, der nach glänzenden Anfängen in Berlin 1913 in die Schweiz zurückgekehrt ist, versucht so lange als möglich seine Beziehungen nach Deutschland aufrecht zu halten, auch wenn er nun weitgehend auf die Schweizer Medien und Verlage angewiesen ist. So schickt
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Vgl. François Walter, La Suisse comme île, in: Tour de France. Eine historische Rundreise, hg. von Armin Heinen und Dietmar Hüser, Stuttgart 2008, S. 419–428. Robert Faesi, Füsilier Wipf. Erzählung aus der schweizerischen Grenzbesetzung. Neue, weitergeführte Fassung, Frauenfeld und Leipzig 1938, S. 116. Den Begriff des »Laboratoriums« – allerdings nicht auf die Literaturszene bezogen – verwendet auch Jakob Tanner, Die Schweiz im Grossen Krieg, S. 15.
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er 1915 an die Münchner Zeitschrift Zeit-Echo. Ein Kriegs-Tagebuch der Künstler eine friedlich-utopische Gesellschaftsvision. Im Druck fehlt dann allerdings der Titel, den Walser ihr gibt: Phantasieren.²⁴ Als Idylle wird der Text anschließend auch von der pazifistisch orientierten Zeitschrift Die weißen Blätter unter René Schickele übernommen, die ab 1916 in der Schweiz, beim Zürcher Rascher-Verlag erscheint.²⁵ Schließlich integriert Walser den Text noch in seine Prosasammlung Poetenleben, die 1917 im schweizerischen Huber-Verlag erscheint, nun als Prosastück eines dichtenden Arbeiters, der am Schluss in den Krieg ziehen muss.²⁶ In diesen unterschiedlichen Publikationskontexten erhält Walsers Tagtraum je andere Bedeutungsdimensionen. Walsers europäischer Anspruch bleibt jedoch: Er bringt seinen nächste, wichtige Prosasammlung Seeland im Rascher-Verlag, der neben den Weißen Blättern nun auch die pazifistische Reihe Europäische Bücher begründet. Walser hätte auch seinen Seeland-Band bei Rascher gerne in dieser Reihe gesehen.²⁷ Dies kann andeuten, wie Walser, zwischendurch braver Füsilier im Landwehrbataillon 134 / III, von Biel aus ein literarisches Netzwerk bespielt, das über die sich zunehmend schließenden Grenzen hinausreicht; nicht zufällig hängt in seiner Bieler Mansarde eine Europakarte. Ganz analog kehrt auch Charles Ferdinand Ramuz 1914 aus jenem Paris zurück, in dem er sich einen literarischen Namen gemacht hat. Den genau gleichaltrigen Walser kennt er nicht; die beiden leben in Biel und am Genfersee gewissermaßen Rücken gegen Rücken. Dies ist symptomatisch für die geringe binnenschweizerische Kommunikation zwischen den Schriftstellern, nicht nur im Zeitalter des durch den Krieg vertieften »Grabens« zwischen Deutsch und Welsch. Keine Rede von einer solidarischen Schicksalsgemeinschaft im Angesicht der europäischen Katastrophe. Vielmehr eine enorme Einsamkeit im Zwang zur Neuorientierung. Unter dem 13. Dezember 1914, einen Tag vor der SpittelerRede, klagt Ramuz in seinem Tagebuch über das »immense isolement« in dem er sich befinde, über den Verlust von Einkommen, Verlegern, Buchhändlern, über die »île deserte«, in der er nun ganz auf sich zurückgeworfen sei.²⁸ Die Friedens-
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Robert Walser, Freundlich sind dort die Menschen…, in: Zeit-Echo 1 (1915), H. 11, S. 163; den Titel »Phantasieren« verwendet Walser in seiner Korrespondenz mit der Zeitschrift. Die weißen Blätter, Jg. II, H. 7. (1915), S. 935. Robert Walser, Das Gesamtwerk, hg. von Jochen Greven, Genf und Hamburg 1966–1975, Bd. III, S. 112–114. Walser an Rascher-Verlag, 17. April 1918: »Ich schlage vor, das Buch ohne Bilder in Ihre Sammlung europäischer Bücher aufzunehmen, eine Eingruppierung, womit ich gerne einverstanden wäre, da ich sie absolut richtig fände. ›Seeland‹ trägt in der Tat den internationalen Stempel und verleugnet allerlei Einflüsse aus gegenwärtigen europäischen Geschehnissen keineswegs.« – Robert Walser, Gesamtwerk, Bd. XII / 2, S. 127. Charles Ferdinand Ramuz, Œuvres complètes, Bd. II, S. 275.
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insel ist ihm öd und leer. Auch das Zuschauerprivileg wird ihm zum Problem. In einer Kolumne der Gazette de Lausanne vom 15. Oktober 1916 bedauert er, wie lähmend die Handlungsentlastung des neutralen Zuschauers wirke, für den, der noch nicht ganz abgestumpft sei.²⁹ Lähmend wirke für den Künstler auch die Konkurrenz durch die lärmige Kriegsaktualität; gepanzerte Automobile und Stahlhelme beanspruchen – so klagt er – nun alle Aufmerksamkeit. Dagegen bleibt für Ramuz nur die resolute und bewusste Zuwendung zur Natur und zur Landschaft. Diese ist jedoch längst von der sogenannten »Heimatliteratur« vereinnahmt und touristisch vermarktet. Und längst hat sich die schweizerische Idylle als Gegenwelt zu den europäischen Katastrophengebieten in den fremden und einheimischen Köpfen festgesetzt. Der Emigrant Stefan Zweig beispielsweise beschwört noch 1939 / 40, auf der Flucht vor den Nazis, die Erinnerung an die Natur seines ersten Exils in der Schweiz herauf: Jeder Baum schien mir schöner, jeder Berg freier, jede Landschaft beglückender, denn innerhalb eines Kriegslandes wirkt dem verdüsterten Blicke der selig atmende Friede einer Wiese wie freche Gleichgültigkeit der Natur, jeder purpurne Sonnenuntergang erinnert an das vergossene Blut; hier im natürlichen Zustand des Friedens war die edle Abseitigkeit der Natur wieder natürlich geworden, und ich liebte die Schweiz, wie ich sie nie geliebt.³⁰ Und ein anderer Emigrant, Hugo Ball, notiert 1917, die rousseauistische »Idee des natürlichen Paradieses« habe nur in der Schweiz geboren werden können. Diese sei nun, während des Krieges, »der große Naturschutzpark, in dem die Nationen ihre letzte Reserve verwahren«.³¹ Wenn sich nun jedoch auch Schweizer Autoren wie Ramuz oder Walser diesem »Naturschutzpark« zuwenden, dann nicht einfach bloß als einem Reservat vor den Gräueln des Krieges. Sie sind alles andere als naive Idylliker, denn sie richten einen durch die Erfahrungen der urbanen Moderne geschärften, radikal individualisierten Blick auf die Natur. Zwar widmen sie ihr die respektvollste Aufmerksamkeit, reflektieren sie aber gleichzeitig als brüchiges Wunschbild und ambivalenten Zeichenraum. Beide vermeiden es in auffälliger Weise häufig, ihre literarischen Landschaftsschilderungen ganz explizit auf konkrete schweizerische Orte zu beziehen. So lassen sie sich weder für Reiseführer noch für politische Reden verwerten; die Landschaft ist ihnen kein sakraler Identifi-
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Charles Ferdinand Ramuz: »On dit qu’on ne peut parler...«, in: ders., Œuvres complètes, Bd. XII, S. 300–302, hier S. 300. Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Berlin 2013, S. 302 f. Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, hg. von Bernhard Echte, Zürich 1992, S. 180.
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kationsraum einer kollektiven Identität. Dass sich mit dem Krieg zwar nicht die Landschaft, aber der Blick auf sie unwiederbringlich verändert hat, bleibt ihnen ständig bewusst. Ramuz notiert schon am 11. August 1914 irritiert in sein Tagebuch, dass ja eigentlich nichts in der Landschaft den Umsturz der Verhältnisse anzeige. Und einige Tage darauf bilanziert er mit Blick auf einen schönen Septembertag: »Beauté inutile des choses.«³² Noch deutlicher wird die mehrfache Codierung der Landschaft am Beispiel von Robert Walsers feuilletonistischer Prosa. So eröffnet er am 29. November 1914 die Reihe seiner Feuilletons, die er nun in der Neuen Zürcher Zeitung publizieren wird, mit dem Text Denke dran. In einer kaum enden wollenden Satzperiode beschwört er zunächst die grünende Schönheit einer Frühlingslandschaft mit See und Bergen herauf, um dann vor dem dunklen Hintergrund des »Schweren« und des »Todes« mit der Mahnung zu schließen: »Denke, daß es ein Leben gibt, und daß es einen Tod gibt, denke, daß es Seligkeiten gibt, und daß es Gräber gibt. Sei nicht vergeßlich, sondern denke dran!«³³ Der Aktualitätsbezug dieser Landschaftsbeschwörung ist nicht zu übersehen, erst recht nicht, wenn man auf der gleichen Zeitungsseite die Berichte über den »europäischen Krieg« liest. Noch eklatanter ist dieser Kontextbezug bei einem möglicherweise nicht autorisierten Nachdruck des gleichen Artikels, der bisher unbekannt geblieben ist: In der konservativ-katholischen Wiener Reichspost vom 13. Dezember 1914 findet sich Walsers Artikel mitten im Trommelfeuer von Kriegsberichterstattung und Kriegspropaganda. Auch die literarische Sonntagsbeilage kennt hier keine Gefechtspause. Neben Walser finden sich hier etwa Friedrich Rückerts Gedicht Der Landsturm, ein Gedicht über eine Schneenacht mit »frierenden Helden«, eine Kriegsandacht oder eine lyrische Legende aus dem Alltag des Kriegs.³⁴ Gerade weil Walser den Krieg nicht direkt anspricht, wirkt sein Denke dran hier wie eine 32 33
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Charles Ferdinand Ramuz, Journal, 11 août 1914, in: ders., Œuvres complètes, Bd. II, S. 270; Journal, 3 (1914), ebd. S. 271. Robert Walser, Denke dran, in: Neue Zürcher Zeitung vom 29. November 2014, und in: ders., Gesamtwerk, Bd. VI, S. 369–370. – Später sieht Walser diesen Text auch als Eröffnungstext einer geplanten großen Sammlung »Studien und Novellen« vor, die er am 18. Februar 1917 dem Huber-Verlag vorschlägt. Zit. nach: »Man muss nicht hinter alle Geheimnisse kommen wollen.« Robert und Karl Walsers Briefwechsel mit dem Verlag Huber Frauenfeld (1916–1922), hg. von André Salathé, Frauenfeld 2013, S. 98. – Vgl. zu diesem Text und zum medialen Kontext von Walsers »Idyllen« im Krieg: Hendrik Stiemer, Über scheinbar naive und dilettantische Dichtung. Text- und Kontextstudien zu Robert Walser, Würzburg 2013, S. 156–191. Robert Walser, Denke dran, in: Reichspost (Wien) vom 13. Dezember 1914, Beilage »Der Sonntag«. – Zur Reichspost vgl. Ulrich Weinzierl, Die Kultur der Reichspost, in: Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938, hg. von Franz Kadrnoska, Wien, München und Zürich 1981, S. 325–344.
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Aufforderung zum Innehalten in hoher Hektik, ein Aufruf zur Nachdenklichkeit an eine gedankenlose Zeit. Eine leise Alternative zur lauten Kriegsliteratur, die in der kriegsführenden Hauptstadt den Ton angibt. Damit, wenn auch nicht unbedingt mit seinem expliziten moralischen Ton, ist dieser Text repräsentativ für Walsers Bieler Prosa. In ihrem Gestus nachdenklicher Aufmerksamkeit für das Kleine, der Zuwendung zur Natur, weist sie auf jene Zeit hin, der sie den Rücken dreht. Ob in Zürich oder in Wien: Der dunkle Zeitkontext ist ihr Textträger, wie das in den Kriegsjahren zunehmend schlechtere Holzpapier der Zeitungen. Er schimmert an vielen Stellen durch, ohne dass er aber auch den Inhalt diktiert. So ist im großen Prosatext Der Spaziergang, der 1917 unmittelbar neben Faesis Füsilier Wipf in der gleichen Reihe bei Huber erscheint, der Krieg vor allem indirekt präsent, in einer Schreibweise des subjektiven Abund Ausschweifens, das sich der Logik der militärischen Gradlinigkeit ironisch entgegensetzt.³⁵ Andere Autoren aus der Schweiz sprechen dagegen diese Veränderung von Natur und Landschaft direkter an: Der expressionistische Lyriker Leo von Meyenburg, der übrigens 1918 für den Rascher-Verlag Henri Barbusses berühmten Antikriegsroman Le feu übersetzt, stellt 1916 eine Lyriksammlung unter den Titel Leidende Landschaften.³⁶ Noch direkter stellt sich die brutale Veränderung der realen Landschaften nur denjenigen dar, die selbst am Krieg teilnehmen: Der Genfer Autor Guy de Pourtalès, der 1937 mit La pêche miraculeuse (»Der wunderbare Fischzug«) ein Westschweizer Gegenstück zu Inglins Schweizerspiegel vorlegen wird, nimmt auf Grund seiner französischen Staatsbürgerschaft am Krieg in Frankreich teil und wird dabei verwundet. Er notiert in sein Tagebuch einen Ausspruch seines Westschweizer Kriegskameraden, des Malers Valdo Barbey. Dieser gibt ihm die knappstmögliche Definition dessen, wie der Krieg das Verhältnis zur Landschaft pervertiert: der Krieg ist »un paysage qui vous tire dessus«.³⁷ Den Autoren der Schweiz dagegen schießen die Landschaften nicht direkt ins Gesicht. Doch der Donner des Krieges ist auch im helvetischen Zuschauerraum zu hören. Darauf reagiert die Literatur in sehr unterschiedlicher Weise. Der Basler Heimatschriftsteller Dominik Müller beispielsweise empfiehlt 1915 die Zuwendung zu »harmlosen« Stoffen der »Friedenszeit«:
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Vgl. dazu Peter Utz, Helvetische Heroik im Huber-Verlag. Robert Faesi, Paul Ilg, Robert Walser, in: Der Held im Schützengraben. Führer, Massen und Medientechnik im Ersten Weltkrieg, hg. von Karl Wagner, Stephan Baumgartner und Michael Gamper, Zürich 2014, S. 81–98. Leo von Meyenburg, Leidende Landschaften. Verse, Zürich [1916]. Guy de Pourtalès, Journal de la Guerre, édition établie, annotée et présentée par Stéphane Pétermann, Genf 2014, S. 445.
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Die Veröffentlichung leichten Lesestoffes in schwerer Zeit bedarf weiters keiner Rechtfertigung; denn es ist klar, daß gerade jetzt, wo unsere Basler Fensterscheiben vom Kanonendonner aus dem Sundgau so ungemütlich zittern und die Presse uns Stillesitzenden durch Kriegsnachrichten zweimal täglich die Nerven schwächt und Niemand weiß, wohin es noch geht, wir ganz besonders empfänglich sein müssen für harmlose Erlebnisse und Schilderungen aus verlorener Friedenszeit.³⁸ Literatur als Tranquilizer gegen das Trommelfeuer von jenseits der Grenze und in der Presse, als Friedenserinnerung für »uns Stillesitzende[]« auf den Parterreplätzen der Weltgeschichte. Literatur als »Ohro-Pax« im Wortsinn – die geräuschdämpfende Kugel aus Vaseline, Paraffin und Watte ist als Erfindung des Berliner Apothekers Maximilian Negwer seit 1908 auf dem Markt und wird im Krieg mit ihrer Wirkung gegen den »Kanonendonner« beworben.³⁹ Denn an den Fronten treibt der Gefechtslärm die Soldaten in den Wahnsinn; Helmut Lethen hat herausgestellt, wie das Ohr zur Einbruchsstelle des Kriegstraumas wird.⁴⁰ Er zeigt auch, wie es im Gefecht überlebenswichtig wird, die unterschiedlichen Geschosstypen schon am Geräusch zu identifizieren. Ernst Jünger etwa stellt 1916 an der Westfront eine ganze akustische Typologie von Geschossen und Granaten auf. Mitten im Höllenlärm des Krieges schärft der Schriftstelleroffizier so sein Ohr und seinen sprachlichen Ausdruck für jene Kriegserinnerungen, die er später, zu »Stahlgewittern« metaphorisiert, höchst erfolgreich verkaufen wird. In der stillen Schweiz dagegen muss man die Ohren spitzen, um den fernen Donner aus dem helvetischen Frieden herauszuhören. Ludwig Hohl, später hoch empfindlich für alle Formen helvetischer Misstöne, notiert schon als Dreizehnjähriger 1917 in sein Tagebuch, wie man im Thurgau »in nordwestlicher Richtung« am Abend »ununterbrochenen Kanonendonner« höre.⁴¹ Faesis Füsilier Wipf erwartet im gleichen Jahr fast sehnsüchtig den Krieg und damit das Ende seiner unheroischen Inaktivität: »Da – ein ferner Donner, drohend in den Frieden. Noch einmal. Wieder. Neue Stimmen mischten sich hinein, näher, stärker, majestätisch. Der Krieg sprach.«⁴² Der ferne Donner wird von diesem helvetischen Ohr als 38 39 40 41 42
Zit. nach: Expressionismus in der Schweiz, hg. von Martin Stern, Bern und Stuttgart 1981, Bd. II, S. 283. Angaben zur Firmengeschichte nach: www.ohropax.de/unternehmen/seit-1907.html (23. März 2015). Helmut Lethen, Der Lärm der Schlacht und die Stille des Archivs. Psychiater als Gegner der Kriegsliteratur, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, 58 (2014), S. 610–623. Zit. nach Anna Stüssi, Ludwig Hohl. Unterwegs zum Werk. Eine Biographie der Jahre 1904– 1937, Göttingen 2014, S. 43. Robert Faesi, Füsilier Wipf (1917) S. 49 – neue Fassung (1938), S. 66.
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»Stimme« und »Sprache« verstanden, die wie ein Lockruf von jenseits der Grenze erklingt. Doch sie verstummt wieder; der Alarm war blind. So muss sich der Füsilier gegenüber zudringlichen Zivilisten rechtfertigen: »Was kann ich denn dafür, dass wir den Krieg nur vom Hörendonnern kennen?«⁴³ Im biederen Kleinformat von Faesis Erzählung, die man bequem in einen schweizerischen Soldatenrock stecken kann, wird der Krieg fast zur Wunschphantasie. Andere dagegen horchen im gleichen Kriegsjahr 1917 ganz anders auf das Grollen von jenseits der Grenze. Der Zürcher Theologe Leonhard Ragaz eröffnet sein großes Manifest Die neue Schweiz zwar mit der Erinnerung an den Kriegsausbruch, den auch er als »großes Wetter«, »Sintflut« und »Katastrophe« metaphorisiert.⁴⁴ Und ganz am Schluss »horcht« er vom Etzelpass aus nochmals »nach Westen, von wo das dumpfe Grollen der großen Schlacht« hereindringt.⁴⁵ Doch dazwischen wendet er sich mit seinem Manifest resolut der Schweiz zu, nicht als einer verschonten Insel, sondern als einem höchst gefährdeten, innerlich zerrissenen Gebilde, dem nur eine radikale Erneuerung die Zukunft sichern kann. Das offene Ohr für den Krieg jenseits der Grenzen wird so zum Organ, mit dem Ragaz zunächst nach innen horcht, um sich schließlich doch eine weltoffene, durchgreifend demokratische Schweiz zu erträumen. Parallel dazu erinnert auch Ramuz in seinem Essai Le grand printemps vom Frühjahr 1917 an jenen Sturm auf dem See, der für ihn mit dem Kriegsausbruch verknüpft ist, und an das Glockengeläute, mit dem man im September 1914 in der Westschweiz den Sieg der Franzosen an der Marne gefeiert habe – dann habe man wieder von jenseits des Jura die Kanonen gehört.⁴⁶ Die unmittelbaren Schrecken des Krieges allerdings, das Gemetzel auf den Schlachtfeldern, muss er sich imaginieren, und er ruft es in aller Drastik für den Leser der Cahiers vaudois hervor.⁴⁷ Provozierend fragt er diesen zum Schluss, ob es denn zwei getrennte Dinge gebe, den Frühling und den Krieg, und ob diese Friedenslandschaft, die er einmal mehr heraufbeschwört, wirklich die Ruhe im Zentrum eines Sturms
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Robert Faesi, Füsilier Wipf (1917), S. 68 – neue Fassung (1938), S. 85. Leonhart Ragaz, Die neue Schweiz. Ein Programm für Schweizer und solche, die es werden wollen, Olten 1918, 2. Aufl., S. 13. Ebd., S. 260. – Auf diesen Schluss reagiert übrigens Meinrad Inglin mit einem ganz grossen »Ja!« in seinem Handexemplar. Vgl. Franzisca Pilgram-Frühauf, Blickwechsel: Bezüge zwischen Inglins ›Die Welt in Ingoldau‹ und der ›Neuen Schweiz‹ von Leonhard Ragaz, in: »Kurz nach Mittag aber lag der See noch glatt und friedlich da«. Neue Studien zu Meinrad Inglin, hg. von Christian von Zimmermann und Daniel Annen, Zürich 2013, S. 91–107, Abb. S. 94. Charles Ferdinand Ramuz, Œuvres complètes, Bd. XV, S. 178, und S. 184. Ebd., S. 190 ff.
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verkörpern könne.⁴⁸ In einer Zeitungskolumne vom 3. Juli 1917 unter dem Titel Orages – »Gewitter« im Plural – wird er noch deutlicher. Er fragt, was denn da zu hören sei: Et, à présent, quand je prête l’oreille, ce que j’entends, est-ce le grondement lointain du tonnerre ou bien les détonations espacées de quelque artillerie lourde postée derrière la colline?⁴⁹ Das ferne Donnergrollen, als das man in der Schweiz den Krieg von Anfang an wahrnehmen will, wird hier, im dritten Kriegsjahr, durch das geschärfte Ohr des Schriftstellers als ambivalentes Zeichen auseinandergelegt: Ist es ein Naturereignis oder doch ein direktes Zeugnis des Krieges, dem man die Ohren nicht mehr verschließen kann? Robert Walser ist diesbezüglich ganz entschieden. In einem längeren Feuilleton unter dem Titel Büren, das am 7. Oktober 1917 im Berner Bund erscheint, fällt ihm die Unzeitgemäßheit dieses alten befestigten Städtchens auf, in einer Zeit, in welcher »der Kanonendonner des europäischen Krieges zeitweise fast täglich über das Grenzgebirge in unser Land hineintönt«.⁵⁰ Doch der Krieg ist auch im Innern des ummauerten Städtchens gegenwärtig, in Gestalt des dort stationierten Militärs, vor dem als einer »Soldateska« der Ich-Erzähler die Flucht ergreift – es handelt sich ausgerechnet um eine Artillerieeinheit. Auf einer alten Aarebrücke stehend, phantasiert er sich dem Fluss und seinen Städten entlang bis zum Rhein und bis nach Amsterdam. Diese Gedankenfahrt führt den Leser also genau der Bruchlinie des europäischen Krieges entlang, ohne dass dabei allerdings der Krieg und seine Folgen erwähnt werden. Während Ramuz den Krieg drastisch herbeiphantasiert, öffnet Walser so ein Phantasiefenster auf ein friedliches Europa. Dann aber holt der Ich-Erzähler die Aktualität wieder ironisch in seinen Text zurück; er würde in Büren bei einem Schuhladen gerne ein Paar neue »Kriegsoder russische Revolutionsstiefel« erstehen – die russische Februarrevolution liegt erst kurz zurück, die Oktoberrevolution wird in den Erscheinungstagen des Textes stattfinden. Und er stößt in Büren auch auf eine »lebhaft blühende Uhrenindustrie«, von deren »ungemein angenehmen Beziehungen« zum »unterseebootumsponnenen, weltherrschaftsausübenden Großbritannien und Irland« der 48 49
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Ebd., S. 217. Charles Ferdinand Ramuz, Œuvres complètes, Bd. XII, S. 363. »Und jetzt, wenn ich die Ohren spitze, was ist es, das ich höre? Ist es das ferne Grollen eines Gewitters oder sind es die auseinandergezogenen Detonationen von schwerer Artillerie, die hinter dem Hügel Stellung bezogen hat?« [Übers. P. U.]. Robert Walser, Gesamtwerk Bd. VI, S. 142–153, hier S. 143. – Vgl. dazu Peter Utz, Tanz auf den Rändern. Robert Walsers »Jetztzeitstil«, Frankfurt a. M. 1998, S. 327–329.
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Ich-Erzähler »kühn phantasiert«. Dann fällt er sich aber gleich ins Wort, denn diese »delikate« Vermutung könnte gegen die politische Neutralität des Feuilletonisten verstoßen – dass in der Sache auch die Neutralität der Schweiz auf dem Spiel steht, ist damit impliziert. Tatsächlich trifft Walser hier hintergründig einen Nerv der Verstrickung der Schweiz in den Großen Krieg, der dem offiziellen Diskurs vom neutralen Zuschauerstandpunkt widerspricht: Die bedeutende Uhrenfabrik Büren Watch mit ihrem Fabrikgebäude in englischem Backsteinstil gehört der Londoner Firma Williamson Ltd., die auch das britische Heer beliefert.⁵¹ Und 1917 ist ein Rekordjahr der Schweizer Uhrenexporte,⁵² denn Uhren sind entscheidend in der modernen Kriegsführung, etwa bei der Koordination von Artilleriefeuer und Infanterieangriffen. Ein großes Geschäft macht die Schweizer Uhrenindustrie aber auch mit Zündern. Helvetische Präzisionsmechanik zündet deutsche und französische Granaten, wie man sie über den Jura hineindonnern hört. So zeigt sich die ummauerte Kleinstadt Büren – stellvertretend für den Kleinstaat Schweiz – in vielfacher Weise in den Krieg involviert. In seinem scheinbar harmlosen Feuilleton macht Walser damit seinen Leser hellhörig für all das, was in dem fernen Donner an Zünd- und Sprengstoff für die Schweiz selbst steckt. Andere Literaten holen das kriegerische Donnern von jenseits der Grenzen auch direkt in die Schweiz, als Schreckensspaß: Seit 1916 hauen die Dadaisten im Zürcher Cabaret Voltaire auf die Pauke. Hugo Ball inszeniert dort zu Weihnachten 1916 ein »bruitistisch« genanntes Dadaistisches Krippenspiel, das mit »Donner« und »Glocken« gleichzeitig schließt.⁵³ Auch Richard Huelsenbeck will in seinem Dada-Gedicht die Menschen mit Donnerworten verblüffen: »Als wir dies sagten, fiel der Donner über die / Stadt, und als der Donner kam, sagten die Menschen ›Aha‹.«⁵⁴ Dies ist nicht nur Klamauk und Theaterdonner, sondern die ästhetische Verwandlungsform jenes Krieges, auf den Dada mit seinen Lautkannonaden antwortet. Dabei zerstört Dada auch willentlich eine Sprache, die in der Kriegspropaganda selbst zur Waffe geworden ist. Im Rückblick auf Dada hält Hans Arp fest: »Angeekelt von den Schlächtereien des Weltkrieges 1914, gaben wir uns in Zürich den schönen Künsten hin. Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, malten, klebten, dichteten wir aus Leibeskräften.«⁵⁵
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Hans Kocher-Aeschbacher, Die Geschichte der Uhrmacherei in Büren, München 1992. Georg Kreis, Insel der unsicheren Geborgenheit. Die Schweiz in den Kriegsjahren 1914–1918, Zürich 2014, S. 96. Dada Zürich. Texte, Manifeste, Dokumente, hg. von Karl Riha und Waltraut Wende-Hohenberger, Stuttgart 1992, S. 129. Ebd., S. 82. Hans Arp, Unsern täglichen Traum... Erinnerungen, Dichtungen und Betrachtungen aus den Jahren 1914–1954, Zürich 1955, S. 51.
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Zwar zieht der literarische Gewittersturm, den Dada über die Schweiz hereinbrechen lässt, schnell weiter. Doch die ästhetische Herausforderung der Literatur, den Donner von jenseits der Grenzen in die eigenen Texte hineinzuverwandeln, bleibt. Ramuz komponiert zusammen mit Igor Strawinski am Kriegsende die Histoire du Soldat, in welcher der Soldat am Schluss unter Paukengetöse endgültig vom Teufel geholt wird. Auch die apokalyptisch grundierten Romane, mit denen Ramuz in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf die Kriegserfahrung reagiert, kippen eher ins Dunkle, und sie finden zunächst noch wenig Resonanz. Erst Mitte der zwanziger Jahre gelingt es Ramuz, literarisch wieder nach Paris zurückzukommen, und erst heute wird er auch dort als einer der ganz großen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts anerkannt. Auch Walser knüpft nach dem Kriegsende sofort wieder die Fäden ins deutschsprachige Ausland; er partizipiert von Bern aus am Modernisierungsschub der Literatur in der Weimarer Republik, auch wenn seine kühnsten Experimente, etwa der nur als Mikrogramm-Entwurf erhaltene »Räuber«-Roman, bis gegen das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auf ihre Wiederentdeckung warten müssen. Das ist aber gerade ein Symptom ihrer Modernität. Das Beispiel zeigt: Die Literaturgeschichte der Schweiz kann nicht in ihren Grenzen allein beschrieben werden, auch und gerade in jenen Zeiträumen, wo sie sich auf diese Grenzen zurückzieht und sie ideologisch besetzt. Zwar sitzen Walser und Ramuz während des Krieges auf ihren helvetischen Horchposten fest. Dabei schärft sich ihnen jedoch die Aufmerksamkeit für die Widersprüche und Dissonanzen zwischen dem »Schweizer Standpunkt«, in dem sich die Schweiz zunehmend einmauert, und dem Donner der »Katastrophe«, als die man den Krieg nur allzu gerne verstehen will. Für Walser wie für Ramuz gibt es kein »OhroPax«, keinen Ohrenfrieden. Im Hinhören auf den fernen Donner von jenseits der Grenze klingt ihnen zudem jene Öffnung zu Europa an, die ihnen nicht nur eine politische, sondern auch eine ästhetische Notwendigkeit ist. Denn dort stehen nicht nur die Kanonen, dort liegt auch der Resonanzraum der Literatur aus der Schweiz. Sie lebt vom lebendigen Austausch über die Grenzen hinweg, der mehr ist als das einseitige Zuschauen. Walser und Ramuz werden allerdings zunächst leicht überhört, umso mehr, als sie sich – wie ein Kafka – von einer peripheren Stellung am Rande der lautstarken Nationalliteraturen aus zu Wort melden. Schließlich wird es ihnen aber gelingen, sich in jener Ferne, aus der sie das Donnergrollen hören, auch ihrerseits literarisch Gehör zu verschaffen. Heute erst hat uns dieser leise, aber nachhaltige Nachhall des Ersten Weltkrieges endlich erreicht.
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rilkes dichtungen in authentischer gestalt? Probleme beim kritischen Edieren von Texten Rainer Maria Rilkes
Es kann keinen Zweifel geben: Die Herausgabe der Sämtlichen Werke (SW) Rainer Maria Rilkes durch Ernst Zinn¹ war eine philologische Großtat. War die RilkeForschung über viele Jahre hinweg auf unvollständige Auswahlen und unzuverlässige Texte angewiesen – sie hatten sich nach Erscheinen zu Lebzeiten des Dichters durch Nachdrucke und Verlagseingriffe teilweise erheblich vom originalen Zustand entfernt oder waren dann nach 1926 aus dem dichterischen Nachlass Rilkes nach zumeist undurchschaubaren Kriterien ausgewählt und an oftmals schwer zugänglicher Stelle veröffentlicht worden –, so hat die 1955 bis 1966 erschienene sechsbändige Edition für jede Beschäftigung mit dem Gesamtwerk Rilkes eine wissenschaftlich erarbeitete und weitgehend vollständige Textgrundlage gegeben. Sie hat zunächst einmal alle vor dem Tode des Dichters in Buchform erschienenen Dichtungen vollständig und in überprüfter Gestalt bereitgestellt, hat sodann – und hier liegt das eigentliche große Verdienst des Herausgebers – Rilkes Nachlass unter Heranziehung aller damals erreichbaren Quellen systematisch erschlossen und nicht zuletzt für alle in der Ausgabe abgedruckten Texte eine zuverlässige Datierung geboten. Diese Edition ist seitdem bis heute die maßgebende Edition² für jede Beschäftigung mit dem dichterischen Œuvre des in 1 2
Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, hg. von Ernst Zinn, Bd. I–VI, Frankfurt a. M. 1955–1966 (im Folgenden zitiert: SW mit Band- und Seitenzahl). Nach Manfred Engel ist die 1996 ebenfalls im Insel-Verlag (Frankfurt a. M. und Leipzig) erschienene Kommentierte Ausgabe in vier Bänden »zur Zeit ganz eindeutig die Ausgabe der Wahl; nach ihr sollte zitiert werden« (Rilke-Handbuch, hg. von Manfred Engel, Stuttgart und Weimar 2004, S. 531). Diese reichlich vollmundige Aussage des Mitherausgebers der Kommentierten Ausgabe (im Folgenden zitiert: KA mit Band- und Seitenzahl) ist freilich grundsätzlich in Frage zu stellen. Wenn auch die Herausgeber (neben Manfred Engel: Ulrich Fülleborn, Horst Nalewski und August Stahl) sich auf einzelne Emendationen und Ergänzungen der Sämtlichen Werke berufen können, so ist für diese Edition – eingerichtet nach den Regeln des Deutschen Klassiker Verlages (vgl. KA, Bd. III, S. 762) – durchgehend eine fragwürdige Normalisierung und Modernisierung der Textgestalt durchgeführt worden. In der Dokumentation des Nachlasses ist die KA lückenhaft und das in ihr verfolgte ›Prinzip der letzten Hand‹ ist, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus problematisch. Nicht zuletzt
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Prag geborenen Dichters. Sie ist in vielfachen Variationen vom Insel-Verlag nachgedruckt worden und diente für die Veröffentlichung sowohl einzelner Werke Rilkes wie auch für Auswahlausgaben anderer Verlage als Grundlage. Dennoch stellt sich nach nunmehr sechzig Jahren seit Erscheinen der ersten Bände der Sämtlichen Werke die Frage, ob sich die Ansprüche an eine ›zuverlässige‹ Edition der Werke Rilkes inzwischen nicht erheblich gewandelt haben. Sicherlich kann die Herausgabe der Sämtlichen Werke nicht an den Zielsetzungen einer historisch-kritischen Ausgabe gemessen werden; wie Ernst Zinn selbst im Nachwort zu Band I einräumt: »Zur Schaffung einer förmlichen historisch-kritischen Ausgabe sind die Voraussetzungen heute noch keineswegs gegeben; […] die wissenschaftlichen Anforderungen, die heute an eine kritische Ausgabe gestellt werden, [lassen sich] erst erfüllen, wenn Handschriften und Korrespondenzen Rilkes, die solcher Verwertung vorläufig noch entzogen sind, mit herangezogen werden können.«³ Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat sich – leider – diese Situation nicht grundlegend verändert, wenn auch zumindest eine größere Zahl von Briefwechseln erschienen und in dieser Hinsicht die Voraussetzungen für eine kritische Ausgabe günstiger sind. Von größerem Belang für eine Neuorientierung der editorischen Bearbeitung von Texten Rilkes ist allerdings der Anspruch einer authentischen Textkonstitution, die sich inzwischen mehr und mehr durchgesetzt hat. Und unter Authentizität meine ich nicht schon die bloße »Übereinstimmung mit dem Willen eines Urhebers«,⁴ sondern die »Originalität und Unverfälschtheit eines [von einem Autor stammenden] Textes«.⁵ Wenn wir von den zu Lebzeiten Rilkes erschienenen Dichtungen ausgehen, so hat der Autor seinen Verlegern zu allen Zeiten sein volles Einverständnis mit den von Verlagen initiierten Drucken zum Ausdruck gebracht. Das gilt insbesondere für die Publikationen des InselVerlages, bei dem schon 1902 als erstes die Geschichten vom lieben Gott – damals noch unter dem Titel Das Buch vom lieben Gott. An Große für Kinder erzählt –
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durch zahlreiche Druckversehen und durch unbegründete Eingriffe in die originale Versund Strophengestalt »präsentiert« die KA alles andere als »den […] im Moment« verfügbaren »zuverlässigsten Text aller R.-Ausgaben« (Rilke-Handbuch, S. 530). Richtungsweisend und äußerst hilfreich ist dagegen in der KA die aufwendige Kommentierung der dort abgedruckten Werke. SW, Bd. I, S. 779 f. So Klaus Grubmüller und Klaus Weimar im Artikel »Authentizität« in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. von Klaus Weimar, Berlin und New York 1997, Bd. I, S. 168; ähnlich auch die Formulierung in Gero von Wilperts Sachwörterbuch der Literatur: »Authentisch […] ist […] ein in allen Einzelheiten echter, zuverlässiger Text in der vom Autor […] gewollten und gegebenen Form« (8. Aufl., Stuttgart 2001, S. 59). Gunter Martens, [Artikel] Authentizität, in: Editorische Begrifflichkeit. Überlegungen und Materialien zu einem »Wörterbuch der Editionsphilologie«, hg. von ders., Berlin und Boston 2013, S. 193.
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erschienen waren und der dann ab 1906 unter der Leitung von Kippenberg alle neuen Buchpublikationen Rilkes betreute. Und diese Betreuung war, wie noch zu zeigen sein wird, vorbildlich, so dass es kein Zufall war, dass sich zum Verlagsleiter und dessen Gattin sehr bald ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Dennoch gilt selbst für die im Insel-Verlag erschienenen Publikationen die Einschränkung, dass die Zustimmung des Autors nicht unbedingt jede Einzelheit des Druckes mit einschloss. Ganz abgesehen davon, dass Rilke kein aufmerksamer Korrektur-Leser war: vor allem bei den vielfachen Nachdrucken seiner Werke, die zumeist im Neusatz erschienen, muss mit Überfremdungen seiner Texte durch den Lektor oder den Setzer gerechnet werden; denn für die neuen Auflagen verzichtete der Dichter zumeist auf eine eigene Überprüfung des Druckes. Wie für die Erstausgaben gilt insbesondere für diese Texte der Grundsatz: Alle zu Lebzeiten Rilkes erschienenen Buchdrucke müssen zwar als vom Dichter ›autorisiert‹ gelten, entsprechen jedoch nicht unbedingt in jedem Detail jener Ausdrucksabsicht, die den Autor beim Verfassen seiner Dichtungen leitete.⁶ Daraus ergibt sich als Aufgabe des Herausgebers, für eine möglichst unverfälschte Textgestalt zu sorgen, die über eine nur ›passiv‹ autorisierte Fassung eines Textes hinausgehend zum originalen Wortlaut, zur ursprünglichen vom Autor stammenden Einrichtung des dichterischen Textes – zur »richtigen Gestalt«, wie der Dichter in einem Brief an Anton Kippenberg betont – vorzustoßen vermag. Und dieser Anspruch auf authentische Textherstellung lässt sich, selbst wenn die Ansprüche an eine historisch-kritische Ausgabe noch nicht voll erfüllt werden können, bereits heute in hohem Maße verwirklichen. Im Folgenden möchte ich Erfahrungen und Probleme zur Diskussion stellen, die sich bei dem Bemühen, für eine neue Ausgabe der Gesammelten Werke Rainer Maria Rilkes⁷ kritische Texte zu konstituieren, ergeben haben. * Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Drucklegung jener Werke, die zu Lebzeiten des Dichters erschienen sind.⁸ Die Druckvorlage lieferte der Dichter
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Wenn auch die eigentliche Intention eines Autors niemals zweifelsfrei zu ermitteln sein wird, so hat die Editionsphilologie gerade in jüngster Zeit Verfahren entwickelt, die sich diesem Ziel beträchtlich nähern. Rainer Maria Rilke, Gesammelte Werke, hg. und komm. von Annemarie Post-Martens und Gunter Martens, Stuttgart 2015 (im Folgenden abgekürzt zitiert: GS mit Angabe der Seitenzahl und – gegebenenfalls – der Zeilen- bzw. Verszahl). Da zu den vor 1902 im Druck erschienenen Veröffentlichungen nur spärliche Informationen überliefert sind, beschränken sich die nachfolgenden Informationen auf die Werke, die der Dichter nach diesem Zeitpunkt publiziert hat.
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zumeist in der Form einer von ihm selbst erstellten gut leserlichen Handschrift. Im Fall der Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge hatte er jedoch selbst keine solche Reinschrift anfertigen können; er nahm deshalb das Angebot seines Verlegers Anton Kippenberg an, den in drei – dem Setzer nicht zumutbaren – Manuskripten⁹ vorliegenden Text des Romans einer Sekretärin in die Maschine zu diktieren. Dieses – vermutlich im Zweiten Weltkrieg verbrannte – Typoskript diente sodann als Druckvorlage. In späterer Zeit wurden dann gelegentlich von den Handschriften Rilkes, die dem Verlag überlassen worden waren, weitere maschinenschriftliche Abschriften hergestellt,¹⁰ die zur Drucklegung der betreffenden Texte herangezogen wurden. Zu allen in Buchform erschienenen Werken lieferten die Verlage Fahnenkorrekturen, die der Dichter regelmäßig überprüfte; in einzelnen Fällen bat er sogar seinen Verleger um Zusendung der Umbruchkorrektur.¹¹ Allerdings scheint die Sorgfalt der Durchsicht sehr unterschiedlich gewesen zu sein. Für die letzten beiden großen Werke, die Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus, ist ein sehr gründliches Korrekturlesen anzunehmen: An Nanny Wunderly-Volkart schreibt er am 8. November 1922: »[…] es ist zu viel des Schreibens, und dazu drei Tage Fehlerjagd in den Druckbogen der Sonette und der Elegien, chasse des syllabes qui m’énerve terriblement –.«¹² Und in der Tat: Seine Mühe war nicht vergebens; bis auf drei kleinere Setzerversehen, die Rilke beim Korrekturlesen übersehen hatte, ist der Erstdruck der beiden Werke fehlerfrei.¹³ Das war freilich nicht immer so; schon im Erstdruck des Malte fällt eine 9
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»Nun steht der Text in [zwei] kleinen Taschenbüchern und einem älteren größeren Manuscript und ist schlecht zu übersehen«, schreibt Rilke am 20. Oktober 1909 an Anton Kippenberg (Rainer Maria Rilke, Briefwechsel mit Anton Kippenberg 1906–1926, hg. von Ingeborg Schnack und Renate Scharffenberg, 2 Bde., Frankfurt a. M. und Leipzig 1995, Bd. I, S. 177 f.). Von den drei Textzeugen ist nur das zweite Notizbuch, das sog. Berner Taschenbuch, das den Schlussteil des Romans enthält, überliefert. Das im Rilke-Archiv in Bern verwahrte Berner Taschenbuch ist jetzt in einer zweibändigen Faksimile-Ausgabe zugänglich: Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Das Manuskript des »Berner Taschenbuchs« (BT). Faksimile und Textgenetische Edition, hg. von Thomas Richter und Franziska Kolp, 2 Bde., Göttingen 2012. So von der Ersten und der Zweiten Duineser Elegie sowie von den Gedichten Aus dem Nachlass des Grafen C. W. So für den Malte: »Nach Umbruch der Seiten sähe ich gern rasch noch eine zweite Correktur durch«, bittet Rilke und lässt ein zweites Exemplar an seine Frau schicken. »So sind wir ziemlich sicher, daß kein Fehler stehen bleibt.« (Briefwechsel mit Anton Kippenberg, Bd. I, S. 195) Rainer Maria Rilke, Briefe an Nanny Wunderly-Volkart, 2 Bde., hg. von Rätus Luck, Frankfurt a. M. 1977, Bd. II, S. 812. Vgl. Rainer Maria Rilke, Duineser Elegien und Die Sonette an Orpheus. Nach den Erstdrucken von 1923, kritisch herausgegeben von Wolfram Groddeck, Stuttgart 1997 (RUB 9624). – Groddeck zählt insgesamt sechs zu korrigierende ›Fehler‹, wobei jedoch drei als »Schreib-
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stattliche Reihe von Fehlern auf, die der Kontrolle des Autors entgangen waren; nicht nur, dass bei den groß geschriebenen Umlauten Ä, Ö und Ü in 20 Fällen die Umlautzeichen fehlen, auch die zahlreichen Setzerversehen (wie zum Beispiel »Krankeiten« [I, 90 ~ GS 554,14], »immlische« [I, 183 ~ GS 599,4], »Herzes« [II, 155 ~ GS 675,16])¹⁴ verweisen darauf, dass die Überprüfung der Korrekturfahnen nicht immer mit der vom Dichter angekündigten Gründlichkeit erfolgte. Besonders in den überaus fehlerreichen frühen Drucken (zum Beispiel der zweiten Auflage der Geschichten vom lieben Gott, Leipzig 1904, oder auch des Erstdrucks des Stunden-Buchs, Leipzig 1905) blieben viele Druckversehen beim Korrekturlesen unbemerkt. Mehrfach sieht der Dichter selbst, dass seine Aufmerksamkeit beim Korrekturlesen durch Verfolgen inhaltlicher Aspekte abgelenkt wurde. Dennoch wurden diese Veröffentlichungen – wie durchgehend alle zu Lebzeiten erschienenen Drucke von Werken der späteren Zeit – vom Dichter ohne Widerspruch akzeptiert. In den Briefen an Anton Kippenberg spart er nicht an überschwänglichem Lob; so kommentiert er die Drucklegung des Malte: »der Satz steht jetzt so wundervoll zum Inhalt, die Zeilenlänge und -vertheilung könnte ihm nicht glücklicher angemessen sein.« Und beim Erscheinen der Sonette im März 1923 schreibt er seinem Verleger, »wie schön und völlig ihrem Wesen entsprechend [er] die Ausgabe der Sonette an Orpheus gefunden habe!«¹⁵ Die Veröffentlichungen waren damit ohne Einschränkung von Rilke autorisiert.¹⁶ Das gilt auch für die zahlreichen Einzelpublikationen in Zeitschriften und Almanachen, die während seiner Lebenszeit erschienen. Sie wurden ausnahmslos mit der vollen Zustimmung des Autors veröffentlicht. Allerdings anders als bei den Buchpublikationen erhielt der Dichter von den Verlagen offenbar in keinem Fall Korrekturfahnen zur Kontrolle der Drucklegung. So sei schon an dieser Stelle angemerkt, dass insbesondere bei diesen Veröffentlichungen mit eigenwilligen Eingriffen der Verlage
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versehen« ausscheiden: Wage (statt Waage, zweimal) galt bis 1927 als orthografisch korrekt, und die Schreibung »glückliche« in v. 14 von Sonett I, 15 darf aus inhaltlichen Gründen keinesfalls korrigiert werden. In Klammern Band- und Seitenzählung der Erstausgabe (Leipzig 1910) mit Angabe der korrespondierenden Seitenzählung in GS – Vgl. dazu auch die Liste der »Eingriffe der Herausgeber« in GS 920 f. Sie verzeichnet neben den eindeutigen Schreibversehen auch die Konjekturen der Herausgeber an Stellen des Romans, die vom Text des Berner Taschenbuchs abweichen. Solche Konjekturen beschränkten sich freilich auf jene Fälle, die vermutlich auf Eingriffe des Lektorats oder Fehlleistungen des Setzers zurückgehen und die – beim Korrekturlesen vom Dichter übersehen – kaum seine ausdrückliche Zustimmung gefunden haben dürften. Rainer Maria Rilke, Briefwechsel mit Anton Kippenberg, Bd. I, S. 193 und Bd. II, S. 285. Das betrifft auch die späteren Neuauflagen der im Insel-Verlag erschienenen Werke, die damals in der Regel neu gesetzt wurden. Rilke hat es zumeist abgelehnt, in solchen Fällen noch einmal gesondert Korrektur zu lesen.
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zu rechnen ist, die nicht vom Autor ausdrücklich autorisiert wurden. Ohne Autorisation blieben natürlich alle Drucke von Texten Rilkes, die nach dem Tod des Dichters (Dezember 1926) aus seinem Nachlass oder auch aus öffentlichen und privaten Sammlungen seiner Texte herausgegeben wurden. * Wenn wir uns nun im Einzelnen den Abweichungen der vorliegenden Drucke von ihren Druckvorlagen zuwenden, so ist zunächst einmal festzustellen, dass diese Abweichungen ganz unterschiedliche Ursachen haben. Oftmals sind sie schon durch die Eigenart der Handschriften des Dichters begründet. Die Reinschriften, die Rilke zur Drucklegung seiner Werke vorlegte, bieten zumeist keine größeren Leseschwierigkeiten. Sie gehörten dem »repräsentativen« Typus der »nach außen gewandten« Schrift an, um hier einen von Ernst Zinn eingeführten Begriff zu benutzen,¹⁷ das heißt: sie waren vom Dichter mit großer Sorgfalt in Tinte ausgeführt, in der Regel fehlerlos und ohne größere Korrekturen. Für die in deutscher Sprache ausgeführten Texte benutzte Rilke vorwiegend die deutsche Kurrentschrift, allerdings mit markanten Ausnahmen: herausgehobene Textstellen – dazu gehören auch Überschriften von Werken – sowie fremdsprachliche Wörter und Namen wurden in lateinischer Schrift ausgeführt. Für Hervorhebungen begegnen in Rilkes Handschriften aber auch häufig Unterstreichungen. Diese doppelte Art der Markierung von hervorgehobenen Textelementen wird in den zu Lebzeiten erschienenen Drucken durch Sperrung der entsprechenden Textstellen wiedergegeben. Es fällt auf, dass in all diesen Drucken keine Kursive zur Hervorhebung verwendet wird. Da die gesperrte Schrift – zumindest in den BuchVeröffentlichungen während Rilkes Lebenszeit – ausnahmslos zum Hervorheben einzelner Textelemente angewendet wird, ist anzunehmen, dass diese Art der Wiedergabe im Druck kaum auf einer verlagsinternen Vorgabe beruht, sondern eher einem ausdrücklichen Wunsch des Autors folgt. – Fremdsprachliche Textelemente, die Rilke in seinen Niederschriften lateinisch schreibt, werden in keinem der Erstdrucke gesondert gekennzeichnet. Für eine kritische Textausgabe wäre demgegenüber zu überlegen, ob Wörter, die Rilke im Kontext der deutschen Kurrentschrift in lateinischen Buchstaben ausführt, durch eine abweichende Schrift, zum Beispiel ›Frutiger‹ bei ›Garamond‹ als Grundschrift, markiert werden sollten. Eine Eigenart in vielen Handschriften sind auffallende Leerräume zwischen einzelnen Wortgruppen, vor allem am Satzende nach dem abschließenden Punkt
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Ernst Zinn, Beobachtungen zu Rilkes Handschrift. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Walter Simon, in: Korrespondenzen. Festschrift für Joachim W. Storck […], hg. von Rudi Schweikert, St. Ingbert 1999, S. 443–454, hier S. 443 f.
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oder Doppelpunkt. Als Beispiel seien hier die ersten Verse des Nachlassgedichtes Narziss angeführt: Narziss verging. Von seiner Schönheit hob sich unaufhörlich seines Wesens Nähe, […]¹⁸ Das Spatium zwischen »verging.« und »Von seiner […]« ist in der Handschrift deutlich ausgeprägt. In den vorliegenden Werkausgaben – und erst recht in den ihnen folgenden Einzelausgaben – werden solche Leerräume weitgehend übergangen. In den Erstdrucken werden sie zumindest in den beiden RequiemGedichten deutlich wiedergegeben: Hier zeigt sich, wie Rilke diese Spatien – Leerräume beim Lesen und Sprechpausen beim Vortrag – als bedeutungstragendes Element einsetzt: sie bringen besser als jedes gesprochene Wort die Sprachlosigkeit, die Trauer, das Entsetzen über den Tod der »Freundin« Paula ModersohnBecker und des jungen »Wolf Graf von Kalckreuth« zum Ausdruck. Um noch ein anderes Beispiel anzuführen, dass selbst in SW der Befund der Handschrift nicht in entsprechender Weise wiedergegeben wird: Das Gedicht Die große Nacht (in H und in GS: Nacht in der Fremde) endet in der handschriftlichen Fassung mit den Versen […] Dein Athem ging über mich; dein auf weite Ernste vertheiltes Lächeln trat in mich ein. (GS, 724) Die fünf Schlussworte sind in beiden im »Deutschen Literaturarchiv« (DLA) verwahrten Handschriften¹⁹ deutlich durch vergrößerte Leerräume voneinander abgehoben. Das »unerklärliche Gefühl der Fremdheit«, das Rilke »im südlichen Spanien […] gleichsam von allen Seiten angefallen« hatte, scheint in diesem ›Staccato‹ der Schlussworte seinen Ausdruck zu finden.²⁰ Freilich ist der handschriftliche Befund nicht immer so deutlich wie in diesem Beispiel. Insbesondere in den frühen Drucken in Frakturschrift – so zum Beispiel im Buch der Bilder – finden sich gehäuft nach Punkten auffallende Spatien, die in diesem Fall durch Beson-
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SW, Bd. II, S. 56; GS, S. 711. In diesem Fall gibt auch Zinns Werkausgabe den Leerraum deutlich wieder. H1 im Kippenberg-Archiv, H2 in der Sammlung Theodora von der Mühll; beide Handschriften in DLA. Die Leerräume werden im Erstdruck (Insel-Almanach 1918) und entsprechend in SW (Bd. II, S. 75) nicht wiedergegeben. (Vgl. dagegen die Darstellung in GS, S. 724) Rainer Maria Rilke an August Sauer am 11. Januar 1914, zit. nach KA, Bd. 2, S. 497.
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derheiten der verwendeten Druckschrift zusammenhängen können. Dennoch ist dieses Ausdrucksmittel, das die durch Interpunktionen und Versgestaltung angezeigten Zäsuren wirkungsvoll ergänzt oder unterstreicht, in vielen Fällen in aller Deutlichkeit ausgeprägt; in künftigen kritischen Ausgaben rilkescher Texte sollte dieses Ausdrucksmittel mehr als bisher eine angemessene Beachtung finden. Insgesamt sind bei den bislang vorgelegten Editionen die paraverbalen Elemente der Handschriften (und auch der Erstdrucke) zu wenig berücksichtigt worden. Dazu gehören auch Strophenabstände, Leerzeilen, Einrückungen von Textpassagen und so fort. * Erhebliche Probleme für die Veröffentlichung der Texte Rilkes bieten die eigenwillige Orthographie und Interpunktion in seinen Handschriften. Vielfache Abweichungen von den zu seiner Zeit geltenden Normen durchziehen nicht nur seine Entwürfe und privaten Niederschriften, sondern prägen auch die von ihm erstellten Reinschriften. Ernst Zinn sieht darin ein ›Verschmelzen‹ seiner ›Modernität‹ mit dem »Festhalten oder Wiederherstellen altväterischer Eigenheiten«: Offenbar bestand bei ihm selbst ein Bestreben, durch die Pflege mancher generationsalter Schreibgewohnheiten gewissermaßen die eigene geistige Reichweite nach rückwärts zu verlängern, während er seiner nach vorwärts in die Zukunft zielende Reichweite ohne weiteres sicher war.²¹ Wesentlicher mag sein, dass er mit seinen orthografischen Abweichungen, die ja nicht nur eine Wiederaufnahme alter Schreibgewohnheiten darstellen, eine mehr oder minder bewusste Ausdrucksabsicht verbindet: Häufig begegnende Wortformen wie »giebt«, Kameele«, »Heerde« oder »spühren« heben die Aussprache des lang gezogenen Vokals hervor. Wenn er fast durchgehend die Schreibung »Athem«, »athmen« bevorzugt, so meint man mit der Spirans »h« gleichsam das Hauchen des Atems zu hören. Und wenn wiederholt die ›falsche‹ Schreibung »Pathmos« begegnet, so ist hier kaum ein Schreibfehler anzunehmen, sondern sie scheint absichtlich die Assoziation des griechischen Wortes ›pathein‹ (= leiden) aufzurufen und damit auf das Leiden des Evangelisten Johannes zu verweisen, der auf der griechischen Insel seine Offenbarung niederschreibt. So lesen wir im Malte über den »größesten Dichter« Goethe: »Aber demütigen hätte er sich müssen vor ihr [Bettine] in seinem ganzen Staat
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Ernst Zinn, Beobachtungen zu Rilkes Handschrift, S. 450.
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und schreiben was sie diktiert, mit beiden Händen, wie Johannes auf Pathmos, knieend.«²² Das Problem besteht freilich darin, dass in vielen Fällen die abweichende Schreibung von Rilke selbst nicht konsequent durchgehalten wird. So begegnen zum Beispiel wiederholt auch die Formen »gibt«, spürt« und so fort. Aus diesem Grund scheint kaum eine Möglichkeit gegeben, eine einheitliche Dichter-Orthographie aus den Schreibgewohnheiten Rilkes zu entwickeln. Hier einzelne von der Norm abweichende Schreibungen wie »Schooß«, »gieb«, »Guirlande« auch dann zu setzen, wenn die Handschrift oder der Druck einen anderen Befund bieten, erscheint zumindest höchst fragwürdig; jeder Versuch, für sämtliche Texte Rilkes eine Einheitsrechtschreibung zu entwickeln, dürfte in die Aporie münden. Hier bleibt kein anderer Weg, als dem Druck oder der Handschrift zu folgen und die Schreibung eines Wortes in der dort vorgefundenen Gestalt wiederzugeben. Anders liegt der Fall einer ›Eigenwilligkeit‹ der Schreibgewohnheiten Rilkes, die sich ausnahmslos durch alle überlieferten Handschriften des Dichters zieht: die orthografische Differenzierung der Schreibung von ss und ß: Das »ß« steht bei Rilke stets nach langem Vokal bzw. nach einem Diphthong, das »ss« findet sich dagegen für den s-Laut nach kurzem Vokal. Diese eigenwillige Schreibung stand zu Rilkes Lebenszeit im Gegensatz zur damals gültigen Regelung und galt laut zeitgenössischem Duden als fehlerhaft. Kurioserweise entspricht sie jedoch heute genau der neuen orthografischen Regelung: So finden sich durchgehend in den Handschriften Rilkes Schreibungen wie »dass«, »lässt«, »umfasst«, »muss«, »bewusst« und so fort. Wenn diese Auffälligkeit bislang weitgehend übersehen wurde, so liegt es offenbar an der Ligatur ›langes s‹ / ›Schluss-s‹, die in der deutschen Kurrentschrift für ein auslautendes doppeltes s vorgeschrieben wird. Diese Verbindung der beiden Buchstabenformen sieht auf den ersten Blick in der Tat aus wie ein ›ß‹, für das Rilke jedoch regelmäßig die heute noch gültige Gestalt benutzt. Schon die Erstdrucke normalisieren die rilkesche Schreibung fast durchgehend in der Form, wie es der ›Buchdruckerduden‹²³ dem Setzer vorschrieb. Als Beispiel sei hier das Faksimile der im Deutschen Literaturarchiv/Marbach verwahrten Reinschrift der letzten Seite der Zehnten Duineser Elegie²⁴ eingeblendet, 22
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So die Fassung im Erstdruck, die auch als Druckvorlage für GS, S. 655 diente. – SW (Bd. VI, S. 898) druckt »Patmos« nach der ›normalisierten‹ Schreibung der späteren Auflagen des Romans. Die Rechtschreibung der Buchdruckereien deutscher Sprache von Konrad Duden, erschienen in erster Auflage Leipzig 1903, in einer zweiten Auflage 1907, bot für wohl alle Druckereien von Verlagen, in denen Werke Rilkes erschienen, die Grundlage für die Orthographie und Interpunktion der dort gesetzten Texte. Ich danke der Fotostelle des Deutschen Literaturarchivs Marbach für die Bereitstellung des Scans der Handschrift und der Leitung des Archivs für die Genehmigung des Abdrucks.
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Die letzte Seite der Zehnten Duineser Elegie in der Handschrift Rilkes. © DLA Marbach
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die offenbar auch als Vorlage des Erstdrucks verwendet wurde. Dort findet sich in der vorletzten Zeile der Handschrift das Wort »umfasst« in der für Rilke typischen Verbindung von ›langem s‹ und ›Schluss-s‹ im Gegensatz zur Schreibung des ›ß‹ in »Fuß« in der dritten handschriftlichen Zeile von oben. Eine Bestätigung der Schreibgewohnheit Rilkes, das stimmlose scharfe »s« nach kurzem Vokal grundsätzlich als Doppel-S zu schreiben,²⁵ begegnet sogleich in der ersten Zeile der Handschrift, die auf die Zugehörigkeit der nachfolgenden Verse zur Zehnten Elegie hinweist. Die Anmerkung »Zu: ›Dass ich dereinst ...‹« zeigt, dass Rilke auch bei Verwendung der lateinischen Schrift den auslautenden scharfen S-Laut in der Form des doppelten »ss« schreibt.²⁶ In der authentischen Wiedergabe einer Handschrift verbietet sich ohnehin, die sich dort findende Schreibung der S-Laute nach einer historischen Norm, der Rilke selbst nicht folgt, zu verändern. Aber auch bei dem zu Lebzeiten erschienenen Drucken bietet es sich in diesem Sonderfall an, die Eingriffe des Setzers zurückzunehmen und die ursprüngliche Schreibung des Dichters wieder einzusetzen. * In der Interpunktion zeigt sich die regelwidrige Eigenwilligkeit Rilkes besonders ausgeprägt: Insbesondere das Komma nutzt er, um zusätzlich Sinneinheiten zu akzentuieren oder auch Zäsuren im Satzfluss anzuzeigen. Hier einige Beispiele aus dem Malte: »Was halfen mir jetzt, im gegenwärtigen Falle, die paar Tatsachen […]«²⁷ – die Kommata, die den Einschub »im gegenwärtigen Falle« abgrenzen, fallen im Erstdruck fort; ähnlich auch die Satzzeichen, die das Wort »früher« einschließen zu Beginn der vorletzten Aufzeichnung Maltes: »Manchmal, früher, frag ich mich […].«²⁸ Umgekehrt können bei eng anschließenden Relativ- oder Objektsätzen oder auch bei die Zusammengehörigkeit unterstreichenden attributiven Erweiterungen (zum Beispiel »mit den großen frisch gewaschenen Hemden«)²⁹ die von den Regeln vorgeschriebene Setzung der Kommata unterbleiben. In anderen Fällen trennen wiederum Semikola oder Punkte untergeordnete Nebensätze ab, wo die Norm eine Kommasetzung vorschreibt. Die Reaktion des Setzers auf regelwidrige Interpunktion des Autors ist bei den Erstdrucken unter-
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Wie auch in den heute geltenden Orthografieregeln mit der Ausnahme von Artikel und Pronomina wie »das«, »des«, »was« und Nomina, die auf »-nis« enden. In wenigen Fällen – so je einmal im Stunden-Buch und in den Neuen Gedichten – scheint der Setzer übersehen zu haben, das Doppel-s der handschriftlichen Vorlage zu dem damals regelhaften ß zu normieren. GS, S. 634, z. 9 f. (~ SW, Bd. VI, S. 871, z. 4). GS, S. 684, z. 24 (~ SW, Bd. VI, S. 937, z. 1). GS, S. 598, z. 8 (~ SW, Bd. VI, S. 823, z. 20).
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schiedlich: In den Versdichtungen folgen sie eher der Druckvorlage als in den Prosatexten; die angeführten Beispiele aus dem Malte geben den Befund der Handschrift des Berner Taschenbuchs wieder, während der Erstdruck – und ihm folgen in dieser Hinsicht alle Nachdrucke des Romans – nach den Interpunktionsregeln normiert. Normierungen werden durch den Verlag oder durch den Setzer oftmals auch dann vorgenommen, wenn der Autor das Auslassungszeichen regelwidrig anwendet. Rilke setzt in seinen Handschriften oftmals – wenn auch nicht regelmäßig – einen Apostroph in Fällen, wo die Regeln des Buchdruckerdudens keines vorschreiben oder die Setzung des Auslassungszeichens verbieten. So begegnen im Malte Formen wie »sie’s«, »die’s«, in den Duineser Elegien »in’s«, an’s«, die im Erstdruck normiert, das heißt: ohne Apostroph, wiedergegeben werden. Ähnliches gilt auch für Rilkes Schreibungen wie »sie’s« oder »die’s«: sie werden im Erstdruck des Malte im ersten Fall einmal zu »sies« (GS 605, z. 32), ein anderes Mal zu »sie es« (GS 679, z. 18) oder zu »die es« (GS 680, z. 2) abgeändert.³⁰ In diesen Fällen erscheint ein Rückgang auf die Schreibung in der Handschrift angemessen. * Beim Übertragen seiner handschriftlich niedergeschriebenen Dichtungen ins Druckmedium stand freilich Rilke selbst vor Entscheidungen, die in den Bedeutungsaufbau oder in die rhythmische Struktur seiner Dichtungen eingriffen. Das gilt etwa für die Ausbildung von Überschriften und Abschnittsmarkierungen innerhalb eines Werkes. Wichtig war für ihn die Wahl der Druckschrift, die ihm bei der Wiedergabe seiner Texte im Druck angemessen erschien. Schon bei der Drucklegung der ersten Auflage seines Buchs der Bilder erläuterte er seinem damaligen Verleger Axel Juncker seine Vorstellungen: Ich aber lege darauf gerade die Betonung, daß Gedichte in einer großen monumentalen, jeden Buchstaben klar für sich setzenden Schrift gedruckt werden; denn wie das Wesen der Prosa in einer langen Zeile, einem breiten Satzspiegel und still, unauffällig hinfließenden Buchstaben besteht, so wird das Charakteristische von Versen am besten ausgedrückt durch das Stehen, Monumentalwerden auch der kleinsten Worte. Es giebt nichts Unwichtiges,
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In den angeführten Fällen ist allerdings nicht zu entscheiden, ob die Abweichung gegenüber der Handschrift auf die Schreiberin des Typoskripts bzw. auf den Setzer zurückgeht oder ob Rilke selbst die Änderung beim Diktieren vorgenommen hat.
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nichts unfestliches da. Jedes Wort, das mitgehen darf im Triumphzug des Verses, muß schreiten und das Kleinste darf dem größten nicht nachstehen an äußerer Würde und Schönheit.³¹ Im selben Brief äußert er sich auch über die drucktechnische Ausbildung von Überschriften: »Die größte Schrift (I.) gilt für das äußere Titelblatt, die kleinere (II.) für die Innen-Aufschriften und die letzte (III.) endlich für den Text der Gedichte.«³² Rilke hat wiederholt die herausgehobene Stellung von Gedichtüberschriften zum Ausdruck gebracht. Was er in der »zweiten sehr vermehrten Ausgabe« des Buchs der Bilder (1906) bei einzelnen, ihm besonders wichtigen Gedichten und Gedichtgruppen durchsetzen konnte, nämlich die Titel auf jeweils gesonderten Seiten herauszustellen, wünschte er sich auch bei der Drucklegung der Neuen Gedichte im Insel-Verlag: nämlich »[…] zu versuchen, ob nicht die Titel […] auf der rechten Seite eigener leerer Blätter angebracht werden könnten (statt über dem Gedicht) […]. Das Gedicht wird dadurch – so scheint es mir – besser angemeldet, und es fängt mit sich selber an, was ihm so sehr angemessen ist.«³³ Als Anton Kippenberg ihm daraufhin vorschlägt, die Gedichttitel stattdessen in grüner Farbe zu drucken, signalisiert ihm der Dichter sogleich sein Einverständnis. In anderen Erstdrucken variiert mehrfach die Druckgestalt der Überschriften: Während die grünen Versalien auch im Erstdruck der Duineser Elegien (1923) – hier als Titel des Gesamtwerks wie auch der einzelnen Elegien – Verwendung finden³⁴, begegnen in der Rodin-Monografie³⁵ der Werktitel in großer Gemeine, die beiden Zwischentitel in schwarzen Versalien, ebenso wie auch die Märchentitel in den Geschichten vom lieben Gott. Ausschließlich in schwarzen Versalien werden die Titel in den Sonetten an Orpheus ausgeführt. Hier ergibt sich die Frage, ob eine Vereinheitlichung der Druckgestaltung aller Überschriften, wie sie fast durchgehend von modernen Werk- und Einzelausgeben bevorzugt wird, der eigentlichen Ausdrucksabsicht des Autors gerecht wird. Eine einheitliche Lösung hat Rilke allein für titellose Gedichte und für den Beginn überschriftloser Abschnitte in der Rodin-Monografie und im Malte vorgeschlagen: Schon ganz früh schreibt er am 24. März 1905 an Rudolf von Poellnitz,
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Rainer Maria Rilke an Axel Juncker am 7. November 1901, in: Rainer Maria Rilke, Briefe in zwei Bänden, hg. von Horst Nalewski, Frankfurt a. M. und Leipzig 1991, Bd. I, S. 99 f. Ebd., Bd. I, S. 99. – Der Satz bezieht sich auf Schriftproben, die Rilke dem Brief beilegte. Rainer Maria Rilke an Anton Kippenberg am 27. Juli 1907, in: Briefwechsel mit A. Kippenberg, Bd. I, S. 79. Vgl. das Faksimile des Erstdrucks der ›gewöhnlichen Ausgabe‹ (s. Anm. 43) der Duineser Elegien in: http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/2005/rilke_elegien/. Erste Auflage 1913 nach der Übernahme durch den Insel-Verlag.
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dem damaligen Leiter des Insel-Verlages, dem er sein Stunden-Buch zur Drucklegung anbietet: Da der Satzspiegel möglichst geschlossen sein sollte, so wird es sich vielleicht empfehlen, die Gedichte fortlaufend zu drucken, statt jedem eine besondere Seite zu überlassen; die Anfänge müßten dann durch Initialen betont und unterschieden werden.³⁶ Diese Empfehlung wird in der Folgezeit für Gedichte und Abschnitte in der Prosa ohne eigene Überschrift ausnahmslos durchgehalten, wobei die Initiale – je nach Schrifttypus – auch in der Form eines großen Schmuckbuchstabens ausgeführt wird. Allerdings findet sich zu Lebzeiten Rilkes die Verwendung von Kapitälchen im jeweils ersten Wortes eines Gedichtes oder Prosatextes³⁷, für die sich einheitlich Ernst Zinn in allen von ihm herausgegebenen Texten – sowohl in der Ausgabe der Sämtlichen Werke wie in den zahlreichen späteren Einzelausgaben – entscheidet und die dann auch die meisten Folgeausgaben von Texten Rilkes übernehmen, nur in zwei Fällen: In den beiden Requiem-Dichtungen und in der Erstausgabe der Sonette an Orpheus:³⁸ Atmen, du unsichtbares Gedicht! Immerfort um das eigne Sein rein eingetauschter Weltraum. […] (GS, 809) Über Form und Gestaltung seiner Dichtungen im Druck – und mehr als in früheren Zeiten wird heute dieser Formgebung des Drucks eine bedeutungstragende Absicht zugesprochen – hatte Rilke zumeist sehr dezidierte Vorstellungen, die er seinen Verlegern vortrug. Von der Schrifttype, über Papierbeschaffenheit bis hin zu Format und Einbandgestaltung der Bücher suchte er oftmals recht 36 37
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Briefwechsel mit Anton Kippenberg, Bd. I. S. 542 f. Genauer: Nach der Initiale am Beginn des ersten Wortes. – Kapitälchen sind, im Unterschied zu Versalien, Großbuchstaben in der Größe der ›Normalhöhe‹ der Kleinbuchstaben (zum Beispiel a, e, o, u). Die sog. ›falschen Kapitälchen‹, die in der ›gewöhnlichen Ausgabe‹ der Duineser Elegien verwendet wurden, haben eine Höhe, die zwischen der ›Normalhöhe‹ der Kleinbuchstaben und der Höhe der Großbuchstaben liegt. In den Duineser Elegien verwendet nur die »gewöhnliche« Buch-Ausgabe Kapitälchen (genauer: ›falsche‹ Kapitälchen, s. o. Anm. 37) für die Buchstaben, die der Initiale im ersten Wort jeder Elegie folgen. Die eigentliche Erstausgabe, nach der die spätere Buch-Ausgabe neu gesetzt wurde, ist die sog. Vorzugsausgabe, die nur eine Initiale für das erste Wort einer Elegie verwendet. – Kapitälchen im ersten Wort in Gedichten und Prosatexten begegnen auch in den Jahresschriften des Insel-Verlages, dem Insel-Almanach und dem Insel-Schiff, die nach 1918 erschienen.
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eigenwillige Ansichten durchzusetzen. Die Realisierung sah freilich zumeist anders aus. Wenn auch Anton Kippenberg, der die meisten seiner Veröffentlichungen als Verleger betreute, sich als »Sachverwalter« der Dichtungen seines so hoch geschätzten Autors bezeichnete:³⁹ der Verlag behielt zumeist das letzte Wort und setzte seine eigenen Vorstellungen der Buchgestaltung durch. Das trug sicherlich nicht gerade zu einer Einheitlichkeit der Druckgestaltungen und Buchausstattung bei. Denn ein Verlag war mehr als ihr Autor dem Publikumsgeschmack und damit den Modeströmungen unterworfen. Und Kippenberg fand dann auch in Rilke einen ihm gern folgenden Partner. Mehr als einmal überlässt der Dichter das letzte Wort seinem Verleger: Nachdem er sich über den Inhalt und dann auch über den – vorläufigen – Titel seiner Neuen Gedichte geeinigt hatte, schreibt er an Kippenberg: »Alles ist, was nun kommt, Ihnen überlassen, die äußere Form und Ausgestaltung und Einrichtung des Buches […].«⁴⁰ Diese Blanko-Vollmacht wiederholt er an verschiedenen Stellen seiner Korrespondenz mit seinem Verleger, so in aller Deutlichkeit am 11. Dezember 1907: »[…] meine Zustimmung zu allen Ihren meine Bücher betreffenden Verfügungen ist eine Voraussetzung, mit der ich Sie in jedem Falle ohne weiteres zu rechnen bitte.«⁴¹ Und in ähnlicher Weise drückt er an vielen Stellen seiner Korrespondenz sein volles Einverständnis mit der Art und Weise aus, wie der Verlag die Erstausgabe eines jeden neuen Werkes ausstattet: Über die Neuauflage des Buchs der Bilder, das der Insel-Verlag 1913 von Axel Juncker übernommen hatte, urteilt er: »Druck und Anordnung [sind] unübertrefflich schön.«⁴² Und über beide Ausgaben der Duineser Elegien ist seine Lobpreisung kaum noch zu überbieten: »außerordentlich schön« verwirklicht findet er die Vorzugsausgabe; »Gestalt und Einband sind ein Ganzes, in seiner ungesuchten, aber gewählten Vollendung einfach Vollkommenes! [… ich] danke Ihnen […], daß Sie so viel Zeit, Mühe und Erwägung an das Gelingen eines Bandes wenden wollten, der Sie und die Insel nun ebenso lobt, wie er die Elegien, die er enthält, ehrt und feiert!«⁴³ Und er setzt nach der Auslieferung der »gewöhnlichen Ausgabe«⁴⁴ noch einmal nach: »Sie ist von der reinsten Gestaltung, und, so sehr man durch die herrliche große
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Anton Kippenberg an Rainer Maria Rilke am 13. Dezember 1907, in: Briefwechsel mit A. Kippenberg, Bd. I, S. 91. Rainer Maria Rilke an Anton Kippenberg am 27. Juli 1907, ebd. Bd. I, S. 79. Ebd., Bd. I, S. 90. Rainer Maria Rilke an Anton Kippenberg am 29. Mai 1923, ebd. Bd. I, S. 403. Rainer Maria Rilke an Anton Kippenberg am 29. Juni 1923, ebd. Bd. II, S. 295 f. Den Ausdruck »gewöhnliche Ausgabe« benutzt Anton Kippenberg in Abgrenzung zur vorhergehenden ›Vorzugsausgabe‹ in seinem Brief an Rainer Maria Rilke vom 4. September 1923, ebd., Bd. II, S. 304 f.
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Ausgabe verwöhnt ist, es müßte natürlich sein, die Gedichte in dieser gebräuchlichen ebenso groß zu lesen.«⁴⁵ * Halten wir an dieser Stelle inne und fragen uns, welche Folgerungen sich für eine kritische Neuausgabe der Texte Rainer Maria Rilkes ergeben. Im Falle aller postum aus dem Nachlass des Dichters herauszugebenden Texte sollte die Frage schnell zu beantworten sein: Im Gegensatz zu den bislang besprochenen Drucken zu Lebzeiten des Dichters sind die postumen Publikationen – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr vom Autor für eine Veröffentlichung vorbereitet worden. Für sie ist – auch dann, wenn sie auf der Grundlage von eigenhändigen Handschriften des Dichters ediert wurden – davon auszugehen, dass sie durch Eingriffe von Verlag und Herausgebern, durch Normalisierungen des Lektorats oder auch durch Fehlleistungen des Setzers mehr oder minder stark vom authentischen Text des Dichters abweichen. Die erneute nunmehr kritische Herausgabe solcher Texte – und das gilt erst recht für jeden bislang nicht edierten Text – kann allein auf der Grundlage von originalen Handschriften erfolgen.⁴⁶ Doch hier beginnen nun erhebliche Schwierigkeiten: Eine zentrale Erfassung aller überlieferten Handschriften des Dichters gibt es bislang nicht. In seinem Versuch »einer ersten umfassenden Bestandsaufnahme der im Original vorhandenen Manuskripte, Briefe und anderer Autographen«, die Klaus W. Jonas im Jahr 1971 vorlegte,⁴⁷ zeigte der deutsch-amerikanische Philologe, dass Handschriften Rilkes nicht nur verstreut in vielen Ländern Europas, sondern insbesondere auch an vielen Orten Nordamerikas verwahrt werden. Vielfach sind die Originale in Privathand von Autographen-Sammlern und Liebhabern des Dichters, wenn auch bereits zu jener Zeit oftmals Universitäts- und Landesbibliotheken die Initiative ergriffen hatten, die Bestände durch Ankauf oder Schenkung zu erwerben und auf diese Weise einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Freilich für die wichtigste Sammlung rilkescher Originalmanuskripte konnte diese Option bislang noch nicht realisiert werden: Das Rilke-Archiv in Gernsbach verwahrt den größten Teil des Nachlasses des Dichters und befindet sich nach wie vor in
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Rainer Maria Rilke an Katharina Kippenberg am 21. November 1923, in: Rainer Maria Rilke, Briefwechsel mit Katharina Kippenberg, hg. von Bettina von Bomhard, Wiesbaden 1954, S. 511. Nur für den Fall, dass die originale Handschrift, die dem postumen Druck zu Grunde lag, inzwischen verloren gegangen ist, muss dieser zur Textkonstitution herangezogen werden. Klaus W. Jonas, Rainer Maria Rilkes Handschriften, in: Philobiblon. Vierteljahrsschrift […] der Maximilian-Gesellschaft in Hamburg, Jg. XV (1971), H. 1 / 2, S. 4–117, Zitat S. 5.
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Privathand. Einem privaten Archiv ist es jedoch kaum möglich, seine Bestände für eine allgemeine Nutzung freizugeben, da Voraussetzungen und Mittel dazu fehlen. Selbst der Fachwissenschaft konnte aus diesen Gründen eine Einsicht in die dort gesammelten Manuskripte nur in begrenztem Rahmen gewährt werden. Umso erfreulicher erscheint aus dieser Sicht, dass zumindest im deutschsprachigen Raum zwei öffentliche Institutionen einen ungehinderten Zugang für ihre umfangreichen Sammlungen nachgelassener Schriften Rilkes bieten. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar verfügt nicht nur für die wissenschaftliche Forschung beste Arbeitsmöglichkeiten, sondern besitzt die – nach dem Gernsbacher Archiv – wohl umfangreichste Sammlung an Autographen und Drucken von Werken Rainer Maria Rilkes. Dieser Bestand, dessen Zentrum das reichhaltige Anton-Kippenberg-Archiv bildet, ist durch Internet-Kataloge vorbildlich erschlossen. Das gilt auch für die zweite öffentliche Institution, in der zentral Handschriften und Drucke von Texten Rilkes gesammelt werden: für das Schweizerische Rilke-Archiv in der Landesbibliothek in Bern. Hier liegt nicht nur das oben erwähnte Berner Taschenbuch mit dem letzten Teil des Malte-Romans, sondern eine große Anzahl von weiteren Originalhandschriften von Dichtungen und Briefen der letzten Lebensjahre. Dennoch bleibt für die systematische Ermittlung der verstreuten Handschriften zunächst einmal die Aktualisierung und Fortführung der Bestandsaufnahme von Klaus W. Jonas ein unumgängliches Desiderat. Ein auf dieser Grundlage zu erstellender Gesamtkatalog aller Lebenszeugnisse des Dichters wäre bei den zu leistenden Recherchen für eine kritische Textausgabe eine wertvolle Hilfe. Bei der kritischen Textkonstitution bieten die vielfachen handschriftlichen Fassungen, die Rilke für viele seiner unveröffentlichten Dichtungen hinterlassen hat, ein gesondertes Problem. Er hatte die Angewohnheit, insbesondere seine Gedichte und kleineren Prosatexte, aber auch viele seiner Briefe mehrfach selbst abzuschreiben, teils für eine Vorbereitung künftiger Veröffentlichungen, teils aber auch, um sie an Außenstehende zu verschenken, und in nicht wenigen Fällen auch in der Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt ein Werk neu zu bearbeiten.⁴⁸ Diese eigenen Abschriften sind wohl in keinem Fall voll identisch; wenn auch oftmals nur in Kleinigkeiten den ursprünglichen Text variierend, bilden sie doch unterschiedliche Fassungen eines Werks oder eines Briefes. Der Herausgeber
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Das prominenteste Beispiel für eine spätere Abschrift älterer Dichtungen ist die von Rilke für den Insel-Verlag 1925 zusammengestellte Textsammlung Aus Taschen-Büchern und Merk-Blättern mit 62 Gedichten aus den Jahren 1906 bis 1924. Das in braunem Leder eingebundene Notizbuch wird im Kippenberg-Archiv des DLA verwahrt.
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muss sich für eine Fassung entscheiden; die Kriterien, die für die gesamte Edition Gültigkeit haben sollten, werden zu entwickeln sein, wobei eine Möglichkeit von vornherein ausscheidet, nämlich die verschiedenen Fassungen zu mischen, zu ›kontaminieren‹, um auf diese Weise einen ›besten Text‹ herzustellen. Konkurrierende Fassungen können dabei nur eine Funktion erfüllen: bei der Feststellung von Textfehlern Hilfestellung zu geben. Während bei einer konsequenten historischen Edition die Konjektur eine wohl zu begründende Ausnahme bleiben muss, könnte bei einer kritischen Textausgabe immerhin der Vorschlag eines Alternativwortlauts oder einer alternativen Setzung einer Interpunktion diskutiert werden. Dass die Handschrift in ihrem originalen Wortlaut, in der Orthographie bis hin zu Zeichensetzung und anderen bedeutungstragenden Zeichen für eine authentische Wiedergabe des Textzeugen unangetastet bleiben muss, bedarf heute keiner weiteren Begründung.⁴⁹ Es kann nicht die Aufgabe eines Herausgebers sein, ein Werk, das ein Autor unabgeschlossen, vielleicht gar in der Gestalt eines flüchtigen Entwurfs, hinterlassen hat, zu vollenden. Gerade das Fragmentarische bleibt als solches eine nicht zu unterdrückende Aussage innerhalb einer kritischen Edition – ein Prinzip, von dem gerade in früheren Rilke-Editionen immer wieder abgewichen wurde. Und erst recht verbietet es sich, aus hinterlassenen Textelementen und Briefen – selbst wenn Rilke einmal eine spätere Ausarbeitung für eine Publikation erwogen haben sollte – eigene ›Werke‹ zu konstituieren; es gibt kein ›Werk‹ Briefe an einen jungen Dichter und keinen Essay Briefe über Cezanne;⁵⁰ in beiden Fällen sind es Ausschnitte aus Briefwechseln, die – ohne vollständigen Kontext und ohne Gegenbriefe – nicht in eine »Werk«-Ausgabe gehören. – Dass jede kritische Ausgabe in einem Apparat Gelegenheit bieten muss, Entscheidungen der Herausgeber zu erläutern und vermeintliche Fehler oder Unwägbarkeiten zu dokumentieren, sollte selbstverständlich sein. Auch gestrichene Textpartien oder erwogene Textergänzungen können spätestens an dieser Stelle dokumentiert werden. Für kompliziertere Entwürfe, mehrfach korrigierte Niederschriften bietet die in neuester Zeit entwickelte ›genetisch-integrative Darstellung‹⁵¹ eine diskutable, selbst für eine kritische Leseausgabe akzeptable Möglichkeit. *
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Dagegen meint Ernst Zinn, »das übliche Fehlen normaler Satzzeichen in einem rilkeschen Konzept braucht auch ein kritischer Apparat nicht zu verbuchen«. (Mitteilungen zu R. M. Rilkes Ausgewählten Werken, in: Dichtung und Volkstum, Euphorion, 40 (1939), S. 119–132, hier S. 125). So in KA, Bd. IV, S. 514–548 und S. 594–636. Vorbildlich ausgebildet in der neuen Edition von C. F. Meyers Briefwechsel, hg. von Wolfgang Lukas und Hans Zeller, Bd. I ff., Bern [ab Bd. IV: Göttingen] 1998 ff.
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Für die Edition verstreut veröffentlichter Werke – von Gedichten, Erzählungen und anderen Prosatexten – sollten ähnliche Grundsätze gelten wie für die Bearbeitung von nur handschriftlich überlieferten Texten. Wie oben bereits ausgeführt, hat Rilke in Zeitschriften, Jahrbüchern und anderen Sammelwerken publizierte Texte nicht mit der gleichen Sorgfalt überwacht wie die Erscheinungen in Buchform. Er scheint vor allem keine Korrekturen gelesen zu haben. Die meisten Einzeldrucke erschienen unter der Aufsicht von Anton und Katharina Kippenberg in den Almanachen des Insel-Verlages, in den letzten Jahren dann auch im Insel-Schiff. Die handschriftlichen Druckvorlagen liegen fast ausnahmslos im Kippenberg-Archiv. Da bei der Druckvorbereitung mit Eingriffen, die nicht auf den Autor zurückgehen, aber auch mit Setzerversehen zu rechnen ist, bietet es sich an, in diesen Fällen in der Regel auf die erhaltenen Druckvorlagen zurückzugreifen. In wie weit die handschriftlichen Druckvorlagen auch für außerhalb des Insel-Verlags erschienene Einzelveröffentlichungen überliefert sind, konnte bislang nicht generell geklärt werden, da vor allem die im Rilke-Archiv in Gernsbach verwahrten Dokumente zur Zeit noch nicht durchgehend erschlossen sind.⁵² Bei den Buchveröffentlichungen zu Lebzeiten des Dichters ist die Situation komplizierter. Wie gezeigt ist hier mit Änderungen und Korrekturen während der Drucklegung zu rechnen. Alle Drucke sind mit der vollen Zustimmung Rilkes erfolgt. Druckvorlagen sind zudem nur teilweise überliefert. Andererseits hat Rilke recht häufig Druckfehler und irreführende Eingriffe des Setzers beim Korrekturlesen übersehen. Grundsätzlich sollte gelten, dass die Erstdrucke bzw. bei Überarbeitungen die erste Ausgabe der revidierten Fassung als Grundlage der Edition gewählt werden. Eine ›Ausgabe letzter Hand‹ ist nicht mehr zustande gekommen. Eine sechsbändige Gesamtausgabe war zwar zu Rilkes Lebzeiten vom Insel-Verlag geplant worden; sie sollte ursprünglich zum 50. Geburtstag des Dichters erscheinen und erste Absprachen über eine grobe inhaltliche Gliederung und über das Format der Ausgabe erfolgten noch in den Jahren 1922 bis 1925. Da jedoch Rilke an einem solchen Unternehmen nicht sonderlich interessiert war, verzögerten sich die Vorbereitungen, und zu einer letzten Sichtung und Überarbeitung der aufzunehmenden Texte durch den Autor ist es nicht mehr gekommen. Die dann ein Jahr nach seinem Tod bereits erscheinende Gesamtausgabe stellt die bereits im Verlag veröffentlichten Texte ohne eine gründliche Überprüfung zusammen, so dass die ›Verwitterungserscheinungen‹, die sich bei fast allen
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Zum Gernsbacher Rilke-Archiv siehe die Ausführungen oben S. 300 f. Aber auch andere Fundorte von Handschriften Rilkes sind in dieser Hinsicht noch nicht voll erschlossen.
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Werken im Laufe ihrer vielfach neugesetzten Nachdrucke eingestellt hatten, in diese Ausgabe mit eingingen. So stehen die Erstausgaben (einschließlich der überarbeiteten Neuauflagen) zweifellos der Autorintention am nächsten. In wieweit ein Herausgeber bei der Textrevision über die Korrektur von Druckversehen hinausgehen sollte, kann nicht allgemein geklärt werden. In Einzelfällen kann eine erhaltene handschriftliche Druckvorlage Fingerzeige geben, wo dem Lektor oder Setzer Fehlleistungen unterlaufen sind, die der Dichter beim Korrekturlesen übersehen hatte und die immerhin entscheidend die Bedeutungsstruktur einer Textpartie verändern können. Einen besonders krassen Fall teilt Ernst Zinn für das Requiem. Für eine Freundin mit. Im Erstdruck lautet der Wortlaut von Vers 213–216: […] es ist zu schwer für uns das wirre Leiden von der falschen Liebe, das bauend auf Verjährung wie Gewohnheit, ein Recht sich nennt […] (Hervorhebung G. M.) Die Abschrift des Gedichtes für seine Frau Clara enthält, wie Zinn – sicherlich zutreffend – feststellt, »die allein sinnvolle Lesart«⁵³: […] von der falschen Liebe, die, bauend auf Verjährung wie Gewohnheit, […] (GS 501) Schwierig ist die Frage zu entscheiden, ob im Fall des Malte die erhaltene Handschrift im Berner Taschenbuch⁵⁴ berechtigt, im zweiten Teil des Romans Konjekturen einzubringen, die über die reine Textfehler-Korrektur hinausgehen. So deckt der Vergleich des Erstdrucks mit der Handschrift in mehreren Fällen Korruptelen auf, die in der Mehrzahl vermutlich auf das Diktat des Romantextes durch den Dichter zurückzuführen sind: So lesen wir im Berner Taschenbuch über einen »Einsamen« den Satz: Sie [die Kinder] spürten ihn auf in seinem Versteck, wie ein jagdbares Thier, und seine lange Jugend war ohne Schonzeit. (BT, 83)
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SW, Bd. I, S. 789. – Die zitierte Textstelle steht in SW, Bd. I, S. 654. Der Text von BT setzt inmitten der 36. Aufzeichnung (GS, S. 597) ein.
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An drei Stellen verändert der Erstdruck (Teil II, 80) diesen Satz: Sie spürten ihn auf in seinem Versteck wie ein jagbares Tier, und seine lange Jugend war ohne Schonzeit. Den Wegfall des Kommas nach »Versteck« und die (damals wie auch heute regelwidrige) Schreibung »jagbares« dürfte dem Dichter beim flüchtigen Korrekturlesen übersehen haben; in beiden Fällen wird ein vom Autor vorgenommenes Abweichen von der handschriftlichen Fassung kaum anzunehmen sein. So liegt es nahe, in einer kritischen Textausgabe das in der Erstausgabe die Tilgung des Kommas und den Wegfall des »d« in »jagdbares« wieder rückgängig zu machen. Das eigentliche Problem einer solchen Konjektur besteht nun darin, dass für die ersten 85 Seiten des Romans (Seitenzählung nach GS) die handschriftliche Vorlage, nach der Rilke diesen Teil des Textes in die Maschine diktierte, nicht überliefert ist. Somit besteht für den Beginn des Romans kaum eine Möglichkeit, verborgene ›Fehler‹ des Erstdruckes zu entdecken.⁵⁵ Selbstverständlich müssen in einer kritischen Textausgabe die seltenen Fälle, in denen Rilke selbst nachträglich Fehler im Erstdruck bemerkt und korrigiert, berücksichtigt werden. So musste der Dichter »bei der ersten Durchsicht« des soeben ausgelieferten Bandes Der neuen Gedichte anderer Teil feststellen, dass im Gedicht Klage um Jonathan (GS, 418) der vierte Vers der dritten Strophe des Gedichtes lautete: wie wunde Tiere auf den Lagern röhren, Noch auf den Korrekturfahnen hatte er den korrekten Wortlaut vorgefunden: wie wunde Tiere auf den Lagern löhren, möchte ich mich legen mit Geschrei: In seinem Brief an Anton Kippenberg vom 3. November 1908 erklärt er seinem Verleger, warum er mit dem eigenmächtigen Eingriff des Lektors oder Setzers nicht einverstanden sein kann:
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In den GS haben sich die Herausgeber im vollen Bewusstsein, dass dadurch im Gesamtrahmen des Romans eine Ungleichheit der Textbehandlung entsteht, entschieden, die Handschrift des Berner Taschenbuchs als Grundlage für einzelne Korrekturen in der zweiten Hälfte des Romans zu nutzen.
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Es mag übertrieben sein, wenn ich diese Abänderung als wesentlich störend empfinde, aber es ist so: »lören« enthält so viel von Thierklage, auch wilder Thiere, hat einen etwas anderen Ö-Laut, und das l ist an dieser Stelle ebenso korrespondierend mit »Lagern« und dem »legen« der kommenden Zeile, wie das r schwierig und widerstrebend und nach »Lagern« geradezu unmöglich ist [.]⁵⁶ Die Begründung habe ich hier so ausführlich zitiert, weil sie ein erhellendes Licht wirft auf die hohe Bewusstheit und Sensibilität, mit der Rilke seine Verse gestaltet – geradezu eine Mahnung an den Herausgeber kritischer Textausgaben, die Lautnuancierungen und Assoziationsmöglichkeiten, die Rilke in seinen unerwarteten oder gar regelwidrigen Schreibweisen und Zeichensetzungen intendiert, in einer authentischen Textkonstitution zu bewahren und nicht durch vorschnelle Eingriffe oder ›gut gemeinte‹ Normalisierungen zu verdecken. * »Was ein Verlag thun kann – und das ist sehr viel –, um einem Buch die richtige Gestalt zu geben und um es den rechten Händen zuzuführen, das haben Sie am Stunden-Buch gethan«, schreibt Rilke ganz beglückt über den unerwarteten Erfolg seines Gedichtbuches am 9. Februar 1907 seinem Verleger Anton Kippenberg.⁵⁷ In der Tat, Rilke hat viel Glück gehabt, in Anton Kippenberg einen Verleger zu finden, der stets ein offenes Ohr für seine Wünsche und eigenwilligen Vorstellungen hatte. Kippenberg hat ab 1906 in einem intensiven Briefwechsel und im persönlichen Gespräch mit seinem Dichter Lösungen für die Drucklegung von dessen Werken entwickelt, die weitgehend den Intentionen des dichterischen Freundes entgegenkamen. Die »Umsicht und die Sorgfalt«, die Rilke an der Arbeit des Insel-Verlages lobte, müssen sich – unter veränderten Voraussetzungen – heutige Verlage und die von ihnen bestellten Herausgeber teilen, um Texte des Dichters in der gebotenen Authentizität zu erstellen und zu veröffentlichen. Für beide, für die Editoren wie auch für die Verlage, bedeutet die Übernahme einer solchen Aufgabe in vieler Hinsicht eine hohe Herausforderung: Die Überlieferung des zu edierenden Werks zu ergründen und textkritisch auszuwerten, ist der zeitaufwändige und mit manchem Einsatz verbundene Auftrag an den Philologen; das Ergebnis seiner Arbeit für die Drucklegung in angemessener Weise umzusetzen sodann die Oblie-
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Briefwechsel mit Anton Kippenberg, Bd. I, S. 132, Hervorhebungen von Rainer Maria Rilke. Im selben Brief moniert er drei weitere Druckfehler. Ebd., Bd. I, S. 64.
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genheit des Verlegers. Ist er bereit, den Ansprüchen einer kritischen Textausgabe gerecht zu werden, wird er von den gewohnten Bahnen der drucktechnischen Aufbereitung ihm vorgelegter Druckvorlagen abgehen müssen; die Originalität der Autortexte ist nur zu wahren, wenn er akzeptiert, dass ein Gesamtwerk, das viele Phasen seiner historischen Entwicklung durchläuft, nicht den heute gültigen Regeln für Orthographie und Interpunktion entsprechen, dass es in keiner Weise den Anforderungen einer einheitlichen Einrichtung des Satzes und der Layouts genügen kann, dass unterschiedliche Fertigkeitsgrade der vom Autor überlieferten Materialien nicht durch die Drucklegung verwischt werden dürfen. Unter diesen Voraussetzungen könnten schon heute – vor dem Erscheinen einer historisch-kritischen Gesamtausgabe – authentische Texte Rainer Maria Rilkes bereitgestellt werden, die gerade in ihrer unkonventionellen Präsentation, in ihrem Abgehen von vertrauten Formen der Textualität das poetische Werk dieses Dichters in seiner ganzen Originalität und zeitgenössischen Aktualität zur Geltung bringen.
sebastian paul klinger
»ein wort, das ich vor einiger zeit bei leo schestow gelesen habe...« Eine neue Lektüre Paul Celans
Einleitung Seit einiger Zeit deutet sich eine allmähliche Wiederentdeckung des russischen Religionsphilosophen Lev Šestov (1866–1938) an.¹ Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem zwei Aspekte: zum einen Šestovs Formulierung einer eigenwilligen und jüdisch gefärbten Existenzphilosophie, zum anderen die von ihm ausgehenden Impulse für zahlreiche gewichtige Denker des zwanzigsten Jahrhunderts.² Wie selbstverständlich zählt die Šestov-Forschung dabei auch Paul Celan zu den von ihm beeinflussten Autoren.³ Die Celan-Philologie hat Šestov dagegen bislang kaum wahrgenommen. Schließlich erwähnt Celan ihn in seinem gesamten veröffentlichten Werk lediglich ein einziges Mal, wenn auch an exponierter Stelle exakt in der Mitte der Meridian-Rede – doch selbst dort nur, um auf einen anderen Philosophen zu verweisen: »Erlauben Sie mir, [...] hier ein Wort von Pascal zu zitieren, ein Wort, das
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Bei allen russischen Namen verwende ich die wissenschaftliche Transkription; in Zitaten werden sie jedoch unverändert wiedergegeben. Darunter finden sich unter anderem Gershom Scholem, Jacob Taubes, George Steiner, Albert Camus, E. M. Cioran, Vladimir Jankélévitsch, Emmanuel Lévinas, Gilles Deleuze oder Georges Bataille. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, Unterwegs vom Nichts durch das Sein zur Fülle. Russisch-jüdische Wegmarken zu Philosophie und Religion, Münster 2006 (Fundamentaltheologische Studien, 37). Als Einführung in Šestovs Werk empfehle ich folgende Arbeiten besonders: Michaela Willeke, Lev Šestov; Ramona Fotiade, Conceptions of the absurd. From surrealism to the existential thought of Chestov and Fondane, Oxford 2001; Frederick Charles Copleston, Russian religious philosophy. Selected aspects, Tunbridge Wells and Kent 1988, S. 101–124. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 42.
»ein wort, das ich bei leo schestow gelesen habe...«
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ich vor einiger Zeit bei Leo Schestow gelesen habe: ›Ne nous reprochez pas le manque de clarté, puisque nous en faison profession.‹«⁴ Dieser vermeintlich marginalen Belegstelle stehen allerdings ein weitreichendes und bisher kaum gewürdigtes »philosophische[s] Interesse Celans an Šestov entgegen, das am Profil seiner Bibliothek deutlich belegbar ist«,⁵ sowie zahlreiche Erwähnungen in den Materialien und Entwurfsstufen zur MeridianRede. Dort finden sich nicht nur etliche Bezüge zu Šestov, sondern zudem überproportional viele unter den ersten Notizen (vgl. TCA M, 90). Obwohl Bernhard Böschenstein an anderer Stelle darauf insistiert, dass die Notate generell keinen direkten Schluss auf die Genese des Textes zulassen, sondern einen eigenständigen poetologischen Wert besitzen,⁶ zeichnet sich darin Šestovs Relevanz für eine Interpretation der Meridian-Rede ab, die durch ihren überragenden Stellenwert auf Celans gesamte Poetik ausstrahlt. So berichtet etwa Böschenstein: »[Celan] gab mir zu verstehen, dass er in dieser Rede gesagt hatte, was er zur Dichtung zu sagen hatte. Daher verwies er immer wieder auf den Meridian.«⁷ Darüber hinaus hat die zunehmende Erschließung von Celans Bibliothek seit Beginn der 1990er Jahre⁸ seine weitreichende Auseinandersetzung mit Šestov dokumentiert, deren Umfang und Intensität ebenso im Verhältnis zu dem singulären Textzeugnis aus der Meridian-Rede wie im Gesamtkontext von Celans philosophischen Studien überraschen. Christine Ivanović merkt an: Die Bestände philosophischer Werke in Celans Bibliothek sind beachtlich und zeugen von intensiver Lektüre. Wenngleich der Schwerpunkt deutlich bei den Schriften Heideggers und Husserls liegt, so sind doch in diesem Bereich dringend Differenzierungen und Neubewertungen erforderlich, wie die aus dieser philosophischen Auseinandersetzung heraus begründete Dimension
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Paul Celan, Der Meridian. Endfassung – Entwürfe – Materialien, in: Werke. Tübinger Ausgabe, hg. von Bernhard Böschenstein u. a., Frankfurt a. M. 1999, S. 7 u. 27. Im Folgenden direkt im Text zitiert unter TCA M, Seite, Nummer. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung. Dichtung und Poetik Celans im Kontext seiner russischen Lektüren, Tübingen 1996, S. 21. Vgl. Bernhard Böschenstein, Der Meridian, in: Celan-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung, hg. von Markus May u. a., Stuttgart 2008, S. 168. Bernhard Böschenstein, Der Meridian, S. 174. Vgl. Christine Ivanović, »Kyrillisches, Freunde, auch das...«. Die russische Bibliothek Paul Celans im Deutschen Literaturarchiv Marbach, Marbach am Neckar 1996 sowie Paul Celan: La Bibliothèque philosophique. Die philosophische Bibliothek. Catalogue raisoné des annotations, hg. von Alexandra Richter u. a., Paris 2004.
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seiner Poetik und Dichtung überhaupt noch nicht einmal ansatzweise erfaßt zu sein scheint.⁹ Die folgende Arbeit wird deshalb erstmals die Frage nach dem Verhältnis von Paul Celan und Lev Šestov ins Zentrum rücken. Ausgehend von einer Rekontextualisierung der umfangreichen Šestov-Lektüre Celans werde ich am Beispiel der Meridian-Rede zu zeigen versuchen, in welchem Maß seine Poetik in struktureller, motivischer und sogar terminologischer Hinsicht auf Šestov zurückgreift. Damit möchte ich zugleich ein neues Licht auf den philosophischen Hintergrund von Celans Poetologie werfen.
Rekontextualisierung von Celans Šestov-Studien Wahrscheinlich hat erstmals E. M. Cioran Celan auf Šestov aufmerksam gemacht, in dessen Leben Šestov eine »wichtige Rolle [...] gespielt«¹⁰ hat und den er in Frankreich neu herausgab. Dieses Interesse Celans fällt in die Zeit einer schwerwiegenden Identitätskrise mit anschließender Neuorientierung. Maßgeblicher Gegenstand ist Celans Judentum, dem gegenüber er zutiefst ambivalent eingestellt ist: Parallel zur diskursiven Tabuisierung einer positiven jüdischen Identität im Nachkriegsdeutschland versucht Celan zwischen 1948 und 1959 sein anfängliches Selbstverständnis als jüdischer Dichter zu überwinden, in Paris sogar zu verbergen.¹¹ Buchkäufe und Lektüren belegen, dass sich Celans Einstellung zum Judentum frühestens ab Mitte der 50er Jahre erneut zu verändern beginnt, wohl in Verbindung mit der Lektüre Gershom Scholems.¹² Besonders seit seiner Entdeckung Mandel’štams 1957 / 1958 nimmt dann auch die Beschäftigung mit dem Judentum kontinuierlich zu und flacht erst nach 1960 wieder etwas ab.¹³ Celans Studien führten dabei zwar zu einer Einbettung des Holocausts und der eigenen Erfahrungen in den Kontext der jüdischen Tradition, die sich besonders im sprunghaften Ansteigen der Intertextualität in Celans Werk spiegelt. Sie 9 10 11 12 13
Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 354. E. M. Cioran, Ein Gespräch mit Sylvie Jaudeau. Übersetzt von Verena von der HeydenRynsch, St. Gallen 1992, S. 7. Vgl. James K. Lyon, Judentum, Antisemitismus, Verfolgungswahn: Celans »Krise« 1960–1962, in: Celan-Jahrbuch, 3 (1989), S. 175–204. Ebd., S. 179. Vgl. Amir Eshel, Von Kafka bis Celan: Deutsch-Jüdische Schrifsteller und ihr Verhältnis zum Hebräischen und Jüdischen, in: Jüdische Sprachen in deutscher Umwelt. Hebräisch und Jiddisch von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Michael Brenner, Göttingen 2002, S. 103.
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mündeten aber zu keinem Zeitpunkt »in ein Glaubensbekenntnis«.¹⁴ Celan blieb »militant atheist, but he did develop an interest in the cabbala«.¹⁵ Gerade Celans Freundschaft mit Nelly Sachs, von der sich Celan »eine tiefe religiöse Auseinandersetzung«¹⁶ erhofft, profiliert diese eher soziokulturelle denn religiöse Lesart des Judentums. Obwohl beide mit der jüdischen Mystik vertraut sind, fällt es Celan schwer, Sachsʼ festen Glauben nachzuvollziehen.¹⁷ Insbesondere setzt er sich von ihrer geschichtstheologischen Deutung des Holocausts ab, die den organisierten Massenmord dialektisch in einen göttlichen Heilsplan integriert.¹⁸ Dennoch teilen Celan und Sachs zuerst in Zürich und anschließend in Paris eine Erfahrung der mystischen Präsenz Gottes.¹⁹ Das führte allerdings nicht zu einem Richtungswechsel in Celans religiöser Haltung. Stattdessen verstärkte es seine Suche nach einer positiven Identität als Jude im säkularen Sinn. In dieser besonderen Konstellation entwickelte sich die Goll-Affäre nicht zuletzt aufgrund des sich herauskristallisierenden antisemitischen Untertons der Debatte zum Auslöser eines schwelenden politischen und psychischen Konflikts. Besonders schwerwiegend ist, dass Celan die Plagiatsvorwürfe nicht in erster Linie gegen sein Werk gerichtet wahrnimmt, sondern darin seine gesamte Existenz in Frage gestellt sieht: Da er insbesondere bei der Todesfuge den reinen Realitätsbezug betont,²⁰ empfindet Celan die Plagiatsanschuldigungen als Versuch einer nachträglichen Vollendung der »Endlösung«.²¹ Celan reagierte darauf mit einem doppelten Reflex. Einerseits setzte er seine eigene Position absolut, einschließlich der kategorialen Ablehnung jeder Unter14 15 16
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Wolfgang Emmerich, Paul Celan, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 109. Victor Terras, und Karl S. Weimar, ›Mandelstam and Celan‹: A postscript, in: Germano-Slavica, 2 (1976–1978), H. 5, S. 369. Gisela Dischner, »...so die wildernde Überzeugung, daß dies anders zu sagen sei als so.« Postkabbalistische Poetik: Nelly Sachs und Paul Celan, in: Celan-Jahrbuch, 8 (2001 / 2002), S. 160. Edith Silbermann diagnostiziert ihm eine »hadernde[] Hiobshaltung«, Emmerich spricht von einem »Glauben-Wollen und Nicht-Glauben-Können, das ihn bis an sein Lebensende begleitet«. Vgl. Edith Silbermann, Begegnung mit Paul Celan. Erinnerung und Interpretation, Aachen 1993, S. 33, Wolfgang Emmerich, Paul Celan, S. 105. Vgl. Jean Bollack, Paul Celan und Nelly Sachs. Geschichte eines Kampfes, in: Neue Rundschau, 105 (1994), H. 4, S. 123 f. Gisela Dischner belegt das anhand von Celans Gedicht Zürich, Zum Storchen. Vgl. Dischner, »...so die wildernde Überzeugung, daß dies anders zu sagen sei als so«, S. 160. »Das ›Grab in der Luft‹ – lieber Walter Jens, das ist, in diesem Gedicht, weiß Gott weder Entlehnung noch Metapher.« (Kurs. P.C.) Brief an Walter Jens, 19. Mai 1961, in: Paul Celan – Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer »Infamie«, hg. von Barbara Wiedemann, Frankfurt a. M. 2000, S. 532. Vgl. den Brief an Siegfried Lenz, 27. Januar 1962, in: Barbara Wiedemann, Die Goll-Affäre, S. 554 f.
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suchung der Vorwürfe. Andererseits bestärkte die äußere Krise Celan in seiner komplexen Rückbesinnung auf eine jüdische Identität, die zeitgleich mit der GollAffäre ihren Höhepunkt erreichte.²² Dennoch war Celans Selbstwahrnehmung als Jude weiter zutiefst problematisch. Fraglich war aber nur mehr die Realisation, nicht länger die grundsätzliche Bejahung wie noch zu Beginn der 1950er Jahre. Entsprechend entwickelt Celan eine neue Sensibilität für Antisemitismus,²³ die seine Abneigung gegen den westdeutschen Literaturbetrieb bis ins Pathologische hinein verstärkt. Im Gegenzug figuriert Celan ein utopisch aufgeladenes Russland als ideellen Gegenpol zur westdeutschen Wirklichkeit. Seine Auseinandersetzung mit Russica ist demnach von Anfang an existentiell aufgeladen. Ihren Höhepunkt erreicht sie in der Mandel’štam-Rezeption von 1957 / 1958 bis 1960 / 1961²⁴ und fällt demnach mit der Suche nach einer positiven jüdischen Identität zusammen. Entsprechend verschiebt sich Celans Russland-Bild in diesem Zeitraum fundamental. Im Frühwerk erscheint es noch als »Chiffre für Tod und Untergang«.²⁵ Erst in Paris verbinden sich geografische und spirituelle Heimat der auf russischem Boden Getöteten, »die Sehnsucht nach der verlassen-verlorenen Heimat gerinnt zusammen mit dem Totengedächtnis«.²⁶ Gleichzeitig ist Celans russische Lektüre grundlegend mit Fragen jüdischer Identität verschränkt. Der Slavist Emmanuel Rais, der für sich in Anspruch nimmt, Celan und andere mit Mandel’štam bekannt gemacht zu haben,²⁷ betont deswegen: »[...] for a long time our contacts stayed alive not primarily through Russian literature, but rather through questions of religious Judaism and the cabbala.«²⁸ In einem Brief vom März 1962 zeigt Celans Unterschrift auf Russisch die ganze Ambivalenz seiner neu gewonnenen Identität als »osteuropäischer Jude«: »Paul, Sohn von Leo Celan, russischer Dichter in den Ländern der deutschen Heiden. ’s ist nur ein Jud.«²⁹ Das Judentum wirkt als Klammer, die die einzelnen Stränge der Identität synthetisiert. Durch die zunehmende Fokussierung auf Mandel’štam tritt die Breitenwahrnehmung von Russica weitgehend zurück. Doch auch diese Rezeption bleibt 22 23 24 25 26 27
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Vgl. James K. Lyon, Judentum, Antisemitismus, Verfolgungswahn, S. 175. Ebd., S. 187. Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 70. Ebd., S. 57. Ebd. Vgl. Victor Terras und Karl S. Weimar, Mandelstam and Celan: A postscript, S. 366 f. Im Folgenden weitet Rais diesen Anspruch noch auf nahezu alle anderen für Celan wichtig gewordenen russischen Autor/innen aus, etwa auf Marina Cvetaeva. Ebd., S. 369. James K. Lyon, Judentum, Antisemitismus, Verfolgungswahn, S. 200.
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hochgradig selektiv, sofern sie sich nicht in Celans Lesart von Mandel’štam als exemplarischer Verkörperung aller jüdischen Opfer der Shoah einpassen lässt. In der Folge beginnt die Filterung des poetologischen Sachgehalts den Aufbau von individuellen Identifikationsfiguren zu unterfüttern.³⁰ Im Extremfall reicht die emotionale Wahlverwandtschaft so weit, dass »Celan sich in seinem Selbstverständnis mit Mandel’štam auf wichtigen Strecken eins glaubte«.³¹ Diesen Mechanismus der ›produktiven Aneignung‹, den die Erschließung von Celans Mandel’štam-Rezeption klar herausgearbeitet hat, erachtet Ivanović sogar als Schlüssel zu Celans gesamtem Werk.³² Tatsächlich gibt es für Celan grundsätzlich einen fließenden Übergang zwischen Lesen und Schreiben, er ist »poète en lecteur [...] poète au crayon« (Kurs. J.-P. L).³³ Das reicht so weit, dass er seine Lektüren wie Gedichte und Übersetzungen datiert, sie also unmittelbar in sein Leben und Werk einträgt.³⁴ Zudem liest er gewissermaßen im Akut, vorherrschend ist eine »ungewöhnlich starke biographische Lesart [...], die bisweilen ins Identifikatorische geht«.³⁵ Gemessen an allen Lektüren ist damit insgesamt eine gewollte Konzentration auf jüdische Autoren verbunden, deren Rezeption Celan direkt auf die eigene Lebenssituation zuschneidet. So unterlegt er ihnen »biographische, geistige oder historische Übereinstimmungen, die er als ›Selbstbegegnungen‹ bezeichnet«.³⁶ Am Ende der Büchnerpreis-Rede nennt Celan diese existentiell-intellektuelle Erfahrung explizit einen »Meridian« (TCA M, 12, 50c). Die Auseinandersetzung mit russischer Literatur und besonders Mandel’štam ist deshalb noch unter einem anderen Gesichtspunkt für Celan relevant: Sie »hatte wesentlichen Anteil an der dichterischen ›Selbstfindung‹, die ihm um 1960 gelang und mit dem Band Niemandsrose in spezifischer Weise abgeschlossen wurde«.³⁷ Obwohl sich Celans Beschäftigung mit poetologischen Fragen bis ins Frühwerk zurück verfolgen lässt,³⁸ arbeitet er seine Konzeption der dialogischen 30 31 32
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Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 226. Bernhard Böschenstein, Celan und Mandelstamm. Beobachtungen zu ihrem Verhältnis, in: Celan-Jahrbuch, 2 (1988), S. 157. Zu einem detaillierten Forschungsüberblick zu Mandel’štam und der Begriffsgeschichte der produktiven Auseinandersetzung vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 212–246, hier 224. Jean-Pierre Lefebvre, Préface, in: Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, hg. von Alexandra Richter u. a., S. XIX. Vgl. Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, S. 734. Ebd. Ebd., S. 740. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 37. Vgl. dazu Paul Celans Essay Edgar Jené und der Traum vom Traume und die einschlägigen Arbeiten in: »Displaced«. Paul Celan in Wien 1947–1948, hg. von Peter Goßens und Marcus G. Patka, Frankfurt a. M. 2001.
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Dichtung, die »eine Atemwende bedeuten« kann (TCA M 7, 29b) erstmals um 1960 herum in expliziter Form aus und hält dann noch im Spätwerk unverändert daran fest.³⁹ Ivanović stellt die Bedeutung der Ost-West-Polarität für Celan so stark heraus, dass sie Šestov »philosophisch wie weltanschaulich [...] als Gegenpol zu Heidegger und Husserl«⁴⁰ beurteilt. Problematisch an dieser Einschätzung ist, dass darin die Konturen von Ideengeschichte und Celans idiosynkratischer Rezeption verschwimmen. Husserls Beispiel macht das transparent:⁴¹ Während der historische Šestov dessen Erkenntnistheorie tatsächlich entschieden abgelehnt hat, waren beide privat »Freunde fürs Leben«.⁴² Husserl selbst hat ihr Verhältnis prägnant auf den Punkt gebracht, wenn er Šestov in einem Brief als »[v]erehrter Freund und Antipode«⁴³ anspricht. Umgekehrt schreibt Šestov in Le pouvoir des clefs über Husserl: »Cʼest le seul homme au monde que jʼimaginais ne pas devoir comprendre mes questions. Et cʼest un des rares qui aient compris, ou mieux! qui aient entendu ces questions.« (Kurs. L.Š.)⁴⁴ Diese Passage hat Celan in seiner Ausgabe unterstrichen.⁴⁵ Fraglich ist also, inwieweit er bei einer stark persönlich motivierten Lektüre den philosophischen Gegensatz tatsächlich als unüberbrückbar wahrgenommen hat. Gleichzeitig unterstreicht Ivanovićʼ Einschätzung den hohen Stellenwert Šestovs für Celan. Folgt man den Beständen seiner Bibliothek, hat er Šestovs Oeuvre nahezu vollständig gelesen, was sonst allenfalls für Husserl oder Heidegger zutrifft.⁴⁶ Dabei tragen die sechzehn Titel in drei Sprachen (russisch, französisch, deutsch) nicht nur reichhaltige Lesespuren, sondern enthalten auch »in ungewöhnlicher Häufung [...] explizite Verweise auf eigene Gedichte oder Prosatexte«;⁴⁷ ebenso gibt es zahlreiche Referenzen zu Mandel’štam.⁴⁸
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Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 226. Ebd., 354 f. Šestovs Auseinandersetzung mit Heideggers Neuinterpretation der Phänomenologie war weniger intensiv, ruhte aber gleichfalls auf wechselseitiger Sympathie. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 34 f. Stephen Armstrong, Leo Schestows Philosophie der schöpferischen Freiheit, Köln 2005, S. 21. Brief von Husserl an Šestov vom 3. Juli 1930. Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 34. Lev Šestov, Le pouvoir des clefs (Potestas clavium). Mit dem Vorwort »Recontres avec Léon Chestov« von Benjamin Fondane, Paris 1967, S. 19. Vgl. Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique. Die philosophische Bibliothek, S. 621. Vgl. ebd., S. 733. Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 354. Z.B. vgl. Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, S. 606.
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Ähnlich wie bei Heidegger hat sich Celan immer wieder eingehend mit Šestov beschäftigt. Die erste gesicherte Šestov-Lektüre fällt wie das umfängliche Studium der meisten russischen und französischen Titel in den Herbst 1959; anschließend setzt sich Celan erneut Anfang und Ende 1961 intensiv mit ihm auseinander, was sich 1963 und 1967 in vergleichbarer Weise wiederholt.⁴⁹ Von Beginn an greift Celans Interesse an Šestov über das Werk hinaus. Es ist bezeichnend, wie klar sich das für Celans Identifikationsfiguren typische Profil aus östlicher Herkunft, jüdischer Identität und der historischen Erfahrung eines traumatischen Urerlebnisses, das auf die Sprache überspringt, auch bei ihm herauskristallisiert. Die dezidiert jüdische Komponente von Šestovs Denken ist in nuce bereits in seinem Pseudonym enthalten. Michaela Willeke entschlüsselt es als »kabbalistisches Wortspiel« mit einer appellativen Funktion zur aktiven Fortschreibung der jüdischen Tradition.⁵⁰ Šestov hatte sich gegen seinen Geburtsnamen »Švarcman« entschieden, um als Jude Zugang zur russischen Intelligenz zu bekommen, ohne konvertieren zu müssen. Dieser Versuch, selbst in feindseliger Umgebung unbedingt authentisch zu bleiben, hat zwei Facetten: Einerseits ist das Pseudonym selbstreflexiv und spiegelt die Ambivalenz einer Identität, in der das Verhältnis von positiver Selbst- und negativer Fremdbestimmung zugespitzt ist. Andererseits soll diese problematische Identität positiv und geradlinig gelebt werden können. Freiheit von äußerer Determination und Einschränkung ist das oberste Ziel. Diesen Zug zur kompromisslosen Ablehnung jedes Opportunismus, der sich in Šestovs Philosophie als konsequentes und notfalls radikales Zu-Ende-Denken von Argumenten spiegelt,⁵¹ hebt Celan auch bei Mandel’štam eigens hervor, von dem er betont, dass er »nie nach Canossa ging« (TCA M, 215, 4). Celans Šestovund Mandel’štam-Rezeption verzahnt sich hier besonders deutlich. Die beiden gegenläufigen Bewegungen der Identitätskonstruktion bezieht Šestov dann in seinem Konzept des »Verjuden«⁵² ausdrücklich aufeinander. Darunter versteht er in Aktualisierung einer spezifisch jüdischen Tradition der bedingungslosen Akzeptanz des Anderen letztlich den Garanten der menschlichen Humanität, die er in einen chiliastischen Kontext stellt.⁵³ Entscheidend für das »Verjuden« ist also die Geisteshaltung, nicht das religiöse Bekenntnis. 49 50 51 52
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Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 354. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 66 ff. Vgl. Frederick Charles Copleston, Russian religious philosophy. Selected aspects, S. 119–122. Der Begriff stammt von Šestovs Schüler Benjamin Fondane. Sich selbst hat Šestov nie explizit zu Fragen des Judentums geäußert. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 71 sowie Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, in: Lev Šestov: Tolstoi und Nietzsche. Die Idee des Guten in ihren Lehren, hg. von dems., München 1994, S. XII. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 71–75.
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Wenn Celan in den Notizen zum Meridian selbst ein erstaunlich ähnlich konturiertes Konzept des »Verjuden [s]« (vgl. TCA M, 130 f., 415–418, 199, 397) entwickelt⁵⁴ und dafür Marina Cvetaevas Diktum »Alle Dichter sind Juden« zitiert,⁵⁵ verweist das auf Šestov zurück, denn auch sie hat ihn intensiv gelesen.⁵⁶ Zugleich teilen Šestov und Celan einen quasi initiatorischen Moment des unverhofften Überlebens, der den innersten Kern ihres Schreibens ausmacht. Bei Celan liegt er eindeutig im Trauma der Shoah;⁵⁷ bei Šestov ist er diffuser, privater und ohne den epochalen Ereignisrahmen des Holocausts. Trotz etlicher Spekulationen⁵⁸ läuft alles auf ein »Erlebnis der absoluten Verzweiflung«⁵⁹ im Jahr 1895 zu, das für Šestov in eine Begegnung mit dem »Todesengel«⁶⁰ mündete. Daraus entsteht eine für ihn alles verändernde Zäsur, die er mit Shakespeares HamletWort als »the time is out of joint«⁶¹ umschreibt. Obwohl Šestov dieses Ereignis selbst lediglich einmal 1920 in seinem Tagebuch erwähnt, liest Boris Groys Šestovs gesamtes Werk ausschließlich als Reflexion über diese Katastrophe.⁶² Der Zweifel an einem natürlichen Weltverhältnis sickere schließlich in die Sprache selbst ein und lasse jede Aussage von Grund auf problematisch werden. Dadurch kreist Šestovs »Sprache immer um das eigentlich unbenannte tragische Erlebnis, das vielleicht das Erlebnis dieser Sprache selbst ist«.⁶³ Unabhängig davon ist der Verlauf von Celans Šestov-Lektüre anhand der Reihenfolge seiner Buchkäufe, deren Daten Celan meist auf den Vorsatzblättern einträgt, in ihren Grundzügen gut dokumentiert.⁶⁴ Dennoch schlägt bereits in Šestovs Kierkegaard et la philosophie existentielle, das Celan ab dem 21. August 54
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Vgl. Amir Eshel, Von Kafka bis Celan: Deutsch-Jüdische Schrifsteller und ihr Verhältnis zum Hebräischen und Jüdischen, S. 104; Sonja Klein, »– ach, die Kunst«: Celans Meridian oder Poetik aus dem Geiste des Judentums, in: Traditionen jüdischen Denkens in Europa, hg. von Sibylle Schönborn, Berlin 2012, S. 155 f. Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 288–300. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 42. Vgl. Winfried Menninghaus, Zum Problem des Zitats bei Celan und in der Celan-Philologie, in: Paul Celan, hg. von Werner Hamacher und Winfried Menninghaus, Frankfurt a. M. 1988, S. 177. Vgl. Stephen Armstrong, Leo Schestows Philosophie der schöpferischen Freiheit, S. 15 f. Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, S. XXV. Günter Schulte, Rasende Reden. Schestows radikale Vernunftkritik, Köln 1999, S. 18. William Shakespeare, Hamlet. Englisch-Deutsche Studienausgabe, hg. von Rüdiger Ahrens, u. a. Deutsche Prosafassung mit Anmerkungen von Norbert Greiner. Einleitung und Kommentar von Wolfgang G. Müller, Tübingen 2006, 1. Akt. 5. Szene, V. 188, hier S. 167. Vgl. Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, S. XIIf. Ebd., S. XIII. Die »Chronologie der philosophischen Lektüredaten« trennt nicht zwischen Kauf- und Lektüreeinträgen. Eine weitere Schwäche ist, dass die tabellarische Zusammenstellung eine dokumentarische Vollständigkeit suggeriert, die nicht gegeben ist. Etwa Šestovs Sur le con-
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1959 als ersten Titel liest, die Thematik jüdischer Identität durch. Der damals noch unbekannte Lévinas hatte 1937 in einer Rezension darüber geschrieben: »Auch kann man dieses Buch gar nicht genug jenen empfehlen, die ihr Judentum als Religion überdenken und neu erleben wollen.«⁶⁵ Wie implizit auch Buber⁶⁶ verhandelt Šestov hier die Schnittfelder von Religion und Philosophie. Sein Ziel ist es, zu einem biblisch fundierten Offenbarungsdenken durchzustoßen, das die Fesseln der Kausalität durch den Sprung in einen bedingungslosen Glauben lösen kann, wie er an Hiob und Abraham expliziert. Dafür ist die Akzeptanz des Absurden entscheidend, das immer über den Bereich der Rationalität hinausreicht. Kierkegaards Denken, das seinem eigenen sehr nahe steht,⁶⁷ weist für Šestov in diese Richtung: »Daher hat auch selten jemand sich darauf verstanden und den Willen gehabt, so rückhaltlos, so rasend, mit solcher Inbrunst das Absurde zu preisen, das dem Glauben den Weg bahnt.«⁶⁸ Zugleich bildet das Kierkegaard-Buch den Ausgangspunkt für den kontinuierlichen Erwerb weiterer Šestov-Titel. Ende September kauft Celan leicht gestaffelt innerhalb von nur zehn Tagen fünf Bücher. Das erste ist Le Pouvoir des clefs, wo Šestov Husserls Phänomenologie und den Idealismus kritisch reflektiert, das zweite LʼIdée de bien chez Tolstoi et Nietzsche, das die kantianische Idee des autonomen Guten für die Lebensführung verwirft. Stattdessen bettet Šestov sie in einen messianischen Rahmen ein. Analog zu Celans Skepsis gegenüber jeder Form des Messianismus⁶⁹ scheint seine Reaktion mit nur einer Anstreichung verhalten; der Titel bleibt der einzige aus Šestovs Frühwerk. Als nächstes kauft Celan den von Cioran herausgegebenen Essayband Les Révélations de la Mort. Er enthält unter anderem den im Meridian zitierten Essay La nuit de Gethsémani über Pascal. Als selbstständige Publikation hatte er großen Publikumserfolg,⁷⁰ ist aber nicht in Celans Bibliothek nachweisbar. Ein Notat
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fins de la vie, das reich annotiert ist, aber kein Datum trägt, fällt so durch die Raster. Vgl. Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, S. 763–767. Emmanuel Lévinas, Léon Chestov. Kierkegaard et la philosophie existentielle (Vox clamantis in deserto), in: Revue des Études Juives, 2 (1937). Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 72. Die Übersetzung stammt von ihr. Vgl. Michael Finkenthal, Lev Shestov: Existential Philosopher and Religious Thinker, New York 2010, S. 121. Zu den Differenzen von Kierkegaard und Šestov siehe José Raimundo Maia Neto, The Christianization of Pyrrhonism. Scepticism and faith in Pascal, Kierkegaard, and Shestov, Dordrecht 1995, S. 110–119. Lev Šestov, Kierkegaard und die Existenzphilosophie. Die Stimme eines Rufenden in der Wüste. Übersetzt von Hans Ruoff, Graz 1949, S. 279. Vgl. Paul Celan und Gisela Dischner, »Wie aus weiter Ferne zu Dir«. Briefwechsel, hg. von Barbara Wiedemann, Berlin 2012, S. 134. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 29.
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zum Meridian bezieht sich jedoch ausdrücklich auf diese Ausgabe (vgl. TCA M, 90, 140).⁷¹ Deshalb vermutet Böschenstein⁷² darin die Quelle für das »bei Leo Schestow gelesen[e]« Pascal-Zitat (TCA M, 7, 29), während Ivanović von Les Révélations de la Mort ausgeht.⁷³ Ebenfalls enthalten ist der Essay in der russischen Ausgabe von Auf Hiobs Waage. Darin profiliert Šestov gegenüber positivistischen und idealistischen Positionen ein – Willeke zufolge – spezifisch jüdisches Welt- und Gottesverhältnis,⁷⁴ das er wie im Frühwerk ausdrücklich in der Kunst umgesetzt sieht.⁷⁵ Außerdem erwirbt Celan am 29. September 1959 noch eine russische Ausgabe von Athen und Jerusalem, die eindringlich die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Vernunft in Anbetracht der Theodizee und des Geschichtsverlaufs stellt. Als letzter Titel vor der Meridian-Rede kommt am 1. Oktober 1959 eine zweite Ausgabe von Le pouvoir des clefs hinzu, nun ebenfalls auf Russisch. Dabei akzentuieren sowohl die doppelten Buchkäufe als auch die zusätzliche emotionale Aufladung durch den Sprachwechsel⁷⁶ die Bedeutung von Celans Šestov-Lektüre. Weit schwieriger als dem Lektüreverlauf zu folgen, gestaltet es sich, den genauen Gehalt der in den Titeln enthaltenen Lesespuren zu bestimmen. Das Grundproblem bleibt die spekulativ-systematische Erschließung von Celans Bibliothek: Während die lückenlose Erfassung von Lesespuren als heuristisches Problem bei allen Schwierigkeiten noch praktisch lösbar scheint, gilt das für hermeneutische Probleme nur unter starkem Vorbehalt. So erlaubt etwa das ›Fehlen‹ von Anstreichungen in bestimmten Büchern oder ganzen Werken in der Bibliothek kaum Rückschlüsse auf ihren Stellenwert für Celan.⁷⁷ Zum Beispiel weisen
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Vgl. Lev Šestov, La nuit de Gethsémani. Essai sur la philosophie de Pascal, Paris 1923, S. 18. Vgl. Bernhard Böschenstein, Die Büchnerpreisrede von Paul Celan, in: Ingeborg Bachmann und Paul Celan: Poetische Korrespondenzen. Vierzehn Beiträge, hg. von dems. und Sigrid Weigel, Frankfurt a. M. 2000, S. 269. Noch deutlicher Bernhard Böschenstein, Quelques observation sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du Méridien, in: Paul Celan, Poésie et poétique, hg. von Rémy Colombat u. a., Paris 2002, S. 286. Vgl. Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 355. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 36. Vgl. Lev Šestov, Auf Hiobs Waage. Über die Quellen der ewigen Wahrheiten. Übersetzt von Hans Ruoff und Reinhold von Walter, Berlin 1929, S. 93 ff. Rais berichtet über Celan: »He did not speak Russian well, nor did he like to speak it [...], but read it fluently and somehow ›felt‹ the language.« Vgl. Terras und Weimar: Mandelstam and Celan: A postscript, S. 367. Vgl. Axel Gellhaus, Marginalien. Paul Celan als Leser, in: »Der glühende Leertext«. Annäherungen an Paul Celans Dichtung, hg. von Christoph Jamme und Otto Pöggeler, München 1993, S. 41.
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die Werke Husserls kaum Lesespuren auf, während Celan Heidegger und Šestov stark annotiert und sogar immer wieder kommentiert.⁷⁸ Im Gegenzug klammert Alexandra Richters konstruktiver Versuch,⁷⁹ Roland Barthes’ ursprünglich mittels der Photographie entwickelte Unterscheidung von studium und punctum⁸⁰ auf die Literatur zu übertragen, nicht nur die medientheoretische Differenz zwischen Bild und Text und ihrer spezifischen Rezeption aus, sondern zieht damit auch eine allzu exakte Grenzlinie zwischen zwei Bereichen der Apperzeption, die in jeder Hinsicht verschwimmen. Außerdem wird die Methode unscharf, wenn ein Titel so stark annotiert ist, dass man tatsächlich von einem ›studium‹ sprechen könnte. Doch genau das ist – abgesehen von Idée de bien chez Tolstoi et Nietzsche – bei fast allen diesen Büchern der Fall. Ähnlich wie bei Heideggers Sein und Zeit versucht Celan, den Argumentationsgang entlang der Autorintention nachzuvollziehen. Deshalb halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Celan schon 1959 / 1960, auf jeden Fall vor Abfassung seiner Büchnerpreis-Rede, alle wesentlichen Teile von Šestovs Mittel- und Spätwerk tatsächlich gut kannte. Dazu kommt, dass in jedem von Šestovs Texten nahezu seine gesamte Philosophie angelegt ist, was ihm sowohl von Zeitgenossen als auch der Forschung den Vorwurf der Wiederholung bis hin zur »Monotonie«⁸¹ eingebracht hat. Boris Groys kommt allerdings auf den originellen Gedanken, darin eine Nähe zur minimal music auszumachen.⁸² Durch diesen Vergleich rückt Celans intensive Lektüre weniger in Richtung von philosophiehistorischen Studien, sondern gewinnt den Charakter einer Meditation im husserlschen Sinn, so dass es fast als ›Einübung‹ in Šestovs Denken erscheint. Was daraus für das Verständnis von Celans Poetik folgen könnte, möchte ich im Folgenden kurz skizzieren:
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Vgl. zu Martin Heidegger: ebd., S. 46 f. Vgl. Alexandra Richter, Poetica Potentialis. Die philosophische Bibliothek Paul Celans, S. 229. Barthes grenzt das ›studium‹ von einem Alltagsverständnis ab und bestimmt es als »Gefallen an jemandem, eine Art allgemeiner Beteiligung, beflissen zwar, doch ohne besondere Heftigkeit«. – Dagegen ist »punctum: der Moment, der mich unmittelbar be-trifft und fesselt.« Siehe Roland Barthes, Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie, Frankfurt a. M. 1989, S. 35 f. Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, S. XXVI. Vgl. ebd., S. XXVII.
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Der Meridian Celans Büchnerpreis-Rede Der Meridian kann als sein wichtigstes poetologisches Zeugnis gelten.⁸³ Sie ist das Resultat eines komplexen und im Wortsinn vielschichtigen Entstehungsprozesses, dessen frühestes Stadium bis in den Herbst 1959 zurückreicht und damit unmittelbar in den ersten Kernzeitraum von Celans Beschäftigung mit Šestov fällt.⁸⁴ Eingegangen sind darin neben den posthum veröffentlichten Entwürfen für eine Rede in Wuppertal (Von der Dunkelheit des Dichterischen) auch zentrale Gedanken aus Celans Radioessay über Die Dichtung Ossip Mandelstamms, die er teilweise wörtlich übernimmt.⁸⁵ Seit der Nachricht über den Preis am 11. Mai 1960 sind vielfältige auf den Meridian bezogene Notizen und Entwürfe dokumentiert. Dort ist auffällig, dass sich gerade unter den allerersten Notaten überproportional viele Bezüge auf Šestov finden (vgl. TCA M, 90), während er in der Endfassung der Rede lediglich zur Vermittlung von Pascals vermeintlicher Aussage »Ne nous reprochez pas le manque de clarté puisque nous en faisson profession«⁸⁶ (TCA M, 7, 27) zu dienen scheint. Um eine geläufige Meinung gleich vorweg und in aller Deutlichkeit auszuräumen: Um den historischen Pascal geht es hier bestenfalls am Rande. Celan stellt durch eine Epanalepse eigens heraus, dass er sein Pascal-Zitat »vor einiger Zeit bei Leo Schestow gelesen« hat und stuft es als »unvermittelt« ein (TCA M, 7, 27). Šestovs Pascal ist aber im Wesentlichen eine Projektionsfigur: »Pascal is one of Shestovʼs heroes mainly because Shestov models Pascalʼs after Shestovʼs own views.«⁸⁷ Šestovs Deutung basiert auf radikaler Selektion und Überinterpretation, die tiefenhermeneutisch für sich in Anspruch nimmt, einen durch und durch nicht-kanonischen Pascal freizulegen. Wie bei allen Autoren, die Šestov bearbeitet, versucht er nicht, ein philosophisches System zu rekonstruieren. Vielmehr zieht er lediglich einzelne Äußerungen heran, die er »als Chiffren einer bestimmten Haltung«⁸⁸ auffasst. Dafür nimmt er sogar in
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Vgl. Bernhard Böschenstein, Der Meridian, S. 174. Vgl. ebd., S. 167. Bernhard Böschenstein, Celan und Mandelstamm. Beobachtungen zu ihrem Verhältnis, S. 156 f. Vgl. das leicht abweichende Original in Blaise Pascal, Oeuvres complètes, hg. von Jacques Chevalier, Paris 1976, S. 1276: »Quʼon ne nous reproche donc plus le manque de clarté, puisque nous en faisons profession.« Maia Neto, The Christianization of Pyrrhonism. Scepticism and faith in Pascal, Kierkegaard, and Shestov, S. 104. Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, S. XIV.
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Kauf, seiner Lesart widersprechende Punkte bewusst auszublenden oder abzutun.⁸⁹ Allerdings besteht Šestovs Ziel nicht darin, eine andere, gar korrekte Philosophiegeschichte zu schreiben,⁹⁰ sondern durch die überzogene Radikalisierung überhaupt eine Auseinandersetzung zu erreichen, für die es nur eine nachgeordnete Rolle spielt, ob die Art der Befragung inhaltlich vom Primärtext gedeckt wird.⁹¹ Darin liegt der Kern von Šestovs Verfahren, das laut Willeke tief in der jüdischen Tradition wurzelt.⁹² Ähnlich wie Celan sieht sich Šestov vor allem im zaristischen Russland mit dem Problem konfrontiert, als Jude in Zeitumständen zu schreiben, die eine offene und positive Artikulation dieser Identität sanktionieren. Deshalb verlagert er die jüdische Tradition seines Denkens in die Methodik,⁹³ während auf der Textoberfläche heterogene und oft inkompatible Pendants aus der gesamten Geistesgeschichte die entsprechenden Gedanken ersetzen.⁹⁴ Der veränderte Sinnzusammenhang überschreibt ihre bisherige Bedeutung, wobei gerade die ständige »Überdetermination eine [...] paradoxale Signifikanz«⁹⁵ entstehen lässt. Auf diese Weise schließt Šestov an die Tradition der rabbinischen Hermeneutik an, die darauf abzielt, den invarianten Gehalt der Offenbarung Zeit und Kontext anzupassen und dadurch weiterzuvermitteln: »So entstehen immer wieder andere, neue Facetten des Sinns, die dennoch nicht beliebig sind, da sie an den Text und die Tradition selbst zurückgebunden bleiben«.⁹⁶ Dieses Konzept der Aktualisierung einer Autor-Intention aus der eigenen Perspektive, die jeder in seinem Begreifen selbst nachvollzieht,⁹⁷ haben schon Zeitgenossen an Šestov kritisiert: Statt den Sachgehalt der behandelten Autoren korrekt zu referieren und zu kommentieren, unterlege er ihnen ohne Markierung eigene Gedanken. Gegenüber den Einwänden seines Freundes Berdjaev besteht Šestov dagegen auf besonderer Quellentreue der Aktualisierung: 89
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José R. Maia Neto hat systematisch gezeigt, wie Šestov Pascal entkontextualisiert zitiert und ihm z. B. seine eigenen Positionen im Hinblick auf die Kirche (S. 106 f.), den Rationalismus beziehungsweise das Absurde (S. 108 f.), den deus absconditus und die Dunkelheit (S. 108 f.) unterlegt. Vgl. Maia Neto, The Christianization of Pyrrhonism. Scepticism and faith in Pascal, Kierkegaard, and Shestov, S. 103–108. Ebd., S. 110. Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 82–84. Vgl. ebd., S. 76. Vgl. ebd. Siehe dazu auch Franz Rosenzweig, Zweistromland. Kleinere Schriften zur Religion und Philosophie, Berlin 2001. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 175. Ebd., S. 80. Ebd., S. 77. Das betont Šestov selbst ebenso wie Böschenstein, Quelques observation sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du Méridien, S. 284.
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[Il] me reproche sans arrêt de chestoviser les auteurs dont je parle [...]. Je lui réponds chaque fois qu’il me fait trop honneur, et qui si vraiment j’avais moi même inventé ce que j’affirme, je devrais me gonfler de vanité. [...] C’est pourquoi d’alleieurs je donne toutes mes citations en grec et en latin. Pour qu’on ne dise pas que je chestovise.⁹⁸ Das erklärt die leichte Variation der originalen Fassung des Pascal-Zitats innerhalb mehrerer Arbeiten von Šestov, wo er den Wortlaut je nach Kontext leicht modifiziert. Dass er Pascal somit »falsch zitiert«⁹⁹ ist zwar in positivistischem Verständnis richtig, aber für Šestov nur ein Oberflächenphänomen, das die Semantik nicht berührt oder gar trüben würde. Im gleichen Sinn ist auch die abermalige Verschiebung des Zitats von Šestov zu Celan zu verstehen. Dass er das auch bei Šestov auf Französisch erscheinende Zitat in dieser Sprache übernimmt und selbst modifiziert, bedeutet also keine »Korrektur« von Šestovs »Fehler« in der Rückkehr zur »Pascalschen Vorlage« wie David Brierley annimmt.¹⁰⁰ Er setzt lediglich Šestovs Praxis fort, wenn er seinerseits Šestovs Zitat durch den Austausch des Indefinitpronomens »on« zugunsten der ersten Person Plural personalisiert und damit zugleich das identifikatorische Moment betont: »Ne nous reprochez pas le manque de clarté puisque nous en faison profession.« (TCA M, 7, 27) Šestov hat sein Verfahren selbst als »fragende Hermeneutik« bezeichnet.¹⁰¹ Deswegen sieht Willeke in dem Aktualisierungs-Gedanken von Šestovs Texten eine grundsätzliche Parallele zur Kommentierungspraxis autoritativer jüdischer Schriften, dem Midrasch, was wörtlich – von hebräisch darasch ()דרש – »suchen«, »fragen« bedeutet.¹⁰² Der Name des Artikels, aus dem diese Äußerung Šestovs
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Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 89 f. David Brierley, Der Meridian. Ein Versuch zur Poetik und Dichtung Paul Celans. Frankfurt a. M.: 1984, S. 151. 100 Vgl. ebd. – Diese Deutung könnte höchstens insofern gestützt werden, als Celan Šestov nicht auf Russisch zitiert, wie er es noch in den Notizen erwägt (vgl. TCA M, 168, 652). Das würde Celans emotionalen Zugang mit utopischer Blickrichtung betonen, allerdings hätte der Wechsel der Sprache die Aktualisierung nicht mehr als solche erscheinen lassen. 101 Vgl. Frédéric Lefevre, Une heure avec Léon Chestov, in: Nouvelles Littéraires (24. Oktober 1931). Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 91. Diesen Aspekt macht auch Buber stark. Vgl. Martin Buber, Nachlese, Heidelberg 1965, S. 37. 102 Vgl. Hugo Fuchs, Midrasch, in: Jüdisches Lexikon. Enzyklopädisches Handbuch jüdischen Wissens in vier Bänden. Begründet von Georg Herlitz und Bruno Kirschner unter redaktioneller Hilfe von Ismar Elbogen. 2. Auflage des Nachdrucks der 1. Auflage von 1927. Bd. IV/1: Me–R, Frankfurt a. M. 1987, Sp. 162.
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stammt – Une heure avec Léon Chestov – ,¹⁰³ bildet einen eigenen Eintrag in den Notizen zum Meridian (vgl. TCA M, 213), bei dessen Identifikation sich die Herausgeber aber bislang unsicher waren. Dazu gibt es keinen Grund. In dem Interview stellt Šestov außerdem schon 1931 eine Verbindung zwischen Ausklammerung des Judentums und Judenvernichtung her. In seinem Essay Menacing Barbarians of today (1934) insistiert Šestov angesichts des immer unverhohlener zutage tretenden deutschen Antisemitismus sogar noch vehementer auf diesem Punkt und plädiert für eine Einheit von christlicher und jüdischer Kultur.¹⁰⁴ Eine vergleichbare Argumentationsstruktur hat Alexandra Richter im Meridian am Beispiel der Aufmerksamkeit, die »gemeinsamer Grund des deutschen und jüdischen Volkes«¹⁰⁵ sei, herausgearbeitet. Aus dem gleichen Motiv heraus werden im Übrigen mit Pascal-Šestov (TCA M, 7, 27) und Malebranche-Benjamin (TCA M, 9, 35d) je ein christlicher und ein jüdischer Religionsphilosoph gepaart. Tatsächlich lässt sich der Meridian mit der Struktur des Midrasch in Šestovs Sinn überraschend präzise beschreiben. Während die Forschung lange mehrheitlich der Auffassung war, dass Celan versucht, nicht nur seine eigene jüdische Identität, sondern generell jede Ansprache des Judentums »aus der MeridianRede auszuklammern«,¹⁰⁶ sieht Richter im Zentrum der Rede die »nach wie vor nicht zu beantwortende Frage der Deutschen nach ihrer Stellung zu den Juden und zu ihrer eigenen Geschichte«.¹⁰⁷ Richter weist außerdem darauf hin, dass die sechzehnmalige Wiederholung der Anredeformel ›Meine Damen und Herren‹ als typisches Kennzeichen des Ostjudentums gilt, was von Seiten Celans eine geradezu »insistierende Selbstmarkierung als Jude«¹⁰⁸ darstellt, die seine Identität vom ersten Satz an wie ein Schibboleth bezeichnet und die gesamte Rede darauf bezieht. Aus dem gleichen Grund bindet er sämtliche Zitate über jüdische Mittelsmänner ein.¹⁰⁹ Das erinnert erneut an Šestov, der seine Texte als Gesprächsraum
103 Vgl. Frédéric Lefevre, Une heure avec Léon Chestov. Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 38. 104 Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 38. 105 Alexandra Richter: Die politische Dimension der Aufmerksamkeit im Meridian, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 77 (2003), H. 4, S. 659 u. 675. 106 James K. Lyon, Judentum, Antisemitismus, Verfolgungswahn, S. 190. Diese Position vertritt auch Sonja Klein. Sie folgert allerdings, dass es Celan nicht nur um die »Achtung des jüdischen Anderen, sondern des Anderen überhaupt« geht. Vgl. Sonja Klein, »– ach, die Kunst«, S. 158. 107 Alexandra Richter, Die politische Dimension der Aufmerksamkeit im Meridian, S. 675. 108 Ebd., S. 600. 109 Vgl. ebd., S. 659–661.
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»widerstreitender Stimmen verschiedenster Kontexte, Zeiten und Genre«¹¹⁰ inszeniert, was Lévinas in seiner Rezension von Kierkegaard et la philosophie existentielle ein »symposium«¹¹¹ nennt. Darin behandelt Šestov passend zu seinem erklärten Ziel der Aufhebung der Geschichte alle Denker wie Zeitgenossen und schreibt überhistorisch.¹¹² Damit knüpft er an die jüdische Vorstellung eines »Hauses der Tradition« an, das »alle Generationen und Meinungen in ihrer unvergleichlichen Eigenart und Widersprüchlichkeit«¹¹³ beherbergt. Den Namensnennungen im Meridian kommt kein »caractère secondaire«¹¹⁴ gegenüber dem Zitierten zu, weil er die Existenz der Person bezeugt, die unabhängig von der Bestätigung ihrer Aussagen besteht. Die Aktualisierung lässt sie stehen und fügt etwas Eigenes hinzu. Der Sachgehalt steht somit nicht länger im Mittelpunkt der Diskussion. Der Akzent verschiebt sich stattdessen vom Gesagten auf seinen »Ton und Duktus«.¹¹⁵ Šestov vergleicht das Lesen sogar explizit mit einem Gespräch, bei dem der Gegenstand nur eine phatische Funktion übernimmt: Nicht nur bei einem Gespräch, auch in einem Buch kann man den Ton und sogar das Timbre der Stimme des Autors entziffern, die kleinsten Nuancen des Ausdrucks seiner Augen und seines Gesichts erhaschen. Mache keine Jagd auf Widersprüche, diskutiere nicht, verlange keine Beweise: sei einfach aufmerksam.¹¹⁶ Konträre Auffassungen werden nicht länger dialektisch aufgehoben. Im Gegenteil, durch die Dezentrierung der hierarchisch-hypotaktischen Gedankenordnung mit objektivem Kern entsteht eine wechselseitige Anerkennungsstruktur, die das Andere in seiner Differenz anerkennt und Heterogenität affirmiert. Dadurch 110 Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 92. 111 Emmanuel Lévinas, Léon Chestov. Kierkegaard et la philosophie existentielle (Vox clamantis in deserto), S. 141. Zitiert nach Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 72. 112 Vgl. z. B. Lev Šestov, Auf Hiobs Waage. Über die Quellen der ewigen Wahrheiten, S. 399. 113 Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 94 f. 114 Bernhard Böschenstein, Quelques observation sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du Méridien, S. 284. 115 Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 91. 116 Lev Šestov, Les commencements et les fins. Paris 1990 [1908], S. 101, zitiert nach Willeke, Lev Šestov, S. 91. Der Band liegt bisher nur auf Französisch sowie in Ausschnitten auf Englisch vor (in: Lev Shestov, All things are possible or the apotheosis of groundlessness. Übersetzt von S. S. Koteliansky. Mit einem Vorwort von D. H. Lawrence, London 2001 [1905]). Da das Original von deutschen Bibliotheken nicht vorgehalten wird, konnte der Titel bis zum Abschluss dieser Arbeit nicht eingesehen werden. In Celans Bibliothek ist er nicht enthalten.
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entwickelt sich ein konzeptionell unendliches Gespräch der unterschiedlichen Parteien, das auch im Meridian »endlos fortgesetzt werden könnte, wenn nichts dazwischenkäme« (TCA M, 2, 1b). Die hier angelegte Analogie von Judentum, struktureller Anerkennung und Kunst beziehungsweise Dichtung, wie sie das Konzept des »Verjuden[s]« bei Šestov und Celan fast überexplizit umschreibt,¹¹⁷ ist demnach ebenso von Beginn an in der Rede präsent wie der historische Hiat der Shoah, durch den Kunst keine Unterhaltung mehr sein kann. An dessen Stelle tritt die vorbehaltlose »Aufmerksamkeit, die das Gedicht allem ihm Begegnenden zu widmen versucht« (TCA M, 9, 35c). In diesem Sinn verweist Celan in den Notizen zum Meridian auf eine Šestov-Stelle: »[N]ichts ohne Beweise annehmen zu wollen, ist ein Zeichen philosophischer Unerzogenheit.«¹¹⁸ Gleichzeitig legt dieser besondere Gesprächsbegriff auf einer anderen Ebene das theoretische Fundament für Celans Praxis der produktiven Aneignung und seine Lektüre im Akut, die bisher vor allem von Nietzsche her geschrieben wurde.¹¹⁹ Šestovs ›jüdischer Nietzscheanismus‹¹²⁰ fügt dem noch eine ethische Komponente hinzu, da er eine solche Lektüre gegen den Strich (wiewohl nicht contre coeur!) als Versuch begreift, die Essenz eines Textes anhand von immer neuen und anderen Aktualisierungen gegen die Planierung durch eine von der Vernunft diktierte Lesart zu retten, die den endgültigen Tod des Individuellen bedeuten würde (vgl. H, 434): »Dann wäre das Gedicht – deutlicher noch als bisher – gestaltgewordene Sprache eines Einzelnen, – und seinem innersten Wesen nach Gegenwart und Präsenz.« (TCA M, 9, 33d) Wie bei Heidegger bezeichnen das Andere und das Fremde für Celan zuletzt den Tod, der einem immer vorausgeht, der dem Verständnis dunkel bleibt. Derridas Denkfigur der »Krypta«¹²¹ bildet das sehr scharf ab. Die gleichzeitige An- und Abwesenheit des Anderen im Tod verweist dann auf die Aussage über Lenz, die 117 Vgl. Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 71; Boris Groys, Die Krankheit Philosophie, S. XII. 118 Das Celan-Notat verweist nicht nur wie angegeben auf »Chestov, S. 18 Aristote«, den Šestov hier vermutlich gegen den Strich zitiert (vgl. TCA M, 90, 140). Die Stelle lässt sich eindeutig Lev Šestov, La nuit de Gethsémani. Essai sur la philosophie de Pascal, Paris 1923, S. 18 zuordnen. Da jedoch nicht geklärt ist, auf welche Ausgabe sich Celan bezieht, zitiere ich der besseren Lesbarkeit halber aus Lev Šestov, Auf Hiobs Waage. Über die Quellen der ewigen Wahrheiten. Übersetzt von Hans Ruoff und Reinhold von Walter. Berlin 1929. Im Folgenden zitiere ich den Text unter der Abkürzung H direkt im Text. 119 Vgl. Ulrich Wergin, »Gespräch im Gebirg«: Celan gibt Büchners Lenz mit Nietzsche zu lesen, in: Zwischen Kunst und Wissenschaft. Jakob Michael Reinhold Lenz, hg. von Inge Stephan und Hans-Gerd Winter, Bern 2006, S. 197–212. 120 Vgl. Jüdischer Nietzscheanismus, hg. von Werner Stegmaier und Daniel Krochmalnik, Berlin 1997. Siehe dazu auch Michaela Willeke, Lev Šestov, S. 107–142. 121 Jacques Derrida, Schibboleth, in: Paul Celan, hg. von Werner Hamacher und Winfried Menninghaus, Frankfurt a. M. 1988, S. 64.
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dem mittig positionierten Šestov-Zitat in der Meridian-Rede unmittelbar vorangeht: »Wer auf dem Kopf geht, meine Damen und Herren, – wer auf dem Kopf geht, hat den Himmel als Abgrund unter sich.« (TCA M, 7, 26b) Böschenstein hat wiederholt eine enge Verbindung zwischen dem Dunkelheit-Zitat und Lenzʼ Kopfstand hergestellt.¹²² Er betont den »Grund« des Gedichts in seiner »Bodenlosigkeit«, dem »statu moriendi« (TCA M, 61, 27), von dem aus sich der Kontakt zu den Toten herstellen lässt, der Celans Dichtung erst legitimiere.¹²³ Šestovs vermeintliches Pascal-Referat nimmt Böschenstein dabei vor allem als Rahmen wahr, der Pascals Absage an den »festen Boden« (H, 423) zugunsten der Akzeptanz eines als wirklich erlebten Abgrunds mit der Suche nach der Dunkelheit als Ort einer paradoxal wahrgenommenen Existenz verklammert. Beides sieht er in einer Notiz zum Meridian intarsienhaft ineinander gelegt, wo Celan Pascals berühmten Spruch »Le silence éternel de ces espaces infinis m’effraie« (H, 422) aufgreift und mit Lenz Kopfgang synthetisiert:¹²⁴ »Der Himmel – das sind les espaces infinis.«¹²⁵ Die Erfahrung des Abgrunds erscheint bereits hier als Bedingung der Dunkelheit. Tatsächlich werden sie aber noch wesentlich feiner verknüpft als nur über die Assoziation des Himmels mit dem unbegrenzten Raum. Ein motivischer Vergleich mit Šestovs Pascal-Interpretation macht das ganz deutlich: Wie bereits mehrfach angeklungen, entwerfen die Naturgesetze für Šestov lediglich eine konstruktivistische Scheinwirklichkeit,¹²⁶ »ein Zauberreich der Lüge« (H, 456). Der Abbé Boileau berichtet von Pascals Erfahrung eines plötzlich unter seinen eigenen Füßen aufklaffenden Abgrunds, der rational weder begründet noch widerlegt werden kann. Nach der logischen Deduktion seiner Unmöglichkeit verschwindet er kurz. Doch nur einen Moment später reißt der Abgrund unter den eigenen Füßen wieder auf (vgl. H, 421 f.). Diese Erfahrung stellt für Šestov ein rationalistisch-szientistisch fundiertes Weltbild von Grund auf in Frage: »Man kann sich nur schwer die Erschütterung vorstellen, die ein Mensch erlebt, wenn er eine solche ›Entdeckung‹ macht. Noch schwerer kann man sich vorstellen, wie ein Mensch nach so einer ›Entdeckung‹ noch leben kann.« (H, 445) Die traumatische Erfahrung der Zertrümmerung der Rationalität als fundamentum inconcussum der Welt umschreibt Šestov mit einem Vers von Horaz: »Si fractus illa122 Vgl. Bernhard Böschenstein, Quelques observation sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du Méridien, S. 286 f.; Bernhard Böschenstein, Die Büchnerpreisrede von Paul Celan, S. 260 f. 123 Bernhard Böschenstein, Der Meridian, S. 170. 124 Vgl. Bernhard Böschenstein, Quelques observation sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du Méridien, S. 286. 125 Bernhard Böschenstein, Die Büchnerpreisrede von Paul Celan, S. 260. 126 So auch Frederick Charles Copleston, Russian religious philosophy. Selected aspects, S. 110.
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batur orbis, impavidum ferient ruinae.« (H, 445) Genau dieses Bild nimmt Celan auf, wenn er in Unterlagen zum Meridian davon spricht, dass das Gedicht in der Vorstellung »schon unter den Trümmern der Waage, auf der wir hätten gewogen werden können«, zu liegen, »über all das dichtbesiedelte menschliche Unland (!) hinweg[eilt]« (vgl. TCA M, 62 f., 31 f.). Dabei kommt die Erschütterung vor allem dadurch zustande, weil der Beweis, in der »besten aller möglichen Welten«¹²⁷ zu leben, mit einem Schlag jäh zusammenbricht. Hinter dem vorgeblich festen Grund verbirgt sich stattdessen eine entsetzliche Wahrheit (vgl. H, 417). Die Vernunft konnte sie übergehen, weil sie laut Šestov nicht auf die Wahrheit zielt, sondern »auf Urteile, die nützlich sind oder dem Geschmack einer möglichst großen Anzahl von Menschen entsprechen« (H, 426). Die Aussagekapazität der Vernunft wird damit radikal auf die Pragmatik beschränkt. Nur die Akzeptanz des Abgrunds in der Dunkelheit geht als Epistemologie darüber hinaus. Ute Harbusch weist allerdings darauf hin, »daß Celan am Ende dieses Abschnitts bis zuletzt zwischen zwei Wörtern schwankte, und der Bandmitschnitt von der Preisverleihung belegt, daß er in Darmstadt tatsächlich ›Lichtlosigkeit‹ und nicht, wie in der schriftlichen Fassung zu lesen, ›Dunkelheit‹ sagte«.¹²⁸ Obwohl beide Begriffe fast synonym sind, besitzt die Lichtlosigkeit einen noch unmittelbareren Todesbezug als die Dunkelheit. So öffnet das frühe Gedicht Schwarze Flocken in Der Sand aus den Urnen mit »Schnee ist gefallen, lichtlos«.¹²⁹ Die Motive der alles erdrückenden Fassungslosigkeit gegenüber der Shoah, der ermordeten Juden sowie Russlands als »Raum der Deportation und des Todes«¹³⁰ werden hier direkt aufeinander bezogen. Barbara Wiedemann vermutet sogar, dass die Entstehung dieses Gedichtes im Juli 1944 unmittelbar mit der Nachricht vom Tod der Eltern zusammenhängt.¹³¹ Auch Šestov bezieht die ›Lichtlosigkeit‹ (vgl. H, 454) auf den Tod. Er kontrastiert sie mit dem »Licht der Erkenntnis« (H, 451), das er in Zusammenhang mit
127 Celan hat Leibniz’ Monadologie gelesen, allerdings gegen den Strich. Siehe dazu Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, S. 739: »[Wo] es um die beste aller möglichen Welten und die Seele als Spiegel eines unzerstörbaren Universums geht, findet sich die bezeichnende Korrektur: ›eines zerstörbaren!‹ Und unter dem letzten Paragraphen, der die Behauptung enthält, daß es unmöglich sei, die Welt besser zu machen als sie ist, findet sich am Ende des Buches die Marginalie: nicht ohne Beklommenheit« (Kurs. ebd.). 128 Ute Harbusch, Gegenübersetzungen. Paul Celans Übertragungen französischer Symbolisten, Göttingen 2005, S. 425. 129 Paul Celan, Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band, hg. von Barbara Wiedemann, Frankfurt a. M. 2003, S. 19. 130 Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 45. 131 Vgl. Paul Celan, Die Gedichte, S. 588.
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der Erbsünde bringt: »So lange das ›Licht‹ nicht war, gab es keine Beschränkung, alles war möglich, alles war ›sehr gut‹ [...] erst das Licht brachte [...] die Angst vor dem Tod mit sich.« (H, 451) Damit bestimmt er die Dunkelheit als positiv besetzten Raum der Potentialität, die selbst den Tod aufheben kann. Durch die Erbsünde ist dieser Zustand im statu nascendi aber verloren gegangen. Deshalb ist die Dunkelheit »nicht kongenital«, sondern muss eigens in »einer – vielleicht selbstentworfenen – Ferne oder Fremde« (TCA M, 7, 27) gesucht werden, die in der Dunkelheit enthalten ist. Dafür ist es erforderlich, wie Pascal zu lernen, »den Abgrund zu lieben« (H, 450): »Keinen Grund unter den Füßen zu haben – das ist furchtbar, entsetzlich. [...] [Man] kann nicht mehr wie früher über den Erdboden hingehen – man muß also schweben und nicht mehr schreiten.« (H, 450) Deshalb erinnert Celan in den Notizen zum Meridian an das »Schwebende [...] mancher Gedichte [...] an diesen Zustand: den der Levitation« (vgl. TCA M, 106, 252). Pascals und Lenz‘ Kopfstand meint folglich die bewusste Bewegung über den Abgrund zum Erreichen des Schwebezustandes zwischen Wunsch und Wirklichkeit: »[On] jette enfin de la terre sur la tête, et en voilà pour jamais.« (H, 409) Im Gegenzug impliziert die zeitliche Entgrenzung aber eine Verpflichtung zur andauernden, »wahnhaft« (TCA M, 116, 323) anmutenden anderen Weltsicht. In Anknüpfung an Topoi der spätantiken Mystik beschreibt Šestov diesen Zustand als »Erwachen« (H, 456). Diese Wachheit bleibt in ihrer bedingungslosen Öffnung für die Möglichkeit des Kontrafaktischen, dessen Eintreten aber durch nichts garantiert wird, allerdings weiterhin hochgradig ambivalent und zieht auf keinen Fall etwas wie eine ›Garantie auf Erlösung‹ nach sich. In diesem Sinn zitiert Šestov anschließend das titelgebende Diktum von Pascal: »Jésus sera en agonie jusqu’à la fin du monde: il ne faut pas dormir pendent ce temps-lá.« (H, 409) Das greift Celan auf, wenn er das »Gedicht – eine endlose Vigile« (TCA M, 91, 147) nennt. In jüdischer wie christlicher Auffassung¹³² verbindet ein Vigil in exemplarischer Form nächtliche Totenwache, Hoffnung auf Auferstehung und den Wunsch nach Einheit mit den Toten.¹³³ Das deckt sich mit Celans persön-
132 Vgl. Angelus A. Häussling, Vigil, in: Lexikon für Theologie und Kirche. 11 Bde., hg. von Walter Kasper u. a., Bd. 10: Thomaschristen bis Žytomyr, Freiburg 2006, dritte, völlig neu bearb. Aufl., Sp. 785–786. 133 Im Anschluss an seine Šestov-Studien hat sich Celan auch mit Vladimir Solov‘ëv auseinandergesetzt, dessen Werk um genau diesen Gedanken kreist. Vgl. Alexandra Richter u. a. (Hg), Paul Celan: La Bibliothèque philosophique, S. 765. Siehe dazu neben der Primärliteratur Wilhelm Goerdt, Russische Philosophie, Zugänge und Durchblicke, Freiburg i. Br. 1984, S. 471–516.
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licher Auskunft an Böschenstein, die Atemwende als »Nachholen des Todes seiner Eltern« zu verstehen.¹³⁴ Das Gedicht als Vigil verliert jede Autonomie. Es ist ganz auf ein Anderes jenseits von sich verwiesen, dessen Ankunft es vielleicht vergebens, aber mit aller Kraft erwartet: »Dichtung, meine Damen und Herren –: diese Unendlichsprechung von Sterblichkeit und Umsonst!« (TCA M, 11, 44) Das Datum des Gedichts bezeichnet dann nicht nur seinen Zeitpunkt in der Geschichte, den »20. Jänner« (TCA M, 8, 30a) der Wannsee-Konferenz und Lenz’ Kopfgang, sondern zugleich als datum auf Latein die Entstehung des Gedichts: Es wird gegeben und empfangen wie ein »Geschenk« (TCA M, 63, 553), das plötzlich für den Aufmerksamen in einer »Epiphanie der Sprache« (TCA M, 192, 809) aufscheint. Auf keinen Fall ist es genialisch aus sich selbst geschöpft oder mit virtuoser Artistik produziert. Die »nicht zu unterschätzenden [...] Schwierigkeiten« (TCA M, 8, 32a) der handwerklichen Umsetzung sind folglich keine Effekte des ›Gedichtemachens‹ im Sinne Gottfried Benns. Sie treten für Celan vielmehr bei der Vermittlung der empfangenen »Daten« (TCA M, 8, 30a) auf, fügen aber nach Möglichkeit nichts Eigenes hinzu. Deshalb zeigt das Gedicht selbst »eine starke Neigung zum Verstummen« (TCA M, 8, 32a). Das deckt sich mit Šestovs Akzentuierung der Gnadentheologie Luthers gegenüber dem Plädoyer des Erasmus von Rotterdam für die Willensfreiheit (vgl. H, 441–448). Anders als bei Šestov gibt es bei Celan allerdings keinen Gott mehr. An Stelle dessen tritt als stiftende Kraft die Geschichte selbst.¹³⁵ Beide sind aber mit einem vergleichbaren Theodizee-Problem konfrontiert, wenn Šestov die Grausamkeiten des Gottes aus dem Alten Testament begründen muss, Celan die Shoah. Doch weder das eine noch das andere lässt sich rechtfertigen. Im Gegensatz zu Descartes besteht Šestov jedoch darauf, dass ein allmächtiger »Gott sowohl Betrüger sein kann als auch will« (H, 455), da er jenseits der Logik stehe. Damit stimmt Šestov Luther zu, der gegen Erasmus argumentiert hatte, wer die Taten Gottes rational erklären wolle, brauche ausschließlich die Vernunft, aber keinen Glauben (vgl. H, 443). Der Begriff des Glaubens und die Akzeptanz des Absurden bedingen sich für Šestov gegenseitig. Dadurch etabliert er eine entschieden anti-hegelianische Geschichtsdeutung, die es schafft, den Holocaust
134 Bernhard Böschenstein, Der Meridian, S. 170. 135 Noch am historischen Pascal ausgerichtet, hat Harbusch das bereits in Grundzügen skizziert. Vgl. Harbusch, Gegenübersetzungen. Paul Celans Übertragungen französischer Symbolisten, S. 427–432. Die gravierenden Verschiebungen zwischen dem historischen und Šestovs Pascal zeigt Stephen Armstrong, Leo Schestows Philosophie der schöpferischen Freiheit, S. 121–131.
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als das Unfassbare anzunehmen, ohne ihn dialektisch zu integrieren wie Celan es Nelly Sachs vorgeworfen hatte.¹³⁶
Resümee und Ausblick: »Verschwiegene Nähe« Celan hat Šestov Ende der 1950er Jahre wohl über Vermittlung Ciorans kennengelernt. Wie bei Heidegger wendet sich Celan im Lauf seines Lebens Šestov immer wieder zu, wobei diese Studie nur die erste Phase (1959–1960) untersucht: Im Spätsommer und Herbst 1959 erwirbt Celan innerhalb weniger Wochen einen Großteil von Šestovs Oeuvre. Die Annotationen bezeugen intensive Lektüre, was in vergleichbarer Weise nur für Heidegger belegt ist. Nachdem Celan Šestov zunächst auf Französisch liest, wechselt er ab September 1959 zu Russisch. Daran wird deutlich, wie tief Celans Šestov-Studien in den Kontext seiner Identitätskrise (1957–1963) eingebettet sind, die sich in Wechselwirkung mit der Goll-Affäre und dem in Westdeutschland wahrgenommenen Antisemitismus noch verschärfte. In der Folge entwickelt Celan ein utopisch aufgeladenes Russlandbild als Integral einer positiven jüdischen Identität. Die Etablierung Mandel’štams als illusionärer Identifikationsfigur schafft dabei einen Vergleichsrahmen, der belegt, dass die damit verknüpften Positionen nicht nur auf die psychologische Selbstwahrnehmung, sondern unmittelbar auf Celans poetologische Reflexion durchschlagen, die er in schriftlicher Form überhaupt erst Ende der 1950er Jahre auszuarbeiten beginnt. Konkret lässt sich am Beispiel von Celans Meridian-Rede zeigen, inwieweit Šestovs Denken auf struktureller, motivischer und terminologischer Ebene in Celans Poetik eingegangen ist. Besonders weitreichend sind die Übereinstimmungen bei der Konzeption des Abgrunds, der Dunkelheit sowie des Sprachbegriffes, die allerdings auch die Dialogizität, die Ich-Freisetzung und das Geschichtsverständnis berühren. Bereits angesichts dieser Erkenntnisse ist die Fundort-These einer reinen Vermittlung des Pascal-Zitates durch Šestov nicht länger haltbar. Darüber hinaus gibt es weitere schwerwiegende Implikationen im Hinblick auf das Dichterbild einschließlich der Begriffe der Involution, des Wahnsinns und des Absurden, aber ebenso der Idealismuskritik, der Utopie sowie einem möglicherweise komplementären Verständnis von Phänomenologie und Kabbala. Ihre angemessene Berücksichtigung hätte den Rahmen dieser Arbeit um ein Vielfaches gesprengt. Im Zuge einer nach wie vor ausstehenden Gesamtdarstellung von Celans Poetik aus philosophischer Perspektive wäre es aber unbedingt erforderlich, hier weiter nachzufragen. 136 Vgl. Jean Bollack, Paul Celan und Nelly Sachs, S. 123 f.
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Damit weist Celans Šestov-Lektüre tendenziell in die gleiche Richtung wie seine Mandel’štam- oder Kafka-Rezeption. Dietlind Meinecke erwähnt bereits 1970, dass Alfred Margul-Sperber auf Bezüge zwischen Kafka und Celan aufmerksam gemacht habe, deren Untersuchung ausstünde.¹³⁷ Trotzdem kann Thomas Sparr beiden noch 1988 »eine verschwiegene Nähe«¹³⁸ attestieren, die stark an die bisherige Wahrnehmung von Celan und Šestov erinnert: Die exogenen Spuren von Celans Aufnahme Kafkas beschränken sich auf ein Gedicht, auf einzelne Motive. Es sind Teile einer intensiven Lektüre, aber auf den ersten Blick auch nicht mehr. Viel weiter reicht die Frage nach deren rezeptiver Tiefenwirkung, die sich auf einer äußerlichen Ebene in symbolisch-motivischen Übereinstimmungen zu erkennen gibt, doch zugleich die Konstitutionsweise einzelner Texte bestimmt.¹³⁹ Für Theo Elm dagegen ist die Bedeutung Kafkas für Celan mittlerweile wie selbstverständlich »vielfach dokumentiert«.¹⁴⁰ Ähnliches lässt sich für Mandel’štam zeigen.¹⁴¹ Auffällig ist zudem die produktive Aneignung, die in der Trias Kafka, Mandel’štam, Šestov die gleichen Aspekte der jüdischen Identität und der »semantischen Vakanz«¹⁴² hervorhebt. Die Thematik des Russischen (Mandel’štam / Šestov) oder das fragwürdig gewordene Verhältnis von Sprache und Geschichte¹⁴³ (Kafka / Šestov) deuten noch weitere Parallelen an. Dennoch besteht weiter die offene Frage, warum Celan Šestov angesichts eines solchen Stellenwerts nicht öfter erwähnt haben sollte. Das Thema CelanŠestov bleibt virulent.
137 Vgl. Dietlind Meinecke, Einleitung, in: Über Paul Celan, hg. von Dietlind Meinecke, Frankfurt am Main 1970, S. S. 10. 138 Thomas Sparr, Celan und Kafka, in: Celan-Jahrbuch, 2 (1988), S. 193. 139 Ebd., S. 140. 140 Theo Elm, Franz Kafka, in: Celan-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung, hg. von Markus May u. a., Stuttgart 2008, S. 304. 141 Vgl. den Forschungsüberblick zu Celan und Mandel’štam bei Christine Ivanović, Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung, S. 220–230. 142 Thomas Sparr, Celan und Kafka, S. 151. 143 Vgl. Vivian Liska, Ein Meridian wider die Zeit. Von Kafka zu Celan, in: Franz Kafka und die Weltliteratur. Symposium an der Universität Saarbrücken, September 2004, hg. von Manfred Engel, Göttingen 2006, S. 213–215 sowie Thomas Sparr, Celan und Kafka, S. 151–154.
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liebe erzählen? Zur Narratologie der Liebe in Goethezeit und Gegenwart
für Hiltrud Gnüg
Die ›Ewigkeit der Liebe‹ und die Zeitlichkeit des Erzählens Kann man Liebe erzählen? Eine befremdliche Frage – sind doch die Bibliotheken voller Liebesgeschichten, Geschichten um Philemon und Baucis, Tristan und Isolde, Abälard und Heloise, Julius und Lucinde, Eduard und Ottilie bis hin zu Oliver Mellors und Constance Chatterley, Florentino Ariza und Fermina Daza. In diesen Geschichten geht es nicht um die Liebe bloß als Begierde, als Galanterie, als Fürsorge, als »Pflicht zur teilnehmenden Empfindung«, wie Kant dekretiert¹ oder als »Idee der wechselseitigen Anerkennung«, womit sich Hegel begnügt.² Es geht um die ›große‹ Liebe – amour passion. Sie ist, nach Niklas Luhmann, eine Form der Kommunikation, wie sie im europäischen Bürgertum des späten achtzehnten Jahrhunderts mit dem Primat der Individualität, zumal der Intimität, des Begehrens und der subjektiven Empfindung, gegenüber den Ordnungsnormen draußen selbst zur Norm wird, zur Beziehungsnorm. Sie versichert die Individuen ihrer Identität und ist auf der Grundlage empfindender und sinnlicher Zuwendung einziger Halt in einer wachsend von unpersönlichen Beziehungen geprägten und von Sinnbindungen gelösten Gesellschaft.³ Entsprechend hoch 1 2 3
Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, in: Kant, Werkausgabe, Bd. VIII, hg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt a. M. 1977, § 34 u. § 35. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Hegel, Gesammelte Werke, Bd. 9, hg. von Wolfgang Bonsiepen und Reinhard Heede, Hamburg 1980, S. 110. Niklas Luhmann, Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt a. M. 1994 (stw, 1124), S. 208–212. – Luhmanns Verfahren, aus einem Quellenkonglomerat verschiedener Textsorten unterschiedlicher Nationen vorgefasste Thesen durch den jeweils passenden Text nur zu belegen anstatt umgekehrt aus dem Textmaterial Schlüsse zu ziehen, mag anfechtbar sein (vgl. Jutta Greis, Drama Liebe. Zur Entstehungsgeschichte der modernen Liebe im Drama des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1991, S. 9–12 sowie Niels Werber, Liebe als Roman. Zur
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die Erwartung an die Liebes-Partnerschaft, höher noch ihre Gefährdung – und himmelhoch der Wert, den man der Liebe zumisst. Goethe kann sich in seiner Leidenschaft zu Friederike Brion nicht fassen: »Welch Glück, geliebt zu werden! / Und lieben, Götter, welch ein Glück!«⁴ Schiller, Charlotte von Kalb zugetan, steigert den Liebesenthusiasmus zum epigrammatischen Naturgesetz: »Sphären in einander lenkt die Liebe, / Weltsysteme dauern nur durch sie.«⁵ Und auch für Novalis ist die Liebe zu Sophie von Kühn nichts weniger als ein kosmischer Beweggrund. Die Liebe sei »der Endzweck der Weltgeschichte – das Unum des Universums«.⁶ Zugegeben, für Brecht, 100 Jahre später, sind die idealistischen
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Koevolution intimer und literarischer Kommunikation, München 2003, passim). Aber indem Luhmann den Widerspruch zwischen dem fortwirkenden Individualitätsprimat der Aufklärung einerseits und andererseits den zunehmenden gesellschaftlichen Beschränkungen, Anforderungen, Funktionalisierungen und Ökonomisierungen der menschlichen Individualität pointiert, bleibt seine These von der Liebe als dem einzigen dialogischen Raum, in dem das Individuum nicht nur in all seinen Ansichten und Eigenwilligkeiten, sondern auch in seiner Körperlichkeit und Sinnlichkeit akzeptiert wird, bezwingend plausibel. Bilanziert werden von Luhmann freilich auch die partnerschaftlichen Anforderungen und Gefährdungen solch individueller Passion als alleiniger Grundlage der Paarbildung. (Niklas Luhmann, Liebe. Eine Übung, Frankfurt a. M. 2008) Siehe dazu weiter unten, S. 339. – In diesem Zusammenhang versteht Luhmann den Begriff des amour passion einerseits allgemein als Ausdruck für die Autonomie der Liebe, wie sie immer schon illusioniert, aber im französischen Adel des siebzehnten Jahrhunderts fern von Arbeits-, Reproduktions- und Moralzwängen tatsächlich auch praktiziert wird: »Mit Betonung der Passion ist zunächst ausgesagt, daß die Liebe sich außerhalb des Bereichs rationaler Kontrolle abspielt.«, S. 76. Andererseits stellt Luhmann den Begriff in einen historischen Zusammenhang, er weist ihm einen semantischen Code zu, der historisch variabel ist: Indem bürgerliche Schichten im achtzehnten Jahrhundert die Vorstellung von der Autonomie der Liebe als Leitwert übernehmen, wird höfische Galanterie zunächst durch Freundschaft und Empfindung ersetzt, später, seit der Wende zum neunzehnten Jahrhundert, durch Kriterien der Individualisierung, insb. durch die Einsicht in die Entwicklung und Änderbarkeit der Liebe, durch ihre gesellschaftliche Differenzierung, ihre Privatisierung und Intimisierung, durch ihre Wechselbeziehung von Sexualität und Empfindung und durch ihre Legitimierung als einzigem individuellen Grund der Partnerwahl. Diese gemeinhin als autonome oder ›romantische Liebe‹ bezeichnete Kommunikationsform ist in den westlichen Kulturgesellschaften bis heute synonym mit der Vorstellung der ›Liebe‹. – Siehe zum Begriff der (romantischen) Liebe aus sozialwissenschaftlicher Sicht neben Luhmanns »Liebe als Passion« aktuell den Aufsatzsammelband: Soziologie der Liebe. Romantische Beziehungen in theoretischer Perspektive, hg. von Barbara Kuchler und Stefan Beher, Frankfurt a. M. 2014 (insb. Einleitung, S. 14–21 u. Teil I: Liebe und Gesellschaft, S. 55–119). Johann Wolfgang von Goethe, Willkommen und Abschied [1775], in: Goethe, Werke. Hamburger Ausgabe, hg. von Erich Trunz, Bd. 1, München 1978, S. 29. Friedrich Schiller, Phantasie an Laura [1782], in: ders., Sämtliche Werke, hg. von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert. Erster Band, München 1987, S. 36. Novalis, Das Allgemeine Brouillon. Materialien zur Enzyklopädie 1798 / 99, Nr. 50, in: ders., Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs, hg. von Paul Kluckhon und Richard Sa-
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Höhenflüge des Begehrens passé, seine Erinnerung an die 15jährige Augsburger Eisdielen-Flamme Marie Rose Aman – »abends 7h im Zug nach Berlin« notiert⁷ – kleidet er in einen Karl Valentin abgelauschten Gassenhauer, mischt ein bisschen Sex darunter und nihilistische Coolness, aber wenn es um die Liebe geht, blickt auch er nach oben: die Liebe, sie »war eine Wolke, die ich lange sah / Sie war sehr weiß und ungeheuer oben / Und als ich aufsah, war sie nimmer da«.⁸ Damit erhöht Brecht nicht nur gemeinsam mit Goethe, Schiller und Novalis die um 1800 proklamierte Emphase von Empfindung und Lust zum überirdischen Ideal, sondern deutet auch ein Problem an – das Problem, diese Liebe angemessen darzustellen. Die Bibliotheken sind voller Liebesgeschichten, aber indem die Bücher die Liebe erzählen, entfernen sie sich oft zugleich von ihr, von eben jener großen Liebe, die beide, Novalis und Brecht rühmen, indem sie sie an das ewige Firmament heften. Die Liebe ist nicht Teil der geschichtlichen Welt, sondern der Grund der »Weltgeschichte«, sagt Novalis. Die Liebe ist nicht Teil der »Weltsysteme«, sondern der Grund ihrer Dauer, sagt Schiller. Die Liebe ist das Jenseits der irdischen Zeit, ein Ausnahmezustand, der ewig sein will, ein Einspruch gegen die Zeit hienieden, kurz: »[D]ie Liebe muß hinter sich und vor sich Ewigkeit sehen.«⁹ Ist der Ort solch überzeitlicher Liebe die Utopie, der ideale Nichtort, beglaubigt allein in der geschichtssprengenden Idee? Ernst Bloch jedenfalls nennt die Liebe »einen utopischen Überschuß«, eine »Überschreitung der zeitlichen Existenz«.¹⁰ Dergestalt spricht heute auch Martin Walser von der Magie des das ganze Dasein seines Helden bestimmenden »Augenblicks der Liebe« und macht diesen Augenblick zum Titel einer Erzählung.¹¹ Das erscheint wie ein Paradox. Denn das Erzählen selbst kennt nicht die das Kommen und Gehen der Zeit widerrufende Liebe, die sich über das ganze Dasein des Menschen legt. Das Erzählen kennt nicht jene Lenkkraft der Sphären, jenes Unum des Universums, jene Wolke, weiß und ungeheuer, jene Überschreitung der zeitlichen Existenz, jene Zeittranszendenz, die aus den spätbürgerlichen Definitionen der Liebe spricht. Das Erzäh-
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muel, Bd. III: Das philosophische Werk II, hg. von Richard Samuel in Zusammenarbeit mit Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz, Stuttgart 1968, S. 248. Bert Brecht, Große Kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, hg. von Werner Hecht, Jan Knopf und Klaus-Detlef Müller, Berlin, Weimar und Frankfurt a. M., Bd. 11, Anm. 92, 1, Frankfurt a. M. 1988, S. 318. Bert Brecht, Erinnerung an die Marie A.[1920], in: ebd., S. 92. Schillers Werke. Nationalausgabe, hg. von Norbert Oellers u. a., Bd. 25: Briefwechsel. Schillers Briefe 1. Januar 1788–28. Februar 1790, hg. von Eberhard Haufe, Weimar 1979, S. 289. Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1976, S. 377. Kommentiert bei Hiltrud Gnüg, Der erotische Roman. Von der Renaissance bis zur Gegenwart, Stuttgart 2002, S. 378. Martin Walser, Der Augenblick der Liebe. Roman, Reinbek 2004.
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len kennt nur dieses Kommen und Gehen, dieses Dann und Dann. Und auch das Erzählte selbst, die Diegese, steht im Zeichen der Zeit – als einer Möglichkeitsbedingung erzählter Wirklichkeit.¹² Wäre es anders, gäbe es nicht Erzählbegriffe wie ›Handlung‹, ›Geschehen‹ oder ›Entwicklung‹. Das Darstellungsproblem, das hier gemeint ist, bebildert Johann Peter Hebel mit didaktischem Zeigefinger, indem er in seiner Kalendererzählung Unverhofftes Wiedersehen gegen die Vergängnis der Geschichte die Unvergänglichkeit nicht nur des im montanen Vitriolwasser über ein halbes Jahrhundert hin konservierten Bergmanns setzt, sondern auch der Liebe, mit der sich die alt gewordene Braut über den junggebliebenen Bräutigam beugt: »Noch einmal erwachte« in »ihrer Brust nach fünfzig Jahren die Flamme der jugendlichen Liebe«. So, die Temporalität seines eigenen Erzählens kritisch einschließend, rühmt Hebel die Zeitenthobenheit der Liebe gegenüber der Zeitverfallenheit der Geschichte mit ihren Mächtigen und deren Macht¹³ – und verwandelt damit das Übel der Zeit als einer unausweichlichen Bedingung jeder Liebes-Erzählung in eine Tugend: Je gewichtiger die Zeit, desto eindrucksvoller das, was die Zeit überdauert: die Liebe zwischen der greisen Braut und dem toten Jüngling, eine Liebe, der Alter und Jugend gleich sind. Hebel braucht hier die Zeit, um gegenüber der Zeitverfallenheit des Lebens die Zeitenthobenheit der Liebe zu rühmen. Der ›Augenblick der Liebe‹, da die alte Braut über dem jung gebliebenen Bräutigam niedersinkt, dieses sphärenhafte nunc stans, wiegt mehr als die Zeit und damit auch mehr als der Tod, der als zeitliches Ereignis der Liebe nicht schaden kann: »›Schlafe nun wohl‹, sagte die hingewelkte Alte zum jugendlichen Bräutigam, ›und laß dir die Zeit nicht lang werden. Ich […] komme bald, und bald wird’s wieder Tag.‹« Der Autor verwendet in seiner Erzählung deren Ermöglichungsbedingung, die Zeit, als Funktion für den Erweis der zeitenthobenen Idealität der Liebe. Anders als E. T. A. Hoffmann, der in den Bergwerken zu Falun die gleichen fünfzig Jahre überspringt als gäbe es sie nicht, thematisiert sie Hebel mit moralischem Gewinn als das offensichtlich Ephemere gegenüber dem Wesentlichen der Liebe – und düpiert als Kalenderschreiber das Zeitprimat seines eigenen Mediums. Aber die Erzählung lehrt noch etwas anderes.
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Lukas Werner, Art. »Zeit« in: Handbuch Erzählliteratur. Theorie, Analyse, Geschichte, hg. von Matías Martínez, Stuttgart 2011, S. 150–158; hier S. 151. Johann Peter Hebel, Unverhofftes Wiedersehen [1811], in: Johann Peter Hebel. Werke, hg. von Eberhard Meckel, Erster Band. Erzählungen des Rheinländischen Hausfreundes. Vermischte Schriften, Frankfurt a. M. 1968, S. 271 f.
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Weil für die seit jeher erzählte, jedoch um 1800 bewusst gewordene, Empfindung und Begehren sich anverwandelnde Liebe¹⁴ die Zeit keine Rolle spielt (fünfzig Jahre ein Augenblick), weil hier gegenüber der Untrüglichkeit und Bedingungslosigkeit der Liebe das zweckhafte Nachdenken über Konvenienz, Statthaftigkeit, Lustgewinn, Selbstbestätigung, Nützlichkeit oder Schicklichkeit ausfällt, kommt in den Erzählungen etwas ins Recht, was der Zeit nicht bedarf, ja was dem Konsekutiven der Zeit trotzt: es ist der Zufall. Oder genauer: das Paradox vom Zufall verstanden als Ausdruck der Notwendigkeit. Zufällig wird nach fünfzig Jahren der tote Geliebte gefunden, zufällig lag er all die Zeit im Kupfer-Sulfat, und zufällig lebt die Alte noch. Ebenso zufällig erkennt in Goethes Wahlverwandtschaften der Baron Eduard seine eigene Handschrift in derjenigen Ottilies: »Von diesem Augenblick an«, heißt es, »war die Welt für Eduarden umgewendet, er nicht mehr, was er gewesen, die Welt nicht mehr, was sie gewesen«.¹⁵ Der Zufall erweist sich ihm als Ausdruck der Notwendigkeit seiner Liebe zu Ottilie.¹⁶ Und nicht weniger zufällig finden sich in Kleists Erdbeben in Chili [1807] Jeronimo und Josephe, nachdem sie beide schon zum Tode verurteilt waren, einander aber durch die Wirren des plötzlichen Erdbebens wieder gefunden haben und sich nun ihrer Liebe versichert glauben. Der unerklärliche Zufall scheint ihnen die schicksalshafte Bestimmung, die Notwendigkeit ihrer Liebe zu bestätigen. Aber die Liebe wird durch den Zufall nicht nur vermeintlich bestätigt, sondern auch in ihrer Bedeutung gesteigert. Nicht nur, dass die Begegnung der Liebenden als paradiesisches Wunder die rechtgläubige Bestialität ihrer Verfolger überstrahlt – 14
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Ich beziehe mich neben der kulturwissenschaftlichen Forschung Luhmanns, die den romantischen Liebes-›Code‹ um 1800 als Innovation der Empfindsamkeits-Liebe des vorangegangenen Jahrhunderts betont, auf die Studie von Jutta Greis (Drama Liebe. Zur Entstehungsgeschichte der modernen Liebe im Drama des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1991), die aus literaturwissenschaftlicher Sicht den ›Diskurs‹ der Empfindsamkeitsliebe mit dem ›Sexualitätsdispositiv‹ der romantischen Liebe (Friedrich Schlegel, Lucinde) verbindet und letztere als Konsequenz aus dem der empfindsamen Liebe inhärenten Konflikt von persönlicher Identifikationsfunktion und pragmatischer Gesellschaftsfunktion bezeichnet. Exemplarisch das Schicksal von Rousseaus Julie dʼÉtanges, die in der Bindung an den bürgerlichen Hauslehrer Saint-Preux unter der Unvereinbarkeit von Liebesempfindung und gesellschaftlichem comme il faut zugrunde geht. Die Integration der unabweisbaren Sexualität in den Liebes-Diskurs sei, so Greis, um 1800 der Versuch, den bisherigen Konflikt revolutionär zu überwinden. Die romantische Liebe sei deshalb im Kurs der Selbstbewußtwerdung des Individuums nur die folgerichtige Fortsetzung des empfindsamen Modells – eine These, der der vorliegende Aufsatz folgt. (Jutta Greis, S. 10 und zusammenfassend S. 176–183) Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften [1809], in: Goethe. Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. 6, hg. von Erich Trunz, München 1977, S. 324. Weitere Seitenangaben nach dieser Ausgabe. Theo Elm, Johann Wolfgang Goethe. Die Wahlverwandtschaften, Frankfurt a. M. 1991, S. 39–42.
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der Zufall, der die Zeitfolge sprengt, macht die Liebe auch zum erweislosen Garant eines universalen, eines die Logik der Welt übersteigenden Geschehens: »die Welt war nicht mehr, was sie gewesen«. Wird aber die Bedeutung der Zeit nicht beachtet, wird die ideale Liebe in eine Zeitfigur verwandelt und die Permanenz der großen Liebe erzwungen, dann endet die Erzählung langweilig oder schrecklich. Jedenfalls endet sie nicht mit der Liebe – wie wir sie von Novalis bis Brecht kennen, als sphärischem Ort der Wünsche und Träume, als ›Wolke Nr. 7‹.¹⁷ Das Glück zweier Liebender besteht darin, erklärt Luhmann, »daß das Glück für beide in genau den gleichen Handlungen liegt. Dies ist nur möglich, wenn die Zeit ausgeschaltet wird, wenn jeder dem folgt, was der Moment ihm eingibt. Jeder Versuch, Wissen und Erinnerung heranzuziehen, lähmt das Erleben.«¹⁸ Kurz gesagt: Vergleiche der Partner zwischen heute und damals sind der Tod der Liebe. Angenommen, Werther und Lotte verbinden sich und Werther verlängert seine Liebe in die Ehe hinein? In Friedrich Nicolais Werther-Kontrafaktur entsteht dabei nichts Gutes. Werther zieht den blauen Rock und die gelben Hosen aus und zwängt sich in ein Amt. Lotte erinnert Werther an früher, sie fühlt sich vernachlässigt, sie vergleicht die prosaische Gegenwart mit der reizvollen Vergangenheit und macht Werther mit einem jungen Galan eifersüchtig, einem zweiten Werther. Fazit: Man scheidet sich von Tisch und Bett.¹⁹ 35 Jahre später wollte Goethe Nicolais boshaften Einfall selbst überprüfen – in den Wahlverwandtschaften. »Wir liebten einander als junge Leute recht herzlich«, lässt er Charlotte nostalgisch in die Vergangenheit zurückschweifen²⁰ und sie diese an ihrer ehelichen Gegenwart messen, an ihrer krampfhaften Spätsommerbehaglichkeit mit Eduard, die tatsächlich sehr bald in beiderseitigem Unglück endet, in Ehebruch und Tod. Ist es da nicht besser, auf den Vergleich zwischen dem ernüchternden Heute und dem fabelhaften Damals zu verzichten und in einer seligen zeitlosen Gegenwart zu verharren? Ist es da nicht besser, die »Totalität der Liebe«, so Friedrich Schlegel, das innige Ineins von »ausgelassenster Sinnlichkeit« und »geistigster Geistigkeit«²¹ einfach nur zu genießen und beim Eintritt von Elternschaft und 17
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Gemäß Aristotelesʼ Ordnung des Weltalls in ›Sphären‹, wobei die letzte sichtbare mit dem 7. Planeten Saturn den materialen Kosmos abschließe, damit aber zugleich der sich dort eröffnenden unsichtbaren geistigen Welt, der Welt der Phantasie, zugewandt sei: Metaphysik. Buch XII, hg. von Michael Bordt, Darmstadt 2006, 8. Kapitel. Niklas Luhmann, Liebe als Passion, S. 176. Friedrich Nicolai, Freuden des jungen Werthers, Berlin 1775. Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften, S. 246. Friedrich Schlegel, Lucinde. Bekenntnisse eines Ungeschickten [1799], in: Friedrich Schlegel. Dichtungen. Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Fünfter Band, hg. von Hans Eichner, München u. a. 1962, S. 1–92; hier S. 11. Zitate nach dieser Ausgabe.
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Häuslichkeit samt all den Risiken des Vergleichs mit ehedem das Erzählen abzubrechen? Schlegel jedenfalls verlängert die Lucinde, seinen hymnischen Liebesroman, nicht wirklich zu einem prosaischen Liebes-Ehe-Roman. Wie sollte er auch? »Wenn man sich so liebt wie wir«, versichert Julius seiner Lucinde, »kehrt auch die Natur im Menschen zu ihrer ursprünglichen Göttlichkeit zurück« (67). Liebe macht göttlich, sie macht aufs Neue unschuldig, vorurteilsfrei, scham-los. Eine utopische Idee. Eine Idee wie ein Sternenflug. Zurück bleibt die irdische »Wohnung« und »Hütte« (63), wo Julius in »freundlicher Beschränkung« und der »Würde der Häuslichkeit« (62) eingedenk als besorgter Ehemann seiner inzwischen schwanger gewordenen Geliebten beizustehen versucht – »Ideenverengung ins Bürgerliche und Wohlanständige« polemisierte Wolfgang Paulsen.²² Gewiss, dem Liebenden gelingen noch jambische Paraden: »Unendlich ist nach Dir und ewig unerreicht mein Sehnen« (79). Aber da unterbricht ihn der Autor und macht unter das Manuskript – entgegen der Ankündigung: »Erster Teil« – für immer einen Punkt. Er tut dies vermutlich nicht nur wegen der hämischen Kritik, die den erotischen und obendrein biografisch ausdeutbaren Kühnheiten des Romans entgegenschlägt,²³ sondern weil es eben nicht gelingen kann: den »Dithyrambus an die Unendlichkeit« der Liebe auf die alltagsöde Streckbank der Zeit zu zwingen. Und was für den Inhalt der Erzählung gilt, betrifft auch deren Form. Das Ideal der Liebe, für Schlegel ein Ausdruck des romantischen Romans selbst, dieses Zugleich von »unendlicher Fülle« und »unendlicher Einheit«,²⁴ steht in unlösbarem Konflikt mit der Zeit, mit der erzählenden und der erzählten Zeit, mögen auch Handlungssprünge, strukturelle Zertrümmerung und Fragmentarisierung, »Arabesken« und Reflexionen den Fortgang des Erzählens ebenso wie die empirische Wirklichkeit mit ihren Kausalverknüpfungen konterkarieren. Da sich der Roman, entsprechend seinem Gegenstand – der Unendlichkeit der Liebe –, dem narrativen Progress widersetzt, verweigert er sich auch seiner Fortsetzung, löst sich vielmehr, wie Hans Eichner bemerkt, in den »Tändeleien der Fantasie« gleichsam ins Nichts auf.²⁵ Bezeichnend für das Dilemma des Romans: Dem Loblied auf die Unendlichkeit der Liebe widerspricht zugleich des Autors 22
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Wolfgang Paulsen, Friedrich Schlegels »Lucinde« als Roman, in: The German Review, 21 (1946), S. 173–190. Zit. Ernst Behler, Friedrich Schlegel: »Lucinde«, in: Interpretationen. Romane des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1992, S. 88–107; hier S. 106. Ernst Behler, ebd., S. 89 f. Friedrich Schlegel, Philosophische Lehrjahre 1796–1806, hg. von Ernst Behler, München u. a. 1971, S. 112. Zit. Karl Konrad Pohlheim, Friedrich Schlegel: »Lucinde«. Ein Roman. Studienausgabe, hg. von dems., Stuttgart 1999, S. 164: »Liebe ist eben so wohl Ahndung der unendlichen Fülle als Erinnerung der unendlichen Einheit.« Friedrich Schlegel, Lucinde, Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, hg. von Hans Eichner, S. XLV.
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offenkundige Absicht, mit den Licht-Namen der Lucinde und des Julius²⁶ metaphorisch den aufklärerischen, vorwärts drängenden Anspruch der konventionsbrechenden Liebe zu propagieren – dieser Empfindung und Erotik vereinigenden, bei Schlegel als »geistige Wollust« und »sinnliche Seligkeit« alle Bereiche der Persönlichkeit durchdringenden Liebe.²⁷ Die prospektive Vorstellung, die Schlegel mit der ›Liebe‹ verbindet, ist zugleich der Widerruf ihres zeitentgrenzenden Ethos. Der Gedanke der Zeitentgrenzung, der den Begriff der sinnlich-empfindenden Liebe spekulativ auflädt, ist philosophisch begründet in diesem bei Schlegel provokativ geforderten Anspruch der Geist und Körper umfassenden Totalität. Pragmatisch aber rührt die Idee der Zeitentgrenzung aus einem dem feudalen amour courtois widerstreitenden Beständigkeitsversprechen der spätbürgerlichen Liebe. Die Aussicht auf zeitlose Beständigkeit ist das Element der individuellen Identitätssicherung und Haltorientierung, ohne die es diese Form der Kommunikation nicht gäbe.²⁸ Das Beständigkeitsgebot der Liebe unterliegt freilich, da nur gesichert durch die Subjektivität der Liebenden, dem Risiko der autonomen, von den objektiven Interessen der Familie und Gesellschaft befreiten Paarbeziehung.²⁹ Es ist das Risiko der Untreue, des Liebesverrats. Untreue untergräbt mit der Liebe auch das Erleben der zeitentgrenzenden Dauer. Der Liebesverrat verrät mit der Liebe zugleich das Ideal erlebter Unendlichkeit. Ist der Verrat aber geschehen, dann freilich ist das Erzählen, ein Vorgang in und mit der Zeit, in seinem eigentlichen Element, und es ist daher kein Wunder, wenn die besten Liebesgeschichten gar nicht explizit von der Liebe erzählen, sondern von ihren Umständen, insbesondere ihrer Gefährdung und ihrem Ende – kurz, von der ›Zeit‹ als dem Feind der großen, der idealen Liebe. »Nach einem flüchtigen, träumerischen Bedenken, unter einem überaus reizenden Erröten« legt sich Toni an Gustavs Brust. Mit diesem Liebes-Augenblick ist alles gesagt in Kleists Verlobung 26
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Nicht nur deutet der Name der Lucinde, wie häufig in der Schlegel-Literatur vermerkt, auf die Vorstellung der Liebe als Allegorie der Aufklärung hin. Dasselbe gilt auch für ›Julius‹ (von ›Iovilius‹, dem Jupiter, griech. Iovis, geweiht). Jupiter wiederum (von Diespiter, lat. dies, Tag, Licht + pater) ist mit seinem Attribut, einem Bündel von Blitzen in der Hand, nicht nur ›Götter- bzw. Himmelsvater‹, sondern auch der ›Lichtbringer‹ in der antiken Götterwelt. – Vgl. Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Darmstadt 1998, Bd. 2, S. 495. Diese Liebe kann man, weil sie den Dualismus von Geistigkeit und Sinnlichkeit, Gedanken und Gefühl, Unbestimmtem und Bestimmtem aufhebt, auch ein »Erkenntnisorgan« nennen – ein Organ für die Wahrnehmung der Unendlichkeit. (Gerhard Neumann, Ideenparadiese. Untersuchungen zur Aphoristik von Lichtenberg, Novalis, Friedrich Schlegel und Goethe, München 1976, S. 592–600). Niklas Luhmann, Liebe als Passion, S. 208–212. Niklas Luhmann, Liebe. Eine Übung, Frankfurt a.M. 2008, S. 54–65.
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in St. Domingo. – Oder auch nicht. Denn nun geht es darum, gegen die rennende Zeit die Liebe zu bewähren. Um Gustav vor der Rückkehr von Tonis Vater, dem mörderischen Congo zu retten, muss Toni in rasender Eile vielerlei Komplikationen überwinden und Mittel ergreifen, bis am Ende die Dynamik des Geschehens gleichwohl zur Katastrophe führt. Tonis Rettungsversuch misstrauend erschießt Gustav die Liebende und nimmt – in rascher Erkenntnis seines Irrtums – auch sich selbst das Leben. Die Liebe, mag sie wie hier Tage, bei Schlegel gar ein Jahr dauern, erscheint mit dem Versinken der Partner in den unbegrenzten ›Augenblicken der Liebe‹ als gleichsam der Zeit enthoben. Ihre Umstände dagegen, ihre Gefährdungen und ihr Ende, entfalten sich in der Zeit, in der Folge zweckhafter Handlungen. Ohne sie freilich keine Erzählung. Nicht eigentlich der Liebe, sondern, fatal genug, der die Liebe zerstörenden Zeit verdankt sich die Erzählung von der Liebe. Aber die Liebe, die aus der Untreue entsteht – kann auch sie mit der Prämie der ›Unendlichkeit‹, der Ewigkeit und überirdischen Dauer rechnen? Ist auch sie das »Unum des Universums«, der »Endzweck der Weltgeschichte«? Gewiss, mit seiner illegitimen Neigung zu Charlotte wird dem Hauptmann die Zeit »gleichgültig«. Er vergisst, seine Uhr aufzuziehen (290)³⁰ – und so »vergaß« auch Ottilie in der Erwartung Eduards »Zeit und Stunde« (454). In Goethes Wahlverwandschaften ermöglicht die subjektive Ausgrenzung der Zeit gar erst den geistigen Ehebruch Eduards und Charlottes, bei deren Umarmung sich »Abwesendes und Gegenwärtiges« in der Phantasie vermischen (321). Was aber so von Zeitlosigkeit geprägt erscheint, ist in Wirklichkeit nichts anderes als zeitgebunden. Denn der Liebesverrat aller vier Personen ist verknüpft mit dem fortwährenden Kräftespiel zwischen subjektiver Sinneslust und objektivem Moralgesetz, oder anders: mit dem vom Erzähler verfolgten Prozeß zwischen »heiterer Vernunftfreiheit« und »trüber leidenschaftlicher Notwendigkeit«.³¹ Die bloße Chimäre der Zeitentgrenzung wird am Schluss des Romans auf die Spitze getrieben, wenn der Erzähler die Liebe zwischen Eduard und Ottilie scheinbar sakralisiert, jenen selig-, diese heiligspricht und ihr Grab zur Wallfahrtsstätte erklärt. Indes ist dem Ehebruch das Liebesideal der Ewigkeit auch im Tod verwehrt: Der Erzähler spart nicht mit Ironie, wenn er die zugunsten des Sargschmucks nunmehr »verödeten« Felder reklamiert, die toten Liebenden unter den ›neobarock‹ imitierten Putten des dilettierenden Architekten ruhen lässt und ihrem Grab nicht zeitlose Dauer, sondern den Wechsel der Sepulkralarchitektur verheißt, den Charlotte
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Seitenangaben nach: Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften, in: Goethe. Werke, Hamburger Ausgabe, Bd. 6, hg. von Erich Trunz, München 1977. Goethe in der Selbstanzeige seines Romans im »Morgenblatt für gebildete Stände«, Tübingen 4. Sept. 1809, Hamburger Ausgabe, Bd. 6, ebd., S. 621.
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bereits einmal bei der willkürlichen Umgestaltung des Friedhofs durchgeführt hat (254, 361–370). Anders gewendet: Goethes Roman erzählt nicht nur vom bloßen Schein der ehebrecherischen Liebesewigkeit, sondern umgekehrt auch von der Untauglichkeit der Ehe für die große Liebe. Diese, ein individueller Befreiungsschlag der Sinne und der Empfindung gegen die zweckhaften »Allianzen« von Familie und Gesellschaft,³² ist als zeitentgrenzendes Ideal gedacht, kosmologische Bilder des Firmaments, des Universums und der Sterne adeln es. Jene aber, die Ehe, ist konventionell gebunden an die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen der Zeit. Unter ihrem Signum steht Eduards und Charlottes Partnerschaft. Schon eingangs betont der Roman die spezielle Zeitlichkeit ihres Zusammenseins. Es ist nicht nur ›spätsommerlich‹ begründet – ein durch familiäre Ehepolitik lange verhindertes und »endlich spät erlangtes Glück« (246) – sondern ist auch selbst in die Zeit eingebunden, in die Zeitgeschichte, wenn etwa die Erzählperspektive symbolisch bedeutsam vom abgezirkelten Hofgarten Eduards zu Charlottes neuem, freiräumigem Landschaftsprojekt mit der Mooshütte am Hang hinüberschwenkt. Die Befreiung der Natur korrespondiert alsbald mit der Befreiung von der Ehe zugunsten jener wechselseitigen, rauschhaft sinnlichen Empfindung, die scheinbar keine Zeit kennt, weil sie, sich ständig erneuernd, das, was etwas für den anderen bedeutet, ihrer Regenerierung zu Grunde legt. Von Goethes Wahlverwandtschaften aus gesehen wird verständlich, weshalb seit 1800, seit der Entdeckung dieser bis in die Gegenwart gültigen Semantik der Liebe zugleich das Erzähl-Genre des Ehebruchromans reüssiert – im neunzehnten Jahrhundert etwa von Arnims Gräfin Dolores über Immermanns Epigonen bis zu Fontanes LʼAdultera und Effi Briest. Widerspricht doch die von allen objektiven Bindungen freie Liebe und Lust mit ihrem Ideal der Zeitentgrenzung der zweckhaft an Reproduktion, Konvention und Fortdauer gebundenen Zeitlichkeit der Ehe und wird scheinbar erst möglich mit deren Bruch.³³ Tragisch aber ist, dass gerade mit der
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Jutta Greis, Drama Liebe, S. 50 f. Peter von Matt (Liebes-Verrat. Die Treulosen in der Literatur, München 1989) begründet die Auffassung der ehebrecherischen als der »höchsten« und »irdisch unmöglichen« Liebe mit der langen, seit dem Mittelalter währenden Vorstellung vom Verbot der Liebe als »Fortpflanzung verachtender« Leidenschaft, also der ›sündigen‹ Liebe, gleichbedeutend dem Ehebruch. Ein anderer Grund für die Idee der Realisierung der großen Liebe erst im Ehebruch sei das abendländische Verständnis der Ehe als gelebtes Patriarchat (»objektive Beschaffenheit der Welt«), das die »in der radikalen Liebe so selbstverständliche Gleichheit« nicht erlaube. Beide Argumente für den Ehebruch als Bedingung der Liebe (»irdisch unmöglich«, Utopie der »Gleichheit«) sprechen zugleich für die um 1800 aufkommende Definition der autonomen Liebe als Erfahrung transterrestrischer Zeitentgrenzung. (Peter von Matt, Liebes-Verrat, S. 70–73).
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Wende, dem Ehe-Bruch, die ›Zeit‹ auf die von allen Zwängen befreit geglaubte Liebe stürzt und sie zerstört.³⁴ Treulosigkeit kann nur in Vernichtung enden, in Tod, Mord, Selbstmord oder Wahnsinn, resümiert Peter von Matt mit einem Bogenschlag über die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts.³⁵ Einerseits – dies ein Zwischenfazit – die Liebe als geschichtsloser Augenblick, die Liebe als ›Utopie‹, als Widerstand gegen die Zeitverfallenheit der Geschichte, als der aus der Zeitfolge gefallene Zufall, die Liebe zweier Menschen als unvergleichbare Gegenwart, die Rede von der Liebe als Erzählung von der ›Zeit‹, dem Feind der Liebe, die Autonomie der Liebe hier und dort die Zweckbegründungen der Ehe, der Ehe-Bruch als Einbruch der Zeit in die als zeitenthoben gewähnte Liebe…, andererseits die Zeitlichkeit des Erzählens: Während die Liebes-Varianten der histoire paradox auf Zeitlosigkeit beharren, ist der récit notwendig zeitgebunden. Wie aber kann man beide, ›Handlung‹ und ›Darstellung‹, vereinbaren? Wie kann man die zeitsprengende Liebe erzählen und sie aus der notwendigen Erzähl-Zeit befreien? Wie kann man das auf Spätaufklärung und Romantik datierte Gegeneinander von Liebesideal und Erzähltemporal, von Passion und Sprache aufheben? Kann man es? Durchaus, man kann es, und gerade seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert kann man es – unter dem Eindruck einer säkularen, in Philosophie und Naturwissenschaften gleichermaßen evozierten Erkenntnis- beziehungsweise Sprachskepsis,³⁶ die von Nietzsche, Rilke, Kafka, Musil bis zu Beckett und Celan einen ästhetischen Sinn für das Unsagbare, das epistemologisch Unverfügbare entwickelt, also auch die Liebe.³⁷ Sie sei »besitz34
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Theo Elm, Kulturgeschichte eines Betrugs. Der Ehebruch bei Goethe, Fontane und Dieter Wellershoff, in: Re-Visionen. Kulturwissenschaftliche Herausforderungen interkultureller Germanistik, hg. von Ernest W. B. Hess-Lüttich gemeinsam mit Corinna Albrecht und Andrea Bogner, Frankfurt a. M. 2012, S. 313–326. Peter von Matt, Liebes-Verrat, S. 24–30. Hierzu beispielhaft: Helmuth Kiesel, Geschichte der literarischen Moderne. Sprache, Ästhetik, Dichtung im zwanzigsten Jahrhundert, München 2004, insb. S. 177–228. Dahinter steht ein gegenüber den Liebesdarstellungen der Goethezeit unvergleichlich geschärfteres narratologisches Problembewußtsein: Goethes erzählkritisch anmutender Beginn der »Wahlverwandtschaften«: »Eduard – so nennen wir einen Baron im besten Mannesalter« verdankt sich nicht der ›modernen‹ Skepsis gegenüber der Sprache als vermeintlich adäquater Wiedergabe der Welt, sondern der laborartigen Versuchsanlage des Romans, in dem Goethe die Figuren gemäß seiner Auffassung von der Ganzheit der Natur gleichsam als wahlverwandtschaftlich aufeinander bezogene chemische Elemente platziert (»Wahlverwandtschaften«, Kap. I,4). Dass der Romanbeginn keineswegs den Zweifel an der Wirklichkeitsadäquanz des Erzählens ausdrückt, belegt das Gespräch, das Goethe und Schiller über epische Dichtung führten. Da wollten sie den Erzähler nur wie durch einen Vorhang hören, als Medium und unpersönliche Stimme, unsichtbar hinter und im Erzählten. – Dagegen ist Max Frischs Romantitel »Mein Name sei Gantenbein« Ausdruck der bloßen Fiktivität des Erzählens. Die vom Erzähler als erfunden deklarierte und sich selbst zu eigen gemachte Figur
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los«, die Liebe, und entziehe sich mit ihrer Zweckfreiheit der Benennung, sagt Rilke. Sie sei der Andere Zustand, also ein besonderer Ausdruck von Dauer, sagt Musil, »eine Seite des Daseins«, für die »die Sprache nicht geschaffen« sei.³⁸ Beiden Autoren geht es – kritisch bewusst – um das Paradox, an dem sich die Kunst, Liebe zu erzählen, beweisen muss. Man kann diese Liebes-Erzählkunst beispielhaft an einigen Liebesgeschichten der Gegenwart zeigen, um einerseits deren modern trainierte Erzähl-Strategien zu beleuchten, gezielt eingesetzte Taktiken der Unsagbarkeit, und um andererseits die Dauer, die durchaus problematische Dauer des zweihundertjährigen Gefühls zu demonstrieren, des alten Gefühls der großen, Körper, Geist und Seele umfassenden, also der totalen, daher zweckfreien und weil zweckfrei als aller Zeitlichkeit entzogen gedachten Liebe. Alte Liebe rostet nicht. Das gilt auch für die Literaturgeschichte.
Semantische Lücken – zur Topographie der Liebe Einerseits das Erzählen, gebunden an die Folge der Zeit, andererseits die als zeitfern gedachte, die ewige Liebe, ewig wie die Sphären, so Schiller, ewig wie das Universum, so Novalis. Wie geht das zusammen? Soll man die Zeit gegenüber der großen Liebe kleinreden, wie Hebel es tat? Soll man das Erzählen einstellen, wozu sich Schlegel gezwungen fühlte? Keineswegs, denn man kann von der großen Liebe erzählen, indem man gerade nicht von ihr erzählt – eine These, die auf
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Gantenbein probiert – dem Erzähler analog – Personen und Geschichten an wie Kleider. Illusionslos bemerkt Frisch: »Man kann die Wahrheit nicht erzählen. […] Alle Geschichten sind erfunden. Spiele der Einbildung. Entwürfe der Erfahrung. Bilder, wahr nur als Bilder.« Anders als Goethe, der in seinem Versuch die Naturnotwendigkeit des Menschen erzählt, erzählt Frisch die Problematik des Erzählens (Max Frisch, Unsere Gier nach Geschichten, in: ders., Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Vierter Band, Frankfurt a. M. 1998, S. 263). Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge: »Wer beschreibt, was ihm damals geschah?«, heißt es am Ende des Romans in der Parabel vom Verlorenen Sohn, der bei seiner Heimkehr als »unbeschreiblich befreiend« erkannte, dass die besitzergreifende »Liebe« der Seinen, »ihn nicht mehr betraf« (Rainer Maria Rilke, Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, hg. von Manfred Engel, Ulrich Fülleborn und August Stahl, Bd. 3, hg. von August Stahl, Frankfurt a. M. und Leipzig 1996, S. 632, 635. – Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, in: ders., Gesammelte Werke in neun Bänden, hg. von Adolf Frisé, Bd. 6, Reinbek 1978, S. 1202. – Vgl. zu Musil: Matthias Luserke-Jaqui, Kleine Literaturgeschichte der großen Liebe, Darmstadt 2011, S. 137. Luserke-Jaqui sieht konventionell das Ideal der Liebes-Dauer in der ›Ewigkeit‹ der Dichtung verwirklicht – und zitiert Goethe: »Jede Zeile soll unsterblich, / Ewig wie die Liebe seyn.« (138) Jedoch wäre gegen Luserke / Goethe einzuwenden: auch die Literatur und jede ihrer Zeilen sind zeitgebunden. Daher Musils paradoxe Forderung: Die Sprache der Liebe müsse sprachlos, müsse »so schweigsam wie eine Umarmung« sein (»Der Mann ohne Eigenschaften«, S. 1102).
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die Kommunikationssituation der Erzähltexte zielt, auf die Beziehung zwischen dem impliziten Autor als narrativer Instanz und dem impliziten Leser als narrativem Adressaten. Denn die Erzählung bestehe, so Jean-Paul Sartres ›klassischer‹ Reflex auf die Unsagbarkeitserfahrung der Moderne, nur zur Hälfte als Text. Die andere Hälfte der Erzählung seien Lücken. Die Phantasie des Lesers setze in den Lücken ein, die der Erzähler lasse.³⁹ Diese wohl bedachten Lücken im Fortgang des Erzählens sind in der Tat nicht nur unverzichtbar für dessen Sinnfindung. Sie sind zugleich auch die narrativen Topoi der Liebe. Wie aber äußern sich in der Liebesgeschichte die Lücken – die semantischen »Unbestimmtheitsstellen« oder »Leerstellen«?⁴⁰ Erkennbar sind sie an den erzählstrategischen Kalkülen, womit die Autoren heute noch das um 1800 entdeckte Ideal der vermeintlich unendlichen, ewigen und damit zeitlosen Liebe ihren Lesern erschließen. Denn sie suchen, so Luhmann, die intime und totale, Empfindung und Begehren verbindende Liebe mehr denn je. Sie gilt als Remedur gegen das, was die Zeit gebracht hat, die geschichtliche Zeit. Die Leser suchen das Ideal der Liebe, um mit ihr dem kommunikativen Mangel zu begegnen, der Ausdifferenzierung unpersönlicher und persönlicher Beziehungen in der modernen Gesellschaft: In der modernen Gesellschaft […] sind die unpersönlichen Beziehungen […] »nur« unpersönliche Beziehungen. Die persönlichen Beziehungen werden mit Erwartungen eines auf die Person Abgestimmtseins überlastet, woran sie oft zerbrechen, was aber die Suche danach nur verstärkt und das Ungenügen nur unpersönlicher Beziehungen nur umso deutlicher hervortreten läßt.⁴¹ Das sozialstrukturelle Problem der Liebe, das Luhmann für die Gegenwart akzentuiert – die Unpersönlichkeit der Beziehungen in der modernen Gesellschaft und parallel dazu die übersteigerte Erwartungshaltung gegenüber persönlichen Beziehungen und folglich deren Überforderung –, wird einerseits zum aktuellen Problemthema der Liebeserzählung⁴², während andererseits die Sehnsucht nach der idealistischen Tradition des amour passion auf narrative Randbezirke erlebter Wirklichkeit abgedrängt ist – auf abgesonderte Räume⁴³ oder erinnerte Zeiten.⁴⁴
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Jean-Paul Sartre, Qu’est-ce que la littérature? Essay, Paris 1947, übers. Hans Georg Brenner, Was ist Literatur? Ein Essay [1958], Reinbek 1969, 9. Aufl., insb. S. 31–33. Wolfgang Iser, Die Appellstruktur der Texte. Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa, Konstanz 1971. Niklas Luhmann, Liebe als Passion, S. 205. S. u. die Analyse zu Dieter Wellershoffs »Der Liebeswunsch«. S. u. die Analyse zu Siegfried Lenzʼ »Schweigeminute«. S. u. die Analyse zu Uwe Timms »Die Entdeckung der Currywurst«.
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Was Luhmann ›Liebe‹ als ideale Form der »persönlichen Beziehung« nennt, verwirklichen in der Literatur die Strategien lückenhaften Erzählens. Julia Kristevas zugespitzte These, dass die Sprache der Liebe Literatur sei, weil die ideale Liebeserfahrung sich jeder semantischen »Direktheit« entziehe und sich nur in Metaphern äußere, die überdies in der Moderne zunehmend in »narrative Ellipsen« übergehen,⁴⁵ bedeutet nichts anderes als die Einsicht in die nach 1900 durchaus reflektierte Unausdrücklichkeit der (Liebes-) Erzählung. Kristevas aus der psychoanalytischen Praxis seit Freud gewonnene Erfahrung von der Offenbarung des Liebes-Begehrens in Zeichen des Nichtgesagten gilt auch für deren Darstellung in der Literatur. Die Unterdrückung der »Direktheit« im Stil, in der rhetorischen Figur metaphorischen Sprechens, wiederhole sich – so Kristeva – in der Form des Erzählens. Das Erzählen werde zur »Leerstelle zwischen den Zeilen«, in der das »Undarstellbare […] insistierend aufscheint«.⁴⁶ Kulturgeschichtlich und narratologisch formuliert: Die seit dem späten achtzehnten Jahrhundert als Ausdruck subjektiver Normbefreiung (Luhmann) beschworene zeitferne Idealität der Liebe entzieht sich der Zeitlichkeit des Erzählens. Wie aber geschieht dies? Und weshalb beruht die Wirkung der Liebeserzählung gerade im narrativen Entzug der Liebessemantik? Exemplarische Antwort geben im Folgenden drei zeitgenössische Formvarianten der Darstellung, denen im Gefolge der erkenntnisskeptischen Moderne der Zuwachs an narratologischem Problembewußtsein gegenüber den Liebeserzählungen der Goethezeit anzumerken ist. Es sind Versuche, um mit der Liebe der Zeit, nicht nur der geschichtlichen Zeit und ihrer von Luhmann betonten Beziehungsproblematik, sondern auch der dem Ewigkeitsideal der Liebe widersprechenden Erzählzeit zu entkommen: Formvariante eins: Liebe als Indiz. Ein Schüler liebt seine Lehrerin, lesen wir. Das kommt vor. Aber das Alltägliche verbirgt hier eine elementare Gewalt, deren Tiefe und Größe nur noch an den extraterrestrischen Hyperbeln eines Goethe, Schiller, Novalis und Brecht, Friedrich Schlegel und Ernst Bloch zu messen sind. Diese Liebe reicht wahrhaft zu den Sphären und überschreitet die zeitliche Existenz. Ein Schüler liebt seine Lehrerin, erzählt Siegfried Lenz in der Novelle Schweigeminute (2008)⁴⁷ und entfaltet zugleich eine engräumige Fülle des Alltäglichen. Er entwirft eine sommerliche Provinzstadt an der Ostsee. Ein Hauch ferner Nachkriegszeit liegt wie Patina auf ihr und unterstreicht die Abgesondertheit des Orts. Auf der Terrasse des Strandhotels sonnen sich die Touristen, am Strand verkauft man fri-
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Julia Kristeva, Geschichten von der Liebe. Aus dem Französischen von Dieter Hornig und Wolfram Bayer, Frankfurt a. M. 1989, S. 9, 355. Julia Kristeva, Geschichten von der Liebe, ebd., S. 354 f. Siegfried Lenz, Schweigeminute. Novelle, Hamburg 2008. Zitate nach dieser Ausgabe.
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schen Fisch, an der Mole werden Felsbrocken aufgeschüttet. Da ist das Steinriff vor dem Hafen und weiter draußen die Vogelinsel. Da sind Windstille und Sturmböen, und mitten in der Stadt ist das Gymnasium, wo die Englischlehrerin vor die Oberprima tritt, und alle Schüler stehen auf: »Good morning, Mrs. Petersen.« (41) Dass Stella Petersen und ihr Schüler Christian sich lieben, weiß niemand, und doch handelt die Novelle von nichts anderem. Wie wird in solch dicht ausgemalter, scheinbar lückenloser Alltäglichkeit die Liebe zur unalltäglich großen Liebe, zur allseitigen, Körper, Seele und Geist einschließenden, die Partner bis in ihre letzten Fasern erfüllenden und über den Rand des Daseins hinausführenden, ja buchstäblich bis an die Sterne reichenden Liebe? Die Diskretion, mit der Christian und Stella ihre Gefühle füreinander und nicht für die anderen bewahren, macht sich der Autor zu Eigen. Zärtliche Gesten, Umarmungen, am Abend ein doppelter Abdruck im Kopfkissen, der dann am Morgen ein einziger war. Viel mehr liest man nicht über die Liebe. Die Liebe eine Feuersbrunst? Nein, ein kleiner Brandfleck auf dem Bettlaken nur kündet von der Erregung, die Stella erfasste, als sie in ihrer Leidenschaft für Christian die Zigarette allzu hastig bei Seite legte. Lenz lässt den autodiegetischen Erzähler die Liebe eher verschweigen als sie darzustellen. Hinter dem Schweigen des Erzählers jedoch entfaltet sich ihr wahrhaft triumphales Bild. Stella heißt Christians Geliebte, und als Stella Maris, als Meerstern, auch Polarstern genannt – so der Name des Schiffs, das sie gleichsam aus der Welt trägt –, wird sie zur Metapher der Heiligen Maria. »Lob und Herrlichkeit […], Glorie sei Dir« entfährt es deshalb Christian während der Trauerfeier für die Gestorbene (53). Aber zugleich ist die Geliebte ein märchenhaftes Wasserwesen, ist Undine, ist Fouqués und Andersens romantische Meerfrau.⁴⁸ Stella, die Meisterschwimmerin, der Christian beim Wettcrawlen unterliegt, Stella, die Christians Mitschüler aus dem Wasser rettet, Stella, die zu den Findlingsblöcken taucht, die beim Strandfest als Meerfrau brilliert und deren Asche am Ende »schnell«, wie es heißt, vom Wasser aufgenommen wird (121) – sie, die Meerfrau, die in der griechischen Mythologie als Nereide ein göttlicher Elementargeist ist und ein Sternzeichen dazu, verschmilzt am Firmament mit dem Heiligenbild der Maria, des Meersterns, des Polarsterns. Lenz’ Erzählung verschweigt dem Leser die atemberaubenden Entgrenzungen und verschweigt sie mit Absicht, weil sich die große Liebe nicht anders als im Schweigen äußern kann: muss doch, so diktiert Lenz dem Ich-Erzähler, im Entzug der Zeit, also auch der Erzähl-Zeit, d. h. »im Schweigen ruhen und bewahrt werden, was uns glücklich macht« (126).⁴⁹
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Vgl. Heinrich Deterings Rezension: Die Meerfrau und der Steinfischer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 143, Literatur, Samstag, 21.Juni 2008, S. Z5. Zur Formvariante »Liebe als Indiz« vgl. auch Michael Kumpfmüllers Roman über die Liebe zwischen Franz Kafka und Dora Diamant: Die Herrlichkeit des Lebens, Köln 2011, insb. S. 83,
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Wie kann der Erzähler als ›Beschwörer des Imperfekts‹ ein Verteidiger der Zeit sein und zugleich als Sachwalter der Liebe ein Gegner der Zeit? Er kann es, indem er semantische Lücken platziert und Ellipsen ›erzählt‹. So umgibt die Liebe eine ›Rhetorik des Schweigens‹.⁵⁰ In seiner Novelle Schweigeminute ersetzt Siegfried Lenz den Entwurf der Liebe durch die bloße Nennung ihrer Indizien – Delle im Kopfkissen, Brandfleck im Laken, zeitentgrenzende Mythen. Aber man kann die Idee der großen Liebe auch dadurch bewahren, dass man ihr sogar noch die Indizien nimmt – in der Formvariante zwei: Liebe als Wunsch. Hier gibt es keine Delle im Kopfkissen, keine Nereide, keinen Polarstern. Stattdessen ist dort, wo die große Liebe wäre, rein gar nichts. Um dieses Nichts herum entwickelt sich eine Geschichte, die man gleichwohl als veritablen Liebesroman bezeichnen kann. Gewiss, die Liebe fehlt, aber weil sie fehlt, wird sie umso heftiger zum Gegenstand der Sehnsucht. Von dieser Sehnsucht erzählt Dieter Wellershoffs Roman Der Liebeswunsch (2000).⁵¹ Er erzählt von einer Viererbeziehung. Die Klinikärztin Marlene hat sich von Leonhard, einem angesehenen Richter, getrennt und ist nun mit dessen Freund Paul verbunden, einem erfolgreichen Chirurgen. Die Kränkungen, die durch Marlenes Wechsel von Leonhard zu Paul der Dreierfreundschaft schaden, scheinen vergessen, als Leonhard die viel jüngere Studentin Anja trifft und bald darauf heiratet. Da ist die Balance zwischen den nunmehr vier Freunden wiederhergestellt. Freilich nicht lange. Denn Leonhards und Anjas Ehe scheitert. Anja sucht die ersehnte Liebeserfüllung, die sie bei Leonhard nicht fand, jetzt bei Paul, der mit
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119. – »Man muß die Geschichte nicht in ihrer ganzen Fülle ausbreiten«, erklärt Kumpfmüller in einem Interview. »In diesem Roman zählen weniger die Sätze […] als die Gesten.« Agnes Bidmon, Interview mit Michael Kumpfmüller (26. Januar 2012): www.schauinsblau.de/4kult-und-mythos. – Ein problematisches Gegenbeispiel zu Lenzʼ und Kumpfmüllers indizierter Liebe ist Hanns-Josef Ortheils Roman »Die große Liebe« (München 2005, 7. Aufl.). Hier wird die Liebe gegen alle Bedenken einfach beim Wort genommen. »Ich hatte das Gefühl, als stehe die Zeit plötzlich still«, bemerkt zwar Ortheils Erzähler-Ich nach der ersten leidenschaftlichen Begegnung mit Franca (S. 162). Aber das gilt nicht für Ortheils Roman selbst, der das Liebesideal als intensives Fühlen und ungehemmtes Erotisieren über eine Erzählzeit von dreihundert Seiten dehnt. Keine Überraschung, dass die dem Ideal der großen Liebe angemessene Überhöhung der Geliebten in eine zeittranszendente Sphäre umstandslos in die Zeitlichkeit des Erzählens einbezogen wird. Während Lenzʼ Stella als ätherischer Polarstern eine semantische Lücke im Erzählfluss ist, wird bei Ortheil Francas Ähnlichkeit mit dem kostbaren Porträt einer Heiligen wortreich beschrieben und bestaunt, damit durch Erzählung verzeitlicht – und so verzeitlicht um ihren Transzendenzwert gebracht (S. 179–194). Christiaan L. Hart Nibbrig, Rhetorik des Schweigens, Frankfurt a. M. 1981. Dieter Wellershoff, Der Liebeswunsch. Roman, Köln 2000. Verweise nach dieser Ausgabe. – Vgl. zur Formvariante »Liebe als Wunsch« auch: Wilhelm Genazino, Die Liebesblödigkeit. Roman, München und Wien 2005 sowie: Bodo Kirchhoff, Die Liebe in groben Zügen. Roman, Frankfurt a. M. 2012.
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ihr Marlene betrügt. Nach einer heftigen sexuellen Affäre verlässt Paul auch Anja. Am Ende treiben Liebesenttäuschung und Lebensverzweiflung Anja in den Tod. Was geschieht hier? Der kontrastierende Hintergrund erklärt es. Auf ihn verweisen die Lücken des Romans. Auch sie, die Lücken, führen nicht zur großen Liebe, sondern unterstreichen nur ihr Fehlen, unterstreichen die Liebe als bloßen Wunsch. Zum einen erscheinen hinter Wellershoffs Roman latent die Umrisse jener Viererbeziehung, die Goethe in den Wahlverwandtschaften entwirft und gleichfalls scheitern lässt – am Widerspruch von »Vernunftfreiheit« und »leidenschaftlicher Notwendigkeit«.⁵² Zwar gibt es, so Goethe, nur eine Natur, weshalb die Menschen wie die chemischen Elemente den Naturkräften notwendig unterworfen seien, aber zugleich wolle sie von solcher Notwendigkeit die Vernunft befreien – die Vernunft, die der Ottilie freilich die elementare, aber illegitime Liebe zum verheirateten Eduard verbietet. Der unerfüllte Liebeswunsch führt Ottilie gleich Anja in den Tod. – Zum anderen spielt Wellershoff unausgesprochen auf Fontanes Effi Briest an, worin Effis Liebesverlangen nicht nur an Instettens vernünftiger Fühllosigkeit und Crampas sexueller Verführung scheitert, sondern vor allem am »Gesellschafts-Etwas«⁵³, das Instetten (ebenso wie Leonhard) prägt und ihm einen bloß zitierten Ehrbegriff⁵⁴ diktiert, der am Ende weder Verzeihung noch Versöhnung, geschweige denn Liebe erlaubt. Kontrastiv zu Fontane und Goethe begründet Wellershoff die Problematik der Liebe mit der Partialität seiner vier Figuren. Denn das hohe Liebesideal, das Hebel, Novalis, Schiller und Goethe beschwören, fordert Totalität. Es fordert zugleich Körper, Geist und Seele, nach Schlegel »ausgelassenste Sinnlichkeit« und »geistigste Geistigkeit«.⁵⁵ Leonhard jedoch bietet Anja nur Ordnung, Sicherheit und Verlässlichkeit. Paul offeriert nur einen sportlichen Körper und sexuelle Potenz. Marlene wiederum spürt Anjas erotische Ausstrahlung, aber Vernunft und Vorsicht verbieten auch ihr die Annäherung an die Freundin. Und Anja selbst? Sie sucht die absolute Liebeserfüllung, aber »ihr Leben hatte seit langem etwas Unfühlbares und Gleitendes angenommen«, wie der Erzähler schreibt, eine »innere Leere«.⁵⁶
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S. Johann Wolfgang von Goethe, Selbstanzeige seines Romans, Hamburger Ausgabe, Bd. 6, S. 621. Theodor Fontane, Effi Briest. Roman. Mit einem Nachwort von Kurt Wölfel, Stuttgart 1977, S. 268. Vgl. Gerhard Neumanns Hinweise auf die den ganzen Roman durchziehenden Beispiele einer zur Zitierkultur abgesunkenen großbürgerlich-aristokratischen Gesellschaft: Gerhard Neumann, »Eigentlich war es doch ein Musterpaar«. Die trübe Passion der Effi Briest, in: Zur Literaturgeschichte der Liebe, hg. von Karl Heinz Götze, Ingrid Haag u. a., Würzburg 2009. S. 221–240. Friedrich Schlegel, Lucinde, S. 11. Dieter Wellershoff, Der Liebeswunsch, S. 28, 30.
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Obgleich attraktiv, ist sie nur ein indifferentes Vakuum, das dem Begehren der anderen nichts entgegenzusetzen vermag. Wellershoffs Figuren, selbstbezogen und abgeschliffen in erfolgreichen Berufskarrieren, fehlt die ideale Totalität aus Körper, Geist und Seele, auch die Unbedingtheit und die Bedingungslosigkeit – mit Goethe: die Naturnotwendigkeit, mit Luhmann: »die hohe zwischenmenschliche Interpenetration«⁵⁷ – der großen Liebe. Anja jedoch vermag sie nur aufs äußerste zu ersehnen; selbst entfachen kann sie die Liebe nicht. Während Goethe für die ›große‹, alle irdische Bedingtheit übersteigende Liebe idealistisch das paradoxe Ganze aus Vernunftfreiheit und Naturnotwendigkeit voraussetzt, während Fontane das gesellschaftliche comme il faut zum Feind der Liebe erklärt, ist es bei Wellershoff die postmoderne Selbstbezogenheit und Partialität der einzelnen⁵⁸, die die Liebestotalität unmöglich macht. Möglich ist die Liebe daher nur als unerfüllter Wunsch, narratologisch: als semantische Leerstelle, als intradiegetische Lücke. Jedoch ist hier die Lücke im Erzählen nicht allein der narrative Ort der Liebe, sondern auch die Stelle, die die Skepsis des modernen Erzählers verrät, von der großen Liebe mit jenem unbefangenen Triumpf zu sprechen, der einst ihren bürgerlichen Entdeckern zukam, Goethe, Schiller, Hebel, Novalis, Kleist, Friedrich Schlegel. Immerhin zeigt die semantische Lücke den Versuch, mit bestimmten narrativen Formen die Zeitgebundenheit des Erzählens gegenüber der nach wie vor als zeitenthoben gedachten Liebe zu unterlaufen. Hierzu ein letztes Beispiel, die Formvariante drei: Liebe als Erinnerung. In Erinnerung an seine Kindheit und den köstlichen Genuss der Currywurst am Hamburger Großneumarkt macht sich der Erzähler auf die Suche nach der ehemaligen Besitzerin der Imbissbude. Er findet die hochbetagte Lena Brücker, 57
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»Das heißt: Personen senken im Verhältnis zueinander die Relevanzschwelle mit der Folge, daß das, was für den einen relevant ist, fast immer auch für den anderen relevant ist. Entsprechend werden kommunikative Beziehungen verdichtet. […] Der deutsche Idealismus hätte gesagt: sich das Weltverhältnis des anderen zu eigen machen, das heißt: es mitgenießen.« (Niklas Luhmann, Liebe als Passion, S. 200) Vgl. hierzu die Wertewandel-Debatte in der Zeitgeschichteforschung – ausgehend von Ronald Inglehart, Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt, Frankfurt a. M. 1995 und: Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1998. So wie Inglehart versteht auch Ulrich Beck ›Selbstverwirklichung‹ und ›Individualität‹ als die dominanten Zielsetzungen einer postmodernen bzw. postmaterialistischen Gesellschaft (Ulrich Beck, Das Zeitalter des ›eigenen Lebens‹. Individualisierung als ›paradoxe Sozialstruktur‹ und andere offene Fragen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 29, 2001, S. 3–6). Elisabeth Noelle-Neumann sieht dagegen in der Tendenz zu ›Privatismus‹ und ›Selbstentfaltung‹ Äußerungen eines postmodernen »Werteverfalls« und spricht vom »Prozess der Erosion der bürgerlichen Tugenden« (Elisabeth Noelle-Neumann, Politik und Wertewandel, in: Geschichte und Gegenwart, 1 (1985), S. 3–15).
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die ihrerseits in Erinnerung an die »schönsten Jahre« von der großen Liebe erzählt: Wie sie, April 1945, vor einem Kino den 24jährigen Bootsmann Hermann Bremer traf, wie sie ihn vor der heldenhaften Verteidigung Hamburgs bewahrte und zu sich nahm, und wie sie sich beide inmitten von Fliegeralarm, Bombenhagel, den Nachstellungen des Blockwarts und dem Misstrauen der Nachbarin auf ihrer Zeitinsel, dem Matratzenparadies liebten, wie sie einander, als wäre es eine andere Welt, von der Zeit, nämlich von ihrem früheren Leben erzählten, von der Front und vom ungeliebten Ehemann, der im Osten verschollen ist, wie die Liebende dem in ihrer Wohnung versteckten Fahnenflüchtigen, um ihn nicht zu verlieren, das Kriegsende verschwieg, und wie der Geliebte eines Tages doch verschwand – das alles erzählt Lena Brücker und resümiert am Ende: »Die Zeit damals war […] das Glück.« (155) Uwe Timms ›Novelle‹ Die Entdeckung der Currywurst (1993)⁵⁹ folgt mit ihrem Erzählrahmen der Gattungsregel, aber indem sie ihr folgt, indem sie aus der Erzählgegenwart heraus die Liebe erinnert, kehrt sie die Prolepse der Prosa gegen sich selbst. Die Erzählung unterläuft als Analepse den ihr eigenen Progress. Sie wendet sich zurück. Sie wendet sich performativ zurück – einerseits in der Erinnerung des Erzählers an die Begegnung mit der blinden Alten in ihrem Wohnheim, andererseits in deren Erinnerung an das Verhältnis mit jenem Soldaten, der ihre große Liebe war. Die Liebe erhält ihr Gewicht durch die Lücke, die der Erzähler mit Absicht setzt. Es ist die Jahrzehnte währende Lücke zwischen Erzählgegenwart und erzählter Vergangenheit, zwischen Alter und Jugend, zwischen jetziger Beschränkung und einstiger Lebensfülle. Narratologisch ist es zugleich der Wechsel zwischen Pro- und Analepse sowie zwischen extra- und intradiegetischem Erzähler. Im ständigen Wechsel beider Sphären und beider Erzählzeiten sowie Erzählerfiguren rechnet Uwe Timm die Trauer über das verlorene Glück gegen die Erinnerung auf, die die Zeit besiegt und der Liebe Dauer schenkt. Aber aus der Lücke, die der Erzähler lässt, erwächst mit der Erinnerung nicht nur die Dauer der Liebe, sondern eben deshalb auch der Trost und die Heiterkeit von Uwe Timms Liebesgeschichte Die Entdeckung der Currywurst.⁶⁰ Das Beispiel zeigt die Vorzüge der Novelle als Liebesgeschichte, und ähnliches gilt für Lenz’ Schweigeminute, auch sie eine Novelle: Die gattungstypische Differenz zwischen Rahmen-
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Uwe Timm, Die Entdeckung der Currywurst. Novelle, München 2000. Seitenverweise nach dieser Ausgabe. Vgl. zur Formvariante »Liebe als Erinnerung«: Bernhard Schlink, Der Vorleser. Roman, Zürich 1995 sowie Johanna Adorjan, Eine exklusive Liebe. Roman, München 2009 und André Gorz, Brief an D. Geschichte einer Liebe, München 2009.
liebe erzählen?
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und Binnenerzählung generiert jene semantische Lücke, ohne die über die Liebe nicht glaubwürdig zu erzählen ist. Kann man, so die Ausgangsfrage, Liebe erzählen? Ja, als Leerstelle in der Diegese, als semantische Lücke – gleich ob symbolisch (Liebe als Indiz), utopisch (Liebe als unerfüllbarer Wunsch) oder strukturell begründet (Liebe als Erinnerungsmontage). Die Erzählung der Liebe lediglich als Indiz, als bloßer Wunsch oder als Erinnerungsfragment versucht das um 1800 für die Literatur entdeckte und in ihr abseits zeitgebundener Normativität (Luhmann) verwirklichte Ideal von Empfindung und Begehren⁶¹ gegen die narrative Zeitlichkeit auszuspielen. Als zeitlos wurde sie einst gepriesen, die Liebe, als ewig gedacht. Und so reklamiert sie Roland Barthes noch heute für die Gegenwart. Nur in »Fragmenten« könne man über sie sprechen, meint er. Denn die Liebe sei »unsagbar« und ihr Ort die »sternenferne Welt«?⁶² Zugegeben, der Einwand ist so stichhaltig wie überfällig: Ein Jenseits der Zeit kann es auch in den Leerstellen des Erzählens nicht geben. Das Jenseits der Zeit wird nur angedeutet von den semantischen Lücken, in denen wortlos die große, die zeitentgrenzende Liebe aufscheint. Denn auch die Lücken sind als Lücken dem Fortgang des Erzählens unterworfen. Aber als Sinnrufzeichen⁶³ verlassen sie gleichwohl den Text und führen in das Bewusstsein des Lesers. Der Leser, nicht der Text, schafft die Empfindung der Liebe. Regiert also im Fortgang des Erzählens unüberwindbar die Zeit, so mag es ihn im Fortgang des Lesens durchaus geben, den gefühlten ewigen Augenblick der Liebe. Und nur dort, in der Vorstellungskraft des Lesers, gilt Goethes Wort aus den Mitschuldigen: »Die Liebe widersteht der Zeit, die alles raubt.«⁶⁴
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Jutta Greis, Drama Liebe. Zur Entstehungsgeschichte der modernen Liebe im Drama des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1991. Roland Barthes, Fragmente einer Sprache der Liebe [1977], Frankfurt a. M. 1988, S. 189, 87. Wolfgang Iser, Die Appellstruktur der Texte. Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa, Konstanz 1971: Den Anteil des Lesers am Mitvollzug des Textes gewähren nach Iser erst die Lücken oder Leerstellen. Was dabei rezeptiv geschieht, nennt Iser wechselnd »Sinnkonstitution« (S. 16), »Sinnkonfiguration« (S. 29), »Sinnprojektion« (S. 30) oder »Sinngebungsakt« (S. 35). Das Erzählen der Liebe ist, rezeptionsästhetisch verstanden, umso wirkungsvoller, je kalkulierter der Text durch sinnfordernde Leerstellen die Erfahrung der Liebe zu einer Sinn-Erfahrung des Lesers macht. Johann Wolfgang von Goethe, Die Mitschuldigen. Ein Lustspiel in drei Aufzügen (I, 5) [1787], in: Goethe. Werke. Hamburger Ausgabe, hg. von Erich Trunz, Bd. 4, München 1978, S. 36.
berichte
nicolai riedel in zusammenarbeit mit herman moens
marbacher schiller-bibliographie 2014 internationales referenzorgan zur forschungsund wirkungsgeschichte Vorwort Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren, in deren Verlauf die presse- und publikumswirksamen Dichterjubiläen gefallen sind, zeigt sich die Schiller-Bibliographie für das Berichtsjahr 2014 in einer besonders schlanken Gestalt. Betrachtet man ihr Volumen zurückgerechnet auf die Jahrzehnte seit ihrer Gründung, so kommt man auf einen Wert, der immer noch im Bereich des Durchschnittlichen liegt. Es besteht also kein Grund zur Beunruhigung und zur Mutmaßung, das Interesse an Schillers vielschichtigen Werken habe weltweit nachgelassen. Der geringere Umfang der Bibliographie ist auch darauf zurückzuführen, dass die internationale Schiller-Forschung nach ihren grandiosen Höhenflügen zwischen den Jahren 2005 und 2012 nun erst einmal eine schöpferische Atem- und Verschnaufpause braucht, um innovative methodische Zugriffe entwickeln zu können und erkenntnisfördernde Interpretationsideen reifen zu lassen, insbesondere was interdisziplinäre und komparatistische Aspekte der Werkanalyse betrifft. Die Dramen mit ihren europahistorischen Quellen, die Gedichte und Balladen mit ihrem ethischen Ansinnen und die ästhetischen Schriften mit ihren philosophischen Implikationen bergen immer noch »Zündstoff« für forschungskritische Reflexionen und für Betrachtungen aus einer veränderten Mikroskopie in einem sich wandelnden historischen Kontext. Solche neuen Grundlegungen brauchen, das lehrt uns die Geschichte der Germanistik, oftmals größere Zeitspannen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass sich die Forschungsareale in den Literaturwissenschaften kontinuierlich verändert haben: Längst steht nicht mehr ein einzelner Autor mit seinem Werk im Mittelpunkt des hermeneutischen Interesses. Viel häufiger sind es transkulturelle Horizonte, in die eine literarische Quelle projiziert oder integriert wird, wobei der Autor in den Hintergrund rückt oder vorübergehend ganz aus dem Analyseprozess verbannt wird. Die analytische Punk-
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tualität der traditionellen germanistischen Philologie, die den Bibliographen mit einem einfachen Werkzeugkasten auskommen ließ, gibt es nur noch in wenigen Domänen und auch dort schon im Rückgang begriffen. In der Auslandsgermanistik ist das Phänomen der autorzentrierten Einzelwerk-Analyse noch häufiger als im deutschsprachigen Raum anzutreffen, was aber oftmals an den infrastrukturellen Rahmenbedingungen liegt (Bibliothekslandschaft, Forschungsumgebung) und nicht so sehr am individuellen Erkenntnisinteresse der Forschenden. Bei der Durchsicht von annähernd 350 Inhaltsverzeichnissen »schillerverdächtiger« Monographien und Kongress-Schriften aus nahezu allen Disziplinen der Geistesund Kulturwissenschaften hat sich gezeigt, dass Autor und Werk durchaus in einer Metaebene oszillieren und dass sie eine referenzielle Wertschätzung erfahren, dass ihnen aber keine eigenständigen Kapitel oder Abschnitte eingeräumt werden, und wenn doch, dann ohne eine Zwischen-Überschrift, in der der Name Schiller erscheint, oder reduziert auf so wenige Seiten, dass das Aufnahmekriterium für die Bibliographie (mindestens 4 bis 5 Druckseiten) nicht erfüllt wird. In den Personenregistern der herangezogenen Abhandlungen ist Schiller präsent: allerdings verstreut auf viele Seiten, aber in den Inhaltsverzeichnissen wird er dann zum seltenen Gast. Wollte man nun alle jene Untersuchungen berücksichtigen, in denen Schiller im Personenregister figuriert oder in den Fußnoten-Apparaten zitiert wird und würde man die zahllosen exkurshaften Mini-Kapitel vieler Studien aufnehmen, hätte die Bibliographie vermutlich den doppelten Umfang. Es sollte aber mit dem Berichtsjahr 2014 kein konzeptioneller oder programmatischer Kurswechsel eingeleitet werden, nur weil sich eine temporäre Flaute auf dem sonst stürmischen Meer der Schiller-Philologie bemerkbar gemacht hat. Die Bibliographie soll weiterhin ein zuverlässiger Kompass bleiben, der gezielt auf gedruckte Quellen verweist, zu relevanter Forschungsliteratur führt und Fundstellen von Materialien zur Wirkungsgeschichte signalisiert (wie beispielsweise die Dokumentation der Kritiken zum Schiller-Film von Dominik Graf). Das schlanke Erscheinungsbild der Bibliographie resultiert aber auch aus der erfreulichen Tatsache, dass die mit großem zeitlichen Aufwand betriebenen retrospektiven Recherchen für die Berichtsjahre 1985 (Ende der Kumulationen der verdienstvollen Weimarer Schiller-Bibliographien) bis 2012 infolge optimierter Metadaten in den digitalen Verbundkatalogen nahezu abgeschlossen werden konnten. Die Anzahl der Nachträge ist deshalb deutlich gesunken. Durch die verkürzte Bearbeitungszeit für das jeweils zurückliegende Berichtsjahr konnten nicht alle mutmaßlichen »Schilleriana« bis Redaktionsschluss beschafft und / oder am Exemplar selbst geprüft werden; vielfach war nur eine »virtuelle Autopsie« möglich, die aber nach unserer bisherigen Erfahrung einen hohen Grad an Verlässlichkeit hat und in Ausnahmefällen praktiziert werden kann. Nachträge sind folglich doch nicht ganz zu vermeiden. Das gilt auch für die Pressestimmen
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aus Tages- und Wochenzeitungen zu den aktuellen Schiller-Inszenierungen auf den deutschsprachigen Bühnen. Mit großer Zurückhaltung wurden, wie auch schon im Vorjahr, wichtige elektronische Ressourcen aufgenommen. Es ist aber auch in Zukunft nicht beabsichtigt, die Schiller-Bibliographie mit digitalen Dokumenten zu überschwemmen, die sich schon nach wenigen Jahren nicht mehr identifizieren lassen. Insofern behält die Bibliographie ihren tendenziell traditionellen Charakter. Die Systematik wurde für das Berichtsjahr 2014 nur geringfügig modifiziert, ebenso die Praxis des Annotierens, Kommentierens und Verweisens. Das Kapitel »Vertonungen« ist mangels audiovisueller Quellen gestrichen worden, soll aber im Bedarfsfall 2015 wieder eingerichtet werden. Um die Benutzung bezüglich des Suchmodus »Werktitel« zu erleichtern, werden fortan einzelwerkspezifische Kapitel aus Monographien wie unselbständige Beiträge behandelt. Die Vorzüge dieser Verfahrensweise (Splitting) dürften insbesondere denjenigen Forschenden, die mit der gedruckten Fassung der Schiller-Bibliographie arbeiten, zugutekommen. Geistes- und Literaturwissenschaftler(innen) aus allen Kulturnationen der Welt werden gebeten, ihre geplanten, im Druck befindlichen und abgeschlossen Schiller-Studien (Monographien, Zeitschriftenaufsätze, Buchkapitel und Vorträge) der Jahrbuch-Redaktion zu melden. Aktualität und Informationsdichte der Bibliographie können durch eine internationale und interdisziplinäre Kommunikation immer weiter verbessert werden. Redaktionsschluss: 15. Juni 2015
Inhaltsverzeichnis 1.
Internationale Schiller-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Bibliographien und Referenzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Forschungsberichte, Editionskritik und Nachlass-Überlieferung . . . . . . . 1.3. Zeitschriften und Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Kongress-Schriften: Colloquien, Symposien, Tagungen . . . . . . . . . . . . . .
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Quelleneditionen (und Nachdrucke in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Mehrbändige Werkausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Teilausgaben und kleine Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Literarische Gattungen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Lyrik: Gedichte und Balladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Dramatische Werke und Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3. Erzählende Prosa, theoretische Schriften und andere Texte . . . . . .
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2.4. Herausgegebene Publikationen (Zeitschriften) und eigene Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2.5. Briefe: Editionen, Korrespondenzen und Einzelstücke . . . . . . . . . . . . . . . 368 2.6. Übersetzungen von Schillers Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 3.
Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Werkübergreifende Gesamtdarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Resümierende Beiträge, Würdigungen, Reden, Essays, Gespräche . . . . . 3.3. Längere Artikel in Nachschlagewerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.
Biographische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
5.
Kontexte: Kontakte – Einflüsse – Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Beziehungen zu Orten, Landschaften und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Schillers Zeitgenossen und Vergleiche mit anderen Personen im historisch-politischen, bildungs- und ideengeschichtlichen Kontext . . . 5.3. Die Familie Schiller: Genealogie, Generationen und Verwandtschaften
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Intellektuelle Vernetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Geschichte – Kulturkritik – Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Philosophie, Ästhetik, Anthropologie, Bildung und Erziehung . . . . . . . . 6.3. Literatur, Sprache, Poetologie, Kunst und Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Musik und Tanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5. Religion(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6. Naturwissenschaften, Medizin, Recht(sgeschichte) und Kriminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7. Griechische und römische Antike (Mythologie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schillers literarische Werke und theoretische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1. Allgemeine gattungsübergreifende Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2. Lyrik: Gedichte und Balladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1. Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2. Einzelne Gedichte: Analysen, Interpretationen, Kommentare und Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3. Dramatische Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1. Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2. »Die Braut von Messina« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3. »Don Karlos« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4. »Die Jungfrau von Orleans« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.5. »Kabale und Liebe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.3.6. »Maria Stuart« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.7. »Die Räuber« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.8. »Wilhelm Tell« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.9. »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.10. »Wallenstein«-Trilogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.11. Kleinere Stücke und dramatische Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählende Prosa, ästhetische und historische Schriften . . . . . . . . . . . . . 7.4.1. Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche . . . . . . . . . . . . . 7.4.2. Arbeiten zu besonderen Aspekten und Themen. . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3. Studien zu einzelnen Werken und Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiller als Herausgeber, Übersetzer und Bearbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zu Briefen und Korrespondenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelne Aspekte, Motive, Stoffe, Themen und Begriffe (autoren- und werkübergreifend) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wirkungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1. Allgemeinere Darstellungen zur Wirkung Schillers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2. Schiller-Verehrung: Denkmalkultur, Erinnerungsstücke, Häuser und Gärten, Jubiläumsfeiern, Requisiten, Preis-Stiftungen . . . . . 8.3. Studien zur internationalen Schiller-Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4. Schillers Wirkung auf einzelne Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5. Schillers Werke auf der Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1. Rückblicke auf historische Aufführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2. Aktuelle Inszenierungen im Spiegel der Presse (Auswahl) . . . . . . 8.6. Bearbeitungen und Vertonungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1. Sprachliche Transformationen und musikalischdramaturgische Medialisierungen: Libretti, Partituren, Noten . . . 8.6.2. Beiträge zu einzelnen musikalischen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7. Illustrationen und Ikonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8. Produktive Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.1. (Nach-)Dichtungen, Bearbeitungen, Parodien, Anekdoten . . . . . . 8.8.2. Schiller im Film: »Die geliebten Schwestern« . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9. Schiller im Deutschunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411 411
7.4.
7.5. 7.6. 7.7.
8.
9.
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411 412 413 417 417 417 417 417 418 418 418 418 420 425
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
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1. Internationale Schiller-Forschung 1.1. Bibliographien und Referenzwerke 1.
Riedel, Nicolai (in Zusammenarbeit mit Herman Moens): Marbacher Schiller-Bibliographie 2013. Internationales Referenzorgan zur Forschungs- und Wirkungsgeschichte. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Herausgegeben von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Band 58 (2014). Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter, 2014, S. 484–598. – ISBN 978-3-11-034555-9.
1.2. Forschungsberichte, Editionskritik, Druckgeschichte sowie Nachlass-Überlieferung 2.
Sautermeister, Gert: Tyrannenmord und Widerstandsrecht. Das letzte Werk des Literaturwissenschaftlers Walter Müller-Seidel: »Friedrich Schiller und die Politik«. In: literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften. Marburg. 16. Jg., 2014, Heft 9, S. 226–240. [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 269 und die Rezensionen in MSB 2011, Nr. 166]. Hellmich, Christine: Die Hamburger Bühnenmanuskripte von Schillers Drama »Die Jungfrau von Orleans«. Bern: Verlag Peter Lang, 2014, s. Kap. 7.3.4., Nr. 198.
1.3. Zeitschriften und Jahrbücher 3.
Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Herausgegeben von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Band 58 (2014). Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter, 2014, 716 S. – ISBN 978-3-11-034555-9. Beitrag zu Friedrich Schiller von Christian Liewerscheidt (Kap. 7.3.5., Nr. 203), Schiller-Bibliographie von Nicolai Riedel / Herman Moens (Kap. 1.1., Nr. 1) und SchillerRede von Michael Krüger (Kap. 3.2., Nr. 58).
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1.4. Kongress-Schriften: Symposien, Colloquien, Tagungen 4.
»Ein Aggregat von Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg 2013 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2013, Nr. 10]. Rezension von Arne Klawitter. In: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften. Wien. 60. Jg., 2014, Heft 3, S. 469– 473.
5.
Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, 217 S. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Der Band enthält die Vorträge einer interdisziplinären Ringvorlesung, die am 10. November 2009 an der Universität zu Köln stattgefunden hat. Beiträge von Michael Jaeger (Kap. 7.3.4., Nr. 199), Gert Sautermeister (Kap. 7.3.7., Nr. 218), Regine Romberg (Kap. 6.6., Nr. 121), Otto Dann (Kap. 6.1., Nr. 87), Klaus Düsing (Kap. 6.2., Nr. 99), Edith Düsing (Kap. 8.4., Nr. 284), Rolf Füllmann (Kap. 7.2.2., Nr. 170), Wolfgang Düsing (Kap. 6.5., Nr. 142), Volker Hessel (Kap. 4, Nr. 63) und Klaus Erich Kaehler (Kap. 5.2., Nr. 74²).
6.
Who Is This Schiller Now? Essays on His Reception and Significance. Edited by Jeffrey L. High, Nicholas Martin and Norbert Oellers. Rochester 2011: Camden House, 494 S. [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 26]. Rezension von Osman Durrani. In: The Modern Language Review. London. 109. Jg., 2014, Heft 2, S. 545–547. – Frühere Rezensionen s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 11 und MSB 2013, Nr. 17.
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2. Quelleneditionen (und Nachdrucke in Auswahl) 2.1. Mehrbändige Werkausgaben 2.2. Teilausgaben und kleine Sammlungen (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
2.3. Literarische Gattungen 2.3.1. Lyrik: Gedichte und Balladen 7. Am Geburtstag der Frau Kriegsrat Griesbach. In: Kinderland, du Zauberland. Die schönsten Kindergedichte. Ausgewählt von Petra Teubner und Wolfgang Schneider. Wiesbaden: Marix Verlag, 2014, S. 138–139. – ISBN 978-3-86539-381-4. 8. An die Freude. Der Schlusschor der Neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven. In: Edelsteine. 107 Sternstunden deutscher Sprache vom Nibelungenlied bis Einstein, von Mozart bis Loriot. Herausgegeben von Max Behland, Walter Krämer und Reiner Pogarell. Paderborn: IFB-Verlag Deutsche Sprache, 2014, S. 274–279. – ISBN 978-3-942409-31-5. 9. An die Freude. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 207–210. – ISBN 978-3-7306-0158-7. 10. An die Freude. In: Weimarer Klassiker. Die schönsten Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Steinenbronn: Scribo Verlagsgesellschaft, 2014, S. 50–55. (= Die Kleine Reihe. 34). – ISBN 978-3-937310-57-2. 11.
An die Sonne. In: Die Sonne. Gedichte. Herausgegeben von Andrea Wüstner. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 58–59. (= Reclams Universal-Bibliothek. 19187). – ISBN 978-3-15-019187-3.
12.
Bittschrift. In: Dem Kuttel sein Daddel sein Du. Komische Gedichte. Herausgegeben von Walter Gerlach. Wiesbaden: Marix Verlag, 2014, S. 33–34. – ISBN 978-386539-382-1.
13.
Das Lied von der Glocke. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 214–226. – ISBN 978-3-73060158-7.
14.
Das verschleierte Bild zu Sais. In: Dichter blicken ins Verborgene. Spirituelle Weisheit in Gedichten. Herausgegeben von Thomas Michael Schmidt. Frankfurt/M.: Clavis Verlag, 2009, S. 188–191. – ISBN 978-3-934839-13-7.
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15.
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Der Gang nach dem Eisenhammer. In: Balladenbüchlein für Alice Brigitte Schneider. Herausgegeben von Bernd Jentzsch. Flamersheim: Chidher Verlag, 2014, S. 47–57. (= Chidher Rekonstruktionen. 7). – Keine ISBN. Der Gang nach dem Eisenhammer, s. Kap. 8.8., Nr. 301.
16.
Der Handschuh. In: »Die Augen sanft und wilde«. Balladen. Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Kronauer. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 77–79. (= Reclam Bibliothek). – ISBN 978-3-15-010995-3.
17.
Der Handschuh. In: Balladen... aber gründlich! Umfassendes Material, präzise Informationen, motivierende Übungen / von Hans-Peter Tiemann. Kerpen: Kohl Verlag, 2014, S. 23–26. – ISBN 978-3-95686-567-1.
18.
Der Handschuh. In: Balladen der Weltliteratur. Herausgeben von Miriam Kronstädter und Hans-Joachim Simm. Wiesbaden: Marix Verlag, 2014, S. 56–58. – ISBN 978-3-86539-384-5.
19.
Der Handschuh. In: Weimarer Klassiker. Die schönsten Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Steinenbronn: Scribo Verlagsgesellschaft, 2014, S. 24–27. (= Die Kleine Reihe. 34). – ISBN 978-3-937310-57-2. Der Handschuh, s. Kap. 8.8., Nr. 301. Der Kampf mit dem Drachen, s. Kap. 8.8., Nr. 301.
20. Der Ring des Polykrates. In: »Die Augen sanft und wilde«. Balladen. Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Kronauer. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 62–65. (= Reclam Bibliothek). – ISBN 978-3-15-010995-3. 21.
Der Ring des Polykrates. In: Balladen der Weltliteratur. Herausgeben von Miriam Kronstädter und Hans-Joachim Simm. Wiesbaden: Marix Verlag, 2014, S. 58–61. – ISBN 978-3-86539-384-5.
22.
Der Taucher. In: »Die Augen sanft und wilde«. Balladen. Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Kronauer. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 68–74. (= Reclam Bibliothek). – ISBN 978-3-15-010995-3.
23.
Der Taucher. In: »Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand.« Deutsche Balladen. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Illustrationen von Burkhard Neie. Berlin: Insel Verlag, 2014, S. 16–22. (= Insel-Bücherei. 2011). – ISBN 978-3-458-20011-6. Der Taucher, s. Kap. 8.8., Nr. 301.
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24. Des Sennen Abschied. In: September. Gedichte. Ausgewählt von Evelyne PoltHeinzl und Christine Schmidjell. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 17. (= Reclams Universal-Bibliothek. 19119). – ISBN 978-3-15-019119-4. 25.
Die Bürgschaft. In: »Die Augen sanft und wilde«. Balladen. Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Kronauer. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, S. 82–87. (= Reclam Bibliothek). – ISBN 978-3-15-010995-3.
26. Die Bürgschaft. In: Balladen ... aber gründlich! Umfassendes Material, präzise Informationen, motivierende Übungen / von Hans-Peter Tiemann. Kerpen: Kohl Verlag, 2014, S. 45–49. – ISBN 978-3-95686-567-1. 27.
Die Bürgschaft. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 210–214. – ISBN 978-3-73060158-7.
28. Die Bürgschaft. In: Weimarer Klassiker. Die schönsten Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Steinenbronn: Scribo Verlagsgesellschaft, 2014, S. 34–40. (= Die Kleine Reihe. 34). – ISBN 978-3-937310-57-2. Die Bürgschaft, s. Kap. 8.8., Nr. 301. 29. Die Götter Griechenlands. In: Dichter blicken ins Verborgene. Spirituelle Weisheit in Gedichten. Herausgegeben von Thomas Michael Schmidt. Frankfurt/M.: Clavis Verlag, 2009, S. 138–143. – ISBN 978-3-934839-13-7. 30. Die Kraniche des Ibykus. In: »Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand.« Deutsche Balladen. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Illustrationen von Burkhard Neie. Berlin: Insel Verlag, 2014, S. 8–15. (= Insel-Bücherei. 2011). – ISBN 978-3-458-20011-6. 31.
Die Kraniche des Ibykus. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 226–231. – ISBN 978-3-73060158-7.
32.
Die Phantasie. In: Kinderland, du Zauberland. Die schönsten Kindergedichte. Ausgewählt von Petra Teubner und Wolfgang Schneider. Wiesbaden: Marix Verlag, 2014, S. 237. – ISBN 978-3-86539-381-4.
33.
Die schlimmen Monarchen. In: Zorn – Spielarten eines großen Gefühls. Texte von Homer bis Thomas Mann. Herausgegeben von Ricarda Junge. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2014, S. 178–181. (= Fischer Taschenbuch. 90520: Fischer Klassik). – ISBN 978-3-596-90520-1.
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34. Kassandra. In: Dichter blicken ins Verborgene. Spirituelle Weisheit in Gedichten. Herausgegeben von Thomas Michael Schmidt. Frankfurt/M.: Clavis Verlag, 2009, S. 84–89. – ISBN 978-3-934839-13-7. 35.
Meine Blumen. In: »Und wie schön ist noch die Welt.« Frühlingsgedichte. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Fotografien von Isolde Ohlbaum. Berlin: Insel Verlag, 2014, S. 20–21. (= Insel-Bücherei. 2007). – ISBN 978-3-45820007-9.
36. Nänie. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 210. – ISBN 978-3-7306-0158-7. 37.
Pegasus im Joche. In: Das Reichsgericht der Tiere. FabelBilder. Herausgegeben von Manfred Jendryschik. Illustrationen von Rolf Münzner. Halle (Saale), Eisleben: Projekte-Verlag Cornelius, 2014, S. 110–113. – ISBN 978-3-95486-479-9.
38. Resignation. In: Die schönsten deutschen Gedichte. Herausgegeben von Lukas Moritz. Köln: Anaconda Verlag, 2014, S. 204–206. – ISBN 978-3-7306-0158-7. 39. Ritter Toggenburg. In: Balladenbüchlein für Alice Brigitte Schneider. Herausgegeben von Bernd Jentzsch. Flamersheim: Chidher Verlag, 2014, S. 43–46. (= Chidher Rekonstruktionen. 7). – Keine ISBN. 40. Ritter Toggenburg. In: Weimarer Klassiker. Die schönsten Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Steinenbronn: Scribo Verlagsgesellschaft, 2014, S. 66–69. (= Die Kleine Reihe. 34). – ISBN 978-3-937310-57-2. Ritter Toggenburg, s. Kap. 8.8., Nr. 301. 41.
Spruch des Konfuzius. In: O süßes Nichtstun. Hundert Gedichte zum Lob der Faulheit. Herausgegeben von Jürgen Engler. Berlin: Aufbau Verlag, 2014, S. 114. – ISBN 978-3- 351-03571-6.
42. Spruch des Konfuzius. In: Weimarer Klassiker. Die schönsten Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Steinenbronn: Scribo Verlagsgesellschaft, 2014, S. 18. (= Die Kleine Reihe. 34). – ISBN 978-3-937310-57-2.
2.3.2. Dramatische Werke und Fragmente 43. Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie. Herausgegeben von Uwe Jansen. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, 178 S. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19157). – ISBN 978-3-15-019157-6. Die Ausgabe enthält einen Anhang (S. 139–177) mit Anmerkungen zum Text, Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte und Schillers Quelle.
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44. Die Räuber. Hamburg: Severus Verlag, 2014, 150 S. – ISBN 978-3-86347-866-7. Es handelt sich um eine reine Textausgabe ohne Vor- und Nachworte und ohne editorische Notizen. 45. Die Räuber. Ein Schauspiel. Herausgegeben von Uwe Jansen. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, 196 S. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19228). – ISBN 978-3-15-019228-3. Textausgabe mit einem Anhang: 1. Zur Textgestalt. – 2. Anmerkungen zu Namen, Orten, einzelnen Zeilen usw. – 3. Leben und Zeit: Zeittafel. – 4. Entstehung. – 5. Biblische und antike Quellen. – 6. Zeitgenössische Anregungen. – 7. Perspektiven. – 8. Deutungen. – 9. Literaturhinweise. 46. Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel. Herausgegeben von Max Kämper. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, 155 S. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19226). – ISBN 978-3-15-019226-9. Textausgabe mit einem Anhang: 1. Zur Textgestalt (S. 125). – 2. Anmerkungen (S. 126–133). – 3. Leben und Zeit (S. 134–137). – 4. Der absolutistische Fürstenhof (S. 138–143). – 5. Die bürgerliche Familie im 18. Jahrhundert (S. 144–147). – 6. Eine Religion der unbedingten Liebe (S. 148–153). – 7. Literaturhinweise (S. 154). 47. Maria Stuart. Ein Trauerspiel. Herausgegeben von Wolf Dieter Hellberg. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, 189 S. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19227). – ISBN 978-3-15-019227-6. Textausgabe mit einem Anhang: 1. Zur Textgestalt (S. 149). – 2. Anmerkungen zu Namen, Orten, einzelnen Zeilen usw. (S. 150–164). – 3. Materialien: 3.1. Leben und Zeit. – 3.2. Historische Hintergründe des Konflikts zwischen Maria Stuart und Elisabeth. – 3.3. Schillers philosophische Schriften zur Tragödie. – 3.4. Maria Stuart und die Französische Revolution. – 3.5. Wissenschaftliche Rezeption des Dramas (S. 165–187). – 4. Literaturhinweise (S. 188). 48. Maria Stuart. Hamburg: Severus Verlag, 2014, 164 S. – ISBN 978-3-86347-878-0. Es handelt sich um eine reine Textausgabe ohne Vor- und Nachworte und ohne editorische Notizen. 49. Wilhelm Tell. Herausgegeben von Meike Hahnraths und Kristina Schmeling. Illustrationen von Henriette Krüger. Mönchengladbach: Hahnraths Verlag, 2014, 111 S. (= Ich entdecke Literaturklassiker. 1.1). – ISBN 978-941747-03-6.
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2.3.3. Erzählende Prosa, theoretische Schriften und andere Texte 50. »Die Sympathie der Zuschauer verpuffte wie ein Gelächter«. Über das gegenwärtige teutsche Theater (1782). In: Denken designen. Zur Inszenierung der Theorie. Herausgegeben von Daniel Hornuff. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 93–104. – ISBN 978-3-7705-5759-2. 51.
Der Verbrecher aus verlorener Ehre. In: Zorn – Spielarten eines großen Gefühls. Texte von Homer bis Thomas Mann. Herausgegeben von Ricarda Junge. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2014, S. 243–251. (= Fischer Taschenbuch. 90520: Fischer Klassik). – ISBN 978-3-596-90520-1.
52.
Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Studienausgabe. Herausgegeben von Alexander Košenina. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2014, 125 S. (= Reclams Universal-Bibliothek. 19184). – ISBN 978-3-15–019184–2. Inhalt: Der Verbrecher aus verlorener Ehre (S. 7–35). – Anhang. 1. Textgrundlagen (S. 35–37). – 2. Überlieferung und Varianten (S. 38–42). – Kommentar (S. 43–56). – 4. Jacob Friedrich Abel: Lebens-Geschichte Friedrich Schwans, 1787 (S. 47–94). – 5. Dokumente (S. 95–111). – 6. Nachwort (S. 112–121). – 7. Literaturhinweise (S. 122–125). Rezension von Hans Richard Brittnacher. In: Editionen in der Kritik. Editionswissenschaftliches Rezensionsorgan. Band 7. Herausgegeben von Alfred Noe. Berlin: Weidler Buchverlag, 2014, S. 179–181. (= Berliner Beiträge zur Editionswissenschaft. 14). – ISBN 978-3-89693-631-8.
2.4. Herausgegebene Publikationen (Zeitschriften) und eigene Übersetzungen 53. Goethes und Schillers Übertragungen antiker Dichtungen. Mit dem Urtext herausgegeben von Horst Rüdiger. München: Ernst Heimeran Verlag, 1943, 462 (1) S. (= Tusculum-Bücher). – Reprint. Berlin, Boston, München: Walter de Gruyter [2014]. – ISBN 978-3-11–036044–8. Es handelt sich um einen reinen Nachdruck der Ausgabe von 1943 ohne Vor- und Nachworte, ohne editorische Notizen und ohne neues Impressum! Bei Vulpius (»Schiller-Bibliographie 1893–1958«, Nr. 1640) wird der Band ohne Angabe der enthaltenen Werke verzeichnet. Inhalt: Euripides: Iphigenie in Aulis (S. 54–213). – Euripides: Szenen aus den Phönizierinnen (S. 214–269). – Publius Vergilius Maro [aus der »Äneis«]: Der Sturm auf dem tyrrhener Meer (S. 270–279). – Die Zerstörung von Troja (S. 280–346). – Dido (S. 346–411). – Nachwort von Horst Rüdiger (S. 413–443). – Anmerkungen zu Schillers Übertragungen (S. 448–462).
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2.5. Briefe: Editionen, Korrespondenzen und Einzelstücke (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
2.6. Übersetzungen von Schillers Werken 54. Classical Pearls of Wisdom by Goethe and Schiller. Edited by Ulrich Völkel. Translated by Birgit Bergmann. Ilmenau: Rhino Verlag Lutz Gebhardt & Söhne, 2014, 91 S. (= Rhino Westentaschen-Bibliothek. 22). – ISBN 978-3-95560-022-8. Kabale und Liebe (englisch) 55. Luise Miller. In a new version by Mike Poulton. London: Nick Hern Books, 2011, 79 S. (= Donmar). – ISBN 978-1-84842-147-9. Über die ästhetische Erziehung des Menschen (englisch; Auszug) 56. On the Aesthetic Education of Man. In: The Bloomsbury Anthology of Aesthetics. Edited by Joseph Tanke and Colin McGuillan. New York, London: Bloomsbury Academic Publishing, 2012, S. 286–299. – ISBN 978-1-4411-3826-2. Über die ästhetische Erziehung des Menschen (spanisch; Sechster Brief) 57. Sobre la educación estética del hombre. Carta sexta. In: Fragmentos para una teoría romántica del arte. Novalis, Schiller, Schlegel, Kleist, Hölderlin. Antología y edición de Javier Arnaldo. Madrid: Editorial Tecnos, tercera edición 2014, S. 187–192. – ISBN 978-84-309-5800-9. Die Textsammlung enthält eine ausführliche Einführung des Herausgebers und Übersetzers (S. 11–42). – Die früheren Ausgaben (1. Aufl. 1987; 2. Aufl. 1994. – 84-309-1388-2) sind in den Marbacher Schiller-Bibliographien nicht verzeichnet.
3. Darstellungen 3.1. Werkübergreifende Gesamtdarstellungen (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
3.2. Resümierende Beiträge, Würdigungen, Reden und Essays 58. Krüger, Michael: Schiller-Rede. In: Sprache im technischen Zeitalter. Köln. 55. Jg., 2014, Heft 209, S. 10–28. Würdigung zum 254. Geburtstag Friedrich Schillers; die Rede wurde am 10. November 2013 im Deutschen Literaturarchiv Marbach gehalten. – Auch in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Berlin, München, Boston. 58. Jg., 2014, S. 624– 640. – ISBN 978-3-11–034555–1.
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59. Troeltsch, Ernst: Schiller, sein Werk und das deutsche Volk. Festrede zur Augsburger Schillerfeier, gehalten im Goldenen Saale (1905). In: Ders., Schriften zur Religionswissenschaft und Ethik (1903–1912). Teilband 1. Herausgegeben von Trutz Rendtorff, Stefan Pautler und Katja Thörner. Berlin, Boston, München: Walter de Gruyter, 2014, S. 257–284. (= Ernst Troeltsch. Kritische Gesamtausgabe. Band 6). – ISBN 978-3-11–026158–5. Wiedergabe des Texts mit einem editorischen Bericht zu Entstehung, Textgenese und Drucklegung. – Erstveröffentlichungen: A. In: Augsburger Abendzeitung. Nr. 128 vom 9. 05. 1905, S. 1–3. – B. In: Augsburger Neueste Nachrichten. 2. Blatt. Nr. 109 vom 10. 05. 1905, S. 1–3 [nicht bei Vulpius].
3.3. Längere Artikel in Nachschlagewerken 60. Feger, Hans: Friedrich von Schiller. In: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Abt. 5: Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, Schweiz, Nord- und Osteuropa. Halbband 2. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Basel: Schwabe Verlag, 2014, S. 1356–1367. – ISBN 978-37965-2631-2. 61.
Guyer, Paul: After Kant: Schiller. In: Ders., A History of Modern Aesthetics. Vol. 1: The Eighteenth Century. New York, NY: Cambridge University Press, 2014, S. 466–493. – ISBN 978-1-107-03803-5.
62. Lischewski, Andreas: Die klassisch-idealistische Epoche. Friedrich Schiller. In: Ders., Meilensteine der Pädagogik. Geschichte der Pädagogik nach Personen, Werk und Wirkung. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 2014, S. 165–173. (= Kröners Taschenausgabe. 336). – ISBN 978-3-520-33601-9.
4. Biographische Aspekte 63. Hesse, Volker: Friedrich Schiller – Arzt und Dichter – Schöpferkraft trotz Krankheit. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 91–129. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Friedrich Schillers Ausbildung an der Karlsschule. – Krankheiten und Wachstumsstagnation an der Karlsschule. – Der Medizinstudent Friedrich Schiller. – Medizinische und wissenschaftliche Leistungen des Medizinstudenten Friedrich Schiller. – Literarische Anfänge. – Regimentsarzt Friedrich Schiller. – Mannheim. – Not in Jena und Rudolstadt 1791. – Krankheit und
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Gemüt. – Beginn der Freundschaft von Schiller und Goethe in Jena im Jahre 1794. – Schillers Einschätzungen der Persönlichkeit von Goethe. – Hohe Kreativität und Produktivität trotz fortschreitender Krankheit. 64. Kösling, Barbara: Heißgeliebter Punschlied-Dichter. Friedrich von Schiller (1759–1805). In: Mahlzeit! Berühmte Thüringer bitten zu Tisch / von Christian Hill und Barbara Kösling. Jena, Quedlinburg: Verlag Bussert und Stadeler, 2014, S. 59–66. – ISBN 978-3-942115-98-8. 65. Neumayr, Anton: Goethe & Schiller im Spiegel der Medizin. Wien: Ibera-Verlag, European University Press, 2014, 319 S. – ISBN 978-3-85052-327-1. Das Schiller-Kapitel (S. 189- 315) gliedert sich in die Abschnitte: Einleitung. – Biographische Anamnese / Familienanamnese. – Der Eleve der Militärakademie. – Regimentsarzt in Stuttgart. – Die Flut. – In Leipzig und Dresden. – Erste Eindrücke in Weimar. – Professor in Jena. – Schicksalserkrankung. – Philosophische Studien. – Kontakt zu Humboldt und Goethe. – Die Jahre in Weimar. – Das letzte Lebensjahr. – Letzte tödliche Krankheit. – Das Obduktionsprotokoll. – Medizinisches Resümee. – Die Mannheimer Krankheit. – Das Schicksalsleiden. – Bibliographie (S. 317–319). 66. Theml, Christine: Schiller, Friedrich oder ... mich als den Teil eines Ganzen zu fühlen. Lebensbilder eines besonderen Menschen. Oschersleben: Ziethen Verlag [2014], 168 S. mit Abb. – ISBN 978-3-86289-090-3. Inhalt: Vorwort (S. 7–8). – Schillers Ankunft und Leben in Jena (S. 9–22). – Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden (S. 23–33). – Charlotte von Lengefeld und ihre Ehe mit Friedrich Schiller (S. 34–45). – Caroline von Lengefeld-Beulwitz-Wolzogen, Schillers Schwägerin (S. 46–64). – Friedrich Schiller als Förderer weiblichen Schreibens (S. 65–77). – Friedrich Schiller als Professor an der Jenaer Universität (S. 78–86). – Zur Freundschaft zwischen Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt (S. 87–106). – »Glückliches Ereignis«: Schillers Weg zu Goethe (S. 107–124). – Erste gemeinsame Arbeit: Die »Xenien« (S. 125–136). – Wandlungen in Friedrich Schillers Leben und Werk (S. 137–149). – Schillers Kinder und ihr Erbe (S. 150–163).
5. Kontexte: Kontakte – Einflüsse – Vergleiche 5.1. Beziehungen zu Orten, Landschaften und Ländern Dresden 67. Kollmann, Anett: Friedrich Schiller in Dresden. Halle (Saale): Morio Verlag, 2014, 71 S. (= Stationen. 10). – ISBN 978-3-945424-04-9.
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Jena 68. Ignasiak, Detlef: Schillers Gartenhaus und Garten. In: Ders., Das literarische Jena. Bucha bei Jena: Quartus-Verlag, 2012, S. 120–136. – ISBN 978-3-943768-04-6. Der Band enthält auch Abschnitte über Schillers Krankheit, die Begegnung mit Goethe und den Xenien-Streit. Thüringen 69. Müller, Karla: Schiller in Thüringen. »… meine Bekanntschaften sind auch die Geschichte meines Lebens.« Jena: Format Verlagsgesellschaft, 2014, 165 S. – ISBN 978-3-944829-00-5. Aus dem Inhalt: Auf der Suche nach seinem Ort. – Der Weg nach Thüringen. – SchillerOrte: Bauerbach und Meiningen, Rudolstadt, Volkstedt, Bad Blankenburg, Cumbach, Großkochberg. – Paulinzella, Schwarzburg, Erfurt, Jena, Dornburg, Lobeda, Wenigenjena, Weimar. – Anhang: Ausgewählte Lebensdaten, Schiller-Nachkommen, Literatur- und Abbildungsverzeichnis, Anmerkungen, Personenregister.
5.2. Schillers Zeitgenossen und Vergleiche mit anderen Personen im historisch-politischen, bildungs- und ideengeschichtlichen Kontext Goethe, Johann Wolfgang 70. Dreßler, Hilmar: Schillers Anteil am Entstehen von Goethes Farbenlehre. »Wir stammen unser sechs Geschwister von einem wundersamen Paar«. Ein Gedicht Schillers als Zeugnis für dessen Teilnahme am Entstehen von Goethes Farbenlehre. In: Ders., Das Prisma. Zweiter Sammelband mit drei philosophisch-künstlerischen Beiträgen und vier Abhandlungen über Farben und Töne mit besonderem Bezug auf Goethe. Berlin: Pro Business, 2014, S. 81–101. – ISBN 978-3-86386635-8. Goethe, Johann Wolfgang 71. Krellner, Ulrich: Die ästhetische Erziehung des Philosophen. Goethes SchillerPorträt im Aufsatz »Der Sammler und die Seinigen«. In: Begegnungen. Das VIII. Nordisch-Baltische Germanistentreffen in Sigtuna, 2009. Herausgegeben von Elisabeth Wåghäll Nivre, Brigitte Kaute, Bo Andersson, Barbro Landén und Dessislava Stoeva-Holm. Stockholm: Stockholm University, 2011, S. 409–422. (= Stockholmer germanistische Forschungen. 74). – ISBN 978-91-86071-38-7. Vgl. auch die anderen Arbeiten des Verfassers zum Verhältnis Goethe–Schiller [Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 227, MSB 2010, Nr. 92 und MSB 2012, Nr. 144].
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Goethe, Johann Wolfgang 72¹. Pikulik, Lothar: Goethe im Urteil Schillers – Schiller im Urteil Goethes. In: Ihr mögt mich benutzen. Goethe: Usos y Abusos. Herausgegeben von Marisa Siguan und Jordi Jané. Barcelona: Sociedad Goethe de España, 2003, S. 17–36. (= Edición Forum. 3). – ISBN 84-477-0878-0. Goethe, Johann Wolfgang 72². Schuchhardt, Malte: »Ein glückliches Ereignis.« Die Begegnung zwischen Goethe und Schiller, etwa am 20. Juli 1794 in Jena. In: Ders., Sternstunden der deutschen Literatur. Von Goethe bis Kafka. Stuttgart: Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen, 2014, S. 45–59. – ISBN 978-3-944911-06-9. Goethe, Johann Wolfgang 73. Zarych, Elżbieta: Schiller a Goethe – wyobrażenia, klasyfikacja, ocena. In: Dies., Romantycy, myśliciele, inspiratorzy. Badania nad wpływem filozofii niemieckiej – od Kanta do Hegla – na lietaturę polskiego romantyzmu. Gdańsk: Słowo / Obraz Terytoria, 2010, S. 165–170. (= Wokót Literatury. 15). – ISBN 978-83-7453-9746. Die Untersuchung enthält auch einen Abschnitt mit dem Titel »Kant – Schiller – Mickiewicz« (S. 49–60) sowie ein weiteres Kapitel zur Wirkung von Mickiewicz auf Schiller, s. Kap. 8.4., Nr. 281. 74¹. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich Collmer, Thomas: Hegels Rekurs auf Schiller. In: Ders., Hegels Dialektik der Negativität. Untersuchungen für eine selbst-kritische Theorie der Dialektik: »selbst« als ›absoluter‹ Formausdruck, Identitätskritik, Negationslehre, Zeichen und ›Ansichsein‹. Gießen: Focus-Verlag, 2002, S. 406–422. – ISBN 3-88349-501-8. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 74². Kaehler, Klaus Erich: Schiller und Hegel. Die Dialektik des Subjekts? In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 195–215. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 75. Pinna, Giovanna: Hegel e Schiller. In: L’estetica di Hegel. A cura di Mario Farina e Alberto Leopoldo Siani. Bologna: Società Editrice Il Mulino, 2014, S. 33–48. (= Itinerari: Filosofia). – ISBN 978-88-15-24827-5. Herder, Johann Gottfried 76. Düsing, Wolfgang: Herder und Schiller. Wechselseitige Anregungen und Abgrenzungen. In: Herder und seine Wirkung. Beiträge zur Konferenz der Internationalen Herder-Gesellschaft, Jena 2008. Herausgegeben von Michael Maurer.
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Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, 2014, S. 61–74. – ISBN 978-3-939381-68-6. Humboldt, Wilhelm von 77. Grundmann, Hilmar: Was Schiller und Humboldt gemeinsam haben. In: Ders., Bildung und Integration. Herausgegeben von Ulrich Mueller, Franz Hundsnurscher und Cornelius Sommer. Stuttgart: Akademischer Verlag Heinz, 2., erheblich erweiterte und aktualisierte Aufl. 2014, S. 102–108. (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. 459). – ISBN 978-3-88099-464-5. 1. Aufl. 2010 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 417]. Kapf, Franz Joseph (1759–1791) 78. Heiß, Wolfgang: Söldner im Kapregiment. Franz Joseph Ernst Antonius Emerentius Maria Kapf. Jugendfreund von Friedrich Schiller, Söldner in Südafrika und auf Java. Kehl am Rhein: Epee Edition, 2014, 171 S. – ISBN 978-3-943288-22-3. Neumann, Johann Gottlieb 79. Zimmermann, Reiner: Begegnungen am Altmarkt und in Blasewitz. Johann Gottlieb Neumann, Anton Graff und Friedrich Schiller. In: Ders., Tannhäusers Brautzug. Künstlerbegegnungen in Dresden. Herausgegeben im Auftrag der Musica Sacra Saxoniae Stiftung zu Dresden von Michael Hebeis. Dresden: Sandstein Verlag, 2013, S. 46–61. – ISBN 978-3-95498-030-7. Rousseau, Jean-Jacques 80. Hofmann, Michael: Arkadien oder Elysium? Kulturkritik und ästhetische Erziehung in der Rousseau-Rezeption Friedrich Schillers. In: Rousseaus Welten. Herausgegeben von Simon Bunke, Katerina Mihaylova und Antonio Reselli. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 265–278. – ISBN 978-38260-5168-5.
5.3. Die Familie Schiller: Genealogie, Generationen und Verwandtschaften 81.
Fleischer, Horst: Friedrich von Beulwitz. Schillers Rudolstädter Schwager. Rudolstadt: Stadt Rudolstadt, 2014, 96 S. (= Rudolstädter Schiller-Schriften. 5). – ISBN 978-3-910013-88-9.
82. Hildebrandt, Dieter: Spiel mit zwei Herzen. Schillers Schwesternkurs: Caroline und Charlotte. In: Ders., Die Kunst, Küsse zu schreiben. Eine Geschichte des Liebesbriefs. München: Carl Hanser Verlag, 2014, S. 187–200. – ISBN 978-3-44624496-2.
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83. Naumann, Ursula: Schiller, Lotte und Line. Eine klassische Dreiecksgeschichte. Berlin: Insel Verlag, 195 S. (= insel taschenbuch. 4257). – ISBN 978-3-458-35957-9. – Über die Beziehungen von Charlotte von Schiller und Karoline von Wolzogen. 84. Sautermeister, Gert: Charlotte, Caroline und die Liebe in all ihren Reichtümern. Eine Dreiecks-Konstellation in Friedrich Schillers Leben und in Dominik Grafs Film »Die geliebten Schwestern«. In: literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften. Marburg. 16. Jg., 2014, Heft 9, S. 216–225. Siehe auch die Kritiken in den Tages- und Wochenzeitungen, Kap. 8.8.2., Nr. 304– 350. 85. Von der Burg, Udo: Bad Lauchstädt und seine berühmteste Verlobung. Friedrich Schiller und Charlotte von Lengefeld. In: Die Humboldt-Brüder, Halle und der Pietismus. Roßdorf: TZ-Verlag, 2014, S. 131–142. (= Abhandlungen der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung. 33). – ISBN 978-3940456-63-2.
6. Intellektuelle Vernetzungen 6.1. Geschichte – Kulturkritik – Politik 86. Büssgen, Antje: »Das Vermögen zur Menschheit schenken – nichts weiter.« Schillers Bildungsästhetik und ihre politische Relevanz in der Moderne. In: StaatsSachen / Matters of State. Fiktionen der Gemeinschaft im langen 19. Jahrhundert. Herausgegeben von Arne de Winde, Sientje Maes und Bart Philipsen. Heidelberg: Synchron Verlag, 2014, S. 47–67. (= Diskursivitäten. Literatur, Kultur, Medien. 17). – ISBN 978-3-939381-62-4. 87. Dann, Otto: Friedrich Schiller. Geschichte und Revolution. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 61–72. – ISBN 978-3-8260-5001-5. 88. Friederich-Stegmann, Hiltrud: Schiller y la »Leyenda negra«. – Herder y las canciones populares. In: Dies., La imagen de España en los libros de los viajeros alemanes del siglo XVIII. Prólogo de Carlos Martinez Shaw. Sant Vicent del Raspeig: Publicaciones de la Universidad de Alicante, 2014, S. 42–49. (= Historia). – ISBN 978-84-9717-314-8. Zu einer altspanischen Geschichtsquelle, die Schiller zur Bearbeitung des DonKarlos-Stoffes benutzt hat.
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89. Runia, Eelco: Thirsting for Deeds. Schiller and the Historical Sublime. In: Ders., Moved by the Past. Discontinuity and Historical Mutation. New York: Columbia University Press, 2014, S. 106–119. (= European Perspectives: A Series in Social Thought and Cultural Criticism). – ISBN 978-0-231-16820-5. Erstveröffentlichung in: Schiller und die Geschichte. München 2006 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2006, Nr. 147]. 90. Valentin, Jean-Marie: La Raison et ses monstres. Littérature et Révolution de Schiller à Kleist. In: Études Germaniques. Revue trimestrielle de la Société des Études Germaniques. Paris. 69. Jg., 2014, Heft 3 (275), S. 463–469.
6.2. Philosophie, Ästhetik, Anthropologie, Bildung und Erziehung 91. Amoroso, Leonardo: Schiller e la parabola dell’estetica. Pisa: Edizioni ETS, 2014, 143 (2) S. (= philosophica. 133). – ISBN 978-88-467-3991-9. Die Untersuchung ist in acht Kapitel gegliedert; die einzelnen Abschnitte sind nummeriert, haben aber keine Überschriften: Schiller e il secolo d’oro dell’estetica tedesca (S. 13–28). – Schiller interprete di Kant (S. 29–47). – Avventure dell’anima bella (S. 49–64). – Primato dell’estetico? (S. 65–83). – Hegel, Schiller e gli dèi della Grecia (S. 85–98). – Schiller, Kierkegaard e l’estetico (S. 99–109). – Il giovane Nietzsche e l’estetica di Schiller (S. 111–126). – Heidegger interprete di Schiller e della storia dell’estetica (S. 127–143). Beim ersten Kapitel handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung aus dem Sammelband »Critica della ragione e forme dell’esperienza. Studi in onore di Massimo Barale.« A cura di Leonardo Amoroso, Alfredo Ferrarin e Claudio La Rocca. Pisa 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 175]. – Das Kant-Kapitel ist zuerst in »Schiller lettore di Kant« (2013) und das Hegel-Kapitel in »Arte, religione e politica in Hegel« (2013) erschienen [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2013, Nr. 133 und Nr. 134]. – Für das Kierkegaard-Kapitel s. Kap. 8.4., Nr. 279 in dieser Bibliographie. 92. Andrade, Bianka Teixeira de: A humanidade schilleriana. Um paraiso ideal encontrado. In: Cadernos Benjaminianos. Belo Horizonte. 6. Jg., 2012, № 6, S. 1–6. – ISSN 2179–8478 (Online-Ressource). 93. Awe, Jens: Das Erhabene in Schillers Essays zur Ästhetik. Freiburg, Berlin, Wien: Rombach Verlag, 2012 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 203]. Rezension von David Pugh. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft. Berlin. 32. Jg., 2014, Heft 3, S. 340–342. 94. Barroso, Gabriel Lago de Sousa: A origem e o destino. Superação de natureza entre o belo e a liberdade no pensamento estético de Friedrich Schiller. In: Cader-
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nos Benjaminianos. Belo Horizonte. 6. Jg., 2012, № 6, S. 16–28. – ISSN 2179–8478 (Online-Ressource). 95. Bohrer, Karl Heinz: Die Abschiedselegie Schillers und das Zeitbewußtsein der Idylle des 18. Jahrhunderts. In: Ders., Der Abschied. Theorie der Trauer. Mit einem neuen Vorwort. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2014, S. 326–338. (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 2102). – 978-3-518-29702-5. Die 1. Auflage ist 1996 erschienen. – In der »Schiller-Bibliographie 1995–1998« ist der Beitrag nicht verzeichnet. 96. Chmielewska, Katarzyna: Estetyka i pozór. Schiller i jego sobowtóry. In: Dies., Strategie podmiotu. »Dziennik« Witolda Gombrowicza. Warszawa: Wydawnictwo Instytut Badán Literackich PAN, 2010, S. 189–196. (= Rozprawy Literackie. 87). – ISBN 978-83-615-5232-1. Vgl. auch die frühere Veröffentlichung der Verfasserin [Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 509²]. 97. Czobor-Lupp, Mihaela: Kant and Schiller on the Civil Power of Imagination. In: Dies., Imagination in Politics. Freedom or Domination? Lanham, New York, London: Lexington Books, 2014, S. 97–132. – ISBN 978-0-7391-9906-0. 98. Degner, Uta: Interessensdramen. Zur Rivalität von Ökonomie, Moral und Ästhetik bei Friedrich Schiller und »Intertexten« von Richard Glover und George Lillo. In: Gastlichkeit und Ökonomie. Wirtschaften im deutschen und englischen Drama des 18. Jahrhunderts. Herausgegeben von Sigrid Nieberle und Claudia Nitschke. Berlin, Boston, München: Verlag Walter de Gruyter, 2014, S. 223–245. (= Spectrum Literaturwissenschaft. 40). – ISBN 978-3-11–033157–8. 99. Düsing, Klaus: Ethische und ästhetische Freiheit bei Kant und Schiller. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 73–89. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Der Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte: I. Denkmöglichkeit und sittliche Wirklichkeit der Freiheit bei Kant. – II. Ästhetische Freiheit und ihr Verhältnis zur Sittlichkeit bei Kant. – III. ›Freiheit in der Erscheinung‹ und menschliche Schönheit in Schillers theoretischen Schriften. – IV. Ästhetische Freiheit: Übergang zur Moralität oder Vollendung des Menschseins? 100. Endres, Johannes: Kant, Schiller und die Schleier der transzendentalen Ästhetik. In: Ders., Literatur und Fetischismus. Das Bild des Schleiers zwischen Aufklärung und Moderne. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 75–106. – ISBN 978-3-7705-5490-4.
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Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Kant und der Schleier der moralischen »Majestät des Gesetzes«. – Der Schleier und das Verfahren der Hypotypose. – Das Bild zu Sais: Die Pflicht ruft. – Der Schönheitsschleier Amors. – Schleier, Hymen, Defloration. – Die verschleierte und die unverschleierte Venus. – Vorzeitige versus nachzeitige Verschleierung der Wahrheit. 101. Grothaus, Christian J.: Zur zaghaften Emanzipation der Erhabenheit bei I. Kant und F. Schiller. In: Ders., Baukunst als unmögliche Möglichkeit. Plädoyer für eine unbestimmte Architektur. Bielefeld: Transcript Verlag, 2014, S. 109–118. (= Architekturen. 22). – ISBN 978-3-8376-2631-5. 102. Henke, Silke: Schillers Ethik. In: Ethik. Verfasst von Weimarer Institutionen: Goethe-Gesellschaft, Weimarer Schillerverein, Goethe-Schiller-Archiv, AlbertSchweitzer-Komitee. Herausgegeben von Hans Stellmacher. Itzehoe 2014, S. 28–32. 103. Kaśkiewicz, Kinga: Realizacja idei »estetycznego wychowania« Fryderyka Schillera jako utopia w estetyce przełumo XIX i XX wieku w Niemczech. In: Rozprawy filozoficzne. Księga pamiątkowa w darze Profesorowi Józefowi Pawlakowi. Pod redakcją Włodimierza Tyburskiego i Ryszarda Wiśniewskiego. Torún: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, 2005, S. 103–112. – ISBN 83-231-1915-5. Siehe auch die weiteren Studien der polnischen Wissenschaftlerin [Marbacher Schiller-Bibliographie 2008, Nr. 49 und MSB 2011, Nr. 118, Nr. 199, Nr. 120² und Nr. 145²]. 104. Kaufmann, Sebastian: »Was ist der Mensch, ehe die Schönheit die freie Lust ihm entlockt?« Völkerkundliche Anthropologie und ästhetische Theorie in Kants »Kritik der Urteilskraft« und Schillers Briefen »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: Der ganze Mensch – die ganze Menschheit. Völkerkundliche Anthropologie, Literatur und Ästhetik um 1800. Herausgegeben von Stefan Hermes und Sebastian Kaufmann. Berlin, München, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2014, S. 183–211. (= Lingua & Litterae. Publications of the School of Language & Literature Freiburg Institute for Advanced Studies. 41). – ISBN 978-311–030766–5. 105. Kleinmichel, Philipp: Schillers Existentialismus. In: Ders., Im Namen der Kunst. Eine Genealogie der politischen Ästhetik. Wien: Passagen Verlag, 2014, S. 64–71. – ISBN 978-3-7092-0118-3. 106. Koerfer, Adrian: »Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitren Stunden nur« stand über dem Zeiger der Sonnenuhr am Schiller-Haus der Odenwaldschule. In: Reformpädagogik nach der Odenwaldschule – Wie weiter? Herausgegeben von Damian Miller und Jürgen Oelkers. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, 2014, S. 149–155. – ISBN 978-3-7799-2929-1.
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107. Lemke, Anja: Ästhetische Erziehung als Arbeit am Selbst. Schillers Bildungsprogramm aus der Perspektive postfordistischer Kontrollgesellschaften. In: Experimentalanordnungen der Bildung. Exteriosität – Theatralität – Literarizität. Herausgegeben von Bettine Menke und Thomas Glaser. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 131–145. – ISBN 978-3-7705-5474-4. 108. Maftei, Ştefan-Sebastian: Social Aesthetics. Contemporary Approaches of a Schillerian Theme. In: Applied Social Sciences. Philosophy and Theology. Edited by Georgeta Raţă, Patricia-Luciana Runcan and Michele Marsonet. Newcastle upon Tyne: Cambridge Scholars Publishing, 2013, S. 65–70. – ISBN 978-1-4438-4404-8. 109. Maftei, Ştefan-Sebastian: Schiller’s Aesthetic Freedom and the Challenges of Aesthetic Education. In: Procedia. Social and Behavioral Sciences, 2014, № 163, S. 169–178. (= International Conference on Communication and Education in Knowledge Society. Edited by Claudiu Mesaroş and Maria Micle). – Online-Ressource. 110. Mertens, Marina: Anthropoetik und Anthropoiesis. Zur Eigenleistung von Darstellungsformen anthropologischen Wissens bei Friedrich Schiller. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2014, 591 S. (= Bochumer Quellen und Forschungen zum 18. Jahrhundert. 5). – ISBN 978-3-86525-331-6. Inhalt: Einleitung: Zum Erkenntnisinteresse. – Zum Stand der Forschung. – Methodologische Eingangserwägungen. – Zur Anlage der Studie (S. 11–59). – I. Expositorische Texte in anthropologischer Perspektive. A. Wissen, Sprache, Form: Eine Problemkonstellation. a) Um 1800: Zum Dichter verurteilt? – b) Um 2000: Zum Dichter verurteilt? (S. 61–111). – B. Stuck in the middle with you … Transgressionen und Limitationen bei Schiller. – a) Konzeptionelle Perspektive. 1. Mediale Zwangsjacke und Entfesselungskünstler: Die Kallias-Briefe (S. 113–138). – 2. Türöffner zum Land der Erkenntnis: Die »Ästhetischen Briefe« (S. 138–155). – 3. »Zum Philosophieren ist schon der halbe Mensch genug«. 3.1. Taxonomie der Vortragsstile: Die »Augustenburger Briefe« (S. 155–162). – 3.2. Zweckmäßigkeit oder Popularität: Der »Horen«-Streit mit Fichte (S. 162–172). – 3.3. Zauberkraft schöner Diktion: Die »Grenzen«-Schrift (S. 173–188). – b) Praktische Perspektive. Auf der Mittellinie der Wahrheit: Die »Zusammenhang«-Abhandlung. 1. Makrostrukturelle Kompositionsprinzipien: Paratexte und Haupttext (S. 194–204). – 2. Mikrostrukturelle Kompositionsprinzipien des Textes (S. 204–240). – II. Pragmatische Dichtung in anthropologischer Perspektive. A. Gattung, Genre und Dichtweise: Eine Problemkonstellation (S. 247–262). – B. Stuck in the middle with you… Transgressionen und Limitationen bei Schiller. a) Konzeptionelle Perspektive. 1. Herzverräter und Leidenschaftsanalysten: Die Vorreden der »Räuber« (S. 262- 299). – 2. Distanzierungen und Annäherungen: Tragödientheorie (S. 299–331). – 3. Mimen und
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Rhapsoden: Der Briefwechsel mit Goethe (S. 331–343). – 4. Steigerungen: Die Vorrede der »Braut von Messina« (S. 344–354). – b) Praktische Perspektive: Gleichgewichtsstörungen und Labyrinthausfälle. 1. Bruderzwist im Drama: »Die Räuber« (S. 360–409). – 2. Bruderzwist in der Erzählung: »Eine grossmütige Handlung« (S. 409–427). – Exkurs: »das allertrockenste wenigstens menschlich auseinandergesetzt« – Geschichtsphilosophie und Historiographie in anthropologischer Perspektive (S. 431–462). – III. Lyrische Dichtung in anthropologischer Perspektive. A. Der unsichtbare Dritte: Eine Problemkonstellation. a) Schillers Lyrik aus dem Blickwinkel von Zeitgenossen und Forschung (S. 463–469). – b) Schillers Lyriktheorie? Eine Auseinandersetzung mit einer Forschungsposition (S. 469– 476). – B. Stuck in the middle with you… Transgressionen und Limitationen bei Schiller. a) Konzeptionelle Perspektive. 1. Was kennzeichnet lyrische Dichtungsarten? Eine unprominente Stelle (S. 477–481). – 2. Gibt es eine lyrische Dichtweise? Die Rezensionen (S. 481–492). – 3. Was kennzeichnet Lyrik? Der Briefwechsel mit Humboldt (S. 493–504). – b) Praktische Perspektive: Baden gehen [»An einen Moralisten«] (S. 508–541). – Zusammenfassung und Ausblick (S. 543–552). – Literaturverzeichnis (S. 553–591). 111. O’Brien, John E.: Schiller. Reform Consciousness to Change the World. In: Ders., Critical Practice from Voltaire to Foucault, Eagleton and Beyond. Contested Perspectives. Leiden, Boston: Brill, 2014, S. 116–171. (= Studies in Critical Social Sciences. 61). – ISBN 978-90-04-21427-9. Das Kapitel gliedert sich in folgende Abschnitte: Here is Schiller. – University Politics. – Critical Production. – A Man of Three Seasons. – Revolutionary Theater. – Setting the Scene for »The Robbers«. – The Curtain Falls. – From Theater to Philosophy. – Narrative Arc Defined.– Social-Philosophy with Feeling. – Goethe. – Critical Tension: Materialist and Idealist. – Freedom as Judgement. – Revolution as Change in Consciousness. – Beyond Beauty. – Freedom Beyond Necessity as Grace. – Dignity as Freedom’s Higher Calling. – Aesthetic Education: Revolution as an Inside Job. – Play. – Political Aesthetics. – Late Drama. – Hitting the Arrow on the Head. – Revolution as Determined Political Action. – Closing on Form. 112. Pethes, Nicolas: Literatur, Wissenschaft und die Rhetorik der Krise. Zur Genealogie einer Unterscheidung (Rousseau, Hamann, Schiller, de Quincey). In: Wissens-Ordnungen. Zu einer historischen Epistemologie der Literatur. Herausgegeben von Nicola Gess und Sandra Janßen. Berlin, München, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2014, S. 19–39. (= Spectrum Literaturwissenschaft. 42). – ISBN 978-3-11–034976–4. 113. Pietsch, Annik: Erscheinungswelt contra Ideenwelt. Die ideale Landschaft im Kreis um Goethe und Schiller. In: Dies., Material, Technik, Ästhetik und Wissen-
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schaft der Farbe 1750–1850. Eine produktionsästhetische Studie zur »Blüte« und zum »Verfall« der Malerei in Deutschland am Beispiel Berlin. Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2014, S. 422–427. (= Kunstwissenschaftliche Studien. 179). – ISBN 978-3-422-07260-2. 114. Pikulik, Lothar: Sentimentalisches Interesse. Ästhetische Freiheit. In: Ders., Ästhetik des Interessanten. Zum Wandel der Kunst- und Lebensanschauung in der Moderne. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2014, S. 59–66. (= Germanistische Texte und Studien. 93). – ISBN 978-3-487-15108-3. – Zu Schillers ästhetischen Schriften. 115. Pille, Marc: Vermag die Kunst die Zeit zu binden? Zu Schillers ästhetischem Wagnis. In: Gebundene Zeit. Zeitlichkeit in Literatur, Philologie und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Wolfgang Adam. Herausgegeben von Jan Standke unter Mitarbeit von Holger Dainat. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014, S. 357–366. (= Beihefte zum Euphorion. 85). – ISBN 978-3-8253-6410-6. 116. Poller, Horst: Friedrich Schiller. In: Ders., Die Philosophen und ihre Kerngedanken. Ein geschichtlicher Überblick. Reinbek, München: Lau Verlag, 8., aktualisierte und erweiterte Aufl. 2014, S. 297–303. (= Olzog Edition). – ISBN 978-395768-123-2. 117. Ries, Klaus: Schillers Freiheit und die Kritik der Romantik. In: Romantik und Freiheit. Wechselspiele zwischen Ästhetik und Politik. Herausgegeben von Michael Dreyer und Klaus Ries. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014, S. 73–88. (= Ereignis Weimar–Jena. 32). – ISBN 978-3-8253-6190-7. 118. Rittelmeyer, Christian: Künstlerische Bildwahrnehmung. Über die Vermählung der Embodied-Cognition-Forschung mit Friedrich Schillers Theorie ästhetischer Bildung. Eine anthropologische Skizze. In: Bild und Bildung. Praxis, Reflexion, Wissen im Kontext von Kunst und Medien. Herausgegeben von Barbara Lutz-Sterzenbach, Maria Peters und Frank Schulz. München: kopaed, 2014, S. 85–92. (= Kontext Kunstpädagogik. 40). – ISBN 978-3-86736-140-8. 119. Robert, Jörg: Vor der Klassik. Die Ästhetik Schillers zwischen Karlsschule und Kant-Rezeption. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, 2011, 478 S. [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 224]. Rezension von Alexander Pleschka. In: Zeitschrift für deutsche Philologie. Berlin. 133. Jg., 2014, Heft 4, S. 619–622. 120. Robertson, Ritchie: Zur Theorie und Praxis des Erhabenen bei Schiller. Jena: Garamond Verlag, 2014, 35 S. (= Lichtblicke. Jenaer Vorträge und Schriften. 1). – ISBN 978-3-944830-22-3.
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Es handelt sich um die erweiterte Fassung eines Vortrags, der am 22. Juni 2012 in Schillers Gartenhaus in Jena gehalten wurde. – Rezension von Miranda Stanyon. In: The German Quarterly. Journal of the American Association of Teachers of German. Cherry Hill, NJ. 87. Jg., 2014, Heft 4, S. 507–509. 121. Romberg, Regine: Die Praxis verbindlicher Freiheit. Schillers ästhetischer Staat. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 43–59. – ISBN 978-3-8260-5001-5. 122. Roth, Ludger: Bruder und Bruder im Geiste. Alexander von Humboldts und Schillers Totalitätsdenken im Vergleich zu dem Wilhelm von Humboldts. In: Ders., Ästhetischer Holismus. Ein neuer Typus philosophischer Theoriebildung nach Kant. Marburg: Tectum-Verlag, 2014, S. 239–298. (= Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag: Reihe Philosophie. 23). – ISBN 978-38288-3381-4. Hier insbesondere die Abschnitte: Totalitätsdenken bei Schiller: Die ästhetische Anthropologie in »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. – Schiller als Historiker. 123. Ruby, Christian: 1793–1794. Les belles mœurs du spectateur. Friedrich von Schiller et l’éducation esthétique. In: Ders., La figure du spectateur. Élements d’histoire culturelle européenne. Paris: Armand Colin, 2012, S. 115–140. (= Recherches). – ISBN 978-2-200-28144-1. Vgl. dazu auch die früheren Untersuchungen des Verfassers [Marbacher Schiller-Bibliographie 2007, Nr. 214 und MSB 2008, Nr. 206]. 124. Sauer, Paul Ludwig: Was hinter der Frage nach dem Positiven steht. Diskurs über das menschliche Glücksverlangen. Schiller als Paradigma. Nietzsche und Thomas Mann. In: Ders., Spurensuche an Grenzen. Literarische Streifzüge als anthropologischer Diskurs. Vechta-Langförden: Geest-Verlag, 2014, S. 46–93. – ISBN 978-3-86685-471-0. 125. Seidl, Horst: Kunstphilosophische Auffassungen in kurzem historischen Durchblick: Schiller. In: Ders., Beiträge zur Kunstphilosophie. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2014, S. 45–55. (= Philosophische Texte und Studien. 118). – ISBN 978-3-487-15112-0. 126. Sommer, Doris: Play Drive in the Hard Drive. Schiller’s Poetics and Politics. In: Dies., The Work of Art in the World. Civic Agency and Public Humanities. Durham: Duke University Press, 2014, S. 135–156. – ISBN 978-0-8223-5572-4.
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127. Tiedemann, Markus: Friedrich Schiller. Ästhetischer Widerstand. In: Ders., Liebe, Freundschaft und Sexualität. Fragen und Antworten der Philosophie. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 2014, S. 165–174. – ISBN 978-3-487-15138-0. 128. Vieweg, Klaus: »Das Reich der Vernunft ist ein Reich der Freiheit.« Schillers ‚philosophische Bude’ in Jena. In: Ders., Genius loci. An-Sichten großer Philosophen in Text und Bild. Mit Fotografien von Patrick Lakey. Darmstadt: Verlag Lambert Schneider, 2014, S. 23–30. – ISBN 978-3-650-40010-9 . 129. Warminski, Andrzej: Returns of the Sublime. Positing and Performative in Kant, Fichte, and Schiller. In: Ders., Ideology, Rhetoric, Aesthetics. For [Paul] De Man. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2014, S. 65–79. (= The Frontiers of Theory). – ISBN 978-0-7486-8126-6. Siehe auch Paul De Man [Marbacher Schiller-Bibliographie 2013, Nr. 153]. 130. Welsch, Wolfgang: Schillers Ästhetik neu betrachtet. »Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung«: Ästhetik als Herausforderung der modernen Denkweise. In: Zeitschrift für deutschsprachige Kultur & Literatur (Seoul: National University, Institute for German Studies), 2014, Heft 23, S. 431–452. – ISSN 1229–7135. 131. Zirfas, Jörg: Die Faszination des schönen Scheins. Friedrich Schillers Bildungsmodell zwischen Anthropologie, Moral, Ästhetik und Politik. In: Geschichte der ästhetischen Bildung. Band 3: Neuzeit. Teilband 1: Aufklärung / von Jörg Zirfas, Leopold Klepacki und Diana Lohwasser. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2014, S. 199–217. – ISBN 978-3-506-76615-1.
6.3. Literatur, Sprache, Poetologie, Kunst und Theater 132. Bormann, Hans-Friedrich: Der sichtbare Dritte. Schiller – [Fritz] Kortner – [HansJürgen] Syberberg. In: Die andere Szene. Theaterarbeit und Theaterproben im Dokumentarfilm. Herausgegeben von Stefanie Diekmann. Berlin: Theater der Zeit, 2014, S. 16–33. (= Recherchen. 91). – ISBN 978-3-943881-82-0. 133. Costadura, Edoardo: Die verschleierte/entschleierte Natur. [Giacomo] Leopardi, Schiller, Goethe. In: Leopardi und die europäische Romantik. Akten der 23. Jahrestagung der Deutschen Leopardi-Gesellschaft in Jena, 2013. Herausgegeben von Edoardo Costadura, Diana Di Maria und Sebastian Neumeister. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014, S. 93–107. (= Ereignis Weimar SynchronJena. 34). – ISBN 978-3-8253-6354-3. – Paralleler Reihentitel: Ginestra. Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft. 23/24.
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134. Düsing, Wolfgang: Die Problematik des Komischen bei Schiller. Von früher Zustimmung zu später Kritik. In: Witz und Wirklichkeit. Komik als Form ästhetischer Weltanschauung. Herausgegeben von Carsten Jakobi und Christine Waldschmidt. Bielefeld: Transcript Verlag, 2014, S. 123–150. (= Mainzer historische Kulturwissenschaften. 23). – ISBN 978-3-8376-2814-2. 135. Fulda, Daniel: Du classicisme comme apogée des Lumières. L’exemple du tragique chez Schiller. In: Dix-huitième siècle. Revue annuelle. Paris. Band 46 (2014), S. 579–602. – ISSN 0070–6760. – ISBN 978-2-7071-8204-3. 136. Hilliard, Kevin F.: Die schlechteste aller Welten? Wieland, Wezel, Blumauer, Schiller über die Satire. In: Weltseitigkeit. Jörg-Ulrich Fechner zu Ehren. Herausgegeben von Dirk Kemper. Paderborn, München: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 149–176. (= Schriftenreihe des Instituts für Russisch-Deutsche Literatur- und Kulturbeziehungen an der RGGU Moskau. 11). – ISBN 978-3-7705-5578-9. 137. Meyer, Anne-Rose: Geheimnisvolle Schleier – Novalis, Schiller, Radcliffe. In: Die Dialektik des Geheimnisses. Herausgegeben von Grażyna Kwiecińska. Frankfurt/M.: Lang Edition, 2014, S. 89–104. (= Warschauer Studien zur Kultur- und Literaturwissenschaft. 4). – ISBN 978-3-631-62665-8. 138. Valk, Thorsten: Agon mit dem Alten. Figuren der Kohärenz und des Ausgleichs in Schillers Rezeption der attischen Tragödie. In: Heikle Balancen. Die Weimarer Klassik im Prozess der Moderne. Herausgegeben von Thorsten Valk. Göttingen: Wallstein Verlag, 2014, S. 47–68. (= Schriftenreihe des Zentrums für Klassik-Forschung. 1). – ISBN 978-3-8353-0939-5. 139. Werber, Niels: Dramen der Mittelbarkeit. Überlegungen zu Schillers Medientheorie. In: Kulturtechniken des Barock. Herausgegeben von Tobias Nanz und Armin Schäfer. Berlin: Kulturverlag Kadmos, 2012, S. 71–106. (= Kaleidogramme. 94; Schriften des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie. 13). – ISBN 978-3-86599-184-3. 140. Willms, Lothar: Tragik als (Integritäten-)Konflikt. Hegel und Schiller. In: Ders., Transgression, Tragik und Metatheater. Versuch einer Neuinterpretation des antiken Dramas. Tübingen: Narr Verlag, 2014, S. 56–67. (= Drama. Studien zum antiken Drama und seiner Rezeption. 13). – ISBN 978-3-8233-6828-1.
6.4. Musik und Tanz (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
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6.5. Religion(en) 141. Burtscher, Cordula: Glaube und Furcht. Religion und Religionskritik bei Schiller. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, 337 S. (= Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie. 39). – ISBN 978-3- 8260-5553-9. Inhalt: Einleitung (S. 13–21). – I. Religionspsychologie und politische Theologie. 1. Zu den Anfängen der Religionspsychologie. – 2. Politische Theologie und Ideologiekritik. – 3. Die Religion als ›vinculum societatis‹. – 4. Religionspsychologie und politische Theologie am Beispiel von Thomas Hobbes’ »Leviathan«. – 5. Zur Religionspsychologie in der Aufklärung (Edmund Burke, David Hume, Johann Gottfried Herder, Gotthold Ephraim Lessing). – 6. Schillers Religionsphilosophie im Kontext der Religionspsychologie und der Kritik politischer Theologie (S. 23–76). – II. Schillers metaphysische Krise und die Wende zum Subjekt. 1. Empirische Studien über exzessive Religiosität: Schillers Bericht »Über die Krankheit des Eleven Grammont«. – 2. Von der Religion zur menschlichen Natur: »Freigeisterei der Leidenschaft« (S. 77–98). – III. Wer glaubt, der fürchtet. Schillers Kritik religiöser Angstvisionen in den 1780er Jahren. 1. Franz Moor und die ›dunklen Vorstellungen‹ vom Gott des Fürchtens. – 2. ›Schreckbilder‹ einer ›bigotten, knechtischen Erziehung‹: »Der Geisterseher« und der Weg von der religiösen Melancholie zum Aberglauben. – 3. ›Sein Glaube war grausam und finster.‹ Philipp II. und die Furchtreligion in Schillers »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung« (S. 99–123). – IV. Religion, Macht und Gewalt. Von Karl Moor bis Kant. 1. Wider die ›Affen der Gottheit‹: Karl Moors Rebellion gegen die Kirche. – 2. Im Banne der Inquisition: »Don Karlos« und die »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande«. – 3. Am Hebel der Macht: Klerikale Verschwörungen im »Geisterseher« und in der »Wallenstein«-Trilogie. – 4. Schiller liest Kants Religionsschrift: Eine Lektüre ohne literarische Folgen? (S. 125–162). – V. Der Mensch als Schöpfer. Die Projektionstheorie und ihre Verbindung zu Schillers Ästhetik. 1. Karl Moor und das Schattenreich der Phantasie. – 2. Das Ich als Konstrukteur seiner Welt. – 3. Der Abschied von den Göttern auf dem Weg ›in des Ideales Reich‹ (S. 163–195). – VI. Glaube und Erziehung. »Die Sendung Moses«, »Der Geisterseher« und die »Augustenburger Briefe«. 1. Die menschliche Prägung der Religion. – 2. Die ›ästhetische Rehabilitierung‹ der Religion zum Zwecke der Erziehung des Menschen (S. 197–245). – VII. siehe Kap. 7.3.1., Nr. 181. – Abschluss (S. 303–305). – Bibliographie (S. 307–330). 142. Düsing, Wolfgang: Von der Religionskritik zur Kunstreligion. Eine Entwicklungslinie in Schillers Werk. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 175–194. – ISBN 978-3-8260-5001-5.
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6.6. Naturwissenschaften, Medizin, Recht(sgeschichte) und Kriminologie 143. Häfner, Steffen: Friedrich Schiller und die Psychosomatik aus der Perspektive der rezenten Forschung. In: Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie. Stuttgart. 82. Jg., 2014, Heft 2, S. 84–92. 144. Hofmann, Hasso: Schiller und der Rechtsstaat. Bemerkungen zu Matthias Tesselts »Friedrich Schiller und die Demokratie«, zu Yvonne Nilges’ »Schiller und das Recht«, über einige Klischees und zu den Schwierigkeiten transdisziplinärer wissenschaftlicher Arbeit. In: Politisches Denken. Jahrbuch 2013. Herausgegeben von Volker Gerhardt, Hans-Christof Kraus, Martyn P. Thompson u. a. Berlin: Duncker & Humblot, 2014, S. 147–162. – ISBN 978-3-428-14210-1. 145. Krukemeyer, Manfred Georg: Schiller, die Medizin und der Krankheitsbegriff. In: Ders., Kultur der Medizin. Spuren, Wege und Ziele. Stuttgart: Schattauer Verlag., 2., erweiterte Aufl. 2014, S. 58–62. – ISBN 978-3-7945-3090-8. 146. Lüderssen, Klaus: Schiller und das Recht. In: Ders., Produktive Spiegelungen. Recht im künstlerischen Kontext. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, 2014, S. 131– 134. (= Juristische Zeitgeschichte. Abt. 6: Recht in der Kunst – Kunst im Recht. 43). – 978-3-11–037259–5. 147. Lüderssen, Klaus: Schillers Theodizee und das Schuldstrafrecht. In: Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug. Gedächtnisschrift für Michael Walter. Herausgegeben von Frank Neubacher und Michael Kubink. Berlin: Verlag Duncker & Humblot, 2014, S. 867–875. (= Kölner Kriminalwissenschaftliche Studien. 59). – ISBN 978-3-428-13950-7. Weiterer Drucknachweis im selben Jahr. In: Ders., Produktive Spiegelungen. Recht im künstlerischen Kontext. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, 2014, S. 121–130. (= Juristische Zeitgeschichte. Abt. 6: Recht in der Kunst – Kunst im Recht. 43). – 978-3-11–037259–5. – Siehe auch Marbacher Schiller-Bibliographie 2006, Nr. 259. 148. Nilges, Yvonne: Schiller und das Recht. Göttingen: Wallstein, 2012 [MSB 2012, Nr. 497 und Rezensionen MSB 2013, Nr. 245 und Nr. 247]. Rezension von Maria Carolina Foi. In: Scientia poetica. Jahrbuch für Geschichte der Literatur und der Wissenschaften. Herausgegeben von Andrea Albrecht, Lutz Danneberg, Andreas Kablitz u. a. Band 18 (2014). Berlin: Walter de Gruyter, 2014, S. 342–347. 149. Schäfer, Daniel / Neuhausen, Karl August: Schiller und die Medizingeschichte. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart. 98. Jg., 2014, Heft 1, S. 76–90. – ISSN 0039–4564.
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150. Stašková, Alice: »Es ist der Geist, der sich den Körper baut.« Friedrich Schiller und die Medizin. In: Mit Feder und Skalpell. Grenzgänger zwischen Literatur und Medizin. Herausgegeben von Harald Salfellner. Mitterfels: Vitalis Verlag, 2014, S. 57–76. – ISBN 978-3-89919-167-7. 151. Sünderhauf, Sonja: Die Medizin im Leben und Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie), Diss. 2013 [2014], 220 S., 4°. Aus dem Inhalt: 1. Einleitung (S. 1–2). – 2. Biographie: 2.1. Herkunft aus der schwäbischen Provinz. – 2.2. Die Hohe Carlsschule: Chance für ein Kind aus kleinbürgerlichen Verhältnissen oder »Sklavenplage«? 2.2.1. Jurastudium wider Willen. – 2.2.2. Die Militärakademie: Herzensangelegenheit des Herzogs Carl Eugen. – 2.2.3. Rebellion gegen Zwang und Drill: Schillers Anpassungsschwierigkeiten. – 2.2.4. Der Wechsel zur Medizin. – 2.2.5. Die medizinische Lehre der Hohen Carlsschule. – 2.2.6. Geheime literarische Tätigkeit: Vom Arzt zum Dichter. – 2.2.7. Rückblickende Beurteilung der Carlsschulzeit. – 2.3. Schiller als Regimentsmedicus: eine Vernunftentscheidung. 2.3.1. Rückkehr zur Medizin? – 2.3.2. Der Arzt Schiller als medizinischer Ratgeber (S. 2–46). – 3. Medizinische Aspekte in Schillers Werken: 3.1. Schillers Werke zu medizinischen Themen (Carlsschulschriften). – 3.1.1. Die Grammontberichte. – 3.1.2. Die medizinischen Dissertationen. – 3.1.3. Philosophie der Physiologie: Der erste Versuch. – 3.1.4. Über die Unterscheidung von entzündungsartigen Fiebern und Faulfiebern: der zweite Versuch. – 3.1.5. Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen: Schillers Streitschrift zum Abschluss der Akademiezeit. – 3.2. Medizinische Aspekte in Schillers nichtmedizinischen Werken. 3.2.1. Darstellung von Ärzten, Badern und Heilern in Schillers Werken. – 3.2.2. Die Darstellung von Krankheiten in Schillers Werken: Neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder. – 3.2.3. Der Tod in Schillers Werken. – 3.2.4. Heilmethoden und Arzneimittel des 18. Jahrhunderts in Schillers Werken. – 3.2.5. Termini und Vergleiche aus dem medizinischen Bereich.– 3.2.6. Die Seele-Körperbeziehung als zentrales Element in Schillers Werken. – 3.2.7. Medizintheoretiker des 18. Jahrhunderts, repräsentiert in Schillers Werken: Lavaters Physiognomielehre (S. 47–200). – 4. Der Arzt Schiller als Patient (S. 200–208). – 5. Schlussbemerkung (S. 208–210). – 6. Literaturverzeichnis (S. 211–220). 152. Wicki-Vogt, Maja: Die Platanenallee. Immanuel Kants Erbschaft für Friedrich Schiller. In: Dies., Erbschaften ohne Testament. Über Freiheit und Unfreiheit im persönlichen Werden. Essays zu einer dialogischen Kultur. Zürich: Edition 8, 2014, S. 51–92. (= Essays aus der Edition 8). – ISBN 978-3-85990-184-1.
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6.7. Griechische und römische Antike (Mythologie) 153. Schmitt, Arbogast: Zur Aristoteles-Rezeption in Schillers Theorie des Tragischen. In: Antike Dramentheorien und ihre Rezeption. Herausgegeben von Bernhard Zimmermann. Freiburg im Breisgau, Berlin, Wien: Rombach Verlag, 2014, S. 191– 213. – ISBN 978-3-7930-9752-5. Neudruck mit aktualisiertem Vorwort der Originalausgabe von 1992 [s. SchillerBibliographie 1991–1994, Nr. 238].
7. Schillers literarische Werke und theoretische Schriften 7.1. Allgemeine gattungsübergreifende Darstellungen 154. Fujita, Miyoko: Wechselbeziehungen von Historik und Dramatik bei Schiller, in besonderer Hinsicht auf »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs« und »Wallenstein«. In: KG Gerumanisutiku. Nishinomiya. Band 53/54 (2014), S. 1–28. – ISSN 1343–0696. – Beitrag in japanischer Sprache.
7.2. Lyrik: Gedichte und Balladen 7.2.1. Allgemeine Betrachtungen 155. Beeler, Rahel B.: »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, 346 S. – ISBN 978-3-8260-5479-2. Inhalt: Einleitung (S. 15–32). – 1. Schillers Balladen im Kontext: 1.1. Die Kunstballade: Die Anfänge der deutschen Kunstballade. – Gattungsmerkmale der Kunstballade (S. 33–44). – 1.2. Schillers Balladen: Entstehungskontext. – Überdeutliche Ideenballaden? – Stiefkind der Forschung: angestaubte Schullektüre? (S. 44–60). – Es folgen Einzelanalysen der Balladen »Der Kampf mit dem Drachen«, »Der Taucher«, »Der Handschuh«, »Der Gang nach dem Eisenhammer«, »Kassandra«, »Der Ring des Polykrates« und »Die Kraniche des Ibycus« (s. die Nachweise in Kap. 7.2.2.).
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7.2.2. Einzelne Gedichte: Interpretationen, Kommentare und Vergleiche 156. Košenina, Alexander: Aufklärung in Verbrechensballaden (Schiller, Gleim, Bürger, Chamisso). In: Kriminalfallgeschichten. Herausgegeben von Alexander Košenina. München: Richard Boorberg Verlag, 2014, S. 71–89. (= Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband). – ISBN 978-3-86916-322-2. – Unter anderem zu Schillers Ballade »Die Kraniche des Ibykus«. 157. Lyons, Sara: The Disenchantment / De-enchantment of the World. Aesthetics, Secularization, and the Gods of Greece from Friedrich Schiller to Walter Pater. In: The Modern Language Review. London. 109. Jg., 2014, Heft 4, S. 873–895. Zur Wirkung von Schillers Gedicht »Die Götter Griechenlands« (1788) auf Heinrich Heine und sein gleichnamiges Gedicht (1827) sowie auf Walter Paters »Denys l’Auxerrois« aus den »Imaginary Portraits« (1887). 158. Zubiria, Martín: La traducción rítmica de un metro antiguo. Los epigramas de Goethe y de Schiller. In: Dichtung übersetzen. Werkstatterfahrungen und theoretische Beiträge. Traducir poesia. Experiencias de taller y aportes teóricos. Herausgegeben von Irene M. Weiss. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 211–226. – ISBN 978-3-8260-5319-1.
*** An die Freude 159. Probst-Effah, Gisela: Von der Ode »An die Freude« zum »Song of Joy«. Verwandlungen eines Gedichts von Friedrich Schiller in der Vertonung von Ludwig van Beethoven. In: »Altes neu gedacht«. Rückgriff auf Traditionelles bei musikalischen Volkskulturen. Herausgegeben von Klaus Näumann und Gisela ProbstEffah. Aachen: Shaker Verlag, 2014, S. 39–58. – ISBN 978-3-8440-3084-6. Das Lied von der Glocke 160. Möbius, Thomas: Friedrich Schiller, »Das Lied von der Glocke«. In: Ders., Beliebte Gedichte interpretiert. Deutsch (10.-12./13. Klasse). 35 der beliebtesten Gedichte analysiert und interpretiert. Hollfeld: Bange Verlag, 2014, S. 31–40. (= Königs Lernhilfen). – ISBN 978-3-8044-1204-0. Der Gang nach dem Eisenhammer 161. Beeler, Rahel B.: »Der Gang nach dem Eisenhammer« – Von tumben Toren und genarrten Lesern. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 175–217. – ISBN 978-3-8260-5479-2.
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Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Der Gang nach dem Eisenhammer« von Friedrich Schiller (S. 175–181). – 5.1. Ist diese Ballade noch zu retten? – 5.2. Erzählerpflichten: Fridolin, ein tumber Tor? – Fridolins moralische Sentenzen, gelesen als narratologische Grundsätze. – Erfolg und Misserfolg erzählerischer Geradlinigkeit. – 5.3. »Herr, dunkel war der Rede Sinn«: ein schwankender Text: Variationen des Stellvertreter-Prinzips. – Schwankende Worte und Sätze. – Schwankende Moral. – Ironie oder Ernst? Der Handschuh 162. Beeler, Rahel B.: »Der Handschuh« – Von Liebesschwüren und Tatbeweisen. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 147–174. – ISBN 9783-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Der Handschuh« von Friedrich Schiller (S. 147–148). – 4.1. Das Gegenstück zum Taucher? – 4.2. Verweigerte Handlung und inszeniertes Erzählen: Die Raubtierszenerie: Spannung ohne Handlung. – Scharnierstrophe und Übergang zum zweiten Plot. – Der Gang in den Zwinger und die Auflösung der Liebeshandlung. – 4.3. Varianten des Konflikts von Sprache und Handlung, von Wort und Tat: »Der Handschuh« als Parodie des handlungsreihenden Erzählens. – Sprachskepsis und Handlungsironie. – »Der Taucher« und »Der Handschuh«: Wie dieser »durch sein eignes Verdienst das Verdienst jener Dichtung um so mehr erhöht.« Der Kampf mit dem Drachen 163 Beeler, Rahel B.: »Der Kampf mit dem Drachen« – Von Texten, die wie Drachen sind. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 61–103. – ISBN 978-3-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Der Kampf mit dem Drachen« von Friedrich Schiller (S. 61–68). – 2.1. Ein klarer Fall? – 2.2. Der Kampf zwischen Freiheit und Gesetz: Der Aufbau der Ballade. Zielen auf den Kernkonflikt. – Lektürevarianten des Kernkonfliktes. – Der Kampf mit dem Drachen als Kampf mit der Schlange der Verführung. – 2.3. Der Kampf mit dem Text: Der Text als Drache, der Drache als Text. – Die Rolle der Sprache im Kampf um Macht und Geltung. – Der Kampf mit dem Text-Drachen und dem Drachen-Text. – 2.4. Der Kampf mit dem Publikum: (Miss-)Erfolg des Drachenkämpfers als Redner. – Schillers Rezension »Über Bürgers Gedichte«: vom Dichten für das ganze Volk. – Schillers Sieg über das Publikum.
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Der Ring des Polykrates 164. Beeler, Rahel B.: »Der Ring des Polykrates« – Vom zweifelnden Glück und dem herbeigerufenen Unglück. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 261–291. – ISBN 978-3-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Der Ring des Polykrates« von Friedrich Schiller (S. 261–263). – 7.1. »Die Götter wollen dein Verderben« – 7.2. Eine Ballade in suspenso? – Gewissheit des tragischen Ausgangs? – Argumente gegen die (völlige) Offenheit der Ballade. – 7.3. »Noch keinen sah ich fröhlich enden«: ein paradoxes Glückskonzept. – Amasis’ Behauptung der Unmöglichkeit des Glücks. – Das personifizierte Glück und das Glück als Gabe der Götter. – Handlungsalternativen für Polykrates? – Wie Amasis Polykrates unglücklich spricht. Der Spaziergang 165. Kalązny, Jerzy: Die Ästhetisierung der gebirgigen Landschaft im »Spaziergang« von Friedrich Schiller. In: »Über allen Gipfeln...« Bergmotive in der deutschsprachigen Literatur des 18. bis 21. Jahrhunderts. Herausgegeben von Edward Białek und Jan Pacholski. Dresden: Neisse Verlag, 2014, S. 29–48. (= Beihefte zum Orbis Linguarum. 71). – ISBN 978-3-86276-120-3. Der Spaziergang 166. König, Christoph: Sprachdenken. Schillers Elegie »Der Spaziergang« nach Wilhelm von Humboldt. In: Ders., Philologie der Poesie. Von Goethe bis Peter Szondi. Berlin, Boston: Walter de Gruyter, 2014, S. 24–35. – ISBN 978-3-05– 005836–8. Der Taucher 167. Beeler, Rahel B.: »Der Taucher« – Was die Macht der Sprache mit den Menschen macht. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 105–145. – ISBN 978-3-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Der Taucher« von Friedrich Schiller (S. 105–109). – 3.1. Zwei verstummende Erzähler. – 3.2. Sprechende Macht – ohnmächtiges Schweigen: Die Rede des Königs, das Schweigen der Ritter, das Handeln der Knappen. – Die moralische Überwindung der Machtlosigkeit: die Sprache des Dichters. – Die Rückkehr des Knappen: das Erringen von Sprache und Macht, und der Verlust derselben durch sich selbst. – 3.3. Inszenierte Absenzen: Das Verstummen des Textes. – Wiederholungen und Nicht-Wieder-Holung. – Die Ver-nicht-ung des Knappen. – Der Charybde Geheul – die Stimme der Natur?
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Der Taucher 168. Conrad, Maren: »Der Taucher« – Friedrich Schiller. In: Dies., Aufbrüche der Ordnung. Ein Modell zur methodischen Balladenanalyse, entwickelt am Beispiel der phantastischen Kunstballade. Heidelberg: Universitätsverlag Carl Winter, 2014, S. 245–268. (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. 323). – ISBN 978-38253-6210-2. Das Schiller-Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Das Meer als Grenze, Gegensystem und Leitmotiv im ›discours 1‹. – Autonomie und Heteronomie: Die Opposition von Sprechen und Blicken. – Der Sprung als Ursache einer narrativen Leerstelle. – Der Botenbericht: Sanktionierung des autonomen phantastischen Sprechaktes. – Literarische Selbstreferenz in »Der Taucher«. Die Bürgschaft 169. Selbmann, Rolf: Gewaltphantasien, ästhetisch bereinigt. Eine Neulektüre von Schillers Ballade »Die Bürgschaft«. In: Wirkendes Wort. Deutsche Sprache und Literatur in Forschung und Lehre. Trier. 64. Jg., 2014, Heft 1, S. 7–12. Die Götter Griechenlands 170. Füllmann, Rolf: Epochenzäsur und Verlusterfahrung. »Die Götter Griechenlands« zwischen Schillers Klassik und moderner Neuklassik. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 159– 173. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Der Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte: 1. Schillers Werke und ihre Folgen: Politikum und Skandalon. – 2. Schillers »Die Götter Griechenlands« und die nachantike Zeit: Antipoden mit innerer Antithese. – 3. ›Nazarenertum‹ und 'Hellenismus': Zur Nachwirkung einer Dichotomie der Klassik im 19. und 20. Jahrhundert. – 4. Der ›Hypatia‹-Komplex: Die historische Zäsur zwischen antiker und christlicher Welt in einer neuklassischen Novelle. Die Götter Griechenlands 171. Hodža, Michael Miroslav: Schillerovi »Bohovia Grécka« a Drotár. In: Romantickí mesianisti. Výber zostavila, poznámky, vysvetlivky, medailóny autorov a doslov napísala Ľubica Somolayová. Bratislava: Kalligram, 2010, S. 353–360. (= Knižnica slovenskej literatúry. 35). – ISBN 978-80-8101-392-8. Die Götter Griechenlands 172. Robert, Jörg: Schillers Gedicht »Die Götter Griechenlands« zwischen Landschaftsästhetik, Religionskritik und »Neuer Mythologie«. In: Natur. Herausgegeben von Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2014, S. 183–217. (= Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte. 25). – ISBN 978-3-7873-2462-0.
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Die Götter Griechenlands 173. Unfer Lukoschik, Rita: »Die Götter Griechenlands« im Ottocento. In: Études Germaniques. Revue trimestrielle de la Société des Études Germaniques. Paris. 69. Jg., 2014, Heft 1 (273), S. 21–37. – Im Zentrum der Untersuchung stehen frühe Übersetzungen von Schillers Gedicht. Die Klage der Ceres 174. Gabbiadini, Guglielmo: Il mito del duale e la »Gemeinschaft« di Eleusi. Wilhelm von Humboldt interprete dell’elegie »Die Klage der Ceres« di Friedrich Schiller (1796). In: Annali. Sezione germanica. Napoli. 23. Jg., 2013, Heft 1, S. 109–134. – ISSN 0392–6532 / ISSN 1124–3724. Die Kraniche des Ibycus 175. Beeler, Rahel B.: »Die Kraniche des Ibycus« – Vom Tod des Sängers und der Macht der Kunst. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 293–331. – ISBN 978-3-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Die Kraniche des Ibycus« von Friedrich Schiller (S. 293–297). – 8.1. Die Ballade der Balladen. – 8.2. Kreisförmige BühnenTopographien als Lektüre-Topologie: Bühne und Kreis in der Ballade »Der Handschuh«. – Bühne und Kreis in der Ballade »Der Graf von Habsburg«. – Bühne und Kreis in der Ballade »Die Kraniche des Ibycus«. – Überlegungen zum Lesen von Kreisen und zum Kreisen von Lektüren. – 8.3. »Sieh da! Sieh da, Timotheus, / Die Kraniche des Ibycus!« Funktionen der Kraniche in Schillers Ballade: Zwei Balladen in einer Ballade. – »Zum guten Zeichen nehm’ ich euch«: Ibycus’ Kranich-Interpretation als menschliche Hamartia und dichterischer Erfolg. – Vom Funktionieren des Zeichens auf visueller und auditiver Ebene. – Die Kraniche als Deus ex machina: die Bestätigung der Gesetze der Kunst. Die Kraniche des Ibycus 176. Michajłow, Antatol: Friedrich Schiller, »Die Kraniche des Ibykus«. In: Ders., Einführung in die Stilanalyse. DaF-Materialien für Germanistikstudenten. Elbląg: Wydawnictwo Państwowej Wyższej Szkoły Zawodowej w Elblągu, 2014, S. 42–51. – ISBN 978-83-62336-27-2. – Mit vorangestelltem Abdruck von Schillers Gedicht. Kassandra 177. Beeler, Rahel B.: »Kassandra« – Wie die Auflösung der Zeit das Erzählen auflöst. In: Dies., »dunkel war der Rede Sinn«. Zur Poetologie von Schillers Balladendichtung. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 219–260. – ISBN 9783-8260-5479-2. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: »Kassandra« von Friedrich Schiller
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(S. 219–222). – 6.1. »Zukunft hast du mir gegeben, / Doch du nahmst den Augenblick.« – 6.2. Schillers Kassandra. Auflösung der Gegenwart im Wissen um die Zukunft: Isolation durch Wissen und Leid. – Kassandras Gegenwartsverlust. – 6.3. Sprachliche Inszenierungen von Gegenwartsverlust und zeitlosem Fallen: Wie die Zeitformen die Zeit (ent)formen. – Enjambements im fallenden Text. – 6.4. Die Auflösung des Erzählens im intertextuellen Wissen. – Anzitieren statt Erzählen: erzwungene Aktivierung des Stoffwissens. – Alternativen zur Erzählgegenwart – fremde Bilder zwischen und hinter den Zeilen der Ballade. – Problematisierung des intertextuellen Wissens. – »Nur der Irrthum ist das Leben, / Und das Wissen ist der Tod.« Kassandra 178. Ohrui, Kyoko: Ein Versuch der Interpretation von Schillers Ballade »Kassandra« als einaktiges Monodrama mit verstecktem Chor. In: Goethe-Jahrbuch. Tokyo. Band 54, 2012, S. 50–68. – ISSN 1881–4670. – Text in japanischer Sprache mit deutscher Zusammenfassung (S. 69). Rousseau 179. Maier, Thomas: Jenseits der Revolution. Friedrich Schillers »Rousseau«-Poem. In: Ders., Die Zivilisierung der Moderne aus dem Recht der Vernunft. Rousseaus Contrat Social – eine Inventur. Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2014, S. 121–125. – ISBN 978-3-86573-788-5. – Im Anhang Abdruck des Gedichts »Roußeau« (S. 138–141).
7.3. Dramatische Werke 7.3.1. Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche 180. Boyken, Thomas: »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, 444 S. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Inhalt: 1. »Solch ein Mann hat mir / Schon längst gemangelt.« Einleitung (S. 11–15): 1.1. Leitbild Männlichkeit: Fragestellung und Erkenntnisinteresse (S. 15–21). – 1.2. Literarische Konstruktion von Männlichkeit: Zum Aufbau der Untersuchung (S. 21–23). – 1.3. Der unentdeckte Mann: Schillers Männerfiguren in der Forschung (S. 23–32). – 2. Männlichkeit in der Theorie: 2.1. Männlichkeiten im (Kon-)Text: Interdisziplinäre Perspektiven (S. 33–58). – 2.2. Was macht Männer männlich? Männlichkeit definieren (S. 58–90). – 2.4. Methodik: Männlichkeitsimagination, Männlichkeitskonzept und männlicher Habitus (S. 90–92). – 3. Männerfiguren und
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Männlichkeitsimaginationen in Schillers Dramen (s. Einzelnachweise der Kapitel in den Systemstellen 7.3.2 bis 7.3.10). – 4. » – Da seh ich dich im echten Männerwert.« Historische und dramenübergreifende Perspektiven: 4.1. Männlichkeit methodisch fassen: Zur Tragfähigkeit des Habituskonzepts (S. 390–393). – 4.2. Männlichkeiten historisch betrachtet: Zur Ausbildung eines neuen Männerbildes (S. 393–398). – 4.3. Schillers männliche Figuren typologisch: Habitus, Konzepte und Imaginationen (S. 398–410).– Bibliographie (S. 411–444). 181. Burtscher, Cordula: Zur Rolle der Religion in Schillers späten Tragödien »Maria Stuart« und »Die Jungfrau von Orleans«. In: Dies., Glaube und Furcht. Religion und Religionskritik bei Schiller. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 247–302. (= Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie. 39). – ISBN 978-3-8260-5553-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 1. Die unheilvolle Allianz von Kunst, Religion und Politik in »Maria Stuart«: Mortimer und die Perversion ästhetischer Erziehung. – 2. Abschied von der Kirchenkritik: »Die Jungfrau von Orleans«. – 3. Die Religion im Rahmen der Wirkungsästhetik. 182. Detken, Anke: Die Figur und ihr Fach. Konzeptionelle Überlegungen am Beispiel von Lessing und Schiller. In: LiThS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie. Graz. 2014, Heft 11, S. 36–53. – ISSN 2071–6346 / ISSN 2017–6346. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Das Rollenfach und seine Relevanz für Theater und Drama. – Lessings Odoardo, zärtlicher oder polternder Alter? [»Emilia Galotti«]. – Schillers Fiesko, Held und erster Liebhaber oder Intrigant? – Fazit. 183. Haas, Claude: Die »Stunde des Absterbens«. Fälle des tragischen Todes im Trauerspiel von Schiller bis Brecht. In: Benjamins Trauerspiel. Theorie – Lektüren – Nachleben. Herausgegeben von Claude Haas und Daniel Weidner. Berlin: Kulturverlag Kadmos, 2014, S. 75–198. (= LiteraturForschung. 21). – ISBN 978-386599-237-6. 184. Langehegermann, Sylvie: Friedrich Schillers Dramen und die Epoche des italienischen Belcanto. Vom Drama zum Opernlibretto. Hamburg: Disserta-Verlag, 2014, 219 S. – ISBN 978-3-95425-580-1. Inhalt: I. Friedrich Schiller und die Oper (S. 11–13). – II. Drama und Oper (S. 15–36). – III. Friedrich Schillers Dramen als Grundlage für die italienischen Opernlibretti der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert. 1. Schillers Werke in Italien (S. 37). – 1.1. Die ersten italienischen Schilleropern (S. 27–38). – 2. »Wilhelm Tell«: 2.1. Friedrich Schillers »Wilhelm Tell« (S. 39–63). – 2.2. Gioachino Rossinis »Guglielmo Tell«: Begründung der Grand Opéra (S. 63–89). – 3. »Maria Stuart«: 3.1. Friedrich Schillers »Maria Stuart« (S. 89–120). – 3.2. Gaetano Donizettis »Maria Stuarda« (S. 120–158). – 4. »Die Räuber«: 4.1. Friedrich Schillers »Die Räuber« (S. 158–179). – 4.2. Giuseppe
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Verdis »I masnadieri« (S. 179–210). – IV. Fazit (S. 211–214). – Literaturverzeichnis (S. 215–219). 185. Mees, Martin: Pour une interprétation philosophique du sublime dans le théâtre de Schiller: »Die Räuber«, »Die Jungfrau von Orleans«. In: Études Germaniques. Revue trimestrielle de la Société des Études Germaniques. Paris. 69. Jg., 2014, Heft 3 (275), S. 363–386. 186. Pleschka, Alexander: Theatralität und Öffentlichkeit. Schillers Spätdramatik und die Tragödie der französischen Klassik. Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter, 2013, 255 S. [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2013, Nr. 270]. Rezension von Pascale N. Lafountain. In: Lessing-Yearbook / Jahrbuch. Band 41 (2014). Edited by Monika Fick. Göttingen: Wallstein Verlag, 2014, S. 335–337. – ISBN 978-3-8353-1499-3. 187. Pocai, Romano: Das skulpturale Ansichsein des Kunstschönen. Schiller: Das Ideal und das Leben. In: Ders., Philosophie, Kunst und Moderne. Überlegungen mit Hegel und Adorno. Berlin: Verlag Xenomoi, 2014, S. 138–144. – ISBN 978-3942106-20-7. 188. Tieder, Irène: Pères et fils dans le théâtre de Schiller. In: Relations familiales entre générations dans le théâtre européen. Études réunies et présentées par Françoise Le Borgne et Fanny Platelle. Clermont-Ferrand: CELIS, Centre de Recherches sur les Littératures et la Sociopoétique & Presses Universitaires Blaise Pascal, 2014, S. 277–286. (= Révolutions et Romantismes. 22). – ISBN 978-2-84516-662-2. 189. Wollesen, Karl-Heinz: Schiller. Ewiger Kampf – wofür? In: Ders., »Literatur, sonst nichts?« Die Weimarer Klassik zwischen Humanität, Idealismus und nationalsozialistischer Barbarei. Heimbach (Eifel): Patrimonium Verlag, 2014, S. 171–203. – ISBN 978-3-86417-021-8. Das Kapitel ist in zwei Teile gegliedert: Die Dramen bis zur Französischen Revolution: Die Räuber: »Jetzt helfe ich mir selbst!« – Die Verschwörung des Fiesko zu Genua: Ein republikanisches Trauerspiel. – Kabale und Liebe: Sozialkritik im bürgerlichen Trauerspiel. – Don Karlos: Eros schlägt Humanitas. – Die Dramen nach der Französischen Revolution: Wallenstein: Absturz ins Nichts. – Maria Stuart: Ausweichen in die Kunstform. – Die Jungfrau von Orleans: Ausflug in die Romantik. – Die Braut von Messina: Artistischer Tribut an die Antike. – Wilhelm Tell: Gerechte Empörung und Zukunftshoffnung. – Das Demetrius-Fragment: Die Macht des Demagogen.
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7.3.2. »Die Braut von Messina« 190. Boyken, Thomas: Konstruktion eines normativen Männlichkeitskonzepts (»Die Braut von Messina«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 330–354. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.8.1. Die dramenpoetische Ambivalenz der »Braut von Messina«: Schicksalstragödie oder Charaktertragödie? – 3.8.2. Herstellung eines normativen Männlichkeitskonzepts. – 3.8.3. Die Brüder unter geschlechtertheoretischem Blick. – 3.8.4. Fatale Vorbilder (Don Cesar). – 3.8.5. »Schön wie ein Gott und männlich wie ein Held« (Zwischenfazit). 191. Krause, Robert: Kultureller Synkretismus. Völkerkundliche Anthropologie und Ästhetik in den Sizilien-Dramen Voltaires, Goethes und Schillers. In: Der ganze Mensch – die ganze Menschheit. Völkerkundliche Anthropologie, Literatur und Ästhetik um 1800. Herausgegeben von Stefan Hermes und Sebastian Kaufmann. Berlin, München, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2014, S. 233–247. (= Lingua & Litterae. Publications of the School of Language & Literature Freiburg Institute for Advanced Studies. 41). – ISBN 978-3-11–030766–5. 192. Ndombe Makanga, Pierre Damien: Hegel face aux interprétations de Schiller, Schelling et Hölderlin de la tragédie grecque. Le conflit dialectique des sentiments dans »La Fiancée de Messine« de Schiller. In: Ders., Tragique et reconnaissance. Comprendre la notion de conflit dans la philosophie hégélienne de la conscience. München: Verlag Utz, 2014, S. 28–37. (= Münchner philosophische Studien. 24). – ISBN 978-3-8316-4344-8.
7.3.3. »Don Karlos« 193. Boyken, Thomas: Empfindsame und heroische Männlichkeiten. Ermannung und Initiation (»Don Karlos«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 185–216. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.4.1. Prekärer Erziehungsprozess (Don Karlos). – 3.4.2. ›Prophet und Soldat‹ (Marquis Posa). – 3.4.3. Variation des tyrannischen Vaters (König Philipp). – 3.4.4. Ein gewalttätiger General (Herzog von Alba). – 3.4.5. »Ich darf mich nicht empor zu dieser Männergröße wagen« (Zwischenfazit).
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194. Meyers, Jeffrey: Schiller’s »Don Carlos« and »The Magic Mountain«. In: Ders., Thomas Mann’s Artist-Heroes. Evanston, Ill.: Northwestern University Press, 2014, S. 89–100. – ISBN 978-0-8101-2953-5. 195. Nilges, Yvonne: Schillers und Verdis »Don Carlos«. In: Tatort Kultur. Atelier Gespräche. Band 2. Herausgegeben von Sabine Coelsch-Foisner. Salzburg: Anton Pustet Verlag, 2013, S. 311–317. – ISBN 978-3-7025-0700-8.
7.3.4. »Die Jungfrau von Orleans« 196. Boyken, Thomas: Männliche Heldin und effeminierte Ritter (»Die Jungfrau von Orleans«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 290–329. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.7.1. ›Eine zarte Jungfrau unter Waffen?‹ (Johanna). – Exkurs: ›Singe den Zorn der Jungfrau von Orleans‹. Eine zweifache mythologische Anspielung? – 3.7.2. Die Ritter: Hegemonie in Gefahr. – 3.7.3. Variation des männlichen Herrschers (König Karl). – 3.7.4. »Madame, geht nach Paris zurück. Wir wollen / Mit guten Waffen, nicht mit Weibern siegen« (Zwischenfazit). 197. Haferkamp, Dirk: Das nachklassische Drama im Lichte Schopenhauers. Eine Interpretationsreihe. Schiller: »Die Jungfrau von Orleans« – Hebbel: »Judith« – Grabbe: »Judith« – Büchner: »Dantons Tod«. Frankfurt/M.: Lang Edition, 2014, 260 S. – ISBN 978-3-631-64677-9. Die Schiller-Interpretation (S. 27–86) gliedert sich in folgende Kapitel und Abschnitte: I. Voraussetzungen des Handelns: a) Form und Symbol. – b) Dualismus. – c) Schopenhauer. – d) Schiller und Schopenhauer. – e) Wunder und Wille der Geschichte. – II. Der Weg bis zur Lionel-Szene: a) Transzendenz und Resignation. – b) Auge und Pathos. – c) Auge und Wille der Sinne. – d) Talbots rationaler Wille. – e) Isabeau (Naturwille) und Sorel (Herz). – III. Schuld und Läuterung: a) Auge und Sendung. – b) Raoul und Montgomery. – c) Auge und Schuld. – d) Klagemonolog, Prüfung, Apotheose. – Von Schiller zu Hebbel. 198. Hellmich, Christine: Die Hamburger Bühnenmanuskripte von Schillers Drama »Die Jungfrau von Orleans«. Bern: Verlag Peter Lang, 2014, 574 S. (= Arbeiten zur Editionswissenschaft. 7). – ISBN 978-3-0343-1210-3. Inhalt: Teil I: Darstellung. 1. Beschreibung der Handschriften und wichtiger Überlieferungsträger. 1.1. h¹: Das erste Hamburger Bühnenmanuskript (S. 23–43). – 1.2. Joachim Meyers Kollation des ersten Hamburger Bühnenmanuskripts h¹
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(S. 45–52). – 1.3. h²: Das zweite Hamburger Bühnenmanuskript (S. 53–65). – 1.4. dn: das zusammen mit h¹ aufbewahrte Druckexemplar der »Jungfrau von Orleans« – ein Soufflierbuch (S. 67–75). – 1.5. E: der Erstdruck der »Jungfrau von Orleans«, 1801 (S. 77–79). – 2. Die Hamburger Bühnenmanuskripte und ihre Bearbeitungen bis 1812. 2.1. h¹: Schillers Bühnenmanuskript für das Deutsche Theater in Hamburg (S. 81–106). – 2.2. h¹c : Die Bühnenfassung der Hamburger Erstinszenierung von 1801 (S. 107–115). – 2.3. h²: Das Soufflierbuch zur Hamburger Bühnenfassung h¹c (S. 117–121). – 2.4. Zensurbedingte Texteingriffe in h¹ und h² während der Franzosenzeit, 1806–1814 (S. 123–133). – Teil II: Dokumentation. 1. Synoptische Edition der Texte von E, h¹a und h²a . 1.1. Textgrundlage und Textgestaltung (S. 137–141). – 1.2. Parallele Textwiedergabe von E, h¹a und h²a (S. 143–505). – 2. Lesarten (S. 507–544). – Anhang: Schema der in h¹a und h¹c gegenüber E fehlenden Verse (S. 547–554). – Überlieferte Theaterzettel von Aufführungen der »Jungfrau von Orleans« am Hamburger Stadttheater im Zeitraum von 1801–1860 (S. 555–561). 199. Jaeger, Michael: Weltgeschichte und Heilsgeschehen – oder: Politik als göttlicher Auftrag. Schillers Tragödie »Die Jungfrau von Orleans«. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 9–25. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Eine kürzere Version des Beitrags ist unter dem Titel »Die Jungfrau von Orleans. Politik als göttlicher Auftrag« erschienen. In: Zum Schillerjahr 2009. Schillers politische Dimension. Herausgegeben von Bernd Rill. München: Hanns-SeidelStiftung, 2009, S. 91–99. (= Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen. 67). 200. Port, Ulrich: Gegenreformatorischer Katholizismus und postrevolutionäres Theater. Schillers »Jungfrau von Orleans« und die Ortswechsel militanter Marienfrömmigkeit. In: Orts-Wechsel. Reale, imaginierte und virtuelle Wissensräume. Herausgegeben von Martin Przybilski und Ulrich Port. Wiesbaden: Ludwig Reichert Verlag, 2014, S. 77–95. (= Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften. 10). – ISBN 978-3-95490-018-3. 201. Thoma-Endenich, Verena: Weib – Recht – Tat. Hebbels »Judith« und Schillers »Die Jungfrau Orleans«. In: Dies., Tragische Unschuld. Zur Korrelation von Politik, Religion und Weiblichkeit im dramatischen Werk Friedrich Hebbels. München: Iudicium Verlag, 2014, S. 17–87. (= Cursus. Texte und Studien zur deutschen Literatur. 27). – ISBN 978-3-86205-419-0. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Entweiblichung: Zur Exzeptionalität der Protagonistin. – Berechtigung: Zwischen göttlicher Berufung und Eigeninitiative. – Untat: Verfehlung fürs Volk.
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7.3.5. »Kabale und Liebe« 202. Boyken, Thomas: Höfische und bürgerliche Männlichkeiten (»Kabale und Liebe«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 155–184. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-38260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in Abschnitte: 3.3.1. Zwischen Adel und Bürgertum (Ferdinand von Walter). – 3.3.2. Zwischen zärtlichem und erbarmungslosem Vater. – 3.3.3. Changieren zwischen den Sphären: Bürgerlicher Aufsteiger und Intrigant (Sekretär Wurm). – 3.3.4. Effeminierter Mann (Hofmarschall von Kalb). – 3.3.5. »Was bläst auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?« (Zwischenfazit). 203. Liewerscheidt, Dieter: Die Macht der Bühne. Zur dramaturgischen Unentschiedenheit von Schillers »Kabale und Liebe«. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Herausgegeben von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Band 58 (2014). Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter, 2014, S. 176– 188. – ISBN 978-3-11–034555–9. 204. Scharf, Hannah: Der Einfluss von Samuel Richardsons Figuren in »Clarissa« auf Friedrich Schillers Charaktere in »Kabale und Liebe«. München: Grin Verlag, 2014, 26 S. – ISBN 978-3-656-62078-5.
7.3.6. »Maria Stuart« 205. Boyken, Thomas: Herrscherin, Höfling, Heißsporn. Variationen (»Maria Stuart«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 255–289. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 9783-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in Abschnitte: 3.6.1. Die ›Tragödie des Patriarchismus‹: Frauen, Männer und ›Männinnen‹? (Elisabeth). – 3.6.2. Höfling und Heißsporn: Bekannte Entwürfe und ihre Fortschreibungen. – 3.6.3. Leicester und Mortimer: Strukturelle Homologien. – 3.6.4. Ein »männlich Beispiel« und »zu Schiff nach Frankreich«: Das Ende der Männlichkeit (Zwischenfazit). 206. Fleig, Anne: Königinnendrama und postdramatisches Theater. Zur Eskalation der Rede in Friedrich Schillers »Maria Stuart« und in Elfriede Jelineks / Nicolas Stemanns »Ulrike Maria Stuart«. In: Spielräume der Anderen. Geschlecht und
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Alterität im postdramatischen Theater. Herausgegeben von Nina Birkner, Andrea Geier und Urte Heiduser. Bielefeld: Transcript Verlag, 2014, S. 143–163. (= Theater. 38). – ISBN 978-3-8376-1839-6. 207. Gerhard, Dominik: Eine moralkritische Analyse der Elisabeth in Schillers »Maria Stuart«. In: Schillers »Maria Stuart«. Eine Analyse aus fünf Blickwinkeln. München: ScienceFactory, 2014, S. 27–49. – ISBN 978-3-95687-110-8. Frühere Veröffentlichung im Grin Verlag [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 418]. 208. Krebs, Roland: Crime sans châtiment. L’épisode Davison dans »Maria Stuart« de Friedrich Schiller. In: Textes et Contextes. Text und Kontext. In Memoriam Pierre-André Bois. Herausgegeben von Béatrice Dumiche und Armin Heinen. Bonn: Romanistischer Verlag, 2014, S. 69–76. (= Abhandlungen zur Sprache und Literatur. 192). – ISBN 978-3-86143-212-8. 209. Kroll, Lukas R.: Lord Leicester und Mortimer als Kontrastfiguren? Eine Analyse anhand Friedrich Schillers »Maria Stuart«. In: Schillers »Maria Stuart«. Eine Analyse aus fünf Blickwinkeln. München: ScienceFactory, 2014, S. 51–60. – ISBN 978-3-95687-110-8. s. Sylvie Langehegermann, Kap. 7.3.1., Nr. 184. 210. Leibfried, Erwin: »Maria Stuart« – Ein Trauerspiel. Ästhetische Reflexion einer Phase des Absolutismus. In: Schillers »Maria Stuart«. Eine Analyse aus fünf Blickwinkeln. München: ScienceFactory, 2014, S. 61–100. – ISBN 978-3-95687110-8. Frühere Veröffentlichung im Grin Verlag [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 423]. 211. Monagas, Alexander: Maria und ihre Verwandlung zur ‚schönen Seele’ als Rechtfertigung ihrer Position als Titelheldin und moralischen Siegerin im Vergleich zu ihrer Kontrahentin Elisabeth in Friedrich Schillers »Maria Stuart«. In: Schillers »Maria Stuart«. Eine Analyse aus fünf Blickwinkeln. München: ScienceFactory, 2014, S. 7–26. – ISBN 978-3-95687-110-8. Frühere Veröffentlichung im Grin Verlag [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 424]. 212. Vaziri, Fritz Hubertus: Die Tragödienkonzeption des Aristoteles. Eine Untersuchung anhand von Schillers »Maria Stuart«. In: Schillers »Maria Stuart«. Eine Analyse aus fünf Blickwinkeln. München: ScienceFactory, 2014, S. 101–116. – ISBN 978-3-95687-110-8.
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7.3.7. »Die Räuber« 213. Boyken, Thomas: Varianten einer protestierenden Männlichkeit (»Die Räuber«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 93–128. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-38260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.1.1. Literarische Vorbilder und männlicher Protest (Karl von Moor). – 3.1.2. Marginalisierung und männlicher Protest (Franz von Moor). – 3.1.3. Der schwache Vater (Maximilian von Moor). – 3.1.4. Die Räuberbande: Männerbund und (Un-)Kameradschaft. – 3.1.5. »[D]dem Manne kann geholfen werden«? (Zwischenfazit). 214. Condray, Kathleen: The ›Kerl‹ in the Wild West. Friedrich Gerstäcker’s »Die Regulatoren in Arkansas« and Friedrich Schiller’s »Die Räuber«. In: Arkansas Historical Quarterly. 73. Jg., 2014, Heft 1, S. 69–77. 215. Kaiser, Gerhard: Sympathy for the Evil? Bösewichter in Schillers »Räubern«. In: Rollenfach und Drama. Herausgegeben von Anke Detken und Anja Schonlau. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 2014, S. 107–122. (= Forum Modernes Theater. 42). – ISBN 978-3-8233-6842-7 s. Sylvie Langehegermann, Kap. 7.3.1., Nr. 184. 216. Montorro, Sandra: Schillers »Räuber« im Kontext der literarischen Anthropologie. München: Grin Verlag, 2014, 26 S. – ISBN 978-3-656-57234-3. 217. Offermanns, Sandra: Aspekte der literarischen Anthropologie in Schillers Schauspiel »Die Räuber«. München: Grin Verlag, 2014, 22 S. – ISBN 978-3-65658437-7. 218. Sautermeister, Gert: »Die Räuber« – Generationenkonflikt und Terrorismus. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 27–41. – ISBN 978-3-8260-5001-5. Der Beitrag gliedert sich in zwei Abschnitte: 1. Karl Moor: »Privaterbitterung« und demonstrative Gewalt. – 2. Franz Moor: Terror-Akte eines Benachteiligten. Eine frühere Veröffentlichung findet sich in: Zum Schillerjahr 2009. Schillers politische Dimension. Herausgegeben von Bernd Rill. München: Hanns-SeidelStiftung, 2009, S. 13–23. (= Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen. 67). Siehe auch die früheren Beiträge des Verfassers. In: Schiller-Handbuch. Herausgegeben von Matthias Luserke-Jaqui. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler, 2005, S. 1–45. – In: Kulturelles Erbe zwischen Tradition und Avantgarde. Herausgegeben
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von Thomas Metscher und Christian Marzahn. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 1991, S. 311–340.
7.3.8. »Wilhelm Tell« 219. Björkstrand, Christel: »Und frei erklär’ ich alle meine Knechte.« Höflichkeit als Ausdruck sozialer Utopie in Schillers Drama »Wilhelm Tell«. Ǻbo: Ǻbo Akademis Förlag, 2014, VI, 459 S. – ISBN 978-951-765-726-6. Aus dem Inhalt: 1. Einleitung (S. 8–11). – 2. Begründung der Fragestellung: 2.1. Nachweis der gesellschaftlichen Ordnung im Verzeichnis der handelnden Personen. – 2.2. Reihenfolge des Auftretens der gesellschaftlichen Gruppen. – 2.3. Auswahl der Schlüsselpersonen im Drama und Reihenfolge des Auftretens dieser Personen. – 2.4. Die Kommunikation der gesellschaftlichen Gruppen (S. 12–22). – 3. Historischer Hintergrund: 3.1. Die gesellschaftliche Struktur in Schillers Umfeld. – 3.2. Einblick in die Lebensgeschichte Friedrich Schillers. – 3.3. Aspekte des Tell-Stoffs von den Anfängen bis zu Schiller. – 3.4. Der Tell-Stoff zur Zeit Schillers und die Entstehung von Schillers Drama »Wilhelm Tell« (S. 23–44) – 4. Linguistischer Hintergrund: 4.1. Überlegungen zur Literarizität von Schillers Drama. – 4.2. Der Ansatz von [Penelope] Brown und [Stephen C.] Levinson in der Sprechakttheorie (S. 45–86). – 5. Eigener Forschungsansatz (S. 87–90). – 6. Analyse: 6.1. Die Kommunikation der Landleute. – 6.2. Die Kommunikation des Adels. – 6.3. Die Kommunikation zwischen Landleuten und Adligen. – 6.4. Die Kommunikation von Wilhelm Tell (S. 91–327). – 7. Linguistische Ergebnisse: 7.1. Die intragruppale Kommunikation der Landleute und des Adels: Intragruppale Entwicklungen im Drama. – 7.2. Die Kommunikation zwischen Landleuten und Adel: Beschreibung einer Veränderung im Verhältnis zwischen Landleuten und Adel. – 7.3. Die Kommunikation und Rolle des ›Titelhelden‹ Wilhelm Tell in Bezug auf den gesellschaftlichen Wandel. – 7.4. Überlegungen für ein Kommunikationsmodell der Figurenrede im »Wilhelm Tell« (S. 328–338) – 8. Auswertung der Theorie von Brown und Levinson (S. 339–346). – 9. Das Verhältnis Schillers zu seinen historischen Quellen: 9.1. Die Beziehungen der gesellschaftlichen Gruppen zueinander und die Rollen der Stände bezüglich der Entstehung der ›Eidgenossenschaft‹. – 9.2. Die Rolle des Schützen Wilhelm Tell in Schillers Drama im Vergleich zu seiner Rolle in den historischen Quellen (S. 347–367). – 10. Zeitgenössische Aspekte in Friedrich Schillers Drama »Wilhelm Tell«: 10.1. Schillers Drama »Wilhelm Tell« als Modell gesellschaftlichen Wandels. – 10.2. [Johann Benjamin] Erhard und die Utopie einer gerechtfertigten Revolution.– 10.3. Die Rolle Tells: ein notwendiger ›Mord‹? (S. 368–403). – 11. Zusammenfassung (S. 404–426). – Literaturverzeichnis (S. 427–436). – Anhang (S. 437–459).
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220. Boyken, Thomas: Wagemut, Vaterschaft und Heldenandichtung (»Wilhelm Tell«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 355–389. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.9.1. Wagemutiger Familienvater (Wilhelm Tell). – 3.9.2. Theaterbösewicht oder kaisertreuer Diener? (Hermann Geßler). – 3.9.3. Der Rütli-Schwur: Ein struktureller Männerbund II. – 3.9.4. Junger Ritter: Erziehungsprozess II (Ulrich von Rudenz). – 3.9.5. »Bezwinget Euch, ertragt es wie ein Mann!« (Zwischenfazit). 221. Brunkhorst, Hauke: Gründungslegenden – Gegenläufige Verfassungstraditionen in John Fords »The Man Who Shot Liberty Valance« und in Friedrich Schillers »Wilhelm Tell«. In: Ders., Kritik und kritische Theorie. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2014, S. 269–282. (= Studien zur politischen Soziologie. 23). – ISBN 978-3-8329-7768-9. s. Sylvie Langehegermann, Kap. 7.3.1., Nr. 184. 222. Schnyder, Peter: »Die Zeit bringt Rath.« Schillers »Wilhelm Tell« als Drama der Temporalität. In: Zeit der Darstellung. Ästhetische Eigenzeiten in Kunst, Literatur und Wissenschaft. Herausgegeben von Michael Gamper und Helmut Hühn. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2014, S. 245–269. (= Ästhetische Eigenzeiten. 1). – ISBN 978-3-86525-371-2.
7.3.9. »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« 223. Boyken, Thomas: Männlichkeit als Maskerade (»Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« ). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 129–154. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 3.2.1. Wechselnde Männlichkeiten (Fiesko). – 3.2.2. Der erbarmungslose Vater (Verrina). – 3.2.3. Protestierende Männlichkeit III (Scipio Bourgognino). – 3.2.4. Existenzieller Außenseiter: Marginalisierte Männlichkeit (Muley Haßan). – 3.2.5. »Darf ich Ihre Augen mit Feuerwerken ergözen?« (Zwischenfazit).
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7.3.10. »Wallenstein«-Trilogie 224. Boyken, Thomas: Narrative Muster der Männlichkeit. Männlichkeit in Erzählungen (»Wallenstein«). In: Ders., »So will ich dir ein männlich Beispiel geben.« Männlichkeitsimaginationen im dramatischen Werk Friedrich Schillers. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 217–254. (= Film – Medium – Diskurs. 50). – ISBN 978-3-8260-5296-5. Das Kapitel gliedert sich in Abschnitte: 3.5.1. Heros in statu abscondito: Männlichkeit und Narration II. – 3.5.2. Die Modellierung als »König Ödipus in Böhmen«. – 3.5.3. Die Soldaten: Ein struktureller Männerbund I. – 3.5.4. Die männlich handelnde Frau (Gräfin Terzky). – 3.5.5. »Das ist gesprochen wie ein Mann« (Zwischenfazit). 225. Brüning, Gerrit: Dreierlei Sterndeutung. Goethe und die Entstehung des astrologischen Motivs in Schillers »Wallenstein«. In: Schillers »Wallenstein«. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2014, S. 27–36. – ISBN 978-3-00–047377–7. 226. Cho, Chang Oh: Die Melancholie und das Problem der modernen Tragödie. Die Interpretation von »Wallenstein«. In: Ders., Die melancholische Verfassung der Moderne und das Symbol. Hegels Bestimmung der modernen Tragödie. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 121–132. (= Jena – Sophia. Studien und Editionen zum deutschen Idealismus und zur Frühromantik. Abteilung 2. Studien. 12). – ISBN 978-3-7705-5771-4. 227. Dubbels, Elke: Informationsdrama. Zur Zirkulation von Nachrichten und Gerüchten in Schillers »Wallenstein«. In: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften. Wien. 60. Jg., 2014, Heft 1, S. 22–35. – ISSN 0043–2199. 228. Oellers, Norbert: Weltliteratur in Schillers »Wallenstein«. Mit einigen Vorbemerkungen. In: Schillers »Wallenstein«. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2014, S. 11–25. – ISBN 978-300–047377–7. 229. Sandig, Claudia: Die poetische und die historische Wahrheit. Schillers »Wallenstein« auf der Bühne des 19. Jahrhunderts. In: Schillers »Wallenstein«. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2014, S. 37–64. – ISBN 978-3-00–047377–7.
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7.3.11. Kleinere Stücke und dramatische Fragmente 230. Glaser, Thomas: Disziplinierte Töchter. Väterliche Bildungsversuche in Schillers »Der versöhnte Menschenfeind« und Stifters »Turmalin«. In: Experimentalanordnungen der Bildung. Exteriorität – Theatralität – Literarizität. Herausgegeben von Bettine Menke und Thomas Glaser. Paderborn, München: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 147–170. – ISBN 978-3-7705-5474-4. 231. Kappes, Sibylle: Synthese von Geschichtswissenschaft und Dramaturgie? Über die Funktion des Zeichenarguments in Friedrich Schillers »Demetrius«. Saarbrücken: AV Akademikerverlag, 2014, 63 S. (= Reihe Geisteswissenschaften). – ISBN 978-3-639-47652-1. – Auch als Online-Ressource. Inhalt (Auszug): I. Einleitung (S. 3–5). – II. Voraussetzungen. 1. Schillers Doppelqualifikation als Historiker und Poet. – Das autopoietische System Geschichte: der Mensch als ›gemachter Macher‹. – 2. Voraussetzungen des »Demetrius«. Der Ordogedanke: Tradierte Herrschaft als Funktion von Schichtprämissen. – Der Paradigmenwechsel von eschatologischen zum neuzeitlichen Denken (S. 6–19). – III. Textimmanente Analyse. 1. Polen und Russland als Träger politischer Kontrukte.– 2. Die Zeichen des Demetrius. – 3. Die Rolle des Zuschauers bei der Bewertung der Zeichen (S. 19–41).– IV. Zeitgenössische Verortung und Synthese. 1. Vom Historiker zum Dramatiker. – 2. Veränderung von Herrschaftsformen (S. 41–48). – V. Versuch einer abschließenden Interpretation (S. 48–50). – VI. Zusammenfassung (S. 51–55). – VII. Bibliographie (S. 56–63). 232. Mehring, Reinhard: Friedrich Schillers »Demetrius«. Ein später Baustein zu Carl Schmitts Hitler-Bild. In: Ders., Kriegstechniker des Begriffs. Biographische Studien zu Carl Schmitt. Tübingen: Verlag Mohr Siebeck, 2014, S. 111–136. (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. 78). – ISBN 978-3-16–153452–2.
7.4. Erzählende Prosa, ästhetische und historische Schriften 7.4.1. Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche 233. Dehrmann, Mark-Georg: Literarische Tribunale. Der »Sonnenwirt« bei Schiller, Heinrich Ehregott Linck und Hermann Kurz. In: Kriminalfallgeschichten. Herausgegeben von Alexander Košenina. München: Richard Boorberg Verlag, 2014, S. 130–150. (= Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband). – ISBN 978-386916-322-2. – Zu Schillers Erzählungen »Verbrecher aus Infamie« und »Verbrecher aus verlorener Ehre«.
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7.4.2. Arbeiten zu besonderen Aspekten und Themen 234. Meyer-Eisenhut, Anne-Rose: Die Betrachtung des ›ganzen Menschen‹. Schmerz als leiblich-seelisches Phänomen und dessen ästhetische Implikationen. Der Zusammenhang von Schmerz, Freiheit und Menschlichkeit in medizinischen Abhandlungen und ästhetischen Schriften Friedrich Schillers. In: Dies., Homo dolorosus. Körper – Schmerz – Ästhetik. München, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2011, S. 172–188. – ISBN 978-3-7705-5138-5.
7.4.3. Studien zu einzelnen Werken und Schriften 235. Assmann, Jan: Reinholds »Die Hebräischen Mysterien« und Schillers »Die Sendung Moses«. Schillers Gartenhaus. Herausgegeben von Helmut Hühn. Jena: Geramond Verlag, 2014, 49 S. (= Lichtblicke. Jenaer Vorträge und Schriften. 2). – ISBN 978-3-944830-34-6. Es handelt sich um die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags, der am 7. Mai 2013 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehalten wurde. 236. Berg, Stefan: Ein Zwischen denken. Überlegungen zum Spiel in Schillers »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: Spielzüge. Zur Dialektik des Spiels und seinem metaphorischen Mehrwert. Herausgegeben von Stefan Berg und Hartmut von Sass. Freiburg im Breisgau, München: Karl Alber Verlag, 2014, S. 158–195. – ISBN 978-3-495-48666-5. 237. Erickson, Peter: Die Inszenierung von Konversion. Friedrich Schillers »Der Geisterseher«. In: Figuren der Konversion. Friedrich Schlegels Übertritt zum Katholizismus im Kontext. Herausgegeben von Winfried Eckel und Nikolaus Wegmann. Paderborn, München, Wien: Ferdinand Schöningh Verlag, 2014, S. 218–238. (= Schlegel-Studien. 5). – ISBN 978-3-506-77130-8. 238. Geisenhanslüke, Achim: Die Geburt des modernen Subjekts aus dem Geist der Strafe. Friedrich Schillers »Verbrecher aus Infamie«. In: Ders., Die Sprache der Infamie. Literatur und Ehrlosigkeit. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 116–142. – ISBN 978-3-7705-5671-7. Das Schiller-Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Das Erhabene und das Gemeine (S. 118–121). – Schiller und das Recht (S. 122–124). – Anthropologie und Verbrechen (S. 124–127). – Verbrechen und Ehrlosigkeit: Die Geschichte des Christian Wolf (S. 127–140). – Schiller und die Infamie (S. 140–142). 239. Gengler, Gisela: Der historische Egmont. Eine Darlegung anhand Friedrich von Schillers »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spani-
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schen Regierung«. In: Dies., Von der Dämonie zur Harmonie. Eine Gesamtinterpretation zu Goethes und Beethovens »Egmont«. München: Wertverlag Dr. Gengler, 2014, S. 1–76. – ISBN 978-3-00–041110–6. 240. Grundmann, Hilmar: Schillers philosophischer Entwurf »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: Ders., Bildung und Integration. Herausgegeben von Ulrich Mueller, Franz Hundsnurscher und Cornelius Sommer. Stuttgart: Akademischer Verlag Heinz, 2., erheblich erweiterte und aktualisierte Aufl. 2014, S. 94–102. (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. 459). – ISBN 978-388099-464-5. 1. Aufl. 2010 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 417]. 241. Häfner, Ralph: Thaumaturgie und Kinetik. Anthropologische Aspekte der Diskussion über den orientalischen Despotismus im thematischen Umkreis von Friedrich Schillers Romanfragment »Der Geisterseher«. In: Der ganze Mensch – die ganze Menschheit. Völkerkundliche Anthropologie, Literatur und Ästhetik um 1800. Herausgegeben von Stefan Hermes und Sebastian Kaufmann. Berlin, München, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2014, S. 161–182. (= Lingua & Litterae. Publications of the School of Language & Literature Freiburg Institute for Advanced Studies. 41). – ISBN 978-3-11–030766–5. 242. Hensel, André: Die Entstehung der modernen Kriminalliteratur. F. Schiller, E.T.A. Hoffmann oder E.A. Poe? Wer hat den Kriminalroman als literarische Gattung erfunden? Saarbrücken: AV Akademikerverlag, 2014, 72 S. – ISBN 978-3-63949939-1. – Auch als Online-Ressource. Im Fokus der Untersuchung stehen Friedrich Schillers Erzählung »Der Verbrecher aus verlorener Ehre«, »The Murders in the Rue Morgue« von Edgar Allan Poe und »Das Fräulein von Scuderi« von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann. 243. Henseleit, Jana: Inwieweit wurde Schiller zum literarischen Anwalt des »Verbrechers aus verlorener Ehre«? München: Grin Verlag, 2014, 31 S. – ISBN 978-3656-56871-1. 244. Höcker, Arne: In Citation. »A Violation of the Law of Boundaries« in Schiller and Kleist. In: The Germanic Review. Philadelphia. 89. Jg., 2014, Heft 1, S. 60–75. – ISBN 0016–8890. Im Fokus der Untersuchung stehen Schillers Erzählung »Der Verbrecher aus verlorener Ehre« und die Novelle »Michael Kohlhaas« von Heinrich von Kleist. 245. Kaul, Susanne: Wie der Leser mit dem Helden warm wird. Zu Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre«. In: Sympathie und Literatur. Zur Relevanz des Sympathiekonzeptes für die Literaturwissenschaft. Herausgegeben von Claudia Hillebrandt und Elisabeth Kampmann. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2014,
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S. 236–250. (= Allgemeine Literaturwissenschaft. Wuppertaler Schriften. 19). – ISBN 978-3-50315510–1. 246. Kirchmeier, Christian: Naive Theorie. Zum historischen Ort von Schillers »Über naive und sentimentalische Dichtung«. In: Vor der Theorie. Immersion – Materialität – Intensität. Herausgegeben von Mario Grizelj, Oliver Jahraus und Tanja Prokic. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 351–374. (= Film – Medium – Diskurs. 54). – ISBN 978-3-8260-5392-4. 247. Nies, Martin: Kondensationsraum kultureller Diskurse. Selbstverlust – Friedrich Schillers »Geisterseher«. In: Ders., Venedig als Zeichen. Literarische und mediale Bilder der »unwahrscheinlichsten der Städte« (1787–2013). Marburg: Schüren Verlag, 2014, S. 134–152. (= Schriften zur Kultur- und Mediensemiotik. 5). – ISBN 978-3-89472-825-0. 248. Ort, Varun F.: Den Stoff durch die Form vertilgen. Das »res/verba«-Problem in Friedrich Schillers »Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: Rhetorik im 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Dietmar Till. Berlin, Boston, München: Walter de Gruyter, 2014, S. 131–149. (= Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch. 33). – ISSN 0720–5775. 249. Rademacher, Marie: »Ihr sollt heut alle nicht erfahren, was es gewesen ist.« Die erste Lieferung von Schillers »Geisterseher« in der »Thalia«. In: Zeitschriftenliteratur / Fortsetzungsliteratur. Herausgegeben von Nicola Kaminski, Nora Ramtke und Carsten Zelle. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2014, S. 97–109. (= Bochumer Quellen und Forschungen zum 18. Jahrhundert. 6). – ISBN 978-3-86525-332-3. 250. Rittelmeyer, Christian: Der Sinnlichkeit die größtmögliche Extensität, dem Denken die größtmögliche Intensität, dem freien Kinderspiel Spielräume ermöglichen. Zur Aktualität der Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen Friedrich Schillers. In: Ders., Aisthesis. Zur Bedeutung von Körper-Resonanzen für die ästhetische Bildung. München: kopaed, 2014, S. 177–198. (= KREAplus. Die Reihe der Mehlhorn-Stiftung. 3). – ISBN 978-3-86736-433-1. 251. Schmidt, Sarah: Zum Denkmodell der Wechselwirkung als Dialektik von Grenzauflösung und Grenzziehung. »Freie Geselligkeit« bei Friedrich Schleiermacher mit Blick auf Friedrich Schillers »Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen«. In: Grenzziehungen und Grenzüberwindungen. Philosophische und interdisziplinäre Zugänge. Herausgegeben von Bärbel Frischmann. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2014, S. 91–110. (= Studia Philosophica Iaderensia. 3). – ISBN 978-3-86525-360-6.
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252. Seiffarth, Marc: Anfangsgründe des Erhabenen. Zur protoästhetischen Funktion des Herrscherlobs in Schillers Karlsschulreden. In: Das literarische Lob. Formen und Funktionen, Typen und Traditionen panegyrischer Texte. Herausgegeben von Norbert P. Franz unter Mitwirkung von Georg Braungart, Bernd Engler und Volker Kapp. Berlin: Verlag Duncker & Humblot, 2014, S. 209–222. (= Schriften zur Literaturwissenschaft. 36). – ISBN 978-3-428-14379-5. 253. Treusch-Dieter, Gerburg: Das Bubenstück der Moderne. Schillers Frage nach der Überflüssigkeit des Menschen (2005). In: Dies., Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Edith Futscher, Heiko Kremer, Birge Krondorfer und Gerlinde Meuerer. Mit einer Einleitung von Elisabeth von Samsonow und einem Nachwort von Oskar Negt. Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant, 2014, S. 312–324. – ISBN 9783-85132-722-9. Über den fragmentarischen Roman »Der Geisterseher«. – Erstdruck 2005 [s. Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 613]. – Nachdruck 2007 in der Zeitschrift »Ästhetik & Kommunikation« [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2007, Nr. 369]. 254. Waldheim, Melanie: Wie Bewegung offene Räume konstituiert. Der Mannheimer Antikensaal als Tür in eine andere Welt? Friedrich Schillers »Brief eines reisenden Dänen«. In: Dies., Kunstbeschreibungen in Ausstellungsräumen um 1800. Ästhetisches Erleben bei Friedrich Schiller, August Wilhelm Schlegel, Friedrich Schlegel und Clemens Brentano sowie Heinrich von Kleist. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 133–160. (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. 807). – ISBN 978-3-8260-5397-9. 255. Walter, Oscar / Jovius, Paul: Zur Lebensgeschichte der Gräfin Katharina der Heldenmütigen von Schwarzburg-Blankenburg und Schillers »Herzog von Alba« sowie einem Auszug aus der Schwarzburgischen Chronik zur Geiselnahme der beiden Herzöge von Alba und Braunschweig beim Morgenbrot auf Schloss Rudolstadt (1547). Arnstadt: Thüringer Chronik-Verlag Hansjürgen E. Müllerott, 2014, S. 410–443 und S. 625–626. Sonderdruck aus: Zeitschrift für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge. Band 7 (15), 1891. 256. Ziemba, Kwiryna: Juliusza Słowackiego »Podróż do Ziemi Świętej z Neapolu« w świetle rozprawy Fryderyka Schillera »O poezij naiwnej i sentymentalnej«. In: Przygody romantycznego »Ja«. Idee – strategie twórcze – rezonanse. Redakcja naukowa Maria Berkan-Jabłońska i Barbara Stelmaszczyk. Poznań: Wydawnictwo Naukowe UAM, 2012, S. 99–125. (= Seria Filologia Polska. 139). – ISBN 97883-232-2430-3.
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7.5. Schiller als Herausgeber, Übersetzer und Bearbeiter 257. Balbuena Torezano, Carmen: Intertextualidad, intermedialidad y traducción. A propósito de »Turandot. Prinzessin von China« de F. Schiller. In: Al humanista, traductor y maestro Miguel Ángel Vega Cernuda. Pilar Martino Alba, Juan A. Albaladejo Martínez e Martha Pulido (Editores). Madrid: Editorial Dykinson, 2012, S. 361–372. – ISBN 978-84-9031-285-8. 258. Simon, Eva Miriam: Schillers Übersetzung von Racines »Phèdre«. In: Dies., Literarische Bearbeitungen des Phaedra-Mythos von Euripedes bis August Wilhelm Schlegel. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 179–255. (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. 822). – ISBN 978-3-8260-5509-6. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Die französische klassische Tragödie im Deutschland des 18. Jahrhunderts: eine Rezeption mit Widersprüchen. – Schiller und Racine. – Schiller in Weimar. – Schillers Phèdre-Übersetzung: treu, aber mit anderen Nuancen. – Schlussbemerkung. 259. Wohlleben, Doren: Figur und Figuration des Rätsels. Turandot. In: Dies., Enigmatik – das Rätsel als hermeneutische Grenzfigur in Mythos, Philosophie und Literatur: Antike – Frühe Neuzeit – Moderne. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014, S. 181–218. (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. 2. Reihe. N.F. 146). – ISBN 978-3-8253-6355-0. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Die Rätselprinzessin jenseits von ›femme fatale‹ und ›femme fragile‹. – Nizami: »Die Geschichte von den Rätseln der Turandocht«. Das Rätsel als Zauber- und Liebesakt. – Friedrich Schiller: »Turandot. Die Chinesische Prinzessin. Ein tragikomisches Märchen nach Gozzi.« Des Rätsels Lösung und die schöne Seele. – Giacomo Puccini: »Turandot. Dramma lirico in tre atti e cinque quadri.« Das Opfer des guten Endes oder Gegenstimmen zur Siegesgeschichte des Rätsels.
7.6. Studien zu Briefen und Korrespondenzen (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
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7.7. Einzelne Aspekte, Motive, Stoffe, Themen und Begriffe (autoren- und werkübergreifend) 260. Däschler-Seiler, Siegfried: Über Freundschaft bei Schiller. In: Die Kultur der Freundschaft. Praxen und Semantiken in anthropologisch-pädagogischer Perspektive. Herausgegeben von Meike Sophia Baader, Johannes Bilstein und Christoph Wulf. Weinheim, Basel: Beltz Verlag, 2008, S. 194–207. (= Beltz-Bibliothek). – ISBN 978-3-407-32100-8.
8. Wirkungsgeschichte 8.1. Allgemeine Darstellungen zur Wirkung Schillers (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
8.2. Schiller-Verehrung: Denkmalkultur, Erinnerungsstücke, Häuser und Gärten, Jubiläumsfeiern, Requisiten, Preis-Stiftungen 261. Goetz, Rainald: Schiller-Rede. In: Zeitschrift für Ideengeschichte. München. 8. Jg., 2014, Heft 1, S. 5–8. – Dankrede zur Verleihung des Schiller-GedächtnisPreises, Stuttgart, 16. November 2013. 262. Heyse, Paul: Prolog zur hundertjährigen Geburtstagsfeier Friedrich Schillers. – Trinkspruch bei dem Münchner Schillerfest. – An Schiller. – Festspruch zur Schiller-Feier in München am 8. Mai 1905. In: Paul Heise. Gesammelte Werke. Reihe 4. Band 8.1: Dichterische Werke. Herausgegeben von Markus Bernauer und Norbert Miller. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2014, S. 549– 563. – ISBN 978-3-487-15125-0. 263. Hirsch, Wolfgang: »... hier in so engen kleinen Verhältnissen...« Nach umfangreicher Sanierung steht Schillers Weimarer Wohnhaus wieder für die Besucher offen. In: Thüringische Landeszeitung. Weimar. Ausg. vom 2. 12. 2014. 264. Leerssen, Joseph Th.: Schiller 1859. Literary Historicism und Readership Mobilization. In: Commemorating Writers in Nineteenth-Century Europe. Nation-Building and Centenary Fever. Edited by Joep Leerssen and Ann Rigney. Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, 2014, S. 24–39. – ISBN 978-1-137-41213-3. 265. Meier-Ewert, Lavinia: Frische Farbe und eine wiedergefundene Pillendose: Schillerhaus öffnet wieder. Sieben Monate retteten Denkmalpfleger in Weimar die Böden und Fenster im Dichterhaus von den Spuren der Besucher. In: Thüringer Allgemeine. Erfurt. Ausg. vom 2. 12. 2014.
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266. Mundus, Doris: Albert Lortzing und der Leipziger Schiller-Verein. In: Lortzing und Leipzig. Musikleben zwischen Öffentlichkeit, Bürgerlichkeit und Privatheit. Bericht über die Internationale Tagung an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig. Herausgegeben von Thomas Schipperges. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 2014, S. 123–136. (= Schriften der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«. 9). – ISBN 978-3-487-15148-9. 267. Willer, Stefan: »Dem Tode zum Trotz«. Totengedenken und Kulturökonomie im Schillerjahr 1905. In: Ders., Erbfälle. Theorie und Praxis kultureller Übertragung in der Moderne. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2014, S. 193–220. – ISBN 978-37705-5068-5. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Ritualisierungen und Inszenierungen des Gedenkens. – Schillerfeiern 1905: Aneignung und Gegenwärtigkeit. – Tod und Ruhm des Autors.
8.3. Studien zur internationalen Schiller-Rezeption 268¹. Logge, Thorsten: Zur medialen Konstruktion des Nationalen. Die Schillerfeiern 1859 in Europa und Nordamerika. Göttingen: V & R Unipress, 2014, 438 S. (= Formen der Erinnerung. 57). – ISBN 978-3-8471-0237-3. Inhalt: Einleitung: Konstruktivistische Nationalismusforschung und performanztheoretische Perspektive. – Feste und Feiern als Produktionsorte kollektiver Identitäten. – Deutsche Nationalfeste im 19. Jahrhundert. – Die Schillerfeier 1859: ein Medienereignis? – Fragestellung und methodisches Vorgehen. – Warum Schiller? – Quellen und Literatur (S. 9–38). – I. Schiller feiern in Mitteleuropa: Berlin – Wien – Hamburg – Stuttgart – München (S. 39–187). – II. Schiller feiern im europäischen Ausland: London – Paris (S. 189–220). – III. Schiller feiern in Nordamerika: Philadelphia – New York – Pittsburgh – Cincinnati – St. Louis – Milwaukee (S. 221– 389). – IV. Zur medialen Konstruktion des Nationalen: Die Schillerfeier – ein Nationalfest? – Printmedien als Organisationsinstrument. – Vertikale Vernetzungen: explizite Erzählungen von der Nation. – Horizontale Vernetzungen: implizite Erzählungen der Nation. – Synchronizität: die Nation als Handlungsgemeinschaft im Hier und Jetzt. – Technisch bedingte Grenzen der Vergemeinschaftung? – Die Nation ist ein Ereignis. – Die Nation ist ein Medienereignis. – Mediale Leuchtfeuer im Nationsdiskurs (S. 391–407). – Quellen-, Literatur-, Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis (S. 409–427). – Register (S. 429–439). 268². Carpi, Umberto: Appunti sul caso Schiller nel romanticismo italiano. In: Idee e figure del »Conciliatore«. A cura di Gennaro Barbarisi e Alberto Cadioli. Milano:
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Cisalpino Editore, 2004, S. 467–476. (= Quaderni di Acme. 63). – ISBN 88-3234070–4. 269. Graf, Harald: Den Flug des Denkers hemme ferner keine Schranke. Schiller in Schweden zwischen Aufklärung und Romantik 1790–1809. Göttingen: V & R Unipress, 2014, 654 S. (= Palaestra. Untersuchungen zur europäischen Literatur. 339). – ISBN 978-3-8471-0223-6. Inhalt: Die Untersuchung ist in 14 Hauptkapitel mit zahlreichen Abschnitten gegliedert: I. Einleitung (S. 21–72). – II. Absolutismus, Aufklärung und Bürgertum in Schweden (S. 73–111). – III. Deutsche Sprache und Kultur in Schweden (S. 113– 147). – IV. Die Schiller-Rezeption der »Rabulisten« (S. 149–190). – V. [Carl Gustav af] Leopolds Schiller-Übersetzung in »Extra-Posten« (S. 191–228). – VI. Die Junta und die »Bildung der Öffentlichkeit« (S. 229–268). – VII. Schillers historische Schriften (S. 269–306). – VIII. Räuber, Schwärmer, Geisterseher (S. 307–341). – IX. Schillers dramatische Dichtung (S. 343–381). – X. Der Spätaufklärer Arved Bethén (S. 383–419). – XI. Schiller im ästhetischen Diskurs (S. 421–467). – XII. Schiller und die schwedische Lyrik der Eisenjahre (S. 469–510). – XIII. Schiller im Kontext der entstehenden Romantik (S. 511–546). – XIV. Schiller in der romantischen Kritik (S. 547–581). – XV. Schlussbetrachtung (S. 583–595). – XVI. Literaturverzeichnis (S. 597–618). – Summary (S. 619–648). – XVII. Personenregister (S. 649–654).
8.4. Schillers Wirkung auf einzelne Personen Čechov, Anton 270. Megrelishvili, Ketevan: Šiller Šekspirovič Gete. Auf Schillers Spuren in Čechovs »Skazki Melpomeny«. In: Zwischen den Zeiten. Einblicke in Werk und Rezeption Anton Čechovs. Herausgegeben von Henrieke Stahl und Karoline Thaidigsmann. München: Sagner Verlag, 2014, S. 109–120. (= Trierer Studien zur Slavistik. 1). – ISBN 978-3-86688-447-2. Dürrenmatt, Friedrich 271. Peter Schnyder: Pannenpoetik. Dürrenmatt als Nachfahr Schillers? In: Dramaturgien der Phantasie. Dürrenmatt intertextuell und intermedial. Herausgegeben von Ulrich Weber, Peter Schnyder, Peter Gasser und Peter Rusterholz. Göttingen: Wallstein Verlag, 2014, S. 61–76. (= Dürrenmatt-Studien. 1). – ISBN 978-3-83531446-7.
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Ewers, Hanns Heinz 272. Godel, Rainer: Zuverlässiges Erzählen. Zum Verhältnis populärer und moderner Elemente in Ewers’ »Geisterseher«. In: Zwischen Popularisierung und Ästhetisierung. Hanns Heinz Ewers und die Moderne. Herausgegeben von Barry Murname und Rainer Godel in Zusammenarbeit mit Erdmut Jost. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2014, S. 187–209. (= Moderne-Studien. 16). – ISBN 978-3-8498-1014-6. Frisch, Max 273. Leber, Manfred: Wilhelm Tell. Deutscher Klassiker, Schweizer Nationalmythos, Entmythisierung bei Max Frisch. In: Neun plus eins. Literarische Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn. Herausgegeben von Ralf Georg Bogner. Saarbrücken: Universaar, 2014, S. 109–140. (= Saarbrücker literaturwissenschaftliche Ringvorlesungen. 4). – ISBN 978-3-86223-140-9. Hacks, Peter 274. Leistner, Bernd: Schillerreflexe bei Hacks. In: Die Götter arbeitslos gemacht. Peter Hacks und die Klassik. Herausgegeben von Kai Köhler im Auftrag der PeterHacks-Gesellschaft. Berlin: Aurora-Verlag, 2014, S. 30–42. (= Schriftenreihe der Peter-Hacks-Gesellschaft). – ISBN 978-3-359-02534-4. Heidegger, Martin 275. Bülow, Ulrich von: Heidegger liest Schiller oder: die dichterische Einbildungskraft als Ursprung des Wesens der Dinge. In: Heidegger und die Dichtung. Herausgegeben von Alfred Denker, Holger Zaborowski und Jens Zimmermann. Freiburg im Breisgau, München: Karl Alber Verlag, 2014, S. 160–169. (= Heidegger-Jahrbuch. 8). – ISBN 978-3-495-45708-5. Siehe auch die früheren Veröffentlichungen [Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 648 und Marbacher Schiller-Bibliographie 2008, Nr. 357]. Heidegger, Martin 276. Porsche-Ludwig, Markus: Was ist Bildung? Martin Heidegger und die Tradition: Humboldt – Schiller – Fichte – Hegel – Spranger. Nordhausen: Bautz Verlag, 2014, 59 S. – ISBN 978-3-88309-913-2. Johnson, Uwe 277. Dingeldein, Hannah: »Wo ich her bin das gibt es nicht mehr.« Erinnerungssehnsucht, Verlustschmerz und Schillers Ästhetik. In: Johnson-Jahrbuch. 21 (2014). Herausgegeben von Holger Helbig, Bernd Auerochs, Katja Leuchtenberger und Ulrich Fries. Göttingen: Wallstein Verlag, 2014, S. 84–101. – ISBN 978-3-83531498-6.
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Johnson, Uwe 278. Dingeldein, Hannah: Die Ästhetik des Schönen und Erhabenen. Friedrich Schiller und Uwe Johnson. Göttingen: V & R Unipress, 2014, 355 S. (= Johnson-Studien. 12). – ISBN 978-3-8471-0253-3. Inhalt (Auszug): I. Einleitung: Stand und Probleme der Forschung. Beispiele für die problematische Verwendung der Begriffe Ästhetik, Schönheit und Erhabenheit in der Forschung. – Folgeprobleme eines verkürzten Ästhetikverständnisses für die Schiller-Interpretation. – Johnson, Schiller und die Ästhetik: Ein Forschungsdesiderat (S. 15–44). – II. Theoretische Grundlagen: Voraussetzung zur »doppelten Ästhetik« Schillers. – Schillers Ästhetik des Schönen. – Schillers Ästhetik des Erhabenen. – »Nimmer widme dich einem allein«: Zum Verhältnis von Schönem und Erhabenem in der Ästhetik Schillers (S. 45–128). – III. Textanalyse: »Mehr kann ich darüber nicht sagen«: Johnsons Schiller-Rezeption (S. 131–147). – Ingrid Babendererde: Die schöne Seele erhebt sich. Ingrid, Göttin der Schönheit und Anmut (S. 149–170). – Ästhetische Erziehung von Tyrannen? Zwei kontroverse Lesarten von Schillers »Bürgschaft« (S. 185–191). – Gesine, ein Charakter von sublimer »Geisterwürde« (S. 225–261). – »Wo ich her bin, das gibt es nicht mehr«: Sentimentalische Trauer um Mecklenburg (S. 299–320). – »Det mista dialektisch sehn«: Johnsons »doppelte Ästhetik«? Zusammenfassung und Diskussion (S. 321–328). Kierkegaard, Søren 279. Amoroso, Leonardo: Kierkegaard, Schiller e l’estetico. A partire da uno spunto di Heidegger. In: Kierkegaard duecento anni dopo. A cura di Isabella Adinolfi, Roberto Garaventa, Laura Liva e Ettore Rocca. Genova: Il Melangolo, 2014, S. 31–39. (= Nota Bene. Quaderni di studi kierkegaardiani. 9). – ISBN 978-88-7018950-6. Mehring, Franz 280. Mülder, Friedrich: »Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte…« Schiller und Heine in Mehrings Literaturgeschichte. In: Ders., Die Würde der Arbeit zwischen Macht, Dichtung und Glauben. Essays gegen das Vergessen. Frankfurt/M., Bern, Berlin: Verlag Peter Lang, 2014, S. 183–210. (= Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte. 64). – ISBN 978-3-631-64995-4. Mickiewicz, Adam 281. Zarych, Elżbieta: Friedrich Schiller i Adam Mickiewicz. In: Dies., Romantycy, myśliciele, inspiratorzy. Badania nad wpływem filozofii niemieckiej – od Kanta do Hegla – na lietaturę polskiego romantyzmu. Gdańsk: Słowo / Obraz Terytoria, 2010, S. 171–189. (= Wokót Literatury. 15). – ISBN 978-83-7453-974-6.
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Mukařovský, Jan 282. Schmid, Herta: Intertextualita jako intramedialita – Paratexty a hranice textu. Jan Mukařovský a Friedrich Schiller: smysluplné srovnání? In: Česká literatura v intermediální perspektivě. IV. Kongres Světové Literárněvědné Bohemistiky. Jiná česká literatura? (ed.) Stanislava Fedrová. Praha: Ústav pro Českou Literaturu, 2010, S. 411–424. – ISBN 978-80-85778-73-1. Nestroy, Johann Nepomuk 283. Novotný, Pavel: Zum Schaffen Johann Nepomuk Nestroys. »Unverzeihliche Profanation Schillers«. In: Ders., Die Vorformen der literarischen Montage. Wuppertal: Arco Verlag, 2012, S. 287–294. (= Arco Wissenschaft). – ISBN 978-3-938375-47-1. Nietzsche, Friedrich 284. Düsing, Edith: Tyrannei der Triebe oder der Ideale? Schillers Konzept des ›höheren Selbst‹ in Nietzsches Umdeutung. In: Friedrich Schiller zum 250. Geburtstag. Philosophie, Literatur, Medizin und Politik. Herausgegeben von Regine Romberg. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2014, S. 131–157. – ISBN 978-3-82605001-5. Der Beitrag gliedert sich in drei Abschnitte: I. Phänomenale Verkennung: Nietzsches Verwerfungen von Schillers Ethik. – II. Schillers Konzept des wahren Selbst in »Über Anmut und Würde« und in den Briefen »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. – III. Nietzsches Begriff des ›höheren Selbst‹ und seine SchillerUmwandlung. Schwab, Gustav 285. Potthast, Barbara: Schillers Schwab. In: Provinzielle Weite. Württembergische Kultur um Ludwig Uhland, Justinus Kerner und Gustav Schwab. Herausgegeben von Barbara Potthast unter Mitarbeit von Stefan Knödler. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014, S. 203–220. (= Beihefte zum Euphorion. 71). – ISBN 9783-8253-6109-9. Walser, Martin 286. Düsing, Wolfgang: Die deutsch-jüdische Problematik und Schillers »Jungfrau von Orleans«. Zu Martin Walsers Novelle »Dorle und Wolf«. In: Literatur für Leser. Frankfurt/M. 36. Jg., 2013, Heft 3, S. 93–110.
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8.5. Schillers Werke auf der Bühne 8.5.1. Rückblicke auf historische Aufführungen 287. Schuchhardt, Malte: »Das Theater glich einem Irrenhaus.« Die Uraufführung von Schillers Schauspiel »Die Räuber« am 13. Januar 1782 am Nationaltheater in Mannheim. In: Ders., Sternstunden der deutschen Literatur. Von Goethe bis Kafka. Stuttgart: Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen, 2014, S. 27–34. – ISBN 978-3-944911-06-9.
8.5.2. Aktuelle Inszenierungen im Spiegel der Presse (Auswahl) 288. Eichmann-Leutenegger, Beatrice: Gruppenbild mit Damen. »Maria Stuart« am Stadttheater Bern. In: Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe. Nr. 34 vom 11. 02. 2014, S. 26. 289. Klaeui, Andreas: Insektenseelen. »Kabale und Liebe« in St. Gallen. In: Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe. Nr. 9 vom 13. 01. 2014, S. 22. 290. Rossmann, Andreas: Schiller auf Super-Illu-Niveau. Wenn das so weitergeht, kann Kölns Schauspiel bald einpacken: »Kabale und Liebe«. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 10 vom 13. 01. 2014, S. 30. – Zur Inszenierung von Stefan Bachmann. 291. Sternburg, Judith von: Böse, zornige Frauen. Viel Platz, aber nicht für ein Kammerspiel. »Maria Stuart« in Hersfeld. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 143 vom 24. 06. 2014, S. 30. – Zur Inszenierung von Holk Freytag.
8.6. Bearbeitungen und Vertonungen 8.6.1. Sprachliche Transformationen und musikalisch-dramaturgische Medialisierungen: Libretti, Partituren, Noten 292. Romberg, Andreas: Das Lied von der Glocke. Ballade von Friedrich Schiller. Kantate für Soli, Chor und Orchester; opus 25. Partitur. Herausgegeben von Klaus G. Werner und Karlheinz Höfer. Wilhelmshaven: Noetzel Verlag, 2014, XVI, 264 S., 4°. (=Andreas Romberg. Ausgewählte Werke. Serie 2. Chorwerke. Band 3). – ISBN 979-0-2019-7641-9. Erstdruck der Partitur im Verlag Nikolaus Simrock, Bonn 1809. – Nachdruck der Partitur im Verlag Edition Peters, Leipzig [1894].
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8.6.2. Beiträge zu einzelnen musikalischen Werken s. Sylvie Langehegermann, Kap. 7.3.1., Nr. 184. 293. Saruchanowa, Irina: Zur Rezeption des Dramas von Schiller »Don Karlos« in der Oper von Verdi. Übersetzung aus dem Russischen von Dali Churzidse. In: Goethe-Tage 2013. Herausgegeben von Nanuli Kakauridse und Rolf Zeiller. Kutaissi (Georgien): Verlag der Staatlichen Zereteli-Universität, 2013, S. 50–58. – ISBN 978-9941-448-76-8. 294. Schweikert, Uwe: »Was sich ereignet, kommt von der Musik her.« Musik und Szene in »Luisa Miller«. In: Ders., »Das Wahre erfinden.« Verdis Musiktheater. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 135–145. – ISBN 978-38260-4577-6. 295. Schweikert, Uwe: Verdis »Don Carlos«: Eine französische ›grand opéra‹. – »Kürzer und gehaltvoller«: Verdis Neubearbeitung des »Don Carlo«. – »Von Gräbern umzingelt«: Rettung und Vernichtung in Verdis »Don Carlos«. – »Es waren nichts als Noten«: Die beiden Schlüsse von Verdis »Don Carlos«. In: Ders., »Das Wahre erfinden.« Verdis Musiktheater. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 239–275. – ISBN 978-3-8260-4577-6. 296. Tubeuf, André: Einsamkeit und Sangbarkeit der Seele. Funktion des Monologs bei Verdis (und Schillers) »Don Carlos«. In: Kunst als Marke europäischer Identität. Herausgegeben von Michael Fischer. Frankfurt/M., Bern: Peter Lang Edition, 2013, S. 185–192. (= Subjekt und Kulturalität. 3). – ISBN 978-3-63162948-2.
8.7. Illustrationen und Ikonographie (keine Nachweise im laufenden Berichtsjahr)
8.8. Produktive Rezeption 8.8.1. (Nach-)Dichtungen, Bearbeitungen, Parodien, Anekdoten 297. Augustin, Michael: Schiller in Marbach. In: Kein Marmor. Gedichte über Dichter. Herausgegeben von Ralph Grüneberger. Leipzig: Edition kunst & dichtung, 2014, S. 6. (= Poesiealbum neu. 2014/1). – ISSN 2193–9683. 298. Giersch, Paula: Franzos’ Novelle »Schiller in Barnow«. In: Dies., Für die Juden, gegen den Osten? Umcodierungen im Werk Karl Emil Franzos’ (1848–1904).
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Berlin: Verlag Frank & Timme, 2014, S. 327–335. (= Literaturwissenschaft. 42). – ISBN 978-3-86596-476-2. 299. Klein, Delphine: De l’abus à l’affût. »Ulrike Maria Stuart« d’Elfriede Jelinek. In: Témoigner. Entre histoire et mémoire. Revue pluridisciplinaire de la Fondation Auschwitz. Bruxelles. 2012, № 113, S. 51–63. – ISSN 0772–652X. Siehe auch den ähnlichen Beitrag der Verfasserin [Marbacher Schiller-Bibliographie 2013, Nr. 561]. 300. Palmerino, Dacia: Geisterseher. Nach Schillers »Geisterseher«. Zeichnungen von Andrea Grosso Ciponte. Aus dem Italienischen von Myriam Alfano. Frankfurt/M.: Edition Faust, 2014, 61 S., 4°. (= Dust Novels). – ISBN 978-3-945400-04-3. 301. Roczniok, Andrzyj: Schiller na szpas. Niy ino. Zabrze: Narodowa Oficyna Śląska, 2012, 105 S. – ISBN 978-83-60540-18-3. Inhalt: Friedrich Schiller: Die Bürgschaft // Ta »Porynka« ôd Schillera iberzecowano ôd ksiyndza Köhlera bez dr Haasego, zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano // Ta »Porynka« ôd Schillera iberzecowanol, niyco tyż z tego iberzecōnga nieboszczyczka ksiyndza pōna farorza Koehlera ukrod dr Haase w Szczecinie (Stettin), zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano (S. 4–19). Friedrich Schiller: Der Gang nach dem Eisenhammer // Tyn »Gang na zielazly motek« ôd Schillera zaś taki szpasowy iberzetsung bez dr Haase w Szczecinie, zrychtowany bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podany (S. 20–37). Friedrich Schiller: Der Kampf mit dem Drachen // Tyn »Kampf ze Dragōnym«, blank cudno, ino fest groźno bojka ôd Schillera, tak na szpas w popsutyj polskij godce iberzetsowano bez dr Haase we Szczecinie (Stettin) zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano (S. 38–59). Friedrich Schiller: Der Handschuh // Ta »Rynkawica« ôd Pōna Schillera, iberzetsowano bez dr Haase, piyrwyj we Wołczynie, zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano (S. 60–67). Friedrich Schiller: Ritter Toggenburg // Tyn »Riter Toggenburg«, strasznie smutno bojka ôd Schillera, tak na szpas iberzetsowano bez dr Haase we Szczecinie zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano (S. 68–73). Friedrich Schiller: Der Taucher // Tyn ibersetzung tego »Tauchera«, niyjakijś bojki ôd Pōna Schillera bez dr Haase we Wołczynie zrychtowany bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podany (S. 74–85). Ludwig Uhland: Der blinde Taucher // Tyn »Ślepy kynig«, staro, ale piynkno bojka ôd niyjakegoś Uhlanda, fraje iberzetsowano bez dr Haase we Szczecinie
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zrychtowano bez Obrączka a bez Rocznioka na dzisiejszo ślōnsko godka podano (S. 86–91). Frühere Drucknachweise für die parodistischen Nachdichtungen [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2010, Nr. 36–42 und Nr. 46]. 302. Trauth, Franziska: Schillers Schädel. In: Dies., Goethes Weimar. Du fragst nach Liebe und Schuld. Gedichte. Mit Aquarellzeichnungen von Teresa Trauth. Stirkow: Edition Märkische LebensArt, 2014, S. 19. – ISBN 978-3-943614-08-4. 303. Wenzel, Gottfried Immanuel: Verbrechen aus Infamie. Eine theatralische Menschenschilderung für Richter und Psichologen in drei Akten. Mit einem Nachwort herausgegeben von Alexander Košenina. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2014, 64 S. (= Theatertexte. 43). – ISBN 978-3-86525-380-4. Erstveröffentlichung in: Gottfried Immanuel Wenzels dramatische Werke. Band 2. Prag, 1788, S. 181–299. Auch als Mikrofiche-Edition: Harald Fischer Verlag, Erlangen 2003.
8.8.2. Schiller im Film Kritiken und Interviews zu dem Film »Die geliebten Schwestern« von Dominik Graf 304. Benz, Stefan: Gute Zeilen, schlechte Zeilen. Sprödes Briefkino von zeitlosem Liebreiz: »Die geliebten Schwestern« zeigt Schillers doppelte Leidenschaft. In: Darmstädter Echo. Ausg. vom 29. 07. 2014, S. 8. 305. Boeckh, Margit: Liebe zu dritt. Friedrich Schiller: Am Donnerstag startet der Film »Die geliebten Schwestern« von Dominik Graf. Wie war die Beziehung des Dichters zu den Frauen wirklich? In: Mitteldeutsche Zeitung. Halle (Saale). Ausg. vom 29. 07. 2014. 306. Büker, Thorsten / Wetzel, Holger: Und wieder geht es um die Liebe. Dominik Graf, Schiller und die Frauen. In: Thüringische Landeszeitung. Weimar. Ausg. vom 19. 09. 2012. 307. Decker, Kerstin: Sturm und Stille. Es ist eine Dreiecksgeschichte der etwas anderen Art. [...] Als er das Drehbuch las, gab es für ihn nur eine Antwort: Ja! Florian Stetter wollte diesen Schiller spielen. In: Der Tagesspiegel. Berlin. Nr. 22118 vom 29. 07. 2014, S. 3. 308. Dehrmann, Mark-Georg: Schiller locken. Dominik Graf gelingt in »Die geliebten Schwestern« das Kunststück, eine Geschichte aus eigener Kraft und zugleich auch Historie zu erzählen. In: der Freitag. Berlin. Nr. 31 vom 31. 07. 2014, S. 19.
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309. Derks, Kai-Oliver: Im Bunde der Dritte. Friedrich von Schiller liebte womöglich zwei Frauen, die auch noch Schwestern waren – Dominik Graf erzählt diese Geschichte. In: Trostberger Tagblatt. Ausg. vom 30. 07. 2014, S. 12. 310. Dieckmann, Cordula / Sperb, Marianne: Schiller könnte sich als Goldjunge entpuppen. Dominik Graf und Florian Stetter jubeln: »Die geliebten Schwestern« schafft es in die nächste Runde für den Auslandsoscar. In: Mittelbayerische Zeitung. Regensburg. Ausg. vom 29. 08. 2014, S. 17. 311. dom: Der Dichter, dem eine Schwester nicht genug war. Friedrich Schiller alias Florian Stetter stellt seinen Film »Die geliebten Schwestern« im Kuki in Schlüchtern vor. In: Gelnhäuser Neue Zeitung. Ausg. vom 6. 09. 2014, S. 32. 312. Düster, Jessica: Sturm und Drang. Dreiecksbeziehung mit Schiller: »Die geliebten Schwestern«. In: Kölner Stadt-Anzeiger. Ausg. vom 31. 07. 2014. 313. Enzian, Heike: Heidecksburg wird Filmkulisse. Bavaria dreht Schiller-Film unter anderem in Rudolstadt. Ausstatter recherchieren vor Ort zu der von Schiller herausgegebenen Zeitschrift »Die Horen«. In: Ostthüringer Zeitung. Gera. Ausg. vom 10. 08. 2012. 314. Foerster, Lukas: Das Glück zu dritt. Von Friedrich Schiller und der Kunst des Briefeschreibens erzählt Dominik Graf im Film »Die geliebten Schwestern«. Es ist ein literarischer Film, dem man seine Lust am eigenen »Geschriebensein« an der eigenen Bildproduktion anmerkt. In: die tageszeitung. Berlin. Nr. 10474 vom 31. 07. 2014, S. 17. 315. Frick, Ulrike: Die Liebe jenseits aller Vernunft. Besser als jedes Schulbuch erzählt Dominik Grafs »Geliebte Schwestern« über Schiller und den Sturm und Drang. In: Münchner Merkur. Ausg. vom 31. 07. 2014, S. 18. 316. Haasis, Bernd: Kein Vertrauen in die Bilder. Dominik Grafs Schiller-Film strotzt nur so vor Worten, leider nicht denen des Dichters. In: Stuttgarter Nachrichten. Nr. 174 vom 31. 07. 2014, S. 16. 317. Jennen, Manuel: Schillers Sturm und Drang. Kino: Dominik Graf dreht »Die geliebten Schwestern« auf Haus Stapel in Havixbeck. In: Münstersche Zeitung. Münster. Ausg. vom 25. 10. 2012. 318. Jüttner, Andreas: Wer so spricht, flirtet anders als wir heute. Dominik Grafs »Die geliebten Schwestern« ist der perfekte Sommerfilm – mit Schiller. In: Badische Neueste Nachrichten. Karlsruhe. Ausg. vom 2. 08. 2014. 319. Kilb, Andreas: Der Vorsprung einer Nacht. Ist das noch ein Kostümfilm oder schon die Revolution? Dominik Grafs Film »Die geliebten Schwestern« erzählt
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von Schiller und der Liebe. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 30 vom 27. 07. 2014, S. 31. 320. Klingenmaier, Thomas: Ein unwiderstehlicher Untertan. »Die geliebten Schwestern«. Dominik Graf liefert einen Historienfilm frei von Zopfigkeit: Schillers Liebe zu den Schwestern Charlotte und Caroline von Lengefeld wird sehr lebendig. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 174 vom 31. 07. 2014, S. 27. 321. Kniebe, Thomas (Interview mit Peter-André Alt): »Alles war Licht und Freude«. Schiller lebt: Das war die Überraschungsmeldung der Berlinale 2014. Der Wettbewerbsfilm »Die geliebten Schwestern« zeigte die »wahrscheinlich schönste Ménage-à-trois der Literaturgeschichte«, jubelten die Kritiker. Seit Donnerstag läuft das Liebesdrama, das wie nebenbei die großen Fragen von Schreiben, Leben und Freiheit verhandelt, im Kino. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 176 vom 2. 08. 2014, (Beil.) S. 4–5. 322. Kniebe, Tobias: Dreieck mit Dichter. »Die geliebten Schwestern« zeigt Schiller in neuem Licht – auch der Regisseur Dominik Graf überrascht. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 173 vom 30. 07. 2014, S. 9. 323. Körte, Peter (Interview): Ausgerechnet Schiller! Warum? Vielleicht sollten wir öfter mal Filme machen, die Deutschland nicht braucht: Dominik Graf über die Berlinale, seinen Film »Die geliebten Schwestern« und einen Moraldichter als Frauenheld. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 5. vom 2. 02. 2014, S. 37–38. 324. Körte, Peter: Zwei Flammen in seinem Herzen. Dominik Grafs Film »Die geliebten Schwestern« findet Friedrich Schiller, und Dietrich Brüggemann sucht den Kreuzweg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 34 vom 10. 02. 2014, S. 27. 325. Kothenschulte, Daniel: Die Symmetrie der Liebe. Man möchte sich wirklich von der Schillerzeit betören lassen, aber das gelingt nicht recht in Dominik Grafs voluminösem Kostümfilm »Die geliebten Schwestern«. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 175 vom 31. 07. 2014, S. 30–31. 326. Krekeler, Elmar: Das können die Briten auch nicht besser. In seinem Historiendrama »Die geliebten Schwestern« erzählt Dominik Graf von Friedrich Schillers tragischer Ménage-à-trois. In: Die Welt. Berlin. Nr. 34 vom 10. 02. 2014, S. 21. 327. Krekeler, Elmar: Sommer der Liebe. Kein Schiller-Film: Dominik Graf macht aus der geheimen Ménage-à-trois des Dichters einen langen, leichten, traurigen Traum. In: Welt am Sonntag. Berlin. Nr. 30 vom 27. 07. 2014, S. 44.
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328. Lueken, Verena: Wem der große Wurf gelungen. Der Film »Die geliebten Schwestern« von Dominik Graf stellt einen verwegenen jungen Schiller in seine Zeit und in ein Liebesdreieck, das eine ganze Kunstepoche aufschlüsselt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 174 vom 30. 07. 2014, S. 9. 329. Noppeney, Petra: Schiller zwischen zwei Frauen. Dominik Graf dreht wieder im Münsterland – diesmal den Kinofilm »Die geliebten Schwestern«. In: Westfälische Nachrichten. Münster. Ausg. vom 25. 10. 2012. 330. Peitz, Dirk: So geht die Liebe zu dritt. Dominik Grafs Schiller-Biopic »Die geliebten Schwestern« ist ein Brieffilm: Es wird viel geschrieben, gelesen, vorgelesen. Fiebrig, verschwörerisch, innig – und sehr, sehr romantisch. In: Die Welt. Berlin. Nr. 176 vom 31. 07. 2014, S. 22. 331. Prechtel, Adrian: Geformter Sturm und Drang. Dominik Grafs »Geliebte Schwestern« erzählt die Ménage-à-trois von Friedrich Schiller mit den Lengefeld-Töchtern, von denen er eine heiratete. Der Film ist kunstvoll, kühl, klug – und schön. In: Abendzeitung. München. Ausg. vom 31. 07. 2014, S. 17. 332. Quilitzsch, Frank: Der entflammte Dichter. Mit den »Geliebten Schwestern« ist Dominik Graf eine poetische Melange aus Traum und Wirklichkeit gelungen. In: Thüringische Landeszeitung. Erfurt. Ausg. vom 29. 07. 2014, S. 12. 333. Reinhard, Oliver: Schönschreiben mit Schiller. Dominik Graf macht mit »Die geliebten Schwestern« einen Spielfilm zur 140-Minuten-Literaturgeschichtsvorlesung. In: Sächsische Zeitung. Dresden. Ausg. vom 31. 07. 2014, S. 8. 334. Schardt, Michael: Schiller, der »Edelmacho«. Regisseur Dominik Graf spricht über seinen neuen Film, die Grenzen der Wörter und seinen Schreibrausch. In: Westfälische Nachrichten. Münster. Ausg. vom 2. 08. 2014. 335. Schoder, Gabriele: Schöne Seelen, flirrende Leidenschaft. Dominik Graf erzählt in »Die geliebten Schwestern« von den beiden Frauen, die Friedrich Schillers Herz eroberten. In: Badische Zeitung. Freiburg im Breisgau. Nr. 174 vom 31. 07. 2014, S. 13. 336. Schulz-Ojala, Jan: Die leuchtende Zeit, die längste Zeit. Die Ménage-à-trois des Friedrich Schiller: Dominik Grafs Liebestrialog um die »Geliebten Schwestern«. In: Der Tagesspiegel. Berlin. Nr. 21953 vom 9. 02. 2014, S. 25. 337. Schweizerhof, Barbara: Friedrich Schillers Liebe zu dritt. »Die geliebten Schwestern«: Dominik Graf schildert die Ménage-à-trois des Dichters nicht als Skandal oder Sensation, sondern als utopisches Projekt, als Versuch, frei zu sein. In: Die Presse. Wien. Nr. 20337 vom 15. 11. 2014, S. 26.
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338. Schwickert, Martin: Ein Film der Briefe. Neu im Kino: »Die geliebten Schwestern« – Dominik Grafs Verfilmung von Friedrich Schillers Beziehungsleben. In: Südkurier. Konstanz. Ausg. vom 31. 07. 2014, S. 13. 339. Spanier, Thomas: Deutschlandpremiere für Schillerfilm in Rudolstadt. Regisseur Dominik Graf stellt »Die geliebten Schwestern« morgen Abend am Originalort des Geschehens vor. In: Östthüringer Zeitung. Gera. Ausg. vom 22. 07. 2014. 340. Steinitz, David: Teufelsmusik. Im Wettbewerb: Das deutsche Kino liegt gut im Rennen, mit Dominik Grafs zärtlichem Film »Die geliebten Schwestern« und Dietrich Brüggemanns »Kreuzweg«. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 33 vom 10. 02. 2014, S. 10. 341. Stosch, Stefan: Drei Liebende scheitern an ihrer Utopie. Ein Dichter und zwei Damen: Dominik Grafs pulsierendes Historiendrama »Geliebte Schwestern«. In: Ostsee-Zeitung. Rostock. Ausg. vom 31. 07. 2014. 342. Thadden, Elisabeth von: Drei Menschen, ein Gefühl. Der Regisseur Dominik Graf ist der König des deutschen Polizeithrillers. Jetzt hat er eine bewegende Dreiecksgeschichte über den Dichter Friedrich von Schiller gedreht: »Die geliebten Schwestern« ist der Liebesfilm des Sommers. In: Die Zeit. Hamburg. Nr. 31 vom 24. 07. 2014, S. 39–40. 343. Tilmann, Christina: Die Liebe, einen Sommer lang. Dominik Graf imaginiert in »Die geliebten Schwestern« Friedrich Schillers Ménage-à-trois. In: Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe. Nr. 180 vom 7. 08. 2014, S. 21. 344. Uehling, Peter: Revolution, privat. Dominik Grafs Kinofilm über Friedrich Schiller und »Die geliebten Schwestern«. In: Berliner Zeitung. Nr. 175 vom 30. 07. 2014, S. 23. 345. Urban, Regina: Traum von einer Liebe zu dritt. Dominik Grafs hinreißend zärtlicher Schiller-Film »Die geliebten Schwestern«. In: Nürnberger Nachrichten. Ausg. vom 31. 07. 2014, S. 8. 346. Vogel, Elke: Dichter im Liebesdreieck. Schiller und »Die geliebten Schwestern« – Kostümfilm von Dominik Graf. In: Ostfriesischer Kurier. Norden. Ausg. vom 29. 07. 2014. 347. Weilandt, Doris (Interview): »Neues Bild von der Liebe«. Von einer Ménage à trois mit keinem geringeren Protagonisten als Schiller handelt der neue Spielfilm von Dominik Graf. In: Südthüringer Zeitung. Bad Salzungen. Ausg. vom 27. 09. 2012.
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348. Westphal, Anke: Eine unmögliche Liebe. Großartig: Dominik Grafs Film über Friedrich Schiller und »Die geliebten Schwestern«. In: Berliner Zeitung. Nr. 34 vom 10. 02. 2014, S. 27. 349. Westphal, Sascha: Der unruhige Dichter und die Dreiecksliebe. Im Historienfilm »Die geliebten Schwestern« betreiben Friedrich Schiller sowie Charlotte und Caroline von Lengefeld ihre eigene Revolution. Doch Ideale und Hoffnungen werden im Blut ertränkt. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Essen. Ausg. vom 31. 07. 2014. 350. Wurm, Barbara (Interview): »Die Gegenwart hat einen schweren Stand.« Ein Gespräch mit Dominik Graf über »Die geliebten Schwestern«, seine Dreiecksgeschichte um Friedrich Schiller. In: die tageszeitung. Berlin. Nr. 10332 vom 10. 02. 2014, S. 18.
8.9. Schiller im Deutschunterricht 351. Friedrich Schiller: Kabale und Liebe. Bearbeitet von Daniela Nägel. Berlin: Cornelsen Verlag, 2014, 158 S. (= Literathek). – ISBN 978-3-06–060330–5. 352. Friedrich Schiller: Die Räuber. – Weimar: Goethe und Schiller. In: Literaturunterricht in den Jahrgangsstufen 5 bis 10. Modelle – Methoden – Material. Eine Handreichung für die Realschule / Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München. Redaktion: Rosa Maria Luible-Ernst und Hermann Ruch. Wolnzach: Kastner Verlag, 2014, S. 172–179 und S. 421–427. – ISBN 978-3-941 951-80-8. 353. Bernhardt, Rüdiger: Textanalyse und Interpretation zu Friedrich Schiller »Don Karlos«. Hollfeld: Bange Verlag, 2014, 160 S. (= Königs Erläuterungen. 6). – ISBN 978-3-8044-1948-3. Inhalt: 1. Schnellübersicht. – 2. Friedrich Schiller. Leben und Werk: Biographie. – Zeitgeschichtlicher Hintergrund. – Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken (S. 11–35). – 3. Textanalyse und Interpretation: Entstehung und Quellen. – Inhaltsangabe. – Aufbau. – Personenkonstellation und Charakteristiken. – Sachliche und sprachliche Erläuterungen. – Stil und Sprache. – Interpretationsansätze (S. 36–118). – 4. Rezeptionsgeschichte (S. 119–135). – 5. Materialien (S. 136–139). – 6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen (S. 140–151). – Literatur (S. 152–158). Eine frühere Auflage dieses Bandes ist 2006 erschienen [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2006, Nr. 769].
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354. Borcherding, Wilhelm: »Die Jungfrau von Orleans« von Friedrich Schiller. Aachen: Verlag Bergmoser und Höller, 2014, 32 S. und 1 CD-ROM. (= Deutsch betrifft uns. Aktuelle Unterrichtsmaterialien. 5). – ISSN 0178–0417. 355. Haaser, Ingrid: »Die Jungfrau von Orleans« von Friedrich Schiller. Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2014, 48 S., 4°. (= LiteraMedia). – ISBN 978-3-464-61688-8. 356. Hahnraths, Meike / Schmeling, Kristina: Friedrich Schiller, »Wilhelm Tell«. Arbeitsmaterial für den Unterricht. Illustrationen von Henriette Krüger. Mönchengladbach: Hahnraths Verlag, 2014, 110 S. (= Ich entdecke Literaturklassiker. 1.2). – ISBN 978-3-941747-05-0. 357. Henschke, Cathleen: Dramatik. Arbeitsblätter für den Deutschunterricht. Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr, 2014, 56 S. und 1 CD-ROM, 4°. (= Schritt für Schritt zur schriftlichen Interpretation). – ISBN 978-3-8346-2514-4. Im Mittelpunkt steht Schillers bürgerliches Trauerspiel »Kabale und Liebe«. 358. Nägel, Daniela: »Kabale und Liebe« von Friedrich Schiller. Kopiervorlagen. Herausgegeben von Florian Radvan und Anne Steiner. Berlin: Cornelsen Verlag, 64 S. und 1 CD. (= Kopiervorlagen für die Sekundarstufe II). – ISBN 978-3-060319–0. Aus dem Inhalt: Einstieg und Inhaltssicherung. – Zentrale Inhalte. – Literarische Kennzeichen und literaturgeschichtliche Einordnung. – Biografie und Geschichte. – Rezeption und Rezeptionsgeschichte. – Referate, Projekte und Facharbeiten. – Klausuren und Klassenarbeiten. 359. Zumhof, Tim: Moralische Anstalt oder unnatürliches Vergnügen? Rousseaus Theaterkritik und Schillers Apologie der Schaubühne: Anregungen für einen literaturhistorischen Deutschunterricht. In: Rousseau zur Einführung. Herausgegeben von Ursula Reitemeyer und Tim Zumhof. Berlin, Münster: LIT Verlag, 2014, S. 255–288. (= Studienbücher zur Lehrerbildung. 2: Theologie). – ISBN 9783-643-12547-7.
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9. Personenregister Verzeichnet werden alle Personen (Verfasser, Herausgeber, Übersetzer, Rezensenten, Komponisten, Illustratoren, Regisseure), die literarischen Autoren, Philosophen und historischen Persönlichkeiten, die in den Zeitschriftenaufsätzen und Buchbeiträgen im Zusammenhang mit Schillers Werk und Wirkung behandelt und erwähnt werden. Nicht berücksichtigt sind dagegen die mythologischen Figuren, die biblischen Gestalten und die »gefeierten Personen« aus Wissenschaft und Forschung (Festschriften). Auf die Herausgeber von Tagungsbänden und Kongress-Schriften zu Schillers Werken wird nur einmal an der entsprechenden Systemstelle (unter Kap. 1.4.) verwiesen. Abel, Jacob Friedrich 52 Adinolfi, Isabella 279 Alba, Pilar Martino 257 Albrecht, Andrea 148 Alfano, Myriam 300 Alt, Peter-André 321 Amoroso, Leonardo 91, 279 Andersson, Bo 71 Andrade, Bianka Teixeira de 92 Aristoteles 153, 212 Arnaldo, Javier 57 Assmann, Jan 235 Auerochs, Bernd 277 Augustin, Michael 297 Awe, Jens 93 Baader, Meike Sophia 260 Bachmann, Stefan 290 Balbuena Torzano, Carmen 257 Barbarisi, Gennaro 2682 Barner, Wilfried 1, 3 Barroso, Gabriel Lago de Sousa 94 Beeler, Rahel B. 155, 161, 162, 163, 164, 167, 175, 177 Beethoven, Ludwig van 159 Behland, Max 8 Benz, Stefan 304 Berg, Stefan 236 Bergmann, Birgit 54 Berkan-Jabłońska, Maria 256
Bernauer, Markus 262 Bernhardt, Rüdiger 353 Bethén, Arved 269 Beulwitz, Friedrich von 81 Białek, Edward 165 Bilstein, Johannes 260 Birkner, Nina 206 Björgstrand, Christel 219 Boeckh, Margit 305 Bogner, Ralf Georg 273 Bohrer, Karl Heinz 95 Borcherding, Wilhelm 354 Bormann, Hans-Friedrich 132 Boyken, Thomas 180, 190, 193, 196, 202, 205, 213, 220, 223, 224 Braungart, Georg 252 Brittnacher, Hans Richard 52 Brown, Penelope 219 Brüning, Gerrit 225 Brunkhorst, Hauke 221 Büker, Thorsten 306 Bülow, Ulrich von 275 Bunke, Simon 80 Bürger, Gottfried August 156, 163 Burke, Edmund 141 Burtscher, Cordula 141, 181 Büssgen, Antje 86 Cadioli, Alberto 2682 Carpi, Umberto 2682
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Čechov, Anton 270 Chamisso, Adalbert von 156 Chmielewska, Katarzyna 96 Cho, Chang Oh 226 Churzidse, Dali 293 Collmer, Thomas 741 Condray, Kathleen 214 Conrad, Maren 168 Costadura, Edoardo 133 Czobor-Lupp, Mihaela 97 Dainat, Holger 115 Dann, Otto 87 Danneberg, Lutz 148 Däschler-Seiler, Siegfried 260 Decker, Kerstin 307 Degner, Uta 98 Dehrmann, Mark-Georg 233, 308 Denker, Alfred 275 Derks, Kai-Oliver 309 Detken, Anke 182, 215 Di Maria, Diana 133 Dieckmann, Cordula 310 Dingeldein, Hannah 277, 278 Donizetti, Gaetano 184 Dreßler, Hilmar 70 Dreyer, Michael 117 Dubbels, Elke 227 Dumiche, Béatrice 208 Durrani, Osman 6 Dürrenmatt, Friedrich 271 Düsing, Edith 284 Düsing, Klaus 76, 99, 134, 142 Düsing, Wolfgang 286 Düster, Jessica 312 Eckel, Winfried 237 Eichmann-Leutenegger, Beatrice 288 Endres, Johannes 100 Engler, Bernd 252 Engler, Jürgen 41 Enzian, Heike 313
Erhard, Johann Benjamin 219 Erickson, Peter 237 Euripides 53 Ewers, Hanns Heinz 272 Farina, Mario 75 Fedrová, Stanislava 282 Feger, Hans 60 Fichte, Johann Gottlieb 129 Fick, Monika 186 Fischer, Michael 296 Fleig, Anne 206 Fleischer, Horst 81 Foerster, Lukas 314 Foi, Maria Carolina 148 Ford, John 221 Franz, Norbert P. 252 Franzos, Karl Emil 298 Freytag, Holk 291 Frick, Ulrike 315 Friederich-Stegmann, Hiltrud 88 Fries, Ulrich 277 Frisch, Max 273 Frischmann, Bärbel 251 Fujita, Miyoko 154 Fulda, Daniel 135 Füllmann, Rolf 170 Futscher, Edith 253 Gabbiadini, Guglielmo 174 Gamper, Michael 222 Garaventa, Roberto 279 Gasser, Peter 271 Geier, Andrea 206 Geisenhanslüke, Achim 238 Gengler, Gisela 239 Gerhard, Dominik 207 Gerhardt, Volker 144 Gerlach, Walter 12 Gerstäcker, Friedrich 214 Gess, Nicola 112 Giersch, Paula 298
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Glaser, Thomas 107, 230 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 156 Glover, Richard 98 Godel, Rainer 272 Goethe, Johann Wolfgang von 53, 66, 68, 70, 71, 721, 722, 73, 110, 113, 158, 191, 225, 239, 353 Goetz, Rainald 261 Gombrowicz, Witold 96 Gozzi, Carlo 259 Graf, Dominik 304–350 Graf, Harald 269 Graff, Anton 79 Grizelj, Mario 246 Grosso Ciponte, Andrea 300 Grothaus, Christian J. 101 Grundmann, Hilmar 77, 240 Grüneberger, Ralph 297 Guyer, Paul 61 Haas, Claude 183 Haaser, Ingrid 355 Haasis, Bernd 316 Hacks, Peter 274 Haferkamp, Dirk 197 Häfner, Ralph 241 Häfner, Steffen 143 Hahnraths, Meike 49, 356 Hamann, Johann Georg 112 Hebbel, Friedrich 197, 201 Hebeis, Michael 79 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 741, 742, 75, 91, 140, 192 Heidegger, Martin 91, 275, 276, 279 Heiduser, Urte 206 Heine, Heinrich 157, 280 Heinen, Armin 208 Heiß, Wolfgang 78 Helbig, Holger 277 Hellberg, Wolf Dieter 47 Hellmich, Christine 198
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Henke, Silke 102, 225, 228, 229 Henschke, Cathleen 357 Hensel, André 242 Henseleit, Jana 243 Herder, Johann Gottfried 76, 141 Hermes, Stefan 104, 191, 241 Hesse, Volker 63 Heyse, Paul 262 High, Jeffrey L. 6 Hildebrandt, Dieter 82 Hill, Christian 64 Hillebrandt, Claudia 245 Hilliard, Kevin F. 136 Hirsch, Wolfgang 263 Hobbes, Thomas 141 Höcker, Arne 244 Hodža, Michael Miroslav 171 Höfer, Karlheinz 292 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus 242 Hofmann, Hasso 144 Hofmann, Michael 80 Hölderlin, Friedrich 192 Holzhey, Helmut 60 Hornuff, Daniel 50 Hühn, Helmut 222, 235 Humboldt, Alexander von 122 Humboldt, Wilhelm von 66, 77, 110, 122, 166, 174 Hume, David 141 Hundsnurscher, Franz 77, 240 Ignasiak, Detlef 68 Immer, Nikolas 225, 228, 229 Jaeger, Michael 199 Jahraus, Oliver 246 Jakobi, Carsten 134 Jané, Jordi 721, Jansen, Uwe 43, 45 Janßen, Sandra 112 Jelinek, Elfriede 206, 299 Jendryschik, Manfred 37
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Jennen, Manuel 317 Jentzsch, Bernd 15, 39 Johnson, Uwe 277, 278 Jost, Erdmut 272 Jovius, Paul 255 Junge, Riccarda 33, 51 Jüttner, Andreas 318 Kablitz, Andreas 148 Kaehler, Klaus Erich 742 Kaiser, Gerhard 215 Kakauridse, Nanuli 293 Kalązny, Jerzy 165 Kaminski, Nicola 249 Kämper, Max 46 Kampmann, Elisabeth 245 Kant, Immanuel 73, 91, 97, 99, 100, 101, 104, 129, 152 Kapf, Franz Joseph 78 Kapp, Volker 252 Kappes, Sibylle 231 Kaśkiewicz, Kinga 103 Kaufmann, Sebastian 104, 191, 241 Kaul, Susanne 245 Kaute, Brigitte 71 Kemper, Dirk 136 Kierkegaard, Søren 91, 279 Kilb, Andreas 319 Kirchmeier, Christian 246 Klaeui, Andreas 289 Klawitter, Arne 4 Klein, Delphine 299 Kleinmichel, Philipp 105 Kleist, Heinrich von 244 Klepacki, Leopold 131 Klingenmaier, Thomas 320 Kniebe, Thomas 321, 322 Knödler, Stefan 285 Koerfer, Adrian 106 Köhler, Kai 274 Kollmann, Anette 67
König, Christoph 166 Körte, Peter 323, 324 Kortner, Fritz 132 Košenina, Alexander 52, 156, 233, 303 Kösling, Barbara 64 Kothenschulte, Daniel 325 Krämer, Walter 8 Kraus, Hans-Christof 144 Krause, Robert 191 Krebs, Roland 208 Krekeler, Elmar 326, 327 Krellner, Ulrich 71 Kremer, Heiko 253 Kroll, Lukas R. 209 Kronauer, Brigitte 16, 20, 22, 25 Krondorfer, Birge 253 Kronstädter, Miriam 18, 21 Krüger, Henriette 356 Krüger, Michael 58 Krukemeyer, Manfred Georg 145 Kubink, Michael 147 Kurz, Hermann 233 Kwiecińska, Grażyna 137 Lafountaine, Pascale N. 186 Lakey, Patrick 128 Landén, Barbro 71 Langehegermann, Sylvie 184 Lavater, Johann Caspar 151 Le Borgne, Françoise 188 Leber, Manfred 273 Leerssen, Joep 264 Leerssen, Joseph Th. 264 Leibfried, Erwin 210 Leistner, Bernd 274 Lemke, Anja 107 Lengefeld, Caroline von 66, 82, 83, 84, 85 Leopardi, Giacomo 133 Leopold, Carl Gustav af 269 Lessing, Gotthold Ephraim 141, 182
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Leuchtenberger, Katja 277 Levinson, Stephen C. 219 Liewerscheidt, Dieter 203 Lillo, George 98 Linck, Heinrich Ehregott 233 Lischewski, Andreas 62 Liva, Laura 279 Logge, Thorsten 2681 Lohwasser, Diana 131 Lortzing, Albert 266 Lubkoll, Christine 1, 3 Lüderssen, Klaus 146, 147 Lueken, Verena 328 Luible-Ernst, Rosa Maria 352 Luserke-Jaqui, Matthias 218 Lutz-Sterzenbach, Barbara 118 Lyons, Sara 157 Maes, Sientje 86 Maftei, Ştefan-Sebastian 108, 109 Maier, Thomas 179 Maro, Publius Vergilius 53 Marsonet, Michele 108 Martin, Nicholas 6 Martinez Shaw, Carlos 88 Martínez, Juan A. Albaladejo 257 Marzahn, Christian 218 Maurer, Michael 76 McGuillan, Colin 56 Mees, Martin 185 Megrelishvili, Ketevan 270 Mehring, Franz 280 Mehring, Reinhard 232 Meier-Ewert, Lavinia 265 Menke, Bettine 107, 230 Mertens, Marina 110 Mesaroş, Claudiu 109 Metscher, Thomas 218 Meuerer, Gerlinde 253 Meyer, Anne-Rose 137 Meyer-Eisenhut, Anne-Rose 234
Meyers, Jeffrey 194 Michajlow, Anatol 176 Mickiewicz, Adam 73, 281 Micle, Maria 109 Mihaylova, Katerina 80 Miller, Damian 106 Miller, Norbert 262 Möbius, Thomas 160 Moens, Herman 1 Monagas, Alexander 211 Montorro, Sandra 216 Moritz, Lukas 9, 13, 27, 31, 36, 38 Mueller, Ulrich 77, 240 Mukařovský, Jan 282 Mülder, Friedrich 280 Müller, Karla 69 Müller-Seidel, Walter 2 Mulsow, Martin 172 Mundus, Doris 266 Münzner, Rolf 37 Murname, Barry 272 Nägel, Daniela 351, 358 Nanz, Tobias 139 Näumann, Klaus 159 Naumann, Ursula 83 Ndombe Makanga, Pierre Damien 192 Negt, Oskar 253 Neie, Burkhard 23, 30 Nestroy, Johann Nepomuk 283 Neubacher, Frank 147 Neuhausen, Karl August 149 Neumann, Johann Gottlieb 79 Neumayr, Anton 65 Neumeister, Sebastian 133 Nieberle, Sigrid 98 Nies, Martin 247 Nietzsche, Friedrich 91, 284 Nilges, Yvonne 144, 148, 195 Nitschke, Claudia 98
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Nizami ad-Dīn Abū Muhammad Elyās 259 Noe, Alfred 52 Noppeney, Petra 329 Novalis 137 Novotný, Pavel 283 O’Brien, John E. 111 Oelkers, Jürgen 106 Oellers, Norbert 6, 228 Offermanns, Sandra 217 Ohlbaum, Isolde 35 Ohrui, Kyoko 178 Ort, Varun F. 248 Osterkamp, Ernst 1, 3 Pacholski, Jan 165 Palmerino, Dacia 300 Pater, Walter 157 Pautler, Stefan 59 Peitz, Dirk 330 Peters, Maria 118 Pethes, Nicolas 112 Philipsen, Bart 86 Pietsch, Annik 113 Pikulik, Lothar 721, 114 Pille, Marc 115 Pinna, Giovanna 75 Platelle, Fanny 188 Pleschka, Alexander 119, 186 Pocai, Romano 187 Poe, Edgar Allan 242 Pogarell, Reiner 8 Poller, Horst 116 Polt-Heinzl, Evelyne 24 Porsche-Ludwig, Markus 276 Port, Ulrich 200 Potthast, Barbara 285 Poulton, Mike 55 Prechtel, Adrian 331 Probst-Effah, Gisela 159 Prokic, Tanja 246
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Przybilski, Martin 200 Puccini, Giacomo 259 Pugh, David 93 Pulido, Martha 257 Quilitzsch, Frank 332 Quincey, Thomas de 112 Racine, Jean Baptiste 258 Radcliffe, Ann 137 Rademacher, Marie 249 Radvan, Florian 358 Ramtke, Nora 249 Raţǎ, Georgeta 108 Raulff, Ulrich 1, 3 Reiner, Matthias 23, 30, 35 Reinhard, Oliver 333 Reinhold, Carl Leonhard 235 Reitemeyer, Ursula 359 Rendtorff, Trutz 59 Reselli, Antonio 80 Richardson, Samuel 204 Riedel, Nicolai 1 Ries, Klaus 117 Rigney, Ann 264 Rill, Bernd 199, 218 Rittelmeyer, Christian 118, 250 Robert, Jörg 4, 119, 172 Robertson, Ritchie 120 Rocca, Ettore 279 Roczniok, Andrzyj 301 Romberg, Andreas 292 Romberg, Regine 5, 121 Rossini, Gioachino 184 Rossmann, Andreas 290 Roth, Ludger 122 Rousseau, Jean-Jacques 80, 112, 179, 359 Ruby, Christian 123 Ruch, Hermann 352 Rüdiger, Horst 53 Runcan, Patricia-Luciana 108 Runia, Eelco 89
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Rusterholz, Peter 271 Salfellner, Harald 150 Samolajová, Ľubica 171 Samsonow, Elisabeth von 253 Sandig, Claudia 229 Saruchanowa, Irina 293 Sass, Hartmut von 236 Sauer, Paul Ludwig 124 Sautermeister, Gert 2, 84, 218 Schäfer, Armin 139 Schäfer, Daniel 149 Schardt, Michael 334 Scharf, Hannah 204 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 192 Schipperges, Thomas 266 Schlegel, Friedrich 237 Schleiermacher, Friedrich 251 Schmeling, Kristina 49, 356 Schmid, Herta 282 Schmidjell, Christine 24 Schmidt, Sarah 251 Schmidt, Thomas Michael 14, 29, 34 Schmitt, Arbogast 153 Schmitt, Carl 232 Schneider, Wolfgang 7, 32 Schnyder, Peter 222, 271 Schoder, Gabriele 335 Schonlau, Anja 215 Schuchhardt, Malte 722, 287 Schulz, Frank 118 Schulz-Ojala, Jan 336 Schwab, Gustav 285 Schwan, Friedrich 52 Schweikert, Uwe 294, 295 Schweizerhof, Barbara 337 Schwickert, Martin 338 Seidl, Horst 125 Seiffarth, Marc 252 Selbmann, Rolf 169 Siani, Alberto Leopoldo 75
Siguan, Marisa 721 Simm, Hans-Joachim 18, 21 Simon, Eva Miriam 258 Słowacki, Juliusz 256 Sommer, Cornelius 77, 240 Sommer, Doris 126 Spanier, Thomas 339 Sperb, Marianne 310 Stahl, Henrieke 270 Standke, Jan 115 Stanyon, Miranda 120 Stašková, Alice 150 Steiner, Anne 358 Steinitz, David 340 Stelmaszczyk, Barbara 256 Stemann, Nicolas 206 Sternburg, Judith von 291 Stetter, Florian 307, 310, 311 Stifter, Adalbert 230 Stoeva-Holm, Dessislava 71 Stosch, Stefan 341 Sünderhauf, Sonja 151 Syberberg, Hans-Jürgen 132 Tanke, Joseph 56 Teubner, Petra 7, 32 Thadden, Elisabeth von 342 Thaidigsmann, Karoline 270 Theml, Christine 66 Thoma-Endenich, Verena 201 Thompson, Martyn P. 144 Thörner, Katja 59 Tiedemann, Markus 127 Tieder, Irène 188 Tiemann, Hans-Peter 17, 26 Till, Dietmar 248 Tilmann, Christina 343 Trauth, Franziska 302 Treusch-Dieter, Gerburg 253 Troeltsch, Ernst 59 Tubeuf, André 296
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Tyburski, Włodimierz 103 Uehling, Peter 344 Unfer Lukoschik, Rita 173 Urban, Regina 345 Valentin, Jean-Marie 90 Valk, Thorsten 138 Vaziri, Fritz Hubertus 212 Verdi, Giuseppe 184, 293, 294, 295, 296 Vieweg, Klaus 128 Vogel, Elke 346 Völkel, Ulrich 54 Vollhardt, Friedrich 172 Voltaire, François-Marie Aronet 191 Von der Burg, Udo 85 Wåghäll Nivre, Elisabeth 71 Waldheim, Melanie 254 Waldschmidt, Christine 134 Walser, Martin 286 Walter, Oscar 255 Warminski, Andrzej 129 Weber, Ulrich 271 Wegmann, Nikolaus 237 Weidner, Daniel 183 Weilandt, Doris 347 Weiss, Irene M. 158 Welsch, Wolfgang 130
Wenzel, Gottfried Immanuel 303 Werber, Niels 139 Werner, Klaus G. 292 Westphal, Anke 348 Westphal, Sascha 349 Wetzel, Holger 306 Wicki-Vogt, Maja 152 Willer, Stefan 267 Willms, Lothar 140 Winde, Arne de 86 Wiśniewski, Ryszard 103 Wohlleben, Doren 259 Wollesen, Karl-Heinz 189 Wulf, Christoph 260 Wurm, Barbara 350 Wüstner, Andrea 11 Zaborowski, Holger 275 Zarych, Elżbieta 73, 281 Zeiller, Rolf 293 Zelle, Carsten 249 Ziemba, Kwiryna 256 Zimmermann, Bernhard 153 Zimmermann, Jens 275 Zimmermann, Reiner 79 Zirfas, Jörg 131 Zubiria, Martín 158 Zumhof, Tim 359
astrid dröse / carina middel / anne-sophie renner / claudia sandig
tagungsbericht »schillers europa« »Schillers Europa« – so lautete der Titel einer internationalen Tagung der Deutschen Schillergesellschaft, die vom 23. bis 25. Oktober 2014 im Schloss Herrenhausen (Hannover) stattfand. Organisation und Leitung der Veranstaltung lagen in den Händen von Peter-André Alt (Berlin) und Marcel Lepper (Marbach), die in ihren einleitenden Worten die Programmatik und Leitideen der Tagung skizzierten: Friedrich Schillers intellektuelle und künstlerische Welt kannte keine nationalen Grenzen, von Italien bis Russland, von England bis Spanien erstreckt sich seine ›europäische Landkarte‹. Europa ist sowohl in Schillers ästhetischem System und seiner Geschichtsschreibung als auch in seinen literarischen Texten präsent – durch die Topografien der Dramen, die Lokalitäten der Balladen und Erzählungen. Dabei fungieren die europäischen Handlungsorte nicht nur als Kulisse, sondern besitzen eine eigene Ausdrucksqualität. Schiller wirkte darüber hinaus auch als Vermittler französischer, englischer und italienischer Literatur und Philosophie. Vor diesem Hintergrund war es Ziel der Tagung, Schillers Europa neu zu vermessen und dabei den engeren strukturellen, topischen und ästhetischen Verbindungen zwischen seinen Texten und dem Tradierungsmodell Europa nachzugehen. Folgende Aspekte standen im Zentrum der vier Tagungssektionen: Schillers europäische Vorbilder und Bezugspunkte, die Politik und Geschichte Europas in den historiografischen Entwürfen, die europäische Topografie von Städten und Landschaften im literarischen Werk sowie die europäische Tradition der Dramatik und das Sujet des Kosmopolitentums. Integriert in den Tagungsablauf wurde ein »Ideen- und Projektforum für junge Schillerforscherinnen und -forscher«. In diesem Slot präsentierten und diskutierten Nachwuchswissenschaftlerinnen ihre Forschungsvorhaben. Eröffnet wurde die Tagung mit dem Abendvortrag »Schillers Europa – Verheißung und Krise« von Hans-Jürgen Schings (Berlin). Bereits in der Frühphase der Französischen Revolution habe sich Schillers Europabild zunehmend verdüstert. Die Idee einer Staatensympathie im Zeichen eines friedenssichernden Mächtegleichgewichts – wie sie beispielsweise am Ende der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs artikuliert wird – weiche einer desillusionierten Perspek-
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tive: Die Geschichte Europas werde für Schiller zur Geschichte eines Desasters. Bereits die Revolutionskriege, geführt aus dem Geist eines aggressiven Kosmopolitismus, beraubten ihn seiner europäischen Vision. Unter anderem am Beispiel des Gedichts Die Antiken zu Paris zeigte Schings, wie Schiller die imperialistischen Tendenzen des revolutionären Frankreichs, die sich gerade in infamem Kunstraub in den annektierten Gebieten manifestierten, verdrossen zur Kenntnis nahm. Schings Fazit fällt entsprechend ernüchternd aus: Schiller sei kein Europäer mehr geworden. Die erste Sektion (»Universaltheorie eines Kontinents. Schillers europäische Geschichte«) wurde von Vertretern der amerikanischen Schillerforschung eröffnet: John A. McCarthy (Nashville) unternahm den Versuch, Schillers europäische ›Mind Map‹ zu rekonstruieren. Sowohl im dramatischen als auch im historiografischen Werk erwiesen sich dabei Böhmen, die Niederlande und die Schweiz als zentrale Orte. Sie stehen mit Themen wie Rebellion und Freiheit in Verbindung. In Hinblick auf ideengeschichtliche Denktraditionen, die Schillers Europabild konstituieren, wies McCarthy zudem auf die Bedeutung der Renaissancephilosophie (Pico della Mirandola) sowie auf die Auseinandersetzung mit verschiedenen Staatsmodellen in der Antike (insbesondere in der universalhistorischen Vorlesung Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon) hin. In den Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen unternehme Schiller selbst den Entwurf einer gerechten Gesetzgebung – eine Utopie, in der die Lokalitäten konsequenterweise unbestimmt blieben. Jeffrey L. High (Long Beach, CA) vertrat die These, dass ›Glückseligkeit‹ – verstanden im Sinne individueller Freiheit, die den Vernunftstaat garantiert – für Schiller auch nach 1789 ein zentrales Prinzip bleibe. Ihre Beschränkung bereite nach seiner Auffassung den Boden für Revolution. Dass in der US-amerikanischen Rezeption von Schillers Dramen und insbesondere der Ode an die Freude diese Verbindung zwischen Glückseligkeit (als Synonym für ›Freude‹), Revolution und Befreiung ganz selbstverständlich hergestellt wurde, hat laut High maßgeblich Schillers Ruhm als ›Dichter der Freiheit‹ begründet. Im Zentrum von Anett Lüttekens (Zürich) Ausführungen stand Schillers großes Übersetzungsprojekt »Allgemeine Sammlung historischer Memoires vom zwölften Jahrhundert bis auf die neuesten Zeiten«. Als Organisator und Herausgeber einer deutschen Fassung der Collection universelle des Mémoires particuliers gelang es Schiller letztlich nicht, die Schwierigkeiten des Kulturtransfers zu meistern: Das in der französischen Tradition verwurzelte, hybride Genre der Mémoires – zwischen Historia und fiktiver Anekdotensammlung schwankend – habe den Geschmack des anvisierten, heterogenen Publikums (Historiker und Liebhaber) nicht getroffen. Auch aufgrund der schlechten Qualität der von Schiller in Auftrag gegebenen Übersetzungen scheiterte diese kommerzielle Entreprise. Dass die Mémoires jedoch in verschiedener Weise auf Schillers Werk
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Einfluss nahmen, wurde in der anschließenden Diskussion mit Hinweis unter anderem auf den Geisterseher hervorgehoben. Lütteken wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass das Mémoires-Projekt konstitutiver Baustein für Schillers Geschichtsschreibung gewesen sei. Man könne dabei beobachten, dass er anders als in der Vorlage eine teleologische Abfolge der historischen Ereignisse konstruiere. Ebenfalls aus komparatistischer Perspektive und mit Blick auf die französische Literatur untersuchte Jörg Robert (Tübingen) Schillers Dramenfragment Die Polizey. Dabei zeigte Robert zunächst, nach welchen Prinzipien Schiller in der Auseinandersetzung mit Louis-Sébastien Merciers Tableau de Paris eine Stoffsammlung für ein Kriminaldrama erarbeitete. Anschließend rekonstruierte er aus Schillers Notizen die poetologischen Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung. Eine Analogie zwischen Poetik und Sujet trete hier zutage: Wie auf Kompositionsebene angesichts der darzustellenden Fülle und Komplexität urbaner Details und gesellschaftlicher Strukturen eine Einheit des Werks nur durch die ordnende Kraft eines ›leitenden Fadens‹ erzeugt werden könne, so übernehme die Institution der Polizei auf Handlungsebene die Funktion der Ordnung und Stabilisation sozialer wie ökonomischer Prozesse. Die Unabgeschlossenheit der Polizey lasse sich als Scheitern dieser Koordination von Komplexität und Ordnung verstehen. Die künstlerische Rezeption sowie die politische Indienstnahme des Wilhelm Tell vom frühen neunzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart beleuchtete Jürgen Barkhoff (Dublin). Deutlich wurde, wie durch eine ›Arbeit am Mythos‹ in unterschiedlichsten Kontexten die Wilhelm-Tell-Figur und der Rütlischwur ausgehend von Schillers Drama nicht nur zum schweizerischen, sondern zum paneuropäischen Mythos wurden. Rüdiger Görner (London) unternahm einen Streifzug durch Schillers lyrisches Gesamtwerk, um an exemplarischen Texten verschiedener Schaffensperioden Kontinuitäten und Transformationen des ›Europäischen‹ bei Schiller aufzuzeigen. Besondere Aufmerksamkeit fanden in Görners Ausführungen die Chorpassagen aus der Braut von Messina. Hier wies er vor allem auf das metaphorische Potenzial des Schauplatzes als Ort interkultureller Begegnung hin. Messina werde in diesem Sinne gewissermaßen zum metonymischen Ort Europas. In ihrem öffentlichen Abendvortrag »Europas Schiller« blickte Ute Frevert (Berlin) auf zwei Jahrhunderte wechselvoller europäischer Schillerrezeption unter besonderer Berücksichtigung solcher historischer Momente, in denen die Aufführung von Schillerdramen mit politischer Bedeutung beziehungsweise Ambivalenz behaftet war. So standen beispielsweise im Italien des mittleren neunzehnten Jahrhunderts Schillerinszenierungen sowie Verdis Opern-Adaptationen im Spannungsfeld von Habsburger Kulturpolitik und Risorgimento-Propa-
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ganda. Ähnliche Ambivalenzen lassen sich für Schillerinszenierungen in Staaten des Ostblocks während des Kalten Krieges aufzeigen. Mit der Typologie von Nationen und Völkern in Schillers Texten befassten sich die Vorträge von Nikolas Immer (Trier) und Francesco Rossi (Pisa). Dabei sorgte die von Immer entwickelte These von Schillers elitärem eurozentrischen Blick auf die ›primitiven‹ Völker für eine kontroverse Diskussion. Die in der Debatte von Alexander Košenina aufgebrachte Frage, warum sich Schiller gerade durch abwertende, tendenziöse Reiseberichte leiten ließ und so zu einem als durchaus unzeitgemäß aufzufassenden Bild außereuropäischer Völker gelangte, wird unter anderem mit dem Verweis auf Weimars provinzielle Lage diskutiert. Jörg Robert warnte in diesem Zusammenhang vor einer anachronistischen Beurteilung der betreffenden Schriften Schillers. Auch äußerte er Zweifel an Immers These, nach der Schillers ästhetische Erziehung als soziales Exklusionsmodell verstanden werden müsse, das den ›primitiven Wilden‹ von vornherein abspricht, je den kulturellen Stand der Europäer zu erreichen. Francesco Rossi ging der Frage nach, welches Italienerbild Schiller zeichnet: Anders als das antike Rom, das Schiller als eine sentimentalische Kultur beschreibt, betrachtet er die modernen Italiener – wie sich werkübergreifend zeigen lässt – als affektive, sinnliche Phantasten, dem Katholizismus zugewandte Schwärmer, als romantisches Künstlervolk. In diesem negativen Italienbild sieht Rossi einen der Gründe, warum Schiller – anders als viele seiner Zeitgenossen – niemals eine Reise nach Rom unternahm. Die Sektion wurde von Ellen Strittmatter (Marbach) beschlossen. Sie gewährte einen umfassenden Einblick in die Schiller-Porträts der Marbacher Bestände. Dabei legte sie die durchdachte Selbstinszenierung des Schriftstellers offen, der viele der Porträts selbst in Auftrag gab. Vier Bildtypen lassen sich ausmachen, bei denen sich Bezüge zur französischen Porträtkunst der Zeit herstellen lassen: seine Darstellung als freiheitlicher Denker (populär in F. Kirschners Radierung), als Melancholiker (in A. Graffs Gemälde), als sinnender Intellektueller (in L. Simanowiz’ Porträt) sowie als antikisierter Klassiker (in J. H. Danneckers Büste). Aber auch antitypische Porträts (zum Beispiel von J. G. Schadow) sowie die Totenmaske geben Aufschluss über das Selbst- beziehungsweise Fremdbild Schillers. Der zweite Konferenztag endete mit der Sektion »Ideen- und Projektforum für junge Schillerforscherinnen und -forscher«: Astrid Dröse (Tübingen) skizzierte ein Projekt zu Schillers Shakespeare-Bearbeitungen im Kontext der Weimarer Bühnenästhetik und Schillers Dramenpoetik. Carina Middel (Bochum) präsentierte ihr Dissertationsprojekt, in dessen Zentrum ein typologischer Vergleich von Schillers ästhetischer Anthropologie der Freiheit mit Aspekten der Philosophischen Anthropologie des zwanzigsten Jahrhunderts (Schelers, Pless-
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ners, Gehlens) steht. Claudia Sandig (Jena) geht in ihrem Dissertationsprojekt der Bedeutung und Funktion historisierender Inszenierungspraxis für die Rezeption von Schillers Wallenstein-Trilogie auf der Bühne des neunzehnten Jahrhunderts nach. Anne Renner (Tübingen) gab Einblicke in ihr Dissertationsprojekt »Schiller und das Andere der Autonomieästhetik« und exemplifizierte erste Überlegungen am Beispiel des Lieds von der Glocke. Dabei wies sie insbesondere auf die poetologischen und anthropologischen Dimensionen des Textes hin. In der Abschlusssektion wurden nochmals Aspekte der literarischen und philosophischen Rezeption ›Europas‹ fokussiert. Alexander Košenina (Hannover) stellte Schillers frühes dramatisches und erzählerisches Œuvre in die Tradition kriminalistischer Genres, insbesondere der Pitavals und deren Bearbeitungen in Deutschland. Mit dem Beginn der ›klassischen Phase‹ wandele sich laut Košenina auch Schillers Verhältnis zu diesen Genres: Die Sujets der Fallgeschichten ließen sich nicht mehr mit einem hohen Kunstideal vereinbaren. Zugleich bleibe das Interesse – auch aus marktstrategischen Gründen – an diesen breitenwirksamen Geschichten bestehen, wie das Fragment Die Polizey in besonderer Weise verdeutliche. Im Anschluss an Košeninas Vortrag wurde diskutiert, warum Die Polizey Fragment blieb: Aufgrund der Schwierigkeit, eine stringente Handlung zu entwickeln (Stichwort ›tragische Analysis‹, siehe Vortrag Robert) oder aufgrund einer bewussten Abkehr von einem Sujet, das das Stilregister des genus humile verlangt und somit Schillers ästhetischen Prinzipien nicht mehr entsprach (Košenina)? Alice Stašková (Berlin) erläuterte auf Basis einer umfassenden Material- und Kontextanalyse die Bedeutung der Sprachtheorie und der Rhetorik an der Karlsschule für Schillers philosophische Prosa der 1790er Jahre. Schiller setze drei an der Karlsschule zentral diskutierte Themen (Nützlichkeit der Künste, Erziehung, Pflichten und Rechte des Regenten) in eine komplexe Beziehung zueinander. Diesen von ihm erstellten Zusammenhang lasse er dann, in einer produktiven Anverwandlung der überlieferten Sprach- und Stiltheorien (vor allem Étienne Bonnot de Condillacs) am Text selbst, nämlich in den Briefen Ueber die ästhetische Erziehung aufscheinen. Dabei radikalisiere Schiller die einstige Sprachauffassung und versetze tradierte Topoi in neue Funktionszusammenhänge. Dadurch gewinnen seine Texte eine performative Dimension; sie vollziehen an sich dasjenige als Gegenwart, was die ästhetische Erziehung erst zu zeitigen hat. Zum Abschluss der Tagung gab Winfried Woesler (Osnabrück) Einblick in seine editionsphilologische Arbeit für den 2012 neu herausgegebenen neunten Band der Nationalausgabe, Die Jungfrau von Orleans. Es gelang ihm unter anderem, die verschollene Bühnenfassung der Leipziger Uraufführung von 1801 weitgehend zu rekonstruieren. Ein Exkurs in die frühe französische Bühnengeschichte des Dramas zeigte, dass der Bearbeitung des für die Franzosen so bedeutenden Stoffs ihrer nationalen Geschichte wenig Erfolg beschieden war. Nicht zuletzt der
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Umstand, dass nach Voltaires Satire La Pucelle ein deutscher Autor die Ehrenrettung der Jeanne d’Arc versuchte, hatte dazu beigetragen. Das breite Spektrum der diskutierten Aspekte sowie die intensiv und kontrovers geführten Aussprachen im Anschluss an die Vorträge haben gezeigt, dass das Rahmenthema des Symposiums – »Schillers Europa« – ins Zentrum seines literarischen und philosophischen Werks führt. Da sich bei aller inhaltlichen und methodischen Vielfalt sämtliche Beiträge bestens in den von den Veranstaltern abgesteckten thematischen Rahmen fügten und vielfach aufeinander Bezug genommen werden konnte, gestaltete sich die Diskussion besonders produktiv. Die Ergebnisse der Veranstaltung werden in einem Tagungsband zusammengetragen. Als große Bereicherung wurde von allen Seiten die Nachwuchssektion wahrgenommen, die als integraler Bestandteil kommender Tagungen der Schillergesellschaft etabliert werden soll.
marbacher vorträge
monika grütters
schiller-rede Am 3. November 2014 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
Anrede, Schiller für sich zu reklamieren, ist zweifellos die zarteste Versuchung seines großen Vermächtnisses – und zwar nicht erst, seit es die schöne Tradition der Schillerrede gibt. Karl Kraus, nicht umsonst wegen seiner spitzen Feder gefürchtet, hat in diesem Zusammenhang von den »Schrecken der Unsterblichkeit« gesprochen und in einer wahren Tirade der Verachtung gegen die »Kostgänger des Schillerschen Ruhms« polemisiert, die mit einem schwärmerischen Wie sagt doch Schiller… ihre Banalitäten veredelten. »Wenn ein Denkmal renoviert wird«, schrieb Kraus im November 1909 anlässlich der Feiern zum 150. Geburtstag Schillers in der Fackel, »kommen unfehlbar die Mauerasseln und Tausendfüßer ans Licht und sagen: Denn er war unser! Das sind die Leichenwürmer der Unsterblichkeit.« Man müsse, um Schillers wahre Größe sichtbar zu machen, all die zu Phrasen erstarrten Ideen – Kraus spricht von den »baufälligen Wolkenkratzern des Pathos« – vom Schauplatz des Kultur- und Geisteslebens beseitigen, man müsse Schiller »als Ofenschmuck des deutschen Heims entfernen« – und außerdem um jeden Preis verhindern, »dass um eine Schillerbüste ein Männergesangsverein Aufstellung nimmt«. Gut, dass Karl Kraus nicht mehr erlebt hat, wie mundgerecht gestückelte Gedankenhäppchen aus den Werken deutscher Dichter und Denker heute als Kalender- und Glückskeksweisheiten konsumiert werden, als Literatur to go sozusagen Über den Verdacht einer Banalisierung des Schiller-Gedenkens können Sie sich in Marbach zum Glück – wie sagt doch Schiller – ganz »erhaben« fühlen. Schließlich verdankt die Deutsche Schillergesellschaft ihren exzellenten Ruf als würdige Hüterin des schillerschen Vermächtnisses und des reichen literarischen Erbes unseres Landes nicht zuletzt dem Umstand, dass Friedrich Schiller uns im Schiller-Nationalmuseum und im Deutschen Literaturarchiv in seiner wahren und ganzen Größe begegnet. Den Titel der wunderbaren, neuen Ausstellung »Der Wert des Originals«, die wir eben eröffnet haben, kann man da geradezu als programmatisch verstehen. Auch die jährliche Schillerrede als Höhepunkt der Feierlichkeiten anlässlich seines Geburtstags ist über jeden Verdacht erhaben, die von Karl Kraus so gefürch-
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teten, kleingeistigen »Schrecken der Unsterblichkeit« zu zelebrieren. Der bisherige intellektuelle Ertrag aus der rhetorischen Vergegenwärtigung unterschiedlicher Facetten des schillerschen Schaffens ist beachtlich – was freilich auch den klugen Köpfen geschuldet ist, die mit dieser ehrenvollen Aufgabe betraut wurden und deren Erbe diese Rede zu einem Ereignis macht, das nicht nur den großen Dichter, sondern auch den Redner, die Rednerin ehrt. Mit solchen Vorschusslorbeeren bekränzt will ich mich als Schillerrednerin 2014 einem Thema widmen, das mich im Amt der Kulturstaatsministerin wie auch ganz persönlich als Liebhaberin der schönen Künste gleichermaßen beschäftigt. Die Versöhnung des Politischen mit dem Ästhetischen ist mir ein echtes Herzensanliegen, das sich als Gegenstand einer Schillerrede geradezu aufdrängt, weil Schillers Projekt einer politischen Ästhetik darin anklingt. Sein leidenschaftliches Plädoyer, mit ästhetischen Mitteln Veränderungen im Bewusstsein und damit auch in der Gesellschaft zu bewirken – freilich ohne damit die Autonomie der Kunst gegenüber der Politik preiszugeben – hat bis heute nicht an Aktualität verloren. Kunst und Politik, das Ästhetische und das Politische, scheinen im Lichte seiner Reflexionen nicht als feindliche Gegensätze. Schiller betrachtet das Ästhetische vielmehr als Gegengewicht zum Politischen in einer freien und humanen Gesellschaft. So wie Schönheit und Freiheit bei ihm aufeinander bezogen sind, so sind es auch Kunst und Politik, man könnte auch sagen: Utopie und Demokratie. Grund und Ermutigung genug also, seine Hilfe als Vermittler zwischen dem Ästhetischen und dem Politischen in Anspruch zu nehmen!
Ästhetisches und Politisches: Eine Spurensuche in Schillers Leben und Werk »Nicht das Große, nur das Menschliche geschehe!« Es liegt nahe, meine Damen und Herren, dem Nachdenken über Demokratie und Utopie diese Worte Max Piccolominis aus Schillers Wallenstein voran zu stellen. Doch Schillers Genie strahlt zu hell am Himmel der Literatur, der Philosophie, der Kunsttheorie, der Geschichtsschreibung, ja der gesamten deutschen Geistesgeschichte, als dass man ihn mal eben en passant als Kronzeugen der eigenen Überlegungen in Beschlag nehmen könnte. Schiller ist die nicht im Mindesten graue, sondern im Gegenteil: verblüffend zeitlose Eminenz für Veränderungen des Politischen durch das Ästhetische und für den politischen Anspruch des Ästhetischen. Wer auch immer ein Loblied anstimmt auf den Wert und Beitrag des Ästhetischen für eine humane Gesellschaft, macht Bekanntschaft mit einer Erfahrung aus Grimms Märchen vom Hasen und vom Igel: Wohin auch immer die Wege des Nachdenkens über den gesellschaftlichen, den politischen Beitrag des Ästhetischen führen,
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Friedrich Schiller, der große Wortführer der deutschen Dichter und Denker, ist immer schon da – mit kämpferischer Attitüde, intellektueller Schärfe und sprachlicher Brillanz. Da sind zunächst einmal seine großen Dramen – Die Räuber, Don Karlos, Wallenstein, Maria Stuart, Wilhelm Tell und wie sie alle heißen –, in denen Schiller sich mit literarischen Mitteln politischen Fragen und politischen Machtspielen widmet. Er verarbeitet Zeitgeschichte – auch aus der Überzeugung heraus, dass das Theater ein Instrument der Aufklärung, eine Schule der praktischen Weisheit und des ästhetischen Sinns für das Wahre und Gute sein und damit zu einer besseren Gesellschaft beitragen kann. Diesen Anspruch hat er schon früh, nämlich 1784, in seiner enthusiastischen Rede Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet formuliert, aus der nicht nur der Stürmer und Dränger, sondern auch der auf Erlösung aus seiner prekären finanziellen Situation hoffende Künstler spricht. Die Suche nach Spuren des Zusammenwirkens des Ästhetischen und des Politischen in Schillers Vermächtnis lässt sich mit seiner politische Theorie des Ästhetischen fortsetzen: In den 1793 verfassten Briefen Über die Ästhetische Erziehung des Menschen hat er eindrucksvoll wie kaum jemand sonst beschrieben, was das Ästhetische für eine Gesellschaft zu leisten imstande ist. Er erachtete es als seine vornehmste Pflicht und Aufgabe, am »Bau einer wahren politischen Freiheit« mitzuwirken – mit den Mitteln der Kunst, des Spiels, das den Menschen erst zum Menschen macht und sein ganzes Wesen zur Entfaltung bringt. »[D]er Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt«: So hat Schiller vor dem Hintergrund einer beeindruckend hellsichtigen Gesellschaftsanalyse seine Überzeugung formuliert, dass wir mehr sein können und sollten als Rädchen im Getriebe einer zweckoptimierten Gesellschaftsmaschine, seine Zuversicht, dass wir uns mit Hilfe von Kunst und Kultur befreien können aus dem »stahlharten Gehäuse«, das Max Weber in seiner Schrift Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus so eindringlich beschrieben hat – wohlgemerkt gut 100 Jahre nachdem Schiller Munition geliefert hatte, um es zu sprengen. Interessant im Hinblick auf das Verhältnis des Ästhetischen und des Politischen ist auch Schillers Haltung zu den politischen Ereignissen seiner Zeit, die Anlass seines Plädoyers für eine geistige Revolution durch ästhetische Erziehung waren. Er hat mit bemerkenswerter politischer Weitsicht erkannt, dass Freiheit Freiheitsfähigkeit voraussetzt. Sein Idealismus hat ihn nicht blind gemacht für die Erkenntnis, dass die hehren Ideale, die die Französische Revolution entfacht hatten, in Willkür und Tyrannei zu Grabe getragen wurden, weil – wie er es formulierte »der freigebige Augenblick ein unempfängliches Geschlecht« vorge-
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funden habe. Es waren seine humanistischen Überzeugungen, die ihn – anders als die sich im Geiste der Aufklärung wähnende Avantgarde der Freiheitskämpfer – davor bewahrten, dem Ästhetischen (der Freiheitsidee) Vorrang einzuräumen vor dem Politischen (vor der Freiheitspraxis, vor der freiheitserhaltenden Absicherung gegen Willkür und Terror im Namen der Freiheit). Seine Utopie, die der Kunst eine revolutionäre Rolle zuweist, galt nicht dem »Großen«, sondern dem »Menschlichen«, um Max Piccolominis Worte noch einmal aufzugreifen. Es galt nicht der Weltrevolution, sondern den kleinen Revolutionen im Denken, im Wahrnehmen, im Empfinden, im Bewusstsein, die jeder gesellschaftlichen Veränderung vorausgehen. Mit dieser Utopie zielte er – Jürgen Habermas hat auf diesen Aspekt der Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen hingewiesen – nicht allein auf eine »Ästhetisierung der Lebensverhältnisse«, auf kulturelle Bildung, auf Entfaltung der Persönlichkeit. Schiller zielte damit auch, so hat Habermas es formuliert, auf eine »Revolutionierung der Verständigungsverhältnisse«: auf die im ästhetischen Kontext mit Hilfe von Kunst und Kultur erlernbare Fähigkeit, sich auch dort zu verständigen, wo Verständigung nicht möglich scheint, insbesondere über weltanschauliche und kulturelle Grenzen hinweg. Schillers politische Ästhetik hat sich im Übrigen auch in unserer Geschichte niedergeschlagen. Mit Neid sahen deutsche Geistesgrößen Ende des achtzehnten Jahrhunderts auf selbstbewusste Völker wie England und Frankreich in ihrer nicht nur territorialen Geschlossenheit, während Deutschland noch in Kleinstaaten zersplittert war. Friedrich Schiller gehört zu den führenden Köpfen, die politische und gesellschaftliche Umbrüche in Deutschland vorbereiteten, indem sie die Einheit der deutschen Nation im Geiste beschworen – in der Philosophie, in der Literatur, in der Kunst, im »Luftreich des Traumes«, wie Heinrich Heine 1844 in seinem Gedichtzyklus Deutschland. Ein Wintermärchen schrieb: Franzosen und Russen gehört das Land, Das Meer gehört den Briten, Wir aber besitzen im Luftreich des Traums Die Herrschaft unbestritten. Hier üben wir die Hegemonie, Hier sind wir unzerstückelt; Die andern Völker haben sich Auf platter Erde entwickelt. Deutschland war zuerst eine Kultur- und erst dann eine politische Nation. Das Ästhetische stiftete Einheit und Zusammenhalt, als die politische Einheit noch
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in weiter Ferne lag. Darauf gründet bis heute unser Selbstverständnis als Kulturnation. Nicht zuletzt steht Schiller auch mit seiner Biografie für eine Versöhnung des Ästhetischen mit dem Politischen: Aus dem radikalen Stürmer und Dränger und ästhetischen Provokateur, dessen Drama Die Räuber als Revolte gegen das feudale System eine ganze Generation mit dem Virus der Freiheitssehnsucht infizierte, wurde ein staatsbürgerlich denkender, weltkluger Visionär, der sich in der politischen Mitverantwortung für ein funktionierendes Gemeinwesen sah – eine im Inneren vollzogene Revolution, die er mit allen Mitteln der ästhetischen Erziehung auch draußen, in der Gesellschaft, anstoßen wollte. Wer im Leben und im Lebenswerk Friedrich Schillers nach Antworten sucht auf die politische Frage nach den Bedingungen eines guten gesellschaftlichen Zusammenlebens wird also ebenso fündig wie all jene, die ihn als geistigen Vater einer beispiellosen Aufwertung des Ästhetischen, als Apologeten des Guten, Wahren und Schönen, als Idealisten und Moralisten lesen. Das mag, neben dem zwei Jahrhunderte überstrahlenden Glanz seines Genies, ein Grund dafür sein, dass sich so viele Verehrer – gelegentlich vielleicht auch Männergesangsvereine – um Schillers Denkmal sammeln und Bruchstücke seines Vermächtnisses für sich reklamieren.
Die erste Lehre aus unserer Vergangenheit: Verteidigung des Ästhetischen Ich gestehe gerne, meine Damen und Herren, dass auch ich dieser Versuchung immer wieder gerne erliege – und zwar allein schon wegen der ergreifenden Schönheit seiner klaren Sprache selbst dort, wo er verschlungene Wege des Denkens einschlägt, um wortmächtig aus der Fülle und Tiefe seines Geistes zu schöpfen. »Kunst ist eine Tochter der Freiheit«, was für ein Satz! Wenige Worte, in denen sich ein ganzes Meer an Gedanken zu einem luzide schillernden Tropfen verdichtet! Wenn ich mir in meinen Reden über die Freiheit der Kunst ein Wie sagt doch Schiller… erlaube, dann deshalb, weil ich keine schöneren Worte kenne, mit denen diese Freiheit jemals in einem einzigen Satz verteidigt worden wäre. Die Freiheit der Kunst hat heute, anders als zu Schillers Zeiten, viele stimmund wortgewaltige Verteidiger – zum Glück! Deutschland hat lange dafür gebraucht. Das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Politik, zwischen Geist und Macht ist uns in unserer Geschichte seit der Zeit der Aufklärung und des Deutschen Idealismus immer wieder begegnet – vor allem in Form von Steinen auf dem Weg zur Demokratisierung. Zensur, Repression und politische Verfolgung gehörten nicht erst und nicht nur in den beiden deutschen Diktaturen zum
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Berufsrisiko von Intellektuellen und Künstlern. Die Flucht des Geistes vor der Staatsgewalt hat viele klangvolle Namen – eine Reihe, in der sich auch der Name Friedrich Schiller findet, der Stuttgart verlassen musste, weil Herzog Carl Eugen ihm nach dem Erfolg der Räuber literarisches Berufsverbot erteilt hatte. Umgekehrt gefallen Künstler und Intellektuelle sich bis heute oft in der Rolle der Politikverächter, die ihre vielfach berechtigte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen mit antidemokratischen Ressentiments unterlegen. Auf dem steinigen Weg Deutschland zur Demokratie haben viele kluge Köpfe – ja, man muss es so hart sagen – versagt: Man denke nur an das bittere Scheitern der Weimarer Republik. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Weimar mit der Weimarer Klassik für deutsche Vollendung im Ästhetischen und gleichzeitig mit der Weimarer Republik für deutsches Versagen im Politischen steht – dass Weimar als Stadt Schillers und Goethes beinahe Synonym geworden ist für die Kulturnation Deutschland und als Gründungsort der ihren Namen tragenden Republik Synonym für das Scheitern der ersten deutschen Demokratie. Von Weimar ist es nicht weit nach Buchenwald, als KZ-Gedenkstätte Fanal der Unmenschlichkeit der national-sozialistischen Diktatur und des moralischen Zusammenbruchs unseres Landes. Thomas Mann, einer der wenigen Intellektuellen, die aus den Reihen der Gegner der jungen Weimarer Republik ausscherten und sie offensiv verteidigten – schrieb später aus dem amerikanischen Exil über die Rolle der Dichter und Denker im Nationalsozialismus: Wenn damals die deutsche Intelligenz, alles, was Namen und Weltnamen hatte, Ärzte, Musiker, Lehrer, Schriftsteller, Künstler, sich wie ein Mann gegen die Schande erhoben, den Generalstreik erklärt hätte, das Land verlassen hätte, […] manches hätte anders kommen können als es kam. Anerkennen aber muss man, dass viele Künstler und Intellektuelle nach dem Zweiten Weltkrieg ganz im Sinne Friedrich Schillers mit ästhetischen Mitteln am Bau unseres demokratischen Gemeinwesens mitgewirkt haben, als geistige Trümmerfrauen und -männer auf den Ruinen einer auch kulturell und moralisch zerstörten Gesellschaft im Angesicht des beispiellosen Leids, das Deutschland über Europa gebracht hat. Viele sahen es als ihre heilige Pflicht, gegen die kollektiven Verdrängungsprozesse und den restaurativen Geist der jungen Bundesrepublik anzuschreiben. Anknüpfend an Simone Weils Diktum »Das Volk braucht Poesie wie Brot« formulierte beispielsweise Ingeborg Bachmann als (erste) Dozentin der Frankfurter Poetikvorlesungen 1959 / 60 den selbst gesteckten Anspruch: »Poesie wie Brot? Dieses Brot müßte zwischen den Zähnen knirschen und den Hunger wiedererwecken, ehe es ihn stillt. Und diese Poesie wird scharf von Erkenntnis
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und bitter von Sehnsucht sein müssen, um an den Schlaf der Menschen rühren zu können.« Wir brauchen Poesie, wir brauchen Kunst wie Brot – so könnte man die Lehre beschreiben, die Deutschland aus zwei Diktaturen gezogen hat und die da lautet: Kritik und Freiheit der Kunst sind konstitutiv für eine Demokratie. Kreative und Intellektuelle sind das Korrektiv einer Gesellschaft. Wir brauchen die provozierenden Künstler, die verwegenen Denker, die unbequemen Schriftsteller, wir brauchen die Utopien, die sie entwerfen, die Fantasie, die sie antreibt, die Sehnsucht nach einer besseren Welt! Sie sind der Stachel im Fleisch unserer Gesellschaft, der verhindert, dass intellektuelle Trägheit, argumentative Phantasielosigkeit und politische Bequemlichkeit die Demokratie einschläfern. Sie sind imstande, unsere Gesellschaft vor gefährlicher Lethargie und damit auch vor neuerlichen totalitären Anwandlungen zu bewahren. Die Freiheiten dieser Milieus zu schützen, ist deshalb heute oberster Grundsatz, vornehmste Pflicht verantwortungsvoller Kulturpolitik. In dieser Hinsicht haben wir unsere Lektion gelernt – auch aus der festen Überzeugung heraus, dass wir Werte und Wahrheiten jenseits von Politik, Geschichte und Ökonomie brauchen. Zwei Milieus sind es, die dazu Fühlung behalten, zwei Milieus, die eines gemeinsam haben, eben dass sie um Antworten auf letzte Fragen ringen: Die Kirchen und die Gläubigen, die Intellektuellen und die Künstler sind es, die Antworten suchen und zuweilen finden auf Fragen nach den Sinn stiftenden Kräften und Werten. Dies zu ermöglichen, begründet nicht nur eine Kulturpolitik, die der Freiheit der Kunst oberste Priorität einräumt, sondern verpflichtet uns alle, diese Freiheit immer wieder neu zu verteidigen. Verteidigen müssen wir sie nach innen, gegen Versuche der Zensur, gegen religiöse Fundamentalisten, die Angst schüren, um Künstler und Andersdenkende zum Verstummen zu bringen, aber auch gegen Spardiktate und rechtliche Regelungen auf Kosten künstlerischer Unabhängigkeit und kultureller Vielfalt. Verteidigen müssen wir sie aber auch nach außen in unseren politischen Beziehungen zu Ländern, in denen der Staat die Freiheit des Denkens einschränkt.
Die zweite Lehre aus unserer Vergangenheit: Verteidigung des Politischen Eine zweite Lehre aus unserer Vergangenheit, meine Damen und Herren, ist aber auch – ich habe es bereits angedeutet –, dass das intellektuelle und kulturelle Erbe schöpferischer Genies wie Goethe und Schiller, Kant und Kafka, Bach und Beethoven die Deutschen nicht davor bewahren konnte, zu »Hitlers willigen Vollstreckern« zu werden. Das verstörende Nebeneinander von menschlicher Geis-
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tesgröße und unmenschlicher Herzensverrohung in der deutschen Geschichte hat der Publizist Rüdiger Safranski, dem wir eine Reihe von fesselnd erzählten Biografien deutscher Dichter und Denker verdanken (darunter auch eine SchillerBiografie), in seinen Büchern als zwei Ausprägungen ein und derselben Geisteshaltung beschrieben. Diese Geisteshaltung, die er »das Romantische« nennt, ist die tief in der deutschen Seele verwurzelte Sehnsucht nach dem Wahren, nach ganzheitlicher Sinnstiftung, nach der Ordnung eines geschlossenen Weltbilds. Sie führt auf die höchsten Gipfel wie auch in die tiefsten Abgründe deutscher Geistes- und Kulturgeschichte, wie Safranski in seinem Buch Das Böse. Drama der Freiheit, einer Tour d’horizon durch die abendländische Geistesgeschichte, zeigt. Das Böse trägt hier nicht das Antlitz des Teufels, sondern es begegnet uns in den Irrwegen menschlicher Freiheit – auch und gerade in Ideologien und Utopien – vor allem mit dem Ziel, den Menschen zu bessern. In seinem Buch Romantik. Eine deutsche Affäre geht Safranski gar so weit, ein ganzes Kapitel der Beschäftigung mit einer auf den ersten Blick geradezu tollkühn scheinenden Frage zu widmen: »Wie romantisch war der Nationalsozialismus?« Hitler in einem Atemzug mit den Genies der Romantik – mit Eichendorff, Novalis, Hölderlin und wie sie alle heißen – zu nennen, das provoziert den Widerspruch geradezu reflexhaft, doch die »fatale Verbindung von Weltfremdheit und weltstürzendem Furor« als Gemeinsamkeit im Denken und Wahrnehmen lässt sich dann doch nicht bestreiten. Das Romantische, analysiert Safranski, will mit ästhetischen Mitteln eine neue, schönere Welt schaffen, ein Gegenbild zur Wirklichkeit, und bleibt doch, trotz hehrer Ideale, weltfremd, weil ihm ein auf Realismus, praktischer Klugheit und Weltläufigkeit gründender Humanismus fehle. Das Romantische als Sehnsuchtsort, als Unbehagen an der Entzauberung der Welt lebt fort – wir erleben es heute zum Beispiel in Form elitärer Politikverachtung, in der das Ästhetische und das Politische wie unversöhnliche Gegensätze erscheinen. Sie erinnern sich vielleicht, dass es im Sommer des vergangenen Jahres – wir waren mitten im Bundestagswahlkampf – eine ganze Reihe von Intellektuellen gab, die sich in Feuilletons und Fernsehshows dazu bekannten, von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch zu machen. In der ZEIT und im SPIEGEL klagten Philosophen, Schriftsteller, Künstler, Schauspieler, Publizisten und Sozialwissenschaftler über den »kollektiven Verlust der Utopiefähigkeit«, über das Fehlen von Visionen, von Antworten auf die großen Zukunftsfragen, über die Belanglosigkeit und Austauschbarkeit politischer Positionen, und Peter Sloterdijk ließ dazu angeblich noch ausrichten, er wisse nicht einmal, wann Wahltag sei. Es mag nur ein kleines Grüppchen sein, das da im Habitus der gesellschaftlichen Avantgarde, im Gewand der aufrechten Intellektuellen Politikverachtung kultiviert. Doch die Demokratie nimmt Schaden, wenn ein Teil ihrer Elite die Zurückweisung eines demokratischen Grundrechts öffentlichkeitswirksam zu einer besonders sub-
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versiven Form des »J’accuse!« stilisiert. Hier zeigt sich, wie eine romantisch verklärte Sehnsucht nach kollektiven Utopien zu Frust und Ressentiment führt, wenn sie in den Niederungen des demokratischen Alltags auf die politische Realität trifft. Demokratische Politik ist im Gemenge der Interessen dem Kompromiss verpflichtet, weil nur so ein friedliches und humanes Zusammenleben möglich ist. Sie sucht in der Vielfalt der Werte und Weltanschauungen, der Lebens- und Gesellschaftsentwürfe nach einem »übergreifenden Konsens« – um den einschlägigen Begriff des großen politischen Philosophen John Rawls zu gebrauchen, dessen Theorie der Gerechtigkeit zu den einflussreichsten Werken der politischen Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert zählt. Die vermeintliche Schwäche der Demokratie – die Nüchternheit ihrer Politik, ihre Distanz zu den letzten Fragen – macht bei Licht betrachtet ihre Stärke aus: weil sie damit unser aller Freiheit sichert und uns vor weltanschaulich begründeter Willkür im Namen großer Ideen schützt. In diesem Sinne muss die Demokratie Vorrang vor der Utopie haben. Der Preis einer freiheitlichen Demokratie ist, ich zitiere Rüdiger Safranski, eine wahrheitspolitisch abgemagerte Politik; eine Politik ohne Sinnstiftungsambitionen, die es den einzelnen erlaubt, nach ihren Wahrheiten zu suchen; eine Politik ohne geschichtsphilosophisches Pathos und weltanschauliches Tremolo. Eine Politik, die vielleicht gerade wegen dieser lebensdienlichen Enthaltsamkeit ein wenig langweilt, vielleicht sogar unansehnlich ist: ebenso unansehnlich und gewöhnlich wie unsere gewöhnlichen, alltäglichen, kleinkarierten, egoistischen Interessen, um deren vernünftigen Ausgleich untereinander […] sich die Politik zu bemühen hat. So wie die Freiheit der Kunst konstitutiv für eine humane Gesellschaft ist, so ist es auch die nüchterne Rationalität demokratischer Politik. Deshalb sollten wir einerseits die Freiheit der Kultur und des Geistes mit Verve verteidigen, zugleich aber andererseits – um der Freiheit willen! – ihre politischen Ansprüche begrenzen.
Die Versöhnung des Ästhetischen mit dem Politischen Wenn wir diese beiden Lektionen aus unserer Geschichte – die Freiheit der Kunst einerseits, der Vorrang der Demokratie vor der Utopie andererseits – ernst nehmen, wird klar: Die Versöhnung des Ästhetischen mit dem Politischen bedeutet nicht das Vermeiden von Streit, von Konflikten, von Konfrontationen zwischen Kunst und Politik, von Geist und Macht. Ganz im Gegenteil: Künstler und Intel-
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lektuelle sollen unbequem sein, sie sollen mögliche andere Welten beschreiben, sie sollen Widerspruch provozieren, sie sollen, wie Jürgen Habermas das einmal formuliert hat, mit einem »avantgardistische[n] Spürsinn für Relevanzen« wichtige Themen auf die Agenda der öffentlichen Debatte setzen, originelle Thesen aufstellen, den Perspektivenwechsel fördern, Argumente entwickeln, die GrauTöne zwischen Schwarz und Weiß sichtbar machen, und schön wäre es, wenn sie damit das Niveau der öffentlichen Auseinandersetzungen steigerten, statt sich in antidemokratischen Ressentiments mit dem Stammtisch zu verbrüdern. Was Künstler und intellektuelle Vordenker auszeichnet, ist ihr Mut zum Experiment, das immer auch das Risiko des Scheiterns einschließt, und es sagt viel über die Verfasstheit einer Gesellschaft aus, wie sie mit dieser Avantgarde umgeht. Ihr »avantgardistischer Spürsinn für Relevanzen« gedeiht dort am besten, wo sie nicht gefallen müssen – wenn sie es doch tun, umso besser. Bleibt die Frage: Gibt es sie, die Künstler und Intellektuellen, die ihre Träume von einer besseren Welt mit Sinn für politische Verantwortung formulieren? Ja, es gibt sie. Sie treten nur – aus gutem Grund – weder als quotensteigernde Talkshow-Protagonisten noch als auflagenstarke Autoren mit reißerischen Buchcovern in Erscheinung. Stellvertretend für viele sei der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani genannt, der in diesem Jahr zum 65. Geburtstag unseres Grundgesetzes im Deutschen Bundestag eine emotional berührende und intellektuell feinsinnige Rede gehalten hat, eine »ungeheure Rede […] voller Liebe und Wut«, wie DIE ZEIT es auf den Punkt brachte – eine Rede, die eine von Herzen kommende Dankbarkeit für die demokratischen Errungenschaften und die Integrationsfähigkeit unseres Landes mit schonungsloser Kritik an der deutschen Asylpolitik im Angesicht des Flüchtlingselends an den Außengrenzen der EU verknüpfte. Navid Kermani hat damit auch gezeigt, wie man als Intellektueller der demokratischen Realität und dem Ideal einer besseren Welt gleichermaßen mit Herz und Verstand verpflichtet sein kann – auch wenn es nicht jedem gefällt. Auf der Suche nach einer besseren Welt kommen wir ohne das eine ebenso wenig wie ohne das andere aus. Deshalb sollten Künstler und Intellektuelle sich ebenso beherzt zum Vorrang der Demokratie vor der Utopie im Politischen bekennen wie überzeugte Demokraten die Idee der Freiheit und Unabhängigkeit der Kunst verteidigen sollten. Wir alle sollten dabei der Versuchung widerstehen, weltanschauliche Wahrheiten zum Maßstab von Politik machen zu wollen. Vielleicht gelingt es uns sogar, das Ästhetische und das Politische nicht als faustisches »Ach!« zweier Seelen in unserer Brust zu empfinden – diese kleine Reminiszenz an Goethe ist gewiss auch einer Schillerrednerin vergönnt –, sondern darin nüchtern die zwei Herzkammern einer vitalen Demokratie zu erkennen, die beide
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gemeinsam zum Lebenserhalt unseres Gemeinwesens beitragen: das Ästhetische, weil im Schöpferischen, im Fantastischen, im Weltanschaulichen, in der Sehnsucht nach Sinnstiftung und in der Suche nach Antworten auf letzte Fragen des Menschseins die persönliche Entfaltung des einzelnen und die bereichernde Vielfalt unserer Kultur gedeiht; das Politische, weil in der Nüchternheit, im Pragmatismus, in der Sachlichkeit, in der Distanz zu Utopien die Freiheit des einzelnen gründet. Beides zusammen begründet die Humanität einer Gesellschaft. Mit dieser Haltung, meine Damen und Herren, können wir guten Gewissens für uns in Anspruch nehmen, was Schiller in seinem letzten Brief an Wilhelm von Humboldt geschrieben hat: »Und am Ende sind wir ja beide Idealisten und würden uns schämen, uns nachsagen zu lassen, dass die Dinge uns formten und nicht wir die Dinge.«
deutsche schillergesellschaft
ulrich raulff
jahresbericht der deutschen schillergesellschaft 2014 / 2015
Das Jahr 2014 als Jahr des Erinnerns an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren wurde auch im Deutschen Literaturarchiv Marbach sichtbar. Die große Wechselausstellung »August 1914. Literatur und Krieg« leitete schon im Oktober 2013 das Gedenken ein und wurde 2014 mit einem Thementag »1914 / Der ganze Prozess« beendet. Die Ausstellung stieß auf große Resonanz, was sich unter anderem darin zeigte, dass das begleitende Marbacher Magazin bald ausverkauft war und nachgedruckt werden musste. Im Zuge der Ausstellung rekonstruierte die Bibliothek des DLA eine Truppenbibliothek (gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft) und kam in den Besitz des weltweit einzigen erhaltenen Bücherschranks einer Lazarettbibliothek, der als Dauerleihgabe dem DLA übergeben wurde. Mit Hilfe der an der Innenseite des Schrankes aufgeklebten Bestandsliste ist es möglich, die Lazarettbibliothek sukzessive zu ergänzen. Die große Reihe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung »100 Jahre Erster Weltkrieg«, bei der die Hälfte der 30 Folgen von unseren Mitarbeitern bestritten wurde, zeigte ebenfalls das große öffentliche Interesse am Literaturarchiv als Forschungsquelle für den Ersten Weltkrieg. Zur Eröffnung der zweiten großen Wechselausstellung des vergangenen Jahres unter dem Titel »Der Wert des Originals« sprach Ministerin Theresia Bauer in der Schillerwoche. Sie würdigte die wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung der Ausstellung, die für das Deutsche Literaturarchiv programmatischen Wert besaß und als intellektuelle Leistung Presse und Besucher gleichermaßen beeindruckte. Mit Monika Grütters war am selben Abend weitere politische Prominenz bei uns zu Gast. Unter dem Titel »Über die Versöhnung des Ästhetischen mit dem Politischen« hielt die Berliner Kulturstaatsministerin die traditionelle Schillerrede. Der nächste Höhepunkt folgte noch in derselben Woche am Schillersonntag: Der seit langem ersehnte Verbindungsgang zwischen dem Schiller-Nationalmuseum und dem Literaturmuseum der Moderne konnte endlich eröffnet werden und beherbergt nun eine Ausstellung zu »Mörikes Dingen«. Der Schillersonntag klang aus mit einer vielbesuchten Lesung von Martin Walser aus seinen Tagebüchern. Fraglos ein unvergessliches Erlebnis für die zahlreichen Besucher war der Auftritt von Siegfried Lenz, der am 6. April in Marbach ankündigte, seinen Vorlass nach
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Marbach zu geben und in einer öffentlichen Matinée im Gespräch mit Ulrich Greiner über sein reiches literarisches Schaffen berichtete. Gleich zweimal wählte die Kulturstiftung der Länder, deren rotierender Ratsvorsitz im Jahr 2014 dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zufiel, das DLA als Tagungsort. Neben der jährlichen Stiftungsratssitzung, bei der der Ministerpräsident persönlich anwesend war, galt auch der Ausflug des Freundeskreises der KSL dem DLA. Sicherlich ist es ebenso dem Engagement vieler Kollegen bei diesen Besuchen zu verdanken, dass sich die KSL im letzten Jahr gleich an mehreren Erwerbungsankäufen mit hohen finanziellen Unterstützungen beteiligte. Womit wir bei den Erwerbungen wären: Neben dem Nachlass von Siegfried Lenz kamen unter anderem auch die jeweils ersten Teile der Vorlässe von Hans Magnus Enzensberger (Manuskripte und Briefe) und Martin Mosebach (Manuskripte), sowie die Vorlässe von Durs Grünbein (Gedichte, Entwürfe, Prosa, Briefe) und von Botho Strauß (Manuskripte, Briefe, Fotografien), daneben Nachträge zu den Nachlässen von Nicolai Hartmann, Martin Heidegger und Sarah Kirsch ins Haus. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Erwerbung des Notizhefts von Martin Heidegger »Anmerkungen I« (»Schwarzes Heft«) sowie die Erwerbung der Einzelautographen von Franz Kafka (Brief an Max Brod vom 11. September 1922) und Friedrich Schiller (Ausschnitt aus der Ballade »Nadowessische Totenklage«, Brief an Frauenholz). Für den Bestand der »Bilder und Objekte« ist die Erwerbung der Totenmaske von Harry Graf Kessler erwähnenswert. Im Bereich der Tagungen sind vor allem das Symposium zur fünfzigjährigen Geschichte von Poetik und Hermeneutik zu nennen, deren Themenfelder die Aspekte der Theoriebildung, interdisziplinärer Kooperationen wie die entstandenen Netzwerke im Umfeld der Forschungsgruppe waren, sowie die Tagung zum psychoanalytischen Paradigma in Kultur-, Literatur- und Medientheorie. Mit den Veranstaltungen zu Nicolai Hartmann, den Familien Curtius und Picht und der ersten von insgesamt drei großen Tagungen zu Friedrich Schiller (»Schillers Europa«) zeigte das Tagungsprogramm deutliche Verbindungen zu wichtigen Nachlässen bzw. neuen Nachlasserwerbungen. Nach der Besetzung aller Stellen hat die inhaltliche Arbeit des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel Fahrt aufgenommen. Der Öffentlichkeit wurde der Verbund am 19. Mai 2014 in einem Festakt in Berlin, in der Vertretung des Freistaats Thüringen beim Bund, von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, vorgestellt. Auf internationaler Ebene trat im Rahmen des Programms Global Archives ein Forschungsprojekt mit Brasilien neu hinzu. Wie das bereits laufende Projekt in Israel widmet es sich der Erforschung und Erschließung deutschsprachiger Archivbestände. Neben Israel und Brasilien sollen unter anderen indische, chinesische und westafrikanische Partner folgen.
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Die Kooperation mit dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation in Moskau führte zu der Ausstellung »Anton Tschechows Reise nach Sachalin«, die mit großem Interesse aufgenommen wurde. Die Fotografien, die Anton Tschechow bei seinem Besuch auf der Häftlingsinsel anfertigen ließ, und die sich im Besitz des Staatlichen Literaturmuseums der Russischen Föderation befinden, wurden hier zum ersten Mal überhaupt ausgestellt. Den größeren Rahmen bot unsere Wechselausstellung »Reisen. Fotos von unterwegs«, die von Christoph Ransmayr eröffnet wurde und mehr als 1000 Fotos aus den Bildbeständen des DLA zeigte: vom Schnappschuss bis zur professionellen Reiseaufnahme, aufgenommen in einem Zeitraum von über 120 Jahren. Außerdem ging im letzten Jahr unsere längste Ausstellungsreihe zu Ende: »Nicht enden können. Thomas Bernhards Korrekturen« hieß die letzte der insgesamt 12 Suhrkamp-Inseln, die seit 2010 vier Jahre lang, mit drei Wechseln pro Jahr, Schlaglichter auf die Bestände des Suhrkamp-Insel-Verlagsarchivs geworfen hat. Die Ausstellungen ließen die Dimensionen des Materialreichtums und auch der -vielfalt des Archivs erahnen, das noch lange Jahre die Grundlage für Forschungsarbeiten sein wird. Weitere Ausstellungen in den unterschiedlichen Formaten unseres Hauses befassten sich mit Alfred Andersch und Dieter M. Gräf, Zeitkapseln widmeten sich Siegfried Kracauers Bildnachlass, Johann Friedrich Cottas Bildkünsten und Wolf Jobst Siedler und dem Siedler-Verlag. Elisa Klapheck stellte ihre große Margarethe Susman-Biografie vor, Georges Arthur Goldschmidt erläuterte seine Form des Schreibens, Ulrike Draesner und Felicitas Hoppe zeigten ihre persönliche Sicht in die Reise-Ausstellung, Michael Köhlmeier und Rainer Stach stellten ihre jüngsten Veröffentlichungen vor. Die Arbeitsstelle für Literarische Museen, Archive und Gedenkstätten hat im letzten Jahr mit einer neuen Dauerausstellung im UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Maulbronn eine neue Attraktion für das Literaturland Baden Württemberg eröffnen können. Die Ausstellung »Besuchen – Bilden – Schreiben. Das Kloster Maulbronn und die Literatur« überblickt mehr als acht Jahrhunderte und gibt fast 50 Schriftstellerinnen und Schriftstellern eine Stimme, die in den Mauern des Klosters gelebt und gelernt oder die es besucht haben. Das Problem der rückläufigen Mitgliederzahlen der Deutschen Schillergesellschaft setzte sich leider auch im Jahr 2014 fort. Auch wenn der Mitgliederschwund nicht das gleiche Ausmaß hatte wie im Vorjahr, sind dennoch 160 Personen weniger Mitglied in der Deutschen Schillergesellschaft. Diesen negativen Trend zu stoppen, muss unsere Anstrengung in den nächsten Jahren sein. Zuletzt noch ein Dank an den wissenschaftlichen Beirat, das Kuratorium und den Präsidenten, Peter-André Alt. Auch im vergangenen Jahr haben sie ihre verantwortungsvolle Arbeit hervorragend fortgeführt und mit dazu beigetragen, dass das Deutsche Literaturarchiv Marbach seiner Rolle als eine der bundesweit wichtigsten Einrichtungen geisteswissenschaftlicher Forschung gerecht werden konnte.
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Auch das nächste Jahr wird naturgemäß viele Veränderungen und Neuerungen bringen, vor allem aber wird es ein Jahr der Rückschau sein: Im Jahr 2015 feiern wir das 60-jährige Bestehen des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Eine Veranstaltungsreihe mit und über Autoren der Gegenwart wird das Jubiläumsjahr begleiten.
ARCHIV 1 Erwerbungen 1.1 Handschriftensammlung 1.1.1 Vorlässe, Nachlässe, Teilnachlässe und Sammlungen Adolf Bachmeister: Nachtrag zum Nachlass. Gedichte, Reden und Vorträge; Gedichte und Briefe von Christian Friedrich Daniel Schubart (Meinem Julchen zum Geburthsfeste), Helene Schubart, Balthasar Haug (an Friedrich Haug), Victor Matthäus Bührer (Das Konzert), Herzog Carl Eugen von Württemberg, Franziska von Hohenheim, Gustav Schwab (An die Wurmlinger Capelle), u. a. B.-Behr’s-Verlag: Autografensammlung und Familienpapiere. Athener Erinnerungen 1895–1896 von Walther Bloch; Briefe an Adalbert und Walther Bloch von Oscar Bie, Houston Steward Chamberlain, Richard Dehmel, Paul Heyse, Arno Holz, Detlev von Liliencron, Wilhelm Raabe, Gerhard Rohlfs, August Strindberg u. a. Rudolf Borchardt: Nachtrag zum Nachlass. Briefe an und von Lina und Peter Voigt; Briefe von Franz Blei, Martin Bodmer, Carl Jakob Burckhardt, Benno Geiger, Alexander von Gleichen-Rußwurm, Gerty von Hofmannsthal, Gustav Pauli, Heinz Risse, Rudolf Alexander Schröder, Herbert Steiner, Peter Suhrkamp, Eberhard Zwirner. Manuskripte anderer: Gedicht von Saladin Schmitt. Elisabeth Borchers: Nachtrag zum Nachlass. Briefe von Jurek Becker, Peter Hamm u. a.; Fotografien aus dem Umfeld des Suhrkamp Verlags und der Familie. Franz Anton Dietzenschmidt: Nachlass. Gedichte; Dramatisches: Kleine Sklavin, Mord im Hinterhaus, Der Verräter Gottes, Vom lieben Augustin u. a.; Prosa: König Tod (Sammlung) u. a.; Briefe an und von Vicki Baum, Max Brod, Paul Fechter, Heinrich George, Paul Gurk, Enrica von Handel-Mazzetti, Camill Hoffmann, Siegfried Jacobsohn, Franz Servaes, Leo Weismantel u. a.; Lebensdokumente; Manuskripte anderer von Béla Balász, Paul Gurk, Erwin Piscator, Felix Salten, Ernst Toller u. a. Deutsche Verlags-Anstalt: Nachträge. 1. Engelhorn-Verlag. Briefe an und von Julius Bab, Helene Böhlau, Ida Boy-Ed, Paul Bonatz, Otto Flake, Herbert Eulenberg, Alfred A. Knopf, Ernst Lissauer, Alfred Neumann, Robert Neumann, Alexander Roda-Roda, Max Rychner, Clara Viebig, Richard Voss u. a.; Briefe und Dokumente zur Familienund Verlagsgeschichte; Autorenporträts. 2. Hallberger-Verlag. Briefe an und von Peter Behrens, Marie von Bunsen, Georg Ebers, Marie von Ebner-Eschenbach, Irene Forbes-
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Mosse, Hermann Hesse, Paul Heyse, Friedrich Huch, Ricarda Huch, Thomas Mann, Fritz Mauthner, Auguste Supper u. a. Wilhelm Emrich: Nachlass. Manuskripte, Materialien zu seinen Lehrveranstaltungen und Editionen (Arno Holz, Carl Sternheim); Briefe an und von Theodor W. Adorno, Gottfried Benn, Hermann Broch, Kasimir Edschmid, Willy Haas, Theodor Heuss, Kurt Hiller, Hans Henny Jahnn, Martin Kessel, Siegfried Kracauer, Ernst Kreuder, Thomas Mann, Hans Erich Nossack, Frank Thiess, Benno von Wiese; Brief von Joseph Roth; Lebensdokumente, Verträge, Verlagsunterlagen. Hans Magnus Enzensberger: Erster Teil des Vorlasses. Lyrik: Blindenschrift, Die Furie des Verschwindens, Kiosk, Mausoleum, Rebus u. a.; Epos: Der Untergang der Titanic; Dramatisches: Das Verhör von Habana, Die Tochter der Luft u. a.; Prosa: Ach Europa!, Der kurze Sommer der Anarchie, Hammerstein oder der Eigensinn, Herrn Zetts Betrachtungen, Politik und Verbrechen u. a.; Briefe an und von Theodor W. Adorno, Günther Anders, Alfred Andersch, Hannah Arendt, Ingeborg Bachmann, Jürgen Becker, Johannes Bobrowski, Heinrich Böll, Italo Calvino, Paul Celan, Bruce Chatwin, Rudi Dutschke, Christian Enzensberger, Peter Esterházy, Erich Fried, Max Frisch, Günter Grass, Durs Grünbein, Lars Gustafsson, Wolfgang Hildesheimer, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Claudio Magris, Herbert Marcuse, Martin Mosebach, Pablo Neruda, Christoph Ransmayr, Peter Rühmkorf, Nelly Sachs, Gaston Salvatore, W. G. Sebald, Charles Simic, Susan Sontag, Martin Walser, Peter Weiss u. a. Fritz Rudolf Fries: Nachtrag zum Nachlass. Prosa Last Exit to El Paso. Briefe von Elisabeth Borchers, Günter de Bruyn, Heinz Czechowski, Uwe Johnson, Daniel Kehlmann, Walter Kempowski, Sarah Kirsch, Erich Loest, Klaus Piper, Fritz J. Raddatz, Leila Vennewitz, Klaus Wagenbach, Christa Wolf u. a. Ulrich Fülleborn: Teilnachlass. Vorlesungsmanuskript Der moderne Roman, Material zu den Rilke-Ausgaben im Insel-Verlag, Briefe an und von Klaus Peter Dencker, Richard Exner, Walter Helmut Fritz, Helmut Heißenbüttel, Peter Horst Neumann u. a. Hanns Grössel: Nachlass. Übersetzungen und Autorendossiers zu H. C. Andersen, Inger Christensen, Louis-Ferdinand Céline, Lars Gustafsson, José-Maria de Heredia, Paul Léautaud, Raymond Roussel, Tomas Tranströmer, Leon Werth u. a.; Briefe an und von Günter de Bruyn, Inger Christensen, Ulrikka S. Gernes, Lars Gustafsson, Eugen Hemlé, Günter Herburger, Friedhelm Kemp, Peter Rühmkorf, Arno Schmidt, Tomas Tranströmer u. a. Durs Grünbein: Vorlass. Gedichtsammlungen Aroma, Cyrano oder die Rückkehr vom Mond, Falten und Fallen, Koloß im Nebel, Lob des Taifuns, Nach den Satiren, Porzellan, Schädelbasislektion, Strophen für übermorgen, Vom Schnee oder Descartes in Deutschland u. a., Gedichte und Entwürfe; Prosa; Essays, Reden und Aufsätze Vom Stellenwert der Worte, Warum schriftlos leben u. a., Briefe an und von Hans Magnus Enzensberger, Manfred Fuhrmann, Georges-Arthur Goldschmidt, Wolfgang Rihm, George Steiner, Siegfried Unseld u. a.
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Nicolai Hartmann: Zweiter Teil des Nachlasses. Abhandlungen Ästhetik, Die Philosophie des deutschen Idealismus u. a., Vorlesungen, Vorträge; Briefe von Otto F. Bollnow, Hans Driesch, Hans Freyer, Wilhelm Kamlah, Jürgen von Kempski, Richard Kroner, Gerhard Krüger, Michael Landmann, Theodor Litt, Helmuth Plessner, Joachim Ritter, Gilbert Ryle, Eduard Spranger u. a.; Gutachten, Kalender; Tonband, Arbeitsexemplar Metaphysik der Erkenntnis. Martin Heidegger: Ergänzungen zum Nachlass. Prosa Anmerkungen I (»Schwarzes Heft«), Der Satz vom Grund, Verschiedenes Notizen zum Thema Seinserfahrung. Briefwechsel mit seinem Bruder Fritz, seinen Eltern, Elisabeth Krumsiek-Gerber u. a. Manfred Peter Hein: Zweiter Teil des Vorlasses. Gedichte Gegenzeichnung, Die Katze ihr Zeitmaß, Orte der Verbannung, Spiegelkehre, Über die dunkle Fläche, Zwischen Winter und Winter u. a. Funkdialoge, Prosa Fluchtfährte, Nördliche Landung, Vom Umgang mit Wörtern u. a. Briefe von Johannes Bobrowski, Günter Eich, Michael Hamburger, Helmut Heißenbüttel, Thomas Kling, Nelly Sachs u. a. Alfred Walter Heymel: Nachtrag zum Nachlass. Manuskript Die drei Gevattern. Drei Sonette; Briefe an und von Clara Heye, Joseph Hofmiller und Johannes Schröder. Paul Hoffmann: Nachlass mit Kryptonachlass Karl Wolfskehl. Manuskripte; Vorlesungen zum Symbolismus u. a.; Briefe an und von Ilse Aichinger, Jürgen Becker, Volker Braun, Inger Christensen, Manfred Frank, Durs Grünbein, Peter Härtling, Stephan Hermlin, Wolfgang Hilbig, Ernst Jandl, Sarah Kirsch, Wulf Kirsten, Thomas Kling, Michael Krüger, Günter Kunert, Friederike Mayröcker, Cees Nooteboom, Oskar Pastior, Peter Rühmkorf, Rüdiger Safranski, Marlene Streeruwitz, Peter Waterhouse u. a.; Tonaufnahmen der Symbolismus-Vorlesungen. Erich Kästner: Ergänzungen zum Nachlass. Prosa Maus im Wohnzimmer, Schulhefte und Studienaufzeichnungen, Briefe von und an Ilse Julius, Ida und Emil Kästner. – Drucksachen, Fotografien. Harry Graf Kessler: Nachtrag zum Nachlass. Prosa: Entwurf eines englischsprachigen Romans, zwei längere Prosafragmente; Konvolut eigenhändiger Notizen; Manuskripte anderer von Max Goertz; Briefe an und von Jacques de Brion, Elisabeth Förster-Nietzsche, Hugo von Hofmannsthal, Theodor Plivier (mit dem Manuskript Demokratie) u. a. Sarah Kirsch: Nachtrag zum Nachlass. Gedichtentwürfe, Notizbücher, Tagebücher und Kalender 1968–2007, Adressbücher, Briefe von Karl Corino, Siegfried Höllrigel, Christoph Meckel, Gerlind Reinshagen, Helga Schubert, Natascha Ungeheuer u. a., Korrespondenzen zu Lesereisen, Ausweise, Preisurkunden; Aquarelle, Künstlerbücher. Hermann Lenz: Sammlung Klaus Berge. Prosa Erinnerung an Karl Stirner, Fahrender Sänger, Stuttgart deine Straßen (handschriftliche Notizbücher); Briefe an Heinz Birker, Rolf Michaelis, Erich Seemann, Karl Schumann u. a.
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Siegfried Lenz: Nachlass. Gedichte, frühe Dramen, Romane und Novellen Die Auflehnung, Die Deutschstunde, Es waren Habichte in der Luft, Das Feuerschiff, Fundbüro, Heimatmuseum, Die Klangprobe, Landesbühne, Die Maske, Schweigeminute, Stadtgespräch, Das Vorbild u. a., zahlreiche Entwürfe und Reinschriften von Erzählungen, Studienaufzeichnungen, Rundfunkmanuskripte, Reden, Essays, Notizen u. a.; Briefe von Heinrich Böll, Willy Brandt, Hilde Domin, Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, Martin Gregor-Dellin, Peter Härtling, Wolfgang Hildesheimer, Horst Janssen, Walter Kempowski, Gerhard Köpf, Pavel Kohut, Lew Kopelew, Amos Oz, Fritz J. Raddatz, Marcel Reich-Ranicki, Hans Werner Richter, Helmut und Hannelore Schmidt, Manès Sperber, Richard von Weizsäcker u. a. Leserbriefe, Korrespondenzen mit dem Verlag Hoffmann und Campe und anderen Verlagen- und Rundfunkredaktionen, Protokolle der Hamburger Freitagsgesellschaft u. a.; Zeitungsausschnittsammlung; Fotografien. Literaturhaus Stuttgart: Depositum. Fünf Gästebücher aus den Jahren 2001–2013 mit Einträgen von Paul Auster, Joachim Gauck, Wilhelm Genazino, Robert Gernhardt, Georges-Arthur Goldschmidt, Günter Grass, Durs Grünbein, Friedrich Kittler, Herta Müller, Peter Rühmkorf, W. G. Sebald, Martin Walser u. v. a. Rolf Michaelis: Nachlass. Prosa Federico García Lorca, Heinrich von Kleist u. a.; Briefe von Herbert Achternbusch, Jürgen Becker, Wolf Biermann, Elisabeth Borchers, F. C. Delius, Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, Peter Hamm, Peter Handke, Ludwig Harig, Peter Härtling, Elfriede Jelinek, Walter Jens, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Gertrud Leutenegger, Erich Loest, Christoph Meckel, Herta Müller, Helga M. Novak, Fritz J. Raddatz, Friederike Roth, Wolf Jobst Siedler, Botho Strauß, Uwe Timm, Martin Walser u. a. Martin Mosebach: Erster Teil des Vorlasses. Manuskripte: Das Beben, Das Bett, Das Lamm, Die Marquise verließ..., Oberon, Ruppertshain, Was davor geschah, Westend, Kissenbuch mit Zeichnungen. Rowohlt-Verlag: Nachtrag. Tagesablage Verlagsleitung Michael Naumann; Lektoratsakten von Hans Georg Heepe mit Originalmanuskripten von Uta von Kardorff (König Meyer) und Rolf Hochhuth (Liebe in Deutschland, Tod eines Jägers, Gedichte); Tondokumente von der Frankfurter Buchmesse 1953 und von Ernst Rowohlt in Marburg 1954. Peter Salomon: Vorlass. Briefe an und von: Jürgen Becker, Nicolas Born, Friedrich Christian Delius, Ingeborg Drewitz, Hans Magnus Enzensberger, Hubert Fichte, Wilhelm Genazino, Günter Grass, Ulla Hahn, Ernst Jünger, Wulf Kirsten, Ruth Klüger, Marcel Reich-Ranicki, Arnold Stadler, u. a.; Materialsammlungen zu unbekannten Expressionisten; Kryptonachlass Rolf Nörtemann. Hans Joachim Schädlich: Ergänzungen zum Vorlass. Prosa Kokoschkins Reise, Sire, ich eile, Vorbei, Briefe von Hans Christoph Buch, F. C. Delius, Julia Franck, Rolf Haufs, Hans Georg Heepe, Sarah Kirsch, Uwe Kolbe, Günter Kunert, Christoph Meckel, Herta Müller, Robert Schindel, Lutz Seiler, Richard Wagner u. a.
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Albert von Schirnding: Vorlass. Vorträge und Aufsätze, Autobiographisches: Alphabet meines Lebens, Tagebücher, Aufzeichnungen und Materialien zu Ernst Jünger. Briefe von Horst Bienek, Joseph Breitbach, Hans Carossa, Tankred Dorst, Günter Eich, Wilhelm Genazino, Peter Härtling, Zbigniew Herbert, Ernst und Gretha Jünger, Sarah Kirsch, Wolfgang Koeppen, Karl Krolow, Wilhelm Lehmann, Hermann Lenz, Siegfried Lenz, Martin Mosebach, Sten Nadolny, Ina Seidel, Bernward Vesper, Martin Walser, Dieter Wellershoff u. a. Martin Walser: Nachtrag zum Vorlass (Depositum). Romane Angstblüte, Der Augenblick der Liebe, Inszenierung, Der Lebenslauf der Liebe, Ein liebender Mann, Muttersohn, Tod eines Kritikers, Essayistisches Heimatlob. Ein Bodensee-Buch; Der Lebensroman des Andreas Beck; kleine Prosa, Aphorismen Meßmers Reisen; Verwaltung des Nichts; Tagebuch Leben und Schreiben u. a. Franz Wurm: Nachtrag zum Nachlass. Gedichtsammlungen und Gedichte, Prosa, Übersetzungen, Tage- und Notizbücher 1977–2010; Familienbriefe (1939 ff.); Briefe an und von Jeremy Adler, Eric Celan, Martin Dreyfus, Michael Hamburger, Michael Krüger, Friedhelm Kemp, Thomas Mann, Kurt Marti, Friederike Mayröcker, Kevin Perryman, D. E. Sattler u. a.; Manuskripte von Paul Celan und Günter Eich; Brief von Paul Celan; Fotografien.
1.1.2 Kleinere Sammlungen und Einzelautographen (Auswahl) Alfred Andersch: Karte an Christian Roth. – Lou Andreas-Salome: Ródinka. Eine Erinnerung, Postkarte von Samara, Fotografien. (Depositum) – Ida Maria Bauer: Brief an Elly Heuss-Knapp. – Gottfried Benn: Briefe von F. W. Oelze und Ilse Benn über ihn an Jürgen Fackert. – Johannes Bobrowski: Briefe an Georg Bobrowski; biographische Materialien; Briefe an Wilfried Fonrobert. – Rudolf Borchardt: Briefe an Christa Windsloe. – Hubertus Bolongaro-Crevenna: Reiseschilderungen, Tagebuchnotizen und Briefe aus seiner Zeit in Paris 1942–1944. – Hermann Broch: Der Tod des Vergil (Kopie). – Günter de Bruyn: Briefe an Stefan Berg. – Hans Carossa: Briefe an Kurt Oxenius. – Paul Celan: Widmung auf einer Eintrittskarte. – Ernst Robert Curtius: Briefe an ihn von Max Brod, Ludwig Curtius, Paul Friedländer, Carl Gustav Jung, Ernst Kantorowicz, Adolf Reichwein, Fritz Saxl, Erich Seeberg, Werner Technau, Miguel de Unamuno, Viktor von Weizsäcker. – Hilde Domin: Briefe an Thomas Stolle. – Werner Dürrson: Briefe, Tagebücher, Kalender, Studien- und Arbeitshefte, Studien zur Poetik, Notizhefte. – Günter Eich: Karte an Gerhard Zschockelt. – Norbert Elias: Beruf und Ehe; Briefe von Albert Henry Halsey und Stephen Mennell über ihn. – Hans Magnus Enzensberger: Briefe an Sezer Duru. – Cäsar und Edith Flaischlen: Gedichte. – Reinhard Goering: Materialien zu seinen Werken und seiner Biographie. – Albrecht Goes: Brief an Edeltraud Sperling; Briefe an Sabine Werner. – Rainald Goetz: Brief an Christoph Heinkele mit Schiller-Gedächtnis-Preis-Rede 2013
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und Materialien. – George-Arthur Goldschmidt: Briefe von Peter Handke. – Günter Grass: Briefe an Bernhard Beutler. – Ludwig Greve: Gedichte und Gedichtentwürfe, Briefe von und an ihn, u. a. von Ernst Peter Wieckenberg, Dokumente zur Wiedergutmachung und zu Hannah Arendt. – Hans Grimm: Brief an Ilse Drange. – Käte Hamburger: Briefe und Lebensdokumente u. a. über das Exil. – Nicolai Hartmann: Korrekturfahnen zu: Das Problem des geistigen Seins. – Dorothea Hölscher-Lohmeyer und Uvo Hölscher: Die letzten Gedichte Max Kommerells. – Albert Hoffmann: Brief an Henning Hoffmann. – Ricarda Huch: Briefe an Elisabeth Kotzian. – J. Engelhorns Nachfolger: Briefe des Verlags an Kurt Kluge. – Ernst Jünger: Typoskriptseiten zu Subtile Jagden, Federbälle II, Die Zwille. – Franz Kafka: Brief an Max Brod vom 11. September 1922 (Depositum). – Marie Luise Kaschnitz: Brief an Friedrich Karl Mohs. – Justinus Kerner: Gedicht mit Klecksographie. – Hans Heinz König: Briefe an ihn von Hans Erich Nossack, Peter Suhrkamp und Wilhelm Lehmann. – Wilhelm Klemm: Briefe an Giesela Niess. – Jochen Klepper: Brief an Walter Tappolet. – Irene Kowaliska-Wegner: Brief an Holmar Attila Mück. – Werner Kraft: Widmungsgedichte für Ludwig Strauß, Briefe von Ludwig Strauß; Briefe an Ernst Peter Wieckenberg. – Ernst Krawehl: Briefe an Ulrich Fritz zu Arno Schmidt. – Ernst Kreuder: Briefe an Waltraud Liß. – Reiner Kunze: Briefe an Thomas Stolle. – Lola Landau: Positano und Die Schule am Toten Meer. – Ilse Langner: Briefe an ihren Verleger Eberhard Günter Schulz. – Hermann und Hanne Lenz: Briefe an Erika und Peter Dröghoff. – Siegfried Lenz: Briefwechsel mit Frank-Peter Klatt. – Oskar Loerke: Briefe von und an Ruth und Helmut Eiermann über ihn. – Zenta Maurina: Verlagskorrespondenz und Pressematerialien. – Agnes Miegel: Briefe an Hertha von der Lancken (geb. Gräfin Schwerin). – Eduard Mörike: Vollmacht für seine Schwester Clara und seine Frau Margarethe, Kartenspiel, Beinkörbchen; Brief an Frau Prof. Contzen; eigenh. Abschrift eines Briefes an Adolph Carl Paulus. – Walter Müller-Seidel: Briefe an Claudia Schmölders; Briefe von Mechthild Borries-Knoop. – Hans Erich Nossack: Brief und Widmungsexemplare an Wilhelm Emrich. – Helmut Paulus: Briefe an Stefan Ott. – Wilhelm Raabe: Brief an Marie Tappert. – Muschelkalk Ringelnatz (Leonharda Bötticher): Brief an Walter Loos. – Luise Rinser: Brief an Edelgard Diegmann. – Joachim Ritter: Brief an Gisela Kleine (Kopie) und Fotografien des Seminars. – Henning Ritter: Brief an Jacob Taubes. – Nelly Sachs: Brief an Gerlinde Otto. – Sebastian Sailer: Die Schöpfung des ersten Menschen (Kopie). – Jeffrey L. Sammons: Briefe an ihn von Autoren und Germanisten. – Albrecht Schaeffer: Chrysoforos oder Die Heimkehr (Märchenspiel) . – Friedrich Schiller: Ausschnitt aus der Ballade Nadowessische Totenklage, Brief an Frauenholz. – Ernst Schnabel: Briefe an Joan Daves. – Jörg Schönert: Korrespondenz mit Sigrid Damm, W. G. Sebald und Friedrich Sengle. – W. G. Sebald: Briefe an Andreas Dorschel; Brief an Maria Zinfert. – Emil Strauß: Briefe an Helmut Eckert. – Emma von Suckow: Gästebuch. – Auguste Supper: Karte an Hans H. Honig. – Margarete Susman: Manuskripte zu Oskar Goldberg (Kopie). –
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Kurt Tucholsky: Briefe an Alfred Birkfeld. – Christian Wagner: Briefe an Luise Mauch und Altschultheiß Mühleisen. – Konrad Weiß: Die kleine Schöpfung, Briefe, Lebensdokumente, Fotografien. – Helmuth Westhoff: Briefwechsel mit Hubert Gottschling. – Viktor von Weizsäcker: Reisebeschreibungen 1945, Briefe an und von Anna Freud, Sigmund Freud, Gustav Radbruch, Carl Friedrich von Weizsäcker, Richard von Weizsäcker.
1.1.3 Für Stiftungen ist zu danken Prof. Dr. Jeremy Adler, Judith Barnett, Stefan Berg, Klaus Berge, Dr. Marie-Luise Bernreuther, Peter Birkfeld, Dr. Max Bloch, Dr. Klaus Blumberg, H. Bobrowski, Dr. Petra Boden, Cornelius Borchardt, Dr. Mechthild Borries-Knopp, Regine Buchler, Dr. Peter Dallinger, Deutsch-Französisches Institut, Wendelin Dietzschmidt, Petra Dörsch, Edelgard Dötsch, Prof. Dr. Andreas Dorschel, Martin Dreyfus, Prof. Dr. Eberhard Dünninger, Sezer Duru, Prof. Dr. Hinderk Emrich, Jürgen Fackert, Wilfried Fonrobert, Prof. Dr. Brigitte Frank, Gisela Franke, Walter Frei, Ulrich Fritz, Liselotte Fülleborn, Prof. Dr. Bernd Goldmann, Dr. George-Arthur Goldschmidt, Marc Gottschling, Cornelia, Julia und Katja Greve, Gerlinde Griepenburg-Burow, Olaf Hartmann, Thomas Hartwig, Prof. Dr. Eckhard Heftrich, Jörg Heidegger, Christoph Heinkele, Johanna Herzmann, Eva Hoffmann, Henning Hoffmann, Katharina Holz-Fay, J. Kaberlah, Kerstin Kaden, Walter P. Kalisz jr., Tomer Kaufmann, Frank-Peter Klatt, Dr. Gisela Kleine, Manfred König, Eberhard Köstler, Lise Krämer, Gabi Kraushaar, Jan Krijff, Dr. Monika Lemmel, Prof. Dr. Helmut Lethen, Prof. Dr. Paul Michael Lützeler, Hanne Mohs, Holmar Attila Mück, Dr. Horst Mühleisen, Christoph und Marie Neeff, Norbert-Elias-Stichting, Dr. Hubert Ortkemper, Dr. Georg Ott, Hans Götz Oxenius, Christiane Palm-Hoffmeister, Prof. Dr. Siegfried Penselin, Dr. Galina Potapova, Renate und Gert Renner, Maria Richter, Christian Roth, Karin Schad-von Suckow, Prof. Dr. Ernst A. Schmidt, Dr. Detlef Graf Schwerin von Schwanenfeld, Ulrike von Stumm, Dr. Koloman Trinkl, Dr. Wilhelm und Elisabeth Sahler, Peter Salomon, Prof. Dr. Jeffrey S. Sammons, Dr. Albert von Schirnding, Ursula Schlachta, Erika Schmitt-Dröghoff, Dr. Claudia Schmölders, Hanne Schnabel, Prof. Dr. Jörg Schönert, Christel Schuck, Edeltraud Sperling, Jürgen Schweitzer, Prof. Dr. Detlev von Uslar, Prof. Dr. Manfred Voigts, Rainer Weiss, Sabine Werner, Dr. Ernst-Peter Wieckenberg, Elisabeth Wyss-Jenny, Dr. Maria Zinfert, Martina Zschockelt.
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1.2 Bilder und Objekte 1.2.1 Aus Vorlässen, Nachlässen, Teilnachlässen und Sammlungen Bildmaterialien zu den Familien Schwab und Klüpfel; Gemälde, Grafiken und Fotografien aus dem Nachlass von Anton Franz Dietzenschmidt; Reprofotografien, Grafiken und Illustrationen aus dem Nachlass von Johannes Bobrowski; Grafikmappen, Einzelgrafiken, Druckplatten und Zeichnungen aus dem Vorlass von Dieter Hoffmann.
1.2.2 Gemälde, Skulpturen und Totenmasken Totenmaske von Harry Graf Kessler, 1937.
1.2.3 Grafiken Ansichten der Stadt Marbach und des Schiller-Geburtshauses zwischen 1820 und 1880; Karl Bauer: grafische Porträts von Stefan George, Ludwig Derleth, Hugo von Hofmannsthal und Karl Wolfskehl zwischen 1892 und 1921; Alastair: Mappe mit grafischen Porträts u. a. von Eleonora Duse und Yvette Guilbert, 1913; Rudi Lesser: Porträtlithografie von Franz Blei um 1928; zwei originalgrafische Plakate von Johannes Jansen und Flanzendörfer 1985 und 1989; Helmut Hahn: Porträtaquarell von Christine Lavant, vermutlich 2005; Hans Traxler: drei Schiller-Zeichnungen, 2005; Plakat Poesie des Untergrunds, 2010; rosalie: Entwürfe für das Marbacher Magazin Kafka – Der ganze Prozess, 2013.
1.2.4 Fotografien Einzelporträts von Hugo von Hofmannsthal, Milly Steger (1944), Hanns Cibulka; drei Fotografien aus der Kindheit Hilde Domins; Atelier Dührkoop: Porträtfotografie Detlev von Liliencron 1909; Peter Zollna: 216 Schriftstellerporträts, darunter Theodor W. Adorno, H. C. Artmann, Samuel Beckett, Ernst Bloch, Hans Blumenberg, Günter Eich, Hans Magnus Enzensberger, Peter Handke, Wolfgang Hildesheimer, Walter Höllerer, Uwe Johnson, Marie-Luise Kaschnitz, Karl Krolow, Hans Erich Nossack, Siegfried Unseld, Helene Weigel, Peter Weiss, Wolf Wondratschek.
1.2.5 Für Stiftungen ist zu danken Dr. Michael Davidis; Galerie Taube; Eckhard Goldberg; Thomas Günther; Rudi Kienzle; Jutta Kulenkampff; Gabriele Pallat; rosalie; Annette Scheibner.
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jahresbericht 2014 / 2015
2 Erschließung 2.1 Handschriftensammlung An folgenden Beständen wurden detaillierte Erschließungsarbeiten durchgeführt: Ilse Aichinger, Cotta-Copierbücher, Familienarchiv Curtius–Picht (gefördert von der Robert-Bosch-Stiftung), Albert Dulk, Günter Eich (abgeschlossen), Georg Grabenhorst und Hans Grimm (gefördert von der Hermann-Claudius-Stiftung), Peter Hacks, Walter Hasenclever (Nachträge), Martin Heidegger, Insel-Verlag, Ernst Jünger, Ludwig Klages, Gert Mattenklott, Hans Erich Nossack (abgeschlossen), Oskar Pastior (abgeschlossen), Rowohlt-Verlag, Peter Rühmkorf (gefördert von der Arno Schmidt Stiftung), Rudolf A. Schröder, Egon Schwarz, S. Fischer Verlag (gefördert von der S. Fischer Stiftung), Peter Suhrkamp, Suhrkamp Verlag (gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft), Peter Szondi (Nachträge), Ottilie Wildermuth, Kurt Wolff, Sammlung Merck. – Hinzu kam die laufende Verzeichnung von kleinen Neuzugängen. Vorgeordnet wurden ganz oder teilweise unter anderem die Bestände Wilhelm Emrich, Hanns Grössel, Paul Hoffmann, Nicolai Hartmann, Joachim Kaiser, Sarah Kirsch, Ernst Kreuder (Sammlung Waltraud Liß), Heinrich Schirmbeck, Albert von Schirnding, Botho Strauß, Martin Walser, Carl Weissner und Franz Wurm.
2.2 Bilder und Objekte Erschlossen wurden mehr als 20 Bestände, darunter Einzelstücke und Konvolute von und zu Schalom Ben-Chorin, Max Herrmann-Neiße, Ricarda Huch, Karl Jaspers, Ernst Jünger, Erich von Kahler, Zenta Maurina, Konrad Merz, Günther Schöllkopf, Thaddäus Troll, Carl Weissner und aus den Familienarchiven Curtius/Picht und Wildermuth.
2.3 Statistik: Neue Datensätze Den größten Teil der neuen Katalogaufnahmen verdankten wir auch 2014 der Retrokonversion des Zettelkatalogs der Handschriftensammlung.
jahresbericht 2014 / 2015
2005
2006
2007
insgesamt
14.196 33.770
Handschriften Neuaufnahmen
13.445
Handschriften Retrokonversion Bilder und Objekte
2008
27.173 26.178
469
2009
2010
2011
30.216
34.126 32.329
33.202 26.138 25.380 29.820 33.482 21.808
9.707
751
568
1.035
798
396
644
814
2012
2013
2014
88.519 101.380 105.038 25.731
33.314
41.374
62.117 67.594
63.089
671
472
575
470
jahresbericht 2014 / 2015
3 Benutzung Die meisten Messwerte im Bereich der Benutzung sind weiter gestiegen. Die Zahl der Tagespräsenzen, die neuerdings auf der Grundlage eines elektronischen Benutzerbuchs erhoben wird, hat zum ersten Mal die Fünftausender-Marke überstiegen. Auch die Ausleihstatistik zeigt eine steigende Tendenz. Erheblich zugenommen haben die DatenbankRecherchen. Damit hängt möglicherweise zusammen, dass die Zahl der Anfragen etwas gesunken ist. Unsere Benutzer können sich dank der wachsenden Zahl der Datensätze immer mehr Fragen mit Hilfe unserer Datenbank selbständig beantworten.
3.1 Anwesenheiten 2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Tagespräsenzen Archiv insgesamt
3.052
3.729
3.550
3.619
4.206
4.714
4.862
5.039
Tagespräsenzen Handschriften
2.637
3.310
3.250
3.331
3.858
4.410
4.401
4.463
415
419
300
288
348
304
461
576
Anmeldungen Archiv insgesamt
1.152
1.160
1.239
1.142
1.317
1.299
1.129
1.276
Anmeldungen Handschriften
1.021
984
1.140
1.021
1.178
1.176
1.079
1.196
131
176
99
121
139
123
50
80
Tagespräsenzen Bilder und Objekte
Anmeldungen Bilder und Objekte
jahresbericht 2014 / 2015
471
3.2 Entleihungen 2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
13.713
15.319
18.382
16.498
16.316
18.546
19.565
17.314 18.236
Externer Leihverkehr. Handschriften: Verträge
33
56
56
40
43
33
27
30
40
Externer Leihverkehr. Handschriften: Einheiten
333
542
814
611
317
257
296
364
284
Externer Leihverkehr. Bilder und Objekte: Verträge
21
29
22
24
14
13
19
17
25
Externer Leihverkehr. Bilder und Objekte: Einheiten
98
218
153
120
60
111
281
67
49
Handschriften (Leihscheine)
2014
472
jahresbericht 2014 / 2015
3.3 Anfragen mit Rechercheaufwand 2007
2008
2009
Anfragen mit Rechercheaufwand gesamt
Anfragen mit Rechercheaufwand Handschriften
889
1.139
Anfragen mit Rechercheaufwand Bilder und Objekte
2010
2011
2012
2013
2014
1.198
1.295
1.340
1.618
1.380
989
1.069
1.129
1.179
1.473
1.246
129
166
161
145
134
jahresbericht 2014 / 2015
473
3.4 Datenbank-Recherchen 2009
2010
2011
2012
2013
2014
Datenbank-Recherchen Archiv
39.001
43.522
42.572
51.149
52.945
67.703
Datenbank-Recherchen im Modul Handschriften
35.321
39.219
37.291
46.084
47.509
61.082
Datenbank-Recherchen im Modul Bilder und Objekte
3.680
4.303
5.281
5.065
5.436
6.621
26.538
27.920
34.021
49.806
27.486
36.428
Modul Bestandsführung
474
jahresbericht 2014 / 2015
3.5 Kopien von Handschriften 2009 Kopien Kopieraufträge
2010
2011
2012
2013
2014
35.166
34.902
39.305
58.991
53.152
36.974
1.665
1.537
1.742
2.025
1.857
1.758
4 Weitere Projekte und Sonstiges Die Retrokonversion des alphabetischen Zettelkatalogs der Handschriftensammlung schreitet zügig voran und alles deutet darauf hin, dass dieses DFG-Projekt plangemäß im Herbst 2015 abgeschlossen werden kann. Neben den beiden bereits bewährten Projektmitarbeitern halfen auch in diesem Jahr wieder viele der fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zweifels- und Problemfälle zu bearbeiten, die beim Konvertieren der Katalogkarten zutage traten. Auch im Jahr 2014 wurde ein großer Teil der Erschließungsarbeit durch Projekte auf der Basis von Drittmitteln geleistet. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Erschließung des Siegfried-Unseld-Archivs (6 Mitarbeiterinnen), die S. Fischer Stiftung die des S. Fischer Verlagsarchivs (2 Mitarbeiterinnen), die Arno Schmidt Stiftung die des Nachlasses von Peter Rühmkorf (2 Mitarbeiter), die Robert Bosch Stiftung die des Familienarchivs Curtius/Picht (1 Mitarbeiterin), die HermannClaudius-Stiftung die Erschließung von Teilen der Nachlässe von Georg Grabenhorst und Hans Grimm (1 Mitarbeiterin). Die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Zahl der Drittmittel-Projekte erfordert einen erhöhten Betreuungsaufwand durch die fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Aufgabenprofil sich entsprechend verändert hat. Zu begleiten waren im Berichtsjahr außerdem Forschungs- und Erschließungstätigkeiten im Rahmen des Forschungsverbundes Marbach Weimar Wolfenbüttel sowie 22 Praktikantinnen und Praktikanten. Geplant und vorbereitet wurden Anträge für weitere Erschließungsprojekte. Sie betreffen vor allem die dringend notwendige Katalogisierung unserer Foto-Nachlässe sowie eine Reihe von älteren Handschriften-Beständen, die aus historischen Gründen bisher nur in Form von vorläufigen Inventarlisten vorliegen. Zu den vielfältigen Routineaufgaben der Abteilung gehört unter anderem die Verwaltung der Urheberrechte von 46 Autorinnen und Autoren, unter ihnen Hilde Domin, Gertrud von le Fort, Felix Hartlaub, Walter Hasenclever, Jochen Klepper, Agnes Miegel, Kurt Pinthus und Karl Wolfskehl. In diesem Zusammenhang sind vor allem Publikationsanfragen aus aller Welt zu bearbeiten. In jedem Einzelfall ist die Rechtslage zu prüfen und sind Tantiemen und andere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Silke Becker vertrat die Abteilung in Fragen der Einführung des neuen internationalen Regelwerks Resource Description and Access (RDA) in einer abteilungs-
jahresbericht 2014 / 2015
475
übergreifenden Arbeitsgruppe des Hauses und in der Arbeitsgruppe der Deutschen Nationalbibliothek für Kultureinrichtungen. Sie besuchte die Kallíope-Tagung Digitale Dienste für unikale Quellen in der Staatsbibliothek zu Berlin und hospitierte im Rahmen des WIT-Programms in der Bibliothek der Schwedischen Akademie in Stockholm. Sabine Fischer nahm am Jahrestreffen der Graphischen Sammlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und am Arbeitskreis Graphik vernetzt teil, in dem es um die Einrichtung eines überregionalen Grafik-Portals ging. Rosemarie Kutschis informierte sich über Recht im Verlag – Bildrechte beim Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. Mehrere Kolleginnen und Kollegen besuchten den Bibliothekartag in Bremen und ein Kolloquium des BibliotheksserviceZentrums Baden-Württemberg (BSZ) in Stuttgart. Die Abteilung Archiv nutzte auch im vergangenen Jahr die Möglichkeit, sich im Rahmen der Fortbildungsreihen Stunde mit der Maus und Auf dem Laufenden über IT-Fragen sowie laufende Projekte des Hauses zu informieren. Der allgemeinen Weiterbildung diente ein Besuch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Handschriftensammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, der eine Fülle neuer Anregungen brachte.
BIBLIOTHEK 1 Erwerbung Aufgrund des mit Drittmitteln finanzierten Bestandsergänzungsprojekts war die Monografienerwerbung in den beiden Vorjahren deutlich angestiegen; mit einer nur noch halbtags besetzten Projektstelle im Berichtsjahr verringerte sich diese Anzahl. Seit dem Start des Projekts im September 2011 konnten etwa 8.800 Einheiten Bücher und Zeitschriften antiquarisch erworben werden. Viele Titel und Konvolute finden ihre unmittelbare Resonanz in der Ausleihe. Das Projekt wird 2015 auslaufen und soll in seiner Bedeutung für die Bestandsgeschichte der Bibliothek eine größere Würdigung erhalten. Das Spektrum der Spezialsammlungen konnte durch eine ca. 800 Bände zählende Auswahl belletristischer Literatur sowie Sachbücher zu verschiedenen Themen, zum Teil mit Randnotizen und Anstreichungen der Gefangenen, von der Fachstelle Gefangenenbüchereiwesen an der Justizvollzugsanstalt Münster ergänzt werden. Die Übernahme des Nachlasses von Anton Franz Dietzenschmidt (1893–1955), eines katholischen Dramatikers, der für seine zahlreichen religiösen Laien- und Stegreifspiele bekannt wurde, war von ca. 200 Büchern, Broschüren und dokumentarischen Materialien begleitet, die geschlossen aufgestellt zugänglich sind. Unter den Neuzugängen bei den geschlossenen Sammlungen ist die Bibliothek des Berliner Sammlers Werner
476
jahresbericht 2014 / 2015
G. Schmidtke zu nennen. Sie besteht aus über 5.000 Büchern besonders des bislang fehlenden Genres Wildwestliteratur sowie aus Thrillern und moderner Abenteuerund Detektivliteratur und zahlreichen anderen, in Halb- und Unterwelt spielenden Romanen. Viele Werke sind in Reihen erschienen oder behandeln stets dieselbe Figur (»Billy Jenkins«). Besondere Erwähnung verdienen jene ebenfalls übernommenen ca. 10.300 Heftromane (»Groschenhefte«), die, am Kiosk erhältlich und abgeschlossene Geschichten bietend, schließlich den Kolportageroman ablösten, und den Zeitraum von den 1920er bis in die späten 1970er Jahre umfassen. Die zum Teil sehr umfangreichen Folgen (mehr als 400 Hefte z. B. für »Tom Shark«) liegen für sämtliche Genres der Trivialliteratur vor, darunter auch speziell für die Jugend im Dritten Reich konzipierte. Als räsonnierender Sammler hat Schmidtke Rezensionen und andere Kontextmaterialien gesammelt, außerdem zahlreiche Serien-Berichte in einschlägigen SammlerZeitschriften veröffentlicht. Im Spektrum der seit 1979 erworbenen unterhaltenden Genres seit 1850 fehlt nun nur noch eine exemplarisch-repräsentative Sammlung zur Phantastischen bzw. Science Fiction-Literatur. In Zusammenarbeit mit dem Referat Bilder und Objekte wurde im Frühjahr 2014 der Bücherschrank einer aus dem Jahr 1914 stammenden Lazarettbibliothek als Dauerleihgabe übernommen und restauriert. Die an der Innentür des Schrankes angebrachte Liste im Umfang von 134 Titeln erlaubt die sukzessive Rekonstruktion des Bestands (siehe den Bericht von Arno Barnert in diesem Jahrbuch). Der im Rahmen des Forschungsverbunds Marbach-Weimar-Wolfenbüttel initiierte E-Medien-Rahmenlizenzvertrag mit einem großen Anbieter, der wichtige Regelungen zur Bereitstellung und Langfristsicherung von Archivdateien sowie zur Fernleihe enthält, konnte nach längeren Verhandlungen geschlossen werden.
Für Buch- und Zeitschriftenstiftungen danken wir Brigitte Aust, Dr. Dirk Baldes, Lothar Baus, Klaus Berge, Michael Bienert, Dr. H.J. Bodenbach, Hans Braam, Prof. Dr. Tilmann Breuer, Dr. Susanna Brogi, Ingolf Brökel, Ingo Cesaro, Dr. Mechthild Curtius, Prof. Dr. Karl Heinz Danner, Dr. Christian Däufel, Prof. Dr. K. P. Dencker, Dr. M. R. Deo, Marianne A. Doutrelepont, Oswald Egger, JeanLuc Evard, Vera Feuerhake, Dr. Bernhard Fischer, Regina Franziska Fischer, Heinrich Frommer, Felix Martin Furtwängler, Oliver Wolf Grabow, Christl Greller, Christiane Grosz, Prof. Dr. Lutz Hagestedt, Jürgen Holstein, Peter Huckauf, Jean-Jacques Kariger, Ulrike Keller, Wera Köhnke, Prof. Dr. Christoph König, Stephanie Kuch, Prof. Dr. Françoise Lartillot, Dr. Ulrike Leitner, Dr. Marcel Lepper, Prof. Dr. Jacques LeRider, Dr. Charles Linsmayer, Dr. Wulf D. von Lucius, Hannes S. Macher, Prof. Dr. Hans Maier, Dr. Horst Mühleisen, Egbert-Hans Müller, Stephen C. J. Nicholls, Christian Niedermeier, Prof. Dr. William Niven, Sigrid Noack, Josef Pantenburg, Richard Pietraß, Volker Probst, Jörg W. Rademacher, Prof. Dr. Ulrich Raulff, Dr. Nicolai Riedel,
jahresbericht 2014 / 2015
477
Dr. Dierk Rodewald, Axel Rohlfs, Peter Salomon, Matthias Scheffler, Erich Scherer, Prof. Dr. Dieter Schiller, Jochen Schimmang, Prof. Dr. Carl Schirren, Regina ScholvinNörtemann, Peter Schütt, Dr. Wulf Segebrecht, Dr. Gertrud Siebert, Dr. Frank SimonRitz, Birgit Sommer, Dr. Renate Stiening, Dr. Xavier Tainturier, Prof. Dr. Selcuk Ünlü, Rosanna Vivona, Prof. Dr. Adelheid von Saldern, Manfred Walz, Dr. Wolfgang Weiß, Joachim Wellbrock, Wolfgang Windhausen, Burkhard Wizenmann. – Accademia Tedesca Roma – Villa Massimo, Antiquariat & Versandbuchhandlung Birk & Schmück, Berliner Festspiele, Edita Gelsen e. V., Ernst Barlach Gesellschaft, Galerie Pankow, Geschichtsverein Bacharach, Geisteswiss. Zentren (GWZ) Berlin, Haus der Stadtgeschichte Offenbach am Main, Kulturamt Münster, Kulturreferat Nürnberg, Landeszentrale für politische Bildung Mainz, Landratsamt Ravensburg, LindenauMuseum Altenburg, Literaturhaus München, Museum für Verwandte Kunst Köln, Saarländischer Rundfunk, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Stadt Rottweil, Stadtarchiv Rosenheim, Studentengeschichtl. Vereinig. des CC Herzogenaurach, Thusnelda-KühlGesellschaft Hamburg, Universitätsbibliothek Bern, Vereinigung der Freunde und Förderer des Stoltze-Museums e.V. Frankfurt.
Außerdem den Verlagen und Buchhandlungen Alla Chiara fonte editore, Arche Verlag, AsKI e.V., Ch. Möllmann, Der gesunde Menschenverstand, Deutsche Verlagsanstalt, Deutscher Taschenbuch Verlag, Diogenes Verlag, Donat Verlag, Drei Masken Verlag, Driesch, Edition Text und Kritik, Frankfurter Verlagsanstalt, Frieling-Verlag Berlin, Goldmann, Hans Huber Bern, Hanser, Haymon, Insel Verlag, Knaus, Kunstanstifter Verlag, Lilienfeldverlag, Leipziger Literaturverlag, Luchterhand, MÄRZ Verlag, Mare Verlag, Offizin Die goldene Kanne, Österreichischer Bühnenverlag, Per Ludewig, Piper, Reclam, S. Fischer, Schöffling & Co., SchwarzHandPresse, Stieglitz Verlag, Suhrkamp, Thienemann, Ulrich Keicher, Verlag der Autoren, Verlag der KulturWissenschaft, Verlage Edition AV, Wallstein Verlag.
Zugangsstatistik Erwerbung Gesamt (physische Einheiten) Monografienerwerbung Nachlasskonvolute und Sammlungen (physische Einheiten)
2010
2011
2012
2013
2014
88.446
22.279
25.227
28.726
32.615
8.684
8.640
9.297
9.977
8.497
68.354
2.657
2.645
8.158
13.256
478
jahresbericht 2014 / 2015
Zeitschriftenerwerbung (physische Einheiten)
4.376
4.663
4.748
4.154
4.126
Mediendokumentation und Spezialsammlungen
7.032
6.319
8.537
6.437
6.736
667
526
778
498
1.075
2.531
1.124
3.379
1.551
1.385
811
1.126
922
1.039
701
1.603
2.278
1.663
1.433
1.908
24
2
13
44
17
1.396
1.263
1.782
1.872
1.650
5
5
4
6
7
24
31
16
19
24
983
953
966
1.026
1.021
Gesamtbestand Bibliothek (Bücher und Zeitschriften)
898.255
912.220
928.711
950.351
973.138
Gesamtbestand andere Materialien (AV-Materialien, Theatersammlung, Zeitungsausschnitte, Buchumschläge usw.)
360.492
366.913
375.445
381.838
388.557
7.397
9.064
6.839
6.853
7.391
Zeitungsausschnittsammlung (Kästen, Ordner, Konvolute) Theatersammlung Rundfunkmanuskripte AV-Materialien Dokumente (Mappen) Buchumschläge Geschlossene Sammlungen (Bibliothek) Nachlasskonvolute und Sammlungen (Mediendokumentation) Zeitschriftenerwerbung (laufende Abonnements)
Gesamtbestand Digitale Bibliothek (Literatur im Netz, lizenzierte Zeitschriften)
jahresbericht 2014 / 2015
479
2 Erschließung Der auffallende Anstieg der Titelaufnahmen in den Kernbereichen der Erschließung – Monografien, Zeitschriften, Rundfunkmanuskripte, audio-visuelle Medien und unselbständige Werke – von ca. 34.000 auf ca. 44.000 resultiert vor allem aus einem hausinternen Projekt zur retrospektiven Band- und Heftaufführung von ZeitschriftenJahrgängen vor 1999, für die es noch keine elektronischen Bestelleinheiten gab. Die regulären Zugänge durch Kauf, Tausch, Beleg und Geschenk wurden in den Normalbestand eingearbeitet; außerdem ist die Teilbibliothek Alfred Döblin, die auf seine drei Söhne aufgeteilte Handbibliothek im Umfang von 505 Bänden, in Eigenleistung katalogisiert worden, weitere 83 sog. virtuelle Titelaufnahmen dokumentieren einen früheren, verschollenen Teilbestand im Lycée Stendhal-École Française in Mailand. Im systematischen Auswertungsprogramm der Bibliothek befinden sich derzeit 56 wissenschaftliche, 44 literarische Zeitschriften sowie 39 Tages- und Wochenzeitungen, des Weiteren sind 63 Anthologien, zum Teil retrospektiv, erschlossen worden. In dem aus Mitteln des Mörike-Fonds finanzierten Projekt »Erschließung der MörikeLiteratur und der Mörike-Umfeldautoren« aus Katalogisierungsrückständen sind 2014 über 700 Bände eingearbeitet worden. Das Referat hat in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Projektsteuerung sämtliche Erschließungsprojekte sowie Förderanträge konzipiert und betreut. Im Zusammenhang mit der verbindlichen Einführung der Gemeinsamen Normdatei (GND) standen diverse Arbeiten: die Bereinigung der Marbacher Normdaten (67.140
480
jahresbericht 2014 / 2015
Personensätze) in Eigenleistung unter Nachnutzung eines halbautomatischen Abgleichtools, das im DFG-Projekt »Entwicklung eines zentralen Historisch-biografischen Informationssystems für den deutschsprachigen Raum« entwickelt worden ist, die Beschäftigung einer studentischen Hilfskraft für die Fortsetzung der Bereinigungsarbeiten sowie die Entwicklung einer schreibenden SRU-Schnittstelle zur GND gemeinsam mit der Deutschen Nationalbibliothek. Sodann hat die Erschließungsgruppe wichtige Beiträge zur Entwicklung des neuen, 2015 bundesweit einzuführenden Regelwerkes Resource Description and Access (RDA) geleistet und sich an der überregionalen Diskussion beteiligt; Karin Schmidgall, Referat Projektsteuerung, hat als Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken aktiv und mit einem hohen Zeitanteil in der an der Deutschen Nationalbibliothek angesiedelten AG RDA mitgewirkt. Katalogisierung, Zuwachs
2010
2011
2012
2013
2014
Titelaufnahmen Katalog Gesamt
39.496
32.322
40.147
34.105
43.710
selbständige Publikationen
30.876
25.550
31.375
26.846
36.456
8.620
6.772
8.772
7.259
7.254
178.699
1.590
21.112
18.248
392
824
632
738
622
628
unselbständige Publikationen Titelaufnahmen RetroProjekte pauschale Bestandsbeschreibungen (»Bestände«) Gesamtnachweis Kallías Katalogsätze
2010
2011
2012
2013
2014
1.206.832
1.239.864
1.297.410
1.343.303
1.387.259
Exemplarsätze
443.838
464.622
507.647
542.755
571.765
Bestandssätze
23.516
24.138
24.868
25.485
26.100
jahresbericht 2014 / 2015
481
3 Bestand und Benutzung Von den 173 geschlossen aufgestellten Bibliotheken, Sammlungen und Verlagsarchiven waren 14 Bestände wieder Gegenstand intensiver Standort-Recherchen nach Provenienzen und Lesespuren, dabei wurden 2.541 physische Einheiten (Vorjahr: 1.406) benutzt, darunter auch zahlreiche Mappen zum Ersten Weltkrieg in der Sammlung Marlinger. Im Mittelpunkt des Interesses standen wieder die Arbeitsbibliothek von Siegfried Kracauer (im Hinblick auf den 100. Geburtstag) und die Suhrkamp-Produktion im Siegfried-Unseld-Archiv (SUA). Hier machten insbesondere die SUA-Stipendiaten von der Möglichkeit regen Gebrauch, direkt am Magazinstandort zu arbeiten. Überraschend hoch waren auch die Benutzung der philosophischen Arbeitsbibliothek von Nicolai Hartmann sowie derjenigen von Reinhart Koselleck, die Benutzern einen dichten Pool der in Marbach nicht systematisch gesammelten historisch-politischen Literatur bietet. Zu beobachten ist ein Rückgang der jahrelangen starken Frequenz der Sebald-Bibliothek. Im Vergleich der verschiedenen Sammlungen der Bibliothek haben die Nutzung der geschlossenen Sammlungen und Bestände sowie die Zahl der in den Katalognachweis integrierten Volltextaufrufe deutlich zugenommen; Spitzenreiter bei den einzelnen Signaturgruppen ist nach wie vor die Gruppe M, also Primärliteratur des Zeitraums 1945–1989. Benutzerinnen und Benutzer aus 34 Herkunftsländern waren zu Forschungszwecken im DLA und sind wie in den Vorjahren auf Einzeltitel, Konvolute und thematische Schwerpunkte in noch nicht erschlossenen Sammlungen und Nachlassbeständen hingewiesen und intensiv beraten worden. Zahlreiche Transaktionen und damit verbundene organisatorische Arbeiten haben wieder hohe personelle Kapazitäten gebunden; innerhalb der Magazine waren größere Verschiebungen
482
jahresbericht 2014 / 2015
nicht vermeidbar. Die Bewältigung des wachsenden Zugangs im Bereich Geschlossene Sammlungen und Nachlasskonvolute stellt die Abteilung vor große Herausforderungen, da Ressourcen wie Personalkapazität und besonders Stellplatz erschöpft sind. Benutzung Wöchentliche Öffnungsstunden
2010
2011
2012
2013
2014
64,5
64,5
64,5
64,5
64,5
875
994
912
860
927
Lesesaal-Eintragungen
8.640
9.755
9.690
7.383
6.993
Ausleihe (physische Einheiten)
49.729
52.797
44.487
42.495
41.344
OPAC Abfragen Extern
99.238
98.823
119.181
124.845
104.015
OPAC Abfragen Lokal
47.895
58.699
56.351
55.622
58.571
1.487
1.201
1.252
1.244
1.223
Fernleihe (nehmend)
843
747
645
957
1.013
Direktlieferdienst (Kopien von Beiträgen und Zeitungsartikeln)
933
720
2.025
486
399
Leihgaben
115
85
181
102
77
1.102
922
846
745
739
Benutzungsanträge
Fernleihe (gebend)
Auskünfte und Recherchen
jahresbericht 2014 / 2015
483
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4 Projekte und Sonstiges DFG-Projekte: Erfolgreich abgeschlossen wurden »Literarische Hörfunk- und Fernsehmanuskripte online« sowie »Bibliothek Reinhart Koselleck: Provenienz- und Sammlungserschließung«. Das Projektteam »Netzliteratur authentisch archivieren und langfristig verfügbar machen« veranstaltete im Juni einen ersten Workshop zum Thema »Von der technischen Analyse zur Emulation«, außerdem bewilligte die Forschungsgemeinschaft ein drittes Förderjahr. Im April startete mit Alfred Döblin das Modul 1 des »Quellenrepertoriums der Exilbibliotheken im Deutschen Literaturarchiv Marbach«. Das Informationssystem zu Döblin soll die Grundlage für den Aufbau eines Datenpools zu den im Exil aufgebauten bzw. bewahrten Büchersammlungen deutscher Schriftsteller zwischen 1933 und 1945 und zur Emigrationsliteratur bilden. Im Herbst 2014 – genau hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges – hat ein Projekt zur Erschließung der Nachlassbibliothek von Ernst Jünger begonnen, gefördert von der DFG und der Kulturstiftung Baden-Württemberg. Die zu erschließenden Bibliotheksbestände im DLA Marbach und im Jünger-Haus Wilflingen umfassen ca. 13.000 Bände und mehr als 60 Kästen Pressematerialien sowie Bild- und Tonträger. Das im Rahmen des Forschungsverbundes Marbach-Weimar-Wolfenbüttel seit 2014 laufende Forschungsprojekt Autorenbibliotheken, bei dem in Marbach die Exil-Bibliotheken deutsch-jüdischer Schriftsteller im zwanzigsten Jahrhundert untersucht werden, bildet eine sinnvolle Ergänzung zu den Erwerbungs- und Erschließungslinien der Bibliothek, welche die Forschungsarbeiten in der Durchführung unterstützt. Im Berichtsjahr sind insgesamt sieben Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter eingearbeitet und laufend betreut worden. Das DFG-Projekt »Entwicklung eines zentralen
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Historisch-biographischen Informationssystems für den deutschsprachigen Raum« endete 2014 mit seiner ersten Phase; als Kooperationspartner hatte das DLA Marbach insgesamt 53.250 Personendatensätze (Bestandsbildner und literarische Autoren) aus Kallías bereitgestellt. Zwei interne, infrastrukturell relevante Unternehmungen werden im Blick auf eine künftige Ausleihverbuchung und mittelfristig auf einen Magazin-Neubau durchgeführt: das schon erwähnte Projekt zur retrospektiven Bandund Heftaufführung von Zeitschriften-Jahrgängen vor 1999 in Kallías sowie die in engem Zusammenhang mit dem derzeit durchgeführten Projekt Massenentsäuerung (Referat Bestandserhaltung) stehenden Maßnahmen zu Revision und Bestückung der Signaturgruppen K (1880–1909) und L (1910–19345) mit Barcode-Verbuchungszetteln.
MUSEUM 1 Ausstellung 1.1 Ausstellungen im Literaturmuseum der Moderne (LiMo) Dauerausstellung, Kuratoren: Heike Gfrereis, Katja Leuchtenberger, Roland Kamzelak, Gestaltung: büro element, Basel, seit 6. 6. 2006, aktualisiert 2014 durch Heike Gfrereis und Johannes Kempf.
Wechselausstellungen »August 1914. Literatur und Krieg«. 16. Oktober 2013 bis 21. April 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis, Johannes Kempf und Ellen Strittmatter mit Annika Christof und Christoph Willmitzer. Gestaltung: Korkut Demirag, Diethard Keppler und Franziska Schmidt. – »Der ganze Prozess«. 7. November 2013 bis 21. April 2014 (vom 23. Mai bis 31. Juni 2014 in modifizierter, in Kooperation mit dem Goethe-Institut und FranzKafka-Gesellschaft entwickelter Form im Altstädter Rathaus in Prag, vom 13. Februar bis 30. Mai 2015 im Buddenbrookhaus Lübeck). Ausstellung: Heike Gfrereis. Grafik: Diethard Keppler. – »Reisen. Fotos von unterwegs«. 15. Mai bis 5. Oktober 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis und Johannes Kempf mit Thomas H. Schmidt und Christoph Willmitzer. Gestaltung: Diethard Keppler und Demirag Architekten. – »Der Wert des Originals«. 3. November 2014 bis 13. September 2015. Ausstellung: Heike Gfrereis und Ulrich Raulff, Beratung: Gottfried Boehm. Gestaltung: Diethard Keppler und Demirag Architekten.
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Reihe ›fluxus‹ 26: »Schützengrabenzeitungen aus der Bibliothéque nationale de Strasbourg«. 16. Oktober 2013 bis 19. Januar 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis und Johannes Kempf. – 27: »+/– 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen«. 30. Januar bis 1. Juni 2014 (vom 27. November 2014 bis 20. Februar 2015 im Literarischen Colloqium Berlin). Ausstellung: Heike Gfrereis und Diethard Keppler. Film: Johannes Kempf und Thomas H. Schmidt. – 28: »Dieter M. Gräf. Fotos und Texte«. 3. Juni bis 27. Juni 2014 (vom 29. September bis 21. November 2014 im Literarischen Colloqium Berlin). Ausstellung: Dieter M. Gräf zusammen mit Nina Zlonicky und Christoph Willmitzer. – 29: »Neusein. Fotos von hier und dort«. 29. Juni bis 15. September 2014. Ausstellung: Sandra Potsch, Verena Staack und Johannes Kempf mit 24 Schülerinnen und Schülern der JustinusKerner-Schule Ludwigsburg. – 30: »Anton Tschechows Reise nach Sachalin. Fotografien aus dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation«. 17. September 2014 bis 11. Januar 2015. Ausstellung: Heike Gfrereis und Dietmar Jaegle. Film: Anastasia Alexandrova.
Reihe ›Suhrkamp-Inseln‹ (Reihenkonzept: Heike Gfrereis, Grafik: Diethard Keppler) 11: »Blochs Überschreitungen«. 5. Dezember 2013 bis 16. Februar 2014, Konzept: Ulrich von Bülow mit Heike Gfrereis. – 12: »Nicht enden können. Thomas Bernhards Korrekturen. 14. Februar bis 20. April 2014. Konzept: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter.
1.2 Ausstellungen im SNM Dauerausstellung im Schiller-Nationalmuseum. Kuratoren: Heike Gfrereis mit Stephanie Käthow, Katharina Schneider, Ellen Strittmatter, Aneka Viering, Martina Wolff. Gestaltung: space4 (Architektur), Diethard Keppler und Stefan Schmid (Grafik); seit 10. November 2009.
1.3 Marbacher Passage (Vitrinenausstellungen im Vestibül des Archivs) »François Villon in der deutschen Rezeption«. 20. Januar bis 10. Februar 2014 – »Siegfried Kracauer«, 10. Februar bis 27. Februar 2014 – »Thaddäus Troll«. 27. Februar bis 24. März 2014 – »Margarete Susman«. 24. März bis 14. April 2014 – »Siedler Verlag«. 14. April bis 12. Mai 2014 – »Georges-Arthur Goldschmidt«. 12. Mai bis 10. Juni 2014 – »Nicolai Hartmann«. 10. Juni bis 7. Juli 2014 – »Ricarda Huch«. 16. Juli bis 8. August 2014 – »Helga M. Novak«. 11. August bis 5. September 2014 – »Curtius / Picht«. 8. September bis 10. Oktober 2014 – »Döblin weltweit«. 13. Oktober bis 7. November 2014 –
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»Kafka in Karikaturen und Parodien«. 10. November bis 5. Dezember 2014 – »Die Schocken-Bücherei in den Exil-Bibliotheken«. 8. Dezember bis 16. Januar 2014. – Die Ausstellungen in der »Passage« wurden 2014 kuratiert von Susanna Brogi, Jan Bürger, Heiderose Buschhaus, Christina Gückel, Jasmin Hambsch, Nikola Herweg, Stefanie Höpfner, Sandy Krüger, Dorit Krusche, Hermann Moens, Laura Marie Pohlmann, Nicolai Riedel und Maria Zinfert.
1.4 Ausstellungen zu Gast »Kafka 2014. Der Prozess. Original und Verwandlung«. Prag, Altstädter Rathaus. 23. Mai bis 30. Juni – »Kafka – der ganze Prozess«. Lübeck, Buddenbrookhaus. 14. Februar bis 31. Mai 2015. – fluxus 27: »+/– 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen«. Literarischen Colloqium Berlin. 27. November 2014 bis 20. Februar 2015 – fluxus 28: »Dieter M. Gräf. Fotos und Texte«. Literarischen Colloqium Berlin. 29. September bis 21. November 2014.
2 Besucherzahlen 2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
45.191
52.759
35.500
34.105
48.153
87.315
86.850
67.092
61.110
63.788
2000 konnte das Schiller-Nationalmuseum wegen Außensanierungen für Ausstellungen nicht genutzt werden, von Ende März 2007 bis 10. November 2009 war es wegen Innensanierung geschlossen. Im Juni 2006 kam das Literaturmuseum der Moderne hinzu.
3 Publikationen 3.1 Zu den Ausstellungen Marbacher Katalog 67. Reisen. Fotos von unterwegs. – Marbacher Magazin 144. August 1914. Literatur und Krieg. – Marbacher Magazin 145. Der ganze Prozess. 33 Nahaufnahmen von Kafkas Manuskript. – Marbacher Magazin 146.147. +/– 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen. – Marbacher Magazin 148. Der Wert des Originals. Mit einem Essay von Gottfried Boehm.
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3.2 Weitere Aus dem Archiv 7. Norbert Elias: Gruppencharisma und Gruppenschande. Hrsg. von Erik Jentges. Mit einer biografischen Skizze von Hermann Korte. – Spuren 101. Dieter Martin / Andrea Riotte: Wieland in Tübingen. – Spuren 102: Marcel Atze: Sebald in Freiburg. – Ferne Spuren 1: Anastasia Alexandrowa / Ernest Orlov / Annika Differding / Jens Kloster / Thomas Schmidt: Anton Tschechows Reise nach Sachalin. – Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Jg. 58 (2014). Im Auftrag des Vorstands hrsg. von Wilfried Barner (†), Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp, Ulrich Raulff.
3.3 Sonstiges Programmplakat 2014. Nr. 1 bis 4. Text- und Bildredaktion: Heike Gfrereis und Dietmar Jaegle. – Zeitschrift für Ideengeschichte. Jg. VIII, H. 1 bis 4: Hrsg. von Ulrich Raulff (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Helwig Schmidt-Glintzer (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Hellmut Th. Seemann (Klassik Stiftung Weimar), Luca Giuliani (Wissenschaftskolleg zu Berlin).
4 Literaturvermittlung/Museumspädagogik 4.1 Museumsführungen 2014 2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
219
251
342
1038
753
730
628
836
1098
1044
582
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4.1.1 Themen der Führungen LiMo Dauerausstellung allgemein. – SNM Dauerausstellung allgemein. – Rundgang durchs LiMo und SNM mit Diskussion zum Ausstellungskonzept – LiMo Architektur für Literatur: Die beiden Marbacher Museen (dt., engl.) – LiMo-Rundgang (dt., engl., frz.) – Erste Tage, letzte Tage – Mit Schülern ins LiMo und SNM. Angebot für Lehrer –Schiller-Rundgang durchs SNM – August 1914. Literatur und Krieg – Der ganze Prozess – LiMo: Kindheit und Spielzeug in der Literatur – Reisen. Fotos von unterwegs – Anton Tschechows Reise nach Sachalin – Der Wert des Originals – LiMo: Poesie aufräumen – LiMo: Überall Poesie! – LiMo: Vom Axtbuch zur Geheimschrift – SNM: Schiller von Kopf bis Fuß – LiMo: Erich Kästner – LiMo: Max Frisch – LiMo: Franz Kafka: »Die Verwandlung« – Franz Kafka im LiMo – LiMo: Peter Stamms »Agnes« – SNM: Wilhelm Tell– SNM: Weimarer Klassik – SNM: Meet & Greet mit Friedrich Schiller – Liebeslyrik durch LiMo und SNM – Naturlyrik durch LiMo und SNM
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4.1.2 Aktionstage mit freiem Eintritt, freien Führungen und Veranstaltungen »Wein-Lese-Tage«. 25. bis 26. Januar 2014 – Ausstellungskehraus »August 1914. Literatur und Krieg« und »Der ganze Prozess«. 21. April 2014 – Internationaler Museumstag »Literatur und Garten«. 18. Mai 2014 – Marbacher Erlebnissonntag »Reisen und Knipsen «. 29. Juni 2014 – Finissage »Reisen. Fotos von unterwegs«. 5. Oktober 2014 – Tag der offenen Tür »Mörikes Dinge«. 9. November 2014
4.2 Schul- und Kinderprogramm des Museums 2014 4.2.1 Zahl der Veranstaltungen Führungen / Veranstaltungen im Schul- und Kinderprogramm insgesamt Besucher im Schul- und Kinderprogramm insgesamt Seminare und Workshops im Schul- und Kinderprogramm
185 3.715 48
Spezielle Aktionstage für Kinder, Schulen und Familien
3
Einwöchige Ferienworkshops
5
Fünfmonatige Workshops
2
Lehrerfortbildungen
3
4.2.2 Themen der Kinder- und Schülerführungen LiMo Dauerausstellung allgemein – SNM Dauerausstellung allgemein – Schiller in einer Stunde – August 1914. Literatur und Krieg – Der ganze Prozess – Reisen. Fotos von unterwegs – Der Wert des Originals – LiMo: Poesie aufräumen – LiMo: Überall Poesie! – LiMo: Vom Axtbuch zur Geheimschrift – SNM: Schiller von Kopf bis Fuß – LiMo: Erich Kästner – LiMo: Max Frisch – LiMo: Franz Kafka: »Die Verwandlung« – Franz Kafka im LiMo – LiMo: Peter Stamms »Agnes« – SNM: Wilhelm Tell– SNM: Weimarer Klassik – SNM: Meet & Greet mit Friedrich Schiller – Liebeslyrik durch LiMo und SNM – Naturlyrik durch LiMo und SNM
4.2.3 Themen der Seminare und Workshops Poesie aufräumen – Schreibbar – Der »Prozess« unter der Lupe – Der ganze Prozess – Der Zauber der Dinge – Liebeslyrik – Schneiden und Kleben – Schreibbar – Vom Axtbuch zur Geheimschrift – Peter Stamms »Agnes« – Kinderszenen – In der Fremde? Gedichte von Joseph von Eichendorff und ihre Vertonungen – Mörikes Gedichte an
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Peregrina – Projekttage »Literatur und Krieg« – Führung und Schreibworkshop mit Essay-Schülern der Berkenkamp-Stiftung Die Seminare und Workshops 2014 wurden durchgeführt von Charlotte Andresen, Monika Degner, Vanessa Greiff, Johannes Kempf, Rudi Kienzle, Claudia Konzmann, Ursula Parr, Sandra Potsch, Thomas H. Schmidt, Verena Staack, Silke Weber, Elke Wenzel und Christoph Willmitzer.
4.2.4 Themen der Lehrerfortbildungen Autorenseminare mit Jochen Schmidt und mit Peter Stamm – Naturlyrik mit Silke Scheuermann. Die Lehrerfortbildungen wurden durchgeführt von Vanessa Greiff, Rudi Kienzle, Sandra Potsch und Verena Staack.
5. Projekte 5.1 LINA. Die Literaturschule im LiMo Seit September 2008 können Schüler im LiMo ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt besuchen: die Literaturschule LINA (Literatur am Nachmittag), in der sie nachmittags betreut werden und durch Originale aus dem Archiv und die Mitwirkung an der Vermittlungsarbeit des Museums einen ungewöhnlichen Zugang zur Literatur kennen lernen. 2014 fanden zwei Projekte statt: »Neusein. Fotos von hier und dort« (mit der Justinus-Kerner-Schule, Ludwigsburg), »Literatur sehen« (mit dem Schiller-Gymnasium, Ludwigsburg). Betreung: Johannes Kempf, Sandra Potsch und Verena Staack.
5.2 LINA in den Ferien Seit August 2009 findet die Literaturschule LINA auch in den Ferien statt. LINA in den Ferien wendet sich an besonders interessierte Kinder und Jugendliche, die die Ferien nutzen möchten, ihre sprachlichen Talente und ihr literarisches Interesse weiter zu entwickeln und in kreativer Weise auszudrücken. 2014 fanden zwei Ferienworkshops statt: »Museumsgeschichten« mit Verena Staack und Sandra Potsch (Weihnachtsferien), »Reisen um die Welt« mit Verena Staack und Sandra Potsch (Sommerferien).
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5.3 Kulturakademie der Stiftung Kinderland des Landes Baden-Württemberg Die Kulturakademie richtet sich seit 2010 mit einem bundesweit einmaligen Angebot an alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sechs bis acht (in den Sparten Bildende Kunst, Literatur, MINT und Musik). In den Faschings- und Sommerferien fanden in den Marbacher Museen zwei einwöchige Schreibseminare mit Silke Scheuermann und Matthias Göritz und eine Projektklasse mit allen Kreativklassen in den Stuttgarter Staatstheatern statt. Neben freien Texten wurden Filme zu Kafkas ProzessManuskript (Faschingsferien) entwickelt bzw. Kreativaufgaben im Rahmen der Wechselausstellung »Reisen. Fotos von unterwegs« (Sommerferien) gelöst. In der Projektklasse haben Schüler aus allen Sparten der Kulturakademie im Staatstheater Stuttgart gemeinsam Kurzfilme gedreht.
ENTWICKLUNG Allgemein Zu den allgemeinen Arbeiten der Entwicklung gehörten die Unterstützung des Direktors in vielfältigen Angelegenheiten und die Stellvertretung während dessen Abwesenheiten. Die Vorstands- und Kuratoriumssitzungen wurden vom Leiter der Entwicklung vorbereitet und betreut.
Strukturplanung Im Rahmen des Raummanagements wurde für den zuvor analog geführten Raumplan des DLA eine APEX-Anwendung erstellt und eingerichtet. Der Raumplan kann nun in Kombination mit der Telefonliste online eingesehen und bearbeitet werden. Die Geschäftsprozessanalyse (GPA) des DLA ist offiziell beendet. Der Vorstand der DSG hat den Abschlussbericht entgegengenommen und die von Anfang an geplante externe Nachevaluation beschlossen. Die Nachevaluation wird ein Gremium aus Fachleuten aus Museum, Bibliothek, Archiv und Verwaltung vornehmen. Die Vorüberlegungen zu einem Neubau sind wieder aufgenommen worden. Eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben. Vorstand und Kuratorium der DSG bitten um die Erarbeitung von Fakten, um die Dimension des Benötigten bestimmen zu können. Die Umbaumaßnahmen des Lesesaals der Bibliothek, Bernhard-Zeller-Saal, konnten aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt werden. Im Zuge einer geplanten Netzwerkmodernisierung wird ein minimaler Eingriff realisiert werden.
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Das Katastrophenmanagement, das federführend betreut wird, wurde weiterentwickelt. Das neue, durch die Feuerwehr Marbach angeregte Evakuierungskonzept des DLA, welches freiwillige Evakuierungshelfer vorsieht, wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt. Die eigens dafür angefertigten Evakuierungsboxen wurden an den vorgesehenen Standorten aufgestellt und bestückt. Evakuierungsabschnittsführungen mit der Belegschaft haben stattgefunden. Erste Überlegungen zur Erarbeitung eines elektronischen Restaurierungsplans (Schadenskataster) wurden erstellt. Hierfür wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Für den Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW) konnte im zweiten Anlauf ein Mitarbeiter gewonnen werden. Das Projekt vertrauenswürdiges Langzeitarchiv konnte somit starten. Im Jahr 2014 wurden fünf Vorschläge über das Vorschlagswesen des DLA eingereicht und laut Ablaufplan bearbeitet. Für das Hospitationsprogramm WIT konnte die Svenska Akademien in Stockholm gewonnen werden. Frau Silke Becker, Mitarbeiterin aus der Abteilung Archiv, hospitierte im August / September für zwei Wochen an der dortigen Nobelbibliothek. Im Rahmen dieses Hospitationsprogramms hat im Oktober Kizer Walker, University Cornell Library, vier Tage im DLA hospitiert und einen Vortrag gehalten. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Auf dem Laufenden. Hausinterne Fachinformationen« (AdL) haben 2014 insgesamt neun Veranstaltungen stattgefunden. Neben der Vorstellung der drei Forschungsprojekte des Forschungsverbundes MWW wurden unter anderem Einblicke in die Bestände des Archivs, der Bibliothek und der Mediendokumentation gegeben. Etwa 10% der Belegschaft nehmen regelmäßig an den AdL-Veranstaltungen teil.
Editionen und Digital Humanities Für das Projekt »Vernetzte Korrespondenzen« konnten weitere Exilbriefbestände in Archiven in Israel und in der Monacensia in München gefunden und im DLA bzw. am Kompetenzzentrum in Trier eingepflegt werden. Das Projekt wurde auf mehreren Tagungen vorgestellt und erste Visualisierungsideen wurden bei einzelnen Projekttreffen erarbeitet. Für die gemeinsam mit der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung beabsichtigte Edition der Briefe von Max Kommerell soll bis Anfang nächsten Jahres ein DFG-Antrag erarbeitet werden. Für das Kafka-Virtual-Archive (KVA) hat sich der Wissenschaftliche Beirat konstituiert. Eine Doppelspitze mit Prof. Peter-André Alt und Prof. Hans-Gerd Koch hat den Vorsitz übernommen.
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Eine Anschlussfinanzierung an das DFG-Projekt »Briefe von Ernst H. Kantorowicz«, das am 30. Juni 2014 auslief, konnte gefunden werden. Die Arbeiten werden voraussichtlich Ende 2015 abgeschlossen. An der editionsübergreifenden Datenbank AMIE wurden nach einem Workshop viele nützliche Anpassungen vorgenommen und eine neue Version eingespielt. Zudem wurde an der Möglichkeit gearbeitet, die Registerdaten ausspielen zu können. Die Erarbeitung dieser komplexen Exportfunktion wurde extern vergeben. Der erstellte Prototyp wird nun laufend verfeinert. Die Arbeiten am Kesslerschen Tagebuch Band I schreiten kontinuierlich, aber mangels Förderung langsam voran. Die Recherchearbeit wird von Hilfskräften unterstützt. Seit einigen Jahren berät das Referat Herrn Braam bei der Entwicklung der Gedichte-Datenbank. In ihr sind mehr als 1.000 Gedichteanthologien erschlossen. Es ist geplant, die Datenbank am DLA zu hosten und öffentlich zugänglich zu machen. Der Leiter des Referats ist in den Vortand von ESTS (European Society for Textual Scholarship) gewählt worden. Seine Amtszeit im Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition ist verlängert worden. Das Referat »Editionen« wurde Ende des Jahres in »Editionen und Digital Humanities« umbenannt, um den Arbeiten in diesem Forschungszweig, die seit langem hier abgedeckt werden, einen Ausdruck zu geben.
Wissenschaftliche Datenverarbeitung Das Jahr 2014 war von umfassenden Modernisierungen älterer Systeme geprägt, was hinter den Kulissen viel Arbeitskraft bindet, an der Oberfläche aber kaum mit neuen Services, höchstens mit verbesserter Performance sichtbar wird. Im ersten Halbjahr konnten zwei größere Stromausfälle zwar von der USV-Infrastruktur abgefedert werden, die über 10 Jahre alten zentralen Netzwerkswitches überstanden den Wiederanlauf jedoch nicht unversehrt. Da gleichzeitig der Support durch den Hersteller ausgelaufen war, wurde die Modernisierung der zentralen Netzwerk- und SAN-Switches forciert und vorgezogen, was mit komplexen Beschaffungsvorgängen, Schulungen und Konfigurationsarbeiten verbunden war. Die Umschaltung auf die modernen Komponenten erfolgte weitgehend ohne Beeinträchtigung des laufenden Betriebes. Diese Lösung, die jetzt im Backbone ein 10-Gigabit-Netz bereitstellt, nimmt einen Baustein der umfassenden LAN-Modernisierung vorweg, für die gegen Ende des Jahres eine Finanzierungszusage der Zuwendungsgeber erreicht werden konnte. Im Rahmen von Büroumbauten wurden provisorische Verkabelungen mit 100 MBit in den Büros geschaffen, die bisher nur mit 10 MBit versorgt werden konnten.
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Eine andere »Baustelle«, die Ertüchtigung unserer Internet-Anbindung, sah verschiedene erfolgversprechende Ansätze, aber keinen befriedigenden Abschluss: In einer mit BKM und Belwue abgestimmten Initiative haben wir versucht, vom Wasserund Schifffahrtsamt Stuttgart (letztlich eine Einrichtung des Bundesverkehrsministeriums) die Mitnutzung von deren Glasfaserstrecke am Neckar für unsere Internetanbindung gestattet zu bekommen. Dieses Ansinnen wurde freundlich, aber abschließend abgelehnt. In diesem Zuge ist jedoch eine gleichwertige Alternative bekannt geworden, die weiter verfolgt wird. Eine parallel angestrebte Aufrüstung unserer derzeitigen Funkverbindung musste mit neuen Komponenten neu konzipiert werden und steht noch vor der Umsetzung. Unser altgedienter Dateiserver »dlanserv« wurde durch die neue VM »univers« abgelöst. Die Migration der großen Datenmengen war nicht nur an sich eine große Aufgabe (sie musste weitgehend außerhalb der Nutzungszeiten erfolgen), sondern zog eine Fülle erwarteter Anpassungen, aber auch unerwarteter Fehlerbehebungen nach sich. Bei der Migration aller Datenbestände wurden wesentliche Teile einer Integritätsprüfung über Prüfsummen unterzogen, die tatsächlich einige wenige Kopierfehler aufgespürt hat. Insgesamt ist die Migration sehr gut (also weitgehend unbemerkt) verlaufen. Die Performance von »univers« als Samba-Dateiserver ist erheblich besser, die Dateibenennung zukunftssicher auf Unicode (UTF-8) umgestellt. »dlanserv« wurde final auf Band gesichert und steht vor seiner endgültigen Abschaltung. Das an sich schon 2013 abgelöste Speichersystem »eva 4000« fiel durch massive Festplattendefekte auf, für die kein wirtschaftlicher Ersatz mehr möglich war. Unser neues Speichersystem Eternus DX90 wurde deshalb mit 21 weiteren 4 TB Festplatten ausgestattet; damit sind erneut alle Steckplätze belegt, ein weiterer Ausbau mit neuen Shelves ist aber noch möglich. Trotz der verschiedenen Umbauten war die Verfügbarkeit in der Rahmenarbeitszeit mit 99,68 % sogar minimal besser als im Vorjahr. Auch auf der Software-Seite gab es diverse Modernisierungen: Für die produktive Liveschaltung einer neuen, langfristig gepflegten Typo3-Version und der neuen Wikis für Editionen und Netzliteratur wurde eine neue VM »walburn« als funktionales, aber systemseitig aktualisiertes Äquivalent des bisherigen Webservers aufgesetzt. Der veraltete Apache-Proxy auf »dlanserv« wurde durch eine aktuelle Squid-Instanz auf »sabon« ersetzt. Die zweite, inhaltliche und gestalterische Überarbeitung des Webauftritts wurde nach ihrer finanziellen Freigabe gestartet und vorbereitet, dauert aber noch an. Ein großer Schritt gelang bei Kallías, das nach umfangreichen Tests und Vorarbeiten nach vier Jahren wieder ein neues, gewichtiges Release erhielt. Die direkte Dialoganbindung von Kallías an die GND bei der DDB in Frankfurt wurde abgeschlossen. Somit ist Kallías das erste Fremdsystem, das von der DDB in dieser Weise zugelassen wird. Die GND selbst wurde in diesem Zuge heruntergeladen und teilweise als neu
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strukturierter Thesaurus importiert. Die von der Historischen Kommission in München gelieferten GND-Zuordnungen für ca. 30.000 Personensätze, die im Projekt »Aufbau eines Biographischen Informationssystems« für uns zugeordnet werden konnten, wurden in den Kallías-Personenbestand eingespielt. Für den weiteren NormdatenAbgleich wurde ein Dublettenabgleichdialog in APEX eingerichtet. Die OPAC-Statistik 2014 hat mit knapp 298.000 Suchanfragen den erstmaligen Rückgang im Vorjahr (286.000) wieder ausgeglichen, die durchschnittlichen monatlichen Zugriffszahlen auf den allgemeinen Webauftritt fielen dagegen leicht von 272.000 auf 270.000. Für einen sicheren Remote-Zugang über unsichere Netzverbindungen wurden erste Tests mit einer OpenVPN-Appliance unternommen. Erster »Kunde« wird das Jünger-Haus in Wilflingen sein, wo ein Kallías-Erschließungsprojekt geplant ist. Im Vorgriff auf den neuen Standard-PC wurden Volumen-Lizenzen für Windows und Office 2013 beschafft. Die Adobe Creative Suite steht leider nicht mehr in Form von »konkurrierenden« Lizenzen zur Verfügung, so dass für die Ausstattung mit Photoshop etc. unter den kostspieligeren neuen Lizenzmodellen der beste Kompromiss gefunden werden musste. Für die anstehende Umstellung unserer PCs auf Windows 7 wurden serverseitige Voraussetzungen hergestellt, so etwa der Domänenbeitritt eines Windows 7 Rechners zu einer Samba Domäne. Zum Jahresende wurden 50 neue PCs und 14 Laptops beschafft, zum Teil aus Infrastrukturmitteln des MWK. Zu den verwalteten PC-artigen Geräten kann man sie noch nicht zählen; deren Anzahl verringerte sich 2014 leicht auf 270, da im LiMo die Gerätezahl altersbedingt abnimmt. Ebenfalls aus MWK-Mitteln wurde ein Aufsichtscanner-System beschafft. Die Auswahl der technischen Komponenten, die förmliche Ausschreibung und die Aufstellung wurden abgeschlossen, die Integration und Übergabe an das Forschungsreferat stehen aber noch aus. Durch den Kauf von sieben gebrauchten Multifunktionsdruckern konnten preisgünstig und mit identischen Modellen die Lücken bei den Multifunktionsdruckern im Haus geschlossen werden. Es wurden damit auch die letzten klassischen reinen Kopierer im Haus ersetzt und der zugehörige Wartungsvertrag gekündigt. Daneben wurden ein mobiler Drucker und ein A2-Fotodrucker beschafft und in Betrieb genommen. Die kurzfristige Ablösung der Projektion im »Fluxus«, die geplante neue Museums-App und die dafür benötigte Infrastruktur haben umfangreiche Zuarbeiten ausgelöst. Für die geplante Ausstattung der Museen, aber auch als Hilfsmittel für die Bauphase der geplanten Netzmodernisierung, wurden 30 neue WLAN-Access-Points beschafft. Porter Wayne Olsen von der University of Maryland, Projekt Bitcurator, hat einen Workshop und einen Vortrag zum Umgang mit den Bitcurator-Werkzeugen und zur
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digitalen Forensik gehalten. Zuvor wurde er in unsere Arbeit mit digitalen Nachlässen eingeführt und zeigte sich beeindruckt. Die Bearbeitung des umfangreichen Vorlasses von Friedrich Christian Delius dauert noch an. Um die Vielzahl an HFS-formatierten 3.5"-Disketten von Delius bitgenau auszulesen, wurde Kryoflux in unseren Workflow mit »FloppImg« eingebunden. Aus Berlin wurden der lang erwartete Hauptrechner von Friedrich Kittler sowie zwei ältere Laptops übernommen (damit sind jetzt sieben Kittler-Rechner bekannt), ferner ca. 300 5,25"-Disketten. Die Analyse und Bearbeitung dieser Nachlieferung hat begonnen, erstmals auch mit den Bitcurator-Tools. Die Nachlassverwalterin Frau Holl hat mit Hilfe des »Indexers« den digitalen Nachlass Friedrich Kittlers gesichtet. Dabei sind Listen von Pfaden und Dateien entstanden, die gar nicht oder nur nach Einzelgenehmigung der betroffenen Personen für die Benutzung zugänglich sind. Für gesperrte Dateien hat sie eine Sperrfrist von 60 Jahren nach dem Tod Kittlers festgelegt. Über komplexe SQL-Abfragen und diverse Skripte wurden diese Zugriffsbeschränkungen umgesetzt, und Jürgen Enge hat im »Indexer« Mechanismen eingebaut, um geschützte Dokumente zu verbergen, zu verpixeln usw. Interaktive Kunstwerke können nur durch Emulation langfristig erhalten werden. Am Beispiel von Detlev Fischers »Schwamm« wurde eine automatisch startende Emulationsumgebung auf Basis des Emulators »Mini vMac« aufgesetzt. Gleichzeitig haben wir damit erstmals mit Kryoflux erstellte Apple-Diskettenimages erfolgreich weiterverarbeitet. Weitere digitale Unikate von Zsuzsanna Gahse, Ralph Giordano, Georges-Arthur Goldschmidt, Fritz J. Raddatz, Hans Joachim Schädlich, Rafik Schami und dem GoetheInstitut New York wurden übernommen und bearbeitet. Nach einem langwierigen und schwierigen Verfahren konnte zum 1. Oktober 2014 die MWW-IT / DH-Stelle besetzt werden, woraufhin – nach einer kurzen Einarbeitungsphase – die konzeptionelle Arbeit im MWW-Projekt intensiviert werden konnte. Durch die bekannt gewordenen Abhörskandale und mehrere spektakuläre Sicherheitslücken gerieten Sicherheits- und Verschlüsselungsfragen in verstärktem Maß auf die Tagesordnung des Jahres und machten Patches und gehärtete Dienste erforderlich. Unsere Registrierungsstelle zur Verwaltung eigener, offizieller Zertifikate beim DFN-Verein wurde vollständig in Betrieb genommen. Wegen des Desupports von »SHA1« in Serverzertifikaten durch Google Chrome (und 2015 auch durch Microsoft) wurde kurzfristig eine neue Signierung aller unserer öffentlichen Zertifikate erforderlich. Die neue Datenschutzbeauftragte, Frau Riley, hat umfangreiche Unterstützung beim Aufbau eines Verfahrensverzeichnisses erhalten.
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Digitalisierung / Fotostelle Die Digitalisierung / Fotostelle hat im Berichtsjahr 719 Aufträge bearbeitet, davon 246 hausinterne und 528 für externe Auftraggeber. Dabei wurden 15.145 Fotos geliefert. Es gingen 114 Belegexemplare ein. Für die Hauschronik, die Homepage und die Pressestelle wurden etwa 30 Veranstaltungen fotografisch dokumentiert. In die fotografische Porträtsammlung wurden sechs von den Hausfotografen aufgenommene Schriftstellerporträts übernommen. Zwei Marbacher Magazine, zwei Spurenhefte, ein Ausstellungskatalog und zahlreiche weitere Publikationen, Flyer, Werbemittel und Plakate wurden mit Aufnahmen oder Scans der Digitalisierung / Fotostelle ausgestattet. Für insgesamt 10 Ausstellungen wurden sämtliche Fotoarbeiten ausgeführt, darunter eine große Anzahl an Faksimiles und großformatigen Drucken. Für die Ausstellung »Reisen. Fotos von Unterwegs« wurden 6.576 Dateien geliefert. Folgende Konvolute wurden im Berichtszeitraum digitalisiert bzw. bearbeitet: Aus dem Nachlass Schnitzler wurden Abzüge von 192 Nitro-Negativen hergestellt und digitalisiert. Im Rahmen der Kooperation Exilbriefnetz wurden aus den Beständen der Münchner Monacensia Teile der Korrespondenz von Hermann Kesten gescannt (727 Dateien), ebenso aus den Beständen des DLA Briefwechsel verschiedener Exil-Autoren (721 Dateien). Aus dem Siegfried Unseld Archiv wurden 457 Thermofaxe digitalisiert und mittels Bildbearbeitung wieder lesbar gemacht. Aus den Beständen der Bibliothek wurde ein geschlossenes Konvolut mit politischen Flugblättern aus dem Zweiten Weltkrieg digitalisiert (140 Dateien). Zusätzlich wurde ein neu erworbenes Fotokonvolut von Peter Zollna (214 Fotos) digitalisiert. Für die Bestandsgruppe Bilder und Objekte wurden ca. 800 Archivalien verschiedener Gattungen fotografiert bzw. gescannt. Die technische Ausstattung der Digitalisierung / Fotostelle wurde um ein Objektiv für die digitalen Spiegelreflexkameras und einen A2-Tintenstrahldrucker erweitert.
Bestandserhaltung Das Referat Bestandserhaltung versorgt konservatorisch und restauratorisch die drei Abteilungen Archiv, Bibliothek und Museum.
Bestandspflege Für die Verlagsarchive und Autorennachlässe, Forschungsliteratur und Schriftstellerbibliotheken nutzt das DLA Erhaltungsmaßnahmen und Restaurierungstechniken mit sehr unterschiedlichem Bearbeitungsumfang. Darunter sind die konservatorische Sichtung und Erstversorgung von papiergebundenen Nachlasszugängen für
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die Magazinierung und Benutzung der erste Baustein in der Erhaltungsarbeit auf Bestandsebene. Mit dem manuellen Entfernen von anhaftendem Staub und korrodierten Metallklammern sowie gegebenenfalls der Umbettung der Papiere in schützende Archivmappen kann mit großer Breitenwirkung Archivgut versorgt werden. Diese Bestandspflege ist dabei auf die Zusammenarbeit mit der Nachlasserschließung angewiesen, um die umfangreichen Umverpackungen bewältigen zu können. Aus personellen Gründen konzentriert sich diese Schnittstelle zwischen der Akzession des Archivs und der Bestandserhaltung im Wesentlichen auf die Reinigung und beschränkt das archivgerechte Umverpacken auf die in Ordnern abgelieferten Verlagsarchive. Die Bestandspflegestelle hat im Jahr 2014 folgende Nachlässe und Verlagsarchive bearbeitet: Bestand
Umfang und Tätigkeiten
SUA:Insel-Verlag bis 1963
Insgesamt 220 Ordner trocken gereinigt, entmetallisiert und umgelegt in Mappen (DFG-Erschließungsprojekt).
A:Grimm, Hans
Inhalt von 9 Mappen mit Korrespondenz trocken gereinigt.
A:Ben-Chorin
Inhalt von 12 Ordnern für die Benutzung trocken gereinigt.
A:Weiss, Konrad
Inhalt von 4 Archivkästen abgebürstet.
A:Fischer-Verlag
Inhalt von 21 Ordnern trocken gereinigt.
A:Müller-Seidel, Walter
Inhalt von rund 30 Umzugskartons mit kontaminiertem Nachlassmaterialien gesichtet und trocken gereinigt.
Stiftung v. Fr. Kohler
2 Umzugskartons mit Büchern trocken gereinigt.
A:Behrens, Franz
1 Umzugskarton mit losen Materialien trocken gereinigt.
A:Rowohlt-Verlag
Inhalt von 44 Ordner (»rde« »Voten« u. »Länder«) trocken gereinigt und entmetallisiert.
A:Emrich, Wilhelm
Inhalt von 10 Umzugskartons trocken gereinigt und entmetallisiert.
A:Kessler, Harry
Trockene Reinigung eines Koffers aus dem Besitz von Harry Graf Kessler.
A:Kreuder, Ernst (Nachtrag)
Inhalt von 2 Archivkästen trocken gereinigt, entmetallisiert und umgelegt in Mappen.
A:Schirmbeck, Heinrich
Inhalt von 42 Ordnern und 91 Mappen trocken gereinigt und entmetallisiert.
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Bestand
Umfang und Tätigkeiten
A:Hoffmann,Paul
Inhalt von 7 Ordnern trocken gereinigt, entmetallisiert, Folientaschen entfernt und in Mappen umgelegt.
A:Hentschel-Verlag
Trockenreinigung und Schutzverpackung des zwischengelagerten Bestands in Sindelfingen.
A:Michaelis, Rolf
Inhalt von 32 Ordnern trocken gereinigt.
A:Deutsche Verlags-Anstalt
Inhalt von 6 Umzugskartons trocken gereinigt.
Tabelle 1: Erstsichtung und Bestandspflege
Restaurierung Viele Stücke in den Sammlungen zeigen neben den Benutzungsspuren in Teilen auch Altschäden, die oft aus der nicht archivgerechten Lagerung vor der Übernahme ins Archiv stammen. Andere Handschriften und Bücher sind durch den fortgeschrittenen Abbau des Papiers oder der Einbandmaterialien fragil, und es treten beim alltäglichen Umgang Risse und Ausbrüche auf. 2014 wurden insgesamt 48 Bände der Handbibliothek mit der Rebacking-Methode restauriert. Neben der normalen Partiearbeit sind gesondert 11 Bücher, z. B. Buchkunst, restauriert und z. T. in Schutzkassetten verpackt worden. Sowohl in den Freihand- als auch in den Magazinbeständen finden sich leichte Einbandschäden an Rücken oder Buchgelenken, die sich in dem Stadium schnell ausweiten können. Um diesem vorzubeugen, führte die Buchrestaurierung in diesem Jahr eine neue Konservierungsmaßnahme ein. Maßangefertigte transparente Schutzumschläge bilden eine mechanisch stabilisierende Einbandhülle. Sie werden zukünftig in drei Varianten eingesetzt. 38 Bücher aus der Handbibliothek wurden dergestalt ausgestattet. Es wurden 75 Leihgaben betreut.
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Abteilung
Tätigkeiten
Archiv / B&O
Restaurierung von 7 Einzelstücken, ggf. incl. Passepartourierung. Reinigung und Verpackung: 1 Gesangsvereinsfahne, 1 Karte (A:Kippenberg), 2 Teppiche von Uhland, 1 Gitarre. Verpackungen: 65 Überformatmappen.
Archiv / Lesesaal
Restaurierung von 5 Einzelstücken.
Tabelle 2: Restaurierung und Konservierung von Einzelstücken
Der im Juli dieses Jahres neu erworbene Schrank einer Lazarettbibliothek aus dem Ersten Weltkrieg wurde zunächst wegen akutem Anobienbefall in einer Fachwerkstatt thermisch behandelt. Im Anschluss an die erfolgreiche Abtötung der Larven und Nagekäfer wurde der graue Anstrich des Schrankes gereinigt und die Funktion der verschiedenen Teile wieder hergestellt. Im Literaturmuseum der Moderne und Schiller-Nationalmuseum werden Exponate aus den hauseigenen Sammlungen gezeigt. Die Abteilung Museum ergänzt die Ausstellungen bisweilen um externe Leihgaben. Die Restaurierwerkstatt unterstützt den Museumsbetrieb durch die konservatorische und restauratorische Aufbereitung von Einzelstücken. Dazu kommen kleinere Präsentationen des Archivs oder der Bibliothek. Ausstellung / Präsentation
Tätigkeiten und Umfang
Kafka »Der ganze Prozess«
Konservatorische Unterstützung im Zuge der Ausstellungsverlängerung, beim Ausräumen, der Dokumentation und abschließender Rückordnung der 161 Blätter des Manuskripts. Zustandsprotokoll zur Leihgabe von A. Kiefer.
»August 1914. Literatur und Krieg«
Konservatorische Betreuung im Zuge der Ausstellungsverlängerung und Unterstützung beim Ausräumen der 50 Hängevitrinen mit Einzelobjektmonierungen und das Rückordnen der Exponate.
»Reisen. Fotos von unterwegs«
Konservatorische Beurteilung der Ausstellbarkeit, Faksimilierung von empfindlichen Exponaten.
»Vom Wert des Originals«
Konservatorische Beurteilung der Ausstellbarkeit, Faksimilierung von empfindlichen Exponaten. Zustandskontrolle und ggf. Protokolle zahlreicher externe Leihgaben.
Fluxus
Konservatorische Arbeiten: montieren, passepartoutrieren, Leihgaben protokollieren und verpacken.
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Ausstellung / Präsentation
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Tätigkeiten und Umfang Dieter M. Gräf: Foto – Texte Anton Tschechows Reise nach Sachalin (DLA und AliM)
Suhrkamp Insel Nr. 12 zu Thomas Konservatorische Unterstützung beim Einrichten. Bernhard Marbacher Passage
Konservatorische Unterstützung beim Einrichten, Faksimiles von Fotos zu: Zeitkapsel Nr. 35 zu Siegfried Kracauer Präsentation zur Rezeption François Villons Helga M. Novak Alfred Döblin Kafka in Karikaturen und Parodien.
»Mörikes Dinge« (Verbindungsgang zwischen SNM und LiMo)
Sichtung und konservatorische Einschätzung von Exponaten für die Dauerausstellung, externe Replik von Mörikes Hasen (Briefbeschwerer).
Festakt zum 25jährigen Jubiläum Konservatorische Begutachtung, Montierung und Transder Kulturstiftung der Länder in portverpackung von 8 Exponaten und Vorbereitung der der Berliner Landesvertretung 6 Vitrinen. BW Tabelle 3: Ausstellungsbetreuung
In Vorbereitung auf den Umbau der Nexusausstellung in 2015 werden seit Anfang Juni die rund 1.300 Exponate auf ihre mechanische Stabilität und sichtbare Lichtschäden untersucht, dokumentiert und den entsprechenden Abteilungen ggf. der Austausch von Exponaten nahe gelegt. Die aktuelle Ausstellung besteht seit 2006.
Mengenentsäuerung Bei der Nitrochemie Wimmis wurden in 2014 insgesamt 8 Chargen im Papersave Swiss-Verfahren mit durchschnittlich 1.300 Büchern der Signaturengruppe K und KK entsäuert. Die Entsäuerungspartien mit den Anteilen an unikalen Buchbeständen werden genau erfasst und dokumentiert, um optische Veränderungen und Ausschlusskrite-
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rien der Entsäuerung festzuhalten und um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Für diese Vor- und Nachbereitungen ist in 2014 die bestehende barcodegestützte Erfassungstabelle zur Qualitätskontrolle in wesentlichen Punkten verifiziert worden. So sind beispielsweise die Ausschlusskriterien (siehe Tabelle 4) und Nebenwirkungen unterschiedlichen Barcodes zugeordnet. Die verschiedenen Merkmale der Qualitätsprüfung lassen sich so zügig erfassen und auswerten. Charge Nr.
Bücher gesamt
entsäuert Anzahl
nicht entsäuert %
Anzahl
%
3
1418
1235
87
183
13
4
1446
1209
84
237
16
4a
1541
1114
72
427
28
5
1739
1286
74
453
26
6
1254
1053
84
201
16
7
1581
1195
76
386
24
8
1164
858
74
306
26
9
1866
1048
56
817
44
10
1347
1063
79
284
21
Gesamtzahl
13.356
10.061
75,4
3.294
24,6
Tabelle 4: Entsäuerung 2014 – Bedingte Eignung / entsäuert und nicht geeignet / nicht entsäuert
Aufgrund der offenen Kommunikation und des gegenseitigen Informationsaustauschs zwischen beiden Vertragspartnern ließ sich der Entsäuerungsprozess inklusive der Vorselektion stetig optimieren. Mit der Auswertung betroffener Jahrgänge in Kombination mit der Ausarbeitung entsprechender Verpackungsmaßnahmen während der Vorselektion ließen sich die Auswirkungen von Ausblutungen (siehe Diagramm 1) einschränken. Zudem war eine Verminderung von Ablagerungen möglich. Auch die Bemühung um eine Reduktion der Deformierungen zeigte sich bisher erfolgreich: Durch die Stabilisierung anfälliger Bücher mit Wellpappe in der Vorselektion konnten erste Erfolge verzeichnet werden, im Entsäuerungsprozess konnte die Menge an Deformierungen durch die Modifikation der Rekonditionierung deutlich verringert werden.
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Diagramm 1: Gesamtschau zu den Ausblutungen in der Signaturengruppe K und KK
Durch den Aufbau der Referenzbibliothek, in Anlehnung an das Modell der Schweizer Nationalbibliothek Bern, wird der Verfahrensanalyse von Standardtestbüchern ein Tool zur differenzierteren Langzeitkontrolle zur Seite gestellt. Dazu werden ausgesonderte Bände halbiert und jeweils die eine Hälfte entsäuert. Dieses originale Testmaterial wird in Abständen von mehreren Jahren analysiert und der Langzeitdokumentation und Qualitätskontrolle für das PaperSave Swiss-Verfahren. Leichte Einbandschäden an derzeit 160 erfassten Büchern der entsäuerten Bestände in den Signaturengruppen K und KK werden mit alterungsbeständigen Folienumschlägen konservatorisch gesichert. Damit wird deren aktueller Erhaltungszustand, ergänzend zur Papierentsäuerung, längerfristig bewahrt. Katastrophenmanagement Für das untere Bibliotheksmagazin 2 wurde eine Notfallbox zur Erstversorgung von Bibliotheksgut aufgestellt. Mit der bestehenden Box im oberen Bibliotheksmagazin 1 sind nun beide Magazinstockwerke mit Basismaterialen für die Notfallbergung ausgestattet. Aufgrund zweier defekter Abschnitte in der Sprinkleranlage der Archivmagazine 1 und 4 kam es zu einem unkontrollierten Wasseraustritt an den Rohrleitungen. Da die Wände der Regalanlagen und die Archivkästen das Spritzwasser weitgehend abschirmten, waren die betroffenen Nachlassbestände (insgesamt 13 Kästen) nur minimal feucht geworden. Mit entsprechender Erstversorgung und regelmäßiger Kon-
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trolle während der Trocknungszeit, wurden die Papiere nach fünf Tagen mit einem Vermerk in den betroffenen Mappen wieder zurückgeräumt.
Fortbildungen und Führungen Auf der 19. Gemeinsamen Bestandserhaltungsbesprechung im Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg im April 2014 wurde erneut um einen Bericht über die laufenden Arbeiten im Entsäuerungsprojekt des DLA gebeten. Das Ludwigsburger Institut schreibt jährlich diese Erhaltungsmaßnahmen für die angeschlossenen Archive und wissenschaftlichen Bibliotheken aus und hat nun auch erstmalig die Nitrochemie Wimmis AG einbezogen. Drei Schulungsangebote für neue Mitarbeiter (Museum und DiFo) dienten der Einweisung in den materialgerechten Umgang mit unikalen Archivalien und Büchern. Die Bestandserhaltung hat acht Werkstattführungen durch die Bestandspflege, Buchrestaurierung, Papierrestaurierung und Massenentsäuerung im Zuge der allgemeinen Praktikantenführungen, sowie für neue Mitarbeiter und Gäste des DLA angeboten. Vier Bachelorstudenten der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Studiengang Papierrestaurierung haben begleitend zu einem dreitägigen Seminar im DLA die Abläufe bei Nachlasseingängen im Archiv und deren Versorgung durch die Bestandserhaltung kennengelernt.
VERWALTUNG
1 Mitarbeiterschaft (Stand: 31. Dezember 2014) Voll- und Teilzeitstellen
davon Planstellen der DSG
davon Planstellen des Landes
Befristete, projektgebundene Stellen
105,5
103,5
2
35,5
Die befristeten projektgebundenen Stellen wurden überwiegend aus Sachbeihilfen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus Stiftungsmitteln von privater Seite finanziert. Auch 2014 waren zahlreiche wissenschaftliche Hilfskräfte, geringfügig Beschäftigte sowie Praktikanten befristet tätig.
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2 Personelle Veränderungen im Jahr 2014 a) Neu eingestellt wurden am 01.01.2014 01.01.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.02.2014 01.03.2014 01.03.2014 01.04.2014 01.04.2014 01.05.2014 01.06.2014 08.09.2014 15.09.2014 01.10.2014 01.10.2014 01.10.2014 01.10.2014
Dörte Perlenfein Beate Jakob Jens Schramm Dr. Susanna Brogi Michaela Berroth Amelie Babst Carolin Götz Annette Rief Stefanie Höpfner Dr. Anne Tilkorn Johannes Kempf Thomas Stopper Jens Kloster Dr. Philip Ajouri Dr. Stephan Schlak Laura Marie Pohlmann Vanessa Greiff Eva Schippert Simone Waidmann Andrea Fröhlich Elli Unruh Dr. Carl Heinze
Sekretärin Sachbearbeiterin Bibliothekar Wissenschaftliche Mitarbeiterin Magazinkraft Bibliothekarin Bibliothekarin Assistentin Bibliothekarin Pressereferentin Forschungsverbund Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hausmeister Volontär Wissenschaftlicher Mitarbeiter Wissenschaftlicher Mitarbeiter Bibliothekarin Verbindungslehrerin Bibliothekarin Bibliothekarin Bibliothekarin Bibliothekarin Wissenschaftlicher Mitarbeiter
b) Ausgeschieden sind am 01.01.2014 28.02.2014 30.04.2014 30.04.2014 30.06.2014 30.06.2014 31.08.2014 27.09.2014 30.09.2014 31.12.2014 31.12.2014
Gerhart Fuhrmann Florian Dolvig Silke Weber Harald Kaluza Janet Dilger Hannelore Schiele Rudi Kienzle Christina Gückel Fritz-Bernd Leopold Prof. Dr. Frank Druffner Ursula Nagel
Betriebsingenieur Mediendokumentation Volontär Bibliothekar Bibliothekarin Magazinkraft Verbindungslehrer Bibliothekarin Bibliothekar Wissenschaftlicher Mitarbeiter Cafeteria/Reinigungsdienst
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506
31.12.2014 31.12.2014
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Christoph Willmitzer Dr. Anne Tilkorn
Volontär Pressereferentin Forschungsverbund
3 Deutsche Schillergesellschaft e.V. Jahr
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Mitglieder
3.729 3.659 3.545 3.509 3.444 3.409 3.323 3.198 3.077 2.803 2.643
Mitglieder mit Jahrbuch
70%
70%
65%
65%
65%
65%
62%
61%
58%
62%
59%
neue Mitglieder
175
93
83
126
118
133
101
79
148
39
47
ausgetretene oder verstorbene Mitglieder
150
200
197
162
183
146
217
284
315
203
163
ausländische Mitglieder
12%
12%
12%
12%
12%
12%
12%
11%
11%
11%
12%
DSG-Jahresbeitrag (€)
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
50,–
50,–
50,–
DSG-Jahresbeitrag mit Jahrbuch (€)
50,–
50,–
50,–
50,–
50,–
50,–
50,–
50,–
80,–
80,–
80,–
DSG-Jahresbeitrag (€) (Mitgl. in Ausbildung)
12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50
20,–
20,–
20,–
30,–
30,–
30,–
DSG-Jahresbeitrag (€) (Mitgl. in Ausbildung mit Jahrbuch)
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
2011
25,–
2012
2013
2014
Den Bewohnern der neuen Bundesländer und Osteuropas wurden auch 2014 auf Antrag die Mitgliedschaft und das Jahrbuch zur Hälfte des allgemeinen Tarifs angeboten.
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ARBEITSSTELLE FÜR LITERARISCHE MUSEEN, ARCHIVE UND GEDENKSTÄTTEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG (ALIM) 1 Museen und Dauerausstellungen Maulbronn: Ausstellung Besuchen – Bilden – Schreiben. Das Kloster Maulbronn und die Literatur (Eröffnung 7. Februar 2014). – Müllheim: Literaturabteilung des Markgräfler Museums im Blankenhorn-Palais (Eröffnung 29. Juni 2014). – Bollschweil: Ausstellung »Herzkammer der Heimat«. Marie Luise Kaschnitz in Bollschweil und andernorts im Rathaus (Eröffnung 10. Oktober 12014). – Emmendingen: Tagebuchmuseum im Deutschen Tagebucharchiv (Eröffnung 22. November 2014). – An literarische Museen und Gedenkstätten in Baden-Württemberg gingen im Jahr 2014 Zuwendungen in Höhe von rund € 109.270,–. Es konnten außerdem literarische Veranstaltungen in diesen Museen mit € 50.000,– gefördert und Dauerleihgaben der Arbeitsstelle im Wert von € 1.305,– zur Verfügung gestellt werden. Außerhalb von Marbach wurden 116 Ortstermine in 39 Orten wahrgenommen.
2 Abgeschlossene Projekte in Museen Karlsruhe, Museum für Literatur am Oberrhein: Ausstellung Joseph Victor Scheffel als Zeichner und Maler.
3 Publikationen der Arbeitsstelle Spuren 101 (Dieter Martin / Andrea Riotte: Wieland in Tübingen), 102 (Marcel Atze: Sebald in Freiburg), 45 (Rolf-Dieter Kluge: Anton Tschechow in Badenweiler, 2. überarb. Auflage) und 80 (Barbara Wiedemann: Paul Celan und das Sprechgitter des Pfullinger Klosters, 2. überarb. Auflage). – Ferne Spuren I (Anastasia Alexandrowa / Ernest Orlov / Annika Differding / Jens Kloster / Thomas Schmidt: Tschechows Reise nach Sachalin)
4 Veranstaltungen und Ausstellungen Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur. Wanderausstellung der alim in Zusammenarbeit mit dem Theodor-Heuss-Museum Brackenheim. Eröffnungen im Dreiländermuseum Lörrach (16. Februar 2014), Melanchthonhaus Bretten (8. Mai 2014), Hermann-Hesse-Zentrum Calw (27. Juli 2014) und in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (4. Dezember 2014). – Marbacher Schaufenster:
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Ausstellung und Lesung mit Günter Riederer aus Spuren 100 (Sartre in Stammheim) in der Stadtbibliothek Heilbronn (26. Februar 2014) sowie Lesung in der Stadtbibliothek Stuttgart (14. März 2014). – Vorstellung Spuren 101 (Wieland in Tübingen) mit Dieter Martin und Andrea Riotte im Wieland-Museum Biberach (26. Februar 2014). – Arbeitstagung der literarischen Museen Baden-Württembergs im Stadtmuseum Fellbach (19. November 2014).
FORSCHUNG 1 Internationale Forschungsbeziehungen Die Erfahrungen und Ergebnisse im Suhrkamp-Forschungskolleg (VolkswagenStiftung) und in der Koordinierungsstelle für die Bewahrung und Erforschung deutschjüdischer Nachlässe in Israel (Auswärtiges Amt) haben das Deutsche Literaturarchiv Marbach ermutigt, den nächsten Schritt zu gehen und die Arbeit über mehrsprachige Archivbestände mit lateinamerikanischen Partnern aufzunehmen. Im Rahmenkonzept Global Archives, das schrittweise auch indische, chinesische und westafrikanische Partner integrieren wird, begann das Projekt ARCHIV.BR, ausgerichtet zusammen mit der Universität Curitiba, Paraná, zahlreichen brasilianischen Forschungs- und Archivpartnern sowie der Universität Köln in beratender Funktion. In Brasilien wurde eine Arbeitsstelle eingerichtet, die brasilianische Archivbestände mit hohem deutschsprachigen Anteil, insbesondere von deutsch-jüdischen Autoren und Übersetzern, zusammen mit brasilianischen Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern erschließt und erforscht. Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Baden-Württemberg, stellte Mittel für die Stärkung der Forschungsstrukturen im Deutschen Literaturarchiv Marbach, für die Intensivierung der universitären Zusammenarbeit im Land und im internationalen Kontext bereit. Das Workshop- und Seminarprogramm wurde systematisiert und intensiviert, unterstützt durch ergänzende Förderung des BMBF und des DAAD.
2 Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (BMBF) Nach Besetzung aller Stellen in den Forschungsprojekten zu Beginn des Jahres konnten die Forschungsprojekte »Bildpolitik: Das Autorenporträt als ikonische Autorisierung« (Federführung Marbach), »Autorenbibliotheken: Materialität – Wissensordnung – Performanz« (Weimar) und »Text und Rahmen: Präsentationsmodi kanonischer Werke« (Wolfenbüttel) ihre Arbeit aufnehmen. In den ersten Monaten wurden die Projekte genauer definiert und Gesamtkonzepte für die kommenden Jahre
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ausgearbeitet. Ein Schwerpunkt wurde dabei stets auf mögliche Schnittpunkte mit den drei Projekten im Bereich Digital Humanities gelegt: »Datenmodellierung und Metadaten« (Federführung Wolfenbüttel), »Aufbau eines virtuellen Forschungsraums« (Weimar) und »Aufbau eines verlässlichen Speichers« (Marbach). Im Projekt »Bildpolitik« fand im Mai 2014 in Marbach ein Workshop zur Konstituierung der Forschergruppe statt, bei dem gemeinsame, die drei Teilprojekte übergreifende Fragestellungen entwickelt und ein entsprechender Arbeitsplan erstellt wurden. Mit den externen Wissenschaftlern des Projekts wurde bei einem Arbeitsgruppentreffen im September 2014 ein gemeinsames Workshop-Programm entwickelt, das den Dialog zwischen bestandsbezogener und universitärer Forschung intensivieren soll. Im Rahmen eines eigens initiierten Programms mit dem Oxford German Network wurden die Projekte in den drei Verbundeinrichtungen von Forschungshospitanten der University of Oxford begleitet. Ziel der Kooperation ist die Förderung des Wissensaustauschs zwischen den Institutionen. Den Studenten der Universität Oxford wird dabei die Möglichkeit gegeben, die große Bandbreite der Arbeit in einer modernen Forschungsbibliothek, einem Archiv oder Museum kennenzulernen. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde der Verbund am 19. Mai 2014 in Berlin in der Vertretung des Freistaats Thüringen beim Bund. Im Rahmen der von Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, eröffneten Auftaktveranstaltung, wurden drei Panels zu wichtigen Fragen des Verbunds ausgerichtet: Ein Panel zur Erforschung von Autorenbibliotheken mit Ulrich Johannes Schneider (Leipzig), Elisabeth Décultot (Paris und Berlin), und Dirk Werle (Berlin), eines zur geisteswissenschaftlichen Forschung im internationalen Kontext mit Sandra Richter (Stuttgart), Katrin Kohl (Oxford) und Markus Hilgert (Berlin) und eines zum Thema Digital Humanities mit Julianne Nyhan (London), Thomas Ernst (Duisburg-Essen) und Andrea Rapp (Darmstadt). Im Sommer 2014 erfolgte der Relaunch der Verbundhomepage www.mww-forschung.de, der neben einigen technischen und grafischen Neuerungen vertiefende Informationen zu den Forschungsprojekten, Programmen und Mitarbeitern des Verbunds beinhaltete. Zudem liefen die konkreten Planungen für die internationale Sommerschule an, die vom 26. Juli bis 7. August 2015 unter dem Titel »World Literature, Global Archives« im Rahmen des Forschungsverbunds in Marbach stattgefunden hat. Ausgeschrieben wurden international 20 Stipendien für Doktorandinnen und Doktoranden der literatur- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen.
3 Suhrkamp-Forschungskolleg Die Arbeit des von der VolkswagenStiftung geförderten Suhrkamp-Forschungskollegs (Förderbeginn: 1. September 2012; Laufzeit: 3 Jahre), in dessen Rahmen sechs Dok-
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torandinnen und Doktoranden kooperativ durch das DLA und die Universitäten Konstanz, Stuttgart, Tübingen und die Humboldt-Universität zu Berlin betreut werden, wurde erfolgreich fortgesetzt. Ergebnisse aus den einzelnen Dissertationsprojekten wurden im Rahmen von Tagungen und Workshops in einem internationalen Forschungs- und Sammlungskontext vorgestellt und diskutiert. Projektbegleitend haben die Doktorandinnen und Doktoranden Zeitzeugengespräche geführt. Die Aufzeichnungen der Gespräche mit literatur-, verlags- und intellektuellengeschichtlich bedeutsamen Personen werden unter eigener Signatur im Bestand der Mediendokumentation geführt und ergänzen die Sammlung des DLA. In der Reihe der »Forschungstreffen Suhrkamp/Insel« fanden zwei Tagungen statt, die, ausgehend von den Forschungsmodulen des Kollegs, Bestandssegmente in den Mittelpunkt stellten, die für die internationale und interdisziplinäre Forschungsdiskussion von Bedeutung sind. Die paradigmatische Zusammenarbeit von sammlungsbezogener Forschung und forschungsorientierter Erschließung, wie sie im Rahmen des Kollegs erprobt wird, konnte nun auch für das Insel-Verlagsarchiv übernommen werden, das nicht nur für den Kollegskontext von Bedeutung ist, sondern auch im Mittelpunkt eines Projekts des Forschungsverbunds steht.
4 Koordinierungsstelle für die Bewahrung und Erforschung deutsch-jüdischer Nachlässe und Sammlungen in Israel Mit der Förderung des Auswärtigen Amts konnte die Arbeit der Koordinierungsstelle und die Forschungs- und Erschließungstätigkeit in israelischen Archiven gemeinsam mit dem Franz Rosenzweig Minerva Research Center der Hebräischen Universität Jerusalem fortgesetzt und intensiviert werden. Israelische Archive und Museen werden, eingebunden in Forschungsprojekte zum Wissens- und Kulturtransfer, insbesondere in der Erschließung von Beständen emigrierter deutsch-jüdischer Gelehrter und Künstler unterstützt. Die entsprechenden Ergebnisse und Findbücher sind auf der Homepage des DLA dokumentiert.¹ Zusammen mit dem Israel Museum, Jerusalem, und mit der Förderung des Goethe Instituts erarbeitet das DLA eine Ausstellung zu den deutsch-jüdischen Schriftgestaltern Franzisca Baruch, Henri Friedlaender und Moshe Spitzer, die nach ihrer Emigration in Israel entscheidend zur Entwicklung moderner hebräischer Schriften und Drucktypen beitrugen. Die Ausstellung wird aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der 1
http://www.dla-marbach.de/dla/direktion/magg/koordinationsstelle-zur-erforschungdeutsch-juedischer-nachlaesse-in-israel/traces-of-german-jewish-history-preserving-andresearching-german-jewish-archives-in-israel/completed-cataloging-projects-in-partnerinstitutions-in-israel/index.html.
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deutsch-israelischen Beziehungen im Herbst 2015 in Jerusalem eröffnet werden und danach auch in Deutschland zu sehen sein. Im Foyer des Auswärtigen Amts wirkt das DLA an einer Tafelausstellung zum Diplomatiejubiläum mit.
5 Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik Die Tagungspublikation zu der von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Hellingrath-Tagung erschien 2014 im Wallstein-Verlag, herausgegeben von Jürgen Brokoff, Joachim Jacob und Marcel Lepper: Norbert von Hellingrath und die Ästhetik der europäischen Moderne. Die Zeitschrift Geschichte der Germanistik dokumentiert in international erweiterter Perspektive die wissenschaftsgeschichtliche Forschungsarbeit (45/46, Göttingen: Wallstein, 2014). Die Erwerbung und Erschließung von Germanistennachlässen und wissenschaftlichen Archiven geht in den Bericht der Archivabteilung ein.
6 Stipendiatinnen und Stipendiaten Im Jahr 2014 erhielten folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein MarbachStipendium: Bachmann, Magdalena (Innsbruck, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: »Grenzfälle von Grenzfällen« – Die Form des Essays bei Erwin Chargaff); Barniskiene, Sigita (Kaunas, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Humanistische Ideale im literarischen Werk von Hans Reisiger); Bednarowska, Aleksandra (Krakau, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Das literarische Schaffen der deutschsprachigen jüdischen Schriftstellerinnen in Deutschland in den Jahren 1933–1943); Brandt, Bettina (State College, PA, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: »Cutting Out: Figures on the Move« (Emine Sevgi Özdamar, Herta Müller, Yoko Tawada)); Capek, Jan (Pardubice, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Camill Hoffmann und sein Nachlass im Archiv); Centorbi, Angela Nadia (Mirabella Imbaccari, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: »Hans Sahl als Dichter, Erzähler, Dramatiker«); Cygan, Dorota (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Kulturtransfer im Feuilleton: Wien – Berlin – Warschau); Dzikowska, Elzbieta (Warschau, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Kulturtransfer im Feuilleton: Wien – Berlin – Warschau); Erochin, Alexander (Ischewsk, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Die »Sächsische Dichterschule« im Dialog mit der russischen Literatur: Eine Studie zur Übersetzungspraxis in der DDR-Dichtung der 60–70er Jahre des XX. Jahrhunderts); Hartwig, Thomas (Berlin, 2 Wochen Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Briefwechsel Armin T. Wegner und Lola Landau); Hertz, Gal (Givatayim, Tel Aviv, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema:
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Übersetzungen vom Deutschen ins Deutsche: Shakespeares Revisionen und Übersetzungen um 1900); Hundehege, Stefanie (Kent, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Baldur von Schirach – Poetry for National Socialism. Literature and Ideology in the Third Reich); Hutter, Roman (Wien, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Oskar Pastior – »Unterschiedenes ist gut«. Bausteine einer Biographie); John, Laura (München, 3,5 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: »Na gut, die Poesie einer Prothese, was?«– Eine Werkmonographie des Exilschriftstellers Konrad Merz unter besonderer Berücksichtigung des Grotesken); Kellerer, Sidonie (Köln, 2 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Martin Heideggers Nietzsche-Auslegung in den Jahren 1936–1941); Kemper, Dirk (Moskau, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Drei Masken-Verlag (München) als russisch-deutsche Kulturmittlerinstitution); Kessel, Thomas (Düsseldorf, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Die Entwicklung der Systemphilosophie Hartmanns); Koss, Max (Chicago, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: »Pan«, ein Kunstmagazin des Jugendstils); Mazza, Donatella (Pavia, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Die Sprache des Expressionismus); Meuer, Marlene (Freiburg, 2 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Der Laura-Zyklus in Schillers Anthologie auf das Jahr 1782. Ein poetisches Laboratorium für erosphilosophische Überbietungsexperimente im schwäbischen Dichtungswettstreit der frühen 1780er Jahre); Pelloni, Gabriela (Padova, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Kritische Edition der Schiller-Schriften von Max Kommerell); Poggi, Manuela Alessandra (Novi Sad, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Bilder der Religion und der Anti-Religion in der deutschen Rezeption angloamerikanischer Literatur am Beispiel von Rolf Dieter Brinkmanns Herausgabe-Werk); Preuß, Marion (München, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Ernst Jünger und die Stadt); Schmidt, Jana (New York, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: »Defying the Name«: H.G. Adler’s Novels in Images); Szenrok, Magdalena (Zoppot, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Psychologie und literarische Fiktion in den Werken von Lou Andreas-Salomé); Varwig, Olivia (Bad Homburg, 1,5 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Hugo und Gerty von Hofmannsthal. Briefwechsel einer Ehe); von Boltenstern, Katrin (Berlin, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: »Ich schreibe, damit mich nicht der Teufel holt.« Der Nachlass Richard Leisings und das Schreiben jenseits jeder Vereinnahmung); Wagner, Jannis (Berlin, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Forschungsprojekt zur Rezeption der Literatur Ernst Jüngers durch seine Leser während des Zweiten Weltkrieges).
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Für das Jahr 2014 wurden außerdem folgende benannte Stipendien bewilligt: C.H. Beck-Stipendium für Literatur- und Geisteswissenschaften: Dunkhase, Jan Eike (Berlin, 6 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Kreise des Streits. Drei Historiker um 1968); Haberich, Max (Cambridge, 3 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Arthur Schnitzler – eine kritische Monographie); Korn, Uwe Maximilian (Leipzig, 2 Monate Graduiertenstipendium, Vom Positivismus zur Textologie. Zur Geschichte der Editionswissenschaft zwischen 1890 und 1960); Wolff, Lynn (Madison, 4 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Geschichte(n) als Überlebensstrategie und Therapie: H. G. Adler und Schreiben »nach Auschwitz«). Freiburger Förderpreis: Gerlach, Hannah (Freiburg, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Literaturgeschichte und Autorpoetik in Paul Zechs biographischen Essays). Hermann Broch Fellowship: Leitane, Iveta (Riga, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Hermann Broch: Urteilslehren im Umkreis des Neukantianismus als Ausdruck der literarischtheologischen episteme); Schwarzwälder, Florens (Bern, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Robert Musils und Hermann Brochs Arbeiten an Roman und Romanpoetologie ab 1932). Hilde-Domin-Stipendium für lateinamerikanisch-deutsche Literaturbeziehungen: Castro, Maria Virginia (Buenos Aires, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Jorge Luis Borges und die post-Borgesschen Autoren Italo Calvino, Claudio Magris und Danilo Kis in der Arbeitsbibliothek W. G. Sebalds); da Silva Santos, Patricia (Sao Paulo, 4 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Wie die Flüchtlinge des Nationalsozialismus Brasilien erlebten. Eine vergleichende Analyse von Frank Arnaus »Licht und Schatten« und J. A. Bentons Sammlung brasilianischer Mythen und Legenden (Volksdichtungen)); Muranyi, Heike (Leipzig, 4 Monate Forschungsstipendium, Projektthema: »Global Archives: Mehrsprachige Archive in Brasilien«). Kurt Tucholsky Stipendium: Antonella, Anna (Bozen, 12 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Die Weltbühne als Bühne der Welt. Das internationale Literaturfeld einer deutschen Zeitschrift); Künstler, Kira (Leipzig, 12 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Spielarten des Komischen in der Literatur der Moderne).
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Reisestipendium für US-amerikanische Doktoranden: Bajohr, Hannes (New York, 2 Monate Max Kade Summer Research Grant, Projektthema: Man and Metaphor: Hans Blumenberg’s Theory of Language); Florea, Christina (Princeton, 1 Monat Max Kade Summer Research Grant, Projektthema: »City of Dreams: Czernowitz at the Crossroads of Empires« – Paul Celan and Gregor von Rezzori); Köllner, Sarah (Nashville, 1 Monat American Friends of Marbach travel grant, Projektthema: The German Bookmarket in the Digital Age); Vega, Facundo (Ithaca, 1 Monat American Friends of Marbach travel grant, Projektthema: Extraordinary Matters: Politics and Life-in-Common after Martin Heidegger). Rostocker Marbach-Stipendium: Tuczek, Stefan (Laage, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: »Die Utopie ist der Entwurf des idealen Planes [...].« Die Idee der Utopie in Ernst Jüngers Romanen Heliopolis (1949); Besuch auf Godenhom (1952); Gläserne Bienen (1957); Eumeswil (1977) und Aladins Problem (1983)). Suhrkamp-Stipendium: Banki, Luisa (Stuttgart, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Geheime Beziehungen. Zur Lesbarkeit der Geschichte bei Walter Benjamin und W. G. Sebald); Brixa, Anna (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Literarische Vergangenheitsbewältigung bei Wolfgang Koeppen und Walter Kempowski); CostabileHeming, Carol Anne (Lantana, FL, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Friedrich Christian Delius: Witnessing German History); Giannuzzi, Mariaenrica (Rom, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Zeit des Daseins und Zeit der Naturwissenschaft im Werk Paul Celans); Kolb, Martina (New Haven, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: In the Gesture of Laocoön: The Interpretation of Screams in the Inter-Arts); Pohlmann, Jens (Stanford, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Marketing the Difficult Author. Zur Präsentation Samuel Becketts und Heiner Müllers durch den Suhrkamp Verlag); Ravichandran, Balaji (Oxford, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: At Home in Homelessness: A Study of Form and Function in the Works of W. G. Sebald, especially in relation to the Works of Thomas Bernhard and Joseph Conrad); Ros Velasco, Josefa (Murcia, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Aktuelle Pathologien in Hans Blumenberg's philosophischer Anthropologie); Willmitzer, Christoph (Stuttgart, 2,5 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Wolfgang Hildesheimer im Suhrkamp Verlag: Remigration und Position deutschjüdischer Autoren im literarischen Feld der BRD). Udo-Keller-Stipendium für Gegenwartsforschung: Religion und Moderne: Ghyselinck, Zoë (Gent, 3 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: »Vom Dichter zum Reformator«).
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PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Die beiden großen Wechselausstellungen »Reisen. Fotos von unterwegs« (Eröffnung: Christoph Ransmayr) und »Der Wert des Originals« (Eröffnung: Theresia Bauer MdL, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg) bildeten Schwerpunkte im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sie fanden ausnehmend große mediale Aufmerksamkeit. Besonderes Interesse erfuhr zudem die Ausstellung »Anton Tschechows Reise nach Sachalin«; dank einer Kooperation mit dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation in Moskau konnten diese Bilder zum ersten Mal überhaupt ausgestellt werden. Ein besonderes Ereignis war zudem der Besuch des Schriftstellers Siegfried Lenz in Marbach am 6. April anlässlich der Übernahme seines Archivs – wenige Monate vor seinem Tod am 7. Oktober. In Anwesenheit von zahlreichen Medienvertretern kommentierte der Autor bereits übergebene Briefe, sein öffentlicher Auftritt in Marbach wurde vielfach gewürdigt. Große Resonanz erfuhr zudem die Schillerrede, die im Jahr 2014 von Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien, gehalten wurde. Pressearbeit Im Jahr 2014 informierte die Pressestelle die Medien mit insgesamt 72 Pressemitteilungen über die Aktivitäten des Deutschen Literaturarchivs Marbach, davon entfielen 26 auf Veranstaltungen (Lesungen, Vorträge und Tagungen), dreizehn auf den Bereich Ausstellungen, zwölf auf Literaturvermittlung und Sonderführungen, vierzehn auf den Bereich Erwerbungen und sieben auf den Bereich institutionelle Meldungen. Unter den Fachveranstaltungen erfuhr die Tagung »Curtius und Picht – zwei Familien, vier Generationen« besondere Aufmerksamkeit, u. a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Tagungen »Interdisziplinarität als Chance? Oder: Die nicht mehr schönen Wissenschaften. 50 Jahre Poetik und Hermeneutik«, »Suhrkamp and European Literature« und »Das psychoanalytische Paradigma in Kultur-, Literaturund Medientheorie« wurden ebenfalls sehr gut wahrgenommen, wie auch die externe Tagung im Schloss Herrenhausen »Schillers Europa«. Große Resonanz erfuhr die Erwerbung des Archivs der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, außerdem u. a. die Erwerbungen der Archive von Hans Magnus Enzensberger, Helmut Lethen, Rolf Michaelis, Walter Müller-Seidel und Wilhelm Emrich. Besondere Aufmerksamkeit galt der Erwerbung eines »Schwarzen Heftes« von Martin Heidegger, außerdem seinen Korrespondenzen aus Familienbesitz sowie der Korrespondenz mit seinem Bruder Fritz Heidegger. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach gab es Pressekonferenzen zu den großen Wechselausstellungen »Reisen. Fotos von unterwegs« (16 Teilnehmer) und »Der Wert des Originals« (12 Teilnehmer). Zur Eröffnung von »Reisen. Fotos von unterwegs«, gab es u. a. einen Beitrag in den Tagesthemen (ARD), Besprechungen in der Frank-
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furter Allgemeinen Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Neuen Zürcher Zeitung, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Südwest Presse und Die Welt. Abdrucke von Beiträgen aus dem begleitenden Katalog erschienen im Reiseblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Hans Ulrich Gumbrecht, Thomas Hettche und Thomas Meinecke. Zudem wurden größere Beiträge in Die Zeit, in Sonntag aktuell und in der Zeitschrift Bücher veröffentlicht; in den Kultursendungen des ARD-Hörfunks wurde ebenfalls ausführlich berichtet. Die Ausstellung »Der Wert des Originals« wurde in 3sat-Kulturzeit vorgestellt, außerdem u. a. in der Badischen Zeitung, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Neuen Zürcher Zeitung, Stuttgarter Zeitung, Süddeutschen Zeitung, Südwest Presse und Die Welt besprochen. Artikel zur Ausstellung »Anton Tschechows Reise nach Sachalin« wurden in der Badischen Zeitung, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Neuen Zürcher Zeitung, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Der Tagesspiegel und Wostok (Informationen aus dem Osten für den Westen) veröffentlicht; außerdem in russischen Medien wie Kommersant Publishing House (Moskau) oder der in Deutschland vertriebenen russischsprachigen Zeitung MK Germania (www.mknews.de). Darüber hinaus gab es zahlreiche Pressegespräche und -führungen, u. a. erfuhr die Ausstellung »Nicht enden können« zum Werk Thomas Bernhards große Aufmerksamkeit, sie bildete den Abschluss der im Jahr 2010 eröffneten Ausstellungsreihe Suhrkamp-Insel. Auf gute Resonanz stießen in der Reihe »fluxus« die Ausstellung »Foto-Texte« von Dieter M. Gräf und »+/- 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen«, sowie Veranstaltungen wie die Zeitkapsel »Chérie und Krac« – Siegfried Kracauers Fotonachlass. Darüber hinaus gab es viele Beiträge zu einzelnen Themen, u. a. in der Reihe »Expedition in die Heimat« (Südwestfernsehen) über Thaddäus Troll (100. Geburtstag) oder über die in Marbach ausgerichtete Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg im Fernsehkanal KIKA (ARD und ZDF). Die Pressereferentin besuchte die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt und stellte dort das Programm des Deutschen Literaturarchivs Marbach vor, außerdem unternahm sie eine Pressereise nach Berlin. Viele Journalisten waren bei den zahlreichen Veranstaltungen, Lesungen, Vorträgen und Tagungen in Marbach zu Gast, wurden durch die Einrichtungen geführt oder führten Gespräche mit dem Direktor oder der Pressereferentin. Zahlreiche Anfragen von Medienvertretern, Kooperationspartnern, Marketingabteilungen, Besuchern und anderen Interessierten wurden beantwortet. Öffentlichkeitsarbeit In der Rubrik »Museen und Galerien« wurden in der Wochenzeitung Die Zeit regelmäßig Textanzeigen geschaltet, außerdem im Ausstellungsanzeiger Mart. Ausstellungsanzeigen wurden u. a. in der Beilage Baden-Württemberg starkes Land des Wochenmagazins Der Spiegel, im Kulturkalender BW, in Stuttgart geht aus (Lift), dem Magazin des SWR2 Kulturservice und dem Magazin 5plus geschaltet. Das Zentrale Ver-
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zeichnis Antiquarischer Bücher druckte Postkarten für die Ausstellung »Reisen. Fotos von unterwegs« und bewarb die Ausstellungseröffnung über ihren Newsletter bzw. eine eigene Website. In Zusammenarbeit mit der Stadt Marbach gab es u. a. wieder eine Beteiligung an der Broschüre »Kultursüden« der Tourismus Marketing BadenWürttemberg, gemeinsame Anzeigen wurden u. a. im Magazin Baden-Württemberg kulturreich geschaltet. Ein Plakat wurde zur Wechselausstellung »Reisen. Fotos von unterwegs« gedruckt und an Kulturinstitutionen verteilt. Die Pressereferentin koordinierte und redigierte die Artikel der Fachkollegen des DLA für die große Serie »100 Jahre Erster Weltkrieg« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Absprache mit dem Redakteur. Abwechselnd mit Beiträgen von Mitarbeitern der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart wurden in loser Reihenfolge insgesamt 30 Artikel in dieser Reihe veröffentlicht. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gaben Ulrich Raulff, Ulrich von Bülow, Jan Bürger und Marcel Lepper zudem ein großes Interview »Spätlese auf der Festplatte des Geistes« (29. Oktober 2014). Der Relaunch der Homepage wurde von der Pressereferentin und Heinz Werner Kramski (Projektteam) konzeptionell vorbereitet und soll voraussichtlich im Sommer 2015 abgeschlossen werden. Mit der Gestaltung wurden Diethard Keppler und Demirag Architekten beauftragt, die technische Umsetzung übernimmt Lombego (Weimar). Interne Kommunikation Über Belegschaftsnachrichten und insgesamt 131 Tickermeldungen wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Mitteilungen des Direktors, personelle Veränderungen, Veranstaltungen und wichtige Medientermine laufend informiert. Personelle Situation Der Pressereferentin Alexa Hennemann obliegt das Aufgabenfeld Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; sie wird halbtags von einer Sekretärin, Patricia Schüttler, unterstützt.
SCHRIFTEN, VORTRÄGE UND SEMINARE Schriften Philip Ajouri: Darwinism in German-Speaking Literature (1859– c. 1890), in: Thomas F. Glick / Elinor Shaffer (Hg.), The Literary and Cultural Reception of Charles Darwin in Europe, Bd. 3, London u. a. 2014, S. 17–45. – [Rezension] George Levine. Darwin the Writer, in: Scientia Poetica, 18, 2014, S. 348–352. Arno Barnert: Bücher an der Front / Soldatenlektüre – Truppenbüchereien im Ersten Weltkrieg, in: BuB. Bibliothek und Information, 66/3, 2014, S. 190–194. – Die Mobilmachung der Bücher. Zur Rekonstruktion einer Truppenbücherei aus dem Ersten
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Weltkrieg, in: Andrea Fadani / Ulrike Horstenkamp / Gabriele Weidle (Hg.), Zwischen den Fronten. Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg, Bonn 2014, S. 174–183. – Die Weimarer Militärbibliothek 1630 bis 1930 – klassische Ordnungsvorstellungen vom Krieg, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift, 73/1, 2014, S. 1–22. – Sammelbehälter der Moderne. Buchattrappen und Scheinbücher im Deutschen Literaturarchiv Marbach, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 58, 2014, S. 449–460. Silke Becker: Bei Durchsicht seiner Bücher. Die Belegexemplarsammlung Erich Kästners im Deutschen Literaturarchiv Marbach, in: Sebastian Schmideler / Johan Zonneveld (Hg.), Kästner im Spiegel. Beiträge der Forschung zum 40. Todestag, Erich Kästner-Studien, Bd. 3, Marburg 2014, S. 149–169. Petra Boden: Die Ästhetischen Grundbegriffe. Ein Wörterbuchprojekt zwischen Subversion und Subordination, in: Frigga Haug / Wolfgang Fritz Haug / Peter Jehle (Hg.), Das Argument, 56/4, 2014, S. 537–548. – So viel Wende war nie. Zur Geschichte des Projekts »Ästhetische Grundbegriffe«. Stationen zwischen 1983 und 2000, Bielefeld 2014. – [hrsg. zus. mit Justus Fetscher und Ralf Schnell] Vielfacher Blick. Eberhard Lämmert zum 90. Geburtstag, Siegen 2014. Susanna Brogi: [Gasthg. zus. mit Anna Ertel und Evi Zemanek], Ulrike Draesner. München 2014. – Kein richtiges Liegen im Falschen. Die Sexualisierung der Arbeitswelt und die Ökonomisierung der Beziehungswelt in den Erzählungen Ulrike Draesners, in: Susanna Brogi / Anna Ertel / Evi Zemanek (Hg.), Ulrike Draesner, München 2014, S. 48–56. – Transitorische Beziehungen? Arbeitsleben und Intimität in der Gegenwartsliteratur, in: Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte, 4, 2014, S. 77–79. – Naturkundliches Wissen um 1700. Maria Sibylla Merians buchkünstlerische Ästhetik zwischen physikotheologischer Entgrenzung und empirischer Beschränkung, in: Zeitschrift für Museum und Bildung, 76/77, 2014, S. 16–28. Ulrich von Bülow: Begründung. Brief, in dem Martin Heidegger seinem Bruder Fritz am 4.Mai 1933 erklärt, warum er in die NSDAP eingetreten ist, in: Der Wert des Originals, Marbach 2014, S. 137–138. – DDR-Literatur in Marbach. Richard Leising zum Beispiel, in: Kultur Report, 1, 2014, S. 17–19. – Der Undank des Georg Lukács, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06. 08. 2014, S. 12. –»Diesen Platz haben wir übel bombardiert. Aber gerade die hässlichen Teile, Gott sei Dank beinahe für Kunsthistoriker nicht zu bedauern. Aber Reims: oh weh!«, in: Sonja Asal / Helwig Schmidt-Glintzer (Hg.), Zeitschrift für Ideengeschichte, VIII, 2/2014, S. 71–73. – Nachruf auf Siegfried Lenz, in: Süddeutsche Zeitung vom 8. 10. 2014. – Quellen für Übersetzungs- und Übersetzerforschung. Kursorische Anmerkungen zu den Beständen im Deutschen Literaturarchiv Marbach, in: Andreas F. Kelletat / Aleksey Tashinskiy (Hg.), Übersetzer als Entdecker. Ihr Leben und Werk als Gegenstand translationswissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Forschung, Berlin 2014, S. 119–122. – Raum Zeit Sprache. Peter Handke liest Martin Heidegger, in: Anna Kinder (Hg.), Peter Handke. Stationen, Orte, Positio-
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nen, Berlin 2014, S. 111–140. – Reise um die Erde in 18 Jahren. Löwiths Exil, in: Offener Horizont. Jahrbuch der Karl-Jaspers-Gesellschaft, 1/2014, S. 197–211. – Stumpfe Augen am Graben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05. 03. 2014, S. 12. – Tage ohne Steuer, in: Stuttgarter Zeitung vom 05. 07. 2014. – Typisch ostdeutsch? Strukturelle Merkmale von Archivalien aus der DDR, in: Ulrich von Bülow / Sabine Wolf (Hg.), DDR Literatur. Eine Archivexpedition, Berlin 2014, S. 92–113. – »Zum Thema. Adorno des Ostens. Ein Gespräch mit Fritz J. Raddatz; Pascal des Kommunismus. Ein Gespräch mit Iring Fetscher; Belgrád rakpart; Sofortkorrekturen; Moskau, 1. Juni 1934; Zerstörung der Vernunft. In: Ulrich von Bülow / Stephan Schlak (Hg.), Zeitschrift für Ideengeschichte, VIII, 4/2014, S. 4–6, 23–24, 27–44, 57–59, 71–76. Jan Bürger: Einleitung zum Untergang. Hans Henny Jahnn im Winter 1946. In: Carsten Dutt / Martial Staub (Hg.), Zeitschrift für Ideengeschichte, VIII, 1/2014, S. 9–22. – Alfred Andersch und Max Frisch: Der Briefwechsel, hg. von Jan Bürger, Zürich 2014. – »Mich zu fixieren, ist unmöglich«. Versuch über Joseph Roth, in: Akzente. Zeitschrift für Literatur, Heft 5, Oktober 2014, S. 463–479. – Hans Henny Jahnn: Liebe ist Quatsch. Briefe an Ellinor, hg. von Jan Bürger und Sandra Hiemer, Hamburg 2014. – Tradition versus Amnesia: Peter Suhrkamp in the Immediate Postwar Period, 1945– 1950, in: The Germanic Review, 89/2014, S. 308–314. – Zwölf Teile und doch nur ein Anfang [Zur Ausstellungsreihe Suhrkamp-Insel im Marbacher Literaturmuseum der Moderne], in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 58/2014, S. 476–483. – »Mir ist alles ungewiss geworden«. Zwei unbekannte Briefe von 1914 werfen Licht auf Hans Henny Jahnns schriftstellerische Anfänge, in: Die Welt, 22. 11. 2014. Frank Druffner: Ein trauriger Matrose, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. 01. 2014, S. 30. – Gebärden wie im Kino, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 03. 2014, S. 13. – Handabgüsse, in: Der Wert des Originals, Marbacher Magazin 148, Marbach 2014, S. 86. – In der Etappe mit Dr. Benn, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. 07. 2014, S. 13. – Letzte Gesichter, in: Der Wert des Originals, Marbacher Magazin 148, Marbach 2014, S. 93. – Marcel Duchamps Fountain, in: Der Wert des Originals, Marbacher Magazin 148, Marbach 2014, S. 157 f. – Ornament ist ein Versprechen. Das Porträt im Buch, in: Ornament und Klang. Festschrift für Herwarth Röttgen zum 80. Geburtstag 2011, Stuttgart 2013, S. 107–120. – Reisen ins Archiv – Reisen im Archiv, in: Heike Gfrereis (Hg.), Reisen. Fotos von unterwegs, Marbacher Katalog 67, Marbach 2014, S. 529–533. – Winnetous Erbe, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. 08. 2014, S. 12. Gunilla Eschenbach: Wie dichtet der »Urgeist«? Hellingraths Konzept der harten Fügung, in: Jürgen Brokoff / Joachim Jacob / Marcel Lepper (Hg.), Norbert von Hellingrath und die Ästhetik der europäischen Moderne, Göttingen 2014, S. 107–118. Steffen Fritz: Die Anwendung des BagIt-Formats im Deutschen Literaturarchiv Marbach, in: b.i.t. online, Dinges & Frick GmbH, 2, 2014, S. 102–106. Heike Gfrereis / Ulrich Raulff (Hg.): Der Wert des Originals, Marbach a. N. 2014. – [Hg.] Reisen. Fotos von unterwegs, Marbach a. N. 2014. – Die Zeit des Fotografen,
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in: +/– 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen, Marbach a. N. 2014, S. 5–14. – Im Krieg ist das Werk eine Form des Überlebens, in: BuB. Bibliothek und Information, 66/3, 2014, S. 204–207. – 1914. Ist Krieg ausstellbar? Gespräch mit Angelica Francke und Christine Kowalski, in: Restauro, 4, 2014, S. 40–45 und http://www.restauro.de/tag/1914/ (16. 01. 2015). – August 1914 im Tagebuch der Literatur, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, 2, 2014, S. 10–13. – 1914. Literatur im Krieg, https://www.goethe. de/de/kul/lit/20385320.html (16. 01. 2015). – Kafka 1914, Gespräch mit Uta Baier, in: Parnass, 2, 2014, S. 64 f. – Vorbemerkung zu Eugen Gottlob Winklers »Sizilien«, in: Sinn und Form, 3, 2014, S. 385–387. – Schreib- und Schießübungen. Ein bislang unbekanntes Heft mit »alten Erzählungen« der Brüder Jünger, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 58, 2014, S. 80–89. – Maulwurf in den Erdreichen der Seele. Ein Himmelsbrief aus der Sammlung von Armin T. Wegner, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. 1. 2014, S. 27. – Bild der Woche, in: Sonntag Aktuell vom 23. 3. 2015, S. 6. Jasmin Hambsch: Anmut und Politik. Der Siedler-Verlag und sein Archiv in Marbach, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 58, 2014, S. 461–475. – Eine »unverbrüchliche Feindschaft«. (Un)gewollte Bande zwischen Eckhard Henscheid und Jörg Drews, in: Marcel Atze (Hg.), Erledigungen. Pamphlete, Polemiken und Proteste, Reihe Sichtungen 14. / 15., Wien 2014 – Der Nachlass in Marbach: Archivalien, in: Matthias Schöning (Hg.), Ernst Jünger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2014. Dietmar Jaegle: Die Berge. Gedichte, Stuttgart 2014. – Georg Trakl, in: Reclams Literaturkalender 2014, Stuttgart 2013, S. 76–78. – William Shakespeare, in: Reclams Literaturkalender 2014, Stuttgart 2013, S. 33–35. – Nicht zu den Waffen geeilt. Dr. Owlglass schreibt an Kurt Tucholsky, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. 02. 2014. Roland S. Kamzelak: Satirische Quellen kommentieren. Ein Werkstattbericht der Edition Silvesterpost 1920, in: Michael Stolz / Yen-Chun Chen (Hg.), Internationalität und Interdisziplinarität der Editionswissenschaften, Berlin 2014, S. 315–324. [zus. mit Vera Hildebrandt] Neue Zugangswege zu Korrespondenzen durch Visualisierung, in: editio, 28 (2014), S. 175-192. Johannes Kempf: »...ich bin kein Kanonenfutter!« Gustav Sacks Briefe von der Front, in: Arbeitskreis selbstständiger Kulturinstitute e.V. (Hg.), Zwischen den Fronten. Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg, – 2014 S. 204–221. – [zus. mit Christoph Willmitzer] L’inédit. Le journal de guerre de Lola Landau, in: Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (Hg.), La Revue de la BNU, 9, 2014 S. 92–95. Anna Kinder: [Hg.] Peter Handke. Stationen, Orte, Positionen, Berlin / Boston 2014. – Peter Handke als Forschungsphänomen. Einleitung, in: Anna Kinder [Hg.], Peter Handke. Stationen, Orte, Positionen, Berlin / Boston 2014, S. 1–13. Heinz Werner Kramski: [zus. mit Jürgen Enge und Tabea Lurk] Ordnungsstrukturen von der Floppy zur Festplatte. Zur Vereinnahmung komplexer digitaler Datensamm-
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lungen im Archivkontext, in: Beiträge des Workshops »Digitale Langzeitarchivierung« auf der Informatik 2013 am 20. 09. 2013 in Koblenz (= nestor edition Sonderheft 1), 2014, S. 3–13. – [zus. mit Jürgen Enge] ›Arme Nachlassverwalter ...‹ Herausforderungen, Erkenntnisse und Lösungsansätze bei der Aufbereitung komplexer digitaler Datensammlungen, in: Von der Übernahme zur Benutzung. Aktuelle Entwicklungen in der digitalen Archivierung. 18. Tagung des Arbeitskreises »Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen« am 11. und 12. März 2014 in Weimar (Schriften des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, Bd. 6), hrsg. von Jörg Filthaut, Weimar 2014, S. 53–62. Marcel Lepper: [Hg. zus. mit Christoph König, Michel Espagne, Denis Thouard, Ulrich Wyss, Ralf Klausnitzer] Geschichte der Germanistik. Historische Zeitschrift für die Philologien. Göttingen 2014. – [Hg. zus. mit Jürgen Brokoff und Joachim Jacob] Norbert von Hellingrath und die Ästhetik der europäischen Moderne. Göttingen 2014. – [zus. mit Louisa Künstler] Art. Horizont, in: Robert Buch, Daniel Weidner (Hg.), Blumenberg lesen. Ein Glossar. Berlin 2014, S. 131–145. – Theorien der Utopie. Ein Projekt der emphatischen Moderne?, in: Andreas Mauz / Ulrich Weber (Hg.), Verwunschene Orte. Raumfiktionen zwischen Paradies und Hölle. Göttingen 2014, S. 51–62. – Philologendämmerung?, in: Merkur, 7/68, 2014, S. 643–650. – Against Cultural Nationalism. Reply to Zachary Leader, in: Critical Inquiry, 41, 2014, Autumn, S. 153–159. – Kitsch ist eben nicht gleich kitsch. Doppelbesprechung von Emily Apter: Against World Literature. On the Politics of Untranslatability. London 2013; Barbara Cassin / Emily Apter / Jacques Lezra / Michael Wood (Hg.): Dictionary of Untranslatables. A Philosophical Lexicon. Princeton 2014, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 07. 11. 2014, S. 10. Herman Moens: [zus. mit Nicolai Riedel] Marbacher Schiller-Bibliographie 2013. Internationales Referenzorgan zur Forschungs- und Wirkungsgeschichte, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 58, 2014, S. 484–598. Sandra Potsch: Fragmentierte Welten und verknüpfte Schicksale. Episodisches und mehrsträngiges Erzählen in Literatur und Film, Bamberg 2014. – Im Räderwerk der Zeit. Natur und Geschichte in Gabriel García Márquez’ »Hundert Jahre Einsamkeit«, in: Andrea Bartl / Hans-Joachim Schott (Hg.) unter Mitarbeit v. Sandra Potsch, Naturgeschichte, Körpergedächtnis. Erkundungen einer kulturanthropologischen Denkfigur, Würzburg 2014, S. 159–174. – Thomas Glavinics »Das bin doch ich«. Ein Spiel zwischen Autobiografie und Fiktion, in: Andrea Bartl / Jörn Glasenapp / Iris Hermann (Hg.) unter Mitarbeit von Judith Ellenbürger, Zwischen Alptraum und Glück. Thomas Glavinics Vermessungen der Gegenwart, Göttingen 2014, S. 250–266. Ulrich Raulff: Im Spiegel Schlegels. Ernst Robert Curtius und die Konversion als Lebenstraumspiel, in: Figuren der Konversion. Friedrich Schlegels Übertritt zum Katholizismus im Kontext, S. 337–352, hrsg. von Winfried Eckel und Nikolaus Wegmann, Paderborn, 2014. – Wiedersehen mit den Siebzigern. Die wilden Jahre des Lesens, Stuttgart 2014. – Heike Gfrereis / Ulrich Raulff (Hg.), Der Wert des Originals. Marbach a.
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N. 2014. – Jost Philip Klenner / Ulrich Raulff. Kleine Formlosigkeiten. Themenheft der Zeitschrift für Ideengeschichte, München 2014. Nicolai Riedel: [zus. mit Herman Moens] Marbacher Schiller-Bibliographie 2013. Internationales Referenzorgan zur Forschungs- und Wirkungsgeschichte, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 58, 2014, S. 484–598. – Uwe Johnson, in: Lutz Hagestedt (Hg.), Deutsches Literaturlexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches und bibliographisches Handbuch, Berlin / Boston 2014, Sp. 515–529. – Grenadiere und Glossare. 100 Jahre Erster Weltkrieg (Teil 17), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. 04. 2014, S. 5. Thomas Schmidt: Winterwanderer, Eislaufapostel, Extremschwimmer. Wie die Literatur dem Sport auf die Füße half (und welchen Preis die Kultur dafür zahlen musste), in: Martin Ehlers / Markus Friedrich / Stefan Grus (Hg.): Sportgeschichte vernetzt, Hildesheim 2014, S. 147–162. – Einzigartig. Das Literaturland Baden-Württemberg. Vorwort, in: Claudia List / Andreas Steidel (Hg.): Unterwegs zu Dichtern und Denkern. Literaturland Baden-Württemberg, Stuttgart 2014, S. 6–7. – Spuren, [Hg.]: Dieter Martin / Andrea Riotte: Wieland in Tübingen (Spuren 101). – Marcel Atze: Sebald in Freiburg (Spuren 102). – Rolf-Dieter Kluge: Anton Tschechow in Badenweiler, 2. überarb. Auflage (Spuren 45). – Barbara Wiedemann: Paul Celan und das Sprechgitter des Pfullinger Klosters, 2. überarb. Auflage (Spuren 80). – Ferne Spuren, Anastasia Alexandrowa / Ernest Orlov / Annika Differding / Jens Kloster / Thomas Schmidt: Anton Tschechows Reise nach Sachalin (Ferne Spuren I). Christoph Willmitzer: [zus. mit Johannes Kempf] Le Journal de Guerre de Lola Landau, in: La Revue de la Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg, 9, 2014, S. 92–95. – Tagebuch der Kaschnitz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. 08. 2014, S. 12. Vorträge und Seminare Philip Ajouri: [zus. mit Benjamin Specht] Empirisierung des Transzendentalen. Eröffnungsvortrag des DFG-Netzwerks »Empirisierung des Transzendentalen. Epistemologische Voraussetzungen und Erscheinungsformen der Moderne in Wissenschaft und Literatur um 1900«, Vortrag im Rahmen des Auftaktworkshops des gleichnamigen DFG-Netzwerks in Stuttgart, 17. 07. 2014. Arno Barnert: Die Weimarer Militärbibliothek, Vortrag im Rahmen des Workshops »Militärhistorische Sammlungen in Bibliotheken – Bewahren, Erschließen, Präsentieren« im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam, 08. 10. 2014. Silke Becker: Erich und die große Stadt. Motive und Spuren im Nachlass, Vortrag im Rahmen der Tagung »Erich Kästner und die Moderne«, 18.-20. 09. 2014. – Einführung
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in die Erschließung von Nachlässen und Autographen, Lehrveranstaltung im Rahmen der »Hochschule der Medien Stuttgart«, Wintersemester 2014/15. Petra Boden: Interdisziplinarität als Chance? Oder: Die nicht mehr schönen Wissenschaften. 50 Jahre Poetik und Hermeneutik, Workshop im Rahmen des Deutschen Literaturarchivs Marbach, 23.-24. 01. 2014. – Interdisziplinarität – Krise oder Chance? Zur Arbeit der Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«, Vortrag im Rahmen der Reihe »Bonner Gespräche zur Literaturwissenschaft«, 02. 06. 2014. – Vom »Historischen Wörterbuch« zu den »Ästehtischen Grundbegriffen«. Zur Geschichte eines Projekts zwischen 1983 und 2000, Vortrag an der Universität Frankfurt a. d. O., 10. 06. 2014. Susanna Brogi: Dokumentarische(s) Arbeiten – Arbeit dokumentarisch. Carmen Losmanns Film »Work hard, play hard«, Vortrag und Filmgespräch im Rahmen der FES Sommeruniversität in Potsdam, 08. 07. 2014. – Von A wie Adler bis Z wie Zweig. Systematik, Wissen und Repräsentanz in Autorenbibliotheken des 20. Jahrhunderts, Vortrag auf dem 15. Kongress des Lateinamerikanischen Germanistenverbandes (ALEG) in Curitiba, Brasilien, 09. 09. 2014. – Bücherfluchten: Die Tektonik der Exil-Bibliotheken von Siegfried Kracauer und Kurt Pinthus. Ein Aufriß, Vortrag im Rahmen der 38. Annual Conference der GSA, Kansas City, 21. 09. 2014. – [zus. mit Victoria Gutsche und Gunnar Och] Poetikkolleg mit Günter Grass, Seminar an der Universität Erlangen, Department für Germanistik und Komparatistik, Sommersemester 2014. – [zus. mit Claudia Löschner] Siegfried Kracauers Exil-Bibliothek. Arbeitsinstrument – Sammlung – Gedächtnisraum, Seminar an Universität Stuttgart, Institut für Neuere deutsche Literatur, Wintersemester 2014/15. Ulrich von Bülow: Das Hand-Werk des Denkens. Zum Nachlass von Martin Heidegger, Vortrag im Rahmen der der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe am 11. 02. 2014. – Karl Löwiths Reise um die Erde in 18 Jahren, Vortrag im DLA Marbach während der Redaktionstagung der Zeitschrift für Ideengeschichte am 21. 02. 2014 und im Rahmen der Tagung der American Friends of Marbach am 05. 06. 2014. – Gespräch mit Siegfried Lenz und Ulrich Greiner, DLA Marbach, 05.-06. 04. 2014. – Gespräch mit Martin Walser, DLA Marbach, 09. 11. 2014. – Einleitung zur Lesung aus dem Briefwechsel zwischen Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé, Vortrag während der Mitgliederversammlung des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder im DLA Marbach, 15. 11. 2014. – [zus. mit Magdalena Schanz] Das Deutsche Literaturarchiv Marbach – Überblicke und Einblicke, Vortrag im Rahmen der »Eröffnung des Literaturfestivals zum 80jährigen Jubiläum des Staatlichen Russischen Literaturmuseums«, 26. 04. 2014. – Einleitungsvortrag im Rahmen der Tagung »Nicolai Hartmann. Sein Denken und sein philosophischer Nachlass«, DLA Marbach, 12. 06. 2014. – Sebald aux archives, Vortrag im Rahmen der Tagung »W.G. Sebald. Littérature et Éthique Documentaire«, Centre culturel international de Cerisy-la-Salle, 04. 09. 2014. – Jahre mit Lukács. Gespräch mit Ágnes Heller, Georg Lukács Archivum, Budapest, 10. 12. 2014.
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Jan Bürger: Lehre: Frühjahrssemester: Joseph Roth – die Jahre des Erfolgs und der Weg ins Exil und Berlin, Vienna, Paris: Capital cities in Modern German Novels an der Vanderbilt University, Nashville TN; Wintersemester 2014/15: Gegen das Vergessen – Peter Suhrkamp und seine Autoren in den Gründerjahren der Bundesrepublik an der Universität Stuttgart. – Vorträge und Veranstaltungen (außerhalb des DLA): Zum 100. Geburtstag von Alfred Andersch. Rundfunksendung mit Jan Bürger und Hanne Kulessa, HR2, 4. 2. 2014. – »Mich zu fixieren, ist unmöglich«. Der Fall Joseph Roth, Abschlussvortrag der Gastprofessur an der Vanderbilt University, Nashville TN, 16. 4. 2014. – Das Archiv des Suhrkamp Verlags, Staatliches Literaturmuseum des Russischen Föderation, Moskau, 21. 6. 2014. – Der Neckar. Lesungen und Gespräche in Oulu und Liminka, Finnland, 13.-16. 8. 2014; Alfred Andersch – Max Frisch. Ausstellungseröffnung, Gespräch und Lesung mit Jan Bürger, Ariane Koch und Annette Korolnik, Literarisches Colloquium Berlin, 27. 11. 2014. – Pfaueninsel. Lesung und Gespräch mit Thomas Hettche und Jan Bürger, Literaturhaus Stuttgart, 2. 12. 2014. Frank Druffner: [zuammen mit Heike Gfrereis und Hanns Zischler] +/- 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen, Moderation im Rahmen der Eröffnung des fluxus 26 im Literaturmuseum der Moderne, 30. 01. 2014. – [zusammen mit Maria Zinfert und Bernd Stiegler] »Chérie und Krak«. Siegfried Kracauers Fotonachlass, Moderation im Rahmen der Zeitkapsel 35 am Deutschen Literaturarchiv Marbach, 12. 02. 2014. – [zusammen mit Helmuth Mojem] Von Homers Antiken zum Kölner Dom. Johann Friedrich Cotta und die Bildkünste, Zeitkapsel 36 am Deutschen Literaturarchiv Marbach, 27. 04. 2014. – [zusammen mit Mike Webb, Julien Collonges u. a.] Discovering World War I in the Archives, Diskussionsbeitrag an den Bodleian Libraries Oxford, 18. 06. 2014. – [zusammen mit Mike Webb, Julien Collonges u. a.] War in the Archives, Diskussionsbeitrag am Institut Français London, 19. 06. 2014. Schwierige Verhältnisse. Georg I. und seine beiden Höfe, Vortrag am Interdisziplinären Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN) der Universität Osnabrück, 02. 07. 2014. – Kafkas Getier, Einführung zur Performanceshow affe/ käfer/hund in der Galerie UNO Art Space Stuttgart, 11., 12. und 17. Oktober 2014. Gunilla Eschenbach: »Innere Emigration« (1933–1945), Seminar an der Universtität Stuttgart, Sommersemester 2014 – Zum Metapherngebrauch in Johann Jakob Rambachs »Geistliche Poesien« (1720) verglichen mit Johann Friedrich Helbigs Kantatenjahrgang »Auffmunterung zur Andacht« (1720), Vortrag im Rahmen der Tagung »Die Kantate als Katalysator. Zur Karriere eines musikalisch-literarischen Strukturtypus um und nach 1700«, Internationales wissenschaftliches Symposium am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung, 20.-22. 11. 2014. Steffen Fritz: [zus. mit Stephanie Kuch] Netzliteratur. Bewahrung einer vergänglichen Literaturgattung, Vortrag im Rahmen des »103. Bibliothekartags«, 03. 06. 2014. Heike Gfrereis: [zuammen mit Frank Druffner und Hanns Zischler] +/- 1950. Alfred Andersch: Fotostreifen, Moderation im Rahmen der Eröffnung des fluxus 26 im
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Literaturmuseum der Moderne, 30. 01. 2014. – Literatur, Material, Museum, Vortrag im Rahmen des Seminars »Material Studies« an der Universität Stuttgart, 17. 01. 2014. – Tauchgänge 1955. Was nur das Archiv weiß, Workshop im Rahmen der Marbacher Frühjahrsschule »Die 1950er Jahre: Forschen im Archiv«, 04. 02. 2014. – Zeitendämmerung. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen, Gespräch mit Gerhard Hirschfeld, Paula Lutum-Lenger und Thomas Koch im Rahmen der SWR Kulturnacht, 04. 04. 2014. – Schreiben im Krieg, Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe »Menschheitsdämmerung. Der Erste Weltkrieg und die Künste« des Theaters Münster in Kooperation mit dem Stadtmuseum Münster und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Stadttheater Münster, 27. 04. 2014. – Literaturgeschichte von unten. Ausstellungen aus dem Bestand des Deutschen Literaturarchivs Marbach, Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe »Sammeln – Forschen – Lehren« in Kooperation mit dem Kolloquium zur Zeitgeschichte an der Universität Erfurt, 28. 05. 2014. – Papierplätze. Über materielle Formen der Inspiration, Vortrag im Rahmen der Tagung »Raumzeitlichkeit der Muße« an der Universität Freiburg, 26. 06. 2014. – Kafkas Prozess. Seite für Seite, Seminar an der Universität Stuttgart, Institut für Neuere Deutsche Literatur, Wintersemester 2013/14. – [zus. mit Liliane Weissberg] Lesen und Sehen. Literatur im Archiv, Seminar an der Universität Stuttgart, Institut für Neuere Deutsche Literatur, Sommersemester 2014. – [zus. mit Sandra Potsch] Warum Eduard Mörike lesen, Seminar an der Universität Stuttgart, Institut für Neuere Deutsche Literatur, Wintersemester 2014/15. Jasmin Hambsch: [zus. mit Stephan Schlak] Was heißt hier konservativ? Wolf Jobst Siedler und sein Verlag, aus dem Nachlass gehoben, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Zeitkapsel« am DLA Marbach, 26. 11. 2014. – Beispiel einer Erschließung. Das Archiv des Siedler-Verlags, Vortrag im Rahmen der KOOP-LITERA International 2014, 08. 05. 2014. Alexa Hennemann: [zusammen mit Jens Kloster] Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Herausragende Literaturinstitution mit internationaler Strahlkraft in Baden-Württemberg, Vortrag im Rahmen des »Marbacher Bürgermeistersprengels«, 25. 06. 2014. Dietmar Jaegle: Papier, Papier. Sibylle Lewitscharoff Papiertheater und Manuskripte aus Marbach von Hölderlin bis Hesse, Vortrag im Rahmen der »31. Baden-Württembergischen Literaturtage«, 07. 10. 2014. Caroline Jessen: Jerusalem – München. Kontinuität, Parallelität und Bruch in einem Album Schalom Ben-Chorins, Vortrag im Rahmen der Tagung »Intentionally left blank. Raum für Notizen. Aufzeichnungsverfahren mit Arbeitsheften, Notizbüchern, Alben« an der Hebrew University of Jerusalem und der The National Library of Israel, 13. 5. 2014. – Nachlässe und Sammlungen deutsch-jüdischer Autoren und Gelehrter in Israel. Erschließung und Erforschung, Projektpräsentation im Rahmen der Veranstaltung »New Holdings – New Ways« am DLA Marbach, 6. 6. 2014. – The Canon in the Archive: Archival Processing of German-Jewish Collections in Israel, Vortrag im Rahmen
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der »38th Annual Conference of the German Studies Association (GSA)« in Kansas City, 21. 9. 2014. – Too much Presence of the Past – the Dispersal of Émigré Book Collections in Israel, Vortrag im Rahmen der »46th Annual Conference of the Association for Jewish Studies (AJS)« in Baltimore, 15. 12. 2014. Roland S. Kamzelak: Digitalisierung und Originalerhalt. Die Digitalisierungsstrategie des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Vortrag für die Landeskultursprecher in Marbach a. N., 28. 01. 2014. – [zus. mit. Vera Hildebrandt] Neue Zugangswege durch Online-Editionen. Bericht und Fallstudie zum Exilbriefnetz, Vortrag im Rahmen der Tagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition in Aachen, 21. 02. 2014. – [zus. mit Vera Hildebrandt und Jörg Ritter] Posterpräsentation zum Projekt Vernetzte Korrespondenzen im Rahmen der Dariah Vorkonferenz zur DHd in Passau, 25. 03. 2014. Virtuelle Forschungsumgebungen, Seminar an der Univ. Würzburg, SS 2014. – [zus. mit Vera Hildebrandt und Jörg Ritter] Qualität durch Quantität? Von der Stichwortextraktion zur Exilontologie, Vortrag im Rahmen der Tagung »Scientia Quantitatis. Quantitative Literaturwissenschaft in systematischer und historischer Perspektive« in Hannover vom 30. 09.–02. 10. 2014, 30. 09. 2014. – Three Authors, Three Cities, Three Countries in Prose Fiction, Seminar an der PH Schwäbisch Gmünd, WS 2014/2015. Wie europäisch ist Harry Graf Kesslers Europäertum? Analyse und Visualisierung seines Itinerars mit DH-Methoden, Vortrag im Rahmen der GSAA Conference in Sydney vom 26.–28. 11. 2014, 27. 11. 2014. – [zus. mit Vera Hildebrandt] The Other Germany. Digital Tools and Networks of Exiles from the Third Reich, Vortrag im Rahmen eines Lunchtime Seminars an der Queen Mary School of History in London, 05. 12. 2014. Anna Kinder: Metadatenanalyse und Literaturgeschichte. Literatur der Nachkriegszeit, Seminar an der Universität Stuttgart, Neuere Deutsche Literatur I, Sommersemester 2014. – Big Archives, Big Data? The Siegfried Unseld Archive at the German Literature Archive, Vortrag im Rahmen der Lunch Lecture des German Department, Stanford University, 21. 10. 2014. – Literaturgeschichtsschreibung? Konzepte und Modelle, Seminar an der Universität Stuttgart, Neuere Deutsche Literatur I, Wintersemester 2014/15. Heiko Kusiek: Fußlümmeleien und andere Standardsituationen. Eine literarischmusikalische Fußballrevue, Vortrag und Moderation im Rahmen der Veranstaltung »Absatzkick: Lesungen, Turniere, Gespräche« in Stuttgart, 11. 04. 2014. – Füße die pflügen, Gedanken die rasen. Eine literarisch-musikalische Fußballrevue. Vortrag und Moderation im Rahmen der Veranstaltung »Garten Eden. Ein Projekt der KulturRegion Stuttgart« in Marbach, 24. 05. 2014. – Hauptstadt des Weltalls und Vagabundenkolonie. Ein literarischer Spaziergang durch das Stuttgart um 1920, Vortrag im Rahmen der »Literaturspaziergänge Hahn, Kusiek & Laing 2014«, 10. 08. 2014. Heinz Werner Kramski: [zus. mit Jürgen Enge] ›Arme Nachlassverwalter ...‹ Herausforderungen, Erkenntnisse und Lösungsansätze bei der Aufbereitung komplexer digitaler Datensammlungen, Vortrag auf der 18. Tagung des Arbeitskreises »Archivie-
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rung von Unterlagen aus digitalen Systemen« (AUDS), 11.–12. 03. 2014 in Weimar. – Digitale Nachlässe: Herausforderungen, Workflow und Erhaltung, Vortrag auf dem 11. Symposium »Handschriften und Alte Drucke«, 20. 10. 2014 in Blaubeuren. Marcel Lepper: Philologische Redlichkeit. Tugend und Tugendpolitik, Abendvortrag an der Universität Osnabrück, 05. 02. 2014. – Global Archives, Vortrag an der École normale supérieure, Paris, 10. 04. 2014. – [zus. mit Andrea Albrecht und Sandra Richter] Klassische Texte der neueren deutschen Literatur, Ringvorlesung an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2014. – Literaturpolitik, Hauptseminar an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2014. – Access to Archives. Political, Material and Hermeneutical Conditions after 1945, Vortrag an der Hebrew University Jerusalem, 01. 05. 2014. – Globale Dörfer hinter den Bücherbergen. Weltliteratur bei Wieland, Goethe, Franco Moretti und Emily Apter, Vortrag an der Universität Freiburg bei der Goethe-Gesellschaft, 07. 05. 2014. – Deutsche Geisteswissenschaften im internationalen Kontext, Panel-Leitung beim Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel, Thüringische Landesvertretung, Berlin, 19. 05. 2014. – Walter Muschgs Tragische Literaturgeschichte, Seminar im Rahmen der Sommerschule des Schweizerischen Literaturarchivs, Centre Dürrenmatt, Neuchâtel, 25. 06. 2014. – Bibliotheken, Archive und quantitative Verfahren, Vortrag im Rahmen der Tagung »Quantitative Literaturwissenschaft« auf Schloss Herrenhausen, 01. 10. 2014. – [zus. mit Peter-André Alt] Schillers Europa, Tagungsleitung auf Schloss Herrenhausen, 22.–25. 10. 2014). – Cultural Property, Hauptseminar an der Universität Stuttgart, Wintersemester 2014/15. – Spuren deutsch-jüdischer Geschichte in Israel, Moderation im Literaturhaus Stuttgart, 21. 11. 2014. – Deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts. Wo ist das Problem?, Abendvortrag an der Universität Essen, 03. 12. 2014. Lydia Christine Michel: Strukturelle und funktionale Performativität der Lyrik Peter Rühmkorfs, Vortrag im Rahmen der Tagung »Gedicht-Performance – Lyrik-Performanz? Annäherungen an eine vertraute Unbekannte« an der Georg-August-Universität Göttingen, 15.–16. 05. 2014. Sandra Potsch: [zus. mit Heike Gfrereis] Warum Eduard Mörike lesen, Seminar an der Universität Stuttgart, Institut für Neuere Deutsche Literatur, Wintersemester 2014/15. Magdalena Schanz (vormals Hack): Max Frisch – Homo Faber, Vortrag im Rahmen des »Sternchenthemenfestivals des Theaters Baden-Baden«, 12. 02. 2014. – Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Überblicke und Einblicke, Vortrag in »St. Peter und Paul Reutlingen«, 09. 04. 2014. – [zusammen mit Ulrich von Bülow] Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Überblicke und Einblicke, Vortrag im Rahmen der »Eröffnung des Literaturfestivals zum 80jährigen Jubiläum des Staatlichen Russischen Literaturmuseums«, 26. 04. 2014. – Marks of World War I in the Archive, Vortrag im Rahmen des Panels »Archive und der Erste Weltkrieg« der 38. Annual Conference der GSA, Kansas City, 19. 09. 2014. – The German Literature Archive. Collections, exhibitions and
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research programs, Vortrag an der University of Colorado, Boulder, 22. 09. 2014. – The German Literature Archive. Collections, exhibitions and research programs, Vortrag an der University of California, Berkeley, 08. 10. 2014. – The German Literature Archive. Collections, exhibitions and research programs, Vortrag an der University of California, Davis, 08. 10. 2014. – Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Überblicke und Einblicke, Vortrag im Rahmen der »Sonntagsmatinée« des Katholischen Bildungswerkes Eningen, 19. 10. 2014. Karin Schmidgall: Der internationale Standard RDA für Spezialbibliotheken, Statement auf dem RDA-Workshop im Rahmen des »103. Bibliothekartags«, 04. 06. 2014. Thomas Schmidt: Katzenskelett, Eisenstab, Lenin-Schrift. Zur Eröffnung der Dauerausstellung ›Besuchen, Bilden, Schreiben. Das Kloster Maulbronn und die Literatur‹. Maulbronn, 07. 02. 2014. – Inszenierte Authentizität. Gestaltungsmöglichkeiten von Dichterhäusern. Staatliches Literaturmuseum der Russischen Föderation, Moskau, 19. 06. 2014. – Eislaufapostel, Meisterschwimmer, Extremwanderer. Wie die Literatur dem Sport auf die Beine half (und welchen Preis die Kultur dafür bezahlte). Staatliches Literaturmuseum der Russischen Föderation, Moskau, 23. 06. 2014. – »Herzkammer der Heimat«. Marie Luise Kaschnitz in Bollschweil. Zur Eröffnung der Dauerausstellung, Bollschweil, 10. 10. 2014. – Zur Lage des Literaturlandes Baden-Württemberg. Arbeitstagung der literarischen Museen in Baden-Württemberg. Fellbach, 19. 11. 2014. – Europas reichste Literaturlandschaft. Das Literaturland Baden-Württemberg. Goethe-Institut, Tiflis, Georgien, 10. 12. 2014. – Räume für die Literatur? Das Dichterhaus als museologisches Problem. Goethe-Institut, Tiflis, Georgien, 11. 12. 2014. – Die Körperlichkeit der Literatur. Workshop im Goethe-Institut, Tiflis, Georgien, 12. 12. 2014. – Museum und Archiv als Berufsperspektiven für Germanisten. Universität Leipzig, 17. 12. 2014. – Grußworte: Zu Eröffnungen der Wanderausstellung »Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur« im Dreiländermuseum, Lörrach, 16. 02. 14; im Melanchthonhaus Bretten, 08. 05. 2014; im Hesse-Museum, Calw, 27. 07. 14; in der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart, 04. 12. 2014. – Zur Jahreshauptversammlung des Schwäbischen Heimatbundes, Stuttgart, 14. 06. 2014. – Zur Eröffnung der Literaturabteilung im Markgräfler Museum im Blankenhorn-Palais, Müllheim, 29. 06. 2014. – Zur Eröffnung des Museums im Deutschen Tagebucharchiv, Emmendingen, 22. 11. 2014. – Zur Vorstellung des 100. Spuren-Hefts »Sartre in Stammheim« in der Stadtbibliothek Heilbronn am 26. 02. 2014 und in der Stadtbücherei Stuttgart am 14. 03. 2014. – Hölderlin im Turm. Zur Neugestaltung des Tübinger Erinnerungsortes, Übung an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg, WS 2013/2014. Ellen Strittmatter: Nicht enden können. Thomas Bernhards Korrekturen, Gespräch mit Hermann Beil und Raimund Fellinger im Rahmen der Ausstellungseröffnung »Suhrkamp-Insel 12: Nicht enden können. Thomas Bernhards Korrekturen« im Deutschen Literaturarchiv Marbach, 14. 02. 2014. – Dichter und Gelehrte in der Fotografie, Vortrag im Rahmen des von Ellen Strittmatter und Hale Rössler geleiteten Workshops
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»Bildpolitik. Das Autorenporträt als ikonische Autorisierung« im Deutschen Literaturarchiv Marbach, 15. 09. 2014. – Schillers Porträts. Ein Blick in die Marbacher Bestände, Vortrag im Rahmen der Tagung »Schillers Europa« auf Schloss Herrenhausen, Hannover, 24. 10. 2014.
VERANSTALTUNGEN UND VORTRÄGE Autorenlesungen und Vorträge Das Literarische Programm des DLA wurde im Berichtsjahr 2014 von Jan Bürger betreut, das Wissenschaftliche Programm von Marcel Lepper. 2014 fanden folgende Veranstaltungen statt: 2.–4. Januar: Weihnachtsferien-Schreibwerkstatt. Museums-Geschichten. Mit Verena Staack. – 23. und 24. Januar: Tagung. Poetik und Hermeneutik: eine Archivexpedition. Mit Clemens Albrecht, Aleida Assmann, Petra Boden, Cornelius Borck, Renate Lachmann, Hermann Lübbe, Christian Meier u. a. – 25. und 26. Januar: Erste Marbacher Wein-Lese-Tage. Eine Veranstaltung der Marbacher Zeitung in Verbindung mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und der Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal. – 29. Januar: Vortrag. Von Prag nach Jerusalem: Kulturgüter und Staatswerdung. Mit Yfaat Weiss, Moderation: Marcel Lepper. – 30. Januar: Ausstellungseröffnung. +/- 1950. Alfred Anderschs Fotostreifen. Mit Hanns Zischler. Moderation: Frank Druffner und Heike Gfrereis. – 12. Februar: Zeitkapsel 35. »Chérie« und »Krac«. Siegfried Kracauers Fotonachlass, zum Sprechen gebracht von Maria Zinfert und Bernd Stiegler. Moderation: Frank Druffner. – 14. Februar: Suhrkamp-Insel 12. Nicht enden können. Thomas Bernhards Korrekturen. Mit Hermann Beil und Raimund Fellinger. Moderation: Ellen Strittmatter. – 5. März: Lesung. Kafkas Puppe. Mit Gerd Schneider. Im Rahmen der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg. – 13. und 14. März: 8. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel. Suhrkamp and European Literature. Mit Ben Hutchinson, Mark Noxon, Leonard Olscher u. a., in Verbindung mit dem Centre for Modern European Literature at the University of Kent, Canterbury. – 26. März: Buchpremiere. Margarete Susman. Lebensweg einer Denkerin. Mit Elisa Klapheck und Micha Brumlik. Moderation: Ulrich Raulff. – 6. April: Lesung und Gespräch. Siegfried Lenz. Moderation: Ulrich Greiner. – 7. April: Lehrerfortbildung Realschule. Schullesungen und Autorenseminar mit Jochen Schmidt. – 21. April: Thementag. 1914 / Der ganze Prozess. Mit Dorothee Roth. – 27. April: Zeitkapsel 36. Von Homers Antiken zum Kölner Dom – Johann Friedrich Cotta und die Bildkünste. Vorgestellt von Helmuth Mojem und Frank Druffner. – 15. Mai: Ausstellungseröffnung. Reisen. Fotos von unterwegs. Mit Christoph Ransmayr. Moderation: Ulrich Raulff und Heike Gfrereis. – 22. Mai: Lese-
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jahresbericht 2014 / 2015
seminar für Erwachsene. In der Fremde? Gedichte von Joseph von Eichendorff und ihre Vertonungen. Mit Charlotte Andresen. – 3. Juni: Ausstellungseröffnung. Dieter M. Gräf: Foto-Texte. Mit Dieter M. Gräf und Florian Höllerer. – 5.–7. Juni: Tagung. New Holdings – New Ways. In Verbindung mit dem Amerikanischen Freundeskreis des Deutschen Literaturarchivs Marbach. – 6. Juni: Lesung und Gespräch: Ein Wiederkommen. Mit Georges-Arthur Goldschmidt. Moderation: Jan Bürger. – 13. und 14. Juni: Tagung: Nicolai Hartmann. Mit Andrea Albrecht, Gerald Hartung, Karl-Siegbert Rehberg u. a., gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung. – 29. Juni: Thementag. Reisen und Knipsen. Mit Annette Pehnt, Kirsten Reinhardt, Kathrin Röggla und Jose F. A. Oliver. – 29. Juni: Ausstellungseröffnung. fluxus 29: Neusein. Fotos von hier und dort. Ein Projekt der Literaturschule LINA mit Schülerinnen und Schülern der Ludwigsburger JustinusKerner-Schule. Moderation: Verena Staack. – 2. Juli: Lesung und Gespräch. Katz und Mann. Mit Sibylle Lewitscharoff. Moderation: Jan Bürger. – 16. Juli: Fotovorstellung mit Ausstellungsführung. Lexikon der reisenden Wörter. Mit Ulrike Draesner. Moderation: Heike Gfrereis. – 22.–25. Juli: Internationaler Master-Sommerkurs 2014. Das Archiv als Wissensspeicher: Objekte und Sammelpraktiken. Leitung: Thomas Thiemeyer. – 9. September: Werkstattlesung und Ausstellungsführung. Texte von unterwegs. Mit Silke Scheuermann und Matthias Göritz. Im Rahmen der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg. – 17. September: Ausstellungseröffnung. fluxus 30: Anton Tschechows Reise nach Sachalin. Fotografien aus dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation. Mit Dmitri Bak und György Dalos. Begrüßung: Ulrich Raulff. – 25. und 26. September: 9. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel. Das psychoanalytische Paradigma in Kultur-, Literatur- und Medientheorie. Mit Frauke Berndt, Mladen Dolar, Eckart Goebel, John T. Hamilton, Almuth-Barbara Renger, Cecilia Sjöholm u. a. In Verbindung mit der Universität Tübingen. – 5. Oktober: Finissage mit Ausstellungsführung. Hörner und Paradiese. Mit Felicitas Hoppe. Moderation: Heike Gfrereis. – 22.–25. Oktober: Internationale Konferenz. Schillers Europa. Mit Peter-André Alt, Ute Frevert, Rüdiger Görner, John McCarthy, Wolfgang Riedel, Hans-Jürgen Schings, Alice Stasková u. a. Gefördert durch die VolkswagenStiftung. – 28. Oktober: Lesung. WalterHasenclever-Preis 2014. Mit Michael Köhlmeier. Moderation: Jan Bürger. – 3. November: Ausstellungseröffnung. Der Wert des Originals. Mit Theresia Bauer und Ulrich Raulff. – 3. November: Schillerrede. Mit Monika Grütters. – 9. November: Eröffnung des Verbindungsgangs zwischen den Museen und Tag der offenen Tür. Mörikes Dinge. Mit Günter Oesterle und Ulrich Raulff. – 9. November: Lesung und Gespräch. Freunde und weniger. Mit Martin Walser. Moderation: Ulrich von Bülow. – 20. November: Leseseminar mit Führung. Mörikes Peregrina-Gedichte. Mit Charlotte Andresen und Dietmar Jaegle. – 24. November: Buchvorstellung. Kafkas frühe Jahre. Mit Reiner Stach und Ritchie Robertson. Moderation: Jan Bürger. – 26. November: Zeitkapsel 37. Was heißt hier konservativ? Wolf Jobst Siedler und sein Verlag, aus dem Nachlass gehoben von Jasmin Hambsch und Stephan Schlak.
anschriften der jahrbuch-mitarbeiter Dr. Philip Ajouri, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach am Neckar Prof. Dr. Peter-André Alt, Freie Universität Berlin, Kaiserswerther Straße 16-18, 14195 Berlin Prof. Dr. Achim Aurnhammer, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutsches Seminar, Platz der Universität 3, 79085 Freiburg/Br. Dr. Arno Barnert, Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Platz der Demokratie 4, 99423 Weimar Dr. Christiane Baumann, Egerländer Weg 2, 39110 Magdeburg Ann-Christin Bolay, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutsches Seminar, Platz der Universität 3, 79085 Freiburg/Br. Dr. Susanna Brogi, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach am Neckar Dr. Astrid Dröse, Universität Tübingen, Deutsches Seminar, Wilhelmstr. 50, 72074 Tübingen Prof. Dr. Theo Elm, Holzleite 19, 91090 Effeltrich Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin Sebastian P. Klinger, M.Phil. (Oxon.), Princeton University, Department of German, 203 East Pyne Building, Princeton, NJ 08544, USA Viktor Konitzer, Universität Konstanz, Fachbereich Literaturwissenschaft, Fach 164, 78457 Konstanz Prof. Dr. Christine Lubkoll, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, Bismarckstr. 1 B, 91054 Erlangen Prof. Dr. Gunter Martens, Josef-Anton-Burger-Weg 11, 77736 Zell am Harmersbach Carina Middel, M.A., Ruhr-Universität Bochum, Germanistisches Institut, Universitätsstr. 150, 4780 Bochum Prof. Dr. Ernst Osterkamp, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Prof. Dr. Ulrich Raulff, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach am Neckar Anne-Sophie Renner, M.A., Universität Tübingen, Deutsches Seminar, Wilhelmstr. 50, 72074 Tübingen Dr. Nicolai Riedel, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach am Neckar Horst Römer, Elisabeth-Selbert-Str. 7, 27793 Wildeshausen Claudia Sandig, M.A., Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Germanistische Literaturwissenschaft, Fürstengraben 18, 07743 Jena Fabian Sturm, Friedrich-Dannenmann-Straße 65, 72070 Tübingen
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anschriften der jahrbuch-mitarbeiter
Prof. Dr. Peter Utz, Chemin du Mont-Tendre 11, 1007 Lausanne, CH Dr. Daniele Vecchiato, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur, Unter den Linden 6, 10099 Berlin
zum frontispiz Nähe der Gräber heißt ein »kleines Gedicht«, das in Paul Celans Band Der Sand aus den Urnen stand, den der Autor 1948 selbst zurückzog. Die meisten Gedichte aus der frühen Sammlung übernahm Celan in sein eigentliches Debüt Mohn und Gedächtnis, das 1952 in der Stuttgarter Deutschen Verlags-Anstalt herauskam. Nicht so das schlichte Nähe der Gräber: »Kennt noch das Wasser des südlichen Bug, / Mutter, die Welle, die Wunden dir schlug? // Weiß noch das Feld mit den Mühlen inmitten, / wie leise dein Herz deine Engel gelitten? // Kann keine der Espen mehr, keine der Weiden, / den Kummer dir nehmen, den Trost dir bereiten? // Und steigt nicht der Gott mit dem knospenden Stab / den Hügel hinan und den Hügel hinab? // Und duldest du, Mutter, wie einst, ach, daheim, / den leisen, den deutschen, den schmerzlichen Reim?« Ende 1960 erinnerte Celan sich an diese Verse, als die von Claire Goll und einer Gruppe von Journalisten und Literaturwissenschaftlern angezettelte Verleumdungskampagne gegen ihn eskalierte. Hans Magnus Enzensberger, der Celan 1955 in Paris persönlich kennengelernt hatte, wies alle Plagiatsvorwürfe gegen den Dichter der Todesfuge im November 1960 in einem Leserbrief entschieden zurück: »Es bestürzt mich, zu sehen, mit welcher Leichtfertigkeit hier einem der größten Lyriker deutscher Sprache begegnet wird.«¹ Für diese Entschiedenheit war Celan ihm dankbar, wie sein hier erstmals veröffentlichter Brief vom 19. Dezember 1960 zeigt. Er findet sich in Enzensbergers literarischem Archiv. Ohne Frage gehört dieser »Vorlass«, der Ende 2014 nach Marbach kam, zu den wichtigsten Erwerbungen des Deutschen Literaturarchivs in den vergangenen Jahren. Vereinzelte unbekannte Briefe von Paul Celan könnten fast marginal wirken angesichts einer Fülle von Vorstufen zu nahezu allen Werken Enzensbergers und großartiger Korrespondenzen mit Ingeborg Bachmann, Günter Grass, Hans Werner Henze, Wolfgang Hildesheimer, Nelly Sachs und vielen anderen. Jan Bürger
internet Aktuelle Informationen zur Deutschen Schillergesellschaft, zum Schiller-Nationalmuseum, zum Literaturmuseum der Moderne und zum Deutschen Literaturarchiv sind zu finden unter der Adresse http://www.dla-marbach.de.
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Zit. nach Paul Celan – Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer ›Infamie‹, hg. von Barbara Wiedemann, Frankfurt a. M. 2000, S. 302.
impressum JAHRBUCH DER DEUTSCHEN SCHILLERGESELLSCHAFT INTERNATIONALES ORGAN FÜR NEUERE DEUTSCHE LITERATUR Das Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft ist ein literaturwissenschaftliches Periodikum, das vorwiegend Beiträge zur deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart veröffentlicht. Diese Fokussierung entspricht den Sammelgebieten des Deutschen Literaturarchivs Marbach, das von der Deutschen Schillergesellschaft e. V. getragen wird. Arbeiten zu Schiller sind besonders willkommen, bilden aber nur einen Teil des Spektrums. Neben den literaturgeschichtlichen Schwerpunkten gilt ein verstärktes Interesse der Geschichte der Germanistik (der sich auch eine Marbacher Arbeitsstelle widmet) und dem Verhältnis von Text und Bild. Darüber hinaus ist es ein Anliegen des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft, wichtige unveröffentlichte ›Texte und Dokumente‹ aus den Archiven in einer eigens dafür eingerichteten Rubrik vorzustellen. Außerdem bietet das Jahrbuch jährlich eine aktuelle Bibliographie zu Schiller. Herausgeber Prof. Dr. Dr. h. c. Wilfried Barner † – Prof. Dr. Christine Lubkoll, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, Bismarckstraße 1 B, 91054 Erlangen – Prof. Dr. Ernst Osterkamp, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur, Unter den Linden 6, 10099 Berlin – Prof. Dr. Ulrich Raulff, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8–10, Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar. Redaktion Verantwortlich bis zum 30. 06. 2015: Dr. Jasmin Hambsch, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar / Anschrift für Briefpost Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar / Verantwortlich seit dem 1. Juli 2015: Dr. Susanna Brogi, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar / Anschrift für Briefpost Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar, Tel. +49 (0)7144/848–500; Fax +49 (0)7144/848–490 / E-Mail [email protected] / Internet https://dla-marbach.de/ueber-uns/traegerverein-dsg/jahrbuch/.
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Allgemeine Hinweise Redaktionsschluss für Jg. 60/2016: 1. Februar 2016 – Das Jahrbuch umfasst in der Regel ca. 500 bis 550 Seiten und erscheint jeweils zum 1. Dezember des laufenden Jahres – Das Jahrbuch ist zum Preis von € 29,95 über den Buchhandel zu beziehen, für Mitglieder der Deutschen Schillergesellschaft e. V. (Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar) ist – bei entsprechender Mitgliedsvariante – der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (weitere Exemplare können zum Preis von € 19,45 bei der Deutschen Schillergesellschaft bezogen werden) – Alster Werkdruck-Papier von Geese, 100 % chlor- und säurefrei. Hinweise für Manuskript-Einsendungen Auszüge aus dem Merkblatt für die Mitarbeiter des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft (kann bei der Redaktion angefordert werden): In das Jahrbuch werden nur Originalbeiträge aufgenommen, die nicht gleichzeitig anderen Organen des In- oder Auslandes angeboten werden. Für unaufgefordert Eingesandtes kann keine Haftung übernommen werden; eine Rücksendung erfolgt nur, wenn Rückporto beilag. Der Abdruck von Dissertationen oder Teilen von solchen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jeder Verfasser erhält 1 Belegexemplar seines Beitrags kostenlos. Das Manuskript ist per E-Mail bzw. CD (Word-Format) einzureichen. Der Umfang des ausgedruckten Manuskripts sollte in der Regel bis zu 25 (maximal 30) ManuskriptSeiten (67.000 bis maximal 81.000 Zeichen) umfassen. Sind Abbildungen gewünscht, sollten die reprofähigen bzw. die digitalisierten Vorlagen (300 dpi), die Quellenangaben und Bildunterschriften sowie die Abdruckgenehmigungen bis Ende März in der Redaktion vorliegen (evtl. entstehende Kosten für Sonderwünsche und / oder für Rechte gehen zu Lasten des Beiträgers). Änderungen, vor allem bei Rechtschreibung, Interpunktion, Literaturangaben, Lesarten oder Abkürzungen, behält sich die Redaktion aus Gründen der Einheitlichkeit vor. Rechtliche Hinweise Mit Übernahme eines Beitrags zur Veröffentlichung durch die Herausgeber erwirbt der Verlag das ausschließliche Verlagsrecht und das alleinige Recht zur Vervielfältigung. Das Jahrbuch sowie alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Sämtliche Nutzungsrechte, insbesondere das Recht zur Übersetzung in fremde Sprachen, bleiben vorbehalten. Das Jahrbuch oder Teile davon dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verarbeitet werden.