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German Pages 724 Year 2014
jahrbuch der deutschen schillergesellschaft
Buchattrappe aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (vgl. S. 714). © DLA
jahrbuch der deutschen schillergesellschaft internationales organ für neuere deutsche literatur
im auftrag des vorstands herausgegeben von wilfried barner ⋅ christine lubkoll ernst osterkamp ⋅ ulrich raulff 58. Jahrgang 2014
de gruyter
ISBN 978-3-11-034555-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-034562-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038451-2 ISSN 0070-4318 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
inhalt texte und dokumente wilhelm hemecker / david österle »… so grundfalsch war alles Weitere«. Zur Geschichte des Nachlasses von Arthur Schnitzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
hans r. bambey / peter horwath »Paraguay und Schleswig«. Der Briefwechsel zwischen Walter Braun und Wilhelm Lehmann in den Jahren 1953 bis 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
heike gfrereis Schreib- und Schießübungen. Ein bislang unbekanntes Heft mit »alten Erzählungen« der Brüder Jünger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
aufsätze carlos spoerhase Das Maß der Potsdamer Garde. Die ästhetische Vorgeschichte des Rankings in der europäischen Literatur- und Kunstkritik des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
marc klesse Narrative der Natur. Wissenspoetik des Liminalen in Georg Christian Raffs Naturgeschichte für Kinder (1778) . . . . . . . . . . . . . . . . 127
volkhard wels Die »Bestimmung des Menschen« in Wielands Geschichte des Agathon . 154
dieter liewerscheidt Die Macht der Bühne. Zur dramaturgischen Unentschiedenheit von Schillers Kabale und Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
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inhalt
hermann bernauer Wieviel steht in Peter Schlemihls Macht? Zur Frage der Schuld in Chamissos Erzählung, mit einer Diskussion der Milderungsgründe . . . . . 189
peter sprengel Borchardt – Heymel – Winsloe Neuvermessung eines Beziehungsdreiecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
norbert christian wolf Anklänge und Ansichten, ›high‹ gegen ›low‹. Intertextuelle und intermediale Bezüge in Kafkas Kurzprosastück Auf der Galerie . . . . . . . . . . 246
simone costagli »Trance!« Thomas Manns Okkulte Erlebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
mark-georg dehrmann »Hört ihr den Regen?« Hermann Brochs Verzauberung und die zeitgenössische Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
alexander nebrig Der verborgene Goethe. Zur Glückspoetik in Ingeborg Bachmanns Erzählung Simultan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
ines barner »Nie wieder will ich Masken sehen«. Zur Entstehung von Peter Handkes Erzählung Langsame Heimkehr (1979) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
benjamin specht »(es gibt / keine leere)«. Ostasiatische Philosophie und Dichtung in Durs Grünbeins Lyrikband Grauzone morgens (1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
diskussionen die herausgeber »Was heißt und wozu dient heute literarische Bildung?« Vorbemerkung der Herausgeber zur ersten Diskussionsrunde . . . . . . . . . . 415
ulf abraham »Was heißt und wozu dient heute literarische Bildung?« . . . . . . . . . . . . . . . 418
inhalt
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wiebke hoheisel Die Chancen der Schule. Ein Antwortversuch auf die Frage »Was heißt und wozu dient heute literarische Bildung?« . . . . . . . . . . . . . . 425
eckart liebau Literarische Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
ijoma mangold Mein Traum. »Der Mensch, der unvollkommene Bibliothekar« – Jorge Luis Borges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
dirk von petersdorff Der vitale Kern literarischer Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
michael kämper-van den boogaart Literarische Bildung als Kern des Deutschunterrichts auf der Oberstufe. Einige Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
evi zemanek Fan Fiction als literarische Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
berichte arno barnert Sammelbehälter der Moderne. Buchattrappen und Scheinbücher im Deutschen Literaturarchiv Marbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
jasmin hambsch Anmut und Politik. Der Siedler-Verlag und sein Archiv in Marbach . . . . . . 461
jan bürger Zwölf Teile und doch nur ein Anfang. Mit den Suhrkamp-Inseln wurden im Marbacher Literaturmuseum der Moderne von 2010 bis 2014 die Dimensionen des Siegfried Unseld Archivs ausgelotet . . . . . . . . . . . . . 476
nicolai riedel Marbacher Schiller-Bibliographie 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
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inhalt
marbacher vorträge hans ulrich gumbrecht Kann Literatur ausgestellt werden? Marbacher Antworten . . . . . . . . . . . . . . 601
maurice gourdault-montagne Grußwort anlässlich der Ausstellungseröffnung »August 1914. Krieg und Literatur« im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am 16. Oktober 2013 durch den Französischen Botschafter Berlin . . . . . . . . . . 605
nick pickard Grußwort anlässlich der Ausstellungseröffnung »August 1914. Krieg und Literatur« im Deutschen Literaturarchiv Marbach am 16. Oktober 2013 durch den Generalkonsul der Britischen Botschaft Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
helmuth lethen Der Lärm der Schlacht und die Stille des Archivs. Psychiater als Gegner der Kriegsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610
michael krüger Schiller-Rede am 10. November 2013 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
ulrich ott Nachruf auf Walter Scheffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
deutsche schillergesellschaft ulrich raulff Jahresbericht der Deutschen Schillergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 Anschriften der Jahrbuch-Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 Zum Frontispiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715
texte und dokumente
wilhelm hemecker / david österle
»… so grundfalsch war alles weitere« Zur Geschichte des Nachlasses von Arthur Schnitzler
»Nur einer glücklichen Fügung ist es zu danken, dass der Nachlass meines Vaters im März 1938 dem Zugriff der Nationalsozialisten entzogen wurde«, berichtet Heinrich Schnitzler in der von Exilanten in New York gegründeten Zeitschrift Aufbau einige Jahre nach Kriegsende. Das gesamte Material befand sich in meinem Wiener Hause. Da mein Vater zu den Autoren gehörte, die 1933 durch öffentliche Verbrennung ihrer Werke ausgezeichnet worden waren, lag die Gefahr nahe, dass seine Bücher jetzt sofort beschlagnahmt und vernichtet würden. Aber das britische Konsulat in Wien griff energisch ein. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei der damalige englische Student […] Eric Blackall. […] Durch seine Vermittlung wurde an der Tür zum Archivraum das britische Regierungssiegel angebracht, womit der Nachlass meines Vaters unter den Schutz des Britischen Konsuls gestellt war.¹
Wenige Wochen später wurden acht Kisten mit Manuskripten vollendeter und unvollendeter Werke, Vorarbeiten, Skizzen und Notizen sowie mit umfangreichen Korrespondenzen und vier verschlossene »cupboards« mit vielen tausend Zeitungsausschnitten, zumeist Kritiken der Publikationen und Aufführungen Arthur Schnitzlers, nach England verschafft und von der University Library Cambridge übernommen – womit die Geschichte ein gutes Ende genommen zu haben scheint.²
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Die Verfasser danken Cornelia Nalepka und Robert Rössler vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie für die sorgfältige Betreuung des Manuskripts. Heinrich Schnitzler, Der Nachlass meines Vaters, in: Aufbau, 9. 11. 1951, 9 f. Vgl. Lorenzo Bellettini und Christian Staufenbiel, The Schnitzler Nachlass. Saved by a Cambridge Student, in: Schnitzler’s Hidden Manuscripts, hg. von L. B. und Peter Hutchinson, Oxford u. a. 2010 (Britische und Irische Studien zur deutschen Sprache und Literatur 51), S. 11–21.
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Doch Heinrich Schnitzlers Bericht, geschrieben nach einem zähen, ihn zermürbenden Kampf um den literarischen Nachlass seines 1931 verstorbenen Vaters und einem weiteren um die Mikroverfilmung des in Cambridge verbliebenen Bestandes, ist von Bemühen um Diskretion und Diplomatie bestimmt und verschweigt daher »alles Weitere« – den im Exil der Schnitzlers situierten Teil der an Missverständnissen und Misshelligkeiten reichen Geschichte dieses Nachlasses. Heinrich Schnitzler hatte »Wien drei Wochen vor dem sogenannten Anschluß verlassen, um einer Filmverpflichtung in Brüssel nachzukommen«,³ und konnte daher als Erbe und Verwalter des Nachlasses auf die Aktivitäten seiner Mutter, die vorderhand nur auf die Rettung der Materialien gerichtet waren, nicht unmittelbar Einfluss nehmen. Der Briefwechsel zwischen ihnen⁴ berührt die Vorbereitungen zur Ausfuhr nur sehr indirekt »in jener Geheimsprache, die uns die Nazis aufzwingen«,⁵ wie es Olga Schnitzler später ausdrücken sollte, damit die Aktion unter keinen Umständen in Gefahr geriete. Nach dem Eintreffen der Materialien in England am 24. Mai 1938 – Olga Schnitzler hatte nahezu zeitgleich Österreich verlassen – zeigt die intensiv und zunehmend kontrovers geführte Korrespondenz zwischen Mutter und Sohn ganz unmissverständlich, dass Heinrich Schnitzler den ihm testamentarisch anvertrauten Nachlass keinesfalls in Cambridge lassen, sondern fast um jeden Preis nach New York, wohin er am 3. September 1938 emigrieren konnte, weiterbefördert und an der Columbia University deponiert sehen wollte. Seine Auseinandersetzung mit der Cambridge University Library, die sich in ihrem Eigentumsanspruch zunächst von Olga Schnitzler bestätigt betrachten konnte, nahm einen verhängnisvollen Verlauf, bis ihm schließlich, so wird sich Heinrich Schnitzler fünf Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches ausdrücken, die »bedingungslose Kapitulation« abverlangt wird. Heinrich und Olga Schnitzler werden für das kompromisslose Vorgehen der Bibliotheksleitung in Cambridge am Ende den bittersten Vergleich bemühen, der überhaupt, zumal unter Exilierten dieser Ära, denkbar ist. Kein Briefroman könnte die Tragik der Geschichte dieses Nachlasses, die bislang stets auf eine Heldengeschichte reduziert wurde,⁶ konsequenter entfal3 4
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Heinrich Schnitzler, »Ich bin kein Dichter, ich bin Naturforscher«. Der Nachlaß meines Vaters, in: Die neue Zeitung (München), Nr. 247 vom 20/21. Oktober 1951, S. 9–10, hier S. 9. Die Korrespondenz ist unveröffentlicht und findet sich im Nachlass Heinrich Schnitzlers im Österreichischen Theatermuseum in Wien sowie im Deutschen Literaturarchiv Marbach im angereicherten Teilnachlass Arthur Schnitzlers. O. Schnitzler an Heinrich Schnitzler, 5. 2. 1939. Deutsches Literaturarchiv Marbach (im Folgenden DLA), A: Schnitzler, 85.1.5432/3. So schon: Jutta Müller und Gerhard Neumann, Gestalt und Geschichte des Nachlasses. Einleitende Bemerkungen, in: G. N. und J. M., Der Nachlass Arthur Schnitzlers. Verzeichnis des
»… so grundfalsch war alles weitere«
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ten als die zahlreich überlieferten offiziellen und privaten Dokumente, die hier in Auszügen sparsam kommentiert vorgelegt werden. * Dear Francis, will you please answer this immediately as the matter is very urgent. Would the University Library be ready to accept as a gift from the heirs of Arthur Schnitzler, manuscripts, posthumous papers and valuable correspondence with distinguished contemporaries such as G. Brandes, Rilke, Hofmannsthal etc? If the immediate answer is in the affirmative, the Consulate here will take these valuable writings under protection and transfer it to you in due course […] In great urgency Eric⁷ Mit diesen Worten wendet sich am 19. März 1938 Eric Blackall, der sich seit dem Wintersemester 1936/37 als Stipendiat aus Cambridge in Wien aufhält und mit dem Abschluss seiner Dissertation über »Adalbert Stifters Persönlichkeitsideal«⁸ unter Betreuung von Josef Nadler beschäftigt ist, an Edwin Keppel (genannt: Francis) Bennett, einen seiner akademischen Lehrer in Cambridge, dem er später die englische Druckversion der Dissertation widmen sollte.⁹ Bennett leitet den Brief zwei Tage später mit einem Begleitschreiben an Alwyn Faber Scholfield¹⁰ weiter, den Leiter (»Librarian«) der Cambridge University Library: I have just received the enclosed letter from a former pupil of mine who is now in Vienna. The correspondence to which he refers would no doubt be extremely worth having and I hope you may think it worth while accept-
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im Schnitzler-Archiv der Universität Freiburg i. Br. befindlichen Materials. Mit einem Vorwort von Gerhart Baumann und einem Anhang von Heinrich Schnitzler: Verzeichnis des in Wien vorhandenen Nachlaßmaterials, München 1969, S. 14–15. Cambridge University Library, (im Folgenden CUL/Schnitzler), Librarian’s Office/Schnitzler: E. A. Blackall an E. K. (»Francis«) Bennett, 19. 3. 1938. Die im Vorliegenden zitierten Dokumente aus dem Librarian’s Office sind in zwei Ordnern chronologisch ohne Signatur abgelegt. Der Nachweis erfolgt daher im Folgenden jeweils durch Angabe der Korrespondenzpartner und des Datums. Eric A. Blackall, Adalbert Stifters Persönlichkeitsideal, phil. Diss., Univ. Wien 1938. Eric A. Blackall, Adalbert Stifter. A Critical Study, Cambridge 1948. Die oft fehlerhafte Schreibung dieses Namens wird im Folgenden in allen zitierten Dokumenten berichtigt.
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ing it for the Library. […] I imagine that a wire to him accepting is all that is needed. […] On second thoughts perhaps an air mail letter would be better, though it seems that an immediate reply is needed.¹¹ Unverzüglich bekommt Blackall die gewünschte Erklärung: »Accept gratefully your offer to Bennett Cambridge University Librarian«. In den Bibliothekssakten erhalten hat sich die entsprechende handschriftliche Notiz Scholfields mit dem Vermerk: »Cable immediately« und einer Bestätigung von unbekannter Hand: »Sent by phone 11.20 a.m. 21/3/’38«¹² Blackall nimmt sich der Sache entschlossen an. Am 26. März 1938 antwortet er dem Librarian: I was delighted to receive your telegram on Monday accepting my offer to you. It is now necessary for you to arrange the transference of your property from the house here to Cambridge. […] Please inform the Consul, Captain John Taylor at the British Consulate, Wallnerstrasse Vienna I so that he may be ready to protect British Property – He will then inform me, and I will act as representative of Cambridge in the whole matter. By this means the Consul and I hope to ensure the safe transport of your property […] Act immediately please.¹³ Scholfield bedankt sich am 29. März bei Blackall und teilt am selben Tag dem Konsul mit, dass die Wiener Firma Austro-Transport Fliedl, Heimerl & Co beauftragt ist, »to collect, pack and despatch to me a considerable mass of papers and documents belonging to this University, which are now in the keeping of Frau A. [!] Schnitzler, Sternwartestrasse 71 (Wien XVIII).«¹⁴ Am 2. April 1938 bestätigt His Majesty’s Consul, John W. Taylor den Eingang des Briefes¹⁵ und seine Kontaktaufnahmen mit der Spedition; erst am 22. April 1938 reagiert die Spedition mit einer Auftragsbestätigung.¹⁶ Am 19. April 1938 hatte sich Otto Paul Schinnerer, Assistant Professor of German an der Columbia University in New York, mit einer Anfrage an Heinrich Schnitzler, den Sohn des Schriftstellers gewandt:
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CUL/Schnitzler: E. K. Bennett an A. F. Scholfield, 21. 3. 1938. CUL/Schnitzler: Scholfield an E. A. Blackall, 21. 3. 1938. ULC, Librarian’s Office/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, 26. 3. 1938. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an J. W. Taylor, 29. 3. 1938. Vgl. CUL/Schnitzler: J. W. Taylor an A. F. Scholfield, 2. 4. 1938. CUL/Schnitzler: Austro Transport an A. F. Scholfield, 22. 4. 1938.
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Haben Sie vielleicht vor, den Nachlass aus dem Lande zu schaffen und ihn irgendwo in Sicherheit zu bringen? Ich bin fest überzeugt, unsere Universität wäre nur zu gern bereit, ihn in Verwahrung zu nehmen. Das wäre nicht nur einer der sichersten Plätze in der Welt, sondern auch für Sie persönlich am bequemsten, falls Sie nach Amerika kommen.¹⁷ Schinnerer hatte ab 1928 für Vorarbeiten an einem (nie erschienenen) größeren Buchprojekt zu Arthur Schnitzler mehrere Sommer in Wien verbracht und sich fachlich und menschlich hoher Wertschätzung bei dem Schriftsteller erfreut. So hatte dieser ihm auch bald schon sein gesamtes Archiv zugänglich gemacht, »seine privaten Aufzeichnungen, seine unveröffentlichten Papiere, und seine große Sammlung von Zeitungsausschnitten aus vielen Jahrzehnten«,¹⁸ wie Heinrich Schnitzler 1943 in seinem Nachruf auf den im Jahr davor verstorbenen Literaturwissenschaftler berichtet. »Er bringt prächtig Ordnung in meine Sachen«,¹⁹ heißt es in einer Tagebucheintragung Schnitzlers, und als Nebenprodukt konnte Schinnerer so nach dessen Tod den ersten Bestandsberichte über den Nachlass veröffentlichen.²⁰ Neben einer beachtlichen Publikationstätigkeit zu Schnitzler hatte Schinnerer an der Columbia University seit 1930 regelmäßig jedes zweite Jahr Vorlesungen über ihn gehalten. Mit seinem nächsten Schreiben, datiert auf den 2. Mai 1938, mußte Schinnerer allerdings bereits sein Bedauern darüber ausdrücken, »dass der Nachlass nach Cambridge gehen soll, aber es liess sich wahrscheinlich in der Eile nichts Besseres machen.«²¹ Am 4. Mai 1938 erreicht Olga Schnitzler, die Frau Arthur Schnitzlers bis zur 1921 vollzogenen Scheidung der Ehe, eine Einladung von Robert Allen Williams, Professor für deutsche Sprachgeschichte und zu dieser Zeit Vorstand des Department of German in Cambridge. Sie soll aus Werken Arthur Schnitzlers vorlesen – »Unveröffentlichtes würde uns natürlich besonders interessieren«, heißt
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 47/44/2. Henry [= Heinrich] Schnitzler, Otto P. Schinnerer und Arthur Schnitzler. Ein Blatt der Erinnerung und des Dankes, in: The German Quarterly, 30 (1943), S. 204. Arthur Schnitzler, Tagebuch, hg. unter Mitwirkung von Peter Michael Braunwarth, Susanne Pertlik und Reinhard Urbach von der Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1927–1930, Wien 1997, S. 270 [Tagebucheintrag vom 5. 8. 1929]. Otto P. Schinnerer, Arthur Schnitzler’s »Nachlasz«, in: The Germanic Review, 8 (1933), S. 114–123. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 47/44/3/1.
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es ausdrücklich.²² In Cambridge sollte Williams sehr bald schon zum wichtigsten Vertrauten Olga Schnitzlers werden. Gegen Ende Mai ist es endlich soweit, Olga Schnitzler reist aus Wien ab und schon mit Blick auf ihren Grenzübertritt verwendet sich Williams für sie, wie aus seinem Brief vom 20. Mai 1938 hervorgeht: Zu meiner großen Genugtuung erfahre ich soeben von Herrn Blackall, daß Sie sich auf der Reise nach Cambridge befinden, wo Sie voraussichtlich am 24. eintreffen werden. Auf seine Bitte hin habe ich an den Immigration Officer in Folkstone geschrieben, und ihn gebeten Ihnen eine möglichst langfristige Aufenthaltsbewilligung zu gewähren, damit wir mit den »Readings« nicht zu kurz kommen.²³ Zwei Vorträge finden am 30. Mai – über Hofmannsthal in privatem Rahmen – und am 31. Mai 1938 – eine Arthur Schnitzler-Lesung mit einer kurzen Einleitung²⁴ – im Gonville and Caius College statt. Für drei Wochen wird Olga Schnitzler sich nun in Cambridge aufhalten. Zur selben Zeit erreicht auch der Nachlass Arthur Schnitzlers die Insel, am 21. Mai lässt Eric Blackall den Librarian wissen: »Your books + papers will arrive in London on Tuesday – 8 packing cases and 4 large cupboards in all. The cupboards contain newspaper cuttings«. Blackall stellt noch »the necessary testamentary instructions« in Aussicht und kündigt ihm Olga Schnitzlers Reise nach Cambridge an: »The donor will be in Cambridge on about Tuesday too, so she will probably be glad to see you.« Auch artikuliert er, mit den Praktikabilien einer modernen Bibliothek nicht vertraut, die Idee eines eigenen Archiv- und Gedenkraums in dem neuen Gebäude, in das Scholfield vier Jahre zuvor die gesamten Bestände aus den Old Schools, wo sie 500 Jahre lang untergebracht waren, überführen konnte: Might I say right now that the ideal which both she and I would like to be realised, would be a small room somewhere in the building in which these things could be […] set out so that anybody may consult them, who wishes to do so. […] With this idea in mind I have sent all sorts of things which would give atmosphere to such a room.
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DLA, A: Schnitzler, 85.1.5488/2. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5488/2. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5135.
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Unter der »fair amount of curiosa« für den speziellen Raum findet sich auch Schnitzlers Totenmaske: »The mask is, naturally, hollow and underneath is a plaster-cast of his hand«.²⁵ Vier Tage später, am 25. Mai 1938, schickt Blackall aus Wien noch eine Liste an Scholfield, die den Inhalt der acht Kisten und vier cupboards kursorisch verzeichnet.²⁶ Dieses Verzeichnis wird zur Grundlage einer ausführlichen »box list«, die Blackall neun Jahre später anfertigen wird, welche wiederum mit dem endgültigen Findbuch des Schnitzlerbestandes in Cambridge weitgehend kongruent ist. Bemerkenswert ist bezüglich der frühen, noch in Wien angefertigten Liste Blackalls Hinweis auf Heinrich Schnitzlers Abwesenheit: »In general the private family things are all in the last two cases […] As already stated in my last letter, the decision on the things included in these two cases must be left to the donor. Things could not be finally sorted here as the co-heir, her son, was not in Austria.«²⁷ In der Bibliothek kommt es derweil zu einer Besprechung. Ein »Library Syndicate Minute. May 25th, 1938. No. 10.« hält kurz und bündig fest: »It was agreed to accept the literary remains, manuscripts and printed, of the Austrian writer Arthur Schnitzler, which were offered by Frau Schnitzler in conformity with her late husband’s wishes that they should find a home in a public institution.«²⁸ Auf diesen Beschluss wird sich die Library berufen, wenn es gilt, ihren Besitzanspruch – gegen massive Vorbehalte des Sohnes von Arthur Schnitzler, wie sich bald schon zeigen wird – zu rechtfertigen. Kurz darauf besucht Olga Schnitzler die Bibliothek, sie berichtet ihrem Sohn am 27. Mai: Aber die Unterredung mit dem Librarian war denkwürdig. Er empfing mich und Prof. W[illiams] in der neuen grossen Library einem prächtigen Gebäude – er selbst ein prächtiger nobler gut aussehender Mann, vollendete Formen, natürlich. Er ist Altphilologe, wie mir erzählt wird, ein echter conservativer Engländer. Er fände unsere Angelegenheit »irregular« – was sie weiss Gott ist […] und fragt schliesslich: ›I ask you frankly – what are you expecting from us?‹ Ich sagte erstaunt: ›But nothing, Sir! Hospitality for the work of a homeless poet, – a roof and sureness, – nothing else!‹ Da ging ihm, scheints, ein Licht auf und er fand die ›situation tragic‹, – worauf ich
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CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, 21. 5. 1938. CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, 25. 5. 1938. Ebd. CUL/Schnitzler: ›Syndicate Minute‹, 25. 5. 1938.
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ablehnte, darüber zu sprechen, weil mir die Thränen kamen. Weiss Gott – »tragic enough«!²⁹ Auch Eric Blackall, der sich noch in Wien befindet, erhält einen Bericht von Olga Schnitzler und wendet sich umgehend an Scholfield: »Mrs Schnitzler sent me a letter the other day, saying she had had a talk with you, and if I gathered rightly what she meant, it seems that you have no room for the material […] Would you please drop me a line to explain how matters stand?«³⁰ Postwendend beruhigt ihn Scholfield; mit Schreiben vom 1. Juni erklärt er: I am afraid that because I did not expand into panegyrics, the lady got a totally false impression. I am most eager to accept the papers, and space can be found, although there may be not as yet the room for such a shrine as worshippers of the Master would desire.³¹ Blackall zeigt sich verständig; auf einer Postkarte, geschrieben an »whitmonday« [Poststempel vom 6. Juni 1938] heißt es: »I laughed heartily at your irony! You must be thoroughly sick and tired of the whole matter.«³² Am 20. Juni wendet sich Scholfield – erfolgreich, wie Olga Schnitzler bald schon erfahren wird – an den »Permanent Under-Secretary / Home Office / Whitehall«: I beg leave to enquire whether there is any possibility of prolonging the period of residence in England for Frau Schnitzler, who has recently come here from Austria and is now engaged in this Library in arranging and cataloguing the manuscript remains of her late husband Arthur Schnitzler, the wellknown Austrian dramatist and novelist […]. I cannot of course specify how long the work will take, but we would be grateful for her valuable assistance for as long a period as His Majesty’s Government consents to allow her to remain in this country.³³ Olga Schnitzler bleibt ihren Dank nicht schuldig; am 8. Juli schreibt sie Scholfield: »It was not until then that I learned of your letter to the Home Office. I am sure that it has been of influence, as the Home Office granted me an unlimited
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/28/1. CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, 29. 5. 1938. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an E. A. Blackall, 1. 6. 1938. CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, [6. 6. 1938]. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an Home Office/Whitehall, 20. 6. 1938.
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permit to stay in this country. I should like to assure you how much I am obliged for your helpfulness.«³⁴ * Von dem Glück, das Olga Schnitzler in Cambridge erfährt, berichtet sie ihrem Sohn immer wieder, so etwa am 3. Juni 1938: »Cambridge, mein Sohn. Heidelberg, nochmal gesteigert. Eine Welt für sich […] Viele interessante Menschen gibt es hier, und mit mir sind sie reizend. Ich fühle mich wol [!] unter ihnen. Ihr Stil, ihre Menschlichkeit, – das ist alles sehr schön.«³⁵ Heinrich Schnitzler zeigt sich erfreut über die Erfolge seiner Mutter, bevor er auf den Nachlass zu sprechen kommt: Der Bericht über Deine Vorlesung – überhaupt Deine Berichte – das ist doch eigentlich wunderbar! Und ich glaube, dass gerade diese Atmosphäre Dir jetzt sehr, sehr gut tun wird […] Weniger froh bin ich darüber, dass man sich der Kisten nun doch annehmen will. Ich möchte unter allen Umständen trachten, die Sachen nach Amerika zu bekommen. Es wird mir immer klarer, dass sie in Cambridge völlig brach liegen müssen. In New York ist schon die Anwesenheit Schinnerer’s eine Garantie dafür, dass etwas »geschieht«!³⁶ Am 4. Juni trifft der Nachlass, der in London auf die Einfuhrbewilligung gewartet hatte, in Cambridge ein, wie die University Library am selben Tag Olga Schnitzler meldet.³⁷ Olga Schnitzler ist nun bereits gesellschaftlich recht aktiv, wie sie ihren Sohn am 11. Juni wissen lässt: Nachm. hatte ich in meinem Garten eine tea-party, »in honour of Prof. Williams.« […] Die Professoren, einige Studenten, ein mir speciell für d[en] Nachlass zugewiesener junger Librarian, Mr. Stringer, ein furchtbar netter lustiger Kerl, – und, staune: mir von Stefan Zweig geschickt, – Herr Paul Hirsch aus Frankfurt, der berühmte Sammler mit seiner Frau. Er lebt hier, hat seine musikal[ische] Manuscripten-Sammlung auch der hies[igen] Library als »Leihgabe« (und das ist das erlösende Wort) übergeben und steht mir in jeder Weise zur Verfügung.
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CUL/Schnitzler: O. Schnitzler an A. F. Scholfield, 8. 7. 1938. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/30/1. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 45/5/33. DLA, A: Schnitzler 85.1.5463/1.
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Gleichzeitig kündigt sie ihm ihren zweiten Besuch in der Bibliothek an: Ich muss dieser Tage zu Mr. Scholfield, dem Obersten Libr[arian] gehen, – tue nichts, ohne Prof. Williams Rat und Hilfe. Ich bin dafür, Heini, dass wir, Du und ich, so arm wir sind, den Transport d[er] Kisten selbst bezahlen, oder es wenigstens vorschlagen, damit wir völlig freie Hand behalten. Der nette Stringer behauptet, wir sollen uns alle Autographen behalten, das ist schliesslich ein Wert, – das meint [!] auch St. Zweig und Paul Hirsch. Ich muss das alles noch präcisieren, eh ich zu dem Drachen gehe und rede mich mit Recht auf Dich aus, da ich nichts allein entscheiden kann und will.³⁸ Die zuletzt getroffene Feststellung ist bemerkenswert in Bezug auf das Verfügungsrecht über den Nachlass, das bald zu einer zentralen Frage wird. Mit Blick auf die Bezahlung des Transports bekräftigt Heinrich Schnitzler am 2. Juli: »Ich halte es für unbedingt richtig, dass wir diese Transporte bezahlen. –«³⁹ Mit dem Datum des folgenden Tages schickt Olga Schnitzler ihrem Sohn »die Rechnung vom Spediteur Heimerl« und unterbreitet ihm einen prekären Vorschlag, wie sich erweisen sollte: Sie ist an Blackall gerichtet – er hätte sie Dir am besten selbst mitgebracht – und der engl. Consul hat Herrn Heimerl den Auftrag gegeben. Es wäre nun angezeigt, dass irgend Jemand (Hans Strakosch?) dem engl. Vice-Consul Mr. Walker […] die Summe überbringt, und dass Herr Heimerl die Summe direct vom engl. Consulat aus in Empfang nimmt. Wir verrechnen das dann mit Strakosch’s […] und da wir die Kosten tragen, sind wir der Library gegenüber unvergleichlich freier, dies oder jenes zur Bearbeitung heraus zu nehmen.«⁴⁰ Heinrich Schnitzler reagiert mit Bestürzung; er antwortet am 5. Juli 1938 mit Blick auf die Situation der Familie seiner Frau: Dein Vorschlag, Hans Strakosch oder sonst ein Familienmitglied möge die Summe auslegen, ist mir ganz unverständlich. Du hast doch schliesslich alle Vorgänge aus nächster Nähe mitgemacht und daher ist es mir nicht klar, wieso Du die wirkliche Lage der Familie Strakosch offenbar gar nicht realisierst. Also: Hans Strakosch ist ebensowenig in der Lage irgendeine Summe auszulegen, wie ein anderes Familienmitglied, da man das gesamte Vermö38 39 40
ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/38/1. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/47. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/48/1–3.
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gen beschlagnahmt hat. Ich bitte Dich das so wörtlich zu nehmen, wie es die Sprache verlangt. Sie haben Nichts mehr, wirklich und wahrhaftig Nichts.⁴¹ Zwei Tage später, am 7. Juli 1938, folgt ein Telegramm mit Bezug auf den Stiefbruder seiner Frau: »Georg von Strakosch hat sich heute Nacht in Wien erschossen.«⁴² Am Tag darauf schickt er der Mutter eine eindringliche Warnung bezüglich »der Rechnungs-Angelegenheit«: Es können in dieser Angalegenheit [!!] keine anderen Namen auftauchen, als diejenigen, die auf der Rechnung des Spediteurs genannt sind. Du weisst offenbar nicht, was auf dem Spiel steht, wenn die geringste Unvorsichtigkeit begangen wird. Nichts weniger als die Zukunft von uns Allen. […] Die Vornehmheit der Cambridger Herren in Ehren – aber hier geht es im wörtlichsten Sinne um Leben oder Tod, da es Dir ja wohl bekannt sein dürfte, wie Devisenvergehen in Deutschland bestraft werden.⁴³ Schnitzler schlägt ihr am 10. Juli 1938 vor, dass Eric Blackall den Betrag, den er von Olga in England erhalten soll, »unter seinem Namen (das ist von grösster Wichtigkeit!!!) nach Wien einzahlt. Nochmals: unser Name darf in keiner Weise vorkommen. […] Also bitte überlege diesen Vorschlag, der doch der allereinfachste von der Welt ist. Du gibst Blackall das Geld, Blackall bezahlt, und ich ersetze Dir den Betrag von hier aus. Ich bitte Dich nochmals, mir die Bezahlung der ganzen Summe zu überlassen – darüber möchte ich nicht mehr korrespondieren müssen.«⁴⁴ Hiermit bekräftigt Heinrich Schnitzler seinen Anspruch, künftig als alleiniger Verfügungsberechtigter über den literarischen Nachlass, einem Kodizill im Testament seines Vaters entsprechend, aufzutreten. * Am 3. September 1938 reist Heinrich Schnitzler von Le Havre über den Atlantik nach New York. »In unseren Köpfen sieht es wüst und wirr aus«, schreibt er am 11. September, dem Tag nach seiner Ankunft, an die Mutter,
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/51. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/54. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/56. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/5/59.
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– denn die Eindrücke sind eher überwältigend. Das erste Auftauchen der Türme von Manhatten im fernen Sonnendunst – eine Traumvision, völlig unwirklich. Man schaut sich die Augen aus dem Kopf und kann nicht fassen, dass das Alles wirklich vor einem steht. Dann die Stadt selbst. Schinnerer hat uns heute stundenlang in seinem Wagen umhergefahren. Man ist völlig erschlagen.⁴⁵ Doch der nächste Brief zeigt ihn schon als networker: Bereits nach den wenigen Tagen meines Hierseins sehe ich, dass es absolut notwendig sein wird, den Nachlass hierherzuschaffen. Heute z. B. eine lange Unterredung im Bureau von Curtis Brown, wo man sehr viele Pläne hat. Was aber alle Verhandlungen lähmt und hemmt, ist das Nichtvorhandensein jeglichen Materials. Nächste Woche werde ich eine Besprechung im StoryDepartment von Warner Bros. haben – auch dort werde ich ohne Material nicht weit kommen!⁴⁶ Im Herbst 1938 unternimmt Heinrich Schnitzler eine größere Anstrengung, die Nachlassfrage endgültig zu klären. Am 4. Oktober rechtfertigt er sich gegenüber seiner Mutter: Angesichts der Haltung der Leute sehe ich überhaupt keine allzugroßen ›Verpflichtungen‹ unsrerseits. Wirklich geleistet haben nur zwei Menschen etwas (ausser Dir natürlich!): der Konsul – und Mr. Blackall. Und die haben beide mit der Universität gar nichts zu tun!! Den Transport habe ich bezahlt. Und die Leute erklären unentwegt dass sie gar keinen Platz für die Sachen haben. Warum soll man ihnen also grosse Geschenke machen??? […] Meine Ansicht ist die: die wenigen vollständigen Manuskripte sollen als Dankesbeweis in Cambridge bleiben. Nicht alle […] Wichtig ist, dass alle Skizzen und Vorarbeiten hieherkommen […] Je länger ich hier bin, desto sinnloser erscheint es mir, das ganze Material 3000 Meilen weit entfernt zu wissen!⁴⁷ Seine Hoffnung allerdings, dass sich Columbia der Angelegenheit offiziell annimmt, zerschlägt sich; Robert Herndon Fife, Head of the Department of German Languages, »der die Leute in Cambridge kennt, meint, dass ein offizieller
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/18. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/19. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/23.
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Brief von einer Universität an die andere ganz falsch wäre«, teilt Schnitzler seiner Mutter am 16. Oktober 1938 mit.⁴⁸ Und er findet, dass ich dem dortigen Bibliothekar, Mr. Scholfield, ein ausführliches Schreiben schicken solle […] Der hiesige Bibliothekar, Mr. Howson, kennt Mr. Scholfield und hat ihn mir als einen besonders steifen und schwierigen Herrn geschildert. Das macht meinen Brief nicht leichter.⁴⁹ Innerhalb weniger Tage wird nun in einer kollegialen Aktion ein Schreiben aufgesetzt und am 20. Oktober der Mutter zur Kenntnisnahme geschickt: Der beiliegende Brief wurde gemeinsam verfasst von: Professor R. H. Fife […], Mr. Howson, Librarian of Columbia University, Schinnerer und mir. […] Du wirst dann so gut sein und mit Scholfield besprechen, welche Manuskripte wir der Cambridge-Universität als Zeichen des Danks schenken. […] Ich denke, dass Alles ganz glatt gehen wird, denn Brief [!] ist von Fife so schlau entworfen dass die Leute kaum Schwierigkeiten machen können.⁵⁰ Auf denselben Tag, den 20. Oktober 1938, ist das diplomatische Schreiben an Scholfield datiert. Darin heißt es: Through the very great kindness of the British Consul at Vienna and the University of Cambridge, the literary remains of my father, the late Arthur Schnitzler, were withdrawn from my house in Vienna immediately following the German occupation of the city and transported for safekeeping to the University-Library at Cambridge, where they are still stored. That this was possible was due to the unselfish efforts of the diplomatic officers of the British Government, and to the cooperation of yourself and your colleagues of the library. For the rescue of the invaluable collection from destruction or indefinite detention, the members of my family and I will never cease to be grateful. I am now established in New York and find that I am able to take up my permanent residence in this country, where I hope to achieve a career in my profession. It is my intention also to occupy myself with the study of my father’s papers […]
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/24. Ebd. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/25.
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It would be a very great favor if the cases containing the papers could now be forwarded to my New York address shown on this letter. I expect, of course, to bear the expense of transportation and any other outlays that the library may have made in respect to collection. […] It is my purpose to try to secure publication of parts of the correspondence and autographed material and of studies relating to them. In this way I shall endeavor to preserve the cherished memory of my father and to use the collections which were the object of his care throughout life in the way that he would most desire.⁵¹ Kurz und unmissverständlich fällt die Antwort Scholfields vom 31. Oktober 1938 aus: Dear Sir, I am afraid your letter was written under a misconception. The ›Nachlass‹ of Arthur Schnitzler was given to Cambridge University and was accepted, and no papers can now leave the library.⁵² Heinrich Schnitzler antwortet am 22. November: Dear Sir, I have received your letter of October 31st and I must thank you for the kind information contained in it. I hope that my questions did not in any way inconvenience you.⁵³ Zu spät hatte ihn die Mutter mit einem Telegramm vom 26. Oktober gebeten: »I implore not to write letter to the Librarian my way is much better Love Mutter«.⁵⁴ Worauf ihr Sohn am folgenden Tag, dem 27. Oktober 1938, per Cablegram nur mehr antworten konnte: »Columbia refused to take steps therefore sent letter one week ago it is the best way Love«.⁵⁵ Womit Heinrich Schnitzler kaum gerechnet haben dürfte, ist, dass Olga Schnitzler äußerst konsequent ihren »Weg« geht und mit dem Librarian gemeinsame Sache macht, wie ihr Brief vom 29. Oktober zeigt: I am writing to you as I learned yesterday from my son, Mr. Henry Schnitzler, that he has written you a letter, suggesting, (as I gather from his letter to me)
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ULC, Librarian’s Office/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 20. 10. 1938. ULC, Librarian’s Office/Schnitzler: A. F. Scholfield an H. Schnitzler, 31. 10. 1938. ULC, Librarian’s Office/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 22. 11. 1938. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5432/1. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5432/1.
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a transference of Arthur Schnitzlers Papers to U. S. A. It is not my son’s fault that this suggestion has been made, as he has in fact been urged to take this step by Prof. Fife and Prof. Schinnerer of Columbia University. I do wish to make it clear that this suggestion is a mistaken one, and that these gentlemen have not realized that these Papers have actually been presented to the University of Cambridge. What my son primarily wishes to do is to publish works which so far exist only in Ms. or typoscript; and I feel sure that the University Library will grant all facilities for this purpose, without any question of a transfer of MSS or letters. I should be glad to discuss this matter at your convenience, and would like in conclusion to assure you that I am most sensible of the generous action of the University in enabling me to get them out of Austria.⁵⁶ Scholfield reagiert mit Schreiben vom 31. Oktober sogleich und wieder fällt, wie auch in dem bereits zitierten kurzen Absageschreiben an Heinrich Schnitzler vom selben Tag, das problematische Wort »given«: I am much obliged to you for your letter. It was certainly not our intention merely to house the Schnitzler ›Nachlass‹ for a time only, and then to pass it on elsewhere, and it would be well to make it clear that now the papers have been given to us, they cannot be surrendered nor even leave the Library for a time however short. You will no doubt explain this to Herr Heinrich Schnitzler.⁵⁷ Am 30. Oktober, erst am Tag nach ihrem Schreiben an Scholfield also, liefert Olga Schnitzler ihrem Sohn die Begründung ihrer Sichtweise: Du gehst von völlig falschen Voraussetzungen aus. Der Nachlass gehört uns nämlich nicht mehr. Von dem Augenblick an, wo der englische Konsul in Wien, Captain Taylor, seine amtlichen Siegel an das Archiv legen liess, und ich Erich Blackall die Schlüssel zu unserem Archiv übergeben habe, ist der Nachlass in englischen Besitz übergegangen. Es war die einzige Möglichkeit und die einzige Form, ihn zu schützen. Der weitere Verlauf dieses Briefes lässt tiefer blicken: die traumatisierenden Wochen vor der Ausreise aus Österreich kommen zur Sprache: 56 57
CUL/Schnitzler: O. Schnitzler an A. F. Scholfield, 29. 10. 1938. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5463/2; ULC, Librarian’s Office/Schnitzler: A. F. Scholfield an O. Schnitzler, 31. 10. 1938.
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Du hast diese Wochen der Angst nicht miterlebt und weisst nicht, was das bedeutet. […] Du warst im Ausland, ich hatte die Nazis alle Augenblick im Haus, ich konnte Dich nicht verständigen, Dich nicht um Deinen Rat und um Deine Zustimmung bitten. Ich musste rasch entschlossen handeln. […] Wer mir geholfen hat, das waren ausser Alewyn und Blackall die Universität Cambridge, das war vor allem die unermüdliche Güte von Prof. Williams. Er hat nicht nur dem Nachlass allein sondern auch mir selbst den Ausweg aus Oesterreich ermöglicht – Sie schließt noch einen kurzen Bericht über die Ordnungsarbeiten in Cambridge an, der zur Erklärung der Aufsplitterung des Nachlasses von Arthur Schnitzler – schließlich in zwei größere Teilbestände – beiträgt: Ich habe also gleich zu Anfang die wichtigsten Manuscripte und sämtliche bedeutsamen Briefe an den Vater in einigen Laden deponiert. Auf Veranlassung eines jungen Librarian, der mir beigestellt wurde, habe ich sehr vieles wieder eingepackt, was er mir als unwesentlich zurückgestellt hatte. Aufgelistet werden diesbezüglich neben der Totenmaske und dem Abguss von Arthur Schnitzler Hand die Autobiographie der frühen Jahre, »die Träume, Frauenbriefe und die Auszüge aus den Tagebüchern (Charakteristiken)« und die ihr »vom Vater geschenkten und handschriftlich gewidmeten 3 Manuscripte in bunten Ledermappen: ›Liebelei‹, ›Casanova‹ und ›Reigen‹«, sowie die Autographensammlung Heinrich Schnitzlers. Mit Blick auf den in Cambridge verbleibenden Teil des Nachlasses verfolgt die Mutter ebenfalls einen eigenen Lösungsansatz: »Nun habe ich«, schreibt sie gegen Briefende noch, durch die »Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaftler eine Dame ausfindig gemacht, […] der ich von nun an alles in die Maschine diktieren werde, was Du zur Verwertung brauchst.«⁵⁸ Am 18. November werden von Heinrich Schnitzler Einwände hierzu geltend gemacht: Dein Plan, Abschriften zu machen, ist sehr schön, aber praktisch zwecklos. […] Sowohl für eventuelle Veröffentlichungen als auch für jede Art von wissenschaftlicher Arbeit sind sie wertlos. […] Vaters SchreibmaschinenManuskripte sind, wie Du weisst, bedeckt mit Bleistiftnotizen, die berücksichtigt werden müssen. Das kann keine Sekretärin der Welt, nicht einmal Frieda konnte es. 58
DLA, A: Schnitzler, 85.1.5432/2.
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Frieda Pollak stand ab 1909 Arthur Schnitzler als »Typewriterin« zur Verfügung und arbeitete noch nach dessen Tod, einer testamentarischen Verfügung entsprechend, an einer Abschrift der umfangreichen Tagebücher. Im weiteren Briefverlauf geht es vor allem darum, zumindest rechtliche Verbindlichkeit herzustellen: Das Wichtigste ist nun Folgendes: es muss selbstverständlich zwischen der Cambridge-University und uns ein juristisch einwandfreier Vertrag gemacht werden. Wir müssen nach diesem Vertrag jederzeit das Recht haben selbst an den Nachlass heranzukönnen. Das muss gelten 1. für Deine Person, 2. für Lilly und mich, 3. für mein Kind. Das muss schriftlich festgelegt und mit einem Anwalt durchgeführt werden. Ebenso muss sich die Universität dazu verpflichten, sich strengstens nach den Vorschriften des Testaments zu halten. […] Keinesfalls ist es möglich, den Nachlass ohne jede Sicherung einfach herzuschenken und seiner Wege zu gehen. […] Diese ganze Geschichte bedeutet für mein Gefühl dass endgiltige Begrabensein des gesamten Materials. Hier hätte es noch ein Fortleben gegeben – dort ist es wirklich aus. Tot und vergessen. –⁵⁹ Doch wieder verfolgt Olga den von ihr eingeschlagenen Weg konsequent weiter und fertigt unverdrossen Abschriften an, wie sie am 14. Januar 1939 nach New York berichtet: Und nun ein Geständnis: ich habe in der letzten Zeit in Cambridge allerlei nach Hause genommen was mir wichtig erschien […] meist Dublicate oder Dinge die zu copieren sind. […] Ich habe vor, in absehbarer Zeit, vielleicht schon im Februar nach Cambridge zu fahren […] mit meiner Schreibmaschine und dort zu copieren was nur geht – lass Dir gestehen dass ich die Tendenz habe, Copien dortzulassen und die maschin geschriebenen Originale mit Vaters eigenhändigen Verbesserungen an mich zu nehmen und Dir zu bringen oder zu schicken.⁶⁰ Auf ihre eigene Weise trägt sie so den Bedenken ihres Sohnes durchaus Rechnung. Und noch einmal, am 20. Januar 1939, begründet sie ihre Abschreibpraxis: Vergiss nicht,– dass der Librarian die Liste in Händen hat, ihm von Eric geschickt. – Es fehlen nun schon beträchtlich viele Nummern, die ich an 59 60
ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/6/29/1. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5432/1 Diese »Tendenz« Olga Schnitzlers wäre bei einer Feinerschließung des Nachlasses zu berücksichtigen.
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mich genommen habe, – und ich möchte für Cambridge ersetzen, was ich kann. Ich habe ja ohnehin die Absicht – Dir die »Originale« zu schicken und hier Abschriften zu hinterlegen. […] Wir müssen ohnedies schwindeln und behaupten, dass ich Dir das Alles schon von Wien nach Zürich geschickt habe. Du kriegst demnächst eine Liste der Dinge die ich hier habe. Du wirst begreifen dass es mir darum zu tun ist Duplicate hier zu lassen, – oder nein?⁶¹ Zeitgleich schreibt ihr Heinrich Schnitzler; sein Brief vom 20. Januar ist von Verzweiflung diktiert: Liebe Mutter, ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr mich diese ganze Angelegenheit bedrückt und beschäftigt. Selten ist so sehenden Auges das Falsche gemacht worden. Dass ein Herr Scholfield, schließlich selbst nur ein Angestellter, über das Fortleben von Vaters Andenken zu entscheiden haben würde – nun, ich hätte mir das niemals träumen lassen […] Ich bitte Dich inständigst, gib’ das Ganze nicht so einfach auf. Gib Dich – bitte, bitte!! – nicht mit dem Gedanken zufrieden: so ist’s nun einmal und so bleibt’s auch in Zukunft. Hier könnte Vaters Werk weiterleben, ja vielleicht eine neue Blüte erleben – dort ist es zum wirklichen Untergang verurteilt. Und dabei sollen wir untätig verharren?????⁶² Am 26. Januar 1939, Olgas Emigration in die USA steht plangemäß unmittelbar bevor, kommt Heinrich Schnitzler noch einmal auf die Notwendigkeit einer vertraglichen Absicherung ihrer Rechte zu sprechen; ein Fait accompli sei keinesfalls hinzunehmen: Ich bitte Dich nochmals und inständigst, gerade da du nun sobald das Land verlassen wirst, irgendeine Regelung zu treffen. […] Zutritt für mich und meine Nachkommen jederzeit. Freies Verfügungsrecht in urheberrechtlicher Beziehung. Verpflichtung der Universität, sich genauestens an das Testament zu halten. – Und immer wieder flehe ich Dich an: versuche was Du nur kannst, um einen Weg für spätere – oder auch frühere – Transferierungen nach Amerika offen zu behalten!!! […] Wie gesagt: ich bin – leider – machtlos, wiewohl ich doch juristisch DER Verfügungsberechtigte bin! Eine verteufelte Situation. –⁶³ 61 62 63
DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/1. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5380/7. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/13/1.
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Dem Anliegen ihres Sohnes entsprechend schickt Olga Schnitzler einen auf den 27. Januar 1939 datierten »draft letter«, aufgesetzt von Victor Lehmann, einem bei den Solicitors Oppenheimer, Nathan & Vandyk in London angestellten Juristen, an Scholfield (das Dokument trägt den Eingangsstempel der Bibliothek: 30. Januar 1939): »as a result of the conversations which I have had with you, I am now setting out the conditions upon which my son and I myself are prepared to agree to the literary estate of the late Artur [!] Schnitzler being held by Cambridge University.«⁶⁴ Unter den Bedingungen, die Olga Schnitzler stellt, sind zwei von besonderem Gewicht: 2. Access to them shall be available at any time either to myself or my son, Mr. Heinrich Schnitzler or to any person authorised by either of us in writing and either we ourselves or any person so authorised shall be permitted to inspect any manuscripts and documents. Either of us shall take copies of any document but only persons authorised by both of us shall be permitted to take copies.[…] 4. I am about to go to the United States of America and I shall be entitled to take away with me – (a) Such boxes of private correspondence and autographs as have been described and marked as private property. (b) Certain books and manuscripts returned to me by the Assistant Librarian as duplicates. (c) The private correspondence and diaries, of which my late husband in his last Will expressly forbade publication for a certain time.⁶⁵ Der Bibliothekar reagiert postwendend, indem er mit Schreiben vom 31. Januar 1939 die Bedingungen akzeptiert – »I need say no more than that they are acceptable« – mit Ausnahme der zweiten: »›Access … available … to any person authorized by … us‹. This is a condition which I must decline to accept as it stands, because a case might arise in which the Library Syndicate declined to admit to the Library some person ›authorized by you‹.« Zynisch nimmt sich nach Form und Inhalt Scholfields Gegenvorschlag aus: »May I assume that you intend ›any person who is admitted to the Library‹?«⁶⁶ Was wiederum Heinrich Schnitzler kategorisch ablehnt, wie er seine Mutter am 22. März 1939 wissen lässt. Zudem müsse, fügt er hinzu, Punkt 2 »unbedingt den Zusatz erhalten, dass mein Sohn 64 65 66
CUL/Schnitzler: O. Schnitzler an A. F. Scholfield, 27. 1. 1938. Ebd. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5461/45.
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Peter Schnitzler jederzeit den Zugang zu den Papieren hat […]. Auf dieser Aenderung bestehe ich unter allen Umstaenden. –«⁶⁷ In den Akten der Cambridge University Library findet sich ein auf den 30. Januar 1939 datiertes handschriftliches »Memorandum« Olga Schnitzlers, mit dem sie festhält: Mit der gütigen Erlaubnis von Mr Scholfield habe ich heute aus der University-Library zu Cambridge wieder in meinen eigenen, respective in den Besitz meiner Familie, der Schnitzler’schen Erben, genommen: Die Tagebücher / Die Autobiographie / Die Manuscripte / »Liebelei«, »Casanova’s Heimfahrt« und »Reigen« /»Träume«, ferner private Briefe (Familienbriefe, Frauenbriefe) gemäss den testamentar[ischen] Verfügungen Schnitzler’s – ferner 4 Kasten mit Zeitungsausschnitten.⁶⁸ Damit wäre Olga Schnitzler bereit, ihre Ausreise in die Vereinigten Staaten anzutreten. Am 2. Februar 1939 schreibt ihr Sohn noch zuversichtlich: »das ist hoffentlich der letzte Brief, den ich Dir nach Europa schreibe. Die »Aquitania« soll ihn Dir noch rasch bringen, ehe sie Dich selbst mitnimmt! Du kannst Dir wohl denken, wie sehr wir uns freuen, Dich hier zu haben und was das für ein grosser Augenblick sein wird, wenn wir Dich am Pier erwarten werden.« – Doch wieder liegt der Nachlass zwischen ihnen: Ueber Deine letzten »activities« in der Nachlass-Sache kann ich nicht sehr begeistert sein. […] Ich bitte Dich dringendst, den ganzen Nachlass nicht zu zerreissen. Glaub’ mir: er ist nur und ausschliesslich als Ganzes wertvoll. Einzelnes herauszunehmen, ist wirklich ohne Sinn. Es hiesse das auch, das Wesen einer wissenschaftlichen Arbeit verkennen, da jede solche Arbeit immer nur auf Zusammenhänge und Beziehungen gerichtet sein kann, niemals aber auf ›schöne Stellen‹. Aus seiner Sicht legt Heinrich Schnitzler ihr nun die Rechtslage dar: Der Fall liegt rechtlich vollständig klar. Und ebenso klar die Lümmelei dieser Gentlemen. Ich bin der Eigentümer des Nachlasses. Ich habe ihn niemals hergeschenkt. Niemand hat mit mir darüber auch nur eine Zeile gewechselt. Nur Herr Scholfield, ein Angestellter, hat mich vor ein fait accompli stellen wollen. Niemand hat sich jemals bei mir für das Geschenk bedankt, niemand 67 68
ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/26. CUL/Schnitzler: Memorandum von Olga Schnitzler, 30. 1. 1939.
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hat mir, dem Eigentümer, den Empfang bestätigt, niemand die Bezahlung des Transports. Sobald Du hier sein wirst, wird Klarheit in diese Geschichte gebracht werden. –⁶⁹ Noch vor dem Eintreffen dieses Briefes reagiert Olga Schnitzler am 3. Februar 1939 auf den Brief ihres Sohnes vom 20. Januar 1939: »Es hat keinen Sinn, Dir zu verschweigen, dass dieser Brief mich aufs auesserste verstimmt hat, Heini. Es ist eine Unueberlegtheit ersten Ranges, wenn Du schreibst: ›Nie ist mit sehenden Augen etwas Falscheres gemacht worden.‹« Und wieder kommt sie auf die gespenstischen Wochen nach dem »Anschluss« zu sprechen, diesmal verbunden mit einer schwerwiegenden Anschuldigung: […] Wer sich im Maerz in das gefaehrdete, unangenehm beobachtete leere Haus in der Sternwartestrasse begeben hat, war ich, und wer sich um den Nachlass leider nicht bemueht hat, warst Du. Wenn es auf Dich ankaeme, waere der Nachlass heute in den Haenden der Nazis. Dass er von Cambridge aus geschuetzt wurde, war ein Glueck –.⁷⁰ Vergeblich wird die Mutter in New York am Pier erwartet, wie aus Heinrichs Brief vom 10. Februar hervorgeht. Er bittet besorgt um Aufklärung. Der Brief reflektiert im Weiteren die zunehmenden Spannungen: Du weiss[t] doch wohl ganz genau, liebe Mutter, dass niemals darüber der geringste Zweifel bestehen kann, dass Du den Nachlass aus Wien gerettet hast. Ich habe Di[r] meine Dankbarkeit dafür mehr als einmal gesagt […]. Du hast den Nachlass aus Wien heraus gerettet und hast diesen Abschnitt der Geschichte ganz allein und wunderbar geleitet. So – jetzt hab’ ich’s also nochmals und ganz klar gesagt. Dass Du im gleichen Atem mich verletzt, indem Du schreibst: ›Wer sich um den Nachlass leider nicht bemüht [im Typoskript durchgestrichen: bemüht] hat, warst Du‹ das, liebe Mutter ist mir allerdings mehr als schmerzlich und völlig unverständlich. Du weisst ganz genau, dass es höchst verhängnisvoll gewesen wäre, wenn ich mich – damals noch von Brüssel aus – um den Nachlass nur im Allergeringsten »bemüht« hätte. Zur Bestätigung seiner Ansicht, was die Zukunft des Nachlasses betrifft, zieht Heinrich diplomatisch den mit den Schnitzlers befreundeten und von Olga auch 69 70
ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/15; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5380,8. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/10.
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fachlich geschätzten Germanisten Richard Alewyn bei, der 1939 ebenfalls in die Vereinigten Staaten emigrieren konnte: Im Uebrigen konnte ich gestern in einem langen und ausführlichen Gespräch mit Alewyn zu meiner Beruhigung feststellen, dass er ganz meiner Ansicht ist, was nämlich die augenblickliche Situation anbelangt. Und nur um diese handelt es sich – muss das wirklich ausdrücklich gesagt werden. Auch Alewyn ist der Ansicht dass Abschriften völlig wertlos sind, weil für die wissenschaftliche Arbeit gerade die Korrekturen unumgänglich notwendig sind, auch er meint, dass man nur ja nicht den Nachlass zerreissen soll, auch er findet, dass er dort völlig fehl am Ort ist – und so fort. Daher bitte ich Dich – und das ist der eigentliche Zweck dieses Briefes – Nichts mitzubringen, vor allem keine Schränke mit Zeitungsausschnitten. Ich wüsste gar nicht, wo man die unterbringen sollte oder könnte. […] Liebe Mutter, glaub’ mir: diese Sache ist heillos verfahren – und so richtig Alles war was geschehen ist, um den Nachlass aus Wien zu entfernen, so grundfalsch war alles Weitere.⁷¹ Die Mutter lässt sich nicht beirren; am 23. Februar nimmt sie Stellung zu dem Vorwurf der Zerteilung des Nachlasses: Du schreibst nun in Deinem letzten Brief und wiederholst es mehrfach, dass der Nachlass nur als ganzes einen Wert habe, und ich solle ihn nicht zerreissen. Mein lieber Heini, nicht ich habe ihn zerrissen, ich habe es nur vorgezogen, das mit mir zu nehmen, was sonst einem ewigen Dornroeschenschlaf in festvernagelten Kisten verfallen waere. Und noch einmal kommt Olga Schnitzler auf die Ereignisse nach dem »Anschluss« zurück. Es kommt zu einer bedeutsamen Enthüllung: Glaube mir, dass Du trotz aller meiner sehr genauen Berichte, die Situation nicht ganz uebersiehst. Erik Blackall hat am 21. Maerz 1938 mit dem britischen Konsul in Wien wegen des Nachlasses verhandelt und dessen Schutz erbeten. Ich habe darueber folgenden Brief in der Hand: Ich, Erich Blackall, Beauftragter der germanistischen Fakultaet der Universitaet Cambridge, erklaere hiermit, dass die Bibliothek der Universitaet
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/17; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5380/10.
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Cambridge den gesamten schriftlichen Nachlass des verstorbenen Dichters Arthur Schnitzler erworben hat. gez. Eric A. Blackall Beeidet vor mir im Britischen Konsulat, Wien, am 21. Maerz 1938. gez. John W. Taylor. Amtsstempel. Kgl. Britischer Konsul. Diesen Brief hat der Konsul nebst 6 Siegeln Eric in die Hand gegeben, um den Nachlass vor dem Zugriff der Nazis zu schuetzen. Und nun, mein lieber Heini, denke ich, ist es genug an Rechtfertigungen in dieser ganzen Angelegenheit, jetzt tu Du das Deine.⁷² Mit ihrem nächsten Brief gibt die Mutter ihre endgültige Abreise bekannt; am 28. Februar 1939 schreibt sie nach New York: Nachdem ich Samstag Deinen Brief erhalten habe, der so lieb meine Abreise fordert, bin ich sofort zu Cooks gegangen und werde wohl Ende dieses Monats entweder mit der »Manhatten«, 24. Maerz, oder mit der »Paris« am 30. Maerz fahren;⁷³ Nun wird der Ton ihrer Briefe wieder versöhnlicher, der Brief vom 3. März 1939 kündet sogar von einer Art Komplizenschaft mit ihrem Sohn. Nach wie vor allerdings – und daran wird sich auch in späteren Jahren ihres Lebens nichts ändern – lässt sie auf Cambridge nichts kommen: Ja, was mich am meisten freut, ist, dass ich dem Scholfield doch so Manches wieder weg genommen habe – […]. Dr. Lehmann, ein sehr correcter deutscher Anwalt, gibt mir vollständig recht, – er kennt den ganzen Sachverhalt. Der Brief an Scholfield wurde absichtlich so abgefasst, dass das Wort »Schenkung« nicht vorkommt,– damit man später vielleicht einmal die force majeure in’s Treffen führen kann. […] Die Herren in Cambridge […] sind wirkliche Gentleman [!], die sich tadellos, ja mehr als das gegen mich benommen haben,– und so bleibt nichts übrig, als dankbar zu sein und Würde zu bewahren.
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/19/1; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/6. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/21; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/7.
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Und damit, mein lieber Sohn, wollen wir doch endlich, endlich diese wenig erfreuliche Correspondenz über den »Nachlass« zur Ruhe kommen lassen, nein?⁷⁴ Am 7. März 1939 schüttet Olga Schnitzler in einem ausführlichen, sehr persönlich gehaltenen Brief Eric Blackall ihr Herz aus und zieht Bilanz: Du weisst, dass Schofield von Anfang an schwierig war. »Kein Platz«, und er musste den Nachlass in Kisten lassen! Schliesslich hat er mir ein paar Laden angewiesen, in die ich die Manuscripte und Autographen einraeumte. Stringer, mir als Hilfe beigestellt, gab mir eine Menge zurueck, und so wurde vieles wieder eingepackt, darunter natuerlich auch die Dinge, die nach Arthurs Testament einstweilen nicht in fremde Haende kommen sollen. (Frauenbriefe, Autobiografie, etc.) Der Nachlass ist somit zerrissen worden […] Das war die eine Seite. Die andere: Heini! Seine Briefe begannen von Amerika aus immer mehr gegen die Situation zu protestieren. (Was sehr begreiflich ist). […] schließlich hat Heini, ueber meinen Kopf hinweg, entgegen meinem Rat, in einem Brief an Scholfield den ganzen Nachlass wieder zurueck erbeten. Ich möchte dir gar nicht erst schildern, wie mir zumute war. […] Ich habe auch keinen Augenblick vergessen, wie ruehrend sich diese Maenner in Cambridge mir gegenueber benommen haben.[…] Heini bekam natürlich einen kurzen ablehnenden Brief von Scholfield.– Die Situation war nur verschaerft, weil er schrieb: ›The manuscripts cannot even leave the Library.‹[…] Die vier Schraenke mit den Zeitungsausschnitten hat Scholfield mir neulich selbst angeboten. Du weisst ja, er hat immer die Befuerchtung, die Library koenne zu schnell full up sein. So steht das nun, mein lieber Eric, das haben wir uns alle in Wien anders vorgestellt, als wir uns dachten, Cambridge koenne eine Zuflucht fuer die verbannte oesterreichische Literatur werden.⁷⁵ Heinrich Schnitzler ist indes beunruhigt mit Blick auf die schwebende Rechtslage in der Frage des Nachlasses. Am 9. März 1939 drängt er: Wieso aber bin ich noch immer nicht im Besitz des von der Firma Oppenheimer verfassten Vertragsentwurfs? Es ist mir ein recht unheimliches Gefühl, dass Du England verlassen wirst, ohne dass dieser Punkt – über den ich seit Monaten schreibe! – vollkommen geklärt worden ist. Du schreibst selbst, 74 75
DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/8. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5409.
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dass der zurückbleibende Teil des Nachlasses einem »Dornröschenschlaf in festvernagelten Kisten verfallen« wird. Umsomehr muss ich irgendetwas in der Hand haben, was diese festvernagelten Kisten im Bedarfsfalle öffnet. Wenn es schon nicht gelungen ist den festvernagelten Kopf des Herrn Scholfield zu öffnen. – Dass ich nicht nur den Inhalt, sondern auch die Existenz des Briefes, den Mr. Blackall am 21. März 1938 – also vor beinahe einem Jahr (!!!) – unterzeichnet hat, erst jetzt erfahre, das, liebe Mutter, ist wohl mehr als unwahrscheinlich. Und doch muss ich auch dazu schweigen. –⁷⁶ Mit Bezug auf den Brief seiner Mutter vom 3. März 1939 will Heinrich Schnitzler die Nachlassfrage durchaus nicht zur Ruhe kommen lassen. Am 10. März 1939 antwortet er ihr hierzu: Ich bin vollkommen Deiner Ansicht, dass nämlich die Nachlass-Angelegenheit insofern zur Ruhe kommen muss, als sie keinerlei Konflikte zwischen uns beiden heraufbeschwören darf. Nur wollen wir beide – gemeinsam!! – uns mit dem gegebenen Zustand nicht zufriedengeben und – gemeinsam!! – daran arbeiten, ihn nach Möglichkeit zu ändern. So waren auch meine Briefe selbstverständlich immer gemeint. Habe ich mich so unklar ausgedrückt????⁷⁷ Nun kündigt sich die Überfahrt schon deutlich an; in einem letzten Brief der Mutter aus England vom 24. März 1939 heißt es: Alle die Abschiede! […] gestern Dr. Garland aus Cambridge, sehr nett und recht wehmütig. Er übernimmt die Zeit[ungs]-Ausschnitte sammt [!] den Kästen. Ich bringe Dir mehr mit, als Du ahnst. Ich hab den Nachlass ein zweites Mal »gerettet.« Die Dummheit von Scholfield ist am Ende eine Fügung gewesen. […] ich habe, als ich sah, wie es steht, mir ruhig von dem jungen Stringer, dem Bibliothekar, alles, was nur geht zurück geben lassen. Scholfield hat die Manuscripte und autographen Briefe, – Deine bringe ich natürlich mit – aber was der Forschung dient – hab ich, und bin dessen froh.⁷⁸ *
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/23; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5380/13. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 49/7/24; DLA, A: Schnitzler, 85.1.5380/14. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5433/10.
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In den verbleibenden Monaten des Jahres 1939 versucht Heinrich Schnitzler über die Solicitors Herbert Oppenheimer, Nathan & Vandyk in London, die bereits mit der Nachlass-Frage befasst waren, den Vertragsabschluss mit der University Library voranzutreiben. Strittig ist schließlich nur mehr die Frage der Kontrolle über den Zugang zum Schnitzler-Bestand in Cambridge. Diesbezüglich nimmt Scholfield in einem kurzen Schreiben an die Solicitors vom 8. August 1939 Stellung: In answer to your letter […] of 2 August 1939 it appears unnecessary to add the words »his wife Lilly Schnitzler and his son Peter Schnitzler (when of age)«; such an addition would not be acceptable. As soon as a list has been compiled of the Schnitzler Papers in this Library you shall have a copy, but it must, I fear be a long time before that can be done since the Assistant in charge of them has left. I think it would be desirable to have a formal agreement concerning the Schnitzler papers drawn up signed by all the parties concerned.⁷⁹ Am 12. Oktober 1939 bekräftigen die Solicitors, von Heinrich Schnitzler darauf verpflichtet, nochmals die Notwendigkeit einer Zugangsregelung: It seems that all relevant points have now been agreed on except that some addition seems to be necessary to the effect that access to the manuscripts and documents in question would also be given to the personal representatives of the late Arthur Schnitzler and /or our clients. This seems to be necessary as, in case that Mr. or Mrs. Schnitzler should die, any authority given by them in writing to third persons would lapse.⁸⁰ Doch auch Scholfield bleibt in dieser Frage beharrlich; am 1. Dezember antwortet er: I hesitate to promise unrestricted and unconditional access for the representatives of Mr and Mrs Schnitzler. It is within the bounds of possibility that they might be persons whom the Syndics of the Library may for some reason wish to exclude from the Library. […] Could you not insert some such phrase as ›provided the representatives be approved by the Libray Syndicate for admission to the Library‹?⁸¹ 79 80 81
CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an H. Oppenheimer et al., 8. 8. 1939. CUL/Schnitzler: H. Oppenheimer et al. an A. F. Scholfield, 12. 10. 1939. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an H. Oppenheimer, 1. 12. 1939.
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Die Solicitors möchten, so geht aus ihrer Antwort vom 6. Dezember hervor, die Sache zum Abschluss bringen und ein Agreement aufsetzen, benötigen jedoch noch »a complete list of all documents, books and manuscripts which have been handed to you by Mrs. Olga Schnitzler and Mr. Heinrich Schnitzler«,⁸² die dem Vertrag beigefügt werden müsse. Scholfield weist die Bitte mit Bezug auf sein Schreiben vom 8. August 1939 zurück: »We have not yet compiled any list of the Schnitzler papers, nor can I see any prospect of doing so until we have a larger staff.«⁸³ In New York hat Heinrich Schnitzler eine Fotokopie des letzten Willens seines Vaters anfertigen und beglaubigen lassen und diese am 16. Juni 1940 Oppenheimer, Nathan & Vandyk geschickt. Im Begleitbrief heißt es: However, I do not see any possibility to mail the translation to you at the present moment. I think we shall have to wait for a more favourable moment in order to conclude the pending agreement with Cambridge University Library.⁸⁴ Damit ruht das Verfahren bis 1945. * Am 5. September 1946 wendet sich Heinrich Schnitzler, nun Lecturer in Dramatic Arts an der University of California Los Angeles, an den Librarian und bittet um »microfilm copies of some of my father’s, the late Arthur Schnitzler’s posthumous manuscripts«.⁸⁵ In seiner Antwort vom 17. September stellt der Librarian – noch immer ist es Scholfield – fest: »the MSS of the late Arthur Schnitzler have not yet been completely examined, sorted, and arranged, and it will, I fear, be a long while before this can be done.«⁸⁶ Pragmatisch schlägt er vor, Heinrich Schnitzler solle ihm eine Liste der gewünschten Materialien zukommen lassen. Ein kurzer Brief des »Secretary of the Library« an Henry B. Garland vom 11. Oktober betrifft dessen Angebot, der Bibliothek die »press cuttings«, die Olga Schnitzler ihm vor ihrer Abreise 1939 anvertraut hatte, zu überlassen: »As I feared the Librarian has asked me to thank you for your offer of the Schnitzler press cut-
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CUL/Schnitzler: H. Oppenheimer et al. an A. F. Scholfield, 6. 12. 1939. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an H. Oppenheimer, 8. 8. 1939. DLA, A: Schnitzler, 85.1.5461/42. CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 5. 10. 1946. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an H. Schnitzler, 17. 9. 1946.
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tings – and to decline them as politely as may be«,⁸⁷ wird ihm mitgeteilt. Garland wird die Sammlung von etwa 21.000 Zeitungsausschnitten, die Arthur Schnitzler angelegt hatte, bei seiner Berufung an die University of Exeter 1947 mitnehmen, wo sie nach seinem Tod in die Bestände der dortigen Library aufgenommen wird. Heinrich Schnitzler schickt, dem Vorschlag Scholfields entsprechend, am 20. Oktober 1946 mit einem längeren Begleitbrief eine Liste von siebzehn auf Microfilm zu sichernden Dokumenten nach Cambridge. In dem Begleitbrief sind folgende Wendungen, wohl von Scholfield nach Erhalt, mit Blei markiert: »good news«, »very grateful indeed for your willingness«, »kind«, »Thanking you once [again]« und »understanding and cooperative attitude«.⁸⁸ Schnitzler bestätigt am 12. Januar 1947 den Eingang des gewünschten »first microfilm«⁸⁹ und fügt eine zweite, deutlich längere Liste bei. Am 3. Februar 1947 schickt er noch eine Kopie von Arthur Schnitzlers Testament nach Cambridge und weist darauf hin, dass sich seine Eltern 1921 geschieden haben und sein Vater in der Folge erkennbar Änderungen im Testament vorgenommen habe mit der Wirkung, dass seine Mutter rechtlich nicht mehr »responsible« für den Nachlass sei – »Consequently, the decisions regarding the literary remains are now entirely in my hands.«⁹⁰ Scholfield wendet sich angesichts der zunehmenden Aktivierung des Nachlasses durch Schnitzler mit Schreiben vom 11. Februar 1947 an Eric Blackall und bittet ihn um Hilfe: »Could you tell me what the nature of your work upon the papers was? My impression is that they were in disorder, and that you reduced chaos to cosmos«.⁹¹ Ausführlich antwortet ihm Blackall in einem für die Geschichte des Bestandes aufschlussreichen Briefdokument vom 13. Februar 1947: It is so long since I tried to arrange the Schnitzler papers that I can only speak in general terms of what I then did. […] There certainly was an original rough list of the contents of the various packages, and I put each package in some sort of folder and indicated the contents on the outside. I do not think that I altered the original numbering. […] Unfortunately I was unable to finish the work and have not had time since. But I did arrange all the more important items, and there is no doubt very little arranging left to be done. I certainly looked over all the manuscripts and letters, denoting in each case
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CUL/Schnitzler: Secretary of the Library an H. B. Garland, 11. 10. 1946. CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 20. 10. 1946. CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 12. 1. 1947. CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 3. 2. 1947. CUL/Schnitzler: A. F. Scholfield an E. A. Blackall, 11. 2. 1947.
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the contents of the packet on the outside folder. Sometimes it was necessary to provide a new folder, and I have the impression that, in some cases, we used large files to hold several packets, the contents and numbers being indicated on the outside of the files. […] It seems clear to me that, in view of Mr. Schnitzler’s constant requests of one kind and another (I also have frequent letters!), the work of arranging and finishing off the numeration should be done immediately, and a final list drawn up in duplicate. If you would like me to do this for you, I should be glad to do so.⁹² Innerhalb weniger Wochen verfertigt Blackall nun eine sorgfältig revidierte Liste, die 1999 im Rahmen eines gemeinsamen Projekts des Deutschen Literaturarchivs Marbach und der Cambridge University Library in ein Findbuch überführt wird.⁹³ Noch einmal, am 11. August 1949, fordert Heinrich Schnitzler Mikrofilme an, diesmal gleich des gesamten restlichen Bestandes der in Cambridge verbliebenen Materialien: In view of several research projects which are going on right now, it is becoming increasingly important to have the entire material here at our disposal so that it can be used not only by myself but by various scholars in this country. I should like, therefore, to continue the microfilming of the papers so that the entire material may be assembled eventually here at this university, for purposes of study and research.⁹⁴ Die Antwort erfolgt am 20. August 1949 durch den Secretary of the Library: In reply to your letter of August 11 requesting microfilm of the whole of the collection of papers of the late Arthur Schnitzler, I find on examining the records relating to this collection that no conclusion appears to have been reached in the discussions going on between the Librarian and a firm of solicitors (presumably representing the Schnitzler Executors) in 1939. The purpose of these discussions was to define the conditions on which these papers should be accessible, and until a conclusion has been reached, I am sure it would be useless for me to put your request before the Library Syndi-
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CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an A. F. Scholfield, 13. 2. 1947. Mit Blick auf langfristig laufende Editionsprojekte bleibt es ein dringendes Desiderat, die verschiedenen Listen zu kollationieren, die später in Antiquariatskatalogen auftauchenden Stücke aus dem Nachlass zu erfassen und eine genauere Feinordnung und Katalogisierung der Materialien vorzunehmen. CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an A. F. Scholfield, 11. 8. 1947.
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cate. I shall not be able to consult the Library Syndicate about this collection and your request until October 19 and it would be useful if, in the meantime, the matter of conditions could be taken up where it was broken off in 1939.⁹⁵ Der Brief löst »Erstaunen (und das ist ein ›understatement‹)«⁹⁶ aus, wie zunächst die Mutter erfährt. Sie reagiert zwei Tage später auf Heinrichs Brief vom 17. September 1949 und sucht ihn unter Beifügung eines klärenden Dokuments zu beruhigen: Aber die Geschichte wird sofort in der mildesten, freundlichsten Form, wie es sich gehört, in Ordnung kommen, – denn hier hast Du den von Scholfield bestätigten Rechtsvertrag nach dem Du gewiss das Recht hast, irgendwelche Leute zu Copien zu beauftragen; das Wort abgebrochen ist nicht am Platz – denn ich bin ja nicht eher aus England abgefahren als bis alles endgültig klargestellt war.⁹⁷ Ihr Brief vermag allerdings gewisse Zweifel ihres Sohnes nicht auszuräumen, wie aus dem Antwortschreiben vom 21. September hervorgeht: Das Einzige was mich noch beunruhigt ist die Tatsache dass der Brief den Du mit Recht als ›wichtig‹ bezeichnetest, nur in einem handschriftlichen Entwurf des Mr. Lehman [!] vorliegt. […] Dass die Verhandlungen ›abgebrochen‹ wurden, ist nicht ganz so unrichtig. Denn es wurde ja niemals eine formelle Abmachung unterzeichnet […] Und eine solche Abmachung hätte ja mit mir getroffen werden müssen, da ich (nach dem Kodizill zu Vaters Testament, vom 2. Oktober 1929) zum alleinigen Verfügungsberechtigten über den gesamten Nachlass bestimmt worden war […] Das Wichtigste ist, dass man die Mikrofilm-Kopieen [!] herstellen lassen kann.⁹⁸ In einem wohlerwogenen ausführlichen Brief vom 7. Oktober 1949 an die University Library rekurriert Heinrich Schnitzler, inzwischen zum Assistant Professor of Theater Arts an der University of California Los Angeles befördert, zunächst auf die Kooperationsbereitschaft bei bisherigen Mikroverfilmungen und argumentiert:
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CUL/Schnitzler: Secretary of the Library an H. Schnitzler, 20. 8. 1947. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/6/21. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/6/22. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/6/23.
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At no time was there expressed any doubt concerning my right to have access to my father’s posthumous papers, or to have copies of them made. On the contrary, you proved most helpful and understanding, while I, on the other hand, had repeated occasion to convey to you my sincere gratitude for your splendid cooperation. […] The negotiations were interrupted by the outbreak of the War. […] Although no formal agreement was reached in 1939, the letters exchanged at that time between my mother and the University Library were to form the basis for such an agreement. Nachdem Schnitzler mit Nachdruck seine Bitte um einen Kostenvoranschlag bezüglich aller restlichen Mikrofilme wiederholt hat, kommt er auf die von der Cambridge University Library aufgeworfene Notwendigkeit eines agreements zu sprechen: In your recent letter, the view was expressed that no conclusion has been reached as to the conditions on which the papers should be accessible. It is perfectly clear, however, that this particular point was, ten years ago, discussed with great care and that a conclusion was indeed reached which the Librarian himself termed ›acceptable‹. […] In conclusion, I should like to state that I do welcome your suggestion that a formal agreement concerning the posthumous papers of Arthur Schnitzler be drawn up to the satisfaction of all concerned. I shall be very happy indeed to receive from you a draft of such an agreement. Any such document will, I trust, be based upon the conditions as outlined, and agreed upon by you, in the letters written in 1939.⁹⁹ Auch seiner Mutter lässt Schnitzler mit Schreiben vom 8. Oktober 1949 den Brief zukommen. Er erläutert: Hier ist der Brief der heute an die University Library in Cambridge abgeht. Es war eine schwere Geburt – und als Geburtshelfer funktionierten nicht nur die Herren von der Bibliothek hier, sondern auch ein Professor unserer Law School, […] Wie es schon in ›Carmen‹ so weise heisst: ›Ein falscher Tritt zum Abgrund führt‹ – und dieser Abgrund würde in diesem Falle nichts weniger bedeuten als dass wir den Zugang zum Nachlass auf immer verlieren.¹⁰⁰ Olga Schnitzler reagiert am 10. Oktober 1949 mit Zustimmung und Zuversicht:
99 CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an H. R. Creswick, 7. 10. 1949. 100 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/6/27.
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ich bin sehr einverstanden mit dem Brief an den Cambridge Librarian. Sachlich und im Ton ist er so, dass da gar kein Widerstand mehr erwachsen könnte, – […] Mr. Lehmann, der Anwalt, war ganz ausgezeichnet – klug und taktvoll – und wie Du siehst, sind Deine Rechte mit peinlicher Genauigkeit gewahrt worden.¹⁰¹ In einem ausführlichen und bemerkenswerten Brief vom 20. November 1949 – sechs Wochen nach Schnitzlers Schreiben an die Bibliothek – nimmt Eric Blackall, von Harry Richard Creswick, der Scholfield als University Librarian abgelöst hat, darum gebeten, detailliert Stellung: I have discussed the question of the Schnitzler papers with E. K. Bennett, as you requested. We both feel that the present situation regarding access to and quotation from these papers is most unfortunate. […] By the conditions of his father’s will, Mr Schnitzler is bound to see that certain copyright restrictions are preserved, and it is indeed difficult both for him and for us that he should be in America and the papers here. […] When the papers were offered to the Library by the writer’s widow Frau Olga Schnitzler in 1938, Mr Heinrich (now Henry) Schnitzler was absent from Vienna. Frau Schnitzler had to act promptly, as there was considerable danger of the whole collection being destroyed by the Nazis. The conditions of the author’s will, which seem to include various statements concerning the future of his posthumous papers, were not known to me at that time, and to my knowledge were never mentioned. I do not know whether Frau Olga Schnitzler discussed these testamentary conditions with Mr Scholfield when she was in Cambridge during the summer of 1938. It is possible that she may not have been aware of all these conditions. Tatsächlich aber hatte Blackall am 21. Mai 1938 der Library die »testamentary instructions« zumindest in Aussicht gestellt. Bei Blackall heißt es weiter: I should like to stress the fact that these papers were a cherished family possession and that their present excellent arrangement is entirely due to the immense amount of work which Mr Henry Schnitzler has bestowed on them. I do not blame Frau Schnitzler, his mother, for acting as she did. Noone [!] who was not in Vienna in those months can possibly appreciate the difficulties under which these people were living. But it seems to me now unfortu-
101 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/6/28/1.
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nate, in view of what has come to light since about the author’s will, that the gift did not come to us direct from Henry Schnitzler. Der Brief Blackalls endet mit einer deutlich vorgetragenen Empfehlung: There is also a great deal of work still to be done at the papers, and Mr Schnitzler would, of course, be the best person to do this work. We wonder therefore whether this collection of papers would not be of more use to students of the subject if they were near Mr Schnitzler himself. We would therefore suggest that the Syndics might consider whether the Schnitzler papers should not, in view of all these circumstances – none of which could be foreseen when the papers were accepted in 1938 –, be offered as a gift to the library of the University where Mr Henry Schnitzler is Professor of Dramatic Art.¹⁰² Creswick reagiert darauf am 28. November 1949 mit Hinweis auf die (oben bereits vollständig wiedergegebene) kurze protokollarische Notiz des Library Syndicate vom 25. Mai 1938: I am glad to say that I have found a reference to the Collection in the Syndicate Minutes for May, 1938: The Syndicate agreed to accept the literary remains, manuscript and printed, of the Austrian writer Arthur Schnitzler ….. I had feared that the abortive negotiations were a sign that no one had ever dealt with the matter officially. Notwithstanding the Syndicate’s Minute I am inclined to think that some such action as you suggest should now be considered.¹⁰³ Am 23. Dezember 1949 fragt Schnitzler nach, ob sein detailliertes Schreiben vom 7. Oktober den Librarian erreicht habe.¹⁰⁴ Creswicks Antwort vom 30. Dezember 1949 liefert eine Begründung für die Vorbehalte gegenüber einer Verfilmung des Gesamtbestandes; der Besitzanspruch der Library wird dabei implizit noch einmal festgeschrieben: In reply to your letter of December 23rd I must apologise for the delay in replying to your earlier letter of October 7th. The fact is that your letter of October 7th does not help me with the particular problem which has arisen in connection with the Schnitzler Papers. The conditions on which the papers are 102 CUL/Schnitzler: E. A. Blackall an H. R. Creswick, 20. 11. 1949. 103 CUL/Schnitzler: H. R. Creswick an E. A. Blackall, 28. 11. 1949. 104 Vgl. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 9/41/2.
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to be made accessible to the public were never defined for submission to the Library Syndicate which has the last word in any matters relating to the property of the Library. If a microfilm copy of the whole collection is now made and sent abroad neither the Librarian nor the Library Syndicate could be held responsible for any use or misuse of any material in the collection, though attempts might be made to fix such responsibility upon them. In these circumstances the conditions under which the papers should be accessible in this Library must be agreed upon.¹⁰⁵ Wieder ist Schnitzlers Empörung groß. Der Mutter schreibt er am 25. Januar 1950: Heute erhielt ich endlich eine Antwort aus Cambridge, die aber, wie Dir die beiliegende Kopie beweisen wird, keine Antwort sondern eine Ungeheuerlichkeit ist. Die Herrschaften wollen einfach nicht wahr haben was bereits vor mehr als 10 Jahren mit Dir fest ausgemacht war. Und das »Syndicate« hat natuerlich nicht zu bestimmen, wer zu den Nachlasspapieren zugelassen werden soll, denn das steht ausfuehrlichst in Vaters Testament.¹⁰⁶ Und noch einmal legt Creswick mit Schreiben vom 4. Februar 1950 die Bedingung für seine Kopiererlaubnis präzise dar: Referring to my letter of December 30th 1949 […] As I pointed out to you, I am unable to do anything which might subsequently prejudice the University. You yourself first raised the question of restricting access to, and use of, the papers. Therefore this question must be settled before I do anything which may still further diminish the control which the Librarian of this Library has over the papers. It could be settled if you would write a letter to me, saying that in return for permission to have a copy on microfilm roll of the Schnitzler papers you think it unnecessary to propose any restrictions on access to, or use of, the Schnitzler papers in the Library.¹⁰⁷ Creswick fügt hinzu, dass die Urheberrechte durch diese Regelung unberührt bleiben. »Morgen grosse Unterredung mit den hiesigen Bibliotheksleuten, die vollkommen ausser sich ueber den Brief aus Cambridge sind und die das gesamte
105 CUL/Schnitzler: H. R. Creswick an H. Schnitzler, 30. 12. 1949. 106 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/6. 107 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/10/2.
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Verhalten jener ›gentlemen‹ ueberhaupt nicht fassen koennen«,¹⁰⁸ berichtet Schnitzler am 6. Februar 1950 seiner Mutter, die nun ebenfalls ungehalten über das Gebaren der Library ist, wie aus ihrem Brief vom 15. Februar 1950 hervorgeht: »Jedenfalls wäre ich dafür, dass dem dortigen librarian die gesetzlich-rechtlichen Dinge ganz sachlich vorgesetzt werden, – nebst der Erwähnung, dass ja die ganze Schenkung im höchsten Grad ein ›case of emergency‹ gewesen ist.«¹⁰⁹ Ein letztes Mal versucht Heinrich Schnitzler, seine Ansprüche mit Schreiben vom 3. März 1950 geltend zu machen: Thank you for your letter of February 4th, 1950, and for having given such careful consideration to the problems connected with the microfilming of my father’s, Arthur Schnitzler’s, posthumous papers. I am very happy to know that you have found a way out of the difficulties which appeared to exist and I fully agree with your suggestion as to determining the conditions under which the papers might be accessible at your Library. May I point out, in this respect, that some of these conditions are amply covered by the stipulations contained in my father’s Last Will, a copy of which is in your hands.¹¹⁰ Zwei weitere Punkte sind Schnitzler unabdingbar wichtig: With respect however, to the original material which will remain on file with the Library, I should of course desire your assurance that no unauthorized use would be made; particularly with respect to publication of all or any part without my express consent, or the consent of the authors of the letters written to my father. I am sure we are in accord upon the proposition that the University Library will at all times place such restrictions upon access and use of the material in the Library that suitable recourse may be had if unauthorized publication should be attempted. In einer konzisen Antwort vom 15. März 1950 lehnt Creswick diese für Heinrich Schnitzler wesentlichen Bedingungen Punkt für Punkt ab und schließt mit einem Ultimatum: I have numbered the paragraphs of your letter of March 3 […] With reference to paragraph 3 I am afraid we cannot make arrangements for the consulta108 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/8. 109 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/11. 110 CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an H. R. Creswick, 3. 3. 1950.
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tion of your father’s Will whenever anyone asks for any part of the Schnitzler material. This is impracticable on administrative and staff grounds. The Will was not mentioned when the Syndics of this Library were asked to accept, without reserves or stipulations of any kind, the Schnitzler papers. It was then understood that if the papers had not become the absolute property of the University of Cambridge, and certifiable as such by the diplomatic authorities, they would have been seized and probably burned. With reference to your paragraph 5 it is impossible for me to give anybody any assurances about the nature of the use that may be made of Library property. The only persons able to do that are the users themselves. With reference to your paragraph 6 the University Library will place no restrictions upon any persons who are entitled to use the Library. It is not in the power of the Library authorities to do this. I must refer you again to my letter of February 4. I stated therein as clearly as I could the conditions upon which I should be able to accede to your request for microfilms. If you are unable to give me a plain acceptance in those terms, I can do no more.¹¹¹ Der Brief vom 5. April 1950 an Olga Schnitzler ist bestimmt von äußerster Empörung und Verbitterung – das zu dieser Zeit noch bedeutungsschwerere Wort von «bedingungsloser Kapitulation« fällt: Hier ist die letzte Leistung der grossartigen ›gentlemen‹ in Cambridge und man fragt sich nur wie weit deren Verlogenheit und Ordinaerheit noch gehen wird […] Erstens widerspricht sich der Kerl selber, denn er war es ja, der von ›conditions‹ sprach und der diese ›conditions‹ geregelt sehen wollte. Und nun gibt es auf einmal ueberhaupt keine ›conditions‹ sondern einfach ›unconditional surrender‹. Zweitens ist es wohl einzigartig dass eine Universitaetsbibliothek sich einfach weigert die Testamentsbestimmungen eines Autors, dessen Papiere sie beherbergt, zu beachten. Das ist wohl die Hoehe! Drittens schaemt sich dieses Subjekt nicht, jetzt, nach 12 Jahren, Nutzen aus der seinerzeit von den Nazis geschaffenen Situation ziehen zu wollen. Nun muss ich das Ganze wieder mit dem Anwalt besprechen.¹¹² Und die Reaktion Olga Schnitzlers am 6. April 1950 fällt nicht minder scharf aus:
111 CUL/Schnitzler: H. R. Creswick an H. Schnitzler, 15. 3. 1950. 112 ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/33.
»… so grundfalsch war alles weitere«
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Dass aber der Mensch dort nicht begreift dass er einen Akt »contra bonos mores« zu versuchen im Begriff ist, – denn Vaters Wille wurde als selbstverständliche Basis immer wieder in Betracht gezogen, – ist verblüffend genug. Er vollendet, was die Nazis (vielleicht) getan hätten, – nämlich uns enteignen. Das darf man aus Princip nicht durchgehen lassen.¹¹³ Die besondere Tragik in der nun folgenden letzten Phase liegt darin, dass sich die Schnitzlers zu dieser Zeit keinen Anwalt leisten können, wie der weitere Briefwechsel zwischen Mutter und Sohn bezeugt – ganz zu schweigen von den Kosten eines international zu führenden Prozesses. Dementsprechend gering scheint auch das Interesse des eingeschalteten Anwalts zu sein, wie Schnitzler der Mutter gegenüber am 15. April 1950 beklagt: »Der Anwalt, dem ich einen Durchschlag des Briefes aus Cambridge schickte, antwortet ueberhaupt nicht. Und ich habe leider gar keine Zeit mich der Sache zu widmen und eventuell einen andern Anwalt zu finden. Ueberdies koennen wir uns auch Anwaltskosten nicht leisten.«¹¹⁴ Einen Monat später, am 19. Mai 1950 heißt es ähnlich: […] augenblicklich ist meine Robot-Existenz, mit etwa 15 taeglichen (und naechtlichen) Arbeits-Stunden, derart, dass ich dazu keine freie Minute finden koennte. Der Anwalt, dem ich den letzten Brief aus Cambridge sandte (und zwar vor etwa 6 Wochen!!) hat meinen damaligen Brief und einen weiteren Brief und einen Telephonanruf einfach ignoriert. Und so werde ich wohl klein beigeben muessen, denn auch hier kann ich mir keine Anwaltskosten leisten.¹¹⁵ Der letzte Hoffnungsschimmer erlischt wenig später, am 30. Mai 1950 ergeht die Mitteilung an die Mutter: Der Anwalt hat endlich reagiert und er raet mir, die Bedingungen von Cambridge einfach anzunehmen, da die Leute sonst am Ende die Mikrofilme nicht herstellen lassen werden. Er gibt zu, dass die Haltung der ›gentlemen‹ durchaus inkorrekt ist, und dass sie ihre eigenen Zusagen, die Dir seinerzeit gemacht worden waren, jetzt verleugnen – aber man koenne gar nichts machen, da die Herren drueben aber in einer Lage seien wo sie uns diktieren koennen.¹¹⁶
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ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/34. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/38. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/44. ÖTM, NL H. Schnitzler, Schn 50/7/47.
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So schreibt Heinrich Schnitzler am 5. Juni 1950 an Creswick: In reply to your letter of March 15th, 1950, I should like to state that I have no objections to the conditions contained in your letter of February 4th, 1950. I do hope that this statement will be sufficient to you as an indication of my plain acceptance of your terms in accordance with the last paragraph of your letter of March 15th, 1950. May I ask you once again to be so kind as to let me know the approximate cost of the microfilm rolls that would reproduce the entire Schnitzler material not reproduced before. Lists of the portions which have been microfilmed are in your possession.¹¹⁷ Creswick antwortet am 19. Juni 1950: »Thank you for your letter of 5 June stating that you agree to the conditions mentioned in my letter of 4 February with regard to the microfilming of the whole of the Schnitzler papers.«¹¹⁸ Es folgt ein detaillierter Kostenvoranschlag, der Gesamtbetrag wird auf 400,– Pfund beziffert. Am 20. Dezember 1950 bestätigt Heinrich Schnitzler den Eingang der 35 Filmrollen – sie enthalten 37685 »frames« – und bedankt sich bei Creswick: This is to notify you that the 35 reels of microfilm containing the Arthur Schnitzler papers have safely arrived here. I have checked them and found everything in good order. The bill is being paid to you through the University of California and I think that the amount should be in your hand within the next weeks. May I take this opportunity above all to thank you once again for your assistance in this matter and, moreover, to express my sincere appreciation to the members of your staff who did such an excellent job when they microfilmed this voluminous material.¹¹⁹
117 CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an H. R. Creswick, 5. 6. 1950. 118 CUL/Schnitzler: H. R. Creswick an H. Schnitzler, 19. 6. 1950. 119 CUL/Schnitzler: H. Schnitzler an H. R. Creswick, 20. 12. 1950. Auf Basis der Mikrofilme wurde ein Gesamtverzeichnis erarbeitet und publiziert, ergänzt um die seinerzeit bei Heinrich Schnitzler befindlichen Materialien, die sich seit 1984 als Teilnachlass Arthur Schnitzler im DLA befinden: Gerhard Neumann und Jutta Müller: Der Nachlass Arthur Schnitzlers, l.c.
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»paraguay und schleswig« Der Briefwechsel zwischen Walter Braun und Wilhelm Lehmann in den Jahren 1953 bis 1956
Vorbemerkungen Wilhelm [Heinrich] Lehmann, geboren am 4. Mai 1882 in Puerto Cabello (Venezuela), gestorben am 17. November 1968 in Eckernförde (Schleswig-Holstein), ist uns heute vor allem als Lyriker in Erinnerung, obwohl er auch zahlreiche Romane, Erzählungen und Essays geschrieben hat.¹ Über sein Leben als Schriftsteller und Lehrer und über sein umfangreiches Werk sind wir hinreichend informiert.² Walter [Otto Max] Braun, geboren am 1. März 1906 in Stolp (Hinterpommern), gestorben am 1. April 1980 in Asunción (Paraguay), ist dagegen den wenigsten bekannt. Über den unfreiwillig nach Paraguay ausgewanderten Hutterischen Bruder Braun und seine Lebensumstände wissen wir nur das, was er in seinen Briefen an Lehmann mitgeteilt hat und Lückenhaftes, woran sich seine Freunde und Verwandten noch erinnern.³ 1
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In Einzelausgaben, Sammelwerken und Zeitschriften erschienen ab 1917, gesammelt u. a. in: Wilhelm Lehmann, Sämtliche Werke, 3 Bände, Gütersloh 1962 (im Folgenden zitiert: Lehmann, SW), und jetzt in: Wilhelm Lehmann, Gesammelte Werke in 8 Bänden, hg. in Verbindung mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar von Agathe Weigel-Lehmann, Hans Dieter Schäfer, Reinhard Tgahrt u. Bernhard Zeller [u. a.], Stuttgart 1982–2009 (im Folgenden zitiert: Lehmann, GW). Kurzgefasst in: Lehmann, GW 1 (»Zeittafel«), S. 516–526; außerdem in: Wilhelm Lehmann, bearb. v. Ute Doster in Verbindung mit Jochen Meyer (= Marbacher Magazin 22/1982 für die Ausstellung von April bis Oktober 1982 im Schiller-Nationalmuseum Marbach), Marbach am Neckar 1982 (im Folgenden zitiert: Doster, Lehmann); am ausführlichsten jetzt in: David Scrase, Wilhelm Lehmann. Biographie, übertr. a. d. Engl. v. Michael Lehmann, Göttingen 2011 (= Mainzer Reihe, Neue Folge, Bd. 10), (im Folgenden zitiert: Scrase, Lehmann). In den Fußnoten zu Brauns Briefen versuchen wir zumindest einige Lücken zu schließen. Wir stützen uns dabei u. a. auf Aufzeichnungen von Walter und Annemarie Braun, mit denen Hans R. Bambey in Paraguay befreundet war, und auf Mitteilungen von Brauns Sohn Hilarion Braun und seiner Frau Susanne, mit denen Peter Horwath in den USA befreundet war.
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In Wilhelm Lehmanns Korrespondenz nehmen die Briefe von und an Walter Braun nur einen geringen Raum ein. Der Briefwechsel wurde zwar veröffentlicht, blieb aber weithin unbeachtet.⁴ Ein Grund dafür mag sein, dass der Zeitraum, den der Briefwechsel umfasst, in dem 2008 erschienenen Briefwechsel zwischen Werner Kraft und Wilhelm Lehmann sehr viel ausführlicher dokumentiert wird.⁵ Wir sind aber sicher, dass ein Blick auch in den von uns vorgestellten Briefwechsel lohnt. Lehmanns Hinweise auf seine eigenen Werke, sein Leben als damals bereits über siebzigjähriger Pensionär, seine kritischen und oft auch bissigen Kommentare zur Literatur und zum Literaturbetrieb der 1950er Jahre sowie die ebenso kritischen, meist aber doch bewundernden und zustimmenden Reaktionen des damals knapp fünfzig Jahre alten Braun darauf, sind anregende Lektüre, können aber auch als aufschlussreiche Ergänzung zum Kraft-Lehmann-Briefwechsel gelesen werden. Braun löste den Briefwechsel mit einem an Lehmann gerichteten Brief vom 16. März 1953 aus. Innerhalb der folgenden fünf Jahre richtete Braun 22 Schreiben an Lehmann; Lehmann bestritt die Korrespondenz mit sieben Briefen, von denen allerdings nur sechs erhalten sind.⁶ 4
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Er erschien zuerst vollständig – in einer sehr geringen Auflage – unter dem Titel »Herzlichst über die Weite«. Der Briefwechsel zwischen Walter O. M. Braun und Wilhelm Lehmann (März 1953–Januar 1958), hg. mit einer Einleitung von Peter Horwath, München 2005 (= Donauschwäbisches Archiv, Reihe II, Beiträge donauschwäbischer Lehrer, Bd. 12) und unter diesem Titel und in dieser Reihe in 2., verb. Aufl., hg. v. Peter Horwath unter Mitarb. v. Hans R. Bambey, Sersheim 2012 (im Folgenden zitiert: »Herzlichst …« [mit Briefnummer]). – Wir sind den Herausgebern des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft und dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach, wo die Briefe aufbewahrt sind, dankbar dafür, dass wir den Briefwechsel jetzt – wenn auch behutsam gekürzt, aber mit bisher unveröffentlichten Erläuterungen – einem breiteren und hoffentlich interessierten Leserkreis zugänglich machen können. Werner Kraft und Wilhelm Lehmann: Briefwechsel 1931–1968, hg. v. Ricarda Dick, 2 Bände, Göttingen 2008 (im Folgenden zitiert: Kraft-Lehmann, Briefwechsel). – Von Wilhelm Lehmanns umfangreichem Briefwechsel wurden (außer dem Kraft-Lehmann-Briefwechsel und dem Braun-Lehmann-Briefwechsel) – laut Angaben auf der Homepage der Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft in Eckernförde [http://wilhelm-lehmann-gesellschaft.de/briefwechsel. htm] – noch folgende veröffentlicht: Karl Schwedhelm, Gesammelte Werke, Bd. 8: Karl Schwedhelm und Wilhelm Lehmann. Briefwechsel und Dokumente 1948–1967, hg. u. mit einem Nachw. v. Klaus Johann u. einem Lebenslauf Karl Schwedhelms v. Sabine Schwedhelm, Aachen 2007; Wilfried Brennecke, Ein später Briefwechsel. Wilhelm Lehmann und Wilfried Brennecke, Leipzig 2010. – Erschienen war zuvor auch ein Beitrag von Ewout van der Knaap unter dem Titel Wilhelm Lehmann und Ernst Meister. Korrespondenz und Lektüre [1960–1968], in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, Jg. 51, Göttingen 2007, S. 70–97. Die Korrespondenz zwischen Braun und Lehmann umfasst insgesamt 28 (handschriftliche) Briefe und befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA). Unter der Zugangs-
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Wir geben – mit Rücksicht auf die Vorgaben der Redaktion des Schillerjahrbuchs – den Briefwechsel in einer Auswahl wieder: Lehmanns sechs erhaltene Briefe ungekürzt, Brauns Briefe – mit Ausnahme seines ersten Briefes – zum Teil stark gekürzt, zum Teil nicht. Beibehalten haben wir dabei hoffentlich die Lebendigkeit und Vielfalt des intensiven Gedankenaustauschs. Da Lehmann nach seinem letzten Brief an Braun (vom 10. Juni 1956) keinen der noch folgenden sieben Briefe und Kartengrüße Brauns mehr beantwortet hat, schließen wir unsere Auswahl mit diesem Brief ab.⁷ In den Fußnoten haben wir auf Hinweise auf weithin bekannte Namen größtenteils verzichtet, fremdsprachliche Zitate bis auf wenige Ausnahmen unübersetzt gelassen, nur dort Erläuterungen eingefügt, wo sie uns für das Verständnis der Zusammenhänge angebracht erschienen, die vielen erwähnten Bücher, Gedichte, Zeitschriftenartikel und andere Publikationen – soweit ermittelbar – bibliografisch nachgewiesen. Hin und wieder haben wir einen Blick in den KraftLehmann-Briefwechsel geworfen und auf Stellen verwiesen, in denen auch von Walter Braun die Rede ist. Orthografie und Zeichensetzung haben wir so belassen, wie sie in den Briefen verwendet wurden, auch Brauns und Lehmanns gelegentliche Kürzel; sonstige Abkürzungen haben wir – insbesondere bei den vielen genannten Namen – in der Regel ergänzt, offensichtliche Verschreibungen verbessert. * »Es ist doch ein weiter Weg von einem kleinen Schleswigschen Dorf bis nach Paraguay«, schreibt Lehmann in seinem ersten Antwortbrief (vom 16. Juli 1953) an Braun und fragt ihn später, in seinem zweiten Brief (vom 18. Januar 1954) noch einmal: »Paraguay und Schleswig: kommt das im gleichen Dictionnaire vor?«
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nummer 68.3094/1–22 liegen hier die 22 Originalbriefe Brauns an Lehmann aus den Jahren 1953 bis 1958; sie kamen 1968 als Teil des Lehmann-Nachlasses ins DLA. Unter der Zugangsnummer x83.17/1–6 liegen hier auch die Kopien und Abschriften der Briefe von Lehmann an Braun. (Lehmanns Brief vom 30. September 1953 ist leider verloren gegangen.) Aus beiden Konvoluten hatte Hans R. Bambey 1983/1984 ein Typoskript erstellt, das Peter Horwath dem von ihm zuerst 2005 herausgegebenen Braun-Lehmann-Briefwechsel (»Herzlichst über die Weite«) zugrunde gelegt hat (vgl. Fußnote 4). Auf Kürzungen und Auslassungen weisen wir in den Fußnoten hin. Bei den von Lehmann nicht mehr beantworteten Schreiben, die am Ende unserer Auswahl fehlen, handelt es sich um zwei längere Briefe Brauns vom 9. Juli 1956, zwei kürzere Briefe vom 14. Oktober 1956 und 15. April 1957 sowie um drei Kartengrüße vom 26. Oktober 1957, 25. November 1957 und 31. Januar 1958. (Vollständig in: »Herzlichst …«, [22], S. 41–42; [23], S. 42–44; [24], S. 45; [25], S. 46; [26], S. 46; [27], S. 47; [28], S. 47.)
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Diese Frage haben wir im Titel für unseren Beitrag aufgegriffen und lassen nun Lehmann und Braun in ihren Briefen vor allem selbst zu Wort kommen.
Die Briefe in Auswahl [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 16. März 1953:] Sehr verehrter, lieber Herr Lehmann, Sie werden sich mit gutem Grunde über diesen Brief eines Lesers wundern, der aus diesem Urwaldwinkel den Weg zu Ihnen sucht.⁸ In der ersten Etappe unserer Auswanderung waren wir 1934 auf Kreta.⁹ Dorthin hatte mich ein kleines Bändchen Ihrer Werke begleitet. (Leider weiß ich weder den Titel noch den Verlag mehr.)¹⁰ Es enthielt eine Novelle, die mich von der Beschreibung und Erfüllung des Landschaftlichen her gleich in einen besonderen Bann zog und mich durch die besondere Hinneigung in der Erklärung des botanischen Bestandes, des liebevollsten Eingehens auf Blätter, Blüten, Bäume mit jenem warmen Gefühl umgab, das nur selten den Leser beglückt, vielleicht nur dann, wenn er, o abgegriffenes Wort, es erlebt, daß hier sua res agitur, daß auch er so, vermittels jener Worte, so denken darf, daß sein Erleben, durch die Worte des Dichters, potenziert wird. Es war in jenen Tagen des Unglücks für unsere Sprache ein Trost zu wissen, daß, was einmal durch Stifter und Hölderlin in der Zuneigung zu dem Kreatürlichen der Pflanzen in unserer Sprache gesagt worden war, fortgeführt wurde, von Ihnen, in einer Weise, die mich recht beglückte.
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Brauns erster Brief an Lehmann war adressiert an »Herrn Schriftsteller Wilhelm Lehmann, Klein Wittensee über (bei) Eckernförde / Deutschland«; der Absender lautete »Walter Braun, Sociedad Fraternal Hutteriana, Primavera, Alto Paraguay / America del Sur«. Braun und seine Verlobte (und spätere Frau Annemarie, geborene Magdeburg, geb. am 24. Dezember 1908 in Stettin, gest. am 5. September 1987 auf dem Darvell Bruderhof in England) verließen Deutschland kurz nach Hitlers Machtergreifung zusammen mit Gleichgesinnten. Beide hatten sich während Brauns letztem Studienjahr 1928 in Greifswald kennen gelernt, wo er seine theologischen Examen ablegte; beide gehörten dem Republikanischen Studentenbund an und waren Pazifisten. Braun hatte dann Schwierigkeiten mit den kirchlichen Behörden, hatte auch den Treueeid auf Hitler verweigert, weshalb ihm der Erwerb des Doktortitels an der Berliner Humboldt-Universität verwehrt worden war. Vor seiner Auswanderung nach Kreta war Braun vorübergehend als Privatlehrer in dem Ostseebad Ahrenshoop tätig, wo er sich mit seiner Verlobten einer Künstlerkolonie angeschlossen hatte. Bei dem Bändchen handelte es sich möglicherweise um Lehmanns Die Hochzeit der Aufrührer, zuerst im Dezember 1933 in der Vossischen Zeitung, 1934 als Buch im S. Fischer Verlag Berlin erschienen. Das von Braun erwähnte Gedicht Oberon – in: Lehmann, GW 1, S. 408 datiert auf den 28. 7. 1934 – war u. a. erschienen in dem von Ernst Niekisch veröffentlichten Gedichtband: Wilhelm Lehmann, Antwort des Schweigens, Berlin 1934.
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Das Bändchen enthielt auch Gedichte. Eins dieser Gedichte, es war nur kurz, suche ich nun seit zwanzig Jahren. Immer – wie oft habe ich es inzwischen erlebt – wenn ich die Verse und Bruchstücke, ungefähren Fragmente mir laut hersage, reite oder gehe ich die einmal damals begangenen Wege wieder. Einmal, und dann öfter, sagte ich die Verse meinen Kindern auf, und, als ich stocken mußte, bettelten sie: Weiter, Vater, weiter, weiter es ist doch so schön! Aber ich mußte bekennen, daß ich dies schöne Gedicht nicht »weiter« und nicht »zu Ende« konnte. Was ich noch davon weiß, will ich hersetzen: »In den roten Lehm geschnitten liegt der Weg. Inmitten wachsen Lolch und Bibernell. Oberon ist ihn geritten heuschreckschnell. Oberon ist längst ins Reich des Traums hinabgeglitten …« Da steht es. Ich weiß auch nicht, ob es heißen muß »heuschreckschnell« oder »pfeilschreckschnell«.¹¹ Aber nun stellen Sie sich vor, ich hatte Ihr Büchlein nicht mit, ich kletterte auf den Wegen um die minoische Burg Knossos herum. Und da, am westlichen Hang, dem alten Totengarten von Knossos, da lag der rote Weg. Ihre Verse drängten sich auf die Lippen. Das ist Verzauberung durch die Schönheit des Wortes. Es gibt viele solcher roten Wege auf Kreta, in den Bergen oder am Strande, zur Küste zu. Es gab viele solcher Wege in Holland, in England und hier in Paraguay. Habent sua fata libelli – viel wurde über den Verbleib von Büchern in dem Wirrwarr der letzten beiden Dezennien gesagt. Das Büchlein blieb in Kreta; wer weiß, wo es jetzt ist. Ich wurde – ausgewiesen und traf meine Frau in Deutschland auf dem Bruderhof (Rhönbruderhof Neuhof bei Fulda)¹² wieder, meine Frau und meinen Sohn Laurenz, der in Athen geboren wurde. (Zu ihm sagte ich
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Braun erinnert sich ziemlich genau an den Wortlaut des Gedichts, das Lehmann ihm in seinem ersten Antwortbrief (vom 16. Juli 1953) auf einem Beiblatt noch einmal vollständig abschreibt. Braun musste Kreta verlassen, da seine Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert wurde. Braun kehrte nach Deutschland zurück und arbeitete zunächst in den Bodelschwingh’schen Anstalten in Bethel bei Bielefeld. Annemarie und Walter Braun, die noch auf Kreta geheiratet hatten, gehörten inzwischen der Hutterischen Gemeinschaft an. Auf deren Rhönbruderhof, 1930 gegründet von Eberhard und Emmy Arnold und der von ihnen aus der Jugendbewegung hervorgegangenen Bruderhof-Gemeinschaft, in der Menschen verschiedener Herkunft und Konfession in urchristlicher Weise lebten und arbeiteten, sah Braun seine Frau und seinen Erstgeborenen wieder.
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immer, wenn er als Junge einen Bock hatte: Πολλὰ τὰ δεινά, κοὐδὲν ἀνθρώπου δεινότερον πέλει.)¹³ Die Gestapo nahm 1937 den Hof, Flucht nach Holland, nach England, nach Paraguay 1941 mitten im Kriege.¹⁴ Und damit Sie mehr wissen, mehr von unserm brüderlichen Leben erfahren können, will ich unsern Bruderhof in England bitten, Ihnen die erste Nummer unserer Zeitschrift der ›Pflug‹ zuzuschicken.¹⁵ Nun werden Sie denken: was will der Mensch. Es handelt sich um eine große Bitte: können Sie oder vielleicht Ihre Gattin mir nicht dazu verhelfen, den Text dieses Gedichtes zu geben, zu besitzen? – In den ersten Jahren nach dem Kriege las ich – vermutlich in der ›Auslese‹ wieder ein Gedicht von Ihnen, das mich sehr traf. Dann muß ich in den ›Frankfurter Heften‹ – unsere Freunde schicken uns hin und wieder einige Zeugnisse des Schrifttums in den Urwald – eine Anzeige über die ›Neue Literarische Welt‹ gelesen haben. Jedenfalls schrieb ich an den Montana Verlag. Die Herren dort konnten mir im Hinblick auf die Bruchstücke dieses Gedichtes zwar nicht helfen, verwiesen mich an den Heliopolis Verlag. Dorthin nun schrieb ich nicht. Die Herren von der ›Neuen Literarischen Welt‹ haben sehr geholfen, sie schickten nicht nur eine Nummer mit einer Huldigung für Sie, sondern schicken jetzt die Zeitschrift dankenswerter Weise, weil ich von unserm Kampf hier im Urwald schrieb und ihnen das Herz bewegt wurde. Und nun lag dem Februarheft der ›NLW‹ jener Prospekt der ›Süddeutschen Zeitung‹ bei, über Erich Kubys Reise berichtend, der mir Ihre Adresse in die Hand spielt, so daß ich mich direkt an Sie wenden kann.¹⁶ 13
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»Vielgestaltig ist das Ungeheure, und nichts ist ungeheurer als der Mensch.« Zitat aus der Antigone von Sophokles, Erstes Standlied, Chor, V. 332 f. (Übersetzung von Norbert Zink in: Reclams U. B. 7682, S. 31). Bereits 1933 hatte der erste Druck auf die Hutterer seitens der nationalsozialistischen Machthaber eingesetzt; 1937 wurde der Rhönbruderhof und der gemeinschaftliche Besitz konfisziert, den Brüdern befohlen, innerhalb von 24 Stunden Deutschland zu verlassen. Sie wanderten daraufhin über Holland nach England aus, wo sie zwei Bruderhöfe (Bullstrode und Darvell) gründeten. In England standen die Deutschen nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor der Wahl, entweder interniert zu werden oder auszuwandern. Australien, Neuseeland, Kanada und die USA verweigerten die Aufnahme, nur Paraguay kam dem Gesuch der Hutterischen Brüder nach, wohin viele von ihnen in den Jahren 1940 und 1941 auswanderten. Der Pflug war die deutsche Ausgabe von The Plough, dem Organ der Hutterian Society of Brothers bzw. Hutterian Brethren, das zunächst (ab 1938) von The Plough Publishing House in England, später (bis 2005) in den USA veröffentlicht worden war. Die von Braun erwähnte erste Nummer von Der Pflug war im Frühjahr 1953 erschienen; weitere Hefte wurden von dem 1955 in Bad Brückenau (bei Frankfurt am Main) gegründeten Sinntal Bruderhof veröffentlicht. Erich Kuby, Eine 4000-km-Reise zu deutschen Schriftstellern: Der Dichter Lehmann und die Firma Ceram & Co., in: Süddeutsche Zeitung (Sonderdruck), München, Januar 1953, S. 5–6 (im Folgenden zitiert: Kuby, Lehmann) – (Kubys Artikel über Lehmann vollständig in: »Herzlichst …«, [Anhang], S. 102–103).
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Über unser Leben muß ich Ihnen ganz kurz sagen: wir haben hier drei Bruderhöfe.¹⁷ Wir sind ungefähr 650 Große und Kleine. Wir versuchen in brüderlicher sozialer Gerechtigkeit, freiwilliger Armut, in Liebe so zusammenzuleben wie die ersten Christen. Am besten denken Sie an ein klösterliches Leben von Familien. Unter uns sind Vertreter von sechzehn Nationalitäten. Die Hauptsprachen sind Deutsch und Englisch, wobei zu bemerken ist, daß alle unsere Kinder für ihre Umgangssprache sich des Deutschen bedienen, manchmal zum Kopfzerbrechen für englische oder paraguayische Eltern. Aus diesem Prospekt [der Süddeutschen Zeitung] habe ich viel über Sie erfahren, über Ihre Beziehung zur englischen Dichtung von heute, über die zu [Gottfried] Benn und Elisabeth Langgässer.¹⁸ Noch ein Wort zur Funktion des Gedichtes in unserm Leben hier. Alle unsere gemeinsamen Mahlzeiten mittags und wochentags abends sind so gestaltet wie bei Freizeiten, mit Vorträgen und Lesungen. Wir widmen dem Gedicht viel Zeit, weil es den Pulsschlag der Epoche verrät. Besonders trafen mich Ihre Worte Kuby gegenüber: »Von einem Gedicht gilt aber, daß es desto besser ist, je mehr glückliche Mitarbeit des Lesers es erfordert … das Gedicht hebt sich (aus der Routine) heraus«.¹⁹ Das gab den Anlaß, Ihnen direkt zu schreiben. Zum ersten Mal erfuhr ich in der Haasschen ›Literarischen Welt‹ etwas von Ihnen.²⁰ Haas druckte einige Gedichte von Ihnen, die mir Wesentliches über unsere norddeutsche Landschaft sagten. Auch ich bin Nord17
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In der Nähe der Mennoniten-Kolonie Friesland in Ostparaguay hatten die aus England ausgewiesenen Hutterer die Estancia Primavera gekauft und hier nach und nach drei Brüderhöfe gegründet. Ausführlicher berichtet Braun in seinen Briefen vom 5. und 6. August 1953 darüber. Kuby zitiert in seinem Artikel Lehmann an mehreren Stellen, auf die sich Braun wohl bezieht: »Sie fragen, wie die Welt überhaupt nach Klein-Wittensee kommt? Ursprünglich waren meine Frau und ich tätige Mitarbeiter der Freien Schulen und lebten in einem Freundeskreis, von dem noch einige übrig sind. Später hat das Lehramt viel weggefressen, aber es war die materielle Basis unserer Existenz, nie hätte ich von meinen Gedanken leben können. Meine Beziehung zu Oskar Loerke und was sich daraus ergab, ist ein weiteres Band zur Welt, und dann vor allem meine Hinwendung zu England. Zur heutigen lyrischen Dichtung in England, zu Ezra Pound, Robert Graves, Eliot. In Deutschland? Benn natürlich. Die Melancholie der Welt drückt er aus, aber vielleicht kommt sein Ja-Sagen zur Verzweiflung doch nur einer Augenblicksneigung, letzten Endes also einer politischen Tendenz entgegen. […] Wer hat mir im Gefüge der Dichtung meinen Platz zugewiesen? Ein jüdischer Schriftsteller, Werner Kraft, aus Hannover emigriert, in Palästina lebend! Sein Aufsatz ist in einem Schweizer Monatsheft erschienen. Und die zu früh verstorbene Freundin Elisabeth Langgässer hat sich leidenschaftlich, in jeder Zeit, an jedem Ort eingesetzt, ähnlich in der Schweiz Max Rychner.« (Kuby, Lehmann, S. 5). Kuby, Lehmann, ebenda. Gemeint sind wohl Lehmanns frühe Beiträge (1929 bis 1932) in der von Willy Haas herausgegebenen Literarischen Welt.
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deutscher – aus Hinterpommern.²¹ Damals war ich noch Student, aber als es galt, einige wenige Bücher zwischen der Wäsche der Emigration zu verstecken, war dies jetzt verlorene Bändchen dabei, von dem ich Ihnen eingangs schrieb. Ich bin Imker.²² Als wir hierher kamen, kannte ich außer den auch hier wachsenden mediterranen Pflanzen nichts. Es war eine Neue Welt. Und nicht Oberon war auf den roten Wegen geritten. Aber vielleicht auch er. Ich möchte Ihnen Liebes sagen darüber, wie froh es mich gemacht hat, als ich zuerst erfuhr, nach diesem Krieg, daß Sie lebten und dichteten. Vielleicht hören Sie aus meinen Worten heraus, daß ich Ihre Lyrik sehr hoch schätze, daß ich ihr zugetan bin. Dankbar bin ich Ihnen auch für den Satz aus dem Gespräch mit Kuby über die Sprache.²³ Meine Kinder werden sich freuen, daß ich Ihnen geschrieben habe. Von diesem Staunen der Kinder sollten Sie wenigstens jetzt auch wissen. Es ist wohl dieselbe Empfindung, die [Theodor] Storm in der Widmung an Erich Schmidt ausdrückt: »… und konnt’ ich je dein Herz bewegen, vergiß es nicht«. – Es muß viel weggeräumt werden von dem, was die Halden an Geröll des Unsprachlichen bergen, in unserer Sprache, aus der Zeit des Ungeistes. Aber von alledem will ich zunächst nichts sagen. Ich will Sie heute nur dies wissen lassen, lieber Herr Lehmann, was Sie mir mit Ihren Worten bedeuten. So darf ich Ihnen denn über die Weite meine freundschaftlichsten Grüße anbieten mit der großen Bitte für tiefe Freude an Ihrer Arbeit, daß sie vielen zu Gute kommen möchte. Mit herzlichsten Wünschen auch an Ihre Gattin bleibe ich ergebenst Ihr Walter Braun. *
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Brauns Geburtsort war Stolp, damals eine deutsche Provinzstadt in Pommern, seit 1945 polnisch Słupsk. Hier hatte Braun sein Abitur gemacht und anschließend Theologie und Philosophie in Kiel, Marburg, Berlin und Greifswald studiert (vgl. auch Fußnote 9). In seinen Briefen bezeichnet sich Braun stets als »Imker«. Dieser Beschäftigung widmete er sich nach seiner Emigration mit großer Leidenschaft zuerst auf dem Bruderhof in England und dann in Primavera, ohne darüber seine Leidenschaft für Literatur und Philosophie zu vernachlässigen. »Wie unendlich lang hat es gedauert, bis ich von den Wenigen zur Kenntnis genommen wurde, aber wie unendlich lange dauerte es auch, bis in der Sprache etwas geschieht?! Gedeiht der Künstler ohne Zuspruch? Nein. Aber ich möchte mich nicht beklagen.« (Kuby, Lehmann, S. 5).
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[Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 16. Juli 1953:] Lieber Herr Braun, die Zeit, die ich habe verfließen lassen, bis ich Ihnen antworte, steht in umgekehrtem Verhältnis zu der Freude, die mir Ihr so ganz unerwarteter Brief bereitet hat. Es heißt zwar bei Goethe »Was willst du untersuchen, Wohin die Milde fließt. Ins Wasser wirf deine Kuchen, Wer weiß, wer sie genießt?«,²⁴ aber auch aus demselben Mund, daß der Mensch nur in Beziehungen wahrhaft lebe. Daß auf archaischem Boden ein roter Weg Ihnen den ›Oberon‹ vorzauberte: was kann ich mir Schöneres wünschen? So ist also doch nicht umsonst, was die Dichter stiften.²⁵ Und wenn es eine einzige Seele trifft, so war’s genug. Wie sehr Ihr Brief mir wohl getan hat, mögen Sie z. B. aus der Tatsache ersehen, daß ein Roman von mir fünfundzwanzig Jahre bei fast allen deutschen Verlagen umsonst zu Besuch gewesen ist, bis jetzt ein Schweizer Verlag sich bewegt fühlte, ihn zu drucken.²⁶ Ich bin froh, daß es den Roman (der es gewiß nicht im üblichen Sinne ist) gibt: möge ihn lesen, wer will. Allerdings möchte ich wünschen, daß er gekauft werde, aber nur im Interesse des ganz persönlich & intensiv interessierten Lektors des Manesseverlags, der sonst vor seinen »Brotgebern« (und heute verfolgen alle Verleger geschäftliche Interessen: so wenig unser Dorfhöker Waren bei sich aufstapeln würde, die unser kleines Dorf nicht kauft, so wenig gibt es noch den Cotta oder den S. Fischer, welcher so verfährt: ›Ihr Buch, Herr Autor, finde ich vortrefflich, ich will es drucken, sage Ihnen aber gleich, es wird im Jahre fünfzehnmal verlangt werden, aber das tut nichts: das Gute braucht Zeit, also lasse ich ihm Zeit …‹) blamiert dastünde. Ich fürchte nur, er steht bereits so da, denn der »Ruhm des Daseins« (sein eigentlicher, authentischer Name lautet »Der Provinzlärm«, aber der Verlag fand das nicht suggestiv genug, so benannte ich ihn um: mir zu lyrisch, zu wenig erzählerisch, besser wäre z. B. gewesen »Der abgesetzte Herzog«), von einigen Freunden, auch ein paar Zeitungen, gleich enthusiastisch begrüßt, droht jetzt schon wieder der Gleichgültigkeit anheimzufallen. Aber verzeihen Sie, daß ich Ihnen von etwas erzähle, was Sie nicht kennen. Ich schreibe gleichzeitig nach Zürich & lasse Ihnen ein Exemplar zugehen: ich bin sicher, daß Sie sich von keiner Vordergründigkeit werden hindern lassen, um zum Eigentlichen vorzudringen, bedarf es doch vieler, vieler Rosen, um einen Tropfen Rosenöl daraus zu filtrieren.
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Das Goethezitat ist ein Spruch aus dem West-östlichen Divan. Anspielung auf die Schlusszeile in Friedrich Hölderlins Gedicht Andenken: »Was bleibet aber, stiften die Dichter.« Der Roman Ruhm des Daseins, dessen erste Fassung Lehmann bereits 1930 unter dem Titel Der Provinzlärm beendet hatte, aber keinen Verleger fand, wurde erst im Herbst 1953 im Züricher Manesse-Verlag veröffentlicht. (Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 284–285.)
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Ich danke Ihnen, daß Sie mir von sich und Ihren Schicksalen erzählen! Zwar muß die Phantasie helfen, wenn ich mir Ihr jetziges Dasein vorstellen soll. Es ist doch ein weiter Weg von einem kleinen Schleswigschen Dorf bis nach Paraguay. Ich sitze, im sporadischen Licht eines Julimorgens – bis jetzt brachte er heftige Regengüsse, ließ nur wenigen Tigridien pavonum Muße zur Blüte: aber der Juni war, seit Jahren wieder einmal, schön – schaue auf die hohen Linden der vorüberziehenden Dorfstraße und gedenke Ihrer, Ihren Brief vor mir. Mein, unser Schicksal, ist & bleibt – das Wetter. Die Jahre 1951 und 1952 brachten den Sommer nicht, auf den zu warten wir hier unser Leben verbringen. Diesmal ließ es sich, wie gesagt, schöner an, falls nun nicht etwa doch wieder eine unterminable Regenzeit folgen soll. Das ›Pflug‹heft²⁷ habe ich mittlerweile aus Neumünster bekommen: Ihre Gemeinschaft stelle ich mir etwa im Sinne Thoreaus oder Emersons vor.²⁸ Wir selbst lebten ja auch, im Anfang des Jahrhunderts, in einer Art Schicksalsgemeinschaft in den Thüringer Bergen, es handelte sich aber um eine Jugendrepublik: die Zeit bleibt meiner Frau und mir unvergeßlich.²⁹ Jetzt altern wir, Philemon und Baucis gleich. Im Grunde ändert sich die Situation des Menschen wohl nie. Wenn Hölderlin bemerkte, daß Deutschland kein Dichterklima sei: wann hat es das denn jemals gegeben? Wenn ich jetzt, im Alter, an den drei deutschen Akademien (Darmstadt, Mainz, München) teilnehme, so geschieht’s im Grunde nur vom Rande aus.³⁰ Das bißchen Anerkennung ist spät gekommen. Ein wenig früher hätte mir der Zuspruch mehr genutzt: aber da, in den Zeiten des Ringens und der Verzweiflung, blieb er aus. Teure Freunde gingen längst dahin.
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Vgl. Fußnote 15. Henry David Thoreau (1817–1862), US-amerikanischer Dichter und Erzähler, vertrat einen asketisch-transzendentalen Individualismus. Sein Hauptwerk Walden, zuerst erschienen 1854, gehört zu den Klassikern der amerikanischen Literatur. Thoreau erhielt entscheidende Anregungen durch seinen Landsmann Ralph Waldo Emerson (1803–1882), einen führenden Kritiker des amerikanischen Rationalismus. – Thoreaus Walden gehörte zu Lehmanns Lieblingslektüre während seiner Zeit (1918–1919) in britischer Kriegsgefangenschaft und hat auch später Lehmanns Werk beeinflusst. (Vgl. dazu: Scrase, Lehmann, S. 218 f. und S. 290.) In den Jahren 1912–1920 (unterbrochen nur durch Wehrdienst, Desertion und Kriegsgefangenschaft) war Lehmann, nach seiner ersten Ehe (1906–1912) mit Martha (geb. Wohlstadt), zusammen mit seiner zweiten Frau Frieda (geb. Riewerts) Lehrer an der Freien Schulgemeinde in Wickersdorf (bei Saalfeld, Thüringen), die den Ideen der Jugendbewegung verpflichtet war. (Vgl. dazu »Zeittafel« in: Lehmann, GW 1, S. 517–519; Doster, Lehmann, S. 11–20; Scrase, Lehmann, S. 158–221). Lehmann war Gründungsmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt (seit 1949), Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München (seit 1950) und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (seit 1950), später (seit 1957) auch Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg.
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Manch junger Autor ist mir geneigt, manche Freundlichkeit widerfährt mir: das ist ein Trost. (Kubys ›Reise‹, d. h. sein Bericht, gefiel mir nicht so ganz, aber man lasse jeden bei seiner Art.)³¹ Mehr als ein Trost, eine wirkliche Freude, ist mir dann ein Brief, wie er von Ihnen kam. Haben Sie Dank, daß Sie der Seelenregung die Geburt der Hand folgen ließen! Es war nicht umsonst geschehen. Ich klage nicht im Rückblick auf mein Leben. Wie es war, so mag es richtig gewesen sein. Ich habe Ihnen durch den Tübinger Verlag mein erstes neu-aufgelegtes Versbuch »Antwort des Schweigens« und mein letztes »Noch nicht genug« zugehen lassen – etwa zwanzig Jahre liegen zwischen beiden; derweilen erschienen noch »Der grüne Gott« und »Entzückter Staub«.³² Seien Sie einstweilen von Herzen gegrüßt & bedankt mit allen Ihrigen und erfreuen Sie durch ein weiteres Wort Ihren Wilhelm Lehmann [Am Rande:] Elisabeth Langgässer schätzte und liebte mich wie ich sie.³³ G. Benn goutiere ich nur »mit Vorsicht«.³⁴ [Beiblatt:] Falls die Ankunft der Bücher bei Ihnen sich verzögert und Sie nicht länger warten mögen, schreibe ich Ihnen den ›Oberon‹ hierher. Oberon Durch den warmen Lehm geschnitten Zieht der Weg. Inmitten Blühen Lolch und Bibernell. Oberon ist ihn geritten, Heuschreckschnell. 31 32
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Vgl. die Fußnoten 16, 18, 19 und 23. Im Tübinger Heliopolis–Verlag (Verlag Ewald Katzmann) waren 1950 Lehmanns Gedichtsammlung Noch nicht genug und 1951 die erweiterte Auflage der (zuerst 1934 von Ernst Niekisch im Berliner Widerstands-Verlag veröffentlichten) Gedichtsammlung Antwort des Schweigens erschienen. Im Heidelberger Verlag Lambert Schneider waren die beiden anderen Bände erschienen: Entzückter Staub (1946) und in einer 2. Auflage Der grüne Gott (1948), der zuerst 1942 im Berliner Otto Müller Verlag erschienen war und aus dem einzelne Zyklen bereits in den Jahren 1935 bis 1940 in der Neuen Rundschau veröffentlicht worden waren. Elisabeth Langgässer (1899–1950) stand seit 1936 in freundschaftlichem Briefwechsel mit Lehmann (vgl. auch die Fußnoten 18 und 72). Zu Gottfried Benn (1886–1956), dessen Wirkung auf die deutsche Nachkriegslyrik in den 1950er Jahren häufig mit der Lehmanns in einem Atemzug genannt wurde, hatte Lehmann ein eher gespaltenes Verhältnis. Einer der Gründe mag die große Beachtung gewesen sein, die Benn – im Gegensatz zu der weniger spektakulären Rezeption Lehmanns in dieser Zeit – vor allem in den Medien fand (vgl. auch die Fußnoten 81, 82 und 87).
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Oberon ist längst die Sagenzeit hinabgeglitten. Nur ein Klirren Wie von goldnen Reitgeschirren Bleibt, Wenn der Wind die Haferkörner reibt. – Wilhelm Lehmann für Walter Braun, Klein-Wittensee, 16. Juli 1953 * [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 5. August / 6. August 1953:]³⁵ Mein lieber Herr Doktor, eben erhalte ich Ihren so lieben Brief vom 16. Juli und bin von so viel Anteilnahme und Güte überwältigt. Haben Sie Dank, Dank für den »Oberon« vor allem. Sie hätten sehen müssen, wie die Augen meiner Kinder geleuchtet haben, als ich die Worte las und wie meine Frau sich mit mir gefreut hat. Und was für große Geschenke bieten Sie uns an! Wie soll ich Ihnen dafür danken? Nun, wie meine Frau sagte, als sie mich den Brief in der Hand halten sah: das muß doch für dich wie Weihnachten sein … es wird auch durch Ihre schönen Bücher wie Weihnachten sein. Sie haben mich sehr sehr gespannt gemacht. Ich will Ihnen gewiß schreiben. Und in den Gedichtbänden kommt Freude zu uns. Es ist sehr schön zu wissen, daß Ihnen meine Worte Freude brachten. Hin und wieder bin ich auf ein Gedicht von Ihnen gestoßen. Als ich beim Montanaverlag nach Ihnen fragte, schickten mir die Herren die Nummer zu Ihrem siebzigsten Geburtstag,³⁶ dem jetzt der einundsiebzigste gefolgt ist, und dem, so hoffen wir – für Sie, lieber Dichter, und für das Wort, dem so viel Gewalt angetan wurde – noch viele folgen möchten. Wären sie Ihnen vergönnt! Es scheint mir (die Herren vom Montanaverlag haben sich unserer Situation im Urwald nicht verschlossen u. schicken uns die ›Neue Literarische Welt‹ regelmäßig umsonst, ebenso die ›Deutsche Rundschau‹, ebenso der Verlag des ›Monat‹), daß in unserer Zeit, die
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Dem Luftpostbrief vom 5. August 1953 lässt Braun als unmittelbare Fortsetzung den Brief vom 6. August 1953 mit »gewöhnlicher« Post folgen. Wir geben die beiden Briefe hier gekürzt wieder. (Briefe vollständig in: »Herzlichst …«, [3], S. 11–13 und [4], S. 13–16). Werner Kraft, Zu Wilhelm Lehmanns 70. Geburtstag, in: Neue Literarische Welt, Darmstadt 3/9, 1952; Walter Schmiele, Zu Wilhelm Lehmanns Siebzigstem, in: Deutsche Rundschau, Darmstadt 18/5, 1952.
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Beiblatt zu Lehmanns Brief vom 16. Juli 1953 (Aus dem Braun-Nachlass)
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wohl eine Zeit ist, in welcher das Leid und das Leiden deutlicher als je zutage treten, dies sehr deutlich an den Worten zeigt, die zur Verfügung stehen und gewählt werden. Man muß wohl weithin von einer Vergewaltigung des Wortes reden. Jedenfalls wird den Worten vielerseits Gewalt angetan. Ich denke an Sartre, Pound, während Joyce – bis auf ›Finnegans Wake‹, den ich auf Englisch nicht bewältigen kann u. deshalb nur über Teile von ihm aussagen kann, soweit ich sie verstehe – Proust, Kafka nur aufzeichnen.³⁷ Wenn auch Joyce mir zu weit geht, ich kann diesen ganzen Weg nicht folgen, so entmächtigt er doch das Wort nicht. Wie beglückend für mich war ein Stück aus »Mühe des Anfangs«.³⁸ Zwar war ich nie in Tübingen. Doch dachte ich an einige Augenblicke auf dem Fischland (Ahrenshoop), in den Bergen bei Marburg, am korinthischen Golf.³⁹ Nun soll mir Ihr Roman »Ruhm des Daseins« Zugang zu Ihrer Prosa verschaffen, auf die ich mich so freue. […] Da meine Kinder Sie nach dem »Oberon« recht lieb gewonnen haben, stelle ich sie vor: Laurenz (17 J.) will Landwirt werden. Er ist in Athen geboren. Er lebt und arbeitet augenblicklich auf unserm Ibaté-Bruderhof. Friedreich, Grace, Deborah wurden uns in England geschenkt (15, 13, 11 J.) und Simeon und Hilarion hier.⁴⁰ Für sie ist Europa exotisch, das Fremde. Und diese Kluft zu überbrücken, denn sie reden deutsch (zu Hause) oder englisch, je nachdem, und weniger spanisch, zwischen dem Erleben hier und dem Denken im Deutschen (oder Englischen) und dem Gebrauchen von deutschen Ausdrücken für Situationen hier, ist oft reich an Spannungen. Aus Ihrer Zeit (vermutlich als Lehrer?) in der Jugendrepublik in Thüringen werden Sie das Leben in Gemeinschaft kennen.⁴¹ Nun, bei uns gibt es keine 37 38
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Jean-Paul Sartre (1905–1980); Ezra Pound (1885–1972); James Joyce (1882–1941); Marcel Proust (1871–1922); Franz Kafka (1883–1924). Auszüge daraus hatte Karl Krolow veröffentlicht in: Neue Literarische Welt, Darmstadt, 10. 08. 1953, auf die sich Braun wohl bezieht. Die Passage [»Ich fuhr nach Tübingen …«] findet sich in Lehmanns Mühe des Anfangs, in: Lehmann, SW, Bd. 2, S. 407–410. Einige der frühen Stationen in Brauns Leben – Vgl. die Fußnoten 9, 12 und 21. Über das spätere Schicksal der sechs Kinder wissen wir nur noch Folgendes: Laurenz, der Erstgeborene, verbrachte den größten Teil seines Lebens als Landwirt in Paraguay und starb 2011 in Asunción; Friedreich und Grace lebten zuletzt in Deutschland und starben dort 2002 und 2003 [?]; Deborah und Simeon leben noch [2013], Deborah auf dem Woodcrest Bruderhof in den USA, Simeon bei seiner verwitweten Schwägerin in Paraguay auf dem Lande; Hilarion, der sich früh von der Bruderhof-Gemeinschaft getrennt und in den USA Physik studiert hatte, starb 2004 im US-Bundesstaat Arizona. (Diese Angaben verdanken wir Brauns Enkelin Ida Butterworth, Tochter von Laurenz Braun, die heute noch immer in Asunción lebt und arbeitet.) Vgl. Fußnote 29.
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Unterschiede. Jeder ist dem anderen, dem Begegnenden verpflichtet. Ihre Hinweise auf Thoreau u. Emerson⁴² sind richtig, über das Mehr in dem andern Brief. Bei uns sind Dekalog und Bergpredigt Grundlage. Wir haben für alle eine offene Tür, die sich zu diesem Leben gerufen fühlen u. haben Vertreter aus 17 Nationen unter uns. Dadurch, daß wir unsere Mittags- u. Abendessen gemeinsam halten, ist genug Gelegenheit, alle an der Weltlage zu interessieren und nichts Besonderes, das wichtig ist, zu kurz kommen zu lassen. Wir versuchen ein Leben in sozialer Gerechtigkeit, in Frieden u. Liebe zu leben. Diese Worte würden stereotyp sein, wenn sie nicht der Niederschlag oder Ausdruck eines im wahren Sinne des Wortes begeisteten oder begeisterten Lebens wären. Ich bin sehr glücklich, daß Ihnen mein Brief ein Anlaß ist, eine schöne Verbindung zu knüpfen. Ich werde sehr bald, wie ich hoffe, zu unserer Hausgemeinschaft über Ihr Werk und über Sie sprechen. Ob ich Sie um Herrn Krafts Adresse bitten darf?⁴³ – Wir wären auch beinahe nach Palästina gegangen. Die Frau meines Freundes war Jüdin, deshalb blieben wir zunächst in Griechenland. Mein Freund u. seine Frau fanden in Palästina denselben Nationalismus, den wir als Weg nicht gehen konnten. Bis wir zum Bruderhof geführt wurden.⁴⁴ 42 43
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Vgl. Fußnote 28. Werner Kraft (1896–1991), Bibliothekar, Literaturwissenschaftler, Essayist, Schriftsteller, von 1931 bis 1968 Freund, Förderer und Briefpartner Lehmanns. Werner Kraft erhielt 1933 Berufsverbot, da er Jude war, und emigrierte 1934 mit seiner Frau Erna nach Palästina. Die Verbindung mit Lehmann blieb bis zu dessen Tod bestehen. (Zum Briefwechsel Kraft-Lehmann vgl. Fußnote 5). – Lehmann war Brauns Bitte nachgekommen, vermutlich in dem verloren gegangenen Brief vom 30. September 1953 (vgl. Fußnote 6), in dem er wohl auch über Krafts Lebensumstände und über den Besuch des Kraftschen Ehepaares, im Juni 1953 in Klein-Wittensee, berichtet hatte. Denn Braun meldet erfreut in seinem (hier nicht wiedergegebenen) Brief vom 4. Dezember 1953 (siehe »Herzlichst …«, [7], S. 19–21): »Herr Dr. [Werner] Kraft hat einen sehr lieben Brief geschickt. Ich bin Ihnen recht dankbar für die Adresse. Beneidenswert, sein Besuch bei Ihnen.« – Und Werner Kraft hatte zwischenzeitlich (am 15. November 1953) an Lehmann geschrieben: »Neulich hatte ich auch eine sehr angenehme Überraschung, an der Sie nicht unbeteiligt waren, nämlich einen sehr sympathischen Brief von Herrn Walter Braun aus Primavera in Alto Paraguay. Ich war verwirrt, aus dieser Gegend der Welt, von der ich nur eine höchst vage Vorstellung habe, Freundliches über meine Gedichte zu hören, verwirrt aber auch über die Lebensform, die da ernste und entschlossene Menschen gefunden haben.« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd 1, S. 545). – Den Briefwechsel zwischen Walter Braun und Werner Kraft haben wir – trotz intensiver Nachforschungen im Deutschen Literaturarchiv Marbach und im Literatur- und Kunstinstitut Hombroich, wo Teile des Kraft-Nachlasses liegen – bislang leider nicht auffinden können. (Hinweise sind erwünscht!) Brauns Freund, der Kunstschriftsteller Oscar Beyer (1890–1964) und seine Frau Margarete, geb. Löwenfeld, die von Herkunft Jüdin, aber überzeugte Christin war, hatten geplant – zusammen mit den Brauns und weiteren Freunden – von Kreta nach Palästina auszuwandern, um am Aufbau Israels mitzuhelfen (vgl. auch dieFußnoten 9 und 12).
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Könnte ich Ihnen doch etwas von Ihrer Resignation nehmen, lieber verehrter Herr Lehmann! Auch ich glaubte einmal, daß Schreiben meine Aufgabe sei. Wenige Schriftsteller – heute – wenige überhaupt, können einen Weg zeigen. Sehr wenige können etwas Gültiges, einen Zusammenhang, ein Geschehen, einen Vorgang in Worte umprägen, die bleiben. Sie, verehrter Herr Doktor, geben unsrer armen, gequälten Menschheit ein Geschenk – aere perennius. Ich bin so dankbar dafür, daß ich hier auf unserm Bruderhof etwas davon vermitteln darf – u. meinen Lieben. Ich freue mich mit Ihnen, daß der Manesseverlag den Roman druckt. Ich verstehe alles das, was Sie schreiben. Und doch ist Ihre Erkenntnis die des Weisen. Uns aber sollen die Propheten und die Dichter, die Gültiges aussagen, wert sein. […] Wir kamen hierher in den Jahren 1940 und 1941. Paraguay war das einzige Land, das uns aufnahm. 1937 wurde unser Bruderhof in Deutschland, der Rhönbruderhof (Neuhof bei Fulda) konfisziert. Wir durften nach Holland, dann nach England. Hier durften wir zwei Bruderhöfe aufbauen. Als der Krieg kam, sollten wir Deutschen (Brüder und Schwestern) in ein Lager. Die Einheit ist uns aber ein zu wichtiger Bestandteil unseres Zeugnisses. So emigrierten wir, alle, auch die englischen Mitglieder, mit der Billigung der englischen Regierung.⁴⁵ Hier in Paraguay – Ihre Karte wird Ihnen vielleicht Asunción, die Hauptstadt, zeigen, und 90 km nördlich von A[sunción], liegt unser »Hafen« Puerto Rosario am Paraguayfluß, von dem wir ungefähr 60 km östlich auf unsern Höfen wohnen – hier durften wir drei Bruderhöfe aufbauen, während in der eurasischen Welt Mars regierte. Unser Land, etwa 8.000 ha, besteht zur Hälfte aus Kamp und zur Hälfte aus Wald, von dem ungefähr 300 ha gerodet sind zu Pflanzungen und Weiden. Dem Wort Kamp begegnete ich zum ersten Mal in unserer Sprache in einem der Bücher des Münchener Zoologen Krieg, der in diesem Lande vor dem Zweiten Weltkrieg einige längere Forschungsreisen unternahm.⁴⁶ Es kommt vom spanischen »campo«, das seinerseits vom lateinischen »campus« stammt. Nun, mit Feld hat der Kamp außer seiner flächigen Ausdehnung und den Farben der Gräser, Kräuter, Büsche nicht viel zu tun. Er ist eine der Pampas ähnelnde Formation. Zwei der Gräser (Setaria macrostachya u. Paspalum quadrifarium) kann man zum Dachdecken nehmen. Aber sie ähneln unserm Roggenstroh nicht, sind vielmehr von einem warmen Rotbraun. Die Häuser mit Grasdächern sehen von weitem aus wie große Pilze. Der Kamp enthält an Büschen Guayababüsche u. eine dornige 45 46
Vgl. die Fußnoten 12, 14 und 17. Hans Krieg (1888–1970) verfasste u. a. Urwald und Kamp, Stuttgart 1925, und Unter der Sonne Südamerikas, Stuttgart 1948.
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Flacourtiacee. Seine Bäume sind hohe schöne Palmen. Hin und her im Kamp verstreut sind kleine (von 1/4 ha bis 3 ha große) »Waldinseln«, wahre Paradiese für Forschung und Abenteuer. In so einer kleinen Waldinsel habe ich den Bienenstand unseres Hofes. […] Zuerst entstand unser Bruderhof »Isla Margarita« – wir änderten den Namen nicht. Überall auf den Kämpen hier wachsen von August bis Mai weiße, gelbe, rote Margariten (Calea sp.). Der zweite Hof heißt »Loma Hoby« (gespr. Loma ho-bü). Hoby ist ein Guaraníwort. Guaraní ist die alte Indianersprache, welche noch heute hier Umgangssprache ist. Hoby bedeutet »blaugrün«. Loma (spanisch) heißt »Hügel«. Der dritte Hof heißt »Ibaté«. Auch das ist Guaraní u. bedeutet »hoch«. Dort war im Walde eine weite Kampfläche, auf spanisch »potrero« genannt, was ungefähr einer großen Viehweide entspricht. Als wir bauten, fanden wir auf allen drei Plätzen Scherben, z. T. auch paläolith. Artefakte. (Der Indianerforscher Max Schmidt hat ähnliche Dinge in Brasilien gefunden). So waren also die Plätze uraltes Siedlungsland. Auf jedem Hof ist eine Schule. Wir haben neun Schuljahre und ein Vorschuljahr, Kindergarten, Krabbelhaus, Babyhaus. Die Schule entspricht mit ihrem Lehrplan etwa einer Aufbauschule bis zur früheren mittleren Reife (vor 1933). Deutsch, Englisch, Spanisch sind die Sprachen. Dazu werden Handwerke gelehrt (Leder, Holz, Flechten, Schnitzen, Gartenbau usw). Der Hof Loma ist dadurch ausgezeichnet, daß hier die Viehwirtschaft (mit Schlachthaus) sich konzentriert u. auch die Waldwirtschaft zum Teil betrieben wird. Wir haben etwa 3000 Kühe (Kälber, Ochsen, Bullen) u. Pferde. In Loma Hoby ist außerdem unser Krankenhaus (Sanatorio, wie es in der Umgebung heißt) mit einem Bruder und zwei Schwestern als Ärzten u. einem Gast als Krankenhausarzt, einer Schwester als Leiterin und vielen Schwestern zur Hilfe und in der Krankenhausküche. Obwohl das Krankenhaus dringend eine eigene Waschküche haben sollte, war das noch nicht möglich. Sehr viel soziale Arbeit. In Ibaté ist die Bibliothek, ca. 18.000 Bände, ein schöner Schatz. Außerdem ist dort die Bäckerei. Die Mühle ist bei uns in Isla Margarita. Jetzt habe ich, denke ich, genug der äußeren Umrisse gegeben.⁴⁷ […]
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Zum Stichwort »Bruderhof« vgl. auch: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 3. Aufl., Bd. 1, Tübingen 1957, Sp. 1425– 1426; Ausführlicheres findet sich in: Victor Peters, Die Hutterischen Brüder 1528–1992. Die geschichtliche und soziale Entwicklung einer erfolgreichen Gütergemeinschaft, a. d. Engl. übertr. v. Jack Thiessen, Marburg 1992.
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Ich möchte so gern, daß Ihnen meine Worte etwas Freude nach Klein-Wittensee bringen, Ihnen und Ihrer Gattin. Und ich sende Ihnen viele gutgemeinte Grüße der Liebe und Verehrung über die Weite. Ihr getreuer Walter Braun […] * [Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 18. Januar 1954:]⁴⁸ Lieber Herr Braun, voll herrlicher Freude melde ich, daß der entzückende Leuchter wohlbehalten und ohne Schwierigkeiten (60 Pfennige der Zoll nur!) ankam.⁴⁹ Ich komme nicht über das Phantastische hinweg – abgesehen davon, daß Sie mir überhaupt jemals geschrieben haben –, daß über Raum und Zeit hinweg Sie und ich (Paraguay und Schleswig: kommt das im gleichen Dictionnaire vor? Sind das nicht ganz verschiedene Alphabete?) miteinander sprechen. Und jedes Mal, wenn ich, viel zu selten, an Sie schreibe, kann ich nicht glauben, daß es Sie wirklich erreiche. Zunächst nun: ich weiß tatsächlich nicht mehr, was ich von meinen Büchern für Sie bestellt oder abgeschickt habe und bitte Sie daher, mir noch einmal zu melden, ob überhaupt etwas und was in Ihre Hände gelangt ist. Antworten Sie negativ, so mache ich kurzen Prozeß und lasse sowohl den »Ruhm des Daseins« sowohl wie die beiden Bände Prosa (die wie Alles vor der Währungsreform Gedruckte als entwertet, schlecht gedruckt, gar nicht mehr in den Handel kommen und für geringes Sümmchen zu haben sind) und die 4 Bände Verse an Sie expedieren. Mit schönstem Vergnügen lasen meine Frau und ich den Bericht über Ihre Kinder. In Deborahs – wie herrlich, daß das ›Biene‹ heißt, ich wußte das nicht – Meinung von Storms Weihnachtsgedicht, über dessen Unwirkung.⁵⁰ Prüfe ich es und streife ab, was von altgewohnten Assoziationen den eigentlichen
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Zwischen Brauns Briefen vom 5. und 6. August 1953 und diesem Brief liegen – außer Lehmanns nicht mehr auffindbarem Brief vom 30. September 1953 (vgl. Fußnote 6) – drei weitere Briefe Brauns, die wir hier nicht wiedergegeben haben: Die Briefe vom 27. September 1953, 10. Oktober 1953 und 4. Dezember 1953. (Siehe »Herzlichst …«, [5], S. 16–18; [6], S. 18–19; [7], S. 19–21). Braun hatte Lehmann als Weihnachtsgruß einen in der Drechslerei des Bruderhofs hergestellten Leuchter geschickt: »Wir hoffen so sehr, daß Sie und Ihre liebe Gattin sich von Herzen darüber freuen möchten!« (Brief vom 4. Dezember 1953, in: »Herzlichst …«, [7], S. 19). Bezieht sich auf Brauns Briefstelle: »Meine Tochter Deborah, die morgen 13 J[ahre] wird (wir nennen sie Biene, weil das die Bedeutung des schönen Namens Deborah ist), […] bemerkte, daß ihr das Stormsche [Weihnachtslied] ›Vom Himmel in die tiefsten Klüfte …‹ so gar nicht gefallen könne!« (Brief vom 4. Dezember 1953, in: »Herzlichst …«, [7], S. 20).
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Kern umgibt; prüfe ich das Einzelne, so muß zugegeben werden, daß z. B. »märchenstille Herrlichkeit«, »goldener Kindertraum« das Eigentliche, scharf Deutliche, Partikulare mehr vernebeln als bestechend andeuten, mehr voraussetzen als produzieren. Mir ging es einst beim Vorlesen von Rückerts ›Abendlied‹⁵¹: ich empfand plötzlich einen Hunger, ein Begehren nach Differenzierterem – dabei schalt ich mich selbst wegen einer Undankbarkeit gegen Rückert (von dem es ja wahre Herrlichkeiten gibt). Gibt es einen Fortschritt in den Künsten? Natürlich nicht im Sinne eines Linearen, in dem Verstande ist ›Fortschritt‹ überhaupt eine Unidee. (Wohin sollten wir kommen?) Man muß wohl sagen, daß so sehr viele Dinge und Vorstellungen von alten Assoziationen eingenebelt und verschachtelt sind, daß ein neuer, frischer unvoreingenommener Blick & dementsprechend neues Wort ihnen plötzlich die umgeworfenen Hüllen wegzieht und ihnen eine ›neue‹ echte Eigentümlichkeit verleiht. Dagegen spricht nicht, daß es Verse und Ausdrücke gibt, die immer frisch bleiben, immer wieder das erste Staunen erwecken – zu solchen Erwägungen komme ich aus der Arbeit an einem Rundfunkvortrag heraus, zu dem ich meine Erinnerungen an Oskar Loerke beisteuern soll.⁵² Großes Material wird von bedeutenden Dichtern den Menschen zugeworfen: dieses Material wird je nachdem schnell oder langsam, manchmal sozusagen, akzeptiert und verarbeitet und manchmal gar nicht. Loerke hat sein schon 1941 beendetes Leben lang bitter darunter gelitten, daß er nicht ›aufgenommen‹ wurde (d. h. nur von ganz Wenigen). Obwohl solches Leiden begreiflich ist – ist ebenso begreiflich, daß die Welt nicht schnell über das gereichte Mahl herfiel: denn es ist zu reich, zu voll, zu tief. Es rechnet mit ganz ursprünglichen, leisen, kühlen Regungen, die im Durchschnittsmenschen gar nicht und selbst in besonderen Individuen selten zum Erscheinen, nun gar zum Bewußtsein, nun gar »zu Worte« kommen. In Wahrheit aber ist das alles eine Gewähr für Dauer: was lange braucht, um verdaut zu werden, baut eigentlich den Organismus auf, alles andere ist flüchtige Reizung und die Fledermaus hat einen ganz kurzen Darm, was sie verschluckt, wird gleich wieder ausgeworfen, vogelschnell. Freilich wird
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Friedrich Rückert (1788–1866), Abendlied [»Ich stand auf Berges Halde, / Als Sonn’ hinunter ging. / Und sah wie über’m Walde / Des Abends Goldnetz hing. …«]. Oskar Loerke (1884–1941), Schriftsteller, Lyriker, Lektor im S. Fischer Verlag und langjähriger Freund und Förderer Lehmanns. (Vgl. Kurzporträt in: Doster, Lehmann, S. 31). Nach Loerkes Tod machte Lehmann immer wieder in Aufsätzen, Rezensionen, Rundfunkvorträgen und Anthologien auf Loerkes Werk aufmerksam. Siehe etwa: Erinnerung an Oskar Loerke (1954), in: Wilhelm Lehmann, Dichtung als Dasein, Hamburg 1956, S. 118–120; Ungehobener Schatz. Zu Oskar Loerkes Gedichten, ebenda, S. 120–126; Oskar Loerkes Abschiedshand, ebenda, S. 126–128; und Genius und Mensch, ebenda, S. 128–131; oder: Wilhelm Lehmann, Wiedergeschenkter Oskar Loerke, in: DIE ZEIT, Nr. 5, 30. 01. 1959. – Den von Lehmann erwähnten Rundfunkvortrag haben wir nicht ermitteln können.
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sie auch ein Milligramm Substanz [?] aufgenommen haben – was können wir für unsere Constitution, die Natur hat sie uns zugemessen, wie es bei Loerke selbst heißt »Andere Blumen kann der Mensch nicht pflanzen, gab ihm Gott den Samen nicht zuvor«.⁵³ Vielleicht klingt Ihnen dies alles abrupt – aber Deborah bringt auf solche Gedanken! – es kommt bei mir aus der dringlichen Vertiefung in den über alles geliebten & bewunderten Oskar Loerke. Die Eitelkeit, daß man selbst zu den Wenigen gehörte, die ihn zu verstehen glauben, hätte er selbst schnell verworfen. Daß es eigentlich ein Hochmut sei, zwischen Philister und Unphilister zu scheiden, darüber handelt der herrliche Aufsatz Moritz Heimanns »Der Bürger«.⁵⁴ Heimanns Aufsatz übrigens über den frühen Band ›Gedichte‹ Loerkes 1916 bleibt unübertroffen (so gut wie Schillers erste Worte über den ›Wilhelm Meister‹). Jedenfalls steht dem unglücklichen Volk der Deutschen (so weit sie noch ein Volk sein können oder sind), wenn nicht heute, so nach weiteren, vielen Jahren die Dichtung Loerkes als Ereignis, als Freude bevor. Es ist durchaus kein unziemlich, bequem-superlativisches Reden, wenn ich an Hölderlin und sein spätes Aufgenommenwerden erinnere. – Ja, Sie haben Recht, daß ein Churchill den Nobelliteraturpreis erhielt, ist typisch.⁵⁵ Weit zurück liegt der Augenblick, da Wilhelm von Humboldt sagte, ein guter Vers überdauere Reiche. Ich möchte Ihnen noch viel mehr schreiben, lieber Herr Braun, aber dies soll weg. Ende Oktober hielt ich in der Mainzer Akademie (deren Charakteristikum ist, daß hier Schriftsteller, Dichter und reine Wissenschaftler vereinigt sind) einen (merkwürdigerweise sehr herzlich aufgenommenen) Vortrag »Dichterische Grundsituation und notwendige Besonderheit des Gedichts«.⁵⁶ Er ist schon im Druck und bestimmt geht
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Aus Oskar Loerkes Gedicht Viele Sterne [»Traurig brennen droben alle Scheiterhaufen …«] aus dem Zyklus Der längste Tag. (U. a. in: Oskar Loerke, Die Gedichte, hg. v. Peter Suhrkamp, neu durchges. v. Reinhard Tgahrt, Frankfurt am Main 1983, S. 312). Moritz Heimann (1868–1925), Schriftsteller, Essayist und (wie Oskar Loerke) Lektor im S. Fischer Verlag sowie Freund und Förderer Lehmanns. (Vgl. Kurzporträt in: Doster, Lehmann, S. 6). Der erwähnte Aufsatz Der Bürger findet sich u. a. in: Wilhelm Lehmann, Moritz Heimann. Eine Einführung in sein Werk und eine Auswahl, Wiesbaden 1960 (= Verschollene und Vergessene. Schriftenreihe der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Bd. 10); darin auch der von Lehmann erwähnte Aufsatz über Loerke. Bezieht sich auf Brauns Bemerkung: »Zwar hat nun [Albert] Schweitzer den Friedensnobelpreis für [19]52 erhalten, aber daß ein General (Marshall) denselben Preis für 1953 und daß wieder ein Soldat (Churchill) den Nobelliteraturpreis bekommt, stimmt doch recht nachdenklich. Wohin soll das gehen?« (Brief vom 4. Dezember 1953, in: »Herzlichst …«, [7], S. 21 – Vgl. Fußnote 48.) Vortrag vom 30. Oktober 1953, im Druck erschienen zunächst in den Abhandlungen der Klasse der Literatur, Jg. 1953, Nr. 4, Mainz 1954, und dann in: Wilhelm Lehmann, Dichtung als Dasein. Poetologische und kritische Schriften, hg. v. d. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Klasse der Literatur, Mainz. Hamburg 1956, S. 19–28.
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Ihnen in kurzem ein Exemplar zu. Gewiß wärs leichter, Ihnen alles mündlich zu berichten, aber wir wollen der vielgeschmähten Technik danken, daß sie die Post erschuf – von Klein-Wittensee nach Paraguay. Hoffen wir also auf weitere Briefe: hin und her und seien Sie heute schnell noch mit allen Ihrigen von Herzen gegrüßt. Ihr Wilhelm Lehmann [Letzte Seite, am Rande:] W. Kraft schrieb erfreut über die Verbindung mit Ihnen.⁵⁷ / Auch die ›Pflug‹schriften kommen an!⁵⁸ […]⁵⁹ * [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 15. April 1954:] Mein lieber, hochverehrter Herr Doktor, zu Ihrem Geburtstag am 5. Mai [sic!]⁶⁰ will auch ich als bescheidener Wünscher aller der guten Gaben, die wir erbitten dürfen, mich einstellen – zusammen mit meiner Frau und den Kindern, die Ihre Worte liebgewonnen haben – in dem Kreis derer, die Ihnen über die Weite oder aus der Nähe ihren Glückwunsch bringen, Ihnen, dem Dichter, unserem Dichter. Mich hat unser Arzt plötzlich nach Asunción geschickt zu einer ärztlichen Untersuchung, da es mir schlecht geht. In solchen Fällen ist der schnellste Weg das Flugzeug; wir haben einen Flugplatz auf dem Hof, auf welchem das Krankenhaus ist. Vorgestern am Morgen, als die Nebel sich verflüchtigten, flog ich (nach 29 Jahren wieder einmal) von uns hierher. Auch damals vor so langer Zeit, als ich zum ersten Mal flog, es war über der Kieler Förde in einem kleinen Wasserflugzeug, erschien mir alles wie eine große élévation du coeur. Und vorgestern war es ganz ähnlich, wie wenn jemand die lieben großen Worte einer schönen Dichtung zu mir nicht sagte, aber sie mich fühlen ließ, sie mir entgegenbrachte. […] In diesen Tagen, sobald es mir einigermaßen erträglich geht (ich habe Schmerzen in den Gliedern und im Körper), will ich Ihnen einen Brief mit gewöhnlicher Post schicken, den ich schon vor einigen Wochen versprach.
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Vgl. Fußnote 43. Vgl. Fußnote 15. Brauns folgenden Brief vom 31. Januar 1954 haben wir hier ausgelassen. (Brief vollständig in: »Herzlichst …«, [9], S. 23). Braun irrt sich um einen Tag: Lehmanns Geburtstag ist der 4. Mai.
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In Liebe werde ich an Ihrem Geburtstag – aber nicht nur dann, denn ich vertiefe mich in die »Antwort des Schweigens«⁶¹ – in meinem Gedenken bei Ihnen sein, lieber Herr Doktor. In dankbarsten Gedanken grüße ich Sie herzlichst über die Weite! Immer Ihr sehr ergebener Walter Braun […]⁶² * [Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 26. September 1954:] Lieber Herr Braun, Sie bringen mir stets so viel Wärme und Herzlichkeit entgegen, daß ich endlich die Trägheit der Hand überwinden und Ihnen schreiben muß. Dafür sind Sie, zu meiner Betrübnis, krank.⁶³ Hoffentlich können Sie mir bald Gutes darüber sagen. Wie freut es mich, daß der ›Ruhm des Daseins‹ Ihren Beifall, Ihre Zustimmung fand.⁶⁴ Hier spricht man schon nicht mehr davon: ein Bestseller durfte er allerdings nicht werden, wäre er das, wäre er schlecht. Wir haben hier – trotzdem schon Ende September ist – einen bösen Winter hinter uns. Ende Januar stürzte meine Frau beim Milchholen auf glatt gefrorener Vordiele heftig: es zerbrach ihr nichts, eine Kontusion der Wirbelsäule besserte sich: eine schlimme Grippe setzte ein, schreckliche Nervenschmerzen rheumatischer Art kamen; ich brachte sie in ein Moorbad, der Rheumatismus wich, aber eine Venenentzündung im rechten Fuß läßt sie noch heute nicht im Stich & nicht mehr die Flinkheit besitzen. Die Hilfen, die wir nahmen, werden eine nach der anderen selbst krank; ich pflegte und hegte: auf dem Lande ist alles dergleichen schwerer als in der Stadt; ich war selbst fast meiner nicht mehr Herr. Die generöse Schwiegertochter,⁶⁵ obwohl ihr drittes Kind erwartend, half treulich. Noch 61 62 63
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Vgl. Fußnote 32. Brauns folgenden Brief vom 30. Juli 1954 haben wir hier ausgelassen. (Brief vollständig in: »Herzlichst …« [11], S. 25). Bezieht sich auf Brauns Brief vom 15. April 1954 und seine wiederholte Bemerkung: »Nein, es geht mir noch nicht besser, aber schon etwas besser. Ich hoffe der Spezialist findet jetzt die Ätiologie der sehr hindernden Schmerzen in den Gliedern heraus.« (Brief vom 30. Juli 1954 – Vgl. Fußnote 62). Bezieht sich auf Brauns Bemerkung: »Habe ich doch Recht gehabt in meinem allerersten Brief im vorigen Jahr, daß ich hoffte, Sie würden – in der Prosa – das was Stifter einmal war und ist, eigenständig weiterführen. Der ›Ruhm des Daseins‹ beweist das. […] Mit Ihrem Roman haben Sie so vielen von uns so sehr viel geschenkt.« (Brief vom 30. Juli 1954 – Vgl. Fußnote 62). Irmgard (genannt »Kaska«) Lehmann, geb. Carstens, Ehefrau von Wilhelm Konrad (genannt »Pelle«) Lehmann, Lehmanns erster Sohn aus der Ehe mit Frieda Lehmann, geb. Riewerts. (Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 399).
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unlängst weilte meine Frau in einer Eckernförder Klinik, zu dessen Leiter sie Vertrauen hat. Seit einiger Zeit ist sie heiterer: es lag alles wie in schweren Schatten gehüllt. Wir verbringen in diesem Klima das Jahr damit, daß wir auf den Sommer warten: kommt er nicht, wehe! Und er kam dies Jahr noch weniger als voriges Jahr. Endlose Regengüsse, Kälte, Wind. Zehn schöne Septembertage (nachdem auch der August getrogen), dann wieder kühl. Jeden Sonnenblick lecken wir auf wie Vieh das Salz in der Wüste. – Dazu kam die ganz unerwartete Kündigung unserer uns in den 4 Jahren doch lieb gewordenen Landwohnung: der Bauer, fortschrittseifrig, will sein Haus umbauen.⁶⁶ Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Wir denken ein Fertighaus am Stadtrand von Eckernförde zu »erstellen«, die Regierung will mit einem Darlehen helfen. Aber alles dauert, dauert. Nicht als ob das uns die Leber benagte: Gesundheit ist alles. Die beschwerliche Heizung geht bald wieder los, es wird wohl doch noch nichts mit dem Umzug vorm Winter. Der Umzug – welche Last! Die große Bibliothek – aber die Eckernförder Kinder werden helfen. Durfte ich Ihnen das alles vorplaudern? Ein Sonnenschein ist mir die Aussicht auf den Druck eines neuen Gedichtbandes (er heißt »Überlebender Tag«), die Fahnenkorrekturen las ich schon. Ich freue mich, Ihnen dann ein Exemplar schicken zu können. Am kommenden Donnerstag lese ich nun also in der Bremer Volkshochschule vor: es soll mir der Gedanke an Sie ein Geleiter sein. Herbert Albrecht⁶⁷ ist mir unbekannt, Seebohm [sic!]⁶⁸ persönlich auch: aber er schrieb seinerzeit zum 70. Geburtstag überraschend warm und anerkennend.– Ich hatte zweimal Besuch von einem Manne, der jahrelang geschwiegen, mir aber offenbar die Treue gehalten hat und einen beträchtlichen Band meiner kritischen Schriften zusammengestellt hat, den er dieser Tage gelegentlich des Tohuwabohus der Frankfurter Buchmesse an den Mann bringen will.⁶⁹ Auch den Verlag für die
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Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 387. Bezieht sich auf Brauns Hinweis: »Herbert Albrecht schreibt mir aus Bremen, wie er sich darüber freut, daß Sie im Winter an der Volkshochschule dort lesen werden. Ich wies ihn auf Sie hin. Er ist mit Hans Jürgen Seekamp, einem mir unbekannten Literaturkritiker, und anderen dort befreundet. Das ist für mich eine besondere Freundestat Herbert Albrechts. Er schlug ein, als ich ihm von Ihnen schrieb. Nun wird Ihr Werk dort weiteren Kreisen zugänglich, was ich so sehr wünsche.« (Brief vom 30. Juli 1954 – Vgl. Fußnote 62). Gemeint ist der Bremer Literaturwissenschaftler Hans-Jürgen Seekamp (1911–1984); Lehmann hat den Namen wohl mit dem des damaligen deutschen Politikers Hans-Christoph Seebohm verwechselt. Vermutlich handelt es sich hier um Werner Siebert (1909–1978), dem Lehmann in dem Essayband [Wilhelm Lehmann, Dichtung als Dasein. Poetologische und kritische Schriften, Hamburg 1956] in einer Widmung für »die liebevolle Mühe, die er sich um Sammlung und Sichtung dieser Aufsätze gab«, herzlich dankte.
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neuen Verse⁷⁰ verdanke ich seinem jungen Freund, einem Schweizer, der jetzt politischer Korrespondent der Zürcher Neuen Zeitung in Paris ist. Lieber Herr Braun, seien Sie mit allen Ihrigen von Herzen gegrüßt. Stets ist mir Ihr Wort eine Freude. Bitte schreiben Sie! Die räumliche Entfernung ist unbegreiflich groß, aber die innere Nähe tröstet. Es ist ein Wunder, unter den heutigen Mißständen in Deutschland, Gedichte gedruckt zu bekommen. Es ist mir eine hohe Freude, sie noch gegen Ende des Lebens unter Dach und Fach gerettet zu wissen. – In Hannover las ich im Juni, und zwar unter besonders glücklichen Umständen. Zwar habe ich immer nur wenige Zuhörer (Sensationelleres lockt mehr!): aber die hören mir klug zu und lassen merken, daß nicht alles umsonst gewesen ist.⁷¹ Hoffentlich können Sie meine schlechte Schrift lesen. Von Herzen grüßt Sie Ihr Wilhelm Lehmann [Darunter:] Der Briefband Elisabeth Langgässers setzt mir ein ergreifendes Denkmal. Eine andere Welt: aber eine, die für meine Welt den offensten Sinn hatte. Möge die Edle weiter in Frieden ruhen.⁷² Eine große Freude ist mir, daß es mir gelang, eine schöne, höchst selbständige Anthologie deutscher Prosa & Poesie, die W. Kraft gemacht hat, als eine der Herbstveröffentlichungen der Deutschen Akademie durchzusetzen.⁷³ Ich verdanke W. Kraft Unendliches. * [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 30. November 1954:] Mein lieber Herr Doktor, haben Sie herzlichen Dank für Ihren so lieben Brief, der uns von den häuslichen Ereignissen erzählt. Wie schade, daß Ihre liebe Frau so leiden mußte. Dürfen wir
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Wilhelm Lehmann, Überlebender Tag. Gedichte aus den Jahren 1951 bis 1954, DüsseldorfKöln [Eugen Diederichs Verlag] 1954. Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 391. Elisabeth Langgässer in dem (posthum erschienenen) Briefband »… soviel berauschende Vergänglichkeit.« Briefe 1926–1950. 1. Aufl., Hamburg 1954 – Auf die am 25. Juli 1950 verstorbene Langgässer hatte Lehmann einen Nachruf geschrieben: Zwischen Ungnade und Gnade, in: DIE ZEIT, Nr. 31, 3. August 1950, S. 3 (vgl. auch Fußnote 33). Die Anthologie: Wiederfinden. Deutsche Poesie und Prosa, Eine Auswahl von Werner Kraft, Heidelberg 1954 (= Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt, 4).
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hoffen, daß es inzwischen besser geworden ist? Jedenfalls haben wir sehr an Sie beide gedacht und vor allem mit guten Wünschen für die Genesung Ihrer Gattin. Auch meine Frau fiel dies Jahr so unglücklich, daß sie sich Hand- und Fußgelenk der linken Seite anbrach. Das Bein schwillt immer noch. Wir mußten sie – in Gips – zur Schule fahren. – Duplizität. Wir hoffen nun sehr, daß sich Ihre Wohnungsfrage inzwischen gelöst hat. Wer weiß, vielleicht wird Ihnen dieser Gruß schon in die neue endgültige Wohnung nachgeschickt?⁷⁴ […] Mit Herrn Werner Kraft habe ich – auch über die Weite – einen recht guten Gedankenaustausch.⁷⁵ Er hat mir zwei seiner Gedichtbände geschenkt und einen sehr interessanten Aufsatz »Das Dunkel des Gedichts«.⁷⁶ Wieder Weihnachten unter den goldenen Blüten der Palmen. Ihrer und Ihrer lieben Gattin gedenkt in großer Liebe Ihr getreuer Walter Braun * [Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 30. Dezember 1954:] Lieber Herr Braun, das Jahr ist im Verscheiden: im nebelnassen Dorf klappern zuweilen Hufe auf den Katzenköpfen, an die sich nach den Richtungen Eckernförde und Rendsburg dann die Asphaltdecke ansetzt: die Feldwege sind aufgeweicht, die Löcher, die die Lastwagen schlugen, spülte der viele Regen aus. Ich will Ihrer gedenken, obwohl meine Phantasie versagt, sich blühende Palmen, wie Sie schreiben, vorzustellen. Mittlerweile habe ich Ihren Bremer Jugendfreund kennengelernt.⁷⁷ Ein Tornado von Mann, durch alle möglichen Denksysteme geisternd, aber – und das bewegte mich – auch Gedichte Oskar Loerkes auswendig wissend. Er verdankt
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Der Umzug von Klein-Wittensee nach Eckernförde fand erst Ende 1955 statt. (Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 387–389.) Vgl. Fußnote 43. Werner Kraft, Das Dunkel des Gedichts, in: Akzente. Zeitschrift für Dichtung, hg. v. Walter Höllerer u. Hans Bender, Jg. 1, 1954, S. 132–140. Vgl. Fußnote 67 – Auch Werner Kraft wusste von der Lesung in Bremen und hatte am 20. Oktober 1954 an Lehmann geschrieben: »Wie wußte ich aber schon, daß Sie in Bremen vorlesen werden? So klein ist eben heute die Welt: Jemand aus Bremen schreibt an jemanden in Paraguay, der wiederum an jemanden in Jerusalem schreibt, voilà.« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 50). Und schrieb am 10. November 1954 an Lehmann: »Wiederum aus Paraguay kommt die sensationelle Nachricht, daß Sie in Bremen in einem privaten Kreise bis 3 Uhr nachts zusammen waren.« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 56).
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Ihnen, seiner Rede nach, offenbar viele Impulse. Was mich angeht, so hatte ich in der großen Stadt Bremen 25 Zuhörer, nicht als ob mich das bekümmerte, aber es ist charakteristisch.⁷⁸ Ob Sie inzwischen meinen Band »Überlebender Tag« bekommen haben?⁷⁹ Ich möchte es wünschen. Und dann noch eine Frage. Wäre es denkbar, daß Sie der Leser sind, der »aus dem südamerikanischen Urwald« gegen die alberne ›Feststellung‹ des Herrn Lernet-Holenia, meine Dichtung (und die Holthusens!!!) »versuche, zur Bravheit der 80er Jahre zurückzufinden«, protestierte?⁸⁰ Nur aus diesem Protest einer Leserzuschrift erfuhr ich’s. Der Aufsatz selbst ist zu belanglos, als daß man über ihn spräche. Herr L. H. ist der Verfasser von Amüsierprosa; Lyrik hat er in den zwanziger Jahren als überflüssig abgetan: sie erwidert nämlich seine offenbar unglückliche ›Liebe‹ nicht. Zum Überfluß fällt mir aus dem Sept. 52 aus der ›Neuen Zeitung‹ noch sein ›Offener Brief an Gottfried Benn‹ in die Hand.⁸¹ Er sucht an arrogantem Snobismus seinesgleichen. Darin heißt es: »Sie (Benn) bewirteten mich mit dänischer Wurst und französischem Rotwein, wir hörten die Auslandssender (welcher 78
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Etwas ausführlicher berichtet Lehmann in seinem Brief vom 19. November 1954 an Kraft: »Ja, in Bremen war ein Architekt, Jugendfreund des Paraguayers, von dem er allerlei Interessantes erzählte; bei dem war ich zusammen mit H. J. Seekamp, einer betulich eleganten Bremischen Erscheinung […], nach der kleinen Vorlesung im Gobelinsaal des Neuen Rathauses, zu Gast. Dieser Albrecht erwies sich als ein Tornado von Mann, mit riesigen Geistessprüngen durch alle mögliche Philosophie u. Unphilosophie des Heute rasend, für m. Urteil viel zu sehr angetan vom windigen Heidegger. Jedenfalls hatte er köstliche Weine. Als ich am Morgen drauf im Hospizhotel aufwachte, glaubte ich, es wäre mit mir vorbei, so elend fühlte ich mich leider. So viel über Paraguay, woher ich lange nichts mehr gehört habe: W. Braun war oder ist noch krank?« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 59). Wilhelm Lehmann, Überlebender Tag. Gedichte aus den Jahren 1951 bis 1954, DüsseldorfKöln 1954 – Braun hatte den Band mit folgender handschriftlichen Widmung erhalten: »Walter Braun / über Raum und Zeit / herzliche Grüße / adventisch: / Wilhelm Lehmann, / 6. Dezember 1954«. Alexander Lernet-Holenia (1897–1976), österreichischer Schriftsteller und Kritiker; Hans Egon Holthusen (1913–1997), deutscher Schriftsteller – Braun hatte in der Tat gegen den Aufsatz in der von Friedrich Torberg (1908–1979) herausgegebenen Zeitschrift FORVM protestiert; den Protestbrief haben wir leider nicht mehr ermitteln können. Siehe aber Brauns »Ja, peccavi …« in seinem Brief an Lehmann vom 9./24. Januar 1955. Im Anschluss an das Internationale Dichtertreffen in Knokke-Le Zoute, am 12. September 1952, hatte Lernet-Holenia einen offenen Brief an Gottfried Benn gerichtet – erschienen in: Die Neue Zeitung, Nr. 228 vom 27./28. 09. 1952 – und ihn »zum großen Zwiegespräch« aufgefordert; Benns Erwiderung erschien ebenfalls in: Die Neue Zeitung, Nr. 246 vom 18./19. 10. 1952. (Benns »Vortrag in Knokke« und seine Erwiderung auf Lernet-Holenias offenen Brief finden sich jetzt u. a. auch in: Gottfried Benn, Gesammelte Werke in acht Bänden, hg. v. Dieter Wellershoff, Wiesbaden 1968 – dort in Bd. 4, S. 1105–1113 bzw. Bd. 7, S. 1763– 1769).
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Mut!), ja eines Tages konstatierten Sie, in Ihrer Ordination, bei mir sogar pythiriasis rosea. ›Ich kann sie Ihnen wegkurieren‹, sagten Sie, ›aber in 6 Wochen verschwindet sie ohnedies von selbst.‹« – Wie gut, daß sie von selbst verschwand. Werner Kraft meinte neulich, wer mit so unsolidem Anspruch auftritt, könnte der ein guter Hausarzt sein, was doch wenigstens etwas wäre? Er, W. K., würde, wenn er ein Hautjucken hätte, kaum zu Dr. G. B. gehen …⁸² Nun, man kann es nur z. T. Benn übelnehmen, wenn ihn Snob Kultus & Snobgemeinde für einen Olympier halten … Genug von diesem. Das Jahr stirbt, das ist immer für mich feierlicher als Weihnachten & ich lese dann immer im ›Maler Nolten‹ die Turmmusik des Sylvesterabends.⁸³ Ich wünschte mir, Sie denken um die Mitternachtsstunde einmal zu mir herüber. Es ist immer noch die Zeit, da das Wünschen hilft. Also wünschen wir einander Gutes, Beständiges, Herzliches – Ihr Wilhelm Lehmann * [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 9. Januar 1955 / 24. Januar 1955:] Mein lieber, hochverehrter Herr Doktor, so lange höre ich nichts von Ihnen, außer dem schönen Brief nach der Lesung in Bremen aus dem Hause Herbert Albrechts.⁸⁴ Da läßt mir unser Freund Werner Kraft »Das Gedicht Jahrbuch zeitgenössischer Lyrik 1954/55« zugehen, und ich darf mich nun an Ihren Worten freuen.⁸⁵ […] 24. 1. 55: Erst heute kann ich weiterschreiben. Haben Sie meinen, unsern, herzlichsten Dank für Ihren lieben Brief beim Jahreswechsel. Es betrifft mich tief, daß Sie den ›Maler Nolten‹ so lieben. Er gehört auch zu meinen liebsten Büchern. […] Ja, peccavi, ich habe protestiert, aber nichts mehr von Torberg gehört (dessen Parodien übrigens nicht ohne Pointe sind, der sich aber an Heidegger machen 82 83
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Vgl. Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 65. Lehmann denkt wohl an die Episode »am Abende des letzten Dezembers« und das vorgetragene Lied »Seht ihr am Fensterlein / Dort die rote Mütze wieder? …« [= Mörikes Gedicht Der Feuerreiter] aus: Eduard Mörike, Maler Nolten. Novelle in zwei Theilen, Stuttgart 1832, Erster Theil, S. 29–49 bzw. S. 45–46. Vgl. die Fußnoten 77 und 78. Das Gedicht. Jahrbuch zeitgenössischer Lyrik 1954/55, hg. v. Rudolf Ibel, Hamburg 1954; darin finden sich u. a. Beiträge von Werner Kraft und Wilhelm Lehmann.
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sollte, damit dieser Sprachzerstörung einmal durch Lächerlichmachen ein Ende gesetzt würde), der mit L.-Holenia das ›Forum‹ herausgibt, so daß ich erst durch Sie erfuhr, daß er meinen Protest gedruckt hat. Ich fand diese Haltung L.-Holenias zu snobistisch dumm.⁸⁶ Ich kenne diesen »offenen« Brief an G. Benn auch, und was mir mißfiel, war dies, daß er von Benns »morgen schon globalem Ruhm« sprach.⁸⁷ Das geht weit über das Maß der Übertreibung hinaus. Wie er dann über Ihre Kunst sprach – nachdem er im selben Gedichtband »Geliebte Verse«⁸⁸ auch andere Dichter als nur Benn und [Siegfried] Lang ausgewählt hatte und mit so sichtlich verletzender Art (»Bravheit der achtziger Jahre«); dieser nichtssagende Ausdruck, als wenn es das nicht immer gäbe – das durfte ich nicht unwidersprochen hinnehmen. Lieber freilich wäre es mir gewesen, Sie hätten es nicht zu hören bekommen, mein lieber Herr Doktor, denn was will wohl so ein Protest besagen? Außerdem halte ich, wie Sie, Herrn L. H. für nicht legitimiert, in Sachen Ihrer Dichtkunst mitzureden. Ich las etwas von seiner Prosa, auch Ihre Bezeichnung, wie gut sie auch trifft, scheint fast noch zu schade. Außerdem hat er, glaube ich, kein Recht mitzureden. […] Wir hoffen sehr, daß es Ihrer lieben Frau besser gehe! – (Der Fuß meiner Frau ist nicht ganz besser geworden.) Mit allen guten Wünschen über die Weite gedenkt Ihrer, hochverehrter, lieber Herr Wilhelm Lehmann, Ihr getreuer Walter Braun […]⁸⁹ *
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Vgl. Fußnote 80. Lernet-Holenia in seinem offenen Brief an Benn: »Wie im ›Tasso‹ hat der Lorbeerkranz die Stirnen gewechselt, die Toten haben ihn an Sie, den Lebenden, weitergegeben, und wenngleich man den Ruhm hassen sollte, weil er verwirrt und verstört, freue ich mich wie kaum ein anderer Ihres deutschen, Ihres europäischen, Ihres morgen schon globalen Ruhms.« (Vgl. Fußnote 81.) Geliebte Verse. Die schönsten deutschen Gedichte aus der ersten Jahrhunderthälfte, hg. v. Max Niedermayer, 1. Aufl., Wiesbaden [1950] – Die von Gottfried Benn, Max Bense, Kasimir Edschmid [u. a.] ausgewählte Sammlung enthält Gedichte von Benn, Brecht, Hesse, LaskerSchüler, Lehmann, Loerke, Rilke u. a. Brauns folgenden Brief vom 2. April 1955 haben wir hier ausgelassen. (Brief vollständig in: »Herzlichst …«, [16], S. 30–31).
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[Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 24. Dezember 1955:]⁹⁰ Lieber Herr Braun, viel zu lange habe ich Ihnen nicht geschrieben.⁹¹ Ich muß immer daran denken, daß mir mein abgeschiedener geliebter und verehrter Freund Moritz Heimann⁹² erzählte, ein ihm bekanntes, in wirklicher Liebe verknüpftes Paar wäre der Entfernung halber (er mußte nach Amerika, sie blieb in Deutschland, verlobt, zurück) auseinandergegangen. So lähmt meine Phantasie die unendliche Entfernung: nicht einmal für das entzückende Palmenaquarell Ihres lieben Töchterleins habe ich gedankt. Ich will mich nicht entschuldigen, aber: meine Kräfte nehmen ab und ich versinke häufig in schwermütige Tiefe. Daß mir Ihr Vorhandensein ein großer, ein wahrhafter Trost für dieses Erdenleben bedeutet, daran besteht kein Zweifel. Wie mag es Ihnen gehen? Hier haben wir also das gewohnte norddeutsche Schmuddelwetter, den Schnee der letzten Tage bläst weicherer Wind weg & saugt Regen weg: ich habe den Eimer unter die Rinne gestellt, um Regenwasser für die wenigen Pflanzen zu haben, die das Leitungswasser töten würde: reiche Alpenveilchen (welch ungeschickter Name) stehen in der kühlen Veranda: wie viele ›fertig gekaufte‹ Pflanzen gehen an falscher Behandlung zugrunde. Ich habe drei neue Gedichte veröffentlicht, die schreibe ich Ihnen ab.⁹³ Eine Freude dieses Jahr wieder, war der Besuch des Kraftschen Paares.⁹⁴ An gedankenreichem Gespräch war kein Mangel: W. K. ist ein reich verschenkender Geist: wohl dem, dem er seine Gunst zuwendet. Die Wenigsten ahnen etwas von seiner Bedeutung. Im Oktober hielt ich mit Günther Anders, dem in Wien lebenden Sohn des vor der Nazizeit in 90
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Die Absenderadresse lautet jetzt: »Eckernförde (Schleswig-Holstein), Krankenredder 5« – Dorthin waren Lehmann und seine Frau Frieda im November 1955 umgezogen (vgl. Fußnote 74). Lehmann hatte zuletzt am 30. Dezember 1954 an Braun geschrieben. Jetzt schreibt er offenbar auch auf Werner Krafts Wunsch hin; die Bitte findet sich in Krafts Brief an Lehmann vom 17. Dezember 1955: »Wenn Sie etwas Gutes tun wollen, schreiben Sie doch einmal an Walter Braun in Primavera Alto Paraguay, nicht nur darum, weil er Sie sehr verehrt, sondern darum, weil er sehr krank ist und wohl nicht mehr lange leben wird. Er hat mir mit offenbar sehr großer Fassung der Seele geschrieben, daß er Perniziöse Anämie hat. Es ist nicht auszudenken, wie er sich über einen Brief von Ihnen [Nachtrag: Ohne Bezug auf seine Krankheit!] freuen würde, und solche Freude könnte auch Heilkraft haben. (Ich glaube daran!).« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 92). Vgl. Fußnote 54. Die drei Gedichte, am Ende des Briefes wiedergegeben und mit einer Widmung versehen, wurden dann auch (zusammen mit anderen Gedichten) zu Lehmanns 75. Geburtstag veröffentlicht in: Wilhelm Lehmann, Meine Gedichtbücher, Frankfurt am Main 1957 (vgl. auch Fußnote 101). Werner Kraft und seine Frau Erna hatten Lehmann und seine Frau Frieda im Sommer 1955 erneut besucht, diesmal in Eckernförde. (Vgl. Fußnote 43; siehe auch: Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 80–85.)
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Hamburg wirkenden Psychologieprofessors William Stern, ein Gespräch für den Nordwestdeutschen Rundfunk über »Das rettende Wort. Ein Schlüsselbegriff der zeitgenössischen Dichtung«.⁹⁵ Er war leidend, im klappernden Liegewagen zwischen Wien und Hamburg von einem Leberanfall heimgesucht, hielt er sich heroisch aufrecht, immer von Unwohlsein geplagt: wir setzten uns viermal zu intensivster Vorarbeit für unser Gespräch zusammen. Wir hatten beide das Gefühl, daß dieses (nachdem wir es dann im Studio, unter höchst despektierlicher Behandlung der Rundfunkgewaltigen) »stehe«: und daran haben wir uns die Zeit danach hoch- und festgehalten, denn das war nötig. Uns hatte diese Behandlung empört, der reiche Rundfunk war kleinlich mit den Spesen für G. A., er war verärgert, er war leidend: und nun, als wir im Erfrischungsraum eines großen Hamburger Kaufhauses – im Anschluß an die Aufnahme ein bißchen gemittagt hatten, war ihm sein schöner, in New York (er war emigriert vor den Verbrechern) gekaufter Wintermantel (mit Kamelhaarfutter u. dgl.; meiner hing am selben Haken, hat den Dieb, weil weniger gut, nicht gereizt) schändlich gestohlen. Gewiß, es gibt Schlimmeres, aber G. A. brach zusammen, das wäre zu viel. Ein Glück, daß ich dabei war, ihn ermutigte und tröstete – er schrieb mir seinen Dank in rührenden Worten. Mir war’s eine Ehre, ihm beigesprungen zu sein. Der Rundfunk gebärdet sich, daß unsereins ihm mit Tränen in den Augen zu danken habe, dafür, daß wir der Gnade teilhaftig werden, in seinen heiligen Hallen den Mund auftun zu dürfen. – Ich habe eine Th. Stormauswahl mit einem Nachwort für den Manesseverlag erarbeitet:⁹⁶ ich ging, dazu riet mir der ebenso reich wie W. Kraft verschenkende G. Anders, vom herrlichen Briefwechsel zwischen Storm und Keller aus.⁹⁷ Es war mir reizvoll, »meinen« Th. Storm noch einmal gründlich zu revidieren: er ist kein großer, aber er ist ein Dichter. (Th. Mann hat, aus eigener, unerfüllter Sehnsucht, seine Lyrik überschwenglich gepriesen, was noch charakteristischer für M. als für St. ist.)⁹⁸ Dann bat mich noch eine rheinische Zeitung, die zur Weihnacht eine Seite ediert ›Etwas vergessene Künstler‹, die merkwürdigerweise nicht 95
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Günther Anders, (eigentlich:) Günther Siegmund Stern (1902–1992), Schriftsteller, Erzähler, Lyriker, Essayist, Kulturkritiker – Das von Lehmann erwähnte Rundfunkgespräch ist nicht mehr ermittelbar; vgl. dazu jedoch auch Lehmanns Kurzbericht in: Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 97. Theodor Storm, Meistererzählungen. Auswahl und Nachwort von Wilhelm Lehmann, Zürich 1956 (= Manesse-Bibliothek der Weltliteratur). Der Briefwechsel zwischen Theodor Storm und Gottfried Keller, hg. u. erl. v. Albert Köster, Berlin 1904 [u.ö.]; Nachdruck der Originalausgabe von 1904 jetzt erschienen im Europäischen Literaturverlag, Bremen 2012. Thomas Manns Essay Theodor Storm, erstmals erschienen in: Daheim, 66. Jg., Nr. 46–47, Berlin 1930; später u. a. auch in: Thomas Mann, Werke. Das essayistische Werk. Taschenbuchausgabe in 8 Bänden, hg. v. Hans Bürgin, Frankfurt am Main 1968 (= Moderne Klassiker. Fischer Bücherei), Bd. 2, S. 16–33.
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gar weit von uns, in völliger Einsamkeit, lebende berühmte Hedwig Wangel zu interviewen (das erste meines Lebens): ich traf eine großartige, ungebrochene Achtzigerin.⁹⁹ Nichts von elegisch verklingender Primadonna. Die große christliche Wandlung, die sie erfuhr, konnte ich in dem kurzen Exzerpt für die Zeitung (70 Zeilen: ich schick’s Ihnen, sobald die No. erscheint) nur andeuten. Hoffentlich ist ein kleiner Würzgeschmack, ein Etwas von meinem großen Eindruck in meinem Bericht hängen geblieben oder eingefangen. Die Menschen verfallen wie immer (aber auch aus Triest schreibt mir das eine Korrespondentin) in die Weihnachtshast. Als ob irgendwann und wo auf dieser Erde es etwas zu hasten gäbe! In tiefe, tiefe Ruhe zu versinken wie Heinrich Seuse:¹⁰⁰ das Ereignis des Daseins hinnehmen und es dann wieder zurückgeben: wer es kann, darf darüber froh werden. Nun soll dies ab am Vormittag des Heiligen Abends weg zu Ihnen. Ich glaube nicht, daß es ein leichtsinniges Versprechen ist, wenn ich sage: ich werde Ihnen bald schreiben. Nur bin ich manchmal sehr müde & die physischen Kräfte des bald 74jährigen reichen nicht mehr weit. Aber sie reichen, Ihrer in Liebe & Anhänglichkeit zu gedenken: Ihr Wilhelm Lehmann [Beiblatt:]¹⁰¹ Für Walter Braun Eckernförde, 24. XII. 55 Nu des Sommers Rose stillt die Lust der Hände, Blasse Speiche, Zimmetnabe; Augenblicks bestimmte Fülle: Eine Freude meine Gabe.
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Hedwig Wangel: (eigentlich:) Amalie Pauline Hedwig Simon (1875–1961), deutsche Schauspielerin – Lehmanns Beitrag erschien unter dem Titel Abseits vom Tagesruhm. Fahrt zu Hedwig Wangel in: Rheinische Post [Düsseldorf], 24. 12. 1955. 100 Heinrich Seuse (um 1293–1366), deutscher Mystiker. 101 Lehmanns handschriftliches Beiblatt weist (abgesehen von den hier kursiv wiedergegebenen Unterstreichungen) gegenüber der Druckfassung in den Gesammelten Werken (Lehmann, GW 1, S. 247–249) einige Unterschiede auf. (Im Folgenden in [ ] wiedergegeben.) – Nu des Sommers [Schneller Sommer], Z. 10 Luftgewebe, hergegangen: [Luftig in die Zeit gegangen:], Z. 15 nächsten Sommer? [andern Sommer?] – Kunstgriff [–], Z. 4 Läßt sie in ein Nichts verschwinden. [Läßt ins Ungetane schwinden.], Z. 6 Wort hat listig sie gebannt, [Überfall des Wortes bannt,], Z. 9 zum Entzücken. [ein Entzücken.] – Hier [–], Z. 6 ein Lüsten. [Gelüsten.], Z. 8 Mit Hänflingsbrüsten [Bluthänflingsbrüsten].
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Liebeslustig Nähe, Ferne, Ineinander hingegossen; Trocknes Gold treibt durch die Gerste, Wie mit Meerestümmlers Flossen. Romeo und Julia kommen, Luftgewebe, hergegangen: Rose in der Hand errötet, Da sie sich wie je verlangen. Und sie fällt. Und schmerzt es sie? Speiche wirft sich, trocknet Nabe. Weiß die Rose nächsten Sommer? Eine Trauer meine Gabe. Kunstgriff Hand, die durch ein Seihtuch zwängt, Frucht ihr Bestes zu entwinden, Stunde, überangestrengt, Läßt sie in ein Nichts verschwinden. Leichtes kann die Frucht berücken, Wort hat listig sie gebannt, Das wie ihre Haut sich spannt, Keine Stelle wund zu drücken – Zweitem Leben zum Entzücken. Hier Wenn Mittag den Duft noch spürt Von Mädesüß und Kamille, Graben Schatten den Weg. Er führt Zur Hadesstille. Schatten, unter die Bäume gepreßt; Zu gilben rührt die Blätter ein Lüsten. Mit Funken zerstiebt der Sommerrest, Mit Hänflingsbrüsten.
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Suche, Demeter, die Entrückte Nicht in Pisa und Hermione – Hier, wo sie Kamille, Mädesüß pflückte, Schwand Persephone. * [Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 21. Januar 1956:] Mein lieber Herr Doktor, eben erreicht mich Ihr lieber Brief vom Vormittag des 24. Dezember. Haben Sie meinen herzlichen Dank für Ihre lieben Worte, für Ihr Gedenken, für die Gedichte. Die Ankunft Ihres Briefes trifft mich zu einem Zeitpunkt, an dem ich mich sehr mit Ihnen und Ihrer Kunst beschäftige. Ich wollte auch an Sie schreiben, so trifft nun beides zusammen. […] Zunächst aber will ich ordentlich Ihren lieben Brief beantworten, lieber Herr Doktor. Über Ihre Befürchtung, wir könnten uns voneinander entfernen, kann ich nur sagen, daß ich wohl hätte schreiben sollen. Erst vor einigen Monaten haben die hiesigen Ärzte die Diagnose eines deutschen befreundeten Arztes bestätigen müssen, daß ich perniziöse Anämie habe. So sind mir Schranken auferlegt. Ich habe den Kampf indessen nicht aufgegeben u. werde ihn nicht aufgeben (p. A. ist unheilbar, in Graden kompensierbar; kontrollierbar durch Vitamin-B12 Spritzen wie z. B. Diabetes durch Insulin).¹⁰² Trotzdem hat mich die durch die Krankheit hervorgerufene Unruhe recht beeinflußt. Da namentlich die Nerven betroffen sind, muß ich mich vor neurotischen Eruptionen hüten, zu denen ich oft neige. – Beruhigt über Ihre Lage hatte mich schon vorher ein Brief Herrn Krafts, der mir von seinem Besuch bei Ihnen erzählt.¹⁰³ Nun will ich nicht glauben, lieber Herr Doktor, und ich werde es Ihnen nicht zugeben, daß Sie in schwermütige Tiefe versinken. Ihr Brief mit dem Beispiel der Hilfe für Herrn [Günther] Anders, Ihre Liebe, mir Ihre drei letzthin veröffentlichten Gedichte zu schicken, zeigt das Gegenteil. […] Wie dankbar bin ich Ihnen, lieber Herr Doktor, daß Sie mich mit Werner Kraft zusammengebracht haben! Hier hat sich eine schöne Beziehung, um nicht
102 Braun hatte zuerst in seinem Brief vom 15. April 1954 von »einer ärztlichen Untersuchung« berichtet (vgl. dazu auch Fußnote 63). Lehmann war über Brauns Krankheit inzwischen aber auch von Werner Kraft in dessen Brief vom 17. Dezember 1955 informiert worden (vgl. Fußnote 91). 103 Vgl. Fußnote 94.
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zu sagen Freundschaft ergeben. Wir differieren in manchen Dingen. So schätzt er George, dem ich nichts abzugewinnen vermag. Ich denke, es wird nicht viel bleiben, von Rilke werden einige Gedichte aus der letzten Zeit bleiben. (Ich wollte nur vergleichen.) Was Sie mir von Herrn Günther Anders erzählen, bewegt mich sehr. (Meine Frau hatte vor, u. a. auch in Hamburg zu studieren und William Stern zu hören. Aber da verlobten wir uns, und aus der Fortsetzung ihres Studiums wurde nichts. Was ist aus W. Stern geworden?)¹⁰⁴ […] Ich bin sicher, daß Sie sich mit allen neuen Bestrebungen (in Deutschland) um die Lyrik befaßt haben. Uns hier im Urwald ist wenig zugänglich. Immerhin las ich zwei Nummern der »Profile« und in der Vierteljahresschrift »Augenblick« [Eugen] Gomringers neue Versuche.¹⁰⁵ Jedoch bin ich nicht sehr beeindruckt. Auch Ezra Pound, der von einem amerikanischen Bruder hier sehr geschätzt wird, sagt mir nichts.¹⁰⁶ Oder nicht eben viel. Unausgesprochen wirkt in jeder Dichtung der Zeitgeist mit. Von dem, was man in unserm Zeitalter als Zeitgeist reden muß, dem Existentialismus und Nihilismus als Ausdruck der Beherrschung d[er] Technik und der Verdrängung Gottes (Depotenzierung zum Begriff, Gott aber ist Kraft), merke ich z. B. in der Lyrik jetzt – soweit sie mir zugänglich ist – vor allem den Ausdruck von Ratlosigkeit. – Lasen Sie den Expressionistenband des Limes Verlages? –¹⁰⁷ So seien Sie über die Weite treulichst gegrüßt von uns allen, vor allem aber von mir. Herzlichst: Ihr Walter Braun *
104 William Stern (1871 als Wilhelm Louis Stern in Berlin geboren), bedeutender Psychologe und Mitbegründer der Universität Hamburg, war 1933 – angesichts der Judenverfolgung in Deutschland und gewarnt von seinem Sohn Günther Anders (vgl. Fußnote 95) – mit seiner Frau zunächst in die Niederlande und dann in die USA geflohen, wo er 1938 starb. 105 Eugen Gomringer (geb. 1925), gilt als Vater der Konkreten Poesie. In der Zeitschrift Augenblick. Aesthetica, Philosophica, Polemica, hg. v. Max Bense, waren (1955 in Jg. 1, Heft 1 u. 2) von Gomringer folgende Beiträge erschienen: sich zusammenschließen, Aussonderung der Intelligenz und vom vers zur konstellation. Zweck und Form einer neuen Dichtung. 106 Über Ezra Pound (1885–1972) äußern sich Braun und Lehmann mehrfach kritisch in ihren Briefen; Braun u. a. kurz in seinem Brief vom 12./22. Februar 1956, Lehmann ausführlicher in seinem Brief vom 10. Juni 1956. (Vgl. dazu auch die Fußnoten 121, 122 und 123). 107 Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts. Von den Wegbereitern bis zum Dada. Eingeleitet von Gottfried Benn, hg. v. Max Niedermayer u. Marguerite Schlüter, Wiesbaden 1955.
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[Walter Braun an Wilhelm Lehmann, 12. Februar 1956 / 22. Februar 1956:] Mein lieber Herr Doktor, aus beiden Büchern, sowohl dem »Grünen Gott« wie dem »Entzückten Staub«,¹⁰⁸ kenne ich schon einige Gedichte, die mir vertraut und lieb sind. Es hat mich jäh überfallen, diese schöne Fülle wohlgerundeter Früchte, die in diesen beiden Gedichtbänden zu mir ins Haus geregnet kommt. […] 22. 2. 56: Diesen Brief mußte ich oft unterbrechen. Nun bin ich gespannt, ob wohl Herr Lambert Schneider die erbetenen Bücher von Ihnen schickt.¹⁰⁹ Herr Werner Kraft hat lange nicht geantwortet. Heute stieß ich auf ein Buch der Elisabeth Langgässer, sehr zu Unrecht ist diese Dichterin so vergessen. Es heißt »Der Torso«¹¹⁰ und enthält zwei Gedichte und eine Reihe kurzer Erzählungen nach 1945. Sie kennen es bestimmt. Für zwei solcher Gedichte gebe ich alle Gedichte von Stefan George und alle von Ezra Pound her; mit Pounds Lyrik kann ich mich nicht befreunden¹¹¹, dagegen liebe ich Marianne Moore, Edith Sitwell, Hans Arp.¹¹² Da ist – wie in Ihren Gedichten – Dichtigkeit, wie sie Hofmannsthal ersehnte. […] Hoffentlich erreicht Sie dieser Brief zu Ihrem Geburtstag. Wie leben Sie in Ihrer neuen Wohnung?¹¹³ Deborah geht dies Jahr nach Asunción, um weiter zu lernen. Ich kann sie nicht bitten, etwas zu zeichnen. Sie ist als Hilfe in Familien sehr gesucht. Jetzt kommt noch ihre Vorbereitung dazu. Sie erwartet etwas von der Stadt und der Schule. Immer ist die Frage der Kinder: Vater, hast du etwas zu lesen für mich? Grace (17) strengt sich an, das »Glasperlenspiel« [von Hermann Hesse] zu lesen, das Deborah ohne Mühe bewältigte, aber sie schafft es nicht. Ich rede ihr gut zu, sie müsse vorher Yogi werden und wenigstens einige Yogastellungen üben, etwa Heuschrecke und Grille. Hesses neueste Verlautbarung – er gestattet Suicidium, verteidigt sogar! – in der ›Universitas‹ hat mich
108 Wilhelm Lehmann, Der grüne Gott. Ein Versbuch, 2. Aufl., Heidelberg 1948; Wilhelm Lehmann, Entzückter Staub. Gedichte, Heidelberg 1946. 109 Braun hatte den Verleger um Lehmanns Essayband Bewegliche Ordnung und den Erzählband Verführerin, Trösterin und andere Erzählungen gebeten, die beide 1947 im Verlag Lambert Schneider in Heidelberg erschienen waren. 110 Elisabeth Langgässer, Der Torso. Hamburg 1947. 111 Vgl. Fußnote 106. 112 Marianne Moore (1887–1972), US-amerikanische Schriftstellerin; Edith [Dame] Sitwell (1887–1964), englische Schriftstellerin; Hans [Jean Peter Wilhelm] Arp (1886–1966), deutsch-französischer Maler, Grafiker, Bildhauer und Dichter. 113 Vgl. die Fußnoten 74 und 90.
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mit Abscheu erfüllt.¹¹⁴ Ich mag auch seine Gedichte nicht mehr, das Einzige was mich anspricht, sind gewisse Szenen aus »Narziß und Goldmund«, die wohl auf Erlebtem beruhen; ich meine die, wie Goldmund ausbricht. – Doch die Kinder müssen selber urteilen lernen. Mich wundert, ob ihnen nicht (wie mir) Christian Morgenstern¹¹⁵ mehr bedeuten könne als z. B. Hesse oder George. Oder K[arl] Wolfskehl.¹¹⁶ Das ist doch ein Kerl! Er spricht mich unmittelbar an. So grüße ich Sie denn, mein lieber Herr Lehmann, auf das Allerherzlichste und sende Ihnen meine guten Wünsche zum 4. 4.¹¹⁷ Ihnen und Ihrer lieben Gattin alles Gute von uns aus dem Urwald Ihr Walter Braun. […]¹¹⁸ * [Wilhelm Lehmann an Walter Braun, 10. Juni 1956:] Lieber Herr Braun, nun habe ich schon wieder zwei Briefe von Ihnen bekommen und noch keinen beantwortet. Im ersten dieser zwei schrieben Sie mir zum ersten Mal (W. Kraft hatte mir aber davon gemeldet) von Ihrem Leiden:¹¹⁹ es beruhigt mich ein wenig, daß Sie ihm entschlossen begegnen – im zweiten Brief schreiben Sie sogar nichts davon, hoffentlich ist das kein böses Zeichen. Bei mir ist es die immer sich mehrende Müdigkeit, der ich jedesmal einen Brief erst abringen muß. (W. Kraft wüßte gewiß auch davon zu erzählen.) Wo beginnen, wo aufhören? Ich muß Ihnen gestehen, daß es mir immer noch märchenhaft-unwirklich vorkommt, nach Paraguay zu sprechen. Mir ist, als 114 Hesses Text war bereits 1950 in Heft 7 der Zeitschrift Universitas unter dem Titel Notizen aus dem Sommer 1949 erschienen. – Brauns heftige Kritik an Hesse dürfte Lehmann aus mehreren Gründen befremdet oder missfallen haben: Selbstmordgedanken hatte Lehmann (wie Hesse) nicht nur in seiner Jugend; zudem erfreute er sich der Anerkennung Hesses, der sich Mitte der 1950er Jahre mehrfach lobend über Lehmanns Werk geäußert hatte. (Vgl. dazu auch: Scrase, Lehmann, S. 284, 381, 392–394). – Möglicherweise trug Brauns Kritik an Hesse mit dazu bei, dass Lehmann seinen Briefwechsel mit Braun (nach seinem letzten Brief vom 10. Juni 1956 an ihn) beendete (vgl. dazu Fußnote 141). 115 Christian Morgenstern (1871–1914), deutscher Schriftsteller und Lyriker. 116 Karl Wolfskehl (1869–1948), deutscher Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker. 117 Lehmanns Geburtstag; Braun irrt sich erneut im Datum (vgl. Fußnote 60). 118 Brauns Brief vom 9. April/17. Mai 1956 haben wir hier ausgelassen. (Brief vollständig in: »Herzlichst …«, [20], S. 37–39). 119 Vgl. Fußnote 91 und Krafts Mitteilung an Lehmann vom 30. April 1956: » So will ich Ihnen noch schnell sagen, daß mir Walter Braun in Primavera – außer, leider, daß es ihm nicht besser geht – geschrieben hat: […]« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 108).
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müßte ich weit ausholen, sozusagen ganz von vorn unsere Korrespondenz beginnen. (Ehe ich’s vergesse, im letzten Brief steht: »Eine schöne Tillandsia meridionalis steht vor mir auf dem Tisch … Die Euphorbia pulcherrima färbt ihre Blätter rot, die Kolibris kommen und trinken aus den gelben Blüten. Der Wind redet zu mir, indem er die Blätter der großen Palme rauschen läßt. – Was will ich mehr?«¹²⁰ Ich lebe Ihnen das nach: man braucht gewiß nicht mehr zu wollen.) Übrigens, wenn ich an Sie denke, fällt mir meist Ihr allererster Brief ein: Sie hatten auf Kreta bei rotem Lehm an die Verse ›Oberon‹ gedacht. Ob nicht doch wohl eins der sichersten Kriterien eines Gedichts ist, daß es einem im Kopf bleibt? – Von Ezra Pound habe ich weniger dichterische Impulse empfangen (an die Pisan Cantos wage ich mich gar nicht) – auch ist er mir politisch nicht geheuer, indem er das jüdische Wuchertum zu seiner fixen Idee erkor, also der alte Wahnsinn –¹²¹ (außerdem teilt er mit Eliot die Unkenntnis deutscher Dichtung, die beide nicht abhält, sie zu verwerfen; der Eliot hat Benn allerdings neulich geehrt?)¹²² – mit vielen Vorbehalten lese ich den alten Polterer ganz gern, wenn er in einem ABC of Reading gegen Luderlichkeiten der Dichter und ihrer Leser oder Nichtleser vom Leder zieht (z. B. The reader will often misjudge a condensed writer by trying to read him too fast u. ä.).¹²³ Aber eins möchte ich Sie fragen. Was setzt uns eigentlich in den Stand, Poesie in einer anderen Sprache als der eigenen (und man ist doch nur in dieser einen zu Hause. Ich ›kann‹ gewiß recht gut Englisch – und habe eben darum zuweilen das Gefühl, daß ich ganz und gar kein Englisch ›könne‹) zu schätzen? Antwort ließe sich nur geben, wenn ein Deutscher und ein Engländer sich die Mühe machten, sorgfältig aufzuzeichnen, was für ihn das eigentlich Poetische an einem englischen [darüber: oder vice versa] Gedicht ausmache – ob da nicht völlig verschiedene Worte herauskämen? Wenn ich als Deutscher das Verbum to ooze körperlich empfinde als nicht schnell flüssiges, wollüstiges Herausgleiten sagen wir des Apfelsaftes aus 120 Braun in seinem Brief vom 9. April/17. Mai 1956 (vgl. Fußnote 118). 121 Lehmanns Äußerungen (»der alte Wahnsinn«) beziehen sich wohl darauf, dass sich Ezra Pound von Mitte der 1920er Jahre bis zum Ende des Krieges in Italien aufhielt, auf seine profaschistischen Rundfunkreden und seine antisemitischen Äußerungen. – Pound wurde 1945 von US-amerikanischen Truppen in Italien verhaftet, des Landesverrats angeklagt, nach sechsmonatiger Haft und Rückkehr in die USA in eine Irrenanstalt eingewiesen, die er erst 1958 wieder verlassen durfte. Pound starb 1972 in Venedig. 122 T[homas] S[tearns] Eliot (1888–1965) in seinem Essay The Three Voices of Poetry, zuerst 1953 erschienen, dann auch auf deutsch (unter dem Titel Drei Stimmen der Dichtung) in: Akzente. Zeitschrift für Dichtung, hg. v. Walter Höllerer u. Hans Bender, Jg. 2, 1955, S. 463–479 – Eliot nennt Benn hier einen der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Lyriker, was Lehmann (in seinem Brief vom 30. Dezember 1953 an Werner Kraft) zu der Bemerkung veranlasst: »Dem Benn muß der Kamm schwellen, nennt doch sogar Eliot ihn öffentlich in einem Vortrag über Lyrik.« (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 1, S. 557). 123 Ezra Pound in seinem zuerst 1934 veröffentlichten ABC of Reading.
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einer cider-press – so geht der Engländer wahrscheinlich als ihm (zu) geläufig an dergleichen vorbei und legt den Akzent auf ganz andere Dinge, (Filer des jours de soie et d’or – empfindet der Franzose das noch als Poesie oder ist’s ihm ebenso wässerig wie unser ›goldene Tage leben‹?). Vielleicht liegen all unseren Wertschätzungen englischer oder französ. oder lateinischer Dichter Selbsttäuschungen zu Grunde – oder überschätzen wir das Wortmäßige auf Kosten der Dinge, der im Grunde unsagbaren (was für einen écrivain nicht der Fall sein kann oder darf)? Sie schreiben, lieber Herr Braun, von Büchern, die Loerke seiner alten Besprechung zu Grunde legte¹²⁴ [darüber: eine zweite, alte, schöne, gibt’s von Moritz Heimann]¹²⁵ – nun, ich bin ein Autor, der seine eigenen Schriften nicht besitzt [darüber: tls. verloren, tls. bestohlen]. Freunde fragen mich häufig danach (dann verweise ich sie stets an einen alten Freund, der alles von mir besitzt und gern verleiht: es ist Prof. H. Jannasch, Göttingen, Albrechtstraße. Sie müßten ihm selbst die Bitte vortragen).¹²⁶ Neulich fand ich ein Buch des engl. Dichters Andrew Young¹²⁷ ›A Prospect of Britain‹ (ich kenne sehr gute, präcise Gedichte von ihm, einem Pfarrer) auf zweierlei Weise angezeigt: der eine Mann sagt ›a certain mild, perhaps irrational disappointment … less than one might expect from so considerable a minor poet … in the main the poet disappears for pages at a stretch‹, usw. Der andere drückt sich so aus (und ich finde, er sagt seine Empfehlung so sehr gut, daß ich ihm mehr folgen und mich durch den anderen nicht vom Kauf des Buch[es] abschrekken lassen würde): ich übersetzte es mir gleich, weil es mir auch auf deutsch gut ›klang‹: ›… die freundliche und genaue Sprache eines Dichters … a man who has seen the goodness of the visible world. We are privileged to be in his company‹. Ja, wenn man immer so willkommen geheißen würde. 124 Braun in seinem (hier nicht wiedergegebenen) Brief vom 9. April / 17. Mai 1956 (vgl. Fußnote 118): »In diesen Tagen kommt mir wieder Loerkes Prosaband in die Hände aus dem Jahre 1925, ›Zeitgenossen aus vielen Zeiten‹ […] Sein Essay über Ihre Kunst spricht von zweien Ihrer Werke, die aufzufinden ich mich bisher vergeblich bemüht habe, ›Weingott‹ und ›Sturz auf die Erde‹.« [Wilhelm Lehmann, Weingott. Roman, Trier 1921; Wilhelm Lehmann, Der Sturz auf die Erde. Erzählung, Trier 1923]. 125 Moritz Heimanns Besprechung von Lehmanns Der Bilderstürmer und Weingott in: Das Tagebuch, Berlin, 16. 12. 1922. 126 Hans Windekilde Jannasch (1883–1981) war, wie Lehmann, in den 20er Jahren zeitweilig als Lehrer in der Freien Schulgemeinde Wickersdorf (bei Saalfeld in Thüringen) tätig (vgl. Fußnote 29). Er war Mitherausgeber von Lesebüchern, veröffentlichte etliche pädagogischen Schriften und den Band Spätlese. Begegnungen mit Zeitgenossen [Göttingen 1973], in dem sich auch ein längerer Beitrag über Lehmann findet. 127 Andrew John Young (1885–1971), schottischer Dichter, Autor botanischer und topografischer Essays, anglikanischer Geistlicher; auf welche Anzeige sich Lehmanns zwei Zitate beziehen, ist nicht mehr ermittelbar.
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Eben werden im Rundfunk Lenaus ›Drei Zigeuner‹ (sehr schlecht) vorgelesen. Aber was merkwürdig ist, ich finde das Gedicht gar nicht gut [darüber: & leere Romantik]. Ist es dichterisch, zu sagen ›und es (das Leben) dreimal verachtet‹? Das Leben verachten? Kann man das? Ist das nicht bloße Renommage? War das Leben nicht auch für Lenau die Möglichkeit, Gedichte zu erfinden?¹²⁸ Sie sehen, lieber Herr Braun, ich bin so ganz in ein völlig subjektives Gespräch mit Ihnen geraten. Take it for what it is worth. Ich las am 2. Mai (so daß ich meinen Geburtstag auf der Bahn verbrachte) in Bad Nauheim, lernte im Kurdirektor keine glatte Repräsentanz, sondern einen könnenden und mich sehr gut kennenden Mann kennen.¹²⁹ Auf merkw[ürdige] Weise traf ich mit dem von mir stets recht geliebten heute 70jährigen Maler Ludwig Meidner¹³⁰ zusammen (in den 20er Jahren suchte ich ihn zusammen mit dem treulosen Max Tau¹³¹ in s[einem] Berliner Atelier auf – er malte gerade Agnes Straub¹³² & ließ mich abfahren. Aber L M. sagte mir – nach so langer Zeit – er habe seitdem ein schlechtes Gewissen gehabt, er erinnere sich aber meiner! Das nenn ich Gedächtnis, nicht?). Kurz und gut: er hat ein für mein Gefühl sehr wahres Bleistiftportrait von mir gemacht und mir geschenkt. Darf ich Ihnen eine – verkleinerte – Fotokopie schicken? (muß extra geschehen)¹³³ Und lassen Sie mich heute bitten, auch mir ein Bild von Ihnen zu schicken.¹³⁴ Vielleicht schreiben Sie mir auch einmal, welche, heute im Buchhandel noch habbare Schriften von mir Sie nicht haben? Dieser Tage erscheint, in die Suhrkampbibliothek aufgenommen, durchgejätet und auf ein neues Stück endigend, die »Bewegliche Ordnung«; im Herbst als Kleines Piperbuch 4 alte Erzählungen unter dem Titel »Der stumme Laufjunge«, endlich soll ein neues Essaybuch, genannt »Dichtung als Dasein« in
128 Nikolaus Lenau (eigentlich: Nikolaus Niembsch, Edler von Strehlenau, 1802–1850). – Wo und von wem Lenaus bekanntes Gedicht vorgelesen wurde, ist nicht mehr ermittelbar. Lehmanns Lenau-Zitat lautet im Zusammenhang: »Dreifach haben sie mir gezeigt, / wenn das Leben uns nachtet, / wie man’s verraucht, verschläft, vergeigt / und es dreimal verachtet.« 129 Kurdirektor Wilhelm Montenbruck – Ausführlich berichtet Lehmann über den Aufenthalt in Bad Nauheim auch in seinem Brief vom 19. Mai 1956 an Werner Kraft, erwähnt darin auch die Begegnung mit Ludwig Meidner, nicht aber die Gründung der Wilhelm-LehmannGesellschaft. (Kraft-Lehmann, Briefwechsel, Bd. 2, S. 112–113). 130 Ludwig Meidner (1884–1966), deutscher Maler, Grafiker, Schriftsteller. 131 Max Tau (1897–1976), deutscher Schriftsteller, Essayist, Publizist. Tau hatte die Veröffentlichung von Lehmanns drittem Roman Weingott 1921 im Trierer Lintz-Verlag veranlasst. 132 Agnes Straub (1890–1941), deutsche Schauspielerin. 133 Die verkleinerte Kopie des Porträts fand sich in Brauns Nachlass; wir geben sie am Ende unserer Briefauswahl wieder. 134 Das Foto von Braun, das sich unter anderen in seinem Nachlass fand, geben wir ebenfalls am Ende unserer Briefauswahl wieder; ob Lehmann dieses oder ein anderes erhalten hat, wissen wir nicht.
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Hamburg gedruckt werden.¹³⁵ Für die Manessebibl. machte ich eine Th. Stormauswahl & schrieb ein Nachwort.¹³⁶ Sehr freuen würde ich mich, wenn Sie mir schildern möchten, wie Sie zu Storm stehen (ich habe da viel Dummheiten erlebt). Ich schließe mit zwei Bemerkungen H. von Hofmannsthals: »Die Freunde sind nicht viele noch wenige, sondern die hinreichende Zahl«. »Man hat etwas weniger Freunde, als man annimmt, aber etwas mehr, als man kennt.«¹³⁷ Wie von Herzen wünsche ich Ihnen Genesung und Kraft. Wünschen Sie mir weniger Müdigkeit; seien Sie von Herzen gegrüßt & schreiben Sie bald wieder Ihrem W. L. [Letzte Seite, Bleistiftnotizen am Rande:] Hatte W. Kr[aft] (oder ich selbst) Ihnen s[einen] Aufsatz »Der Esel« geschickt?¹³⁸ Denken Sie, wie lustig. In Bad Nauheim ist auf Meidners Initiative eine W. L.Gesellschaft gegründet worden – sie besteht vorläufig aus 3 Mitgliedern. Die Präsidentschaft übernahm, reizender Weise, ein hessischer Staatssekretär.¹³⁹ L[udwig] M[eidner] war emigriert, s[eine] Frau blieb in London. Er schätzt die engl. Lebensgewohnheiten nicht und ist heute – wie gut, daß es dergleichen gibt – hessischer Staatspensionär, lebt in Marxheim bei Nauheim.
Schlussbemerkungen Nach Lehmanns letztem Brief richtete Braun in der Zeit zwischen dem 9. Juli 1956 und dem 31. Januar 1958 noch sieben Schreiben an Lehmann¹⁴⁰, die aber alle unbeantwortet blieben. Warum der jähe Abbruch der Korrespondenz? Waren es körperliche Altersgebrechen, das Versinken »in schwermütige Tiefe« (Lehmann 135 Wilhelm Lehmann, Bewegliche Ordnung. Aufsätze, Berlin u. Frankfurt am Main 1956 (= Bibliothek Suhrkamp, Bd. 35); Wilhelm Lehmann, Der stumme Laufjunge. Vier Erzählungen, München 1956; Wilhelm Lehmann, Dichtung als Dasein. Poetologische und kritische Schriften, Hamburg 1956 (= Die Mainzer Reihe. Hg. v. d. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Klasse der Literatur, Mainz, Bd. 5). 136 Vgl. Fußnote 96. 137 Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), österreichischer Schriftsteller – Die beiden Zitate stammen aus von Hofmannsthals Buch der Freunde (Aphorismen und Reflexionen, 1922). 138 Werner Krafts Aufsatz über Lehmanns Gedicht Der Esel und Lehmanns Erzählband Der stumme Laufjunge, erschienen in: Neue Zürcher Zeitung, 08. 02. 1956. 139 Diese erste Gründung einer Lehmann-Gesellschaft wird in der Lehmann-Literatur nur selten erwähnt. (Vgl. den kurzen Hinweis in: Scrase, Lehmann, S. 408). Zu der im April 2004 gegründeten Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft e. V. mit Sitz in Eckernförde vgl. die Homepage der Gesellschaft [http://wilhelm-lehmann-gesellschaft.de]. 140 Vgl. Fußnote 7.
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Wilhelm Lehmann (1956) Kopie des Bleistiftporträts von Ludwig Meidner (Aus dem Braun-Nachlass)
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Walter Braun (1956) Eines der in Primavera aufgenommenen Fotos (Aus dem Braun-Nachlass)
an Braun, 24. Dezember 1955), »die immer sich mehrende Müdigkeit« (Lehmann an Braun, 10. Juni 1956), mit denen Lehmann lange Schreibpausen entschuldigte? Wir wissen es nicht.¹⁴¹ In dem bis zu Lehmanns Tod im November 1968 noch intensiv geführten Briefwechsel mit Werner Kraft finden sich keine Hinweise mehr auf Walter Braun. Über Brauns weiteren Lebensweg wissen wir, dass die Familie Braun 1961 – nach der Auflösung der drei Bruderhöfe in Primavera¹⁴² – der Brudergemeinschaft den Rücken kehrte und nach Asunción zog. Braun erteilte hier Privatunterricht, seine Frau Annemarie unterrichtete in der deutschsprachigen Vorschule der dortigen Goethe-Schule, dem Colegio de Goethe. Nach dem Tod ihres Mannes im April 1980 schloss sich die tief fromme Witwe wieder der Bruderhof-Gemeinschaft an; sie starb im September 1987 auf dem Darvell Bruderhof in England.
141 Brauns Kritik an Hermann Hesse ist nur eine unserer Vermutungen (vgl. Fußnote 114). 142 Machtkämpfe innerhalb der Bruderhof-Gemeinschaft, denen sich Braun und andere widersetzt hatten, führten zu ihrer Auflösung, zum Verkauf aller Liegenschaften und zum Austritt vieler Mitglieder oder deren Übersiedlung nach England oder in die USA.
heike gfrereis
schreib- und schiessübungen Ein bislang unbekanntes Heft mit »alten Erzählungen« der Brüder Jünger
Herbst 1909, Rehburg in Niedersachsen, der eine der Brüder ist 14, der andere gerade elf geworden. Ende September nimmt der Ältere den nicht einmal handgroßen Taschenkalender von 1908/09, den der Jüngere mit Erdkunde-Einträgen über Afrika, seine Flüsse und Kolonien zu füllen begonnen hat, als Austauschschüler mit in die Picardie und nutzt ihn als Tagebuch: 28. September 1909. Um 6 aufgestanden. Dreiviertel 7 – 8 von Rehburg Stadt nach Wunstorf. Von Wunstorf nach Bückeburg – Minden – Porta – Bad Oeynhausen – Löhne (Westfalen) – Herford – Bielefeld – Gütersloh – Hamm (Umgegend Kohlen, Drahtseilbahnen). Hier quatschen die Leute gern, und sagen immer: ›net wahr‹. Von allen Seiten sieht man große Kohlenbergwerke.¹ In den folgenden Einträgen und dann vor allem auch Zeichnungen entwirft er ungelenk, aber entschieden die Sprache, die Elemente und die Geschichten eines abenteuerlichen Lebens, so weit es sich Schüler in diesem Alter vorstellen können: Kämpfe unter Palmen, zweidimensional gezeichnet und auf eine Linie gestellt wie die Bildsequenzen der Trajanssäule, ein Pfadfinderbeutel mit Revolver und Flöte, Zielscheiben und Explosionen, die Romane von Jules Verne – und größtmögliche Coolness: »Fast zwei Wochen hier, schon mächtig Wein gesoffen.« Veröffentlicht wurde der Text dieses ersten Tagebuchhefts, das von Ernst Jünger erhalten ist und dem über 260 gefolgt sind, erstmals im Nachtragsband der Gesammelten Werke 2003.² In einem bislang unbekannten, 10,5 auf 16,5 Zentimeter großen und aus seinem Umschlag herausgelösten Schul- oder Kontofüh-
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Alle Texte sind, wenn nicht anders angegeben, nach den Quellen in den Nachlässen von Ernst bzw. Friedrich Georg Jünger im Deutschen Literaturarchiv Marbach zitiert. Gesammelte Werke, Bd. 22, Stuttgart 2003, S. 427 f. Abbildungen im Ausstellungskatalog Ernst Jünger. Arbeiter am Abgrund, Marbach 2010, S. 107–109.
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rungsheft, das 2010 bei der Renovierung der Wilflinger ›Oberförsterei‹ in einer Schublade gefunden worden ist, hat Ernst Jünger nach dem Aufenthalt in Frankreich acht »kleine Erzählungen« nachgetragen, »die wir erlebt haben, aber die noch nicht in unserm’ Tagebuche stehn und schon alt sind«. Träumereien vom Erwachsensein, von Männerbünden, Burgen, Lagerfeuern und Nachtwanderungen und wieder vom Trinken und Schießen, aber auch vom Schreiben und von Autorschaft: Die Erzählungen signiert er nach neun Seiten mit seinen gaunerzinkenartig ausgestalteten Initialen E. J. Die folgenden elf Seiten bleiben unbeschrieben. Später werden auf dem Titel zwei Verfasser angegeben: »von Ernst Jünger und Fritz Jünger, Rehburg 1909«. Die Geschichten entstammen der Phantasiewelt, die beide Brüder gemeinsam entwerfen und im Spiel leben. Der ältere macht vor, was der jüngere mitmacht und nachahmt. In der gemeinsamen Erinnerung und Erzählung werden die Erlebnisse wahr und »alt«. Das ist für Jünger, der aus der Wiederverwertung von alten Geschichten, Notizen und Materialien eine ganze Poetik der Fassungen, Annäherungen und Aneignungen entwickeln wird, ein positiv besetztes Adjektiv. Die Wiederholung verleiht der Erfindung den Charakter der Schöpfung und bestätigt deren Wirklichkeit. Was Jünger später durch das immer wieder neue Ab- und Umschreiben seiner Texte erreicht – der erste Text wird zum Ursprungstext, zum wahren Kern einer ganzen Serie –, leistet in der Kinderzeit der Bruder, der mitspielt und die Geschichten für sich neu fasst. Ein wohl ebenfalls 1909 oder 1910 entstandenes Blatt mit Zeichnungen, von Ernst überschrieben mit »Jagderlebnisse« und den einzelnen Episoden »Ausflug nach Afrika«, »Meer«, »Hirschjagd«, »Negerkampf«, »Gemsen«, »Vogeljagd«, »Amerika«, »Kampf mit Indianern«, »Prairiebrand« und »Die Jagd auf den grauen Bären«, nimmt Fritz 1914 mit seiner Unterschrift in Besitz. Der Traum vom heroischen und freien, unbürgerlichen Leben, den die beiden Brüder aus der griechischen Mythologie, aber auch den klassischen Jugendbüchern von Jules Verne, Karl May und Mark Twain kennen, ist vor allem auch ein Traum vom Weltenerschaffen und Schreiben, vom Künstler- und Dichter-Sein, das traditionell in zwei Lebensformen seine Inspiration, seine Stoffe und Formen findet – im Abenteuer, im Kampf oder auf Reisen, oder als Liebender, im Begehren und Leiden. In einer Schülerzeitung von 1912 wird Ernst so vorgestellt: »Die Kunst ist auch bei uns vertreten / Durch Jünger oder den Poeten. / Auch er soll häufig einen heben / Und dann in höheren Regionen schweben / Das Büffeln läßt ihn ziemlich kühl, / Für Liebe hat er mehr Gefühl.« 1913 verlässt der 18-jährige denn auch bei Nacht und Nebel das Elternhaus, um sich bis zur französischen Fremdenlegion durchzuschlagen. Ein Abenteuer, das schnell in der Enttäuschung und nicht im Ruhm endet, aber immerhin noch ein Gedicht – Der Legionär – nach sich zieht, das zu den wenigen gehört, das er nicht verbrannt hat: »Dort steht der
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Grenzpfahl! Nun bin ich frei, / Nun sind die Qualen der Knechtschaft vorbei. / Vorbei die Schrecken der Wüstenglut, / Dort ist die Heimat, und alles ist gut. // Stets dacht ich an dich als der Freiheit Land, / Unterm Zelt, im Gefecht, im Sonnenbrand. […] // Da spür ich eine Faust im Kragen, / Und eine Heimatstimme hör ich fragen: / Wat liegt denn da? Der kommt aus die Legion. / Det is ja strafbar, komm, mein Sohn. // Ich fahre auf und sehe den Gendarmen. / Jetzt gehts ins Loch, da gibt es kein Erbarmen. / So rauh der süßen Schwärmerei entrissen, / Wird eins mir klar: ’s ist hier wie dort beschissen.« Als Jünger am 30. Dezember 1914 als Kriegsfreiwilliger an die Westfront gebracht wird, beginnt er wieder Tagebuch zu schreiben – wie fünfeinhalb Jahre zuvor auf der Fahrt von Deutschland in die Picardie: »Nachmittags, Empfang von Patronen und eiserner Ration. Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten. Als wir antraten, nahmen einige Mütter Abschied, was doch etwas trübe stimmte. 6.44 Abfahrt. Wir bekamen Stroh in die Wagen. Furchtbar gedrängte Pennerei in und unter den Bänken.« 1966 wird er auf die Frage, ob er seine Tagebücher im Ersten Weltkrieg mit einer bestimmten Absicht geführt habe, antworten: »Jedenfalls nicht mit der Absicht auf Publikation. Fast jeder Soldat führte damals ein Tagebuch. Bei mir kam vielleicht ein Trieb zum Dokumentarischen hinzu, aber nur in bezug auf die Fixierung des eigenen Erlebnisses. Ich konnte ja auch fallen – das war sogar wahrscheinlicher. Da denkt man nicht an Literatur. […] Damals war Stendhal mein Meister. Man liest bei ihm öfters: ›Ich bin neugierig, was man im 20. Jahrhundert darüber sagen wird.‹«³ 1934 hat Jünger seinen Schreibimpuls am vorletzten Tag des ersten Kriegsjahres so erklärt: »In meiner Rocktasche hatte ich ein schmales Büchlein verwahrt; es war für meine täglichen Aufzeichnungen bestimmt. Ich wußte, daß die Dinge, die uns erwarteten, unwiederbringlich waren, und ich ging mit höchster Neugier auf sie zu. Auch hatte ich einen natürlichen Hang zur Beobachtung: ich hegte schon früh eine Vorliebe für Fernrohre und Mikroskope als für Werkzeuge, mit denen man das Große und Kleine sieht, und unter den Schriftstellern schätzte ich von jeher die, denen neben einem scharfen Auge für alles Sichtbare auch ein Instinkt für das Unsichtbare gegeben ist.«⁴ Im Erstdruck der Stahlgewitter 1920 ist noch die Sehnsucht des 19-jährigen nach Abenteuern die initiierende Motivation: »Aufgewachsen im Geiste einer materialistischen Zeit, wob in uns allen die Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen, nach dem großen Erleben. Da hatte
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Aus einem 2010 in DIE ZEIT veröffentlichten, von Heinz Ludwig Arnold 1966 geführten Gespräch (http://www.zeit.de/2010/44/Juenger [gesehen am 25. 8. 2013]). »Kriegsausbruch 1914«, Erstdruck in: Wulf Dieter Müller, Ernst Jünger, Berlin 1934. Zit. nach: Gesammelte Werke, Bd. 1, Stuttgart 1978, S. 541–545, hier S. 544.
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uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. […] Ach, nur nicht zu Haus bleiben, nur mitmachen dürfen!«⁵ Fritz folgt 1916 Ernst in den Krieg und wird im Juli 1917 so schwer verwundet, dass er nur noch für leichte Aufgaben eingesetzt wird. Er beginnt, anders als sein Bruder, mit einem Tagebuch der (unglücklichen) Lieben und entscheidet sich damit für die andere Lebensform des Schreibens – Venus anstelle von Mars. Am 21. November 1918 schreibt der 20-jährige aus Oldenburg, wo er als Adjutant im Bezirkskommando eingesetzt ist, ganz im seit Kinderzeit eingeübten Ton an seinen Bruder Ernst: Lieber Ernst! Ich habe deinen Brief erhalten und mich sehr amüsiert, dass auch bei Euch diese stürmische Bewegung noch Wellen schlug. Hier haben sich allerhand ergötzliche Histörchen zugetragen; die Tragik ist uns Gott sei Dank ganz erspart worden, wenn auch für uns die Revolution kaum Früchte bringen wird. Bis jetzt arbeite ich noch vollkommen selbstständig, zeichne und unterschreibe wie früher. Du glaubst gar nicht was für ein gemütliches Städtchen dies alte Oldenburg ist. Dabei stöhnt ein grosser Teil von Offizieren vor Langeweile. Ich tue dann auch so, als ob ich gähnte, in Wirklichkeit denke ich aber, leckt mich im Arsch! Die Verpflegung ist nach der in Hannover ganz phänomenal. Morgens stehe ich um 8 auf, dann trinke ich Caffee und bin um 10 auf dem Bureau. Von 10–1 Uhr wird gearbeitet, dann gehe ich ins Kasino von 91 und esse zu Mittag. Diese Leute leben noch ausgezeichnet. Hasenbraten, Rehrücken, Kuchen gibt es, und einen guten Sekt die Flasche zu 7 Mark. Das heisst du musst nicht denken, dass ich jeden Mittag eine Flasche trinke, aber jede Woche eine. Auch Tabak kann man bekommen. Nach dem Essen wird in einem gemütlichen Zimmer Caffee getrunken und Karten gespielt. Ich schaue friedlich und rauche. Dann steht es in meinem Ermessen, ob ich nachmittags Dienst tuen will oder nicht. Wenn nicht gehe ich nach Hause. Ich habe zwei prächtige Parterrezimmer, gross und gemütlich. Der Sohn des Hause [sic!] hat eine famose Bibliothek. Er steht als Leutnant bei der Artillerie. So sitze ich bis zum Abendessen und lese am offenen Feuer. Alles Mögliche. Gorki, Rabelais, Stendhal. Nach dem Abendessen wieder bis 10,11 gelesen. Dann gehe ich zu Bett. Die Leute hier im Haus sind reizend. Es ist da ein Mädchen, Lieschen, das wäre was für Mama! Sie ist schon 11 Jahre da, treu wie Gold; aber nächsten Frühjahr will sie heiraten, was Frau Oberförster nicht gerade angenehm ist. Manchmal machen wir auch einen netten Abend 5
In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe, hg. von Helmuth Kiesel, Stuttgart 2013, S. 26.
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zusammen. Es wird Klavier gespielt, gesungen, vorgetragen u. s. w. – Ab und zu gehe ich ins Café. Zarte Bande sind im Entstehen. So reiht sich ein Tag an den anderen. Viele Grüße Dein Fritz! Die kindliche Welt des Hefts mit den »alten Erzählungen« von 1909 kommt noch ohne »zarte Bande« aus und auch ohne das Unsichtbare, auf das der Ernst Jünger des Abenteuerlichen Herzens später immer wieder zielen wird. Die acht »alten Erzählungen« sind kurz, schlicht und arm an Handlung. Der nüchterne, »coole« Stil schließt phantasiereiche Ausschmückungen aus. Nichts wird dazuerfunden, was nicht geschehen ist: Die Gründung des Bundes. Zuerst trafen Hermann Facius, Ernst Jünger und Fritz Jünger sich häufig. Ostern 1909 kam Willi Witte, der vorher in Holzminden gewesen war, auf unsere Schule. Mit dem trafen wir auch öfters zusammen und beschlossen, unter meiner Führung einen Bund zu gründen. Wir stellten ein Bundesbuch auf, das jedoch bald darauf verloren gegangen ist. Die Kuhjungen Eines Sonntags trafen wir uns bei Facius in Bad Rehburg. Nun gingen wir zusammen auf den Haarberg. Wir stöberten dort eine Weile herum, als plötzlich von unten eine Rotte Kuhjungen uns etwas zuschrie. Wir antworteten mit Schimpfwörtern und bald kamen sie herangestürmt. Kaum waren sie oben angekommen, als Fritz, Willi und Hermann sich nach rückwärts konzentrierten. Ich blieb da und rang mit dem größten Kuhjungen. Schließlich ging ich auch den anderen nach und nachdem [sic] die Kuhjungen gingen wieder zurück. Nun schlichen wir uns noch einmal an sie heran und bewarfen sie mit Steinen. Darauf wendeten wir uns um und gingen weg. Kaum hatten wir sie verlassen, als wir auch schon vor 2 größeren Bengeln flüchten mußten, die mit uns zusammenstießen. Nun trennten wir uns und kamen unbeschädigt nach Hause. Die Burg Nun kam uns die Idee, auch eine Burg zu gründen. Deshalb suchten wir bei der Schonung bei Bad Rehburg an den Bahnschienen zwischen Bad und Stadt Rehburg einen geeigneten Platz. Bald hatten wir ein trefflich verborgenes Eckchen entdeckt. Dort richteten wir Pfähle auf und nachdem wir ein
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Bierfläschlein geleert und ein kleines Feuerchen in einem vorher gegrabenen Kochherde entzündet hatten, begaben wir uns zu [sic] Hause. Abreise Hermann Facius’. Wegen eines Prozesses reiste Hermann Facius nach Mannheim Waldparkstraße 34 ab. Wir erhielten und schickten ihm öfters Postkarten. Die zehn Mark Willis Eines Morgens kam Willi freudig in die Bahn. Er hatte zehn Mark geklaut. Bei der Rückfahrt stiegen wir in Hagenburg aus um Terzerole⁶ zu kaufen. Wir erstanden 2 Stück und 200 Patronen. Der Spaß machte 6 Mark. Das übrige brachten wir auch nobel unter die Leute. Das Ende der Geschichte war allerdings übel, es spielt sich in Willis Haus mit einem dickem Buchenknüttel ab. Das erste Terzerol Willi brachte eines Morgens ein Terzerol, das schon ein bedenkliches Alter zu haben schien und eine Kugel mit in die Bahn. Wir nahmen die Kugel und das Terzerol und als der Schulhof leer war, wurde es versucht. Ich drückte etliche Male ab ohne daß es losging, Willi ebenfalls. Da drehte ich die Kugel noch einmal anders um, Willi drückte los, es krachte! Im selben Moment kam ein Gendarm zu Rad die Straße einher. Wir flohen in die Klassen und als wir nachher das Terzerol betrachteten – – – war die Kugel hinten durchgegangen Mein Revolver Aus Frankreich hatte ich ein Revolver mitgebracht. Zuerst ging ich mit Fritz nach Hagenburg, um 100 Centralfeuer-Patronen einzukaufen. Wir schossen nur 3 Mal damit. Zuerst Fritz und ich des Abends im Bürgerpark. Dann auf dem Mühlberge zuletzt drehte es sich nicht mehr und es wurde zum letzten Mal mit Wille Witte auf dem Eise des Karpfenteiches gebraucht, wobei wir immer nur einer Mündung schossen. Dann wurde es von meiner Mutter endeckt und – – – perdutti! Ein nächtlicher Gang. In den Weihnachtsferien wollten wir uns um 4 Uhr treffen. Fritz und ich schlichen uns nachdem wir zum Scheine schlafen gegangen waren, in die Küche. Dort stahlen wir eine Konservenbüchse Tomatenpüre und kochten sie mit Maggi Liebig und Salz über dem Spirituskocher. Als wir sie gegessen und gelesen hatten legten wir uns zum Schlafen nieder. Als wir erwachten, war 6
Kleine Vorderladerpistolen.
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es etwas vor 4! rasch gingen wir hinaus und kletterten über die Pforte. Es war ziemlich hell und so zogen wir nach den sechs Buchen, wo wir Willi natürlich nicht vorfanden. Vor uns flog ein großer Nachtvogel auf. Fritz hatte eine Kapuze übergezogen und merkte nicht, daß ihm seine Mütze heruntergefallen war. Als er es endlich sah, konnten wir sie nicht wiederfinden. [Transkription: Ellen Strittmatter]
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das maß der potsdamer garde Die ästhetische Vorgeschichte des Rankings in der europäischen Literatur- und Kunstkritik des 18. Jahrhunderts Der gesamte Alltag der Gegenwart ist vom Umgang mit Ranglisten geprägt.¹ Relevant sind Ranglisten aber nicht nur, weil sie ein häufig eingesetztes Instrument sind, die Welt zu beschreiben und zu bewerten, sondern auch, weil sie, wie empirische Studien bestätigen,² unsere Welt verändern. Die Spezifik der modernen Rangliste oder des »Rankings« ergibt sich nicht nur aus ihrem evaluativen Charakter, sondern hängt darüber hinaus damit zusammen, dass sich diese Listen numerischer Verfahren der Argumentation und Evidenzerzeugung bedienen.³ Die spezifische Autorität, die von »Rankings« in der Gegenwart ausgeht, leitet sich aus ihrem Anspruch ab, das Ergebnis von numerisch verfassten Evaluatio1
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Ernest A. Hakanen, Lists as Social Grid: Ratings and Rankings in Everyday Life, in: Social Semiotics 12, 2002, S. 245–254. – Für Hinweise und Kritik danke ich herzlich Andrea Albrecht (Stuttgart), Wilfried Barner (Göttingen), Christian Blohmann (Bonn), Caspar Hirschi (St. Gallen) und Simone Winko (Göttingen). Vgl. für den akademischen Bereich die Studien von Wendy Nelson Espeland und Michael Sauder, Rankings and Reactivity: How Public Measures Recreate Social Worlds, in: American Journal of Sociology 113, 2007, S. 1–40. Michael Sauder und Wendy Nelson Espeland, The Discipline of Rankings: Tight Coupling and Organizational Change, in: American Sociological Review 74, 2009, S. 63–82. Listen, die einer normativen Auszeichnung bestimmter Gegenständen dienen, gibt es seit der Antike. Meistens wurde die Gegenstände, die als besonders wertvoll erachtet wurden, dadurch herausgehoben, dass sie überhaupt in die relevante Liste aufgenommen wurden (der antike »Kanon« basiert ursprünglich auf derartigen, von hellenistischen Philologen erstellten Auswahllisten von vorbildlichen Werken). Die Frage nach der Geschichte der Ranglisten, die heute unsere Welt prägen, wäre falsch gestellt, wenn man sie mit derartigen Listen beginnen ließe, weil diese Listen sich nicht numerischer Evaluationsverfahren bedienen; vgl. aber Sabine Mainberger, Die Kunst des Aufzählens: Elemente zu einer Poetik des Enumerativen, Berlin und New York 2003. Umberto Eco, Die unendliche Liste, München 2009. Vgl. zuvor schon die wichtigen Studien zur antiken Liste von Wilhelm Kühlmann, Katalog und Erzählung. Studien zu Konstanz und Wandel einer literarischen Form in der antiken Epik, Freiburg 1973. Rudolf Blum, Kallimachos und die Literaturverzeichnung bei den Griechen, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 18, 1977, Sp. 1–330.
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nen zu sein. Das moderne Ranking operiert im Medium der Zahl.⁴ Aber seit wann gibt es derartige Rankings? In welchem Bereich sind sie zuerst aufgekommen? Die Antworten auf diese Fragen führen in ein Wissensfeld und in eine Epoche, die man nicht ohne weiteres mit Rankings in Verbindung gebracht hätte: Die europäische Kunst- und Literaturkritik des achtzehnten Jahrhunderts. Im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts – vermutlich Anfang der 1790er Jahre – entwirft der Dichter und Kritiker Christian Friedrich Daniel Schubart eine »Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter«, die 1792 postum erscheint.⁵ Die 18 deutschen Dichter, die Schubart in seine Rangliste aufnimmt, müssen sich in neun Kategorien beweisen: »Genie«, »Urtheilsschärfe«, »Literatur«, »Tonfülle«, »Sprache«, »Popularität«, »Laune«, »Witz« und »Gedächtnis«⁶ (vgl. Abb. 1). Klopstock, der als einziger in der Kategorie »Genie« sagenhafte 19 von 20 möglichen Punkten erzielt, ist für Schubart »bey weitem unser erster Dichter«.⁷ Klopstock ist deshalb für alle anderen deutschen Dichter des »Sturm und Drang« 4
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In diesem Medium treten auch die Ranglisten auf, die mittlerweile im Bereich der Bildungspolitik eine immer wichtigere Rolle spielen; vgl. dazu Richard Münch, Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz, Frankfurt am Main 2007. Vgl. auch den ersten Versuch einer Historisierung bei Barbara Stollberg-Rilinger, Rating – Ranking – Rangkonflikte. Was macht akademische Exzellenz aus? in: Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810. Vorträge zur Ausstellung »Das Athen der Welfen«, hg. von Helwig Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2011, S. 9–23. – Die Frage, ob die Subskribentenverzeichnisse des achtzehnten Jahrhunderts als Ranglisten rekonstruiert werden sollten, kann hier nicht weiterverfolgt werden: Vgl. aber P. J. Wallis, Book Subscription Lists, in: The Library 29, 1974, S. 255–286. Reinhard Wittmann, Subskribenten- und Pränumerantenverzeichnisse als lesersoziologische Quellen, in: Buch und Leser, hg. von Herbert G. Göpfert, Hamburg 1977, S. 125–159. Alexander Sigelen, Subskribenten- und Pränumerantenverzeichnisse als Quellen zur Sozial- und Kulturgeschichte literarischer Kommunikationsverhältnisse im 18. Jahrhundert, in: Pränumerationen im 18. Jahrhundert als Geschäftsprinzip und Marktalternative, hg. von Franz Stephan Pelgen, Ruhpolding und Mainz 2009, S. 127–148. [Christian Friedrich Daniel Schubart], Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter, in: Archiv für ältere und neuere, vorzüglich Teutsche Geschichte, Staatsklugheit und Erdkunde 2, 1792, S. 164–172; Posselt, der Herausgeber des »Archivs«, identifiziert in seinem Vorwort Schubart als Autor der »Kritischen Skala«: »[…] so nenn’ ich den Verfasser der kritischen Skale der deutschen Dichter mit Wehmut – es ist mein Freund, der Barde Friedrich’s, Schubart«, S. 3. Die Fassung der Tabelle in C. F. D. Schubart’s, des Patrioten, gesammelte Schriften und Schicksale. Sechster Band. Stuttgart 1839, S. 132–138, hier S. 136 weicht mehrfach von dem Erstdruck ab; Abweichungen finden sich sowohl bei den numerischen Werten als auch im Hinblick auf die berücksichtigten Schriftsteller: In den »Gesammelten Schriften« fehlt ein Eintrag zu Christian Stollberg. [Christian Friedrich Daniel Schubart], Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter, S. 170.
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Abb. 1
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der überragende Bewertungsmaßstab. Schubart weiß, dass er mit seinem Ranking eine Form von literarischem »Benchmarking« betreibt: Die wichtigsten deutschen Dichter können nun sehen, in welchen Bereichen sie weit hinter der Spitzenposition liegen. Schubart wählt dafür das folgende Bild: »Der Zwerg siehts deutlicher, daß er ein Zwerg ist, wenn er sich am Maaße der Potsdammer Garde hinaufstreckt.«⁸ Ganz falsch lag Schubart mit seiner Einschätzung Klopstocks und der anderen Dichter nicht: Von den fünf Autoren mit einem »Genie«-Wert von 18 oder 19 Punkten haben es vier ins Zentrum des germanistischen Kanons geschafft – nur im Fall von Gerstenberg hat die Nachwelt Schubart nicht folgen wollen. Obwohl Schubarts Einschätzungen also in weiten Teilen mit dem ein Jahrhundert später etablierenden disziplinären Kanon der Germanistik kongruieren, haben Germanisten mit seiner Rangliste nichts anzufangen gewusst. Richard Moritz Meyer spricht 1911 von einer »seltsame[n] Tabelle« und fühlt sich an »Taxationen« erinnert, die den literarischen Parnass des späten achtzehnten Jahrhunderts in »einzelne[] ›Steuerstufe[n]‹« aufteilen wollten.⁹ Eine ähnliche Befremdung äußert auch wenige Jahre später Sigmund von Lempicki, der Schubarts »Kritische Skala« nur noch ihrer »Merkwürdigkeit wegen erwähnt« wissen will.¹⁰ Blickt man auf den europäischen literatur-, musik-, theater- und kunstkritischen Diskurs des achtzehnten Jahrhunderts, muss man allerdings feststellen, dass Schubarts »Kritische Skala« gar nicht so seltsam und merkwürdig ist, wie sie auf den ersten Blick anmuten mag. Wie die Suche nach den Vorläufern von Schubarts Verfahren zeigt, wurde nämlich schon im frühen achtzehnten Jahrhundert für ästhetische Wertungsverfahren erstmals genau der Lösungsweg vorgeschlagen, der in den folgenden Jahrhunderten in vielen anderen Bereichen eine fast fabelhafte Erfolgsgeschichte haben sollte: Die quantifizierende Rangliste, das Ranking.¹¹
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Ebd., S. 169. Richard M. Meyer, Der Kanon der deutschen Klassiker, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur 14, 1911, S. 208–227, hier S. 224. Sigmund von Lempicki, Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1920, S. 444. Vgl. auch zu Rankings in der Kunst der Moderne: Astrid Schmidt-Burkhardt, Stammbäume der Kunst. Zur Genealogie der Avantgarde, Berlin 2005, S. 230–262.
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Kritische Skalen: Ein historischer Abriss 1708 publiziert der französische Künstler und Kunstkritiker Roger de Piles im Anhang seines Cours de Peinture par Principes eine »balance des peintres«.¹² Diese kritische »Balkenwaage der Maler« ist das Muster, an dem sich die kritischen Ranglisten des achtzehnten Jahrhunderts orientieren. Die Rangliste dient, wie de Piles erläutert, einer numerischen Bestimmung des Verdienstgrades (»degré de merite«) der Künstler: Da verschiedene Leute den Grad des Verdienstes gerne wissen wollten, den ein jeglicher mit Grund berühmter Maler hat: so haben sie mich gebeten, ich möchte ihnen gleichsam einen Maßstab machen, und auf die eine Seite den Namen des Malers, nebst dem Grad seiner Stärke in den wesentlichsten Theilen seiner Kunst; auf die andere aber den gehörigen Grad des Verdiensts setzen, so, daß man alle Theile, wie sie sich in den Werken eines jeglichen Malers finden, auf einmal übersehen, und urtheilen könne, wie viel das Ganze betrage.¹³ 12
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Roger de Piles, Cours de Peinture par Principes, Paris 1708; dort »La balance des peintres«, S. 489–493, und daran anschließend fünf nicht paginierte Seiten, die die Tabelle enthalten. Vgl. allgemein Svetlana Alpers, Roger de Piles and the History of Art, in: Kunst und Kunsttheorie 1400–1900, hg. von Peter Ganz, Martin Gosebruch, Nikolaus Meier und Martin Warnke, Wiesbaden 1991, S. 175–188. Vgl. zur »Balance des Peintres« im Besonderen: John Steegman, The »Balance des Peintres« of Roger de Piles, in: The Art Quarterly 17, 1954, S. 255–261. Susanne Heiland, La Balance des Peintres, in: Festschrift Johannes Jahn zum XXII. November MCMLVII, Leipzig 1958, S. 237–245. Irene Haberland, Jonathan Richardson (1666–1745). Die Begründung der Kunstkennerschaft, Münster 1991, S. 123–126. Karin Leonhard, Konstruktion von Kunstgeschichte. Schellings Philosophie der Kunst und die Trennung der Disziplinen, in: »Die bessere Richtung der Wissenschaften«. Schellings »Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums« als Wissenschafts- und Universitätsprogramm, hg. von Paul Ziche und Gian Franco Frigo, Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, S. 343–404, hier S. 363–365. – Versuche, die Rangliste von de Piles statistisch auszuwerten, finden sich bei: W. Gerald Studdert-Kennedy und Michael Davenport, The Balance of Roger de Piles: A Statistical Analysis, in: The Journal of Aesthetics and Art Criticism 32, 1974, S. 493–502. François Mairesse, Réflexion sur la balance des peintres de Roger de Piles (1635–1709), in: Recherches poïétiques 8, 1998/1999, S. 42–49. Roger von Piles, Einleitung in die Malerey aus Grundsätzen, Leipzig 1760, S. 383. Vgl. auch das Original in Roger de Piles: Cours de Peinture par Principes, S. 489: »Quelques personnes ayant souhaité de sçavoir le degré de merite de chaque Peintre d’une reputation établie, m’ont prié de faire comme une Balance dans laquelle je misse d’un côté le nom du Peintre & les parties les plus essentielles de son Art dans le degré qu’il les a possedées, & de l’autre côté le poids de merite qui leur convient; en sorte que ramassant toutes les parties comme elles se trouvent dans les Ouvrages de chaque Peintre, on puisse juger combien pese le tout.«
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De Piles listet zu diesem Zweck in einer Tabelle in alphabetischer Reihenfolge 57 berühmte Maler (»les Peintres les plus connus«) auf und bewertet sie mit einem viergliedrigen kategorialen Apparat, der in seinem Buch auch der analytischen Bildbeschreibung gedient hatte.¹⁴ In den vier Kategorien (»Composition«, »Dessein«, »Coloris« und »Expression«) kann jeweils ein maximaler Wert von 20 erzielt werden. Dass de Piles aus den Einzelwertungen in den vier Kategorien selbst keinen Gesamtwert bildet, bedeutet nicht, dass die Bildung eines Gesamtwerts nicht intendiert wäre; De Piles überlässt es vielmehr dem Leser, alle »Teile« zu versammeln, um ein Urteil darüber zu fällen, wie viel das »Ganze« auf die Waage bringt¹⁵ (vgl. Abb. 2). Obwohl die Bewertungen von de Piles teilweise bis in die Gegenwart zu überzeugen vermögen,¹⁶ hat die Kunstgeschichte in der »Balkenwaage der Maler« (wie später dann auch die Literaturgeschichte im Fall von Schubart) nicht viel mehr als eine Merkwürdigkeit erkennen können. Carl Justi sieht darin bereits »Formeln, welche schaffenden Geistern Werthnummern anweisen, wie man Schülern Censuren ertheilt«.¹⁷ Clément de Ris weist die »Balance des Peintres« schon knapp zwei Jahrzehnte später noch schärfer als eine »Albernheit«, ein »bizzares Hirngespinst« und eine »Absurdität« zurück;¹⁸ noch 80 Jahre nach de Ris teilt Gombrich
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Das Kategorienschema von de Piles dient nicht nur der Bewertung, sondern vor allem auch der Beschreibung von Kunstwerken; hier wird nur der Bewertungsaspekt näher analysiert. Vgl. zum Beschreibungsaspekt Ernst Osterkamp, Im Buchstabenbilde: Studien zum Verfahren Goethescher Bildbeschreibungen, Stuttgart 1991, S. 92–116. Roger de Piles, Cours de Peinture par Principes, S. 489: »[…] en sorte que ramassant toutes les parties comme elles se trouvent dans les Ouvrages de chaque Peintre, on puisse juger combien pese le tout.« Vgl. dazu Victor Ginsburgh und Sheila Weyers, On the contemporaneosness of Roger de Piles’ Balance des Peintres, in: Sublime Economy. On the intersection of art and economics, hg. von Jack Amariglio, Joseph W. Childers und Stephen E. Cullenberg, London 2009, S. 112–123. Ginsburgh und Weyers bestimmen den aktuellen Wert der von de Piles bewerteten Maler durch den Rückgriff auf die Länge des Lexikoneintrags des jeweiligen Malers im »Dictionary of Art« und berücksichtigen darüber hinaus die Kunstauktionsergebnisse, die deren Werke erzielt haben. Im Ergebnis korrelieren de Piles’ Bewertungen in der Kategorie Farbe (zugleich die Kategorie, die für de Piles am wichtigsten war) stark mit aktuellen Wertungen. Vgl. dazu auch die Ergebnisse von Kathryn Graddy, Taste Endures! The Rankings of Roger de Piles (†1709) and Three Centuries of Art Prices, in: The Journal of Economic History 73, 2013, S. 766–791. Carl Justi, Winckelmann. Sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen. Erster Band, Leipzig 1866, vor allem S. 298–299, hier S. 299. Clément de Ris, La Balance des Peintres par Roger de Piles, in: Gazette des Beaux-Arts 25, 1882, S. 569–571, hier S. 570 (»l’inanité de cette façon de juger«), S. 569 (»bizarre élucubration«; »aberration«).
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Abb. 2
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diese Einschätzung.¹⁹ Eine Einschätzung, die im achtzehnten Jahrhundert allerdings nicht von allen geteilt wurde; ganz im Gegenteil: Das anhand der Malerei exponierte Bewertungsverfahren von de Piles wurde im Aufklärungsjahrhundert nämlich in alle Bereich der ästhetischen Kritik übertragen. Neben der Kunstkritik finden Ranglisten auch in der Literaturkritik, Musikkritik und Theaterkritik Anwendung. De Piles’ »Balance des Peintres« wurde nicht nur von Zeitgenossen gelobt (etwa von Dubos)²⁰, sondern auch adaptiert. Wie der Fall von Jonathan Richardson zeigt, gehen diese Anwendungen aber selbst im Bereich der Kunstkritik mit Akkommodationen einher. Einerseits bezieht sich Richardson ausdrücklich auf de Piles²¹ und übernimmt neben der bis 20 reichenden Punkteskala auch die vier Kategorien der »Balance des Peintres«; andererseits erweitert er den kategorialen Rahmen auf sieben Wertungsbereiche (neben »Composition«, »Drawing«, »Coloring« und »Expression« treten bei Richardson nun »Handling«, »Invention« sowie »Grace and Greatness« hinzu); darüber hinaus fügt er eine wirkungsästhetische Gesamtbewertung hinzu, die in die beiden Kategorien »Advantage« und »Pleasure« (also »prodesse« und »delectare«) aufgeteilt ist.²² Noch auffälliger ist bei Richardson allerdings die Abkehr von dem Grundsatz der Bewertung eines Gesamtwerks (samt dessen Schöpfer) zugunsten einer Bewertung einzelner Gemälde. Richardson bewertet in seiner Tabelle ein einzelnes Tafelbild von Van Dyck.²³ (vgl. Abb. 3) Während noch Louis Racine, der Sohn des Dramatikers, fast drei Jahrzehnte später bloß mit dem Gedanken spielt, wie eine »Balkenwaage der Dichter« wohl
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E. H. Gombrich, Norm and Form: Studies in the art of the Renaissance, London 1966, S. 76 (»notorious aberration«). – Entgegen den Hinweise bei Ginsburgh und Weyers (Victor Ginsburgh und Sheila Weyers: On the contemporaneosness of Roger de Piles’ Balance des Peintres, S. 122), habe ich in Schlossers Standardwerk (Julius Schlosser, Die Kunstliteratur. Ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte, Wien 1924) keine polemische Aburteilung von de Piles »Balance des Peintres« finden können. [Jean-Baptiste Dubos], Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture. Tl. 1, Paris 1719, S. 257–259, hier S. 258: »[…] un des ces écrits merite toutes des loüanges qui sont dues aux livres Originaux: c’est sa Balance des Peintres.« Jonathan Richardson, Two Discourses. I. An Essay On the whole Art of Criticism as it relates to Painting […]. II. An Argument in behalf of the Science of a Connoisseur […], London 1719, S. 55. – Vgl. zu Richardsons Modifikationen der Vorgaben von de Piles den Hinweise bei Neil De Marchi, Reluctant partners. Aesthetic and market value, 1708–1871. In: Sublime Economy. On the intersection of art and economics, hg. von Jack Amariglio, Joseph W. Childers und Stephen E. Cullenberg, London 2009, 95 –111, hier S. 98–101. Vgl. dazu auch Jonathan Richardson: Two Discourses, S. 48–49. Ebd., S. 70.
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aussehen könnte,²⁴ nimmt der englische Dichter – und spätere Leibarztes des Königin – Mark Akenside 1746 diese Übertragung vom Bereich der Kunstkritik in das Feld der Literaturkritik vor.²⁵ Drei Jahre zuvor war de Piles Cours de Peinture par Principes ins Englische übertragen worden; die Übersetzung enthält nicht nur die »Balance of the Painters« im Anhang,²⁶ sondern macht bereits auf der Titelseite auffällig auf sie aufmerksam: »The Balance of Painters. Being The Names of the most noted Painters, and their Degree of Perfection in the Four principal Parts of their Art: Of singular Use to those who would form an Idea of the Value of Painting and Pictures.« Die »Ballance of the Poets«, die Akenside unter dem Pseudonym »Musiphron« vorschlägt, versteht sich allerdings auch als Korrektur des von de Piles entworfenen Musters: De Piles habe zu wenige Wertungskategorien berücksichtigt²⁷ und lasse eine Gesamtbewertung der aufgelisteten Künstler vermissen.²⁸ Akenside erweitert seinen kategorialen Apparat deshalb auf acht Wertkategorien (»Critical Ordonnance«, »Pathetic Ordonnace«, »Dramatic Expression«, »Incidental Expression«, »Taste«, »Colouring«, »Versification«, »Moral«) und bietet darüber hinaus noch eine Gesamtbewertung der aufgelisteten Autoren (»Final Estimate«). Die von Akenside geführten 20 Dichter können in jeder Wertkategorie maximal den Wert 20 erzielen (vgl. Abb. 4). Akenside traut sich nicht, noch lebende Autoren in die Rangliste aufzunehmen: Der zwei Jahre zuvor verstorbene Pope ist der jüngste Autor, dessen Gesamtwerk bewertet wird.²⁹ Homer und Shakespeare tragen in der Gesamtwertung mit jeweils 18 Punkten den Sieg davon, dicht gefolgt von Milton und Vergil (diese vier Poeten, die den Maßstab für die anderen abgeben sollen, werden typogra-
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Louis Racine, Reflexions sur la poësie. Bd. 4, Paris 1747, S. 176–208 (»De l’esprit & du génie«), hier S. 185: »M. de Pilles qui a osé faire ce qu’il a appellé la balance des Peintres, a calculé le poids du mérite de chaque Peintre dans chaque partie de la Peinture. […] Qui voudroit faire de même la balance des Poëtes, trouveroit l’entreprise très-difficile. Il n’est pas aisé de peser entr’eux des hommes qui avec des qualités très-différentes, ont quelquefois un égal poids de mérite.« Vgl. zu Akinside Richard Terry, Poetry and the Making of the English Literary Past 1660– 1781, Oxford 2001, S. 304–305. Roger Du [sic] Piles, The Principles of Painting, London 1743, S. 294–300. Musiphron [i.e. Akenside], The Ballance of Poets, in: The Museum: or, the Literary and Historical Register 19, 6. 12. 1746, S. 165–169, hier S. 166: »[…] he has not taken in a sufficient Number of Articles, to form a compleat Judgment of the Art of Painting; and though he had, yet Poetry requires many more.« Ebd., S. 168: »The […] last Column contains an Estimate of their comparative Value and Eminence upon the Whole. This is greatly wanting in the French Author.« Ebd., S. 169: »I have avoided to bring in any living authors, because I know the Vanity and Emulation of the Poetical Tribe […].«
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phisch hervorgehoben).³⁰ Ganz vorne liegen, mit Ausnahme von Shakespeare, nur Epen-Dichter. Shakespeare gelingt es überraschenderweise, einen Gesamt-
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Vgl. auch den Hinweis bei Nikolas Immer, Der Dilettant als Nachahmer, in: Dilettantismus um 1800, hg. von Stefan Blechschmidt und Andrea Heinz, Heidelberg 2007, S. 51–67, hier S. 57.
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wert von 18 Punkten (von 20 möglichen Punkten) zu erreichen, obwohl sein Werk an Geschmack (»Taste«) und Versbau (»Versification«) zu wünschen übrig lässt (jeweils nur 10 Punkte) und seinen Werken eine innere Struktur vollkommen abgeht (0 Punkte für »Critical Ordonnance«!). Wer 0 Punkte in einer Einzelkategorie bekommt, kann also trotzdem auf ein passables Gesamtergebnis hoffen: Obwohl Lukrez in der Kategorie Moral, nicht ganz unerwartet, 0 Punkte kassiert, kommt er insgesamt doch noch auf 10 Punkte. Man gewinnt den Eindruck, dass der Gesamtwert – die »Final Estimate« genannte kombinierte Exzellenz eines Dichters – für sich selbst steht und sich nicht aus einer Summierung oder Multiplikation der Einzelwerte ergibt: Der Gesamtwert ist hier nicht das Ergebnis einer Kalkulation der Einzelwerte. An Akensides »Ballance of the Poets« lässt sich darüber hinaus ein klares literarisches Gattungsbewusstsein ablesen: Mangelt es einem Werk an den von einer bestimmten Kategorie vorgegebenen Merkmalen, so ist die Vergabe des Werts 0 keineswegs zwangsläufig. Akenside unterscheidet hier zwischen dem Wert »0« und dem Verzicht auf eine Wertung (»–«). Das Zeichen »–« wird immer dann gesetzt, wenn die von dem kategorialen Apparat vorgegebene Norm nicht einschlägig ist: So sind die Normen der »Dramatic Expression« und der »Versification« für den enthusiastischen Lyriker Pindar nicht einschlägig, weshalb dieser in beiden Fällen von der Wertung ausgenommen ist. Die Versuche, die von Roger de Piles für den Bereich der Malerei entworfene Rangliste in andere Bereiche zu übertragen, setzen sich im Anschluss an Akenside fort. 1758 unternimmt ein Kritiker – vermutlich Oliver Goldsmith – einen weiteren Versuch, eine »Poetische Rangliste« zu erstellen.³¹ Die »Poetical Scale« beziehungsweise »Poetical Balance« enthält, wie bei de Piles, vier Wertungskategorien (»Genius«, »Judgement«, »Learning« und »Versifications«) und vergibt in jeder Kategorie maximal den Wert 20. Diese Liste enthält nur noch britische Schriftsteller und mit Shakespeare nur einen einzigen Autor, der den Wert 19 erreicht (vgl. Abb. 5). Auffällig ist an dem kategorialen Apparat der »Poetical Scale« vor allem, dass sich hier erstmals die Kategorie des »Genius« findet; diese Kategorie findet sich im gleichen Jahr auch in zwei Ranglisten wieder, die den wichtigsten britischen Schauspielern gelten. Der anonyme Autor der »Scale of Tragedians« und der »Scale of Comedians« gibt ausdrücklich zu erkennen, dass er sich an de Piles
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Crito, The Poetical Scale, in: The Literary and Antigallican Magazine, Januar, 1758, S. 6–8. Crito, Sequel to the Poetical Balance, being Miscellaneous Thoughts on English Poets, in: The Literary Magazine, Februar 1758, S. 59–61. – Vgl. zur unsicheren Autorschaft R. W. Seitz, Goldsmith and the Literary Magazine, in: The Review of English Studies 5, 1929, S. 410–430, hier vor allem S. 424–426.
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orientiert und an einem »genialen Arzt« (»a physician of genius«), womit nur Akenside gemeint sein kann³² (vgl. Abb. 6 und 7). In den darauf folgenden Jahrzehnten wird schließlich noch der Versuch unternommen, das bereits in unterschiedlichen Künsten erprobte kritische
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[Anon.], The Theatrical Review: For The Year 1757, and Beginning of 1758, London 1758, vor allem S. 42–46, hier S. 43: »I call it the scale of the Tragedians and Comedians; it is modelled on the scale of painters, by the famous Mr. De Piles: this method, or manner of forming a judgment on painting, has been happily imitated by a physician of genius, who applied it to the poets of our nation; after those two great men, I intend to try how far it may be applicable to acting.« Vgl. zu weiteren Beispielen für dieses Bewertungsmodell im Bereich des britischen Theaterwesens Felicity Nussbaum, Rival Queens: Actresses, Performance, and the Eighteenth-Century British Theater, Philadelphia 2010, S. 1–6.
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Modell auf die Musikkritik auszuweiten. Die 1776 anonym publizierte »Musical Balance« beziehungsweise »Scale to Measure the Merits of Musicians« führt sieben Wertungskategorien (»Original melody«, »Imitated melody«, »Expression«, »Knowledge«, »Correctness«, »Performance« und »Quantity published or known«), wobei die letzte Kategorie sich interessanterweise nicht auf die Qualität, sondern auf den quantitativen Umfang des bewerteten Werks bezieht; in sechs (von sieben) Kategorien können, wie seit de Piles’ ursprünglicher Rangliste üblich, bis zu 20 Punkte erreicht werden³³ (vgl. Abb. 8). Im deutschsprachigen Raum ist Wieland der erste, der eine »Balance der großen Poeten« entwirft.³⁴ Wielands Rangliste, die 1757 geschrieben, aber nicht zu seinen Lebzeiten publiziert wurde, verwendet sechs Kategorien (»Invention«, »Composition«, »Expression«, »Grandeur«, »Grace« und »Versification«), nimmt keine Gesamtwertung vor und vergibt in jeder Einzelkategorie maximal 20 Punkte. Überraschend an Wielands Rangliste ist, dass er zwar französische und britische Autoren, aber keine deutschsprachigen Autoren berücksichtigt. Nicht weniger auffällig ist, dass er im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern den Höchstwert 20 verteilt; und dies in einer geradezu verschwenderischen Weise: Von 27 bewerteten Autoren erzielen 17 in wenigstens einer Kategorie diesen Höchstwert. Die Bestbewertung erzielt Thomson, der den Höchstwert in allen Kategorien erreicht (in der oben skizzierten englischen »Poetical Scale« von 1758 ist Thomson im Gegensatz zur Rangliste von Wieland weit abgeschlagen), dicht gefolgt von Pindar mit dem Höchstwert in fünf von sechs Kategorien. Die Liste enthält zwei Autoren, die 1757 noch leben: Richard Glover und Voltaire, der unter anderem aufgrund fehlender Anmut (nur 10 Punkte bei »Grace«) von allen Modernen die schlechtesten Werte erzielt (vgl. Abb. 9). In den frühen 1760er Jahren werden im deutschsprachigen Raum die zuvor einflussreichsten Ranglisten erstmals in Übersetzung zur Verfügung gestellt: 1760 erscheint die deutsche Übertragung des Cours de Peinture par Principes,³⁵ der den »Maßstab der Maler« enthält (ebenso die deutsche Übersetzung der Réflexions
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Justice Balance, Musical Balance, in: Gentleman’s Magazine 46, 1776, S. 543–544 [laut Inhaltsverzeichnis (ebd., S. 533) lautet der Titel des Artikels »Scale to Measure the Merits of Musicians«]. – In der Kategorie »Imitated melody« können maximal 4 Punkte erzielt werden. Christoph Martin Wieland, Balance der großen Poeten, aus: Christoph Martin Wieland, Theorie und Geschichte der Red-Kunst und Dicht-Kunst. Anno 1757, in: Wielands Gesammelte Schriften (Akademie-Ausgabe), Abt. 1, Bd. 4 (Prosaische Jugendwerke, hg. von Fritz Homeyer und Hugo Bieber), Berlin 1916, S. 303–440, hier S. 415–420. Roger von Piles, Einleitung in die Malerey aus Grundsätzen, S. 383–389 (dort findet sich »Der Maßstab der Maler«).
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critiques von Dubos, die den Ausdruck »Balance des Peintres« als »Wage der Mahler« überträgt).³⁶ Vor allem aber erscheint 1760 in Friedrich Nicolais Sammlung vermischter Schriften zur Beförderung der schönen Wissenschaften und der freyen Künste auch eine deutsche Übertragung der »Ballance of Poets« von Akenside (vgl. Abb. 10). Wie in der deutschen Übersetzung des Cours de Peinture, die im gleichen Jahr erschienen ist, wird hier »Ballance« als »Maaßstab« ins Deutsche übertragen; auch in der Sammlung vermischter Schriften können deutsche Leser nun also einen »Maaßstab der Dichter« begutachten.³⁷ Christian Heinrich Schmid druckt diese deutsche Übertragung zudem mehrfach ab: zunächst 1767 in seiner Theorie der Poesie, dann noch einmal 1775 in seiner Litteratur der Poesie.³⁸ Einen 1761 im Journal Etranger formulierten Vorschlag aufgreifend, doch auch Ewald von Kleist zu berücksichtigen,³⁹ fügt Schmid diesem Wiederabdruck dann noch eine Tabelle mit den »Verdiensten« Kleists bei; auf diese Weise findet dann erstmals ein deutschsprachiger Autor in einem Ranking Berücksichtigung (vgl. Abb. 11 und 12).
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[Jean-Bapiste] Du Bos, Kritische Betrachtungen über die Poesie und Mahlerey. Tl. 1, Kopenhagen 1760, S. 253–255. [Anon.], Der Maaßstab der Dichter, aus dem Engelländischen übersetzt, in: Sammlung vermischter Schriften zur Beförderung der schönen Wissenschaften und der freyen Künste 1760, Bd. 3, St. 1, S. [70]–78. Christian Heinrich Schmid, Theorie der Poesie nach den neuesten Grundsätzen und Nachricht von den besten Dichtern nach den angenommenen Urtheilen, Leipzig 1767, S. 8. Christian Heinrich Schmid, Litteratur der Poesie. Erster Theil, Leipzig 1775, S. 181. – Beide Abdrucke Schmids enthalten (divergierende) Abweichungen von der englischen Vorlage (und auch von der korrekten Übersetzung der englischen Vorlage in der Nicolai-Zeitschrift): So findet sich in der »Theorie der Poesie« in der Kategorie »Kolorit« bei Sophokles ein »–« und nicht, wie in der ursprünglichen Vorlage, der Wert 14; oder in der »Litteratur der Poesie« findet sich in der Kategorie »Kritische Anordnung« bei Ariost und Shakespeare ein »–« und nicht, wie in der ursprünglichen Vorlage, der Wert 0. – Vgl. auch weitere Hinweise zu de Piles bei Christian Heinrich Schmid, Biographie der Dichter. Erster Theil, Leipzig 1769, S. 65. [Anon.], Essai sur la Poésie Allemande, in: Journal Etranger 1761, September, S. 95–148, vor allem S. 110–113, hier S. 110–111: »Je voudrois qu’à l’exemple de Roger de Piles qui nous a donné la balance des Peintres, quelqu’un nous fît présent de celle des Poëtes. Il seroit agréable de peser & de calculer la valeur de nos Poëtes & de dire, par exemple: Kleist dans l’art de peindre a atteint le dix-huitieme degré; dans l’harmonie de l’hexametre, le dix-septieme; dans le vers iambique, le septieme; le quinzieme dans le vers lyrique; dans la simplicité héroique, le dix-septieme; dans l’art tragique, le huitieme, &c.« – Vgl. auch die Rezension des Essais in: Briefe, die Neueste Litteratur betreffend, 1763, 16. Tl., S. 46–47.
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Einer der nächsten, der sich der Rangliste als kritischem Instrument bedient, ist der zu Beginn erwähnte Christian Friedrich Daniel Schubart.⁴⁰ Dass Schubart seine Rangliste nicht »Balance« nennt (wie Wieland) oder »Maßstab« (wie die deutschen Übersetzungen der Ranglisten von de Piles und Akenside lauten), sondern »Skala«, lässt darauf schließen, dass er sich neben der Publikation der Rangliste Akensides in der Sammlung vermischter Schriften wohl auch an der »Poetical Scale« des Literary Magazine (1758) oder an der »Scale to Measure the Merits of Musicians« des Gentleman’s Magazine (1776) orientiert haben muss. 1790, in seinem Briefwechsel im unmittelbaren Vorfeld der Publikation der »Kritischen Skala« weist Schubart auf die »kritische Skala« eines in London ansässigen »Herrn Burney« hin. Schubart schreibt, so muss diese Stelle gedeutet werden, im brieflichen Austausch mit Ernst Ludwig Posselt die anderthalb Dekaden zuvor anonym publizierte »Scale to Measure the Merits of Musicians« dem berühmten britischen Musikkritiker Charles Burney zu: Bei dieser Gelegenheit wünscht ich auch einen Gruß an meinen alten Freund, den ersten Doctor der Musik in Europa, Herrn Burney nach London zu schiken. Die kritische Skala des Engländers ist gar nichts Neues. Ich habe den Gedanken schon vor 20. Jahren in der Sammlung vermischter Schriften zur Beförderung der schönen Wissenschaften und der freien Künste, die Nicolai heraus gab, gefunden, und mit Mendelsohn und andern Aesthetikern verlacht.⁴¹
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Vgl. knappe Hinweise zu Schubarts Tabelle bei Peter K. Kapitza, Ein bürgerlicher Krieg in der gelehrten Welt. Zur Geschichte der Querelle des Anciens et des Modernes in Deutschland, München 1981, S. 241 und S. 248–249. Joachim Knollmann, Klopstock, Wieland oder Goethe? – Umrisse eines Autorenkanons von 1790, in: Classical Models in Literature, hg. von Zoran Konstantinović, Warren Anderson und Walter Dietze, Innsbruck 1981, S. 181–187. Herbert Jaumann, Vom »klassischen Nationalautor« zum »negativen Classiker«. Wandel literaturgesellschaftlicher Institutionen und Wirkungsgeschichte, am Beispiel Wieland, in: Klassik und Moderne. Die Weimarer Klassik als historisches Ereignis und Herausforderung im kulturgeschichtlichen Prozeß. Walter Müller-Seidel zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Richter und Jörg Schönert, Stuttgart 1983, S. 3–26, hier S. 18–19. Dirk Kemper, Sprache der Dichtung. Wilhelm Heinrich Wackenroder im Kontext der Spätaufklärung, Stuttgart und Weimar 1993, S. 140–141. Nikolas Immer, Der Dilettant als Nachahmer, S. 56–58 (vgl. auch die Abbildungen auf S. 65–67). Roger Paulin, Ein deutsch-europäischer Shakespeare im 18. Jahrhundert? in: Shakespeare im 18. Jahrhundert, hg. von Roger Paulin, Göttingen 2007, S. 7–35, hier S. 31–32. Christian Friedrich Daniel Schubart an Ernst Ludwig Posselt in Karlsruhe, 20. Mai 1790, in: Christian Friedrich Daniel Schubart, Briefwechsel. Kommentierte Gesamtausgabe in 3 Bänden, hg. von Bernd Breitenbruch, Konstanz 2006, Bd. 2, S. 398–399, hier S. 399. – Burney äußert sich auch in seinem »Essay on Musical Criticism« über die Rangliste Roger des Piles’:
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Schubart kannte, wie aus dieser aufschlussreichen Bemerkung ersichtlich wird, sowohl die 1760 publizierte deutsche Übersetzung der »Ballance of Poets« von Akenside als auch die fünfzehn Jahre später veröffentlichte »Scale to Measure the Merits of Musicians«. Weshalb aber erstellt Schubart nun Anfang der 1790er Jahre nochmals eine »kritische Skala«, wenn er dieses Wertungsmodell nicht für innovativ hält, ja es sogar bereits Jahrzehnte zuvor »verlacht« hatte?
Kritische Skalen: Ästhetische Axiologie Schubart schreibt, dass es ihm bereits in den frühen 1760er Jahren schwer gefallen sei, die Vorstellung einer »kritischen Skala« ernst zu nehmen. Damit steht er nicht alleine: Wo de Piles’ Rangliste wiederabgedruckt wird, wird meist weniger deren erkenntnisförderlicher Charakter als deren spielerischer Reiz hervorgehoben.⁴² De Piles selbst hatte in seinem Cours betont, dass er seinen Versuch einer kritischen Rangliste formuliert habe, um »doch mehr mich zu ergötzen, als andere Leute auf meine Seite zu ziehen.«⁴³ In diese Richtung zielt dann auch Johann Heinrich Merck, der sich in einem Artikel, der 1779 im Teutschen Merkur Wielands veröffentlicht wird, nur noch vorstellen kann, dass de Piles seine »Schnellwage […] bloß zum Spaß erfand«.⁴⁴ Das geht aber an der Sache vorbei. Wie Christian Heinrich Schmid in seiner Theorie der Poesie hervorhebt, ging es ursprünglich darum, »die Verdienste der Poeten […] nach mathematischen Maaßstäben ab[zu]messen«.⁴⁵ Jean Jacques d’Ortous de Mairan, an der Académie Royale des Sciences in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein einflussreicher Physiker, versteht dann auch die Rangliste von Roger de Piles als ein Projekt der Kalkülisierung der ästhetischen Kritik, das im Rahmen des viel umfassenderen wissenschaftlichen Projekts der neuzeitlichen Mathematisierung von ›unsicherem Wissen‹ stehe.⁴⁶ Nachdem der
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Charles Burney, Essay on Musical Criticism, in: Charles Burney, A General History of Music, From the Earliest Ages to the Present Period. Bd. 3, London 1789, S. v–xi, hier S. vi–vii. Vgl. Gabriel Peignot, Dictionnaire raisonné de bibliologie, Bd. 2, Paris 1802, S. 46–49, hier S. 49: »Je pense qu’une balance des écrivains, faite dans chaque genre de littérature, offrirait aussi quelque chose de piquant.« Roger von Piles, Einleitung in die Malerey aus Grundsätzen, S. 383. Vgl. auch das Original in Roger de Piles, Cours de Peinture par Principes, S. 489: »J’ay fait cet essai plutôt pour me divertir que pour attirer les autres dans mon sentiment.« [Johann Heinrich Merck], Briefe über Mahler und Mahlerey an eine Dame. Erster Brief, in: Der Teutsche Merkur 1779, Oktober, S. 31–40, hier S. 32. Christian Heinrich Schmid: Theorie der Poesie, S. 7. Vgl. zum Begriff des ›unsicheren Wissens‹ im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert Carlos Spoerhase, Die »mittelstrasse« zwischen Skeptizismus und Dogmatismus. Konzep-
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Anwendungsbereich der Mathematik im Rahmen der Wahrscheinlichkeitstheorie zunächst auf den Bereich der Glücksspiele und dann auf das Feld der Vorhersagen im Bereich der Politik, Medizin und Moral ausgedehnt worden sei, könne er nun sogar auf den Bereich des ästhetischen Urteils ausgeweitet werden.⁴⁷ De Mairan bemüht sich im Anschluss an de Piles um eine »Geometrie des Geschmacks«.⁴⁸ Da es de Piles aber an mathematischer Kenntnis gefehlt habe, seien ihm bei seinem innovativen Vorstoß sowohl hinsichtlich der theoretischen Grundlagen als auch im Hinblick auf die konkrete Anwendung Fehler unterlaufen, die de Mairan nun beheben wolle. De Mairan hebt zwei Hauptprobleme hervor, die sich einer Kalkülisierung der ästhetischen Kritik entgegenstellten: Einerseits müsse das Gesamtverdienst eines Künstlers das Produkt und nicht die Summe der in den Wertungskategorien festgestellten Einzelwerte sein; andererseits dürfe in keiner der Kategorien der Wert 0 vergeben werden. De Mairan erstellt deshalb eine korrigierte Fassung der Rangliste von de Piles (vgl. Abb. 13). Im Gegensatz zu späteren Kritikern ist de Mairan weder der Auffassung, dass die von de Piles in den einzelnen Kategorien vergebenen Werte falsch sind, noch kritisiert er pauschal die Anwendung von quantifizierenden Verfahren im Bereich der Kunstkritik; die konkret vergebenen Werte finden alle seine Zustimmung und
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tionen hermeneutischer Wahrscheinlichkeit um 1750, in: Unsicheres Wissen. Skeptizismus und Wahrscheinlichkeit 1550–1850, hg. von Carlos Spoerhase, Markus Wild und Dirk Werle, Berlin und New York, S. 269–300, hier S. 269–274. Jean Jacques d’Ortous de Mairan, Remarques Sur la Balance des Peintres de M. de Piles, telle qu’on la trouve à la fin de son Cours de Peinture, in: Mémoires de mathématique et de physique, tirés des registres de l’Académie Royale des Sciences 1755, Paris 1761, S. 1–16, hier S. 1–2: »Rien ne sait plus d’honneur aux Mathématiques & à ce qu’on appelle l’esprit de calcul, que l’application qu’on en fit dans le dernier siècle aux jeux de hasard. Une ou deux questions de jeu proposées à Pascal par le Chevalier de Méré, homme de beaucoup d’esprit, mais peu ou point du tout Géomètre, en furent le premier sujet: Pascal les résolut, & y en ajoûta de nouvelles. Fermat, à qui il les avoit communiquées, les résolut aussi, & voilà la carrière ouverte où les Huguens, les Bernoullis, les Montmort & les Moivre se sont signalés; mais Jacques Bernoulli osa porter ses vûes plus loin, il forma le projet d’appliquer son analyse à l’attente des événemens, en matière de politique, de Médecine & de Morale, d’après les circonstances données. II essaya, dis-je, de mettre en règle le grand art de conjecturer, si supérieur à tous les autres Arts, par la fìnesse & la sagacité d’esprit qu’il exige. M. de Piles a tenté quelque chose de semblable sur l’art de juger d’après les suffrages, par sa Balance des Peintres; mais aussi peu Géomètre que le Chevalier de Méré, il s’est mépris à plusieurs égards sur la théorie & dans l’exécution de cette Balance: c’est ce que je me propose de montrer & de réparer.« So die Zusammenfassung des Artikels von de Mairan in [Anon.], Sur la Balance des Peintres de M. de Piles [Bericht], in: Histoire de l’Académie Royale des Sciences 1755, Paris 1761 S. 79–82, hier S. 82: »que la Géometrie ait prise sur des objets qui paroissent si particulièrement subordonnés au goût«.
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das quantifizierende Verfahren bedürfe nur einiger Korrekturen. Die erste Korrektur betrifft die Errechnung des Gesamtverdiensts der Maler, das laut de Mairan nicht durch Addition, sondern durch Multiplikation errechnet werden muss. De Mairan ist also der Auffassung, dass die partiellen Wertungsakte, die de Piles in den vier einzelnen Wertungskategorien vornimmt, richtig sind, dass aber der ›totale‹ Wertungsakt, der das Gesamtverdienst eines Malers als Summe zusammenfasst, nicht mehr geeignet ist, die komparative Gesamtqualität der Maler wiederzugeben (interessanterweise bleibt in dem Modell von de Mairan, das die Einzelwerte multipliziert, ein wichtiges Merkmal der Rangliste von de Piles erhalten: Raffael und Rubens sind weiterhin die beiden größten Maler und beide erzielen weiterhin mehr oder weniger den gleichen Gesamtwert). Die zweite Korrektur hängt eng mit der ersten zusammen: Der Vorschlag von de Mairan, das Aggregat der Einzelwerte als Produkt und nicht als Summe zu fassen, kann nur dann plausibel sein, wenn man in keiner Kategorie der Einzelwert 0 vergeben darf (der ja das Produkt der Multiplikation ebenfalls auf 0 setzen würde). Hier muss de Mairan dann doch von den Wertzuschreibungen de Piles’ punktuell abweichen, weil de Piles auch mehrfach 0 Punkte vergeben hatte (in der Kategorie »Expression« erhalten fünf Maler eine 0, darunter auch Caravaggio). De Mairan begründet seine Abweichung von der bei de Piles vorfindbaren Vergabe von 0 Wertungspunkten aber nicht mit dem Argument, dass, mathematisch gesehen, die 1 in der Multiplikation der 0 in der Addition entspricht, sondern mit dem Argument, dass jeder in der Rangliste erfasste Maler in jeder Kategorie einen bestimmten Schwellenwert überschreiten müsse, wenn er, wie de Piles unterstreicht, ein berühmter Maler und nicht ein bloßer Handwerker sein wolle (de Mairan schlägt hier dann den Wert 3 vor). De Mairans Verbesserungsvorschläge weckten die Hoffnung, dass das von ihm exponierte Verfahren der Bestimmung künstlerischen Verdienstes bald auf alle Gebiete des Geistes ausgeweitet werden könne.⁴⁹ Bildlicher Ausdruck dieser Hoffnung, man könne bald das Verdienst aller ›Geister‹, oder auch nur der
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[Anon.], Geometrie [Rez.], in: Bibliotheque des sciences et des beaux arts, Juli bis August 1761, S. 46–48, hier S. 48. [Anon.], Histoire de l’Académie Royale des Sciences [Rez.], in: Le Journal des Sçavans 1762, S. 79–82, hier S. 82. Vgl. auch die Zusammenfassung der Argumente von de Mairan, die auch einen Abdruck der Tabellen von de Piles und de Mairan enthält, in: The London Chronicle, 8.–10. 6. 1762, S. 547–548. – Vgl. auch die positive Resonanz bereits fünf Jahre zuvor bei Francesco Algarotti, Della Bilancia Pittorica, in: Saggio del Conte Algarotti sull’architettura e sulla pittura, Milano [1756], S. 140–150. Vgl. dazu auch die deutsche Übersetzung: Francesco Algarotti, Von der Balance oder der verschiednen Vollkommenheit der Mahler, in: Versuche über die Architectur, Mahlerey und musicalische Opera, Kassel 1769, S. 186–203; dort spricht der Übersetzer von einer »Waagschale des Verdiensts« (ebd., S. 188 [Anm.]).
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Dichter abwägen und berechnen,⁵⁰ ist die kritische Balkenwaage. Die kritische Balkenwaage ist ein ausgezeichnetes Bild, um den Anspruch zu unterstreichen, dass die Wertungsakte einer ästhetischen Metrik, vielleicht sogar einem ästhetischen Kalkül folgen – dass also die Antwort auf die Frage, welchem Künstler aufgrund seines Verdienstes der Vorzug gegeben werden soll, präzise ›berechnet‹ werden kann. Blickt man auf die vorgestellten Ranglisten, so lässt sich feststellten, dass mit der kritischen »Balkenwaage« auch ein geeignetes Bild für die darin in Anschlag gebrachten ästhetischen Wertungsverfahren gefunden worden ist. Die Wertungsakte beruhen nämlich nicht auf ›absoluten‹ Gewichtstücken, mit denen das Gewicht der gemessenen Gegenstände ermittelt würde; vielmehr werden mehrere Gegenstände vergleichend (›gegen einander‹) gewogen. Es handelt sich bei der (schon von de Piles evozierten) »Balkenwaage« tatsächlich um ein Wertungsmodell, das bis in die Antike zurückreicht: Die komparative Bewertung von Werken oder Autoren durch die Konstruktion einer synkritischen Dyade. Bei der Synkrisis (comparatio) handelt sich um ein relationales Wertungsregime: Das Bestmögliche des Vorliegenden wird vergleichend bestimmt. Der Maßstab der Bewertung eines bestimmten vorliegenden ästhetischen Gegenstandes kann immer nur ein anderer bereits vorliegender ästhetischer Gegenstand sein, nicht ein ›absoluter‹ ästhetischer Wert. Das tradierte synkritische Wertungsregime, das über weite Strecken des achtzehnten Jahrhunderts im europäischen Raum prägend geblieben ist, prägt sich in dyadischen Wertungskonstellationen aus, in denen eine Urteilsinstanz sich meist auf zwei Werke beziehungsweise zwei Autoren vergleichend bezieht – es kann sich auch wie im Fall der »Querelle«, die präziser als eine »Parallele« charakterisiert worden ist, um eine dyadische Konstellation mit chronologischem (Antike und Moderne) oder topographischem Charakter (Frankreich und Deutschland) handeln. Auch wenn das synkritische Wertungsmodell in den Ranglisten pluralisiert wird, weil nunmehr nicht zwei Gegenstände, sondern eine prinzipiell unabgeschlossene Menge von Gegenständen bewertet werden; auch wenn das dyadische kritische Modell des Synkrisis durch das offene Modell einer entgrenzten Vergleichskonkurrenz abgelöst wird: Das Modell der Balkenwaage behält für dieses Modell eine gewisse bildliche Plausibilität, weil weiterhin nicht absolut, sondern relativ bewertet wird. Wer absolut bewertet, muss bereits vor jedem Wertungsakt über eine feste abstrakte Norm verfügen, die ihm zu beurteilen erlaubt, welche Merkmale zum Beispiel ein literarisches Werk aufweisen muss, um etwa in der Kategorie »Versifi50
[Anon.], Essai sur la Poésie Allemande, S. 110: »Il seroit agréable de peser & de calculer la valeur de nos Poëtes […].«
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kation« den (absoluten) Wert 18 zu erlangen. Wollte man dieses Verfahren in den bildlichen Kontext der kritischen Balkenwaage übertragen, so würde hier dann mit einem geeichten Gewichtstück gewogen. Im Rahmen einer komparativen Punktevergabe bedarf es vorab dagegen keines festen Wertungsmaßstabs: Ausgehend von der vorliegenden Gesamtheit zu bewertender Artefakte kann im Hinblick auf bestimmte Merkmale eine vergleichende Evaluation erfolgen.⁵¹ Die Zahlenwerte, die hier dann die ästhetische Qualität der Kunstwerke ausdrücken, werden durch Vergleich gewonnen und drücken eine komparative Vortrefflichkeit aus. Die Tatsache, dass etwa in der Kategorie »Genie« ein Dichter wie Klopstock 19 Punkte erhält und ein anderer wie Hagedorn nur 14, sagt dann nichts über eine absolute Leistung aus, sondern ›nur‹ etwas über den Abstand zwischen beiden Dichtern; ebenso ist dann nicht zentral, dass Homer in einer bestimmten Kategorie den Wert 18 erreicht, sondern dass Homer und Shakespeare den gleichen Wert (18) erreichen und sich deshalb auf gleicher Höhe begegnen.⁵² Das bildlich als Balkenwaage charakterisierte Wertungsmodell bleibt auch dort, wo eine Vielzahl von Gegenständen gegeneinander abgewogen werden, ein relationales. Das Bild der Balkenwaage verstellt – vielleicht gerade, weil es so einleuchtend ist – aber auch den Blick auf erhebliche konzeptuelle Probleme, die mit den dargestellten Ranglisten als Modellen einer ästhetischen Axiologie einhergehen. Problematisch an den Ranglisten ist nicht primär, dass die konkreten einzelnen Wertzuweisungen strittig sind oder dass über das Verfahren der Bestimmung eines Gesamtwerts aus den Einzelwerten keine Einigkeit erzielt werden könnte. Problematisch ist in erster Linie, dass der genaue Status der Rangliste in allen der hier präsentierten Fälle ungeklärt bleibt. Das beginnt bereits mit der Funktionsbestimmung: Sollen die Ranglisten ein Verfahren der Wertbestimmung sein, das heißt ein heuristisches Verfahren, das den (zuvor nicht bekannten) Wert eines Künstlers oder Werks zu ›entdecken‹ 51
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Wie die Diskussion im Anschluss an de Mairan deutlich macht, gehen einige unmittelbare Rezipienten davon aus, dass es um eine Bestimmung des »relativen Werts der großen Männer« geht (»apprécier la valeur relative des grands hommes«); vgl. [Anon.], Histoire de l’Académie Royale des Sciences [Rez.], S. 82. Die Begründungen, auf eine sehr hohe Wertung wie 19 oder 20 Punkte zu verzichten, sind dann auch in beiden Fällen unterschiedlich: Im ersten Fall der absoluten Bewertung wird davon ausgegangen, dass man bereits einen klaren Begriff davon hat, welche Güte ein Werk aufweisen müsste, um Höchstwerte zu erzielen, ist aber der Auffassung, dass derartige Höchstwerte von Menschen faktisch nicht erreicht werden können. Im zweiten Fall der relativen Bewertung wäre die Nichtvergabe der Höchstwerte eher der Bemühung geschuldet, die eigenen (relativen) Bewertungen zukunftsoffen zu halten, das heißt im Fall des Hinzukommens eines außergewöhnlichen Werks einen Höchstwertung vergeben zu können ohne die gesamten bisherigen Wertungen rekalibrieren zu müssen.
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hilft? Oder sollen die Ranglisten ein Verfahren der Wertbegründung sein, das eine Wertbestimmung, die zuvor bereits etabliert worden ist, einer (nachträglichen) Rationalisierung zuführt (und sei es dadurch, dass die Struktur des Wertungsakts durch seine Analyse in unterschiedliche Teilwertungsakte transparenter wird)? Oder aber sollen die Ranglisten ein Verfahren der Wertungsdarstellung sein, das heißt ein Verfahren der übersichtlichen (möglicherweise sogar didaktischen) Präsentation von Wertungsakten, deren Genese und Geltung (jedenfalls innerhalb der Rangliste) keine Rolle spielen? Oder dienen sie, wie Merck vermutet, bloß einer geistreichen Unterhaltung? Die unklare Funktionszuweisung bringt auch mit sich, dass das Verhältnis der Tabellen zum häufig umfangreicheren Begleittext nicht klar wird: Sollen die Tabellen nur übersichtlich darstellen, was sich auch ohne Schwierigkeiten (wenn auch vielleicht etwas ermüdend) in einem diskursiven Text (ohne Zahlenmaterial: also qualitativ) darstellen ließe oder leisten die Tabellen über ihre anschauliche Darstellung hinaus etwas, das nicht rein textuell geleistet werden kann? Das Ranking-Verfahren, das auf den erster Blick als eine Art ästhetischer Arithmetik erscheint, also als tabellarische Rechenaufgabe, deren Ergebnis noch erst kalkuliert werden muss, scheint kaum mehr zu sein als die numerische Darstellung der eigenen, bereits vorab weitgehend feststehenden Wert-Intuitionen. Das Ranking stellt die eigenen, bereits erfolgten Wertungsakte übersichtlich dar und artikuliert darüber hinaus die Teilwertungsakte, auf denen der übergreifende (›totale‹) Wertungsakt beruht. Da die basalen Wert-Intuitionen gleichsam ›gesetzt‹ sind, wie de Piles bereits ausdrücklich betont,⁵³ kann dieses Modell bei abweichenden Positionen auch keinen Konsens stiften – ein Beispiel für divergierende Intuitionen wäre Shakespeares Prosodie (»Versification«), die vom Autor des »Literary Magazine« 19 Punkte, von Akenside 10 Punkte und von Wieland ein »–« erhält. Es kann aber einen Dissens transparenter machen. Darüber hinaus erweist sich als unklar, was genau gemessen werden soll. Mit Ausnahme der Liste von Richardson, der einzelne Werke bewerten möchte, werden in den Ranglisten des achtzehnten Jahrhunderts Gesamtwerke (Œuvres) und Künstler bewertet, ohne dass im Einzelfall deutlich wird, ob der Schwerpunkt auf der vorliegenden künstlerischen Gesamtproduktion eines Künstlers liegt (der ästhetischen Qualität von Artefakten) oder auf den »Tugenden« und »Fähigkeiten« des Künstlers, der dieses Werkkorpus hergestellt hat (der Könnerschaft eines Künstlers). Dort, wo die Bewertung wie bei Dubos dem »Grade der Vortrefflichkeit« (»point de merite«) eines Malers gilt⁵⁴ oder wie bei de Mairan der Ermittlung 53 54
Roger de Piles: Cours de Peinture par Principes, S. 489–490. [Jean-Bapiste] Du Bos, Kritische Betrachtungen über die Poesie und Mahlerey. Tl. 1, S. 253. [Jean-Baptiste Dubos], Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture. Tl. 1, S. 258.
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des Kompetenzgrads (»degrés d’habileté«) des Malers dient, scheint weniger das Gesamtwerk als der Schöpfer dieses Werks Evaluationsgegenstand zu sein. Angesichts eines Kunstsystems, dessen Normhorizont generisch ausgerichtet ist, stellt sich darüber hinaus die Frage, inwiefern überhaupt gattungsübergreifende absolute ästhetische Normen bei den Wertungsakten angesetzt werden können. Dieses normative Problem besteht auch im Fall der komparativen Wertung: Hier tritt es auf als Frage nach der Etablierung der jeweiligen Vergleichsgruppe: Sollten alle Dichter miteinander verglichen werden oder nur die eines bestimmten Genres? Müsste man, wenn man streng generisch differenzieren wollte, nicht sogar den Lyriker Horaz anders bewerten als den Satiriker? Nur die Rangliste Wielands verrät ein Bewusstsein dieses Problemzusammenhangs, da sie die Künstlernamen weitgehend nach generischer Affinität ordnet. Eine andere, ungeklärte Frage ist schließlich, wie überzeugend die ›Berechnung‹ von Gesamtwerten ist, durch die sich die heterogenen Teilwertungsergebnisse in eine eindimensionale Anordnung überführen und dann bei Bedarf durch Ordinalzahlen (erster, zweiter, dritter …) darstellen lassen. Sollte nicht die Teilbewertung einzelner Merkmale der Kunstwerke im Vordergrund stehen, sondern die Bestimmung einer aggregierten »Exzellenz« eines Gesamtwerks oder eines Künstlers, so stellt sich die Frage, in welches Verhältnis die unterschiedlichen Teilbewertungen zu setzen sind: Denn sowohl in dem Fall, in dem die Teilwerte addiert werden, als auch in dem Fall, in dem sie multipliziert werden, wird fraglos davon ausgegangen, dass diese Teilwerte das gleiche Gewicht haben. Weshalb aber sollte das so sein? Ohnehin wird nur in den Listen von Akenside und de Mairan sowie ein halbes Jahrhundert später von Jean-François Sobry, einem erfolglosen Literaten und leidlich erfolgreichen Verwaltungsbeamten, ausdrücklich aus den Einzelbewertungen ein Gesamtwert gebildet; und nur bei Sobry hat dieser Gesamtwert eine Auswirkung auf das Anordnungsmuster der Künstlernamen in der Tabelle (bei de Piles, Akenside und Burney wird an der alphabetischen Anordnung festgehalten; bei de Mairan und Schubart lässt sich kein klares Ordnungprinzip erkennen). Sobry fügt nicht nur eine Spalte für die Summe der Einzelbewertungen hinzu (»Résultat«), sondern ordnet die Maler nunmehr in der Reihenfolge der ihnen zugeschriebenen Punktsummen⁵⁵: Erst hier, also Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, wird die Rangliste zu einem »Ranking« im engeren Sinne (vgl. Abb. 14).
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Jean-François Sobry, Poétique des arts, ou cours de peinture et de littérature comparées, Paris 1810, S. 148–169, hier S. 157.
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Die Metrik preussischer Werber Im Rahmen der Rezeption der Rangliste von de Piles wurde immer wieder die Frage gestellt, inwiefern die Wertkategorien überhaupt im Hinblick auf ihre Steigerungsmöglichkeit kompatibel sind; man gewinnt den Eindruck, dass sich für de Piles hohe Werte in den Kategorien »Dessein« und »Coloris« wechselseitig ausschließen.⁵⁶ Verschärft wird dieses Problem aber erst durch die später hinzukommende Kategorie des »Genies«, die dazu tendieren kann, alle anderen Wertkategorien zu ›destabilisieren‹. Marmontel hebt bereits 1761 hervor, dass eine kritischen »Balkenwaage« der Poesie damit rechnen müsse, dass das Buch eines Genies in allen anderen Kategorien erhebliche Defizite aufweisen könne.⁵⁷ Das »Genie« destabilisiert das gesamte Wertungssystem, indem es jederzeit alle anderen Wertkategorien übertrumpfen, das heißt genauer: außer Kraft setzen kann. Sehr deutlich wird das in der Rangliste von Schubart, der betont, dass »Dichtergenius« die zentrale Wertkategorie sei: Der Genius sei »der wahre Nachahmer der Gottheit, schafft wie Er, ordnet wie Er, stellt dar wie Er, würkt wie Er – Gott in ungeheuern Bezirken, der Dichter in eingeschränktern.«⁵⁸ Auffällig an Schubarts Rangliste ist zunächst, dass er im Gegensatz zu Akenside auf die Kategorie »Moral« verzichtet; auch verzichtet er im Gegensatz zu seinem Vorläufer auf die Ermittlung eines Gesamtwerts. Eine Summierung der Einzelwerte, der zufolge Wieland an erster Stelle stünde,⁵⁹ erweist sich für Schubart als überflüssig, weil für ihn eine bestimmte Wertkategorie alle anderen übertrumpft: das »Genie«. Es ist aber auch gerade die Kategorie des »Genies«, die das gesamte ambitionierte Vorhaben einer numerisch verfassten ästhetischen Rangliste wenig aussichtsreich erscheinen lässt: »Auf dieser Welt gibts kein Maaß, wo man Geister nach Schuh, Zoll und Strich messen kann, wie Körper. Inzwischen 56 57
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Vgl. die statistische Bestätigung dieser negativen Korrelation bei François Mairesse, Réflexion sur la balance des peintres de Roger de Piles (1635–1709), S. 46. Lettre de M. Marmontel, à M. De la Place, Auteur du Mercure, en lui envoyant un Essai de Traduction du Poëme de Lucain, in: Mercure de France, April, 1761, S. 73: »On peut faire la balance des Poëtes, comme on a fait celle des Peintres. L’inégalité semble être la caractére [sic] du génie; un ouvrage plein de génie peut donc être fort inégal.« [Christian Friedrich Daniel Schubart], Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter, S. 167. – Interessanterweise ist für Schubart »Genie« aber mit Gelehrsamkeit (»Literatur«) durchaus vereinbar: Klopstock und Wieland erzielen in beiden Kategorien sehr hohe Werte. Auch sind niedrige Werte in der Leitkategorie »Genie« durchaus mit Höchstleistungen in anderen Bereichen vereinbar – wie das Beispiel Lessings zeigt, der in der Kategorie »Genie« nur magere 15 Punkte erzielt, dafür aber in den Bereichen »Witz« und »Gedächtnis« mit jeweils 19 Punkten Spitzenwerte erreicht. Den besten Gesamtwert (Summe) erzielt bei Schubart Wieland (161 Punkte), dahinter dann Klopstock und Lessing (jeweils 154 Punkte).
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messen wir Menschen nach der Würkung; und in so fern laß ich den Gedanken stehen; ob mir gleich der in Zahlen aufgelöste poetische Genius eben so widrig vorkommt, als das Todengerippe eines vollkommen schönen Mädchens.«⁶⁰ Der poetische Genius lässt sich nicht numerisch erfassen.⁶¹ Die numerische Darstellung des ästhetischen Messakts könne aber dazu dienen, den kleinen Dichtern zu zeigen, welcher Abstand sie von den Größen der Dichtung trennt: »Man sieht aus diesem Versuche, wie schwer es sey, Geister zu messen, wie man Körper mißt. Inzwischen hat es doch seinen Nutzen. Der Zwerg siehts deutlicher, daß er ein Zwerg ist, wenn er sich am Maaße der Potsdammer Garde hinaufstreckt.«⁶² Nimmt man diese Metaphorik aus dem Bereich militärischer Körpermessung ernst,⁶³ wird auch deutlich, dass die Rangliste nicht der Initialisierung von Nach-
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Christian Friedrich Daniel Schubart an Ernst Ludwig Posselt in Karlsruhe, 20. Mai 1790, in: Christian Friedrich Daniel Schubart. Briefwechsel. Kommentierte Gesamtausgabe in 3 Bänden, hg. von Bernd Breitenbruch, Konstanz 2006, Bd. 2, S. 398–399, hier S. 399. Dieses Argument lässt sich auch im Bereich der Theorie der bildenden Künste beobachten, wo etwa Carl Ludwig Fernow seine Konzeption des »plastische[n] Genies« deutlich der Konzeption eines »kalkulierenden Verstand[s]« kontrastiert, die er unter anderem mit dem Namen von Roger de Piles verknüpft; vgl. Carl Ludwig Fernow, Über das Kunstschöne, in: Carl Ludwig Fernow, Römische Studien. 3 Tle., Zürich 1806–1808, Tl. 1 (1806), S. 291–450, hier: S. 449–450: »Möchte doch einmal das Vorurtheil, dass blosser Verstand, und ein mühsamer nur auf Wissenschaft und Technik bauender Fleis hinlänglich seyen, schöne Kunstwerke hervorzubringen, der besseren Überzeugung weichen, dass ohne plastisches Genie eben so wenig in den bildenden Künsten, als ohne poetisches Genie in der Dichtkunst, etwas Zweckmäßiges geleistet werden kan. Jener Irthum mehrt nur die Zahl der geistlosen Handwerker und würdigt die Kunst selbst zu blossem Handwerk hinab. Wäre der Kunstschönheit durch den kalkulierenden Verstand beizukommen, warlich! die de Piles, die Mengse, Casanova’s und die Akademiker hätten sie längst erbeutet, und an den Triumfwagen der neueren Kunst gefesselt. Aber die Göttin wird nicht durch den Verstand begriffen; ihre Gunst wird nicht durch mühsamen Fleis erkauft, nicht durch Model und Gliedermann ertappt; nur der seltene Sohn des Himmels, der Genius, ruht begeistert an ihrem liebe- und lebenathmenden Busen.« [Christian Friedrich Daniel Schubart], Kritische Skala der vorzüglichsten deutschen Dichter, S. 170. Vgl. zur legendären Potsdamer Garde schon den Eintrag »Potzdamer« im Zedler: »Potzdamer, darunter pfleget man zu itzigen Zeiten eine Person von gantz besonderer Länge zu verstehen, oder mit diesem Namen zu belegen, nachdem Se. ohnlängst höchstseligst verstorbenen Königl. Maj. von Preussen, die an überaus grossen Soldaten ein gantz besonderes Vergnügen fanden, die allergrössesten Leute, so aus aller Welt Orten mit unbeschreiblichen Kosten herbey geschaffet wurden, nach Potzdam unter die daselbst befindlichen und so genannte grosse Grenadierer zu schicken.« In: Grosses vollständiges Universal-Lexicon […], hg. von Johann Heinrich Zedler, Bd. 28, Leipzig und Halle 1741, Sp. 1921.
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ahmungsvorgängen dient.⁶⁴ Dem Zwerg soll die Rangliste nicht dazu dienen, sich so zu recken und strecken, dass er irgendwann selbst ein Preußischer Gardesoldat (wie Klopstock) wird; er soll einfach nur erkennen, was er ist und bleiben wird: ein literarischer Zwerg. Wer hier für Schubart die wahren Zwerge sind, wird aber erst klar, wenn man den Blick auf den Fuß der Rangliste gleiten lässt (vgl. Abb. 1). Wie die »Proben von ältern deutschen Dichtern« zeigen, können diese nicht mehr mit den neueren Dichtern mithalten: Kein älterer deutscher Dichter erzielt in der von Klopstock angeführten Kategorie »Genie« einen Punktewert über 16, während unter den Neueren insgesamt sieben diese Punktzahl überschreiten (Klopstock, Wieland, Uz, Geßner, Gerstenberg, Goethe und Schiller). Darüber hinaus erzielen die neueren Dichter in der Kategorie »Sprache« erheblich bessere Werte als die alten. Wobei hervorgehoben werden kann, dass die Geburtsdaten der »ältern deutschen Dichter[]« von 1698 (Bodmer) bis 1714 (Rabener) reichen, die Geburtsdaten der ›neuern‹ sich aber von 1719 (Gleim) bis 1759 (Schiller) erstrecken. Gleim, der in der Rangliste von Schubart am Anfang einer ›neueren‹ Epoche steht, ist von Schiller, der auch noch dieser Epoche angehören soll, 40 Jahre entfernt, während er von Rabener, der noch den »ältern« Generation angehören soll, gerade mal fünf Jahre entfernt ist. Schubarts Ranking dient also nicht nur einer Evaluation der zeitgenössischen Dichter; es artikuliert auch das Bewusstsein eines literarischen Generationenwechsels, der die ältere Dichtergeneration klar in den tiefen Keller des Dichter-Rankings verwiesen hat. Wobei hervorgehoben zu werden verdient, dass das von Schubart entworfene ästhetische Wertungsregime damit nicht mehr auf einen Vergleich von »Antiken« und »Modernen« angewiesen ist, sondern den Rangstreit zwischen den Älteren und Neueren nun bereits ausschließlich im Kontext der eigenen jüngeren Nationalliteratur situieren kann. Die Pointe des Rankings von Schubart ist also eine übergreifend literaturhistoriographische und nicht, dass er, um eine kritische Wendung Herders zu den poetischen Rankings zu verwenden, wie »ein preußischer Werber« die Schuhgröße aller evaluierten Autoren genau abmessen wollte.⁶⁵ Die Intervention Herders verdient eine nähere Betrachtung. In seinem »Torso« Ueber Thomas Abbts Schriften hebt er hervor, dass man den Wert eines Werks nicht ausmessen könne; wer dies dennoch versuche, werde nicht der inkommen-
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So die Deutung von Immer, der »die zentrale Funktion dieser Tabellen« wie folgt charakterisiert: »Indem sie das literarische Feld bewerten und qualitativ stufen, bilden sie ein Richtmaß für den nachahmenden Autor.« Nikolas Immer, Der Dilettant als Nachahmer, S. 58. [Johann Gottfried Herder], Ueber Thomas Abbts Schriften. Der Torso von einem Denkmaal, an seinem Grabe errichtet. Erstes Stück, [Leipzig] 1768, S. 51.
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surablen inneren ›Größe‹ des Werks, sondern nur seiner äußerlich abmessbaren ›Länge‹ habhaft: »Ich sollte, da ich ihn jetzt von außen betrachtet, in das innere Triebwerk greifen, das so große Dinge wirkte: mit starker, Hand dasselbe anhalten, und die Räder und Federn zerlegen, die alles bewegten. Oder, damit ich mich dem Tone der Zeit bequeme: so sollte ich mich in der Psychometrie üben, und ihn wie ein preußischer Werber, ausmessen: ein Gericht, das Dichter und Maler nach ihrem Tode haben über sich müssen ergehen lassen, und zu welcher noch neulich unser Kleist seine Schuhe hat ablegen müssen. Allein da ich mich auf diese Kunst nicht verstehe: und Abbt nicht gern, wie jener Hylas den Agamemnon vorstellte, mehr langstreckig als groß machen wollte: so verweise ich hierüber auf sein Ehrengedächtnis, dessen Verf. ihn persönlich gekannt hat.«⁶⁶ Diese Position wird sich durchsetzen. Schon Ende des achtzehnten Jahrhunderts wird ein breiter Konsens darüber erzielt, dass eine Metrik der ästhetischen Wertung nicht wünschenswert ist. Das Projekt einer Arithmetisierung des Ästhetischen oder, in der Terminologie der damaligen Zeit, einer »Geometrisierung des Geschmacks« wird fallengelassen. Jean-François Sobry fasst diese Einwände ein Jahrhundert nach der Publikation der »Balance des Peintres« von de Piles in der folgenden Aufforderung zusammen: »Lasst uns das Schöne lieben, wenn wir es sehen, ohne uns in die Verlegenheit zu bringen, es zu wägen. Lasst uns den Enthusiasmus des Talents mit dem Enthusiasmus der Wertschätzung entgelten; und die Waagen den Händlern überlassen.«⁶⁷ Das minutiöse ästhetische Abwägen von Kunst sei dem Enthusiasmus aller Beteiligten abträglich.⁶⁸ Auch müsse die Bewertung des Talents eines Malers aufgrund seines gesamten Œuvres unterschieden werden von der Bewertung der Güte einzelner Werke. Da nicht alle Werke eines Künstlers die gleiche Güte hätten,
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Ebd., S. 51–52. – Vgl. zur Hintergrundmetaphorik dieser Stelle auch die umfassende Darstellung von Lutz Danneberg, Ganzheitsvorstellungen und Zerstückelungsphantasien. Zum Hintergrund und zur Entwicklung der Wahrnehmung ästhetischer Eigenschaften in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Mimesis – Repräsentation – Imagination. Literaturtheoretische Positionen von Aristoteles bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, hg. von Jörg Schönert und Ulrike Zeuch, Berlin und New York 2004, S. 241–282. Jean-François Sobry: Poétique des arts, S. 148–169, hier S. 155: »Aimons ce qui es beau, quand nous le voyons, sans nous embarrasser à le peser. Payons l’enthousiasme du talent par l’enthousiasme de l’estime; et laissons les balances aux marchands.« Ebd., S. 154: »[…] quelqu’ingénieuse que soit cette balance, elle a le grand inconvénient de disséquer les talents, de ralentir l’émulation, de refroidir les Artistes, de rendre les amateurs minutieux […].«
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bedürfe es einer detaillierten Wägung der Einzelwerke: Eine Aufgabe, die man aber getrost den Antiquitätenhändlern überlassen könne.⁶⁹ Im Ergebnis bedeutet das jedoch, dass die numerische ästhetische Wertermittlung, weil sie keiner exakten Regel folgt,⁷⁰ abgelöst wird einerseits von ästhetischen Eindrücken, die mit »Liebe« und »Enthusiasmus« entgolten werden, und andererseits von merkantilen Erwägungen, die der Ermittlung eines Marktpreises dienen. Damit ist dann der spezifisch moderne »doppelte Diskurs des Wertes« installiert,⁷¹ der Werke, die einen ästhetischen Wert haben, strikt von Waren unterscheidet, denen ein ökonomischer Wert zukommt; ein doppelter Diskurs, der die Quantifizierbarkeit des Werts eines Kunstobjekts auch nur noch im Hinblick auf seine ökonomische Warenform zulässt. Einhundert Jahre nach de Piles lässt sich also eine Doppeltendenz beobachten: Einerseits geht die Genialisierung des Künstlers einher mit der Genialisierung des Kritikers, der bei seiner ästhetischen Würdigung nunmehr selbst Enthusiasmusfähigkeit unter Beweis stellen muss; andererseits wird die numerische Wertermittlung von Kunstobjekten der Ökonomie des Kunstmarkts überantwortet, womit die ästhetische Balkenwaage vollends »den Händlern überlassen« wird. Die ästhetische Rangliste wird damit im Bereich der unikalen Künste von den Preislisten des Antiquitätenhändlers oder Auktionshauses abgelöst und im Bereich der reproduzierbaren Künste von der Ermittlung der verkauften Exemplare beerbt. Von dem ambitionierten Vorhaben, die ästhetische Qualität eines Kunstwerks oder gar eines ganzen künstlerischen Œuvres numerisch zu erfassen, bleibt dann im literarischen Feld nicht mehr viel übrig; den Platz dieses anspruchsvollen Projekts übernimmt allenfalls: die Bestenliste⁷² und die Bestsellerliste.⁷³ 69 70 71
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Ebd., S. 154: »[…] comme les maîtres ne sont pas égaux dans leurs ouvrages, il faudroit faire une autre balance pour les peser avec eux-mêmes, et ce seroit un vrai travail de brocanteurs.« Ebd., S. 154: »Nous invitons donc nos auditeurs à ne regarder ces balances que comme une idée ingénieuse, curieuse, amusante même; mais non comme une règle exacte.« John Guillory, Cultural Capital. The Problem of Literary Canon Formation, Chicago 1993, S. 269–340, hier vor allem S. 283–303. Der Begriff des »double discourse of value« wurde geprägt von Barbara Herrnstein Smith, Contingencies of Value. Alternative Perspectives for Critical Theory, Cambridge, Mass. 1988, S. 125–134. Die Überlegungen von Guillory werden weitergeführt von Mary Poovey, Genres of the Credit Economy. Mediating Value in Eighteenth- and Nineteenth-Century Britain, Chicago 2008, hier vor allem S. 287–290. Vgl. dazu Alfred Estermann, »Die besten Bücher aller Zeiten und Litteraturen«. Studien zu einer Umfrage aus dem Jahre 1889, in: Alfred Estermann, Kontextverarbeitung. Buchwissenschaftliche Studien, hg. von Klaus-Dieter Lehmann und Klaus G. Saur, München 1998, S. 185–203. Vgl. dazu Laura J. Miller, The Best-Seller List as Marketing Tool and Historical Fiction, in: Book History 3, 2000, S. 286–304.
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narrative der natur Wissenspoetik des Liminalen in Georg Christian Raffs Naturgeschichte für Kinder (1778)
Nicht wahr, Kinder, die Naturgeschichte hat und gibt viel Vergnügen? Georg Christian Raff
Naturgeschichte(n) für »Herzensfreunde« Im März 1777, zwei Jahre nach der Weltumsegelung James Cooks, veröffentlicht einer ihrer Teilnehmer den aufsehenerregenden Bericht über die Ereignisse der dreijährigen Expedition. Was der gerade 22-jährige Georg Forster mit der A Voyage Round the World als »programmatische Entschleierung der Mythen der Peripherie«¹ seinen Lesern darbietet, lässt einen Großteil mit sprachlosem Erstaunen zurück. Die Reisebeschreibungen und die darin geschilderte Erschließung der Neuen Welt sind so vereinnahmend verfasst, dass manch einer gar die Authentizität des Textes sowie die Autorschaft des jungen Forster anzweifelt.² Nichtsdestotrotz ist es aber die Faszination, die die zeitgenössische Rezeption dominiert haben dürfte: Die Voyage trägt dem Bedürfnis Rechnung, sich der neuzeitlichen Erweiterung des Horizonts zu stellen und den Wahrnehmungsmodus zu reflektieren, mit dem Natur und Kultur betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund kann Forsters Bericht nicht nur als ein Dokument gelesen werden, das Aufschluss über das Selbstverständnis der Entdecker gibt, denn in gleichem Maße veranschaulichen seine Beschreibungen die narrative Aufbereitung des gewonnenen Wissens. Was vordergründig als inkommensurables Phänomen erscheint,
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Yomb May, Aufklärung und der Wille zur Macht. Georg Forsters Reise um die Welt als Anschreibung gegen die zivilisatorische Evidenz, in: Ästhetik und Kommunikation 121 (2003), S. 13–16, S. 13. Vgl. Ludwig Uhlig, Georg Forster. Lebensabenteuer eines gelehrten Weltbürgers, Göttingen 2004, S. 85.
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wird so (be-)greifbar und ermöglicht dem Leser die Teilhabe an der Artenvielfalt der Neuen Welt, ihrer Völker und deren Lebensweisen. Als Georg Christian Raff im Jahr darauf die Naturgeschichte für Kinder publiziert,³ lässt nicht jeder dem Autor das verdiente Lob zuteil werden, dass er angesichts seiner Bemühungen um eine spezialisierte Kinder- und Jugendliteratur mit pädagogischer Breitenwirkung redlich verdient hätte. Die Tatsache, dass Raff die Vermittlung naturgeschichtlichen Wissens in einen Dialog zwischen Erzähler und einer fiktiven Zuhörerschaft aus Kindern einbindet und zeitweise die vorgestellten Tiere selbst das Wort ergreifen lässt, um von sich zu erzählen, überzeugt nicht jeden seiner Zeitgenossen. So spottet der Mathematiker und Satiriker Abraham Gotthelf Kästner: »Hier sind die Thiere sprechend angekommen, allein der Esel ausgenommen; die Rolle hat der Autor übernommen!«⁴ Der Rezensent der Allgemeinen deutschen Bibliothek des Jahres 1779 versichert Raff zwar »den Dank der Teutschen«,⁵ übt aber auch Kritik: »Den Dialogenton können wir nicht billigen. Uns dünkt immer, der Raum hätte entweder erspart oder nützlicher ausgefüllt werden können.«⁶ Was haben diese beiden Begebenheiten gemeinsam? Die Publikationen Forsters und Raffs legen primär Zeugnis ab über das Bedürfnis, den neuen Wahrnehmungsmodus der Natur, der sich im achtzehnten Jahrhundert mit der Erweiterung des Horizonts durch die Entdeckungsreisen und den mit ihr verbundenen naturgeschichtlichen Studien sukzessive formiert, narrativ aufzubereiten. Doch es bestehen zwei gravierende Unterschiede: Zum einen fasst Forster den erwachsenen Leser ins Auge, dem ein gewisses Maß an Lektürekompetenz und Verständnis für naturgeschichtliche Vorgänge unterstellt werden darf, während Raff für Erzieher und deren Zöglinge schreibt; er tut dies in einer Zeit, die als »pädagogisches Jahrhundert«⁷ Eingang in die Literatur- und Kulturgeschichte der Neuzeit gefunden hat. Zum anderen stellt Forsters Voyage in erster Linie einen Tatsachen- und Erfahrungsbericht dar, wohingegen Raff für seinen Beitrag zur Sachliteratur auf Schriften zur Naturge-
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Der besseren Verfügbarkeit wegen zitiere ich nach Georg Christian Raff, Naturgeschichte für Kinder. Mit Zwölf Kupffer-Tafeln, Dritte verm. u. verb. Aufl., Göttingen 1781. Zit. n. Art. Georg Christian Raff, in: Allgemeine deutsche Biographie, 56 Bde., Historische Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaft (Hg.), Bd. 27, Leipzig 1888, S. 158 f., S. 159. Rezension zu G. C. Raffs Naturgeschichte für Kinder, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 37, Friedrich Nicolai (Hg.), Berlin, Stettin 1779, S. 523–528, S. 523. Der anonyme Rezensent unterzeichnet mit dem Kürzel »Ot.«. Ebd. Erstmals auffinden lässt sich dieses Etikett bei Johann Gottlieb Schummel, Spitzbart. Eine komi-tragische Geschichte für unser pädagogisches Jahrhundert, Leipzig 1779.
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schichte und andere Wissensformationen zurückgreift. Für den Leser bedeutet dies die Auseinandersetzung mit einem Konvolut, dessen Nutzen durch seinen Autor selbstbewusst zur Schau gestellt wird, das letzten Endes aber nur Wissen aus zweiter Hand versammelt und präsentiert. Zunächst aber gilt es, den für meine folgenden Untersuchungen relevanten Begriff einer Wissenspoetik des Liminalen näher zu erläutern.⁸ In meinen Untersuchungen zur Naturgeschichte für Kinder bezeichnet er ein Konzept der Selektion und des Arrangements⁹ von naturgeschichtlichem Wissen, dem sich drei zentrale Aspekte von Liminalität unterordnen lassen. 1. Die Grenze zwischen Natur und Kultur. Der Erzähler hält seine Zuhörer zur permanenten Reflexion der Grenze zwischen dem Menschen als Angehörigem des Kulturraums und der fremden Natur als deren Antipoden an. Selbst dort, wo die domestizierte Natur als Teil der Zivilisation erscheint, zum Beispiel in Form von Nutztieren, wird ihr ein nicht geringes Maß an Fremdheit und somit Erklärungsbedarf attestiert. So lässt es sich plausibel machen, dass selbst dem Hausschwein das Wort erteilt wird, um über seine Lebensweise Aufschluss zu geben.¹⁰ 2. Die Grenze zwischen Wildheit und Zivilisiertheit. Es wird verdeutlicht, dass der souveräne Status des Menschen keine Selbstverständlichkeit darstellt. Vielmehr handelt es sich bei ihm insofern um ein Paradigma des Liminalen, als es ihm durch Erziehung und Kultivierung überhaupt ermöglicht wird, den Zustand der Wildheit zu überwinden. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass der Mensch den Raum der Kultur unter Umständen auch wieder verlassen kann, also verwildert und somit zu einem Grenzgänger zwischen Natur und Kultur wird. 3. Grenzen als kulturelles Konstrukt. Daraus wird ersichtlich, dass eine solche Grenzziehung gerade durch den Menschen, der die Narrative der Natur produziert und tradiert, vorangetrieben wird. In letzter Konsequenz lässt sich also sagen, dass der naturgeschichtliche Diskurs eine doppelte Codierung aufweist. Einerseits umreißt er die Grenzen des Eigenen und des Fremden – Kultur und Natur –, andererseits formuliert er die Strategien, durch die Verstehen überhaupt erst möglich wird. Beiden Aspekten eignet demnach ein Code der Reprä-
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Vgl. zur Denkfigur des Liminalen und den methodischen Hintergründen die Vorüberlegungen von Roland Borgards, Liminale Anthropologien. Skizze eines Forschungsfeldes, in: Jochen Achilles, R. B., Brigitte Burrichter (Hg.): Liminale Anthropologien. Zwischenzeiten, Schwellenphänomene, Zwischenräume in Literatur und Philosophie, Würzburg 2012, S. 9–13. Ich verwende die beiden Begriffe hier ausdrücklich nicht im strukturalistischen Kontext; ihre Bedeutung für meine Untersuchungen geht aus meinen folgenden Ausführungen hervor. Vgl. hierzu Kap. 3 dieses Aufsatzes.
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sentation: Vor dem »Ende der Naturgeschichte«¹¹ steht ihr narrativer overkill, mit dem epistemologische Hürden überwunden und das sperrige Wissen um die drei Reiche der Natur in gefälliger Weise präsentiert werden kann. Mit Blick auf diese drei Schwerpunkte lässt sich Raffs Naturgeschichte als Dokument einer Wissenspoetik lesbar machen, die ihren Status nicht allein durch das Kompilieren zeitgenössischer Wissensformationen erhält, sondern zugleich durch den Akt der Selektion und des Arrangierens zentraler Elemente ihrer Episteme einer poiesis zuarbeitet, die auf besonders prägnante Weise vorführt, nach welchen Kriterien sich die Weitergabe von kulturellem Wissen im Bereich der Sachliteratur für Kinder und Jugendliche vollzieht, der um 1800 Hochkonjunktur hat. Gerade aufgrund dieser Kriterien muss die Naturgeschichte auch innerhalb der fiktionalen Literatur verortet werden, denn die Wissensvermittlung erfolgt mit Hilfe genuin literarischer Strategien und durch mythologische oder gattungsspezifische Anleihen, beispielsweise Motive der Fabel. Mit Blick auf die Vermittlung naturgeschichtlicher Inhalte bewegt sich Raff übrigens auf einem gut bestellten Feld: Johann Jacob Ebert publiziert zwischen 1776 und 1778 mit der dreibändigen Naturlehre für die Jugend ein Lehrbuch in Briefform, das in den Folgejahren zahlreiche Neuauflagen erfährt. Johann Siegmund Stoys Bilder-Akademie für die Jugend (1784) oder Georg Simon Klügels Unterricht in der Naturlehre und Naturgeschichte für die Jugend (1794) widmen sich ebenfalls der umsichtigen Einführung spätaufgeklärter Zöglinge in die Geheimnisse von Fauna und Flora, wobei zu erwähnen wäre, dass Stoy wie auch Ebert in ihren Darstellungen auf bereits erschienene Publikationen zurückgreifen,¹² was die naturgeschichtliche Erziehung als intertextuell grundiertes Projekt lesbar macht. Die Vorrede zu Raffs Naturgeschichte gibt zunächst Aufschluss über das Selbstverständnis des Autors, und es ist dabei nicht auszuschließen, dass die herbe Kritik, die ihm nach der Veröffentlichung entgegenschlägt, die Konsequenz seines selbstbewussten Auftretens darstellt, mit dem er sich gerade nicht in eine ›Ahnenreihe‹ von Prä-Texten fügt: Ich übergebe hier dem teutschen Publikum eine Naturgeschichte für Kinder, die, wie ich mir schmeichle, so ziemlich in dem Thon geschrieben ist, wie es die Kinder haben wollen, und gewissermaßen auch haben müssen, wenn sie mit Nuzen und Vergnügen darin lesen sollen.¹³
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Vgl. Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1978. Vgl. Anke te Heesen, Der Weltkasten. Die Geschichte einer Bildenzyklopädie aus dem 18. Jahrhundert, Göttingen 1997, S. 86. Raff, Naturgeschichte, unpag.
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Raff fokussiert damit insofern wirkungsästhetische Aspekte, als die Schrift »so ziemlich in dem Thon« steht, die seinen »lieben kleinen Herzensfreunden und Herzensfreundinnen gefallen könnte.«¹⁴ Mindestens ebenso wichtig wie der Sprachduktus, der einer solchen Publikation eignen sollte, ist zunächst die Selektion ihres Inhalts, was Raff in besonderem Maße rechtfertigt: Es steht zwar freilich ein und das andere in diesem Buche nicht, was sonst in der Naturhistorie abgehandelt zu werden pflegt; allein Kindern ist nicht alles zu wissen nüzlich und nöthig, was Gelehrte von mehrern Jahren wissen müssen. Dagegen aber habe ich auch vieles darin eingerükt, das vielleicht mancher nicht darin suchen wird.¹⁵ Mit anderen Worten: Raffs Naturgeschichte entspricht nicht zwangsläufig den Konventionen der zeitgenössischen Sachliteratur für Erwachsene und dem Ansinnen, bestimmte Wissensfelder möglichst umfassend zu erörtern. Der Akt der Selektion stellt sicher, dass naturgeschichtliche Inhalte, deren Kenntnis den Kindern nicht zwangsläufig »nüzlich und nöthig« ist, bei der Textproduktion strategisch getilgt werden. Desweiteren orientiert sich Raff beim Arrangement seiner Naturgeschichte dafür umso mehr an den Anforderungen, die die Pädagogen der Aufklärung an eine kindgerechte Literatur richten. Dazu zählt unter anderem die Wissensvermittlung in der Form des Dialogs, die sich in zahlreichen Schriften aus dem Bereich der Kinderliteratur des achtzehnten Jahrhunderts finden lässt: »Bald rede ich mit den Kindern; bald reden sie mit mir. Izt redet ein Kind oder ich mit einem Thier, izt lassen wir das Thier seine Geschichte hersagen.«¹⁶ Raffs Erzähler versammelt damit eine fiktive Zuhörerschaft aus Kindern um sich, die in den naturgeschichtlichen Unterricht eingebunden werden. Die Schrift steht damit nicht nur in der aufgeklärten Tradition der Wissensvermittlung in Dialogform, sondern bedient sich eines rezeptionsästhetischen Kunstgriffs, der eine identifikatorische Lektüre ermöglicht: Die fiktiven Zuhörer spiegeln sich im Zuhörer der Wirklichkeit, und im selben Maße stellt der Erzähler in der Naturgeschichte eine Instanz dar, die durch denjenigen, der den Text in der Erzählsituation der Wirklichkeit vorträgt – Pädagoge oder Elternteil – ersetzt wird:
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Darf ich einem Lehrer, der sich dieses Buchs bedienen will, meine Meinung über den Gebrauch desselben sagen; so besteht sie in folgendem: Erstlich lese er es mit seinen Eleven ja nicht gleich von Vornen bis Hinten in einem weg durch, sondern mache Auswahlen und verschiedene Cursus, und lasse es den Kindern über, wovon sie izt gern was Neues wissen wollten. […] Dis thue er nun, so lange es den Kindern gefält, und Zeit und Umstände es ihm rathen.¹⁷ Raffs Konzept, das Buch im naturgeschichtlichen Unterricht einzusetzen, setzt folglich eine mündige Leserschaft voraus, deren Wünsche und Vorlieben berücksichtigt werden und die somit die Möglichkeit erhält, eigene Schwerpunkte zu setzen, »so lange es […] gefält«. Die Ausführungen der Vorrede zeigen allerdings, dass dem Lehrer das letzte Wort zukommt, wenn es um die Vermittlung naturgeschichtlichen Wissens geht: »Zeit und Umstände« rechtfertigen es, erneut die Kontrolle über den Unterricht zu übernehmen, wodurch die Abhängigkeit des Kindes von der erzieherischen Instanz Betonung erfährt.
Tier-Menschen, Menschen-Tiere Als besonders geeignet, um sich Raffs Konzept einer Wissenspoetik des Liminalen in einem ersten Schritt anzunähern, erscheint mir die in der Naturgeschichte für Kinder ausgiebig verhandelte Gattung, die an der Spitze der Säugetiere steht: der Mensch. Der Erzähler lässt gegenüber den zuhörenden Kindern keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um »das vornehmste Geschöpf Gottes auf dem Erdboden«¹⁸ handelt, was sich anhand von zwei bedeutsamen Aussagen darlegen lässt: Einerseits partizipiert die Darstellung an den aufgeklärten Differenzkriterien zwischen Mensch und Tier, die in den Humanwissenschaften des achtzehnten Jahrhunderts erörtert werden. Dementsprechend kommt dem Tier die Rolle des Instinktwesens zu, während der Mensch die Position des intelligiblen bzw. intelligenten Tieres einnimmt.¹⁹ Dieses Oppositionsverhältnis ist damit weder außergewöhnlich noch wird die Vorrangstellung des Menschen damit preisgege17 18 19
Ebd. Ebd., S. 622. Vgl. Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, in: Werkausgabe, Bd. 12, Wilhelm Weischedel (Hg.). Frankfurt am Main 1977, S. 395–690, v. a. S. 505 f.; ebenso Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, in: Werke in zehn Bänden, Bd. 6, Martin Bollacher / Gunter E. Grimm u. a. (Hg.), Frankfurt am Main 1989, S. 67–76.
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ben: »Kein Thier, es sei auch noch so klug und geschikt; es sehe aus und wohne, wo es wolle, übertrift den Menschen an Klugheit und Geschiklichkeit. […] Kurz, nichts bleibt dem Menschen übrig, dass er nicht erforschen, finden und bezwingen könnte.«²⁰ Unmittelbar daran anschließend wird den Zuhörern die Kluft vor Augen geführt, die zwischen Unvernunft und Intelligenz des Menschen liegt: Aber wann kann er das? Gleich nach seiner Geburth? Gleich in seinem ersten Jahre? O nein! Kaum in seinem fünfzehnten Jahr kann er es. Ach wie arm, wie elend, wie hülflos ist nicht der Mensch nach seiner Geburth, und gewöhnlich auch noch bis in sein zweites Jahr! Kriecht er da nicht fast wie ein Wurm auf allen vieren herum?²¹ Ungeachtet des zoologischen Lapsus, der den Wurm zum Quadrupeden erhebt, wird pointiert, dass der Status des Menschen als Souverän über »die ganze Erde, samt allem, was darauf und darin ist«,²² keine naturgegebene, von Anfang an bestehende Überlegenheit gegenüber dem Tier als Instinktwesen darstellt. Die quasi natürliche Vervollkommnung wird durch die transzendente Macht sichergestellt: Für diesen Mangel des Instinkts nun gab uns der liebe Gott eine vernünftige Seele, mit der wir uns, wenn wir gros geworden und gut erzogen sind, weit über alles Vieh erheben, erstaunlich viel lernen, und uns gleichsam zu Herren des ganzen Erdbodens machen können.²³ Andererseits versieht Raff den Menschen trotz seines Vernunftpotenzials mit der Signatur des Liminalen, mittels derer der »Herr des ganzen Erdbodens« von seinen Grenzen her gedacht werden kann. Werden wir aber nicht gut erzogen, wachsen wir so wie die Ziegen und wie die Schweine auf, ja denn sind und bleiben wir auch halbe Ziegen und Schweine, und werden uns nicht viel vom Vieh, das Heu und Stroh, Laub und Gras, und Eicheln und Bücheln frist, unterscheiden.²⁴
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Raff, Naturgeschichte, S. 622. Ebd., S. 623. Ebd. Ebd. Ebd., S. 624 f.
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Diesen Aspekt nimmt Raff nun zum Anlass, sich mit dem Phänomen der sogenannten Wolfskinder auseinanderzusetzen. Eben hier wird der Stellenwert der Erziehung im Prozess der Kultivierung und Zivilisierung unterstrichen, durch die die Vollendung des gottgegebenen menschlichen Vernunftpotenzials sichergestellt werden kann. Dieser Sachverhalt impliziert die wohl grundlegendste Prämisse der Menschwerdung im Sinne Kants: »Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.«²⁵ Die Losung Kants lässt sich durchweg anhand der von Raff vorgestellten »Wildemenschen-Geschichten«²⁶ bilanzieren, wodurch der Topos Wildheit als Kehrseite der Kultur den Status einer vordergründig diffusen Projektionsfläche verliert, auf die das Exterritoriale, Außerzivilisatorische beliebig abgebildet werden kann. Vielmehr wird der Versuch unternommen, das Oppositionsverhältnis von Natur und Kultur exemplarisch darzustellen: Ihr wisset doch, daß es auf dem ganzen Erdboden Menschen, zusammen ohngefähr taussend Millionen, und unter diesen auch so manches taussend halb wilde und ganz wilde Menschen gebe, die vom lieben Gott nichts wissen, und fast gerade so, wie die wilden Thiere leben, in Höhlen unter der Erde wohnen, und sich unter einander tod schlagen und fressen?²⁷ Unmittelbar darauf verweist der Erzähler wiederum auf die Möglichkeit, die Stufen der Wildheit und des Nicht-Kultivierten graduell zu unterscheiden: So wild und dum sind aber doch die Indianer nicht, daß sie wie die Thiere auf allen vieren lieffen, in den Wäldern wohnten, Gras und Wurzeln, und Feld- und Baumfrüchte ässen, keine Sprache hätten, und also ein völlig 25 26
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Immanuel Kant, Über Pädagogik, in: Werkausgabe, Bd. 12, Wilhelm Weischedel (Hg.). Frankfurt am Main 1977, S. 691–761, hier 699. Raff, Naturgeschichte, S. 625. Vgl. hierzu die Auseinandersetzung mit diesem Topos bei Hansjörg Bruland, Wilde Kinder in der Frühen Neuzeit. Geschichten von der Natur des Menschen, Stuttgart 2008. Die Studie nähert sich dem Phänomen ausgehend von einer »Phänomenologie der Isolation« (ebd., S. 12) und erörtert deren Facettenreichtum in materialreichen Analysen. Betrachtet werden nicht nur die Brüche innerhalb der anthropologischen und naturgeschichtlichen Episteme, sondern auch die satirische Bearbeitung der Fallgeschichten; nicht minder aufschlussreich Nicolas Pethes, Zöglinge der Natur. Der literarische Menschenversuch des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007, S. 62–97. Vor dem Hintergrund einer Wissensgeschichte der Experimentalpädagogik geht Pethes u. a. der Frage nach, inwiefern »die hypothetischen Annahmen über isolierte Kinder mit einer experimentellen Beobachtung zusammentreffen, die die Wolfskind-Geschichten zum zentralen Bezugspunkt eines auf Isolation setzenden Erziehungsverständnisses werden läßt.« (ebd., S. 63). Raff, Naturgeschichte, S. 624.
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thierisches Leben führten: Nein, das thun sie nicht. Sie leben und wohnen in ihren Hütten, sie mögen nun über oder unter der Erde sein, in kleinen und grossen Gesellschaften zusammen, haben ihre eigene Sprache, die sie unter einander, und auch gegen ihre Nachbarn gebrauchen.²⁸ Mit anderen Worten: Es besteht die Möglichkeit, dem »Indianer« ein gewisses Maß an Kultiviertheit zu attestieren, durch das er sich von jenen »taussend halb wilde[n] und ganz wilde[n] Menschen« abgrenzt. Durch den Verweis auf die sozialen Strukturen,²⁹ in denen sich ihr Leben vollzieht und nicht zuletzt den Verweis auf den Besitz einer gemeinsamen Sprache³⁰ erscheint die Lebensweise indigener Völker als Grenzphänomen zwischen Natur und Kultur. Anders verhält es sich nun mit dem Wilden, der außerhalb der Kultur und damit der menschlichen Zivilisation steht: Allein man hat Beispiele, daß hie und da einzelne Menschen verlohren gegangen, und sich etliche Jahre nach einander in Wäldern bei den wilden Thieren aufgehalten, und endlich auch, wie diese, auf allen vieren gelauffen, Baum auf, Baum ab geklettert, eben das gefressen, was ihre neuen Kameraden frasen, und so nach und nach mit Haren bedekt, ohne Sprache, ohne Gebrauch ihrer Vernunft, und völlig wild geworden sind.³¹ Während eingangs das Potenzial des Menschen als intelligibles Tier mehrfach Betonung findet, werden in Passagen wie dieser die Effekte einer Abkehr von sämtlichen Prinzipien der Kultivierung und Zivilisierung dargestellt. Mit der lakonisch formulierten Möglichkeit, dass »einzelne Menschen verlohren« gehen, geht ein Ausgang aus dem Raum der Kultur und damit ein Abfall von der Zivilisation einher. Das Ergebnis, dass der Erzähler ohne Umschweife folgen lässt, schleift die Grenze zwischen Natur und Kultur insofern, als es den Status des Liminalen nicht als fixe Grenze umreißt, sondern den Übergang einer »Menschheit« hin zur »Tierheit« als fließenden Prozess darstellt, bei dem die Frage nach der Reversibilität einen besonderen Status erhält.
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Ebd., S. 625. Vgl. hierzu die detaillierte Darstellung im Kapitel »Von den Regierungsformen der Indianer« bei Joachim Heinrich Campe, Sammlung interessanter und durchgängig zwekmässig abgefaßter Reisebeschreibungen für die Jugend, Dritter Theil, Braunschweig 1787, hier S. 146–153. Vgl. in diesem Kontext das Kapitel »Von der Sprache und den Hieroglyphen der Indianer«, ebd., S. 263–267. Raff, Naturgeschichte, S. 625.
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Dies stellen vor allen Dingen jene Fallgeschichten pointiert heraus, die der Erzähler seinen einführenden Worten folgen lässt. Mögen diese »wilden Menschen« zwischenzeitlich noch so »mit Haren bedekt, ohne Sprache, ohne Gebrauch ihrer Vernunft, und völlig wild geworden« sein, so rechtfertigt dies allein noch nicht die Annahme, es handle sich hierbei um Merkmale des Außerzivilisatorischen, die nicht mittels eines kultivierenden Zugriffs zu beheben wäre. Die Erzählung über einen 1544 in Hessen aufgefundenen »wilden Knaben«, der »als ein dreijähriges Kind von den Wölfen geraubt« wurde, die ihn »erzogen« und »ihn mit den besten Stükken ihrer Beute genährt«³² hatten, stellt eine geradezu typische Fallgeschichte dar, die die problematische Re-Kultivierung der »wilden Menschen« ins Auge fasst. Raff berichtet, der Junge sei nach seiner Rückkehr in die Zivilisation nur »schwer zum Aufrechtgehen zu gewöhnen gewesen«³³ und stellt damit die Probleme heraus, die mit einer Rückführung des Wolfkindes in den Ordnungsraum der Kultur einhergehen. Eine derartige ›Kollision‹ von Natur und Kultur macht es notwendig, die Darstellung des Charakters ›wilder Menschen‹, wie sie von Raff bevorzugt vorgenommen wird, näher auszuleuchten.³⁴ Er beschränkt sich dabei keineswegs auf die Probleme einer erneuten Eingewöhnung innerhalb des Raums der Kultur, sondern verweist in seiner Darstellung genauso pointiert auf die schiere Unmöglichkeit, dieser Tier-Menschen habhaft zu werden: 1661 wird von zwei wilden Knaben berichtet, die in Litauen »unter den Bären« gelebt hätten; der eine sei »den Jägern entwischt«, sein Gefährte »habe sich mit seinen Zähnen und Nägeln tapffer gewehrt«.³⁵ Ein Fall von 1694 gibt ebenfalls Aufschluss über die Wehrhaftigkeit eines weiteren litauischen Bärenzöglings, der »als ein überal hariges Geschöpf, auf Händen und Füßen gegangen« und ebenfalls »schwer zu zähmen gewesen«³⁶ sei, was auch über einen in Irland gefangenen wilden Knaben berichtet wird.³⁷
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Ebd., S. 625 f. Ebd., S. 625 f. Es handelt sich hierbei um kein originäres Phänomen des sechzehnten Jahrhunderts, vgl. Udo Friedrich, Menschentier und Tiermensch. Diskurse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter, Göttingen 2009. Friedrich setzt sich in seiner Studie zu Literatur und Kultur des Mittelalters mit einer Vielzahl von Grenzfiguren auseinander, die er vor dem Hintergrund einer Semantik des Liminalen darstellt. Die auf S. 115–144 verhandelte Figur des »Wilden Menschen« (ebd., S. 115) erscheint hier wie auch im naturgeschichtlichen Kontext des achtzehnten Jahrhunderts als »klassische Figur der Exterritorialität, die mittelalterliche Variante jener immer wieder hervortretenden und nie bezwingbaren Instanzen« (ebd., S. 117), die als Antipoden der Kultur gelten dürfen. Raff, Naturgeschichte, S. 626. Ebd. Vgl. ebd.
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Die bei Raff versammelten »Wildemenschen-Geschichten« haben aufgrund der immer gleichen Motive und deren wenig spektakulärer Variationen eines gemeinsam: Es geht in ihnen keineswegs darum, das Angstpotenzial, das die Zöglinge der Wölfe und Bären für den zivilisierten Leser bereithalten, in den Mittelpunkt zu rücken. Wirft man einen Blick auf die Quellen, denen die Berichte entstammen, so wird deutlich, dass der Leser hier in nuce mit den Kernfragen einer Wissenspoetik des Liminalen konfrontiert wird. Durch die komprimierte Darstellung prominenter Fallgeschichten von »wilden Menschen« auf gerade einmal fünf Seiten seiner Naturgeschichte schärft Raff den Blick des Lesers für einen wissenschaftlichen Diskurs, der gerade im Zeitalter der Aufklärung immer wieder aufs Neue verhandelt wird: die Grenzziehung zwischen Mensch und Tier,³⁸ durch die sich das vernünftige Individuum seine (nur vordergründig) souveräne Position in immer neuen Spielarten vor Augen zu führen sucht.
Natur und Kultur Der liminale Status, den der Mensch als Souverän über die Natur besitzt, lässt sich zweifach aufschlüsseln: Zum einen wird er spätestens immer dann greifbar, wenn die Natur in ihrer Feindseligkeit dargestellt wird und damit zu einer Gefahr für den Menschen avanciert. In zahlreichen Exempeln, von denen ich einige noch benennen werde, repräsentiert der Mensch nicht die ›Krone der Schöpfung‹, sondern allenfalls den wenig rühmlichen Teil einer Nahrungskette. Doch diese Position ist keineswegs fix, denn wenngleich sich der Mensch Gefahren durch die Natur ausgesetzt sieht, so besteht dennoch stets die Option, diese Bedrohungen mittels des aufgeklärten Verstandes zu überwinden. Zum anderen ist die menschliche Handhabe der Kultur ebenfalls nicht frei von Problemen, ist doch die Genese des aufgeklärten, intelligenten Menschen lediglich das Resultat von diffizilen Kultivierungsprozessen, die einer Vielzahl von Faktoren unterliegen. Auf ähnliche Weise vollzieht sich auch die Domestizierung der Natur, die den Menschen umgibt, mittels einer Reihe von Kulturtechniken, die das aufgeklärte Individuum vernünftig einsetzen muss. Auffällig ist, dass
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Vgl. hierzu Jean-Jacques Rousseau, Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, in: Sozialphilosophische und politische Schriften. Aus d. Frz. v. Eckhart Koch, München 1981, S. 37–161; darüber hinaus Johann Gottfried Herder, Abhandlung über den Ursprung der Sprache, in: Werke in fünf Bänden, Bd. 2, Berlin, Weimar 1969, S. 77–190.
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der Mensch innerhalb dieser Prozesse in einem permanenten Abhängigkeits- und Spannungsverhältnis zwischen Natur und Kultur steht. Dieses Spannungsverhältnis schreibt sich mit Blick auf Raffs Darstellung und Beschreibung der drei Reiche der Natur fort. Einerseits wird der Eindruck erweckt, der Mensch könne als Souverän über eine ihm unterworfene Natur uneingeschränkt herrschen. Doch fernab dieser Beschreibungen einer befriedeten Natur wird andererseits auch immer wieder ihre Grausamkeit hervorgekehrt. Es geht dabei allerdings nicht ausschließlich um das alte Gesetz, das das Recht des Stärkeren innerhalb der Nahrungskette betont, sondern um die Gefahren, die dem Menschen aus dem Raum der Natur heraus drohen. Ein Beispiel dafür gibt das »fürchterliche, Menschen und Thieren äusserst gefährliche Krokodil«,³⁹ das als eines der Beispiele einer dem Menschen feindlichen Natur erscheint. Es ergeht der Hinweis, dass sich dieses Tier bei der Auswahl seiner Nahrung üblicherweise auf »Fische und Gras, und Schlangen und Eidexen«⁴⁰ beschränkt, in Ausnahmefällen aber, wenn »er Menschen erwischen kann, auch Menschen […] zerfleischt und frist«.⁴¹ Besonders ausführlich beschreibt der Erzähler die Gefahr, die vom Fortpflanzungsverhalten des Krokodils ausgeht: Es würden also dieser schreklichen Thiere, da sie vierzig bis fünfzig Jahr alt werden, und alle Jahr gegen hundert Eier legen, bald so viel werden, dass sie in kurzer Zeit alle Menschen in Aegypten erwürgen könten, wenn alle diese Eier auskämen, und ihnen nicht manches davon von den Aegiptern weggenommen, und von einem gewissen vierfüssigen Thier, das Ichneumon heist, ausgesaugt würde.⁴² Bedeutsam bei der Beschreibung der regulierenden Eingriffe, die das Gefahrenpotenzial des Krokodils minimieren können, sind zwei Aspekte: Zum einen raubt der Mensch zeitweise dessen Gelege, wodurch ein Zugriff aus dem Ordnungsraum der Kultur erfolgt, der eine übermäßige Ausbreitung des Krokodils verhindert. Zum anderen vollzieht sich diese Regulierung wiederum durch den Übergriff des ›Ichneumons‹,⁴³ dem die Eier des Krokodils als Nahrung dienen, innerhalb der Nahrungskette und damit der Natur selbst.
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Raff, Naturgeschichte, S. 271. Ebd. Ebd. Ebd., S. 272. Vgl. ebd., S. 457. Hier setzt sich Raff näher mit dem »Ichneumon« auseinander, wie die »Faraonsmaus, Faraonsratte oder Manguste« auch bezeichnet werden kann.
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Fernab der im Nil lauernden Bedrohungen lässt Raff keinen Zweifel daran, dass die Gefahren, die von der Natur ausgehen, keinesfalls auf die Ferne der Neuen Welt oder des Orients beschränkt bleiben. Dies gilt nicht zuletzt für ein Tier, das bereits durch seinen Namen Furcht verbreiten soll: »Der Menschenfresser ist aber wol der gröste und fürchterlichste Haifisch. […] Ganze Pferde fand man schon oft in seinem Magen.«⁴⁴ Die eigentliche Gefahr, die für den Menschen von diesem Fisch ausgeht,⁴⁵ beschreibt der Erzähler, indem er »folgende wunderbare Geschichte«⁴⁶ einschiebt: Im Jahr 1758 fiel ein Matros unglüklicher Weise von einem Schif ins Mittelländische Meer. Kaum lag er im Wasser, so kam ein solcher Menschenfresser herbei, und nahm den um Hülfe schreienden Unglüklichen in seinen weiten Rachen, und verschlang ihn. Kaum aber hatte er den armen Mann im Leibe, so schos der Schifskapitain eine Kanone auf ihn los, und traf ihn zum Glük so dicht, daß er den Matrosen plözlich wieder lebendig ausspie, und man ihn beinahe ganz unverlezt auffischte, und aufs Schif brachte. Den grossen Fresser aber machte man sogleich ganz tod, und hieng ihn oben auf dem Schiffe auf. Der Kapitain schenkte dem geretteten Matrosen dis Ungeheuer, das zehn Ellen lang, und vier Ellen breit, und 3224 Pfund schwer war. Dieser zog mit ihm herum, und lies es für Geld sehen. Er war auch in Teutschland damit.⁴⁷ Dieser äußerst ungewöhnliche Bericht, der Zeugnis ablegen soll von der Gefährlichkeit des ›Menschenfressers‹, tut dies nicht etwa durch die Präsentation von Faktenwissen, sondern durch die leicht gekürzte Wiedergabe einer Passage aus Philipp Ludwig Statius Müllers Linné-Übersetzung,⁴⁸ was Raff in einer Fußnote anmerkt.⁴⁹ Ihr entstammt auch die Mutmaßung, es handle sich beim »Menschenfresser« um jenes Tier, das »wol ehedem den Propheten Jona verschlungen«⁵⁰
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Ebd., S. 256. In der Naturgeschichte erfolgt seine Einordnung in die Klasse der Amphibien. Raff, Naturgeschichte, S. 256. Ebd., S. 257. Vgl. Philipp Ludwig Statius Müller, Des Ritters Carl von Linné vollständiges Natursystem. Nach der zwölften lateinischen Ausgabe und nach Anleitung des holländischen Houttuynischen Werks mit einer ausführlichen Erklärung ausgefertigt von Philipp Ludwig Statius Müller, 6 Teile, Nürnberg 1773–1775, Teil 3, Von den Amphibien (1774), S. 268 f. Es liegt nahe, dass sich Raff bei der Zuordnung des Hais zu den Amphibien an Linnés Standardwerk orientiert hat. Vgl. Raff, Naturgeschichte, S. 257, Anm. *). Ebd.
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habe. Hier zeigt sich, dass Raff wie auch Müller durch die Rückbindung naturgeschichtlichen Wissens an biblische Motive den Versuch unternehmen, religiöse Exempelgeschichten wie das Schicksal Jonas mit Faktizität anzureichern, wodurch sich die Naturgeschichte ein weiteres Mal als Text lesbar machen ließe, der die Grenze zwischen Fakt und Fiktion schleift. Nach dieser Betrachtung des Gefahrenpotenzials, das der Natur eignet, möchte ich zeigen, wie im Umkehrschluss ihre Domestizierung durch den Menschen dargestellt wird. In der Naturgeschichte erscheint der Ort der Zivilisation insofern als Topos des Liminalen, als sich in ihm Natur und Kultur vereinen. Mit anderen Worten: Die domestizierte Natur stellt zwar einen Teil der Kultur dar, behält aber zugleich die Signatur des Fremden. Diese Auffälligkeit kann vor allem mit der Notwendigkeit erklärt werden, dass das zivilisatorische Selbstverständnis in den einschlägigen Texten des achtzehnten Jahrhunderts immer wieder erneut auf den Prüfstand gehoben werden muss. Am Beispiel des Hausschweins lässt sich dies besonders treffend veranschaulichen, denn es ist nicht etwa der Erzähler, der seinen Zuhörern das Wesen und die Lebensweise des domestizierten Tieres erläutert. Mit dem Imperativ, »Schwein sage deine Geschichte her!«,⁵¹ ergeht explizit die Aufforderung an das Tier, Aufschluss über seine viehische Lebensweise zu geben, was nicht unmittelbar befolgt wird: O wie kann ich das! [d.i. der Einwand des Schweins, auf den die Antwort des Erzählers folgt, MK] Und warum denn nicht? Du solst und must sie hersagen, du wüste garstige Sau! Kanst du dich immer im Koth und Mist herumwälzen, und Aekker und Wiesen und Gärten durchwühlen, und sonst noch allerhand Unfug treiben, so kanst du auch das thun. Rede also, oder du kriegst Schläge!⁵² Die Weise, in der der Erzähler als Souverän über die domestizierte Natur dem Schwein begegnet, gibt Aufschluss über das Selbstverständnis eines Vertreters der Kultur, der zu einem Repräsentanten der unterworfenen, zivilisierten Natur spricht. In der Drohung des Erzählers, der zögerlichen Bereitschaft der anthropomorphisierten ›garstigen Sau‹ mit Gewalt zu begegnen, manifestiert sich die Rolle des Menschen als einem Gebieter über die Natur, deren Unbändigkeit selbst im Kulturraum noch ansatzweise evident ist. Dass der Mensch seinen Einfluss jedoch nicht ohne weiteres geltend machen kann, zeigt die Replik des Schweins, durch die dessen Resistenz gegenüber domestizierenden Einflüssen suggeriert wird:
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So! Sie wollen mich also zwingen? Nun, das ist lustig! Wissen Sie nun aber auch, daß die Peitsche durch meine groben Borsten, harte Haut und dikken Spek nicht durchgeht, und ich sie also nicht sonderlich viel fühle und fürchte? Oder wollen Sie mich prügeln, und mir Kopf und Füsse entzwei schlagen?⁵³ Durch die kurze Beschreibung seiner Abwehrkraft, eingerahmt von zwei Fragen, die ihren rhetorischen Charakter kaum verhehlen, avanciert das Schwein zu einem Lebewesen, dass trotz seiner Zugehörigkeit zur domestizierten Natur um die Vorzüge seines ›wüsten‹ Wesens weiß: Der Peitschenhieb durch den kultivierten Menschen mag noch so unnachgiebig und kraftvoll sein, die »harte Haut« des Tieres vermag ihm zu widerstehen. In letzter Konsequenz wird dem Menschen damit die vollkommene Herrschaft über den Ordnungsraum der Kultur abgesprochen. Dies bedeutet in der Darstellung Raffs, dass der Mensch die Natur zwar zwingen kann, dies jedoch keinesfalls eine uneingeschränkte Nachhaltigkeit der Kultivierungsprozesse mit sich führt.
Kleine Bestien Von der Weite der Neuen Welt oder des Orients, ihrer Schönheit aber auch ihrer Gefahren, kehrt sich Raff zeitweise immer dann ab, wenn es gilt, einen Ausgleich zu Fremdheit und Exotik herzustellen. Immerhin ist es das erklärte Ziel der Naturgeschichte, dem jungen Leser auch naturgeschichtliches Wissen zu vermitteln, das aus der Alten Welt gezogen werden kann. Bei dem Versuch, das Gefahrenpotenzial der wilden Natur überzeugend zu vermitteln, bleibt auch das Paradigma des wilden Tieres per se nicht ausgespart: »der fürcherliche Wolf«,⁵⁴ dessen Hunger bisweilen so enorm sei, dass er, »weil er größer und stärker ist, und sich auch für grossen Thieren, und selbst für Menschen nicht fürchtet, ja sogar in seinem Heishunger die Menschen selbst anfält, und Kinder und Weiber und Männer zerreist und frist.«⁵⁵ Es ist Raff nicht daran gelegen, den Wolf als die Verkörperung einer omnipotenten Bedrohung für den Raum der Kultur darzustellen. Vielmehr liegt eingebettet in die ausladende Beschreibung des Wolfs als personifizierte Gefahr für »die Reisenden und auch die Schäfer«⁵⁶ eine Sequenz, in der die Bestie in Acht und Bann gelegt wird:
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Weil er ganz unersättlich nach Fleisch ist, und Menschen und Vieh erwürgt, und selbst die Leichen ausschart, so hat man ihm mit Recht in Europa einen beständigen Krieg angekündigt, und sogar einen Preis auf seinen Kopf gesezt, damit er nach und nach ganz ausgerottet, oder doch genöthiget werde, seine Wohnung in den wenig oder gar nicht bewohnten Gegenden von Asia, Afrika und Amerika zu nehmen. In Grosbritannien, Irland und Teutschland gibt’s schon lange keine Wölfe mehr; die Norweger aber werden noch sehr von ihnen geängstiget.⁵⁷ Nach der weitläufigen Ausrottung der Wölfe im 17. Jahrhundert gilt es folglich, eine Bestie zu konstruieren, die zu jagen und auszumerzen des Menschen oberstes Gebot ist. Dabei büßt der Feind zwar an Größe ein, doch die Gefahr für den Menschen – nicht zuletzt durch den agrarwirtschaftlichen Schaden – erscheint dabei keineswegs als Marginalie. Es ist bemerkenswert, wie geschickt Raff in Konstruktion und Wiedergabe bestimmter Lebensweisen der Tiere Schaden und Nutzen als gleichberechtigt nebeneinander stellt: So gerät der »Hamster oder Kornferkel«⁵⁸ in der Naturgeschichte zu einem äußerst bedrohlichen »Getraide Dieb«,⁵⁹ der sich in den Monaten, in denen das Korn noch reift, der »Mäusse- und Vogeljagd«⁶⁰ zuwendet. Die detaillierte Schilderung der Aggression des Hamsters entnimmt Raff zu weiten Teilen Friedrich Gabriel Sulzers Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters (1774), der sich mit seiner Schrift dem Schädling der Feldfrüchte anzunähern sucht. Auch Sulzer konzentriert sich bei seiner Darstellung auf die Konstruktion einer kleinen Bestie, die nicht minder schadhaft ist, als die großen, furchterregenden Raubtiere, die beinahe flächendeckend aus Europa verschwunden sind. Der minutiösen Darstellung der Lebensweise des Hamsters durch Sulzer, seiner Kampf- und Verteidigungsstrategien, stellt Raff eine komprimierte Wiedergabe des naturgeschichtlichen Wissens gegenüber, das in einem Akt der poiesis ausgewählt und arrangiert wird:
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Ebd., S. 493 f. Vgl. hierzu auch Wilfried Ott, Besiegte Wildnis. Wie Bär, Wolf, Luchs und Steinadler aus unserer Heimat verschwanden, Leinfelden-Echterdingen 2004, S. 111–176, v. a. S. 134–140 und aktuell Alexander Kling, War-Time, Wolf-Time. Material-semiotic knots in the Chronicles of the Thirty Years’ War, in: Patrick Masius, Jana Sprenger (Hg.): Historical Interactions between Humans and Wolves (erscheint Isle of Harris 2014). Raff, Naturgeschichte, S. 426. Ebd. Ebd.
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Er wehrt sich gegen alles, was ihn angreift, so lange er kann. Er vertheidigt sein Leben lange Zeit gegen Hunde, die oft, wenn sie in dieser Art von Jagd noch nicht sattsam erfahren sind, gezwungen werden, unverrichteter Sache wieder abzuziehen. […] Dies Thier […] scheinet keine Leidenschaft außer den Zorn zu kennen, […] und unter einander haben sie keine Gesellschaft, im Gegentheil werden nie zween Hamster zusammen kommen, ohne sich in den heftigsten Streit einzulassen, dabey kein Vertrag stattfindet, sondern der schwächere muß dem stärkern weichen, und wenn er dieses nicht kann, so wird er getödtet, und gefressen. […] Ratten, Mäuse, Feldmäuse und andere kleine Thierchen tödtet und frißt er.61
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Er ist sehr wild, und beist und zankt sich mit allen Thieren, die ihm begegnen. Ja er ist sogar so dreiste, ob er gleich nur eine Spanne lang ist, sich gegen Hunde und Kazen, und andere viel grössere Thiere, und selbst gegen Menschen zu wehren. Ratten und Mäuse, die ihm begegnen, macht er alle tod, und frist sie mit Haut und Haren auf. Und wenn er auch einen von seinen Kameraden antrift, und er ihm nicht ausweicht, so erwürgt und frist er ihn.62
Wenngleich der landwirtschaftliche Schaden unermesslich scheint, antwortet der Erzähler auf die Frage der Kinder, ob dieses Tier denn zu nichts zu gebrauchen sei, wie folgt: ⁶¹⁶² O ja, die armen Leute sind froh, wenn es viele [Hamster, MK] gibt. Sie nehmen ihre Magazine, essen ihr Fleisch, und verkauffen ihre Bälge. Ein guter Balg kostet drei bis vier Pfennige. Damit also die Hamster nicht ganz ausgehen, und sie doch alle Jahr was zu ernten, zu essen und zu verkauffen haben, lassen sie viele Leben und wieder springen, die sie schon gefangen haben; und manchen entwischen, die sie leicht fangen könten.⁶³
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Friedrich Gabriel Sulzer, Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters. Mit einigen illuminirten und unilluminirten Kupfern, Göttingen, Gotha 1774, S. 125–130. Raff, Naturgeschichte, S. 429. Ebd., S. 428.
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Die Segnungen der Hamsterjagd sind dabei keineswegs Fiktion, denn Raff partizipiert durch seine Schilderung an einem Diskurs, der im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert von erheblicher Brisanz ist: die flächendeckende Bekämpfung des Hamsters durch fürstliche Befugnis.⁶⁴ Die Passagen der Naturgeschichte, die Aufschluss geben über das Vorgehen der »armen Leute« – nutznießende Jäger des Hamsters –, entstammen ebenfalls Sulzers Schrift. Dieser führt vor Augen, dass die Hamster »weit mehrern Schaden durch Entwendung des Getraides, als sie durch ihre Fellchen, und durch ihr Fleisch […] Nutzen stiften.«⁶⁵ Was den zeitgenössischen Zöglingen dabei verborgen geblieben sein dürfte: Die naturgeschichtlichen Episteme werden hier abermals von ökonomischen und agrarwirtschaftlichen Relevanzen durchkreuzt, die auf das Engste mit der noch jungen Disziplin der Kameralwissenschaft verknüpft sind und den Charakter der Naturgeschichte als einer Wissenspoetik abermals betonen.⁶⁶
Rudimente der Fabel An dieser Stelle soll noch einmal auf Raffs eigenen Anspruch eingegangen werden, den er in seiner Vorrede formuliert hat und wonach die Naturgeschichte gemäß einer narrativen Strategie ausgestaltet ist, die die kindliche Lektüre mit Lust erfüllt. Neben den unleugbaren, oftmals wenig spektakulären Fakten, mit denen Raff einen weiten Bogen von der Botanik über die Zoologie bis hin zur Mineralogie spannt, sind es nicht zuletzt die phantastischen Einsprengsel – man könnte sie auch Rudimente der Fabel nennen –, die Raff in seine naturgeschichtliche Darstellung einfließen lässt; der narrative Gestus folgt hier in erster Linie einem einschlägigen rhetorischen Prinzip: prodesse et delectare. Zwei Beispiele sollen dieses Vorgehen verdeutlichen, und es überrascht dabei kaum, dass Raff selbst diese Verfahrensweise differenziert ausgestaltet. Mit
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Die Zuordnung des Hamsters zur niederen Jagd – erstmals im Kursächsischen Edikt Augusts des Starken von 1717 – findet sich beispielsweise auch bei Heinrich Wilhelm Döbel, Neueröffnete Jäger-Practica, oder der wohlgeübte und erfahrene Jäger, Leipzig 1754, S. 98 und noch im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert, vgl. Johann Matthäus Bechstein, Gemeinützige Naturgeschichte Deutschlands nach allen drey Reichen. Ein Handbuch zur deutlichern und vollständigern Selbstbelehrung besonders für Forstmänner, Jugendlehrer und Oekonomen. Erster Band welcher die nöthigen Vorkenntnisse und die Geschichte der Säugthiere enthält. Mit Kupfern, Leipzig 1789, S. 115 f. Sulzer, Naturgeschichte des Hamsters, S. 176. Vgl. zur Korrelation von Kameralwissenschaft und Landwirtschaft Thomas Simon, »Gute Policey«. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Handelns in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2004, S. 441–447.
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den Rudimenten der Fabel verifiziert oder falsifiziert der Autor einen spezifischen Wissenskomplex, der einer Gattung oder einer Art zugeschrieben wird, wobei die bloße Bestätigung von Aussagen keinesfalls bedeutet, dass Raff hier tatsächlich mit Faktenwissen operiert. Es geht offenkundig in erster Linie darum, einem dargestellten Tier menschliche Charakterzüge zuzuschreiben. Der Aspekt der Falsifizierung greift vor allem bei der Beurteilung von ›Fabelwissen‹. Ich habe diesen Terminus bewusst verwendet, um damit eine Wissensform zu benennen, die einerseits personenbezogen ist, andererseits aber auch ungeprüft und unkritisch von weiteren Individuen affirmiert und weitergegeben wird. In der Darstellung des Löwen beispielsweise kommt es zu einer Amalgamierung dreier Modi: 1. Faktizität. Es finden sich Aspekte, die unmittelbar auf naturgeschichtliche Wissensfelder zurückgeführt werden können und die Gestalt des Löwen ganz im Lichte empirischer Fakten wiedergeben. 2. Rhetorizität. Ungeachtet empirischer Tendenzen findet sich immer wieder auch ein intensiver Einsatz von Hyperbeln, die Größe, Kraft und die ausgesprochene Charakterstärke dieses Tieres in einer Weise hervorheben, die häufig manieriert anmutet. 3. Intertextualität. Raff greift auf antike Texte zurück, die beispielsweise einer Verklärung des Löwen zuarbeiten. Mittels der Montage dieser einzelnen Topoi wird qua narratio die Genese ›eines Löwen‹ vollzogen, der Faktizität, Rhetorizität und Intertextualität auf sich vereint. Anhand der nachstehenden Schilderungen des Löwen aus der Naturgeschichte werden die eben aufgeführten drei Darstellungsmodi nachvollziehbar in Szene gesetzt. Raff zufolge ist er das stärkste, verwegenste und schrecklichste Thier auf dem Erdboden. Er macht alle anderen vierfüssigen Thiere, bis an den Elefanten und den Tiger, das Nilpferd und das Nashorn nieder. […] Er selbst aber wird keinem einzigen Thier zur Beute, es sei auch noch so gros, als es wolle – der Tiger überwindet ihn doch zuweilen – und ist also gleichsam der König, und der Kommandant über alle Thiere. Alle fürchten und fliehen für ihm.⁶⁷ Ungeachtet der hier geschilderten begrenzten Souveränität des Löwen wird ihm ein Status zuerkannt, der sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt. Spätestens seit dem Physiologus, einer zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert verfassten frühchristlichen Naturlehre, birgt die eingängige Metapher des Löwen als dem König der Tiere ikonographische Prägnanz.⁶⁸
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Raff, Naturgeschichte, S. 466 f. Vgl. Der Physiologus, übertr. u. erl. v. Otto Seel, Zürich, Stuttgart 1960, S. 3 f.
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Die weitere Beschreibung des Löwen fällt ambivalent aus: So unterbleibt einerseits zwar kein narrativer Kunstgriff, um sowohl Angst wie auch Ehrfurcht zu evozieren, doch bedient sich Raff andererseits immer wieder der Möglichkeit, »Grosmuth und Erkäntlichkeit einiger Löwen«⁶⁹ anzuführen. Trotzdem scheint es Raff in erster Linie daran gelegen, mit Nachdruck auf die Gefahr hinzuweisen, die dieses Raubtier darstellt: »Alle fürchten und fliehen für ihm«, skandiert der Erzähler mittels einer perhorreszierenden Alliteration und nimmt davon keine Spezies aus: Auch die Menschen sind in seiner Gegenwart ihres Lebens nicht sicher. Denn wenn er alzu alt, oder aufgebracht, oder sehr hungrig ist, so nimt und zerreist er, was er kriegen kann, es sei nun Affe, Mensch oder Kamel. Trift er aber Menschen und Thiere beisammen an, so nimt er nur die Thiere und läst die Menschen gehen. Beleidigen ihn diese aber, ja dann rächt er sich nachdrüklich an ihnen, und rottet in etlich Tagen eine ganze Neger- oder MohrenFamilie aus.⁷⁰ Die Kehrseite zur Wut eines gekränkten Löwen, der in der Schilderung Raffs einen menschlichen – wenn auch zugegeben hypertrophen – Vergeltungsdrang entwickelt, äußert sich in ebenso menschlich anmutenden Eigenschaften wie »Grosmuth und Erkäntlichkeit«. Neben der empfindsamen Beschreibung einer Freundschaft zwischen einem »Pudelhündchen«⁷¹ und einem Löwen, der sein Leben in einer Londoner Menagerie zubringt, fügt der Erzähler die Fabel von Androklus und dem Löwen als Tatsachenbericht ein – zumindest ergeht kein Hinweis auf den fiktiven Gehalt der populären Geschichte, die Aulus Gellius’ Noctes Atticae (um 170 n. Chr.) entstammt.⁷² 69 70 71 72
Raff, Naturgeschichte, S. 467. Ebd. Ebd., S. 471. Vgl. Die attischen Nächte des Aulus Gellius, zum ersten Male vollst. übers. u. m. Anm. vers. v. Fritz Weiss, Bd. 1, Leipzig 1875 f., S. 294–298; außerdem die anonyme Schrift Beyspiele von Volks-Tugenden, auf alle Tage des Jahrs zum Unterricht der Jugend und der gemeinen Leute, aus dem Französischen des Herrn Berengers. Zweyter Theil, Bamberg, Wirzburg [sic!] 1789, S. 495–198. Mit dem Hinweis, es handle sich bei der Geschichte um »Eine alte Anekdote« (ebd. S. 495), erscheint sie hier unter dem Titel »Der Sklave und der Löwe« (ebd.); kritische Betrachtung erfährt die Geschichte bei Lauritz Smith, Ueber die Natur und Bestimmung der Thiere wie auch von den Pflichten der Menschen gegen die Thiere, aus d. Dän., Kopenhagen 1790, 234–238, hier S. 234 f.: »Die Begebenheit, mit Androklus und dem Löwen, ist aus den Alten bekannt genug, und man kann meines Bedünkens, mit so viel wenigerm Grunde ihre Glaubwürdigkeit in diesen und andern ähnlichen Fällen in Verdacht ziehen, da sie blos erzählen, ohne Schlüsse aus diesen Erzählungen zu ziehen; da sie sie anführen, nicht um
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Zur Erinnerung: Der römische Sklave Androklus entflieht den Misshandlungen seiner Herrschaft und verirrt sich, erschöpft von Hunger und Durst, in eine Höhle der »Afrikanischen Wüsteneien«,⁷³ wo er auf einen Löwen trifft, der sich aufgrund einer Wunde am Fuß nur mühsam vorwärts schleppen kann. Sein »klägliches Gebrül«⁷⁴ weckt das Mitleid des Androklus, der die Verletzung besieht: »Ach, welch grosser Splitter steckte nicht darin! Und denn war er [der Fuß des Löwen, MK] auch über und über geschwollen, und voller Materie.«⁷⁵ Mit der einleitenden Interjektion, dem Klagelaut »Ach«, den der Erzähler ausstößt, korrespondiert der Text mit dem ›kläglichem Gebrül‹ des wunden Raubtieres, was mit Blick auf die Figurenkonstellation eine Umschichtung des Kräfteverhältnisses zur Folge hat. Der blutrünstige Löwe erscheint angesichts seiner eiternden Verletzung als schwach und dem Menschen beinahe ausgeliefert, weswegen der Sklave furchtlos zur karitativen Tat schreitet: Androklus zog den Splitter heraus, drükte die Materie aus der Wunde und reinigte sie, so gut er konnte. Da nun der Löwe keine Schmerzen mehr fühlte, legte er seinem Wundarzt seinen wunden Fuß in die Hand, und schlief ein. Wie er erwachte, gab er ihm mit allerhand sonderbaren Geberden zu verstehen, daß er bei ihm bleiben, und mit seinem Logis und Tisch vorlieb nehmen möchte.⁷⁶ Auf das Mitleid und die Hilfe des Androklus folgen Dankbarkeit und Gastfreundschaft des Löwen, der damit seine charakterliche Größe unter Beweis zu stellen scheint. Dies nun als Aspekt einer Anthropomorphisierung zu lesen, greift meiner Meinung nach jedoch zu kurz, denn im Grunde gilt hier, was ich eingangs über das binäre Verhältnis aus Natur und Kultur als liminales Phänomen geschrieben habe. Raffs einführende Bemerkungen über den Löwen, die Betonung seiner naturgegebenen Wildheit, konkurrieren und korrespondieren zugleich mit einer Reihe von Eigenschaften, die den Eindruck erwecken, Resultate eines Kultivierungsprozesses zu sein. In der Geschichte des Androklus erscheint der Löwe nämlich zivilisiert und steht damit dem Raum der Kultur näher als dem der Natur. Die Schilderung der drei Jahre, die Androklus »sehr zufrieden, und ohne Angst«⁷⁷ an der Seite des Löwen verbringt, suggeriert, dass sowohl Mensch wie auch Tier in der Lage sind, in einträchtiger Gemeinschaft miteinander zu leben:
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diesen oder jenen philosophischen Lehrsatz zu bestärken, sondern sie als bloße Begebenheiten hinsetzen, und es dem Leser überlassen Folgen daraus zu ziehen.« Raff, Naturgeschichte, S. 473. Ebd. Ebd. Ebd., S. 473 f. Ebd., S. 474.
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»Der Löwe holte Fleisch, und theilte redlich mit ihm, und war nicht eher ruhig, als bis er sah, daß sein Kamerad sat war. Die besten Stükchen Fleisch brachte er ihm allemal von der Jagd mit nach Hausse.«⁷⁸ Die oben bereits erwähnte Dankbarkeit und ihre positiven Effekte entrücken den Löwen der Wildheit und statten ihn mit menschlichen Zügen aus, wohingegen Androklus drei Jahre der Zivilisation fernbleibt und »das thierische Leben«⁷⁹ an der Seite des Löwen einem Dasein in Unfreiheit vorzieht. Was lässt sich nun aber daraus schließen? Der Text leistet hier eine liminale Codierung von Mensch wie auch Tier. Androklus und der Löwe stehen sich nicht mehr als Angehörige jeweils verschiedener und aufgrund ihrer Wesenheiten unvereinbarer Gattungskörper gegenüber, sondern bewegen sich aufeinander zu. Die Kluft zwischen Mensch und Tier, das ›Dazwischen‹, wird in einem Prozess der gegenseitigen Annäherung sukzessive und unaufhaltsam verringert, ohne in letzter Konsequenz allerdings zu einer völligen Aufgabe des kultivierten Lebens zu führen, wie es in den »Wildemenschen-Geschichten« der Fall war. Nachdem Androklus den Löwen verlassen hat und von Soldaten gefangen gesetzt wird, kommt es zur entscheidenden Wendung. Der Sklave soll »nach etlichen Tagen lebendig den wildesten Thieren«⁸⁰ vorgeworfen werden, doch die Zuschauer – unter ihnen Kaiser Caligula – erleben unmittelbar die Folgen einer liminalen Codierung: Der Löwe, dem Androklus in der Arena angsterfüllt gegenüber tritt, that ihm nicht nur nichts zu Leide, sondern stand gleichsam vor Verwunderung stille, wie er ihn sah, gieng ganz sanft und liebreich, gleich als ob er ihn kennete, auf ihn zu, wedelte mit dem Schwanze, und roch und lekte an dem armen Androklus, der vor Angst beinahe schon halb tod war, und weder sah, noch hörte, was mit ihm und um ihn vorgieng.⁸¹ Das Raubtier entpuppt sich schließlich als Androklus’ Höhlengenosse, worauf ihn Caligula, dem der Verurteilte »seine ganze Geschichte« erzählt, begnadigt und ihm »noch dazu den Löwen zum Geschenk«⁸² gibt, der in fortan als treuer Gefährte begleitet.⁸³ 78 79 80 81 82 83
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 475. Zu den ebenfalls prominenten Variationen dieses Motivs einer Kameradschaft zwischen Mensch und Löwe gilt eine Episode aus Hartmann von Aues Artusroman Iwein (um 1200), in der der Ritter Iwein einem Löwen im aussichtslosen Kampf gegen einen Drachen zur Hilfe eilt. Vgl. Hartmann von Aue, Iwein, Übers. u. Nachw. v. Thomas Kramer, 4., überarb. Aufl.,
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Nach diesem Beispiel einer verifizierenden Narration soll nun auch deren Gegenstück zur Sprache kommen, bei der es darum geht, vermeintliches Faktenwissen in einem ersten Schritt zu vermitteln, in einem zweiten Schritt aber als bloße Fiktion abzuqualifizieren: »Nicht wahr, ich darf das Thiereich nicht schließen, ohne euch was von dem Kraken erzählt zu haben? Nun so höret einmal zu, was ich von ihm in den Reisebeschreibern gelesen habe.«⁸⁴ Raff sichert sich die Aufmerksamkeit sowohl seiner Zuhörer als auch seiner Leser mittels einer rhetorischen Frage, um in unmittelbarem Anschluss darauf zu verweisen, dass dem Bericht über den Kraken einzig tradiertes Wissen zugrunde liegt. In einer der wenigen Fußnoten der Naturgeschichte verweist Raff auf die Geschichte von Norwegen des dänischen Theologen Erik Pontoppidan und merkt an, die darin enthaltene »Krakengeschichte […] für eine wahre Fabel«⁸⁵ zu halten – geschildert wird sie dennoch. Raffs Auseinandersetzung mit dem Kraken vereint damit auf sich einerseits neuzeitliches Faktenwissen, berücksichtigt andererseits aber auch jenen Bereich, dem erst Jahrzehnte später durch die Naturwissenschaft eine explizite Absage erteilt werden wird: das ›Fabelwissen‹. Dem Wesen dieses rätselhaften Tieres wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet: Das Wunderthier Kraken hält sich, sagt man, im Nordmeer zwischen Schotland, Norwegen und Island auf, und sieht einer Insel weit mehr ähnlich als einem Thier, so daß der grosse Grönländische Walfisch nur eine Kaze dagegen ist. Er sol eine Art Polype sein, und in der äussern Gestalt viel einer Spinne gleichen, und mit einer großen Menge von Baumdikken Arm- und Fühlhörnern versehen sein. Er sol auf dem Grund des Meeres wohnen, und nur im Sommer bei stiller Witterung, und zwar jeden Sommer nur einmal, bis auf die Oberfläche des Meers, und alsdenn mit sehr langsamen Schritten gerade in die Höhe herauf kommen.⁸⁶
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Berlin, New York 2001, v. 3828–3922. Nachdem Iwein den Drachen erschlagen hat, erweist ihm der Löwe seine Dankbarkeit: »sich bôt der lewe ûf sînen vuoz / und zeict im unsprechende gruoz / mit gebærde und mit stimme.« (»Der Löwe schmiegte sich ihm zu Füßen / und grüßte ihn ohne Sprache / mit Gebärden und Lauten.«), ebd., v. 3869–3871. Ähnlich wie im Falle Androklus’ treten der Löwe und Iwein fortan als unzertrennliche Gefährten auf, man spricht von ihm landläufig als dem »rîter der des lewen pflac« (»Ritter mit dem Löwen«), ebd., v. 4741. Raff, Naturgeschichte, S. 641 f. Ebd., S. 640 f., Anm. *) Bereits zuvor, bei der Schilderung des »Grönländische[n] Walfisch[s]« (ebd., S. 588), merkt der Erzähler an, es gebe kein »grösseres Meerungeheuer« (ebd., S. 589), zumal der weitaus größere und monströsere Kraken, von dem er den zuhörenden Kindern noch erzählen will, eine bloße »Fabel« (ebd.) darstelle. Ebd., S. 641.
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Die Distanznahme des Erzählers von der Schilderung Pontoppidans wird durch den kombinierten Einsatz von indirekter Rede (»sagt man«) und subjektiver Modalität (»sol«) unterstrichen und verweist indirekt auf den Fiktionscharakter dieser Sequenz. Das fiktive Geflecht verleitet gerade dazu, Raffs subjektives Sprechen mit der Aussage ›Der Kraken soll existieren‹ zu paraphrasieren. Ungeachtet dessen verbleibt Raff auf dem Terrain des Liminalen, innerhalb dessen dieser monströse »Polype« gleich zweifach als Skandalon erscheint: Als Fabelwesen nimmt er einerseits gerade deshalb eine exponierte Position innerhalb der Naturgeschichte ein, weil Raff hier in erster Linie wirkungsästhetische Belange ins Auge fasst und zu deren Gunsten auf Faktenwissen verzichtet. Andererseits – und dieser Aspekt erscheint nicht minder relevant – wird die Existenz des Kraken allein aufgrund fehlender Beobachtungen »glaubwürdiger Fischer oder Reisebeschreiber«⁸⁷ in Abrede gestellt. Dies verhindert erstaunlicherweise aber nicht, dem sagenumwobenen Monstrum als Garant für Nervenkitzel einen festen Platz in der Naturgeschichte einzuräumen. Das Kapitel über den Kraken macht es sich nicht zur Aufgabe, dessen Existenz mittels Logik und Empirie zu widerlegen, denn ein Blick auf die zahlreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem riesenhaften Polyp verdeutlicht, dass der Beweis für dessen Existenz allenfalls von sekundärem Interesse ist. Primär geht es den Autoren der Reisebeschreibungen,⁸⁸ Naturgeschichten,⁸⁹ geographischen Sachliteratur⁹⁰ und Enzyklopädien⁹¹ darum, die Un(be)greifbarkeit des Kraken herauszustellen, was nicht zuletzt durch den Rückgriff auf 87 88
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Ebd., S. 640 f., Anm. *). Sammlung der besten und neuesten Reisebeschreibungen in einem ausführlichen Auszuge. Worinnen eine genaue Nachricht von der Religion, Regierungsverfassung, Handlung, Sitten, natürlichen Geschichte und andern merkwürdigen Dingen verschiedener Länder und Völker gegeben wird: Aus verschiedenen Sprachen zusammen getragen, Zweyter Theil, aus d. Engländischen übers., Johann Friedrich Zückert (Hg.), Berlin 1764, S. 221–225; Reisen eines Franzosen, oder Beschreibung der vornehmsten Reiche der Welt, nach ihrer ehemaligen und itzigen Beschaffenheit; in Briefen an ein Frauenzimmer abgefasset u. hg. v. Hrn. Abte Delaporte, Achter Theil, Leipzig 1772, S. 134–137. Vgl. Handbuch der Naturgeschichte oder Vorstellung der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes in den Werken der Natur, Dritter Band, welcher die Fische enthält, mit zwölf Kupferplatten, aus d. Franz. übers., Nürnberg 1774, S. 288–305. Vgl. Adrien Richer, Neuere Geschichte der Polar-Länder, Zweyter Theil, Berlin 1778, S. 180– 187. Vgl. Johann Georg Krünitz, Oekonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Stats- Stadt- Haus- und Land-Wirtschaft, und der Kunst-Geschichte, in alphabetischer Ordnung, Sechs und vierzigster Theil, von Korn-Preis bis Kram, Berlin 1789, S. 666–701. Der Artikel ist insofern aussagekräftig, als er das zeitgenössische Wissen vom Kraken nicht nur bündelt, sondern zugleich dessen Fiktionscharakter einer kritischen Bewertung unterzieht.
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Pontoppidans Schilderung dieses monströsen Bewohners der Grenze zwischen Fakt und Fiktion bewerkstelligt wird. Dies gilt auch für den Fortgang der Beschreibung des Kraken und die Erläuterung seiner Lebensweise, bei der der Modus der Narration dem »Ungeheuer«⁹² einerseits Kontur und Gestalt verleiht, es gleichzeitig aber mittels des durchgehenden Einsatzes von indirekter Rede und Konjunktiv mit dem Etikett eines bloßen Fabelwesens versieht: Derjenige Theil seines Rükkens, der alsdenn über dem Wasser hervorragt, sehe einer Insel ähnlich, die mit Gras und Drek, mit Fischen und Baumhohen Armen und Fühlhörnern, die wie Mastbäume in die Höhe stehen, bedekt sei, und eine halbe Stunde im Umfange habe. Und was mag wol dieses Ungeheuer zu diesem Spaziergange bewegen? Vielleicht die Erhaschung seiner Nahrung? Denn man glaubt, es fresse sich bei dieser Gelegenheit auf ein ganzes Jahr sat. Um aber gewis einen recht festlichen Schmaus halten zu können, entledige es sich seines Unraths, der das Wasser trübe mache, und für die Fische einen so angenehmen Geruch habe daß sie auf allen Seiten in Menge herbei schwimmen. Und nun öfne es seinen Rachen, und verschlinge sie meist alle. Habe es seinen großen Wanst gefült, so sinke es wieder ganz langsam in den Abgrund hinunter, und verdaue nun an seinem Raub ein ganzes Jahr. – Es ist eine Fabel, daß es einen solchen Kraken gebe.⁹³ Die lakonische Schlussbemerkung, durch die der Bericht vom Kraken endgültig mit dem Index der Fiktion versehen wird, stellt zugleich den Abschluss der Beschreibung des Tierreichs und – sinnigerweise – der Auseinandersetzung mit den Säugetieren dar. Damit verschwindet der Kraken allerdings nicht aus dem Fokus des Interesses: Der phantastische Souverän des Nordmeers avanciert nicht zuletzt in fiktionalen Texten des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts zum Paradigma des Scheins und gerät so zum veritablen Mahner gegen Empirie und Faktenglaube. So tritt das Geschöpf beispielsweise fünf Jahre nach der Erstauflage der Naturgeschichte in Daniel Holtzmanns unscheinbarer Fabel vom Kraken und dem Schiffer auf, in der nicht nur der Glaube an die Verlässlichkeit menschlicher Perzeption ins Wanken gerät: Ein Kraken hob sich allmählig aus dem Meer’ empor. Ein Schiffer der in die Nähe kam, hielt ihn für festes Erdreich und landete auf solchem. Wie
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Raff, Naturgeschichte, S. 642. Ebd.
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erschrack er, als plötzlich dieser Boden unter ihm entwich, und er sich mühsam durch Schwimmen auf sein Schiffgen rettete. Kaum war er geborgen, als er sah, was ihn bethört hatte; und eine Fluth von Flüchen gegen den betrüglichen Fisch ausstieß. »Du fluchst mir würklich sehr zur Unzeit; antwortete dieser; da du mir danken solltest. Ein Mann, der in ein so unsichres Element auf schwachem Brete sich wagt, sollte nie dem blosen Scheine trauen; oder thut er’s einmal, so sey er froh, wenn er mit durchnäßten Kleidern und einem kleinen Schrecken davon kömt, weil er dadurch vielleicht sich Klugheit für die Zukunft holt.« Würklich giebt es gewisse kleine Betrüger, denen man sich noch obendrein verbunden zu seyn achten sollte, weil sie uns durch nicht alzuschädliche Erfahrung jene Klugheit lehren, die man nie aus der Theorie allein erlernt.⁹⁴ Es sind gerade solche Texte, anhand derer sich veranschaulichen lässt, wie sich das »Wunderthier Kraken«, dessen Existenz im naturgeschichtlichen Diskurs so eingehend verhandelt wurde, nun zu den dramatis bestiae der Fabel gesellt. Ging es Raff in seiner Naturgeschichte primär darum, seine Zuhörerschaft durch den phantastischen Gehalt der Erzählung vom Kraken zu unterhalten, entfällt bei Holtzmann die pastose Beschreibung des Tieres zugunsten einer Entfaltung seines didaktischen Potenzials.
Schluss Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Naturgeschichte für Kinder ein überaus ambitioniertes Stück Sachliteratur darstellt, zu deren Domäne im Falle Raffs weder strikte Empirie noch reine Faktizität zählt. Ebenso wenig fokussiert das Projekt den Versuch einer mimetischen Wiedergabe der drei Reiche der Natur als Gebiete, die sich der Mensch ohne weiteres erschließen kann. Vielmehr erscheint Raffs Darstellung als ein diffuses epistemologisches Gefüge, das zwar in einem ersten Schritt auf Faktenwissen gründet, den Text darüber hinaus aber ebenso forciert mythologisch oder kryptozoologisch codiert und mit Elementen der Fabel auflädt. In dem Unterfangen, seinen jungen Lesern das rätselhafte Terrain der Natur fernab tradierter Nomenklaturen vor Augen zu führen, geraten Raffs Beschreibungen immer wieder in das Fahrwasser des Fiktiven, was eher zu einer Verklä94
Fabeln nach Daniel Holtzmann, weiland Bürger und Meistersänger zu Augspurg, August Gottlieb Meißner (Hg.), Carlsruhe 1783, S. 4 f.
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rung ihres Gegenstands als zu dessen Erhellung führt. Der Transformationsprozess von der Naturgeschichte hin zu Naturphilosophie, Naturwissenschaft und ihren Teildisziplinen zeigt vor allem eines: die Endlichkeit von Wissensformationen und die Preisgabe von Scheinwissen und vermeintlicher Faktizität zugunsten einer empirischen Auseinandersetzung mit Natur, Kultur und dem Status des Menschen innerhalb dieser. Sind auch in Raffs Naturgeschichte »die Thiere sprechend angekommen«, so verlassen sie ihr Terrain nicht schweigend. In zahlreichen überarbeiteten Neuauflagen schwatzen sie fort, erörtern ihre Lebensweise, positionieren sich vor ihren kindlichen und jugendlichen Zuhörern und überführen den anachronistischen Diskurs der Naturgeschichte in das neunzehnte Jahrhundert.⁹⁵ Darüber hinaus aber liefern sie zugleich den Beweis, dass die Stoffe einer solchen Schriftenkultur die Zeiten nicht unantastbar überdauern: Die spezialisierte Kinderliteratur kann auch über das Zeitalter der Aufklärung und darüber hinaus Bestand haben.
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Die 14. Auflage erscheint 1833, allerdings an entscheidenden Stellen korrigiert und um allzu phantastische Passagen bereinigt.
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die »bestimmung des menschen« in wielands geschichte des agathon Die These des folgenden Aufsatzes lautet, dass die Suche nach einer »Bestimmung des Menschen«, wie sie für die Theologie und Philosophie in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts von eminenter Bedeutung war, den Grundgedanken von Wielands Geschichte des Agathon darstellt.¹ Diese These entfalte ich in vier Schritten. Erstens rekonstruiere ich grob die Bedeutung, die die Rede von einer »Bestimmung des Menschen« bei Spalding, Mendelssohn und Reimarus hat. Zweitens skizziere ich den Übergang von einer individualgeschichtlichen zu einer gattungsgeschichtlichen Bestimmung des Menschen bei Iselin und Kant. Drittens zeige ich die Rezeption dieser Bestimmungsphilosophie in den Aufsätzen Wielands, viertens schließlich im Agathon. Über diese These hinausgehend zeige ich in einem fünften und letzten Punkt, dass die zunehmende Erkenntnis der moralischen Bestimmung des Menschen, wie sie Agathon im Roman vollzieht, als ein Prozess der Bildung verstanden wurde, mithin der Agathon zurecht ein Bildungsroman genannt werden kann.
Die »Bestimmung des Menschen« bei Spalding, Mendelssohn und Reimarus 1748 erscheinen Johann Joachim Spaldings Betrachtungen über die Bestimmung des Menschen, die im weiteren Verlauf des Jahrhunderts noch mindestens neunundzwanzig Auflagen erleben sollten.² Ausgehend von Shaftes1 2
Der Aufsatz wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 980 »Episteme in Bewegung« ermöglicht. Johann Joachim Spalding, Die Bestimmung des Menschen, in: ders., Schriften. Kritische Ausgabe, hg. von Albrecht Beutel, Daniela Kirschkowski, Dennis Prause, Bd. I.1., Tübingen 2006. Zur Zahl der Auflagen dort S. XXVII. Andreas Urs Sommer, Sinnstiftung durch Individualgeschichte. Johann Joachim Spaldings »Bestimmung des Menschen«, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 8 (2001), S. 163–200 ordnet Spalding in die Debatten der Aufklärung und der Theologie ein.
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bury³ macht Spalding in diesen Betrachtungen den Versuch, in einer Art methodischem Zweifel die »Bestimmung des Menschen« – oder allgemeiner: den Sinn des Lebens – allein mit Hilfe der menschlichen Vernunft ohne Rekurs auf die göttliche Offenbarung herauszufinden. »Es ist doch einmal der Mühe wehrt, zu wissen, warum ich da bin, und was ich vernünftiger Weise seyn soll?« (S. 1) heißt es am Anfang des Traktats. Reichtum und Ehre können auf diese Frage keine Antwort sein, genau so wie die sinnliche Vergnügen einer Prüfung nicht lange standhalten. Erst in den »Vergnügen des Geistes« entdeckt Spalding eine erste, mögliche Antwort. Aber auch diese Vergnügen – die Betrachtung der Natur, die Beschäftigung mit Kunst und Philosophie – führen nicht zu einer endgültigen Beruhigung, sondern münden in die Feststellung, dass die Vervollkommnung des eigenen Geistes nur ein Mittel, aber nicht den Endzweck der Bestimmung des Menschen ausmachen kann. Die Beobachtung Spaldings, dass der Mensch in einem teilnehmenden Verhältnis zu seinen Mitmenschen steht, führt zur Entdeckung des »moral sense«, wie sie die englischen Moralphilosophen (vor allem Shaftesbury und Hutchinson) vorgeführt hatten. Der Mensch hat eine angeborene Disposition zu moralischem Verhalten oder, in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, zur Tugend. Das eigene Glück beruht deshalb auf dem Glück der Mitmenschen, denn nur wenn diesem moralischen Pflichtgefühl Genüge getan wird, kann der Mensch mit sich selbst zufrieden sein. Die Zufriedenheit, die aus der Befolgung der moralischen Gebote entsteht, mündet in die Erkenntnis Gottes als Ursprung dieser so weise und vernünftig eingerichteten Welt. Dieses Bewusstsein eines Schöpfers kann das fragende Ich Spaldings allerdings nur so lange zufrieden stellen, bis es sich des Problems der Theodizee bewusst wird. Die alltäglich zu beobachtende »Unterdrückung der Tugend« und das »Glück des Lasters« sind mit der Erfahrung einer göttlichen Ordnung nicht zu vermitteln. Dieser Widerspruch führt zur Entdeckung der Unsterblichkeit. Wenn es einen Gott gibt und dieser den Menschen mit einem moralischen Pflichtgefühl ausgestattet hat, dann muss die Befolgung der moralischen Pflicht auch belohnt werden. Geschähe dies nicht, würde Gott den Menschen bewusst unglücklich machen wollen, was sich wiederum mit dem Wesen Gottes, wie es die Vernunft erschließt, nicht vereinbaren lässt. Das Jenseits versichert die sinnvolle Einrichtung der Welt und macht gleichzeitig das Diesseits zu einem »Zustand der Erziehung, der Prüfung, und der Vorbereitung auf etwas weiteres«. (S. 173) Damit liegt die »Bestimmung des Menschen« 3
Vgl. Mark-Georg Dehrmann, Das »Orakel der Deisten«. Shaftesbury und die deutsche Aufklärung, Göttingen 2008, S. 130–153.
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nicht in dieser Welt, sondern in einem Leben nach dem Tod, das als eigentliche »Vollendung« des diesseitigen Lebens zu denken ist. »Ich spüre Fähigkeiten in mir, die eines Wachsthums ins Unendliche fähig sind« (S. 20 f. und S. 173) heißt es bei Spalding. Dieser Entwurf eines Jenseits gibt seine Abhängigkeit von der christlichen Religion deutlich zu erkennen, ist aber keineswegs mit dieser identisch. Eine Ewigkeit der Höllenstrafen kann es bei Spalding nicht geben, denn das würde mit der »Vollendung«, die sich Spalding vom Jenseits erwartet, in Konflikt geraten. Vor allem aber kann in der christlichen Theologie von einer Teleologie, einer von vornherein zielgerichteten Bewegung des Lebens auf seine »Vollendung« zu, keine Rede sein. Der grundlegende christliche Pessimismus in der Annahme eines durch die Erbsünde im Kern verdorbenen Menschen, der auf die göttliche Gnade, wie sie sich im Tod Christi offenbart, angewiesen ist, weicht bei Spalding einem uneingeschränkten Optimismus. Der Mensch ist von sich aus zum Guten fähig. Thomas Abbt äußert allerdings schon 1763 grundsätzliche »Zweifel über die Bestimmung des Menschen«.⁴ Die anthropozentrische Perspektive Spaldings, die den Menschen im Prozess einer Vervollkommnung begriffen sieht, konterkariert Abbt mit einem Verweis auf die zahlreichen, schon nach der Geburt wieder verstorbenen Kinder. Diese Kinder sterben sinnlos, nämlich ohne ihrer »Vollendung« im Sinne Spaldings irgendwie näher gekommen zu sein. Für ein »Wachstum ins Unendliche« sieht Abbt keine Indizien. Ganz im Gegenteil kämen »viele tausend Fähigkeiten« nicht einmal hier auf der Erde zu dem »Grad der Entwicklung«, der ihnen möglich wäre. (S. 17) Diese Zweifel führen bei Abbt jedoch nicht zu einem Agnostizismus, sondern zu einer fideistischen Rückwendung zur göttlichen Offenbarung. Weil wir hier auf Erden mit den Mitteln der menschlichen Vernunft den »Endzweck« unseres Daseins nicht erkennen können, sind wir auf eine Offenbarung angewiesen, deren »tröstliche Versicherungen das Ziel unserer Abfahrt uns bekannt und erwünschet mache«. (S. 18) Allein aufgrund dieser göttlichen Offenbarung können wir sicher sein, dass der Mensch eine »Bestimmung« über dieses Leben hinaus habe.
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Thomas Abbt, Zweifel über die Bestimmung des Menschen; Moses Mendelssohn, Orakel, die Bestimmung des Menschen betreffend. Beide in: Moses Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe. Bd. 6.1: Kleinere Schriften I. Bearbeitet von Alexander Altmann. Mit einem Beitrag von Fritz Bamberger, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981, S. 9–18 und S. 19–25. Zur Auseinandersetzung bes. Norbert Hinske, Das stillschweigende Gespräch. Prinzipien der Anthropologie und Geschichtsphilosophie bei Mendelssohn und Kant, in: Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit, hg. von Michael Albrecht, Tübingen 1994, S. 135–156.
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Mendelssohn verteidigt Spaldings Entwurf gegenüber Abbt mit dem Argument, dass der Mensch, ob er nun als Säugling oder Greis sterbe, allemal »ausgebildeter« sterbe als er geboren sei. (S. 20) Selbst der nach der Geburt verstorbene Säugling habe in seinem kurzen Leben schon Fähigkeiten erworben und sich mithin »vervollkommnet«. An seiner eigenen, mit elf Monaten verstorbenen Tochter beschreibt Mendelssohn diese als »Vervollkommnung« gedeutete, frühkindliche Entwicklung.⁵ Den Einwand Abbts, dass der Mensch vielleicht nicht den Endzweck der Schöpfung darstelle, mithin auch gleichsam ein ›Nebenprodukt‹ sein könnte, auf dessen »Vervollkommnung« es nicht ankommt, kontert Mendelssohn mit einem Verweis auf die göttliche Ordnung. In dieser ist alles gleichermaßen Mittel und Zweck und deshalb diene auch alles gleichermaßen dem göttlichen Plan. (S. 21) Wenn die »Greuel der Lasterhaften« auf dieser Welt bisweilen nicht bestraft und die »Leiden der Tugend« nicht belohnt würden, so könne man doch sicher sein, dass das in diesem Leben erlittene Unrecht in einem »zweiten Leben« abgegolten würde. (S. 22) Diesen zentralen Gedanken greift Mendelssohn in seinem Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele (1767) noch einmal auf und macht ihn zum eigentlichen Gegenstand des dritten Gesprächs.⁶ Das »Fortstreben zur Vollkommenheit«, das »Wachsthum an innerer Vortrefflichkeit« ist »die Bestimmung vernünftiger Wesen, mithin auch der höchste Endzweck der Schöpfung.« (S. 106) Ganz ähnlich argumentiert Hermann Samuel Reimarus in seinen Vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion (1754).⁷ »Natürliche Religion« bezeichnet die Tatsache, dass Reimarus wie Spalding auf Begründungen aus der christlichen Offenbarung verzichtet und allein aus der Vernunft argumentiert. »Natürlich« ist diese Religion, weil jeder Mensch sie allein aufgrund von Vernunftschlüssen erkennen kann. Diese »natürliche Religion« ist damit alles andere als Atheismus und »Freydenkerei«. Vielmehr zeuge die ganze Natur in ihrem Gefüge von Absichten und Zwecken von der planenden Intelligenz eines »weisen und gütigen« Gottes. Im Gegensatz zur »leblosen Natur«, die keiner weiteren Vervollkommnung fähig sei, beweise die Anlage von Mensch und Tier verschiedene Grade der
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Moses Mendelssohn, Brief an Thomas Abbt vom 1. Mai 1764, in ders., Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe. Bd. 12.1: Briefwechsel II.1, bearbeitet von Alexander Altmann, StuttgartBad Cannstatt 1976, S. 43. Moses Mendelssohn, Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele, mit einem Nachwort hg. von Dominique Bourel und einer Einleitung von Nathan Rotenstreich, Hamburg 1979. Ich zitiere die zweite Auflage, vgl. Hermann Samuel Reimarus, Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion, Hamburg 1755. Vgl. dazu Dietrich Klein, Hermann Samuel Reimarus (1694–1768). Das theologische Werk, Tübingen 2009, S. 201–266.
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Vollkommenheit und zeuge damit von Gott und seinen »Absichten in der Welt«. (Vierte Abhandlung) Weil Gott diese Natur, genauso wie sie ist, gewollt hat, ist diese Natur nicht Ausdruck einer »gefallenen«, korrupten Natur, wie die christliche Theologie wollte, sondern Ausdruck der Güte und Weisheit Gottes. Was der Mensch mit den Tieren gemein hat, ist die Sinnlichkeit, und insofern macht die »sinnliche Lust« auch einen Teil der menschlichen Glückseligkeit aus. Dies richtet sich ausdrücklich gegen die lustfeindliche, asketische Tradition des Christentums und seine »eingebildete Heiligkeit«. (S. 478) Das heißt aber nicht, dass Reimarus einen Epikureismus vertreten würde. Was den Menschen vom Tier unterscheide, sei die Vernunft, und im Gebrauch dieser Vernunft liege deshalb auch die Bestimmung des Menschen. (S. 488) Die Vernunft enthüllt dem Menschen die göttliche Vorsehung, die in dieser Welt am Werk ist und alles auf die höheren Grade der Vollkommenheit ausgerichtet hat (Achte Abhandlung). Weil aber an dieser Vorsehung genauso wenig ein Zweifel bestehen kann wie an der zunehmenden Vervollkommnung des Menschen, kann auch an der Unsterblichkeit kein Zweifel bestehen. (Neunte Abhandlung) Die Unsterblichkeit des Menschen ist das notwendige Komplement der göttlichen Vorsehung, denn ohne eine solche Unsterblichkeit bliebe das Gute und Böse in dieser Welt unbelohnt und unbestraft. (Zehnte Abhandlung) Das Grundmodell ist dabei für Reimarus wie für Spalding und Mendelssohn die Leibnizsche Theodizee. Die Existenz Gottes als eines allweisen und allgütigen Schöpfers erzwingt die Annahme einer Vorsehung, die alles von Anfang an in der bestmöglichen Weise geregelt hat, denn sonst wäre Gott eben nicht allweise und allgütig. (VIII.1 und öfter) Wie bei Leibniz gibt es für Reimarus nichts wesenhaft Böses. Das diesseitige Leben ist eine Prüfungs- und Erziehungsveranstaltung Gottes und was dem Menschen scheinbar Böses zustoße, »verdienet so ferne den Namen nicht, als es ihm entweder den Weg zum Glücke bahnet, oder als eine bittere Arzeney heilsam und nöhtig ist, daß er sich nicht überhebe und ausschweife.« (IX. 13, S. 618) Wer an der göttlichen Vorsehung zweifle, müsse sich immer vor Augen halten, dass die menschliche Perspektive begrenzt sei und die Vorsehung sich nicht auf dieses Leben beschränke. (VIII.10, S. 554 ff.) Ein Werterelativismus, wie er für Reimarus aus Spinozas Identifikation von Gott und Natur und aus dem Materialismus La Mettries folgte, ist deshalb ein intellektueller Trugschluss. Wer glaube, sich nicht an die Gebote der Tugend halten zu müssen, weil es sowieso kein Leben nach dem Tod mit Belohnung und Strafe gebe, der werde nicht nur unglücklich, sondern bediene sich auch nicht zur Genüge seines Verstandes. (X.18, S. 694)
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Der Trost der Geschichte: Aufklärung Spalding, Mendelssohn und Reimarus stehen mit diesen Überzeugungen Mitte des achtzehnten Jahrhunderts alles andere als allein. Die Rede von der »Bestimmung des Menschen« hat zu diesem Zeitpunkt vielmehr solche Ausmaße, dass Reinhard Brandt in ihr den Kern der Religion dieser Zeit ausgemacht hat. Diese Religion ist für Brandt keine christliche, sondern eine stoische, auch wenn in dieser stoischen Religion wichtige Glaubensüberzeugungen des Christentums aufgehoben werden: Die zweite Epoche der Aufklärung, die Zeit von ca. 1750 bis 1800, ändert die Weltanschauung der intellektuellen Wortführer in Deutschland profund. Der Leitbegriff dieser Änderung ist die finale Bestimmung der Menschen, mit der der christliche Kirchenglaube praktisch durch eine neostoische Weltanschauung ersetzt wird. Die Entchristianisierung kann sich ohne Märtyrer und Scheiterhaufen vollziehen, weil wichtige Teile der christlichen Religion erhalten und unbequeme Lehren wie die Erbsünde, der Erlösertod und die spektakulären Höllenstrafen des Mittelalters und des Barock im Einverständnis aller Beteiligten stillschweigend getilgt werden.⁸ Mit und in der Rede von der »Bestimmung des Menschen« werde die christliche Offenbarungsreligion in eine universalistische Vernunftreligion auf stoischer Grundlage überführt, deren reinste Ausprägung bei Kant zu finden sei. Im Unterschied zu Spalding, Mendelssohn und Reimarus tritt in der Folge allerdings das geschichtsphilosophische Interesse gegenüber dem individualgeschichtlichen in den Hintergrund, angefangen etwa bei Isaak Iselin (Geschichte der Menschheit, 1764), über Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, 1768 ff.) und Lessing (Erziehung des Menschengeschlechts, 1777) bis hin zu Kant (Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784; Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte, 1786). Die »Bestimmung des Menschen«, die Spalding als individuelle Vervollkommnung denkt, wird der Vervollkommnung der Menschheit als Gattung untergeordnet. »Sinnstiftung durch Geschichte« hat Andreas Urs Sommer dies genannt.⁹
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Reinhard Brandt, Die Bestimmung des Menschen bei Kant, Hamburg 2007, S. 135. Andreas Urs Sommer, Sinnstiftung durch Geschichte? Zur Entstehung der spekulativ-universalistischen Geschichtsphilosophie zwischen Bayle und Kant, Basel 2006. Vgl. zu denselben Texten in ihrer Wirkung auf Kant außerdem Ulrich L. Lehner, Kants Vorsehungskonzept auf dem Hintergrund der deutschen Schulphilosophie und -theologie, Leiden 2007.
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Die Motivation ist dabei in allen Fällen eine seelsorgerische. Geschichtsphilosophie klärt »den Einzelnen über die Sinnhaftigkeit seiner Existenz« auf, indem sie ihm »eine Funktion im Gesamtgefüge all dessen, was geschieht«, zuweist.¹⁰ Das individuelle Leid erhält seinen Sinn nicht mehr nur aus der Vervollkommnung des Individuums und dem Ausblick auf eine persönliche Unsterblichkeit, sondern aus der fortschreitenden Geschichte der Menschheit. Diese Argumentationsfigur, die ihre eigentliche Bedeutung bei Hegel und in der Geschichtsphilosophie des neunzehnten Jahrhunderts erhalten wird, entsteht im achtzehnten Jahrhundert aus der Suche nach der »Bestimmung des Menschen«. Iselin begründet seine Geschichte der Menschheit auf einer anthropologischen »Bestimmung des Menschen« als Individuum, die er im ersten Teil seines Werkes entwickelt. Die »Gottheit« habe den Menschen mit einem »Trieb« ausgestattet, der den Menschen »mit einer unbesiegbaren Macht zur Veränderung« ansporne.¹¹ (II.5, S. 166) Das »Wachstum ins Unendliche« verlegt Iselin allerdings jetzt in die Gattungsgeschichte. Diese Gattungsgeschichte vollzieht sich wie Spaldings Individualgeschichte als ein Fortschritt von der Sinnlichkeit zur Vernunft, mithin als das, was das achtzehnte Jahrhundert als »Aufklärung« bezeichnet hat. Aus der Wildheit eines ursprünglichen Zustandes entstehen gesellschaftliche und staatliche Ordnungen, wie sie bei den »gesitteten Völkern« zu beobachten sind. Der »unbegränzte Fortgang zur Vollkommenheit« (I.12, S. 42) ist das Ziel der Menschheit als Gattung. Dieses Ziel verlangt es, das eigene Bestreben dem allgemeinen Besten unterzuordnen. Die »Bestimmung« des Individuums ist die »Glückseligkeit der Nachwelt«. (VIII.39, S. 436) Diese »Sinnstiftung durch Geschichte« (Sommer) ist auch der Grundgedanke von Kants Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). Eine solche »allgemeine Geschichte« würde nämlich, indem sie den Gang der menschlichen Entwicklung »im Großen« beschreibt, die teleologische Ausrichtung dieser Geschichte aufzeigen. Sie würde zeigen, dass das, »was an einzelnen Subjecten verwickelt und regellos in die Augen fällt«, »an der ganzen Gattung doch als eine stetig fortgehende obgleich langsame Entwickelung der ursprünglichen Anlagen derselben« erkannt werden kann.¹² 10
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Andreas Urs Sommer, Neologische Geschichtsphilosophie. Johann Friedrich Wilhelm Jerusalems Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 9 (2002), S. 169–217, hier S. 176. Ich zitiere die zweite Ausgabe 1770, vgl. Isaak Iselin, Geschichte der Menschheit, Zürich 1770. Immanuel Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in ders., Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I.8, Berlin 1912, S. 15–31, hier S. 17.
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Indem dieser Prozess als »Aufklärung« zu beschreiben ist, bekommt diese »Aufklärung« als »verborgener Plan der Natur« eine religiöse Fundierung. An die Stelle des christlichen Jenseits mit Himmel und Hölle tritt die Geschichte, die in ihrem Fortgang offenbaren wird, dass Tugenden belohnt und Laster bestraft werden. Trost spendet diese Geschichtsphilosophie, indem sie das Ziel vor Augen stellt, auf das die Geschichte zusteuert. Die »allgemeine Geschichte« ist eine »Rechtfertigung der Natur – oder besser der Vorsehung«, (S. 30) insofern sie im Rückblick erklärt, wie jede einzelne individuelle Anstrengung, auch wo sie nicht zu konkreten Erfolgen geführt hat, im Rahmen der allgemeinen Geschichte notwendig gewesen war. Geschichtsphilosophie ist als »Idee« notwendig, um das Individuum zum »Fortschritt« zu ermutigen. Wer dagegen am göttlichen Plan der Vorsehung verzweifelt, kann nicht mehr zu deren »Fortschritt« beitragen. Ihm wäre jeder Mut benommen, es mit einer Besserung überhaupt zu versuchen.¹³ »Zufriedenheit mit der Vorsehung« (Kant: Anfang S. 123) wird deshalb zur ersten Bürgerpflicht. Gefährlich dagegen sind die Träumereien von einem glückseligen »Naturzustand« des Menschen, wie Rousseau sie in seinem Contract social (1762) entwickelt hatte. Gegen ihn polemisiert Kant mit seinem Muthmaßlichen Anfang der Menschengeschichte. Wenn es einen solchen Naturzustand wirklich gegeben hätte und die Entwicklung folglich nicht »vom Schlechtern zum Bessern«, sondern vom Besseren zum Schlechteren verlaufen würde, dann wäre es sinnlos, sich an einem »Fortschritt« der Menschheit mitwirkend zu beteiligen. Verzweiflung und Misanthropie, wie man sie Rousseau vorgeworfen hat, wären eine wesentlich angemessenere Einstellung.
Die Bestimmung des Menschen in den Aufsätzen Wielands An der Bestimmung des Menschen gibt es für Christoph Martin Wieland keinen Zweifel, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes von seinen ersten bis zu seinen letzten Veröffentlichungen. Schon 1755 heißt es in den Platonischen Betrachtungen über den Menschen mit einer Formulierung, die überdeutlich die (spätestens 1753 erfolgte)¹⁴ Lektüre Spaldings verrät:
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Immanuel Kant, Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte, in ders., Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I.8, Berlin 1912, S. 107–123, hier S. 121. Ähnlich Iselin, Geschichte der Menschheit II.4, S. 125. Vgl. das briefliche Zeugnis Bodmers in Thomas C. Starnes, Christoph Martin Wieland. Leben und Werk, Sigmaringen 1987, Bd. 1, S. 58.
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Der Mensch ist einer unendlichen Veredlung fähig, der Mensch ist für die Ewigkeit erschaffen! Nur diese Wahrheit löset das sonst unbegreifliche Räthsel der menschlichen Begierden auf, die unter den endlichen Dingen keinen Gegenstand finden, der sie erschöpfen könnte. Dieses dunkle Gefühl unsrer Bestimmung, dieser Hang zum Unendlichen, arbeitet insgeheim in jeder menschlichen Brust.¹⁵ In den Betrachtungen über J. J. Rousseaus ursprünglichen Zustand des Menschen (1770) polemisiert Wieland gegen Rousseau, weil dieser leugne, dass der Mensch von Natur aus gut sei. Damit aber könnte der Mensch keine angeborene, moralische Bestimmung haben und ohne diese gäbe es kein Streben zur Vollkommenheit. Die Geschichte des Menschen wäre keine »Vervollkommnung«, sondern eine »Abnahme, Verunstaltung und Ausmerglung der Gattung«.¹⁶ In einem Aufsatz Über die Behauptung, daß ungehemmte Ausbildung der menschlichen Gattung nachtheilig sei (1770) und die Geschichte der Menschheit also nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren führe, gesteht Wieland zwar ein, dass die »Vereinigung der Menschen in grosse Gesellschaften […] dem einzelnen Menschen nachtheilig« sein könne. Diese »Nachteile« für das Individuum würden aber durch die Vorteile aufgewogen, die eine solche »Ausbildung« für die »Vollkommenheit der Gattung« habe.¹⁷ Schon 1770 formuliert Wieland hier genau das Argument, das zwanzig Jahre später Archytas in der dritten Fassung des Romans vorbringen wird, um Agathon zu trösten: Eine vollkommenere Art von allgemeinerer Glückseligkeit ist uns zugedacht. Noch sind zwar die Erdebewohner von diesem letzten Ziel ihrer Bestimmung hienieden nur allzu weit entfernt; aber alle Veränderungen, welche wir bisher durchlaufen haben, haben uns demselben näher gebracht. Alle Triebräder der moralischen Welt arbeiten diesem großen Zweck entgegen; und so
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Christoph Martin Wieland, Platonische Betrachtungen über den Menschen, in ders., Sämmtliche Werke, Supplemente Bd. 4, Leipzig 1798. Ndr. Hamburg 1984, S. 65–100, hier S. 73. Christoph Martin Wieland, Betrachtungen über J. J. Rousseaus ursprünglichen Zustand des Menschen, in ders., Sämmtliche Werke Bd. 14: Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit, Leipzig 1795, Ndr. Hamburg 1985, S. 119–175. Christoph Martin Wieland, Über die Behauptung, daß ungehemmte Ausbildung der menschlichen Gattung nachtheilig sey, in ders., Sämmtliche Werke Bd. 14: Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit, Leipzig 1795, Ndr. Hamburg 1984, S. 237–288, hier S. 250.
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bewundernswürdig hat der Urheber der Natur sie zusammen gestimmt, dass ihre anscheinenden Abweichungen und Unordnungen selbst im Ganzen zu Beförderungsmitteln desselben werden müssen. (S. 278) 1777 wiederholt Wieland dieses Argument noch einmal in einem Aufsatz Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen Geschlechts. Die »Meinung von einer immer zunehmenden Entkräftung der Natur und stetem Abnehmen der Menschheit«, also von einer Degeneration anstelle eines Fortschritts, befindet er dort keiner »ernsthaften Widerlegung« mehr für würdig.¹⁸ Wenn sich die Bestimmung des Menschen in seiner Geschichte vollzieht, dann ist die Religionsgeschichte – die nicht nur in die Aufklärung mündet, sondern sich vor allem als Aufklärung vollzieht – ein Kernelement dieser Geschichte. In seinem Aufsatz Über den freyen Gebrauch der Vernunft in Glaubenssachen (1788) zieht Wieland die Parallele zwischen der Entwicklung des Menschen als Individuum und als Gattung explizit, wenn es heißt, ein Kind hätte, genauso wie ein Volk, »alles in sich, was es braucht um zur Reife, zur Vollkommenheit seiner individuellen Naturbestimmung zu gelangen«.¹⁹ (§ 1, S. 23) Was das Kind und das Volk brauchen, um zu ihrer »Naturbestimmung« zu gelangen, ist genau der »freye Gebrauch der Vernunft«, der den Titel des Aufsatzes bildet. Das Ergebnis dieses »freyen Gebrauches der Vernunft« sind zwei Wahrheiten, nämlich »das ewige Daseyn eines obersten Grundwesens von unbegrenzter Macht« und »die Fortdauer unsers eignen Grundwesens […] zu einer vollkommenern Art von Existenz.« (§ 2, S. 25 f.) Wie Spalding behauptet Wieland, dass der Glaube an diese beiden Wahrheiten aus einem moralischen Bedürfnis des Menschen entstehe, als solcher angeboren sei, der Vernunft entspreche und der Entwicklung des »menschlichen Geschlechts« »höchst wohltätig und in gewissem Sinne unentbehrlich sey«. (§ 24, S. 83) Er ist im strikten Sinne nicht beweisbar, sondern beruht auf einem moralischen Gefühl, in dem auch hier unschwer der »moral sense« von Shaftesbury und Hutcheson wiederzuerkennen ist.
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Christoph Martin Wieland, Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen Geschlechts, in ders., Sämmtliche Werke Bd. 14: Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit, Leipzig 1795, Ndr. Hamburg 1985, S. 289–334, hier S. 324. Christoph Martin Wieland, Über den freyen Gebrauch der Vernunft in Glaubenssachen, in ders., Sämmtliche Werke Bd. 29: Vermischte Aufsätze, Leipzig 1797, Ndr. Hamburg 1984, S. 3–144. Zuerst erschienen unter dem Titel: Gedanken von der Freiheit über Gegenstände des Glaubens zu philosophieren, in dieser Fassung neu herausgegeben in ders., Werke, hg. von Fritz Martini und Hans Werner Seiffert, München 1967, Bd. 3, S. 493–549. Ich zitiere nach der Ausgabe 1797. Zum argumentativen Kontext Martin Schmeisser: Aufklärung und Deismus bei Christoph Martin Wieland. ›Die Gedanken von der Freiheit über Gegenstände des Glaubens zu philosophieren‹ (1788), in: Wieland-Studien 7 (2012), S. 19–42.
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Diese Wahrheiten waren in den antiken Religionen immer schon erkannt, wenn sie auch gleichzeitig immer schon von den Priestern in böswilliger Täuschungsabsicht unter kultischem Aberglauben und mythologischem Apparat verborgen wurden. Das gilt auch für das Christentum. Die katholische Kirche hat die eigentlichen Wahrheiten der Religion unter einem Wust von Aberglauben versteckt. Luther beendete ihre Macht, indem er die Ansprüche dieser katholischen Kirche systematisch vor den »Richterstuhl der Vernunft« (§ 31, S. 101) zog und als falsch verwarf. Von der Reformation führt eine klare Linie zur Aufklärung, die sich aus dieser Perspektive nur als zunehmende Ausweitung des »freyen Gebrauches der Vernunft« zu erkennen gibt. Die Aufklärung ist deshalb auch keine Alternative zum Christentum, sondern im Gegenteil die »Hauptfestung der christlichen Religion, mit Aufopferung der unhaltbaren Außenwerke«. (S. 67) Zu diesen »unhaltbaren Außenwerken« dürfte Wieland, wie Reimarus und die Neologen, etwa die Göttlichkeit Christi, die Lehre von dessen stellvertretendem Sühnetod, die Erbsünde und die ewigen Höllenstrafen gezählt haben. Nicht Glaube, sondern Vernunft und Aufklärung machen »der wahren Religion fähig«. (§ 20, S. 68) Was damit vom Christentum übrigbleibt, ist der Deismus als Religion der Vernunft. Der Aufsatz enthält ein klares Bekenntnis zu diesem Deismus, wenn Wieland gegen all diejenigen polemisiert, die den Begriff »Deist« als Beleidigung betrachten, »die kein Mann von Ehre auf sich sitzen lassen könne«. (§ 16, S. 54) Noch im Jahr 1812 bekennt sich der achtzigjährige Wieland in einer Logenrede Über das Fortleben im Andenken der Nachwelt zu seinem Glauben an eine Unsterblichkeit der Seele und der daraus abgeleiteten, stoischen Pflichtethik. Jetzt ist es nicht mehr Spalding, Reimarus oder Iselin, auf den sich Wieland beruft, sondern Cicero selbst.
Agathons moralisches Pflichtgefühl als Garant seiner Bestimmung 1793 stellt Wieland bei der Überarbeitung der Geschichte des Agathon (erste Fassung 1766) erstaunt fest, »daß ich schon vor 25 Jahren eine Art von Kantischer Filosofie in herba im Schooß meiner Seele herum trug«.²⁰ Die Berechtigung dieser Behauptung aufzuzeigen ist Ziel der folgenden Ausführungen. Sie sollen damit auch belegen, dass die Änderungen und Erweiterungen, die Wieland in der zweiten und dritten Fassung des Romans (1773 und 1794) vornimmt, nicht den 20
Wielands Briefwechsel, hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften durch Siefgried Scheibe, Bd. 12: Juli 1793 – Juni 1795, Bearbeitet von Klaus Gerlach, Berlin 1993, Wieland an Reinhold, 18. September 1793, S. 54.
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Grundgedanken des Romans betreffen. Dieser Grundgedanke lautet: Auch wenn ein moralisch korrektes Verhalten (»Tugend«) auf dieser Welt nicht belohnt wird, muss man sich moralisch korrekt verhalten, denn dieses Verhalten entspricht der Bestimmung des Menschen, wie sie sich aus der Angeborenheit des moralischen Gefühls ergibt. Agathons Suche nach seiner Bestimmung vollzieht sich analog zu Spaldings Beschreibung des diesseitigen Lebens im Sinne einer »Prüfung« und »Vorbereitung« als ein Prozess der Desillusionierung und Erziehung. So hatte es im »Vorbericht« zur ersten Fassung des Romans geheißen, es wäre der »Plan« gewesen, den »Charakter unsers Helden auf verschiedene Proben« zu stellen, »durch welche seine Denkensart und seine Tugend erläutert, und dasjenige, was darin übertrieben, und unecht war, nach und nach abgesondert würde«.²¹ Im elften Buch heißt es, der Roman solle zeigen, wie ein Mann mit den Fähigkeiten und Erfahrungen Agathons in konkret dieser historischen Situation »ein so weiser und tugendhafter Mann« habe werden können, wie er es geworden ist. (XI.1, S. 516) Der Roman beschreibt damit einen zielgerichteten Prozess, in dem Tugend und Weisheit durch »Prüfungen« und »Proben« zu ihrer Entfaltung kommen. In einer Vorrede Über das Historische im Agathon (ab der zweiten Ausgabe 1773) erklärt Wieland das dem Roman vorangestellte Motto – »quid virtus et quid sapientia possit« (»was Tugend und was Weisheit vermag«) – mit den Worten, er hätte zeigen wollen, »wie weit es ein Sterblicher durch die Kräfte der Natur in beiden [also Tugend und Weisheit] bringen könne«. Ein »weiser und guter Mensch zu werden« sei aber nur »durch Erfahrung, Fehltritte, unermüdete Bearbeitung unsrer selbst, öftere Veränderungen in unsrer Art zu denken, hauptsächlich aber durch gute Beispiele und Verbindung mit weisen und guten Menschen« möglich.²² Der Sophist Hippias zieht dabei genau die materialistischen und epikureischen Konsequenzen aus den Erfahrungen Agathons, die dieser selbst nicht ziehen darf, wenn aus ihm tatsächlich ein »weiser und tugendhafter Mann« werden soll. Agathon muss von seinem gleichsam ›blinden‹ Idealismus (»Schwärmerey«, »Enthusiasmus«) befreit werden, ohne dabei in den Materialismus, Epikureismus und Zynismus des Hippias zu verfallen. Agathon darf nicht »auf Unkosten seiner Tugend« weise werden, (XI.1, S. 514) denn eine solche ›tugend-
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Zitate nach der Ausgabe Christoph Martin Wieland, Geschichte des Agathon, hg. von Klaus Manger, Frankfurt am Main 1986, hier »Vorbericht«, S. 16. Die Zusätze der Ausgabe 1794 zitiere ich mit Angabe der Jahreszahl ebenfalls nach dieser Ausgabe. Christoph Martin Wieland, Über das Historische im Agathon, in ders., Geschichte des Agathon, hg. von Klaus Manger. Frankfurt am Main 1986, S. 573–585, hier S. 574.
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freie‹ Weisheit wäre nichts anderes als die Klugheit eines Hippias, die überall nur das Beste für sich selbst sucht. Die Frage lautet, ob sich moralisch korrektes Verhalten, auch wenn es zu keinen Erfolgen führt, als Handlungsmaxime begründen lässt. Schon in seiner ersten großen Auseinandersetzung mit Hippias argumentiert Agathon wie Spalding mit der Angeborenheit seines moralischen Pflichtgefühls. Die moralische »Empfindung«, die jede »gute Handlung« begleite, (III.6, S. 108) versichere ihm, auch wenn er es philosophisch nicht begründen könne, die Überlegenheit eines tugendhaften, moralisch korrekten Verhaltens: »Die Tugend hatte bei ihm keinen anderen Sachwalter nötig als sein eignes Herz.« (X.5, S. 499) Damit spielt Wieland die Theoretiker des »moral sense« (Shaftesbury und Hutcheson) gegen die französische Radikalaufklärung eines de La Mettrie, d’Holbach und Helvétius aus, die hinter dem Materialismus und Atheismus des Hippias unschwer zu erkennen ist.²³ Wenn es eine angeborene moralische Empfindung gibt, die uns sagt, was gut und böse ist, dann gibt es auch eine Pflicht, dieser Empfindung zu folgen. Die Angeborenheit der moralischen Empfindung beweist die Existenz einer gottgewollten Ordnung der Natur und damit die Bestimmung des Menschen zu moralisch korrektem Verhalten. Diese aus der moralischen Empfindung abzuleitende Pflicht – also immer und überall »mit einiger Anstrengung meiner Kräfte, oder Aufopferung eines Vorteils oder Vergnügens, andrer Bestes« zu befördern (III.6, S. 108) – gilt selbstverständlich auch dann, wenn sich die Mehrzahl der Menschen nicht an diese Pflicht hält. Diese Erfahrung macht Agathon in Athen, wenn seine politischen Ideale an der Trägheit und Dummheit der Masse scheitern. Viel schmerzhafter ist allerdings die Erfahrung, die Agathon in Smyrna machen muss, wenn sich herausstellt, dass auch er selbst seine Sinnlichkeit und Triebhaftigkeit nicht unter Kontrolle der Vernunft hat. Agathon unterliegt den Verführungskünsten Danaes, und das bedeutet, dass auch er selbst zu tugendhaftem, moralisch korrektem Verhalten nur mit Einschränkungen fähig ist. Dieser Unterschied zwischen der Evidenz eines moralischen Pflichtgefühls und der Tatsache, dass nicht einmal Agathon selbst die Gebote dieser Pflicht erfüllen kann, führen wie bei Spalding zum Problem der Theodizee. Die »moralische Welt«, das von Sinnlichkeit und Triebhaftigkeit beherrschte Verhalten der Menschen, vermittelt nicht den Eindruck der besten aller möglichen Welten. Damit steht die »moralische Welt« im Gegensatz zum physischen Kosmos. Während der Kosmos den Naturgesetzen immer und überall gehorcht, mithin dieser Kosmos 23
Vgl. zuletzt Jan Engbers, Der »Moral-Sense« bei Gellert, Lessing und Wieland. Zur Rezeption von Shaftesbury und Hutcheson in Deutschland, Heidelberg 2001, S. 108–120 und Roland Krebs, Helvétius en Allemagne ou La tentation du matérialisme, Paris 2006, S. 80–87.
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die ordnende Kraft Gottes demonstriert, kann von der Welt des Menschen, der moralischen Welt, dieser Eindruck kaum entstehen. (VII.5, S. 244) Zwar gibt es das göttlich gewollte, angeborene Gefühl einer moralischen Pflicht, aber kaum jemand hält sich an diese Pflicht. Schlimmer noch: Diejenigen, die sich tugendhaft verhalten, werden unglücklich, während das Laster triumphiert. Hippias schließt deshalb genau umgekehrt von dem Fehlen einer moralischen Ordnung auf den trügerischen Charakter der physischen Ordnung. Wenn das »majestätische All« (II.6, S. 60 f.) auf eine zufällige Agglomeration von Atomen zurückgeht, gibt es auch keine moralische Bestimmung des Menschen. Der Mensch wäre, in den Worten von La Mettrie, »aufs Geratewohl auf einen Punkt der Erdoberfläche geworfen worden, ohne daß man wissen kann, wie und warum«. Alles, was er wissen könnte, sei, »daß er leben und sterben muß, jenen Pilzen ähnlich, die von einem Tag zum andern erscheinen, oder jenen Blumen, die die Gräber begrenzen, und das Gemäuer bedecken.«²⁴ Der Mensch wäre wie das Vieh nur auf diese Erde gesetzt, um »Futter zu suchen und zu sterben«, schreibt Mendelssohn schaudernd in seinem Phädon.²⁵ Ob er sich moralisch korrekt verhält oder nicht, wäre »gleich viel«. Auch Agathon drängen sich solche Zweifel auf, wenn er sich nach seiner Vertreibung aus Athen fragt, warum »in der moralischen Welt nicht eben diese unveränderliche Ordnung und Zusammenstimmung« herrsche wie in der Natur. »Warum leidet der Unschuldige? Warum sieget der Betrüger? Warum verfolgt ein unerbittliches Schicksal die Tugendhaften?« (I.10, S. 40 f.) Zu einer noch weitaus größeren Herausforderung wird die eigene Sinnlichkeit, der Geschlechtstrieb, wie Agathon ihn in Smyrna bei Danae erlebt. Schon Abbt hatte gegen Spalding angemerkt, dass der allgemeine Befund wohl kaum zeige, dass die Menschen sich so einfach über die Sinnlichkeit erheben und zur Erkenntnis ihrer ›geistigen‹ und moralischen Bestimmung gelangen würden, wie dies Spalding annehme. Wieland gibt diesem Einwand schwerstes Gewicht, wenn er Agathon im Grunde nur durch die Intrigen des Hippias aus den amourösen Verstrickungen und damit aus den Banden der Sinnlichkeit befreit werden lässt. Agathon vergisst in den Armen Danaes seine Bestimmung als Mensch. So jedenfalls beschreibt er selbst später gegenüber Archytas seinen moralischen Zustand in Smyrna. »Torheit« sei es ihm damals geschienen, wissen zu wollen, »wer wir selbst sind, wo wir sind und wozu wir sind«. Der Mensch
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Julien Offray de La Mettrie, L’homme machine. Die Maschine Mensch, übers. u. hg. von Claudia Becker, Hamburg 1990, S. 85 und S. 87. Moses Mendelssohn, Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele, mit einem Nachwort hg. von Dominique Bourel und einer Einleitung von Nathan Rotenstreich, Hamburg 1979, S. 79.
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könne nicht einen Schritt weiterdenken, »als nötig ist, um einzusehen, daß wir in diesem kurzen Dasein unsern Wünschen und Bestrebungen kein höheres Ziel setzen können, als selbst glücklich zu sein, und so viel Glück als möglich um uns her zu verbreiten«. Weil der Mensch nur »der unbedeutende Bewohner eines Sonnenstaubes« sei²⁶ und nicht wissen könne, »wie und durch welche Kraft dieses unermeßliche All« zusammengehalten werde, sei es auch sinnlos, sich um das große Ganze Gedanken zu machen. (1794, XVI.2, S. 747) Beschränkung auf das eigene, kleine Glück im Privaten und sich um das Gemeinwohl, das allgemeine Beste nicht kümmern, weil das sowieso nichts bringt – das ist die Lehre, die Agathon in Smyrna aus seinen privaten und politischen Erfahrungen gezogen hat. Agathon kann sich jedoch von diesen falschen Vorstellungen noch rechtzeitig befreien. Er überwindet die lähmenden Kräfte der sinnlichen Vergnügungen, allerdings vorläufig nur, um dann in Syrakus ein weiteres Mal höchst grob enttäuscht zu werden. Im Kerker landet Agathon dort, weil er sich selbst, seine »Vergnügungen« und »Kräfte«, sein »Dasein« und seine ganze »Sorge« in den Dienst des allgemeinen Besten gestellt hat, weil er sich um das Wohl der Syrakusaner verdient zu machen versucht hat, (1794, XII.9, S. 597) wie es seine idealischen Vorstellungen von einer moralischen Verantwortlichkeit des Individuums erfordern. Wieder sind es damit diese idealischen Vorstellungen, die ihn an den Rand des Atheismus, Materialismus und Nihilismus führen. Was Agathon im Kerker von Syrakus vor dem Abgleiten in diesen Atheismus schützt, ist einmal mehr die Besinnung auf die Angeborenheit eines moralischen Empfindens, also auf »die Begriffe des wesentlichen Unterschieds zwischen Recht und Unrecht, und die Ideen des sittlich Schönen«, die aus seiner Seele nicht auszureißen sind. (X.5, S. 499) Allein die Existenz eines moralischen Pflichtgefühls, eines »moral sense« garantiert die Existenz eines »höchsten Wesens« und damit der Bestimmung des Menschen. Diese Erkenntnis erfährt eine ausführliche, reflexive Bestätigung in der »Lebensweisheit« des Archytas, wie sie die letzten Kapitel des Romans in der Fassung von 1794 entfalten.
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Mit derselben Metapher hatte Mendelssohn, Orakel S. 22 gegen Abbt argumentiert, dass man aus der Tatsache, dass wir nur »Würmer auf einem Stäublein« seien, »das im unermeßlichen Weltall herumschwimmet«, nicht folgern dürfe, dass man verächtlich vom Menschen sprechen dürfe.
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Die Weisheit des Archytas Auch Archytas ist, wie Agathon es nach seiner Erfahrung in Smyrna formuliert, der Meinung, dass es »vermessen« wäre, »den undurchdringlichen Schleier, der auf dem Geheimnisse der Natur liegt, aufdecken zu wollen«. (1794, XVI.2, S. 747) Aber daraus dürfe man eben nicht folgern, dass es überhaupt keine höheren Ideale, keine göttlich gewollte »Bestimmung des Menschen« gebe. Auch wenn dem Menschen verborgen sei, »woher er kam, und wohin er geht«, stehe es doch in seiner Macht, »zu wissen, wie und wodurch er mit dem großen Ganzen, dessen Teil er ist, zusammen hängt, und wie er handeln muß, um seiner Natur gemäß zu handeln, und seine Bestimmung im Weltall zu erfüllen.« (1794, XVI.2, S. 749) Aus der Existenz der menschlichen Vernunft kann der Mensch folgern, was seine Bestimmung in dieser Welt ist. Allein aus dem »inneren Sinn« (dem angeborenen »moral sense«) und der »gottähnlichen Natur« des menschlichen Geistes können wir »von Zweck zu Zweck, von System zu System, als auf einer von der Erde über die Wolken empor steigenden Leiter« zur Idee »eines alles belebenden, allem gesetzgebenden, alles erhaltenden und regierenden Geistes« vordringen, mithin die Existenz eines Gottes erkennen. (1794, XVI.2, S. 750 f.) Die Wahrheit, »die den Menschen zu seiner Bestimmung […] führen soll«, könne kein »Arkanum« sein, das nur einigen Wenigen anvertraut sei. Die Wahrheit liege vielmehr so nahe, dass sie »durch bloße Aufmerksamkeit auf uns selbst, durch bloßes Forschen in unsrer eignen Natur, so weit das Licht in uns selbst den Blick des Geistes dringen läßt«, (1794, XVI.3, S. 757) gefunden werden könne. Aus diesem Axiom seiner gesamten Philosophie, mit der die menschliche Vernunft in die höchsten Rechte und Pflichten eingesetzt wird, kann Archytas – der mit diesem Glauben an die menschliche Vernunft wahrhaft zum Prototyp einer stoischen Vernunftreligion, wie Reinhard Brandt sie beschrieben hat, wird – sein ganzes »System« vor Agathon entfalten. Hier, im dritten Kapitel des sechszehnten Buches in der Fassung von 1794, schreibt Wieland, ein halbes Jahrhundert nach der ersten Fassung des Agathon, die eindrücklichste Rekapitulation von Spaldings Bestimmung des Menschen. Als Reinkarnation (oder besser: Protokarnation) Spaldings erkennt Archytas aus den zureichenden Kräften der menschlichen Vernunft nicht nur die doppelte Natur des Menschen, der aus Körper und Geist besteht, sondern auch die Überlegenheit des Geistes. Diese Überlegenheit führt zur Notwendigkeit eines »Kampfes« der Vernunft mit der Sinnlichkeit, aus dem die Vernunft als Siegerin hervorgehen muss. Der Anerkennung der Vernunft folgt die Erkenntnis Gottes aus der zweckhaften Ordnung der Natur, wobei diese Erkenntnis wiederum, wie bei Spalding, von einer derartig intensiven »Empfindung« begleitet ist, dass
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allein die Stärke dieser Empfindung die Existenz Gottes beweist. (1794, XVI.3, S. 763) Aus der Erkenntnis der göttlichen Einrichtung der zweckhaft geordneten Natur folgt nicht nur, dass der Mensch eine Bestimmung haben muss, sondern auch das Wesen dieser Bestimmung. Sie ist mit der Pflicht des Menschen identisch, der »von diesem Augenblick an« nicht mehr nur sich selbst, seiner Familie oder seinem Vaterland angehört, sondern »dem großen Ganzen«, »worin mir mein Platz, meine Bestimmung, meine Pflicht, von dem einzigen Oberherren, den ich über mir erkennen darf, angewiesen ist.« (1794, XVI.3, S. 764) Diese Bestimmung des Menschen ist es, das allgemeine Beste für alle Mitmenschen zu wollen, oder, schlicht und ergreifend, das moralisch Richtige zu tun. Der Mensch, der sich über seine Bestimmung klar geworden ist, tut das moralisch Richtige nicht um »fremden Beifalls« willen, sondern weil es seine »Schuldigkeit« ist. Archytas vertritt damit die klassische Form einer stoischen Pflichtethik: Tue bei jeder Aufforderung zum Handeln das beste, was dir möglich ist, weil du nicht weniger tun könntest, ohne einen Vorwurf von deinem eignen Herzen zu verdienen; und laß dir an dem Bewußtsein genügen deine Pflicht getan zu haben, andere mögen es erkennen oder nicht! (1794, XVI.3, S. 755) Diese Vernunftreligion des Archytas mit ihrem Gebot, immer das Beste zu tun, »was dir möglich ist«, ist von der Kantischen Ethik mit ihrem »kategorischen Imperativ«, der gebietet, »nur nach derjenigen Maxime [zu handeln], durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde« (Kant: Kritik der praktischen Vernunft § 7) offensichtlich nicht weit entfernt. Es gibt eine Pflicht, Gutes zu tun, und zwar auch dann, wenn der größte Teil der Menschheit diese Bestimmung nicht nur nicht erkennen kann, sondern sogar alles tut, um sie zu hintertreiben. Die »allmähliche Verbreitung des Lichtes« – die Aufklärung im Sinne des Wortes – besteht genau in der stufenweise fortschreitenden Erkenntnis dieser »wahren Natur und Bestimmung« des Menschen. (1794, XVI.3, S. 767) Alles andere wäre weder »mit dem Begriff, den die Vernunft sich von der Natur des Geistes macht, noch mit dem Plane des Weltalls vereinbar, den wir uns, als das Werk der höchsten Weisheit und Güte, schlechterdings in der höchsten Vollkommenheit […] vorzustellen schuldig sind«, (1794, XVI.3, S. 767 f.) nicht zu vereinbaren. Das ist der Gedanke von Leibniz, der dem Essai de Théodicée (1710) mit seiner Identifikation dieser Welt mit der besten aller möglichen zugrundeliegt, in seiner Reinform. Aus der unendlichen Weisheit und Güte Gottes folgt notwendig die Tatsache, dass diese Welt die beste aller möglichen sein muss, denn sonst wäre Gott eben nicht vollkommen.
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Wenn diese Welt in ihrem derzeitigen Zustand unmöglich als beste aller möglichen zu erkennen ist – und diesen Punkt hatte der Roman bis zu diesem letzten Kapitel zur Genüge bewiesen –, dann weil die »allmähliche Verbreitung des Lichtes«, die Aufklärung, noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Der einzelne Mensch als Individuum genauso wie die Menschheit als Gattung ist Teil eines Vervollkommnungsprozesses, der sich nicht nur in, sondern als die Geschichte der Menschheit abspielt. (1794, XVI.3, S. 756) Der Prozess der Ernüchterung und Desillusionierung, den Agathon durchleben muss und der schließlich fast im Materialismus und Nihilismus eines Hippias endet, entspricht damit dem Prozess, der im achtzehnten Jahrhundert – nachdem die historische Bedingtheit des Christentums einmal erkannt war – in den Materialismus, Atheismus und Nihilismus eines de La Mettrie, d’Holbach und Helvétius mündet. Wenn im Roman selbst Helvétius’ De l’esprit das »beste und schlimmste Buch« (X.4, S. 493) des Jahrhunderts genannt wird, dann genau aus diesem Grund. Es ist das beste Buch, weil es die Sinnlichkeit und Triebhaftigkeit des Menschen als Teil seines Wesens anerkennt. Es ist das schlimmste Buch, weil es darüber hinaus nicht anerkennt, dass die Sinnlichkeit und Triebhaftigkeit der Vernunft untergeordnet ist und damit in letzter Instanz im Dienst des Fortschritts steht. Der radikale Materialismus ist genauso falsch wie die ›unaufgeklärte‹ Religion, mit der Agathon in Delphi konfrontiert wurde. Aus der Tatsache, dass die moralischen Pflichten des Menschen in der Religion falsch begründet waren (nämlich aus einer göttlichen Offenbarung), folgt nicht, dass es deshalb keine moralischen Pflichten gäbe. Dieses Argument ist unschwer auf das Christentum zu übertragen, das mit dem Gebot der Nächstenliebe dieselbe Forderung erhebt wie Kant mit seinem kategorischen Imperativ. Aus der Tatsache, dass das christliche Gebot der Nächstenliebe schlecht oder gar nicht begründet ist, folgt nicht, dass es als Gebot falsch ist. Gegen den Materialismus und Nihilismus erheben sich deshalb die Vertreter des Deismus, der »natürlichen Religion« und eines durch die Aufklärung geläuterten Christentums, zu denen Wieland, Archytas und schließlich auch Agathon gehören. Der radikalen In-Frage-Stellung aller Werte durch die französischen ›Freigeister‹ folgt die Wiedereinsetzung dieser Werte mit neuer Begründung durch die englischen Moralphilosophen und die deutsche Aufklärung. Die Geschichte der Menschheit ist kein »trostloser Cirkel, in welchem sich die Menschheit ewig herumdreht«, sondern Ausdruck einer »stufenweis wachsende[n] Vollkommenheit der Gattung«. (1773, XII.12, S. 279) Agathon begreift, dass das individuelle Schicksal dem Fortschritt der Menschheit, der sich als zunehmende »Aufklärung« vollzieht, untergeordnet ist. Diese Erkenntnis impliziert auch, dass Agathon begreift, dass sich der Fortschritt der Gattung nur über eine zunehmende Verbesserung der gesellschaftlichen und staatlichen
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Formen vollziehen kann. In einem Staatswesen wie dem von Syrakus, das von der Willkür des Dionysius beherrscht wird, ist eine solche »Aufklärung« nicht möglich. Das Staatswesen von Tarent dagegen, in dessen Dienst sich Agathon stellt, bietet diese Möglichkeit. Damit realisiert Agathon die Erkenntnis Iselins, der die fortschreitende Vervollkommnung der Menschheit an die Entstehung erst gesellschaftlicher, später staatlicher Formen knüpft, genauso wie die Feststellung Kants, dass nur in »einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft« (Kant: Idee S. 22) die Entwicklung der individuellen Anlagen jedes Menschen möglich sei. Die Unterweisung, die Agathon in Tarent durch Archytas zu Teil wird, hat an erster Stelle die Aufgabe, diesen über sein Schicksal zu trösten und zum Weiterarbeiten zu ermutigen, also ihm die »Zufriedenheit mit der Vorsehung« (Kant: Anfang S. 123) zu vermitteln, die nach Kant die erste Bürgerpflicht ist. Agathon muss erkennen, dass seine Anstrengungen in Athen und Syrakus nicht umsonst gewesen sind, auch wenn sie keine sichtbaren Erfolge erbracht haben. Das ist genau der Trost, den nach Kant eine »allgemeine Geschichte in weltbürgerlicher Absicht« spendet. Sie zeigt, wie jede einzelne individuelle Anstrengung, auch wo sie nicht zu konkreten Erfolgen führte, im Rahmen der »allgemeinen Geschichte« notwendig gewesen ist.
Die Erkenntnis der moralischen Bestimmung als individuelle »Bildung« Wer an der Vervollkommnung der Menschheit mitwirken wolle, der müsse anerkennen – das richtet sich gegen die Platoniker und den jungen Agathon –, dass der Mensch noch nicht vollkommen ist. Man dürfe aber deshalb über der menschlichen Natur nicht verzweifeln, heißt es schon in der ersten Fassung des Romans, sondern müsse diese Natur in ihrer Janusköpfigkeit anerkennen. Man müsse sie »veredeln«, »ohne sie aufzublähen«, ihr Aussichten in eine bessere Zukunft eröffnen, »ohne sie fremd und unbrauchbar in der gegenwärtigen zu machen«. Dieser Prozess der Vervollkommnung vollziehe sich, indem wir »durch das Erhabenste und Beste, was unsre Seele von Gott, von dem Welt-System und von ihrer eigenen Natur und Bestimmung zu denken fähig ist«, die »Leidenschaften« der Seele reinigten und mäßigten. Wer dagegen mit »pöbelhaften Begriffen« die Seele »verunstalte«, wie der Materialist Hippias, wer sie »klein, niederträchtig, furchtsam, falsch und sklavenmäßig« mache, der ersticke damit auch »jede edle Neigung, jeden großen Gedanken«. (XI.2, S. 524f) Wer dem Menschen einredet, dass er nichts Besseres sei als ein Tier, der macht die menschliche Seele klein und niederträchtig, weil sie dann auch nichts
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anderes zu wollen braucht als die Befriedigung ihrer tierischen Bedürfnisse. Wer den Menschen »aufbläht«, wie es die Platoniker getan haben und Agathon in Delphi erlebt hat, der macht ihn »unbrauchbar« für die gegenwärtige Welt, weil er unrealistische Erwartungen erzeugt. Die Wahrheit liegt deshalb nicht in der Wahl zwischen Materialismus und Idealismus, sondern in der Prozesshaftigkeit der menschlichen Vervollkommnung. Dieser Vervollkommnungsprozess äußert sich als zunehmende Reinigung und Mäßigung der Leidenschaften, mithin als Zivilisationsprozess, an dem alle Menschen aufgerufen sind, mitzuarbeiten. Damit vollzieht der Roman genau die Bewegung, die sich historisch gleichzeitig im Übergang von einer individual- zu einer gattungsgeschichtlichen Bestimmung des Menschen vollzieht. Wer sich selbst vervollkommnet, indem er sich dazu bildet, am allgemeinen Besten mitzuarbeiten, der arbeitet an der Vervollkommnung der Menschheit als Gattung. ›Bildung‹ ist eine Form der Selbsterziehung, indem jeder, wie es schon in der ersten Fassung des Romans heißt, »an seiner eigenen Besserung und Vervollkommnung« arbeiten müsse. Dazu ist er »am geschicktesten«, wenn er »durch eine Reihe beträchtlicher Erfahrungen sich selbst und die Welt kennen zu lernen angefangen hat«. Wer dann solcherart an seiner eigenen Besserung arbeitet, arbeite »würklich für die Welt, indem er dadurch um so viel geschickter wird, seinen Freunden, seinem Vaterland, und den Menschen überhaupt, nützlich zu sein« und damit »zum allgemeinen Besten des System mitzuwürken.« (XI.4, S. 538) Begreift man den Begriff der »Bildung« in diesem präzisen Sinne als individuell zu realisierende Erkenntnis der moralischen Bestimmung des Menschen, kann der Agathon zurecht ein Bildungsroman genannt werden, und zwar in allen drei Fassungen.²⁷ In Agathons »Bildung« als individuellem Vervollkommnungsprozess vollzieht sich die Geschichte der Gattung als »Aufklärung zu moralischer Besserung«. (1794, XVI.4, S. 774) Je weiter sich der Einzelne ›hinaufbildet‹ und ›aufklärt‹, desto größerer werde nicht nur seine »Privatglückseligkeit«, sondern auch die »öffentliche Glückseligkeit« (1794, XVI.4, S. 776) und der Fortschritt der Menschheit als Gattung.
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Ob diese Bildung insbesondere in der ersten Fassung des Romans mit der überraschenden Wendung zum Guten erzähltechnisch glaubhaft ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden, ist jedoch für meine These irrelevant. Entscheidend für diese These ist allein, ob die »Proben« und »Prüfungen«, denen Agathon unterzogen wird, auf eine Erkenntnis seiner Bestimmung als Mensch zielen. Zur Problematik des Schlusses der ersten Fassung in erzähltheoretischer Hinsicht vgl. besonders Werner Frick, Providenz und Kontingenz. Untersuchungen zur Schicksalssemantik im deutschen und europäischen Roman des 17. und 18. Jahrhunderts, Tübingen 1988, S. 487–495 und Walter Erhart, Entzweiung und Selbstaufklärung. Christoph Martin Wielands »Agathon«-Projekt, Tübingen 1991, S. 158–187.
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In der zweiten Fassung des Romans hatte Wieland diesen Gedanken sehr prägnant ans Ende des Romans gestellt, wenn die »stufenweis wachsende Vollkommenheit der Gattung« sich – einmal mehr – aus der Betrachtung des harmonisch geordneten Kosmos aufdrängt. Dieser Beweis »einer ersten Urkraft, eines alles belebenden, beseelenden und regierenden Geistes« »verschlang alle Zweifel«, die Agathon an der Zukunft der Menschheit gehegt hatte. Agathon erkennt, dass »das irrdische Leben […] nur eine von den Entwicklungen [war], durch welche der Mensch, so wie jede andre Gattung von Wesen, sich zu seiner höchsten Bestimmung emporarbeitet.« Das Leben, »so unbedeutend es in seinen einzelnen Augenblicken scheint«, ist damit »kein Possenspiel, kein Traum mehr: es wurde im Ganzen, in seiner Beziehung auf die Zukunft, in seiner Verknüpfung mit dem großen Plan der Gottheit wichtig.« In diesem »göttlichen Lichte« erkennt Agathon »die ersten Pflichten der Menschheit« als das individuelle Streben nach Weisheit und Selbstvervollkommnung.²⁸ (1773, XII.12, S. 280 f.) Wenn diese Geschichte der Menschheit langsam und fast unmerklich verläuft, so weil nicht jeder Mensch seine Bestimmung und moralische Pflicht gleichermaßen scharf erkennen kann. Von Dionysius, dem Tyrannen, heißt es, er »würde Fähigkeit genug gehabt haben, ein guter Fürst zu werden, wenn er so glücklich gewesen wäre, zu seiner Bestimmung gebildet zu werden.« (IX.1, S. 363) Aber Dionysius hat nicht einmal die Erziehung bekommen, die »jeder junge Mensch von mittelmäßigem Stande« erhält, geschweige denn die Erziehung, »die sich für einen Prinzen schickt«. (IX.1, S. 363) Deshalb hat er auch in seinem irdischen Leben kaum Fortschritte in der Erkenntnis seiner moralischen Bestimmung als Mensch gemacht. Ähnlich heißt es von Danae, die ihrer Seele eingezeichneten »Lineamenten der Tugend« (der »moral sense«) seien »durch einen Zusammenfluß ungünstiger Zufälle an ihrer Entwicklung gehindert« und in »ihrer ursprünglichen Bildung verunstaltet« worden. »Erziehung und Beispiele« hätten sie deshalb »über ihre wahre Bestimmung« verblendet. (1794, XIII.7, S. 665) Danae immerhin findet am Ende des Romans zu ihrer Bestimmung, wenn sie sich zu einem tugendhaften Leben – und tugendhaft heißt: indem sie ihre Sinnlichkeit unter die Kontrolle der Vernunft stellt – durchringt. Sogar Hippias wird in dem späten Gespräch im Elysium (1800) »in einem so wesentlichen Punkt« wie der Frage nach der Perfektibilität des Menschen eine partielle Einsicht zugestanden. Auch wenn er sich die Menschen immer noch als »eine Art menschlicher oder menschgewordener Tiere« vorstellt, gibt er jetzt zu, dass diese Tiere »einer immer fortschreitenden inneren Vervollkommnung fähig sind«. Es stehe »in 28
Zweite Fassung des Romans, zit. nach der Originalausgabe Christoph Martin Wieland, Agathon, Leipzig 1773.
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unsrer Macht […], durch Verdopplung unserer Tätigkeit in dem Wirkungskreise, der uns angewiesen ist«, den Fortschritt der Menschheit zu beschleunigen.²⁹ Damit aber hätte dann auch Hippias begriffen, dass der Mensch nur dann seiner Natur und Bestimmung gemäß lebt, »wenn er immer empor steige«, indem »jede höhere Stufe der Weisheit und Tugend, die er erstiegen hat, seine Glückseligkeit erhöhe«. (1794, XVI.4, S. 776) In den Worten von Goethes Faust: »Wer immer strebend sich bemüht / den können wir erlösen«. (v. 11936f)
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Christoph Martin Wieland, Agathon und Hippias. Ein Gespräch im Elysium, in ders., Geschichte des Agathon, hg. von Klaus Manger, Frankfurt am Main 1986, S. 779–795, hier S. 794.
dieter liewerscheidt
die macht der bühne Zur dramaturgischen Unentschiedenheit von Schillers »Kabale und Liebe« Das letzte von Schillers Jugenddramen,¹ beim Publikum das erfolgreichste, hat der Forschung bis heute Probleme bereitet. Lange kam sie über einen schier unüberwindlichen Auslegungsdualismus nicht hinaus: Einerseits galt das Stück als »Dolchstoß in das Herz des Absolutismus«² mit zeitkritischer und politischer Stoßrichtung, andererseits wurde es als zeitlose Liebestragödie,³ als ausweglose Konfrontation eines metaphysischen Idealisten mit einer sich aufopfernden Realistin gelesen.⁴ An Vermittlungsversuchen hat es mittlerweile nicht gefehlt, und am überzeugendsten schien es, den alles beherrschenden Standesgegensatz tief in der Mentalität der beiden Protagonisten verankert zu sehen: Während die Bürgertochter sich von ihrer pietistisch sanktionierten Bindung an den Vater nicht lösen kann, bleibt der Präsidentensohn trotz seiner liberalen Ambitionen einem feudalistischen Verfügungsdenken verhaftet,⁵ und die Katastrophe, von einer lediglich beschleunigenden, keineswegs verursachenden Intrige befeuert, nimmt ihren Lauf. Der hermeneutische Dualismus blieb unterschwellig dennoch bestehen. Denn in der analytischen Wahrnehmung der Hauptfiguren blieb erkennbar, 1
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Zitiert nach Schillers Werke, Nationalausgabe, 5. Bd. Neue Ausgabe, hg. von Herbert Kraft, Claudia Pilling und Gert Vonhoff. Weimar 2000. 5–193 (Druckfassung und Mannheimer Bühnenbearbeitung), Erläuterungen 331–494. Aus anderen Bänden der Nationalausgabe (NA) wird im Folgenden nur unter Angabe der Band- und Seitenzahl zitiert. Erich Auerbach, Musikus Miller, in ders.: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur (1946), Bern 1971, 5. Aufl., S. 404–411, hier S. 409. Er fasst dort zustimmend das Urteil von H. A. Korff zusammen. Fritz Martini, Schillers Kabale und Liebe. Bemerkungen zur Interpretation des ›Bürgerlichen Trauerspiels‹, in: DU 4 (1952), H. 5, S. 18–39. Besonders prononciert: Wolfgang Binder, Schiller, Kabale und Liebe, in: Das deutsche Drama, Bd. I, hg. von Benno von Wiese, Düsseldorf 1960, 2. Aufl., S. 248–268. So noch, wenn auch in die Mentalitätsgeschichte integrierend: Karl S. Guthke, Kabale und Liebe. Tragödie der Säkularisation (1979), in: Schillers Dramen. Interpretationen, hg. von Walter Hinderer, Stuttgart 1992, S. 105–158. So z. B. Peter André Alt, Tragödie der Autonomie. Schillers Kabale und Liebe, in ders.: Tragödie der Aufklärung. Eine Einführung, Tübingen 1998, S. 270–289, hier S. 282.
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je nach Rechtfertigung oder Kritik, ob der Rezipient nach wie vor dem »sozialkritischen« oder dem »metaphysischen« Lager angehörte: daran etwa, ob er Ferdinands Entwicklung mehr einem jugendlichen Enthusiasmus⁶ oder doch einer standestypischen Verblendung geschuldet sieht;⁷ oder ob er Luises Vaterbindung für sozialpsychologisch bedingt hält⁸ oder ihr doch eine autonome ethische Entscheidung zubilligt.⁹ Es soll daher versucht werden, das Drama jenseits der skizzierten Alternative und ohne dramaturgische Vor-Festlegung in seinem szenischen Wirkungspotential wahrzunehmen, wie es sich im Text der Druckfassung von 1784 präsentiert.¹⁰ Das bietet sich um so mehr an, als der Autor zu diesem Zeitpunkt noch über keine systematisierte Dramaturgie verfügt, die seine dramatische Produktion anleitet oder lenkt. Seine frühen dramentheoretischen Entwürfe geben zwar interessante Einblicke, etwa die beabsichtigte psychologische Ausleuchtung der »geheimsten Winkelzüge des Herzens«, »die Seele gleichsam bey ihren verstohlensten Operationen zu ertappen«.¹¹ Doch weder die pessimistischen Bemerkungen »Über das gegenwärtige teutsche Theater« (1782)¹² noch die konträre Rede »Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?« (1784)¹³ liefern eine hinreichend zuverlässige Basis für ein zusammenhängendes Wirkungskonzept, zumal der Bewerbungskontext bei dem zur Schau gestellten Optimismus des jungen Mannheimer Hausautors zu berücksichtigen ist.¹⁴ Einen Eindruck von dem unbändigen Wirkungsanspruch des Dramatikers zu dieser Zeit gibt immerhin eine Passage 6 7
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Z. B. Peter Michelsen, Ordnung und Eigensinn. Über Schillers Kabale und Liebe, in: JFDH 1984, S. 198–222, bes. S. 211. So etwa Alexander Košenina, Anthropologie und Schauspielkunst. Studien zur »eloquentia corporis« im 18. Jahrhundert, Tübingen 1995, S. 247–266, hier bes. S. 259–265. Vorher schon Rolf-Peter Janz, Schillers Kabale und Liebe als bürgerliches Trauerspiel, in: JdSG 20 (1976), S. 208–228, hier S. 220. Ihm folgend Andreas Huyssen, Drama des Sturm und Drang. Kommentar zu einer Epoche, S. 121–130, 202–224, hier S. 212 ff. Z. B. Hans-Peter Herrmann, Musikmeister Miller, die Emanzipation der Töchter und der dritte Ort der Liebenden. In: JdSG 28 (1984), S. 223–247, bes. S. 236 f. U. a. Walter Müller-Seidel, Das stumme Drama der Luise Millerin (1955), in: Schiller. Zur Theorie und Praxis der Dramen hg. von Klaus L. Berghahn und Reinhold Grimm, Darmstadt 1972 S. 131–147, hier S. 136–143. Vgl. Wilfried Malsch, Der betrogene Deus iratus in Schillers Drama Louise Millerin, in: Collegium Philosophicum. Studien Joachim Ritter zum 60. Geb., hg. von Hermann Lübbe u. a. Basel, Stuttgart 1965, S. 157–208, hier S. 170, 174 f. Natürlich unter Berücksichtigung der Mannheimer Bühnenfassung, s. NA Bd. 5. So schon in der »Unterdrückten Vorrede« zu den Räubern, NA 3, 243 f. Dazu Košenina 1995, S. 247. NA 20, S. 79–86. NA 20, S. 87–100. Dazu Peter-André Alt, Schiller. Leben – Werk – Zeit, Bd. 1, München 2000, S. 379–383. – Schiller schreibt am 7. 3. 1783 an Reinwald von einem »Zustand der Unentschloßenheit und
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aus seiner »Erinnerung an das Publikum«, die Schiller als Handzettel für die erste Aufführung seines Fiesco am 11. Januar 1784 in Mannheim verfasste: Heilig und feierlich war immer der stille, der große Augenblick in dem Schauspielhaus, wo die Herzen so vieler Hunderte, wie auf den mächtigen Schlag einer magischen Rute, nach der Phantasie eines Dichters beben – wo herausgerissen aus allen Masken und Winkeln der natürliche Mensch mit offenen Sinnen horcht – wo ich des Zuschauers Seele am Zügel führe, und nach meinem Gefallen einem Ball gleich dem Himmel oder der Hölle zuwerfen kann.¹⁵ Dem hier offenbar ungefiltert und vorbehaltlos artikulierten Wirkungsanspruch und seiner dramaturgischen Offenheit soll im Blick auf Kabale und Liebe beschreibend nachgegangen werden. In der Euphorie über die fantasierten Manipulationsmöglichkeiten weiß er noch nicht, was er mit ihnen anfangen soll, auch wenn er in seiner Bewerbungsrede, aber unverbindlich, einige Perspektiven andeutet. Schillers Hinwendung zum bürgerlichen Trauerspiel als damaliger Modegattung, zu der er sich widerstrebend »herablässt«,¹⁶ unterstreicht diesen richtungslosen Wirkungsanspruch noch insofern, als er nach zwei vorausgegangenen Misserfolgen (mit den Räubern und erst recht mit dem Fiesco) nunmehr fest entschlossen ist, den Erfolg auf der Bühne zu erzwingen,¹⁷ und sei es in einem ungeliebten Genre. * Auch ohne das Stück als ganzes für ein primär politisches halten zu müssen, fällt seine zeitkritische Schärfe, gerade im Vergleich mit bürgerlichen Trauerspielen,¹⁸ sofort ins Auge. Die Aspekte seiner Absolutismus-Kritik sind vielfältig in Szene gesetzt,¹⁹ ob als Karikatur einer Hofschranze (zum Beispiel I 6, III 2), als Auftritt
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Unthätigkeit« (NA 7.2, S. 12) und am 14. 6. 1784: »Ganze 14 Tage ist kaum was daran gethan worden, weil ich immer schwankte, und meine streitenden Gedanken nicht zu vereinigen wußte« (Na 23, S. 95). NA 22, S. 90 f.; auch NA 4, S. 272. An Reinwald am 29. Jan. 1783: »Meine Millerin geht mir im Kopf herum, Sie glauben nicht, was es mich Zwang kostet, mich in eine andre Dichtart hinein zu arbeiten« (NA 23, S. 63). Vgl. NA 7.2, S. 18, wo Schiller bekennt, sich zur »hohen Tragödie« hingezogen zu fühlen. An Dalberg am 3. April 1783 (NA 23, S. 76 f.). Dazu die vergleichende Studie von Cornelia Mönch, Abschrecken oder Mitleiden – das deutsche bürgerliche Trauerspiel im 18. Jahrhundert. Versuch einer Typologie, Tübingen 1993, S. 331–340, hier S. 339: Schiller genügte die Gattung nicht mehr. Zusammenfassend dazu Martin Stern, Kein ›Dolchstoß ins Herz des Absolutismus‹ – Überlegungen zum bürgerlichen Trauerspiel anhand von Lessings Emilia Galotti und Schillers
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eines karrieresüchtigen, skrupellosen Präsidenten (zum Beispiel I 5/7)²⁰ oder als Klage einer Mätresse über das berechnende, verschwenderische Hofleben (zum Beispiel II 1). Die Kammerdiener-Szene II 2, auf die Schiller auch in der Mannheimer Bühnenfassung nicht verzichtete,²¹ fällt ihrer szenischen Aggressivität wegen selbst in diesem Kontext aus dem Rahmen, erst recht im Vergleich mit der Szene I 8 aus Lessings Emilia Galotti, die als Vorbild gedient hat.²² Während Lessing den Prinzen beiläufig und zerstreut »recht gern« ein Todesurteil unterschreiben lassen will, was der Rat Camillo Rota gerade noch verhindert, aber durch seinen entsetzten Kommentar nachträglich ins Bewusstsein der Zuschauer hebt,²³ lässt Schiller eine zunehmend entsetzte Mätresse mit dem drastischen Bericht eines bebenden Kammerdieners und Vaters über Soldatenverkauf und Rekrutenerschießung konfrontieren und obendrein erfahren, dass mit dem Geld für den Menschenhandel das gerade überbrachte Juwelengeschenk bezahlt worden ist. Man mag den grellen Anklagegestus dieser Szene – gerade im Vergleich – für abstoßend, allzu plakativ und marktschreierisch oder für meisterhaft halten – worauf es hier ankommt, ist Schillers konsequente Wirkungsbetontheit herauszustellen. Ob die Anprangerung einer systemtypischen Machenschaft das Hauptanliegen darstellt, ob gar die historische Stimmigkeit der Episode zu diskutieren ist,²⁴ verblasst hinter der Tatsache eines theatralischen Schocks, genauer: hinter der szenischen Leistung, welche die Verabreichung eines solchen Schocks mit Augenöffner-Effekt darstellt. Hier, so könnte man bewundernd sagen, hat Schiller, im Sinne jener »Erinnerung«, mit seiner »magischen Rute« zugeschlagen. Mit der gleichen Wirkungsintensität hat er auch den Standeskonflikt auf die Bühne gestellt – unabhängig von der Frage, ob darauf auch der Wirkungsakzent liegt. Präludiert von den adelskritischen Äußerungen des alten Miller I 3 lässt eine robust zielstrebige Handlungsführung die beiden Sozialsphären in II 6/7 frontal zusammenprallen, wo der präsidiale Vater die standesübergreifenden Ambitionen seines Sohnes durch den Überfall auf die Bürgerwohnung brachial
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Kabale und Liebe, in: Théatre, nation & société en Allemagne au XVIII siècle, hg. von Roland Krebs, Nancy 1990, S. 91–106, hier S. 95 f.; und Günter Saße, Liebe als Macht. Kabale und Liebe, in: Schiller. Werk-Interpretation, hg. von G. S., Heidelberg 2005, S. 35–55, hier S. 35. Alt 1998, S. 286 billigt ihm immerhin Skrupel zu. Darauf macht Herbert Kraft aufmerksam: Die dichterische Form der Louise Millerin, in: ZfdPh 85 (1966), S. 7–21, hier S. 11. Der Hinweis auf die Kammerdienerszene II 2/3 in Miß Sara Sampson (Erläuterungen, NA 5, S. 432 ff.) ist unergiebig. Gotthold Ephraim Lessing, Das dichterische Werk, Bd. 2, hg. von Herbert G. Göpfert. München 1979, S. 142. Erläuterungen, NA 5, S. 433 f.
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zu unterbinden versucht und nur durch eine unerwartete, wiederum entlarvende Erpressung daran gehindert wird. Handgreifliche Gerichtsdiener, ein gezückter Degen und schlotternde Bürgerangst beherrschen für Augenblicke die Szene. Ohnehin verstärkt die scheiternde Liebesbeziehung in Anlehnung an Shakespeares Romeo and Juliet²⁵ zunächst die theatrale Präsentation des Standesgegensatzes: Der spektakuläre Untergang eines Liebespaares ist eine probate Form der Personalisierung und Visualisierung, nach breit angelegter Intrigenhandlung gipfelnd in einem lange hinausgezögerten Giftmord. Zugleich ist in der Entfaltung des Eifersuchtsmotivs bis in Einzelheiten hinein das Vorbild von Shakespeares Othello unverkennbar.²⁶ * Dass der wirkungsbetonte Gestus trotz der genannten provokativen Beispiele nicht durchgängig im Dienste einer schroffen Standeskonfrontation steht, zeigt die Ambivalenz, mit welcher alle Hauptfiguren des Dramas gezeichnet sind, und zwar unabhängig davon, ob sie dem bürgerlichen oder dem aristokratischen Stande angehören. Von einer schwarz-weiß präsentierten Standesdichotomie kann angesichts Lady Milfords oder Ferdinands einerseits, des Musikus Miller und seiner Tochter andererseits nicht die Rede sein.²⁷ Die Schärfe von Schillers Figurenzeichnung bedeutet keineswegs zugleich deren kritische Verurteilung, wohl aber ihre Profilierung. Das lässt sich zunächst am Beispiel des alten Miller zeigen. Während seine Frau in ihrer geschwätzigen Aufstiegsorientiertheit als lineare Karikatur gezeichnet ist (I 1-3), ist er mehrdimensional angelegt: Sowohl in der Demonstration seines bürgerlichen Selbstbewusstsein, »wechselweis für Wut mit den Zähnen knirschend, und für Angst damit klappernd« (II 6), als auch in seiner Korrumpierbarkeit durch Geld, um das er V 5 einen närrischen Tanz aufführt;²⁸ sowohl in der begrenzten Toleranz bei der Gattenwahl seiner Tochter, die er gegen den
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Schiller nahm Ende 1782 Einblick in das Stück, NA 23, S. 57 f. Zu Schillers Quellen und Anregungen s. Mönch 1993 und Helga Meise, Kabale und Liebe, in: Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, hg. von Matthias Luserke-Jacqui, Stuttgart 2005, S. 65–88, hier S. 75 f. Auf den Freiherrn von Gemmingen verweist ausdrücklich Michelsen 1984, S. 217. Auf die Ambivalenz der Bürgerkritik wurde mehrfach hingewiesen: Meise 2005, S. 51; Herrmann 1984, S. 237 f.; Michael Hofmann, Schiller. Epoche – Werk – Wirkung, München 2003, S. 54 ff. Dazu Herrmann 1984, S. 226; Janz 1976, S. 221 ff., 226 f.; und Bernd Fischer, Kabale und Liebe: Skepsis und Melodrama in Schillers bürgerlichem Trauerspiel, Frankfurt am Main 1987, S. 138.
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Sekretär Wurm entschieden verteidigt (I 2), als auch bei seiner emotionalen Erpressung Louises (V 1)²⁹ – in allen Fällen treibt Schiller die Empfindungen seiner Figur zu gestischer Sichtbarkeit und bringt auf diese Weise ihre Zwiespältigkeit zur Anschauung. Dass Miller seine Tochter abgöttisch liebt, kommt szenisch genauso markant zum Ausdruck wie seine wiederholte Ermahnung, dass sie für seine Altersversorgung eingeplant ist (I 1, V 1). Nicht ganz so offensichtlich ist die Ambivalenz der Lady Milford in Szene gesetzt. Zwar liegt die Spannung zwischen ihrer adligen Standeszugehörigkeit und ihrem bürgerlich-empfindsamen Habitus in den meisten ihrer Auftritte auf der Hand. Sie zeigt sich von den Eröffnungen des Kammerdieners ostentativ erschüttert (II 2) und ergreift schließlich, als Fernwirkung dieser Szene und nach ihrer endgültigen »Bekehrung« durch die Bürgertochter (IV 7), wortreich die Flucht vor der zunehmend unerträglichen Hofwelt (IV 9), während sie vor Louise vorübergehend die herablassende oder die drohende Hofdame hervorkehrt. Eine subtilere Ambivalenz zeigt sich aber in der Begegnung mit Ferdinand (II 3), dessen emotionale Empfänglichkeit sie einerseits durch empfindsame, Mitleid erregende Töne – besonders durch die Präsentation ihrer leidvollen Herkunftsgeschichte – anzusprechen und geradezu qualvoll zu rühren weiß, den sie zugleich aber, sich an ihn drängend, mit der Professionalität der erfahrenen Mätresse erotisch zu beeindrucken sucht³⁰. Diese Komponente ihres Auftretens zeigt ebenso wie die sentimentale Inszenierung ihrer Flucht, dass der Vereinnahmung dieser Figur für eine lineare politische Instrumentalisierung immer wieder ein Repertoire an abweichenden Verhaltensweisen entgegensteht. Der Autor hat sie in seinem Bemühen um szenische Plastizität so schillernd ausgestattet. In ihrer spektakulär zelebrierten Flucht spielt außer der darin demonstrierten Hofkritik auch die Enttäuschung über die zurückgewiesene Liebe zu Ferdinand eine Rolle. Diese Enttäuschung hat sie zuvor als Schmerz, aber auch in der Androhung von Rache und Zwang ausagiert (II 3, IV 7). * Der Versuch, die Hauptfiguren auf eine leitende Antriebsquelle ihres Handelns festzulegen, hat sich in der Kontroverse um die beiden Protagonisten immer deutlicher als unzureichend herausgestellt. Galt Ferdinand lange als enthusiastischer Verfechter einer weltvergessenen Liebesutopie, der von einer ränkevollen Reali-
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Dazu Herrmann 1984, 225 f., und Nikola Roßbach, »Das Geweb ist satanisch fein«. Friedrich Schillers Kabale und Liebe als Text der Gewalt, Würzburg 2001, S. 92. Die Erläuterungen NA 5, S. 439 und 479 weisen auf das Inszenatorische ihrer Auftritte, z. B. am Flügel sitzend (S. 429), und erkennen »Züge einer Hetäre« (S. 400).
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tät zu Fall gebracht wird³¹, wurde dieses Scheitern stattdessen als Konsequenz eines standestypischen Misstrauens und Besitzdenkens verstanden,³² das schon bereit liegt, noch bevor der Intrigenmechanismus ausgelöst wird. Die Belastbarkeit seiner utopischen Überzeugung, die immerhin einer massiven physischen Konfrontation standhält (II 6/7), erweist sich als zu schwach, und so hat sich ein Konsens gebildet, der das Konzept der säkularisierten Liebesreligion, wie Schiller selbst sie in der »Theosophie des Julius« vertrat, szenisch kritisiert oder gar widerlegt sieht:³³ als rhetorisch aufgeblasene Tirade (II 5/6, IV 4), als schwärmerische und ortlose Fluchtfantasie (III 4)³⁴ und schließlich, an der Seite der fast unbemerkt sterbenden Louise, als Egomanie.³⁵ Trotz dieser überwiegend kritischen Darstellungstendenz gilt es wiederum festzuhalten, dass dieser Ferdinand, in sein Liebesprojekt vernarrt, im Verkünden seines pathetischen Liebesschwurs (II 6), seiner romantischen Fluchtpläne (III 4) und sogar in seiner mörderischen Blindheit, in seiner zügellosen Wut (V 8) in einer solchen emotionalen Intensität vorgeführt wird, dass sich neben der kritischen Tendenz auch ein szenisches Eigengewicht behauptet, das jenseits der Erzeugung von Antipathie steht.³⁶ Das gilt auch für die berühmte Szene III 4 in der Mitte des Stücks, in der Ferdinand die Saiten einer Violine zerreißt und das Instrument zerschmettert. So sehr die Szene die Gewaltsamkeit des männlichen Verfügungsanspruchs zum Ausdruck bringt und als Symptom einer narzisstischen Kränkung gelesen werden kann,³⁷ so sehr bezeugt sie in ihrer Rohheit auch den theatralen Beeindruckungswillen, ja die ästhetische Gewaltsamkeit ihres Autors. Auch über Louise Millerin, Schillers ursprüngliche Titelheldin, war die Forschung sich lange uneins, mit welcher fantasierten Weiblichkeit sie es hier zu tun hatte. Dass ihr Anteil an Ferdinands Liebesreligion (I 3/4) zu schmal, jedenfalls für eine standes-überwindende Liebe nicht tragfähig genug ist, entfachte die Kontroverse darüber, ob sie auf klein- oder zunftbürgerlicher Standesgebun31 32
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Am konsequentesten vertreten von Binder 1960. Beim prüfenden Blick auf seinen Diamantring I 4 schon erkennbar. Vgl. Janz 1976, S. 218; Herrmann 1984, S. 243; Müller-Seidel 1972, S. 140; Karl S. Guthke, Kabale und Liebe, in: Schillers Dramen. Neue Interpretationen, hg. von Walter Hinderer, Stuttgart 1979, S. 58–86, hier S. 76. Zusammengefasst bei Hofmann 2002, S. 56 ff. Schiller griff die liebesutopische Vorstellung noch am 14. 4. 1783 an Reinwald auf (NA 23, S. 80 f.), was diesen Konsens nicht gerade bestätigt. Dazu Herrmann 1984, S. 241. Erläuterungen, NA 5, S. 491. Michelsen 1984, S. 210 f. sieht Ferdinand sogar überwiegend mit Sympathie gezeichnet. So Ulrike Horstkamp-Strake, »Daß die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwut!« Autorität und Familie im deutschen Drama, Frankfurt am Main/Bern/Berlin 1995, S. 71–81, hier S. 78 f.
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denheit, aus mangelnder innerer Freiheit versagt³⁸ und gar schuldig wird, indem sie in vorauseilender »Unterwerfungsmentalität«³⁹ ihren Geliebten freiwillig aufgibt (IV 7),⁴⁰ oder ob sie, eben als Angehörige ihres Standes, die unbestechliche Realistin bleibt, welche die Unrealisierbarkeit dieser Liebe früh erkennt (I 4, III 4)⁴¹ und ihre ökonomischen Grundlagen nie aus den Augen verliert.⁴² Oder ob sie, da sie ihre Liebe zu Ferdinand zunächst nicht als Frevel empfindet (zu Beginn der Szene I 3), diese Standesordnung durchaus bezweifelt,⁴³ bevor sie sich ihr, gezwungen und leidend, schließlich beugt und die Erfüllung ihrer Vereinigungswünsche ins Jenseits (I 3) und gar ins Grab verlegt (V 1).⁴⁴ Als Leidende, als welche sie in einigen wahrhaft einschneidenden Szenen erscheint, ist sie das Objekt gleich vierfacher männlicher Gewalt: Zuerst ist sie dem brachialen Übergriff und den Beleidigungen des Präsidenten ausgesetzt (II 6/7), dann der erpresserischen Folter des Sekretärs Wurm (III 6), schließlich, sich überlagernd, den Verdächtigungen und dem Hohn des eifersüchtigen Ferdinand (I 4, II 5, III 4, V 2, 7) und schließlich den emotionalen Erpressungen ihres Vaters, denen ein »libidinöser Kern« innewohnt: »Daß die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt als Tyrannenwut!« (Louise V 1).⁴⁵ Bei diesem szenisch ausgiebig entwickelten Leiden stellt sich die Frage, ob seine Darstellung mehr zur Erregung von Mitleid oder, wegen der gezeigten Dulderqualitäten, mehr zur Bewunderung herausfordert.⁴⁶ Diese Ambivalenz entsteht aber nur übergangsweise, weil Louise schon vor dem 5. Akt Züge einer Heroine entwickelt (III 4: »Laß mich die Heldin dieses Augenbliks seyn«), die das Mitleid überflüssig macht – Ferdinand bezeichnet sie zuletzt als »Engel des Himmels« (V 7) und als »Heilige« (V 8) – und sich der Sphäre des Erhabenen nähert, die auf Schillers spätere Dramaturgie verweist.⁴⁷ Dies wie-
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Auerbach, 1971, S. 411, der darin wiederum Korff folgt. Hofmann 2003, S. 58 f. Kraft 1966, S. 19. Michelsen 1984, S. 201. Martina Schönenborn, Tugend und Autonomie. Die literarische Modellierung der Tochterfigur im Trauerspiel des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2004, S. 220–238. So Horstkamp-Strake 1995, S. 76. Nach Hans-Jürgen Schings: Luise Millerin, die Aufklärung und das Gräßliche, in: Deutsche Schillerges. (Hg.), Tübingen 1999, S. 23–36, hier S. 30, ist der Selbstmordentschluss Louises für Schiller wirkungsstrategisch erforderlich, um sie nicht als Verräterin an Ferdinand dastehen zu lassen. Herrmann, 1984, S. 236. Vater Miller setzt nach: »Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Tränen deines Vaters – stirb!« Fischer 1987, S. 141 sieht das Martyrium nur zitiert, vorwiegend aus barocken Märtyrerdramen bzw. -opern. Das Vorbild der Barock-Oper scheint hier nachzuwirken, vgl. Michelsen 1984, S. 216. Wie die Vergebungsgeste der Sterbenden, V 7.
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derum steht jener hofkritischen Anklagefunktion entgegen, die das Leiden der Bürgertochter für sich reklamieren möchte. Abgesehen davon scheinen manche Szenen, die das Leiden ausstellen, ins Quälerische (mit Ferdinand, V 7) oder gar Sadistische zu exzedieren (die Folterszene mit Wurm, III 6). Hier sieht es so aus, als wolle die Wirkungsbeflissenheit des jungen Dramatikers, frei von aller dramaturgischen Fessel, sich verselbstständigen (siehe unten). Was das Figurenkonzept der Louise aber vor noch größere Herausforderungen stellt, ist die Konfrontation mit Lady Milford (IV 7). Hier darf die Protagonistin, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Passivität, sich triumphierend als bürgerliche Heldin inszenieren⁴⁸ und eine schlagfertige Artikulationsfähigkeit zeigen, die man von ihren Auftritten sonst nicht kennt.⁴⁹ Auch dies ein Beispiel dafür, dass es Schiller primär um die Wirksamkeit des Einzelauftritts geht, was wiederum dem Facettenreichtum seiner Figuren zugute kommt. * Wie sich schon in der Figurenzeichnung zeigt, sind die dramaturgischen Ansätze des Stücks, sofern überhaupt erkennbar, höchst divergent und reichen von schroffer politischer Anklage – Absolutismus-, Hof- und Bürgerkritik – über Mitleidsdramatik bis zu tragisch-erhabener Zuspitzung (Louise V 1: »Verbrecherin, wohin ich mich neige!«), die auf die Erzeugung von Bewunderung angelegt ist. Alle diese Ansätze sind in der Forschung je für sich isoliert betrachtet, gegeneinander ausgespielt und gelegentlich verabsolutiert worden. Was den meisten Szenen aber, unabhängig von dieser jeweiligen Zuordnung, gemeinsam ist, zugleich ein Erkennungsmerkmal des frühen Dramatikers Schiller, ist ihre permanente szenische Wirkungsoffensive⁵⁰, die im Falle von Kabale und Liebe noch 48 49
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Erläuterungen NA 5, S. 474. G. A. Wells, Interpretation and misinterpretation of Schiller‹s Kabale und Liebe, in: German Life and Letters 38 (1985), S. 448–461, macht auf diese und andere Unstimmigkeiten in Schillers Figurengestaltung aufmerksam. In IV 7 ist Louise, im Gegensatz zu Müller-Seidels (1972) Fixierung, alles andere als »stumm«, in der Folterszene mit Wurm repliziert sie wortreich (III 6), und auch im 5. Akt artikuliert sie noch, zu dieser Stummheit gezwungen worden zu sein (V 7). Der Aufführungspraxis der Schauspielhäuser ist diese Abwesenheit von dramaturgischen Normen beim frühen Schiller nicht neu, nur wird sie dort drastischer benannt. So urteilt z. B. Benjamin Henrichs anlässlich der Frankfurter Inszenierung von Christof Nels 1977: »Schillers ungezügelter Effektsinn, sein Pathos, seine Formulierungswollust, sein skrupelloser dramaturgischer Verstand (der, um der Spannung willen, auch vor fragwürdigsten Tricks nicht zurückschreckt […]«, in: Erläuterungen und Dokumente: Friedrich von Schiller, Kabale und Liebe, Stuttgart 1980, S. 131. Vgl. auch Henning Rischbieter: Schiller I (= Dramatiker des Welttheaters 52), Velber 1969, bes. S. 52–67.
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von dem Erfolgshunger eines bislang Erfolglosen befeuert wurde. Schon die Titeländerung der ursprünglichen »Louise Millerin« durch den erfolgsgewohnten Iffland, worauf sich der Autor einließ, folgt in ihrer als reißerisch und plakativ kritisierten Publikumsorientierung⁵¹ diesem Bedürfnis. Auch die Beschränkung auf die drei aristotelischen Einheiten, die im Gegensatz zu den früheren Stücken die technischen Möglichkeiten der zeitgenössischen Bühne im Blick behält⁵² und in den antithetisch und fast symmetrisch angeordneten Szenen⁵³ eine disziplinierte Bauform erkennen lässt, ist erkennbar erfolgsorientiert, was freilich zu den exzessiv ausgestalteten Einzelszenen in Spannung gerät. Schillers frühe Neigung zu pointierter Figurengestaltung, ja zur Überzeichnung⁵⁴ nimmt karikaturistische Verzerrungen von Nebenfiguren in Kauf⁵⁵ und kommt in exaltierter Körpersprache und Gestik,⁵⁶ in der Überdeutlichkeit symbolhaltiger Requisiten (der zerschmetterten Geige III 4) und immer wieder in den pathetischen Beschwörungen und Anklagereden Ferdinands hyperbolisch zum Ausdruck (I 4, 7, II 5 oder in dem Fluch-Monolog IV 4), ein Pathos, zu dem sich sogar Louise vor Lady Milford steigern darf (IV 7). Anders äußert sich dieser schier unbändige Drang zu dramatischer Übersteuerung in melodramatischen Konstellationen (zum Beispiel IV 3: der schlotternde Hofmarschall vor dem hitzigen Ferdinand), in der Ausgestaltung rührender Szenen (etwa Lady Milfords Abschied IV 9) oder einer raffiniert angelegten Intrige, welche, wie erwähnt, die Trennung der Liebenden zwar katalysatorisch beschleunigt, sie aber nicht bewirkt, weil sie mental schon vorher vollzogen ist (s. I 4, III 4).⁵⁷ All dies ist eher kritisch zur Kenntnis genommen,⁵⁸ oft unreflektiert gerügt worden als Abweichung von der unausgesprochenen klassischen Norm der Mäßigung
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Vgl. Auerbach 1971, S. 409, und Erläuterungen NA 5, S. 411. Schiller an den Schauspieler Großmann, 8. Febr. 1784, über sein neues Drama: »Ich darf hoffen, daß es der teutschen Bühne keine unwillkommene Acquisition seyn werde, weil es durch die Einfachheit der Vorstellung, den wenigen Aufwand von Maschinerei und Statisten, und durch die leichte Faßlichkeit des Plans, für die Direction bequemer, und für das Publikum genießbarer ist als die Räuber und der Fiesco«. NA 23, S. 131 f. Bei Binder 1960, S. 266 f. und Alt 1998, S. 274 und Alt 2000, S. 355 f. vermerkt, aber anders gedeutet. Košenina 1995, S. 251. Wie erwähnt: beim Hofmarschall, bei Frau Miller und bei Wurm. Vgl. Michelsen 1984, S. 219. S. Alt 2000, S. 356. Vgl. Sasse 2005, S. 74, 80. Dazu der Hinweis von Michelsen 1984, S. 220: «Die Intrige will eine Ordnung aufrechterhalten, die von denen, gegen die sie vorgeht, gar nicht in Frage gestellt wird.« Schon früh moniert von Karl Philipp Moritz, Dokumente 1980, S. 102.
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und Dämpfung der Affekte, zu welcher der noch unreife junge Dramatiker erst auf dem Wege sei. * Die ungehemmte Wirkungsorientierung von »Kabale und Liebe« soll abschließend anhand zweier Szenenbeispiele demonstriert werden. Die lange Folterszene III 6, in welcher der Sekretär Wurm von Louise einen Brief erpresst, welcher die Grundlage der Intrige und der folgenden Eifersuchtshandlung bildet, setzt nicht nur die Protagonistin, sondern mit ihr den Zuschauer einer (arbiträren) Qual aus, deren Unerträglichkeit in berechneter Abstufung gesteigert wird. Wurm vollzieht hier einen Teil seiner sozialpsychologisch durchkalkulierten Intrigenplanung, in den, »satanisch fein«, der Zuschauer schon III 1 eingeweiht wurde, durch den Louise in den Solidaritäts- beziehungsweise Zugehörigkeitskonflikt zwischen ihrem Vater und Ferdinand getrieben wird. Unter Ausnutzung ihrer übermächtigen Vaterbindung,⁵⁹ unter Vorspiegelung von Lebensbedrohung, kann der Sekretär eine Klimax der Erpressungsstufen entfalten, kann die Gepeinigte dagegen nur eine Strategie demonstrativer Verächtlichkeit setzen, die aber, aller rhetorisch ausgespielten Überlegenheit zum Trotz (Epiphern, Anaphern, Metaphern), seiner langsam und verzögernd arbeitenden Einschüchterungstaktik nicht gewachsen ist. Ihre abwehrenden Sprechakte der Verurteilung, Beleidigung und Verfluchung bleiben ebenso unwirksam wie ihre entsprechende Kommentierung seiner sehr wohl durchschauten Foltermethode. Ihr Versuch, sich Hilfe suchend zum Herzog aufzumachen, verschafft ihr nur kurzfristige Erleichterung, erweist sich schnell als vergeblicher und naiver Verteidigungsreflex und leitet das abschließende quälende Briefdiktat ein, dessen mechanische Unterbrechung durch die immer gleiche Wendung »An den Henker Ihres Vaters« die angesetzte Folterschraube geradezu hörbar macht. Wurms genüssliches Zögern bei der Informationsvergabe, zugleich Louises zitterndes Nachfragen erzeugen für den Zuschauer den Eindruck, voyeuristischer Zeuge einer sadistischen Szene zu sein.⁶⁰
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Worauf natürlich die Handlungskonstruktion beruht. Eine Entscheidung zugunsten des Geliebten ist, gattungswidrig und eher untragisch, von vornherein nicht vorgesehen. Das Sympathieproblem, dass Louise durch den erzwungenen Brief, aller Zwangsumstände zum Trotz, Verrat an Ferdinand begeht, mildert Schiller nur halbherzig: Ferdinand würde ohne die Trennung von Louise, d. h. ohne diesen Brief, enterbt und verflucht. Sie wird hier also wiederum in die Rolle der sich Aufopfernden versetzt. Vgl. aber Schings’ Überlegungen zu ihrem Selbstmordplan (1999). – Die Szene liest sich wie die Vorwegnahme des »Theaters der Grausamkeit« von Artaud, kommt auch seinem anarchistischen Impuls entgegen. Dem nachzugehen wäre eine eigene Studie wert.
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In anderer, gleichwohl peinigender Form wird der Zuschauer der Qual der Protagonistin ausgesetzt, als sie unter Einhaltung des erzwungenen Schweigegebots den Hohn und das Selbstzerfleischungsgebaren des verbitterten Ferdinand zu ertragen hat. In V 7 kennt Louise, im Gegensatz zu ihm, den intriganten Zusammenhang, muss aber, durch Eid bekräftigt, darüber schweigen. Ferdinand hat gerade die Limonade vergiftet, was wiederum sie sehr spät erfährt. Der Zuschauer weiß beides und sieht das unabwendbare Unheil kommen, was ihn in eine düstere Erwartungsspannung versetzt. Auf der Basis dieser Informationsverteilung ist die gesamte Szene eine Retardation, die in sich noch weitere enthält: Da sind Ferdinands wiederholte Schwankungen zwischen Verzweiflung, Hass, aufflammender Liebe und Sentimentalität, eingeleitet durch Louises hilflose und zunehmend deplacierte Konversationsversuche, wovon sie wiederum weiß und was sie auch artikuliert. Sie wird von peinigendem Schweigen, dann von Ferdinands eisigem Sarkasmus attackiert, was zugleich Ferdinands Schmerz und Verbitterung zeigt bzw. zeigen soll.⁶¹ Ist damit für den Zuschauer seine folternde Härte gerechtfertigt? Der quälerische Zug seines Dialogverhaltens ist zugleich ein selbstquälerischer, wie die leidende Louise bemerkt, die unter dieser Selbstquälerei wiederum mitleidet. Die zum Schweigen verurteilte Protagonistin zieht einerseits das Mitleiden des Zuschauers auf sich, aber auch Bewunderung für ihre heroische Passivität; schließlich aber noch, wie um ihre ambivalente Aura zu vervollständigen, den kritischen Vorbehalt, dass ihre Bindung an den Eid Reflex ihrer kleinbürgerlichen Religiosität und Vaterbindung ist. Die quälende Dehnung der Szene durch dreimaliges Nachfragen Ferdinands (wie schon V 2 eine Anleihe bei Othello) und seine ambivalente Unsicherheit zwischen Liebesrückfällen und wieder erneuerten Hass-Anfällen wird als Wettlauf mit der verrinnenden Lebenszeit der Protagonisten synchronisiert, was wiederum den Zuschauer auf die Folter spannt. Die doppelte Verzögerung der Aufklärung Louises über die tödliche Vergiftung einerseits und Ferdinands über den Erpressungshintergrund andererseits bildet den Konstruktionsrahmen dieser Szene, die abermals in mehrfacher Hinsicht den Autor als kalkulierenden »Affektregisseur«⁶² erkennen lässt. In der Komposition des Dramas lässt sich ein Crescendo schriller und dissonanter Kraftlinien ausmachen, die, in der Folterszene III 6 präludiert, im Schlussakt gipfeln, in einer Fermate der Grausamkeit, eingeleitet durch die unheimliche Atmosphäre der dämmrigen Szene V 1 und abgeschlossen durch den Giftmord
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Analog zu V 2, wo Ferdinand ihr Geständnis, den Brief an den Hofmarschall geschrieben zu haben, nicht glauben, sondern lieber eine Lüge will. Schings 1999, S. 33.
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in V 7.⁶³ Doch die Divergenz des szenischen Eigenlebens lässt die Beobachtung von durchgehenden Konstruktionslinien kaum zu: Mit seiner Versöhnungsgeste in der Schlussszene, in der Imitation von Louises Jesus-Imitation, nimmt Ferdinand den Protest gegen seinen Präsidenten-Vater wieder zurück, dem er doch gerade noch die Hauptverantwortung für den Giftmord aufgebürdet hat.⁶⁴ Das mag an Ambivalenz, die eine Figur auszustrahlen vermag, zuviel sein. Mit dieser letzten Herausforderung an die gewohnten Anforderungen kohärenter Figurenkonzeption entlässt uns das Stück. Den Gesamteindruck eines wüsten Zugriffs auf die Wahrnehmungstoleranz des Zuschauers hebt dieser Schluss nicht auf, er bestätigt ihn eher.
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Schings ebd. 31 f. noch zögernd; Karl Philipp Moritz stellt dies fest, wenn auch ablehnend (Dokumente 1980, S. 103). Die Kritik an dieser (nichts als) theatralischen Geste ist weit verbreitet, beinah selbstverständlich. Bei Aufführungen wird die Vergebungsgeste seit langem vermieden.
hermann bernauer
wieviel steht in peter schlemihls macht? Zur Frage der Schuld in Chamissos Erzählung, mit einer Diskussion der Milderungsgründe
Peter Schlemihl ist nicht bei Sinnen, als er seinen Schatten verkauft. Ein Schwindel hat ihn befallen, vor seinen Augen flimmert es. Der graue Mann hat, mit dem »einen Wort« von »Fortunati Glückseckel«, seinen »ganzen Sinn gefangen«.¹ Und doch wird Schlemihl im Rückblick, als Erzähler seiner »wundersamen Geschichte«, behaupten, er habe stets² »[s]einem geraden Sinn«, »der Stimme in [ihm]« vertraut.³ Mit einer Einschränkung allerdings, die uns noch viel zu schaffen machen wird: »so viel es in [s]einer Macht gewesen«.⁴ Mag sein, dass er machtlos war vor dem grauen Mann. Aber schon als Schlemihl, ganz am Anfang der Geschichte, mit dem reichen Herrn John zusammentraf, hatte er sich dessen Worten angeschlossen: »›Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million‹, warf er [das ist Herr John] [ins Gespäch] hinein, ›der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft!‹ ›O wie wahr!‹ rief ich [das ist Schlemihl] aus mit vollem überströmenden Gefühl …«⁵ Schlemihls Beifall muss umso bedenklicher stimmen, als es sich um ein moralisches Urteil handelt.⁶ Nicht alle Leser haben sich darüber aufgehalten. Von Matt (um ein besonders instruktives Beispiel anzuführen) hält bei der eben zitierten Stelle zwar inne, umgeht dann aber die Schwierigkeit, indem er vertritt, dass Schlemihls Beifall
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Wir zitieren Peter Schlemihls wundersame Geschichte nach Adelbert von Chamisso, Sämtliche Werke in zwei Bände, (hg. v. Jost Perfahl, Darmstadt 1975. Bd. 1, S. 13–67; hier S. 23. Auf diese Ausgabe wird im Folgenden mit bloßer Seitenzahl verwiesen. Genauer: »seitdem ich den Philosophen durch die Schule gelaufen« (S. 53). Zum Abschied von den Philosophen muss es schon vor dem Beginn der erzählten Zeit gekommen sein; nachher befasst sich Schlemihl nicht mehr mit ihnen. Vgl. im 8. Kapitel, S. 53. Ebd. S. 18. Auch die »Verachtung«, mit der der reichgewordene Schlemihl sein »ärmliche[s]«, im Wirtshaus zurückgelassenes Bündel wieder in Empfang nimmt (vgl. S. 24), ist Indiz dafür, dass er sich das Urteil des Herrn John zu eigen gemacht hat.
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auf einem Missverständnis beruhe. Schlemihl, so von Matt, finde in dem Wort des Reichen »eine[] abscheuliche[] Mentalität« entlarvt.⁷ Nicht so sehr des Reichen eigene Gesinnung aber, die sich, in einem Lapsus, unvermittelt ausgesprochen hätte; nein, Schlemihl begreife das Wort als »Analyse dieser Gesellschaft«.⁸ Nach von Matts Lesart hält also Schlemihl dafür, dass sich der Reiche, sozialkritisch, auf seine Seite geschlagen hat. Nur findet sich keinerlei Hinweis im Text, dass Schlemihl ihn so sieht. Im Gegenteil.⁹ Wenn von Matt recht hätte, dann hätte Schlemihl zumindest einen Vorbehalt gegen gesellschaftliches Ansehen und Reichtum. Er ließe sich dann kaum so vorbehaltlos von dem »einen Wort«¹⁰ des Grauen gefangen nehmen, wie er es tut. Er könnte von seiner miserablen Situation abstrahieren, zugunsten einer allgemeineren Reflexion auf soziale und ökonomische Verhältnisse mit ihrem ideologischen Schein. Das aber liegt Schlemihl fern.¹¹ Von Matt schreibt seinem Schlemihl eine Rationalität zu, die der originale nicht hat.¹² Die Kritik hat, darin von Matt gleich, verkannt, wie wenig in Schlemihls Macht steht, wie wenig er »[s]einem geraden Sinn«, »der Stimme in [ihm]« vertraut.¹³ Dass Schlemihl am Beginn der erzählten Geschichte und auch später 7
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Peter von Matt, Chamissos nüchterner Traum. Kunst und Geheimnis des Peter Schlemihl, in: Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Mit Farbholzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner und Beiträgen von Anita Beloubek-Hammer und Peter von Matt, Stuttgart 2010, S. 117–142, hier: S. 125. Ebd., S. 124. Dass von Matts Lektüre nicht die genaueste ist, verraten auch Details wie seine Behauptung, dass Schlemihl den Herrn John »[a]nderntags« (ders., wie Anm. 7, S. 124) aufgesucht habe. Im Text steht indessen: »Es war noch früh an der Zeit …« (S. 13). Dieses »noch« kann sich nur auf denselben Tag beziehen, von dessen anfänglichem Verlauf das erste Kapitel chronologisch getreu, und sogleich mit seinem ersten Satz beginnend, berichtet. Es ist der Tag von Schlemihls Ankunft in der Hafenstadt. S. 23. Wie fern, bezeugt u. a. der folgende Passus: »… und gemächlich erging besonders der Witz über abwesende Freunde und deren Verhältnisse. Ich war da zu fremd, um von alle dem Vieles zu verstehen, zu bekümmert und in mich gekehrt [!], um den Sinn auf solche Rätsel zu haben.« (S. 19). Auch als Schlemihl, nach der wüsten Begegnung mit den Gassenbuben (vgl. S. 23 f.), weinend in der Kutsche sitzt und, erst jetzt, da es bereits zu spät ist, zu ahnen beginnt, wie wenig vorteilhaft sein Handel war, auch da stellt er nicht die Gesellschaft in Frage. Zum Problem wird ihm bloss die eigene Befähigung, sich der bestehenden Gesellschaft einzufügen: »[W]as konnte, was sollte auf Erden aus mir werden!« (S. 24). Schlemihls Selbstverlorenheit wird, soweit wir sehen, ausser von Grete Lübbe-Groethues, Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte: Protokoll einer Arbeitsgemeinschaft, in: Wirkendes Wort 6 (1955/1956), S. 301–307, die sich mit wenigen Bemerkungen begnügt, nur noch von Rolf Günter Renner, Schrift der Natur und Zeichen des Selbst. Peter Schlemihls wundersame Geschichte im Zusammenhang von Chamissos Texten, in: DVjS 65 (1991),
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immer wieder haltlos selbstverloren ist, lässt sich indes schon beobachten, wenn man, wie wir es eben begonnen, »Stimme« ganz wörtlich nimmt und verfolgt, wie fremde Stimmen, fremde Reden auf ihn wirken.¹⁴ Da ist, nach der Stimme des Herrn John, zunächst die Stimme des grauen Manns, der ihn, als er aus dem Garten flieht, verfolgt und stellt. Schlemihl lässt sich auf ein Gespräch mit ihm ein, obwohl er es eigentlich vermeiden wollte; er korrigiert sich etwas später selbst, um seine Worte der Rede des andern besser anzupassen; er lässt sich von ihm unterbrechen … Überhaupt ist es zu dem unheilvollen Gespräch nur deshalb gekommen, weil Schlemihl, mehr als auf seine Intuition, auf äussere Verhaltensregeln,¹⁵ auf die Stimme, so möchten wir fast sagen, der Gesellschaft, achtet: »[E]r wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden.«¹⁶ Seiner selbst ist Schlemihl derart ungewiss, dass er die Motive für eine eben erst getroffene Wortwahl nicht mehr auffinden kann: »… ich wußte nicht, wie ich ihn [das heißt den grauen Mann] hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen. ›Aber, mein Herr …‹«¹⁷ Dem Verlust der eigenen »Stimme« korrespondiert schon hier der Verlust des »gerade[n] Sinn[s]«. Dass Schlemihl nicht bei Sinnen ist, als er seinen Schatten verkauft, hatten wir schon eingangs erinnert. Der Text sagt es explizite (»… in mir war noch keine Besinnung«¹⁸). Und wir haben auch von den sensorischen Effekten, die sich, als Symptome seiner mentalen Absenz, im Text beschrieben finden, den Schwindel und das Flimmern vor den Augen schon genannt.¹⁹ Der Text nennt noch weitere zwei, von denen das erste ganz offenbar dem Schwindel
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S. 653–673, problematisiert; allerdings ohne Bezug auf die zeitgenössische Diskussion psychologischer Fragen. Vielmehr legt Renner die lacansche Psychoanalyse als unhintergehbar zugrunde. Ansonsten ist die Chamisso-Kritik fast durchweg auf die Frage fixiert geblieben, was es mit Schlemihls Schatten auf sich habe. Eine Bibliographie der kritischen Bemühungen zu Peter Schlemihl findet sich bei Dagmar Walach, Adalbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Erläuterungen und Dokumente, Stuttgart 2003, S. 115–122. Besonders auch die Brandmarkung als »Schuft« (die Herr John mit seinem »Wort« an Schlemihl vornimmt, ohne dass sich dieser auch nur im Mindesten widersetzte) bezeugt, wie wenig Schlemihl auf sich hält, wie einprägsam fremde Stimmen auf ihn zu wirken vermögen. Der höfliche Diskurs, den Schlemihl im Umgang mit seinem Widersacher allemal beibehält, verdiente es, eigens untersucht zu werden. S. 21. S. 22. Am Ende des ersten Kapitels, S. 23, und: »Ich kam endlich wieder zu Sinnen« am Anfang des zweiten, ebd. Wie sich der Schwindel und das Flimmern vor den Augen zueinander verhalten, wird später genauer erörtert werden.
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zugerechnet werden muss: Als Schlemihl den Antrag des Grauen vernimmt, geht es ihm »wie ein Mühlrad im Kopfe herum«.²⁰ Das zweite (es ist, chronologisch gesehen, das erste von den vieren) zeugt ganz unmissverständlich von Unfreiheit: Als er sich von dem grauen Mann eingeholt sah, war es Schlemihl gewesen, als sei er, einem Vogel gleich, von »eine[r] Schlange gebannt«.²¹ Das psychische Befinden, von dem diese Symptome künden (ob und inwiefern es auch ein moralisches ist, brauchen wir vorläufig nicht zu entscheiden), steht jedenfalls in Kontrast zu dem »geraden Sinn«, den Schlemihl für sich reklamiert. Dass der Richtungssinn verloren geht, wenn man von einem Schwindel befallen wird, brauchen wir kaum weiter auszuführen. Und ebenso wenig, dass wer von einer Schlange festgebannt steht eine gerade Richtung nicht mehr halten kann.²² Wenn also mit dem Verlust der eigenen »Stimme« der Verlust des »geraden Sinn[s]« einhergeht (wie soeben, an einem ersten Beispiel, gezeigt), wenn zudem Schlemihl oftmals seines »geraden Sinn[s]« verlustig geht und auch oft seine innere »Stimme« nicht mehr vernimmt (wie bei fortgesetzter Lektüre bald deutlich wird), dann können wir als ein erstes Zwischenergebnis festhalten: Schlemihl geht zu wiederholten Malen ab, was er für seine Lebensführung programmatisch reklamiert. Damit wird aber auch deutlich, dass seine Äusserung, ex negativo, als programmatische verstanden werden kann für die im Text verhandelte Geschichte.²³ Der Text wird, nach dieser Vorgabe, zu einer Erzählung von Schlemihls kleineren und grösseren Abweichungen von seiner Maxime.²⁴ Da Schlemihl, sowohl der
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S. 22. S. 21. Was aber erforderlich wäre, wenn Schlemihl, oder ein Fürsprecher Schlemihls behaupten wollte, dass er auch im Beisein des grauen Manns (eines »Schleicher[s] auf krummen Wegen«, vgl. S. 50) seinem »geraden Sinn vertrauend […] auf dem eigenen Weg gefolgt« sei (vgl. S. 53). Die doch eine beispielhafte sein will, soll sie doch Manchem »zur nützlichen Lehre gereichen«; vgl. das Schlusswort Schlemihls an Chamisso, S. 66. Wenn Schlemihl behauptet, er habe »[s]einem geraden Sinn, der Stimme in [ihm]« vertraut, so muss dies zunächst als Selbsteinschätzung im Rückblick auf seine Lebensführung verstanden werden. Es impliziert aber noch mehr. Denn so zu leben, wie es Schlemihl getan zu haben behauptet, ist ein Rat, den er von Chamisso (einem fiktiven Chamisso, selbstredend) empfangen hat. Zu welchem Zeitpunkt Schlemihl den Rat erhielt, wird nicht explizite gesagt. Doch steht der Einschub »wie Du es mir selbst geraten« in einem Verhältnis der Vorzeitigkeit zu dem ihm übergeordneten Teilsatz: »… und bin, wie Du es mir selbst geraten, meinem geraden Sinn vertrauend, der Stimme in mir, so viel es in meiner Macht gestanden, auf dem eigenen Weg gefolgt« (S. 53). Chamissos Ratschlag ist für Schlemihl also schon im täglichen Lebensvollzug Maxime gewesen.
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Akteur wie Schlemihl, der Erzähler, auf dieses Ungenügen reflektieren (und zwar in bisweilen widersprüchlicher Weise), werden wir uns nicht damit begnügen können, diese Abweichungen bloss zu konstatieren. Bevor wir uns auf eine vertiefte Textlektüre einlassen, müssen wir das Synonymenpaar »gerade[r] Sinn«, »Stimme in mir« genauer bedenken. Drei Beobachtungen drängen sich auf und mehrere Fragen. Erstens: Beide, »gerade[r] Sinn« und »Stimme in mir«, entstammen dem moralischen Diskurs. Schlemihl erhebt, indem er das eine wie das andere für sich, für seine Art der Lebensführung, reklamiert, einen moralischen Anspruch. Zweitens: Bei der Versprachlichung seines moralischen Anspruchs bedient sich Schlemihl zweier Metaphern. Weshalb tut er das? Weshalb greift er gerade zu diesen Metaphern? Was wird von ihnen impliziert? Was wird mit ihnen alles umschrieben? Drittens: Den Ratschlag, seinem »geraden Sinn«, der »Stimme in [ihm]« zu vertrauen, hat Schlemihl von niemand geringerem als von Chamisso selbst erhalten. Was folgt daraus für das (moralische) Verhältnis der fiktiven Figur zum impliziten Autor (und umgekehrt)? Zu jeder von diesen Beobachtungen sei gleich noch einiges angemerkt. Zur ersten: Die beiden Metaphern entstammen dem moralischen Diskurs; sie fügen sich aber nicht in eine Vernunftmoral.²⁵ Schlemihl setzt seine Metaphern ja auch explizite (wie sich zeigt, sobald der engere Kontext, in dem sie formuliert erscheinen, in die Betrachtung einbezogen wird) dem philosophischen Konstrukt entgegen, das ihm der Graue, im achten Kapitel, gesprächsweise vorführt.²⁶ Die Metaphysik des Grauen spricht, wie Schlemihl bemerkt, den »Verstand« an; es fehlt ihr aber die Seele.²⁷ Schlemihls eigenes moralisches Credo rekurriert auf Innerlichkeit. Zur zweiten: Beide Metaphern lassen sich auf einen Begriff reduzieren, der sich behelfsweise mit ›intuitiver Erkenntnis von moralisch Wertvollem‹ bezeichen ließe; doch wächst diesem Begriff, indem er von Schlemihl, dem Erzähler, 25
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Zum Gegensatz zwischen Vernunftmoral und Gefühlsmoral vgl. Art. Gefühlsmoral, in: Joachim Ritter (hg.), Historisches Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 3: G–H, Basel 1974, S. 99; vgl. ferner Art. Gefühl, ebd., S. 82–95, bes. S. 90 f.; vgl. auch Art. Gewissen, ebd., S. 574–592, bes. S. 583–591 und da wiederum bes. S. 591. Vgl. S. 53: »Nun schien mir dieser Redekünstler mit großem Talent ein fest gefügtes Gebäude aufzuführen, das in sich selbst begründet sich emportrug, und wie durch eine innere Notwendigkeit bestand. Nur vermißt’ ich ganz in ihm, was ich eben darin hätte suchen wollen, und so ward es mir zu einem bloßen Kunstwerk, dessen zierliche Geschlossenheit und Vollendung dem Auge allein zur Ergötzung diente; aber ich hörte dem wohlberedten Manne gerne zu, der meine Aufmerksamkeit von meinen Leiden auf sich selbst abgelenkt, und ich hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie meinen Verstand in Anspruch genommen hätte.« Die Stellen, an denen das Wort »Seele« in Peter Schlemihl vorkommt, wären eigens zu untersuchen. Die Rekurrenz von »Seele« ist in Chamissos Text isotopisch.
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metaphorisch umschrieben wird, Bedeutung zu. So konnotiert »gerade[r] Sinn« zusätzlich Stetigkeit und Unbeirrbarkeit bei oft wiederholtem Gewinn solcher Erkenntnis. Und »Stimme in [ihm]« bringt das Gewissen ins Spiel. ›Stimme des Gewissens‹ ist als idiomatische Wendung seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts belegt.²⁸ Zu bemerken ferner, dass die Metapher vom »geraden Sinn« in ihrem Bildbereich auf Visuelles verweist, hingegen die Metapher von der »Stimme in mir« auf Auditives, auf Sprachliches genauer. Das ist deshalb von Interesse, weil in Peter Schlemihl die Verschiedenheit von visueller und sprachlicher Kommunikation akzentuiert und im Verlauf der Erzählung zu einem Gegensatz verschärft wird.²⁹ Zur dritten: Das Verhältnis Schlemihls zu Chamisso hat die Kritik zwar interessiert, aber lediglich aus narratologischer Perspektive. Chamisso erscheint dem Schlemihl im Traum, wodurch, für uns Leser, eine Metalepse³⁰ zustande kommt;
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Vgl. Art. Gewissen in: Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd.IV.1.3, Leipzig 1898, Sp. 6219–6288, bes. Sp. 6220: »es ist das gewissen in dem menschen […] gewisser maasz eine stimme gottes in der seele […]. Spener erste epistel Johannis (1699) 437«. – Im zweiten Kapitel von Peter Schlemihl wird das Gewissen ausdrücklich genannt (vgl. S. 24). Es sei ihm früher derart wert gewesen, erinnert sich Schlemihl, als er in der Kutsche weint (vgl. Anm. 12), dass er ihm den Reichtum »aufgeopfert« habe (ebd.). Die Frage, welches unter den historischen Gewissenskonzepten Schlemihl dabei impliziert, und die Frage überhaupt, wie die Rede von der inneren »Stimme« in Peter Schlemihl historisch zu verorten sei, muss in unserem Zusammenhang wenigstens am Rand zur Sprache kommen. Lassen sich doch Schlemihls Gewissensnöte als Ausdruck einer historischen Verunsicherung verstehen; jener, genauer, eines Subjekts, dem mit der drohenden Umwälzung des Sozialgefüges auch die tradierten, in vorrevolutionären Zeiten noch unbefragten Moralvorstellungen zu zerbrechen drohen. Offenbar handelt es sich bei Schlemihls Gewissen nicht mehr um ein »Gewissen der Folgsamkeit« (vgl. Heinz-Dieter Kittsteiner, Die Entstehung des modernen Gewissens, Frankfurt am Main 1991, S. 22) das sich, nach Massgabe der katholischen oder auch der lutheranischen Kasuistik, an den Zehn Geboten als einem Katalog feststehender Regeln orientieren konnte (vgl. ders., S. 175–180). Noch handelt sich bereits um ein autonomes, aufgeklärtes Gewissen im Sinne Kants, welches des garantierenden Bezugs auf den christlichen Gott nicht mehr bedarf. Schlemihls Gewissen lässt sich am ehesten mit dem innerlich gefühlten »vox-Dei«-Gewissen identifizieren, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als Alternative zur kantischen Konzeption, wieder Gehör findet (vgl. Kittsteiner, S. 212). Anders als von den täuschenden Worten des Grauen und des Herrn John, wird Schlemihl von der »treue[n] und verständige[n] Physiognomie« (S. 25) seines Dieners Bendel nicht enttäuscht; sie hatte ihn »gleich gew[onnen]« (ebd.), als er sie zum ersten Mal erblickte. Ebenso »plötzlich klar und fest« wird sich später, als er unweit von Theben die »Höhlen« erblickt, »wo christliche Einsiedler sonst wohnten« (S. 61), die Überzeugung bei ihm einstellen, dass er hier seine Wohnstatt nehmen müsse. Zum Begriff der, von Gérard Genette in die Narratologie eingeführten, bzw. aus der Rhetorik übernommenen, Metalepse vgl. ders., Figures III, Paris 1972, S. 243–246. Zu den metaleptischen Spielarten, welche sich die Literatur (und auch der Film) mit der Thematisierung
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dass er ihm in der Nacht erscheint, die dem Verkauf seines Schattens folgt (wobei er von seiner moralischen Maxime erstmals deutlich abgewichen war), hat die Kritik nicht interessiert. Überhaupt hat sich die Kritik für die moralische Frage in Peter Schlemihl kaum interessiert,³¹ was erstaunt, da diese Frage für Schlemihl doch im Vordergrund steht.³² Sie wird von Schlemihl dem Akteur, aber auch von Schlemihl dem Erzähler, immer wieder thematisiert. Und zwar bisweilen auch explizite thematisiert. Und das, wir erwähnen es im Vorgriff schon hier, auch unter Einbezug von Betrachtungen zum prekären Verhältnis von (idealer) Willensfreiheit und von (realer) psychischer Bedingtheit. Indessen hat sich die Kritik auch für die Bewusstseinszustände Schlemihls nur am Rande interessiert, was ebenfalls erstaunt.³³ Werden doch Fragen des Bewusstseins, seiner gewohnten Grenzen und der Möglichkeit ihrer Überschreitung, in literarischen Texten des ausgehenden achtzehnten und des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts immer wieder aufgegriffen; für die Literatur der Romantik sind sie bekanntlich eines der wichtigsten Themen. In Peter Schlemihl trifft nun die Problematik des Bewusstseins auf die Problematik der Moral – was die Frage nach der moralischen³⁴ Zurechnungsfähigkeit
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von Träumen geschaffen hat, vgl. ders., Métalepse. De la figure à la fiction, Paris 2004, S. 115–121. Mit Ausnahme von Edmund Brandl, Emanzipation gegen Anthropomorphismus. Der literarisch bedingte Wandel der goethezeitlichen Bildungsgeschichte, Frankfurt am Main 1995, der sie S. 326 f. und S. 330–336 immerhin streift. Leider entwertet Brandl seine oftmals stimulierenden Beobachtungen wieder, indem er sie nicht selten zu irreführenden, weil unzulässig verallgemeinernden, Schlüssen missbraucht. So lässt sich z. B. aus dem kontingenten Umstand, dass die Tarnkappe des Grauen einen schützenden Nebel erzeugt und Nebel bisweilen auch in London und Paris die Sicht vermindern, nicht schließen, dass Schlemihl seine wissenschaftliche Karriere dem Grauen verdanke; auch wenn der angehende Naturforscher das meteorologische Phänomen benutzt, um in den beiden Metropolen unbehelligt einzukaufen was er an wissenschaftlichem Gerät benötigt. Noch weniger lässt sich aus dem genannten Umstand schließen, dass Schlemihls Forschungen »Züge eines frevelhaften Kampfes gegen Gott« annähmen; vgl. Brandl S. 332. Einige wenige Beobachtungen zur moralischen Frage in Peter Schlemihl finden sich auch schon bei Willy R. Berger, Drei phantastische Erzählungen. Chamissos Peter Schlemihl, E. T.A.Hoffmanns Die Abenteuer der Silvester-Nacht und Gogols Die Nase, in: Arcadia 13 (1978) Sonderheft, S. 127 f. Man vergleiche nur im 9.Kap. S. 57: »… hätt ich mich nur […] vorwurfsfrei gefühlt, ich glaube, ich hätte glücklich sein können.« Mit der Ausnahme von Rolf Günter Renner, Schrift der Natur und Zeichen des Selbst. Zur historischen Herausbildung der Unterscheidung zwischen moralischer und juristischer Zurechnung vgl. Ylva Greve, Die Unzurechnungsfähigkeit in der ›Criminalpsychologie‹ des 19. Jahrhunderts, in: Michael Niehaus/Hans-Walter Schmidt-Hannisa (hg.), Unzurechnungsfähigkeiten. Diskursivierungen unfreier Bewusstseinszustände seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1988, S. 107–132, hier: S. 113.
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hervortreibt. Und das ist die Frage, an der wir unsere weitere Lektüre ausrichten wollen. * Dass die Frage nach der moralischen Zurechnungsfähigkeit pertinent ist, finden wir im siebten Kapitel bestätigt. Denn hier wird geurteilt. Schlemihl urteilt über sich selbst, und er ruft Chamissos Urteil an: »Ich werde mich Deinem Urteile bloß stellen, lieber Chamisso, und es nicht zu bestechen suchen. Ich selbst habe lange strenges Gericht an mir selber vollzogen …«.³⁵ Beachtung verdient dabei auch, dass Schlemihl mit diesen Worten erneut einen moralischen Anspruch vorbringt. Er hatte es ja schon, zum ersten Mal, mit der Behauptung getan, dass er stets »[s]einem geraden Sinn, der Stimme in [ihm]« gefolgt sei. Doch betraf diese Behauptung allein sein Leben, also das im Rückblick Erzählte. Sein jetzt geäusserter, zweiter Anspruch betrifft nun auch die Erzählung selbst, als Sprechakt. Wenn Schlemihl ankündigt: »Ich werde mich deinem Urteile bloß stellen …«, so kann das nur heissen, bloss stellen durch Worte, durch die Erzählung, die nun folgt. Wieviel von der Erzählung betroffen ist, durch diese Ankündigung, wird nicht genauer bestimmt. Die unmittelbar folgenden Sätze sind es gewiss. Nichts hindert uns aber daran, die Erzählung als ganze unter dem Aspekt eines Geständnisses, als (wenigstens ihrer Absicht nach unverstellte) Offenlegung des eigenen Vorlebens zu begreifen. Schlemihls Ankündigung, dass er sich bloss stellen werde vor Chamisso (und damit selbstredend vor uns Lesern), ist nicht so offenkundig falsch wie es seine Selbsteinschätzung im Rückblick auf sein Leben war; das Versprechen weckt, in seinem Anspruch, dennoch Zweifel. Denn gerade die Heftigkeit der Selbstanklage, die folgt, verwickelt ihn in Widersprüche. Wir brauchen auf die diffizile Frage gar nicht einzutreten, ob Schlemihl recht oder unrecht tat, als er die von dem Grauen geforderte Unterschrift so lange verzögerte, bis es zu spät war, um Mina vor ihrer Verheiratung an Rascal zu retten.³⁶ Es genügt, wenn wir jenen Teil von Schlemihls Selbstanklage prüfen, der diesem Hauptanklagepunkt vorausgeht. »Nach dem übereilten Fehltritt, der den Fluch auf mich geladen, hatt ich durch Liebe frevelnd in eines andern Wesens Schicksal mich gedrängt.«³⁷ Gewiss war es ein folgenreicher Fehler gewesen, den eigenen Schatten zu verkaufen. War es aber ein Fehltritt im moralischen Sinne? Für Schlemihl waren ja die teuf35 36 37
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lischen Züge des Grauen nicht sogleich erkennbar gewesen, zumal er in seiner Wahrnehmung von einem, zum schlimmsten Zeitpunkt auftretenden, Schwindel beeinträchtigt wurde. Und weiter: Hat Schlemihl gefrevelt, durch seine Liebe? Hat er sich in Minas Schicksal gedrängt? Noch fragwürdiger wird dieser Selbstvorwurf, wenn man ihn mit einer zweiten Formulierung, aus dem vierten Kapitel, vergleicht, wo Schlemihl sich gar »tückischer Selbstsucht« bezichtigt, mit der er Mina »verd[orben]«, ihre »reine Seele an sich gelogen und gestohlen« habe.³⁸ War es nicht vielmehr »Ehrfurcht« gewesen, mit welcher er Mina von Anfang an begegnet war?³⁹ Stand er nicht an der Abendgesellschaft, am Tag ihrer ersten Begegnung, »wie ein ausgescholtener Knabe« und nach Worten ringend vor ihr da?⁴⁰ Verlebte er nicht die erste Zeit seiner Liebe⁴¹ »in einem unbeschreiblichen Rausch«?⁴² Schlemihl, der Erzähler, wählt mit dieser Metapher eine Bezeichnung, die eine Minderung des Urteilsvermögens so offenkundig impliziert, als hätte er den Umstand explizite zugegeben. Die Triftigkeit von Schlemihls Selbstanklage wird ausserdem durch seine psychische Konstitution generell in Frage gestellt. Zwar macht es wenig Sinn, aufgrund der spärlichen Indizien ein Psychogramm erstellen zu wollen; doch scheint er zur Selbstquälerei zu neigen. »[I]ch sog […] mit grimmigem Durst an dem […] Gifte, das mir der Unbekannte in meine Wunden gegossen«, lesen wir an anderer Stelle.⁴³ Im Kontext einer Erörterung von Schlemihls moralischer (Un-) Zurechnungsfähigkeit sind auch solche Symptome zu bedenken. * Besondere Beachtung verdienen aber die Schwindelanfälle, unter denen Schlemihl immer wieder leidet. Sie treten nicht nur kurz vor dem Verkauf des Schattens auf. Attacken solcher (oder wenigstens verwandter⁴⁴) Art werden in Peter Schle38 39 40 41 42 43
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S. 36. S. 34. Ebd. Dass Schlemihl selber liebte, wird explizite bezeugt, wenn es, auf S. 36, heißt, dass Mina, »mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens«, »Liebe um Liebe« vergalt. S. 34. S. 44 f. Vgl. auch S. 45: »Ich nährte still mein Herz mit seiner Verzweiflung.« Das genügt, um ihn vor dem zeitgenössischen Hintergrund als Melancholiker erscheinen zu lassen. Vgl. Hans-Jürgen Schings, Melancholie und Aufklärung. Melancholiker und ihre Kritiker in Erfahrungsseelenkunde und Literatur des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1977, bes. S. 234–246. Zur Polysemie bzw. zum Bedeutungsumfang des Wortes ›Schwindel‹ im zeitgenössischen Gebrauch vgl. Rolf-Peter Janz, Schwindel und Traum. Zwei Ausnahmezustände des Subjekts bei Kleist, in: Peter-André Alt / Cristiane Leiteritz (hg.), Traum-Diskurse der Romantik, Berlin 2005, S. 217–231, bes. S. 219 f.
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mihl so oft und so präzis beschrieben, dass ein spezifisches Interesse des Textes an ihnen kaum zu bezweifeln ist. Es lässt sich umso weniger verkennen, als Peter Schlemihl damit ein Zeitinteresse teilt.⁴⁵ Nach dem für die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts einflussreichsten Werk zum Thema, dem Versuch über den Schwindel des philosophischen Arztes⁴⁶ Marcus Herz,⁴⁷ wird Schwindel durch eine »zu schnelle Folge der Vorstellungen« verursacht.⁴⁸ Sehstörungen seien die gewöhnlichsten Symptome, zumal das Doppeltsehen.⁴⁹ Es handle sich, so Herz, um eine Krankheit, die ihren Sitz sowohl im Körper wie in der Seele haben kann (was freilich das Interesse der philosophischen Ärzte an ihr erklärt). Das Doppeltsehen tritt bei Schlemihl auf und wird sinnfällig beschrieben. Beschrieben wird auch Herzens übereilter »Ideengang«,⁵⁰ der den vielgeprüften Schlemihl mehrmals schwindeln lässt. Das Doppeltsehen stellt sich beim Verkauf des Schattens ein. Da »flimmert[]« es ihm vor den Augen, wie von »doppelte[n] Dukaten«. Dass es nicht nur einfache Dukaten sind, dürfte nicht allein dem höheren Wert der »doppelte[n]« geschuldet sein. Zumal sich Herzens Hauptlehrstück ebenfalls in Anschlag bringen lässt. Hatte doch Schlemihl kurz zuvor und in schnellem Wechsel den grauen Mann bald als unterlegen (weil »verrückt«), bald als überlegen und zu fürchten wahrgenommen. Eine »zu schnelle Folge [von] Vorstellungen« löst, ganz fraglos nun, den Schwindel aus, der Schlemihls letzte, qualvolle Unterredung mit Minas Vater 45
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Grundlegend hierzu: Rolf-Peter Janz / Fabian Stoermer / Andreas Hiepko (hg.), Schwindelerfahrungen. Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symptoms, Amsterdam 2003. Zu diesem Terminus vgl. Hans-Jürgen Schings, Melancholie und Aufklärung, S. 14 und S. 21–23. »Der philosophische Arzt« war auch der Name einer medizinische Wochenschrift, die zwischen 1773 und 1775 anonym erschien; ob die Anhänger der physiologisch-philosophischen Anthropologie, an die sich das Periodikum wandte, schon vorher oder erst nachträglich als ›philosophische Ärzte‹ bezeichnet wurden, lässt sich wohl kaum mehr entscheiden. Berlin 1787, 2. Aufl. 1791. Vgl. hier den langen Passus S. 28–32, in welchem Herz polemisch auf seiner Wertschätzung der Philosophie insistiert. Ebd., S. 176. Vgl. auch ders. S. 175: »… jede einzelne Vorstellung verliert ihre Klarheit und Lebhaftigkeit, und wegen ihrer zu geschwinden Folge fallen sie alle ineinander: die Seele unterscheidet sie nicht mehr deutlich, sondern stellt sie sich als ein verworrenes Ganze vor, in dem weder Ordnung noch fassliche Abstechung der Theile sich findet; und endlich geräth sie selbst in den Zustand der Verwirrung: einen Zustand, der eigentlich den Schwindel ausmacht.« Bei Rolf-Peter Janz / Fabian Stoermer / Andreas Hiepko, Einleitung. Schwindel zwischen Taumel und Täuschung, in: dies. (hg.), Schwindelerfahrungen, S. 7–45, wird der Herz’sche Beitrag zur Schwindeldebatte konzise charakterisiert und historisch verortet; vgl. hier S. 13 Anm. 17. Vgl. Marcus Herz, Versuch über den Schwindel, 2. Aufl., S. 180 f. ders., S. 173.
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beendet: »Ich schwankte hinweg, und mir war’s, als schlösse sich hinter mir die Welt zu.« Kurz zuvor noch hatte er sich als Graf Peter und als Minas Bräutigam betrachten können. Von Schwindelerfahrungen ist auch in anderen literarischen Texten der Zeit die Rede, vor allem bei E. T.A. Hoffmann und bei Kleist.⁵¹ Peter Schlemihl vertieft die Schwindelproblematik aber, indem es einen Moralisten schwindeln lässt. Schlemihl, der Erzähler, urteilt mit Strenge über den Schlemihl, der er einst selber war; soviel haben wir gesehen. Dass bereits Schlemihl, der Akteur, ein Moralist ist, war ihm ausgerechnet von dem grauen Mann bestätigt worden (und uns Lesern damit auch). Polemisch zwar, jedoch mit expliziten Worten. Die »Grundsätze« Schlemihls seien »die allerstrengsten«; er denke »wie die Ehrlichkeit selbst« (und das sei eine »Liebhaberei«, gegen die er, der Graue, »auch nichts« habe).⁵² Doch gibt sich der Graue nicht nur als ein toleranter Weltmann, sondern beginnt, abgründig genug, selbst moralisch zu argumentieren.⁵³ Er wirft dem Moralisten Schlemihl Inkonsequenz vor, besonders, dass er nicht so handle wie er denke. Damit verweist der Graue genau auf das Problem, das die Moral für Schlemihl birgt: Schlemihl vermag nicht so zu handeln, wie er denkt. Es wirkt wie Spott zum Schaden, dass ihm dies ausgerechnet von dem Grauen vorgehalten wird. Zieht doch gerade dieser seinen Vorteil aus den Schwindelanfällen, die Schlemihl am moralischen Handeln hindern. Vielleicht wird der Schwindel ja auch hin und wieder⁵⁴ von dem Grauen selbst hervorgerufen, was ihm zweifellos ein Leichtes wäre (und deshalb liegt die Unterstellung nahe). Jedenfalls hat er es darauf angelegt, dass Schlemihl »zu keinem eigenen Gedanken komm[t]«.⁵⁵ Wirren wie jene Schlemihls, die sich im Schmerz über Minas Verlust bis zum »Wahnsinn« steigern,⁵⁶ wären in einem früheren 51 52 53 54
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Vgl. Rolf-Peter Janz, Schwindel und Traum, zu Kleist; und zu E. T.A. Hoffmann die Beiträge von Helmut Pfotenhauer und Manfred Lauer in demselben Tagungsband. S. 56. Er hatte es, bei anderer Gelegenheit, auch schon zuvor getan. Vgl. S. 43 und S. 49. Wir schränken hier vorsichtig ein, weil z. B. die Ohnmacht, die Schlemihl vor dem Verkauf seiner Seele rettet (und die, als ein psychischer Zustand, der sich der Kontrolle der Vernunft entzieht, dem Schwindel verwandt ist), gewiss nicht von dem Grauen herrührt. Vgl. S. 50 und unten Anm. 62. Ohnmacht wird bei Marcus Herz, Versuch über den Schwindel, 2. Aufl., S. 182 f. als ein Symptom dem Schwindel zugerechnet. Vgl. ferner Rolf-Peter Janz, Schwindel und Traum, der, auf S. 220, daran erinnert, dass in der Literatur der Zeit »Ohnmachten« oftmals »als das Ergebnis von Schwindelanfällen zu verstehen [seien], in denen der eklatante Widerspruch zwischen verinnerlichter Moral und unmoralischer Lebenspraxis heftig ausgetragen wird.« Das allerdings zumeist beim weiblichen Geschlecht. Vgl. Kap. 7, S. 51. S. 41. Zur Ausweitung des Wahnsinnsbegriff am Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Georg Reuchlein, Das Problem der Zurechnungsfähigkeit bei E. T.A. Hoffmann und Georg Büch-
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Jahrhundert als dem aufgeklärten, für ein Zeichen von Besessenheit genommen worden; und abseits der Aufklärung auch noch in diesem und selbst noch als Chamisso die »wundersame Geschichte« Peter Schlemihls schrieb, im Jahre 1813.⁵⁷ In Peter Schlemihl finden sich auch davon Spuren. Die Verklammerung von moralischer Defizienz und psychischer Verwirrung (bzw. Schwindel) hat sich in Bendels Sprache noch erhalten; das zeigt sich, wenn er in jenem Gespräch, das Schlemihl im Hospiz mitanhört,⁵⁸ Minas Vorleben (und zugleich sein eigenes und damit auch Schlemihls Leben) ein »Gaukelspiel« nennt. »Gaukelspiel« steht da in Kontrast zu dem »gottseeligen Leben«, das Mina führt, seit sie »in [sich] selber erwacht« ist; Mina selbst nennt ihr Vorleben einen »Traum«.⁵⁹ Die Sprache Minas und Bendels gemahnt an die Sprache des Pietismus.⁶⁰ »Gaukelspiel« bezeichnet in Bendels Mund ein sündiges Leben.⁶¹ Nun sind aber die Verhältnisse im weiteren Kontext dieses Gesprächs nicht mehr so eindeutig. Träume zum Beispiel, die laut Mina ebenfalls moralisch verdächtig wären, sind es in PS nicht allemal. Denn es gibt auch einen Wahrtraum; jenen, in dem Chamisso, Schlemihls moralische Instanz, als Toter vor ihm erscheint.⁶² Ausserdem wird Schlemihl gerade durch eine Ohnmacht vor der
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ner, Frankfurt am Main 1985, S. 15–17; ferner Doris Kaufmann, Aufklärung, bürgerliche Selbsterfahrung und die »Erfindung« der Psychiatrie in Deutschland. 1770–1850, Göttingen 1995, S. 25–109. Vgl. die Geschichte der Eva Sophia W., die sich um 1817 ereignete, und die in: Doris Kaufmann, Aufklärung, S. 78–89, diskutiert wird. Eva Sophia W., eine vermutlich wohlhabende Bauerntochter aus Hertershofen im Oberamt Gerabronn, wurde zur Patientin, weil sie unter starken psychosomatischen Störungen litt. Nach längerer erfolgloser Behandlung, zunächst durch Land-, später auch durch aufgeklärte Stadtärzte, nach ebenfalls mehrfach wiederholten Anfragen bei protestantischen, also aufgeklärten Theologen ihrer Konfession, wandte sie sich schließlich an einen Franziskanerpater, der sie für besessen erklärte. Ihm gelang es, sie mit exorzistischen Praktiken zu heilen. Vgl. Kap. 10, S. 65. ebd. Vgl. August Langen, Der Wortschatz des deutschen Pietismus, Tübingen 1954, S. 32 zum pietistischen Gebrauch der Metapher »erwecken«, S. 144 zur Metapher des »Traum[s] des Lebens«, S. 378 zur »Innigkeit«. Kierkegaard wird die Engführung von Schwindel und Schuld dann explizite vornehmen. Vgl. ders., Der Begriff Angst. Vorworte (übers. Emanuel Hirsch), Düsseldorf 1952, S. 60 f. Vgl. dazu Janz / Stoermer / Hiepko, Einleitung, bes. S. 26–29. Um es noch klarer hervorzuheben: Inmitten des von Mina denunzierten Schwindels erweist sich als einzig Feststehendes ein Traum. Dass Schlemihl einen Wahrtraum träumt, während für Mina und Bendel Träume nichts weiter sind als Gaukelspiel und deshalb zu verwerfen, ist eines unter mehreren Indizien dafür, dass Peter Schlemihl kein geschlossenes Kunstwerk ist; kein Text also, der ideologisch uniform wäre. Das Nebeneinander verschiedener historischer Traumkonzepte, welche in Peter Schlemihl präsent sind (denn die Geringschätzung des Träumens gegenüber dem Wachen als irrational gehört noch der Aufklärung an; die
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schlimmsten Verführung bewahrt. Und auch die quasi-medizinische Beschreibung der Schwindelzustände, die Schlemihl von sich selber gibt, bestätigt, dass mittlerweile das Zeitalter der Aufklärung angebrochen ist. Schlemihls Beschreibung erinnert an die Krankenberichte der Erfahrungsseelenkunde. Diese aber ist, ganz anders als der Pietismus, geneigt, im Schwindel Verübtes zu entschuldigen.⁶³ * Noch weiter als es der Bericht von den erlittenen Schwindelanfällen bewirken könnte, entzieht sich Schlemihl den Vorwürfen, die er selbst an sich gerichtet hat, wieder, wenn er auf »Schicksal«, »Notwendigkeit« und »Fügung« rekurriert: Später habe ich mich mit mir selber versöhnt. Ich habe erstlich die Notwendigkeit verehren lernen, und was ist mehr als die getane Tat, das geschehene Ereigniß, ihr Eigentum! Dann hab ich auch diese Notwendigkeit als eine weise Fügung verehren lernen, die durch das gesamte große Getrieb weht, darin wir bloß als mitwirkende, getriebene treibende Räder eingreifen; was sein soll, muß geschehen, was sein sollte, geschah, und nicht ohne jene Fügung, die ich endlich noch in meinem Schicksale und dem Schicksale derer, die das meine mit angriff, verehren lernte.⁶⁴ Hier wird nicht nur, wie beiläufig, im Zuge eines autobiographischen Berichts, die Neigung zu Schwindel als ein verzeihlicher, und deshalb tendenziell zu verzeihender Defekt des eigenen Urteilsvermögens erwähnt; noch werden, im Zuge einer Lebensbeichte,⁶⁵ Verfehlungen eingestanden, die keine, oder höchstens lässliche waren. Schlemihl, der Erzähler, klagt hier nicht nur sich selbst in
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Romantiker schreiben dem Träumen wieder ein höheres, prophetisches Erkenntnisvermögens zu; vgl. hierzu Manfred Engel, Naturphilosophisches Wissen und romantische Literatur – am Beispiel von Traumtheorie und Traumdichtung der Romantik, in: Lutz Danneberg / Friedrich Vollhardt (hg.), Wissen in Literatur im 19. Jahrhundert, Tübingen 2002, S. 65–91, bes. S. 69 f., S. 74–76 und S. 78), lässt Chamissos Text einmal mehr als Ausdruck einer Übergangszeit erscheinen. Nicht nur die Schwindelzustände, von denen wir oben schrieben, auch die wiederholte Thematisierung von Traum (vgl. Rolf-Peter Janz, Schwindel und Traum, bes. S. 222–225, zur Affinität von Schwindel und Traum), Schlaf und Ohnmacht ermutigt dazu, in Peter Schlemihl einen Beitrag zum anthropologischen Diskurs seiner Entstehungszeit zu erblicken. Dazu im Folgenden mehr. S. 50. Vgl. im Vorspann zu Peter Schlemihl den Brief An Julius Eduard Hitzig von Adelbert von Chamisso; hier fällt das Wort »Beichte«, zur Bezeichnung von Schlemihls Manuskript (S. 14).
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unhaltbarer Weise an; noch macht er für den Akteur, der er einst selber war, nur Unzurechnungsfähigkeit geltend. Wenn Schlemihl auf »Fügung«, »Notwendigkeit« und »Schicksal« rekurriert, so fügt er seine Biographie einem metaphysischen Zusammenhang ein. Und das hat eine Rekontextualisierung speziell auch der Anklagepunkte zur Folge.⁶⁶ Wenn er sich also, um es genauer zu fassen, die Rolle eines »getriebene[n] treibenden[n] R[ads]« in einem »grosse[n] Getrieb« zuschreibt (eine kleine Rolle, die er zu akzptieren gelernt hat, denn »verehren« impliziert ja akzeptieren), so bedeutet das für ihn eine Entlastung. Wohl habe er versäumt, »rettend hinzuzuspringen«, als es um Minas Leben ging; indessen sei er auf die Rolle eines bloss Mitwirkenden beschränkt gewesen. Das Rad in dem »Getrieb« ist ein bloss »mitwirkende[s]« Rad. Schlemihl stellt, mit andern Worten, seiner ursprünglich so strengen Selbstanklage eine zweite, schuldmindernde Version entgegen. Zudem verleiht er dieser Version mit dem Hinweis Autorität, dass sie ihm, in einem Lernprozess, erst »später« zugewachsen sei. Dürfen wir dieser zweiten Version Glauben schenken? Dazu erst in unserem Schlusskapitel mehr.
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Wir borgen den Begriff der Rekontextualisierung von Fritz Breithaupt, der in seiner Kultur der Ausrede (Frankfurt am Main 2012) eine Erzähltheorie entwirft, die sich am Modell der Ausrede orientiert, wie sie in der täglichen Lebenspraxis ja nur allzu oft begegnet. Gemeinsam ist den beiden die (implizite) Zurückweisung der Unterstellung, dass die Worte eines Berichts Faktisches getreu wiedergeben, d. h. mit definitiv gültigem Ergebnis versprachlichen könnten. Anklagereden, in einer Gerichtsverhandlung etwa, kommen mit diesem Anspruch einher. Ein Anspruch, den die Verteidigung zu relativieren sucht, indem sie eine zweite Version des Vorgefallenen bietet (mit dem Effekt, dass die Rede der Anklage wiederum zu einer Version herabgemindert wird). Die Verteidigung lässt m. a. W. ihr fiktionsgenerierendes Vermögen spielen. Die behaupteten Fakten werden re-kontextualisiert; d. h. sie werden einer neuen möglichen Welt eingepasst, in der (als Wichtigstes!) die Verantwortung nicht mehr auf den Angeklagten, oder zumindest nicht mehr nur auf ihn fällt. – In solch neuen, hinzuerfundenen Kontexten werden die unleugbaren Fakten mit Vorliebe als Folgeerscheinungen von fiktiven oder auch von realen (aber aus der Sicht der Anklage kontingenten) Begebenheiten präsentiert, die im jeweiligen alten, von der Anklagerede evozierten, Kontext nicht genügend berücksichtigt worden seien. – Literarische Erzähltexte wie Peter Schlemihl haben mit Verteidigungsreden dieses Hinzuerfinden eines neuen, oder auch mehrerer neuer Kontexte gemein. Gerade in den Novellen, die um 1800 im deutschen Sprachraum entstanden, geht es ja oft um die Frage, welches der verursachende Kontext sei, dem sich bekannte Fakten zuordnen lassen. Breithaupt zitiert den Fall der Marquise von O …, bei dem sich die Frage stellt, welchem Kontext das skandalöse Faktum ihrer Schwangerschaft wohl am harmonischsten zuzuordnen sei (vgl. ders., S. 187 f.). Wir zitieren den Fall des Peter Schlemihl, der das nicht wegzuleugnende Faktum seiner unterbliebenen Unterschrift einem Kontext von »Notwendigkeit« und »Fügung« einzufügen versucht, um sich dadurch selbst zu entlasten.
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Auf Schuldminderung (wenn nicht gar auf einen Freispruch Schlemihls von aller moralischen Schuld) ließe sich nach allem, was wir bisher beobachtet, aus dreierlei Gründen plädieren. Einmal der eben angesprochenen »Fügung« wegen; dann aufgrund seiner psychischen Labilität, zumal seiner mehrfach manifest gewordenen Anfälligkeit für Schwindel; drittens, weil Zweifel bestehen, ob Schlemihl die Verfehlungen, deren er sich anklagt, überhaupt begangen hat. Die Frage nach der moralischen Zurechnungsfähigkeit, von der wir ausgegangen waren, kommt am deutlichsten mit dem zweiten Punkt ins Spiel. Allerdings verlangt der Schluss von der psychischen Labilität auf vermindertes Zurechnungsvermögen auch am drängendsten nach einem Einbezug des historischen Kontexts. Fand doch gerade in den Jahren um 1800 ein Gesinnungswandel statt, der die Zurechnungsfähigkeit zu einem viel diskutierten Problem werden ließ.⁶⁷ Dieser Wandel lässt sich, genauer als am moralischen, am juristischen Begriff der Zurechnungsfähigkeit verfolgen (bzw. an seinem sich wandelnden Gebrauch). Aus dem juristischen Schrifttum geht hervor, dass der Begriffsumfang von Unzurechnungsfähigkeit um 1800 ausgeweitet wurde, und dass dies infolge einer Präzisierung des Begriffsinhalts geschah. Die Vorgeschichte dieser Präzisierung (die wir hier nur streifen können) reicht zurück ins siebzehnte Jahrhundert; an ihrem Anfang steht der Frühaufklärer Pufendorf, der, namentlich in seinem Hauptwerk, De jure naturae et gentium, vertrat, dass für das Zustandekommen einer moralischen Welt die Freiheit des menschlichen Handelns notwendige Voraussetzung sei.⁶⁸ Der Aufstieg der Willensfreiheit zum allgemein akzeptierten Kriterium, an dem sich schließlich, wo immer es am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in deutschen Staaten rechtens zuging,⁶⁹ entschied, ob ein Angeklagter als zurechnungsfähig eingestuft wurde oder nicht, gab nun wiederum den Anstoss zu einer Befragung der psychischen Ursachen von Verbrechen. Die philosophischen Ärzte trugen das Ihre bei, und so wurde um 1800 die Zahl der Krankheitsbilder, von denen die Juristen auf Unzurechnungsfähigkeit schließen konnten, stark erweitert. Ein
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Vgl. Georg Reuchlein, Das Problem der Zurechnungsfähigkeit, S. 10 f. Und Ylva Greve, Die Unzurechnungsfähigkeit, S. 115–121. Vgl. Samuel Pufendorf, De iure naturae et gentium libri octo, Amsterdam 1688 (1. Aufl. 1672), bes. S. 35–45 (Libri I. Caput IV: De voluntate hominis, prout concurrit ad actiones morales) und, zur Unzurechnungsfähigkeit, bes. S. 53 (Libri 1. Caput 5. § 10). Vgl. auch Georg Reuchlein, Das Problem der Zurechnungsfähigkeit, S. 11 f. und Ylva Greve, Die Unzurechnungsfähigkeit, S. 110 f. Das Allgemeine Landrecht für die preussischen Staaten von 1794 hielt fest: »Wer frey zu handeln unvermögend ist, bei dem findet kein Verbrechen, also auch keine Strafe statt.« (Teil II, Titel 20, Abschnitt 1, § 16, zitiert nach Hans Hattenhauser (hg.), Allgemeines Landrecht für die Preussischen Staaten von 1794. Textausgabe, Frankfurt am Main / Berlin 1970, S. 667); vgl. auch Georg Reuchlein, Das Problem der Zurechnungsfähigkeit, S. 12.
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Angeklagter mit dem Krankheitsbild Schlemihls hätte gute Chancen gehabt, für unzurechnungsfähig erklärt zu werden. Das kann uns wenigstens Indiz dafür sein, wie Schlemihls Verfehlungen (sofern es Verfehlungen waren), von seinen aufgeklärten Zeitgenossen beurteilt worden wären. * Einem Punkt von Schlemihls Selbstanklage lässt sich allerdings kaum widersprechen; dem Geständnis nämlich seiner wiederholten Lügen. »Ich musste wieder lügen«, hält Schlemihl rückblickend fest, als er berichtet, wie er vor dem zornerfüllten Vater seiner Braut den Verlust seines Schattens zu rechtfertigen suchte.⁷⁰ Und seines Schattens wegen hatte er auch zu lügen begonnen. Zählte doch zu seinen frühen Versuchen, wieder zu einem Schatten zu gelangen, auch jener, sich einen neuen malen zu lassen. Dem herbeigerufenen Maler hatte er, auf dessen Frage, wie er den alten verloren, »unverschämt« etwas vorgelogen.⁷¹ Dieses Geständnis ist zugleich Beleg dafür, dass Schlemihl selbst, zumindest in der Rückschau, seine Lügen als unmoralisch ansieht und verurteilt. Allerdings fehlen auch hier die mildernden Umstände nicht. Es lässt sich Verschiedenens anführen, das den Selbstvorwurf des Lügens relativiert. Zum Beispiel, dass Schlemihl, der Akteur, nicht nur anderen Leuten, sondern auch sich selber etwas vorlügt.⁷² Oder dass er, schon bevor er im Wortstreit mit Minas Vater zu einer Lüge Zuflucht nimmt, »wie irre« zu reden begonnen hat.⁷³ Schlemihl verliert also nicht nur hin und wieder die Kontrolle über das eigene nonverbale Tun; er ist auch nicht immer Herr seiner Worte.⁷⁴ Das gilt für Schlemihl, den Akteur. Es gilt aber auch für Schlemihl, den Erzähler, worauf wir nun, da es bisher noch nicht geschehen, einzugehen haben. Alarmierend müsste bereits wirken, dass Schlemihl, der Erzähler, wenn er auch vielleicht nur selten geradezu lügt, sich doch mehr als einmal offenkundig täuscht. Und dass ihm dies gerade auch bei moralischen Urteilen widerfährt. Meint er doch zum Beispiel, dass Minas Eltern »gute« Leute seien.⁷⁵ Ein Fehlurteil ganz 70 71 72 73 74
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S. 41. S. 28. Dies wenigstens in einem Fall, im 4. Kapitel. Vgl. S. 36. S. 41. Wobei allerdings gleich zu anzumerken ist, dass ein Grossteil von Schlemihls Tun sprachliches Handeln ist. Zu einem prinzipiellen Vorbehalt gegen Schlemihls Reden gibt namentlich der Umstand Anlass, dass ihm das Wortedrechseln erst nach dem Schatten-Handel gelingt. Vgl. S. 30: »… denn jetzt hatt ich Witz und Verstand […] und ich wusste selbst nicht, wie ich zu der Kunst gekommen war, das Gespräch so leicht zu führen und zu beherrschen.« S. 36.
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offenbar, wenn man bedenkt, wie Mina von ihrem Vater an Rascal verschachert, wie sie von ihm zu einem Mittel herabgewürdigt wird.⁷⁶ Das Fehlurteil ließe sich freilich erklären, wenn man unterstellt, dass Schlemihl, der Erzähler, hier in der Erinnerung die Perspektive Schlemihls, des Akteurs, wieder einnimmt.⁷⁷ Nur stellt sich dann sogleich die Frage, wie stark die beiden Schlemihls voneinander geschieden seien? Offenbar nicht prinzipiell, wie es der Bericht von der Genesung im »Schlemihlium« erhoffen ließ. Schlemihl, der Erzähler ist in eine Kommunikationssituation eingespannt, in der es schwerfällt, nur zu berichten. Hat er sich doch mit seinem (unausgesprochenen, der Niederschrift seines Manuskripts vorausliegenden) Entschluss, Chamisso Problematisches, auch moralisch nicht ganz Einwandfreies aus seinem Leben mitzuteilen, in eine Situation gebracht, in der die Versuchung zur Nachbesserung gross ist. Chamisso ist für Schlemihl eine moralische, sogar eine richtende Instanz, deren Urteil er sich ausliefert (wir haben die beiden Stellen zitiert, die es belegen). Doch verfestigt sich die Situation, im Verlauf von Schlemihls Erzählen, nicht so sehr zur Situation einer Beichte, wiewohl Peter Schlemihl, in Chamissos Brief an Hitzig, als »Beichte« ausgewiesen wird;⁷⁸ sie gestaltet sich eher zu der einer Verhandlung, ähnlich jenen vor einem Gericht.⁷⁹ Denn Schlemihl sucht sich mit verschiedenen Mitteln zu rechtfertigen, wiewohl er sich zunächst anklagt. Auch das haben wir beobachten können. Diese eigenartige Sprechsituation, in der sich Schlemihl als Erzähler befindet, verdoppelt nun aber eine Situation, in der er sich während der Zeit, von der er in Peter Schlemihl berichtet, mehrmals befunden hatte. Er hatte sich mehrmals rechtfertigen müssen, immer wieder, sobald ihn jemand nach seinem fehlenden Schatten frug.⁸⁰ Und da hatte Schlemihl immer neue Ausreden vorgebracht: 76 77
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Vgl. S. 41, 48–50. Hatte sich doch Schlemihl, der Akteur, ganz ähnlich mit einem moralischen Urteil getäuscht, als er den Ausspruch des Herrn John als »wahr« taxierte. Vgl. S. 18 und unsere Anmerkungen dazu, oben, S. 189. Vgl. S. 14. Dies vor allem zu Beginn des siebten und des achten Kapitels. Wir wenden uns damit gegen Brüggemann, Heinz, »Peter Schlemihls wundersame Geschichte der Wahrnehmung. Über Adelbert von Chamissos literarische Analyse visueller Modernität«, in: Gerhard Neumann / Günter Oesterle (hg.), Bild und Schrift in der Romantik, Würzburg 1999 (Stiftung für Romantikforschung VI), S. 143–188, der in Schlemihls autobiographischer Aktivität eine »rückhaltslose Eröffnung, [eine] durch Bekenntnis geprägte Konstituierung des Selbst« zu erkennen glaubt (ders., S. 150). Brüggemann muss dies unterstellen, um seine These aufrechterhalten zu können, dass Schlemihl gerade durch die Niederschrift seiner Lebensgeschichte zu sich selbst finde. Indem er ihm den Schatten genommen, hat ihn der Graue perfiderweise in eine Situation gebracht, die dazu verführt, immer wieder gegen das Lügenverbot zu verstoßen.
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sein Schatten sei in Russland geblieben, festgefroren im russischen Winter am Boden;⁸¹ ein Loch sei in ihn gerissen worden, von einem ungeschlachten Mann, der, »flämisch« genug, seinen Fuss in ihn gesetzt habe;⁸² der Schatten sei ihm während einer schweren Krankheit ausgegangen, wie seine Nägel und wie seine Haare auch; die Haare seien ihm nachgewachsen, der Schatten aber nicht.⁸³ Alles Lügen, wie Schlemihl, der Erzähler, später eingestehen wird. Diese Lügen lassen indessen nicht nur Schlemihl, den Akteur, in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Sie werfen einen Verdacht auch auf den Schlemihl, der als Erzähler zu Chamisso spricht. Und sie mahnen uns Leser von Peter Schlemihl zur Vorsicht. Schlemihls Lügen sind eingebettet in einen welthaften Zusammenhang. Es ist, genauer, ein Zusammenhang mehrfach verschachtelter Kommunikationssituationen, der zu äusserst auch den Dialog zwischen dem realen Chamisso und seinem Freund Hitzig umfasst.⁸⁴ Schlemihls Lügen sind aber auch eingebettet in einen Zusammenhang von poetologischen Entscheiden. Beides sei noch etwas näher bedacht. Wir haben oben, in unserem vierten Kapitel, beobachtet, wie Schlemihl, der sich Chamissos Urteil aussetzt, seine Biographie in einen metaphysischen Kontext stellt. Ein Kontext, der immerhin dazu geeignet ist, seine Verfehlungen, sein mehrfaches Abweichen vom »geraden Sinn« und »eigenen Weg« entschuldbar erscheinen zu lassen. Die Metapher des »Weg[s]« wird nun aber in einem Passus eingeführt, der dem eben genannten, bereits im vierten Kapitel zitierten,⁸⁵ nur wenige Zeilen vorausgeht. Er findet sich, wie jener, im siebten Kapitel von Peter Schlemihl: Lieber Freund, wer leichtsinnig nur den Fuß aus der geraden Straße setzt, der wird unversehens in andere Pfade abgeführt, die abwärts und immer abwärts ihn ziehen; er sieht dann umsonst die Leitsterne am Himmel schimmern, ihm bleibt keine Wahl …⁸⁶ Dass Schlemihl stets mit »geradem Sinn« den »eigenen Weg« (bzw. die eigene »Strasse«) gegangen sei, lässt sich, nachdem diese Worte ausgesprochen sind, 81 82 83 84
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Vgl. S. 29. Vgl. S. 41. Vgl. S. 58. Hitzig wird das Manuskript, welches Chamisso von Schlemihl erhalten zu haben vorgibt (vgl. S. 15), an den bereits selbst als Autor berühmten Fouqué weiterreichen, der es schließlich publizieren wird; und zwar angeblich wider Chamissos Willen (vgl. S. 14 f.). Vgl. zudem Perfahls Anmerkungen in Peter Schlemihl, S. 766–786, bes. S. 786. Vgl. oben, wo wir zitierten: »Später habe ich mich mit mir selber versöhnt …« (S. 50). S. 49.
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nicht mehr behaupten, ohne sich in Widersprüche zu verstricken. Schlemihl, der Erzähler, behauptet es aber! Wird er sich doch, im achten Kapitel, von neuem an Chamisso wenden («Du weisst, mein Freund …«), mit eben jenen Worten, von denen unsere Studie ihren Ausgang nahm: »… und bin, wie Du es mir selbst geraten, meinem geraden Sinn vertrauend, der Stimme in mir, so viel es in meiner Macht gewesen, auf dem eigenen Weg gefolgt.«⁸⁷ Damit weiten sich die Zweifel aus. Sie werden zu Zweifeln nicht nur an der sachlichen Genauigkeit von Schlemihls autobiographischem Bericht, sondern auch an der Glaubwürdigkeit von Schlemihls moralischer Ausdeutung des eigenen Berichts. Ein avancierter, und das heißt, ein dem Modell-Leser⁸⁸ sich anverwandelnder realer Leser wird zur Hypothese eines Unzuverlässigen Erzählers nur greifen, wenn alle anderen Ressourcen versagen; bzw. wenn der zu interpretierende Text signalisiert, dass zu ihr zu greifen sei. Unglaubwürdiges Urteilen ist indessen für einen Unzuverlässigen Erzähler konstitutiv, ebenso wie fehlerhaftes Berichten.⁸⁹ Indiz dafür, dass ein Unzuverlässiger Erzähler zu supponieren sei, ist meist die Inkohärenz seiner Rede. Unzuverlässige Erzähler sind meist auch Ich-Erzähler.⁹⁰ Schlemihl ist ein Ich-Erzähler, und seine Rede ist inkohärent. Inkohärent in Bezug auf die berichteten Fakten und inkohärent, was seine Urteile betrifft. Beides lässt sich, nach allem, was wir im Laufe unserer Studie beobachtet haben, 87 88
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S. 53. Zu diesem Terminus vgl. Gerald Prince, Reader, in: Peter Hühn u. a. (hg.), Handbook of Narratology, Hamburg 2009, S. 398–410, bes. S. 403: »The model reader, which corresponds to the set of felicity conditions that must be satisfied for the text’s potential to be actualized …« Vgl. ferner Umberto Eco, Lector in fabula, Milano 1979, auf den der Terminus (»lettore modello«) zurückgeht. Unglaubwürdiges Urteilen und fehlerhaftes Berichten werden schon bei Wayne C. Booth, mit dem die Forschung zum Unreliable Narrator einsetzt, als konstitutive Eigenschaften dieser Erzählerfigur begriffen (vgl. ders., The Rhetoric of Fiction, Chicago 1983 (1. Aufl. 1961), bes. S. 156–160 und S. 339f). Allerdings vertritt Booth, dass sich moralische Unzuverlässigkeit an der Distanz zwischen den Werten und Normen des Erzählers und den Werten und Normen des impliziten Autors bemessen lasse, was von der Forschung kontrovers diskutiert wird. Gerade Peter Schlemihl wäre ja ein Beispiel dafür, dass der Rekurs auf einen impliziten Autor nicht nötig ist: Schlemihl verrät mit seinen inkohärenten Urteilen seine moralische Unzuverlässigkeit selbst. Für eine kritische Diskussion der boothschen Begriffsbildung vgl. Tom Kindt, Unzuverlässiges Erzählen in der literarischen Moderne. Eine Untersuchung der Romane von Ernst Weiss, Tübingen 2008, S. 28–67, bes. S. 29–34 und S. 43–47. Erstaunlicherweise unterlässt es übrigens Breithaupt von seinem Theorieentwurf eines rekontextualisierenden Erzählens (in: ders., Kultur der Ausrede) eine Brücke zu der vergleichsweise doch schon gefestigten Theorie des Unzuverlässigen Erzählens zu schlagen. Ob auch unzuverlässige third-person-narrators unterstellt werden dürfen, wird kontrovers diskutiert. Vgl. Tom Kindt, Unzuverlässiges Erzählen, S. 54 f.
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kaum mehr anders als durch einen Unzuverlässigen Erzähler erklären.⁹¹ Ein weiteres und wie wir meinen entscheidendes Signal, dass ein Unzuverlässiger Erzähler zu unterstellen sei, verdankt sich nun gerade der Art der Lügen, die Schlemihl erfindet. Die fiktionalen Welten nämlich, die Schlemihl, der Akteur, zu mehreren Malen entwirft, wenn er, um das Fehlen seines Schattens zu erklären, lügt, gleichen in verwirrender Weise der fiktionalen Welt von Peter Schlemihl selbst. Weshalb, so möchte man angesichts dieser Lügen fragen, weshalb soll eine Erzählung von dem Verkauf des eigenen Schattens an einen grauen Mann glaubwürdiger sein als es Erzählungen von Schatten sind, die durch Krankheit, Beschädigung, oder wegen widrigen metereologischen Umständen verloren gingen? Schlemihls Lügen stimulieren dazu, auf den Erzähler zu reflektieren; sie gewinnen eine metafiktionale Qualität. Und jetzt kommen zuletzt auch wir noch auf Schlemihls Schatten zu sprechen. Denn der Maler, welchen Schlemihl in der Hoffnung zu sich bittet, dass ihm dieser einen zweiten, neuen Schatten malen werde, reagiert, als er die kleine Erzählung von dem ersten, angeblich festgefrorenen Schatten vernimmt, mit einem »durchbohrenden Blick« und mit dem Rat, dass aus der Sonne gehen solle, »wer an dem eignen angebornen Schatten so wenig fest hing, als aus Ihrer Erzählung selbst sich abnehmen lässt«.⁹² »Erzählung« kann hier das Erzählte meinen, aber auch das Erzählen als Sprechakt. Im ersten Fall würde der Maler in der Tat glauben, dass der Schatten in Russland zurückgeblieben sei, und er würde, dass Schlemihl an seinem Schatten »wenig fest hing« aus dem Umstand erschließen, dass Schlemihl das Festfrieren zuließ. Im zweiten Fall jedoch, wenn es der Sprechakt wäre, welchen der Maler anvisierte, so hätte er Schlemihl als Lügner entlarvt. Damit käme dem fehlenden Schatten (der zum Lügen immer wieder Anlass gibt), eine moralische Bedeutung zu, wenigstens aus der Perspektive des Malers. Oder genauer: aus der Perspektive des Malers, wie sie Schlemihl supponiert, wenn er, schuldhaft ausgeliefert wie er ist, den vermeintlich »durchbohrenden Blick« seines Gegenübers nicht mehr, mit keiner Erzählung mehr zu entkräften vermag.
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Bzw. integrieren; vgl. Tamar Yacobi, Fictional Reliability as a Communicative Problem, in: Poetics Today 2, 1981, S. 113–126, bes. S. 113 f.: »Whenever he comes up against referential difficulties, incongruities or (self)contradictions […], the reader has at his disposal a wide variety of reconciling and integrating measures.« S. 29.
peter sprengel
borchardt – heymel – winsloe Neuvermessung eines Beziehungsdreiecks
Auf seinem steinigen Weg zu literarischer Anerkennung, ja Marktwert hatte Rudolf Borchardt den mäzenatischen Aktivitäten Alfred Walter Heymels einiges zu danken. In der von diesem finanzierten Zeitschrift Die Insel erschienen 1901/02 seine ersten auch später von ihm für gültig befundenen Gedichte; in den kurz zuvor von Heymel sichergestellten Süddeutschen Monatsheften fand zwischen 1908 und 1912 der (kultur-)politische Publizist Borchardt sein erstes Forum. Heymel veranstaltete als Privatdruck die ersten Buchausgaben der Villa (1908) und der Jugendgedichte (1913); er vermittelte aber auch die erste öffentliche Ausgabe des Joram (1907): in dem von Anton Kippenberg geleiteten Leipziger Insel Verlag, dessen Haupteigner kein anderer als Heymel selbst war.¹ Dankbarkeit ist keine gute Grundlage für eine dauerhafte Freundschaft, am wenigsten für ein derart auf seine Autonomie bedachtes Autor-Subjekt; die schweren Konflikte, in die Borchardt alsbald sowohl mit der Leitung des Insel Verlags als auch mit der Redaktion der Monatshefte geriet, lassen sich denn auch ebenso als Versuche zur Selbstbehauptung und -abgrenzung lesen wie die kritischen Kommentare, die er sich – zumal nach der finanziellen und Ehe-Krise Heymels 1911 − gegenüber dem gemeinsamen Vertrauten Rudolf Alexander Schröder erlaubte: zur Charakterschwäche seines Mäzens und zum verderblichen Einfluss der Münchner Boheme (jener »unverantwortlichen Stadt«²) auf den wildgewordenen Dilettantismus dieses »Ritter Ungestüm«.³
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Gerhard Schuster, Rudolf Borchardt und der Insel-Verlag. Zu einem unbekannten Brief an Anton Kippenberg, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe, Nr. 80 (24. 9. 1982), Beilage Buchhandelsgeschichte 1982/83, S. B97−B114. Vgl. Rudolf Borchardt, Scherzo, in: R. B., Prosa I, hg. v. Gerhard Schuster, Stuttgart 2002, S. 148−153. Den Erstdruck aus der Zeitschrift Der lose Vogel unter dem Titel »Die unverantwortliche Stadt« übersandte der Verfasser Christa Winsloe am 29./30. 6. 1913. Vgl. Borchardts Bemerkung über »das schlaffe und stagnierende Münchener Getreibe, das jeden ordentlichen Kerl […] am Ende lebendigen Leibes muss verfaulen, veröden und verderben machen«, im Brief vom 14. 10. 1911 in: Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901−1918. Text, in Verbindung mit dem Rudolf-Borchardt-Archiv bearb. v. Elisabetta Abbondanza, München 2001, S. 316. − Den besten Zugang zur komplexen
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Über Heymel lernte Borchardt spätestens im März 1912 eine junge Bildhauerin aus dem Schwabinger Umfeld kennen, die in der Weimarer Republik auch als Schriftstellerin hervortreten und durch den nach ihrem Drehbuch realisierten Film Mädchen in Uniform (1931) vorübergehende Berühmtheit erlangen sollte: Christa Winsloe (1888–1944).⁴ Die Tochter eines preußischen Offiziers mit schottischen Wurzeln sollte künstlerisch demnächst durch die lebensgroße Statue eines Schweins (!) in weißem Marmor auffallen.⁵ Nachdem sie Heymel erstmals im Atelier ihres Bildhauerkollegen und Porträtisten Fritz Behn begegnet war,⁶ verkehrte Winsloe spätestens seit 1911 regelmäßig in seiner Villa in der Poschingerstraße; sie empfing den Mäzen und Lebemann aber auch in ihrem eigenen Atelier und ließ sich von ihm mit zahlreichen Büchern beschenken, für die sie sich mit eigentümlicher Naivität bedankte.⁷ In ihren – gelegentlich auch in englischer Sprache gehaltenen – Briefen an »Puck« oder »Alfi« befleißigte sie sich eines intimen Tones, der die Grenze zwischen Liebes- und Freundschaftsbriefen dezent umspielt.⁸ Nicht jeder konnte mit den Ambivalenzen eines solchen FlirtTons so gut umgehen wie der Adressat, der sich offenbar auf die Rolle des väterlichen – und indiskret-geschwätzigen – Vertrauten beschränkte.
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Persönlichkeit Heymels vermittelt heute noch der Marbacher Ausstellungskatalog: Rudolf Borchardt – Alfred Walter Heymel – Rudolf Alexander Schröder, bearb. v. Reinhard Tgahrt, Werner Volke u. a., Marbach am Neckar 1978; dort S. 248 f. auch zur Selbstcharakteristik in Heymels Erzählung Ritter Ungestüm (1900). Überblick über Leben und Werk gibt eine rezente, nachgelassene Manuskripte der Autorin einbeziehende Biographie: Doris Hermanns, Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe, Berlin 2012. Zum Skandalisierungseffekt des Gegenstandes vgl. Hermann Bahrs Artikel »Schweine« (1895) in: Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910, hg. v. Gotthart Wunberg, Stuttgart 1981, S. 505−507. Vgl. Heymels Bemerkung über »Deine Kameradschaft, die Du mir vom ersten Tage an, da wir uns in Behns Atelier kennen lernten, gezeigt und bewiesen hast« (an Winsloe. 10. 4. 1912: DLA, A: Heymel, 62.1249/2). Alle hier und im Folgenden zitierten unveröffentlichten Briefe entstammen dem Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, dem für vielfältige Unterstützung und Veröffentlichungsgenehmigung gedankt sei. − Behns Winsloe-Büste von 1912 ist abgebildet in: Doris Hermanns, Meerkatzen, S. 58. »Meine Freude ist einfach kindisch – ich packe sie aus – ich packe sie wieder ein – stelle sie alle in einer Reihe vor mir auf – lese die Titel u. Namen – wer sind wohl diese Damen die Du mir da vorstellst? Leonore Christina – Katharina v. Klettenberg – Die Namen sind als müsste man den Trägerinnen die Hände küssen« (Winsloe an Heymel, [1911]: A: Heymel, 62.1924/3). Zitate aus den Briefen Winsloes mit freundlicher Genehmigung Renate von Gebhardts, Berlin. So heißt es in dem Brief Winsloes mit der Anrede »Puck – lieber Puck« nach der Beschreibung zweier großer roter Blumen, zu denen sich die Schreiberin zurückzieht: »Alfi – ich kann nicht aufhören Dich zu sehn – wie Du in meinem Atelier standest – im Atelier mit mir sassest – was Du alles gesagt hast. / Vielleicht vergesse ich es nie« (an Heymel, [1911]: A: Heymel: 62.1924/2).
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Winsloe mit Marmorfigur eines Schweins, 1918. © Renate von Gebhardt
Sein erstes (nachvollziehbares) Zusammentreffen mit Winsloe am 14. März 1912 auf einer Gesellschaft im Hause Heymels schilderte Borchardt dem abwesenden Hausherrn wie eine Verschwörung zu dessen Gunsten – vor den Bücherreihen derselben Bibliothek, deren Versteigerung er noch 1917 mit einem ehrenden Porträt des Freundes begleiten sollte.⁹ Wenige Wochen später sollte ihm Heymel gewisse Andeutungen über Winsloes Lebenswandel machen; er stieß dabei jedoch auf taube Ohren.¹⁰ Zu tief hatte sich der seit 1906 in unerfüllter Ehe mit der 9
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An Heymel, 15. 3. 1912, in: Rudolf Borchardt, Briefe 1907−1913. Text, bearb. v. Gerhard Schuster, München 1995 (im Folgenden zitiert: Briefe), S. 385 f.; In Memoriam Alfred Heymel, in: Rudolf Borchardt, Prosa I, S. 172−177. Vgl. Borchardt an Schröder, [Anfang Juli 1913], in: Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 555−557. Am 13. 6. 1914 dankt Borchardt Heymel dafür, dass dieser ihm »reinen Wein geschenkt« habe (Rudolf Borchardt, Briefe 1914−1923. Text, bearb. v. Gerhard Schuster, München 1995, S. 14). Die erste Gelegenheit zu einer Warnung ergab sich bei Borchardts Berlin-Besuch am 11. 4. 1912 (vgl. Heymel an Winsloe, 10. 4. 1912: A: Heymel, 62.1249/2); Heymel selbst glaubte damals von einer anderen Liebesleidenschaft Winsloes zu wissen (vgl. Heymel an Winsloe, 20. 4. 1912: A: Heymel: 62.1249/3).
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Malerin Karoline Borchardt geb. Ehrmann verheiratete, in wechselnden Villen der Lucchesia ansässige Schriftsteller bereits in die blumenhafte Schönheit der (anfangs) Dreiundzwanzigjährigen verliebt¹¹ − vielleicht zunächst auch von der Aussicht angezogen, durch eine Renaissance der Vivian-Liebe von 1901, dem Nährgrund seiner frühen Lyrik,¹² dem Geist der eigenen (demnächst zur Redaktion anstehenden) Jugendgedichte näherzukommen. Doch das auf strikter Vergeistigung beruhende Minne-Konzept seiner frühen Jahre hielt nicht lange stand. Am Abend seiner Münchner Dante-Vorlesung (12. April 1912) ›ging‹ Borchardt mit Winsloe ›durch‹;¹³ bei der Rückreise nach Italien verabschiedete er sich von ihr − unter Hinterlassung der Redaktionsanschrift der Süddeutschen Monatshefte als Kontaktadresse¹⁴ − mit einem gigantischen Blumenstrauß.¹⁵ Dort kam es im Mai 1912 zu einem gemeinsamen Ausflug in das nordöstlich von Florenz gelegene Dicomano,¹⁶ der Borchardt zu einem leidenschaftlichen Brief ermutigte. Winsloe, die die Neigung des um elf Jahre älteren Mannes wohl zu keinem Zeitpunkt emotional erwidert hat, reagierte sofort mit dem Abbruch der Kontakte,¹⁷ der in einem von Borchardt selbst erbetenen Austausch der gegenseitigen Briefe zu Ende desselben Jahres auch formell besiegelt wurde.¹⁸ 11
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»Die Winsloe ist ein lieber süsser Kerl, alles so schön an ihr angewachsen blumen und blätterhaft, man meint sie nickt im Winde wie ein Ranunkelstengel« (an Heymel, 15. 3. 1912, in: Briefe, S. 386). Rudolf Borchardt, Vivian. Briefe, Gedichte, Entwürfe 1901−1920, hg. v. Friedhelm Kemp u. Gerhard Schuster, Marbach am Neckar 1985. Ein auf »Montag« datierter Brief Borchardts an Winsloe vom 30. 6. 1913 spricht von »unserm wilden schönen Durchgehen nach der Vorlesung« (A: Borchardt, 90.8, Mappe o. D.; Incipit: »Dass Du mir täglich geschrieben hast«). Gemeint ist der im Großen Saal des Deutschen Museums gehaltene Vortrag »Systematik der künstlerischen Übersetzung. Als Einleitung in eine Dante-Vorlesung«; vgl. Rudolf Borchardt, Über den Dichter und das Dichterische. Drei Reden von 1920 und 1923, mit einer Dokumentation sämtlicher Reden Borchardts 1902−1933 hg. v. Gerhard Schuster u. a., München 1995, S. 176−178. An Winsloe, [2. Monatshälfte April 1912] (Incipit: »So leid es mir thut zu hören«): A: Borchardt, 90.8, Mappe 1912−1913. An Winsloe, [Ende April/Anfang Mai 1912] (Incipit: »Ihr unverhoffter Brief verschönt mir«): ebd. Der vor der Anmietung der Villa Mansi geschriebene Brief bezieht sich von Lucca aus auf Winsloes Danksagung. Vgl. Borchardts Formulierung »in den Monaten nach Dicomano«: Briefe, S. 548. Winsloes Replik auf den von ihr als »unrein« empfundenen Brief erreichte Borchardt als »schwere[r] Schlag« während des durch die Renovierung der Villa Mansi bedingten Bergaufenthalts in Sassi di Garfagnana. In seiner Duplik »wehrte« sich Borchardt dagegen, »das Tiefste was ein erschütterter Mensch zu geben hat, mit dem Maasstabe ästhetischen Vergnügens oder geselligen Verkehrs gemessen zu sehen« (an Schröder, 29. 6. 1912, in: Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 414; an Winsloe, 21./22. 5. 1913, in: Briefe, S. 483). Vgl. Briefe, S. 432−436, 441 u. 450.
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Heymel, der schon auf seiner Italienreise im Herbst 1912 ein Zusammentreffen der Zerstrittenen zu vermitteln versuchte,¹⁹ andererseits gegenüber dem enttäuschten Freund wiederum nicht mit Indiskretionen über Winsloe sparte,²⁰ erhielt im anschließenden Winter zwiespältige Signale von beiden Seiten. Borchardt informierte ihn im Dezember über den Vollzug des Briefaustauschs (Briefe, S. 441), bat aber noch im Januar 1913 – in bewusst beiläufigem, ja abfälligem Ton − um die Aufnahme von Winsloes Namen in die Empfängerliste des Privatdrucks der Jugendgedichte, und zwar an Stelle von Annette Kolb.²¹ Das »knetende Frauenzimmer« andererseits schrieb Heymel im selben Monat aus Maiano bei Florenz, wo sie sich für einen längeren Studienaufenthalt einquartiert hatte: »Borchardt will sich ansagen und mich sehn – ich finde ein rendezvous tête à tête gesucht und peinlich – besonders – da wir uns im Grunde nicht verziehn haben – ich ihm sein brechen des Freundschaftskontraktes – und er mir – die Quittierung darauf.«²² Wenige Monate später hat eben dieses »tête à tête« in dem von Borchardt so lange gemiedenen Florenz²³ dann doch stattgefunden, noch im Mai 1913 gefolgt von einer gemeinsamen Autofahrt (mit Winsloe am Steuer²⁴), die wiederum nach Dicomano und wohl auch S. Lorenzo di Borgo führte. Da Winsloe unmittelbar danach eine mehrwöchige Reise nach Rom und Neapel antrat, kann sich die erneuerte Beziehung zunächst nur brieflich entwickeln – bis zu einem gemeinsamen Ausflug auf den Monte Abetone nördlich von Lucca, für den Winsloe am 20.–22. Juni 1913 ihre Rückreise nach München unterbrach. Wiederum schloss sich eine Flut von Briefen an, die aber bald sehr einseitig wurde. Eine Art Erlaubnis zu (kürzeren) Kommunikationspausen hatte Borchardt seiner Partnerin Anfang Juli selbst erteilt.²⁵ Nach wiederholtem Ausbleiben von Gegenbriefen stellte er 19 20
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Vgl. Briefe, S. 409 u. 432. Darauf bezieht sich Borchardt, wenn er in einem Brief an Winsloe vom Juni 1913 von »eingeimpften Zwangsvorstellungen« spricht, von denen seine Seele »seit einem halben Jahr etwas trug wie Blattern und Aussatz« (Briefe, S. 503). »Aber dies wirklich nur ganz nebenbei, und ganz wie es Dir passt, denn nichts sollte mir gleichgiltiger sein, als ob der Band bei einem schreibenden Frauenzimmer oder bei einem knetenden verstaubt« (Briefe, S. 450). Winsloe an Heymel, Januar 1913: A: Heymel, 62.1924/4. Borchardts Anfrage vom 12. 12. 1912 hat sich erhalten: A: Borchardt, 90.8, Mappe 1912−1913. Vgl. die damals entstandene fragmentarische »Canzone an Florenz«: »Florenz, Florenz der schwersten meiner Tage / Sechs Jahr umsonst gemiedne« (Rudolf Borchardt, Gedichte II – Übertragungen II, hg. v. Marie Luise Borchardt u. Ulrich Ott, Stuttgart 1985, S. 130). Wie sie sich gern photographieren ließ: Doris Hermanns, Meerkatzen, S. 206 u. 215. Briefe, S. 403; zur notwendigen Umdatierung des Briefs Nr. 224 s. u. mit Anm. 47. Anlass bot der »trübe[] Brief[]« Winsloes, auf den sich Borchardt auch in Brief Nr. 265 bezieht (Briefe, S. 403 u. 547).
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seine Korrespondenz wohl noch im August 1913 ein. Im Dezember 1913 heiratete Winsloe den (seinerzeit auch in der deutschen literarischen Szene eingeführten und von Borchardt bereits abfällig rezensierten²⁶) ungarischen Schriftsteller, Zuckerfabrikanten und Schlossbesitzer Lajos Hatvany. Während sich von Borchardts Schreiben an Winsloe rund sechzig Briefe (auch in englischer, französischer und italienischer Sprache) erhalten haben, scheint kein einziger Gegenbrief mehr zu existieren. Das erschwert nicht nur ein objektives Verständnis der Beziehung, sondern auch eine sichere chronologische Anordnung der großenteils undatierten Korrespondenz. Die Edition von Schuster/Zimmermann, die 1995 erstmals 27 Winsloe-Briefe Borchardts präsentierte, stößt hier jedenfalls an ihre Grenzen und demonstriert unfreiwillig die Gefahren einer Abtrennung der Kommentarerstellung von der Textedition. Auch hier kann selbstverständlich keine vollständige Neuordnung oder Ergänzung geleistet werden. Neben weiteren Hinweisen auf notwendige Umstellungen²⁷ geht der vorliegende Versuch einer Neuvermessung des Beziehungsdreiecks und seiner brieflichen wie lyrischen Reflexe von vier handfesten, Differenzen um ein Dreivierteljahr oder mehr erzeugenden Fehldatierungen in der − immer noch fast aller Kommentarbände ermangelnden²⁸ − Gesamtausgabe der Briefe aus. Dabei handelt es sich um folgende im Band Briefe 1907–1913 edierte Schreiben Borchardts: – – – –
Nr. 172 an Heymel, 13. Februar 1909 [recte: 13. Februar 1908, einzuordnen nach Nr. 146] Nr. 219 an Winsloe, 9. Juni 1912 [recte: 9. Juni 1913, einzuordnen nach Nr. 257] Nr. 224 an Winsloe, 1912 [recte: 7./8. Juli 1913, einzuordnen nach Nr. 264] Nr. 233 an Winsloe, [November 1912, recte: August 1913, einzuordnen nach Nr. 268]
Da die irrigen Datierungen der Editoren in der Regel auf entsprechende Handschriftenaufnahmen oder Vorsortierungen in den Nachlassbeständen des Deutschen Literaturarchivs zurückgehen,²⁹ verbindet sich mit den folgenden Ausführungen auch der Wunsch, zu einer sichereren Ordnung des dort geradezu überquellenden Materials beizutragen.
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Die Wissenschaft des Nicht-Wissenswerten, in: Rudolf Borchardt, Prosa I, S. 62−64. S. u. mit Anm. 44 u. 48 sowie die Zitate vor Anm. 43. Im März 2014 erschien als bisher einziger Teil: Rudolf Borchardt / Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel. Kommentar, bearb. v. Gerhard Schuster, München 2013. Lediglich beim zweitgenannten Brief ist auf der Handschrift, wohl von Gerhard Schuster, alternativ die korrekte Datierung mit Fragezeichen vermerkt.
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Schiffsmanöver Um die Jahreswende 1907/08 verstärkten sich Borchardts Bemühungen um die Gründung einer das literarische Format des in Vorbereitung befindlichen Hesperus übersteigenden, kulturkritisch-politisch ausgerichteten Vierteljahrsschrift − einer konservativen Überbietung gleichsam von Hardens Zukunft, die sich infolge einer Prozessflut gerade in überaus prekärer Lage befand. Es war diese nie zustande gekommene Zeitschrift, für die Borchardt damals die stark national getönte »Ankündigung« entwarf.³⁰ Und es war der Wunsch, sich der persönlichen Unterstützung des – vielleicht neben Rathenau – wichtigsten möglichen Mäzens für das neue Projekt zu versichern, der ihn Anfang Januar 1908 von Berlin, wo er das letzte Weihnachtsfest im Kreis der Familie verbracht hatte, nach Bremen führte: zu Heymel, der ihn seinerseits gespannt erwartete. An seinen Freund Barton von Stedmann schreibt der Adoptivsohn eines Großkaufmanns am 2. Januar: Morgen kommt Rudolf Borchardt auf kurze Zeit zu mir. Ich glaube, daß dieser junge Mensch zu den konzentriertesten Intelligenzen unserer Zeit gehört, kenne ihn aber nur aus dem schriftlichen Verkehr und hoffe nicht persönlich enttäuscht zu werden […] Vor allem soll er an einer krankhaften Empfindlichkeit, bis ins Anomale gesteigerten Streitsucht leiden, was aber durch eine außergewöhnliche Ernsthaftigkeit seiner An- und Absichten equilibriert wird.³¹ Heymels Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. Beim Bremer Treffen und den anschließenden Begegnungen in Berlin und Leipzig ergab sich ein wechselseitig inspirierender Austausch. Allerdings blieb die erste Verhandlungsrunde mit Kippenberg, in dessen Verlag die Zeitschrift erscheinen sollte, am 9. Januar 1908 ohne konkretes Ergebnis. Man vertagte sich auf den 15. Januar – ein Termin, der jedoch nicht mehr zustande kam, weil sich Kippenberg schon vier Tage vorher auf eine definitive Absage festlegte.³² Wohl noch ohne Kenntnis dieses negativen Ausgangs verfasste Heymel in jener pläne- und erwartungsreichen Übergangsperiode ein dreistrophiges Gedicht, das er Borchardt als Eintragung in einen Pla-
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Rudolf Borchardt, Prosa IV, hg. v. Marie Luise Borchardt unter Mitarbeit v. Ulrich Ott u. Ernst Zinn, Stuttgart 1973, S. 197−204; Kai Kauffmann, Philologische Anmerkung zu Rudolf Borchardts Text »Ankündigung«, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift, N. F. 50 (2000), S. 103−105. Zit. Borchardt – Heymel – Schröder, S. 257. Zit. Gerhard Schuster, Insel-Verlag, S. B107 f.
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netenkalender überreichte. »Einem neuen Bekannten in ein Planetenkalendarium« heißt die Überschrift bei der Erstveröffentlichung in der Aprilnummer 1908 der Süddeutschen Monatshefte – des Ersatz-Forums, das der Mäzen den publizistischen Ambitionen seines neuen Protegés nach dem Scheitern des Insel-Projekts zur Verfügung stellte. Jene solidarische Gemeinschaft zweier Kapitäne auf hoher See, wie sie die zweite Hälfte des Gedichts ausmalt, konnte und sollte auf bayrischem Boden aus vielen Gründen freilich nicht zustande kommen. Es war jedoch nicht nur der hanseatische Rahmen des ersten Treffens, der die Bildlichkeit des Gelegenheitspoems diktierte; dessen Seefahrtsmetapher spielt offenkundig auf den Titel Das Schiff an, der für die neue Zeitschrift im Gespräch war – in Anlehnung natürlich an das bekannte Signet des Insel Verlags. Wie das Insel-Schiff mit geschwellten Segeln dahingleitet, stellt auch Heymels Gedicht das erwartete Schiff vor: Sterne, Winde, laßt das Leinen Unseres Schiffes, laßt es schwellen, Und im Element, dem reinen, Schreckt uns auch kein Berg von Wellen. Will das Schiff noch nicht erscheinen, Liegt es doch für uns im Hafen, Und wir wollen froh uns einen, Da wir uns im Ernste trafen. Irgendwann, vielleicht schon morgen, Sitzen wir an einem Steuer, Denn das Gleiche macht uns Sorgen, Und das Gleiche ist uns teuer.³³ Auch Borchardt zeigte sich außerordentlich enthusiasmiert von der ersten persönlichen Begegnung mit Heymel, den ja schon aufgrund seiner unbekannten Herkunft ein leichter Hauch des Mysteriösen umwehte. An dessen ›Ziehvetter‹ Schröder schreibt er einen guten Monat später, den Abstand zu seiner lebensbestimmenden Begegnung mit Hofmannsthal in Rodaun (1902) großzügig aufrundend oder mit der ersten literarischen Berührung (1898) vermengend: »Heymel hat mir einen unverlöschlichen Eindruck gemacht, als Lebens Produkt, als Schicksalssumme und Person; es sind zehn Jahre, dass keine menschliche Begegnung mich mehr so geisterhaft und schmerzlich verjüngt hat; ich zehre
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noch von dem Eindruck und scheue mich ihm zu schreiben.«³⁴ Diese Schreibhemmung sollte noch eine gute Woche anhalten und ist als innerer Widerspruch auch dem dann entstehenden, längst überfälligen Brief eingeschrieben. Denn einerseits schließt der zunächst recht prosaisch daherkommende, verschiedene Agenda berührende³⁵ Brief vom 13. Februar mit einem pathetischen Bekenntnis zur neuen Freundschaft, das die Äußerung gegenüber Schröder weitgehend bestätigt (unter Unterdrückung der Hofmannsthal-Parallele allerdings). Andererseits fällt der angefügte Hinweis auf die einschlägigen Verse erstaunlich lakonisch und dilatorisch aus – jedenfalls wenn man bedenkt, dass es sich dabei um die poetische Entgegnung auf Heymels Gedicht handelt, für deren zeitliche Einordnung wir durch die Vordatierung des Briefs auf 1908 einen neuen terminus ante erhalten: Lieber Heymel, noch ein persönliches Wort, eh ich dies schliesse, und keines das mir in meinem Alter und nach meinen Lebenserfahrungen mehr sehr leicht aus der Feder fliessen kann; wie mir das Wort bei unserem Abschiede in Leipzig, in jener so geheimnisvoll drängenden und stockenden Nachtstunde erstarb, so weiss ich auch jetzt kaum schwarz auf weiss zu sagen, was es mir bedeutet, Sie gekannt und so gekannt zu haben, wie die Bremer und Berliner Tage es mir fügten. Sie sind mir seither ständig in Gedanken verblieben, und ich sehe unter den wenigen dämmerigen Gestalten die mich in meinem innerlichen Verkehre umgeben, noch einmal, − ich hätte es nicht geglaubt, − eine neue, mit dem stärksten Lebensanspruche dort eingewachsen, wo sonst der Kreis geschlossen schien. Lassen Sie mich hoffen, dass ich Ihnen etwas sein kann; Sie sind mir in der Erinnerung noch was Sie mir gegenwärtig waren, ein geisterhaft gewaltiges Wiederbeschenktwerden mit meiner Jugend, und das
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An Schröder, 5. 2. 1908, in: Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 145. Auch aus diesen Agenda ergeben sich zwingende Argumente für die Datierung des Briefs auf 1908: So spricht Borchardt von der im George-Kreis vorbereiteten Allgemeinen Revue für Kritik ganz ähnlich wie im Brief an Schröder vom 5. 2. 1908 und berichtet von Bleis Plänen für die Titelgebung der neuen Zeitschrift Hyperion (tatsächlich erscheint die Zweimonatsschrift schon 1908 unter diesem Titel). Ein klares Indiz für ein Versehen Borchardts bei der Eintragung der Jahreszahl (eindeutig zu lesen als »[19]09«) ergibt übrigens auch die eigenhändige Lokalisierung des Schreibens; die angegebene »Villa dell’ Orologio« wurde Ende 1908 zugunsten der Villa Burlamacchi aufgegeben. Schließlich ist noch die Antwort Heymels vom 26. 2. 1908 zu erwähnen (A: Borchardt). Darin dankt Heymel für Borchardts »freundschaftlich bewegten Brief«, den er vor etwa acht Tagen erhalten habe, sowie für die (in Borchardts Brief angekündigten) Komplimente Karoline Borchardts zu seinem Gedichtband Zeiten (1907) und zeigt sich beruhigt über den Postweg des Annus Mirabilis.
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nicht wie ein Rausch der sich austräumt, − so berauschend es war – sondern ein wirkliches Verwandeltwerden, das in mir nachgewirkt hat. Es giebt Verse darüber die Sie haben sollen. (Briefe, S. 204)³⁶ Diese Verse hat Heymel nie zu sehen bekommen, obwohl sie ihm im Manuskript eindeutig zugedacht sind. Denn »Das Schiff« blieb Fragment und glich im Übrigen bei näherer Betrachtung eher einer Absage an den neuen Freund. Es gehört nämlich schon viel Freundlichkeit oder Arglosigkeit dazu, Borchardts poetische Replik als »resignierend[e]« Antwort auf Heymels Widmungsgedicht zu charakterisieren.³⁷ Das Mindeste, was sich feststellen lässt, ist eine Zurechtweisung: Heymels Versprechen, dem lyrischen Ich »das Schiff nach Hause [zu] rüsten« – die Einführung des Heimkehr-Motivs ist Borchardts spezifische Zutat −, wird zunächst als Illusion und Traumgespinst abgetan. Wörtliche Zitate aus der Gedichtvorlage unterstreichen den Widerspruch: »Das Schiff ist nicht im Hafen. Ah, im Hafen / Schon nicht! und nicht auf Werft, und nicht im Riß […].«³⁸ Der zweite Teil des Gedichts unterscheidet zudem – in direkter Antithese zu der von Heymel beschworenen Zweiergemeinschaft am Steuer − strikt zwischen dem »Los« des Adressaten als »Wirt« und dem des Sprechers, der bereit ist als »Gast« unter dessen Dache Platz zu nehmen – aber nur, um in Richtung der wilden See zu blicken, die den »andern / Heerkönige[n] meiner Zeit« eine »schlechte[] Heimkehr« bereitet. Das Heimkehr-Motiv ist hier ins Kollektive und Mythische erweitert – offensichtlich in Anspielung auf den griechischen Sagenkreis von den Troja-Heimkehrern. Der Briefschreiber Borchardt hat das Motiv des erfolgreichen »Nostos« nach dem Vorbild des Odysseus mehrfach für sich selbst in Anspruch genommen³⁹ – eine Art Gegenmodell zum Negativbild des Verlorenen Sohns, als den ihn die eigenen Eltern betrachteten.⁴⁰ Und tatsächlich wird der eingangs an Heymel gerichtete Gedichtentwurf immer persönlicher: Das Trugbild einer Zeitschriftengründung als Schiff scheint fast vergessen, wenn der Sprecher nunmehr in fast autobiographischem Gestus über den eigenen Aufbruch zur See
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Die kursivierte Passage als Korrektur des edierten Wortlauts (»es weiss und«) nach der Handschrift D: Heymel D 77.36. So der Herausgeberkommentar in: Rudolf Borchardt, Gedichte II – Übertragungen II, S. 407. Rudolf Borchardt, ebd., S. 117. Vgl. die Berufung auf die Heimkehr des Odysseus im Brief an die Schwester Helene 1906: Rudolf Borchardt, Briefe 1895−1906. Text, bearb. v. Gerhard Schuster, München 1995, S. 452 sowie die emphatische Ankündigung »Ich komme nach Hause« im Brief an den Bruder Ernst 1911: Briefe, S. 369. Gustav Seibt, Der verlorene Sohn. Rudolf Borchardts Gegenwärtigkeit, in: G. S., Das Komma in der Erdnussbutter. Essays zur Literatur und zur literarischen Kritik, Frankfurt am Main 1997, S. 107−117.
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spricht, offenkundig in Weiterführung des »Sonetts auf sich selbst«, das in den letzten Zeilen ja gleichfalls eine heroische Heerfahrt zur See imaginierte.⁴¹ Der Sprecher erinnert sich aber nicht nur an die kurzfristig gelebte Gemeinschaft mit Hofmannsthal, in dessen Gästebuch er 1902 eben dieses Sonett eintrug, sondern auch an die moralischen Kosten dieser versuchten Selbstverwirklichung: den Vertrauensbruch gegenüber Freunden und Förderern, die Lügen gegenüber der Familie. Ist es der eigene Vater (oder ein Zerrbild Georges?), den er am Schluss des Fragments verständnislos am Strand sieht? Es ist eine über zwei Strophen reichende Nebensatz-Periode (abhängig von der Wortgruppe »Heerkönige meiner Zeit«), in der sich das Fragment zugleich verliert und gipfelt: − Mit denen ich, − das Treuste von mir werfend, − − Verleugnend und belügend was mich hielt, − − Nur meines Pfeils gedenk, den ich mir schärfend Von Kind auf in Unsterbliches gezielt, − Abflog und durchbrach, Lüfte schnitt und prallte, Und neuer Brüder selig, Schiff bei Schiff, Ertragen konnte, daß am Strand der Alte Aufrecht zwei Arme hub und nicht begriff –⁴² Von dieser heroischen Gemeinschaftserfahrung echter Künstler, die zugleich eine rigide Abgrenzung von der Gesellschaft einschließt, ist der Dilettant Heymel selbstverständlich ausgeschlossen. Das Gedicht zieht diese Trennlinie wesentlich schärfer als der Brief, der aus schlechtem Gewissen gegenüber dem Adressaten in sentimentales Pathos verfällt.
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»[…] und mit Nordwind gährt / Die wundervolle See, und wildem Schaum, / Durch den das heilige Schiff mit Helden fährt« (Rudolf Borchardt, Gedichte, hg. v. Gerhard Schuster u. Lars Korten, Stuttgart 2003, S. 109). Vgl. Ernst Osterkamp, Plädoyer für eine kritische Neuausgabe von Rudolf Borchardts Lyrik; zugleich ein Versuch, das »Sonett auf sich selbst« zu verstehen, in: Rudolf Borchardt 1877−1945. Referate des Pisaner Colloquiums, hg. v. Horst Albert Glaser, Frankfurt am Main u. a. 1987, S. 249−277. Rudolf Borchardt, Gedichte II – Übertragungen II, S. 118.
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Anfang und Ende, oder: Erziehung und Zeichenzauber Der letzte in der Borchardt-Briefausgabe gedruckte Brief an Christa Winsloe trägt die Nummer 271 und die mysteriöse Datierung »[vor 17. November 1913]«. Wollte man annehmen, dass der Brief tatsächlich erst Mitte oder Anfang November entstanden ist, so würde man der angehenden Braut ein Höchstmaß an Doppelzüngigkeit unterstellen. Wenige Wochen vor ihrer Hochzeit mit Hatvany im Dezember würde sie Borchardt ihre Dankbarkeit bekunden und nur einen Tag später einen Brief schreiben, der ihn »unsäglich schön, voller unverhoffbarer Seelengeschenke« anrührt und mit einem »neuen herrlichen Vertrauenston« beeindruckt (Briefe, S. 567). Dass das nicht angeht, dürfte unstrittig sein. Im Übrigen stammt der letzte vollständig datierte Brief Borchardts an Winsloe vom 23. August 1913. Er ist in englischer Sprache gehalten und spricht von der Beauftragung einer Vertrauensperson, die Winsloes Aufenthaltsort ermitteln und die Rückgabe der Briefe einleiten soll.⁴³ Es gibt keine Grundlage, ein Andauern des Briefwechsels über das Ende desselben Monats hinaus zu postulieren.⁴⁴ Noch brisanter erweist sich jedoch die Frage des Anfangs. Da die beiden oben herangezogenen⁴⁵ undatierten Briefe vom April 1912 in die (als solche nirgends gekennzeichnete oder begründete) Auswahl der Briefausgabe keinen Eingang gefunden haben, tritt dem Leser als erstes Schreiben an Winsloe ein von Borchardt selbst säuberlich auf »Montag den 9 Juni 12« datierter Brief entgegen, den die Herausgeber auch unter diesem Datum als Nummer 219 abdrucken, ohne zu bemerken, dass Borchardts Geburtstag (9. Juni) zwar 1913, aber nicht 1912 auf einen Montag fiel, dass der darin erwähnte Besuch Rudolf Alexander Schröders in seinem Bergdomizil gleichfalls nur für 1913 zutrifft und vor allem, dass dieser Brief wie auch zahlreiche andere Korrespondenzstücke aus dem Zeitraum Mai/Anfang Juni 1913 vergleichende Betrachtungen zwischen der jetzigen Neuauflage der (einseitigen) Liebesbeziehung und dem gescheiterten ersten Durchgang von 1912 anstellt:
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A: Borchardt, 90.8: an Winsloe, Mappe o. D. (Incipit: »Dear Christa Before Leaving Munich”). Im selben Brief ist von in München vorgefundenen »facts« die Rede, die dem Verhältnis Borchardts zu Winsloe anscheinend die Basis entziehen. Dem steht scheinbar Brief Nr. 270 entgegen, der von den Herausgebern auf den 13. 10. 1913 datiert wird: doch wohl in der Annahme, dass an diesem Tag der Empfang zum »Geburtstag« der Fürstin Altieri stattfand. Internetquellen (http://laurenandtristan.net/9aug10update/ p403.htm, letzter Zugriff: 6. 1. 2014) verlegen den 70. Geburtstag von Olga Altieri geb. Cantuzene sogar auf den 27. 11. 1913. Geht man jedoch davon aus, dass die beschriebene Feier am Namenstag (11. 7.) stattfand, ergibt sich eine mit dem glückhaften Tenor des Schreibens und den Andeutungen über das Verhältnis zu Karoline in den Briefen von Anfang Juli harmonierende Einordnung. S. o. mit Anm. 14 u. 15.
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Heut ist ein trüber schöner Jahrestag. Wie anders als vor einem Jahre gehe ich heut schlafen; wie anders liegt das Jahr vor mir als das letzte; wie anderes soll es mir von Ihnen Ihnen von mir bringen. Du bist nun trotz allem mein, und hast Dich mir anvertraut, mein Schicksal ist durch ein ganzes lichtloses Jahr an Deinem angehangen geblieben […]. (Briefe, S. 389) Im Absatz davor ruft Borchardt den gemeinsamen Aufstieg zur romanischen Kirche von Dicomano vom Mai 1912 oder 1913 in Erinnerung. Dass derselbe Ort auch das Ziel der letzten gemeinsamen Unternehmung vor dem nunmehr ein Jahr zurückliegenden Abbruch der Beziehung gewesen war,⁴⁶ dürfte die Fehldatierung des in aller Eile verfassten Briefs überhaupt veranlasst haben. Auch das nächste Schreiben, das uns die Briefausgabe als sommerliche Korrespondenz von 1912 präsentiert (Nr. 224), verwandelt sich bei näherem Zusehen in ein Schriftstück von (Anfang Juli) 1913 – das ergibt sich nicht zuletzt aus den Reminiszenzen an den Abetone-Ausflug, den Angaben zur Arbeit am Lassalle-Drama und den Untergangserwartungen oder -sehnsüchten des Schreibers.⁴⁷ Und natürlich dem durchgängigen Du! Denn einheitliches Merkmal aller Briefe Bochardts an Winsloe vor dem Abetone-Ausflug vom 20.–22. Juni 1913 ist das wenn auch nur lückenhaft realisierte und für weite Teile durch intime DuBekenntnisse zurückgedrängte, aber doch immer irgendwo vorhandene »Sie«.⁴⁸ Es ist die sprachliche Fassade, hinter der Borchardt schon im April 1912 und erst recht als gebranntes Kind nach der Zurückweisung vom Juni 1912 seine erotische Neigung − freilich auf durchsichtige Weise − verbirgt. Der früheste Brief an Christa Winsloe innerhalb der Briefausgabe ist somit paradoxerweise das Schreiben, mit dem Borchardt am 17. November 1912 den ersten Rücktausch des Briefwechsels einleitet (Nr. 232). Zeitlich schließt sich als nächster⁴⁹ Brief (oder einer der nächsten) ein dem Mai 1913 entstammendes Schreiben (Nr. 248) an, in dem das den zurückgetauschten Briefen beigelegte Billet ausdrücklich als der einzige Brief Winsloes im Besitz des Absenders bezeichnet wird. In dem kurz nach dem ersten Wiedersehen unter vier Augen entstandenen Brief stilisiert sich Borchardt als Rufer in der Wüste, als zweiter Johannes der Täufer, der nach siebenjähriger Askese (gerechnet vom Tag seiner Heirat!) 46 47 48
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S. o. mit Anm. 16. S. auch unten mit Anm. 55 u. 61 sowie das auf Anm. 71 folgende Zitat. Schon aus diesem Grund ist der fast ganz in der Sie-Form gehaltene, von der Ankunft in Castelnuovo handelnde Brief Nr. 260 vier Wochen vorher anzusetzen und ebenso wie der ihm am selben Tag vorausgehende Brief Anhang A als Reflex der Rückkehr vom DicomanoAusflug aufzufassen. Zur hier vorausgesetzten notwendigen Umdatierung von Nr. 233 vgl. den »Epilog« dieses Aufsatzes.
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einen neuen Entwicklungsschub vollziehe: »Und mich zu Ende zu erziehen, mich völlig auszubilden, ist die Verpflichtung bereit […]« (Briefe, S. 469). In den folgenden Briefen wird sich das Thema der »pädagogischen Provinz« vor allem auf die Adressatin von Borchardts Briefen verlagern. Denn die kulturkritischen Passagen und die Seitenhiebe auf die ›bessere‹ Münchner Gesellschaft – mit ausdrücklicher Nennung Alfred und Marguerite (Gitta) von Heymels – verfolgen offenkundig das Ziel, Winsloe als mindestens gelegentliche oder periphere Teilhaberin an diesen Zirkeln aus dem »Heymel-Kreis« herauszulösen und für Borchardts alternative Weltsicht zu gewinnen. Das gilt vor allem für seine Kritik an der Käuflichkeit der heutigen deutschen Frau und den modernen »›Vergnügungs‹-Orten mit den unzähligen auf meine Pupille zielenden Punkten toten elektrischen Feuers« (Briefe, S. 485), die einer der ersten in Gallicano entstandenen Briefe (Nr. 250) eröffnet und die der hier als Anhang C veröffentlichte Brief von Anfang Juli mit seinen Attacken auf das Odeon-Casino, Hedwig Pringsheim, Albert von SchrenckNotzig und die Heymel-Clique vollendet. Das ganze Ausmaß der vom Autor selbst empfundenen Spannung zwischen dem Reich seines Geistes und der Einflusssphäre Heymels verdeutlicht der ungedruckte Brief von Mitte Juni 1913, in dem Borchardt Winsloe die Unmöglichkeit erläutert, seinem Gast Rudolf Alexander Schröder Grüße von ihr zu bestellen: Wer Dich nur aus Alfreds sich höchst interessant dünkenden aber gänzlich unsinnigen und widerlichen Karikatur Schilderungen kennt, − denn wie sollte er Dich gegen S. anders als gegen mich in bester Meinung versudelt haben – muss erst viel mehr von der wirklichen C. W. wissen, ehe man ihn so einfach von ihr grüsst. Und viel von Dir sprechen, so viel wie ich möchte, und sagen was ich möchte, kann ich nicht, noch nicht. ›Wessen das Herz voll ist, des schweigt der Mund‹, sagt der herrliche Pindar. Wenn ich Dich viel weniger lieb haben würde – lieb haben, nicht +++lieben+++ Notabene – […] so werde ich Dich sehr treffend zu schildern wissen, und mein Mundwerk wird gehn wie geschmiert. Jetzt – ecco. Schroeder ist mein Bruder, das mir tiefstvertraute aller menschlichen Wesen, der jeden Zug in mir kennt; und er würde nach dem ersten zweiten Satze wissen –⁵⁰
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A: Borchardt, 90.8: an Winsloe, Mappe o.D. (Incipit: »Ich bin ein so schlechter Correspondent geworden«). Das Pindar-Zitat nach Nem. X, 53; Borchardt gebraucht es auch im Brief an Schröder vom 29. 6. 1913 (Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 409) und im Nachwort zur Buchausgabe der Pindarischen Gedichte (Rudolf Borchardt, Prosa II, hg. v. Marie Luise Borchardt, Stuttgart 1992, 2. Aufl., S. 167).
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Erst nach Schröders Abreise wird sich Borchardt diesem eröffnen und dabei noch gegen das Phantom einer von Heymel geschilderten oder Heymel dem Wesen nach nahestehenden Winsloe ankämpfen: »Wenn sie [Heymels Angaben über Winsloe gegenüber Borchardt] richtig waren, ist es sehr begreiflich, dass Du Deiner Schwester verbotest, Christa Winsloe zu besuchen.«⁵¹ Auch wenn Borchardt den Kampf um die Umerziehung seiner Briefpartnerin letztlich verloren hat, muss es zwischen ihm und Winsloe doch so etwas wie einen anfänglichen gesellschaftskritischen Minimalkonsens gegeben haben. Gelegentlich zitiert er aus ihren Briefen von 1912 das Bekenntnis: »Mein ganzes Leben ist ein unaufhörlicher Schein, jedes Wort das mir aus dem Munde kommt, lügt« (Briefe, S. 538). Weitere Geständnisse scheint sie in jenem Brief aus Neapel gemacht zu haben, in dem sie Borchardt in ihrem Gefühlshaushalt etwa die Stelle zwischen Vater und Bruder zuwies (Briefe, S. 510). Dort hat sie offenbar von ihrer Sehnsucht zu einfachen Menschen gesprochen (Briefe, S. 515) und Andeutungen zu ihrem sexuellen Empfinden gegeben, die man im Lichte von Winsloes späterer Entwicklung und anderen Zeugnissen⁵² als Hinweis auf eine lesbische Orientierung lesen möchte: »Du sprichst von dem confusen Gotte, der Dich nicht als Buben geschaffen hat […].« – »Was ist dieser Unfug, dies Unglück, in das Du Dich mit einer solchen Desperation hineingeredet hast, Du wissest nicht was Liebe ist, Dir fehlt das Organ, Du seist keine Frau.« – »Und wenn es wahr ist, was ja wahr sein kann, dass niemals ein Mann in Dir die Saite des Blutes […] klingen gemacht hat« (Briefe, 519 u. 522). Borchardts Antwort greift einzelne Mitteilungen Winsloes auf, um sie dieser gewissermaßen im Munde umzudrehen und als Ausdruck heterosexueller ›Normalität‹ und ›Unschuld‹ zu werten. Gleichzeitig scheut er sich nicht, in wüstester Form über »Malerinnen-Gesindel« und »femmes irrégulières« herzuziehen – die Adressatin muss sich schon zwischen Borchardt bzw. seinem erzkonservativen Frauenbild und der Welt der »Perversion« entscheiden (Briefe, 512 u. 514). Selten genug ist Borchardt der Monolog-Charakter seines Briefschreibens bewusst geworden: »jeder schreibt in den andern hinein und vergisst heut was er gestern geschrieben hat« (Briefe, S. 539). Dennoch muss er zumindest unterschwellig gespürt haben, wie weit die Empfängerin seiner Briefe von ihm entfernt war – nicht nur räumlich (während der Rom- und Neapel-Reise und nach 51
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Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 556. Schröder erklärt dazu in seiner Antwort vom 7. 7. 1913 relativierend: »[…] wenn ich meine Schwester nicht gern hätte nach Florenz gehn lassen, so geschah das mehr aus dem allgemeinen Mißtrauen gegen alles, was sich in dem Heymelschen Cirkel umtrieb« (S. 560). Doris Hermanns weist mich brieflich auf die Darstellung früher lesbischer Beziehungen im autobiographischen Roman Life Begins (1935) hin; zu den Lebensgemeinschaften mit Dorothy Thompson und Simone Gentet vgl. dies., Meerkatzen, S. 160 ff.
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dem 22. Juni 1913 in München oder Baden-Baden), sondern ihrer ganzen Lebenssituation, Gefühls- und Interessenlage nach. Er reagiert auf die Signale dieser unüberbrückbaren Distanz aber nicht oder allenfalls beiläufig mit selbstkritischen Reflexionen, sondern mit einer forcierten Behauptung von Nähe oder ihrer rhetorischen Erzeugung im Akte des Schreibens. Hierfür liefern die im Anhang abgedruckten Briefe B und D eindrucksvolle Zeugnisse, die sich zugleich als Exempel für jene »Zauberkraft« der Phantasie – als Lebensersatz und -steigerung − lesen lassen, die der Schriftsteller Borchardt grundsätzlich dem poetischen Ausdruck zusprach. Der Brief von Ende Juni 1913 (Anhang B) beschreibt den Lesevorgang Borchardts als spiritualistischen Übergriff auf die Lebenssphäre seiner Korrespondentin. Wenn er erst dabei sei, sich in den Inhalt ihres Briefes hineinzudenken – ein mehrstufiger Prozess, zu dem auch das Stadium »traumhaft ohnmächtige[r] gebannte[r] Trunkenheit« gehört −, ziehe bereits »etwas« an der »Sphäre« der Partnerin. Der mystische Rapport steigert sich schnell: Die letzte Stufe einer ruhigen und verständnisvollen Lektüre erscheint in Borchardts Wiedergabe als Szene intimer Zärtlichkeit, bei der jede räumliche Distanz zwischen Schreiberin und Leser geschwunden ist: »Ich sitze bei Dir, fühle Deine Stirn […]. Ich regele den Atem nach Deinem Atemzuge um Dich nicht zu stören.« Der große Liebesbrief Anhang D überbietet diese halluzinierte Intimität noch durch ein imaginäres Gartenidyll: Blumen aller Art mit oft sprechendem Namen (wie »Brennende[] Liebe«) werden bei einem gemeinsamen Spaziergang durch die abendlichen Gartenbeete zu einem Strauß gewunden. Es ist kein »totgesagte[r] Park«, in den hier die Leserin geleitet wird wie in Georges Gedicht,⁵³ sondern ein Ausbund vitaler Energien – mit »Wellen von leidenschaftlichem Phlox«. Eine entscheidende Einschränkung liegt allerdings darin, dass die Akteure selbst nicht aus Fleisch und Blut sind, sondern ebenso der »Materialität« ermangeln wie die abendliche Kulisse, die in der Einleitung zum zweiten Briefteil so eindringlich vergegenwärtigt wird. »Das müssten wir als Lebendige haben, was wir da als Geister hatten«, heißt es ausdrücklich, noch bevor die narrative Einlage mit der Rückverwandlung des Ichs aus dem Gespenst in den realen Briefschreiber endet. Es ist der Hall seiner Schritte auf den Steinplatten vor dem Haus, der das Ende der Geisterstunde auch für das sich sofort verabschiedende Partner-Gespenst markiert. »Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern undzwar nicht nur mit dem Gespenst des Adressaten, sondern auch mit dem eigenen Gespenst, das sich einem unter der Hand in dem Brief, den man schreibt, entwickelt […]«: so beschreibt Kafka – überzeugt, dass »[a]lles Unglück seines Lebens […] von der Möglichkeit des Briefe-
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Stefan George, Das Jahr der Seele, Berlin [1928] (Gesamt-Ausgabe 4), S. 12.
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schreibens« kommt − die Gefahren einer zunehmend epistolarischen Existenz.⁵⁴ Der Briefschreiber Borchardt, dem die Gegenbriefe ausgehen, setzt dagegen ganz offensiv auf das Potenzial von Magie und Okkultismus. Es ist derselbe Brief, in dem er um eine auffrischende Ergänzung seiner »Amulette« bittet und dabei auch die Nähe zum sexuellen Fetischismus nicht scheut: »Ein Nichts thuts, ein Bändchen aus Deiner Wäsche […].« Selbst der Begriff »Fetisch« ist seinen Briefen an Winsloe nicht fremd (Briefe, S. 491), die sich offen zur Orientierung am katholischen Reliquienkult bekennen – so im Umgang mit der Kapsel, in der er eine Haarlocke der Freundin aufbewahrt: »Ich habe Ihren Brief wieder gelesen – zum fünfhundertsten Male, und nach der Kapsel auf meiner Brust gefühlt. Fast liebe ich Sie recht katholisch, mit Vigilien und Horenlesen und Reliquiendienst, Beichte und Gewissenserforschung« (Briefe, S. 504). Dinge werden zu Zauberzeichen, Zeichen erhalten dingliches Gewicht. So empfindet Borchardt abergläubische Freude über jenen Verschreiber »Wirbeide« in einem Brief Winsloes, den sowohl der neu zu datierende Brief Nr. 224 als auch der nächste, vielleicht erst auf den 10. Juli anzusetzende Brief Nr. 265 emphatisch aufgreifen: »Ohja, ›wirbeide‹ – ist Dirs nun auch so? Dass wir so zusammengehören und langsam verwachsen?« (Briefe, S. 550)⁵⁵ Wochen später, als Winsloes Briefe ausbleiben, beschäftigt sich Borchardt mit BriefSignets; so entwirft er im Postskript des eben schon behandelten Briefs (Anhang D) ein Monogramm für Winsloe. Hinter dem Angebot, der Freundin neues Briefpapier drucken zu lassen (damit sie ihm endlich wieder schreibt!), verbirgt sich der Wille zu einer gestalterischen Beschwörung ihres Wesens auf dem Papier. Es ist eine Art Omega, zu dem der Autor die Initialen seiner Briefpartnerin verformt. »Alpha es et O« – die religiöse Dimension ist diesem einseitigen Liebesbriefwechsel ebenso eigen wie die Tendenz zur Literatur.
Melusine auf dem Abetone Schon kurz nach der Wiederbegegnung mit Winsloe im Mai 1913 steht für Borchardt fest, dass einiges davon »mir zum Vers wird« (Briefe, S. 491). Das Diskretionsversprechen, das er seiner Freundin im selben Atemzug gibt, ist insofern verräterisch, als es eine Parallele zu Margarete Ruer, der Muse seiner Nassauer
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Franz Kafka, Briefe an Milena. Erw. u. neu geordnete Ausgabe, hg. v. Jürgen Born u. Michael Müller, Frankfurt am Main 1986, S. 301 f. Vgl. Briefe, S. 402 u. 404.
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Borchardts Winsloe-Monogramm. Postskript zu Brief D von Mitte Juli 1913 (Ausschnitt)
Jugendlyrik, herstellt und diese gleichzeitig für tot ausgibt.⁵⁶ Es ist im gelindesten Fall eine imaginäre Mortifikation, die der Frau bevorsteht, die sich auf diesen wahrhaft literarischen Liebhaber einlässt. Aber auch ihm selbst drohen Unglück und Untergang. Der früheste dichterische Reflex ihrer Beziehung, auf den sich Borchardts Briefe an Winsloe berufen,⁵⁷ ist »Melusinens Lied«. Die erste Strophe des 1924 mit dem Zusatz »Aus Petra« gedruckten Rollengedichts lautet: O Guy von Lusignan, Ich seh dirs an, unglücklich willst du werden! Was willst du, Mann! Du willst von mir, was ich nicht geben kann!⁵⁸ Denn natürlich hat Melusine keine Seele.⁵⁹ Es zeichnet übrigens das emanzipierte Bewusstsein Winsloes aus, dass sie sich mit dieser Wasserfrauen-Phantasie des neunzehnten Jahrhunderts und den ihr eingeschriebenen Tendenzen zur Dämo56
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»Zwölf Jahre nach Entstehung, zehn nach dem Tode der Empfängerin hat kein Menschenauge und Ohr die meisten der Jugendgedichte gesehn oder vernommen« (Briefe, S. 491). Noch 1916 wird Borchardt den Tod der Adressatin seiner Jugendgedichte statuieren, während er gleichzeitig Erkundigungen über Margarete Ruers gegenwärtigen Aufenthalt einzieht: Rudolf Borchardt, Vivian, S. 54. Vgl. das Schreiben vom [20. 5. 1913] (mit Bezug auf den Zeitraum Juni 1912) in: Briefe, S. 474. Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 154. Vgl. den letzten Vers: »Stirb nicht daran; ich habe keine Seele« (Rudolf Borchardt, ebd., S. 156).
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nisierung einer defizitären Weiblichkeit nicht zufrieden gab und die diskriminierenden Prämissen des ersten Literarisierungsversuchs offensichtlich ablehnte. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der verstimmten Reaktion des in seiner Deutungshoheit bedrohten Dichters: Die arme Melusine hat es kalt und braucht ein heisses heisses Menschenherz um sich die Hände dran zu wärmen, wenn sie nicht Fieber hat! Ist es so? den Teufel ist es so. Die arme Melusine ist längst keine arme Melusine mehr, prätendiert auf eine Seele wie alle sie haben und möchte mich durch gewisse scheinheilige Fragen an ihren frommen Beichtiger umgekehrt in eine Art Melusinerich verwandeln, von dem es fraglich ist ob er, als eiskalter Dichter, ein Herz hat wie sie. Wunderliche Komödie der ausgetauschten Rollen! Aber, da ich dabei gewinne, sollte ich es mir gefallen lassen. Wohin kann das noch führen? Zu einer exuberanten Christa, die einem armen Mischwesen, oben Scimmiotto mit einem Lorbeerkranz auf, unten in einen Fischschwanz endigend, Lebeneinhauchend und flehend am Hals hängt. Grässliche Vision. (Briefe, S. 548 f.) Borchardt kann die Melusine-Bildlichkeit damals umso eher der Lächerlichkeit anheimgeben, als er um die Monatswende Juni/Juli 1913 ein neues Paradigma für die Hoffnungslosigkeit seiner Liebesbemühungen gewonnen hatte: nämlich den Duelltod Ferdinand Lassalles im vergeblichen Ringen um die Hand der bald als Femme fatale berüchtigten Helene von Dönniges. Borchardt scheut sich nicht, Winsloe den autobiographischen Kern seiner – durch Meredith inspirierten⁶⁰ − Pläne für ein Lassalle-Drama, das angeblich noch im Winter die Bühnen erobern sollte, in aller Deutlichkeit zu benennen: Ich hatte den Stoff ursprünglich viel historischer, im Zeitsinne exacter und getreuer nehmen wollen, heut hat er sich mir verändert und ist ein rein persönliches Bekenntnis, in dem bestimmte Züge unseres Verhältnisses tragisch isoliert werden; ich nenne das was an mir untergangsreif ist Lassalle, das was Du mit Zwillingsschwestern gleichen Schicksales teilst und was ich dennoch in Dir liebe, Helene. (Briefe, S. 543)⁶¹ 60 61
Zu Borchardts Interesse für Merediths Roman The Tragic Comedians vgl. Briefe, S. 162 u. 544. Vgl. das zeitnahe Bekenntnis zur Untergangssehnsucht im umzudatierenden Brief Nr. 224: »Aber langsam langsam kommt in mir eine Sehnsucht nach Auslöschung und Untergang herauf. […] Es ist ein grausig schönes Gefühl, wenn unser ganzes schweres Schiff, unter Sturmsegeln stehend, mit einem einzigen dünnen Tau an den Strand des Lebens geknüpft ist. Schön, aber zu Zeiten grausts uns« (Briefe, S. 401).
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Das Drama über den Sozialistenführer blieb allerdings ebenso ungeschrieben oder unvollendet wie zahlreiche Gedichteinfälle, von denen Borchardt in seinen Briefen an Winsloe berichtet. Nicht erwähnt darin wird, weil wohl erst im Nachhinein entstanden, der lyrische Zyklus »Der Mann und die Liebe«, der allgemein als Verarbeitung der Begegnung mit Winsloe gilt.⁶² Betrachtet man die brutale Reduktion des mann-weiblichen Verhältnisses auf den nackten Geschlechterkampf in Gedichten wie »Die Bremse« oder »Versagung« sowie die Anleihen beim Modell der Femme fatale in »Nigella hispanica atropopurpurea«,⁶³ so wird man eine solche Verarbeitung allerdings nur im Sinne einer extremen Distanzierung, Verschiebung oder komplementären Ergänzung akzeptieren. Gerade das, was Borchardt in seinen Briefen an Winsloe nicht zur Geltung kommen lässt (die triebhaft-sexuelle Dimension der Liebe), bildet den Fokus der genannten Gedichte. Zwei Gedichte des Zyklus treten aus dieser reduktionistischen Abstraktion jedoch schon dadurch heraus, dass ihre Titel topographische Referenzpunkte gemeinsamer Unternehmungen der Briefpartner benennen: »Nacht vor Settignano« und »Abetone«. Im Lichte der Korrespondenz lässt sich feststellen, dass Borchardt mit beiden Gedichten den entscheidenden Etappen seiner Begegnung mit Winsloe im Sommer 1913 ein Denkmal gesetzt hat. Das erstere Gedicht verarbeitet offenbar Reminiszenzen an den gemeinsamen Autoausflug, der Borchardt und Winsloe (als Fahrerin!) am 18. Mai nach Dicomano und anderen Orten der als »Mugello« bekannten Landschaft nordöstlich von Florenz geführt hat.⁶⁴ Die Abschiedsszene »vor Settignano«⁶⁵ im Mondschein, mit der das Gedicht einsetzt und die es in den Schlussversen verkürzt aufnimmt, entspricht einem Erlebnis, das in den Briefen an Winsloe wiederholt beschworen und geradezu als Gründungsurkunde des erneuerten (einseitigen) Liebesbundes in Anspruch genommen wird: »Ein Mal haben wir uns verstanden, einmal so tief verstanden dass wir uns nicht mehr im Leben missverstehen können, und die umschlungen Mund an Mund Bebenden auf jener Strasse im Vollmondlicht sind gegen alles Gemeine Menschliche für immer wie gefeit« (Briefe, S. 483).⁶⁶ Es ist dieselbe Nacht, von der Borchardt – unter Berufung auf einen »gleich nach Dicomano« verfassten 62 63 64 65
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So der zusammenfassende Kommentar in: Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 594. Vgl. Hildegard Hummel, Rudolf Borchardt. Interpretationen zu seiner Lyrik, Frankfurt am Main, Bern 1983, S. 222−224 u. 243−246. Als Ortsnamen werden innerhalb des Gedichts (zusätzlich zum Titel) »das Mugell« und »San Lorènz« genannt: Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 198 f. Das bekanntere Settignano tritt hier an die Stelle des benachbarten Maiano, in dem Winsloe seit 1912 wohnte. In Settignano befand sich auch das Postamt, von dem aus Winsloe am 24. 4. 1913 an Heymel in Mailand telegraphierte (A: Heymel, 62.1924/8). Vgl. Briefe, S. 486 (»durch das Mondlicht in die flimmernde Stadt hinuntergesprungen«), 501 (»den geliebten Mund suchte und fand«) u. 524 (»auf jener Mondlichtstrasse«).
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Brief Winsloes – behauptet, die Freundin habe schlaflos gelegen »vor übergrosser Seligkeit« (Anhang B). Verglichen mit diesem romantisierenden Idealismus, äußert sich das Gedicht wesentlich skeptischer. Die Ansprache des Mannes an die Geliebte in der Situation des Abschieds (»Nur noch bis hier, und dann Gutnacht« – »Ja, wirf in meine Arme dich«) erweitert sich auf den folgenden zwei, drei Seiten zu einer Rekapitulation des gemeinsamen Tages, deren Objektivität allerdings nicht verbürgt wird: Nicht also? ging es anders zu? Wenns anders zuging, sag mirs du. Oh! Oder wärs, wenn dies nicht ward, Gekommen so zur Niederfahrt Und diesem Weg und dieser Stunde Und so gelübdeschwerem Munde, Wie hier? Und hier?⁶⁷ Der vorangehende Bericht strukturiert sich durch die Spannung zwischen der Außenperspektive einer naiv-neugierigen Landbevölkerung, die das Automobil bestaunt und die Insassen ganz fraglos für ein Liebespaar hält, und dem Selbstgefühl der Ausflügler, das zwischen einer vitalistischen Aneignung der Natur bei der morgendlichen Autofahrt −1913 gewiss kein alltägliches Motiv in der Lyrik!⁶⁸ − und einer eigentümlichen Lähmung und Entfremdung bei der nachmittäglichen Wanderung schwankt. In einer langen Periode gibt der Sprecher der Vermutung Ausdruck, dass sich durch seine Hilfestellung bei der Überquerung eines Baches zwischen den beiden eine neue Form der unausgesprochenen Gemeinschaft hergestellt habe. Das bleibt zwar nicht unbezweifelt, wie der oben zitierte Einschub zeigt, dient aber als Grundlage für die zweite Hälfte des Gedichts, die zunächst die Bedeutung der Liebe gegenüber ökonomischen und anderen gesellschaftlichen (anscheinend von der Geliebten bis jetzt bevorzugten) Werten herausstellt, um der Partnerin schließlich einen Schwur abzuringen: »Mich oder andres!« soll sie sich zu lieben verpflichten – wenn nicht den Sprecher, dann die ganze Welt. Ob die Frau das Programm einer solchen Erziehung zum Gefühl akzeptiert, das
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Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 201. Die Anordnung des »Oder« (ohne Absatz davor, als Anfang einer fortgesetzten Verszeile) abweichend nach der Handschrift A: Borchardt, 71.6084/4. Reminiszenzen an die Autofahrt finden sich auch in dem als Anhang A gedruckten Brief: das Verzehren der Straße und der auf die Landschaft fixierte Blick des Beifahrers, der von der Partnerin nur den Hutrand wahrnimmt.
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ein wenig an die Melusine-Problematik und an die kulturkritischen Exkurse des Briefwechsels erinnert, bleibt offen. Immerhin scheint es zu einer wortlosen Umarmung zu kommen: »Sagst du mirs stumm, ich nehm es stumm. / Und wiederum. Und wiederum.«⁶⁹ Geradezu euphorisch fallen Borchardts Bezugnahmen auf den Abetone-Ausflug (20.–22. Juni 1913) in den ersten Briefen nach der Rückkehr aus: »Auf dem Abetone hatte ich die reinsten und rührendsten Tage meines Lebens, ich kann nichts darüber sagen.«⁷⁰ Gegenüber Winsloe betont er die Erweiterung seiner »Reliquien«-Sammlung: Weisst Du, Christa, liebs, dass ich unter »Deiner« Decke schlafe? Dass der Stock, mit dem Du so gravitätisch bergauf marschiertest, und dazu mit Brustton sagtest, »am Stock eines deutschen Dichters!« immer unbenutzt neben mir steht? Dass Dein Phenacetinglas als Talisman bei Deinen Briefen in meinem Schreibtische liegt, bei andern Reliquien von da droben – dem Kleeblatt von der Bank vor der ich an Deinen Knieen sass, einem Hungerblümchen von ganz hoch droben wo ich den Hut über Deinen Kopf hielt gegen die Sonne, und andern mehr, geheim für mich da und dort entnommenen, die etwas in mir aufrühren wie der Klang des Wortes »Bittersüss«? (Briefe, S. 403 f.) Der Anklang von lateinisch »amarus« (bitter) an »amare« ist ja seit alters als Beweis für das Wesen der Liebe und die Weisheit der Sprache bewertet worden. Der Stifter des Abetone-Mythos begnügt sich jedoch demonstrativ mit der ihm von Winsloe zugewiesenen väterlich-brüderlichen Position oder Rolle. Sie entfaltet sich vor allem in der Situation des Gutenachtsagens; so heißt es in einem zu später Nacht entstandenen Passus: Ich komme nur noch Gute Nacht sagen, aber es ist freilich nicht wie im salottino, wo es durch die Thüre rief: »Du! – Du kannst jetzt kommen,« und da lag mein schönes grosses müdes Mädchen unter meiner Decke und hatte hundert Aufträge für mich, und ich dachte »wären es zweihunderttausend!« und sagte nach jedem »desidera altro?« (Briefe, S. 536 f.) Kein anderer Auftrag ist dem Briefschreiber jedoch aus Gründen der Semiotik so wichtig wie der des Zudeckens: »[…] und das war auf dem Abetone so schön: Dich wärmer zudecken dürfen, Dir die armen kalten Füße reiben – hundert miserabel süsse Kleinigkeiten, die mir doch nur durch ihren symbolischen Sinn das Herz 69 70
Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 203 f. Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 555.
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um und um kehren« (Briefe, S. 542). Übereinstimmend damit sagt Borchardt in jenen Tagen auch, dass er sich die Freundin »gern als Verhüllte« denke, unter deren Schleiern immer ein neuer zum Vorschein komme (Briefe, S. 536). Und doch hat er offenbar auf demselben Abetone-Ausflug auch einen vergeblichen, aber umso schmerzhafteren Versuch zur Entschleierung bzw. Aufdeckung von Winsloes Lebensgeheimnis unternommen und sie direkt mit den von Heymel kolportierten Gerüchten konfrontiert. An Schröder vermeldet er: Heut weiss ich unwiderleglich, aus dem wortlosen und zerschmetterten Entsetzen der Betroffenen über das ihr damit angethane, dass es einfach Lügen sind, Novellen zur Anschaulichmachung eines zwar lebhaften aber falschen Eindrucks erfunden, thatsächlich Attentate auf eine Dame, wie sie ehrloser nicht zu denken sind.⁷¹ Eine Zeitlang muss das Gespräch zwischen den beiden Bergwanderern – dem Dichter und seinem selbsternannten weiblichen »Jünger« (Briefe, S. 537) − auf des Messers Schneide gestanden haben. Spätere Briefe sprechen von »grimmen Minuten« (Briefe, S. 567) oder »eine[r] Stunde in meinem, in unserm Leben, deren noch in der Erinnerung ganz unerträglichen Schmerz Worte, Gründe, Regungen Vorsätze, Hoffnungen narkotisieren können, aber nicht ganz heilen.«⁷² − »Das Gespräch des letzten Abends hatte Dich so zerrissen und verzerrt, dass in seinem Lichte unsere beiden schönen Tage ein unheimliches Gesicht bekamen«, heißt es in einem fragmentarischen Brief, der mit den Worten beginnt: »Ja, wir haben einander wehe gethan, mein Geliebtes.«⁷³ Eine letzte und für seine lyrische Ausgestaltung entscheidende, freilich auch bitterste Nuance erhält der Abetone-Mythos in einem relativ späten, schon nach einer Schreibpause verfassten Brief. Betroffen durch den »Vertrauenston« eines eben erhaltenen Briefs Winloes, stellt Borchardt sich und seiner damaligen Begleiterin darin in »verzweifelte[m] Selbstvorwurf[]« die Frage: Aber wäre es wirklich, wäre es denn wirklich eine Täuschung gewesen in der ich so bittere Einsamkeitstage verbracht habe, und hätte uns das eine oder andere Zufallswort droben in den Wäldern einander doch näher gebracht?
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Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, ebd., S. 556. An Winsloe, [2. Hälfte Juli 1913]: A: Borchardt, 90.8, Mappe o. D. (Incipit: »Willst Du wissen wie mein Bauer sich beklagt?«). Ebd.
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Ich hatte es Anfangs so geglaubt, so sehr fast gewusst; Dann –. Aber nichts mehr davon. (Briefe, S. 567) Wahrscheinlich hat sich Borchardt selten so geirrt wie mit dieser rhetorischen Frage. Die Annahme eines tragischen Versäumnisses wird jedoch zur Grundlage seines Gedichts »Abetone«. In zwölf Strophen von außerordentlich ungewöhnlichem Versbau (auf drei achthebige Daktylen folgt ein siebenhebiger Daktylus) wird dort die Berglandschaft um den alten Passübergang zur Lombardei den Göttern und besonders den für die Natur zuständigen Halbgöttern als »Weihtum« empfohlen. Mit der Sakralisierung der entscheidenden Stationen des Bergausflugs sollen die fehlbaren Handlungen gesühnt werden, deren sich ein bestimmtes Menschenpaar schuldig gemacht hat, das bereits am Ende der ersten Strophe anklingt (»wenn ihr zulieb nicht, immer noch mir zulieb«). Trivia oder Hekate, hier als Mondgöttin aufgefasst, soll noch vor Wiederkehr des »Junius« (!) ins Haus leuchten, »ob ein hingerißner Mund vielleicht an vergöttertem Munde, / Was an Munde dort Mund verwirkt hat, wieder zu Lauterem macht.« Sind es falsche oder versäumte Küsse oder verlogene Worte, um deren Katharsis der Sprecher fleht? Der Schluss der neunten Strophe deutet eine Unterlassungssünde des männlichen Ich, die Unterdrückung eines Liebesbekenntnisses an: »Wo mir umsonst um ein Wort vom erznen Munde die Biegsame rang.« In den beiden letzten Strophen nimmt die Erinnerung an den Abetone-Ausflug die konkreteste Gestalt und das bis dahin so entschieden auf klassizistische Überformung bedachte Gedicht den persönlichsten Ton an: Nymphe, wie du jetzt sah die Entzückte, traurend Neckende – mir in die Seele Greifend der Blick, als heischt er den Dienst, und tief zu den Blumen den Arm − Rührende List zur bitteren Unzeit; trüb erst ward dem trüben Befehle Kaltes Gehör; ich klomm in die Tiefen, brachte den Glanz und den Harm, Und einen Abschied, ihr auf Knien das Haupt in Schoß. Euch weih ich die Böschung, Wo uns die scharf ausklärenden Tränen, ersten und letzten, geschahn, Fieber und Fackel zugleich verlosch; drum wir wohl auch nach solcher Verlöschung Götter verzeiht, was Leides uns taten! aber uns nicht mehr sahn.⁷⁴ 74
Rudolf Borchardt, Gedichte, S. 232−236. Im ersten Entwurf hieß es: »Drum wir wohl nach dieser Erlöschung / Weiss der Himmel welch Leid uns thaten aber uns nie mehr sahen« (A: Borchardt, 90.8: Gedichte: Der Mann und die Liebe).
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Epilog Noch im August 1913 scheint Winsloe Borchardt vom künftigen Lebens-»Bund« mit Lajos Hatvany unterrichtet zu haben. Jedenfalls liegt ein solcher Brief, in dem das Wort »Bund« Verwendung fand und weitere Bekenntnisse sich anschlossen, dem undatierten Schreiben (Nr. 233) zugrunde, mit dem Borchardt Christa um wechselseitige Vernichtung der Briefe des zweiten Durchgangs ihrer Beziehung (oder ersatzweise um ihren Austausch) bittet. In der Briefausgabe ist der Brief unter dem November 1912 eingeordnet, weil man darin offenbar eine Variation der Aufforderung zum ersten Briefaustausch vom 17. November 1912 erblickte. Man hat dabei übersehen, dass sich der Brief in Tonfall und Anrede (»Du« statt »Sie«) radikal vom anderen Schreiben abhebt, aber auch bestimmte Positionen einer späteren Entwicklung voraussetzt – so die Kenntnis vom geschlossenen oder geplanten »Bund« und eine neue Perspektive auf die Sexualität, wie sie im Dramenprojekt Petra und das Tier demnächst Gestalt annimmt: »Ich habe in mir zwar keine Grausamkeit – dieser Spezies des männlichen Tieres bin ich lang in mir Herr geworden« (Briefe, S. 434). Andererseits liegt bei der Abfassung von Nr. 233 die München-Reise noch vor Borchardt, nach deren Ende er Winsloe am 23. August 1913 über die Verpflichtung eines Rücktausch-Beauftragten informiert.⁷⁵ Inhaltlich überrascht das Vorauswissen des baldigen Endes, das Borchardt für sich reklamiert – »an dem geheimen Bewusstseinspunkte, dem seherischen, an dem die Welt unser Herz untäuschbar findet« − und für das er sich auf die Untergangs-Visionen seiner Briefe von Anfang Juli 1913⁷⁶ beruft: Du weisst, dass meine letzten Briefe, die Du noch wirklich gelesen hast, ganz erfüllt waren von diesem gespannten gebannten Schreckensblick auf den drohenden Untergang. Illusionen habe ich nicht mehr gehabt, über die Dinge nicht und nicht über die Menschenmöglichkeit, Dein Schicksal zu packen und herumzudrehen. Gut oder bös, es muss sich erfüllen. Aber ich gehörte Dir wie mit Fahneneiden und habe wie jeder anständige Soldat nur meine Pflicht gethan wenn ich auf dem verlorenen Posten aushielt bis ich abgelöst wurde. Ich bin es nun und gehe. (Briefe, S. 435) In der Endphase der Weimarer Republik wird Borchardt – parallel zu Ernst Jünger – den Begriff des »verlorenen Postens« zu einem Leitideal seiner kon-
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S. o. mit Anm. 43. S. o. mit Anm. 61.
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servativen Kulturkritik entwickeln.⁷⁷ Sollte Borchardt schon in der Vorkriegszeit ein entsprechendes Bewusstsein entwickelt und jedenfalls die Wiederaufnahme seiner Affäre mit Winsloe in halbem Wissen um ihre Verstrickung in ein ihm zutiefst suspektes Lebensmilieu betrieben haben? Die kulturkritischen Töne aus der Frühphase dieser zweiten Korrespondenz und sein Bekenntnis zum Ideal der »Verwandlung« könnten ein Argument dafür bilden. »[I]ch muss lieben, mich aufgeben, und das Geliebte verwandeln« – so beschreibt Bochardt sein Lebensprinzip in einem Brief vom 13. Juni 1914, mit dem er nach mehr als einjähriger Unterbrechung den Austausch mit Heymel wiederaufnimmt. Nach gescheiterter Verwandlung wird darin die Freundin als »unsauber[e] Pfütze« denunziert und für die Entfremdung vom Freund verantwortlich gemacht – offenbar sah sich Borchardt genötigt, sich radikal zwischen dem Glauben an den einen oder die andere zu entscheiden. Indem er die ungenannte Geliebte hemmungslos herabsetzt – auch mit den knappen Andeutungen über die zufällige wortlose Begegnung in München im Winter 1913/14⁷⁸ −, bietet er der Männerfreundschaft eine neue Grundlage: in der Figur des Narren, als der er sich mit dieser Affäre nachdrücklich selber bewiesen habe. Denn dass der Projektemacher Heymel Züge eines Narren trug, galt als ausgemacht und konnte sogar in einem Freundesbrief angesprochen werden. So finden sich die in verschiedener Weise gescheiterten Schicksalsgenossen als gemeinsame Nachfolger Don Quijotes wieder, der ja auch schon einen verlorenen Posten verteidigte. Er wolle sein Verhalten nicht besser machen, als es sei, schreibt Borchardt, um in direkter Hinwendung an Heymel fortzufahren: »Mach Du es wenn Du kannst nicht schlechter als es ist und denke daran, ob Du Ritter und Don Quixote einer verlorenen Sache gewesen bist, und je verstockter und blinder, je mehr Dir eine Geisterstimme sagte, dass Du Dich selber blendetest um nicht zu sehen, was ein Kind mit Händen greifen konnte.«⁷⁹ Heymel selbst als der andere Don Quijote hat das alles weit weniger tragisch genommen. Er reicht Borchardt umgehend die Hand zur Versöhnung und bedauert nur, »irgendwie doch indiskret oder nicht zartfühlend geredet zu haben.«⁸⁰ An seine »[l]iebe kleine Christa« hatte er schon ein decouvrierend-patriarchalisches 77
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Vgl. den gleichnamigen »Rechenschaftsbericht« von 1932 (?) in: Rudolf Borchardt, Prosa VI, hg. v. Ulrich Ott u. Gerhard Schuster, Stuttgart 1990, S. 203−210; Johannes Saltzwedel, Einblick ins All durch Liebe die es schuf. Rudolf Borchardt, Preuße auf verlorenem Posten, in: Rudolf Borchardt, hg. v. Heinz Ludwig Arnold u. Gerhard Schuster, München 2007, S. 11−24. »Plötzlich prallte da ein leichenfahles Gesicht vor mir zurück – sie ist fett breit und gelb geworden und nicht mehr zu erkennen – und eine Gestalt floh vor mir her […] Tags drauf war sie fort« (Briefe 1914−1923, S. 15). Rudolf Borchardt, ebd., S. 14 f. Heymel an Borchardt, 17. 6. 1914 (A: Borchardt).
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Schlusswort gerichtet, als es um die erste Briefrückgabe zwischen den beiden Kontrahenten ging: Ja, mein liebes Mädel, ich glaube in der Affäre hast Du Dich nicht sehr richtig benommen. Um Himmels willen, denke nicht, ich wolle Dir Vorwürfe machen, aber wenn Du wie ich in Lucca mit angesehen hättest, was Du angerichtet hast, dann würdest Du Dich auch erschrocken haben. […] Ich glaube […], dass Du zweifelsohne Hoffnungen erweckt hast, die Du nachher nicht realisieren wolltest. Ich meine das ganz in seelischem und ideel[l]em Sinne, missverstehe mich ums Himmels willen nicht. Du hast da Wechsel unterschrieben, die Du nicht einlösen konntest oder wolltest. Dieser Mann, der seit sieben Jahren zum ersten Mal sich wieder wirklich für eine Frau, d. h. für Dich interessierte, war durch Deinen plötzlichen Umschlag des Tones, den Du gegen ihn anschlugst, einfach ins Herz getroffen. […] einem Mann wie Borchardt schreiben: ich habe soviel von Ihrem Reichtum gehört und wollte auch mal etwas davon profitieren! das ist schon ein bischen Quant. Nicht, Du nimmst es mir nicht übel, dass ich so offen mit Dir spreche? Du bist wirklich ein wunderliches Geschöpf und ich kann es mir schon denken, dass es den einen oder anderen Deiner Freunde reizen könnte, Dich einmal durchzuprügeln, weil Du gar so unnachdenklich in allen Dingen bist.⁸¹
Vier ungedruckte Briefe Rudolf Borchardts an Christa Winsloe⁸² A. [19. Mai 1913] Ich schreibe eben hier in Lucca wieder angekommen in einem kleinen Caffè etwa der Art wie das Grand Hôtel⁸³ Filugiani in Dicomano, während ich dem Vorübergehn der Stunden bis zu meinem Zuge um halb zwei still zusehe. Jetzt ist es zehn, um 8 bin ich von Florenz fortgefahren. Um sieben sollte man mich wecken aber mit dem ersten Morgendämmern wurde mir das Herz von etwas was ich im Halbschlaf nicht aufklären konnte wach, und ich blieb für Sekunden mit angestrengtem Träumen nach dem Grunde meines innern SüssigkeitsGefühles liegen. Dann hatte ich es und musste lachen, wurde für eine Minute schwer und ernst und
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Heymel an Winsloe, 2. 12. 1912 (A: Heymel, 62.1249/5). Winsloe hat den Brief oder Teile daraus im Mai 1913 Borchardt mitgeteilt; s. u. Anhang A mit Anm. 84. Nach den Handschriften im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar, A: Borchardt, 90.8: an Winsloe, Mappe 1912−1913 [B] u. Mappe o. D. [A, C, D]; mit freundlicher Genehmigung Cornelius Borchardts, Ebersberg, und des DLA. Zweifellos ironisch, Name nicht ermittelt.
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musste wieder lachen. Da stand ich gleich auf, reinigte selber meine Kleider – mit einem heimlichen Bedauern über den wegfliegenden Staub jener Strassen – und stand kurz drauf gestiefelt und gespornt zwischen den verblüfften verschlafenen Hotelgesichtern. Und so ist dieser Tag, den in dem faulen Lucca ein par hochgehende Rolläden jetzt erst beginnen wollen, hier schon lang und gedankenvoll; der Tag, die Tage; bin ich wirklich und wahrhaftig vorgestern früh von meinem Hause weggegangen, habe meiner Frau zum Abschied das Haar gestreichelt, bin die zweihundert Meter Berghang durch Felder Ginster Piniengehölz zur Strasse hinabgesprungen, dann in einer Landdiligenza zwischen stinkende Bauern und Weiber mit einem fetten Kinde, dann durch die Stadt, in die Bahn,⁸⁴ in einen Wagen bis in den Globo von Castelnuovo und dann in den Schnecken Baroccino, und immer so weiter den Leib aus einem Gefährt ins andere geworfen um die Entfernungen zwischen uns zu verschlingen? Wie klingt es im gemeinen Leben wenn man sagt ›vorgestern‹? Mit überfüllten Sekunden mit überlaufenden Stunden des Voraussehnens, Erlebens und Nachlebens dehnen sich die zweieinhalb Tage hinter mir wie durchreiste Gebirge, wie die gestrigen; unsere Räder verzehrten nur die Strasse davon, die nicht viel ist; unsere Augen und unsere Seele hatten die Gipfel die Schluchten die Steige; alle Anblicke davon und Niederblicke die Winkel, die Ferne. Eine Welt, ein Leben. Und von diesem Leben werde ich nun zu leben haben. Wie ein dumpfer unentschiedener Block liegt es in mir, der sich erst langsam vereinzeln und harmonisieren kann. Angestrengt wiederhole ich mir Ihr Gesicht, aber es liegt im Nebel. Mit Augen blinkt es, mit Lippen lächelt es hindurch. Das Profil Ihres Hutrandes rechts neben mir ist mir deutlicher als Ihr Wangenumriss. Ich habe ihn ja auch nur verstohlen ansehen dürfen. Ich musste ja geradeaus sitzen, die Hände falten, mich um die Landschaft kümmern. Aber manchmal sah ich seitwärts; manchmal – Hände, liebste Hände und geliebte Lippen. Das Festerwerden der Hände um die Hände herum; der zärtliche Krampf, wenn ein wieder alltägliches Wort fiel, − an nichts denke ich lieber. Das plötzliche Stillehalten im Schweigen des lichtgrünen Baumganges; die Momente des fast schmerzhaft seligen Stillstehens des Herzschlages, ganz im Anfange der Fahrt
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Bis hierher schildert Borchardt seinen Aufbruch aus der Villa Mansi in Monsagrati, vermutlich am 17. Mai 1913, nach Florenz zum Treffen mit Winsloe und zur gemeinsamen Autofahrt nach Dicomano. Die folgenden Angaben beziehen sich dagegen auf die ihm jetzt am Tage der Rückkehr bevorstehende Weiterreise nach Gallicano per Sassi oberhalb von Castelnuovo, wo das Ehepaar Borchardt das letzte Drittel des Monats Mai und die ersten Juniwochen verbrachte. Zur getrennten Anreise vgl. den umzudatierenden Brief Nr. 260 (Briefe, S. 530).
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durchs Land, in denen doch schon die tiefste wunschlose Einigkeit war, ehe wir wussten was uns erlaubt war einander von ganzem Herzen zu geben. Lassen wirs. Ich bin nun Dein, Du hast mich angenommen – angenommen was ich geben kann, und willst nichts weiter, giebst was das Herz Dich heisst und weisst dass ich Dir nie mit einem Hauch der Ungeduld und des Übermutes Dein heiliges Herz vergewaltigen werde. Den Augenblick da Du Dich in meiner Näh anders als beschützt und verteidigt, eingehegt und genährt fühlst, den Augenblick heiss mich meiner Wege gehen. Ich liebe Dich, und mir hat Liebe immer nur schuldloses Vertrauen in den Rat des Verborgenen heissen können. Ich kann nicht Ränke spinnen, ich mag nicht Gewaltthun, ich hasse Erpressen und Erschmeicheln: Denken Sie meiner als des Schonenden Dankenden, der nie Rechte hat noch haben wird. Alles ist Gnade. Vergessen Sie das schimpfliche Gleichnis von den ausgestellten Wechseln.⁸⁵ Weder Sie noch ich haben Anteil an dem garstigen Handel, auf den es passen mag. Nichts mehr für heute. Ich will wieder schreiben, so bald ich es unauffällig kann. Es wird Zeit vergehen, eh ich ein Blättchen von Ihnen werde haben dürfen. So will ich mir das Herz bei Zeiten zähmen – das gar dauerhaft und edelbeständig werden muss wenn unser Beider Künftiges ihm auferlegt werden soll. Kindi[s]ch wäre es, immer zu maulen und ausser sich zu geraten wenn das Schicksal die Bescherung um ein par Tage aussetzt. Wir müssen die Feste feiern wie sie fallen. Bleiben Sie fröhlich hoffen Sie und Sie werden vergessen; ja, danken Sie, wie ich danke für den Abgrund dieses Jahres; es soll unsern Augen nichts geschadet haben hineinzublicken. Der Wein muss im Höllenbrodel des ersten Jahres seinen jungen Zucker verzehren, um den duftenden Herbstgeist des Rausches zu gewinnen, − jene Atmosphäre in der wir gestern badeten, und die sich mit jedem Male tiefer verklären wird. Adieu, geliebter ergreifender Mensch. B. [Ende Juni 1913] [Briefkopf: Villa Mansi / Monsagrati / Lucca] Mit welcher Zauberkraft bist Du mir gestern erschienen, Du Liebe! Erstlich schon dass Du überhaupt kamst, da ich doch Tags zuvor von Dir gehört hatte und gar nichts erwarten durfte; und dann dass Du so kamst. Alles was ich darüber sagen könnte, wäre eitler Wind. Du von allen Menschen allein hast die Geistergewalt mein Herz im Mittelpunkte zu treffen und in ihm aufzuschliessen was es selbst nicht weiss. Dies ist der dritte Brief derart den Du mir geschrieben hast, seit wir uns wieder gehören – unter den ersten verschollenen waren mehr dergleichen. Der erste kam gleich nach Dicomano, da sprachst Du von der ersten Nacht Deines 85
Mit Bezug auf den oben mit Anm. 81 zitierten Brief Heymels an Winsloe vom 2. 12. 1912.
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Lebens in der Du im weissen Monde liegend nicht schlafen konntest vor übergrosser Seligkeit. Den zweiten schriebst Du kurz ehe Du von Florenz weggingst, darin redetest Du von Deiner Jugend und sagtest, ›ach hab mich lieb.‹⁸⁶ Dies ist der Dritte. Willst Du wissen wie ich so etwas lese, Deine Briefe überhaupt lese? Wenn ich das Couvert abgerissen habe, sehe ich zuerst nach den letzten Worten: da hab ichs gleich mit einem Blicke, was gewissermassen Dein allerletztes Leben, Deine allerletzte Stimmung gewesen ist, und ob Du mich ein wenig lieb hattest, als Du den Brief schlossest. Ist es ein Brief wie dieser letzte, so fange ich dann an zu lesen lese die Anfangsworte, verstehe die auch noch, aber dann weiter nur noch mechanisch mit den Augen, und verstehe nichts mehr; merke es, nehme mich zusammen, verstehe wieder einen Satz, und bin gleich wieder in dieser übertäubten, traumhaft ohnmächtigen gebannten Trunkenheit. Ich lege den Brief fort als hätte ich ihn mit den Sinnen, statt mit den Augen gelesen, und sitze oder stehe in langsam sich lösenden Gedanken an Dich. Ist Dir gegen sechs Uhr Nachmittags nicht manchesmal beklommen, als zöge etwas an Deiner Sphäre? Ist Dirs je so, so denke, in der weiten Ferne ist eine Seele auf Knieen der Du alles hingenommen hast, womit sie anderm gehörte und nichts gelassen als das dumpfe kurze Aufschluchzen übermässiger Sehnsucht, übergrosser Seligkeit. Das ist die Stunde, nachdem ich Deinen Brief überflogen habe, und bevor ich ruhig genug bin ihn zu lesen, Wort für Wort, Satz für Satz mit langen auskostenden Pausen. Du giebst mir die Gesten ein ich thue sie wie gezogen nach. Ich sitze bei Dir, fühle deine Stirn, gebe Dir das Getränke, schlichte die Decken. Deine Augen fallen ein wenig zu, ich sage ›soll ich gehen, willst Du ruhen‹ wie damals, und Du schüttelst heftig den Kopf, wie damals, wie ein leidenschaftliches kleines Kind. Da bleibe ich sitzen, reglos, und sehe Deine langen Wimpern zittern, bis sie sich legen und ruhen, ziehe die Bewegungen und Flächen von Deinen Schläfen zur Wange, von der Wange zu den Lippen, zu Kinn und Hals nach wie man sie am Marmor abfühlt. Ich darf Dich nicht berühren und doch liegst Du wie in meiner Hand. Ich darf Dich nicht küssen und doch bist Du in dem ersten Schlaftauch durch meine Liebe wie im langsam aushauchenden Kusse hinübergeschwunden, und wenn Du auch nichts von Dir weisst, so weiss Dein Schlaf das stille Wachen des Mannes, dem Du Dich anvertraust. Nun schläfst Du fest, langsam löst Du Dich auf, langsam trennen sich die geliebten sanften Lippen ein wenig von einander, stetig sinnt und steigt die feine Brust. Ich regele den Atem nach Deinem Atemzuge um Dich nicht zu stören. Meine Gedanken an Dich werden tiefer, dunkler, einfältiger; noch ein Augenblick, und es sind nur noch Gefühle – Gefühl Deiner rührenden Reinheit, Deiner grundlosen Güte, Deiner zarten Schwäche. Gefühl des Ergreifenden 86
Zur unmittelbaren Reaktion auf diesen Brief vgl. den ersten Teil von Nr. 246: Briefe, S. 455−457.
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in Dir, Deines Ernstes, Deiner Untrüglichkeit, Deines ständigen Kampfes um die Wahrheit und ein Heiliges. Gefühl der blossen geheimnisvollen Bezauberung die Du aushauchst. Dank. Vorsatz. Hingabe. Heisse blindmachende Sehnsucht tiefster Angehörigkeit, sekundenlang, aufgehend in etwas was keinen Namen mehr hat, so ganz dicht bei Gott ist es. Du wachst auf und langst nach meiner Hand, sie schliesst sich um die Deine, Du siehst mich an. So lese ich, lebe ich Deine Worte. Denke nie ich könne nicht verstehen was in Dir ist. Ich lerne Deine Sprache während Du sie sprichst wie ein Kind die des Ausländers. Was ich Dir sein kann, kann mir nicht ferne liegen. Schwärmerei soll es sein was Dich in den Kirchen trostreich anhauchte? Stätten an denen seit Jahrtausenden der Trost haftet, den Menschen unserer Art im Aufblick zu ihren Lebensmächten errungen und gefunden haben, Stätten, in denen jede sinnlich aufnehmbare Form treffe sie das Auge oder Ohr oder den innern Sinn, vollkommener schlichter Ausdruck dieses uralten Menschheitstrostes geworden ist, reduzieren uns in einem Momente auf das was wir mit der Menschheit teilen und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, auf das Erhabenste in uns, in seinem Verhältnis zu unsern Lebensmächten. Aber ich bin auch diesen bäuerlichen Feldprocessionen nicht bös. Ich kenne die Leute und ihr Feier- und Singbedürfnis, ihr Bedürfnis nach diesen Symbolen des Massenbittganges, nach wahrer ›Begehung‹ des Sonntages. Ich sehe gern die Fahnen im Felde auftauchen, höre gern den auf und abschwebenden Chor. Sei bedankt für den Brief, für Dich, für alles, lieber liebster Mensch. Sei bedankt dafür dass Du mir sagst, an welche Hand Dich meine, an welche Liebe Dich meine hat denken machen. Nichts Himmlischeres konntest Du mir geben. Soweit die Liebe des Mannes der Deine Seele von Dir für seine will, mit der Liebe gleichen Namens sein kann, die Dir eine Seele gab, soll sie versuchen, diesen täglich geschändeten und entehrten Namen ehrlich zu machen. In einem ist sie jener gleich, wenn in nichts anderm. Im Opfer. Du hast, seit Du keine Mutter hast, keinen Menschen gehabt, dem Du der Lebenswert selber bist dem es selbstverständlich ist, Dein Leben mit seinem Leben zu decken, gegen Tod und Hölle. Mich, wie eine Mutter, kannst Du sehr kränken und betrüben, aber nicht verlieren aber nicht vertreiben. Ich komme wieder. Ich bin ja wieder gekommen. Gut Nacht, − mein Geliebtes. C. [Anfang Juli 1913] [Briefkopf: Villa Mansi / Monsagrati / Lucca] Ich weiss doch nicht ob es mich sehr gestört hätte, wenn Du vom Tango zu etwas wilderen, weniger philisterhaften, und mit einem Worte individuelleren Gegenständen übergegangen wärest. Ich habe nichts dawider Dich mir vorübergehend in schreiend komischem Kontraste zu Deiner Umgebung vorzustellen – sagen wir zum Beispiel in ein Wesen verkleidet das in dies triste Philisterloch, das Odeons-
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casino passt, zwischen diese als Weltdamen costümierten langweilig roten Provinzweiber, diese entsetzlich verderbt, elegant und frech thuende jeunehommerie, von der jeder einzelne für sich genommen abwechselnd ein Prachtkerl oder ein Dümmling ist. Da hast Du geglaubt Dich amüsieren zu können, – ›übermütig‹? Gute Christa. Die Orte, wo deutsche Kleinstädte vor sich selber Grossstadt und lasterhaften Schimmer spielen, sind nicht amüsant. Bourgeoise Damen, die sich wie Cocotten anziehen und benehmen, sind nicht verführerisch und werden von jedem der das Laster zu schätzen weiss empört abgelehnt. Dies öde Lokal, von dem ich übrigens glaubte es sei aufgehoben, (nicht weil es gegen die Sitten, sondern weil es gegen die Hoheitsrechte echter Unanständigkeit verstösst) ist ein typisches deutsches Produkt: ein Rahmen ohne Bild. Weil Paris und Rom und Petersburg und bis zu einem gewissen Grade Berlin ihre Rasereien und ihren bunten Abschaum irgendwie haben encadrieren müssen, damit er sich zusammenfinden kann, darf München − das schuldet es seinem Rufe – nicht zurückstehen. Die Rasereien etc. sind nicht zu beschaffen; aber ein Cadre kostet nur das Geld dessen der welches zu verlieren hat. Und da steht er über Nacht herausgewachsen da, halb Spielhölle, halb Bonne Hôtesse, halb Freudenhaus – prachtvoll wenn die homogenen Raubtiere und andere fre[c]hen Bestien die Käfige füllten, vergeuderisches, juwelenbeladenes üppig hässliches erregtes Pack, mit den Geberden des Sich Kaufens und Sich Verkaufens, mit dem Lebenshintergrunde erraffter und erkämpfter Vermögen, mit dem Hintergrunde der riesigen Spekulantenbörsen, der riesigen Frauenmärkte die sich Theater nennen, der riesigen fernen Weltteile wo Geld gemacht wird und nichts wert ist – Rumänien, Argentinien, Californien, Südafrika. Was confluiert ins Odeon Casino? Provinz Kränzchen in denen alle sich kennen und jeder weiss wie viel der Andere in der Tasche hat. Frau Pringsheim⁸⁷ hat dort ihren – Klatsch und Schrenck Notzig – ich hätte fast gesagt, seinen Stammtisch. Getanzt wird auch; man markiert vor einander herbe gelassene Gemeinheit mit unzureichenden Mitteln. Und man wirkt, durch den Contrast zum Rahmen, viel timider, als man zwischen den eigenen vier Wänden wirkt, und im Grunde ist. Vielleicht ist die eine oder andere von diesen Frauen im Herzen wirklich eine geborene Cocotte, feil, frevelhaft, nichtswürdig und charmant; aber kaum über die rote Schwelle getreten wird sie eine Madame Bovary der Débauche, starr und uninteressant. Nein, Christa, die Orte, wo man sich mondän amüsiert sehen anders aus. Die Orte wo der Tango hingehört, sind fast so stilvoll echt, wie die argentinischen Verbrecherkneipen wo er erfunden
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Hedwig Pringsheim wird schon in einem Brief an Karoline Ehrmann vom 19. 2. 1905 als abschreckende Repräsentantin der gebildeten Münchner ›Gesellschaft‹ genannt (Rudolf Borchardt, Briefe 1895−1906, S. 284). Borchardts Familie war mit der Familie Pringsheim eng verbunden.
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ist und herstammt. Es sind vielleicht Orte wo Du nicht allein hingehen möchtest. Aber enfin, es ist kein Kriterium für das interessante oder uninteressante eines Ortes ob ein junges Mädchen, selbst das kaltblütigste, alleine hingehn kann. Und so bist Du, wenn Dein Unglück will, dass Du in München eine übermütige Stunde hast, auf Localitäten angewiesen, deren Greulichkeit eine ganz nüchterne ist. Auch das passt ins heutige Deutschland, von dem Rudi eben schreibt, ›es ist eine kalte Hölle‹.⁸⁸ Ich habe gar nichts gegen die Höllen, aber sie sollen voll Verdammter, voll echter und lustiger Teufel, und voll gefallener Engel sein, und auch dann bin ich für die heissen. Darum wäre es so schön gewesen, wenn Du plötzlich den Odeons-Casino Domino gelüftet und mir Deine schönen lachenden Augen gezeigt hättest; denn ich liebe Deine lachenden fast noch mehr als Deine ernsten, und das will viel sagen – Deinen Übermut fast noch mehr als Deine Harmonie und das ist fast übermenschlich. Aber Christas Lachen, Christas Übermut, und diese jämmerlichen Langeweil-Vergnügungen Grinsender, die sich forcieren? Es ist wie die Figaro Ouvertüre von Blechen in eine Music Hall hinausgespieen, oder wie ein Stück Sommernachtstraum in Kino-Scheinwerfern zuckend wie ein Bündel galvanisierter toter Frösche. So habe ich den Schreibtisch aufgeschlossen und aus dem Geheimfach deine alten Briefe geholt,⁸⁹ eine Viertelstunde drin gelesen. Mondlicht und Mittagssonne, Morgenkühnheit und Abendfrieden auf einmal, schwebte mir draus ins Innere. Warum habe ich denn überhaupt noch von dem wüsten Zeug geschrieben? Ich glaube ich wollte nur auf ein Wort, eine Bitte hinaus: ›Fort fort, Christa!‹ So schnell Du kannst fort aus dieser Sphäre in der nichts Gutes für Dich ist und je gewesen ist. Und so lang Du nicht fort kannst, im Geiste schon fort sein! Nur körperlich, nur als ein Appendix Deiner Zähne noch da sein! In Deiner heutigen Phase ist dies München für Dich nur gefährlich, und nur im Sinne der innerlich wertlosesten Gefahren gefährlich, nicht derjenigen in die zu begeben sich lohnt. Fühlst Du denn nicht, wie alles Elende, das Dich ehemals als eines seiner Produkte, als mitteilhaftig an seiner Färbung angesehen hat, − an dem [Du] Dich gerissen hattest und das Du verachtetest, die Arme wieder nach Dir aus[s]treckt und Dich zurück zu haben meint? Wir wissen beide, dass es ihm nicht gelingen wird, Du bist fest, und ich bin auch über die ungeheure Entfernung hin, und obwol nur dies Blatt in Deiner Hand liegt, nicht meine warme Hand sich um die Deine schliesst, fest genug. Aber diese Deine Festigkeit sollte sich nicht sofort wieder
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An Borchardt, 30. 6. 1913, in: Rudolf Borchardt / Rudolf Alexander Schröder, Briefwechsel 1901–1918, S. 546. Zur Einschließung der Briefe in einen Kasten vgl. Borchardts Schreiben vom 29./30. 6. 1913: Briefe, S. 539.
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gegen das schlechte und gutmütig thuend Nichtswürdige verteidigen müssen; und gegen die allgemein verbrüderte und verschwisterte Schwächlichkeit, Feigheit, und Entwurzelung Position nehmen. Ich war heut den ganzen Morgen wie vergiftet vor Schmerz und Ingrimm. Jemand aus München war hier – der Name thut nichts zur Sache, einer der gewöhnlichen Visitanten, die auf einer Reise jede Personalien Chance ausnutzen – das Gespräch war nicht auf sachlichem Gebiete festzuhalten und déraillierte immer wieder auf Persönliches, und plötzlich nennt er unter denen die in München sind, und die ich etwa kennen kann, − ›Kreis Heymel‹ auch Deinen Namen – ›ist auch wieder da‹, in einem Tone der vielleicht gar nicht so unverschämt gemeint war, wie er auf mich wirkte, der mich aber so ausser mir brachte, dass ich den Menschen so gut wie hinauswarf, das heisst mit drei Worten unter dem Vorwande dringender Beschäftigungen verabschiedete, die Klingel zog, und ihn dem Mädchen überliess, ohne ihn hinaus zubegleiten. Das tangiert Dich nicht, dafür kannst Du nichts, und wenn ich gegen jeden lumpigen blackguard, der einen edlen Namen durch seinen unsaubern Mund zieht, den Degen halb aus der Scheide haben müsste, wäre der Don Quixote bald fertig. Aber dass mein Allerheiligstes, der mit Leiden und Wonnen im Schlafen und Wachen angebetete, ersehnte, gesegnete und bedankte Mensch, dessen Dasein auf Erden für mich ein Element Göttergabe wie Sonnenschein und Regen ist, dessen Fusssohlen in meinen Händen zu tragen, dessen Haupt an meine Brust zu betten, dessen Hände auf meinem Kopfe, dessen Blicke auf meinem Werke zu fühlen ein Gedanke ist der mich über die Sterblichkeit emporschnellt – dass meine adlige und demütige, grundlos gütige, grundlos lautere Christa dem Gesindel das mir zwischen den Füssen wuselt, ein Typus sein soll, ein Typus dessen, womit sie aus Bequemlichkeit oder Spielerei dann und wann eine Äusserlichkeit geteilt haben mag, ein Typus dessen was ich zur Vernichtung hasse, wie soll ich das ertragen, ohne zu bersten? – Still davon; es ist meine Sache, nicht Deine. Aber lass Dir zureden, mein Herz, mein Alles, und sei in dieser Sphäre, in dieser faulen kalten Höllenbolge nicht die Auslage, in die jeder Lümmel gucken darf, sei so geheim wie Du kostbar und selten bist. Meine Liebe bittet Dich darum mit allem Besten Reinsten Heiligsten, was sie hat, mit allem dem wodurch sie mit der höchsten Liebe eines ist die Du je besessen hast. Verzeih dieser meiner leidenschaftlichen Liebe zu Dir meine leidenschaftliche Sorge für Dich, mein Mitbeben in allem, was Dich trifft. Verzeih meinem armen Munde, der nie andere als Liebes-Trost Dank-Worte, Worte der Hingabe und Lobpreisung für Dich haben will, wenn heut irgend eines seiner Worte Dich gekränkt hat. Es kommt aber aus dem gleichen Grunde, für den ich keinen Namen habe, und keinen suche. Deiner.
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D. [Mitte Juli 1913] [Briefkopf: Villa Mansi / Monsagrati / Lucca] Seit ich darauf gefasst bin, nichts von Dir zu hören, ist mir nicht wohl, wenn ich nicht von mir aus mit irgend etwas Sichtbarem an Dir hange. Sonst, wenn ein Brief von mir fort war, fühlte ich den Gegenbrief durch die grosse Ferne ihm entgegenschweben und war durch eine Geisterrührung Deines Gedenkens schon ergriffen, ehe er noch in meinen Händen war. Jetzt schneidet mich das expedierte Schreiben gewissermassen von Dir ab, und ich muss nur geschwinde ein neues beginnen um den Faden mir um den Knöchel geknüpft zu wissen, an dem ich so gerne, so leidenschaftlich gern Dein Eigner und Dein Besitz bin. Dies schreibe ich heut Abend weiter. Für jetzt ist es ein kurzer Glücks Seufzer zwischen der Arbeit, ein Hauch lautwerdender Sehnsucht neben so vielen andern, die lautlos untergehen. – Meine Conception ist im starken Flusse, die Blätter häufen sich um mich her, und der Zwischengedanke an Dich hat nichts Zerstreuendes und Ablenkendes. Da Dein Feuer mir überhaupt die Suppen kocht, ist alles Dich betreffende, was ich zwischenein denke, immer auch zur Sache gedacht. Und wieviel erzähle ich Dir innerlich, um es mir selber ganz deutlich und lauter zu machen! Hätt ich Dich jetzt hier, es sollte nicht nur geküsst werden, und wäre drum doch nicht ein Hauch weniger Liebe, Angehörigkeit, Vereinigung, selbst Leidenschaft in meinem Wesen mit Dir, das Dich und Deines umschlänge. – Sag aber nicht wieder ›Du bist ganz weit weg‹; sondern sehne Dich noch ein wenig, noch ein klein wenig mehr nach mir, als in diesen Worten liegt, − und Du hast mich näher: Ich weiss, Gegenwart ist das einzige Glück, das uns fehlt; die Menschenseele ist nun einmal drauf angelegt, dass sie nur aus etwas was ihr fehlt, sich wahren Besitz machen kann; aber dazu muss es ihr sehr fehlen – Lieber Engel liebster, ich habe eine unverschämte Bitte. Gib mir was Neues von Dir, was eine Weile bei Dir gewesen ist. Die alten Amulette sind für mich noch ganz was sie waren, aber die letzt geborene frischeste Minute ist immer die schönste und wie ich Dir jetzt wenn ich bei Dir wäre, das Tuch aus dem Gürtel und die Blume aus der Blouse stehlen würde, so lass mich was Letztes haben, süss wie den ›letzten Brief‹ der auch immer der süsseste ist. Ein Nichts thuts, ein Bändchen aus deiner Wäsche, ein Faden Deines Strumpfs, irgend ein närrischer Unsinn. Lache nur über den grossen ›weisen‹ Narren; der in fünf Minuten hence wieder die ernstesten Sachen denken und schreiben wird – Diese sind ihm nicht minder ernst, aber von aussen mögen sie sich anders ausnehmen. Dies küsse ich und bin fort von Dir. Abends Denk Dir einen Abend wie Du sie in Maiano noch erlebt haben magst, die Sonne herunter, die leuchtende Luft halb veilchenhauchig blaugrau, halb rosenhauchig
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golden, erste Sterne überm Grün die so zittern als wollten sie aus der Fassung fallen, Fledermäuse rastlos streifend, Eulen quietschend und lamentierend, Bauern die wie stille Schatten feiertägig langsam durch den Garten gehen, das Haus immer körperloser strahlend immer geisterhafter blinkend, und so langsam jeder Stoff sich aufhebend, jede Materialität aufgetrunken von Atmosphäre, Nacht schwellend, schwarzer durchsichtiger Purpur wachsend, Balsamwind, surrende Riesenfalter, Silberdämmerung, Mondahnung – ah! So bin ich mit Dir eben zwischen meinen langen Beeten gegangen, Du hattest zuerst den Arm ganz leicht in meinem, wie Du so gerne thust, und dann um meine Schultern. Wir waren nicht geprächig, und sagten nur soviel Worte als genügten uns fühlen zu machen, dass wir das gleiche dachten. Weisst Du noch was es war? Da es drei Tage her sein wird, wenn diese Frage zu Dir kommt, darf ich schon fragen. Wir dachten, wie schön es sein müsste, einen Garten und Blumen zusammen zu haben, der uns beiden allein gehörte, den wir nach langen Beratungen, nach langem sichgegenseitig-Überzeugen und Nachgeben anlegten, und mit Säen, Verpflanzen, Erziehen zu einem Gleichnisse unserer traumhaftesten Freuden machten. Dass es schöner wäre, wenn der Garten an einem Hause wäre, in dem wir zusammen gingen, ässen und arbeiteten, und wenn das Haus im mittsten [sic] Punkte eines grossen Lebens wäre, das wir stolz und kräftig zusammen lebten, das wussten wir, aber wir wollten es vergessen, − nein wir waren selig es vergessen zu haben. Wir waren ja gar nicht wirklich da, zwischen den langen Beeten aus allen Farben und Düften, Du nicht – ich auch nicht. Ich hatte Dich zum Körper neben mir machen wollen, da warst Du gekommen und hattest mich zum Geiste neben Dir gemacht. Da waren wir glücklich wie nie zuvor und dachten den Garten von uns beiden. Wo? auf den Inseln. Aber sonst mit den Blumen dieser Erde, Akeley und Eisenhut, Kaiserkronen und Jakobslilien, Rittersporn, Skabiosen, Brennender Liebe und Unglücklicher Liebe, Jungfer-im-Grün und Hängenden Herzen. Um Fingerhut und Königskerze herum Wellen von leidenschaftlichem Phlox, um hohe Glockenblumen und Lupinbüsche bleiche Völklein von Strauch Anemonen. Ich pflückte sie Dir alle und fragte dazwischen mit den Augen; bei jeder sagtest Du ›ja‹. Das müssten wir als Lebendige haben, was wir da als Geister hatten, und den Strauss der jetzt so prachtvoll stumm und einsam vor mir neben Deiner weissen Hand⁹⁰ steht, hätte ich Dir nachher in der Dämmerung in den Schooss schütten müssen damit Du ihn ordnetest, und bei Dir knieen und Dir Formen und Farben zurichten und reichen. Dazwischen wärest Du langsam vor meinen Augen ein Stück des dumpfschönen Abends selber geworden, eine Schwester der dunkelnden Blumen, eine unbegehrbare Offenbarung, ergreifend über sich
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Gipsabguss von Winsloes Hand, erwähnt auch in: Briefe, S. 435 u. 537.
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selbst geneigt; und die Lampen wären zu frühe gekommen, und selbst noch der Mond zu balde. Wären. Denn mit ins Haus hast Du nicht kommen wollen. Als mein Schritt auf den Thorplatten hallte, küsstest Du mich so schnell dass ich es erst fühlte wie Du fort warst; und da erst, glaube ich, hallte mein Schritt wirklich, und ich war auch fort, − vielmehr ein anderer war da, der dann ins Haus ging, einen Blumenstrauss in der Hand, und den ins Wasser besorgte, und der [d]aheim war; das ist der, der Dir jetzt schreibt, und sich grämen würde wenn er Dir nicht schriebe. Dass er so mit laufender Feder seine Gedankengefühle durch Dich hinwerfen kann wie ein Weberschiffchen durch die Kette fliegt, und Geweb machen darf aus Leere, nimmt das Düstere rein von ihm und heiligt ihm sein schweres Herz und seine schwere Zeit; lässt sein schweres Glück aufgehn wie Mond. Ich liebe Dich. Weisst Du noch, Christa, wie ich im ersten Briefe den ich von hier wieder schrieb, so ernsthaft drüber war, dass ich Dir künftighin nicht mehr sagen dürfe, dass ich Dich liebe, wie ich Dich liebe? Und siehst Du nun, wie ich meinen Vorsatz halte? Ich liebe Dich, ich liebe Dich. Was ich bin und habe, bin und habe ich um Deinetwillen, was ich um Deinetwillen nicht sein und haben kann, dorrt an mir ab, und fällt. Der Strom des Lebens schickt ihm keinen steigenden Saft mehr zu, wie an Pflanzen nicht mehr dem Triebe, dessen Blüte hin ist. Wo Du mit mir bist, drängt sichs an mir voll Knospen, − zum Ängstigen schwer. Mir zittert das Herz in der Brust dabei, manchmal, es verfängt mir den Atem. Und ich darf zu keinem sprechen. Stossgebet, Stossseufzer, Stossgesang, − sonst nichts was mich befreit. Besser so; so muss eben alles, alles dahinein. Gut Nacht, Liebstes. Wie schriebst Du neulich? ›Grüsse, Grüsse – und mehr‹. Lass nichts Dir ablernen, nachsprechen. Und mehr? Bloss mehr? Alles. [Zeichen] Sieh Dir diese Sigle an. Das [Mitte des Zeichens] zugleich h von Ch und erster Teil eines W; für solche die Ch = Christa lesen, das W im ganzen Umrisse. Solche Schnörkel finden ist meine Liebhaberei. Darf ich Dir danach Stempel schneiden und Briefpapier machen lassen, oder soll ich suchen, bis ich etwas Schlagenderes finde, was sehr möglich ist. Wenn Dirs recht ist, gieb Format und Farbe an, weiss oder bläulich oder gelblich. Mir fällt allerdings eben ein, dass Du Papier mit dem Greifen hattest, und lieber das wiederholt möchtest. Ganz wie Du willst!
norbert christian wolf
anklänge und ansichten, ›high‹ gegen ›low‹ Intertextuelle und intermediale Bezüge in Kafkas Kurzprosastück Auf der Galerie
In den vergangenen Jahren hat sich die Intermedialitätsforschung intensiv mit Kafkas Erzählwerk beschäftigt und sich dabei vor allem dessen Beziehungen zum seinerzeit ›neuen‹ Medium des Films gewidmet.¹ Der reiche Ertrag der jüngeren und jüngsten Arbeiten zu Kafka und dem Kino verdankt sich insbesondere dem Augenmerk auf die Sprengung ›eingeschliffener‹ Wahrnehmungskonventionen – auf die ›Revolution‹ der Sehgewohnheiten, deren literarische Adaptation es dem Autor erlaubte, innovative Erzählverfahren zu erproben und auf suggestive Weise ins Werk zu setzen. Nun galt der für Kafka als Anreger fungierende Film zu seinen Lebzeiten noch keineswegs als ›legitime‹ Kunst, wenn man ihn an den Kriterien misst, die der Soziologe Pierre Bourdieu in seiner Einleitung in die Gemeinschaftsarbeit Un art moyen (1965) über die »sozialen Gebrauchsweisen der Photographie« exponiert hat; dort heißt es, die traditionsgesättigte und traditionsbildende ›legitime Kunst‹ sei im Gegensatz zur zumindest scheinbar traditionslosen ›illegitimen Kunst‹ dadurch gekennzeichnet, dass ihr 1. »etwas ganz und gar Weihevolles« anhaftet, dass sie 2. »technisch wie ökonomisch« nicht »jedermann zugänglich erscheint« und 3. dass »diejenigen, die sich ihr widmen, von sich selbst […] das Gefühl haben, an einem System expliziter und kodifizierter Normen gemessen zu werden, das die legitime Praxis im Hinblick auf ihren Gegenstand, ihre Anlässe und ihre Modalität« relativ dauerhaft festgelegt hat.² Als Kriterium gilt darüber hinaus der Grad an institutioneller Ver1
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Pars pro toto seien drei neuere Arbeiten genannt: Peter-André Alt, Kafka und der Film. Über kinematographisches Erzählen, München 2009; Anne Brabandt, Franz Kafka und der Stummfilm. Eine intermediale Studie, München 2009; Uta Degner, »Filmischer als der Film«. Filmbeziehungen bei Kafka und Brecht aus dem Blickwinkel der Feldsoziologie, in: Grauzonen. Positionen zwischen Literatur und Film 1910–1960, hg. von Stefan KepplerTasaki und Fabienne Liptay, München 2010, S. 237–256. Pierre Bourdieu, Einleitung, in: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, hg. von Pierre Bourdieu, Luc Boltanski, Robert Castel, Jean-Claude Chamboredon, Gérard Lagneau und Dominique Schnapper, Frankfurt am Main 1981, S. 11–21, hier S. 18.
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ankerung der jeweiligen Kunstformen in den etablierten schulischen und akademischen Curricula sowie die daraus resultierende »prompte und unmittelbare gesellschaftliche Rentabilität«, die ihre Kenntnis verheißt.³ Es handelt sich dabei um rezeptionsästhetische beziehungsweise wirkungssoziologische Kategorien, denen auf Seiten der künstlerischen Produktion ein historisch akkumuliertes Maß an inhaltlicher, formaler und technischer Differenziertheit, Komplexität und Reflexivität entspricht.⁴ Weniger intensiv, ja fast gar nicht beschäftigt hat sich die intermedial interessierte Kafka-Philologie mit einem anderen Phänomen medialer Grenzüberschreitung – oder, um die einschlägige Begrifflichkeit Irina Rajewskys und Werner Wolfs zu verwenden – ›intermedialer Bezüglichkeit‹⁵ beziehungsweise ›intermedialer Transposition‹:⁶ Die Bezüge von Kafka-Texten zu Werken der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei, die als ›altes‹, längst etabliertes Medium per se keinem Legitimierungsdruck ausgesetzt war, wurde in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit der Frage nach der Entwicklung seiner textuellen Verfahrensweisen kaum beachtet.⁷ Genau damit setzen sich die folgenden Überlegungen auseinander, die gleichwohl nicht allein nach text- und mediengrenzenüberschreitenden Bezügen fragen, sondern auch nach solchen zwischen ›legitimen‹ und ›illegitimen‹ Sujets und Verfahrensweisen. Spätestens seit Baudelaire und Flaubert fungiert der die traditionelle Ordnung der genera dicendi sprengende 3
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Pierre Bourdieu, Kult der Einheit und kultivierte Unterschiede, in: Ebd., S. 25–84, hier S. 54. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass unter ›legitimer‹ Kunst keine normative Setzung, sondern stets deskriptiv eine unter bestimmten geschichtlichen Bedingungen gesellschaftlich ›legimitierte‹ Kunst zu verstehen ist. Vgl. dazu Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main 1999, bes. S. 384–386. Irina O. Rajewsky, Intermedialität, Tübingen 2002, S. 16–19 u. 199. Vgl. Werner Wolf, Intermedialität. Ein weites Feld und eine Herausforderung für die Literaturwissenschaft, in: Literaturwissenschaft. Intermedial. Interdisziplinär, hg. von Herbert Foltinek und Christoph Leitgeb, Wien 2002, S. 163–192, hier S. 171. Vgl. aber folgende ältere Arbeiten: Heinz Ladendorf, Kafka und die Kunstgeschichte, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 23, 1961, S. 293–326; ders., Kafka und die Kunstgeschichte II, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 25, 1963, S. 227–262; Hartmut Binder, Anschauung ersehnten Lebens. Kafkas Verständnis bildender Künstler und ihrer Werke, in: Was bleibt von Franz Kafka. Kafka-Symposion Wien 1983. Unter Mitwirkung von Georg Kranner, hg. von Wendelin Schmidt-Dengler, Wien 1985, 2. Aufl., S. 17–41; Jiři Kotalik, Franz Kafka und die bildende Kunst, in: Kafka und Prag. Colloquium im Goethe-Institut Prag. 24.–27. November 1992, hg. von Kurt Krolop und Hans Dieter Zimmermann, Berlin/New York 1994, S. 67–81. Instruktiv jetzt der knappe Überblick von Marina Rauchenbacher, Franz Kafka, in: Handbuch der Kunstzitate. Malerei, Skulptur, Fotografie in der deutschsprachigen Literatur der Moderne, hg. von Konstanze Fliedl, Marina Rauchenbacher und Joanna Wolf, Band 1: A–K, Berlin/ Boston 2011, S. 383–386; dort auch weitere Hinweise auf die verstreute Sekundärliteratur.
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Rekurs auf ›abjekte‹, sozial diskreditierte Gegenstände im Verein mit deren anspruchsvoller künstlerischer Behandlung gemeinhin als Signum ästhetischer Avantgarde. Neben den in den vergangenen Jahren intensiv diskutierten medialen Differenzen gilt deshalb auch den seit geraumer Zeit eher vernachlässigten sozialen Distinktionen bei intermedialen Grenzüberschreitungen ein besonderes Interesse. Anhand einer Mikroanalyse des noch zu Lebzeiten Kafkas veröffentlichten Kurztextes Auf der Galerie – des »bekannteste[n] Beispiel[s]« seiner »mögliche[n], aber zweifelhafte[n]« Bezugnahmen auf ›reale‹ Kunstwerke in seinem Werk⁸ – soll im Folgenden die Fruchtbarkeit einer intensivierten Beschäftigung der Kafka-Philologie auch mit Bildlichkeit und bildender Kunst demonstriert werden.⁹ Die intramediale beziehungsweise medieninterne, also literaturgeschichtliche Bedingung der Möglichkeit einer sinnvollen medienübergreifenden Fragestellung besteht freilich zunächst in einer einlässlichen Rekonstruktion der intertextuellen ›Reihe‹,¹⁰ in der sich der fragliche Text befindet – unabhängig davon, ob ›Einflüsse‹ konkret nachweisbar sind. Damit wird sich der erste Teil des vorliegenden Beitrags beschäftigen (I.), während dessen zweiter Teil die Funktionalisierung der intermedialen Grenzüberschreitung angesichts der literarischen Gattungsvorgaben genauer zu bestimmen und einzugrenzen versucht (II.).
INTERTEXTUELLES Das dezidiert ›moderne‹ Genre der Kurzprosa¹¹ lässt sich grosso modo auf zwei aus dem neunzehnten Jahrhundert stammende Traditionslinien zurückführen, die ihrerseits jeweils eine Seite der überkommenen ›high‹/›low‹-Opposition verkörpern: das ›niedere‹, plauderhafte und vorgeblich kurzlebige Feuilleton 8 9
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Ebd., S. 383. Das Kurzprosastück Auf der Galerie ist von der Forschung intensiv behandelt worden, wobei die meisten der bisherigen Analysen und Interpretationen jeweils bestimmte der im Folgenden integrativ betrachteten Aspekte fokussieren; sie werden hier deshalb nur dort angeführt, wo sie einschlägig sind. Im Sinne des Modells von Literaturgeschichte nach Jurij Tynjanov, Über die literarische Evolution [russ. 1927], in: Russischer Formalismus. Texte zur allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa, hg. von Jurij Striedter, München 1994, 5. Aufl., S. 433–461. Dazu insgesamt: Moritz Baßler, Kurzprosa, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Band 2: H–O, […] hg. von Harald Fricke, Berlin/New York 2000, S. 371–374, bes. S. 372 f.; Dirk Göttsche, Kleine Prosa in Moderne und Gegenwart, Münster 2006. Speziell bezogen auf Kafka vgl. folgenden neueren Sammelband: Kafka und die kleine Prosa der Moderne. Kafka and Short Modernist Prose, hg. von Manfred Engel und Ritchie Robertson, Würzburg 2011 (=Oxford Kafka Studies 1).
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einerseits,¹² das ›hohe‹, preziöse und intendierterweise wertbeständige Prosagedicht andererseits.¹³ Die Opposition reproduziert sich bezeichnenderweise auch innerhalb der Gattungstradition des ›hohen‹ Prosagedichts selbst: Wie schon angedeutet, sind bereits die Petits poèmes en prose von Charles Baudelaire, die einen Ausgangspunkt dieser ›literarischen Reihe‹ bilden, von einer konstitutiven Spannung zwischen ›hohem‹ Stil und ›niederen‹ Gegenständen gekennzeichnet.¹⁴ Dies hat sowohl inhaltliche als auch rezeptionsprogrammatische Auswirkungen, denn die dezidiert modernistische Ästhetik der Vergänglichkeit beziehungsweise Flüchtigkeit, der ein bevorzugter Bildbereich von vorüberziehenden Wolken¹⁵ über wegfliegende Luftballons¹⁶ bis zu platzenden Seifenblasen¹⁷ entspricht, steht in Opposition zur klassizistischen Ästhetik des Ewigen,¹⁸ 12
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Vgl. Ulrich Püschel, Feuilleton2, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte, Band 1: A–G, […] hg. von Klaus Weimar, Berlin/New York 1997, S. 584–587. Vgl. dazu Els Andringa, [Artikel] Prosagedicht, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte, Band 3: P–Z, […] hg. von Jan-Dirk Müller, Berlin/New York 2003, S. 172–174. Vgl. Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 103–114; ders., Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft, Frankfurt am Main 2001, S. 107–117; vor allem aber Thomas Becker, Subjektivität als Camouflage. Die Erfindung einer autonomen Wirkungsästhetik in der Lyrik Baudelaires, in: Text und Feld. Bourdieu in der literaturwissenschaftlichen Praxis, hg. von Markus Joch und Norbert Christian Wolf, Tübingen 2005 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 108), S. 159–175. Eine vergleichbare ästhetische Strategie diagnostiziert Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 157–166, an Baudelaires Zeitgenossen Flaubert. Vgl. den dialogischen Eröffnungstext L’étranger/Der Fremdling aus Le Spleen de Paris (1869), in: Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe in acht Bänden, hg. von Friedhelm Kemp und Claude Pichois in Zusammenarbeit mit Wolfgang Drost, München/Wien 1975–1989, Band 8, S. 118 f., in dem der »seltsame[ ] Fremdling«, der alle Freuden der Welt verwirft, schließlich feststellt (in deutscher Übersetzung): »Ich liebe die Wolken … die ziehenden Wolken … dort … dort in der Ferne … die wunderbaren Wolken!« Vgl. etwa das Prosastück Im Volksgarten, in: Peter Altenberg, Wie ich es sehe, Berlin 1904, 4. Aufl., S. 262 f., in dem das »arme Mäderl«, das einen geschenkten und mit Helium gefüllten Ballon so lang im Zimmer behalten hat, bis er »als ein schwarzes Säckchen« vom »Plafond« fiel, abschließend träumt: »Ich hätte ihn auslassen sollen, in den blauen Himmel, ich hätte ihm nachgeschaut und nachgeschaut – – –!« In seinem Feuilleton Literarische Chronik (August 1914) umschreibt Robert Musil die Poetik von Kafkas erster selbständiger Veröffentlichung Betrachtung (1913) als »Kontemplation in einer Art, für die ein Dichter vor fünfzig Jahren sicher den Buchtitel Seifenblasen erfunden hätte«, in: Robert Musil. Gesammelte Werke in neun Bänden, Band 9, hg. v. Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 1465–1471, hier S. 1468. Vgl. das Kapitel »La Modernité/Die Modernität« aus Baudelaires Essay Le Peintre de la vie moderne/Der Maler des modernen Lebens (1863), in: Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/ Briefe, Band 5, S. 226: »Die Modernität ist das Vergängliche, das Flüchtige, das Zufällige,
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wie sie etwa Goethe in seiner Italienischen Reise anhand der in Stein gehauenen, gleichsam petrifizierten antiken Kunstdenkmäler propagiert hat.¹⁹ Als Prätexte für Kafkas Prosastück Auf der Galerie nennt die Forschung verschiedenste Formen der Lyrik, des Prosagedichts und des Feuilletons, die sich mit artistischen Motiven befassen, so Baudelaires Sonett La muse vénale aus Les fleurs du mal (1857), sein kurzes Prosagedicht Le vieux saltimbanque aus Le Spleen de Paris (1864),²⁰ Frank Wedekinds ausführliche Feuilletons Zirkusgedanken (1878) und Im Zirkus (1888), die beide zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung abgedruckt wurden,²¹ sowie die Feuilletons Lustspielabend und Ovation von Robert Walser, die zunächst im Mai 1907 beziehungsweise im Oktober 1912 in der Zeitschrift Die Schaubühne veröffentlicht und später in Walsers Textsammlungen Geschichten (1914) beziehungsweise Aufsätze (1913) aufgenommen worden sind.²² Baudelaires Prosagedicht Le vieux saltimbanque, zu Deutsch Der alte Marktschreier, exponiert bereits einige der Requisiten, die in abgewandelter Form noch in Kafkas Text eine wichtige Rolle spielen werden: die »durch die Marktschreier, Gaukler, Tierbändiger und Budenbesitzer« sowie durch das »Getöse von Schreien, von schmetterndem Blech und berstenden Raketen« erzeugte euphorische Volksfeststimmung und die davon beförderte Regression des sein »Leid« und seine »Arbeit« vergessenden Publikums zu ›Kindern‹.²³ Diese Szenerie wird allerdings konterkariert durch »das Grauen«, das der Ich-Erzähler angesichts des »abstoßenden Elend[s]« des alten Marktschreiers empfindet,²⁴ den er schließlich zum Sinnbild des »alten Literaten« erklärt, »der die Generation überlebt hat, deren geistsprühender Unterhalter er war; des alten Dichters ohne Freunde, ohne Angehörige, ohne Kinder, erniedrigt durch sein Elend und den öffentlichen Undank«; desillusorisch deshalb auch das Resümee: »die Welt hat
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die eine Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige und Unwandelbare ist.« Dem modernen Künstler gehe »es darum, der Mode das abzugewinnen, was sie im Vorübergehen an Poetischem enthält, aus dem Vergänglichen das Ewige herauszuziehen.« (S. 225) Vgl. Norbert Christian Wolf, Streitbare Ästhetik. Goethes kunst- und literaturtheoretische Schriften 1771–1789, Tübingen 2001 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 81), S. 512–529, bes. S. 515 ff. Vgl. Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe, Band 3, S. 77; Band 8, S. 158–163; ein Hinweis darauf findet sich in Peter-André Alt, Franz Kafka. Der ewige Sohn. Eine Biographie, München 2005, S. 498. Vgl. Frank Wedekind, Werke in zwei Bänden, hg. von Erhard Weidl, Band 1, München 1996, S. 352–369 u. 370–377; dazu den Herausgeberkommentar ebd., S. 792 f. Vgl. Robert Walser, Fritz Kochers Aufsätze. Geschichten. Aufsätze, in: ders.: Das Gesamtwerk, Band 1, hg. von Jochen Greven, Genf/Hamburg 1972, S. 154–160 u. 284 f. Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe, Band 8, S. 159. Ebd., S. 161.
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ihn vergessen, und niemand will seine Bude noch betreten!«²⁵ Trotz des gehobenen Stils herrschen hier augenscheinlich ›gemischte Empfindungen‹, ja das Umschlagen von der überhitzten Euphorie ins eisige Grauen erzeugt den ästhetischen Überraschungseffekt einer dichtgefügten Prosa, die darüber hinaus mit einer bezeichnenden Analogiebildung zwischen elendem Jahrmarktsrummel und edler Poesie aufwartet, wodurch sie indirekt auf »die Neigung des modernen Künstlers« verweist, »sein gesellschaftliches Schicksal dem der Prostituierten gleichzusetzen«.²⁶ Nicht nur mit Blick auf das Gedicht La muse vénale wird darauf noch zurückzukommen sein. Weitgehend ambivalenzfrei hingegen präsentieren sich die begeisterten literarischen Artistik-Darstellungen in der deutschsprachigen Kurzprosa des späteren neunzehnten Jahrhunderts, etwa in Frank Wedekinds dreiteiligem Feuilleton Zirkusgedanken, dessen Vorläuferschaft zu Kafka noch augenfälliger als jene Baudelaires oder Walsers ist, weil ein Ausschnitt aus seinem ersten Teil in motivlicher und syntaktischer Hinsicht unübersehbar an dessen späteres Prosastück erinnert.²⁷ Kafka hätte in diesem Text, den er allem Anschein nach nicht kannte, eine Passage finden können, zwischen der und seinem eigenen Prosastück Auf der Galerie sowohl in der Syntax als auch in der Thematik frappante Ähnlichkeiten bestehen, wie zuerst Naomi Ritter und jüngst Peter Utz gezeigt haben.²⁸ Wenn der volle Glanz von tausend flimmernden Lichtern in die Arena fällt, wenn rings in den Logen des Amphitheaters sommerlich-tropisch-buntfarbige Toiletten sich neben ernsten, in Gold und Silber blitzenden Uniformen erwartungsvoll unruhig hin- und herbewegen, während die breiten Fächer sich rasch und rascher in den schmuckreichen Händen schaukeln, wenn dann die ersten mächtigen Klänge eines herzbestrickenden Walzers die Luft erschüttern und plötzlich, gleichsam wie aus einem einzigen, unsichtbaren Riesenmörser geschossen, sechs elegante, schnaubende Trakehner, in unbändigem Galopp sich überholend, hereindringen, je zu drei und drei die Bahn durchmessend, auf einen Wink, einen Blick ihres Herrn sich drehend, sich wendend, nach rechts, nach links, ein-, zwei-, dreimal hintereinander 25 26 27
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Ebd., S. 163. Pierre Bourdieu, Die Regeln der Kunst, S. 95, Anm. 12. Vgl. Naomi Ritter, Kafka, Wedekind and the Circus, in: Germanic Notes 6/1, 1975, S. 55–59. Die Verfasserin hat als erste die Parallelen zwischen den beiden Texten bemerkt, aber auch darauf hingewiesen, dass Kafka den frühen Text Wedekinds wahrscheinlich nicht gekannt hat, weil er erst 1921 in der Wedekind-Werkausgabe wieder abgedruckt worden ist (S. 58). Vgl. ebd., S. 57, sowie Peter Utz, In der Arena der Anklänge. Kafkas »Auf der Galerie«, in: Franz Kafka. Ein Landarzt. Interpretationen, hg. von Elmar Locher und Isolde Schiffermüller, Innsbruck/Wien/München/Bozen 2004, S. 43–57, hier S. 43–45.
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ohne Tempo und Richtung zu verlieren, wenn sie wieder vereinigt Flanke an Flanke, eine breite, festgeschlossene Front, den Führer umkreisen, der am äußersten Flügel den Boden stampfend, ohne vom Platz zu weichen, sich um die eigene Achse dreht, und wenn sich nun auf einmal die ganze Schar in imposanter Parade emporbäumt und unter schmetternden Fanfaren, die mähnigen Häupter stolz zurückgeworfen, die Vorderfüße hoch in die Luft, einer gewaltigen Meereswoge gleich, auf den Zuschauer einmarschiert – wer wäre da Philosoph, Schulmeister oder Teesieder, kurz, wer wäre Bärenhäuter genug, daß nicht auch ihm ein solcher Anblick die Pulse beschleunigte, das Blut in die Wangen jagte und Gefühle und Gedanken im allgemeinen Wirbel mitrisse.²⁹ Die weit ausholende Wenn-Phrase, die in ihrer Syntax die Struktur der berühmtesten Wenn-Phrase der deutschen Literatur variiert,³⁰ indem Goethes großer Temporalsatz aus dem Brief Werthers vom 10. Mai unter der Hand zu einem Konditionalsatz umgedeutet wird,³¹ entfaltet unbestreitbar ästhetischen Zauber. Nur im Vorübergehen sei erwähnt, dass Wedekinds Phrase ebenfalls wie ein iterativer Temporalsatz beginnt, der jedoch ex posteriori unvorbereitet durch den konjunktivischen Hauptsatz im modus irrealis in einen Konditionalsatz umgedeutet erscheint; dieser wiederum benennt die Präsuppositionen, die ihrerseits die Voraussetzung für die ›Wahrheit‹ der rhetorischen Frage bilden. Die komplexe und traditionsreiche syntaktische Struktur befindet sich in einem auffallenden
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Frank Wedekind, Werke, Band 1, S. 355. Vgl. Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe, hg. von Karl Richter u. a., Band 1.2: Der junge Goethe. 1757–1775, hg. von Gerhard Sauder, München/Wien 1987, S. 199: »Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, und ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräsgen mir merkwürdig werden. Wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmgen, der Mückgen, näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält. Mein Freund, wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und Himmel ganz in meiner Seele ruht, wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehn ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papier das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes.« Eine sprachliche Voraussetzung dafür ist im Deutschen der Umstand, dass die Subjunktion ›wenn‹ sowohl konditionale als auch temporale Bedeutung haben kann, so dass bei den genannten Beispielen ein Fall von Homonymie vorliegt.
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Missverhältnis zu den beschriebenen, sozial marginalisierten Zirkuskünsten. In inhaltlicher Hinsicht fällt auf, dass die durch Baudelaires kunstvoll aufgebauten Umschlag höchst wirkungsvoll inszenierte Ambivalenz in der Darstellung der Artistenwelt hier vollkommen fehlt. Die facettenreiche Welt des Zirkus erscheint ausschließlich positiviert: Es ist nicht allein von der überschießenden »Begeisterung« und dem »schäumenden Strom« der »Erinnerung« die Rede, in die sich der Ich-Erzähler »mit derselben Selbstvergessenheit und Zügellosigkeit« stürzen möchte, »mit der der jugendliche, zartgebaute Rapphengst mit den dunkeln Kinderaugen plötzlich auf geschwinden Füßen in die Manege gestürzt komme«,³² sondern sogar vom »geistig bildende[n] Element des Zirkus.«³³ Weiter kann die Idolatrie der Artistik kaum gehen. Zehn Jahre später wiederholt sich dieses überschwängliche Lob in einem nicht mehr ganz so ausführlichen Feuilleton Wedekinds, das den knappen Titel Im Zirkus trägt und sich erneut am »Wonneschauer« berauscht, den »das luftige leichtgefügte Haus« dem homodiegetischen Berichterstatter bei jedem erneuten Besuch beschert.³⁴ Auch diesen Text hat Kafka wahrscheinlich nicht gekannt, was für die folgende Argumentation aber unerheblich ist, da es ihr nicht um (methodologisch ohnehin kaum zu fassende) subjektive biographische ›Einflüsse‹, sondern um objektive textuelle Bezüge im Sinne einer ›literarischen Reihenbildung‹ geht. Als unmittelbare Anregung für die textuelle Konzeption von Kafkas Prosastück Auf der Galerie nennt Hartmut Binder in seinem Kafka-Kommentar zu sämtlichen Erzählungen (1975) hingegen Robert Walsers Feuilleton Lustspielabend,³⁵ das Kafka mit großer Sicherheit kannte. Darin betrachtet ebenfalls ein Zuschauer beziehungsweise Zuhörer von der Galerie aus eine künstlerische Darbietung,³⁶ wobei es sich hier zwar nicht um einen Zirkus, doch offenbar um einen Ort der ›leichten‹ Muse handelt, wie in der Folge deutlich wird. Den teils absonderlichen Verhaltensweisen des Publikums schenkt der Ich-Erzähler denn auch mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der Vorführung selbst. Ähnlich wie später bei Kafka wird schon bei Walser die aufwühlende Rolle der unmittelbar und vordringlich
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Frank Wedekind, Werke, Band 1, S. 353. Ebd., S. 355. Ebd., S. 370–377, hier S. 370. Vgl. Kafka-Handbuch in zwei Bänden, hg. von Hartmut Binder, Band 2: Das Werk und seine Wirkung, Stuttgart 1979, S. 320 f., hier S. 320; vgl. auch Hartmut Binder, Kafka-Kommentar zu sämtlichen Erzählungen, München 1975, 2. Aufl., S. 212, sowie die komparative Analyse von Peter Utz, In der Arena der Anklänge, S. 52 f. Vgl. Robert Walser, Das Gesamtwerk, Band 1, S. 154: »Ich saß auf der Galerie des Lustspielhauses zu Z … [Hervorhebung von N. C.W.]«.
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an die Sinne appellierenden – also ›niederen‹ – Musik betont,³⁷ die zur Verzauberung des homodiegetischen Protagonisten angesichts der Vorstellung³⁸ ebenso beiträgt wie der brandende Applaus.³⁹ Und auch hier versinkt der Protagonist zwischenzeitlich in Träumereien,⁴⁰ aber ganz offensichtlich nicht in drückende und schwere. Einen weiteren, wohl noch wichtigeren Prätext Kafkas hat zuerst Walter Höllerer in Walsers kleinem Feuilleton Ovation identifiziert, Karl Pestalozzi (implizit) sowie Peter Utz (explizit) sind ihm darin gefolgt.⁴¹ Es handelt sich um einen Text, der sich überhaupt nicht mehr mit einer genauer bestimmbaren Theater-, Konzert- oder Ballettaufführung beschäftigt, sondern ausschließlich mit dem frenetischen Applaus eines Publikums, das sich offenbar nur der Anschaulichkeit halber, also gleichsam pars pro toto, als Theaterpublikum zu erkennen gibt. Die Darstellung des Begeisterungssturms setzt in verlebendigender Apostrophe eines impliziten Lesers mit der suggestiven Beschreibung ab- und wieder anschwellender Beifallsbekundungen ein: Stelle dir, lieber Leser, vor, wie schön, wie zauberhaft das ist, wenn eine Schauspielerin, Sängerin oder Tänzerin durch ihr Können und durch die Wirkung desselben ein ganzes Theaterpublikum zu stürmischem Jubel hinreißt, daß alle Hände in Bewegung gesetzt werden und der schönste Beifall durch das Haus braust. Stelle dir vor, daß du selber mit hingerissen seiest, der Glanzleistung deine Huldigung darzubringen. Von der umdunkelten, 37
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Vgl. ebd., S. 155–160: »Da donnerte einer mit kurzen, harten Schlägen auf das Klavier, daß es wie eine mächtig-klangvolle Orgel erbrauste. […] Das herrliche Klavierspiel war der unsichtbare, großbeflügelte, ernste Engel, der mit seinem Gefieder leise an die Sinne der Zuschauer und Zuhörer anschlug. […] Das Klavier spritzte mich immer mit Tönen an, hol’s der Teufel, ich sah die schlanken Hände des Schlägers und Spielers auf den weißen Tasten auf- und niedertanzen […].« (S. 155) »Da warf mir das Klavier eine neue, machtvolle Welle ins Gesicht, an die Brust, in die Rockärmel hinein, daß ich glaubte, mich nach einem Handtuch umschauen zu müssen, um mich abtrocknen zu können.« (S. 156) »Dann gab es wieder eine Pause, und wieder bekam ich eins über den Schädel von der Musik, daß ich ganz wie von selbst den Mund auftat, um hinzuhorchen.« (S. 159) »Während des Hinaustretens spielte noch einmal der Klaviermann. […] Welle auf Welle floß es mir nach, so schön, so groß und so melodiös gute Nacht und auf baldiges Wiedersehen sagend.« (S. 159 f.) Vgl. ebd., S. 155: »Ich fand alles schön und unendlich zauberhaft.« Vgl. ebd., S. 159: »Um ihm Achtung zu bezeigen, überwarf man den Direktor mit Beifall.« Vgl. ebd., S. 155: »Während der Pausen versank ich jedesmal in tönende Träumereien.« Vgl. Walter Höllerer, Über Robert Walser. Nachwort zu: Robert Walser, Prosa, Frankfurt am Main 1960, S. 205–217. Wiederabgedruckt in: Über Robert Walser, 3 Bände, hg. von Katharina Kerr, Frankfurt am Main 1978, Band 2, S. 78–85, hier S. 82; Karl Pestalozzi, Nachprüfung einer Vorliebe. Franz Kafkas Beziehung zum Werk Robert Walsers, in: Akzente 13, 1966, S. 322–344, hier S. 332; Peter Utz, In der Arena der Anklänge, S. 48 f.
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dichtbevölkerten Galerie herab hallen, Hagelschauern ähnlich, Beifallskundgebungen herab, und gleich dem rieselnden Regen regnet es Blumen über die Köpfe der Leute auf die Bühne […].⁴² Die gefeierte und darüber »beglückte« Künstlerin präsentiert sich dem Publikum »glücklich lächelnd«; ja »vom Beifall wie von einer Wolke in die Höhe gehoben[ ]« wirft sie ihm, »als wenn es ein kleines, liebes, artiges Kind sei, Kußhand und Dankesgeste zu«.⁴³ Das zunächst im impliziten Leser kondensierte und sodann als Kollektivsubjekt verniedlichte, nachgerade infantilisierte Publikum hingegen, jenes »große und doch kleine Kind[,] freut sich über diese süße Gebärde, wie eben nur immer Kinder wieder sich freuen können.«⁴⁴ Während in Kafkas Darstellung die kindliche oder gar kindische Freude nicht nur dem Leser und der Leserin, sondern auch schon dem ›jungen Galeriebesucher‹ zumindest zwischenzeitlich gründlich vergällt werden wird, erscheint die mit größter rhetorischer Emphase vermittelte Begeisterung bei Walser vorderhand noch ungebrochen: »Das Rauschen bricht bald in Toben aus, welches sich wieder ein wenig zur Ruhe legt, um gleich darauf von neuem wieder auszubrechen.«⁴⁵ Man beachte allerdings die verräterische Metaphorik, die hier schon ein ›Eingeschlossensein‹ sowie bald auch einen gewissen Druck der Konvention unterschwellig anklingen lässt: »Stelle dir die goldene, wenn nicht diamantene Jubelstimmung vor, die wie ein sichtbarer göttlicher Nebelhauch den Raum erfüllt. Kränze werden geworfen, Buketts.«⁴⁶ Vollends ins Imaginäre kippt die nur auf der Oberfläche als ambivalenzfrei suggerierte Stimmung durch eine hypothetisch berichtete Szene, in der plötzlich sogar die Künstlerin selber als Kind erscheint: [E]in schwärmerischer Baron ist vielleicht da, der ganz dicht am Rand der Bühne steht […], und dieser adlige Begeisterungsfähige legt vielleicht dem umschwärmten und umjubelten Kinde eine Tausendmarknote unter das bestrickende Füßchen. ›Du Einfaltspinsel, der du bist, behalte du doch deine Reichtümer.‹ Mit solchem Wort bückt sich das Mädchen, nimmt die Banknote und wirft sie verächtlich lächelnd dem Geber wieder zurück, den die Scham beinahe erdrückt.⁴⁷
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Robert Walser, Das Gesamtwerk, Band 1, S. 284. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 285.
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Obwohl Walsers Erzählerinstanz daraufhin von neuem mit rhetorischer Emphase an das produktive Vermögen der Einbildungskraft seiner Leserschaft appelliert, kann die einmal geweckte Skepsis nicht mehr verdrängt werden, denn eine so interesselose Geste künstlerischer Autonomie scheint im Rahmen der geschilderten Szenerie wenig glaubhaft: Stelle dir das und andres recht lebhaft vor, unter anderm die Klänge des Orchesters, lieber Leser, und du wirst gestehen müssen, daß eine Ovation etwas Herrliches ist. Die Wangen glühen, die Augen leuchten, die Herzen zittern, und die Seelen fliegen in süßer Freiheit, als Duft, im Zuschauerraum umher, und immer wieder muß der Vorhangmann fleißig den Vorhang hinaufziehen und herunterfallen lassen, und immer wieder muß sie hervortreten, die Frau, die es verstanden hat, das ganze Haus im Sturm für sich zu gewinnen.⁴⁸ Gegen Ende des Textes ist dann nicht mehr von einem Kind die Rede, sondern wie zu Beginn wieder von einer professionellen Künstlerin, deren Wirkung auf das Publikum in der mühevoll erlernten Beherrschung ihres Metiers gründet und nicht in irgendwelchen zauberhaften Fertigkeiten. Der frenetische Applaus weicht denn auch konsequent einer gewissen Ernüchterung: »Endlich tritt Stille ein, und das Stück kann zu Ende gespielt werden.«⁴⁹ Trotz dieses vorderhand versöhnlichen Schlusses bleibt hier ein schaler Beigeschmack bestehen, denn die ›süße Freiheit‹ der Künstlerin und ihres Publikums erweist sich als Produkt eines sichtlich illusionären Bewusstseinszustands. In grammatischer Hinsicht ist Walsers Prosastück – im Unterschied zu jenem Kafkas – bei aller rhetorischen Geschliffenheit fast durchgehend im Indikativ gehalten. Dennoch drückt der gesamte Text die Modalität des potentialis aus, was nicht allein aus dem wiederholten Appell an die Imagination der Leserinnen und Leser – der viermaligen Aufforderung »stell dir vor!« – hervorgeht, sondern auch aus dem zweimaligen Modaladverb »vielleicht« im Kontext der Szene mit dem ›schwärmerischen Baron‹. Diese modalisierenden Elemente lassen indes eher an einen potentialis denken als an einen irrealis wie später bei Kafka.⁵⁰ Eine bisher unerreichte Qualität erlangt die literarische Auseinandersetzung mit dem Artistik-Thema aber in Kafkas Kurzprosastück Auf der Galerie,
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Ebd. Ebd. Zum Vergleich von Kafkas Kurzprosastück und den beiden Walser-Texten, der hier nur skizzenhaft erfolgen konnte, vgl. die vorzügliche komparative Lektüre von Peter Utz, In der Arena der Anklänge, S. 48–57.
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das nach Hartmut Binders Berechnung im Januar/Februar 1917 entstanden sein muss und dessen Erstdruck 1919 im Sammelband Ein Landarzt erfolgte.⁵¹ Kafkas Text⁵² besteht aus insgesamt zwei Teilen, die sich aus jeweils einem einzigen langen Satz zusammensetzen, wobei der zweite Teil etwas länger als der erste ist. Der erste Satz ist wiederum eine ausgreifende Wenn-Phrase und beschreibt eine Situation, die der durchgehaltene modus irrealis (Konjunktiv II) als fiktiv zu erkennen gibt. Der zweite Satz hingegen evoziert eine konträre Szenerie, die der modus realis (Indikativ Präsens) als faktual ausweist. Auffallenderweise verwendet Kafka in der durch die Kritische Ausgabe konstituierten Textfassung nicht das Präteritum, das prototypische Erzähltempus. Hier unterscheidet sich der gereinigte Text von der korrumpierten Fassung, die Max Brod in unkommentierter Abweichung von der Erstausgabe erstellte, indem er den Konjunktiv II »riefe« gegen Ende des ersten Satzes durch den Indikativ Präteritum »rief« ersetzte – eine wohl versehentlich unterlaufene Textverderbnis, die unter den Kafka-Interpreten eine Vielzahl von weitreichenden Spekulationen über den ›schockierenden‹, weil »unerwartete[n] und normwidrige[n] Umschlag aus der aufgebauten Sphäre des nur Vorgestellten ins Tatsächliche« ausgelöst hat.⁵³ Da diese hier exemplarisch herangezogene Deutung von Walter Weiss angesichts der neuen editionsphilologischen Lage⁵⁴ gegenstandslos geworden ist, wenn man den Urtext und nicht die wirkungsmächtige Brod-Edition zugrunde legt, kann man sich bei der syntaktischen Tempus- und Modusanalyse auf die Gegenüberstellung von Konjunktiv II und Indikativ Präsens beschränken. Traditionell verweist die Verwendung des Präteritums ein Geschehen in eine Vor-Zeit, in eine Zeit vor jenem des Erzählens; Erzählen heißt demnach stets, etwas aus der Vergangenheit zu berichten. Das Präsens hingegen gilt gemeinhin – genauer: bis zum ›epischen Präsens‹ des zwanzigsten Jahrhunderts – als das Tempus der Beschreibung; es erzeugt hier weniger den Eindruck einer konsekutiven oder gar finalen Handlungsfolge als vielmehr den einer Endlosschleife. Im indikativischen beziehungsweise angeb51 52
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Vgl. Kafka-Handbuch, Band 2, S. 320, unter Verweis auf Hartmut Binder, Kafka-Kommentar zu sämtlichen Erzählungen, S. 208 f. u. 212. Vgl. Franz Kafka, Drucke zu Lebzeiten, hg. von Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und Gerhard Neumann, Frankfurt am Main 1996 (=Franz Kafka, Schriften. Tagebücher. Kritische Ausgabe, hg. von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley und Jost Schillemeit […]), S. 262 f. Vgl. Walter Weiss, Dichtung und Grammatik. Zur Frage der grammatischen Interpretation, in: Satz und Wort im heutigen Deutsch. Probleme und Ergebnisse neuerer Forschung. Jahrbuch 1965/66, Düsseldorf 1967 (=Sprache der Gegenwart. Schriften des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim 1), S. 236–258, hier S. 247 f. Vgl. auch das Faksimile der Erstausgabe des Buchdrucks von 1919, das als Supplement der Historisch-Kritischen Franz-Kafka-Ausgabe (FKA) von Roland Reuß und Peter Staengle herausgegeben wurde: Frankfurt am Main/Basel 2006, S. 34–38.
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lich faktualen Teil erzählt Kafka mithin nicht, sondern er beschreibt – und zwar genau in diesem anti-narrativen Sinn. Zieht man nun auch die Aussageseite des Textes in Betracht, dann ergibt sich ein bezeichnender Chiasmus: Die durch den Konjunktiv II als irreal dargestellten Epitheta der »hinfällige[n], lungensüchtige[n] Kunstreiterin«, des »schwankende[n] Pferd[es]«, des »peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef[s]« und des »immer sich anpassenden Orchesters« entsprechen einer illusionslosen Sicht der Dinge, was auch die Rede von der »immerfort weiter sich öffnende[n] graue[n] Zukunft« sowie den »Hände[n], die eigentlich Dampfhämmer sind«, bestätigt. Demgegenüber erscheint die angeblich faktuale Darstellung des »Direktor[s]«, der »hingebungsvoll« die »Augen« der Kunstreiterin »suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet«, an der tristen sozialhistorischen Realität des Zirkus gemessen ebenso unwahrscheinlich wie die Annahme, dass er »sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben« und nur »in Selbstüberwindung es knallend gibt«, indes er neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Saltomortale das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet […].⁵⁵ Dass eine dermaßen tierisch-devote Behandlung der Kunstreiterin durch den peitschenbewehrten Zirkusdirektor nur ein frommer Wunsch sein kann, liegt für jeden abgeklärten Leser und jede Leserin auf der Hand – weniger aber die Tatsache, dass der beschriebene Chiasmus selbst wiederum die Opposition zwischen ›high‹ und ›low‹ impliziert: Die angeblich faktualen Aussagen sind nämlich nicht nur wenig glaubhaft, wenn man sie an der von Abhängigkeit und Gewalt geprägten sozialhistorischen Realität des Zirkus misst, während die als fiktiv ausgewiesenen durchaus wahrscheinlich anmuten. Letztere entsprechen zudem eher den desillusionistischen Ansprüchen der so genannten ›hohen‹ Literatur, während erstere an die formelhaften Glücksversprechen der Trivialliteratur erinnern. Angesichts dieses Sachverhalts erscheint die abschließend eigens affirmierte Beobachtung, dass die kleine Kunstreiterin von ihrem Chef »gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will«, fast wie Hohn. Genau 55
Franz Kafka, Drucke zu Lebzeiten, S. 262.
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sie aber mutet wie eine Replik auf die nicht so doppelbödigen Texte Wedekinds und die schon ambivalenteren Prosastücke Walsers an. Dennoch sollte die Interpretation sich davor hüten, einen simplen Antagonismus zwischen den beiden Textteilen anzunehmen und diese bloß »als komplementäres Gegensatzpaar« zu deuten, wie das »die strukturalistische Literaturwissenschaft« getan hat.⁵⁶ Peter Utz betont demgegenüber, daß die beiden Sätze in vielfacher Weise ineinander verschränkt sind: So erscheint etwa das Herr-Knecht-Verhältnis zwischen dem ›peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef‹ und der ›Kunstreiterin‹ im zweiten Teil zunächst einfach umgedreht […]. Doch auf syntaktischer Ebene regiert der Direktor in diesem Satz weiterhin, als Subjekt über die zahlreichen Verben. Umgekehrt verharrt die Kunstreiterin im ersten Teil als grammatisches Subjekt im Zentrum des Satzes, obwohl sie inhaltlich dem Diktat von Direktor und Publikum unterworfen ist. Auch hinsichtlich der Verben sind beide Sätze ineinander verschränkt: Zwar treten den dynamisierenden Partizipia Präsentia, in die der Text uns im ersten Satz hineinjagt, im zweiten Satz die konstatierenden Indikative entgegen, welche die Tatsächlichkeit des Geschehens beanspruchen. Doch dort laufen im ›suchenden‹ Blick des Direktors oder in dem in seinen Traum ›versinkenden‹ Galeriebesucher einige Partizipien mit, die strukturell mit dem ersten Textteil assoziiert sind. Und zahlreiche Motive der ersten Texthälfte finden ihr Pendant in der zweiten als Variation, nicht als Opposition […].⁵⁷ Im gegenwärtigen Rahmen kann das nicht im Einzelnen ausgeführt werden; dennoch sei darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse von Utz’ minutiöser Textanalyse den spärlichen poetologischen Selbstaussagen Kafkas entsprechen. So hat dieser schon circa sechs Jahre vor der Niederschrift des fraglichen Textes in einem Tagebuch-Eintrag seinen »Widerwillen gegen Antithesen« artikuliert und sich dabei auf ein frappierendes, weil der kreisrunden Manege analoges, zirkuläres Denkbild gestützt: Sie erzeugen zwar Gründlichkeit, Fülle, Lückenlosigkeit[,] aber nur so[,] wie eine Figur im Lebensrad; unsern kleinen Einfall haben wir im Kreis herumgejagt. So verschieden sie sein können, so nuancenlos sind sie, wie von Wasser aufgeschwemmt wachsen sie einem unter der Hand, mit der anfänglichen
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Aussicht ins Grenzenlose und mit einer endlichen mittlern immer gleichen Größe.⁵⁸ Demgegenüber plädiert er für eine »[b]esondere Methode des Denkens«, die in dessen ›gefühlsmäßiger Durchdringung‹ liege und als Konsequenz zu folgender Nuancierung führe: »Alles fühlt sich als Gedanke selbst im Unbestimmtesten.«⁵⁹ Oder in den Worten aus dem Oktavheft H: »Einer Beweisführung kann man in die Zauberwelt ausweichen, einer Bezauberung in die Logik, aber beide gleichzeitig erdrücken zumal sie etwas drittes sind, lebender Zauber oder nicht zerstörende sondern aufbauende Zerstörung der Welt.«⁶⁰ Von Relevanz ist im gegenwärtigen Kontext auch die Aufhebung der traditionellen medientheoretischen Opposition, die deshalb zumindest kursorisch erwähnt sei: In seiner epochemachenden Abhandlung Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766) unterscheidet Lessing auf zeichentheoretischer Grundlage zwischen statischem Bild und dynamischem Erzählen und weist den beiden Darstellungsverfahren unterschiedliche Objektbereiche zu: dem Bild »neben einander geordnete Zeichen« und »Gegenstände«, dem Text hingegen »auf einander folgende Zeichen« und »Gegenstände«,⁶¹ nicht aber Schilderungen und Beschreibungen von Zuständen. Dass diese Vorstellung unter Kafkas Zeitgenossen präsent war, zeigt etwa ihr Stellenwert als Ausgangspunkt von Theodor A. Meyers Abhandlung Das Stilgesetz der Poesie.⁶² Entsprechendes hat Vilém Flusser noch gut 200 Jahre nach Lessing aktualisiert, indem er 1978 den ›synchronen‹, ›szenischen‹, ja ›magischen‹ Charakter ›zweidimensionaler Codes‹ wie der Malerei vom ›diachronen‹, ›fortschreitenden‹, ja eminent historischen Charakter ›linearer Codes‹ wie der Schrift unterschied (und den medialen Decodierungsvorgang der Malerei als ›Diachronisation der Synchronizität‹ beschrieb, während die Schrift eine ›Synchronisation ihrer Diachronizität‹ erfordere).⁶³ 58
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So der Eintrag vom 20. November 1911 in Franz Kafka, Tagebücher, hg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller und Malcolm Pasley, Frankfurt am Main 1990 (=Franz Kafka, Schriften. Tagebücher. Kritische Ausgabe, hg. von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley und Jost Schillemeit […]), S. 259 f. Eintrag vom 21. August 1913 in Franz Kafka, Tagebücher, S. 568. Franz Kafka, Nachgelassene Schriften und Fragmente II, hg. von Jost Schillemeit, Frankfurt am Main 1990 (=Franz Kafka, Schriften. Tagebücher. Kritische Ausgabe, hg. von Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcolm Pasley und Jost Schillemeit […]), S. 105. Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon, in: ders., Werke, hg. von Herbert G. Göpfert u. a., Band 6: Kunsttheoretische und kunsthistorische Schriften, hg. von Albert von Schirnding, München 1974, S. 7–187, hier S. 102 f. Vgl. Theodor A. Meyer, Das Stilgesetz der Poesie, Leipzig 1901, S. 1 f. Vilém Flusser, Die kodizifierte Welt, in: ders., Medienkultur, hg. von Stefan Bollmann, Frankfurt am Main 1997, S. 21–28, hier S. 24–26.
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Misst man Kafkas Text nun an Lessings und Flussers Typologie, dann erzählt er nicht, sondern schildert zunächst eine imaginäre, zeitlose, gleichsam magische Situation, wie der mit ›wenn‹ eingeleitete und im modus irrealis gehaltene Konditionalsatz anzeigt, der ein Sprechen unter ›geänderten Präsuppositionen‹ einleitet.⁶⁴ Im zweiten Satz des Textes wird die zuvor etablierte Sprechsituation durch das Präsens Indikativ dann sogar ausdrücklich aufgehoben. Wie bereits ausgeführt wurde, kann von Erzählen sensu stricto auch hier nicht die Rede sein. Mit seiner charakteristischen Verbindung von Konjunktiv II und Indikativ Präsens aktualisiert und radikalisiert Kafka sprachliche Mittel, die sich in anderer Konstellation schon bei Wedekind und Walser finden. So inszeniert auch Wedekind die Zirkus-Szenerie durch eine ausholende Wenn-Phrase, deren Konditionalsatz aber im Indikativ gehalten ist, während der folgende Hauptsatz überraschend in den Konjunktiv II wechselt, wohingegen bei Kafka die gesamte erste Phrase im Konjunktiv II gestaltet ist. Und Walsers Feuilleton Ovation ist wie der zweite Satz von Auf der Galerie durch einen durchgehenden Indikativ Präsens charakterisiert, der nur durch die Imperative an den »Leser« unterbrochen wird. Inwiefern unterscheidet sich Kafkas Prosastück also von jenen seiner Vorläufer? Die bereits von ihnen erzielte Wirkung wird durch die beschriebene Konsequenz seiner chiastischen Kombination syntaktischer Mittel potenziert und differenziert. Dieser ästhetische Mehrwert zeigt sich auch in inhaltlicher Hinsicht: Während bei Wedekind ganz ausschließlich und bei Walser zumindest noch in der expliziten Suggestion der Texte mit größtem rhetorischem Aufwand die faszinierende Seite der Halbwelt von Boulevardkomödie, Artistik und Zirkus hervorgehoben wird, gerät bei Kafka wohl erstmals in deutschsprachiger Kurzprosa trotz des ebenfalls gehobenen Stils auch deren problematische, bedrohliche und gewaltvolle Seite so ausdrücklich und prominent in den Blick, wenngleich in syntaktisch und semantisch intrikater Weise, die sich selbst gleich wieder ironisch aufhebt.
INTERMEDIALES Innerhalb der literarischen ›Reihe‹ von thematisch einschlägigen Kurzprosatexten in deutscher Sprache ist Kafkas Auf der Galerie in inhaltlicher wie auch formaler Hinsicht einzigartig. Das heißt aber nicht, dass seine spezifische künstlerische Gestaltung voraussetzungslos wäre. Um den doppelt innovativen Umgang Kafkas mit dem beliebten Schausteller- und Schauspieler-Sujet in einen größeren kul64
Das heißt grammatisch: Wenn die Präsuppositionen gälten, dann wäre der Hauptsatz ›wahr‹.
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turhistorischen Zusammenhang zu stellen, bedarf es eines intermedialen Blicks auf eine andere künstlerische ›Reihe‹. Die Berücksichtigung der Darstellungstradition des Zirkus und der Artistik in der bildenden Kunst ermöglicht nämlich weiterführende Schlüsse auf die Entwicklung literarischer Gestaltungsweisen. Eine solche Vorgehensweise, die – mit Stephen Greenblatt – einen »kollektiven Charakter« der Produktion unterschiedlicher Künste annimmt, verspricht Einsichten »in die halb verborgenen kulturellen Transaktionen, die den großen Werken der Kunst ihre Macht verleihen«.⁶⁵ Nicht von ungefähr beschäftigten sich verschiedenste »kulturelle Gegenstände, Ausdrucksformen und Praktiken« um und nach 1900 mit der Welt des Zirkus und der Artistik, deren literarischer und bildkünstlerischer Gestaltung seitdem eine »eigentümliche, bezwingende Kraft« innewohnt, »eine historische Folge der sozialen Energie, die ursprünglich in diesen Werken codiert wurde.«⁶⁶ Was ist darunter zu verstehen? »Energia läßt sich nur indirekt durch ihre Auswirkungen feststellen: Sie manifestiert sich in der Fähigkeit gewisser sprachlicher, auditiver und visueller Spuren, kollektive psychische und mentale Empfindungen hervorzurufen und diese zu gestalten und zu ordnen.«⁶⁷ Genau dazu waren das Sujet des Zirkus beziehungsweise der Artistik und die damit verbundenen sozialen Phantasmen in der Lage.⁶⁸ Im Lexikon der Kunst werden unter dem Lemma Artisten zahlreiche Beispiele entsprechender Gestaltungen genannt.⁶⁹ Aus der Überblicksskizze geht aber auch hervor, dass 65 66 67 68
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So Stephen Greenblatt, Verhandlungen mit Shakespeare. Innenansichten der englischen Renaissance [engl. 1988], Frankfurt am Main 1993, S. 12 f. Ebd., S. 14 f. Ebd., S. 15. Vgl. dazu Thomas Wegmann, Artistik. Zu einem Topos literarischer Ästhetik im Kontext zirzensischer Künste, in: Zeitschrift für Germanistik N. F. 20, 2010, S. 563–582. Die große, gleichermaßen biographische wie künstlerische Bedeutung des Sujets für Kafka rekonstruiert Walter Bauer-Wabnegg, Zirkus und Artisten in Franz Kafkas Werk. Ein Beitrag über Körper und Literatur im Zeitalter der Technik, Erlangen 1986 (=Erlanger Studien 68); zum Prosastück Auf der Galerie vgl. ebd., S. 100 f. Vgl. den nicht namentlich gezeichneten Artikel: Artisten, in: Lexikon der Kunst. Begr. von Gerhard Strauß †, hg. von Harald Olbrich, Dieter Dolgner, Hubert Faensen, Peter H. Feist, Bruno Flierl, Alexander Häusler, Kurt Junghanns, Alfred Langer, Günter Meißner, KarlHeinz Otto, Detlef Rößler und Wolfgang Schindler, Band 1, München 1996, S. 276–278, hier S. 276 f.: »In dem Pastell ›Miß Lala im Zirkus Fernando‹ (1879, London, Nat. Gall.) zeigt Degas eine an den Zähnen hängende Artistin. Renoirs ›Zwei Zirkusmädchen‹ (1879, Chicago, Art Institute) jonglieren mit farbigen Bällen. Seurats unvoll.[endetes Gemälde] ›Zirkus‹ (1891, Paris, Louvre) mit einer Kunstreiterin betont das Phantast.[ische] der Manegenatmosphäre, Toulouse-Lautrecs 39 Blätter ›Im Zirkus‹ (1899) sind von der gleichen Faszination durch die unbürgerlichen, und künstlichen [sic] Welt der A.[rtistik] bestimmt wie die zerbrechlichen, traurigen, aus der Gesellschaft ausgestoßenen ›Gaukler‹ des jungen Picasso. Von hier und Cézannes ›Harlekin und Pierrot‹ (1888, Moskau) nehmen viele Darstellungen von Clowns
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die malerische und zeichnerische Behandlung des Artistik-Motivs bereits gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Wendung von ungeteilter Begeisterung zu skeptischerer Darstellung nahm, wobei die Schattenseiten des Sujets dessen positive Aspekte immer mehr in den Hintergrund drängten. Die in der deutschsprachigen Kurzprosa erst von Kafka in weitgehender ästhetischer Kompromisslosigkeit thematisierte bedrohliche und gewaltvolle Seite der Artistik und des Zirkus ist schon gut dreißig Jahre früher zum Gegenstand der Malerei geworden. Es läge also nahe, dass Kafkas manifeste Aufmerksamkeitsverschiebung von Begegnungen mit der bildenden Kunst inspiriert worden ist. Von den im Lexikon erwähnten Werken der bildenden Kunst interessieren im gegenwärtigen Zusammenhang vor allem diejenigen, die eindeutige Parallelen zu Kafkas Kurzprosatext aufweisen: Während Edgar Degas’ Pastell Miss Lala au Cirque Fernando (deutsch: Miß Lala im Zirkus Fernando) oder Auguste Renoirs Gemälde Les jongleuses au Cirque Fernando (deutsch: Zwei Zirkusmädchen), beide aus dem Jahr 1879, nur sehr oberflächliche Motivähnlichkeiten mit Kafkas Text haben, bestehen von Henri de Toulouse-Lautrecs 1888 fertiggestelltem Ölgemälde Au cirque Fernando, l’écuyère (deutsch: Die Kunstreiterin im Zirkus Fernando), in dessen Motivzusammenhang auch Toulouse-Lautrecs Folge von Radierungen Au cirque von 1899 gehört – etwa Au cirque, travail sans selle (deutsch: Im Zirkus, Arbeit ohne Sattel) –, starke Analogien zu der von Kafka beschriebenen Szenerie.⁷⁰ Die Kenntnis all dieser Bilder durch den Autor kommt aber kaum in Frage, denn sie befanden sich damals in Privatbesitz beziehungsweise nicht in den vom Schriftsteller frequentierten öffentlich zugänglichen Museen.⁷¹ Dagegen hing
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u.[nd] a.[nderen] Artisten in der spätbürgerl.[ichen] Kunst (Rouault, Hofer) als Symbole der Selbstentfremdung und der Bedrohtheit des Menschen ihren Ausgang. Die irreale Welt des Zirkus, wo der Schein triumphiert, wo Zauberer agieren und Trapezkünstler die Schwerkraft überlisten […], ist Gegenstand zahlreicher Lithographien und Aquatintablätter Marc Chagalls […]. Mit Skepsis sehen F.[rans] Masereel und O.[tto] Dix den Glanz und Flitter, die Gefährlichkeit des Broterwerbs und die gefühlskalte Sensationsgier der Menge […].« Vgl. Carsten Schlingmann, Franz Kafka, Stuttgart 1995, S. 112 f.; Klaus Merz, Mit Kafka in Paris. Zu Henri de Toulouse-Lautrecs Au Cirque Fernando, l’Ecuyère, in: ders., Der gestillte Blick. Sehstücke, hg. von Peter Erismann. Mit einem Essay von Manfred Papst und einem Beitrag von Werner Morlang, Innsbruck 2007, S. 16–19. Degas’ Pastell Miss Lala au Cirque Fernando wurde 1879 auf der Impressionisten-Ausstellung gezeigt, aber erst 1925 von der Londoner National Gallery angekauft und öffentlich ausgestellt (Inventarnummer: NG4121; vgl. das Inventarverzeichnis der National Gallery: http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/hilaire-germain-edgar-degas-miss-la-la-atthe-cirque-fernando/*/key-facts (13. 04. 2014); dagegen allerdings Götz Adriani, Edgar Degas. Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, Köln 1984, S. 375 f., der 1919 als Ankaufsdatum durch die Londoner National Gallery angibt). Zur Provenienz von Renoirs Gemälde Les jongleuses au Cirque Fernando, das nur zwischen 1879 und 1892 sowie 1929 auf Ausstellungen
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Georges Seurats unvollendetes pointilistisches Gemälde Cirque von 1891, das sich seit 1986 im Musée d’Orsay befindet,⁷² zu Kafkas Zeit angeblich im Pariser Louvre, wo er es Peter-André Alt zufolge bei seiner gemeinsam mit Max Brod unternommenen Paris-Reise von 1911 gesehen hat.⁷³ Bei genauerer Überprüfung fällt jedoch auf, dass die Reiseaufzeichnungen der beiden Freunde darüber keinerlei Auskunft erteilen.⁷⁴ Dies wäre für sich allein genommen noch keineswegs weiter verwunderlich, sind Kafkas und Brods tagebuchartige Notizen doch lückenhaft; es ist nicht einmal bis ins Einzelne zu rekonstruieren, welche Museen und Ausstellungen sie besucht haben.⁷⁵ Dass Alts Angabe und mehr noch Klaus Wagenbachs Bezeichnung des Seurat-Gemäldes als »ein Vorbild für Kafkas ›Auf der Galerie‹«⁷⁶ aber generell problematisch ist, wie schon Heinz Ladenbach nahegelegt hat,⁷⁷ zeigt ein Blick in die einschlägigen Provenienzangaben: Demnach wurde Seurats Cirque 1900 vom Maler Paul Signac erworben, der es 1923 dem Sammler John Quinn verkaufte. Erst nach dessen
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zu sehen war und sich seit 1922 im Art Institute of Chicago befindet, vgl. die »Ownership History« (http://www.artic.edu/aic/collections/artwork/81558 (13. 04. 2014)) sowie das Verzeichnis: Impressionism and Post-Impressionism in The Art Institute of Chicago, Art Institute of Chicago, 2000, S. 57. Auch Toulouse-Lautrecs Gemälde Au cirque Fernando, l’écuyère gelangte offenbar aus Privatsammlungen ins Art Institute Chicago. Zu seinem Au cirque, travail sans selle, das sich im Besitz der Island School of Design in Providence befindet, liegen keine genaueren Informationen vor; vgl. den Ausstellungskatalog: Claire Frèches-Thory, Anne Roquebert und Richard Thompson, Toulouse-Lautrec. (Hayward Galleries, London; Galéries nationales du Grand Palais, Paris), London 1992, S. 481. Für Hinweise darauf und auf die Provenienzangaben zu den im Folgenden erwähnten Kunstwerken danke ich Christian Sauer. Inventarnummer: RF 2511; nach dem Bestandskatalog des Musée d’Orsay hat der Transfer des Bildes vom Louvre (Galerie du Jeu de Paume) in das Musée d’Orsay 1977 stattgefunden (vgl. http://www.musee-orsay.fr/de/kollektionen/werkkatalog (13. 04. 2014)). Vgl. Peter-André Alt, Kafka, S. 498. Alt stützt sich dabei auf Klaus Wagenbach, Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, Berlin 1994, 2. Aufl., S. 121. Keine Aussage, ja nicht einmal eine Spekulation über Kafkas Kenntnis des Gemäldes macht (trotz seiner ersten vergleichenden Betrachtung von Bild und Text überhaupt) Günther Anders, Kafka. Pro und Contra. Die Prozeß-Unterlagen, München 1963, 2. Aufl., S. 16. Vgl. Max Brod und Franz Kafka, Eine Freundschaft. Reiseaufzeichnungen, hg. von Malcom Pasley unter Mitarbeit von Hannelore Rodlauer, Band 1: Reiseaufzeichnungen, Frankfurt am Main 1987, S. 73–142 u. 143–188. Zu den gemeinsamen Ausstellungs- und Museumsbesuchen findet sich wenig, zumindest erfolgen keine näheren Auskünfte zu Bilderbetrachtungen. Kafka beschreibt kaum konkrete Bildeindrücke (vgl. allenfalls ebd., S. 162 u. 179 f.), sondern vor allem Straßenszenen und dergleichen. Einen direkten Hinweis auf Seurats Zirkusbild findet man hier jedenfalls nicht. Klaus Wagenbach, Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 121. Zumindest bezeichnet er eine tatsächliche Kenntnisnahme durch Kafka als »zweifelhaft«; vgl. Heinz Ladendorf, Kafka und die Kunstgeschichte, S. 304 f.
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Tod im Jahr 1924 wurde das Bild – wie bereits mit Signac vereinbart – dem Louvre vermacht; den Eingang in die Sammlung hat man dort 1926 bestätigt.⁷⁸ Möglich wäre noch eine Leihgabe aus dem Privatbesitz Signacs an eine öffentliche Ausstellung, wie sie in Prag 1910 in einer Auswahlschau des Pariser Salon des Indépendants oder 1913 ebenfalls unter dem Titel »L’École de Paris« zu sehen war.⁷⁹ Tatsächlich wurde Seurats Cirque zwischen 1905 und 1920 allerdings nur einmal öffentlich ausgestellt, und zwar vom 14. Dezember 1908 bis zum 9. Januar 1909 bei »Bernheim-Jeune et Cie., 15 rue Richepance« in Paris.⁸⁰ Die von Alt angenommene Präsentation im Louvre ist also genauso auszuschließen wie eine zu diesem frühen Zeitpunkt plausiblere Ausstellung in einem Salon des Indépendants oder Salon d’Automne, wo unabhängige beziehungsweise akademieautonome Künstler gezeigt wurden. Kafka, der seine erste Reise in die französische Hauptstadt vom 9. bis zum 17. Oktober 1910⁸¹ und seine zweite ein knappes Jahr später vom 7. bis zum 13. September 1911⁸² unternommen hat, kann Cirque dort nicht gesehen haben. Selbst die Annahme, dass Max Brod das Seurat-Gemälde während seines früheren Paris-Aufenthaltes im Jahr 1909 kennengelernt und Kafka eine Reproduktion in Form einer – damals schon durchaus üblichen – Katalogabbildung oder Künstlerpostkarte mitgebracht hat, lässt sich nicht verifizieren: Zwar hat er am 6. November das »Palais d’Automne« besucht und damit sein Interesse an moderner Kunst bekundet, doch ist er insgesamt nur vom 4. bis zum 9. November in Paris gewesen,⁸³ als die Seurat-Retrospektive noch nicht eröffnet war. Kafkas Kenntnisnahme des Bildes oder einer Reproduktion ist also eher unwahrscheinlich, kann aber auf jeden Fall nicht als gesichert gelten, wenngleich sie prinzipiell im Bereich des Möglichen liegt. Nicht allein angesichts der großen Unsicherheit, ob Kafka Seurats (oder auch Toulouse-Lautrecs) Bild bei der Abfassung seines Prosatextes überhaupt kannte, sondern auch aufgrund prinzipieller methodologischer Überlegungen behauptet die vorliegende Untersuchung keine eindimensionalen Einflussverhältnisse. Sie fragt vielmehr mit Greenblatt danach, wie die allenthalben zirkulierenden »kollektiven Überzeugungen und Erfahrungen« der schon damals so faszinierenden 78
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Vgl. den Ausstellungskatalog: Georges Seurat. 1859–1891 [Ausstellung veranstaltet v. Les Galeries Nationales du Grand Palais, Paris (9. 4.–12. 8. 1991) und The Metropolitan Museum of Art, New York (24. 9. 1991–12. 1. 1992).], hg. von Robert L. Herbert unter Mitwirkung von Françoise Cachin, Anne Distel, Susan Alyson Stein und Gary Tinterow, New York 1991, S. 363. Vgl. Jiři Kotalik, Franz Kafka und die bildende Kunst, S. 79. Vgl. den Ausstellungskatalog: Georges Seurat, S. 363 u. 415. Vgl. Peter-André Alt, Kafka, S. 197 f. Vgl. ebd., S. 201–204. Vgl. Max Brod und Franz Kafka, Eine Freundschaft, Band 1, S. 27–37, Zit. S. 28.
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wie abstoßenden Zirkuswelt »gestaltet, von einem Medium in ein anderes transportiert, zu überschaubaren ästhetischen Formen verdichtet und zum Konsum angeboten wurden«⁸⁴ und welches ›lokale Wissen‹ dabei verarbeitet wurde. Es geht den folgenden Ausführungen deshalb nicht um subjektive Eindrücke und Anschauungen, sondern um objektive Bezüge in Sinne einer Strukturhomologie zwischen text- und bildkünstlerischen Verfahrensweisen; die von Peter Utz apostrophierte »Arena der Anklänge«,⁸⁵ in der sich Kafkas Prosastück befindet, wird konsequent um eine ›Arena der Ansichten‹ erweitert. Es handelt sich bei Seurats Cirque um die Darstellung einer Tänzerin, »die auf einem galoppierenden Schimmel, vom befrackten Direktor mit der Peitsche angetrieben, scheinbar schwerelos durch die Manege jagt.«⁸⁶ Während Degas’ und Renoirs Bilder noch von großer Faszination angesichts der unbürgerlichen Halbwelt des Zirkus und der Artistik geprägt sind, verweist Toulouse-Lautrecs Écuyère mit ihren tiefen, schwarzen Augenhöhlen und dem ängstlichen Blick auf ihren offenbar hämisch grinsenden Dresseur schon deutlich auch auf die verdeckte Kehrseite dieser nur scheinbar von aller bürgerlichen Moral und physikalischer Schwerkraft befreiten Existenz, die tatsächlich nicht ohne den »peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef« zu denken ist (siehe Abb. 1). Vollends offenbart aber erst Seurats Cirque die ambivalenten Aspekte des Artistenlebens, indem er einen athletisch gebauten Direktor mit seiner Peitsche ein sichtlich verunsichertes Pferd traktieren lässt, auf dem eine äußerst zerbrechlich wirkende Tänzerin schwebt (siehe Abb. 2). Die kunsthistorische Forschung hat dabei die Darstellung der Effekte sozialer Stratifikation hervorgehoben, die man an der ungleichen Verteilung gut und schlecht gekleideter Zuschauer auf der Tribüne bemerken kann,⁸⁷ sowie die in der Frauengestaltung thematisierte sexuelle Ausbeutung: Wie die unbegleitete und in den Zuschauerraum blickende Frau im Vordergrund andeutet, war der Zirkus seinerzeit ein notorischer Ort der Anbahnung von Prostitution.⁸⁸ Vor diesem Hintergrund erscheint auch die in Kafkas Text thematisierte Präsentation der »Küsse werfend[en], in der Taille sich wiegend[en]« jungen Kunstreiterin durch ihren ›Chef‹ in einem recht ambivalenten Licht, bestand doch gerade nach Reiterinnen nachweislich eine besonders große Nachfrage reicherer männlicher Zirkusbesucher beziehungsweise Freier.⁸⁹ Die Rede von der »immerfort weiter sich öffnende[n] graue[n] Zukunft« des Mäd84 85 86 87 88 89
Stephen Greenblatt, Verhandlungen mit Shakespeare, S. 14. Vgl. Peter Utz, In der Arena der Anklänge. Peter-André Alt, Kafka, S. 498. Vgl. Paul Smith, Seurat and the Avant-garde, New Haven/London 1997, S. 132–139, hier S. 132 f. Ebd., S. 134 f. Ebd., S. 135.
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Abb. 1: Henri de Toulouse-Lautrec, Die Kunstreiterin im Zirkus Fernando (Au cirque Fernando, l’écuyère), 1887−88, Öl auf Leinwand, 100,3 x 161,3 cm, Art Institute of Chicago, Chicago (IL), © Photo SCALA, Florence/DeAgostini Picture Library 2014.
chens findet hier eine grausige Motivation, ebenso das imaginierte Eingreifen des ›jungen Galeriebesuchers‹. Die vor einigen Jahren von Elizabeth Boa eher abstrakt-theoretisch diagnostizierten gendertheoretischen Implikationen des Prosastücks Auf der Galerie,⁹⁰ deren Herleitung Joel M. Hales als realitätsblind kritisiert hat,⁹¹ werden somit durch konkrete sozialhistorische Hintergrundinformationen plausibilisiert. Wie schon angeklungen sein dürfte, sind nicht allein die atmosphärischen Übereinstimmungen zwischen dem Text Kafkas und dem Bild Seurats flagrant. So scheint das Pferd auch hier eigentümlich ›schwankend‹, was darauf zurückgeführt werden kann, dass seine eigenwillige Beinstellung den schon damals bekannten Bewegungsabläufen von Pferden keineswegs entspricht.⁹² Die Galerie ist bei Seurat zudem – in auffallendem Unterschied zu jener Walsers, doch ver90 91
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Vgl. Elisabeth Boa, Kafka’s ›Auf der Galerie‹: a resistant reading, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 65, 1991, S. 486–501. Vgl. J. M. Hales, Blind Resistance? A reply to Elisabeth Boa’s ›Resistant Reading‹ of Kafka’s Auf der Galerie, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 69, 1995, S. 324–336, sowie die Antwort von Elisabeth Boa, A Young Man Plays the Ringmaster. Reply to J. M. Hales, in: Ebd., S. 337–343. Vgl. Jonathan Crary, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und moderne Kultur [engl. 1999], Frankfurt am Main 2002, S. 220.
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Abb. 2: Georges Seurat, Zirkus (Cirque), 1891, Öl auf Leinwand, 186,2 x 151 cm, Musée d’Orsay, Paris, © Photo SCALA, Florence 2014.
gleichbar mit dem fast leeren Parterre bei Toulouse-Lautrec – nicht ›dichtbevölkert‹, sondern recht spärlich besetzt, was auf den sauer verdienten Lebensunterhalt der Artisten verweist. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen Bild und Text lassen sich folgendermaßen resümieren: Auch Kafka interessiert sich offenbar für das ›Phantastische der Manegenatmosphäre‹ und zeigt sich von der ›unbürgerlichen‹, ›künstlichen Welt der Artistik‹ beeindruckt. Doch er bringt der irrealen Scheinwelt des Zirkus, dem dort herrschenden ›Glanz und Flitter‹ zugleich eine
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gehörige Portion Skepsis entgegen – ganz anders als sein literarischer Vorläufer Wedekind, ja noch als der nur fünf Jahre ältere Walser, der seine leise angedeutete Skepsis in einer ironisch-euphemistischen Verneinung verbirgt. In dieser Hinsicht ähnelt sein Prosastück eher den merklich distanzierteren Darstellungen der bildenden Kunst, die in seiner unmittelbaren Zeitgenossenschaft noch zunahmen, wenn man die einschlägigen Arbeiten Picassos, besonders aber Ernst Ludwig Kirchners und Otto Dix’ berücksichtigt. Kirchners Gemälde Zirkusreiterin (1912) bezieht sich offenbar direkt auf Seurats Cirque, forciert jedoch dessen Ausdruck durch die expressive Darstellung der Artisten, die wie die ›Underdogs‹ der Großstadt »›ihre Haut zu Markte tragen‹ – unbürgerlich und doch auf die Gunst der braven Bürger angewiesen.«⁹³ Das Ausgeliefertsein der Kunstreiterin wird hier durch ihre völlige Nacktheit und durch ihre eigenwillige Position angezeigt, die einem Präsentierteller entspricht: Indem sie rücklings auf den bewegten Pferderücken befestigt zu sein scheint, gleicht ihre Körperhaltung sowohl der einer den Freierblicken dargebotenen Prostituierten wie auch der eines haltlosen Sturzes in den Abgrund. Die Kenntnisnahme dieses 1918 in Zürich gezeigten (und heute in der Münchner Pinakothek der Moderne befindlichen) Werks⁹⁴ durch Kafka ist noch unwahrscheinlicher als die der anderen Bilder, abgesehen von Dix’ um 1923 entstandenem Reitakt, der – zu Kafkas Lebzeiten vollkommen unbekannt (weil erst seit 1988 in der Galerie der Stadt Stuttgart ausgestellt⁹⁵) – nicht allein durch seinen mehrdeutigen Titel die sexuelle Ausbeutung der vollbusigen Artistin offensiv thematisiert. Offenbar unabhängig von solchen kritischen Darstellungen der bildenden Kunst wusste Kafka sowohl um die Gefährlichkeit des artistischen Broterwerbs als auch um ›die gefühlskalte Sensationsgier der Menge‹ und machte diese expliziter als sein mit verneinenden Andeutungen operierender ›Vorgänger‹ Walser zum Thema literarischen Gestaltung – wenngleich er sie modal gewissermaßen durchstreicht. Der engste Bezug besteht freilich zwischen Kafkas Text und Seurats Gemälde. Die erwähnte Strukturhomologie ist allerdings keineswegs als mimetische Entsprechung zu verstehen, was auch deshalb nicht angezeigt wäre, weil schon das Bild Seurats die Anforderungen an eine plane ›Nachahmungkunst‹⁹⁶ augenfällig und programmatisch konterkariert, wie die neuere Kunstgeschichtsschreibung 93 94 95
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Norbert Wolf, Ernst Ludwig Kirchner 1880–1938. Am Abgrund der Zeit, Köln 2003, S. 45 f. Vgl. Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner, Cambridge/Mass. 1968, S. 288. Otto Dix’ Reitakt (1923) ist eine Dauerleihgabe aus dem Nachlass des Künstlers; früheste angegebene Ausstellung: München 1985. Vgl. dazu Otto Dix. Bestandskatalog. Galerie der Stadt Stuttgart. Gemälde, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen, Holzschnitte, Radierungen, Lithographien, Stuttgart 1989, S. 350, Nr. 57. Vgl. hingegen den komplexeren Mimesis-Begriff von Peter Utz, In der Arena der Anklänge, S. 56 f.
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hervorgehoben hat. So bescheinigt Jonathan Crary der spezifischen bildkünstlerischen Ästhetik Seurats sogar eine dezidiert antimimetische Tendenz,⁹⁷ was er an der »erstaunliche[n] Deformation des Akrobatenkörpers« exemplifiziert, besonders aber am bereits angedeuteten Faktum, dass aus der Beinstellung des Pferdes »eine gewollte Mißachtung der Grenzen des empirischen Faktums« spreche.⁹⁸ Tatsächlich ist Seurats Gemälde Cirque nicht zuletzt ein Resultat seiner Auseinandersetzung mit der »populären Kultur«, insbesondere mit den Reklameplakaten eines Jules Chéret, die »ein depraviertes Gegenstück zu Seurats Traum vom universalen ›Stil‹« darstellen;⁹⁹ darüber hinaus mit den spektakulären praxinoskopischen Experimenten Émile Reynauds sowie mit den sequenziellen Fotografien beziehungsweise Chronofotografien eines Étienne-Jules Marey oder Eadweard Muybridge, die seinerzeit ein beliebtes Objekt populärer Schaulust waren.¹⁰⁰ Crary betont in diesem Zusammenhang »das Ausmaß von Seurats Interesse an den diversen Veranstaltungen und Shows«, »die auf den Jahrmärkten oder fêtes foraines in Paris und Umgebung stattfanden.«¹⁰¹ Bei seiner nachfolgenden Etikettierung Seurats als ›avantgardistisch‹ beruft sich Crary indes zugleich auf die Avantgarde-Theorie Benjamin Buchlohs, wonach es sich um ästhetische »Strategien« handle, »die der Tendenz der ideologischen Apparate der Kulturindustrie« entgegenarbeiteten, »sämtliche Praktiken und Räume der Repräsentation zu okkupieren und zu kontrollieren«, ja die sogar darauf hinwirkten, sie zu »durchkreuzen«.¹⁰² Auch von dieser Seite wird also deutlich, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit der populären Kultur keineswegs notwendig darauf hinausläuft, die Grenzen zwischen ›hoher‹ und ›niederer‹ Kultur gänzlich zu verwischen und dergestalt den eigenen Anspruch auf ästhetische Legitimität zu hintertreiben. Im Gegenteil: Gerade die bildliche Adaptation populärer Sujets dient Seurat zur Entwicklung und Entfaltung eines avancierten persönlichen Darstellungsstils, dessen innere Spannung und Kontrastwirkung dazu beitragen sollte, seinen kunsthistorischen Rang durch forcierte
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Vgl. Jonathan Crary, Aufmerksamkeit, S. 216–224. Ebd., S. 220 f. Ebd, S. 214 u. 359, Anm. 273. Vgl. ebd., S. 214–224 u. 359f., Anm. 276. Ebd., S. 359, Anm. 274, wo ausgeführt wird, »daß Seurat nicht nur die Sideshows und Zirkusattraktionen wie verkleidete Affen, Gewichtheber, Riesen und Bauchredner schätzte, sondern auch für Panoramen, Wachsfigurenkabinette, Schlafwandler und visuelle Darstellungen berühmter Verbrechen eine Vorliebe hatte. […] Natürlich hielt dieses Milieu eine breite Skala von optischen Apparaten für den öffentlichen Konsum bereit, sowohl Peep Shows in endlosen Variationen als auch die Laterna Magica, Schattentheater, großformatige Stereoskope, Zootope und andere Arten von Schaustellung.« 102 Ebd., S. 360 f., Anm. 285.
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Innovation zu konstituieren. Kafkas spezifisch literarische Behandlung der Opposition von ›high‹ und ›low‹ steht zu diesen innovatorischen Verfahren in einem Verhältnis struktureller Homologie und beansprucht ebenso den Stellenwert ›legitimer‹ Kunst. Neben den genannten Gemeinsamkeiten zwischen Seurat und Kafka existieren allerdings auch gewichtige Unterschiede, die nicht zuletzt in den medial differenten Möglichkeiten von Malerei und Sprachkunst begründet liegen. Verdeutlichen lässt sich diese Differenz zunächst anhand des gemeinsamen künstlerischen Sujets – der ›fremden‹ Welt des Zirkus und der Artistik – das man mit Michel Foucaults mittlerweile gängiger Begrifflichkeit als soziale ›Heterotopie‹ bezeichnen kann.¹⁰³ Um die Struktur solcher Heterotopien besonders plastisch herauszuarbeiten, hat Foucault sie von der klassischen Utopie abgegrenzt: Utopien sind Orte ohne realen Ort. Es sind Orte, die in einem allgemeinen, direkten oder entgegengesetzten Analogieverhältnis zum realen Raum der Gesellschaft stehen. Sie sind entweder das vervollkommnete Bild oder das Gegenbild der Gesellschaft, aber in jedem Fall sind Utopien ihrem Wesen nach zutiefst irreale Räume. / Dann gibt es in unserer Zivilisation wie wohl in jeder Kultur auch reale, wirkliche, zum institutionellen Bereich der Gesellschaft gehörige Orte, die gleichsam Gegenorte darstellen, tatsächlich verwirklichte Utopien, in denen die realen Orte, all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt werden. Es sind gleichsam Orte, die außerhalb aller Orte liegen, obwohl sie sich durchaus lokalisieren lassen.¹⁰⁴ Heterotopien sind Foucault zufolge also die »realen Orte jenseits aller Orte«; er nennt etwa »Gärten, Friedhöfe, Irrenanstalten, Bordelle, Gefängnisse, die Dörfer des Club Méditerranée und viele andere«,¹⁰⁵ und es scheint bei aller Vagheit der gegebenen Definitionen keineswegs verfehlt, dabei auch an den Zirkus oder – all-
103 Die folgenden Ausführungen lehnen sich an Überlegungen an, die bereits in einem kleinen Essay skizziert wurden: Norbert Christian Wolf, L’esthétique du monstrueux dans les petits récits de Kafka, in: Le monstrueux et l’humain, hg. von Danièle James-Raoul und Peter Kuon, Bordeaux 2012 (=Eidôlon 100), S. 233–243. 104 Michel Foucault, Von anderen Räumen [frz. 1967/1984], in: ders., Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits, Band 4: 1980–1988, hg. von Daniel Defert und François Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange, Frankfurt am Main 2005, S. 931–942, hier S. 935. Ähnlich in Michel Foucault, Die Heterotopien/Les hétérotopies. Der utopische Körper/Le corps utopique. Zwei Radiovorträge. Zweisprachige Ausgabe. Mit einem Nachwort von Daniel Defert, Frankfurt am Main 2005, S. 10, wo von »Gegenräume[n]« die Rede ist. 105 Michel Foucault, Die Heterotopien/Der utopische Körper, Frankfurt am Main 2005, S. 11.
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gemeiner – an Orte der artistischen Präsentation wie den Vergnügungspark zu denken. Im gegenwärtigen Zusammenhang ist allerdings weniger die »Heterotopologie« von Interesse, die Foucault als eigene metatopologische Wissenschaft der ›anderen Orte‹ imaginiert, vielmehr die imaginative Potenz dieser ›anderen Orte‹ selbst: »Heterotopien besitzen die Fähigkeit, mehrere reale Räume, mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind, an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen.«¹⁰⁶ Sie entsprechen dem produktiven Vermögen der menschlichen Einbildungskraft, das wohl auch die soziale und kulturelle Faszination der Heterotopien begründet und den thematischen Reiz der hier behandelten Kunstwerke ausmacht. Wie die angeführten Beispiele demonstrieren, bleibt die bildkünstlerische Gestaltung trotz ihrer historisch zunehmenden Problematisierung der mimetischen Repräsentation ›realer‹ Gegenstände und Vorgänge vor der historischen Durchsetzung abstrakter Malerei (und Plastik) aufgrund ihrer semiotischen ›Ikonizität‹¹⁰⁷ doch prinzipiell einem mimetischen Paradigma verhaftet. Demgegenüber vermag die sprachlich verfasste und deshalb auf ›symbolischen Zeichen‹¹⁰⁸ beruhende Literatur die Heterotopie nicht allein als sozialen Ort, sondern ebenso als künstlerisches Verfahren fruchtbar zu machen und durch ihre genuin antimimetisch-autoreferentielle Struktur auf radikalere Weise performativ zu reflektieren beziehungsweise auf ein metaästhetisches Niveau zu heben. Die Heterotopie gerät bei Foucault nämlich nicht allein als sozial distinkter realer Ort ins Blickfeld der Betrachtung, sondern ebenso als subversives textuelles Verfahren: So erzeuge etwa die parataktische Reihung von kategoriell Unvereinbarem die »Monstrosität« von absurden Aufzählungen, die Foucault zufolge darin besteht, »daß der gemeinsame Raum des Zusammentreffens darin selbst zerstört wird. Was unmöglich ist, ist nicht die Nachbarschaft der Dinge, 106 Michel Foucault, Von anderen Räumen, S. 938. Ähnlich Michel Foucault, Die Heterotopien/ Der utopische Körper, S. 14. 107 Bei ›ikonischen Zeichen‹ besteht nach Peirce ein motivierter Zusammenhang zwischen dem ›realen‹ Erscheinungsbild in der Welt und dem Zeichen (so bei zahlreichen Piktogrammen); vgl. Helmut Rehbock, Ikon, in: Metzler Lexikon Sprache, hg. von Helmut Glück, Stuttgart/ Weimar 2000, 2. Aufl., S. 286–287, hier S. 286: »Von Ch. S. Peirce eingeführter Terminus für → Zeichen, die ihren ›Gegenstand‹ mittels einer Übereinstimmung in wahrnehmbaren Merkmalen denotieren.« 108 Bei ›Symbolen‹ – etwa den meisten sprachlichen Zeichen – besteht keinerlei ›motivierter‹ Zusammenhang zwischen ›realem‹ Referent beziehungsweise Signifikat und Signifikant, sondern nur ein arbiträrer und zugleich konventioneller; vgl. Helmut Rehbock, Symbol, in: Metzler Lexikon Sprache, S. 712 f., hier S. 712: »Der für → Semiotik und Ling.[uistik] wichtigste S.-Begriff geht auf Ch. S. Peirce zurück. Als ›S.‹ benennt er diejenigen → Zeichen, die zum bezeichneten Objekt weder in abbildender (Ikon) noch in realer (→ Index 1), sondern in rein konventioneller Beziehung stehen und somit das Saussuresche Merkmal der → Arbitrarität erfüllen.«
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sondern der Platz selbst, an dem sie nebeneinandertreten könnten.«¹⁰⁹ Denn: »Das Absurde ruiniert das Und der Aufzählung, indem es das In, in dem sich die aufgezählten Dinge verteilen, mit Unmöglichkeit schlägt.«¹¹⁰ Das Ergebnis dieser enumerativen Parataxe, die Foucault am berühmten Beispiel eines Artikels über Tierarten aus der (von Jorge Luis Borges angeführten) »gewissen chinesischen Enzyklopädie« namens »Himmlischer Warenschatz wohltätiger Erkenntnisse« analysiert,¹¹¹ ist das Entstehen eines ›wirklichen‹, aber kategoriell unmöglichen Ortes, der alle anderen ›realen‹ Räume in Frage stellt und die bestehende Ordnung generell als instabil erscheinen lässt: »Die Heterotopien beunruhigen, wahrscheinlich weil sie heimlich die Sprache unterminieren, weil sie verhindern, daß dies und das benannt wird, weil sie die gemeinsamen Namen zerbrechen oder sie verzahnen, weil sie im voraus die ›Syntax‹ zerstören, und nicht nur die, die die Sätze konstruiert, sondern die weniger manifeste, die die Wörter und Sachen […] ›zusammenhalten‹ läßt.«¹¹² Es liegt nahe, dass Entsprechendes nicht allein parataktisch, sondern genauso hypotaktisch erzeugt werden kann, was gerade in Kafkas Texten zu beobachten ist.¹¹³ Im Kurzprosastück Auf der Galerie figuriert zwar keine parataktische Reihung von kategoriell Unvereinbarem, doch wird auch hier ›die Sprache unterminiert‹, indem etwa die gebräuchliche Funktion von Indikativ und Konjunktiv subvertiert erscheint – und somit auf andere Weise auch ›die Syntax‹ insgesamt, die sowohl »die Sätze konstruiert« als auch »die Wörter und Sachen« ›zusammenhält‹.¹¹⁴ Dies hat bemerkenswerte ästhetische Konsequenzen, denn textuell erzeugte Heterotopien erschaffen »einen illusionären Raum«, der Foucault zufolge »den
109 Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften [frz. 1966], Frankfurt am Main 1971, S. 18 f. 110 Ebd., S. 19. 111 Vgl. Jorge Luis Borges, Die analytische Sprache John Wilkins’, in: ders., Das Eine und die Vielen. Essays zur Literatur, München 1966, S. 209–214, hier S. 212. 112 Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, S. 20. 113 Zu Kafkas ästhetischem Verfahren eines (parataktisch und hypotaktisch) fortschreitenden »Entzug[s] der Referenz« vgl. auch den Aufsatz von Hans-Thies Lehmann, Der buchstäbliche Körper. Zur Selbstinszenierung der Literatur bei Franz Kafka, in: Der junge Kafka, hg. von Gerhard Kurz, Frankfurt am Main 1984, S. 213–241, Zit. S. 214. 114 Eine weitere Möglichkeit der Unterminierung von Sprache besteht in den zeitlichen (sowie modalen) Brüchen, die Michel Foucault, Die Heterotopien/Der utopische Körper, S. 16, im Vorübergehen erwähnt: »Es zeigt sich, dass Heterotopien oft in Verbindung mit besonderen zeitlichen Brüchen stehen. Sie sind, wenn man so will, mit den Heterochronien verwandt.« Solche »Heterochronien« oder »Heterotopien der Zeit«, wie Foucault sie auch nennt, finden sich auch in Kafkas Kurzprosa allenthalben, etwa in der Erzählung Ein Landarzt, deren eigenwillige (chrono)logische Struktur – wie oft bemerkt wurde – am ehesten einer Traumlogik entspricht.
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ganzen realen Raum und alle realen Orte, an denen das menschliche Leben eingeschlossen ist, als noch größere Illusion entlarvt«,¹¹⁵ ohne in jenen tendenziell totalitären Utopismus umschlagen zu können, der im zwanzigsten Jahrhundert so verheerende Konsequenzen gezeigt hat. Tatsächlich vermeidet Kafka in seiner Kurzprosa zum einen die Schaffung einer idealistischen, amateriellen Utopie, eines »Ort[s] jenseits aller Orte« auf der gedanklichen Basis irrealer Körper, die – wie bei Wedekind und dem abendländischen »Mythos der Seele«¹¹⁶ entsprechend – »von grenzenloser Dauer, von allen Fesseln frei, […] geschützt und in ständiger Umbildung begriffen wäre[n].«¹¹⁷ Zum anderen vermeidet er peinlich die narrative Erzeugung jener zweiten Erscheinungsform textueller Heterotopie, die Foucault zufolge auf affirmative Weise »einen anderen realen Raum« hervorbringt, »der im Gegensatz zur wirren Unordnung unseres Raumes eine vollkommene Ordnung aufweist«, wie das Walser ansatzweise in Ovation entwirft – und tut dies zugunsten jener ersten, die subversiv »eine Illusion« erzeugt, »welche die gesamte übrige Realität als Illusion entlarvt«.¹¹⁸ Indem Kafka also die Heterotopie nicht nur – wie ein Großteil der bildenden Kunst vor und um 1900 – zum Gegenstand künstlerischer Gestaltung macht, sondern sie zudem in das textuelle Verfahren einschreibt, reflektiert er im Medium der Literatur deren spezifische mediale Voraussetzungen und gestalterische Möglichkeiten und weist sie somit als pluridimensionale Kunstform aus. Einerseits kann er die problematischen Aspekte der Artistik genauso thematisieren wie die bildende Kunst, ja mittels Sprache sogar noch expliziter machen; andererseits bedient er sich der besonderen Möglichkeiten sprachlicher Modalität, die der bildenden Kunst nicht – zumindest nicht auf vergleichbare Weise und in diesem Ausmaß – gegeben sind und die ihm einen großen Spielraum für ironische Perspektivierungen eröffnen. Auch hier kann man freilich eine gewisse Entsprechung in Seurats Cirque konstatieren: Betrachtet man nämlich genau dessen rechte untere Ecke, dann offenbart sich in der rechten Hand des Clowns, der einen seltsamen, gleichsam derealisierenden Schatten wirft,¹¹⁹ ein selber schattenwerfender Vorhang in der Farbe des Manegenbodens – ein Vorhang, der entweder vor die dargestellte Manege gezogen werden kann, wodurch die Sicht auf sie verstellt wäre, oder aber ein ihr zugrundeliegender Vorhang, der seinerseits den beweglichen materiellen Untergrund der
115 Michel Foucault, Von anderen Räumen, S. 941.; vgl. ders., Die Heterotopien/Der utopische Körper, S. 19. 116 Michel Foucault, Die Heterotopien/Der utopische Körper, S. 27 f. 117 Ebd., S. 26. 118 Ebd., S. 19 f.; vgl. ders., Von anderen Räumen, S. 941. 119 Vgl. Jonathan Crary, Aufmerksamkeit, S. 221.
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gesamten Zirkusdarstellung ausmacht. Die erwähnten Schatten zu beiden Seiten des Faltenwurfs sprechen eher für die zweite Möglichkeit, wonach die gesamte abgebildete Szenerie nur als Stoffmalerei zu verstehen wäre, hinter der sich eine andere, eine alternative Wirklichkeit verbirgt.¹²⁰ Genau diesem intrikaten Gedanken entspricht nun Kafkas Kurzprosatext, ja er radikalisiert ihn in drei Schritten, indem er zuerst durch den Konjunktiv II signalisiert, dass das Geschehen im Zirkus nicht ist, wie es dem ›jungen Galeriebesucher‹ scheint, indem er sodann zu Beginn des zweiten Teils seines Textes sogar explizit verlautbaren lässt, dass es nicht so ist, und indem er schließlich dem Publikum inhaltlich nahelegt, dass es doch so ist, wie es angeblich nicht ist. Er tut dies nicht nur ausdrücklich, sondern wiederholt es auch – »Da es aber nicht so ist […] – da dies so ist« – und nimmt somit gewissermaßen eine ästhetische Strategie vorweg, die der bildende Künstler René Magritte zehn Jahre später seinem berühmten Gemälde La trahison des images (Ceci n’est pas une pipe) (1929) zugrunde gelegt hat,¹²¹ ohne aber in seinem bildkünstlerischen Medium auf die modalen Perspektivierungsmöglichkeiten der Sprache zurückgreifen zu können – stattdessen bedient er sich einer gemalten Schrift, transzendiert also die genuine Zeichenordnung der Malerei und erzeugt eine klassische Medienkombination¹²² (siehe Abb. 3). Es handelt sich bei dem Gemälde, dessen Titel mit Der Verrat der Bilder (Dies ist keine Pfeife) ins Deutsche zu übersetzen wäre, um eines der bekanntesten Werke des belgischen Surrealisten, von dem es verschiedene Fassungen aus unterschiedlichen Phasen seines Schaffens gibt. Magritte hat sich zur Deutung seines Bildes wiederholt selbst geäußert; etwa (in deutscher Übersetzung): »Ein Bild ist nicht mit etwas Greifbarem zu verwechseln: das Bild einer Pfeife ist keine Pfeife.«¹²³ An
120 Diese Beobachtung verdanke ich einem Hinweis von Doris Kolesch bei der Diskussion der mündlichen Präsentation einer ersten Fassung des vorliegenden Beitrags im Rahmen meines Habilitationsverfahrens. 121 Einen Bezug der künstlerischen Verfahrensweisen von Kafka und Magritte postuliert in anderem Zusammenhang und ohne eingehende Analyse bereits Christine Lubkoll, Dies ist kein Pfeifen. Musik und Negation in Franz Kafkas Erzählung Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 66, 1992, S. 748–761, hier S. 761. 122 Zur Terminologie vgl. Irina O. Rajewsky, Intermedialität, S. 18 f. u. 201; Werner Wolf, Intermedialität, S. 173 u. 178. 123 René Magritte, Die Ähnlichkeit (Londoner Fassung) [1961], in: ders., Sämtliche Schriften, hg. von André Blavier, München/Wien 1981, S. 437 f., hier S. 438. Magritte fährt fort: »Ein Bild der Ähnlichkeit interpretieren zu wollen – um was weiß ich welche Freiheit auszuüben – heißt ein inspiriertes Bild verkennen, indem man ihm eine willkürliche Interpretation unterschiebt, die ihrerseits Gegenstand einer endlosen Reihe überflüssiger Interpretationen sein kann.« Ähnlich schon in: ders., Die Ähnlichkeit (Lütticher Fassung) [1960], in: Ebd., S. 428 f., hier S. 429.
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Abb. 3: René Magritte, Der Verrat der Bilder (La trahison des images), 1929, Öl auf Leinwand, 60 x 81 cm, Los Angeles County Museum, Los Angeles (CA), © Photo SCALA, Florence/Digital Image Museum Associates/LACMA/Art Resource NY 2014.
anderer Stelle gibt er zu bedenken: »[K]önnen Sie sie stopfen, meine Pfeife? Nein, nicht wahr, sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich also unter mein Bild ›Dies ist eine Pfeife‹ geschrieben, hätte ich gelogen!«¹²⁴ Indem Magritte nachdrücklich auf die unüberwindbare kategoriale Differenz zwischen dargestelltem Gegenstand und künstlerischer Darstellung beziehungsweise zwischen ›wirklichem‹ Objekt und ›gedanklichem‹ Sujet verweist,¹²⁵ lässt er die mimetischen Wahrnehmungskonventionen der überkommenen Ästhetik und Poetik als brüchig erscheinen. Und indem sein sichtbares Gemälde expressis verbis ein ›erscheinungsloses‹ 124 Interview mit Claude Vial, in: Ebd., S. 535–537, hier S. 536 f. Weiter heißt es da ganz im Sinne der von Erwin Panofsky rekonstruierten altehrwürdigen kunsttheoretischen idea-Tradition: »In einem Gemälde ist das Sujet, ist die Idee wichtig. Ich werde durch Musik und Poesie inspiriert und nicht durch eine Obstschale, Gemüse oder totes Wild.« 125 Vgl. auch folgende Überlegung aus Die Ähnlichkeit (Lütticher Fassung): »Das Bild einer Marmeladenschnitte ist mit Sicherheit nichts Eßbares, und umgekehrt ändert es nichts am tatsächlichen Aspekt einer Marmeladenschnitte, wenn man sie hernimmt und in einer Gemäldeausstellung zeigt, so daß es albern wäre, sie für fähig zu halten, die Beschreibung irgend eines Denkens erscheinen zu lassen.« (Ebd., S. 419)
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Mysterium evoziert,¹²⁶ »erschüttert« es »alle überlieferten Beziehungen zwischen Sprache und Bild.«¹²⁷ In den Worten Foucaults: »Verglichen mit der traditionellen Funktion der Legende ist Magrittes Text zweifach paradox. Er unternimmt es, das zu benennen, was dessen gar nicht bedarf […]. Aber gerade im Augenblick, in dem er den Namen zusprechen sollte, spricht er ihn aus, um ihn dem Gegenstand abzusprechen.«¹²⁸ Dieses heterotopische Verfahren »untergräbt« in seiner Konsequenz »insgeheim einen Raum, den e[s] in seiner traditionellen Ordnung zu bewahren scheint«,¹²⁹ indem es verhindert, »daß irgendeine Ebene als gemeinsamer Ort dienen kann.«¹³⁰ Entsprechendes gilt – wie deutlich geworden sein sollte – in abgewandelter Form bereits für Kafkas Text, wo der Inhalt des Gesagten nahelegt, dass das im modus irrealis Geschilderte das ›Wahre‹ ist, während das im modus realis Berichtete offensichtlich einen illusionären Bewusstseinszustand bezeichnet, der gleichwohl wiederholt als ›wahr‹ affirmiert wird. Der Satz vom Widerspruch, der der gesamten Repräsentationslogik zugrunde liegt, wird auch hier auf eklatante Weise verletzt. Es findet eine »Affirmation des Trugbildes« statt,¹³¹ indem sich die doppelt paradoxe explizite Aussage des Textes erkenntnislogisch »auf das Fehlen eines sie tragenden gemeinsamen Ortes bezieht«, wie Foucault in seiner Analyse gezeigt hat.¹³² Für eine text- und medienkomparative Analyse ist auch der am Ende von Kafkas Text »wie in einem schweren Traum versinkend[e]« Galeriebesucher, der sein »Gesicht auf die Brüstung« legt, in seiner bisher nur angedeuteten Funktion als Vertreter des Künstlers von besonderem Interesse, findet er doch nicht nur am oberen Rand von Seurats Gemälde eine verblüffende Entsprechung,¹³³ sondern steht auch in gewisser Analogie zu jener »Muse meines Herzens«, an die Baudelaires lyrisches Ich angesichts seiner ›leeren Börse‹ und seines ›trockenen Gaumens‹ das Sonett La muse vénale – zu Deutsch Die käufliche Muse – adressiert. Die abschließenden Terzette formulieren vollkommen illusionslos in deut126 Vgl. folgende Selbstdeutung im Interview mit Georges Dricot (1962): »Dieses Gemälde repräsentiert das Bild einer Pfeife, ist aber keine. Wenn man an das Mysterium denkt, evoziert man das Mysterium. Dieses Bild der Pfeife läßt also an die Erscheinung denken, also an das, was keine Erscheinung hat, das Mysterium.« (Ebd., S. 478 f., hier S. 479) Vgl. dazu auch den 1967 verfassten Essay Die Kunst der Ähnlichkeit (ebd., S. 545–547, hier S. 546). 127 Michel Foucault, Dies ist keine Pfeife. Mit zwei Briefen und vier Zeichnungen von René Magritte und mit einem Nachwort von Walter Seitter, München/Wien 1974, S. 14. 128 Ebd., S. 16. 129 Ebd., S. 31. 130 Ebd., S. 52. 131 Ebd., S. 44. 132 Ebd., S. 33 f. 133 Vgl. Carsten Schlingmann, Franz Kafka, S. 112.
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scher Übersetzung: »Du mußt, um dir dein Brot für jeden Abend zu verdienen, das Rauchfaß schwenken wie ein Chorknabe, mußt ein Tedeum singen, an das du selbst nicht glaubst, / Oder, Gauklerkind mit hohlem Magen, deine Reize darbieten und dein Lachen […], um so dem Pöbel ein Ergötzen zu bereiten.«¹³⁴ Die zuletzt gezeichnete Szenerie entspricht recht genau der tristen Vorstellung, die sich Kafkas »junger Galeriebesucher« vom Beruf der »Kunstreiterin« macht, der einer Prostitution gleichkommt. Während er »weint«, »ohne es zu wissen«, ist Baudelaires Gauklerkind »von Tränen feucht, die man nicht sieht«.¹³⁵ Die beiden Texte korrespondieren hinsichtlich der von ihnen evozierten realen oder imaginierten Trostlosigkeit des scheinbar so lichten Artistenlebens, dessen dunkle Bilder einander fast gleichen. Thomas Wegmann hat indes durchaus heiter auf die Doppeldeutigkeit des Begriffs ›Vorstellung‹ hingewiesen, die er »das nicht benannte Zentrum in Kafkas narrativer Manege« nennt, und daraus augenzwinkernd postmodernistisch geschlossen: [G]erade die Wiederholung der Vorstellung der Kunstreiterin markiert die Differenz in der Vorstellung der Beobachter und zeigt: Die Vorstellung vom Zirkusgeschehen trägt konstitutiv zur Vorstellung im Zirkus bei. Der Text selbst wird damit zu einer Zwillingsfigur, von denen es in Kafkas Werk nicht wenige gibt […]. Seine beiden Teile stützen, relativieren und durchkreuzen sich gegen- und wechselseitig. Die Verdoppelung der Vorstellung in des Wortes doppelter Bedeutung aber hebt am Ende die Illusion auf, dass man Illusionen beziehungsweise Vorstellungen zerstören kann oder muss. Und das aus einem einfachen Grund: Wie kaum eine andere Organisation lässt der Zirkus seine Besucher von ihrem festen archimedischen Punkt, etwa von der Galerie aus, philobatisch am artistischen Geschehen teilhaben, das in der Luftakrobatik wie in der Kunstreiterei genau diesen archimedischen Punkt höchst anschaulich zum Verschwinden bringt – zumindest vorübergehend.¹³⁶ Die zuletzt zitierte Einschränkung ist freilich selbst ein archimedischer Punkt, und zwar einer, anhand dessen sich die suggestive Rede von der unentscheidbar geltenden Gleichrangigkeit der Perspektiven aushebeln lässt. Denn bei aller Suggestion einer Aufhebung der Schwerkraft, auf welche die Kunststücke der Luftakrobatik wie der Kunstreiterei hinauslaufen, beruhen letztere doch stets auf
134 La muse vénale/Die käufliche Muse, in: Charles Baudelaire, Sämtliche Werke/Briefe, Band 3, S. 77. 135 Ebd. 136 Thomas Wegmann, Artistik, S. 577.
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einer genauen Kenntnis ebenjener Gravitation. Nur eine allein durch intensive Übung – also Arbeit – erreichbare Körperbeherrschung vermag es, sie »vorübergehend« scheinbar aufzuheben. Bei tatsächlicher Missachtung der physikalischen sowie gesellschaftlichen Gesetze fliegt selbst der beste Artist auf die Nase, und eine Interpretation, die das ignoriert, gleicht in ihrer illusio dem staunenden Kind, das dem Zauberer aufs Wort glaubt. Erwachsen – und damit mündig – werden heißt gemeinhin auch, sich gegen unvermeidliche Desillusionierungen nicht länger zu wehren. Anders, als es unserem heutigen ›postmodernen Wissen‹ lieb sein mag, thematisiert Kafkas Prosastück – ähnlich wie vor ihm Baudelaire und Seurat – gerade auch diese so schmerzliche wie unhintergehbare Erfahrung. Nachdrücklich betont sei abschließend hingegen eine andere Doppeldeutigkeit, nämlich die des zentralen Titelbegriffs.¹³⁷ Das Wort ›Galerie‹ verweist ja nicht allein auf den Zirkus – und damit auf einen paradigmatischen Ort der ›niederen‹ Künste beziehungsweise der antibürgerlichen Artistik –, sondern mindestens ebenso auf den paradigmatischen Ort der bürgerlichen Präsentation jener bildenden Kunst, die einer Programmatik des ›Hohen‹ folgt. Der Titel Auf der Galerie impliziert demnach auch die Opposition von ›oben‹ und ›unten‹,¹³⁸ was durchaus mit der Tatsache in Verbindung gebracht werden kann, dass die seinerzeit in Galerien ausgestellte Malerei und Plastik gemeinhin als ›hohe‹ Kunst verstanden sein wollte. Zugleich aber betreibt Kafkas Text unter der Hand eine charakteristische Inversion der üblichen Opposition von ›hoch‹ und ›niedrig‹, denn die billigen Plätze befinden sich im Zirkus und im Theater bekanntlich oben, während die teuren gerade unten zu suchen sind – ein Chiasmus, den schon Walsers Feuilleton Lustspielabend vorbereitet, indem es ironisch von den »erhöhten Galeriemenschen«¹³⁹ spricht. Auch in Kafkas Text sind beide Kunstformen gleichermaßen präsent, was aber keineswegs auf ihre völlige Ununterscheidbarkeit und Gleichrangigkeit schließen lässt, im Gegenteil: Allein schon die sprachlich höchst kunstvolle Gestalt und der komplexe Gehalt des Prosastücks Auf der Galerie geben zu erkennen, dass es sich hier um ein Produkt handelt, das als ›hohe‹ Kunst behandelt werden will. Das hat bereits eine der beiden Besprechungen des Bändchens Ein Landarzt erkannt, die zu Kafkas Lebzeiten erschienen sind: Rudolf Thomas schrieb 137 Zur Bedeutung des Titels vgl. neben J. M. Hales, Blind Resistance?, S. 330 f., auch Roger Hermes, Auf der Galerie, in: Interpretationen. Franz Kafka. Romane und Erzählungen, hg. von Michael Müller, Stuttgart 2003, 2. Aufl., S. 215–232, hier S. 219. 138 In eine andere Richtung als die hier eingeschlagene zielt trotz des scheinbar einschlägigen Titels der Kurzessay von Larry Vaughan, Franz Kafka. Auf der Galerie – The Heights in the Depths; the Depths in the Heights, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift NF 61, 2011, S. 215–219. 139 Robert Walser, Das Gesamtwerk, Band 1, S. 158.
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im Prager Tagblatt anerkennend von »Stilproben, in denen kein Wort entfallen, keines hinzugesetzt werden dürfte, wenn nicht der Bau zusammenstürzen soll«; es handle sich um eine »von allen Ismen freigebliebene, peinlich saubere deutsche Prosa«.¹⁴⁰ Der vom aufmerksamen Zeitgenossen durchaus wahrgenommene enorme »symbolische« Anspruch von Kafkas Satzbau drückt sich John Margetts zufolge etwa darin aus, dass »die Prosa durch ihren subtilen rhythmischen Charakter in einer sehr großen Nähe zu gebundener Rede steht«,¹⁴¹ was sie textuell in die preziöse Tradition des Prosagedichts einreiht – ganz zu schweigen von paratextuellen Hinweisen wie dem äußerst großzügigen, ja verschwenderischen Satzspiegel der Erstausgabe oder dem Erscheinungsort der anspruchsvollen Textsammlung, die Kafka 1919 wohl nicht von ungefähr bei Kurt Wolff unterbrachte, einem der damals angesehensten und avanciertesten deutschen Literaturverlage. Der insgesamt sehr ansprechend gestaltete Band erinnert äußerlich stark an ästhetizistische Buchgestaltungen der Jahrhundertwende. Ähnlich wie die beschriebenen Werke der bildenden Kunst macht sich Kafkas Kurzprosatext Auf der Galerie nicht mit seinem ›niederen‹ Gegenstand gemein, sondern beansprucht in seiner beispiellosen sprachlichen Dichte höchste künstlerische Dignität.
140 R[udolph] Th[omas], Drei Prager Autoren, in: Prager Tagblatt, 45. Jg., Nr. 257 vom 31. 10. 1920, Unterhaltungs-Beilage, S. 2. 141 John Margets, Satzsyntaktisches Spiel mit der Sprache: Zu Franz Kafkas »Auf der Galerie«, in: Colloquia Germanica 4, 1970, S. 76–82, hier S. 81.
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»trance!« Thomas Manns Okkulte Erlebnisse
Noch in den fünfziger Jahren musste Thomas Mann in seinen Briefen Fragen beantworten, die seine dreißig Jahre zurückliegenden Erfahrungen mit dem Okkulten wie auch den Vortrag Okkulte Erlebnisse betrafen.¹ Dass der bekannte Schriftsteller sich mit Phänomenen wie Telekinese und Manifestationen des Okkulten einließ, dürfte die damalige Leserschaft sicherlich besonders beeindruckt haben. Mitte der zwanziger Jahre hatte Okkulte Erlebnisse einen ganz außerordentlichen Erfolg. Mann selbst gestand Hans Bodmer, er habe »noch nie mit einem Vortrag soviel Beifall«² gefunden. Möglicherweise deswegen widmete Thomas Mann diesem Stoff, den er ursprünglich »in den Kreis meines Romans (das heißt des Zauberbergs)«³ fügen wollte, eine separate Veröffentlichung. Ganze vier Mal erschien Okkulte Erlebnisse zwischen 1924 und 1925.⁴ Angesichts dieses Erfolgs scheint die nachgeordnete Stellung des Texts, den Rainer Maria Rilke als »amüsant und merkwürdig« definierte,⁵ in der Thomas-Mann-Forschung nicht völlig gerechtfertigt: Er wird entweder als Dokument eines »peinlichen Kapitels«⁶ in der Biographie des Autors oder als Auseinandersetzung mit dem Okkultismus behandelt, die insbesondere Hinweise für das Verständnis des Fragwürdigstes1
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Vgl. den Brief an Upton Sinclair, in dem Thomas Mann von sich selbst als »apparently lacking in any occult gift« spricht (Hans Wysling, Marianne Fischer (Hg.), Thomas Mann. Dichter über ihre Dichtungen. Teil II: 1918–1943, München 1979, S. 54, im Folgenden zitiert: DüD II) oder den Brief an Richard Braungart (ebd., S. 55): »Sie kennen vielleicht meinen Aufsatz Okkulte Erlebnisse, den ich veröffentlichte während ich am Zauberberg schrieb. Er zeigt Ihnen am besten mein zwiespältiges Verhältnis zu dieser Sphäre, ein Verhältnis, das nicht ganz ungläubig, aber geringschätzig ist.« Noch im April 1954 erklärt sich Thomas Mann für bereit, ein Interview über das Thema zu geben (ebd., S. 57). Ebd., S. 52. Ebd., S. 51. Im 3. Heft der Neuen Rundschau (Jg. 35), in der niederländischen Zeitschrift De Stem (Jg. 4, H. 1.3 und 1. 4.), beim Berliner Verlag Häger als Luxusausgabe und beim Fischer Verlag in der Sammlung Bemühungen. Neue Folge der gesamten Abhandlungen und Aufsätze. DüD II., S. 56. Hermann Kurzke, Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk, Frankfurt am Main 2001, S. 336.
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Kapitels im Zauberberg liefert.⁷ Bei einer näheren Betrachtung bietet Okkulte Erlebnisse jedoch genügend Ansätze für eine differenzierte analytische Perspektive. Dass Thomas Mann in Okkulte Erlebnisse etwas mehr als ein »autobiographisches Dokument« oder eine Stellungnahme über den Okkultismus vorschwebte, verraten bereits manche Äußerungen in seinem Briefwechsel, in denen die okkultistischen Sitzungen bei Albert von Schrenck-Notzing als Stoff für eine literarische Verarbeitung präsentiert werden. Am 21. Februar 1923 schreibt er an Ernst Bertram, dass er in seinem Familienkreis »die humoristisch-novellistische, mit Theorie durchsetzte Schilderung meiner okkulten Erlebnisse« vorgelesen habe.⁸ Weist die Bezeichnung »humoristisch-novellistische Schilderung« entschieden auf den Bereich des Literarischen hin, so wird der humoristische Charakter des Vortrags (und der später erschienenen schriftlichen Fassung) in den folgenden Briefen mehrmals hervorgehoben.⁹ In einem an Lili Diekmann gerichteten Brief wirbt Thomas Mann für seinen bevorstehenden Vortrag mit Worten, die an die literarischen Typologien des Phantastischen und des Schauererregenden denken
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Unter den in den letzten Jahren erschienenen Studien, in denen der Text Okkulte Erlebnisse mehr oder weniger eingehend analysiert wird, sind folgende hervorzuheben: Franz Orlik, Das Sein im Text: Analyse zu Thomas Manns Wirklichkeitsverständnissen und ihrem Wandel, Würzburg 1997; Antje Rausch, Okkultes in Thomas Manns Roman Der Zauberberg, Frankfurt am Main 2000; Werner Wienand, Größe und Gnade. Grundlagen und Entfaltung des Gnadebegriffs bei Thomas Mann, Würzburg 2001. Eine umfassende Monographie über Albert von Schrenck-Notzing von Manfred Dierks ist 2012 erschienen (Manfred Dierks, Thomas Manns Geisterbaron. Leben und Werk des Freiherrn Albert von Schrenck-Notzing, Gießen 2012). Okkulte Erlebnisse wird darin nur kurz erwähnt. Die Drei Berichte über okkultistische Sitzungen werden dagegen als Basis für die Darstellung der von Thomas Manns beigewohnten ersten drei Sitzungen benutzt (ebd., S. 313–315). Insgesamt lässt sich Orliks Feststellung, der Text habe »in der Forschung kaum Aufmerksamkeit gefunden« (Franz Orlik, Das Sein im Text, S. 39), nicht ganz aufrechthalten. Bereits der von Orlik angeführte Forschungsüberblick bezeugt eher das Gegenteil. Auf Okkulte Erlebnisse wird in einigen für das Verstehen von Thomas Manns Werk grundlegende Analysen verwiesen, auch wenn es sich manchmal um eher beiläufige Erwähnungen handelt, die sich auf das FragwürdigstesKapitel beziehen: Manfred Dierks, Studien zu Mythos und Psychologie bei Thomas Mann, Bern und München 1971; Eckhard Heftrich, Zauberbergmusik: Über Thomas Mann, Frankfurt am Main 1975; Werner Frizen, Zaubertrank der Metaphysik. Quellenkritische Überlegung im Umkreis der Schopenhauer-Rezeption Thomas Manns, Frankfurt am Main,1980. Weitere Literaturhinweise werden innerhalb dieses Aufsatzes angegeben. DüD II, S. 51. Vgl. den Brief an Ernst Hanhart, 21. 3. 1923, DüD II, S. 52: »Ich spräche gerne mit Ihnen über ›okkulte‹ Beobachtungen, die ich kürzlich machte, sogenannte telekynetische Phänomene, deren Echtheit zu bestreiten mir unmöglich scheint. Ich referiere darüber in den nächsten Tagen in Wien und Budapest, mit Humor, aber mit Überzeugung.«
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lassen: »In einer Stunde halte ich im Odeon den gruseligen Vortrag, den ich auch Ihnen zugedacht habe. Machen Sie sich auf eine schlaflose Nacht gefaßt!«¹⁰ Dass persönliche Erfahrungen in Okkulte Erlebnisse literarisch verarbeitet wurden, verdeutlicht dann ein Blick auf die Drei Berichte über okkultistische Sitzungen – eine Reihe von Briefen, die Thomas Mann an den Veranstalter der Séancen Albert von Schrenck-Notzing schickte.¹¹ Obwohl die Forschung beide Texte undifferenziert als Dokumente von Thomas Manns Interesse am Okkulten behandelt, verfolgen die Drei Berichte einerseits und Okkulte Erlebnisse andererseits zwei ganz unterschiedliche Ziele. Ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung gedacht (worauf der Vermerk »streng vertraulich« auf der ersten Seite des Typoskripts schließen lässt), bestand der Anlass der Briefe ausschließlich darin, von der Echtheit der in drei Séancen erfahrenen okkultistischen Phänomene Zeugnis abzulegen.¹² Die prinzipielle Übereinstimmung der erzählten Fakten sowie einige wiederkehrende Formulierungen zeigen, wie die Briefe an SchenckNotzing als Vorlage zur Komposition von Okkulte Erlebnisse gedient haben. Am Anfang des ersten Berichts und der Schilderung der Séance in Okkulte Erlebnisse steht zum Beispiel die Begegnung mit dem Medium Willy S., die mit minimalen Abweichungen zwischen Vorlage und endgültigem Text beschrieben wird: Nach meinem Eintritt in Ihr Empfangszimmer mit den übrigen Teilnehmern bekannt gemacht, liess ich es mir angelegen sein, auch den jungen Willi zu begrüssen und einige Worte mit ihm zu wechseln, teils um ihn merken zu lassen, dass kein Feind und böser Aufpasser in mir sich eingefunden habe, teils um einen Eindruck von seiner Persönlichkeit zu gewinnen. Ich fand einen etwa Zwanzigjährigen von offenbar ziemlich schlichter Herkunft, süddeutsch-österreichischen Dialekts und von anständig-freundlichem Wesen, der aber kein Bedürfnis verrät, durch eifriges Entgegenkommen und wortreiche Höflichkeit für sich einzunehmen.¹³
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DüD II, S. 52. Vgl. Thomas Mann, Essays II. 1914–1926. Kommentar, hg. von Hermann Kurzke, Frankfurt am Main 2002 (Große kommentierte Frankfurt Ausgabe, Band 15.2), S. 384. Auf Wunsch des Barons Schrenck-Notzing sollte Thomas Mann darin kurz fixieren, was er »gestern bei unsrer Sitzung mit dem Medium Willi S. gesehen« habe (Thomas Mann, Drei Berichte über okkultistische Sitzungen, in Id., Essays II. 1914–1926, hg. von Hermann Kurzke, Frankfurt am Main 2002 [Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 15. 1, im Folgenden zitiert: GKFA 15.1], S. 587). Dem Parapsychologen dienten Thomas Manns Aufzeichnungen zur autoritativen Beglaubigung seiner Materialisations- und Telekineseexperimente. Er veröffentlichte sie deswegen in seinem Band Experimente der Fernbewegung (1924). Ebd.
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[…] ich ließ es mir angelegen sein, den Künstler das merken zu lassen, ihn gewiß zu machen, daß in mir kein Feind und böser Aufpasser, kein Skeptiker jener Art sich eingefunden habe, die auf nichts als Entlarvung und triumphbrüllende Überrumpelung bedacht ist. […] Ich wechselte einige Worte mit Willi S., in dem Wunsche einen Eindruck von seiner Persönlichkeit zu gewinnen. Ich fand einen 18- oder 19-Jährigen, brünett, nicht unsympathisch und ohne jedwedes phänomenale Merkmal, von offenbar schlichter Herkunft, süddeutsch-österreichischen Dialekts und von anständig-freundlichem Wesen, der aber kein Bedürfnis verriet, durch eifrige und wortreiche Höflichkeit für sich einzunehmen.¹⁴ Der augenfälligste Unterschied liegt in der Reduzierung der drei Sitzungen in Drei Berichte auf eine einzige in Okkulte Erlebnisse, deren Schilderung sich bezüglich der Handlung grundsätzlich am ersten Bericht orientiert. Dem zweiten Bericht sind dann ergänzende Episoden entnommen: Das sind zum Beispiel die Übernahme der Kontrolle des Mediums durch Thomas Mann, die Schreibmaschine, an der ein unsichtbares »Etwas« tippt, und die Materialisation einer einem Armstumpf ähnlichen Gestalt. Der dritte Bericht, der auch der kürzeste ist, enthält die Beschreibung einiger Phänomene, die dann in Okkulte Erlebnisse nicht aufgenommen wurden. Aufgrund ihres praktischen Ziels sind die Berichte als direkte Faktenwiedergabe verfasst und lassen der literarischen Imagination kaum Raum. Ihr sachlicher und photographischer Stil, der der Glaubhaftigkeit des Gesehenen dienen sollte, wird in Okkulte Erlebnisse durch Stellen gebrochen, an denen die Gedankenrede des Schriftstellers einer ironisch-distanzierten Haltung Ausdruck gibt. Dazu werden szenische Hinweise hinzugefügt, um die Narration zu dynamisieren. Während in Drei Berichte durchgängig nur die Perspektive des Erzählers wiedergegeben wird, trifft man in Okkulte Erlebnisse auch Dialogstellen, in denen die Séance-Teilnehmer zu Wort kommen: Wenige Minuten nach Eintritt der Rotdunkelheit melden die Kontrollierenden Trance-Zustand des Mediums. Nach meiner Beobachtung setzt dieser Zustand mit einem plötzlichen kurzen und heftigen Zusammenzucken ein, das von andauernden stossenden Bewegungen des Oberkörpers nach vorn gefolgt ist. Will das Medium eine Frage bejahen, so verstärkt sich diese Bewegung einmal schlagartig; beim Verneinen wird sie zum seitlichen Hin und Her. Ausserdem spricht der Somnambule zu den Kontrollierenden rasch und stark flüsternd, auf eine gewisse leidenschaftliche Art.
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Thomas Mann, Okkulte Erlebnisse, in GKFA 15.1, S. 622.
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Er äusserte sich als eine der beiden symbolischen Personen, in die für seine Traumvorstellung sein Ich sich spaltet und die er Minna und Erwin nennt.¹⁵ »Trance!« meldet meine kundige Assistentin. Da war der Junge mir unter den Händen in »Trance« gefallen! War das ein Abenteuer. Nie hatte ich bisher diesen Zustand beobachtet, und da ich überzeugt bin, daß das ein Zustand von weitreichender Merkwürdigkeit ist, so wandte ich ihm angelegentlichste Aufmerksamkeit zu. Die Sache ist die, daß während seiner Dauer Willi für seine Traumvorstellung sich in zwei symbolische Personen spaltet, eine männliche und eine weibliche, die er »Erwin« und »Minna« nennt. Eine Kinderei, Hokuspokus. Niemand nimmt Erwin und Minna ernst, aber man geht um der Sache willen auf die Grille ein, kennt keinen Willi mehr und hält sich an die beiden, die ihre abwechselnde Gegenwart auf simple Art zu kennzeichnen wissen.¹⁶ Der Vergleich mit Drei Berichte macht die Distanzierung von der autobiographischen Basis in Okkulte Erlebnisse offenbar, die mit Blick auf ihre narrativen Möglichkeiten zu einer Novelle umgewandelt wird. Die Reduzierung der drei Sitzungen auf eine einzige lässt sich gerade als Kunstgriff interpretieren, um die Schilderung der Séance als geschlossene Handlung zu präsentieren, in der das verspätete Einsetzen der telekinetischen Phänomene zur Erzeugung von Spannung dient, die dann im letzten Teil aufgelöst wird. Wie aus der Textanalyse zu schließen ist, kommt diese novellistische Verarbeitung ebenfalls durch Fiktionalisierungselemente sowie durch den Rückbezug auf Topoi von Thomas Manns literarischem Werk zustande. Aufgrund des Vortragscharakters des ganzen Texts wird der novellistische Teil durch einen aus Prolog und Epilog bestehenden Rahmen umgrenzt, in dem Thomas Mann essayistisch zu dem Okkultismus Stellung nimmt. Um den Eingriff des Schriftstellers Thomas Mann richtig zu beurteilen, muss man das Augenmerk vor allem auf den mittleren Teil von Okkulte Erlebnisse richten. Die Nähe zu seinem literarischen Werk lässt sich bereits jedenfalls im essayistischen Prolog feststellen: Dieser beinhaltet nicht nur Hinweise für das Verstehen von Thomas Manns (etwas undeutlicher) Position über den Okkultismus, sondern auch einleitende Bemerkungen, die dann in der Séance-Beschreibung – dem eigentlich narrativen Teil – entwickelt werden. Im zweiten Abschnitt führt der Autor zum Beispiel eine Unterscheidung zwischen Spiritismus und Okkultismus ein, die jedoch zunächst unbestimmt bleibt. Wichtiger ist der Vergleich der beiden mit der Metaphysik: Die Okkultisten seien dem Studium von 15 16
Thomas Mann, Drei Berichte über okkultistische Sitzungen, GFKA 15.1, S. 588. Thomas Mann, Okkulte Erlebnisse, GFKA 15.1, S. 628.
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Phänomenen ergeben, »die – vorläufig – mit den Gesetzen der uns bekannten Naturordnung in Widerspruch zu stehen scheinen«.¹⁷ Um diese Phänomene zu erzeugen, bedienen sich die Okkultisten des »Somnambulismus der sogenannten Medien«, eines Mittels, »das jeden Augenblick ins Transzendente und Metaphysische hinüberspielt«.¹⁸ Im folgenden Abschnitt geht es darum, das Verhältnis zwischen Spiritismus und Metaphysik zu klären: Aber Metaphysik ist natürlich nicht Spiritismus, und namentlich: dieser ist nicht jenes. Das ist ein Niveau-Unterschied solchen Grades, daß er zum wesentlichen Unterschiede wird, und nichts ist begreiflicher, als daß philosophische Metaphysik sich den Spiritismus vom Leibe zu halten trachtet. In der Tat ist Spiritismus, der Glaube an Geister, Gespenster, Revenants, spukende »Intelligenzen«, mit denen man sich in Beziehung setzt, indem man eine Tischplatte anredet, und zwar nur, um die größten Dummheiten zur Antwort zu erhalten – in der Tat also ist Spiritismus eine Art von Gesindestuben-Metaphysik, ein Köhlerglaube, der weder den Gedanken idealistischer Spekulation gewachsen noch des metaphysischen Gefühlsrausches im entferntesten fähig ist. Ein Meisterwerk des metaphysischen Gedankens ist »Die Welt als Wille und Vorstellung«. Das klassische opus metaphysikum der Kunst besitzen wir in Wagners »Tristan und Isolde«. Man braucht an so hohe Intuitionen nur zu erinnern, um die ganze klägliche Unwürde dessen begreifen zu lassen, was sich Spiritismus nennt und was nicht sowohl Metaphysik als eine Sonntagnachmittagszerstreuung für Köchinnen ist.¹⁹ Indem er bedacht ist, jede oberflächliche Affinität zwischen Spiritismus und Metaphysik zu vermeiden, kann Thomas Mann bezeichnenderweise nicht umhin, den Ersten durch die Zweite zu definieren. Zwischen beiden bestehe zwar ein Niveauunterschied, der aber zu groß sei, als dass er sich ermessen ließe. »Ist aber Menschenwürde ein Wahrheitskriterium?«: Diese am Anfang des folgenden Abschnitts rhetorisch aufgeworfene Frage bekommt eine ironisch-distanzierte Antwort: »Im gewissen Sinne [meine Hervorh.] Ja«.²⁰ Einen Schritt weiter geht Thomas Mann dann im folgenden Abschnitt, als er Okkultismus als wissenschaftliche Variante des Spiritismus definiert. Auch hier wird die Analogie zur Metaphysik herangezogen: Okkultismus sei nichts anders als »empirisch-experimentelle Metaphysik«, in der sich »das Geheimnis des organischen Lebens mit
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GFKA 15.1, S. 612. Ebd. GFKA 15.1, S. 612–613. GFKA 15.1, S. 613.
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den übersinnlichen Geheimnissen« mische.²¹ Es habe also keinen Sinn, zwischen würdig und unwürdig zu unterscheiden. Dem »Begriff der Würde und des guten Geschmacks« komme dort kein Recht zu, »wo es sich um Wissenschaft, um die Erforschung der Wahrheit, also um jenen Prozeß handelt, in dem die Natur durch den Menschen sich selbst ergründet«.²² Wenn Metaphysik empirisch wird, darf sie nicht mehr an moralischen Wertungen gemessen werden: Hier nämlich handelt es sich nicht länger um Geist, Niveau, Geschmack, um nichts in Kühnheit Schönes; hier ist Natur im Spiel, und das ist ein unreines, skurriles, boshaftes und dämonisch-zweideutiges Element, gegen welches der Mensch, geistesstolz, emanzipatorisch-gegennatürlich gesinnt seinem Wesen nach, sich vornehm zu verhalten liebt, indem er seine spezifische Würde darin sucht, zu vergessen, daß er ein Kind der Natur so gut wie ein Sohn des Geistes bleibt.²³ Der Natur-Begriff lässt Okkultismus sogar in die Nähe der exakten Wissenschaften rücken. Unter Berufung auf Einsteins Theorie, durch die »die Grenze zwischen Physik und Metaphysik fließend geworden« sei, erscheine Okkultismus als plausibler Beweis dafür, dass »die Materie zuletzt und zuinnerst nicht Materie« sondern »eine Erscheinungsform der Energie« sei.²⁴ 21
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GFKA 15.1, S. 615. Die Definition von Okkultismus als wissenschaftlicher – und dadurch ernst zu nehmender – Variante von Spiritismus geht auf Schrenck-Notzing selbst zurück, der die Materialisationsphänomene anders als die spiritistische Hypothese nicht als Manifestationen aus dem Jenseits sondern als ideoplastische Erscheinungen versteht, bei denen Materie durch die psychische Kraft des Mediums umgeformt wird (vgl. Franz Orlik, Das Sein im Text, S. 204 ff., und Marianne Wünsch, Okkultismus im Kontext von Thomas Manns ›Zauberberg‹, in: Thomas-Mann-Jahrbuch, 24 (2011), S. 86). Obwohl Thomas Mann diesen Unterschied fast wortwörtlich nimmt, sind bei ihm die Gebiete nicht klar getrennt, wie etwa das Fragwürdigstes-Kapitel zeigt, in dem es sowohl um Spiritismus als auch um Okkultismus geht. Der Grund für diese Analogie ist vor allem im gemeinsamen Rückbezug auf die (Schopenhauersche) Metaphysik zu finden. Als Experimentalmetaphysik ist aber »der animalische Magnetismus« bereits im Schopenhauers Versuch über das Geistersehen definiert (vgl. Werner Frizen, Zaubertrank, S. 280). Da Schopenhauer im Gegensatz zu Mann die spiritistische Hypothese nicht ausschließt, fragt sich Frizen, ob es nicht Thomas Manns Aporie sei, dass er »erst unschopenhauerisch gegen den Spiritismus argumentierend, eben Schopenhauers Metaphysik als Paradigma und klassisches Exempel ›würdiger‹ Metaphysik ins Feld führte« (ebd., S. 282). GFKA 15.1, S. 615. Ebd. Ebd. Dieser Bezug auf Einstein basiert natürlich auf einem Missverstehen oder einer Uminterpretation (Marianne Wünsch, Okkultismus, S. 87). Über Thomas Manns Kenntnisse von Einsteins Theorien, vgl. Franz Orlik, Das Sein im Text, S. 215.
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Im Prolog zeigt sich Thomas Manns Position in der für viele seiner Figuren typischen Ambivalenz von Abwehr und Akzeptanz einer durch Unwürdigkeit und Unschicklichkeit gekennzeichneten Lebenssphäre.²⁵ Wie auch in der Schilderung der Séance deutlich hervortritt, ist Thomas Mann von den irrationalistischen Tendenzen fasziniert, die der Okkultismus repräsentiert, obwohl er oftmals seiner Skepsis Ausdruck gibt. Thomas Manns Interesse am Okkultismus rührt daher, dass er ihn aller Vorbehalte zum Trotz als ein an die Metaphysik Schopenhauers angrenzendes Gebiet versteht, wie bereits sowohl Manfred Dierks als auch Werner Frizen unterstrichen.²⁶ Die jüngste Forschung hat diese Annahme bekräftigt.²⁷ Der eigentliche Kern seiner Argumentation liegt darin, dass der Okkultismus aus einer gesellschaftlich unterlegenen Perspektive – die für den Spiritismus benutzte Definition von ›Gesindestube-Metaphysik‹ gilt gewissermaßen auch hier – den Blick auf die metaphysische Dimension eröffnet, die in Thomas Manns Werken stets mit denselben, auf seine Schopenhauer-Rezeption zurückgehenden Topoi verschlüsselt ist: Unform, Ohnmacht des Individuums und Übermacht des Willens, Ablehnung der Realität als Schein und Illusion und so weiter. In dem am Anfang des zweiten Abschnitts stehenden Satz zeichnet sich bereits eine Verfallsgeschichte ab, die mit dem durch ›fremde‹, ›irrationale‹ Mächte verursachten Schicksal von Thomas Manns Figuren verwandt ist: »Es ist nicht anders: Ich bin den Okkultisten in die Hände gefallen«.²⁸ Okkultismus bedeutet für ihn also eine andere Möglichkeit, zur Erkenntnis einer tieferen, jenseits des ›normalen Lebens‹ existierenden Wirklichkeitsschicht zu gelangen, die den wahren Gegenstand der Kunst darstellt. Die Zurückführung des Okkultismus auf die wiederkehrenden Motive Thomas Manns hat auch poetologisch tiefgreifende Konsequenzen. Aus dem Blickwinkel von Schopenhauers Metaphysik wird das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Erzählung problematisch, denn sie betrachtet Wirklichkeit nicht als objektive Erscheinung, sondern als illusionären
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Vgl. Werner Wienand, Größe und Gnade, S. 202: »In Okkulte Erlebnisse spricht Thomas Mann zweideutig und gibt doch persönlich eindeutigere Antworten. Hier wird um die Wurzeln der Relevanz dieser Thematik gezielt herumgeschrieben, genau um die Wirklichkeit des Okkulten und die Unfähigkeit, mit der Auseinandersetzung zu einem Abschluß zu kommen. Manns Bezug zum Okkulten ist ambivalent, Angst und Angezogensein gleichermaßen«. Vgl. Manfred Dierks, Studien, 133; Werner Frizen, Zaubertrank, 279 ff. Vgl. Auch Reents weist in seinem Buch über den Einfluss Schopenhauers darauf hin: »Das Interesse fürs Okkulte [wurde] von philosophisch kompetenter Seite, von Schopenhauer selbst nämlich wenn nicht geweckt, so jedenfalls nicht in Frage gestellt« (Edo Reents, Zu Thomas Manns Schopenhauer-Rezeption, Würzburg 1998, 268). Vgl. auch Franz Orlik, Das Sein Im Text, S. 71 f. GFKA 15.1, S 612.
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Schein.²⁹ Das betrifft einerseits den Okkultismus als Thema, bei dem die Grenze zwischen Wirklichkeit und Betrug immer fließend ist, und anderseits Thomas Manns Bericht selbst als Spiel zwischen objektiver Faktenwiedergabe und literarischer Erfindung. Zusammengefasst wird dieser Gedanke in den Worten, die Thomas Mann dem Medium sagt, als er mit ihm bekannt gemacht wird: Betrug? Zwischen Betrug und Wirklichkeit gab es viele Zwischenstufen, und irgendwo waren sie eins. Vielleicht handelte es sich um eine Art von Naturbetrug, der ebensogut als Realität anzusprechen sein mochte?³⁰ Die Geschichte der Bekanntschaft von Thomas Mann mit dem Baron Albert Schrenck-Notzing bringt uns sowohl ein erhellendes Licht auf die teils fiktive Darstellung biographischer Fakten in Okkulte Erlebnisse als auch Klarheit hinsichtlich der Verwandtschaft des Okkultismus mit den für Thomas Mann charakteristischen Verfallsphantasien. In Thomas Manns Notizbuch findet sich eine erste Erwähnung des Barons bereits 1899, also mehr als zwanzig Jahre vor seinem ersten nachgewiesenen Besuch einer Séance bei ihm. Kurt Martens versuchte etwa um die gleiche Zeit vergeblich, Thomas Mann zu einer bei ihm organisierten Séance einzuladen. Wie Martens selbst erzählte, versuchte er »ihn ins Leben (er nannte es lächelnd das ›derbe‹ Leben), wenn nicht gerade hineinzuziehen, so doch schonend hineinzulocken, nicht nur, um ihn da an meiner Seite zu haben, sondern auch, weil ich mir einbildete, daß seine Kunst und sein nicht weiter Blick dadurch gewinnen könne«.³¹ Thomas Manns Interesse am Okkultismus lässt sich einerseits früh datieren; diese Sphäre wird andererseits von Anfang an mit den Attributen des ›Verfalls‹ und der ›Kunst‹ gekennzeichnet. Andere Belege eines Kontakts mit Schrenck-Notzing finden sich in Thomas Manns Tagebuch des Jahres 1919.³² Die biographischen Indizien sprechen also für eine allmähliche, tastende Annäherung an den Kreis des Okkultisten und Parapsychologen. In Okkulte Erlebnisse wird die Geschichte der Kontaktaufnahme mit Schrenck-Notzing, die zugleich die Exposition in der novellistischen Umarbei29
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Vgl. dazu generell zu Thomas Manns durch Schopenhauer beeinflusste Realismus-Konzeption, Børge Kristiansen, Das Problem des Realismus, in Helmut Koopmann (Hg.), Thomas– Mann–Handbuch, Frankfurt am Main 2005, 822 ff. GFKA 15.1, S. 622. Zit. in Peter de Mendelssohn, Der Zauberer. Das Leben des deutschen Schriftstellers Thomas Mann. Erster Teil 1875–1918, Frankfurt am Main 1975, S. 353. Thomas Mann, Tagebücher 1918–1921, hg. von Peter de Mendelssohn, Frankfurt an Main 1979, 2. Auflage, S. 134. Tagebuch 10. 1. 1919. Thomas Mann besuchte oft den Münchner ›Herrenklub‹, der gerade von Schrenck-Notzing geleitet wurde (Vgl. Manfred Dierks, Thomas Manns Geisterbaron, 263).
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tung der Séance-Schilderung bildet, anders dargestellt. In einem kleinen Porträt wird zunächst zusammengefasst, wie dieser »Spezialist für Nervenkrankheiten, Sexual-Patholog« sich den okkulten Wissenschaften annäherte. Thomas Mann erinnert sich dann an den Skandal, den die Veröffentlichung seines Buchs Materialisations-Phänomene in der Gelehrtenwelt verursachte. Interessant ist vor allem die Stelle über die Reaktionen auf diese Veröffentlichung, die Thomas Mann nach politischen Begriffen in ein »Rechts« und ein »Links« einteilt. Im Verhalten zum Okkultismus sei »rechts« die Position der »konservativen« Skeptiker und links die der »radikal-umstürzlerischen« Befürworter, die okkulten Phänomenen aus »inhumaner Gehässigkeit gegen Vernunft und Wissenschaft« positiv gegenüberstehen: Deutschland befinde sich – so Thomas Mann – gerade in einer Übergangsphase, in der »ein gefährlicher Liberalismus« den alten Konservatismus ersetze.³³ In dieser für den Okkultismus vorteilhaften Situation ergibt sich also für den Autor, der sich als »weit links«³⁴ beschreibt, die Gelegenheit, den Kontakt mit Schrenck-Notzing zu knüpfen: Ich erzähle alles ganz so, wie es sich zutrug. Besuch meldete sich, ein Herr, Künstler, Maler, Zeichner, von einem humoristischen Blatt beauftragt, meine Karikatur zu zeichnen. Nur zu! Er zeichnete mir eine schiefe Nase, und ein Wort gab dabei das andere. Gott weiß, wie wir auf von Schrenck-Notzing kamen. Ob ich gehört hätte, daß der Herr mit einem neuen Medium arbeite, fragte mein Gast, während er mich mit dem Stift verspottete. Es sei ein junger Mensch, ein halber Knabe, Willi S. mit Namen, Zahntechniker seines Zeichens und dabei ein physikalischer Tausendsassa mit dem Schrenck ganz tolle Erscheinungen zeitige.³⁵ Dieser Zeichner ist vermutlich mit Rudolf Großmann zu identifizieren, der eine Karikatur Thomas Manns angefertigt hatte und der auf der Typoskriptrückseite des ersten Berichts in der Liste der Anwesenden an der Séance genannt wird.³⁶
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GFKA 15.1, S. 617. In der Forschung wird diese Passage, in der Thomas Mann sich politischer Metaphern bedient, verschieden interpretiert. Nach Rausch dokumentieren Thomas Manns Worte einfach die Verbreitung der okkultistischen Mode in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg (vgl. Antje Rausch, Okkultes, S. 57 f.). Wienand sieht dagegen darin eine Anspielung auf die nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte Kräfteverschiebung zugunsten der westlich-liberalen Mächte (Werner Wienand, Größe und Gnade, S. 198). Man muss allerdings anmerken, dass Thomas Mann hier ironisch die traditionelle Vorstellung einer rationalen Linken und einer irrationalen Rechten umkehrt. GFKA 15.1, S. 619. GKFA 15.1, S. 620. Thomas Mann, Essays II. 1914–1926, S. 397. Franz Orlik, Das Sein im Text, S. 188.
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Die Episode mag trotzdem nicht unbedingt als realistisch aufgefasst werden, wenn man bedenkt, dass Okkulte Erlebnisse in der Entwicklungsphase des mit Tod in Venedig entdeckten »mythisierende[n] Erzählens«³⁷ verfasst wird, in dem »zwei gleichberechtigte Textebenen, eine Real- und eine ›Symbol‹-Schicht interferieren«.³⁸ Den novellistischen Charakter des mittleren Textteils charakterisieren auch Einsprengsel mythisierenden Erzählens, die in den Schreibprozess eingegangen sind. Das bedeutet darüber hinaus einen weiteren Vorsprung von Drei Berichte. Als reale und zugleich symbolische Figur ist also der Zeichner aufgrund seiner Vermittler-Funktion mit den Hermes-Figuren im erzählerischen Werk zu vergleichen, die die Protagonisten ins Reich des Übersinnlichen führen. Darauf weist eine Anspielung auf die Satyrn im folgenden Abschnitt hin, als der Autor den Zeichner als »mein[en] Satyriker« bezeichnet.³⁹ Je weiter man liest, desto deutlicher wird die Vermischung der symbolischen und der realen Textebene. Im gleichen Spannungsfeld ist die »Hauptperson« der Sitzung, das Medium Willy, angesiedelt. In einer bereits oben zitierten Passage ist von seiner Fähigkeit die Rede, sich während seiner Traumvorstellung in zwei symbolische Personen, eine männliche und eine weibliche, die er »Erwin« und »Minna« nannte, zu spalten. Willy zeichnet sich als nicht nur durch seine mediumistischen Fähigkeiten als Hermes Psychopomp aus, sondern er reiht sich ebenfalls unter die in Thomas Manns Werk wiederkehrenden Hermaphroditen ein.⁴⁰ Im Übrigen fällt Willy als typische Thomas-Mann-Figur schon bei seiner ersten Beschreibung auf, wenn er als »Künstler«, und »im Zustand einer gewissen Spannung und unterdrückten Erregung befangen, einer Art von Lampenfieber offenbar« dargestellt wird.⁴¹ Besondere Aufmerksamkeit wird im Vergleich zu Drei Berichte den Einzelheiten geschenkt, die die Séance als »schwarze Messe« erscheinen lassen.⁴² Dazu 37 38 39 40
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Hermann Kurzke, Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung, München 2010, 4. Auflage, S. 127. Manfred Dierks, Studien, S. 31. GKFA 15.1, S. 620. Zu den Hermaphroditen bei Thomas Mann, vgl. Manfred Dierks, Studien, S. 233. Auch Ellen Brand in Fragwürdigstes-Kapitel trägt deutliche Anzeichen einer sexuellen Ambivalenz, indem sie den Geist vom Spirit Holger sprechen lässt. GKFA 15.1, S. 614. Am problematischsten erscheint die Bezeichnung ›Künstler‹, die ohnehin im Text nicht motiviert wird. Zieht man Willys Tätigkeit als Medium in Betracht, könnte man leicht an einen Schauspielkünstler und an Thomas Manns von Nietzsche beeinflusste Theorie über das Künstlertum denken (vgl. Kurzke, Epoche – Werk – Wirkung, 88). Mann würde dann damit auf Willys betrügerische Künste hinweisen. Allerdings wird diese Behauptung ausdrücklich von Mann selbst negiert, wenn er am Ende der Sitzung bei der Verabschiedung mit Willy hinzusetzt: »Eine Betrüger-Physiognomie, dachte ich, ist das kaum« (GFKA, S. 615). Als »schwarze Messe« definiert Heftrich die Séance im Zauberberg (Eckhard Heftrich, Zauberbergmusik, S. 352).
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gehört zum Beispiel die – in Drei Berichte nicht enthaltene – Beschreibung von Schrenck-Notzings Laboratorium, das an die Rumpelkammer eines modernen Alchimisten erinnert: Das war ein geräumiges Zimmer, unordentlich angefüllt mit photographischen Apparaten und solchen für Magnesium-Blitzlicht, Stühlen und Tischen, auf denen allerlei Gegenstände, wie zum Beispiel eine Spieldose, eine gestielte Tischglocke, eine Schreibmaschine, mehrere weiße Filzringe usw. standen und lagen – Dinge, die, banalen Charakters an und für sich, dem jungen Willi bei seinen seltsamen Leistungen dienen, und von denen die Rede sein wird. Auch eine Art von Käfig aus feinem Drahtgeflecht war zu sehen, worin man den Jüngling gelegentlich einer wissenschaftlich-kritisch besonders strengen Sitzung verwahrt hatte, ohne daß man ihn durch diese Vorkehrung hatte hindern können, Unerklärlichkeiten zu erzeugen.⁴³ Hinter einem Vorhang befindet sich das »schwarze Kabinett«, von dem der Erzähler bereits gehört hatte, das jedoch an dem Abend nicht benutzt werden sollte, wie Schrenck-Notzing bekannt gibt. Die Farbe Schwarz bekommt auch in den folgenden Passagen eine große Bedeutung. Die Kleidung des Mediums besteht aus einem schwarzen Trikot, »worein Willi vom Halse bis zu den Fußknöcheln sich kleiden sollte«⁴⁴. Dazu zog Willi einen Schlafrock mit weißen Leuchtbändern an, die mit einer Masse bestrichen waren, »die im Dunkeln leuchtete, so daß man die Umrisse von Willis Figur auch bei sehr gedämpfter Beleuchtung genauestens würde im Auge behalten können«.⁴⁵ Zu diesem Gewand, mit dem Willi fast an einen dadaistischen Priester erinnert, gehört sowohl ein weiteres Leuchtband, das »diademartig« um den Kopf geschlungen wird, als auch »alte türkische Pantoffeln«.⁴⁶ Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Ergänzungen zu Drei Berichte auch in subjektiven Reflexionen des Autors bestehen. Durch diese wird die Spannung zwischen Skepsis und Faszination mehrmals zum Ausdruck gebracht. Der Erzähler definiert sich dem Medium Willy S. gegenüber als »ein
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GKFA 15.1, S. 614. GKFA 15.1, S. 624. Ebd. GKFA 15.1, S. 624–625. In Drei Berichte fiel die Beschreibung viel lakonischer aus: »Darauf nahm ich an der Kontrolle des Mediums beim Umkleiden teil und überzeugte mich, dass an dem schwarzen Trikot, den W. S. anlegte, und dem schwarzseidenen wattierten und mit Streifen aus Leuchtstoff versehenen Schlafrock, den er darüberzog, keinerlei Vorkehrung getroffen war, die zur Täuschung der Beobachter hätte dienen können« (GKFA 15.1, S. 588).
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positiver Skeptiker«, der »seine Freude hatte, wenn etwas gelang«.⁴⁷ Kurz vor dem Umkleiden des Mediums findet sich diese Formel wieder: Ich bin ein Skeptiker, der wünscht, daß etwas zustande kommt … Aber vielleicht war das die allergründlichste und äußerste Skepsis? Vielleicht war ich, in meiner Lässigkeit und meinem Wohlwollen, der Ungläubigste von allen?⁴⁸ In solchen Pendelbewegungen zwischen Skepsis und Faszination lässt sich die Haltung Hans Castorps in Der Zauberberg und des Erzählers in Mario und der Zauberer okkulten Phänomenen gegenüber schon erkennen; sie erinnern an »das Pathos der Mitte« des Ironikers, der »zwischen den Gegensätzen spielt, und es mit Parteinahme und Entscheidung nicht sonderlich eilig hat«.⁴⁹ Überträgt man diese Pendelbewegungen auf Thomas Manns weltanschauliche Einstellung Mitte der zwanziger Jahre, als er eine Überwindung seiner konservativ-romantischen Position der Vorkriegszeit versucht, so lassen sie eine selbstkritische Distanzierung von der vorbehaltlosen Akzeptanz der irrationalistischen Sphäre erkennen, die jedoch noch nicht bis zur totalen Ablehnung gereift ist. So wird das ganze Motiv der ›schwarzen Messe‹ zwar als kindisches Spiel abgetan, jedoch ohne sich von ihm ganz abzuwenden. Dass der Autor die Rolle der erzählenden Stimme übernimmt, hat zur Folge, dass der Leser dieselbe unsichere Perspektive zwischen Skepsis und Gläubigkeit teilt. Auch die im Prolog verwendete Formel des Spiritismus als Gesindestube-Metaphysik, die an Adornos Urteil über den Okkultismus als »die Metaphysik der dummen Kerle« erinnert,⁵⁰ bedeutet für Thomas Mann kein endgültiges Veto. Vielmehr liegt es ihm daran, in der Beschreibung der okkultistischen Sitzung durch seinen eigenen Kunstbegriff diesen Niveauunterschied mit adäquaten Mitteln darzustellen. Das ist zum Beispiel der Fall bei der Handharmonika und der Spieldose, die die ganze Sitzung begleiten, »denn das Medium verlangte Musik bei seinen Darbietungen, fast unaufhörlich Musik«.⁵¹ Auch in den Kapiteln Fülle des Wohllauts und Fragwürdigstes im Zauberberg verbinden sich Musik und Okkultismus durch den Bezug auf den beiden verwand47 48 49
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GKFA 15.1, S. 622. GKFA 15.1, S. 624. Thomas Mann, Goethe und Tolstoi. Fragmente zum Problem der Humanität, in: GKFA 15.1, S. 934. Ebenfalls bestimmend für die ambivalente Position des Erzählers in Okkulte Erlebnisse ist Karthaus’ Definition der Ironie bei Thomas Mann: »Ironie zeigt einerseits das Bedürfnis nach Hingabe, andererseits das Bedürfnis nach Konservierung der eigenen Würde« (Ulrich Karthaus, Zu Thomas Manns Ironie, in: Thomas-Mann-Jahrbuch, 1 (1988), S. 86). Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften. Band 4: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1980, S. 273. GKFA 15.1, S. 626.
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ten Bereich der Metaphysik zu einem einzigen Motiv.⁵² Die Handharmonika in Okkulte Erlebnisse wirkt zwar hypnotisch durch die »einen nach dem andern, ohne Pause« gespielten »flotte[n] Märsche«,⁵³ sie ist jedenfalls ein künstlerisch nur ärmliches Pendant sowohl zu dem in Fragwürdigstes verwendeten Valentinslied aus Gounods Margarethe, das die Erscheinung Joachims ermöglicht, als auch zu jenem im Prolog zitierten Meisterwerk der metaphysischen Oper Tristan und Isolde. Thomas Manns Haltung besteht nicht nur aus seinem schwankenden Urteil über das ganze Geschehen. Oft wird auch seine Erwartung eines »experimentellmetaphysischen« Ereignisses angemerkt, das seine Skepsis auflösen könnte. Dieses bleibt jedoch zunächst aus, weil die Mittel, die dazu eingesetzt werden, um »eine Atmosphäre der Weihe und des Geheimnisses« zu erzeugen, »an banale Aufpulverungsmethoden der Heilsarmee«⁵⁴ erinnern, und also nur abgeschmackte Nachahmungen echter metaphysischer Rauschmittel seien. Es gibt es jedoch eine Ausnahme, die wiederum die Perspektive von Skepsis zur Faszination verwandeln lässt: Etwas Mystisches – und zwar nicht im geisterhaften, sondern in einem zugleich primitiven und erschütternden, organischen Sinne Mystisches – gewinnt die Situation allein durch das ringend arbeitende, unter Stößen sich hin und her werfende, flüsternde, rasch keuchende und stöhnende Medium, dem meine Neugier vor allem gilt, und dessen Zustand und Tätigkeit auffallend, unzweideutig und entscheidend an den Gebärakt erinnert. Sein Kopf ist bald weit zurückgeworfen, bald sinkt er an meine Schulter oder hinab auf unsere Hände, die naß sind von Schweiß, und die ihren Zugriff erneuern müssen, damit sie einander nicht entgleiten. Seine Anstrengungen kommen wehenartig, in Anfällen; es gibt Pausen zwischendurch, Zustände vollkommener Ruhe und Unzugänglichkeit, während derer er mit seitlich auf die Brust hängendem Kopfe schlafend neue Kräfte sammelt. Das ist Tief-Trance. Dann rafft er sich auf und beginnt seine zeugerisch-kreißende Arbeit aufs neue.⁵⁵
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Vgl. Werner Frizen, Zaubertrank, S. 253: »So wie Schopenhauer den Trancezustand der musikalischen Inspiration mit dem einer magnetischen Somnambule verglichen hat, so fusionierte Mann di Motive der ›Fülle des Wohllauts‹ mit denen der okkulten Erlebnisse zu einem symbolischen Komplex«. GKFA 15.1, S. 630. Ebd. GKFA 15.1, S. 631.
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Diese Beschreibung des Trance-Zustands des Mediums stellt einen ersten Höhepunkt der ganzen Erzählung dar. Hier verbinden sich zwei in Thomas Manns Auffassung der Metaphysik besonders wichtige Motive. In der Spaltung in eine weibliche und eine männliche Person (»Minna« und »Erwin«) war bereits das erotische Motiv angesprochen, das zudem auch homoerotisch gefärbt war. Diesmal wird auf die erotische Sphäre durch eine Analogie zwischen Trance und Gebärakt nochmals Bezug genommen.⁵⁶ Die Kombination von erotischem und religiösem Motiv lässt dann einen metaphysischen Rausch Schopenhauerscher Prägung entstehen.⁵⁷ Eingeleitet durch die Elemente der »schwarzen Messe«, wird das religiöse Motiv durch das scheinbar zufällige Detail des »seitlich auf die Brust hängende[n] Kopfe[s]« verbildlicht, mit dem der Trance-Zustand als Tod Christi dargestellt wird. Der »seitlich auf die Brust hängende Kopf«, erinnert sowohl an Hans Castorps leitmotivische Position als auch an die Todesszene des Adrian Leverkühn.⁵⁸ Durch dieses kleine Detail, das übrigens in Drei Berichte fehlt, wird die okkultistische Sitzung endgültig in die literarische Welt Thomas Manns zurückgebracht.⁵⁹
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Wünsch weist in Bezug auf die Passage auf »metaphorische Produktivität des Mediums« hin: »Der spiritistische Akt wird also sexualisiert, das männliche Medium erscheint einerseits in der weiblichen Rolle einer Gebärenden, andererseits als hermaphroditisches Wesen, das an sich selbst eine Zeugung vornimmt und deren Produkt gebiert« (Marianne Wünsch, Okkultismus, S. 88). Die Analogie findet sich fast wortwörtlich im Fragwürdigstes-Kapitel wieder (vgl. z. B. Michael Maar, Geister und Kunst. Neuigkeiten aus dem Zauberberg, München, 1995, S. 212, Kurzke, Das Lebens als Kunstwerk, S. 341). In Drei Berichte war das Motiv noch expliziter profiliert, als Willis Trance beschrieben wurde: »Der sexuelle Einschlag ist so unverkennbar, dass es mich nicht wunderte, nachträglich zu hören, dass Erektionen und selbst Sperma-Ergüsse, die zuweilen aktiv herbeigeführt werden sollen, die psycho-physische Arbeit und Produktion des jungen Menschen begleiten.« (GKFA 15.1, S. 530). Über den Zusammenhang von Religion und Erotik als Grundlage von Thomas Manns Rezeption der Metaphysik Schopenhauers vgl. Edo Reents, Zu Thomas-Mann SchopenhauerRezeption, S. 32 ff. In seiner Studie über den Einfluss von Schopenhauers Metaphysik auf den Zauberberg führt Kristiansen das Leitmotiv des ›schrägen Kopfes auf Castorps ›Sympathie mit dem Abgrund‹ zurück, die durch die Elemente ›Musik‹, ›Freiheit‹, ›Krankheit‹, ›irratio‹, ›Tod‹ charakterisiert wird, ohne jedoch einen besonderen religiösen Anschlag aufzuweisen; mit Peeperkorns Tod deutet der ›schräge Kopf‹ auf eine Imitatio Christi an (vgl. Børge Kristiansen, Thomas Manns Zauberberg und Schopenhauers Metaphysik, Bonn 1986, S 16–30). Durch die Figur des ›asketischen Priesters‹ Krokowski wird die Verbindung zwischen Okkultismus und Religion in Zauberberg verstärkt (vgl. Manfred Dierks, Doktor Krokowski und die Seinen. Psychoanalyse und Parapsychologie in Thomas Manns ›Zauberberg‹, in: Das »Zauberberg«-Symposium 1994, hg. von Thomas Sprecher, Frankfurt am Main 1995, S. 178). Über die Imitatio Christi im Werk Thomas Manns vgl. Friedhelm Marx, Aber ich sage Ihnen … Christusfigurationen im Werk Thomas Manns, Frankfurt am Mann 2002. Hier wird übrigens
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Obwohl die ganze Szene in dieser Christus-Figuration gipfelt, ist dieser Augenblick aus dem Blickwinkel des Erzählers jedoch eher enttäuschend. Anders als die Parallelstelle im Zauberberg-Kapitel, in der der Trance-Zustand des Mediums Ellen Brand die spukhafte Erscheinung Joachim Ziemßens auslöst, passiert hier »nichts Übernormales«.⁶⁰ Der übrige erste Teil der Sitzung verläuft insgesamt ergebnislos, so dass das Medium nach dreiviertelstündiger Erwartung einer Erscheinung eine kurze Pause anordnet, die dem Entspannen und dem Plaudern sowie dem Zigarettenrauchen gilt.⁶¹ Noch lange Zeit ohne nennenswerte Ereignisse verstreicht nach der Wiederaufnahme der Sitzung. Diese höchst peinliche Situation, in der man »des Melodiechens der Spieldose bis zur Gereiztheit müde«⁶² wird, wird durch humoristische Anmerkungen aufgelockert – etwa als der Baron sich an ›Minna‹ streng-väterlich wendet und sie zur Erzeugung okkulter Erscheinungen mahnt.⁶³ Nach dieser ermüdenden Erwartung setzen plötzlich telekinetische Phänomene unterschiedlicher Natur ein. Den Auftakt dieser zweiten Phase der Sitzung bildet das Emporsteigen eines Taschentuchs, dem eine sich von einem Papierkorb erhebende Glocke folgt. Derselbe Papierkorb bewegt sich dann hektisch in der Luft. Kurz vorher hatte der Erzähler die Taschentuch-Elevation, die »regelmäßig das Eröffnungsphänomen bildet«,⁶⁴ durch einen musikalischen Hinweis eingeführt: Erinnert man sich an die Stelle im Lohengrin, 1. Akt, wenn nach Elsas Gebet der Chor mit einer Einzelstimme einsetzt: »Seht! Welch seltsam Wunder!« So ähnlich war es. Das Taschentuch hatte sich vom Boden erhoben und war aufgestiegen.⁶⁵ Mann beruft sich wieder auf Wagner – jedoch nicht mehr als negative Vergleichsgröße, sondern gerade dazu, um das metaphysische Moment der okkulten Erscheinung zu unterstreichen. Diese rauschauslösende Vision stellt einen
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Krokowski als Christus-Figur – und also die Verbindung zwischen Okkultismus und Religion – interpretiert (vgl. ebd., S. 92–98). GKFA 15.1, S. 631. Die Pause wird in den Drei Berichten nicht eingehend beschrieben. GKFA 15.1, S. 635. »Nein, Minna, alles was recht ist. Wir sitzen nun über zwei Stunden, du kannst nicht sagen, daß wir es an Geduld haben fehlen lassen. Aber alles hat seine Grenzen. Wir geben dir jetzt noch fünf, noch zehn Minuten. Passiert nichts bis dahin, so machen wir Schluß, und die Herren gehen nach Hause, und mancher von ihnen wird allerdings denken, daß du nichts kannst und nichts vermagst, und wird es herumerzählen, und die Skeptiker werden sich freuen« (GKFA, S. 636). GKFA 15.1, S. 639. GKFA 15.1, S. 637.
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plötzlichen Wendepunkt in der Novellen-Struktur dar, der zudem durch einen Stilwechsel unterstrichen wird. Das Sprachtempo beschleunigt sich, um den Eindruck einer elektrisierten Zuschauergruppe zu geben, die sich nach der quälenden Erwartung der Offenbarung okkulter Phänomene befreit fühlt:⁶⁶ Das Medium, das während der Geschehnisse sich seltsam still verhalten hatte, richtet sich auf, erzittert und flüstert: »Die Spieldose wegsteIlen! Die Glocke!« – »Die Glocke!« ruft im wärmsten Entzücken v. K. »Was ist denn? Wo bleibt die Glocke für meine Minna? Die Glocke auf den Korb! Jetzt sind wir im Zuge!« Und der Baron folgt der Anordnung. Er entfernt die Spieldose, stellt die Tischglocke auf den Papierkorb.⁶⁷ In diesen für Thomas Manns Stil ungewöhnlich kurzen Sätzen vermischen sich ironischer und halluzinatorischer Ton. Begleiterscheinung dieses schwindelerregenden Erlebnisses ist das Gefühl einer »leichte[n] Seekrankheit«, die der Erzähler spürt, und die nicht »Grauen«, sondern »Ekel« mit sich bringt.⁶⁸ Solche Empfindungen, die übrigens auf bekannte Topoi Thomas Manns zurückgehen, haben ihren Ursprung in einer jenseits »unserer Erkenntnisgesetze« angesiedelten Erfahrung.⁶⁹ Mann versucht danach, die unheimliche Mischung von realen Ereignissen und phantastischen Visionen sprachlich mit Formeln wiederzugeben, die auf den Bereich des (auch literarischen) Phantastischen hinweisen. Die ganze Aufmerksamkeit gilt dem unheimlichen »Etwas aus Traum und Materie«,⁷⁰ das die telekinetischen Phänomene zeitigt. Dieses »Etwas« macht der Erzähler mehrmals zum Gesprächspartner – zum Beispiel, als ein Leuchtring dem Erzähler ins Gesicht fliegt. Die Stelle bildet zugleich den Höhepunkt der Kombination von phantastischem und ironischem Stil: Pfui, hinterweltliche Unnatur, was stößt du da heimlich vor unserer Nase mit scheusäligem Knöchel an dies redliche Tischchen. Und wie ich es denke, plautz, fliegt mir ein Ring ins Gesicht, mit Schwung hat man ihn mir hineingeworfen, er fällt hinunter auf meine Knie und von dort zu meinen Füßen 66 67 68 69
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Elektrizität ist ein Topos der ganzen Schilderung, der sich in den hellen Leuchtbändern und Leuchtringen manifestiert, die das Medium sichtbar im Dunkel des Raums machen. GKFA 15.1, S. 639. Ebd. GKFA 15.1, S. 641. Auch Castorp fühlt »bei Ellys ungebührlichen Leistungen […] eine gewisse Übelkeit und körperliche Beängstigung, eine leichte Seekrankheit« (Thomas Mann, Der Zauberberg, hg. v. Michael Neumann, Frankfurt am Main 2002, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe Band 5.1, S. 996). GKFA 15.1, S. 643.
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hin. Was für ein humoristisches Scheusälchen! Man lacht – und ist doch melancholisch berührt von dem frostigen Übermut eines Etwas, das vielleicht nur eine trübselig-verwickelte Abart des Betruges ist. Aber es ist zivilisiert, wie ich sagte: Es hat mir nicht die Spieldose an den Kopf geworfen oder die Schreibmaschine, sondern nur den weichen kleinen Ring.⁷¹ Vor allem seit Beginn der Erscheinungen könnte man nur schwer belegen, dass es Thomas Mann an jeglicher enthusiastischen Einfühlung in das Okkulte fehlt, wie in der Forschung oft gesagt wird. An die Stelle von Zweifel und Skepsis tritt feste Überzeugung, indem er jede Möglichkeit von Betrug ausschließt. Thomas Mann übernimmt die Rolle eines Augenzeugen von Erscheinungen, die aus der Sicht der Rationalität nicht erklärlich sind und deren Echtheit er trotzdem nicht bezweifelt.⁷² Weitere Höhepunkte der Schilderung sind die zwei folgenden okkulten Erscheinungen. Mit der Schreibmaschine, an der »Minna«, wie eine »geübte Kontoristin«⁷³ Zeile für Zeile Unverständliches tippt, ist metonymisch der Bereich der Schrift angedeutet. Angesichts dieser merkwürdigen Begebenheit kann er nicht anders als seine Bewunderung zu äußern.⁷⁴ Letztes Phänomen ist die spukhafte Offenbarung eines teleplastischen Phänomens – »eine Materialisation«, wie Schrenck-Notzing das nennt: Ein längliches Etwas, schemenhaft, weißlich schimmernd, von der Größe und ungefähren Form eines Unterarmstumpfes mit geschlossener Hand, nicht exakt zu erkennen. Es steigt ein paarmal hastig demonstrativ vor unsren Augen auf und ab, beleuchtet sich, während es das tut, aus sich selber durch einen kurzen, weißen, die Form des Dinges völlig verwischenden Blitz, der von seiner rechten Flanke ausgeht – und ist weg.⁷⁵
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GKFA 15.1, S. 642. Vgl. GKFA 15.1, S. 643–644: »Wer schreibt auf der Maschine? Niemand. Niemand liegt dort im Dunkel auf dem Teppich und bedient das Gerät – aber es wird bedient. Willis Extremitäten sind gehalten. Mit dem Arm, gesetzt, daß er ihn frei machen könnte, würde er bei weitem nicht bis zur Maschine reichen. Auch mit dem Fuß nicht, wenn er einen frei bekäme, und reichte er auch mit ihm bis dorthin, so könnte er doch mit dem Fuß die Tasten nicht einzeln schlagen, sondern nur viele auf einmal niedertreten – Willi kommt nicht in Betracht. Aber sonst ist niemand da!« GKFA 15.1, S. 644. Vgl. GKFA 15.1, S. 643: »Und bei meiner Ehre, so wahr ich hier sitze, da fängt vor unseren Ohren die Schreibmaschine dort unten am Boden zu rücken an. Es ist verrückt. Es ist, auch nach allem noch, was zuvor geschehen, verblüffend, lächerlich, empörend durch seine Absurdität und anziehend durch seine Merkwürdigkeit bis zum Äußersten.« GFKA 15.1, S. 644.
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Diese realistisch beschriebene Szene erinnert mit ihren hellen Farben an die in Schrenck-Notzings Büchern enthaltenen photographischen Bilder, die die Leser von der Echtheit der Materialisationsphänomene überzeugen sollen.⁷⁶ Zugleich lässt diese gespenstische Vision an Motive der phantastischen Literatur denken, auf die Thomas Mann im Brief an Lili Dikmann bereits augenzwinkernd hinwies, als er seinen bevorstehenden Vortrag als »gruselig« definierte. Auf die phantastische Literatur (etwa im Tzvetan Todorovs Sinn) verweist ebenfalls die ›Unschlüssigkeit‹ des Autors, solche Erscheinungen angesichts deren scheinbar objektiven Charakters als wirklich oder als übernatürlich zu definieren. Die Schilderung der Séance lässt sich zusammenfassend also in einer realistisch-mythischen Darstellung von Figuren und Situationen vor den Erscheinungen und einem realistischphantastischen Teil während der Erscheinungen trennen.⁷⁷ Hatte Thomas Mann im ersten Teil auf einige Bilder und Topoi aus seinem persönlichen literarischen Reservoir zurückgegriffen, überlässt er sich dann im zweiten Teil der Registrierung von Erscheinungen, die keine symbolische Auslegung zulassen.⁷⁸ Nach der spektakulären Materialisation ist der letzte Abschnitt als Epilog konzipiert, in dem die im Prolog gestellten Fragen vor dem Hintergrund der gerade beendeten Séance beantwortet werden. Mit der Formel »okkulte Gaukelei des organischen Lebens«⁷⁹ hebt Thomas Mann den Widerspruch hervor, dass hier etwas Übernatürliches, das normalerweise nur als Werk eines Zauberkünstlers oder als Produkt der Phantasie eines Autors zu verstehen ist, ohne anscheinenden Betrug als physische Erscheinung organischen Ursprungs vorkommt.⁸⁰ 76
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Vgl. Sabine Haupt, »Rotdunkel«. Vom Ektoplasma zur Aura. Fotografie und Okkultismus bei Thomas Mann und Walter Benjamin, in: Zeitschrift für deutsche Philologie, 120 (2001), S. 552. Ich schließe mich an Tom Kindts theoretische Vorüberlegungen zur Definition des Phantastischen bei Thomas Mann an. Vgl. Tom Kindt, »Das Unmögliche, das dennoch geschieht«. Zum Begriff der literarischen Phantastik am Beispiel von Werken Thomas Manns, ThomasMann-Jahrbuch, 24 (2011), S. 43–56. »Als ›phantastisch‹ sind literarische Texte oder Passagen in literarischen Texten zu bezeichnen, in denen das Aufeinandertreffen einer natürlichen und einer übernatürlichen Welt im Mittelpunkt der Schilderung steht, wobei das Ergebnis dieses Aufeinandertreffens sowohl in der Behauptung der natürlichen oder der Durchsetzung der übernatürlichen Seinsordnung bestehen kann oder in der Unschlüssigkeit darüber, welche der beiden Seinsordnungen in Geltung ist« (ebd., S. 53). Insofern habe der Text »seinen besonderen Reiz gerade darin, nicht Fiktion zu sein, sondern Faktographie. Faktographie nämlich gegenüber dem, was eigentlich nicht vorkommen kann« (Horst-Jürgen Gerigk, Turgenjew unterwegs zum Zauberberg, in Thomas-Mann-Jahrbuch, 8 (1995), S. 59). GKFA 15.1, S. 647. Vgl. Marianne Wünsch, Okkultismus, S. 87: »Er [Thomas Mann] spricht etwa von einer ›okkulten Gaukelei des organischen Lebens‹, womit er das Phänomen einerseits Taschenspielerkunststücken annähert, aber andererseits als real biologisches Phänomen klassifiziert.«
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Thomas Manns Ausführungen im Epilog laufen darauf hinaus, das als irreal empfundene Ereignis glaubhaft zu machen. Zuhörer und Leser sollen von der Tatsache überzeugt werden, dass mit dem Okkulten ein Bereich der Natur und der Physik gemeint ist, den die Wissenschaft noch nicht erklären kann.⁸¹ Deswegen beruft sich Thomas Mann hier einerseits auf die empirisch-experimentelle Methode, um den Wahrheitsgehalt der beobachteten Phänomene nachzuweisen. Andererseits knüpfen seine Ausführungen nochmals an Einsteins Unterscheidung zwischen Materie und Energie an, bei der Energie ihre materielle Gestalt verwandeln kann und damit telekinetische und ideoplastische Phänomene ermöglicht. Es geht hier nicht darum, Thomas Manns Auffassung über das Okkulte mit Blick auf seine Äußerungen im Epilog näher zu bestimmen, wie es die Forschung bereits mehrmals getan hat. Betrachtet man Okkulte Erlebnisse hinsichtlich seiner novellistischen Struktur, durch die der Bericht über die Séance literarisch umgewandelt wird, so sind solche Äußerungen als Versuche einer metaliterarischen Verortung zu interpretieren. Sie rücken den Text in eine prekäre Dimension zwischen realistischer und phantastischer Literatur, denn das Übernatürliche wird nicht als imaginäre, sondern als realistische Erscheinung dargestellt.⁸² Diese Vermischung aus realistischen und phantastischen Elementen weist auch auf ein mögliches literarisches Vorbild hin: In seiner Chamisso-Rede widmet sich Thomas Mann in einem längeren Absatz Peter Schlemihls wundersamer Geschichte, die er als »phantastische Novelle« bezeichnet. Das ist eine an sich widersprüchliche Definition, denn Thomas Mann versteht die Novelle als eine realistische Gattung, die wenig mit dem Übernatürlichen zu tun hat.⁸³
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Vgl. GKFA, S. 647: »Übrigens steht ihre wissenschaftliche Erforschung nicht mehr geradezu in den ersten Anfängen; zum mindesten hat die Wissenschaft sich ein technisches Vokabular dafür angelegt, mit dessen Hilfe sich auf anständige Weise darüber reden läßt.« Dass Okkulte Erlebnisse für Thomas Manns Position zur literarischen Phantastik eine wichtige Rolle spielt, beweisen einige Aufsätze im 24. Heft des Thomas-Mann-Jahrbuchs: vgl. Tom Kindt, »Das Unmögliche, das dennoch geschieht«, in TMJ 24 (2011), S. 43–56, Manfred Dierks, »Spukhaft, was? Über Traum und Hypnose im Zauberberg, ebd., S. 73–83, Marianne Wünsch, Okkultismus, ebd., S. 85–103; Friedhelm Marx, »Bürgerliche Phantastik«. Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer, ebd., S. 133–142. Der Text wird in den meisten Fällen als Essay zu Thema Okkultismus behandelt. Nur Kindt, dessen Aufsatz gerade ein Zitat aus Okkulte Erlebnisse im Titel führt, bringt ihn in Verbindung mit der Frage nach der literarischen Phantastik. Der Text präsentiere eine für Kindts Verständnis von literarischer Phantastik geradezu paradigmatische Situation: »In Abwandlung der Schlussbemerkung des Mannschen Berichts Okkulte Erlebnisse lässt sich sagen: Das literarisch Phantastische ist das im realistischen Zusammenhang ›Unmögliche‹, das – tatsächlich, vielleicht oder scheinbar – ›dennoch geschieht‹« (vgl. Tom Kindt, Das Unmögliche, das dennoch geschieht, S. 53). Vgl. Thomas Mann, Chamisso, in Id., Essays I. 1893–1914, hg. von Heinrich Detering unter Mitarbeit von Stephan Stachorski, Frankfurt am Main 2002, (Große kommentierte Frankfur-
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Okkulte Erlebnisse lässt sich als essayistisch-literarische Etüde definieren, in der zum ersten Mal Motive und Situationen vorkommen, die im Zauberberg sowie in Mario und der Zauberer nochmals aufgegriffen werden. So können die späteren Texte als Variationen dieser (Ur-)Erzählung der okkultistischen Sitzungen bei Schrenck-Notzing verstanden werden.⁸⁴ Einige abschließende Bemerkungen sollen diesem Problemfeld gelten. Durch Schenck-Notzing näherte sich Thomas Mann einem Bereich, der seinem Schaffen in den zwanziger Jahren große Impulse gab. Nicht von ungefähr zeugen die Titel der zwei wichtigsten Werke dieser Jahre von seinem Interesse für die Dimension des Magischen und Zauberhaften, die sich bei Schenck-Notzing scheinbar wirklich abspielte. In der Tat wäre eine Analyse des Verhältnisses zwischen den drei Texten an anderer Stelle in Betracht zu ziehen. Allein die Entwicklung von Manns Vertrauen in Okkulte Erlebnisse zu Hans Castorps Licht-Anmachen im Fragwürdigstes-Kapitel bis zur moralischen Skepsis (jedoch nicht ohne unterschwellige Faszination) in Mario und der Zauberer würde eine detaillierte Untersuchung von Manns weltanschaulicher Wandlung in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre nötig machen, denn die Beschäftigung mit dem Okkulten steht im Kontext der damals für ihn höchst brisanten persönlichen Abrechnung mit den irrationalistischen Tendenzen.⁸⁵ Der Text ist längst von der Kritik als Vorlage für das Fragwürdigstes-Kapitel erkannt worden, und der Kommentar der Großen Kommentierten Frankfurter Ausgabe listet die Formulierungen auf, die direkt ins Kapitel übernommen wurden.⁸⁶ Mehr noch muss hinzugefügt werden, dass Okkulte Erlebnisse nicht nur für dieses Kapitel wichtig ist. Durch Edwin Krokowski, der bekanntlich Züge von Albert von
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ter Ausgabe Band 14.1), S. 320: »Ganz realistisch und bürgerlich hebt die Erzählung an, und die eigentliche Kunstleistung des Verfassers besteht darin, daß er die realistisch-bürgerliche Allüre bis ans Ende und beim Vortrage auch der fabelhaftesten Begebnisse mit aller Genauigkeit festzuhalten weiß: dergestalt, daß Schlemihls Geschichte wohl als ›wundersam‹ im Sinne selten oder nie erhörter Schicksale wirkt, zu denen ein irrender Mensch durch Gottes Willen berufen war, aber nie eigentlich als wunderbar im Sinne des Außernatürlichen und Unverantwortlich-Märchenhaften. Schon ihre autobiographische, bekenntnismäßige Form trägt dazu bei, daß ihr Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Realität strenger als beim unpersönlich fabulierenden Märchen betont erscheint, und wenn es darauf ankäme, sie mit einem Gattungsnamen zu bestimmen, so wäre, meinen wir, der einer ›phantastischen Novelle‹ zu wählen.« Kurzke stellt in der Entwicklung von Drei Berichte zu Okkulte Erlebnisse und dann zum Zauberberg-Kapitel eine Abnahme des Erlebten und eine Zunahme des Fiktiven fest (Hermann Kurzke, Das Leben als Kunstwerk, S. 240). Zum Zusammenhang der »demokratischen Wende« Thomas Manns mit dem Okkultismus und Schrenck-Notzing vgl. Manfred Dierks, Thomas Mann Geisterbaron, S. 330–331. Vgl. Michael Neumann, Der Zauberberg. Kommentar, in Thomas Mann, Der Zauberberg, Frankfurt am Main 2002, (Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 5.2), S. 390–397.
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Schrenck-Notzing trägt, wird der Themenkomplex auf das ganze Romangeschehen übertragen, wobei die Verbindung Okkultismus-Psychologie an Bedeutung gewinnt. Ein substantieller Unterschied, der keine Entwicklung, sondern eher einen Rückgang von der höchst differenzierten Position von Okkulte Erlebnisse beschreibt, wurde bereits oben angemerkt. Spiritismus und Okkultismus werden, wie die Erscheinung der Toten Sophie, Holger und Ziemßen durch Ellen Brand zeigen, wieder unter einen einzigen Nenner gebracht. Die Beziehung von Mario und der Zauberer zu Okkulte Erlebnisse ist sowohl zeitlich als auch thematisch weniger augenfällig. Beiden gemeinsam ist die starke Akzentuierung der autobiographischen Perspektive sowie die Identität des Ich-Erzählers mit dem Autor. Gerade diese Analogie unterstreicht jedoch die Differenz in der Beurteilung okkulter Mächte.⁸⁷ Damit lässt sich abschließend feststellen, dass Thomas Mann in Okkulte Erlebnisse eine literarische Studie über den Okkultismus und dessen Erzählmöglichkeiten verfasste, die dann in seinem späteren Werk meisterhaft auf einem höheren Komplexitätsniveau weiterentwickelt wurde.
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In einem Brief an Adolf von Hatzfeld am 6. Febraur 1931 anlässlich Mario und der Zauberer äußert Thomas Mann eine Kritik am Gebrauch von Cipollas Kräften, die »moralischer Art« ist. Thomas Mann zitiert im selben Zusammenhang seine »frühere Arbeit« Okkulte Erlebnisse, »worin ich Séancen bei dem verstorbenen Schrenck-Notzing schilderte und gegen die beobachteten Phänomene eine gewisse kulturelle Ironie an den Tag legte, ohne übrigens ihre Realität zu bezweifeln« (DüD II, S. 54).
mark-georg dehrmann
»hört ihr den regen?« Hermann Brochs Verzauberung und die zeitgenössische Anthropologie
»Hört ihr den Regen? den guten Regen?« (S. 276) – so ruft Mutter Gisson an einem der Höhepunkte von Hermann Brochs Roman Die Verzauberung.¹ Der Regen, so meint Mutter Gisson irrtümlich, kann das bevorstehende Menschenopfer verhindern, zu dem der Verzauberer und Verführer Marius die Bewohner des Alpendorfes Kuppron aufgestachelt hat. Auch in anderen großen Texten der Moderne wartet man auf den Regen. Schon in seinem Titel evoziert T. S. Eliots berühmtes Langgedicht Waste Land ein trocken und öde daliegendes Land, dem der Regen fehlt. Die imaginäre Landschaft evoziert fragmentarisch eine Krise der Moderne. Am Ende scheint auch hier der Regen schließlich zu kommen: »Then a damp gust / Bringing rain […]« (VV. 393 f.)² Ob er auch Lösung und Erlösung bringt, mag hier offen bleiben angesichts der notorischen Rätselhaftigkeit des Waste Land. Worauf es ankommt, ist, dass Eliots Gedicht mit Brochs Roman die Obsession für den Regen teilt und ihn gleichfalls mit der konstatierten Krise der Gegenwart verknüpft. Eliot gibt in seinen ›Notes‹ zum Waste Land auch an, aus welchem Kontext heraus der Regen bei ihm eine solche zentrale Stellung gewinnen kann: Er sei Teil einer Struktur von »certain references to vegetation ceremonies«,³ die das Gedicht durchzögen. Eine unmittelbare Verbindung von Brochs Verzauberung zu Eliots epochalem Gedicht von 1922 besteht dabei wohl nicht.⁴ Dennoch bilden Regen und Menschenopfer den ersten Kulminationspunkt auch in der Handlung von Brochs 1
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Im Folgenden wird die erste Fassung des Romans von 1935/36 zugrunde gelegt, nach der Ausgabe: Hermann Broch, Die Verzauberung. Kommentierte Werkausgabe, hg. von Paul Michael Lützeler, Bd. 3, Frankfurt am Main 21980 (Nachweise erscheinen direkt im Text). T. S. Eliot, The Annotated Waste Land with Eliot’s Contemporary Prose, hg. von Lawrence Rainey, New Haven, London 22006, S. 69. Ebd., S. 71. Das Waste Land wurde recht bald nach seinem Erscheinen 1922 von Ernst Robert Curtius ins Deutsche übersetzt. Begleitet von einem Aufsatz, erschien es in der Neuen Schweizer Rundschau 20 (1927), H. 4, S. 348–361 (Aufsatz) und S. 362–377 (Übersetzung unter dem Titel Das wüste Land).
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Roman, der 1935/36 in seiner ersten Fassung entstand.⁵ Auch die Verzauberung ist durchzogen von weiteren ›references to vegetation ceremonies‹. Sie will dabei eine politische Analyse des deutschen Faschismus leisten,⁶ indem sie soziologische mit mythologisch-religiösen Handlungsstrukturen und Figurenkonstellationen engführt. Diese Konstellation wurde von der Forschung wiederholt gedeutet. Nicht zuletzt Broch selbst hatte auf die mythologische Ebene hingewiesen; er plante eine Zeit lang, den Roman beziehungsweise die Trilogie, deren erster Teil der Roman über lange Zeit werden sollte, »Demeter« zu nennen.⁷ In der Tat wirkt dieser Verweis wie ein Schlüssel für die Romanhandlung. In das Alpendorf der Gegenwart scheint Broch den Mythos der griechischen Demeter und ihrer Tochter Persephone beziehungsweise Kore verlegt zu haben. Die Forschung hat weitere mythologische Parallelen gefunden: Mutter Gisson als Demeter-Figur trage gleichzeitig Züge von Kybele oder der Großen Mutter; der Verführer Marius erscheine als Attis, aber auch als Dionysos.⁸ Kaum eine Interpretation der Verzauberung kommt ohne Hinweise auf diese mythologische Schicht aus. Uneinigkeit aber besteht darüber, wie man die mythologische Dimension als Teil der Analyse einer Gegenwartskrise deuten kann. Die häufigste Antwort ist, Broch wolle einen neuen, einen »modernen Mythos schaffen«⁹ oder betreibe eine »(Re-)mythologisierung«.¹⁰
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Zum Vergleich der drei überlieferten Fassungen vgl. Lützelers Textkritische und bibliographische Hinweise in der Kommentierten Werkausgabe, S. 391–407; zur Entstehungsgeschichte vgl. darüber hinaus Manfred Durzak, Zur Entstehungsgeschichte und zu den verschiedenen Fassungen von Hermann Brochs Nachlassroman, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 86 (1967), S. 594–627. Die unmittelbaren politischen Anspielungen diskutieren beispielsweise: Paul Michael Lützeler, Hermann Brochs Verzauberung im Kontext von Faschismuskritik und Exilroman, in: Broch heute, hg. von Joseph Strelka, Bern, München 1978, S. 51–75; Glenn Robert Sandberg, The Genealogy of the Massenführer. Hermann Broch’s Die Verzauberung as a Religious Novel, Heidelberg 1997. Vgl. Paul Michael Lützeler, Hermann Brochs Roman Die Verzauberung – Darstellung der Forschung, Kritik, Ergänzendes, in: Brochs Verzauberung, hg. vom dems., Frankfurt am Main 1983, S. 239–296, hier S. 242. Seit 1946 überträgt Broch diesen Gesamttitel auf den Roman; vgl. detaillierter ebd., S. 252 f. Zu unterschiedlichen mythologischen Folien vgl. beispielsweise: Gundi Wachtler, Der Archetypus der Großen Mutter in Hermann Brochs Roman Der Versucher, in: Hermann Broch. Perspektiven der Forschung, hg. von Manfred Durzak, München 1972, S. 231–250; Michael Winkler, Die Struktur von Hermann Brochs Verzauberung. Anmerkungen zu einem erzähltechnischen Problem des Romans, in: Lützeler (Hg.), Brochs Verzauberung, S. 115–130; Sandberg, Genealogy, bes. S. 31–68. Vgl. auch den Überblick über ältere Positionen bei Lützeler, Darstellung der Forschung, S. 259–269. So etwa Winkler, Struktur, S. 154. So Richard Faber, Erbschaft jener Zeit. Zu Ernst Bloch und Hermann Broch, Würzburg 1989, S. 41.
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Dass Broch sein Schreiben auf den Zerfall der Werte bezieht, den er in der Gegenwart konstatiert, ist wohl unbestritten. Als Dichter und als Intellektueller reagiert er auf die Krise, die er wahrnimmt und als deren symptomatischen – vielleicht notwendigen – Ausdruck er die Totalitarismen der Zeit versteht. Und er versucht – mit den Mitteln der Dichtung und des Denkens – diese Krise zu analysieren und zu ihrer Heilung beizutragen. Greift man die Rede vom neuen Mythos auf, so gilt es aber, zu verstehen, was damit in Bezug auf die Struktur der Verzauberung gemeint sein kann. Hier stellen sich drei Fragen, die miteinander zusammenhängen. Erstens gälte es den ontologischen Status der mythischen Schicht innerhalb der Fiktion zu bestimmen. Stehen die Charaktere der in Brochs Gegenwart verlegten Handlung ›eigentlich‹ für mythologische Figuren, trägt die Handlung also Züge einer Allegorie, bei der zumindest manche Figuren durch ihre ›eigentlich gemeinten‹ mythologischen Vorbilder ersetzt werden könnten? Einige Interpreten legen ihren Deutungen in der Tat eine solche allegorische oder typologische Logik zugrunde, indem sie zu Schlüssen kommen wie dem, Mutter Gisson sei Demeter.¹¹ Hier schließt sich zweitens die Frage an, welchen ontologischen Status der Roman seiner Handlung damit über die Fiktion hinaus zuweisen könnte. Denn der Anspruch eines neuen Mythos würde doch gerade über die rein ästhetische Ebene hinaus zielen. Er müsste den Mythos als Gegenstand eines neuen Glaubens zu verankern trachten, also als etwas, das gerade nicht fiktional ist, sondern über seine fiktive Evokation hinaus beanspruchen würde, Relevanz für die Realität zu gewinnen. Deutete man die Charaktere als moderne Manifestationen antiken mythologischen Personals, trügen mithin im Bergdorf des Romans ›eigentlich‹ Demeter und Dionysos einen Kampf aus, dann gälte es zu fragen, welchen Anspruch der Roman damit verbinden könnte. Wenn Mutter Gisson ›eigentlich‹ Demeter ist – soll Brochs Leser dann beginnen, an Demeter zu ›glauben‹? Und was würde dies bedeuten? Die dritte Frage zielt auf die politische Dimension des Romans und die heuristische Funktion, die er dem Mythos zuschreibt. Denn offensichtlich soll der Roman einerseits ein ›religiöser‹ Roman¹² sein, der auf eine neue Wertsetzung zielt. Gleichzeitig aber 11
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Winkler, Struktur, S. 125, spricht vom Verfahren der »Figurenerfüllung«, des »figuram implere«, und deutet damit Brochs Verfahren im Horizont typologischen Denkens. Thomas Koebner sieht in dem Roman das »Gleichnis eines mythischen, eines Urstreits«, das Broch durch »Anspielungen« und »Verweise[…]« gestalte; ders., Mythos und ›Zeitgeist‹ in Hermann Brochs Roman Die Verzauberung. In: Lützeler (Hg.), Brochs Verzauberung, S. 169–185, hier S. 172. Auch Sandberg, der die bislang umfangreichste Quellenuntersuchung vorgelegt hat, schließt sich dieser Suche nach »mythological counterpart[s]« (Genealogy, S. 8) an, auch wenn er außerdem nach historischen und politischen Vorbildern sucht. Dies schließt an Brochs eigene Aussagen an, etwa aus dem Jahr 1933, wo er vom Plan eines »großen religiösen Buch[es]« schreibt; Brief Brochs an Daniel Brody, 17. Juli 1933, in: Her-
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analysiert er, wie die Erosion von Werten zur Entstehung faschistischer, massenpsychologisch fataler Bewegungen führt. Hier müsste geklärt werden, inwiefern die mythische Dimension auch diesem Anliegen zugrundeliegen kann. Wie kann Broch beanspruchen, mithilfe des Mythos die politische Realität zu erklären? Wie also ist die mythologische Schicht in Brochs Roman einzuschätzen? Handelt es sich um einen bloß privaten Mythos, die erratische Behauptung eines Dichters, der traditionelles Bildungsgut sichtet und es durch fiktionale Gestaltung neu zu beleben versucht? Das Beispiel T. S. Eliots lässt vermuten, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr greift Broch Strukturen auf, die der Zeit bereits vertraut sind, und zwar nicht nur als altes, anderen und fremden Zeiten angehöriges Bildungsgut, als das man antike Mythologeme wohl verstehen könnte. Die Aktualität, die Broch dem Demeter-Mythos beziehungsweise dem Vegetationskult bereits damit zuschreibt, dass er sie zu Instrumenten einer Analyse auch der politischen Aktualität macht – sie gründet in zeitgenössischen Diskursen, die Broch in die Verzauberung aufnimmt. Er kann für sein Romanprojekt Erkenntniskraft und – vielleicht – auch religiös-philosophische Verbindlichkeit erwarten, weil er Forschungen aufgreift, die etwa den Vegetationskult in einer Perspektive behandeln, aus der er Relevanz für die Gegenwart beansprucht. Broch erweist sich auch hier als Autor, der – wie Klaus Amann und Helmut Grote betonen – »in exakten historischen Einflüssen und Korrespondenzen zu fassen« ist.¹³ Der folgende Aufriss will daher wissensgeschichtlich vorgehen, um zu zeigen, wie Broch durch die Arbeit mit Ergebnissen und Thesen verschiedener Disziplinen die mythologische Schicht seines Romans konstruiert. Es kommt dabei einerseits darauf an, im Sinne der Quellenforschung beispielhaft nachzuweisen, welche Schriften Broch kannte und woraus er bestimmte Elemente entlehnt.¹⁴ Ebenso wichtig aber wie der Nachweis von Quellen ist es, zu zeigen,
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mann Broch u. Daniel Brody, Briefwechsel 1930–1951, hg. von Bertold Hack u. Marietta Kleiß, Frankfurt 1971, Sp. 276; vgl. Lützeler, Darstellung der Forschung, S. 240. Diesem Hinweis ist die Forschung intensiv gefolgt, so zielt etwa Sandberg, Genealogy, auf seine Ausdeutung. Klaus Amann u. Helmut Grote: Vorwort, in: dies., Die »Wiener Bibliothek« Hermann Brochs. Kommentiertes Verzeichnis des rekonstruierten Bestandes, Wien, Köln 1990, S. IX–XXXI, hier S. X. Viele Quellen trägt Lützeler, Darstellung der Forschung, zusammen. Ein Problem stellt dabei Brochs Bibliothek dar, die Klaus Amann und Helmut Grote rekonstruiert haben. Allerdings räumen sie ein, dass die Rekonstruktion gerade für die Jahre unverlässlich wird, in denen die Erstfassung der Verzauberung entstanden ist (vgl. Amann u. Grote, Bibliothek, S. XIX). Die »Handbibliothek« (ebd.), die Broch für die Arbeit an dem Roman mit sich führte, scheint zu größeren Teilen undokumentiert geblieben zu sein. Während Amann und Grote sie als »gewiss nicht sehr umfangreich[…]« einschätzen, verweist Manfred Durzak, Entstehungsgeschichte, S. 599, auf einen unpublizierten Brief von Brochs Sohn, der »einige 300 Bücher […] (Kirchenväter, Religionsphilosophie)« erwähnt.
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welche Funktion sich aus der Aufnahme solcher Diskurse für Brochs mythologische Vertiefung der Verzauberung ergibt. Denn damit, die benutzten Quellen zu identifizieren, ist noch nichts über den Status dieser Entlehnungen gesagt. Dies gilt erstens für die Frage des ontologischen oder heuristischen Werts. Quellenorientierte Studien zur Verzauberung behandeln Brochs mythologische Entlehnungen oft als ein gewissermaßen neutrales ›Material‹: Broch scheint es hier und da vorzufinden und aufzunehmen – damit aber scheint es zum Element einer privaten, ästhetisch begründeten Mythologie zu werden und seinen Bezug zu den ursprünglichen wissensgeschichtlichen Kontexten vollständig zu verlieren. Zweitens ist die Beurteilung nicht unwichtig, der Broch eine Quelle unterzieht. Denn er muss sich nicht affirmativ auf sie beziehen, sondern kann sie im Roman kritisch reflektieren.¹⁵ Brochs Roman – und dies wäre eine Grundthese dieses Beitrags – bezieht Stellung in einer im weitesten Sinne religionsgeschichtlichen und -philosophischen Debatte. Damit aber, dass er mythologisches Material aufnimmt und es gestaltet, schließt sich Broch auch an die Wahrheitsansprüche dieser Forschungen an. Die Verzauberung wäre dann nicht der Versuch, aus einer bricolage von Erlesenem einen neuen Mythos zu schaffen. Und die Pointe der mythologischen Schicht des Romans läge nicht darin, dass einzelne Figuren der Handlung mit dem Personal antiker Mythologie identifiziert werden können. Vielmehr geht es Broch gewissermaßen um die religionsgeschichtlichen Zustände, wenn man so will: um die Psychologie und Soziologie bestimmter religiöser Haltungen, die er in Form bestimmter Figuren konstruiert und analysiert. Broch extrahiert aus außerfiktionalen Diskursen ein Modell religionsgeschichtlicher Entwicklung, das u. a. auch auf den Demeter-Mythos rekurriert. Dieses Modell aber beansprucht – als fiktionale Bearbeitung zeitgenössischer Theorie – eine heuristische Funktion für die Virulenz seiner mythischen Strukturen auch in der Realität. * »A number of figures and rituals described in the novel represent certain stages of European religious developments« – dieser These von Gisela Roethke würde ich mich anschließen,¹⁶ wobei die konkrete Analyse von Roethke allerdings zur Identifikation dieser religionspsychologischen Entwicklungen kaum auf den
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Vgl. beispielsweise die Bemerkungen zu Broch und Ludwig Klages am Ende dieses Beitrags. Gisela Roethke, Non-Contemporaneity of the Contemporaneous. Broch’s Novel Die Verzauberung, in: Hermann Broch, Visionary in Exile, hg. Paul Michael Lützeler, Rochester, NY 2003, S. 147–158, hier S. 147.
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zeitgenössischen Diskurs zurückgeht.¹⁷ Dieses Diskursfeld aber gilt es zu rekonstruieren. Blicken wir noch einmal zurück zum Waste Land. Es bezieht sein Wissen über Vegetationskulte und Fruchtbarkeitsriten aus Arbeiten, die Eliot dem Feld der »anthropology«¹⁸ zuordnet. Nicht zuletzt nennt er dabei James Frazers The Golden Bough.¹⁹ Frazer interpretiert darin ein noch zu Augustus’ Zeit praktiziertes Ritual, indem er dessen Elemente mit einer schier unüberschaubaren Fülle von Riten und Vorstellungen alter und moderner, ›primitiver‹ Völker vergleicht. Gerade The Golden Bough aber, so schreibt Eliot, »has influenced our generation profoundly«.²⁰ Eliot bezieht sich auf ein sozusagen interdisziplinäres Diskursfeld – der Einfachheit halber sei es im Folgenden mit ihm und der angelsächsischen Begriffstradition als ›Anthropologie‹ bezeichnet. Aufgespannt wird es durch Arbeiten, die man der Völker- und Volkskunde, der klassischen und anderen Philologien, der Theologie beziehungsweise Religionswissenschaft, der Psychologie oder der Philosophie zuschreiben könnte.²¹ Der Gegenstand dieses Feldes aber ist die Entwicklung der Menschheit, wie sie sich erschließen lasse an fremden, sogenannten ›primitiven‹ Völkern, an älteren Überlieferungen und Riten europäischer Völker – nicht zuletzt denen der Antike –, an noch gegenwärtig in Europa praktizierten Riten, an den verschiedenen religiösen Überlieferungen. Von dieser Rekonstruktion ›primitiver‹ Denkstrukturen, ihrer Mythen und Riten, ihres magi17
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Das zentrale Stichwort beispielsweise, das Roethke für ihre Deutung zugrundelegt, ist die ›Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‹, für die sie sich auf Ernst Blochs Erbschaft dieser Zeit (1935) bezieht (vgl. Roethke, Non-Contemporaneity, S. 151 f.; Blochs Essaysammlung wird zum ersten Mal von Faber, Erbschaft, mit Broch in Verbindung gebracht, allerdings in etwas anderer Perspektive). Diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen jedoch ist – bezeichnet als ›survival‹ älterer ritueller und mythischer Elemente – ein Grundtheorem der religionsgeschichtlichen, volks- und völkerkundlichen Studien, die Broch herangezogen hat; siehe dazu weiter unten. So Eliot, Waste Land, S. 71, in den »Notes« zum Gedicht. Die Referenzausgabe ist die dritte Auflage: James G. Frazer, The Golden Bough. A Study in Comparative Religion, 12 Bde., London 1906–1915. Die erste Ausgabe erschien in 2 Bänden: The Golden Bough. A Study in Comparative Religion, London 1890. Eliot, Waste Land, S. 71. Interdisziplinarität ist hier cum grano salis zu lesen, da nicht alle diese Fächer bereits disziplinär konstituiert waren. Eine von der deutschen Philologie unterschiedene Volkskunde beispielsweise bildet sich erst in diesen Jahren. Zur Einführung aus der Perspektive verschiedener Disziplinen vgl. etwa: Hermann Bausinger, Volkskunde. Von der Altertumsforschung zur Kulturanalyse, Berlin, Darmstadt 1972; Renate Schlesier, Kulte, Mythen und Gelehrte. Anthropologie der Antike seit 1800, Frankfurt am Main 1994; Adam Kuper, The Reinvention of Primitive Society. Transformations of a Myth, London, New York 2005; Hans Peter Hahn, Ethnologie. Eine Einführung, Frankfurt am Main 2013.
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schen und religiösen Horizontes aber erhofft man sich, auch die Entwicklung der sogenannten ›zivilisierten‹ Völker zu verstehen. Berichte von (gegenwärtigen) Riten ›primitiver‹ Völker werden zum Schlüssel für europäische Vergangenheit – nicht zuletzt die griechische und römische Antike – und auch die Gegenwart der ›zivilisierten‹ Völker, denn am Horizont steht die Vorstellung einer in Grundzügen einheitlichen Entwicklung der Menschheit, die sich über vergleichbare Muster vollziehe. ›Primitive‹ Völker wären genauso wie alte europäische Überlieferungen gewissermaßen Fossilien einer Entwicklung, die auch die ›zivilisierten‹ Völker der Gegenwart durchlaufen, damit aber auch in sich aufgenommen hätten. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei der Entwicklung religiöser Vorstellungen zu. Die Attraktivität dieser im weitesten Sinne anthropologischen Forschungen für die deutsche Literatur und Kultur um 1900 haben etwa Fritz Kramer, Wolfgang Riedel und Hans Richard Brittnacher beschrieben.²² In den folgenden Jahrzehnten tragen sie maßgeblich dazu bei, den sogenannten Primitivismus der Moderne auszuprägen.²³ Dass Broch sich vor allem Anfang der 1930er Jahre mit Arbeiten aus diesem Bereich auseinandergesetzt hat, ist dabei durchaus bekannt. Die Verweise der Forschung auf mögliche oder tatsächliche Quellen für die Verzauberung beziehen sich genau auf solche Werke. Dazu gehören etwa Bachofens Mutterrecht (1861, 21897), Albrecht Dieterichs Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion (1905, 31925), Friedrich Heilers Das Gebet. Eine religionsgeschichtliche und religionspsychologische Untersuchung (1918, 51923); Ende 1935 las Broch den ersten Band von Otto Kerns Religion der Griechen (1926).²⁴ Erwähnt werden in der Forschung ebenfalls Erwin Rohdes Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen (1890, 101925),²⁵ Ludwig Klages’ Der Geist als Widersacher der Seele 22
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Fritz Kramer, Zwischen Kunst und Wissenschaft. Zu Ethnologie und Exotismus der Jahrhundertwende, in: Ethnologie und Literatur, hg. von Thomas Hauschild, Bremen 1995, S. 11–28; Wolfgang Riedel, Homo natura. Literarische Anthropologie um 1900, Berlin, New York 1996; ders., Archäologie des Geistes. Theorien des wilden Denkens um 1900, in: Das schwierige neunzehnte Jahrhundert. FS Eda Sagarra, hg. von Jürgen Barkhoff, Gilbert Carr u. Roger Paulin, Tübingen 2000, S. 467–485; ders., Arara ist Bororo oder die metaphorische Synthesis, in: Anthropologie der Literatur. Poetogene Strukturen und ästhetisch-soziale Handlungsfelder, hg. von Rüdiger Zymner u. Manfred Engel, Paderborn 2004, S. 220–241; Hans Richard Brittnacher, Erschöpfung und Gewalt. Opferphantasien in der Literatur des Fin de siècle, Köln u. a. 2001. Vgl. dazu beispielsweise Erhard Schüttpelz, Die Moderne im Spiegel des Primitiven. Weltliteratur und Ethnologie (1870–1960), München 2005; Literarischer Primitivismus. Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte, hg. von Nicola Gess, Berlin, New York 2013. Otto Kern, Die Religion der Griechen, Bd. 1: Von den Anfängen bis Hesiod, Berlin 1926. Vgl. Lützeler, Darstellung der Forschung, S. 264. Vgl. etwa Sandberg, Genealogy, S. 31–68 pass.
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(3 Bde., 1929–33),²⁶ kurz auch Frazers Golden Bough.²⁷ Nicht erwähnt, aber in Brochs Bibliothek nachweisbar sind beispielsweise Wilhelm Wundts Elemente der Völkerpsychologie,²⁸ Kurt Breysigs Die Entstehung des Gottesgedankens und der Heilbringer,²⁹ Lucien Levy-Bruhls L’Ame primitive³⁰ und Julius Wellhausens Prolegomena zur Geschichte Israels.³¹ Wahrscheinlich hat Broch noch darüber hinaus vieles gelesen, was mit dem Thema Religionsentwicklung zusammenhing.³² Das Erkenntnisinteresse dieses Diskursfeldes aber deckt sich recht genau mit Brochs Anliegen. Schon damit werden übernommene mythologische und rituelle Strukturen zu mehr als bloßen Adaptionen neutraler ›Stoffe‹. Vielmehr schreibt Broch seinen Roman in eine analoge Erkenntnis- und Wissensformation ein. Zu Recht verweist Gisela Roethke auf seinen Brief an Daniel Brody vom 19. Oktober 1934: In einer Zeit – so Broch –, die »nicht und schon längst nicht mehr zu ›glauben‹ und zu philosophieren, das heißt religiös zu denken vermag«, sei es notwendig, »die Entwicklung des Supranaturalen aus dem irrationalen Seelengrund beispielhaft an wirklichen Menschen vor Augen« zu führen.³³ Das Interesse an Demeter hätte demnach religionsgeschichtlichen Sinn; Demeter und die anderen mythischen und rituellen Elemente würden zu Momenten einer religionsgeschichtlichen Entwicklung. Und deren psychologischer Durchdringung gälte die Verzauberung. Folgt man einstweilen Brochs Briefstelle, so geht es nicht um die Gestaltung eines neuen Mythos, der gewissermaßen auf geglaubten Personen beruht, sondern vielmehr darum, wie aus den irrationalen seelischen Bedingungen des Menschen ein Glaube an das Supranaturale entstehen kann, und zwar im Sinne eines Verständnisses dieses Supranaturalen, das Glauben und Denken (»philosophieren«) verbindet. Zu verstehen, wie sich ein gleichsam geläuterter Monotheismus aus den primitiven ›Urformen‹ ursprünglichen
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Vgl. Lützeler, Darstellung der Forschung, S. 260 f. Ebd., S. 261 f. Wilhelm Wundt, Elemente der Völkerpsychologie. Grundlinien einer psychologischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit, Leipzig 1912. Vgl. Amann u. Grote, Bibliothek, S. 278. Es handelt sich zum Teil um eine Synthese von Grundgedanken aus Wundts großangelegter Untersuchung: Völkerpsychologie, 10 Bde., Leipzig 1900–1920. Kurt Breysig, Die Entstehung des Gottesgedankens und der Heilbringer, Berlin 1905. Vgl. Amann u. Grote, Bibliothek, S. 29. Lucien Levy-Bruhl, L’Ame primitive, Paris 1927. Vgl. Amann u. Grote, Bibliothek, S. 149. Julius Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin 41895. Vgl. Amann u. Grote, Bibliothek, S. 272. Vgl. den oben (Anm. 14) zitierten Brief von Hermann Friedrich Broch de Rothermann. Brief Brochs an Daniel Brody, 19. Okt. 1934, in: dies., Briefwechsel, Sp. 584; vgl. Roethke, Non-Contemporaneity, S. 147 f.
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Denkens entwickelt – genau dies ist auch eine der Hauptfragen, die das oben bezeichnete Diskursfeld durchzieht. Brochs Verzauberung stünde damit neben dem – ja gleichzeitig begonnenen – Joseph-Projekt Thomas Manns, der sich ebenfalls intensiv in anthropologische und religionsgeschichtliche Literatur vertieft. Auch hier wird beschrieben, wie aus einem Untergrund ›primitiver‹ mythischer Denkmodelle von Fruchtbarkeitskulten, Menschenopfern und Stammesgottheiten ein Gottesglaube entsteht, der durch Individualität und Humanität geprägt ist. In dieser Hinsicht geht es den Romanen Brochs und Manns um dieselbe Sache. Broch liest die ersten Teile der Tetralogie sofort und mit großem Interesse. Was er darin kritisiert, ist nicht die Darstellung der religiösen Entwicklung, sondern die Ironie, die ihm dem Ernst und dem religiösen Bedürfnis der Gegenwart nicht angemessen erscheint.³⁴ Thomas Mann steigt mit seinem Roman in die Urgeschichte jener Entwicklung ein. Er behandelt das Thema – wie Broch bemerkt – »historisch[…]«, in »Kostümhistorik«.³⁵ Brochs Roman dagegen nimmt die Gegenwart in den Blick. Die Religionsgeschichte erscheint bei ihm nicht historisch-genetisch, sondern aus der umgekehrten Perspektive. Die Gegenwart im Dorf Kuppron besteht aus Schichtungen und Sedimenten dieser frühen religiösen Entwicklung. Sie haben sich in den überkommenen Riten und im Glauben der Bewohner niedergeschlagen, wurden christlich überformt und damit transformiert. Gleichzeitig aber sieht man den christlichen Kulthandlungen die frühen Schichten noch deutlich an. Broch verleiht der religiösen Gegenwart des Dorfes den Charakter eines Palimpsestes. Während Manns ›geschichtlicher‹ Roman also erzählt, wie der Stamm Israel gewissermaßen aus urtümlichen mythischen Strukturen aufgestiegen ist, stellt Brochs Roman die Frage, wie eine Gesellschaft in solche Muster zurückfällt, die sie eigentlich überwunden hat, die jedoch als Sedimente in ihren Handlungen und ihrem neuen, christlichen Glauben nach wie vor präsent sind. Diese Vorstellung, dass sich frühere Formen des Glaubens, des Mythos, des Denkens und der Religiosität in gegenwärtigen, transformierten Riten halten, ist nicht nur Gemeingut jenes Diskursfeldes um 1900, das Eliot ›anthropology‹ nannte. Sie bildet vielmehr einen wichtigen Grundstock der historischen Geisteswissenschaften, wie sie ab 1800 entstehen. Johann Jacob Bachofen beispielsweise formuliert sie im Mutterrecht 1861 mit folgenden Worten: »so wird die Sage in ihren Wandelungen der lebendige Ausdruck der Entwicklungsstufen des Volks, denen sie gleichen Schrittes zur Seite geht, und für den fähigen Beobach-
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Broch hat sich 1933 und 1935 umgehend mit den ersten beiden Joseph-Romanen beschäftigt. Während in seiner Reflexion über die Möglichkeiten und Aufgaben des modernen Romans freilich Joyce die zentrale Rolle spielt, so tritt doch Manns Projekt oft genug daneben. Brief Brochs an Daniel Brody, 19. Okt. 1934, in: dies., Briefwechsel, Sp. 585 u. Sp. 584.
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ter das getreue Spiegelbild aller Perioden des Lebens.«³⁶ Die britische und amerikanische ›anthropology‹ hat diesen Gedanken aus der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft übernommen. Edward Tylor prägte dafür 1871 den Begriff des »survival«.³⁷ * Broch konstruiert das Dorf Kuppron also nach dem state of the art des wissenschaftlichen Diskurses. In den lokalen Riten und Mythen sind palimpsestartig unterschiedliche religiöse Entwicklungsstufen präsent. Vor allem finden sie Ausdruck in den beiden Prozessionen des 6. und 12. Kapitels. Der kundige Beobachter kann die religionsgeschichtliche Entwicklung des Dorfes aus den Gesängen und rituellen Handlungen rekonstruieren. Die Dorfbewohner selbst bewegen sich in ihnen, ohne sie analytisch zu durchdringen. Für sie handelt es sich zunächst um gewohnheitsmäßige Handlungen, die in ihrer christlich überformten Gestalt kaum mehr religiöse Bindungskraft besitzen. Gleichwohl verleihen diese Riten dem Jahr einen Rhythmus, sie versehen bestimmte Tage mit Abwechslung und einer vagen Festlichkeit. Der Steinsegen beispielsweise gibt nicht mehr Anlass zur inneren »Sammlung« oder »Versenkung« wie früher. Dennoch wird an diesem Tag die »Welt […] ein wenig hübsch« (S. 90) – nicht mehr und nicht weniger. Die Bergkirchweih im Herbst dann bezeichnet der Erzähler als »Anhängsel« des Steinsegens. Sie ist das ältere, aber auch das noch stärker verblasste Fest. Hier veranstalte man gegenwärtig eigentlich nur noch eine Kirmes mit »ein paar Buschenschenken«, »Tanz im Freien« und »ein bißchen Mummenschanz« (S. 250). Die Dorfbewohner begehen diese Feste zwar, aber deren Sinn ist ihnen eigentlich schon lange nicht mehr bewusst. Gleichwohl wird dieser Sinn in den Handlungen und Riten konserviert. Vor allem im Gespräch des Erzählers mit Mutter Gisson während des Steinsegens erschließt der Roman nach und nach die Tiefenschichten der Rituale. Der Arzt unternimmt mit Hilfe Mutter Gissons als kundiger Kommentatorin eine ›Bohrung‹ in die Zeitschichten, die sich sedimentiert haben. Der Leser wird so gewissermaßen zum Volkskundler beziehungsweise Ethnologen, der aus den survivals die religionsgeschichtliche Entwicklung rekonstruieren kann. Insbesondere an diesen Stellen der Verzauberung wird deutlich, dass Broch
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Johann Jacob Bachofen, Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur, Stuttgart 1861, Bd. 1, S. VIII. Vgl. Edward B. Tylor, Primitive Culture. Researches into the Development of Mythology, Philosophy, Religion, Art, and Custom, 2 Bde., London 1871, Bd. 1, S. 63–65. Vgl. Riedel, Archäologie, S. 479–481.
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nicht nur ›Material‹ aus diesen Disziplinen übernimmt, sondern gleichzeitig die religionsgeschichtlichen Hypothesen, mit deren Hilfe das Material gedeutet wird. Das wissenschaftliche Erkenntnisverfahren aber, die Analyse der Sedimente und Überschreibungen – sie erscheinen geradezu als Konstruktionsprinzip des Romans. Wenn Mutter Gisson etwa auf Fragen des Erzählers antwortet, indem sie ältere, frühere Fassungen des Prozessionsliedes singt, so erschließt sich damit ein früherer, eigentlicher Sinn, der später überschrieben und verändert worden ist. »Der Herr hat auf dem Berg geredet / Stern und Mond haben gewehet / Und die Gnade hat er gesäet« (S. 91) – so beginnt etwa eine Liedstrophe in einem frühen Stadium der Prozession. Hier ist die Rede von Jesus und – im christlichen Kontext – der Bergpredigt als Teil der Heilsbotschaft. Der Berg der Bergpredigt freilich verbindet sich lokal gleichzeitig mit dem Berg Kuppron. Die Gnade, die Christus gesät hat, meint auf der manifesten, christlichen Ebene des Liedes die Einlösung und Folge des christlichen Heilsgeschehens, das im Opfer des Sohnes für die Menschen und in der Auferstehung kulminiert. Gleichzeitig – denn dies ist die lokale Funktion des Steinsegens – bringt die Gnade auch mit sich, dass der Berg weiterhin Erz liefert. Mutter Gisson nun aber beginnt, ältere Verse zu singen, und macht damit eine tiefere Bedeutungsschicht sichtbar: »›Und die Gnade hat er gesäet …‹ und als ob es zum Text, aber zu einem richtigeren gehörte, setzte sie fort: ›Bergmann im Berg, Kind im Leib, geborgen und geboren … gelobt sei Sankt Pankraz auf dem Berge.« (S. 94) In diesem ›richtigeren‹, das heißt älteren Text wird der Berg mit dem schwangeren Mutterleib identifiziert; damit er fruchtbar bleibe, damit er weiter trage, muss der Berg befruchtet werden wie der weibliche Schoß. Die Gnade aber erscheint in dieser Schicht als sexueller Akt, als Befruchtung. Und tatsächlich verdeutlicht ein weiterer Kommentar Mutter Gissons, dass der zunächst kryptisch bleibende Verweis auf »Stern und Mond« im Prozessionslied auf die Nacht hindeutet und damit eigentlich auf eine »Hochzeitsnacht« (S. 93). Zentrum und Sinn des früheren Festes war die Befruchtung einer Jungfrau als Stellvertreterin des Berges, auf dessen Fruchtbarmachung der Ritus zielte. Und in der Tat konserviert auch die Choreographie des Steinsegens diese Empfängnisszene. Die Bergbraut als Jungfrau, der Priester, der am Höhepunkt den Ring anderer Jungfrauen um sie herum durchstößt und ihren Blumenstrauß entgegennimmt, der dann von ihr die Steine erhält, um sie zu segnen (vgl. S. 104–109) – alles dies erscheint durch Mutter Gissons Kommentar als rituelle Darstellung von Geschlechtsakt und Geburt. Deren Sinn aber ist eigentlich ein magischer, denn die Befruchtung der Frau im Ritus zielt ursprünglich auf die Befruchtung des Berges durch sympathetische Magie, das heißt durch eine Analogiehandlung über Stellvertreter. Der Steinsegen und sein Ritus umfassen jedoch ein weiteres Element, das noch stärker überschrieben ist als die geschlechtliche Ebene. Dem Christuslob
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folgen Anrufungen von Heiligen »auf dem Berge«. Schon nach den ersten Kommentaren Mutter Gissons denkt der Arzt an den »heiligen Ritter«, der die Jungfrau »erlösen« soll (S. 94), an den Kämpfer gegen »Lindwurm«, »Riesen und Drachen« (S. 95). Dieses mythische Muster verleiht den folgenden Prozessionsversen einen beunruhigenden Sinn: »Niemand darf heran sich traue-en / An des Riesen feste Burg / Oder bring ihm ein Jungfraue-en / Daß er dir nichts Böses tu.« (S. 104). Noch hinter dem Geschlechtsakt steht offenbar die Opferung einer Jungfrau, um das böse Wesen im Berg zu begütigen. Die gleich darauf folgende Wiederaufnahme des oben schon zitierten Christuslobs liest sich nun noch einmal anders: »Der Herr hat auf dem Berg geredet / Stern und Mond haben gewehet / Und die Gnade hat er gesäet / Vor Tau und Tag / Emporgestiegen auf den Turm der Welt / Auf den Berg des Lebens hell / Gelobt sei Sankt Georg auf dem Berge.« (S. 104) In ihren survivals konserviert die Prozession ein Wissen von der Abschaffung des Menschenopfers. Die Jungfrau, die man dem bösen Wesen als Opfer dargeboten hat, wird durch den Ritter befreit, der Riese (oder Drache) besiegt. Die Jungfrau lebt, und fortan sorgt ihre leibliche Fruchtbarkeit für das Fortbestehen des Wohlergehens, nicht mehr die Besänftigung des bösen Wesens. In einer weiteren Entwicklungsstufe christlich überformt, nimmt dann Jesus Christus die Stelle des Ritters ein, der das Böse besiegt und das Menschenopfer durch die Gnade und das Selbstopfer überwindet. Rettung vor dem Bösen und Geschlechtsakt haben sich hier zum Akt der Gnade und des Glaubens sublimiert. Genauso hat die Bitte um Ertrag aus dem Berg, wo in der Gegenwart ja schon lange nicht mehr geschürft wird, einen vollständig spirituellen Sinn angenommen. Zu einem historischen Prozess ausgefaltet, erweist sich die Prozession als intrikat konstruierte Verdichtung einer religionsgeschichtlichen Entwicklung. Sie führt vom Menschenopfer zu einer spiritualisierten Form des Glaubens, die aber ihre Vorstufen in sich aufgenommen und gleichsam durch Umdeutung überwunden hat. Die zugrundeliegenden Muster bleiben implizit sichtbar, sie setzen jedoch einen religionsgeschichtlich gebildeten Leser voraus, der die mythischen Schichten dieser Entwicklung ›lesen‹ kann. Das Wissen, das dafür notwendig ist, liefert der Roman nur andeutungsweise selbst – etwa in den Hinweisen Mutter Gissons und den erkenntnishaften Bemerkungen des Arztes. Aber die zeitgenössische religionsgeschichtliche Debatte liefert die Schlüssel zu den mythischen Ebenen. Das zugrundeliegende mythische Grundmuster einer ursprünglichen Heldentat etwa, des Kampfes gegen einen Drachen, steht im Zentrum von Kurt Breysigs Untersuchung Die Entstehung des Gottesgedankens und der Heilbringer, die sich in Brochs Bibliothek befand. Breysig vergleicht die Sagen und religiösen Vorstellungen verschiedener amerikanischer ›Urvölker‹ mit Überlieferungen aus Indien, dem germanischen Raum, der griechischen Antike und dem »semitisch-hamiti-
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schen Völkerkreis«,³⁸ das heißt den Juden und schließlich dem Christentum. Er macht als gemeinsames Element – wie sein Titel schon anzeigt – ein einheitliches Grundmodell aus; demnach entstehe der Gottesgedanke völkerübergreifend aus der großen Tat eines Menschen und einem daraus hervorgegangenen Mythos vom »Heilbringer«. Ein prominenter Typus für diese Tat aber ist der Sieg eines Helden gegen eine Schlange, einen Drachen oder ein anderes Untier.³⁹ Aus diesem Heilbringer entwickele sich dann in der »Formenlehre des Glaubens«⁴⁰ nach und nach die Vorstellung von einem Gott, indem der zunächst »irdische« Held ins Geistige, Allmächtige übersetzt und ihm etwa auch die Schöpfung der Welt zugeschrieben werde.⁴¹ Wenn Broch die Drachenvorstellung an den Grund des Bergsegens stellt, so bedeutet dies nicht, dass er sich Breysigs Position – die in ihrer Zeit kontrovers ist⁴² – insgesamt anschließt. Der Akzent seiner Konstruktion liegt vielmehr auf der Entwicklung des Sagenmotivs, die von einem rohen, mit dem Menschenopfer verbundenen rituell-religiösen Geschehen bis hin zu seiner Sublimierung in der christlichen Überformung reicht. Zudem lässt Broch, wie oben schon zitiert, seinen Erzähler feststellen, dass der Steinsegen jünger sei als die Kirchweih im Herbst. Der Steinsegen ist ein Bergmannsfest, die ältere Kirchweih dagegen bezieht sich deutlich auf den Ackerbau und damit auf eine ältere Kulturtätigkeit des Menschen. Beide Feste hängen freilich in dem Bergdorf eng miteinander zusammen: Die Kirchweih ist ein Vegetationsfest, aber damit auch eine Beschwörung des Berges; gleichzeitig versucht der Bergsegen zwar, den Berg gnädig zu stimmen, damit er Erz liefere – dies verhandelt der Ritus aber in Termini des Vegetationskults. Die Verbindung beider Dimensionen – Berg und Acker – entspricht gewissermaßen dem Ort Kuppron, der durch beides beherrscht wird. Beides ist in den lokalen Mythen, Sagen und Riten des fiktiven Ortes untrennbar miteinander verbunden; und auch der Verzauberer Marius nimmt beide Dimensionen auf: Er verspricht die Trächtigkeit des Berges und führt den angeblich ›natürlicheren‹ Handdrusch ein (vgl. etwa S. 74 f.). Bislang hat sich keine anthropologische Lite38 39 40 41 42
Breysig, Heilbringer, S. [V]. Vgl. etwa ebd., S. 31. Ebd., S. VI. Vgl. ebd., S. 53. Die am weitesten verbreitete Theorie geht davon aus, Religion sei aus dem Animismus entstanden, der Vorstellung also, die Dinge seien beseelt. Wilhelm Wundt beispielsweise deutet entsprechend die Heldensage – auch die des Drachenkampfes – als Produkt animistischer Ur-Vorstellungen; vgl. Wilhelm Wundt, Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte, Bd. 5: Mythus und Religion. Zweiter Teil, Leipzig 21914, S. 410.
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ratur gefunden, die Broch bei der spezifischen Ausgestaltung einer solchen Verbindung von Bergmanns- und Ackerbauvorstellungen hätte helfen können. Aber umso zahlreicher sind die zeitgenössischen Schriften zum Vegetationskult. * Mit Eifer interessiert sich die zeitgenössische anthropologische Forschung gerade für die Vegetationsriten. Sie betreffen früh entwickelte, fundamentale Kulturtätigkeiten des Menschen – Anbau und Ernte von Nahrung – und werden daher als sehr alt angesehen. Frazer stellt sie ins Zentrum seines Golden Bough. Auch in Deutschland wird seine mehr als dreitausend Seiten umfassende Untersuchung in Fachkreisen allenthalben zitiert, und sei es auch nur, weil sie schier unerschöpfliches Material zu Riten und Mythen aller Völker zusammenträgt. Einer größeren Leserschaft wird sie wahrscheinlich erst zugänglich, als 1928 die Kurzfassung⁴³ ins Deutsche übersetzt wird.⁴⁴ In Brochs Bibliothek ist der Golden Bough nicht überliefert, aber dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass er ihn kannte. Die Faszination Frazers liegt sicher darin, dass er von einem Ausgangspunkt in der klassischen Antike, vom Ritus des goldenen Zweiges am Diana-Heiligtum am Nemi-See, ein gewaltiges Panorama von Riten, Sitten und Mythen unterschiedlichster Völker aller Zeiten und Länder ausfaltet. Um zu erklären, was jener Ritus bedeutet, arbeitet Frazer ein Grundmodell heraus, das er in allen Kulturen, in den alten und ältesten Schichten ihrer Mythen und Riten, wiederfindet. Im Zentrum steht der Vegetationskult mit seinen jahreszeitlichen Festen im Frühling, das heißt vor dem Wachstum, und im Herbst, also nach der Ernte und vor dem Winter. Der grundlegende Sinn dieser Riten sei es, an neuralgischen Punkten des Jahres das Wachstum der Frucht und die Fruchtbarkeit sowohl des Feldes als auch der Menschen zu sichern.⁴⁵ Am Grunde der Fruchtbarkeitsriten steht für Frazer aber ursprünglich das Menschenopfer. Im Frühling wie im Herbst identifiziert er bei unterschiedlichen Kulturen entweder wirkliche Menschenopfer oder aber Opferhandlungen und Riten, in denen sich noch Spuren dieses ursprünglichen Sinnes erhalten hätten. Zu Broch passend, ordnet er auch den Sagentypus des Drachenkampfes hier ein: Ein Drache oder eine Schlange hat das Land verwüstet oder hält das fruchtbar-
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Die Originalausgabe: James G. Frazer, The Golden Bough. A Study in Comparative Religion, Abridged Edition, London 1922. Frazer wird im Folgenden zitiert nach der Neuauflage London 1932. Sie ist text- und seitenidentisch mit der Erstausgabe. Sir James George Frazer, Der goldene Zweig (The Golden Bough). Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker, Abgekürzte Ausgabe, übs. von Helen von Bauer, Leipzig 1928. Vgl. Frazer, Golden Bough, etwa S. 325.
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keitsspendende Wasser zurück, wenn ihm nicht jährlich eine Jungfrau geopfert wird – bis ein junger Held kommt, sie befreit und ihre Hand erhält.⁴⁶ Für Frazer ist auch dieser Sagentypus an die Fruchtbarkeit und das Menschenopfer gebunden. Er zeuge von »a real custom of sacrificing girls or women to be the wives of water spirits, who are very often conceived as great serpents or dragons.«⁴⁷ Frazer äußert sich an dieser Stelle in der gekürzten Fassung des Golden Bough nicht zu der Entwicklung, die zur Abschaffung des Menschenopfers geführt haben mag, er stellt auch kaum explizite Bezüge zum Christentum her. Aber beides wird in seinem entsprechenden Kapitel nahegelegt. Denn im unmittelbaren Kontext rekapituliert Frazer einerseits Frühlingsriten – und Menschopfer – ›primitiver‹ Völker, die er in sein Grundmodell eines Fruchtbarkeitsopfers einordnet; und er stellt ihnen eine Vielzahl lokaler Frühlingsfeste aus der europäischen Gegenwart zur Seite, aus Orten unter anderem in Preußen, der Schweiz, Böhmen, Schottland, England, Niedersachsen oder der Ukraine. In den zahlreichen lokalen Formen sieht er Variationen desselben Grundsinns. Diese Riten erscheinen ihm mehr oder weniger christlich überformt, etwa indem sie am »St. George’s day« stattfinden.⁴⁸ Das Menschenopfer stehe bei ihnen oft stark im Hintergrund, deutlicher dagegen erscheine der Geschlechtsverkehr, der durch imitative Magie zu einem Wachstum der Frucht führen solle. In der Ukraine etwa segne der Priester das sprießende Korn; danach wälzten sich entweder jungvermählte Paare oder aber der Priester selbst über das Feld.⁴⁹ In Frazers Deutung zeichnet sich ein Modell der Religionsentwicklung an, das sich mit demjenigen aus dem sechsten Kapitel der Verzauberung deckt: Eine Jungfrau wird geopfert, als Braut für den Drachen, der hier im Berg sitzt; der Drache wird durch einen Helden überwunden, der als Bräutigam gleichsam an seine Stelle tritt, so dass nun die Fruchtbarkeit dieses Menschenpaares auf die Fruchtbarkeit des Feldes beziehungsweise des Berges wirken soll; schließlich wird der Vorgang christlich überformt, sei es durch eine vollständige Sublimierung von Fruchtbarkeit, Sieg über das Böse und Gnade, sei es dadurch, dass der Priester die Befruchtung der Jungfrau real ausführt, wie es in der Verzauberung der alte Pfarrer Arlett einst zu tun pflegte (vgl. S. 107). Die Konzeption des Menschenopfers macht Frazer über einzelne Anklänge hinaus zu einem wahrscheinlichen Bezugspunkt für Broch. Denn Frazers Position ist in Brochs Zeit durchaus eigen. Im Vordergrund bei ihm stehen nicht die möglichen Dankaspekte des Opfers, auch nicht die Sühne, durch die ein zürnendes
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Ebd., S. 146. Ebd. Vgl. ebd., etwa S. 128 u. S. 137. Vgl. ebd., S. 137.
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Wesen versöhnt werden soll.⁵⁰ Alles dies sind für Frazer Aspekte, die sich mit dem Opfer verbinden können. Aber der ursprüngliche Sinn des Fruchtbarkeitsopfers liege darin, dass hier das Opfer zum Stellvertreter der Fruchtbarkeitsmächte beziehungsweise -götter werde. Dass damit der (Fruchtbarkeits-)Gott selbst getötet werden müsse, um die Fruchtbarkeit zu sichern – in diesem scheinbaren Paradox liegt gerade die Pointe von Frazers Konzeption. Denn der Tod des Gottes im Stellvertreter sichere seine Wiedergeburt im folgenden Jahr, analog zum Jahreszeitenzyklus, zum Prozess von Geburt, Leben, Sterben und Wiedergeburt der Natur: »the spirit has […] grown old and weak and must therefore be renovated by being slain and brought to life in a younger and fresher form.«⁵¹ Diese Vorstellung des Opfers als einer Neu- und Wiedergeburt zur Aufrechterhaltung der Fruchtbarkeit aber ist es, die Broch in seiner Verzauberung insgesamt zugrundelegt. Im Opfer-Kapitel der Verzauberung, bei der Bergkirchweih, kommt sie voll zum Tragen. Nach und nach treten hier Irmgard und Marius in ihre Rollen ein, als Stellvertreter der Mutter Erde und der Vatergottheit, die zur Erneuerung der Fruchtbarkeit zusammentreten müssen. Irmgard, so Marius, sei die Tochter der »erntetragende[n] Mutter«, gesendet, damit sie sich dem »regenspendende[n] Vater« zum Opfer bringe, das durch seinen Sohn vollzogen werde – der Sohn freilich ist Marius. Wenn aber das Blut in die Erde komme, so könne damit auch »der Regen des Vaters wieder herabfließen und die Welt versöhnen, daß sie wieder fruchtbar werde« (S. 271). Dieses Opfer ist ein Geschlechtsverkehr, der hier allerdings als Vereinigung im Opfertod verstanden wird. Durch den Opfertod Irmgards als Repräsentantin der alten, unfruchtbaren Welt – eines ›waste land‹⁵² – soll die Erde sich wieder verjüngen und fruchtbar werden. Der Tod der unfruchtbaren Erde – beziehungsweise ihrer Repräsentantin im magischen Ritual – ermöglicht ihre Regeneration. Es handelt sich um eine Wiedergeburt nach einem notwendigen Durchgang durch den Tod. Die Opferszene bei Broch ist vielfach mit anderen Mythen und Vorstellungen überschrieben und verbunden. Marius’ Vorstellung beispielsweise, dass die Mut-
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Vgl. etwa die Systematisierungen der zeitgenössischen Opferdeutungen bei Wundt, Elemente, S. 427–438; Gerardus van der Leeuw, Phänomenologie der Religion, Tübingen 1933, S. 327–337. Vgl. zu Opfer und Opfertheorie: Hubert Seiwert, [Art.] Opfer, in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, hg. von Hubert Cancik u. a., Bd. 4, Stuttgart u. a. 1998, S. 268–284; John Milbank, Stories of Sacrifice. From Wellhausen to Girard, in: Theory, Culture & Society 12 (1995), S. 15–46. In Auseinandersetzung mit den älteren Positionen entwickelt eine moderne Theorie des Opfers: Walter Burkert, Homo Necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen, Berlin, New York 21997. Frazer, Golden Bough, S. 300. In einem der Lieder, die während des Rituals gesungen werden, heißt es: »Es standen alle Bäche still / und Frucht und Tiere starben viel« (S. 269).
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terordnung durch eine Vaterordnung abgelöst werden müsse, kann nicht zuletzt als Auseinandersetzung mit Alfred Rosenberg gedeutet werden. Dessen Mythus des 20. Jahrhunderts propagiert – sich freimütig aus den anthropologischen Forschungen der Zeit bedienend –, dass der ›nordische‹, ›germanische‹ Mensch von jeher den männlichen Lichtgott angebetet, das chthonische Mutterprinzip aber als ›rassefremd‹ bekämpft habe.⁵³ Am Grunde aller dieser Elemente steht in der Verzauberung jedoch ein Fruchtbarkeitsopfer nach Frazers Modell. Die Bergkirchweih führt dabei einerseits den früheren Steinsegen fort, der ja bereits die entscheidenden mythischen und rituellen Elemente enthielt. Andererseits aber geschieht nun bei dem zweiten Fest etwas fatal Neues. Denn in dem ersten Ritual waren die früheren Stufen nur für die interpretierenden Beobachter sichtbar geworden, für den Erzähler und für den Leser. In der Bergkirchweih dagegen werden sie restituiert. Hier brechen die alten, überschriebenen und transformierten Stufen von Ritus und Mythos wieder hervor. Die religiöse Entwicklung kehrt sich gleichsam um. Bedenkt man, dass die Bewohner von Kuppron – mit Ausnahme von Mutter Gisson – sich des alten Sinns ihrer Rituale gar nicht mehr bewusst waren, so mag diese Reaktualisierung zunächst merkwürdig erscheinen. Allerdings liegt das ›mythische Material‹ ja bereit, denn die gegenwärtigen Rituale konservieren schließlich noch die Sprach- und Handlungshülsen der alten. Außerdem reagieren sie auf dieselben Bedürfnisse wie jene. Die Sublimierung der Befruchtung zur Gnade beispielsweise setzt immer noch an dem Verlangen des Menschen an, sein Dasein durch die Hilfe und die Unterstützung göttlicher Mächte zu sichern, auch wenn sich die Formen spiritualisiert haben. Der ›Rückfall‹ des Ritus also aktualisiert eine alte Umgangsform mit menschlichen Bedürfnissen, die sich in ihrer Grundstruktur keineswegs verändert haben. Für Broch bleiben die Grundkoor-
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Vgl. Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit (zuerst 1930), 143.–146. Auflage, München 1939, S. 135: »Der indische Varuna, der griechische Uranus, Göttervater Zeus und der Himmelsgott Odin, Surya (der ›Strahlende‹) der Inder, Apollon-Helios und Ahura Mazda« seien Repräsentanten einer »Lichtreligion«, die »den verschiedenen chthonisch-matriarchalisch eingestellten Rassengruppen das Paternitätsprinzip entgegen[setzt]«. Rosenberg fabriziert aus dem gängigen religionsgeschichtlichen Thema des ›Siegs‹ eines männlichen Lichtgottes den Ausdruck eines ›ewigen Rassenkampfes‹. Gleichzeitig leitet er hieraus eine nationalsozialistische Geschlechterordnung ab. Die Frage, wie weit Broch auf Rosenberg eingeht und damit auch eine Variante nationalsozialistischer Mythos-Theorie kritisch in seinen ›religiösen‹ Roman einbezieht, verdient eine eingehendere Beschäftigung. Sie ist nicht einfach zu beantworten, weil Rosenberg beispielsweise keine Opfertheorie entwickelt, ja, das Opfer als Ausdruck fremder, degenerierter Rassen versteht. Für den Hinweis auf Rosenberg danke ich Wilfried Barner.
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dinaten Tod und Fortpflanzung beziehungsweise Fruchtbarkeit immer gleich. Allerdings sind sie in der jüngeren Vergangenheit durch einen transformierten Glauben befriedigt worden. Funktioniert diese Befriedigung – etwa durch das Christentum – nicht mehr, so restituieren sich die alten, konservierten Formen des Umgangs mit dem akut bleibenden Bedürfnis. Diese Annahme einer anthropologisch konstanten Bedürfnisstruktur, die durch veränderliche Riten und religiöse Vorstellungen befriedigt wird, liegt nicht nur Brochs Verzauberung zugrunde. Auch in dem zeitgenössischen Diskursfeld, auf das er zugreift, ist sie weit verbreitet.⁵⁴ Für Frazer sind die Ausgangspunkte »food and children«.⁵⁵ Auf sie richte sich die Sorge der primitiven Menschheit, da sie im Zyklus von Werden und Vergehen sozusagen als instabil wahrgenommen würden. Das Opfer versucht, mit dieser Sorge umzugehen. Im Golden Bough weist Frazer auch wiederholt auf die Möglichkeit eines ›Rückfalls‹ in alte magische und rituelle Verfahrensmuster und Vorstellungen hin. So reflektiert er etwa über den »solid layer of savagery beneath the surface of society«. Dieser bleibe »unaffected by the superficial changes of religion and culture« – »a standing menace to civilization«. »We seem«, so schreibt Frazer, »to move on a thin crust which may at any moment be rent by the subterranean forces slumbering below.«⁵⁶ Die Warnung bekommt besondere Dringlichkeit angesichts der zahlreichen Beispiele aus der europäischen Gegenwart im Golden Bough, wo kaum mehr verstandene Fruchtbarkeitsfeste dennoch deutlich die Erinnerung an Menschenopfer konservieren. Die survivals alter Riten wären demnach also keineswegs nur tote Überreste; sie könnten potentiell wieder ein neues Leben entfalten. Genau dies geschieht in der Verzauberung. Der Roman stellt als Grundkonstanten menschlichen Lebens konsequent Tod und Zeugung ins Zentrum, auch wo es nicht unmittelbar um Feldernte oder ›Fruchtbarkeit‹ des Berges geht. Beide Themen durchziehen den Alltag im Dorf. Die Geschichte beispielsweise, die Suck im Wirtshaus erzählt, läuft auf beide zu: Die Lanze, mit der sein Vater den Welschen an der Brust gekitzelt habe, deutet der Wirt als Zeugungsglied (S. 54). Das anschließende Gespräch kreist konsequenterweise um »Kinderkriegen« und »Sterben«, die, wie der Berg-Mathias feststellt, das »nämliche« seien (S. 55). Die Sehnsucht des Baders nach Frühling (S. 66), Agathes Schwangerschaft (etwa S. 68–73), die Frage nach der richtigen Behandlung des geernteten Korns (etwa S. 74 f.) sind weitere Beispiele. Und
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Vgl. Riedel, Archäologie, S. 481 f., der nicht zuletzt auf die Bezüge zur Psychoanalyse Freuds hinweist. Vgl. Frazer, Golden Bough, S. 325. Ebd., S. 56.
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es ist kein Zufall, dass sich Marius in das Dorf einführt, indem er Keuschheit predigt.⁵⁷ Als grundlegende Dimensionen des Daseins können Tod und Fruchtbarkeit alle anderen Bedürfnisse auf sich ziehen. Das Verlangen nach dem Gold wird von manchen Dorfbewohnern materialistisch interpretiert, Fruchtbarkeit also als wirtschaftliche Prosperität, als (märchenhafter) Reichtum verstanden. Dies ist etwa der Fall bei dem reichen, gierigen Bauern Lax, der – nach Mathias – »fressen, fressen, fressen« wolle (S. 163). Für Frau Baldan aus dem Postamt gilt dies in vermittelter Form: Sie verspricht sich vom Bergbau einen Aufschwung des Tourismus (S. 123). Für den Schlachter Sabest appelliert das Gold unmittelbar an dunkelste Triebe: Es verheißt ihm eine blutrauschhafte sexuelle Befriedigung, die gleichfalls aus den Grunddimensionen des Fruchtbarkeitskultes hervorgeht – »Und die Welt muss wieder nach Frau riechen … dazu braucht sie Blut« (S. 139). Hier wird die Opferung Irmgards antizipiert, die Sabest später tier- und triebhaft ausführt (vgl. S. 278). Für andere hat das Gold eine mehr spirituelle Faszination, so etwa für den Schmied Ludwig, der bereits versonnen antizipiert, wie das Gold »lacht« und er es – die Verbindung des Goldes zum Fruchtbarkeitsmythos hervorhebend – auf die Waage legen kann, auf der eigentlich die »Bauern ihr Getreide« (S. 125) wiegen. Ihm scheint es nicht primär um den materiellen Tauschwert des Goldes zu gehen. Miland, Irmgards Vater, gibt der spirituellen Krise vollen Ausdruck. Er versteht das Gold als Zeichen für die »Wahrheit«, die in der »Seele« liege, nicht im Berg (S. 220). Dennoch hofft auch er auf eine Erlösung im Zeichen von Fruchtbarkeit und Opfer. Die Fruchtbarkeit der Felder – und die Opferung seiner Tochter, um sie zu stimulieren – verheißt ihm eine Auflösung seiner spirituellen »Einsamkeit« (S. 224). Er stellt den Vegetationskult, das »Erntewunder«, dezidiert gegen den kraftlos gewordenen Begriff eines unsichtbaren christlichen Gottes (vgl. S. 227). * Tod und Fruchtbarkeit sind für den Roman offensichtlich Grunddimensionen des Daseins, die sich einerseits mit der notwendigen Zyklizität der Welt verbinden, andererseits mit Sorge beziehungsweise Angst, da der Mensch in ihnen steht, sie
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Schon bevor Marius auftritt, entspinnt sich im Gasthaus eine Debatte über seine Forderung, man solle »keusch« (S. 18) leben. Darauf bringt er Peter und Agathe auseinander, obwohl sie ein Kind von Peter erwartet (vgl. die ersten Anzeichen auf S. 29). Für Frazer sind dabei im rituellen Kontext Geschlechtsverkehr und Keuschheit – also die ›Aufsparung‹ des Geschlechtsakts – keine Gegensätze; beide sollen die Fruchtbarkeit der Natur manipulieren; vgl. Frazer, Golden Bough, S. 138.
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aber nicht beherrschen kann. Riten und Glaube sind Wege, mit diesen Grunddimensionen des Daseins umzugehen. In der Gegenwart des Dorfes jedoch ist die etablierte, christliche Form dieses Umgangs kraftlos geworden. Angst und Sorge überwiegen. In diese Situation des Wertzerfalls nun kommt Marius. Auch seine Rolle kann anhand der anthropologischen Forschungen der Zeit näher bestimmt werden. Die Broch-Forschung teilt sich hier in zwei Grundpositionen. Die eine bestimmt Marius vornehmlich politisch, insbesondere als Reflex auf Hitler. Das ist zweifelsohne der zentrale aktuelle Referenzrahmen von Brochs Roman. Diese Forschungsbeiträge aber insistieren darauf, dass Marius die Elemente, die zur Verzauberung und zum Opfer führen, erst in das Dorf einbringe⁵⁸ oder dass er im Dorf vorhandene religiöse Praktiken pervertiere.⁵⁹ Die mythischen und rituellen Elemente erscheinen als Marius’ Strategie, dem Dorf aber eigentlich fremd. Angesichts der Prozessionsszenen im Roman und der anthropologischen Literatur, auf die Broch sich stützt, lässt sich diese Interpretation jedoch nicht halten. Die religiösen Formen und Riten, die in der Verzauberung aktualisiert werden, sind vielmehr schon im Dorf vorhanden; sie liegen als survivals unter einer Oberfläche der Zivilisation bereit. Die andere Interpretationslinie konstatiert, dass Broch Marius nicht so sehr innerfiktional einen neuen Mythos einführen lasse, sondern ihn vielmehr selbst zum Teil eines Mythos mache, den der Roman auf der Ebene seiner Konstruktion entfalte. Hier ist der Mythos von Demeter gemeint; Marius stehe in dieser Figuration ebenfalls für eine mythologische Figur, etwa Dionysos. Der Mythos wäre also kein innerfiktionales strategisches Element eines Verführers, sondern er beschriebe vielmehr ein geschichts- und religionsphilosophisches Modell, dem in der fiktionalen Realität selbst der Status der Wahrheit zukäme. Diese Deutungen monieren, dass der Roman Marius damit einen geschichtsphilosophisch notwendigen Platz einräumen würde. Damit jedoch übe er eine wirkungslose Kritik am Faschismus, bewege diese sich doch in dem gleichen Bezugsraum, den der Faschismus selbst aktiviere: einem neuen Mythos.⁶⁰ Auch dieser Interpretation lässt sich aus der Perspektive der zeitgenössischen anthropologischen Literatur widersprechen. Die Mythen des Dorfes erschei58
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So etwa Sandberg, Genealogy, S. 46, der Marius die ›neuen Riten‹ »introducing« und »supplanting« sieht. Die Erntereligion, so schreibt er später, sei »part of his [Marius’] program« (ebd., S. 85). Auch Gisela Roethke schreibt: »He uses whatever he can find in already existing local myths and twists it to his own purposes.« (Roethke, Nob-Contemporaneity, S. 155). So etwa Helmut Koopmann, der von einer »blasphemische[n]«, »bösartige[n] Parodie christlicher Opfervorstellungen« spricht; ders., »Verrückte Erlösung«. Der Wahn von der neuen Gemeinschaft und der Glaube an die Unzerstörbarkeit des Ich in Brochs Verzauberung, in: Lützeler (Hg.), Brochs Verzauberung, S. 186–208, hier S. 198. So etwa Faber, Erbschaft, S. 41; Koebner, Mythos, S. 171.
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nen – angesichts der vielfältigen Verbindungen zur zeitgenössischen anthropologischen Literatur – weder als »fauler Zauber«⁶¹ noch als Versuch Brochs, archaisch-magische Praktiken zu revitalisieren. Im Fruchtbarkeitskult mit dem barbarischen Menschenopfer als Kulminationspunkt restituiert sich, was nicht wenige Anthropologen als frühere, zivilisatorisch überdeckte Schicht magischen und religiösen Denkens in der europäischen ›Zivilisation‹ begreifen. * Aber was kann der Roman Marius’ Verzauberung dann entgegensetzen, wenn sie nicht als Verführung zu fremden Riten erscheint und sich zumal auf den grundsätzlich für jede Religion gebotenen Umgang mit der Sorge um fundamentale Existenzfaktoren bezieht? Die Antwort liegt in Mutter Gisson und ihren Bezügen zum antiken DemeterKult. Dass sich in dieser Gegenfigur zu Marius nicht nur Züge Demeters, sondern unterschiedlicher Muttergottheiten vereinigen, scheint die Forschung öfter verwirrt zu haben. Die religionsgeschichtliche Debatte der Zeit jedoch ist sich einig über die Analogie, ja den transformativen Zusammenhang unterschiedlicher Muttergottheiten. Mutter Gisson ›steht‹ genauso wenig wie Marius für eine antike mythologische Gestalt. Nicht um eine bestimmte mythologische Figuration geht es dem Roman, sondern um die Bestimmung der religionsgeschichtlichen Funktion, die den Muttergottheiten zugeschrieben wurde. Nach Frazer, aber auch vielen anderen Forschern sind alle diese Muttergottheiten im Kern mit dem Fruchtbarkeitskult verbunden. Die Mutter – als Demeter, Große Mutter etc. – ›gehört‹ also selbstverständlich zum Referenzrahmen von Fruchtbarkeit und Tod, den Broch der Anthropologie seines Romans zugrundelegt. Freilich sind die Muttergottheiten ursprünglich ebenfalls mit dem Opfer verbunden. Um den rituellen Sinn der Demeter-Figur zu ergründen, greift Frazer auf zahlreiche Beispiele aus dem modernen Europa – wie auch aus ›primitiven‹ Kulturen – zurück. Eine zentrale Rolle weist er hier dem Korngeist zu, der auch die Gestalt einer alten Frau,⁶² einer Hexe⁶³ oder einer jungen Braut⁶⁴ annehmen könne. Dieser Korngeist werde im Herbst, nach der Ernte, ausgetrieben oder umgebracht, damit er im nächsten Jahr wieder für neues Wachstum sorgen
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So Michael Winkler, Struktur, S. 127: Die »als altes Wissen und Altersweisheit propagierte Erfahrung der lebendigen Präsenz des in Sagengut und Brauchtum überlieferten Mythischen und Göttlichen erweist sich als nichts mehr denn fauler Zauber.« Vgl. Frazer, Golden Bough, S. 399–424. Vgl. ebd., etwa S. 403 f. Vgl. ebd., etwa S. 406–409.
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könne. Frazer weist dezidiert darauf hin, wie in Erntefesten Repräsentantinnen dieses Korngeistes geopfert würden – in der jüngeren Vergangenheit symbolisch, oft auch in vielfach überschriebener Form, ursprünglich (und bei ›primitiven‹ Kulturen) jedoch als wirkliche Menschenopfer.⁶⁵ Die europäischen Erntefeste basierten auf diesen »ancient modes of thought, and form parts of the same primitive heathendom, which was practised by our forefathers long before the dawn of history.«⁶⁶ In diesen Erntefesten sieht Frazer survivals primitiver Fruchtbarkeitsriten, die auf einer weiblichen Figuration des Korns und des Wachstums beruhten. Eine matriarchale Ur-Ordnung, die vor dem Menschenopfer schützen würde, besteht für Frazer also nicht. Der urzeitliche keltische Opferstein, der in Brochs Roman die älteste historisch datierbare Schicht des Fruchtbarkeitsopfers repräsentiert, entspricht dem. Gleichwohl hebt Frazer einen Ort besonders heraus, an dem sich das mit der Weiblichkeit verbundene Fruchtbarkeitsopfer in markanter Weise verändert und sublimiert habe. Dies seien die Demeter-Mysterien von Eleusis, wie sie von archaischer Zeit an über Jahrhunderte in der Nähe von Athen zelebriert worden sind.⁶⁷ Demeter und Persephone sind für Frazer Personifikationen der Kornmutter und ihrer Tochter, das heißt ihrer Neuerscheinung in verjüngter Form im kommenden Jahr. Beide Gestalten bildeten sich aus den ursprünglichen Fruchtbarkeitsriten, die im modernen Europa noch in survivals ihrer primitiven Urform nachlebten.⁶⁸ Sie seien »late products of religious growth«⁶⁹ und bildeten als solche die Zentren eines Mysterienkultes, der das Opfer hinter sich gelassen habe. Frazer sieht also Demeter als Produkt einer fortgeschrittenen Religionsentwicklung, innerhalb derer sich die Vorstellung von einem weiblichen Fruchtbarkeitsgeist zu einer Gottheit individualisiert habe. Das primitive, magische Menschenopfer sublimiere sich zu einem Mysterienkult, die ursprünglichen Riten und Vorstellung würden vergeistigt. Mit anderen Worten: Im Demeter-Kult von Eleusis sei erstens das Menschenopfer ersetzt und überschrieben worden, zweitens werde hier die Sorge um Tod und Fruchtbarkeit in der spiritualisierten Form
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Ebd., S. 410. Ebd., S. 410 f. Auch Wachtler, Archetypus, S. 245–248, hebt die mystisch-spirituelle Deutung der EleusisMysterien hervor, allerdings versteht sie deren Funktion in Brochs Roman als eine »Rückbesinnung auf die eigenen Ursprünge, auf den Grund des menschlichen Bewußtseins« (ebd., S. 248), auf eine gütige Ur-Weiblichkeit. Demeter und Persephone »grew out of the same simple beliefs and practices which still prevail among our modern peasantry.« Frazer, Golden Bough, S. 420. Ebd.
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eines Mysteriums verhandelt. Sie transformiere sich in die Hoffnung auf Tod und Auferstehung des Menschen.⁷⁰ Frazer ist bei weitem nicht der einzige, der diese Deutung von Eleusis und Demeter vertritt. Wilhelm Wundt beispielsweise sieht in seinen Elementen der Völkerpsychologie die Vegetationsfeste ebenfalls als Ursprung der »Götterkulte«⁷¹ und damit als Schritt von der Magie zur eigentlichen Religion. In ihnen vermischten sich verschiedenste Bestandteile älteren Totem- und Ahnenglaubens und auch primitiver »Himmelsmythologie«.⁷² Die Vegetationsfeste vereinigten daher viele »Kultzwecke«⁷³ auf sich: Neben der »Sorge um das Gedeihen der Feldfrucht« auch die um die menschliche Fruchtbarkeit, die Männerweihe, den Ahnenkult, die Heilung der Kranken und manches andere.⁷⁴ Nebenbei bemerkt erfasst der sich restituierende Fruchtbarkeitsritus auch bei Broch alle diese Dimensionen: die Männerweihe wird in Wenzels militärischer Jugend vorgenommen,⁷⁵ den Ahnenkult bringt beispielsweise Miland ins Spiel,⁷⁶ die Heilung der Kranken wird – wenn nicht vom Arzt, dem Erzähler – von Mutter Gisson und auch von Marius betrieben.⁷⁷ Weil – so Wundt weiter – sich in den Vegetationskulten vieles vereinige, verwandelten sich gerade in ihnen die älteren, mit Wachstum und Vegetation verbundenen Dämonenvorstellungen in einen Götterglauben. Hier höben sich die Glaubensvorstellungen »auf eine höhere Stufe«, »indem die Sorge um das seelische Heil des Menschen schließlich« die »materiellen Zwecke« jener älteren Kultelemente »zurückdrängte«.⁷⁸ Wundt verweist auf die Vegetationskulte der »Ägypter, Babylonier und vorderasiatischen Kulturen«,⁷⁹ also die Kulte um Attis und Osiris oder Tammuz und Adonis. Der prominenteste aber ist auch für ihn der Demeter-Kult von Eleusis.⁸⁰ Ein weiteres Beispiel für diese Deutung von Eleusis bietet Albrecht Dieterich, dessen Untersuchung Mutter Erde Broch ebenfalls kannte: In Eleusis steigere sich der »alte[…] Glauben von der Mutter Erde zur
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Vgl. ebd., S. 398. Wundt, Elemente, S. 415. Ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 416. Vgl. etwa den ersten Vers des Liedes, das Wenzels ›Garde‹ singt: »Wir sind Männer, keine Knaben« (S. 164). Vgl. Miland: »›Nur wenn wir mit unseren Toten reden, überspringen wir Anfang und Ende. […] Nur den Toten reichen wir wirklich die Hand.‹« (S. 224). Zu Mutter Gisson vgl. S. 37; Marius heilt zwar nicht, aber er spürt Krankheit, vgl. S. 82. Wundt, Elemente, S. 416. Ebd. Vgl. ebd., S. 417 f.
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Mystik«, werde »bis an die Schwelle einer neuen Weltepoche« geführt,⁸¹ namentlich des Christentums. Brochs Mutter Gisson also, so wäre die Hypothese, repräsentiert diese Stufe der Religionsentwicklung, in der sich der ursprüngliche Fruchtbarkeitskult mit dem Menschenopfer sublimiert und vergeistigt hat.⁸² Broch personifiziert mit ihr also kein Urprinzip des Glaubens, um in seinem Roman einen neuen paganen, archaischen Naturmythos zu propagieren. Mutter Gisson ist vielmehr – wie das Christentum – ein entscheidender Schritt über das Pagan-Archaische hinaus. Das Opfer und auch ihr Sterben drehen im Roman gleichsam die religionsgeschichtliche Entwicklung zurück. Nicht zufällig vollzieht sich die Sterbeszene Mutter Gissons nach dem Modell einer Mysterienfeier – namentlich dem von Eleusis.⁸³ Nach einer reinigenden Lustration⁸⁴ wird der Arzt hier in die Einheit von Leben und Tod eingeführt. So wie den Mysten in Eleusis an einem – nicht überlieferten – Wunder die Aufhebung des Todes sinnfällig wurde, so erfährt hier der Arzt Wunderzeichen einer Zyklik von Tod und Wiedergeburt, in der das menschliche Leben und die menschliche Seele geborgen sind: Dies ist die Funktion von Mutter Gissons Erzählung, der Wiedererscheinung Irmgards und der schwangeren Agathe. Tod und Wiedergeburt sind nicht mehr an Werden und Vergehen der Fruchtbarkeit gebunden, sondern haben sich spiritualisiert. Diese Transformation ins Geistige inszeniert der Roman als höchste religiöse Erkenntnis, als Gegenstand einer mystischen Einsicht, die sich nur in paradoxen Wendungen bekunden lässt. Mutter Gisson und Demeter stehen in der Verzauberung also nicht für einen religionsgeschichtlichen Rück-, sondern für einen entscheidenden Fortschritt. In der Spiritualisierung des Verhältnisses zu Leben und Tod ist vollzogen, was Broch in seinem oben bereits zitierten Brief an Daniel Brody vom 19. Oktober 1934 als die »Entwicklung des Supranaturalen aus dem irrationalen Seelengrund« bezeichnet.⁸⁵ Wenn er mit Mutter Gisson einen positiven ›Mythos‹ einführen will, dann ist dessen Kern nicht ihre Gestalt oder die mythologische Figur, die man dahinter sehen kann. Er ist vielmehr gebunden an die mystische Erkenntnis, die 81 82
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Albrecht Dieterich, Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion, Leipzig 31925, S. 70; siehe zu Dieterich auch Riedel, Archäologie, S. 481. Dies widerspräche der Einordnung von Gisela Roethke, Non-Contemporaneity, S. 155; sie sieht in Mutter Gisson »a figure of archaic dimensions who represents a metaphysic of nature, a knowledge of cycles of birth, death, and rebirth«; als solche sei Mutter Gisson den Herausforderungen der Moderne nicht gewachsen. Darauf weist Wachtler, Archetypus, S. 246 f., hin. Vgl. ebd., S. 236. Zu zeitgenössischen Deutungen der Lustration, u. a. in Eleusis, vgl. Wundt, Elemente, S. 440–442; Dieterich, Mutter Erde, S. 56 f. Brief Brochs an Daniel Brody, 19. Okt. 1934, in: dies., Briefwechsel, Sp. 584.
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sie entwickelt, also gewissermaßen an ihre spirituelle ›Lehre‹. Es geht wohl nicht zu weit, bei ihr an Brochs ›rationale Mystik‹ zu denken.⁸⁶ Marius’ Verzauberung besteht nun darin, alle Tendenzen zur Spiritualisierung, die in dem Dorf vorhanden sind, rückgängig zu machen. Tod und Fruchtbarkeit bezieht er wieder wörtlich auf die gegenständliche Erde. Er restituiert damit das konkrete Verständnis dieser Grundphänomene des Daseins, wie es die primitiven Riten prägte, bevor sie durch Eleusis und das Christentum einen geistigen Sinn annahmen. Marius’ Gespräch mit Wettchy macht dies deutlich. Denn Wettchy ist als Stadtmensch der dörflichen ›Erde‹ maximal entfremdet. Gleichzeitig ist damit sein Religionsverständnis immer schon zutiefst spiritualisiert. Und am Ende findet er Worte dafür, die Marius’ neo-pagane Konkretisierung deutlich hervortreten lassen. Wetchy bringt seinen eigenen, legitimen Bezug zum »Unendlichen«, zum rational nicht fassbaren numinosen Grund des Seins zum Ausdruck. Als Städter liegt für ihn dieses Unendliche nicht in materiellen Erscheinungen der Welt, nicht in der Feldfrucht und auch nicht im Gold des Berges – sondern vielmehr in der »Seele«. Auf dieses Stichwort hin zeigt Marius auf Berg und Sonne, die er – neo-pagan und ›primitiv‹ – als Ziele seiner Magie ansieht: »Dort … dort ist das Unendliche, dort, wo das Meer zum Himmel dringt, wo das Erz des Berges ausstrahlt, wo sich die Elemente vereinigen, keine Pflanze, kein Tier mehr wohnt, dort ist das Unendliche.« (S. 347) Wetchy jedoch besteht auf der Seele als dem Ort des Unendlichen: »Dort ja […] aber ohne Seele ist auch dort nichts.« (S. 347). Julia Mansour hat überzeugend auf diesen konkretisierenden Zug von Marius’ Rede hingewiesen, indem sie ihn mit der Sterbeszene Mutter Gissons kontrastiert hat.⁸⁷ Dem Arzt vertieft sich hier die konkrete Anschauung der Landschaft zu einer visionären Erfahrung. Er sieht den See in der Höhe, die Schlange im Kristall, den Weltenbaum, der Himmel und Erde verbindet. Im gleichen Moment erkennt er, dass er hier im Äußeren ein »Echo der Seele« wahrnimmt, ein »Wahrheit« gewordenes »Gleichnis« (S. 358). Dieser Gleichnischarakter der realen Welt, der sich in der mystischen Schau ergibt und erst im »Tode« (ebd.) zur vollen Realität 86
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Vgl. zu dieser für Broch in gewisser Weise zentralen Konzeption den Brief an Stefan Zweig vom 26. Feb. 1936, kurz nach Abschluss der ersten Fassung seines Romans: »Es muß endlich einmal wieder gesagt werden, daß das eigentlich Mystische im Rationalen liegt und nicht im Blut und nicht in dem sonstigen Gewabbere –, wie ja eben auch alle großen Mystiker strenge Rationalisten waren, die die Ratio als das empfanden, was sie ist, nämlich als die eigentlich göttliche Aufgabe.« Abgedruckt in: Lützeler (Hg.), Brochs Verzauberung, S. 53 f. Vgl. Julia Mansour, »Auf dem goldenen Grund aller Finsternis«. Erkenntnis-, Handlungsund Seinsgründe in Hermann Brochs Die Verzauberung, in: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur 100 (2008), H. 1, S. 88–106, hier S. 100 f.
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werden wird – er ist, folgt man Mansours Interpretation, sozusagen die höchste, normative Lehre, die sich aus der spiritualisierten Verehrung der fruchtbaren Erde ziehen lässt. Mutter Gisson fasst das in einen Lehrsatz: »Denn nur im Bilde deiner Irdischkeiten siehst du das Licht, zu dem du heimwärts strebst, und wäre nicht dein irdisch ruhig Schreiten, der Himmel wäre nicht, in dem du ruhend schwebst.« (S. 361).⁸⁸ Der pagane Rückschritt besteht in einer Rückverwandlung dieses Verhältnisses: in einer Vergöttlichung irdischer Konkreta statt darin, im Irdischen selbst ein Echo, einen Abglanz der menschlichen Seele zu sehen und damit die menschliche Seele als Ursprung, Prinzip und Bürgin des Unendlichen zu erkennen. Mit diesem Rückschritt aber geht auch der Humanismus verloren, den die spiritualisierten Formen der Religion mit sich gebracht haben, indem sie die Seele des Menschen – und nicht die Dinge – zum Zielpunkt menschlicher Erkenntnis und menschlicher Sorge gemacht haben. Entsprechend kann sich während der Bergkirchweih das Menschenopfer ereignen. Auch hier erodiert die humanistische, spirituelle Schicht; zum Vorschein kommt ein früheres, konkretes und magisches Verständnis des Opfers. Broch hat die Opferszene mit einer hochdosierten religionsgeschichtlichen Dramatik aufgeladen. Als Irmgard auf dem Opferstein liegt und Marius zur Tat bereitsteht, ruft es auch in der Seele des Erzählers »Tu’s« (S. 274). Gleichzeitig »dämmert[…]« es ihm, dass nun eigentlich der Widder im Gebüsch erscheinen müsste, »das Opfer zu ersetzen.« (ebd.) Dieser Bezug auf das Opfer Abrahams ist kein Zufall. Denn die Ersetzung des Menschen durch das Opfertier wird für den Erzähler in diesem Moment zu einer Urszene der Humanisierung des Menschen und seines Gottesbildes. Hier, »entratend blutiger und blutender Mittlerschaft«, wird Abraham »des Heidnischen enthoben« (ebd.). Durch das Stellvertreteropfer des Tieres spiritualisieren sich die Opferhandlung und das Verhältnis des Menschen zu seinem Gott. Das Opfer wird zum Gleichnis, zum Bild, das als solches gleichwohl seine rituelle Funktion erfüllen kann. Gleichzeitig wandelt sich der Gott zu einem, der das Menschliche als Höchstes achtet, indem er das Menschenopfer ablehnt. Diese Gottesvorstellung wird in dem Opfer zugunsten des früheren, realen Menschenopfers rückgängig gemacht. Bevor es soweit ist, erscheint statt des Widders Mutter Gisson. Sie vertritt hier grundsätzlich die höheren Religionsstufen, die das Menschenopfer ablehnen. Einerseits weist sie auf den Regen hin, der gerade zu fallen begonnen hat. In einem konkreten Verständnis des Fruchtbarkeitsopfers wäre dieser Regen das Ziel der Opferhandlung, und auch Marius will durch das Opfer ja den »Regen des Vaters« (S. 275) beschwören. Dieser Regen ist nun da, und Mutter Gisson fordert 88
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auf, ihn als ein spirituelles Zeichen für die Ablehnung des Menschenopfers und die Geborgenheit des Menschen in der Welt zu verstehen: »Lauschet dem Regen […] atmet mit ihm das Wissen, das von der Erde aufsteigt, das sternengesättigte Wissen, öffnet ihm euer Herz und euer Antlitz.« (S. 276). Gleichzeitig nimmt sie in der Szene auch die Position des Christentums ein, indem sie den Anwesenden ein zentrales Wort des Neuen Testamentes zuruft: »Fürchte dich nicht« (S. 275). In Mutter Gissons Worten wird auch die christliche Deutung des Abrahamitischen Opfers aufgeboten: Die Opfervorstellung ist durch das Selbstopfer Gottes in der Person seines menschgewordenen Sohnes maximal humanisiert worden ist, weil mit ihm Gnade und Erlösung durch den Glauben in die Welt gekommen sind. Einmal mehr mag man angesichts dieser religionsgeschichtlich aufsteigenden Linie vom Menschenopfer über Abraham und Isaak zu Christus an Thomas Manns Joseph-Roman denken. Wie zentral wichtig sie für Broch ist, verdeutlicht der Tod des Vergil, der um eine ähnliche Transformation des Opferverständnisses durch Christus kreist. Und genau diese Humanisierung des Opfers, die auch in der Prozession des Steinsegens bereits ablesbar war, wird hier nun rückgängig gemacht. Christi- beziehungsweise der Engel-Wort gegen die Panik und die Sorge verfängt nicht – Marius prägt das Gegenwort: »Fürchtet euch« (S. 275), und das Opfer wird vollzogen. * Die Entscheidung gegen das Opfer und für die Spiritualisierung der Sorge um die menschliche Existenz ist es auch, was Brochs Verzauberung radikal von einer Position wie der von Ludwig Klages unterscheidet. Dessen Der Geist als Widersacher der Seele wurde öfter als ›Quelle‹ für Broch angeführt.⁸⁹ Die zahlreichen motivischen Parallelen legen dies durchaus nahe – wobei Klages freilich ähnliche Quellen wie Broch verarbeitet. Ausgehend von Bachofen versucht er eine archaische Haltung zur Welt zu rekonstruieren, in der noch nicht der moderne ›Geist‹ herrschte, sondern die naturverbundene ›Seele‹. Auch bei ihm nehmen die Fruchtbarkeitsriten als zentrales Phantasma der klassischen Moderne eine wichtige Stellung ein. Die anthropologischen Schriften der Zeit liefern auch ihm ein reichhaltiges Material mit ihren Versuchen, ›Urformen‹ menschlicher Religiosität zu rekonstruieren. Und so kommt auch Klages auf das Fruchtbarkeitsopfer im Frühling zu sprechen. Er berichtet von der noch in der Neuzeit weitverbreiteten Sitte des »Todaustragens«: Die Frauen und Mädchen zerreißen eine Strohpuppe und verstreuen sie anschließend auf den Feldern »zwecks Mehrung
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Vgl. Lützeler, Darstellung der Forschung, S. 260 f.
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der – Fruchtbarkeit«.⁹⁰ Mit Frazer deutet Klages: »Man tötete und opferte also, aber man tötete den Tod.«⁹¹ Begeistert sieht Klages hier ein vormodernes Weltverhältnis, bei dem der Mensch die Unsterblichkeit noch nicht an seine Individualität, sein Ich und seine Person gebunden, sondern sich als Teil eines zyklischen Naturlaufs empfunden habe. Diesem Menschen gebe daher »die Vergänglichkeit jeder Lebenserscheinung die Bürgschaft der Ewigkeit, indem das Leben unablässiger Wandlung in sich selber zurückkreist.«⁹² Mit der Forderung einer Restitution dieses Opferverständnisses schließt Klages seine Abhandlung: »Im Untergangsschauer, der vom Opfer erlebt, von den Teilnehmern miterlebt wurde, schmolz der Tod dahin und stieg aus den Tiefen eines Sterbens, das völlig zum Vergehen geworden, das Bild des neu erstehenden Dämons.«⁹³ Dies sei der »Ursinn des Opfers« – so der Titel von Klages’ letztem Kapitel –, und diesen »Ursinn« ruft Klages begeistert wieder herbei. Broch teilt ohne Frage Grundkoordinaten dieser Opfertheorie. Klages und er schöpfen aus dem gleichen anthropologischen Diskurs mit seinen außerfiktionalen, wissenschaftlichen Wahrheitsansprüchen. Aber indem Broch Positionen aus diesem Diskurs aufnimmt, indem er versucht, aus ihnen Elemente zur Analyse totalitärer Politik zu gewinnen, wendet er sich gleichzeitig gegen die Konsequenz, die man aus ihnen ziehen kann: diesen »Ursinn«, diesen »Dämon« wiedererwecken zu wollen.
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Ludwig Klages, Sämtliche Werke, hg. von Ernst Frauchiger u. a., Bd. 2: Der Geist als Widersacher der Seele. Fünftes Buch, Bonn 1966, S. 1410 f. Ebd., S. 1411; Klages nennt Frazer am Beginn seines »Nachtrag[es] über den Ursinn des Opfers« emphatisch als Quelle für sein gesamtes Unterfangen (vgl. S. 1402). Zum ›Todaustragen‹ (»Carrying out Death«) vgl. Frazer, Golden Bough, S. 307–316. Klages, Widersacher, S. 1412. Ebd., S. 1414.
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der verborgene goethe Zur Glückspoetik in Ingeborg Bachmanns Erzählung Simultan Ingeborg Bachmanns Werk ist reich an intertextuellen Bezügen.¹ Bestimmte Autoren sind mit ihm geradezu verschmolzen: Robert Musil zuallererst, Max Frisch und Paul Celan, vor allem die Philosophen Martin Heidegger und Ludwig Wittgenstein, auch Theodor W. Adorno sowie Walter Benjamin.² Teilweise brachte Bachmann die Namen selbst ins Spiel,³ teilweise wurden sie von der Kritik entdeckt. Gewiss las Bachmann viel.⁴ Ob aber eine Rezeption produktiv geworden ist, darüber geben die Erwähnung eines Namens oder die Übernahme von Rede, Gedanken und Motiven noch keine Auskunft. Dass Lektüren ihre eigene Dynamik entwickeln, eine Eigenzeit besitzen und manchmal jahrelang latent bleiben, um sich dann plötzlich zu entfalten, ist ebenso wahrscheinlich wie die eruptive Rezeption unmittelbar nach dem fleißigen Exzerpt fremder Schriften. Die Erwähnung eines Autors im Werk eines anderen sagt noch nichts darüber aus, ob er produktiv wurde; eher etwas über seinen momentanen Handelswert in der literarischen Öffentlichkeit. Dieser muss nicht aus Ablehnung gesunken sein, sondern kann sich aus einem gewandelten Traditionsverhalten ergeben. Zu den Autoren, auf die man sich in der Nachkriegsöffentlichkeit nicht mehr emphatisch 1
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Eine systematische Untersuchung bietet Joachim Eberhardt, »Es gibt für mich keine Zitate«. Intertextualität im dichterischen Werk Ingeborg Bachmanns, Tübingen 2002 (Studien zur deutschen Literatur 165). Vgl. zusammenfassend ebd. S. 39–69 sowie Kapitel III: Kontexte und Diskurse in Bachmanns Werk in: Monika Albrecht und Dirk Göttsche (Hg.), Bachmann-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart und Weimar 2002, bes. S. 211–236 (Philosophie und Psychologie) und S. 259–308 (Literatur). Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann. Hinterlassenschaften unter Wahrung des Briefgeheimnisses, Wien 1999, S. 200, Anm. 26, listet die Namen der in den Frankfurter Vorlesungen genannten Dichter auf. Aufschlussreich sind auch die anderen kritischen Arbeiten Bachmanns: Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, hg. von Monika Albrecht und Dirk Göttsche, München 2005. Vgl. das Kapitel IV in: Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann; Robert Pichl (Hg.), Ingeborg Bachmann als Leserin. Ihre Privatbibliothek als Ort einer literarischen Spurensuche. Mit einer Datenbank auf CD-ROM, bearbeitet von Anna Babka (Druck in Vorbereitung).
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berief, die aber dennoch gelesen wurden, gehörte Goethe.⁵ Einmal abgesehen von den politischen Implikationen des Klassikers⁶ stand er schlichtweg nicht für literarische Innovation, für die kühle, kritische und politische Intellektualität, welche für die Generation Bachmanns so wichtig war, um den internationalen Anschluss zu erreichen.⁷ Für die innere Entwicklung von Bachmanns Autorschaft dagegen besaß Goethe eine fundamentale Bedeutung.⁸ Auf diese geben einen ersten Hinweis zwei sich im Nachlass befindliche Gedichte, die immerhin ihr Gesamtwerk begründen. Nach einer Faust-Lektüre verfasste die Sechzehnjährige ein hymnisches GoetheGedicht sowie die vierseitige lyrische Faust-Paraphrase Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.⁹ Goethe weckte in der gleichfalls italophilen Bachmann¹⁰ weit mehr, als dessen jugendliche Apotheose im Gedicht Goethe – »Oh, Göttern gleich
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Vgl. Gábor Kerekes, Der österreichische Goethe, in: Wolfgang Stellmacher und László Tarnói (Hg.), Goethe. Vorgaben, Zugänge, Wirkungen, Frankfurt am Main 2000, S. 243–258, hier S. 254. Vgl. zur Klassik-Rezeption im zwanzigsten Jahrhundert Karl Richter und Jörg Schönert (Hg.), Klassik und Moderne. Die Weimarer Klassik als historisches Ereignis und Herausforderung im kulturgeschichtlichen Prozeß. FS Walter Müller-Seidel, Stuttgart 1983, bes. Teil IV. Für die 1970er Jahre kann wieder eine Zunahme der produktiven Klassiker-Rezeption konstatiert werden. Zu nennen sind Peter Handkes Wilhelm-Meister-Adaption Falsche Bewegung (1975) für den Film und Ulrich Plenzdorfs Werther-Kontrafaktur Die neuen Leiden des jungen W. (1972). Heinrich Bölls Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974) greift Friedrich Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre (zuerst Verbrecher aus Infamie, 1786) auf. Explizite Aufmerksamkeit erhielt Goethe durch die Bachmann-Kritik aufgrund eines Zitats (Heide Rieder, Von Goethe zu Georg Groddeck. Ästhetischer Anspruch und Blickverweigerung in Ingeborg Bachmanns Erzählung Ihr glücklichen Augen, in: Österreich in Geschichte und Literatur, hg. vom Institut für Österreichkunde, 38, 1994, H. 5/6, S. 315–324, bes. S. 316), verfahrenstechnischer (Galina Danilina, I. Bachman i I. V. Gëte. Komopozicij kak citata, in: Getevskie čtenija, hg. von Rossijskaja Akademija Nauk, 2003, S. 221–237) sowie thematischer Ähnlichkeiten (Delia Eşian, Thanatische Liebe und erotisches Sterben bei Goethe und bei Ingeborg Bachmann, in: Rumänisches Goethe-Jahrbuch, hg. von George Guţu, 1, 2011, S. 321–332). Die Gedichte liegen im Nachlass der Autorin in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien (NN, 5391, 5391a, 5393 und NN 5388). Susanne Bothner, Ingeborg Bachmann. Der janusköpfige Tod. Versuch der literaturpsychologischen Deutung eines Grenzgebietes der Lyrik unter Einbeziehung des Nachlasses, Frankfurt am Main 1986 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur 906), S. 121 f., zitiert daraus. Dem Verf. liegen von der Österreichischen Nationalbibliothek Wien bereitgestellte Kopien beider Texte vor. Vgl. Ariane Huml, Silben im Oleander, Wort im Akaziengrün. Zum literarischen Italienbild Ingeborg Bachmanns, Göttingen 1999, die ausführlich die Literarisierung Italiens durch Goethe behandelt. Zu intertextuellen Bezügen zwischen Goethes Zueignung und Bachmanns Hymne An die Sonne, S. 311–317.
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und Mensch gewesen«¹¹ – ahnen lässt. Die produktive Aneignung zentraler Faust-Verse, welche die Gespaltenheit des Protagonisten zwischen dem Streben nach Irdischem und Himmlischem demonstrieren, weist darauf hin: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen; Die eine hält, in derber Liebeslust, Sich an die Welt, mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust Zu den Gefilden hoher Ahnen. O gibt es Geister in der Luft, Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben, So steiget nieder aus dem goldnen Duft Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben! (Vers 1112–1121)¹² Statt eines Aufsatzes¹³ legt die Gymnasiastin den Text mit seinen eigenen poetischen Mitteln aus, dichtet ihn weiter, füllt so seine Lücken. Goethes Dramenfigur fungiert als Maske eines lyrischen Ich, das zwischen »Herzeleid« und »Glückseligkeit«¹⁴ wechselt: »Sieh, der Schmerz um deine Seele ätzet, / Daß das Glück du immer schätzest.«¹⁵ Die Glücksbewegung, die Bachmann aus Goethes Versen ableitet und die konform geht mit Jugendgedichten wie Gestirn des Glücks und Glückliches Erwachen, verläuft dergestalt, dass dieses irdische Glück von transzendenter Erfüllung abgelöst wird: »Es kommt das wahre Glück«,¹⁶ zu welchem die Phantasie hinführt:
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Zitiert nach Susanne Bothner, Ingeborg Bachmann, S. 123. Vgl. Johann Wolfgang Goethe, Faust. Texte, hg. von Albrecht Schöne, Frankfurt am Main 1999, im Folgenden zitiert unter Angabe der Verse nach dem Zitat in Klammern. Vgl. Robert Pichl, Ingeborg Bachmanns literarischer Nachlaß. Geschichte, Bestand und Aspekte seiner wissenschaftlichen Auswertbarkeit, in: Der dunkle Schatten, dem ich schon seit Anfang folge. Ingeborg Bachmann – Vorschläge zu einer neuen Lektüre des Werks, hg. von Hans Höller, Wien 1982, S. 199–213, hier S. 205 f., überliefert das Zeugnis einer Mitschülerin Bachmanns, das Gedicht sei »während einer Deutschschularbeit in der 7. Gymnasialklasse« (ebd., S. 206) statt des Aufsatzes zum Goethezitat entstanden. Nachlass Ingeborg Bachmann, 5391, Österreichische Nationalbibliothek. Nachlass Ingeborg Bachmann, 5391a, Österreichische Nationalbibliothek. Ebd. – Zu den Glücksgedichten s. Andreas Hapkemeyer, Ingeborg Bachmann. Entwicklungslinien in Werk und Leben, Wien 1990 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 560), S. 23, der S. 19 für Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust konstatiert, Bachmann versuche »auch in Stil und Form« an Goethe anzuschließen.
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Unsichtbare Flügel tragen, Lassen einen Flug mich wagen Diesen Welten schon entrückt Himmelwärts der innere Blick Schwebe durch der Geister Reich Fühle mich den Göttern gleich.¹⁷ Aber auch dieses »schönste[] Glück zerbricht«,¹⁸ und das Ich wird wieder geerdet. Nach kurzer Klage der nach himmlischen Gütern strebenden Seele bittet die irdische diese: »Laß mir doch dies heit’re unbeschwerte Leben.«¹⁹ Wenn Bachmann Goethes ›Zwei-Seelen‹-Topos derart explizit mit der Glückssemantik verbindet, dann hat das nicht nur inhaltliche Gründe. Neben der Strebens-Ethik und Erfüllungsthematik in Goethes ›Tragödie‹ konnte sich Bachmann für die Zuweisung von ›Glückseligkeit‹ und ›Glück‹ an Fausts Charakter auf die Renaissance-Bedeutung von ›Faustus‹ – der ›Glückliche‹ – beziehen.²⁰ Für die spätere Poetik der Autorin wird das im Rahmen der schulischen literarischen Bildung geprägte Denkmuster entscheidend, welches zum einen den Schmerz als Vorbedingung des Glücks begreift, zum anderen von der Hoffnung getragen ist, dass immanente und transzendente Erfüllung vereinbar seien. Ein von der Autorin chiffrierter Bezug zu Goethes Faust im späten Erzählband Simultan zeigt, wie die frühe Begegnung mit dem Klassiker über die intertextuelle Anspielung hinaus in diesem Sinn ereignishaft geworden ist. Der Goethe-Bezug im Simultan-Band (1972) erstreckt sich nicht nur auf die Binnenerzählung Ihr glücklichen Augen, die ›auf der Folie‹ der Lynceus-Episode aus Faust II zu lesen ist,²¹ sondern auch auf die Titel- und Rahmenerzählung Simultan. Der im Folgenden zu dechiffrierende Bezug in der eröffnenden Rahmenerzählung des Simultan-Bandes mit gleichnamigem Titel weist in die Faust-Handlung, die sich am Ostersonntag zwischen Fausts abgewendetem Selbstmord in
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Nachlass Ingeborg Bachmann, 5391a, Österreichische Nationalbibliothek, Wien. Nachlass Ingeborg Bachmann, 5393, Österreichische Nationalbibliothek, Wien. Ebd. Vgl. Jochen Schmidt, Goethes Faust, erster und zweiter Teil. Grundlagen – Werk – Wirkung, München 32011, S. 11. – Bereits für Malina (Kapitel Glücklich mit Ivan) wurde dieser Zusammenhang bemerkt von Heike Schmitz, Von Sturm- und Geisteswut. Mystische Spuren und das Kleid der Kunst bei Ingeborg Bachmann und Clarice Lispector, Königstein/T. 1998 (Frankfurter feministische Texte, Literatur und Philosophie 1), S. 55. Obgleich der Hinweis wichtig ist, bleibt er an Ort und Stelle, wie Joachim Eberhardt, »Es gibt für mich keine Zitate«, S. 284, Anm. 103, zeigt, unbegründet. Vgl. Ingeborg Dusar, Choreographien der Differenz. Ingeborg Bachmanns Prosaband Simultan, Köln 1994 (Literatur, Kultur, Geschlecht. Große Reihe 4), S. 106–109.
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der Nacht-Szene und dem anschließenden Osterspaziergang in der Szene Vor dem Tor abspielt, an deren Ende wiederum der ›Zwei-Seelen‹-Topos aufgerufen wird. Dieser Bezug, der literarisch und religiös zugleich ist – und zwar von chiastischer Art, dass er die literarische Rede sakralisiert und die religiöse säkularisiert –, erschließt ein strukturbildendes Prinzip, welches das bisherige Bild vom düsteren Werk Bachmanns erheitert. Auch die hoffnungsvolle blaugrüne Farbgebung der Erstausgabe des Simultan-Bandes, die sich abhebt von dem rotschwarzen Malina-Einband aus dem Vorjahr, sowie das Bild einer lachenden und zuckerspendenden Autorin auf dem Schutzumschlag weisen in diese optimistische Richtung. Goethe, der Virtuose des Glücks – von dem Martin Walser meinte, er habe nur Lösungen dargestellt und diese der Form halber mit Konflikten versehen²², hat in seinen Texten mehrfach die Möglichkeit des Menschen zum Glück gestaltet, so im Wilhelm Meister, in Dichtung und Wahrheit, in der Iphigenie, aber auch im Faust.²³ An eben dieser Möglichkeit war Bachmann immer wieder verzweifelt, und vorschnell hat man die Autorin zur Leidensfigur stilisiert und ihr Werk auf eine Schmerzpoetik reduziert. Die Texte Bachmanns redeten »vom Sehen und Hören, schmerzhaft und bisweilen von Sinnen von Schmerz«, heißt es in Suzanne Greuners Studie Schmerzton.²⁴ Für die dichterische Freiheit Bachmanns, sich selbst 22
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Martin Walser, Goethes Anziehungskraft. Vortrag gehalten am 31. Januar 1983 anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde, Konstanz 1983 (Konstanzer Universitätsreden 146), S. 29 f. Gerda Röder, Glück und glückliches Ende im deutschen Bildungsroman. Eine Studie zu Goethes Wilhelm Meister, München 1968 (Münchener germanistische Beiträge 2), zeigt am Wilhelm Meister, dass Tugend nicht mehr wie noch bei Christoph Martin Wieland Voraussetzung für das Glück ist. Das Glück ist nicht mehr eine Konzeption außerhalb des Textes, sondern mit diesem verwoben: Die Sprache »baut eine Welt auf, in welcher Glück möglich ist« (S. 88); es herrsche eine erzählerische Theodizee (S. 172). – Zu Goethes Glückskonzeption s. auch Alan Corkhill, Glückskonzeptionen im deutschen Roman von Wielands Agathon bis Goethes Wahlverwandtschaften, St. Ingbert 2003 (Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft 78); David E. Wellbery, Prekäres und unverhofftes Glück. Zur Glücksdarstellung in der klassischen deutschen Literatur, in: Über das Glück. Ein Symposion, hg. von Heinrich Meier, München 2008 (Veröffentlichungen der Carl-Friedrich-von-SiemensStiftung 10), S. 13–50, hier S. 33–40, der von Goethes Verständnis vom ›Glück als Mitteilung‹ spricht. Suzanne Greuner, Schmerzton. Musik in der Schreibweise von Ingeborg Bachmann und Anne Duden, Berlin, Hamburg 1990 (Argument, Sonderband. Literatur im historischen Prozeß. N. F. 24), S. 7. – S. auch Iris Hermann, Schmerzarten. Prolegomena einer Ästhetik des Schmerzes in Literatur, Musik und Psychoanalyse, Heidelberg 2006 (Reihe Siegen 151), S. 216–247. Im selben Jahr ist bei Andreas Hapkemeyer, Ingeborg Bachmann, S. 17, zu lesen, dass die »Schmerz- und Angsterfahrung« Bachmanns ganzes Werk und besonders ihre letzten Arbeiten präge.
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neu zu entwerfen, hatte man bald nach ihrem Tod kein Auge mehr. Alles stand im Schatten des postumen Todesarten-Projekts: Der Fall Franza und Malina sind zu Bachmanns Vermächtnis geworden, in deren Sog sogar die Simultan-Erzählungen gezogen werden. Die Etikettierung der Autorin als Leidensfigur ist mit Blick auf Bachmanns letzten Erzählband jedoch fragwürdig. Er stellt einen Wendepunkt dar, indem er sich auf Goethe bezieht, ohne in eine epigonale Nachahmung zu verfallen. Die Hypothese, Bachmann habe ab 1968 damit begonnen, gleichfalls einzelne Texte nach einer Glückspoetik zu modellieren, führt zu einer Neubewertung ihrer Ethik. Wenngleich sich die Autorin ungern öffentlich zum aktuellen Tagesgeschehen äußerte und ihr die Rolle der engagierten Intellektuellen suspekt war,²⁵ enthält ihr Werk eine moralische Dimension. Ihren letzten Erzählband Simultan verstand sie als deskriptive Ethik in der Nachfolge von Balzacs Sittenschilderungen am Beispiel weiblicher Verhaltensweisen.²⁶ Bachmanns ethischer Anspruch stellt nach 1945 keinen Sonderfall dar, sondern knüpft an Jean-Paul Sartres engagierte Auffassung, nach welcher Literatur Entfremdung sichtbar macht, und an Adornos emanzipatorisches Konzept an, das Literatur als »Statthalter einer besseren Praxis«²⁷ versteht. Obgleich sie die Glückseligkeitsversprechen des Sozialistischen Realismus auf der anderen Seite befremdet hätten, zeugt ihr letztes autorisiertes Werk nicht mehr von einer bloß kritisch verfahrenden negativen Ethik, sondern von einer Glücksethik, welche die erzählte Welt dadurch rechtfertigt, dass in ihr ein Mangel erfüllt wird. Trotz thematischer und formaler Parallelen zwischen Simultan und Malina von 1971, dem einzig veröffentlichten Roman jenes postumen Todesartenzyklus,²⁸ zeigt bereits der erste Blick, dass hier jeweils etwas anderes vorliegt – ob man jenes schwer und pessimistisch, dieses optimistisch und leicht nennen möchte.
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Vgl. Ingeborg Bachmann, [Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises (1972)], in: Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, S. 486–491. Sie habe »Mores einer Zeit durch eine Reihe von Frauenporträts« darstellen wollen, vgl. Ingeborg Bachmann, Interview mit Karol Sauerland (Mai 1973), in: Wir müssen wahre Sätze finden. Gespräche und Interviews, hg. von Christine Koschel und Inge von Weidenbaum, München 1983, S. 135–142, hier S. 140. Vgl. Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 7: Ästhetische Theorie, hg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1970, S. 26: »Kunst ist nicht nur der Statthalter einer besseren Praxis als der bis heute herrschenden, sondern ebenso Kritik von Praxis als der Herrschaft brutaler Selbsterhaltung inmitten des Bestehenden und um seinetwillen.« Vgl. Ingeborg Bachmann, Todesarten-Projekt, hg. von Monika Albrecht und Dirk Göttsche, 4 Bde., München 1995. Kritisch dazu, insbesondere zur Aufnahme der Simultan-Erzählungen: Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann, S. 509–516, bes. S. 511.
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Zwar handeln beide vom Glück,²⁹ aber von einer Poetik, die das Thema in ein Verfahren transformiert, kann im Falle Malinas keine Rede sein. Sicherlich heißt der erste Teil von Malina ›Glücklich mit Ivan‹, das Ich will eine Glücksmauer um seine Liebe mit Ivan ziehen, der wiederum hofft, dass das Buch der Autorin gut ausgehe,³⁰ aber das Glück steht nicht mehr am Ende, sondern das Wort »Mord«;³¹ und damit ist die Glückserfahrung, die die erzählte in eine heile Welt überführte, von Anfang an unerfüllt. Mehr als die Erzählsammlung Simultan ist die bereits am 7. 10. 1968 im Norddeutschen Rundfunk gelesene und 1970 in der Neuen Rundschau publizierte Erzählung Simultan modelliert nach einer Poetik, die das Glück in die Textwelt integriert.³² Die Titelerzählung Simultan zeigt den Umschlag von Hoffnungslosigkeit in Hoffnung. Glück ist nicht als der Dauerzustand der Glückseligkeit gedacht, den eine allgemein-verbindliche Ethik begründet, sondern als ein subjektiver Zustand, forciert durch den in der Neuzeit sich durchsetzenden Gedanken, jeder sei seines Glückes Schmied, wie er kennzeichnend geworden ist für die moderne Literatur, die sich mit objektiven gesellschaftlichen oder heilsgeschichtlichen Glücksversprechen schwertut: »Das Subjekt ist beides, irreduzible Voraussetzung des Glücks, das nur in Bezug auf subjektive Gegebenheiten bestimmt werden kann, und Inhalt des Glücks, in dem das Subjekt zu sich selbst kommt«,³³ wie Anja Gerigk herausstellt mit dem Hinweis, dass sich ein solches Problem »in einer göttlich geordneten oder in einer gesellschaftszentrierten Weltsicht gar nicht erst stellt.«³⁴ Zu einem weiteren Merkmal des modernen Glücks gehört, dass das Heil nur negativ denkbar als Ergebnis einer heillosen Welt ist und das Leiden die Bedingung dafür, dass die Literatur gute Botschaften übermittelt: Glück und Unglück
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Dass ›Glück‹ ein Thema Bachmanns ist, haben bemerkt: Maria Kłańska, »Ein Tag wird kommen«. Glücksvorstellungen im Schaffen Ingeborg Bachmanns, in: Das glückliche Leben – und die Schwierigkeit, es darzustellen. Glückskonzeptionen in der österreichischen Literatur, hg. von Ulrike Tanzer, Wien 2002 (Zirkular, Sondernummer 61), S. 99–114; Bilge Ertuğrul, Glück und Unglück in den Prosatexten von Ingeborg Bachmann und in den Filmen von Michael Haneke, in: Glück und Unglück in der österreichischen Literatur und Kultur, hg. von Pierre Béhar, Bern 2003 (Musiliana 9), S. 207–219. Vgl. Ingeborg Bachmann, Malina. Roman, Frankfurt am Main 1971, S. 58–60. Ebd., S. 356. Zu den Glücksmomenten in Simultan vgl. Bettina Bannasch, Von vorletzten Dingen. Schreiben nach Malina. Ingeborg Bachmanns Simultan-Erzählungen, Würzburg 1997 (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft 216), S. 183 f. Hierzu systematisch und mit weiteren Literaturangaben: Anja Gerigk, Lesbarkeit des Glücks – Theoretische Grundfiguren, in: Glück paradox. Moderne Literatur und Medienkultur – theoretisch gelesen, hg. von Anja Gerigk, Bielefeld 2010, S. 7–31, hier S. 13. Ebd.
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bedingen sich,³⁵ aber dergestalt, und damit ist ein drittes Moment benannt, dass Glück als Augenblick aufleuchtet.³⁶ Diese drei Momente – sollen sie der narrativen Welt immanent sein – erfordern komplexe Darstellungslösungen, die nicht naiv auf die Lösung eines zuvor geschilderten Problems zulaufen und Widersprüche gewaltsam aufheben, sondern innerhalb der Narration sowohl die Subjektivierung der Glückerfahrung als auch deren Momenthaftigkeit repräsentieren. Anders als in den frühen symbolhaften Erzählungen – von denen Auch ich habe in Arkadien gelebt (1952), mit dem Goethe’schen ›Glücksort‹ argumentierend,³⁷ eine Verlusterfahrung elegisch erzählt – sind die utopischen Momente nicht mehr dem Erzählen vorgängig oder von ihm ablösbar, sondern auf das Engste mit der narrativen Struktur verwoben. Wie im Bildungsroman schafft die Narration Zusammenhang, indem sie »Bilder, Gegenstände, Begegnungen mit einem Sinn begabt, den sie für sich allein nicht besitzen: sie erhalten ihn erst durch den Zusammenhang«.³⁸ Diese Immanenz des Glücks erinnert eher noch an Bachmanns Lyrik, die sie als Gattung im Laufe der 1960er Jahre aufgegeben hat.
Die Erzählung Die Erzählung Simultan stellt an einer Simultandolmetscherin die persönlichkeitszerstörenden Eigenschaften geistiger Fabrikarbeit aus. Bachmann hatte sich mit Simultandolmetschern über den »neuen Beruf« unterhalten, »der diese armen Menschen zerstört und kaputtmacht«.³⁹
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Vgl. Dieter Henrich, Glück und Not, in: Ders., Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie, Stuttgart 1982, S. 131–141; Martin Seel, Versuch über die Form des Glücks. Studien zur Ethik, Frankfurt am Main 1995, S. 54; David E. Wellbery, Prekäres und unverhofftes Glück, S. 17 f. Vgl. Karl Heinz Bohrer, Utopie des ›Augenblicks‹ und Fiktionalität. Die Subjektivierung von Zeit in der modernen Literatur, in: Ders., Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins, Frankfurt am Main 1981, S. 180–218. – Anja Gerigk, Lesbarkeit des Glücks, die die Darstellungsverfahren als Möglichkeitsbedingung von literarischer Glückserfahrung zu Recht hervorhebt, führt S. 23 Werner Michler, Zukunft und Augenblick. Utopien der Jahrhundertwende, in: Ulrike Tanzer (Hg.), Das glückliche Leben, S. 17–33, bes. S. 31, als Korrektiv zu Bohrer an. Zu Bachmanns Arkadien s. Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann, S. 205–258, die S. 255 vom ›Glücksort‹ spricht. Gerda Röder, Glück und glückliches Ende im deutschen Bildungsroman, S. 172. So in einem nicht abgeschickten Brief an Marcel Reich-Ranicki, den die Herausgeber der Kritischen Schriften (Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, S. 804) zitieren und der auf die Rezension reagiert: Marcel Reich-Ranicki, Am liebsten beim Friseur. Ingeborg Bachmanns neuer Erzählband Simultan. Eine einst bedeutende Lyrikerin auf sonderbaren Abwegen, in:
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Der Kritik des Dolmetscherberufes widmet sich die Exposition.⁴⁰ Es ist bezeichnend, dass die berufliche Entfremdung von der Wirklichkeit am Wort für ›machen‹ (ποιεῖν) als Entfremdung von der Poesie dargestellt wird. Man wird gemacht, aber kann selbst nicht mehr machen: [S]ie rieb sich beide Ohren, wo sonst ihre Kopfhörer anlagen, ihre Schaltungen automatisch funktionierten und die Sprachbrüche stattfanden. Was für ein seltsamer Mechanismus war sie doch, ohne einen einzigen Gedanken im Kopf zu haben, lebte sie, eingetaucht in die Sätze anderer, und mußte nachtwandlerisch mit gleichen, aber anderslautenden Sätzen sofort nachkommen, sie konnte aus ›machen‹ to make, faire, fare, hacer und delat’ machen, jedes Wort konnte sie so auf einer Rolle sechsmal herumdrehen, sie durfte nur nicht denken, daß machen wirklich machen, faire faire, fare fare, delat’ delat’ bedeutete, das konnte ihren Kopf unbrauchbar machen, und sie mußte schon aufpassen, daß sie eines Tages nicht von den Wortmassen verschüttet wurde.⁴¹ (19 f.) Der »déformation professionelle«⁴² entspricht die déformation morale. Die Simultandolmetscherin mit dem Namen Nadja lernt auf einer internationalen Konferenz in Rom den Agrikulturforscher Ludwig Frankel kennen. Ihre gemeinsame Wiener Herkunft bringt sie einander nahe; sie beschließen, eine viertägige Auszeit vom Berufsalltag zu nehmen und fahren nach Kalabrien, zum Golf von Maratea. Hier setzt die Erzählung ein. Beide bewegen sich außerhalb ihrer Arbeitswelt, die ihren Charakter komplett erfasst hat, außerhalb des internationalen Raumes der Konferenzen und außerhalb der Fremdsprachensituation. Zumal sie sich noch in ihrem gemeinsamen Wiener Dialekt unterhalten könnten, wäre dies der perfekte Rahmen einer Begegnung zweier Individuen. Jedoch erweisen sich diese äußeren Begünstigun-
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Die Zeit vom 29. September 1972. – Bachmanns Geste erinnert an Simone Weils Einsatz für die Fabrikarbeiter, den Bachmann mit großer Bewunderung für das Radio unter dem Titel von Weils Nachlassschrift Das Unglück und die Gottesliebe nachgezeichnet hatte. Darin ist auch die Rede davon, dass die Gewöhnung an die Monotonie der Arbeit eine moralische Destruktion bewirke (in: Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, S. 155–186, hier S. 167). Vom Entwurf Nadjas als einer »Übersetzungsmaschine« ohne »persönliche Sprache« spricht Erika Greber, Fremdkörper Fremdsprache. Ingeborg Bachmanns Erzählung Simultan, in: Werke von Ingeborg Bachmann, hg. von Mathias Mayer, Stuttgart 2002 (UniversalBibliothek 17517), S. 176–195, hier S. 180. Zitiert wird Simultan nach der im Piper Verlag erschienenen Erstausgabe unter Angabe der Seitenzahl in Klammern: Ingeborg Bachmann, Simultan. Neue Erzählungen, München 1972. Erika Greber, Fremdkörper Fremdsprache, S. 183.
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gen als hinderlich für eine solche Begegnung auch deshalb, weil diese Menschen im Sinne Robert Musils keine individuellen Eigenschaften besitzen, sobald sie das Wertesystem ihres Berufsalltags verlassen.⁴³ Wenn »die Sprachen verschwänden«, sagt die Übersetzerin, »würde ich dann zu nichts mehr taugen« (30), was mit Verweis auf die etymologische Beziehung von ›taugen‹ und ›Tugend‹ die moralische Leere unterstreicht. Die Erzählung ist nur äußerlich die Geschichte einer versuchten Begegnung; innerlich bereitet sie die Möglichkeit vor, von der moralisch-kommunikativen Störung geheilt zu werden, insofern für Nadja, wie für Musils Protagonisten Ulrich, die Erfahrung der Eigenschaftslosigkeit zur Möglichkeitsbedingung moralischer Erfahrung avanciert. Die Polyphonie ist Ausdruck des Fehlens dieser moralischen Individualität. Die Erzählung selbst hat keine einheitliche Erzählperspektive, sondern gestaltet sich als Kontinuum personaler Redeweisen, in dem auch die auktoriale Stimme aufgeht: Der äußerlich einheitliche Redestrom ist durch das Ineinander verschiedener Perspektiven, durch direkte und indirekte Rede und erlebten Dialog markiert. Der dezentralisierten Vielstimmigkeit der Narration⁴⁴ entspricht eine mehrsprachige Personenrede ohne den Mittelpunkt einer Muttersprache.⁴⁵ Walter Benjamins Überlegungen zur Sprache und zum Übersetzen haben für diese narrative Annäherung an das Sprachproblem den Boden bereitet.⁴⁶ Die Protagonistin Nadja beherrscht fließend Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, aber auch Russisch. Dass mit dem Russischen die Erzählung beginnt, zumal mit einer Gott anrufenden Formel: »Bože moj!« (7) erlaubt es, ihren Namen Nadja 43
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So bereits Thomas Kielinger, Die Frau ohne Eigenschaften, in: Die Welt vom 19. Oktober 1972. Bachmann paraphrasiert den Mann ohne Eigenschaften in dieser Weise (Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, S. 101–122, hier S. 107–109 und 116 f., bes. 106: Den Grund dafür, dass die moderne Wirklichkeit nicht mehr von Menschen geschaffen wird, sehe Musil in der Gemeinplatzartigkeit ihrer Eigenschaften: »die Menschen sind nicht mehr schöpferisch, weil sie zu einem Häufchen von Eigenschaften und Gewohnheiten geworden sind und in einem hergebrachten Schematismus erleben.« Die Wichtigkeit dieser Passage für das Verständnis der Simultan-Erzählung zeigt sich daran, dass ihre Keimzelle, die Geschichte der FAO (Ingeborg Bachmann, Textstufe I, in: Ingeborg Bachmann, Todesarten-Projekt, Bd. 4, S. 59 f.), genau diesen Schematismus beschreibt. Die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) empfindet Nadja als leblose bürokratische Institution, aber ihre Entstehung wird als ›poetisches‹ Wunder wie ein Mythos erzählt. Vgl. Friederike Eigler, Bachmann und Bachtin. Zur dialogischen Erzählstruktur von Simultan, in: Modern Austrian Literature, hg. von Donald Daviau, 34, 1991, H.3/4, S. 1–16; allgemein: Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann, S. 224–235. Zur Mehrsprachigkeit in Simultan s. Erika Greber, Fremdkörper Fremdsprache, und das fünfte Kapitel von Giulia Radaelli, Literarische Mehrsprachigkeit. Sprachwechsel bei Elias Canetti und Ingeborg Bachmann, Berlin 2011 (Deutsche Literatur 3). Grundlegend zu Bachmann und Benjamin Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann, bes. S. 99–106.
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zu interpretieren.⁴⁷ Nadja ist die Kurzform von Russisch nadežda und bedeutet Hoffnung.⁴⁸ Der Exponierung des Gottes durch die russische Apostrophe im ersten Wort der Erzählung entspricht die Bedeutung des christlichen Mythos im Text, überdeutlich eingeführt durch die Erlöserstatue von Maratea. Sie besitzt die Funktion, den sozialen Zustand der Protagonisten durch den Mythos zu beglaubigen, der Leiden und Erlösung zusammendenkt. Nadjas Passion findet ihren Ausdruck darin, kein affektives Verhältnis zu den Dingen über die Sprache artikulieren zu können. Die Bedeutungen gehen sie nichts an, da sie nicht mehr außerhalb ihres Dolmetscherdaseins existiert; virtuos, aber unverständig, tauscht sie Wörter mit anderen Wörtern aus. Damit verbunden ist die Unfähigkeit zu weinen. Mehrfach wird das betont: »Sie wollte weinen, und sie konnte nicht weinen, seit wann kann ich denn nicht mehr weinen, seit wann denn schon nicht mehr, man kann doch nicht über dem Herumziehen in allen Sprachen und Gegenden das Weinen verlernt haben« (37). Sie ist »nahe am Weinen« (40), eine Leidende, die keinen Ausdruck dafür findet, kein körperliches Ventil. Ihre Erlösung schließlich fällt zusammen mit der Wiedererlangung
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Bachmann zeigt eine Vorliebe für die Resemantisierung von Sprachformeln und Floskeln. In der frühen Erzählung Im Himmel und auf Erden dient der Ausruf O Gott! als Rahmen: »Er benützte Gott prinzipiell nur […]« beziehungsweise: »weil er Gott prinzipiell nur benützte, wenn er glaubte, daß nichts mehr ausreiche, um seine Erregung auszudrücken« (Ingeborg Bachmann, Sämtliche Erzählungen, München 1998, 7. Aufl., S. 15–18, hier S. 15 und S. 18). Neben der symbolischen Bedeutung ist der Name historisch fundiert. Bachmann erinnert Ranicki im Anm. 39 erwähnten Brief, dass der Name erst nach 1939 apart werden konnte und in Österreich mit diesem Jahrgang Eltern ihre Kinder Horst Dieter und Wulf Sigurd tauften, »in einem Land, dessen slawische, italienische und östliche Einflüsse immer dominiert haben« (Ingeborg Bachmann, Kritische Schriften, S. 804). Somit ist der Name auch Metonymie für die politische Utopie jenes von Bachmann mehrfach entworfenen ›Hauses Österreich‹. Mehrsprachigkeit steht somit für die babylonische Verwirrung und eine die Vielheit integrierende Einheit gleichermaßen. Es wäre zu einfach, würde man in Simultan nur die Geschichte zweier Kosmopoliten sehen, die nicht mehr in ihr geliebtes Deutsch beziehungsweise ins Wienerische zurückfänden. – Darüber hinaus spielt ›Nadja‹ auf André Bretons surrealistischen Roman Nadja an (Bettina Bannasch, Von vorletzten Dingen, S. 200–202). – Zu untersuchen wäre, inwiefern ›Frankel‹ auf Viktor E. Frankl (1905–1997) Bezug nimmt, bei dem Bachmann studiert hatte. Frankl hat in seinen psychotherapeutischen Arbeiten die Funktion eines sinnzentrierten Lebens mehrfach erörtert; zu Bachmann und Frankl, insbesondere zu dessen Konzeption des homo patiens s. Maria Behre, Das Gedicht als existentiale Methode des Lebens im Immerzu-Ans-Sterben-Denken bei Ingeborg Bachmann, in: Über die Zeit schreiben. Literatur- und kulturwissenschaftliche Essays zu Ingeborg Bachmanns Todesarten-Projekt, hg. von Monika Albrecht, Dirk Göttsche, Würzburg 2000, S. 95–110. Frankl konkret zur Glücksfrage: Viktor E. Frankl, Paradoxien des Glücks, in: Was ist Glück? Ein Symposion, hg. von Ulrich Hommes, München 1976, S. 108–126.
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der Fähigkeit, zu weinen. Das Weinen ist aber kein Ausdruck des Schmerzes, sondern als ein kathartisches Weinen aufzufassen und damit ein Weinen vor Glück.⁴⁹ In einem Nachlasskommentar hat Bachmann den Umschlag von der Unfähigkeit zu weinen, zum Wiedereintreten der Tränen als sehr wichtig betont und das Überlesen dieses Umschlages als eine »Katastrophe für die Erzählung«⁵⁰ bezeichnet. Für den erkenntnishaften Umschlag von Unglück in Glück, der mit der kathartischen Lösung der Tränen verbunden ist, kommt Goethe eine zentrale Rolle zu.
Wie das Glück gemacht ist Erlösungssignale sendet der Text von Beginn an aus: die formelhafte Anrufung Gottes, der Name der Protagonistin sowie ihre Ahnung, dass sich der Aufenthalt in Maratea als ein Schicksal erweisen werde, was durch die russische Form sud’ba (22) eigens betont wird. Nadja bringt gar die Erleuchtung ins Spiel: »man müßte schon eine Erleuchtung haben, um zu begreifen, was wirklich vorliegt und was man deswegen wirklich tun sollte, ganz plötzlich« (32). Dies sagt sie unmittelbar, nachdem Frankel ihr die Entstehung der Food and Agriculture Organisazion (FAO) als Geschichte einer Institutionalisierung und zugleich poetischen Verlusterfahrung erzählt hat (30 f.), die entstehungsgeschichtlich der früheste Textzeuge der Erzählung ist. Der sich anschließende Besuch der 22 Meter hohen Statue des Erlöser-Christus leitet die Glücksbewegung ein. Die beiden Protagonisten fahren zum auferstandenen Christus von Maratea, in dessen Zeichen nun alles Weitere steht. Nadja wird nach einem beschwerlichen Anstieg von der ›ungeheuerlichen‹ Figur überwältigt und sagt auf Spanisch und zugleich in anagrammatischer Abwandlung des Wortes Maratea: »Mareada« (36) – ihr sei schwindlig. Die Figur wird als bedrohlich empfunden, auch weil sie die Steilküste zum Abstürzen bringen könne. Statt Ergriffenheit spürt Nadja Schwindel, also Angst vor dem Absturz. Die imitatio Christi wird paradoxerweise im Angesicht des Auferstandenen vollzogen, indem sich Nadja »mit den Armen ausgestreckt, gekreuzigt auf diesen bedrohlichen Felsen« (37) legt.
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Vgl. auch Erika Greber, Fremdkörper Fremdsprache, S. 187: »Am Ende des kathartischen Prozesses steht die Entdeckung der eigenen Kräfte, die Rückgewinnung von Selbstvertrauen und Lebenswillen, die Aufhebung der Entfremdung.« – Ingeborg Dusar, Choreographien der Differenz, S. 299, bedingt durch ihre Abhängigkeit von Jacques Lacan und Jacques Derrida, versteht die Katharsis als Befreiung »von den phallogozentrischen Phantasmen«. Ingeborg Bachmann, Todesarten-Projekt, Bd. 4, S. 512.
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Am Morgen des letzten, vierten Tages geht sie allein zur Badestelle, zu den Klippen, um durch ihr schnelles Überqueren das Risiko des Abstürzens zu suchen: sie kletterte nicht mehr vorsichtig, sondern sprang, wo sie konnte, von einem zum andern […], sie riskierte es eben, abzustürzen, sie fing sich benommen, sie sagte sich, es ist eine Pflicht, ich muß, ich muß leben, und nach einem zwanghaften Blick auf die Uhr kehrte sie um, um sich nicht zu verspäten, und sie verbesserte sich, aber was sage ich mir da, was heißt das denn, es ist keine Pflicht, ich muß nicht, muß überhaupt nicht, ich darf (40). Auch die nochmalige Wahrnehmung des Christus von Maratea steht im Zeichen der Überzeugung, dass das Leben ein Geschenk sei: Dieser Christus erscheint nun als »kaum sichtbare Figur, mit ausgebreiteten Armen, nicht ans Kreuz geschlagen, sondern zu einem grandiosen Flug ansetzend, zum Auffliegen oder zum Abstürzen bestimmt« (41). Die Möglichkeit einer Wendung der Kreuzigungsgeschichte ins Positive ist im Mythos selbst begründet; auch ist Christus ja nicht als Gekreuzigter, sondern als auferstandener Erlöser mit ausgebreiteten Armen vorgestellt. Genau darin besteht die gute Nachricht, welche die Evangelien verkünden: Der Gekreuzigte ist auferstanden; die ausgebreiteten Arme sind doppelt codiert. Nadjas Erkenntnis, nicht leben zu müssen, sondern zu dürfen, just im Moment, da sie auf den Klippen ihr Leben aufs Spiel setzt, kündigt die Aufwärtsbewegung des Textes an. Dass diese im Fortgang mit der Auferstehungssemantik gekoppelt wird, ist der Forschung entgangen, weil der Text die entscheidende Stelle chiffriert.⁵¹ Bachmann lässt die Übersetzerin Nadja vor der Abreise nochmals ins Hotelzimmer gehen und dort ein Evangelium entdecken. Sie will es wie ihre Wörter51
Giulia Radaelli, »Wunder des Unglaubens«? Bibelzitat und Bibelübersetzung bei Ingeborg Bachmann, in: Das Buch in den Büchern. Wechselwirkungen von Bibel und Literatur, hg. von Andrea Polaschegg und Daniel Weidner, Paderborn 2012, S. 293–308, hier S. 305, hat bisher als einzige den von mir im Folgenden zu erörternden Bezug zu Goethes Faust in Erwägung gezogen, allerdings ohne ihm nachzugehen; ja sie spielt seine Bedeutung sogar herunter: Die Ähnlichkeit macht Goethes Faust »noch lange nicht zum gesuchten Intertext von Simultan«, meint Radaelli, um dennoch zu gestehen, dass sich »weitere Übereinstimmungen in Anschlag bringen ließen.« Sie nennt die Parallele zu Fausts Selbstmordversuch und der Übersetzerszene. Sogar das intertextuelle Verfahren reflektiert sie in Anm. 57: »Angenommen Simultan spielte auf den Faust an, wäre dies ein Beleg dafür, dass die Bibel so sehr Medium der Literatur ist, dass ein literarischer Text nicht nur unmittelbar auf die Bibel rekurrieren kann, sondern stets auch mittelbar, indem er nämlich einen intertextuellen Bezug zu einem anderen auf die Bibel anspielenden literarischen Text herstellt.« Diese schlagenden Indizien kann man nicht vernachlässigen.
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bücher lesen, die sie aufschlägt, um ein erbauliches Wort für den Tag als Orakel zu finden. Sie stößt auf den Satz: »Il miracolo, come sempre, è il risultato della fede e d’una fede audace« (42), was sich ohne Probleme wörtlich mit: ›Das Wunder ist wie immer das Resultat des Glaubens und eines kühnen Glaubens‹ verdeutschen ließe. Jedoch gelingt es der Übersetzerin nicht, diesen Satz zu übersetzen: »Sie hätte den Satz in keine andere Sprache übersetzen können, obwohl sie zu wissen meinte, was jedes dieser Worte bedeutete und wie es zu wenden war, aber sie wußte nicht, woraus dieser Satz wirklich gemacht war« (42).⁵² Gleichwohl ist sie von der Botschaft ergriffen, und diese negative Erfahrung einer professionellen Dolmetscherin, nicht übersetzen zu können, besitzt tatsächlich eine erbauliche Bedeutung, insofern sie die Errettung von Nadja markiert. Dass die Szene eine frohe Botschaft enthält, deutet der Hinweis auf Il Vangelo an. Der Satz selbst jedoch steht in keinem der Evangelien und auch nicht in den anderen Schriften des Neuen Testaments.⁵³ Zu vermuten ist, dass hier das Wunder der Auferstehung gemeint ist,⁵⁴ auf dem der christliche Glaube beruht.⁵⁵ Diese Vermutung wird bestätigt, sobald man in Betracht zieht, Bachmann verweise nicht direkt, sondern über den Umweg einer poetischen Vermittlungsform auf das Evangelium. Die erste Assoziation, die sich aufgrund der Übersetzung eines Satzes aus den Evangelien einstellt, ist Goethes Faust, der nach einem Selbstmordversuch am Ostersonntag und anschließendem Spaziergang den Anfang des Johannes-Evangeliums übersetzt mit dem Unterschied, dass ihm die Übersetzung gelingt.⁵⁶
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Zu dieser Szene mit Bezug auf Walter Benjamins Aufgabe des Übersetzers s. Bettina Bannasch, Von vorletzten Dingen, S. 209–214, und Giulia Radaelli, Literarische Mehrsprachigkeit, S. 209 f., und Dies., »Wunder des Unglaubens«?, S. 302. Giulia Radaelli, »Wunder des Unglaubens«?, S. 293, nennt die wenigen Arbeiten, in denen das überhaupt vermerkt wurde. Dem sich Bachmann mehrfach widmet, zum Beispiel in der frühen Erzählung Die Karawane und die Auferstehung (1949). Über den Glauben, darauf hat Hermann Weber, An der Grenze der Sprache. Religiöse Dimension der Sprache und biblisch-christliche Metaphorik im Werk Ingeborg Bachmanns, Essen 1986 (Germanistik in der Blauen Eule 7), S. 278, hingewiesen, wird im Markusevangelium (Mk 16,17) und im Hebräer-Brief (Hebr 11) gehandelt. Am nächsten kommt jener Satz dem Schluss von Markus (16,17), wo der Glauben an die Auferstehung mit wenigstens zwei Wundern belohnt wird, die, dem Sprachgebrauch von Markus entsprechend, Zeichen heißen: man werde Dämonen austreiben und in neuen Sprachen reden. Weitere Bibelstellen, die das Wunder thematisieren, bei Giulia Radaelli, »Wunder des Unglaubens«?, S. 305. – Zu Bachmanns Aneignung der christlich-biblischen Sprachwelt s. Joachim Eberhardt, »Es gibt für mich keine Zitate«, S. 71–75. Johann Wolfgang Goethe, Faust, v. 1215–1237.
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Liest man zudem den italienischen Satz als eine abstrakte Übersetzung einer bildlichen Rede, die das ausgedrückte Kausalverhältnis veranschaulicht, lässt sich Bachmanns Erzählung Simultan tatsächlich an Goethes Hauptwerk rückbinden. Für ›das Wunder ist das Resultat des Glaubens‹ heißt es in der eröffnenden Nachtszene: »Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind« (Vers 766). Im Vers davor gesteht Goethes Held: »Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;« (Vers 765). Mit anderen Worten kann er nicht an die gute Nachricht glauben, die in Jesu Auferstehung besteht, in gleicher Weise wie Nadja jedes der Worte übersetzen kann, aber den Satz selbst nicht versteht. Nicht die Übersetzerszene, aber Fausts Rückführung ins Leben am Tag von Jesu Auferstehung schafft eine Verbindung zu Goethes Faust. Der Gelehrte stand kurz davor, sich mit Gift das Leben zu nehmen. Von einem Engelschor wird er in dem Moment unterbrochen, in dem er die Schale an den Mund setzt. Die Engel, also die Boten, singen die frohe Botschaft von der Auferstehung: »Christ ist erstanden!« (Vers 757). Obwohl Faust unfähig ist zu glauben, lässt er sich doch von der Botschaft betören, und zwar aus einem recht sentimentalen Grund: Es handelt sich um die Töne seiner Kindheit, die Erinnerungen wecken: »Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben / Woher die Nachricht tönt; / Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, / Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.« (Vers 767–770) Faust denkt an seine Kindheit, die mit den christlichen Bräuchen unauflösbar verwoben ist, so dass sich die moralische Dimension der christlichen Lehre durch Gewöhnung von selbst eingestellt hat. Entscheidend für das Verständnis der Szene in der Erzählung Simultan ist der letzte Vers, den Bachmann im Radiohörspiel Der gute Gott von Manhattan (1958) noch mit kritischer Distanz zitiert hatte: »Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!« (Vers 784)⁵⁷ Goethe überblendet die Botschaft von Jesu Auferstehung mit Fausts neuer Lebenshoffnung, die körperlich durch eine Träne als sichtbarer Ausdruck des ›Glücks‹ markiert wird, welches der Chor der Jünger mit Bezug auf den Gekreuzigten, der auferstanden ist, ausruft: »Ach! wir beweinen / Meister dein Glück!« (Vers 796). Bachmann wiederum überblendet diese Szene mit der Auferstehung ihrer eigenen Heldin, die ebenfalls vor Glück zu weinen beginnt und ohne zu wissen,
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Giulia Radaelli, »Wunder des Unglaubens«?, S. 305, übersieht die Wiederverwendung. Zu dieser entscheidenden Stelle und dem West-Östlichen Divan als Prätext in Der gute Gott von Manhatten vgl. Christine Lubkoll, Utopie und Kritik. Ingeborg Bachmanns Der gute Gott von Manhatten, in: Mathias Mayer (Hg.), Werke von Ingeborg Bachmann, S. 122–139, bes. S. 126–129, hier S. 129. – Delia Eşian, Thanatische Liebe und erotisches Sterben, vergleicht Der gute Gott von Manhatten mit Goethes Die Leiden des jungen Werthers hinsichtlich der Behandlung der Spannung von Liebe und Tod.
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wie der Glaube an das Wunder gemacht ist, neuen Lebensglauben schöpft. Beide Figuren verhalten sich paradox: Sie können nicht an die Auferstehung glauben beziehungsweise diese Botschaft nicht verstehen, aber dennoch aus ihr Lebenshoffnung schöpfen.⁵⁸ Der Moment findet jeweils im Weinen seinen Ausdruck. Nach dieser glücklichen Wendung bleibt Bachmanns Text weiterhin mit demjenigen Goethes verbunden. Nadja verlässt das Zimmer, begibt sich in die Hotellobby und beobachtet, wie dort ihr Geliebter, der auf sie wartet, gebannt durch die Rede des Sportmoderators ein Fahrradrennen im Fernsehen anschaut. Goethe ließ der Auferstehungsszene den Osterspaziergang folgen, der Ausdruck auch der Verbundenheit Fausts mit dem Volk und seinen Unterhaltungsformen ist, ganz im Gegensatz zum Famulus Wagner, der bekennt, ein »Feind von allem Rohen« (Vers 944) zu sein, und es hasst, wenn die Leute bei Freude und Gesang »toben wie vom bösen Geist getrieben« (Vers 947). Nadja beobachtet das Sportspektakel ambivalent, also durch Fausts heitere Optik und die negativ-kulturkritische Wagners. Der Sprecher, den sie beobachtet, ist affektiert, das heißt passioniert von dem, worüber er berichtet; seine Stimme geht buchstäblich den Leidensweg. Als Vermittler des Gesehenen in Sprache unterscheidet er sich von der mechanischen und von der Wirklichkeit des Übersetzten entfremdeten Simultanübersetzerin durch leidenschaftlichen und wirklichkeitsstiftenden Ausdruck im Fernsehmedium: Der Sprecher redete in höchster Erregung, er versprach sich, korrigierte sich, stolperte wieder über ein Wort, […], jetzt schweißte seine Zunge, sie fragte sich, wie lang kann das wohl dauern, […], der Sprecher keuchte, röchelte, er konnte unmöglich diesen letzten Satz zu Ende bringen und kam mit einem unartikulierten Schrei durch das Zielband. In eben dem Augenblick dröhnte der Apparat, es waren die vielen am Straßenrand, die zu schreien anfingen, bis dieses chaotische Geschrei überging in ganz deutliche Stakkatorufe: //A/ dor / ni // A/ dor / ni (42 f.) Am 1. September 1968 wurde Vittorio Adorni, der 1965 den Giro d’Italia gewonnen hatte, Straßenradweltmeister in Imola; Bachmanns Rundfunklesung der Erzählung wurde einen Monat später, am 7. 10. 1968, ausgestrahlt. Die Nennung
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Solche paradoxen Momente, die das Glück aus der Negativität entstehen lassen, hat Alan Corkhill, Performative Glücksräume und literarische Praxis. Camus – Beckett – Kertész – Böll, in: Anja Gerigk (Hg.), Glück paradox, S. 183–201, an weiteren Autoren der Nachkriegsmoderne aufgedeckt.
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des Sportlernamens geht aber über den Realitätseffekt hinaus, und es ist legitim, Adornis Siege von 1965 und 1968 zu überblenden.⁵⁹ Wenn Nadja den Sieg Adornis mit Entsetzen und Erleichterung verfolgt und wie gesehen, auch Faust und Wagner die Unterhaltungskultur des Volkes in den Blick nehmen, dann ist in ›Adorni‹ 1968 auch Adornos Name mitzuhören, dessen Kritik der Kulturindustrie in ihren polemischen Momenten der Kritik Wagners nicht unähnlich ist. Im Rundfunkessay Erziehung nach Auschwitz (1966) kritisierte Adorno die sittliche Rohheit des Sportes, der »in manchen seiner Arten und Verfahrungsweisen Aggression, Roheit [!] und Sadismus fördern [kann], vor allem in Personen, die nicht selbst der Anstrengung und Disziplin des Sports sich aussetzen, sondern bloß zusehen; in jenen, die auf dem Sportfeld zu brüllen pflegen.«⁶⁰ Bachmann, die während ihrer Berliner Jahre tatsächlich intensiv und ärztlich verordnet regelmäßig Radsport betrieb,⁶¹ denkt als Medienfrau⁶² das moderne 59
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Giulia Radaelli, Literarische Mehrsprachigkeit, S. 153 und Dies., »Wunder des Unglaubens«?, S. 295, geht davon aus, dass das Jahr, in dem die Erzählung spielt, 1965 sei, da zum einen 1965 der von Bruno Innocenti entworfene Christus von Maratea fertiggestellt wurde und zum anderen Adorni den Giro d’Italia gewann. Folgt man ihr, kämen die drei Etappen als Ereignis in Frage, die Adorni jeweils mit großem Vorsprung gewonnen hat: Potenza am 20. Mai (vgl. Corriere della Sera, 21. Mai 1965, S. 17), das Zeitrennen in Taormina am 27. 5. (vgl. Corriere della Sera, 28. Mai 1965, S. 15) und Madesimo am 3. 6. (vgl. Corriere della Sera, 4. Juni 1965, S. 15) sowie die letzte Etappe, nach deren Abschluss er in Florenz zum Sieger gekrönt wurde, und zwar am Pfingstsonntag, den 6. Juni 1965 (das zentrale Sportereignis des Tages war Inter Mailands Gewinn der Meisterschaft, so dass der Mailänder Corriere nicht Adorni auf den Titel druckte, sondern die Fußballspieler). – Aufgrund des im September 1968 wiederholten sportlichen Erfolges durch Gewinn des Weltmeistertitels würde ich hingegen die beiden Ereignisse zusammensehen, weil dadurch die Aktualität des Namens für den Zeitpunkt der Veröffentlichung gesichert ist. Zu bedenken ist auch, dass die Entstehung des Textes erst mit dem Winter 1967/68 nachgewiesen werden kann (Monika Albrecht, Dirk Göttsche, Textkritischer Kommentar, in: Ingeborg Bachmann, TodesartenProjekt, Bd. 4, S. 547–619, bes. 549–552 und 572 f.). Das erste Textzeugnis jedoch ist die Radiofassung vom 7. 10. 1968, so dass es entstehungsgeschichtlich naheliegt, die Referenz zum Titelgewinn von 1968 anzunehmen. Gesendet wurde der Essay am 18. April 1966 im Hessischen Rundfunk und gedruckt 1967: Theodor W. Adorno, Erziehung nach Auschwitz, in: Zum Bildungsbegriff der Gegenwart, hg. von Heinz-Joachim Heydorn, Frankfurt am Main 1967, S. 111–123, hier S. 116. Hans Werner Richter, Radfahren im Grunewald. Ingeborg Bachmann, in: Ders., Im Etablissement der Schmetterlinge. Einundzwanzig Portraits aus der Gruppe 47, München 1988 [zuerst 1986], S. 45–62, berichtet ausführlich über den gemeinsamen ›Radfahrclub‹, dem er selbst, Bachmann und Uwe Johnson angehörten. Zeitlich kommt das Jahr 1964 in Frage. S. Sigrid Weigel, Ingeborg Bachmann, S. 543–558, und Oliver Simons und Elisabeth Wagner (Hg.), Bachmanns Medien, Berlin 2008.
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sportliche Ereignis differenzierter als Adorno, ermöglicht durch die heitere Optik von Goethes Faust-Figur. Wenn sie den Sieg Adornis in seiner Wirkung auf das Publikum zu erfassen sucht, dann nicht nur in der Dialektik zwischen Sportler und Zuschauer, sondern triadisch. Indem sie das Sportereignis als Medienereignis darstellt, also als etwas, das der Vermittlung durch Fernseh- und Rundfunkapparate bedarf, tritt der Sportreporter hervor. Er ist zugleich ein Berufskollege der Protagonistin, da auch er simultan das Gesehene in Sprache übersetzen muss und zwar so, dass möglichst die Differenz aufgehoben und ein Präsenzeffekt erzeugt wird. Die Aufhebung der Differenz zwischen Betrachter und Gegenstand wird sprachlich markiert. Nicht nur dass die Zunge des Sprechers ›schweißt‹. Der Radfahrer wird zum Bildgeber, um den Übersetzungsakt zu veranschaulichen. Die nicht Anwesenden, jene Betrachter des mediatisierten Wettkampfes in der Hotellobby, werden in »Trance« versetzt und erhalten das Gefühl der Anwesenheit. Auf der Grundlage der beiden vorausgehenden Transformationen des Kreuzigungs- und des Auferstehungsmythos lässt sich auch dieses Ereignis auf der narrativen Ebene durch christliche Symbolik mythisch überblenden, zumal sowohl der babylonische Zustand der beiden Kosmopoliten als auch die Einheitssprache zuvor thematisiert worden sind: Werde es »einmal eine einzige Sprache« geben, fragt Frankel zweimal (15 und 29 f.). Zur Inszenierung dieser Präsenzerfahrung rekurriert Bachmann auf den christlichen Pfingstmythos, der als literarische Kontrafaktur den Babelmythos aufhebt. Die Analogie ist nur strukturell, nicht wirklich im Sinne der paulinischen Ideologie, denn es ist nicht der Heilige Geist, sondern der profane Geist des Sportes, von dem die Gemeinschaft, welche die ›Apotheose‹ (Corriere della Sera)⁶³ erlebt, erfasst wird.⁶⁴ Die konkrete sprachliche Verbindung zum Pfingstmythos schafft neben der Zungenmetaphorik der Hinweis, dass die Gemeinschaft der Stakkatorufer die Stakkatorufe »aus allen Städten und Ländern, durch die sie gekommen war« (43), vernehmen lässt. Auch die Kritik der Präsenzerfahrung, auf die Bachmanns Ausstellung der medialen Epiphanie abzielt, ist in der Apostelgeschichte angelegt; – meinten doch schon, wie Paulus berichtet, Spötter, vom Alkohol statt vom Heiligen Geist Ergriffene zu sehen (Apg 2,13). In der den Pfingstmythos profanierenden Sportszene bleibt weiterhin die Symbolik des Erlösers wirksam. 63
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Der Zusammenhang wird anlässlich von Adornis Sieg beim Giro d’Italia 1965 durch die Medien hergestellt. Der Corriere della Sera spricht bereits am Tag des Rennens über den Pfingstsonntag (6. Juni 1965) als »giorno dell’apoteosi« (ebd., S. 17). Wenn überhaupt ernsthaft wird wie von Ernst Bloch, Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reichs, Frankfurt am Main 1970, S. 292 f., der Geist des Pfingstwunders nicht als theologisches Problem, sondern als kreatives und Welt stiftendes Element verstanden.
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Abb. 1: Bruno Innocenti, La Statua del Redentore, Maratea (© Tommaso Lizzul – Fotolia);65 Vittorio Adorni am 1. September 1968 in Imola (Corriere della Sera di lunedì, 2. September 1968, Titelseite) ⁶⁵
Für die Überblendung mit der christlichen Semantik der Erlösung entscheidend ist die gestische Äquivalenz zwischen dem Erlöserchristus von Maratea und der Siegerpose Adornis (Abb.), die erst im Foto, das am 2. September 1968 auf den Titeln vieler italienischer Zeitungen (Corriere della Sera [di lunedì], Stadio, Gazzetta di Parma) gedruckt wurde, erkennbar wird.⁶⁶ Der siegende Radfahrer fährt durch die Zielgrade mit erhobenen und offenen Armen, die insofern noch die Erlösung profanieren, als sie die Sinnhaftigkeit und das Ende der körperlichen Strapazen sowohl des Sportlers als auch des mitfiebernden Fernsehsprechers und seines Publikums repräsentieren: Das Leiden der Sportgemeinde war nicht umsonst. Die Szene dient aber nicht nur der Veranschaulichung, sondern auch der Abgrenzung; sie fungiert als Gegenstück zur vorausgehenden Erkenntnis der Differenz. Die kollektive Glückserfahrung des Sports setzt auf Präsenz. ›Simultan‹
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D[omenico] Damiano, Maratea nella storia e nella luce della fede, Sapri 1965, 3. Aufl., S. 160–163 {Bibliotheca Hertziana}, beschreibt die Statue und gibt auch eine Selbstäußerung des Künstlers wieder. Vgl. auch die Anm. 59 des vorliegenden Beitrages.
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meint dabei nicht die Gleichzeitigkeit – keinen Präsenzeffekt also –, sondern den Versuch, jene zu erreichen, den Unterschied zwischen Hören und Sprechen, zwischen Wahrnehmen und Verstehen zu überwinden. Die Erfahrung der Erkenntnis, dass man nicht übersetzen kann, die Bachmann selbst im Verlagsbrief hervorhebt,⁶⁷ stellt den Wendepunkt der Erzählung dar: die erkenntnishafte Glückserfahrung ist die Erlösung der Protagonistin von ihrer beruflich bedingten moralischen Deformation. Auch ist der Höhepunkt, die Wiedergewinnung der Fähigkeit zu Weinen, die als individuelles Glücksmoment inszeniert wird, bereits geschehen. Wozu also noch einmal der symbolische Aufwand? Die medial erzeugte Präsenz des Sportgeistes nur als Negativexempel? Die Glückserfahrung der erkenntnishaften »Erleuchtung« (32) ist erst eine ethische Erfahrung, wenn sie das Handeln ändert; Nadja sprach nicht nur von der ›plötzlichen Erleuchtung‹ über das, was »wirklich vorliegt«, sondern »was man deswegen wirklich tun sollte« (32). In diesem Sinne bereitet die Beobachtung der Sportübertragung und ihrer Zuschauer eine außergewöhnliche Sprachhandlung vor, die immerhin als das »Wichtigste« (44) bezeichnet wird und das Schlusswort bildet. Die Erzählung endet mit einem Glückwunsch an den Hoteljungen zum Sieg des Radfahrers. Wichtig ist das deshalb, weil Nadja noch beim Besuch der Christus-Figur nicht einmal in der Lage war, Frauen aus dem Dorf zurück zu grüßen (35), nachdem diese höflich gegrüßt hatten.⁶⁸ Nun kann sie wieder grüßen im Sinne von ›Gutes wünschen‹. Dazu verwendet sie die italienische Wunschformel Auguri, die Glückwünsche zum Ausdruck bringen möchte. Zuvor hatte der Junge an der Hotelbar gefragt, was sie wünsche, so dass Glückwünsche eine Replik ist: Sie wünsche Glück.⁶⁹ Es besteht eine bis in die Interpunktion gehende Strukturanalogie zur russisch-slavischen Formel ›Mein Gott‹, »Bože moj« (7), am Anfang, so dass die Grußformel am Ende die Wendung zum Guten markiert, auf die der Text mit dem ersten Wort zustrebt. 67
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Bachmanns briefliche Äußerung an den Verlag von 1971 (Ingeborg Bachmann, TodesartenProjekt, Bd. 4, S. 10) darf nicht etwa als Sprachskepsis missverstanden werden. Wenn ›simultan‹ bedeute, »daß man eben nicht wirklich übersetzen kann, daß kein Mensch einem anderen übersetzen kann, was er denkt und fühlt,« dann wird über diese Erkenntnis nicht hoffnungslos lamentiert wie in Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief (1902), sondern sie wird zum Verfahrensprinzip erhoben. In einem postum publizierten Selbstkommentar hat Bachmann ihren Titel erläutert: »Darum nenne ich den Band ›Simultan‹, denn was stattfindet, ist ein simultanes Geschehen und Denken und Fühlen, und Sprachen, die sich nie ganz begegnen, jeder muß den anderen ein wenig übersetzen« (Ingeborg Bachmann, Statt einem Klappentext, in: Dies., Todesarten-Projekt, Bd. 4, S. 17). »S étogo menja dovol’no.« (36) [›С этого меня довольно‹], d. h. ›ich habe genug davon‹, bewertet sie diese Szene. Vgl. Giulia Radaelli, »Wunder des Unglaubens«?, S. 220 f.
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Das Glück der Literatur Die Struktur des happy ending, die Bachmanns Zeitgenosse Ernst Bloch als einer der wenigen Intellektuellen ›durchschaut und trotzdem verteidigt‹⁷⁰ hatte, wirft Fragen auf. Hat Bachmann die Seiten gewechselt? Ist Literatur – genauer: die Prosa – etwa nicht mehr jener Ort, an dem das ›falsche Glück‹⁷¹ negiert wird? Oder aber führt sie hier nur ein falsches Bewusstsein vor, das einer einfachen Frau, die in selbstinszenierten Glücksmomenten ihr Elend überblendet? Leicht fällt die Beantwortung dieser Fragen deshalb nicht, weil Bachmann, welche die Lyrik in den 1960er Jahren aufgab, noch als Erzählerin eine anspielungsreiche Autorin geblieben ist. Auch die Lyrik ist von polyphoner Redeweise und utopischen Erlösungsmomenten geprägt, aber erfasst nur abstrakt die moralische Welt. Da Bachmann ihre lyrische Stimme 1968, im Jahr der Hörfassung von Simultan, für immer zum Schweigen brachte, besiegelt die Erzählung jenen sich seit 1961 hinziehenden Gattungswechsel. Als letztes lyrisches Wort innerhalb von Bachmanns Publikationsstrategie firmiert das Kursbuch-Gedicht Keine Delikatessen, das fragt: »Soll / ich […] die Syntax kreuzigen / auf einen Lichteffekt? […] / Soll / ich / einen Gedanken gefangennehmen, / abführen in eine erleuchtete Satzzelle?«⁷² Hier wird nicht etwa die Funktion der Literatur negiert, Organ der Hoffnung zu sein; vielmehr artikuliert das Gedicht ein moralisches Ungenügen an der lyrischen Gattung, insofern sie ästhetische Effekte, zumal im begrenzten Raum erzeuge. Dagegen nutzte Bachmann das christologische Paradigma samt seinem Arsenal an Erlösungsmotiven weiterhin – nun aber ausschließlich in der Prosa, und das meint neben der narrativen Form den sichtbaren Bezug zur gesellschaftlichen Handlungswelt. Die merkliche Aushöhlung der christlichen Formen erlaubt es aber gerade nicht, die Erzählung als heilsgeschichtlich codierte Literatur zu lesen. Deshalb ist die Frage nach der Funktion dieser Formen geboten. Die Analyse der Glückspoetik hat ergeben, dass die Erfahrung der Erlösung flankiert wird von zwei anderen Paradigmen glücklicher Erfahrung, die allerdings beide in ihrer Machart offengelegt und damit als Wunderwerk bloßgestellt werden. Das Wunder des auferstandenen Christus, das die Menschheitserlösung garantiert, und der ›bewunderte‹ Adorni – ›adorare‹ klingt mit an⁷³ – bilden die beiden Gegenpole, zwischen denen die Glückserfahrung der Protagonistin sich 70 71
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Ernst Bloch, Happy-end, durchschaut und trotzdem verteidigt, in: Ders., Das Prinzip Hoffnung. In fünf Teilen, Frankfurt am Main 2013 (Werkausgabe 5), 9. Aufl., S. 512–519 [Nr. 32]. In diesem Sinne Ulrike Tanzer, Erhard Beutner, Hans Höller, Vorwort, in: Ulrike Tanzer (Hg.), Das glückliche Leben, S. 7 f., hier S. 8. – Vgl. auch die Kritik an dieser Auffassung bei Anja Gerigk, Lesbarkeit des Glücks, S. 23. Ingeborg Bachmann, Sämtliche Gedichte, München 2003, S. 182 f. Für diesen Hinweis danke ich Professor Dr. Dirk Oschmann (Leipzig).
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ereignet. Der Glaube an die Auferstehung wird nicht geteilt, und das Wunder kann mit chiffriertem Rekurs auf Goethe nicht geglaubt werden; auf der anderen Seite wird zwar die massenmediale Glückserfahrung des Sportes nicht polemisch abgelehnt, aber sie taugt als soteriologisches Modell keineswegs. Aus dieser doppelten Negation von himmlischem und irdischem Erlöser entsteht der literarische, ohne dass er namentlich genannt würde. Aus der Verborgenheit entfaltet sich die Kraft Goethes: nicht als zu bewundernder und nachzuahmender Autor oder als stilistisches Prinzip, sondern als ethische Forderung. Die literarische kann als eine gute Ordnung erscheinen, ohne deshalb das Bestehende zu affirmieren und ideologisch zu werden. Bachmann ordnet behutsam und stellt die Brüchigkeit dieser Ordnung bewusst aus. Auch wenn die Charaktere von der Selbsterfüllungsprogrammatik des Goethe’schen Bildungssubjekts entfernt sind, erzählt Bachmann wenigstens in der Erzählung Simultan die Geschichte einer seelischen Heilung. Wer stattdessen die ironische Lesart favorisierte, die sich an der mit einem Faust-Zitat betitelten und dem Psychologen und Goethe-Verehrer Georg Groddeck gewidmeten Erzählung Ihr glücklichen Augen durchspielen ließe,⁷⁴ sollte jedoch bedenken, dass in beiden Rahmenerzählungen von Simultan (Simultan und Drei Wege zum See) wie tendenziell in den Binnenerzählungen der beruflich indifferenten Frauen die Protagonistinnen sich mit der Welt versöhnen und nicht mehr hoffnungslos in einer hoffnungslos schlechten Welt verloren sind. Ihr glücklichen Augen ist deshalb nicht ironisch gemeint, sondern dient kontrastiv der Explikation der vorausgegangenen Glückspoetik. Das Faust-Zitat repräsentiert weniger Goethes Ausrichtung des Lebens auf die »optische Perzeption«⁷⁵. Mirandas Augen sind glückliche Augen, weil sie eine glückliche Welt schaffen. Sie weiß sich umgeben von »einer Anhäufung von unglücklichen […] Gesichtern«⁷⁶. Bachmann karikiert diesen Glauben nicht gegen Goethe gewendet, sondern mit Goethe und Groddeck in dem gemeinsamen Wissen, dass das Gesehene ein beschönigendes Phantasma ist und sein Glück Resultat einer Verdrängung:⁷⁷ Lynceus versäumt, Helenas Kommen zu melden, weil er von ihr geblendet ist; in Bachmanns Erzählung knallt am Ende der Körper der ›glücklichen Augen‹ 74
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Vgl. den Vers aus dem Türmerlied im Faust II v. 11300. Vgl. Heide Rieder, Von Goethe zu Georg Groddeck, S. 316; Ingeborg Dusar, Choreographien der Differenz, S. 106–109. Bachmanns Erzählung Ihr glücklichen Augen erinnert an Italo Calvinos Erzählung Avventura di un miope in: Gli amori difficili (1958 und 1970). Im Kontext Susanne Buck, Der geschärfte Blick. Zur Geschichte der Brille und ihrer Verwendung in Deutschland seit 1850, Frankfurt am Main 2006 (Werkbund-Archiv 30). Heide Rieder, Von Goethe zu Georg Groddeck, S. 316. Ingeborg Bachmann, Ihr glücklichen Augen, in: Dies., Simultan, S. 85–105, hier S. 87. Vgl. Ingeborg Dusar, Choreographien der Differenz, S. 101–105.
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gegen eine Tür und fällt auf den Boden der Wirklichkeit mit dem Werbeslogan für ›Haftschalen‹: »Immer das Gute im Auge behalten.«⁷⁸ Bereits bei Goethe ist also die Redewendung der ›glücklichen Augen‹ als Ahnung kommenden Unglücks gebrochen. In dem Moment, in dem der Späher Lynceus seine Augen als ›glückliche Augen‹ apostrophiert, sind sie es schon nicht mehr, sondern sie weisen elegisch in eine frühere Zeit. In der Gegenwart muss er das Verbrechen an Philemon und Baucis sehen.⁷⁹ Goethe reflektiert die Dialektik des Glücks: seine Erfahrung setzt Unglück voraus; seine Thematisierung jedoch ist Ausdruck des Unglücks. Wer von Glück spricht, hat es schon verloren, weshalb seine poetische Evokation jeden modernen Autor herausfordert. In der Erzählung Simultan hat sich Bachmann der Herausforderung gestellt. Ganz anders als Miranda in Ihr glücklichen Augen verhält sich deshalb Nadja in Simultan. Das wahre Glück kommt hier wie bei Johann Peter Hebel ›unverhofft‹ und es ist – mit Wellbery ein berühmtes Goethe-Wort abwandelnd – ineffabile: es erscheint, aber ohne dass es sprachlich zu bewältigen wäre.⁸⁰ Mit Goethe zeigt Bachmann nicht nur die beiden Besonderheiten moderner Glückspoetik, sondern den Glauben daran, dass Glück möglich ist. Nadja bezieht ihre Kraft aus dem neuzeitlichen Glauben, dass der Mensch sich selbst erlösen könne. Repräsentiert wird dieser Glaube von Goethe, der ihn einmal als Pelagianismus bezeichnet. Bachmann hält damit im Erzählband Simultan an Goethe fest.⁸¹
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Ingeborg Bachmann, Ihr glücklichen Augen, S. 105 (vgl. auch S. 90). Albrecht Schöne, [Kommentar zu Goethes Faust], in: Johann Wolfgang Goethe, Faust. Kommentare, hg. von Albrecht Schöne, Frankfurt am Main 1999, S. 728: In dem Vers »Ihr glücklichen Augen« beziehungsweise der Versgruppe, der er angehört (v. 11300–11303), »scheint schon eine Ahnung des Entsetzlichen sich mitzuteilen, das über diese friedliche Natur hereinzubrechen bereitsteht.« David E. Wellbery, Prekäres und unverhofftes Glück, S. 50, zu Hebel S. 40–48. Zu Pelagius, dem Antagonisten des Erbsündenlehrers Augustinus hat sich Goethe im 15. Buch von Dichtung und Wahrheit als Geste der Abgrenzung gegenüber der pietistischen Brüdergemeinde bekannt. Goethe beschreibt zunächst den kirchengeschichtlichen Konflikt, um sich dann dem Lager jener zuzuschlagen, die an die Selbsterlösung des Menschen glauben: »Mich hatte der Lauf der vergangenen Jahre unablässig zu Übung eigner Kraft aufgefordert, in mir arbeitete eine rastlose Tätigkeit mit dem besten Willen zu moralischer Ausbildung. Die Außenwelt forderte, daß diese Tätigkeit geregelt und zum Nutzen anderer gebraucht werden sollte, und ich hatte diese große Forderung in mir selbst zu verarbeiten. Nach allen Seiten war ich an die Natur gewiesen, sie war mir in ihrer Herrlichkeit erschienen; ich hatte soviel wackere und brave Menschen kennengelernt, die sich’s in ihrer Pflicht, um der Pflicht willen, sauer werden ließen; ihnen, ja mir selbst zu entsagen schien mir unmöglich« (Johann Wolfgang Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, in: Ders., Berliner Ausgabe, Bd. 13: Poetische Werke. Autobiographische Schriften I, Berlin/Weimar 1967, S. 682).
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Bachmanns Titel-Erzählung besitzt darüber hinaus programmatischen Status. In ihr findet eine poetologische Reflexion darüber statt, wie eine literarische Versöhnung zu begründen wäre. Bachmann benutzt oberflächlich die Formen des christlichen Mythos, um formal auf die innere Erleuchtung der Protagonistin hinzuleiten. Die Bewusstseinsereignisse Nadjas erhalten ihre Gestalt durch die Mittel des christlichen Mythos und werden so für den Leser erst sichtbar. Die Autorin zehrt vom Glaubenswert und der Autorität des Mythos, um ihn zugleich zu profanieren. Das ist nicht mit Religionskritik zu verwechseln, sondern eine kritische Aneignung seines mythischen Potentials. Der christliche Mythos erweist sich als Möglichkeitsbedingung einer Glückserfahrung bei gleichzeitiger Reflexion der Handlungsdimension. Anders gesagt, adaptiert Bachmann die Struktur der guten Nachricht, deren Voraussetzung der Leidensweg ist. Dass die Negativität eine Folie bildet, lässt sich an der babylonischen Sprachverwirrung und am Scheitern der sprachlichen Kommunikation innerhalb der Erzählung erkennen, an Krankheit, Vereinzelung, Leiden an der beruflichen Welt und daraus resultierender Entfremdung von der Wirklichkeit. Wenn der christliche Mythos als solcher durchschaut wird und nur als literarisches Mittel dient, erbauliche Formen zu finden, dann taugt er nicht mehr zur Rettung der Figuren. Die literarische Welt besitzt ihre eigenen Erlösungsmodelle, die wiederum von Autoren konzipiert werden und damit künstlerisch, aber nicht göttlich sind. Der Ablehnung des Wunderglaubens, der die Welt rettete, entspricht ein Bekenntnis zur Möglichkeit, die Welt in der Kunst zu retten. Die maßgebliche Autorität eines solchen Glaubens ist Goethe, der den in den Programmen der Aufklärung formulierten »menschliche[n] Anspruch auf Glück«⁸² in die nachaufklärerische Literatur übersetzt hat, indem sein Werk die Selbsterlösungsfähigkeit des Menschen mit der gebotenen Komplexität gestaltet, welche Glück als Ereignis, aber nicht als Thema denkt. Es wäre einer Profanierung dieser literarischen Beglaubigungsstrategie gleichgekommen, seinen Namen direkt auszusprechen.
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David E. Wellbery, Prekäres und unverhofftes Glück, S. 18.
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»nie wieder will ich masken sehen« Zur Entstehung von Peter Handkes Erzählung Langsame Heimkehr (1979)
Und neben dem »Mit« wird noch ein zweites Hauptwort regieren, das »Und«. Peter Handke, Versuch über den geglückten Tag
Inwieweit die Zusammenarbeit von Autor und Lektor den Entstehungsprozess eines Textes prägt, bleibt dem Leser in aller Regel verborgen. Ein Grund dafür mag sein, dass die Verlags- und Literaturbetriebspolitik bis heute maßgeblich durch eine monolithische, autorzentrierte Vorstellung vom Schöpferischem bestimmt ist. Auch in der literaturwissenschaftlichen Forschung fehlen bislang einschlägige Studien zum Einfluss des Lektors auf die Textentstehung.¹ Zwar brachte die Debatte um den »Tod des Autors« eine stärkere Auseinandersetzung mit der diskursiven Autor-Funktion und dem Text jenseits des realen Autorsubjekts hervor, sie führte jedoch nicht zu einer ›Geburt des Lektors‹. Auch in den Diskussionen zur »Rückkehr des Autors« hat der Lektor einmal mehr keinen Platz. Entsprechende Untersuchungen fehlen ebenso im Kontext einer schreibprozessorientierten Perspektive, wie sie in den letzten Jahrzehnten stärker in den Fokus literaturwissenschaftlicher Aufmerksamkeit rückte. Dabei nimmt der Lektor in dem Beziehungsgeflecht, in dem Texte entstehen, eine komplexe Rolle ein: Er ist Mittler zwischen Autor und Verleger, erster Leser und Kritiker des Autors, literarischer Diener wie Anwalt des Textes, den er womöglich sowohl gegen den Autor als auch gegen den Verleger zu verteidigen hat und zugleich 1
An dieser bereits 1981 erfolgten Feststellung Wolfram Göbels hat sich bis heute nicht viel geändert. Vgl. Wolfram Göbel, Lektoren – die geistigen Geburtshelfer. Marginalien zu Praxis und Geschichte eines jungen Berufsstandes, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 97 vom 10. 11. 1981, hier zit. nach: Gutenberg-Jahrbuch 1986, hg. von Hans-Joachim Koppitz, S. 271–280, hier S. 273. Pionierarbeit zur Rolle des Lektors aus literatursoziologischer Perspektive leistete Ute Schneider. Vgl. ebd., Der unsichtbare Zweite. Die Berufsgeschichte des Lektors im literarischen Verlag, Göttingen 2005. Der hier vorgelegte Aufsatz ist Teil einer historisch-systematischen Studie über Kollaborationen von Autor und Lektor, an der ich derzeit arbeite.
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kalkulierender Produktmanager, der bestimmten Publikationstaktiken folgt und Einfluss auf den Schaffensprozess wie auf die Rezeption des Textes nimmt. Aufgrund seiner Vermittlungsposition zwischen schöpferischen und ökonomischen Logiken, zwischen produktionsseitigen (Textwerdung) und metatextuellen (Textvermittlung) Tätigkeitsfeldern erscheint das lektorale Arbeiten nicht nur für literatursoziologische Fragestellungen sondern insbesondere auch für autor- und werkgeschichtliche, medienwissenschaftliche oder textgenetische Perspektiven aufschlussreich. Der vorliegende Beitrag legt das Augenmerk auf die produktionsseitigen Aspekte der Funktion des Lektors. Am Beispiel von Peter Handke und Elisabeth Borchers soll in den folgenden Ausführungen die gemeinsame Arbeit von Autor und Lektorin an der Textwerdung der 1979 publizierten Erzählung Langsame Heimkehr beleuchtet werden. Anhand von bisher unerschlossenen Werkmaterialien aus dem Suhrkamp-Archiv im Deutschen Literaturarchiv Marbach² wird zu zeigen sein, inwieweit die Mitarbeit seiner damaligen Lektorin Handkes Schreiben an einer zentralen Gelenkstelle seines Werks prägte. Dabei soll die These vertreten werden, dass die mit Langsame Heimkehr sich entfaltende Neujustierung der Ästhetik Handkes auch die Form des ›Mitschreibens‹ seiner Lektorin bedingte und dass umgekehrt Borchers lektorierende Akte Handkes Suche nach einer neuen Form des Schreibens mit ermöglichten. Im Fokus steht insbesondere eine der von Borchers vorgenommenen Änderungen, eine Streichung in den Schlusszeilen der Erzählung. Als Erweiterung des Textes gelesen, eröffnet sie zwei Perspektiven, die der vorliegende Beitrag miteinander verschränkt: Einerseits illustriert diese Umschreibung, die sich mit Ludwig Jäger als »transkriptive Bearbeitung«³ fassen lässt, die Mitarbeit der Lektorin bei der Verfertigung der Langsamen Heimkehr beispielhaft. Andererseits eröffnet die Streichung eine Neubetrachtung der den Text prägenden Suchbewegungen und poetologischen Fragen der Formgebung: diese werden in nuce im Denkbild der Maske versammelt.
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Mit dem 2009 erfolgten Ankauf des Suhrkamp-Verlagsarchiv (SUA) erwarb das Deutsche Literaturarchiv Marbach einen umfangreichen Bestand an Werkmaterialien Peter Handkes, darunter die für textgenetische Fragestellungen aufschlussreiche Verlagskorrespondenz sowie zahlreiche erste Textfassungen. Für die Publikationsgenehmigung sei Peter Handke, Uwe-Arnim Borchers, dem Suhrkamp Verlag und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach herzlich gedankt. Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern des DLA, insbesondere Anna Kinder. Vgl. Ludwig Jäger, Störung und Transparenz. Skizze zur performativen Logik des Medialen, in: Performativität und Medialität, hg. von Sibylle Krämer. München 2004, S. 35–74, hier S. 60. Im Rahmen seiner medien- und kulturtheoretischen Überlegungen zur »Transkriptivität« bezeichnet Ludwig Jäger rekursiv angelegte inter- wie intramediale »Um- Ein- und Überschreibungen« als sinnerzeugende »Transkriptionen«.
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»– was 1 Wort überhaupt sagt« Die 1978/79 verfasste Erzählung Langsame Heimkehr der gleichnamigen Tetralogie⁴ ist für Peter Handkes Werk wegweisend. Der einer schweren Schreibkrise abgerungene Text bedeutete eine Erschütterung, die Handkes Schreiben bis heute prägt;⁵ von einer »radikalen Zäsur«,⁶ einem »Wendepunkt« in Handkes Arbeiten spricht die literaturwissenschaftliche Forschung: »Im Rückblick zeigt sich Langsame Heimkehr als der entscheidende Wendepunkt. […] Die Erzählung ist ein Schlüsseltext für den Autor und seine Ästhetik.«⁷ Auch Handke selbst konstatiert einen poetischen Neuanfang, nennt Langsame Heimkehr ein »Anfangs[und] Initiationserlebnis«:⁸ »Ich denke oft, dass mit Langsame Heimkehr eigentlich erst mein Schreiben angefangen hat«, heißt es etwa in einem Interview von 1988.⁹ In Entsprechung des geschilderten Versuchs des Geologen Sorger, sich
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Neben Langsame Heimkehr (1979) umfasst die gleichfalls unter dem Titel Langsame Heimkehr zusammengefasste Tetralogie die Texte Die Lehre der Sainte-Victoire (1980), Kindergeschichte (1981) und Über die Dörfer (1981). Vgl. hierzu etwa Klaus Kastberger: »Hier ereignete sich ein Paradigmenwechsel des Schreibens, der über die großen Prosabücher der nachfolgenden Jahrzehnte hinweg Auswirkungen bis in die aktuelle literarische Produktion des Autors hat.« Klaus Kastberger, Bodensatz des Schreibens. Peter Handke und die Geologie, Handkeonline (19. 11. 2012), http://handkeonline. onb.ac.at/forschung/pdf/kastberger-2012a.pdf, hier S. 3. Georg Pichler, »Der Goethesche Nachvollzug des Schriftstellers auf Erden«. Handke und Goethe, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens – Ordnung der Schrift, hg. von Klaus Kastberger, Wien 2009, S. 281–293, hier S. 282. Alexander Huber, Versuch einer Ankunft. Peter Handkes Ästhetik der Differenz, Würzburg 2005, S. 11; vgl. zur These eines mit Langsame Heimkehr zu veranschlagenden Wendepunkts in Handkes Schaffen auch Ulrich Wesche, Metaphorik bei Peter Handke, in: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur 1/1997, S. 59–67, hier S. 62; Carsten Rohde, Träumen und Gehen. Peter Handkes geopoetische Prosa seit »Langsame Heimkehr«, Hannover 2007, S. 11; Torsten Hoffmann: Konfigurationen des Erhabenen. Zur Produktivität einer ästhetischen Kategorie, Berlin 2006, S. 70; Ellen Dinter, Gefundene und erfundene Heimat. Zu Peter Handkes zyklischer Dichtung »Langsame Heimkehr« 1979–1981, Köln 1986, S. 9. Wie auch Torsten Hoffmann feststellte, erfolgen die Einschätzungen einer Wende unter Berufung auf je unterschiedliche Aspekte. Peter Handke / Herbert Gamper, Aber ich lebe nur von den Zwischenräumen. Ein Gespräch, geführt von Herbert Gamper, Zürich 1987, 1. Aufl., S. 182. Konrad Franke, »Wir müssen fürchterlich stottern. Interview mit Peter Handke«, in: Süddeutsche Zeitung, 23. 06. 1988, zit. nach Inge Raatz, Geschichten-Erzählen. Peter Handkes Weg zu einem neuen epischen Gattungsverständnis in seiner Tetralogie »Langsame Heimkehr«, Aachen 2000, S. 2. Handkes Kommentare zur Frage einer Wende sind jedoch ambivalent: Reflektiert der Autor die Textgenese von Langsame Heimkehr einerseits als eine einschneidende und sein weiteres Schaffen zutiefst prägende Phase (vgl. etwa Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 27), betont er an anderer Stelle die Kontinu-
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zeichnend und notierend im Raum zu verorten, erzählt Langsame Heimkehr auch auf diskursiver und figurativer Ebene vom Experiment der Formwerdung. »[D]er Welt einfach nachzusprechen«,¹⁰ wäre einem Notizbucheintrag Handkes zufolge die Idealvorstellung. In der subjektiven, konstruierenden Wahrnehmung des Protagonisten Sorger ist die Welt jedoch einem fortwährenden Schwanken zwischen den Polen Ganzheit, Kohärenz, Zusammenhalt auf der einen und Auflösung, Formverlust, Zerstreuung auf der anderen Seite ausgesetzt. Es sind diese konträren Bild- und Erzählwelten der nur in verstreuten Einzelheiten sich zeigenden Gegenstände und der Wunsch nach Synthese und Zusammenhang, die den Text prägen und ihm seine spezifische Spannung verleihen.¹¹ Diese Spannung findet sich fortgeführt in dem Gegensatz zwischen einem äußerst reflektierten Schreiben, das sich fortwährend selbst beobachtet und kommentiert, und dem avisierten Vorsatz, dem Erzähler eine sehr zurückhaltende Rolle nur zuzugestehen, um die Dinge ›sich selbst erzählen‹ zu lassen, »allein die Natur gelten zu lassen im Erzählen.«¹² Machen seine inneren Widersprüche die Attraktivität und poetologische Relevanz des Textes bis heute aus, bilden sie auch die »Wirbel«,¹³ die das Projekt während der Niederschrift beinahe kentern lassen – Langsame Heimkehr sei »im Grunde ein Fragment geblieben«,¹⁴ heißt es in einem späteren Selbstkommentar. Insbesondere der mittlere sowie der letzte Teil der in drei Kapitel gegliederten Erzählung stellten Handke während der Niederschrift vor große Herausforderungen.
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ität seines Werks (vgl. zum Beispiel Peter Handke im Gespräch mit Klaus Kastberger und Elisabeth Schwagerle, »Es gibt die Schrift, es gibt das Schreiben«, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 11–30, hier S. 27; Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 121). Eine angemessene Betrachtung des mit Langsame Heimkehr sich vollziehenden Wandels der Schreibweise Handkes scheint dann gewährleistet, wenn diese Neuausrichtung nicht in erster Linie nur als Bruch mit dem Vorangegangenen, sondern vielmehr im Kontext Handkes fortwährender Suche nach adäquaten Schreibformen reflektiert wird. Die Neubewertung des sprachlichen Mediums und die Erkundung neuer Verfahrensweisen, die sich gegen Ende der siebziger Jahre in Handkes Schaffen abzeichnen, schließen Kontinuitäten nicht aus. Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, Frankfurt am Main 1985, (1. Aufl. 1982), S. 233. Dieser Konflikt zwischen De(kon)struktion und Rekonstruktion ist bereits in den frühen Schriften Handkes angelegt. Vgl. hierzu grundlegend Christoph Bartmann, Suche nach Zusammenhang. Peter Handkes Werk als Prozess, Wien 1984. In Langsame Heimkehr erfährt diese gegenläufige Bewegung eine besonders starke Akzentuierung. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 26. Peter Handke, Langsame Heimkehr. Erzählung, Frankfurt am Main 1979, 1. Aufl., S. 11. Aus dieser Ausgabe zitiere ich im Folgenden durch Angabe der Seitenzahl im laufenden Text. Ebd., S. 35.
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»Oft möchte ich Dich um Rat fragen – wie man so etwas lebendiger Seele durchsteht. Seit 45 Tagen schreibe ich, tagaus, tagein und weiß oft nicht mehr, was ein Wort mit dem anderen zu tun hat – was 1 Wort überhaupt sagt.«¹⁵ Diese Zeilen entstammen einem Brief, den Peter Handke seinem Freund und Schriftstellerkollegen Hermann Lenz aus einem New Yorker Hotel schrieb; dort hatte er am 14. Oktober 1978 mit der Niederschrift der Langsamen Heimkehr begonnen. Die Vorarbeiten zu diesem Projekt, das zunächst unter dem Titel »Ins tiefe Österreich« firmierte, währten bereits einige Jahre, die der Materialsammlung dienten – seit Anfang des Jahres 1976 häufen sich entsprechende Aufzeichnungen in Handkes Notizbüchern. Als »Substrat« der Langsamen Heimkehr kann ein Textkorpus von rund 2200 Journal-Seiten gelten.¹⁶ Im Vergleich zu früheren Arbeiten, wie etwa Die Angst des Tormann beim Elfmeter, die Handke in vergleichsweise kurzer Zeit verfasste, wird in den Monaten der Niederschrift von Langsame Heimkehr jede Zeile zum »Kampf«, jeder niedergeschriebene Satz als »Ereignis«¹⁷ wahrgenommen – Handke quält sich durch fünfzehnstündige Arbeitstage, an deren Ende manchmal nur zehn Zeilen mehr auf dem Papier stehen: »[D]a war totale Sprachstille«¹⁸ und »die Gefahr der Panik sehr nahe«,¹⁹ so Handke in einem Gespräch mit dem Germanisten Herbert Gamper. Die tiefschürfendste Krise seines Schreibens, wie Handke selbst sie in zahlreichen Kommentaren bis heute immer wieder beschreibt, ist auch ein Selbstexperiment, ein Austesten der eigenen Grenzen: »Ja, ich will in eine Situation kommen, wo ich nicht mehr kann«,²⁰ heißt es in einem seiner Notizbücher dieser Zeit. Dass die Genese von Langsame Heimkehr jenseits vorgeblicher Steuerungsmomente sowie nachträglicher Mythisierungen eine Scharnierstelle in Handkes Schaffen darstellte – »Was für falsche Ideen ich vom Schreiben hatte!«²¹ –, das dokumentiert auch das genetische Material der Erzählung. Die größtenteils im Suhrkamp-Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach liegenden Textzeugen der Langsamen Heimkehr sowie die werkge15
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Peter Handke / Hermann Lenz. Berichterstatter des Tages, Briefwechsel, hg. von Helmut Böttiger, Charlotte Brombach und Ulrich Rüdenauer, Frankfurt 2006, 1. Aufl., Brief vom 28. November 1978, S. 131. Klaus Kastberger, Bodensatz des Schreibens, S. 5 f. Wie Klaus Kastberger in diesem Zusammenhang feststellt, lässt sich Peter Handkes Schreibkrise auch als »Krise der konkreten literarischen Umsetzung einer ganzen Textmasse« beschreiben. Vgl. ebd., Bodensatz des Schreibens, S. 6. Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 39. Ebd., S. 59. Ebd., S. 61. Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, S. 169. Peter Handke / Alfred Kolleritsch, Schönheit ist die erste Bürgerpflicht. Briefwechsel, Salzburg/Wien 2008, 1. Aufl., S. 116, Brief vom 17. 12. 1978.
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schichtlichen Dokumente geben einen Einblick in die langwierige Überarbeitungsphase des Textes. Nach knapp drei Monaten der intensiven Schreibarbeit ist am 6. Januar 1978 die erste Fassung mit dem Titel Die Vorzeitformen²² beendet; am 29. Januar schließt Handke die zweite Fassung Das Raumverbot ab, die er an seinen Verleger Siegfried Unseld sendet. Von dieser zweiten Fassung existieren drei Varianten: neben dem Originaltyposkript (Textfassung 2a)²³ auch eine Kopie des Typoskripts mit Korrekturen von Elisabeth Borchers (Textfassung 2b)²⁴, sowie eine Variante mit dem Titel Das Zeitalter des Verschweigens mit Korrekturen, Überklebungen und neu getippten Seiten von Handke selbst (Textfassung 2c).²⁵ Die umfassendsten Änderungen sowohl von Peter Handke als auch von Elisabeth Borchers erfolgen erst in der Druckfahne zwischen Mitte April und Mitte Mai 1979.²⁶ Erst zu diesem Zeitpunkt wird auch der endgültige Titel der Erzählung festgelegt.²⁷ Während eines weiteren Korrekturdurchgangs verwirft Handke den Aufbau des zweiten und dritten Kapitels der Erzählung und nimmt noch Anfang Mai eine Neuschrift dieser Teile vor;²⁸ die letzten Änderungen des Autors erfolgen am 12. Juni 1979.²⁹ Erst Anfang September geht das Typoskript nach weiteren 22
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Das Original der ersten Textfassung befindet sich in Privatbesitz, eine Kopie desselben liegt im Literaturarchiv der österreichischen Nationalbibliotheken, Teilvorlass Peter Handke, Die Vorzeitformen [14. 10. 78 bis] 6. 1. 1979), Sign.: ÖLA 326/W1. Peter Handke, Das Raumverbot (Textfassung 2a), Typoskript 2-zeilig, 158 Blatt, ohne Datum [31. 01. 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. Bei der Benennung der Fassungen folge ich den Angaben der auf der Forschungsplattform Handkeonline bereitgestellten Übersicht des genetischen Materials der Erzählung Langsame Heimkehr (29. 01. 2014): http://handkeonline.onb. ac.at/node/124/material. Peter Handke, Das Raumverbot (Textfassung 2b), Typoskript 2-zeilig, Kopie, mit hs. Korrekturen von Elisabeth Borchers, 158 Blatt, ohne Datum [01. 01. 1979–30. 04. 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. Peter Handke, Das Zeitalter des Verschweigens (Textfassung 2c), Typoskript 2-zeilig, Kopie, Satzvorlage, 162 Blatt, ohne Datum [09. 03. 1979–12. 03. 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. Peter Handke, Langsame Heimkehr. Erzählung, Druckfahnen, mit Korrekturen von Peter Handke, Elisabeth Borchers und dem Korrektor, 132 Blatt, ohne Datum [12. 04. 1979– 14. 05. 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. Auf dem Titelblatt der Druckfahnen ist der Titel Das Zeitalter des Verschweigens durchgestrichen und handschriftlich ersetzt durch den wiederum gestrichenen Titel Ins tiefe Österreich, der durch den endgültigen Titel Langsame Heimkehr ersetzt ist. Peter Handke, [Langsame Heimkehr] (Neuschrift des 2. Kapitels und eines Teils des 3. Kapitels), Typoskript 1,5-zeilig, 48 Blatt, ohne Datum [14. 05. 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. So einem Brief von Elisabeth Borchers an Handke vom 2. Oktober 1979 zu entnehmen, in: DLA, SUA: Suhrkamp. Handkes Journale aus dieser intensiven Arbeitsphase geben einen Einblick in seine fortwährende Beschäftigung mit bereits Geschriebenem und seine intensive Beschäftigung mit dem Schreibakt selbst. Vgl. hierzu auch Nils Kasper, Das Schreiben und die Schrift bei Peter Handke. Beobachtungen zur Genese des erzählerischen Werks anhand der Reisetagebücher 1975–1990, in: Zeitschrift für Deutsche Philologie, hg. von Nor-
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problematischen Herstellungs- und Korrekturabläufen in den Druck; nur kurze Zeit später wird allerdings, aufgrund von Druckfehlern, eine korrigierte Auflage erscheinen. Die Fülle an Streichungen und Umschreibungen, die das genetische Material aufweist – Siegfried Unseld spricht mit Blick auf die Fahnen von einem »Schlachtfeld«³⁰ – sind für Handkes Arbeiten ungewöhnlich, liefert der Schriftsteller seine Texte doch zumeist erst als fertige Satzvorlagen an den Verlag.³¹ Die massiven Änderungen im Fall von Langsame Heimkehr mögen in erster Linie mit Handkes Schaffenskrise, seiner Suche nach einer neuen, tragfähigen Form des Schreibens und gegebenenfalls auch mit Veränderungen der Arbeitsweise Handkes³² zusammenhängen. Die Skizzierung des langen Wegs, den das Typoskript von seiner Niederschrift bis zur endgültigen Fixierung nimmt, ist insofern
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bert Otto Eke, Eva Geulen, Ursula Peters und Hans-Joachim Solms, 2/2012, S. 275–301, hier S. 298. In einem Brief von Unseld an Handke vom 8. Oktober 1979 beschreibt der Verleger die Arbeit an einer publikationsfähigen Fassung von Langsame Heimkehr folgendermaßen: »Unsere Schwierigkeit bestand darin, daß während des Herstellungsvorganges der Text von Dir laufend verändert wurde. Es gab kein Manuskript, das definitiv gültig war und es gab keine Fahne. […] Ich habe jetzt noch einmal die Fahnen angesehen, sie gleichen einem Schlachtfeld und zeigen Deine Arbeit am Text.« Peter Handke / Siegfried Unseld. Der Briefwechsel, hg. von Klaus Kastberger und Katharina Pektor, Berlin 2012, 1. Aufl., S. 377 f. Die Tilgung von einmal Geschriebenem ist Handke, eigenen Aussagen zufolge, fast unmöglich. Vgl. hierzu etwa die folgenden Kommentare: »Ich kann den Satz sozusagen nicht rückgängig machen – vielleicht ist das eine Manie von mir; aber was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben. […] In der Regel ist es so, daß ich nur Wörter korrigieren kann, nie Sätze wegstreiche.« (Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 61). Vgl. auch: »Ich halte es da mit Pilatus: »Quod scripsi scripsi« […]. Ich streiche wenig weg, sondern ergänze.« In: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 17. Der größte Teil des im Suhrkamp-Archiv (SUA) liegenden Werkmaterials Handkes bestätigt diese Aussagen – es weist mit einigen Ausnahmen vergleichsweise wenig Änderungen auf. Ist diese Tendenz schon seit dem Frühwerk beobachtbar, verstärkt sich des Autors Festhalten am einmal Geschriebenem noch durch seinen Wechsel des Schreibwerkzeugs Ende der achtziger Jahre – seit den Versuchen schreibt Handke seine Manuskripte vorwiegend mit dem Bleistift. Vgl. hierzu Peter Handke, »Es gibt die Schrift«, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 14 ff. sowie im Gespräch mit Gamper, S. 61 f. So die These Nils Kaspers, der anhand von Handkes Journalen (1975–1990) einen während der Entstehung von Langsame Heimkehr sich vollziehenden Umbruch in der dichterischen Arbeitsweise des Schriftstellers beschreibt. Diesen Umbruch sieht Kasper in erster Linie im Verzicht auf eine vorgängige Konstruktion des Textes sowie in einer zunehmenden zeitlichen Engführung von Schreibakt und Geschriebenem, Erzähldiskurs und metaschriftlicher Reflexion desselben begründet. Vgl. ebd., Das Schreiben und die Schrift bei Peter Handke, hier insbes. S. 295–299.
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von Interesse, als dieser spezifische Entstehungsprozess den Hintergrund bildet, vor dem die Zusammenarbeit Handkes mit seiner damaligen Lektorin Borchers zu betrachten ist.
»Du brauchst mich gar nicht einzuweihen« – Elisabeth Borchers und Peter Handke Borchers, Lyrikerin, Übersetzerin und Kinderbuchautorin, war von 1971 bis 1998 als Lektorin im Suhrkamp Verlag tätig, wo sie unter anderem Autoren wie Günter Eich, Max Frisch, Wolfgang Hildesheimer, Ludwig Hohl, Paul Nizon, Cees Nooteboom, Wolfgang Koeppen und Peter Weiss betreute. Borchers Redaktionsarbeit beschränkte sich nicht darauf, die Texte dieser renommierten Autoren mehr oder weniger unverändert in den Druck zu geben; vielmehr widmete sich die Lektorin äußerst detailliert den Manuskripten, nahm teilweise massive Änderungen vor.³³ Der Briefwechsel zwischen Borchers und Handke erstreckt sich, mit großen Lücken, von 1973 bis 1992. Dem zu Beginn ihrer Zusammenarbeit noch jungen Autor Handke schlägt die erfahrene Lektorin anfangs sogar Themen für künftige Buchprojekte vor.³⁴ Was die Arbeit an Handkes Texten betrifft, gibt der Briefwechsel nicht viel preis. Zwei Briefe stechen jedoch aus der Korrespondenz hervor. Sie stammen aus der Überarbeitungsphase der Langsamen Heimkehr. Folgt die Zusammenarbeit mit seinen Verlagslektoren meist einem von Handke festgelegten Reglement, das die Arbeit des Lektors auf einzelne Vorschläge begrenzt, über die der Schriftsteller dann entscheidet,³⁵ spricht Handke seiner Lektorin Borchers in diesen Briefen nicht nur eine Änderungs-, sondern auch eine Entscheidungskompetenz über die Gestalt des »endgültigen Text[es]« zu, erbittet diese.
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Zu Borchers umfassenden Änderungen etwa von Die Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss vgl. Rainer Gerlach, Die Bedeutung des Suhrkamp Verlags für das Werk von Peter Weiss, St. Ingberg 2005, hier z. B. S. 239 ff. So z. B. einem Brief Borchers an Handke vom 16. 1. 1974 zu entnehmen. Vgl. DLA, SUA: Suhrkamp. Thorsten Ahrend, der Handkes Arbeiten im Suhrkamp Verlag von 1997 bis 2004 betreute, beschreibt die Lektoratsarbeit folgendermaßen: »Er [Peter Handke] liefert die Texte erst ab, wenn sie durchgeschrieben sind. Danach gibt es dann nur Vorschläge zu Details (lange Listen mit Seiten- und Zeilenzahl). Über die entscheidet P. H., dann fügt er handschriftlich ins Manuskript ein, was er entscheidet, und nur zu sehr wenigen Dingen gab es dann eine weitere Runde mündlich.« (Mail vom 25. Juni 2012; für die Zitiergenehmigung sei Thorsten Ahrend herzlich gedankt).
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Liebe Elisabeth – es ist schon so, daß ich Dich bitten möchte, mir mit dem endgültigen Text zu helfen, und zwar so, daß Du allein entscheidest. Gestern abend und heute morgen bin ich den Text noch einmal durchgegangen und weiß fast nichts mehr. (Auch aus den anderen Gründen habe ich nichts mehr begriffen.) Es wird schlimm, wenn ich noch weiter über die Geschichte nachdenke. – Die Zeit gestern mit Dir hat mich ganz überzeugt, daß Du für den Text das Richtige weißt; und ich bitte Dich, noch zu korrigieren oder wiederherzustellen, was Du recht findest. Dankbar, Peter³⁶ Handke, der zum Verfassungszeitpunkt dieses Briefes vor großen Problemen hinsichtlich seiner Arbeit an Langsame Heimkehr zu stehen scheint, überträgt Borchers die Aufgabe, durch korrigierende beziehungsweise rekonstruierende Eingriffe und Umschreibungen den Prozess der Textwerdung zum Abschluss zu bringen. Ein weiterer Brief Handkes an Borchers bestätigt den Wunsch, seine Lektorin möge an der Fertigstellung des Textes in buchstäblichem Sinne »entscheidend« mitwirken. Am 9. Mai 1979, nach Überarbeitung und Neuschrift des zweiten und dritten Kapitels schreibt Handke: Ich bin bei den Korrekturen fast immer Deinen Vorschlägen gefolgt und meine, daß Du ähnlich gefühlt hast wie ich. Ich bin Dir auch sehr dankbar. Diese Geschichte war kaum zu schreiben und es gibt immer noch den einen oder anderen Satz, den ich einfach nicht selber verrücken kann. Vielleicht magst Du das noch tun – Du brauchst mich gar nicht einzuweihen. Ich möchte nur endlich frei sein davon –³⁷ Dass es sich bei diesen Formulierungen nicht allein um den Ausdruck dankbarer Höflichkeit handelt, zeigt das genetische Material der Erzählung, das Elisabeth Borchers’ großes Engagement bei der Arbeit an einer publikationsfähigen
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Undatierte Kopie eines Briefes von Peter Handke an Elisabeth Borchers [März 1979 bis April 1979], in: DLA, SUA: Suhrkamp. Mit freundlicher Genehmigung von Peter Handke, UweArnim Borchers, des Suhrkamp Verlags und des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Peter Handke an Elisabeth Borchers, Ausschnitt aus einem Brief vom 09. 05. 1979, in: DLA, SUA: Suhrkamp. Mit freundlicher Genehmigung von Peter Handke, Uwe-Arnim Borchers, des Suhrkamp Verlags und des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Es scheint doch bemerkenswert, dass nur der hier zitierte Teil des Briefes nicht in den Briefwechsel Handke / Unseld übernommen wurde, wohingegen der Rest des Briefes in einer Fußnote zitiert wird. Vgl. Peter Handke / Siegfried Unseld. Der Briefwechsel, S. 365.
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Fassung dokumentiert.³⁸ In Textfassung 2b finden sich, neben orthographischen und verschiedenen kleineren stilistischen Korrekturen, einige von Borchers vollzogene Streichungen, denen die besondere Aufmerksamkeit dieses Beitrags gilt. Sie betreffen die letzten Zeilen der Erzählung:
Abb. 1: Ausschnitt aus Peter Handke, Das Raumverbot (Textfassung 2b), mit hs. Korrekturen von Elisabeth Borchers, 158 Blatt, ohne Datum [01. 01. 1979–30. 04. 1979]. DLA, SUA: Suhrkamp. Mit freundlicher Genehmigung von Peter Handke, Uwe-Arnim Borchers, des Suhrkamp Verlags und des Deutschen Literaturarchivs Marbach.
Die Druckfahnen zeigen, dass Handke die Streichungen bestätigt – in seinem Korrekturexemplar wiederholt er die Tilgung der Worte »bunte Grimasse!«, er streicht das in Klammern gesetzte Wörtchen »wieder« ebenso wie den Gedankenstrich und vor allem: Er bestätigt die Streichung des Schlusssatzes.³⁹ Wie sind nun die von Borchers vorgenommenen Streichungen in den Schlusszeilen des Textes zu bewerten? Welche poetologischen Konsequenzen gehen mit der Umschreibung seines Endes für den Gesamttext einher? Lassen sich aus den Streichungen Folgerungen über den Schreibprozess und Fragen der Formgebung ableiten? Inwiefern eröffnet die Analyse der Umschreibung einen Mehrwert für das Verständnis des Textes?
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Änderungen der Lektorin finden sich in drei Textzeugen: In Borchers’ Korrekturexemplar des Typoskripts (Textfassung 2b), in der Druckvorlage – hier sind qualitativ und quantitativ die umfassendsten Änderungen der Lektorin zu verzeichnen – sowie in der Neuschrift des zweiten und eines Teils des dritten Kapitels. Vgl. Peter Handke, Langsame Heimkehr. Erzählung, Druckfahnen, mit Korrekturen von Peter Handke, Elisabeth Borchers und dem Korrektor, 132 Blatt, ohne Datum [12. 04. 1979– 14. 05. 1979]. DLA, SUA: Suhrkamp. In der Zusammenarbeit von Peter Handke und Elisabeth Borchers stellt diese Art von kooperativer Arbeit am Text allerdings eine Ausnahme dar. Wie der Briefwechsel Handke / Borchers (DLA, SUA: Suhrkamp) zeigt, tauschten sich der Schriftsteller und seine Lektorin vor wie nach der Entstehung von Langsame Heimkehr weniger über Handkes Schreiben, sondern etwa über Autorenvorschläge Handkes für den Suhrkamp Verlag oder über Handkes Übersetzungstätigkeiten.
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Blickt man vergleichend auf die verschiedenen Varianten des Textendes, ist zunächst augenfällig, dass sich Borchers’ Eingriffe in erster Linie auf das Bildfeld Maske/Gesicht beziehen. Die Streichung der letzten Zeile »Nie wieder will ich Masken sehen« sowie die Tilgung des Wortes »Grimasse« bewirken eine deutliche Reduzierung dieses ursprünglich dominanten Bildfelds, das im gesamten Textverlauf eine wichtige Rolle spielt.⁴⁰ Um sich der Frage der Motivation sowie den verschiedenen Implikationen dieser Umschreibungen zu nähern, soll im Folgenden ein Textauszug aus Langsame Heimkehr in den Blick genommen werden, in dem der Figur der Maske eine zentrale Funktion zukommt. Dem nachfolgend zu entfaltenden poetologischen Potential des Bildes gilt mein Interesse, da es die den Text antreibenden Suchbewegungen, Fragen und Paradoxien beispielhaft versammelt.
Earthquake Park: Die Maske als poetologische Denkfigur in Langsame Heimkehr Besagte Referenzstelle ist etwa in der Mitte der Erzählung situiert, im ersten Drittel des zweiten Kapitels »Das Raumverbot«. Von seinem Aufenthalt in Alaska zurückgekehrt, begibt sich der Protagonist Sorger an einen Ort zwischen Natur und Kultur, den sogenannten »Erdbebenpark«. Hier plant Sorger »ein Landschaftsprofil« (110) zu zeichnen. Die Episode ist emblematisch verfasst:⁴¹ Auf die in Anführungsstriche gesetzte Inscriptio, »[d]en Frieden lebendig machen« (110), folgt die Beschreibung des »Erdbebenparks«, der sich vermittels der Zeichnung des Protagonisten in eine Maske verwandelt. An die Pictura schließt die zusammenfassende Subscriptio an, die den beschriebenen epiphanischen Augenblick im Sinne der (poetischen) Utopie des »Zusammenhangs« deutet.
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»Gesicht« und »Maske« gehören zu den meist gebrauchten Begriffen in Langsame Heimkehr. Es liegen insgesamt 72 Nachweise vor, der größte Teil davon entfällt auf den Begriff »Gesicht«. Dass »Gesicht« resp. »Maske« bereits rein quantitativ eine so große Rolle in Langsame Heimkehr spielen, fand in der Forschung bislang keine Erwähnung. Auf die vergleichbar häufige Verwendung der Begriffe »Form« bzw. »Raum« wurde hingegen verschiedentlich hingewiesen. Vgl. hierzu etwa Alexander Huber, Versuch einer Ankunft, S. 141, 188. Huber zählt 67 Belegstellen für »Form« und 73 für »Raum« (vgl. ebd., S. 141). Hierauf verweist bereits Uwe C. Steiner, der auch die wichtige Funktion dieser Episode für den Gesamttext hervorhebt. Vgl. ebd., Das Glück der Schrift. Das graphisch-graphematische Gedächtnis in Peter Handkes Texten: Goethe, Keller, Kleist (Langsame Heimkehr, Versuch über die Jukebox, Versuch über den geglückten Tag), in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 70 (1996), 256–289, insbes. S. 283.
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Der Zeichner war etwas auf der Spur, und seine Striche, zuerst eng nebeneinandergesetzt, fast pedantisch, zeigten breitere Abstände; waren nur noch auf das Ereignis aus. Aufgeregt merkte er, wie sich der formlose Lehmhaufen verwandelte und zu einer Fratze wurde; und er wußte dann, daß er sie schon gesehen hatte: im Haus der Indianerin, als hölzerne Tanzmaske, welche »das Erdbeben« darstellen sollte. Deren Stirnabschluß säumte eine Reihe heller Federn, die er in dem Grassaum hier wiederfand. An der Stelle der Augen ragten, ähnlich wie hier die Wurzeln, runde Hölzer empor; auch die Nasenlöcher waren ähnlich weit vorspringende, nur schmalere Holzstifte. Sorger fand die Maske jedoch nicht unmittelbar in der Natur wieder, sondern erst in seiner davon entstehenden Zeichnung; und eigentlich geschah darin auch kein Wiederfinden jener besonderen Maske – vielmehr war es ein ruckhaftes Innewerden von Masken überhaupt; und dieser Ruck leitete weiter zur Vorstellung einer Folge von Tanzschritten: in einem einzigen Moment erlebte Sorger das Erdbeben und den menschlichen Erdbeben-Tanz. »Der Zusammenhang ist möglich«, schrieb er unter die Zeichnung. »Jeder einzelne Augenblick meines Lebens geht mit jedem anderen zusammen – ohne Hilfsglieder. Es existiert eine unmittelbare Verbindung; ich muß sie nur freiphantasieren.« (112 f.)⁴² Auf die textkonstitutive Funktion dieser Episode lassen sowohl verschiedene genetische Hinweise wie auch das semantische Verweisungssystem schließen. In textgenetischer Perspektive erscheint insbesondere aufschlussreich, dass dem Brief, mit dem Peter Handke am 30. Januar 1979 seinem Verleger Siegfried Unseld das Typoskript der Langsamen Heimkehr mit dem damaligen Titel Das Raumverbot (Fassung 2a) sendete, eine Kopie der Zeichnung des hier beschriebenen Earthquake Park in Anchorage beigelegen hat. Die Zeichnung wählte Handke aus einer Reihe von Skizzen aus, die seit Beginn des Schreibprojekts Langsame Heimkehr einen zunehmend wichtigen Stellenwert in seinen Journalen einnehmen.⁴³
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In der ersten Auflage lautet das letzte Wort dieses Absatzes aufgrund eines Druckfehlers »frei phantasieren« statt »freiphantasieren«. Das Wort wurde in obigem Zitat in korrigierter Form wiedergegeben. Zu Funktion und Bedeutung der Zeichnungen in Handkes Werk vgl. insbes. Katharina Pektor und Christoph Kepplinger-Prinz, die mit Blick auf die Notizbücher des Jahres 1978, dem Jahr der intensivsten Schreibarbeit an Langsame Heimkehr, einen »Paradigmenwechsel« konstatieren: Den Zeichnungen komme in dieser Zeit »ein dem Schreiben vergleichbarer Stellenwert zu.« Vgl. Kepplinger-Prinz / Pektor, Zeichnendes Notieren und erzählendes Zeichnen. Skizzen, Zeichnungen und Bilder in Peter Handkes Notizbüchern von 1972
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Abb. 2: Zeichnung des Earthquake Park und des Mount McKinley, Anchorage, Kopie, Notizbuch (31. 08. 1978–18. 10. 1978), 29. 09. 1978, S. 82. DLA, A: Peter Handke. Mit freundlicher Genehmigung von Peter Handke, des Suhrkamp Verlags und des Deutschen Literaturarchivs Marbach.44 ⁴⁴
Das Zeichnen ist in Langsame Heimkehr nicht nur als Metapher der Weltaneignung des Geologen Sorger von Bedeutung, es markiert darüber hinaus die Suche nach einer adäquaten Formensprache für die Erfahrung des Wahrnehmbaren, die produktionsästhetisch ihren Ausgang oftmals in tatsächlich realisierten Zeichnungen Handkes nimmt.⁴⁵ Wenn mit Ulrich von Bülow davon ausgegangen werden kann, dass die Zeichnungen häufig »zentrale Vorarbeiten
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bis 1990. Originalbeitrag Handkeonline (08. 08. 2012); http://handkeonline.onb.ac.at/ forschung/pdf/kepplinger-pektor-2012.pdf, hier S. 5. Bei der Seitenangabe folge ich der vom Schriftsteller selbst vorgenommenen Paginierung des Journals. Das Notizbuch schenkte Peter Handke im Februar 1979 Siegfried Unseld; im Suhrkamp-Archiv in Marbach ist es derzeit nur als Kopie vorhanden, das Original liegt beim Suhrkamp Verlag. Als eine weitere paradigmatische Transkription von zeichnendem resp. erzählerischem Wahrnehmungsakt kann etwa jene Episode der Langsamen Heimkehr gelten, in der Sorger ein Panorama des Yukon River zeichnet (vgl. S. 45 ff.). Als Bildnotiz findet sich dieses Panorama in Handkes Journal vom 31. 08.–18. 10. 1978, S. 75 (vgl. auch Kepplinger-Prinz / Pektor, Zeichnendes Notieren und erzählendes Zeichnen, S. 21f).
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für [Handkes] Werke«⁴⁶ darstellen, eröffnet die Zeichnung des Earthquake Park beziehungsweise deren erzählerische Transkription den Blick auf einen poetologischen Kern des Textes. Für eine solche Lesart der Episode spricht auch, dass der Erdrutsch beziehungsweise die Bruchstelle ein in Handkes Werk häufig herangezogenes Bild ist, das auf die Machart des Textes rekurriert.⁴⁷ In Die Lehre der Sainte-Victoire, dem auf Langsame Heimkehr folgenden, gleichermaßen als »Fortsetzung«⁴⁸ wie poetologischer Kommentar zu Langsame Heimkehr fungierenden Text, kommt der Figur der Bruchstelle eine Schlüsselfunktion zu. Sie ist Ausgangspunkt der Reise des Erzählers und mithin der Entstehung des Textes selbst: »Diese Stelle [eine Bruchstelle zwischen zwei Schichten verschiedenartigen Gesteins] hatte mich – die Arbeit stand nun bevor – zur Wiederholung der Reise in die Provence bewegt. Ich erwartete mir von ihr den Schlüssel […].«⁴⁹ Vor diesem Hintergrund gelesen wird der »Erdrutsch« und seine Verwandlung gewissermaßen als Eingang in die geologischen Schichten von Langsame Heimkehr lesbar, die Episode als »Querschnitt«⁵⁰ und »Drehpunkt«⁵¹ des Textes und seiner Poetik deutbar. Die poetologische Relevanz der Textstelle markiert insbesondere auch ihr abschließender Satz: Die »Suche nach Zusammenhang«, die als zentrales poetisches und philosophisches Projekt Handkes seit dem Kurzen Brief zum langen Abschied gelten kann,⁵² findet sich hier allererst explizit formu46 47
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Ulrich von Bülow, Die Tage, die Bücher, die Stifte. Peter Handkes Journale, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 237–252; hier S. 243. Vgl. paradigmatisch zum Bild des Erdbebens beziehungsweise der »Erdbeben-Bruchlinie« in Langsame Heimkehr auch S. 52 f. Auf den selbstreflexiven Charakter dieses Bildes in Handkes Schriften verweist auch Alexander Huber: »Seit Langsame Heimkehr zeigt Handke eine Vorliebe für den offenen, den klaffenden Erdboden.« (Ebd., Versuch einer Ankunft, 2005, S. 153). Uwe C. Steiner bezeichnete das Erdbeben als »metaphorischen Kern der Langsamen Heimkehr.« Vgl. ebd., Literatur als Kritik der Kritik. Die Debatte um Peter Handkes Mein Jahr in der Niemandsbucht und Langsame Heimkehr, in: Deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Wider ihre Verächter, hg. von Christian Döring, Frankfurt am Main 1995, S. 127–169, hier S. 165. Peter Handke, »Es gibt die Schrift«, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, S. 11–30, hier S. 24. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, Frankfurt am Main 1980, 1. Aufl., S. 109. Ebd., S. 108. Ebd., S. 114. Hervorhebung eben dort. Vgl. zum Konzept des Zusammenhangs für Handkes Schreiben Robert Bartmanns wegweisende Studie: Suche nach Zusammenhang. Peter Handkes Werk als Prozess, Wien 1984. Taucht das Motiv des Zusammenhangs seit dem Kurzen Brief zum langen Abschied vor allem im Kontext epiphanischer Erlebnisse auf, wird die Suche nach Zusammenhang seit Langsame Heimkehr erstmals als dichterische Arbeit an der epischen Form der Erzählung thematisiert. Erst mit dieser Erzählung tritt der Zusammenhang bzw. die Verknüpfung explizit als selbstreflexive Metapher und als Leitgedanke der Poetik hervor. Die Fortführung und poeto-
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liert. Hinsichtlich des Schlusses der Erzählung erscheint nun in erster Linie die beschriebene Wandlung eines »formlose[n]« Landschaftsausschnitts in die Figur der Maske interessant. Bemerkenswert an der zitierten Epiphanie-Episode ist zunächst die Markierung des Wahrnehmungs- und Erkenntnisvorgangs als doppelt gebrochener: Die ›wahre‹ Gestalt, die verborgene Struktur der Natur, offenbart sich Sorger erst über das Erinnerungsbild der Maske: »[…] und er wußte dann, daß er sie schon gesehen hatte […].« Dieses erinnerte Maskenbild teilt sich dem Protagonisten wiederum nur medial vermittelt über seine Zeichnung mit: »Sorger fand die Maske jedoch nicht unmittelbar in der Natur wieder, sondern erst in seiner davon entstehenden Zeichnung […].« Für den hier in paradigmatischer Verdichtung aufscheinenden Komplex von »Wiederfinden«, Erinnerung, Verwandlung und Zeichnung/Schrift findet Handke an anderer Stelle eine aussagekräftige Analogie, die Technik des Schraffierens, der Frottage: Der imaginäre Vergleich seines Schreibens mit dem »Wiederfinden einer halb verschollenen Schrift«⁵³ habe ihn von den bei der Entstehung von Langsame Heimkehr virulenten »Verstummungsproblemen«⁵⁴ befreit, ihm das Schreiben allererst wieder möglich gemacht. Die Bewegung des Schraffierens lässt sich mit dem Prozess des
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logische Entfaltung dieses Moments vollzieht Die Lehre der Sainte-Victoire, in der das »Problem der Verknüpfung und Überleitung« anhand der poetologischen (Textil-)Metapher eines Mantels reflektiert wird, den es aus verschiedenartigen Stoffen zusammenzufügen gilt. (Vgl. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 116 ff.) Die Kontinuität dieses Gedankens lässt sich bis zu Mein Jahr in der Niemandsbucht verfolgen (vgl. Alexander Huber, Versuch einer Ankunft, S. 303). Auf die Wichtigkeit dieses Konzepts für sein Arbeiten verweist auch Handke selbst, am dringlichsten wohl im Gespräch mit Herbert Gamper: »Es drängt mich zum Zusammenhang. Das ist mein – man kann ruhig sagen: mein Lebenstraum« (Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 175). Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 230: »Ja es ist scheints bei mir so eine Vorstellung, es gebe halt schon das Buch, oder das Werk, oder das Stück. Und dieses Stück […] dient als eine Unterlage, so wie wenn Sie einen Stein vor sich haben, und da ist eine Inschrift, die aber nicht zu entziffern ist mit dem freien Auge. Da legen Sie ein Papier auf den Stein und versuchen, sagen wir mit dem Bleistift, zu schraffieren, und auf diese Weise tritt dann die Inschrift, also die Schrift, hervor. Das war auch die Grundbewegung dessen, was ich jetzt grad geschrieben hab, der Erzählung Die Wiederholung, daß ich gedacht hab, die ganze Bewegung des Schreibens – das braucht man immer, so ein Hilfsmittel – ist so ein Schraffieren, daß ich da eine Inschrift, die halb verwittert oder schon fast versunken ist, wieder zum Vorschein bringe.« Vgl. zum poetischen Prinzip des Schraffierens bei Handke auch Axel Gellhaus, Das allmähliche Verblassen der Schrift. Zur Prosa von Peter Handke und Christoph Ransmayr, in: Poetica. Zeitschrift für Sprach- und Literaturwissenschaft, hg. von Joachim Küpper u. a., 22. Bd. 1990, Heft 1–2, S. 106–142, hier S. 112. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 231.
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Zeichnens, den »eng nebeneinandergesetzt[en] Strichen« vergleichen, die aus dem »formlosen Lehmhaufen« das Bild der Maske entstehen lassen. Dass die disparaten Elemente von »Wurzeln«, »Holzstifte[n]«, »Grassaum« gerade im Bild der Maske zur Einheit einer Form zusammenfinden, die wiederum die Voraussetzung für die Einsicht in einen möglichen »Zusammenhang« bildet, erscheint auf den ersten Blick paradox, gilt doch die Maske gemeinhin als Figur der Differenz. Das metaphorische Potential des Begriffs erschließt sich, wie so oft bei Handke, im Rückblick auf seine Etymologie.⁵⁵ Wie Richard Weihe in seiner Arbeit zur Kultur- und Begriffsgeschichte der Maske herausstellt, weist sowohl die lateinische als auch die griechische Verwendungsweise des Begriffs einen eklatanten Unterschied gegenüber gängigen Vorstellungen auf, die sich mit dem Bild der Maske verbinden: Steht die Maske gemeinhin für die Differenz zwischen dem, was gezeigt wird, und demjenigen, was nicht gezeigt wird, – also für Verstellung vs. Authentizität, Täuschung vs. Wahrheit, Schein vs. Sein – denkt sowohl das griechische Äquivalent prósopon als auch das lateinische persona Maske und Gesicht beziehungsweise Maske und Person zusammen.⁵⁶ Gegenüber dem trennenden Moment der zweiseitigen Maske tritt bei diesen Bedeutungen das Verbindende der Grenzfläche in den Vordergrund, die Innen und Außen, Natürliches und Künstliches verbindet. Als Reflexionsfigur einer solchen »paradoxale[n] Einheit des Unterschiedenen«⁵⁷ lässt sich die Maske auch in obigem Zitat verstehen. So wird durch das Ineinanderblenden von Landschaftsausschnitt und Maske die unaufhebbare Differenz von »Naturwelt und Menschenwerk«⁵⁸ ebenso wie ihre unauflösliche Verschränkung sichtbar – eine wichtige Denkfigur in Handkes Werk. Die Maske verweist auf die Möglichkeit der Überwindung dieser Differenz durch die Kunst und verkörpert damit den paradoxen Versuch, über den Umweg von Kunst und Künstlichkeit Natur und Natürlichkeit zurückzuerlangen.⁵⁹ Die Einsicht in die verborgene Struktur des Gesehenen vermittelt sich dem
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Wie Handke verschiedentlich ausführte, ist es ein zentrales Anliegen seiner Texte, Begriffe durch den Rückgriff auf ihre Geschichte von ihrem »Bedeutungshof« zu befreien, um sie neu wiederzufinden: »Aber was mein Ehrgeiz [ist] und auch mein Streben, das Ursprungshafte oder das Frische […] des Wortes […] zu wiederholen, oder zu erneuern.« Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 112f. Vgl. zu dieser Funktion der Maske: Richard Weihe, Die Paradoxie der Maske. Geschichte einer Form, München 2004, hier z. B. S. 35 f. Ebd., S. 357. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 9. Vgl. hierzu auch Richard Weihe, Paradoxie der Maske, S. 24 f. Zu einer solchen Strategie der »Mittelbarkeit« der Texte Handkes, die den Schein der Natürlichkeit des Erzählens zerstören, um auf diese Weise die Rekonstruktion eines postreflexiven Erzählens voranzutreiben: Christoph Bartmann, Suche nach Zusammenhang, hier v. a. S. 41 ff.
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Protagonisten erst über das Erinnerungsbild der Maske, das er in seiner Zeichnung der Landschaft »wiederzufinden« vermag. In ihrer Differenz verbunden finden sich über die Figur der Maske somit auch der sinnlich präsente Raum der Gegenwart und der Raum der Erinnerung: Sorgers Utopie ist es, »Raum-Formen« zu »Zeit-Erscheinungen« (189) zu machen⁶⁰ und somit Präsenz und Kontinuität in eins zu setzen. Der Wandel der einen »besonderen Maske« in »Masken überhaupt« unterstreicht diesen Zusammenschluss von Gegenwart und Geschichte, individueller Erinnerung und kollektiver Vergangenheit.⁶¹ Als selbstreflexives Denkbild steht die Maske in erster Linie für die Suche der Erfahrbarkeit und Beschreibbarkeit der Welt durch die Möglichkeit ihrer »Verwandlung«:⁶² Die alltäglichen Dinge enthüllen sich nicht, indem ihr Wesen geschaut wird, sondern allein durch ihre Verwandlung in eine »Form«: »Was war wirklich?« lautet ein Journal-Eintrag Handkes während der Arbeit an Langsame Heimkehr – »Jedenfalls war nichts wirklich ohne eine Form.«⁶³ Das formgebende Material ist für Handke allererst die Sprache beziehungsweise die Schrift⁶⁴ – bezeichnenderweise wird nur wenige Seiten vor der zitierten Passage »Sprache« als »Friedensstifterin« (100) bezeichnet und demnach in direkten Bezug gesetzt zu dem Motto der zitierten Textstelle: »Den Frieden lebendig machen« (110). Erst
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Diese Bewegung findet sich in Langsame Heimkehr auch anders herum reflektiert: »[E]insinnige zeitliche Abläufe« gilt es in »vielfältige räumliche Ereignisse [zu] verwandeln.« Peter Handke, Langsame Heimkehr, S. 51. Die Vorstellung eines möglichen Zusammenhangs zwischen dem Einzelnen und dem gesellschaftlichen bzw. geschichtlichen Ganzen, wie sie in dem oben zitierten Verwandlungsvorgang beschreibbar wird, wird im Verlauf von Langsame Heimkehr zunehmend wichtig: Als »gesetzgebender« und zugleich »geschichtlicher Augenblick« gefeiert wird gegen Ende der Erzählung die Erkenntnis einer möglichen Einschreibung in bzw. Fortschreibung von Geschichte als »eine von jedermann (auch von mir) fortsetzbare, friedensstiftende Form«. Peter Handke, Langsame Heimkehr, S. 168. Der Begriff der Verwandlung, der für Handkes Poetik seit den späten siebziger Jahren eine zunehmend wichtige Rolle spielt, wird bis in Handkes aktuelles Schaffen hinein zu einem poetologischen Kernbegriff, der in enger Verwandtschaft mit der Utopie des Zusammenhangs steht (vgl. hierzu auch Huber, Versuch einer Ankunft, S. 81f). Meist im Kontext epiphanischer Augenblicksbeschreibungen verwendet, verkörpert das Moment der Verwandlung ein mystisches Erscheinen der Dinge in einem Erzählen, das Verwandlung im Sinne einer auratischen Beschreibungsform vollzieht, das bedrohte Wirkliche in den Text zu retten sucht: »Verwandlung und Bergung der Dinge in Gefahr«, wie es programmatisch in Die Lehre der Sainte-Victoire heißt (Peter Handke, ebd., S. 84). DLA, A: Peter Handke, Notizbuch 17, Die Vorzeitformen, 18. 10. 1978–27. 11. 1978, S. 21. Hier zitiert nach: Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, S. 174. Vgl. hierzu auch Monika Schmitz-Emans, Schrift und Abwesenheit. Historische Paradigmen zu einer Poetik der Entzifferung und des Schreibens, S. 252.
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durch den Vorgang der Übersetzung der virtuell lesbaren Dinge in die Form der Schrift werden diese wahrnehmbar, erfahrbar. Diese Mittelbarkeit des Faktischen wird jedoch nicht als Bedrohung wahrgenommen: Im Gegensatz zu Handkes frühen Texten, die durch ein sprach- und ideologiekritisches Misstrauen gegenüber ihrem Medium geprägt sind, wird hier eine vorsichtige Neubewertung von Sprache erkennbar.⁶⁵ Ebenso wie die Denkform der Maske, die ein Inneres von einem Äußeren trennt und die beiden Seiten in Beziehung setzt, ist auch die Sprache/Schrift gekennzeichnet durch die Fähigkeit, An- und Abwesenheit zugleich unterscheiden und aufeinander beziehen zu können.⁶⁶ Schrift und Maske sind Medien der Vermittlung und Differenz zugleich: Sie führen die Trennung zwischen Zeichen und Referent vor Augen und überbrücken diese zugleich. Das Bild der Maske geht mit der »Vorstellung einer Folge von Tanzschritten« einher, der Bewegung der schreibenden/zeichnenden Hand korrespondierend, die die Gleichzeitigkeit des gegebenen Bildes in die Folge der Schrift überführt – ein »Ding-Bild-Schrift-Strich-Tanz«⁶⁷ wie es in Die Lehre der Sainte-Victoire heißt. Die Praxis des »zeichnenden Notierens« respektive »erzählenden Zeichnens«⁶⁸ generiert eine Aufmerksamkeit für die Materialität der Dinge, macht diese in ihrer Präsenz sicht- und verwandelbar. Den »nebeneinandergesetzt[en]« Strichen der Zeichnung entspricht die parataktische Reihung der Dinge im Erzählen, die jedoch nicht wie in frühen Texten Handkes als chaotische Fragmente, sondern
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Diese Akzentverschiebung hat Handke in Noch einmal vom neunten Land als »Wende« bezeichnet: In seinen frühen Texten sei die Sprache so, »wie sie die Menschen gebrauchen, irgendein Böses« (vgl. Peter Handke, Noch einmal vom neunten Land, Klagenfurt-Salzburg 1993, 1. Aufl., S. 14). Der Übermacht einer sinn- und erkenntnisverstellenden Sprache setzt Handke in seinem Frühwerk selbstreflexive Modelle und eine strenge Künstlichkeit entgegen. Den Wandel in seiner Sprachauffassung, wie Handke ihn in Noch einmal vom neunten Land für Die Wiederholung (1986) geltend macht, bricht sich bereits in Langsame Heimkehr Bahn: Es gehe ihm nun »um die Suche nach der Sprache, denn der Mensch findet zum vollen Leben erst durch die Sprache«. (Peter Handke, ebd., S. 14). Vgl. hierzu auch Johanna Bossinade, Moderne Textpoetik. Entfaltung eines Verfahrens. Mit dem Beispiel Peter Handke, Würzburg 1999, S. 140. Derrida bezeichnet die Schrift in diesem Sinne als »Totenmaske« der Phantasien des schreibenden Subjekts: »Jedes Graphem ist seinem Wesen nach testamentarisch. Die eigentümliche Abwesenheit des Subjekts der Schrift ist auch die Abwesenheit der Sache oder des Referenten.« Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt am Main 1983, S. 120 f. Für den Hinweis danke ich Sebastian Goth. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 79. Vgl. den gleichnamigen Titel des Beitrags von Kepplinger-Prinz und Pektor: Zeichnendes Notieren und erzählendes Zeichnen. Skizzen, Zeichnungen und Bilder in Peter Handkes Notizbüchern von 1972 bis 1990. Originalbeitrag Handkeonline (8. 8. 2012); http://handkeonline. onb.ac.at/forschung/pdf/kepplinger-pektor-2012.pdf
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als Teile einer imaginären Einheit erscheinen. Die Konjunktion »und«, in den zitierten Zeilen sechs Mal wiederholt, erlaubt ein solch verfugend-trennendes Nebeneinander, die »Wiedergabe einer Folge von Dingen.«⁶⁹ Das ist der poetische Weg, den die zitierte Passage auf exemplarische Weise vorführt: Ein Produktionsprozess zwischen Bild und Schrift, der auf eine Verwandlung und »Bergung der Dinge«⁷⁰ zielt, auf die Entbindung derselben aus ihren Sinn- und Diskurszusammenhängen und ihre Überführung in einen neuen, unbestimmten Zusammenhang: »Die Dinge zusammenbringen und auseinanderhalten: Epik.«⁷¹ Diese Einsicht verdankt sich folgerichtig dem Ding-Bild der Maske, ein gedankliches »Hilfsmittel«⁷², das als Vorstellung einer trennenden Verbindung zwischen Wort und Welt die Möglichkeitsbedingung des Schreibens darstellt: »Der Übergang muss für mich klar trennend und ineinander sein.«⁷³ Erst im Schreiben gelingt die Verknüpfung, kann ein »Ganzes« entstehen, ein »scheinhafte[s] Ganze[s]«,⁷⁴ wie Handke verschiedentlich betont, das seinen illusionären Charakter nicht verbirgt: »Was heißt, die Fassade aufrechterhalten?« hält Handke während der Verfertigung der Langsamen Heimkehr in seinem Journal fest, »Warum nicht ganz schöne Fassade werden?«⁷⁵ Auch hierfür steht die Maske, birgt doch die historische Semantik des Begriffs ein Modell, das die Dichotomie von Erscheinung und Wesen redundant macht: Verwandlung erscheint unter diesem Blickwinkel als Wandel »eines Äußeren zu einem anderen Äußeren.«⁷⁶ In der zitierten Textstelle setzt sich die Verwandlungsbewegung fort, ohne dass ein Dahinterliegendes offenkundig würde: der Erdhaufen wird zur Maske der Zeichnung, wird zur erinnerten Maske, wird zu »Masken überhaupt«, wird zu einer »Abfolge von Tanzschritten« etc. – statt Demaskierungen werden nur Maskenwechsel inszeniert, die aneinandergereihten Wahrnehmungen entziehen sich ihrer Verweisungsfunktion auf anderes. So werden die Dinge in ihrer »herzerwärmende[n] Unbestimmtheit«⁷⁷, ihrer Fremdheit belassen. Im Gegensatz
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Peter Handke, Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982–1987), Salzburg/Wien 1998, 1. Aufl., S. 229. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 66. Peter Handke, Phantasien der Wiederholung, Frankfurt am Main 1996, (Erstausgabe 1983), S. 48. Auf solche produktionsästhetischen Konstruktionen sei er beim Schreiben angewiesen, wie Peter Handke mit Blick auf die sein Arbeiten lenkende Vorstellung der »Schraffur« feststellte. Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 230 f. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 119. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 45. Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, S. 197. Richard Weihe, Die Paradoxie der Maske, S. 360. Peter Handke, Am Felsfenster morgens, S. 250.
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zu Handkes Frühwerk, in dem die »Innenwelt« zumeist als Movens der »Außenwelt« fungierte, wird hier die Blickrichtung verkehrt: Es sind die Gegenstände, die sich vor den Augen des Betrachters in einen »Zusammenhang« fügen und sich – fast ohne sein Zutun – verwandeln.⁷⁸ In seinem Journal Das Gewicht der Welt spricht Handke von der »Aufmerksamkeit, die von dem wahrnehmbaren Objekt ausgeht«⁷⁹ und in Die Geschichte des Bleistifts, den publizierten Notaten zu Langsame Heimkehr, heißt es entsprechend: »Es darf zwischen den Dingen und mir kein Wille sein […] sie sind erst, indem ich sie sein lasse.«⁸⁰ Diese Offenheit gegenüber dem sinnlich Gegebenen ist nur durch die Überwindung der Antinomien von Innen und Außen zu erreichen – nur so könne die Dichtung »ganz äußerlich sein«, wie Handke einmal in Bezug auf ein Goethe-Zitat festhält – auch in diesem Zusammenhang verwendet er das Bild der Maske: »Innerlichkeit–Äußerlichkeit«: Gestern las ich den Satz (von Goethe): »Auf ihrem höchsten Gipfel wird die Poesie ganz äußerlich sein.« – und der war wie eine freundschaftliche Erleuchtung einer Schreibhaltung, die auch mir […] vorschwebt. Um diese allumfassende Äußerlichkeit zu erreichen, muss der jeweilige Schriftsteller oder Poet ohne Maskierungsrest innerlich geworden sein. […] [D]er Schriftsteller, der innerlich bis zur Schwerelosigkeit geworden ist […], wird das Blatt an einem Baum beschreiben können oder den Rauch in einer Dachrinne, und so eine Beschreibung wird vielleicht zukunftsweisend sein.⁸¹ Das poetologische Bedeutungsfeld des Masken-Bildes ist hiermit jedoch nicht erschöpft. Eine weitere Lesart ergibt sich wiederum aus der Begriffsgeschichte: Das lateinische Wort persona leitete sich von personare, lat. durchtönen, ab, was die akustische Wirkung des Sprechens durch die Schauspielermaske bezeichnete.⁸² Ebenso wie die Schauspieler des griechischen Theaters ihre eigene Person
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Vgl. zu dieser These auch Alexander Huber, Versuch einer Ankunft, hier S. 82. Vgl. Peter Handke, Das Gewicht der Welt. Ein Journal. November 1975 bis März 1977, Salzburg/Wien 1977, 1. Aufl., S. 302 Vgl. Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, S. 309. Peter Handke: Die Tyrannei der Systeme. Aus einem Briefwechsel mit E. Zimmer, in: Die Zeit, 2. 1. 1976; hier zit. nach Christoph Bartmann, Suche nach Zusammenhang, S. 48 Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Basel 1989, Band 7, Lemma Person, S. 270. Vgl. hierzu auch Georg Mohr, Der Personenbegriff in der Geschichte der Philosophie, in: Person. Philosophiegeschichte, Theoretische Philosophie, Praktische Philosophie, hg. von Dieter Sturma, Münster 2011, S. 26. Demgegenüber argumentiert Richard Weihe, dass es sich bei der Verbindung von personare und persona um eine »Scheinetymologie« handele, vgl. ebd., Paradoxie der Maske, S. 28 f. Vgl.
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durch das Tragen von Masken zugunsten des Plots zurücknahmen, steht die Maske in Langsame Heimkehr für die Mühe des Erzählers sich zu verbergen, um »bei den Dingen«⁸³ zu sein. Den Protagonisten Sorger bezeichnete Handke als einen »ganz durchsichtige[n] Held[en]«, der gewissermaßen nur die Konturen abgebe, die eine »Durchsicht zur Welt« ermöglichten.⁸⁴ Sorger, der sein Vorbild in Cézannes Homme aux bras croisés hat, wird als »[e]rdfarben«⁸⁵ beschrieben – und in Die Lehre der Sainte-Victoire heißt es: »Nicht etwa verschwunden oder aufgegangen in der Landschaft kam ich mir vor, sondern in deren Gegenständen […] gut verborgen.«⁸⁶ Am Ende von Langsame Heimkehr wird Sorger konsequenterweise zur Leerstelle, ist »Niemand« (200) und Handke kommentiert im Gespräch mit Herbert Gamper: »Das war mein Ideal: wegzukommen von der Person […], daß nur noch die Stimme spricht.«⁸⁷ Die Maske ist das zugehörige Denkbild, verkörpert als Kippfigur die Ambivalenz von Enthüllung und Verhüllung, Erscheinung und Entzug⁸⁸ und kennzeichnet den Erzähler als »überpersönliches Medium«⁸⁹ und »Leerform«⁹⁰ zugleich.
Die Streichung des Schlusssatzes von Langsame Heimkehr: Textgenetische und poetologische Implikationen Im zweiten Kapitel der Langsamen Heimkehr bezeichnet die Erdbebenpark-Episode eine Art Wendepunkt: Sie eröffnet die Durchsicht auf eine mögliche Neuverortung eines an der Ding- und Naturwelt orientierten Schreibens und versam-
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zur Verbindung von Maske und personare in Bezug auf die zitierte Textstelle aus Langsame Heimkehr auch Alexander Huber, Versuch einer Ankunft, S. 155 f. Peter Handke, Nachmittag eines Schriftstellers, Frankfurt am Main 1987, 1. Aufl., S. 55. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 82. Vgl. etwa Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 36. Ebd., S. 54. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 79. In Die Geschichte des Bleistifts, den Notaten zu Langsame Heimkehr, wird dies folgendermaßen reflektiert: »Sein Gesicht, indem es ganz offen war, blieb so ganz verborgen: etwas zeigte seine Gestalt und verbarg sich.« Peter Handke, Die Geschichte des Bleistifts, S. 155. Monika Schmitz-Emans, Schrift und Abwesenheit, S. 270. Als »Leerformen« bezeichnet Handke im Gespräch mit Gamper poetologisch signifikante Metaphern wie »Viehsteige« und »blinde Fenster«, die vorstellbar wären als eine Art »Wasserzeichen von etwas, das einmal war und grad durch das Leere, das Nicht-mehr-Vorhandene, halluziniert werden kann.« Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 152 f.
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melt auf engstem Raum die poetischen Leitbilder Wiederfinden,⁹¹ Übersetzen,⁹² Verwandlung und Zusammenhang.⁹³ In seiner früheren Fassung scheint der Text über den Verknüpfungspunkt der Maske die zitierte Passage als »Drehpunkt«⁹⁴ der Erzählung, die Maske als wichtige Denkfigur zu bestätigen: das Bild prägt das vormalige Textende auf markante Weise – in den letzten fünf Zeilen finden sich mit »Gesicht«, »Grimasse« und »Maske[]« drei Varianten der Figur; als vorletztes Wort bestimmt die Maske den ursprünglichen Schluss der Erzählung: »Nie wieder will ich Masken sehen«. Vor dem Hintergrund der analysierten Referenzstelle können wir nun die Frage des Wiederaufgreifens respektive Streichens des Bildes erneut in den Blick nehmen. Offenkundig erscheint zunächst, dass die Maske in den vormalig letzten Zeilen des Textes mit einer Erfahrung verknüpft ist, gegen die es sich künftig abzugrenzen gilt: Der gestrichene Schlusssatz »Nie wieder will ich Masken sehen« setzt die Maske als Trugbild, von dem gewünscht wird, dass es nicht wiederkehre. Trennung, Differenz, Zweiheit, Täuschung prägen das semantische Feld, das die Maske hier zu eröffnen scheint – dies legen nicht zuletzt die intertextuellen Bezugslinien zu Eichendorffs Ahnung und Gegenwart nahe.⁹⁵ 91
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Der in der zuvor analysierten Textstelle zwei Mal wiederholte Begriff »Wiederfinden« verweist auf ein für Handkes Ästhetik zentrales Konzept, in dem auch das Prinzip der »Wiederholung« mitschwingt. Im Gespräch mit Herbert Gamper stellt Handke wiederfinden und erfinden gegeneinander: Da sein Schreiben immer vom Erinnern ausgehe, begreife er es als einen Vorgang des »Wiederfindens«, aus dem das »Erfinden« erst entstehen könne. Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 233. Der Ambivalenz von wiederfinden und erfinden korrespondiert auch jene von »Freiphantasieren« und »freiem Phantasieren« (letztere findet sich in der zitierten Episode auch in einem Druckfehler gespiegelt – »frei phantasieren« wurde in der 2. Auflage durch »freiphantasieren« ersetzt); die poetischen Möglichkeiten der Termini »wiederfinden« und »freiphantasieren« führt die Episode des Erdbebenparks prägnant vor Auge. »Übersetzen, übertragen« charakterisiert eine Poetik der positiv verstandenen »Mittelbarkeit«, die sich von einem Vor-Text, von einer vorgängigen Schrift her begreift – in diesem Kontext ist auch das Konzept der »Schraffur« bzw. der Akt des Zeichnens anzusiedeln. Auch wenn Schlüsselbegriffe wie Wiederfinden/Wiederholen, Verwandlung und Zusammenhang bereits vor der Entstehung der Erzählung Langsame Heimkehr in Handkes Werk zu finden sind: Erst in diesem Text schälen sich diese Metaphern als poetische Leitgedanken explizit heraus. Beispielhaft erzählerisch verdichtet finden sie sich in der zuvor zitierten Textstelle, die poetologische Ausformulierung vollzieht Die Lehre der Sainte-Victoire. Die Konstanz dieser Gedanken lässt sich bis in Handkes aktuelles Schaffen hinein verfolgen. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 114. Eichendorffs Ahnung und Gegenwart bezeichnet Handke als eines der wichtigsten Vorbilder für Langsame Heimkehr – dies nicht zuletzt, was die Form der lyrischen Endzeilen anbelangt. Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 79 f. und S. 192. In Ahnung und Gegenwart kommt der Maske eine zentrale Funktion zu, dies insbes. im elften Kapitel des Textes, in dem auch die Wendung von den »Charaktermasken ohne Charakter«
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Angesichts des komplexen und ambivalenten Bedeutungsgehalts, mit dem der Text den Begriff der Maske angereichert hat, mag eine solche Verwendungsweise des Bildes erstaunen; das Wiederaufgreifen der Figur scheint durch einen merkwürdigen Bruch gekennzeichnet, der so gar nicht Handkes Ideal der »richtigen Überleitungen«,⁹⁶ dem avisierten »Gesetz der Folge«⁹⁷ entsprechen will. Um sich der Frage dieses Bruchs zu nähern, mag ein Blick auf die Genese des Textendes hilfreich sein. Ursprünglich als umfassenderes Romanprojekt geplant, beendet Handke den Text weitaus früher als erwartet.⁹⁸ Wie Unseld in einer Gesprächsnotiz vom 5. Januar 1979 festhält, habe Handke »den Anfang eines Romans geschrieben und nach 200 Seiten festgestellt, er […] habe schon die ganze Erzählung geschrieben, jetzt suche er noch nach einem Schluß.«⁹⁹ Diese Suche währte nicht lange, die erste uns vorliegende Gesamtfassung datiert vom 6. Januar,¹⁰⁰ entstand also nur einen Tag nach dem Gespräch mit Unseld. Mit dem Textende scheint Handke jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht zufrieden gewesen zu sein – die abgesetzten Endzeilen finden sich erst in der Fassung vom 29. Januar (Textfassung 2a). Bevor sie Eingang in das Typoskript finden, schreibt Handke sie in sein Notizbuch – vielmehr: Er schreibt sie ab, überträgt sie.¹⁰¹ Denn in einer leicht abweichenden Variante finden sich diese Zeilen bereits in einem Brief an Nicolas Born, den Handke kurz vor Beginn der Niederschrift von Langsame Heimkehr verfasste. Am 31. August 1978 schickt Handke seinem Freund Born ein »Gedicht aus dem Markusdom«:
fällt. Eichendorff verwendete die Maske als Bild für eine in Zweiheiten zerrissene, heillose Welt, in der »Charakter« nurmehr vorgespielt wird, das Individuelle an die Oberflächlichkeit des Scheins veräußert ist. Vgl. zum Bild der Maske in Ahnung und Gegenwart Jochen Hörisch, »›Larven und Charaktermasken.‹ Zum elften Kapitel von ›Ahnung und Gegenwart‹«, in: Eichendorff und die Spätromantik, hg. von Hans-Georg Pott, Paderborn 1985, S. 27–38. 96 Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 118. 97 Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 45. 98 Vgl. hierzu Handke im Gespräch mit Gamper: »Der Plan war, daß der zurückgeht in sein Europa, und dann auf vielfältigen Wegen, durch verschiedene Staatsformen und auch religiöse Formen auf seinen Geburtsort zugeht. Das ist im Grund ein Fragment geblieben.« Vgl. Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 35; vgl. auch ebd., S. 153. 99 Hier zitiert nach: Peter Handke / Siegfried Unseld. Der Briefwechsel, S. 355. 100 ÖLA, Teilvorlass Peter Handke, Die Vorzeitformen (Kopie) [14. 10. 78 bis] 6. 1. 1979, Sign.: ÖLA 326/W1. Wie Anmerkung 22. 101 In Handkes Notizbuch findet sich unter dem Datum vom 29. Januar 1979 ein mit den Schlusszeilen der publizierten Fassung von Langsame Heimkehr wortidentischer Eintrag. Vgl. DLA, A: Peter Handke, Notizbuch 18, 27. 11. 1978–10. 02. 1979, S. 132.
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In der Basilika Entschwebendes Gesicht – bunte Grimasse! (Dein Augenblickbild, statt Wölbung und Tiefe, deutete mit Wirbeln und Schlitzen schon die Maske an): Der steinerne Boden zu meinen Füßen, die liegenden Steine bringen dich wieder näher. Mich in sie vertiefend, beschwere ich uns mit ihnen, Schöne Last unsrer Köpfe (Nie mehr will ich Masken sehen.)¹⁰² Die lyrischen Zeilen, die den Schluss der Erzählung bilden, sind demnach ein ans Ende des Textes montiertes, vor allem durch Kürzungen modifiziertes Eigenzitat. Indem der Schluss Material aufgreift und variiert, das vor Beginn der Niederschrift entstand, vollzieht der Text eine Art ›genetische Kreisbewegung‹. Die Bedeutungszuschreibungen, mit denen Langsame Heimkehr das Maskenbild im Textverlauf versehen würde, waren zum Zeitpunkt der Niederschrift des Gedichts sehr wahrscheinlich noch unabsehbar. Die Schwierigkeiten der »Verknüpfung«, die Handke verschiedentlich als eines der zentralen Probleme bei der Arbeit an der Form von Langsame Heimkehr hervorhob, werden hier exemplarisch als Interferenz zwischen dem epischen Anspruch, eine zusammenhängende Form zu (er) finden, und dem genuin fragmentarischen Charakter des dem Text vorausgehenden und zugrundeliegenden genetischen Materials ersichtlich.¹⁰³ Das montageartige Einarbeiten von Zeilen, die der Autor kurz vor Beginn des Schreibprozesses formulierte, zeigt, dass die in Langsame Heimkehr angelegten Schlüsselprinzipien von Wiederholung, ›Erfinden als Wiederfinden‹¹⁰⁴ sowie die »Technik der Zusammenschau« (80) nicht nur als abstrakte poetologische Konzepte zu
102 Peter Handke / Nicolas Born, Die Hand auf dem Brief. Briefwechsel 1974–1979, in: Schreibheft (65), hg. von Norbert Wehr, Essen 2005, S. 29. 103 Die ambivalente Einstellung Handkes bezüglich »zusammenhängenden«, epischen Schreibens auf der einen, Fragmentarik auf der anderen Seite wird auch in einem jüngeren Interview deutlich, in dem er den Fragmentcharakter seiner Journal-Aufzeichnungen als seine »eigentlich […] ideale Form« bezeichnet, zugleich aber betont, dass dichterisches Arbeiten für ihn nur als episches Unternehmen funktioniert: »Aber das Selbstgefühl des Arbeitens, was ich brauche, habe ich nur bei einer zusammenhängenden Erzählung; wenn ein Satz nach dem anderen kommt und man die Beziehung sieht […].« Vgl. Peter Handke, »Es gibt die Schrift«, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 11–30, hier S. 23. 104 Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 233. Vgl. Anmerkung 91.
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betrachten sind, sondern darüber hinaus als ganz konkrete materiale Textpraktiken die Genese der Erzählung prägten. Während der Phase der Niederschrift von Langsame Heimkehr hält Handke in seinem Journal fest: Was ganz wichtig ist für die Geschichte: jede Einzelheit, die ich mir notiert habe, gehört irgendwie mit der anderen zusammen: und zwar unmittelbar: d. h. jede paßt mit jeder ohne Zwischenglieder zusammen: es ist nur nötig, beide zusammenzuphantasieren: eine Verbindung existiert in jedem Fall, es ist nur meine Arbeit, die Geschichte zwischen beiden Einzelheiten zu denken, mir einzubilden.¹⁰⁵ Der Journaleintrag weist das anhand des genetischen Materials beobachtbare Vorgehen der Integration heterogener, über den Zeitraum der Vorarbeiten zu Langsame Heimkehr entstandener Notate als produktionsästhetischen Anspruch aus. Dabei kann der zitierte Journaleintrag selbst als formidabler Beleg der Umsetzung des in ihm formulierten Vorsatzes der Beziehungsherstellung durch Neukontextuierung gelten: Ebenso wie das Textende liegt auch dieser Gedanke in dreifacher Ausführung vor.¹⁰⁶ Kehren wir nun zu Borchers’ Umschreibung zurück, wird erkennbar, dass sie, indem die Streichung das Textende als Störstelle markiert, zugleich den Widerspruch zwischen der diskursiven Ebene (Erzählen vom Wunsch des Zusammenhangs) und der strukturellen Ebene des Textes (Zusammensetzung des Textes aus heterogenen Fragmenten) sichtbar macht. Wenn das vormalige Textende mit dem Satz »Nie wieder will ich Masken sehen«, einen referentiellen Bogen zur Erdbebenpark-Passage und – wie durch die ›Montage‹ des »Gedicht[s] aus dem Markusdom« deutlich wurde – ein zeitliches Zurück vor den Beginn der Niederschrift des Textes vollzieht, geht mit der Streichung des letzten Satzes auch die Umformung eines eher zyklischen in ein deutlich prozessualeres Textende einher; für diese Lesart spricht auch die Tilgung des »wieder« in der drittletzten Zeile des publizierten Textes. Die ›langsame Heimkehr‹ des Protagonisten Sorger nach Europa, Thema der Schlusszeilen des Textes, zeigte sich somit in der publizierten Fassung weniger als Rückkehr in Altbekanntes denn als Aufbruch zu ›Neuvertrautem‹. Der Akt der Streichung hebt auch den Bruch mit dem vorangegangenen Text auf, den das vormalige
105 DLA, A: Peter Handke, Tagebuch Oktober–November 1978, 11. 11. 78, S. 76. Vgl. auch Nils Kasper, Das Schreiben und die Schrift bei Peter Handke, S. 295. 106 Eine Variante dieser Formulierung dient als Subscriptio der Episode des Erdbebenparks; diese findet sich wiederum als wortwörtliches Zitat in Die Lehre der Sainte-Victoire (Vgl. ebd., S. 100).
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Textende durch das apodiktische »Nie wieder« vollzog: Wenn sich der Satz »Nie wieder will ich Masken sehen« als eine nachträgliche Negierung der in der Erdbebenparkpassage entfalteten Möglichkeit einer poetischen Neuverortung lesen lässt, lässt sich Borchers’ Eingriff als Streichung dieser ›Streichung‹ denken: das Textende vollzieht in der lektorierten (und publizierten) Fassung keinen Abbruch mit dem Vorangegangenen sondern endet im Offenen, gibt mit dem letzten Wort des Textes – »näher« – der Verbindung statt der Trennung das letzte Wort. Borchers’ Umschreibung des Textendes zeigt ihre textkonstitutive Wirkkraft in dieser Betrachtungsweise somit nicht nur innerhalb des Textes selbst, sondern markiert darüber hinaus auch die Möglichkeit der Weiterführung der in Langsame Heimkehr angelegten Suche nach neuen Formen des Schreibens.¹⁰⁷ Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen lässt sich die Frage stellen, wodurch der, gegenüber Handkes sonst üblicher Produktionspraxis, vergleichsweise große Gestaltungsraum lektoralen Mitwirkens bei der Textwerdung von Langsame Heimkehr motiviert war. Wie anhand der obigen Ausführungen deutlich wurde, führt Langsame Heimkehr auf diskursiver wie struktureller Ebene eine Poetik der Frottage, des Wiederfindens, des Übersetzens und eine der Montage vergleichbare Art der Zusammenfügung von Textmaterial vor. Es ließe sich nun argumentieren, dass dieses Verständnis und diese Praxis literarischen Schaffens gleichsam eine Annäherung von »auktorialen« an »lektorierende Schreibformen«¹⁰⁸ implizierte – denn lektorierende Formen des (Mit-) Schreibens beziehen sich ja (in viel direkterer, wortwörtlicher Weise) ebenfalls auf einen ›Vortext‹ beziehungsweise betreiben eine Organisation von Textfäden.
107 Die sich mit Langsame Heimkehr vollziehende Erkundung neuer Verfahrensweisen, die in den nachfolgenden Texten weiter Gestalt annimmt, markiert den Beginn der Handkes Texte bis heute prägenden Suche nach einer postreflexiven Form des Schreibens, die, im Kontext einer Re-Affirmation der Ding- und Naturwelt, den imaginären Zusammenhang des Wahrnehmbaren zu erschließen und ästhetisch zu transzendieren sucht. 108 Einen Versuch der Beschreibung und Kategorisierung der Funktion des Lektors unternahm kürzlich Uwe Wirth: In Abgrenzung zum »auktorialen Schreiben« erfüllen »lektorierende Schreibweisen« Wirth zufolge in erster Linie die Funktion des »manipulierende[n] Umschreiben[s]« mit dem Ziel, einen publizierbaren Text zu erstellen (vgl. Uwe Wirth, Der Lektor als zweiter Autor, Vortrag, gehalten anlässlich der Tagung »Literatur – Verlag – Archiv. Verlagswesen und Verlagsarchive in literaturwissenschaftlicher Perspektive«, Schweizerisches Literaturarchiv Bern, 14.–15. November 2013). Mit dem Begriff »Manipulation« wird nahegelegt, die verschiedenen Formen der textuellen Mitarbeit des Lektors ließen sich unter eine einzige Stoßrichtung subsumieren, sie dienten einzig der Publikationsfähigkeit des Manuskripts. Die vielfältigen Akte der Textarbeit des Lektors erfordern m. E. jedoch eine sehr viel komplexere Kategorisierung, die im Rahmen einer größeren Studie noch zu leisten ist. – Für die Möglichkeit, aus seinem Manuskript zu zitieren, sei Uwe Wirth sehr gedankt; Wirths Vortrag wird voraussichtlich 2015 im Wallstein Verlag erscheinen.
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In dieser Perspektive erscheint es nur konsequent, wenn Peter Handke die Langsame Heimkehr bestimmende »Suche nach Zusammenhang« für die Fertigstellung des Textes zu Teilen auch seiner Lektorin überträgt, die damit als Mitgestalterin der Texteinheit jene Funktion erfüllt, die Roland Barthes zufolge allein der Leser zu bewerkstelligen weiß: Sie ist die »Leser[in], [die] in einem einzigen Feld alle Spuren zusammenhält, aus denen das Geschriebene besteht.«¹⁰⁹ Mit dem Rückzug des Autors aus dem Textgeschehen tritt demnach, zumindest für einen kurzen Augenblick, ganz im Barthes’schen Sinn, die ›Leserin‹ auf die Bühne. Die Umschreibung des Textendes macht so betrachtet nicht nur die Widersprüche zwischen verschiedenen Ebenen des Textes sichtbar, die aus der Suche nach neuen Schreibformen resultieren, sondern markiert ebenso Handkes verändertes Verständnis als Autor. Befragt man in einer zugegeben etwas gewagten Volte die Streichung auf ihr genuines »poetisches Potential«,¹¹⁰ wird erkennbar, dass sich der Streichakt auf den semantischen Gehalt des Satzes »Nie wieder will ich Masken sehen« rückzubeziehen, den Satz als direktiven Sprechakt zu interpretieren scheint. Die Streichung »verbirgt« die Maske zunächst vor den Augen künftiger Leser und hält sie – das Gestrichene bleibt im genetischen Material der Erzählung lesbar – zugleich sichtbar. Das Ineinander von Erscheinung und Entzug, das der Text in der Episode des Erdbebenparks inszenierte, scheint in der Streichung aufgehoben und gespiegelt. So wie die Maske aus den Strichen der Zeichnung des Erdbebenparks hervorging, ist es ein Strich, der sie zuletzt ›verschwinden‹ lässt. Die Einsicht in die produktive Verwobenheit von »Ding-Bild-Schrift-Strich-Tanz«¹¹¹ als Interaktion zwischen materialen und phänomenal-referenziellen Modi der Darstellung, als Verzahnung von Reflexivität und Bildlichkeit, die Langsame 109 Roland Barthes, Der Tod des Autors, in: Ebd., Das Rauschen der Sprache (Kritische Essays IV), Frankfurt am Main 2006, S. 57–63, hier S. 62. Der schöne Einfall, die Homonymie von »Lecteur« und »Lektor« dergestalt auszuschöpfen, stammt von Uwe Wirth. Vgl. ebd., Der Lektor als Lektor als zweiter Autor, Vortragsmanuskript, S. 8. 110 Vgl. hierzu Sandro Zanettis Definition, derzufolge sich dann vom »poetischen Potential« einer Streichung sprechen lässt, »wenn das, was aus dem Streich- und Schreibakt resultiert, in einem reflexiven Verhältnis zum Akt des Streichens steht.« Sandro Zanetti, Durchstreichen – und dann? (Beckett, Kafka, Celan, Schmidt), in: Schreiben und Streichen. Zu einem Moment produktiver Negativität, Göttingen 2011, S. 287–303, hier S. 293. Ausgehend von Zanettis Überlegungen wird der Begriff des poetischen Potentials hier in einer abgewandelten Form verwendet, die nicht die Reflexivität der Folgeerscheinungen der Streichung zur Grundlage macht, sondern den Rückbezug der Streichung auf die illokutive Funktion des gestrichenen Satzes. 111 »– Es waren die Dinge; es waren die Bilder; es war die Schrift; es war der Strich – und es war alles im Einklang […] Ding-Bild-Schrift-Strich-Tanz.« Vgl. Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 79.
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Heimkehr nicht zuletzt in der bekannten Episode als Ausweg aus der ›Sprachlosigkeit‹ und temporäres Fundament des Schreibens entwarf, scheint im Streichakt wiederholt. Des Weiteren lässt sich fragen, welchen Mehrwert die Präsenz des Gestrichenen im textgenetischen Material für neue Zugänge zu Langsame Heimkehr bereit hält: Liest man die durchgestrichenen Worte als Hinweis, als »referenziellen Zeiger«¹¹², auf die Episode des Erdbebenparks, wird – wie hier versucht – eine Neuperspektivierung dieser versteckten Scharnierstelle der Langsamen Heimkehr möglich, in der ein reflexives Netz enthüllt wird, das für die gesamte Erzählung von Relevanz ist. Die Spur der Streichung kann auf diese Weise Probleme der poetischen Formgebung sichtbar machen, die während seiner Entstehung den Text beinahe scheitern ließen, letzten Endes jedoch – auch im Rückgriff auf implizit bereits vorhandene Konzepte – die Etablierung von Paradigmen ermöglichten, die für das künftige Schreiben Handkes von zentraler Bedeutung sein sollten. Die Figur der Maske wird hierbei als wichtiges Denkbild erkennbar, nicht nur der Einsicht in die Möglichkeit des (fingierten) Zusammenhangs als produktionsästhetischer Konstruktion. Die poetische Kraft des Maskenbildes liegt zum einen darin begründet, dass es den Bruch zwischen Wort und Welt, um den Handkes Schreiben angeordnet ist, zu wiederholen und zugleich zu überspielen vermag.¹¹³ Als Figur einer paradoxalen Einheit des Unterschiedenen lässt sich die Maske als anwesend gedachtes Abwesendes lesen, sie führt Erscheinung und Entzug eng und verkörpert somit den ambivalenten Zielpunkt eines Schreibens, das sich von seiner formgebenden, zusammenhangstiftenden Kraft her begreift, »die höchste Kunst« jedoch darin sieht, »[d]ie Leere offen [zu] halten.«¹¹⁴ Im Sinne von Blumenbergs »Mehr an Aussageleistung«¹¹⁵ beinhaltet die Metapher der Maske zugleich die Grenzen des Ideals eines trennenden Inei112 Als »referenziellen Zeiger« bezeichnet Uwe Wirth mit Blick auf Peirce’ Definition des degenerierten Indices einen nicht-propositionalen Hinweis, »der nichts anderes sagt als ›Dort‹.« Vgl. Uwe Wirth, Logik der Streichung, in: Schreiben und Streichen. Zu einem Moment produktiver Negativität, hg. von Lucas Marco Gisi, Herbert Thüring und Irmgard Wirtz, Göttingen 2011, S. 23–45, hier S. 42. 113 Hierin trifft sich die Maske mit anderen poetologischen Metaphern Handkes. Vgl. zu den Bildern des »blinden Fensters«, des »Mantels der Mäntel« und der »Schwelle« Martina Wagner-Engelhaaf, Archi-Textur. Poetologische Metaphern bei Peter Handke, in: Partir, revenir … En route avec Peter Handke, Publications de l’Institut d’Allemand d’Asnières, hg. von Laurent Cassagnau, Jacques Le Rider, Erika Tunner, vol. 14, 1992, S. 93–110. 114 Peter Handke, Phantasien der Wiederholung, S. 41. 115 Hans Blumenberg, Paradigmen einer Metaphorologie, Frankfurt am Main 1998, S. 9. Das spezifische Potential von Metaphern liegt Blumenberg zufolge in ihrer begrifflich nicht einzuholenden Aussagefunktion, die zugleich jene »logische ›Verlegenheit‹ des Textes zu ermitteln [hilft], für die die Metapher einspringt.« (Ebd., S. 9).
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nanders und entlarvt hierin das grundlegende Dilemma des Textes: Als formalisiertes und stilisiertes ›Abbild‹ verweist die Maske auf die den Text strukturierende Wunschform des Zusammenhangs, den »Großen Geist der Form«,¹¹⁶ den sie zugleich als Gefahr des Textes, als seine »Fratze« (112) kennzeichnet. Einerseits vielversprechend-mehrdeutige »Leer-Form«¹¹⁷ ist die Maske zugleich »SchemaBild«,¹¹⁸ überdeterminierte Typisierung und somit »Ausdruck der Angst vor dem Einzelnen, Unzusammenhängenden, Fragmentarischen.«¹¹⁹ Das Schwanken des Textes zwischen »Entstofflichung« und »Stoff-Fülle«, »zuviel ›Sprache‹ und ›Sprachlosigkeit‹« (148), »Ewiger Formlosigkeit« (180) und »Großer Handschrift« (191), das sich in paradoxen Bildern wie dem »Dampfkörper« (178) als Ideal der festen Formlosigkeit dialektisch aufgehoben findet, rastet im Verlauf des Textes zunehmend auf Seite der »heiteren Ordnung« (174), der »kompakten Masse« (11), des »dichtgefügte[n] ›Holzstoßes‹«¹²⁰ ein. Was der Text als seine Problemkonstellation und seinen Antrieb diskursiv als Unentschiedenes benennt, scheint auf figurativer Ebene längst geklärt: Die ubiquitäre Verwendung rhetorischer Figuren wie Metaphern, Analogien, Variationen, Repetitionen, die häufigen Bilder der Kontinuität zwischen Teil und Ganzem, aber auch die teilweise überdeutlichen diskursiven Fingerzeige (»auch hier der Kreis« [67]) und reflexiven Ausdeutungen der Bilder verfugen den Text so dicht, dass die zu Beginn der Erzählung genannten »Gruben, Dellen und Löcher« (11), die »Wirbel in der sonst so kompakten Masse« (11) zu verschwinden drohen. Wenn jedoch Wort und Welt zunehmend eng zusammengefügt werden – wie soll es dann möglich sein, zu differenzieren, zu unterscheiden – jene Operationen also vorzunehmen, die doch die Grundbedingung der Möglichkeit des Zusammenhangs allererst darstellen. Nicht zuletzt verkörpert die Metapher der Maske, so lässt sich wiederum mit Blick auf die Wortgeschichte argumentieren, auch die »Masche, [das] Netz«,¹²¹ worin der Text sich zu verfangen droht. 116 117 118 119
Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 115; Kursivierung ebendort. Peter Handke, Zwischenräume, S. 113; Kursivierung ebendort. Peter Handke, Der Chinese des Schmerzes, Frankfurt am Main 1983, 1. Aufl., S. 159. So ein Notizbucheintrag Handkes, der die Problemkonstellation seines Schreibens klar benennt: »Könnte der sogenannte Geist der Erzählung auch ein Fluch sein, ein Ausdruck der Angst vor dem Einzelnen, Unzusammenhängenden, Fragmentarischen? Eine Ausflucht? Feigheit? Eine Weise des ›Reaktionären‹?« Vgl. Peter Handke, Gestern unterwegs. Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990, Salzburg 2005, 1. Aufl., S. 493. 120 Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire, S. 70. 121 »Masche, Netz« ist die erste Bedeutung, die das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens zu »Maske« aufführt: 1. Masche, Netz; Netz, in das der Leichnam gehüllt wird; 2. Wiederkehrender Toter in Netzumhüllung […]; 3. Mensch, bes. Weib, das eigentlich ein Dämon ist; Hexe; Schimpfwort 4. Vermummter, der mit Netzumhüllung einen solchen Geist darstellt.« Artikel »Maske« in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. V., Berlin/
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Die Streichung als Erweiterung des Textes zu lesen, erweist sich, wie zu sehen war, auch in Hinblick auf textgenetische Fragestellungen als produktiv, erlaubt Aufschluss bezüglich des »Performance-Akt[s] der Textwerdung.«¹²² Der für Handkes Schreiben wesentliche Komplex von Zusammenhang, Wiederholung und Verknüpfung erfährt mit Blick auf die werkgenetischen Materialien, wie am Beispiel der Entstehung des Textendes deutlich wurde, eine aussagekräftige Erweiterung: jenseits ihres poetologisch-philosophischen Vermögens tritt eine weitere, auf das Material des Textes bezogene Dimension der Begriffe zutage: während der Niederschrift von Langsame Heimkehr galt es »Zusammenhang« und »Wiederholung« allererst im Textgefüge zu stiften und zwar durch Operationen mit Textmengen, die wiedergefunden, verschoben, variiert wurden. Vor allem aber wurde der Entstehungsprozess von Langsame Heimkehr auch als ein Prozess des kollaborativen Arbeitens von Peter Handke und seiner Lektorin Elisabeth Borchers sichtbar. Handkes Wunsch, sämtliches während der Vorarbeiten und der Niederschrift von Langsame Heimkehr entstandene Material möge in der Erzählung aufgehen, scheint sich nicht zuletzt auch auf jenes ›Material‹ bezogen zu haben, das aus der Zusammenarbeit mit seiner damaligen Lektorin erwuchs. Handke, der mit Langsame Heimkehr nicht nur eine Poetik des Zusammenhangs, sondern auch eine Utopie des Miteinanders entwarf,¹²³ konnte Leipzig 1932/3, S. 1760. Zit. nach: Jochen Hörisch, »›Larven und Charaktermasken.‹ Zum elften Kapitel von ›Ahnung und Gegenwart‹«, in: Eichendorff und die Spätromantik, hg. von Hans-Georg Pott, Paderborn 1985, S. 27–38, hier S. 35 f. Etymologisch lässt sich allerdings nach Grimm kein Zusammenhang zwischen »Maske« und »Masche« nachweisen. Vgl. hierzu z. B. Richard Weihe, Paradoxie der Maske, S. 26. 122 Almuth Grésillon, Einführung in die critique génétique, Bern 1999, S. 23. 123 In Langsame Heimkehr finden sich zahlreiche »mit«-Komposita, die erste Silbe ist teilweise kursiviert: Vgl. etwa mitdenkend (17); mitdenkend (2 Mal) (62); mitbewegen (164); mitzuschwingen (169); mitspenden (195); etc. Das »Miteinander« erzeugt der Text insbesondere auch über die ubiquitär gebrauchten Partikel UND, ALS und ODER: Wie Leopold Federmair zeigen konnte, werden diese Verbindungsglieder in und seit Langsame Heimkehr »nicht nur besonders häufig gebraucht, sondern gestisch hervorgehoben, und, vor allem das UND, auch immer wieder thematisiert.« Vgl. Federmair, Formen der Konjugation. Zum Verhältnis von Chronik und Epos bei Peter Handke, in: Peter Handke. Freiheit des Schreibens, hg. von Klaus Kastberger, S. 306–342, hier S. 306. Von der »Utopie des Miteinanders« erzählt Langsame Heimkehr über die Motive des Aufgehobenseins des Menschen in der Geschichte (z. B. S. 168), des Ineinanders von Natur und Kultur (vgl. exemplarisch S. 171) sowie des Erlebens der Gemeinschaft mit anderen Menschen (vgl. etwa S. 135ff). Eine zentrale Episode in Langsame Heimkehr ist die nach dem traumatischen »Raumverbot«- bzw. Sprachverlust-Erlebnis (131ff) erfolgende Rückkehr Sorgers in das familiäre Haus der Nachbarn, in deren Runde er sich »wieder an die Menschenwelt an[zu]stücken« vermag (136), sich »in den Zügen des Menschengesichts aufgehoben« (139) fühlt. Im Gespräch mit Gamper spricht Handke von seinem »Initiations-Erlebnis mit Langsame Heimkehr […] dieses Erlebnis vom
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auf dem Weg der Suche nach einer neuen Form des Schreibens seine Lektorin als »Kompliz[in]«¹²⁴ wahrnehmen. Indem die Möglichkeit des Mitentscheidens über endgültige Formgebungsprozesse gegeben war, wird nicht zuletzt das mehr oder weniger nahtlose Verfugen, das der Text als Ziel eines Schreibens »ohne Zwischenglieder« zur Disposition stellte, als nicht einzuholende Utopie ausgewiesen.
anderen Menschen und dem Brauchen … daß es nicht die Natur ist […], sondern darüber hinaus […], daß es der Raum des Menschen ist, welcher […] der für mich menschlein-göttliche Raum ist.« Peter Handke / Herbert Gamper, Zwischenräume, S. 182 f. 124 Mit dem Begriff »Komplizenschaft« setzt Peter Handke seine Vorstellung eines gelingenden Zusammenarbeitens von Autor und Lektor ins Bild: »Anders als vor 20 Jahren sind die Lektoren immer mehr und mehr nur Angestellte des Verlags. Sie können oder dürfen ihre eigene Persönlichkeit als Leser nicht mehr verkörpern. Womit sich aufgebraucht hat, was ich mir als Autor von den Lektoren gewünscht habe – eine Art von Komplizenschaft.« Zitiert nach Wolfram Bickerich, Der Besserwisser. Lektor – ein sterbender Beruf, in: SPIEGEL, 01. 10. 1996. Vgl.: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-9095469.html; 27. 8. 2013.
benjamin specht
»(es gibt / keine leere)« Ostasiatische Philosophie und Dichtung in Durs Grünbeins Lyrikband Grauzone morgens (1988)
In einem Gespräch aus dem Jahr 1992 bringt Durs Grünbein (*1962) sein frühes Dichtungsverständnis mit einer Metapher auf den Punkt, die zu dem traditionsreichen etymologischen Bildfeld des ›Textgewebes‹ gehört: »Das Gedicht als Ding hat mich […] beschäftigt als textuelle Netzeflickerei.«¹ Mit dieser Charakteristik hebt Grünbein den intertextuellen Impetus seines Schaffens hervor. Für die Erstellung von neuen ›Netzen‹ aus bereits vorhandenen einzelnen ›Flicken‹ braucht es schließlich einzelne ›Textfetzen‹, und es braucht poetische ›Nähte‹, die sie miteinander verbinden. Allen beiden Aspekten ist die Grünbein-Forschung nachgegangen: den intertextuellen Schreibverfahren, die seine Gedichte von Anfang an durchziehen, sowie vor allem den zahlreichen und diversen Wissenselementen, mit denen sie gespickt sind.² Grünbein ist ein Autor, der viel weiß – und der weiß, dass er viel weiß. Relevante Wissenskontexte seiner Lyrik sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus Hirnforschung, Genetik, Ethologie, Paläontologie, aber auch kulturwissenschaftliche aus Archäologie, Altphilologie bis hin zur jüngeren Zeitgeschichte. Daneben finden sich stete Bezüge auch zu bedeutenden Autoren der Weltliteratur quer durch die Jahrhunderte, allen voran Dante, Baudelaire und Pound,³ sowie zur neuzeitlichen Erkenntnistheorie, ja zur Philosophiegeschichte 1 2
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Durs Grünbein, »Poetry from the bad side«. Gespräch mit Thomas Naumann Berlin/Oktober 1991, in: Sprache im technischen Zeitalter, 30, S. 442–449, S. 445. So untersucht Matuschek verschiedene Formen der Intertextualität bei Grünbein (Stefan Matuschek, Assoziativ, konsekutiv, parasitär. Formen und Funktionen der Intertextualität bei Durs Grünbein, in: Authentizität und Polyphonie. Beiträge zur deutschen und polnischen Lyrik seit 1945, hg. von Jan Röhnert u. a., Heidelberg 2008, S. 237–244). Mit den verschiedenen Wissenskontexten befasst sich der unverzichtbare Herausgeberband Schreiben am Schnittpunkt. Poesie und Wissen bei Durs Grünbein (2007), konzise resümiert im Vorwort der Herausgeber. Siehe Kai Bremer, Fabian Lampart, Jörg Wesche, Poesie und Wissen bei Durs Grünbein. Einführende Überlegungen, in: Dies: Schreiben am Schnittpunkt. Poesie und Wissen bei Durs Grünbein, Freiburg im Breisgau, Berlin, Wien 2007, S. 7–16. Dass sich Grünbein besonders Ezra Pound und den Cantos verbunden fühlt, verwundert nicht. Der Autor selbst meint zu seiner ersten Begegnung mit dem Vorbild: »Aber das Beste
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überhaupt. Viele dieser Interessen sind bereits von Beginn an, nämlich in seinem Erstling Grauzone morgens (1988), in Grünbeins Schaffen nachweisbar, und sie sind in unterschiedlicher Intensität bereits von der Literaturkritik sowie -wissenschaft bemerkt und bearbeitet worden. Noch nicht in den Fokus der diskursiven Aufmerksamkeit gerückt ist allerdings ein weiterer Stoff- und Motivkreis, obwohl er sich über mehrere Schaffensphasen erstreckt: Grünbeins Interesse an ostasiatischer Philosophie und Dichtung. Seine Auseinandersetzung mit diesem Kontext setzt schon in seiner frühesten Lyrik ein und reicht zuletzt bis ins Jahr 2008, als Grünbein unter dem Titel Lob des Taifuns Reisetagebücher in Haikus und Tankas vorlegt, die über mehrere Jahre bei Aufenthalten in Japan entstanden und sich in der Tradition Bashō Matsuos (1644–1694) verorten.⁴ Diese Spur nach Ostasien ist dabei nicht bloßes Ornament, sondern führt schon in dem ersten Lyrikband Grauzone morgens ins Zentrum von Grünbeins Poetik. Dies zeigt sich bereits einem flüchtigen Blick daran, dass das in vielen Lyrikbänden besonders stark semantisierte letzte Wort im Fall von Grauzone morgens ausgerechnet »Tao« lautet und damit einen Schlüsselbegriff fernöstlicher Philosophie exponiert.⁵
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war, dass sich in dieser Dichtung, in diesem unerträglichen, stinkenden Redefluß das ganze Jahrhundert wieder fand. Am Ende ergab sich ein Tableau, das so anspielungsreich, so bis in alle Zeitentiefen hinein gestaffelt war, daß man sich in ihm verlieren konnte. Es war der gesamte Western and Eastern Canon, der dort vorüberzog.« (Durs Grünbein, Aris Fioretos, Gespräch über die Zone, den Hund und die Knochen, in: Akzente, 43, S. 486–501, S. 487). Siehe hierzu Fabian Lampart, »Jeder in seiner Welt, so viele Welten …«. Durs Grünbeins Dante, in: Text + Kritik, 153, S. 49–59, S. 50. Später nennt Grünbein Pound »den wohl wichtigsten Import-Exporthändler für Weltpoesie im Zwanzigsten Jahrhundert« (Durs Grünbein, Siebzehn Silben des Augenblicks, in: Ders., Lob des Taifuns. Reisetagebücher in Haikus, Frankfurt am Main, Leipzig 2008, S. 101–109, S. 102). In seinem Nachwort mit dem Titel Siebzehn Silben des Augenblicks bekundet Grünbein zwar besonderes Interesse nicht an dem älteren Haiku-Dichter Bashō, sondern an Issa Kobayashi (1763–1827), aber es ist faktisch doch ersterer, zu dem die meisten intertextuellen Spuren führen (Durs Grünbein, Siebzehn Silben, S. 102). Der Begriff Tao/dào bestimmt in unterschiedlicher Akzentuierung alle drei großen Weltanschauungen Chinas – den Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass Grünbein ihn in Grauzone morgens aufgreift, wo sich vielfältige Spuren buddhistischer und konfuzianischer Gedanken finden, nicht aber daoistischer wie etwa explizit bei Brecht. Wie noch zu zeigen ist, bezeichnet dào in der ostasiatischen Philosophie stets einen mentalen Zustand des vorreflexiven und widerstandslosen ›SichEinspielens‹ in eine dynamische übergreifende Ordnung der Dinge (bzw. diese Ordnung selbst). Dies kann aber per se nicht direkt thematisiert und ausgesprochen werden. Grünbein greift vor allem diesen poetologisch herausfordernden Aspekt der Lehre von dào auf, nicht den ethisch-politischen, der Brecht in seiner Auseinandersetzung mit dem Konzept interessiert. Dies hat Heinrich Detering in aller Komplexität aufgearbeitet. Besonders markant unterscheidet sich Grünbein von Brecht darin, dass dieser mit Hilfe des fernöstlichen
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Grünbeins poetische Auseinandersetzung mit Ostasien ist dabei differenziert und unterscheidet deutlich zwischen verschiedenen Traditionsanleihen mit verschiedenen Funktionen. Während er konfuzianische Ideen in Kontrastfunktion zur eigenen Gegenwart aufgreift – als pars pro toto eines Ethos, das unter den Bedingungen der Moderne nicht mehr trägt –, wird das Denken und Dichten des Chan- beziehungsweise Zen-Buddhismus zum Gegenstand der poetologischen Positionsbestimmung.⁶ Bloßer Exotismus liegt den Gedichten dabei fern, auch um ›Verfremdung‹ geht es Grünbein nicht, sondern um ein Austesten verschiedener, in der globalen Geschichte des menschlichen Denkens bereitliegender Möglichkeiten, wie ein poetischer Umgang mit den Problemen der modernen Zivilisation gefunden werden könnte.⁷ Bei allen Sympathien kommt es aber nie zu einer persönlichen Identifikation der Textsubjekte oder gar des Autors mit fernöstlicher Weltanschauung, vielmehr zu einem facettenreichen kritischen Dialog. Um dies im Einzelnen zu entwickeln, möchte ich in vier Schritten verfahren: Zunächst soll der allgemeine konzeptionelle Rahmen des Bandes, vor allem die darin artikulierte Kulturkritik und -diagnostik skizziert, dann die Bezugnahme auf konfuzianische Texte erläutert sowie anschließend die spezifische poetische Funktionalisierung zen-buddhistischer Vorstellungen erörtert werden. Am Ende dieser Untersuchung, wie auch von Grünbeins Band, steht das Gedicht Perpetuum mobile, das als Resümee und Quintessenz gelten kann. *
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Philosophems verschiedene politische und geschichtsphilosophische Positionen konfrontiert (Heinrich Detering, Bertolt Breht und Laotse, Göttingen 2008, zum Beispiel S. 67), wo Grünbein sich damit gerade aus diesem Kontext herausnehmen will. Ein solcher Gegensatz der ostasiatischen Philosophien – hier die staatstragende, soziale, ethische, dort die mystische, individualistische, ästhetische – hat in ihrer europäischen Deutungsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts Tradition. Siehe Heinrich Detering, Brecht und Laotse, S. 42–45. Ostasien, vor allem das klassische China, beschäftigt Durs Grünbein also keinesfalls als exemplarische Feudalgesellschaft und politischer Schauplatz ihrer revolutionären Überwindung, wie in der kanonisierten Geschichtsschreibung und -philosophie der DDR. Auch nutzt er fernöstliche Bezüge im genuin literarischen Zusammenhang nicht lediglich ›verfremdend‹ zur Erkenntnis des Eigenen im Anderen. Ein solcher – teils trivialisierender – Anschluss an Brechts Forderung, die unbewusste Einfühlung zu blockieren durch einen distanzierenden Transfer in fremde und exotische Kulissen, dürfte die kulturell dominante Spielart der literarischen Bezugnahme auf den fernen Osten gewesen sein, von der sich Grünbeins Umgang abhebt. Die Gedanken und Formen ostasiatischer Philosophie interessieren ihn – weil sie als Alternativen des Denkens und Dichtens nicht nur äußerlich und technisch, sondern auch in ihrem ganz eigentümlichen Gehalt für einen westlichen Dichter von Interesse sein können – als das, was sie an sich bedeuten, und nicht lediglich ›allegorisch‹.
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Dass Grauzone morgens Grünbeins einziger noch vor der Wende entstandener und publizierter Lyrikband ist,⁸ hat die Auseinandersetzung mit dem Text mehr erschwert als befördert. Viele Darstellungen zu Grünbeins Poetik übergehen sein Erstlingswerk und lassen das relevante Œuvre erst mit den Dichtungen des gesamtdeutschen Lyrikers und Dichters, nämlich mit Schädelbasislektion (1991), beginnen.⁹ Wo Grauzone morgens dennoch eingehender diskutiert wird, dann oft lediglich als Dokument der Mentalitätsgeschichte der späten DDR.¹⁰ Werden die Gedichte dagegen ästhetisch ernst genommen, so interpoliert die Forschung oft rückwärtig poetologische Interessen Grünbeins aus den 1990er Jahren – vermutlich deshalb, weil keine dichtungstheoretischen Stellungnahmen Grünbeins aus der Entstehungszeit des Bandes selbst vorliegen.¹¹ Auch der Autor selbst geht mit seinem Gedichtband auf diese Weise um: In seiner Revision »Grauzone morgens« (2005) spricht Grünbein von einem ›Dokument der Unmündigkeit‹,¹² hält den Text nur noch als Zeugnis der vergangenen »Situation eines geschlossenen Gesellschaftsraumes« und als »historisches Dokument«¹³ für gültig, ja spricht von formaler ›Primitivität‹, ›Willkür‹ und ›anspruchsloser Simplizität‹: »Erst mit dem folgenden Gedichtband (»Schädelbasislektion«) hielt die Farbe Einzug ins Bild«.¹⁴ Wenn er später überhaupt noch ansatzweise positiv auf seinen Erstling
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Der Band des in Ost und West noch fast gänzlich unbekannten Dichters entstand 1985 bis 1988 in Dresden und Berlin, erhielt eine Empfehlung von Heiner Müller, woraufhin Siegfried Unseld ihn auf der Stelle in die edition suhrkamp aufnahm. Der Autor selbst schildert diese Geschehnisse in Durs Grünbein, Poetry from the bad side, S. 446 f. Auch wenn Lampart zu denen gehört, die den Erstling nicht völlig ausblenden, so präferiert doch auch er den Folgeband mit einer nicht unbedingt treffenden Begründung: »Was die Lyrik in Schädelbasislektion […] über alle Bezüge zur sozialistischen Realität hinaus von der vorhergehenden Grauzone trennt, ist die Reflexion über die Bedingungen des eigenen Schreibens, die immer zugleich auch eine Reflexion über die Bedingungen der eigenen Wahrnehmung und ihrer Übersetzung in Sprache ist.« (Fabian Lampart, »Tropismen an den Rändern alter Formen«, Annäherungen an Durs Grünbeins Lyrik aus den Jahren der Wende, in: Engagierte Literatur in Wendezeiten, hg. von Willi Huntemann u. a., Würzburg 2003, S. 133–147, S. 136 f.). Korte hingegen besteht zu Recht darauf, dass schon in Grauzone morgens der »Aufschreibprozess allenthalben eingeschrieben« (Hermann Korte, Durs Grünbein, in: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, 50. Nlg. 2002, S. 2) und mitbedacht ist. So beispielsweise zuweilen Ron Winkler, Dichtung zwischen Großstadt und Großhirn. Annäherungen an das lyrische Werk Grünbeins, Hamburg 2000, etwa S. 43. Das frühe essayistische Werk Grünbeins, wie es in der Aufsatzsammlung Galilei vermisst Dantes Hölle (1996) vorliegt, setzt schließlich erst 1989 ein, also erst nach der frühesten Lyrik. Durs Grünbein, Revision »Grauzone morgens«, in: Ders., Gedichte. Bücher I–III, Frankfurt am Main 2006, S. 379–382, S. 379. Ebd., S. 381. Ebd., S. 382.
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zu sprechen kommt, dann nur, weil er aktuelle Interessen retrospektiv darin vorzufinden glaubt.¹⁵ Freilich hält dieser Widerruf des Autors keinem distanzierteren Textbefund stand. Der Lyrikband präsentiert sich keinesfalls künstlerisch ›primitiv‹ und ›willkürlich‹, sondern reflektiert und wohlgeordnet. Grauzone morgens besteht aus sechs Kapiteln, die zyklische Muster andeuten und nach thematischen Kriterien zusammengestellt sind. Beim ersten und längsten Teil, der den Bandtitel in der Überschrift wiederholt, wird dies am deutlichsten. Er enthält eine Art Abriss der übergreifenden Themen und Motive (Großstadt, Zeitphilosophie, Gegenwartsbeschreibung) sowie auch der lyrischen Formensprache – der visuell besonders markanten ›zersprengten Odenstrophen‹,¹⁶ der reimlosen Zweizeilern und der Andeutungen auf einige konventionellere Strophenformen wie Volksliedstrophe oder auch Terzine. Die zweite, titellose Textgruppe thematisiert die Erfahrung dieser Problemlage in Bezug auf das Individuum. Hier setzt auch die explizite Auseinandersetzung mit ostasiatischen Gedankenbeständen ein. Der im Zusammenhang dieser Untersuchung besonders wichtige dritte Teil trägt den Titel Glimpses & Glances und versammelt fünf kürzere Gedichte, die Beispiele von gelingenden Augenblickserfahrungen enthalten. Der vierte, erneut titellose Teil beschreibt den Menschen der Gegenwart in seinen sozialen Beziehungen – Liebe, Ehe, Familie, Staat –, die folgenden MonoLogischen Gedichte verhandeln poetologische Themen, und der letzte Teil umfasst nur ein einziges programmatisches Gedicht: Perpetuum mobile.
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Grünbein liest seinen Erstlingsband rückblickend unter der Lupe der Hirnphysiologie, die ihn in den 1990er Jahren beschäftigt. So erklärt er das Motiv der ›Grauzone‹: »Dabei stand Grau aber auch als Begriff, als ein Codewort für die subversiven Möglichkeiten des Gehirns. Denn das Gehirn, diese ›graue Substanz‹, konnte jederzeit alles um sich herum verwandeln.« (Durs Grünbein, Gespräch über die Zone, S. 489). Ein derartiger Ansatz lässt sich am Text selbst allerdings nicht festmachen. So vom Autor selbst bezeichnet in dem Essay Drei Briefe (1991) in Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle und bleibt an den Maßen hängen. Aufsätze 1989–1995, Frankfurt am Main 1996, S. 40–54, S. 51. Schon für den flüchtigen Blick ersichtlich, spielt Grünbein hierbei immer wieder die fundamentalen Einheiten des Gedichts gegeneinander aus: Der Satz als grammatische Einheit und der Vers als lyrische sind kaum je kongruent, so dass Sprachstruktur und Gedichtstruktur gegeneinander positioniert werden. Dabei ist jedoch vorausgesetzt, dass beide für sich noch einigermaßen erkennbar bleiben, um sich überhaupt aneinander reiben zu können. Laufhüttes Einschätzung, der »Gedichtcharakter« werde bei Grünbein »geradezu mutwillig zerstört« (Hartmut Laufhütte, Gedicht in Grauzonen. Zu Durs Grünbeins Olé, in: Liebesgedichte der Gegenwart, hg. von Hiltrud Gnüg, Stuttgart 2003, S. 70–78, S. 70), geht somit wohl etwas weit, zumal er selbst Restbestände intakter Metrik ausmacht (S. 72 f.).
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Zusammengehalten wird der Band aber nicht nur durch die gemeinsamen Themen und Formen, sondern auch durch die übergreifende Sprechsituation. Das Textsubjekt adressiert aus der ersten Person Singular Präsens immer wieder Gesprächspartner, die ihrerseits mit eigenen Redebeiträgen hervortreten, welche im Text durch Anführungszeichen oder durch Parenthesen in Klammern kenntlich werden. Dadurch erhält Grauzone morgens, selbst wenn dies nicht explizit in jedem Gedicht markiert ist, eine dialogische Grundstruktur.¹⁷ Nicht immer sind die Gesprächspartner des lyrischen Ichs leicht zu identifizieren, oft handelt es sich aber um gewichtige Stimmen aus der Literaturgeschichte. Der mehrfach angeredete ›Amigo‹ ist vielleicht César Vallejo (1892–1938), dessen Band Trilce (1922) in einem Gedicht explizite Erwähnung findet. Als ›mon frère‹ stellt sich kein Geringerer als Charles Baudelaire (1821–1867) heraus.¹⁸ Der einzige literarische Adressat, der mehrfach explizit mit Namen angeredet wird, ist jedoch ›Meister Bashô‹.¹⁹ Der nah an die Erfahrungswelt angelehnte textuelle Raum Dresdens in den späten 1980er Jahren wird durch diese spezielle Dialogizität konsequent überblendet mit einer zeitlosen virtuellen Sphäre, in der die großen Dichter durch die Jahrhunderte hinweg im Gespräch stehen.²⁰ Diese beiden Welten, in denen der Sprecher sich bewegt, sind aber aufeinander hin durchlässig. Einerseits scheinen die literarischen Gewährsmänner in verschiedenen Inkarnationen immer wieder direkt in die konkrete ›Grauzone‹ Dresdens Ende der 1980er Jahre einzutreten, ja sind häufig auf schwer auflösbare Weise mit Ansprechpartnern überlagert, die dem lyrischen Ich in seiner Dresdner Gegenwart begegnen (etwa im Auto oder in der Straßenbahn, 15, 67). Andererseits liefert die ernüchternde Erfahrung der DDR-Realität umgekehrt immer wieder die Ansatzpunkte, mit denen das autor-
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Grünbeins Dichtung ist in diesem Erstlingsband also dezidiert noch nicht polyphon in dem Sinne, in dem man ihn, rückschauend von den lyrischen Verfahren der 1990er Jahre, oft gelesen hat, dass nämlich ein Gedicht eine Pluralität von ›Stimmen‹ zu Wort kommen lässt. Meist ist es hier pro Gedicht noch immer eine oder aber zwei, deren Beiträge noch dazu erkennbar gesprächsartig arrangiert sind. Im Lob des Taifuns stellt Grünbein selbst diese Verbindung her: »Hier lass uns beten / Im größten der Warentempel, / Mon frère Baudelaire.« (Durs Grünbein, Lob des Taifuns. Reisetagebücher in Haikus, Frankfurt am Main, Leipzig 2008, S. 48). Zudem bestätigt er eine Baudelaire-Lektüre zur Zeit der Entstehung von Grauzone morgens (Durs Grünbein, Poetry from the bad side, S. 448). Grauzone morgens wird im Fließtext um der Einfachheit willen ohne Sigle zitiert mit der Seitenzahl in Klammern nach der Ausgabe: Durs Grünbein, Grauzone morgens. Gedichte, Frankfurt am Main 1988. Diese »Gastfreundschaft / der Toten« ist für das Ich das »einzige / wofür es sich lohnt / alles wegzuschmeißen« (18). Durch diese Weitwinkelperspektive erklärt sich auch das in concreto »durchgehende[] Desinteresse am politisch-ideologischen DDR-Diskurs als einer Weltanschauungsfrage« (Hermann Korte, Durs Grünbein, S. 3).
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nahe lyrische Ich arbeitet, um sie im Gespräch mit Seinesgleichen zur kulturellen und anthropologischen Diagnose zu verallgemeinern.²¹ Eine resignative Situationsbeschreibung prägt besonders die ersten beiden Teile von Grauzone morgens und wird komprimiert dargelegt bereits in dem zweiten Gedicht, das in seinem Titel den des gesamten Bandes wiederholt und von daher programmatisch besonders exponiert wird. »Alles passiert jetzt in Augenhöhe« (10) heißt es da, und im Textzusammenhang besteht kein Zweifel daran, dass dies keine positive Einschätzung darstellt. Das Gedicht macht deutlich, dass der Zustand der allgemeinen Agonie, den das Ich in seinem Alltag vorfindet, auf eine allgegenwärtige Erfahrung der Nivellierung zurückzuführen ist, weniger auf eine Fragmentierung der Lebenswelt, wie man den Text zuweilen liest.²² Die industriell-technische Wirklichkeit verschließt sich der Möglichkeit individueller Erfahrung und wird auf diese Weise monoton und ›einerlei‹.²³
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Fabian Lampart, Tropismen, S. 136: »Entworfen wird die Phänomenologie einer sinnentleerten und fragmentarisierten Wirklichkeit, als deren realer Hintergrund Versatzstücke der DDR-Realität auszumachen sind«. Siehe auch die Stellungnahme des lyrischen Ichs im Band selbst: »[D]ieser Ort / so gut wie ein anderer / in Mitteleuropa / nach Sonnenaufgang« (17). Siehe auch Winkler, der von Dresden spricht als »exemplarische[r] Schablone einer dystopischen Erfahrung« (Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 9). Die verdoppelte Diegese bildet im Übrigen die Voraussetzung, dass Grünbein seine Gedichte tatsächlich treffend als »lauter kleine Anti-Elegien« bezeichnen kann (Durs Grünbein, Poetry from the bad side, S. 444). Wie häufig in der Gattungstradition der Elegie setzt die Sprechsituation auch hier in einem konkreten Ort an, um dessen Gegenwart an seiner Vergangenheit zu messen – bestenfalls, um damit eine Vorstellung einer besseren Zukunft zu erlangen. Die Vorsilbe ›anti‹ bei Grünbein erklärt sich allerdings nicht nur formal daher, dass er natürlich keine Distichen (und auch sonst überwiegend keine gleichmäßigen Verse) verfasst, sondern dass die Gegenwart so geschlossen und verfahren erscheint, dass sich weder in Vergangenheit noch Zukunft eine passende Gegenwirklichkeit zu eröffnen scheint. Siehe auch Gerhart Pickerodt, Durs Grünbein und der Aschermittwoch der DDR, in: Verrat an der Kunst? Rückblicke auf die DDR-Literatur, hg. von Karl Deiritz, Hannes Krauss, Berlin 1993, S. 99–103, S. 100: »Jener Abgrund bezeichnet vielmehr in aller Deutlichkeit den Verlust utopischer oder auch nur auf Zukunft orientierter Erwartungen: daß es je anders werden könnte, als es ist«. So aber Fabian Lampart, Durs Grünbeins Dante, S. 54, der diese Beschreibung von einem der MonoLogischen Gedichte her belegt, in dem es aber nicht zuerst um die Gesellschaft geht als vielmehr um die Eigenlogik des Dichtungsprozesses: »Du verfolgst deine eigen- / sinnigen Pläne du stellst // die Bilder um ordnest die / Augenblicke aber du hörst // ihnen nicht zu wie sie / ganz anders ordnend ihre // eigensinnigen Pläne ver- / folgen wie sie die Bilder // umstellen zufällige Gesten / zeigen in denselben Räumen // sich anders bewegen bemüht / dir nicht zuzuhören. Das // ist der springende Punkt.« (85) Grünbeins Moderne-Kritik setzt in Grauzone morgens, wohl bedingt durch das Erleben des real-existierenden Sozialismus, somit an einer Erfahrung der Gleich- und Ausschaltung des Individuellen und Einzigartigen im weitesten Sinne an, nicht an einer Klage über dessen Hypertrophie, über zu starke Ausdifferenzierung und Pluralisierung.
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Von dieser Nivellierung ist zunächst das zwischenmenschliche Zusammenleben betroffen. Der Sprecher beobachtet in seiner Alltagswelt keine echte Vergemeinschaftung mehr, sondern – um mit Siegfried Kracauer zu sprechen – nur noch ›Massenornamente‹, bei denen der Einzelne zum Element selbstzweckhafter, funktional determinierter Menschenfigurationen wird, die er selbst nicht überschaut – zum Teilglied etwa dieser »Warteschlangen sich kreuzend an / Haltestellen«, der »Staus im / Berufsverkehr« (16) oder des »Leib[s] des Tausendfüßlers« (22). Aber auch der Naturbezug der Menschen ist von einer solchen Reduktion auf das Funktionale geprägt. Dies demonstriert das Gedicht An der Elbe, das mit seiner Diagnose als Kommentar zu Schillers Die Götter Griechenlandes (1788) gelesen werden kann. Grünbeins Sprecher-Ich denkt hier im Angesicht der geschundenen, als Schutthalde missbrauchten Natur an »all / diese Flußgötter« und die »Töchter des Okeanos« nur noch so, »als hätte es sie […] / überhaupt nicht gegeben« (35). Im Gedicht In diesen Breiten heißt es resümierend über die allgegenwärtige moderne Entfremdungserfahrung: »In diesen Breiten ruft man die Dinge / nicht an, jeder weiß das: kein / Grund zur Beschwörung.« (14) Grünbeins Zentralsymbol für diese Tendenz der modernen Kultur ist eben die ›Grauzone‹, die sich überall hin erstreckt.²⁴ Der Autor selbst bemerkt in der Rückschau: »Im Grau steckt der Übergang, das Retardieren aller chromatischen Möglichkeiten. […] Alles hatte sich mit dieser grauen Schicht überzogen. Die größte Angst war die, zu erblinden, ästhetisch, moralisch, politisch, in jeder Hinsicht.«²⁵ Nicht nur die Außenwelt ist also ›ergraut‹, das heißt nicht mehr wahrnehmbar in ihrer Besonderheit und Bedeutsamkeit. Auch das Subjekt selbst ist bedroht. Das Individuum sei, so Grünbein an anderer Stelle, »besonders im Osten bis in die Haarspitzen demontiert, überall in Sozialritualen zerrissen«.²⁶ In einer solchen Welt ist notgedrungen auch der Sprecher von Grauzone morgens unterwegs ohne eigenes Ziel, »heimwärts / oder zur Arbeit (was macht das
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Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 23: »Die Grauzone morgens ist nicht die Phase der morgendlich-unvollendeten Dämmerung, die ins Helle keimt – sie ist die Grauzone, morgens betreten. Das Grau ist der Status quo. Das von Grünbein gezeichnete Universum ist eine Grauzone bereits morgens.« Durs Grünbein, Gespräch über die Zone, S. 489. Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle, S. 53. In dem Gedicht Kursiv gerinnt solche Zeitkritik zur expliziten Klage über das politische System, das für diese Reduktion von Erlebnispotenzialen steht, wobei man im Staatswesen der DDR selbst nur ein Symptom, keine Ursache des Zustands der Gegenwartskultur sehen darf: »Amigo, was ist bloß schief / gegangen, daß sie uns derart zu Kindern / machen mit ihrer Einsicht in die Not- / wendigkeit, ihrer Wachsenden Rolle des / Staates? Die paar Verkehrskontrollen, / sagte er, bringen wir selber auf, aber der / Rest ist zuviel.« (67)
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schon)« (10). Auch er ist somit oft mehr Teilfunktion im ›Massenornament‹ als autonomes Individuum und muss sich seine unabhängige Beobachterperspektive immer wieder erkämpfen.²⁷ Diese allgegenwärtige Nivellierung ist für Grünbein allerdings nicht alleine das Ergebnis gesellschaftlicher ›Normalisierung‹, sondern hat auch allgemeinmenschliche Gründe, nämlich die Zeitlichkeit und die generelle Wahrnehmungsdisposition des Menschen. Erst beide Faktoren zusammen machen Grünbeins Kulturkritik in ihrer starken anthropologischen Fundierung transparent: Die menschliche Wahrnehmung der Welt ist an den regelmäßigen Gang der Zeit gebunden, der auf Gleichförmigkeit hin angelegt ist, und bereits dieses Faktum erschwert es, das singuläre Ereignis zu würdigen. Der vorfindliche Zustand der Zivilisation tut dann das Seinige, dass sich die Erlebnisfähigkeit der Menschen weiter reduziert. Schon das erste Gedicht Den ganzen Morgen ging thematisiert mehr diesen zeitphilosophischen, denn zeitgeschichtlichen Aspekt, den man manchmal darin erkennen wollte.²⁸ Die Zeiterfahrung wird hier metaphorisiert als ›unterirdisches Geräusch‹ »tausender Reißwölfe einer un / sichtbaren Institution die jeden lebendigen / Augenblick frisch vom Körper weg wie Papier / kram verschlangen« (9). Die Zeit, die den Tenor aller Handlungen und Geschehnisse bildet, arbeitet also kontinuierlich an der Vernichtung von herausgehobenen Momenten, führt am Ende zu nicht genutzter, weil nicht ihrer Einzigartigkeit gewärtigen Wahrnehmung des Augenblicks. Die Eindrücke, die permanent und gleichförmig auf das Subjekt eintreffen, bewirken daher nicht Vielfalt, sondern Gleichmacherei.²⁹ In dem Gedicht Wenn es nach einer resümiert das Ich diesen Zusammenhang expressis verbis wie folgt: »Da ist dieser Trick mit der Zeit. Jeder /
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In dem Essay Galilei vermisst Dantes Hölle und bleibt an den Maßen hängen wird diese so gar nicht poststrukturalistische Problematisierung des ›Subjekts‹ denn auch wie folgt pointiert: »Nicht daß das Subjekt, Hätschelkind der Geschichtsphilosophie, irgendwann, wie es heißt, verschwindet, macht ein Zusammenleben so problematisch, sondern daß es im Gegenteil nur noch Subjekte gibt … eine Wirklichkeit, die sich schwer denken lässt. Man stelle sich vor: ein Planet, bevölkert von sechs Milliarden Subjekten – und es verschärft sich das klägliche Angstbild vom wimmelnden Termitenhaufen« (Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle, S. 89). Nicht die ›Schwäche‹ des Subjekts also, sondern die Hypertrophie an Subjekten bewirkt die Nivellierung. Winkler assoziiert die ›unsichtbare Institution‹ mit der Stasi, wofür es allerdings im Text keine Anhaltspunkte gibt (Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 26). Dieses Problem wird aber nicht nur sprachlich, sondern auch visuell thematisiert. Als einziger Text steht das Gedicht komplett im Blocksatz und füllt exakt eine Seite, wobei ein Großteil leer bleibt, so dass das Gedicht in zwei Teile zerrissen wird. Die ›leere‹ Zeit wird so auch graphisch für den Leser fasslich als weiße Fläche.
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Gang durch die Vorstadt macht, daß du / älter wirst ohne dich jemals zu fühlen« (25).³⁰ Die Zeit ist also per se schon ein Faktor der Einebnung von differenzierter Wahrnehmung und Erfahrung, wenn es dem Subjekt nicht gelingt gegenzusteuern. Dies aber glückt ihm unter den vorfindlichen zivilisatorischen Bedingungen in der Regel nicht, solange es sich nämlich, wie es In diesen Breiten heißt, seine Zeit zerstreut durch die standardisierten Reize, die die ›Grauzone‹ selbst offeriert: »›Die meisten hier, siehst du, sind süchtig / nach einer Wirklichkeit wie / aus 2ter Hand …‹«, meint der ›Amigo‹ des Ich, »[k]einer / kann lassen / von dieser eiskalten Reizworthölle, den / Massen zersplitterter Bilder« (15). So bleibt die »Grauzonenlandschaft am Morgen« ein »toter Wirrwarr abgestandener Bilder« (23), aus dem keine individuelle Erfahrung herausragt. »Alles fängt an kompliziert / zu werden / wenn dir das / Elefantengrau dieser Vor- / stadtmauern den / letzen Nerv / raubt für die Unmengen / freundlicher Augenblicke« (68), heißt es in dem Gedicht Fast ein Gesang als knappes Resümee. Mit dieser Diagnose findet sich Grünbein allerdings nicht ab, auch wenn es in Fast ein Gesang zunächst so scheinen mag, als seien damit auch die Möglichkeiten der Dichtung an ihre Grenze gelangt, weil auch sie von der allgemeinen Nivellierung betroffen ist: »[D]ieser Vers / so gut wie ein anderer / hier / auf einer Grautonskala …« (69 f.). Dieser scheinbaren Allgegenwärtigkeit der ›Grauzone‹ zum Trotz soll das moderne Gedicht für Grünbein aber dennoch eine Möglichkeit bereitstellen, gelingende Erfahrungen zu provozieren, auch wenn seine räumlichen wie zeitlichen Entstehensbedingungen dem zunächst einmal entgegenzustehen scheinen. * Um aber sondieren zu können, welche poetischen und weltanschaulichen Optionen für den modernen Dichter noch zu erproben sind, ist zunächst einmal zu fragen, welche bereits vergeben sind. Für diese Negativdiagnose greift Grünbein auf ostasiatische Philosopheme zurück, genauer: den Konfuzianismus. Dieser wird zum Inbegriff einer anachronistischen Form der Zivilisation und Wertebildung, die für Grünbein nicht mehr restaurierbar ist. In zwei Gedichten wird dies ausgiebiger diskutiert, nämlich ›Aids‹ und Ein altes Thema. In beiden Texten wird ein Ethos vorgeführt, das in einer auf persönliche Bindungen und individuelle Ver-
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Diese Passage wird dabei nicht nur hervorgehoben, indem sie die einzige Partie des Gedichtes darstellt, bei der alle Zeilen linksbündig ansetzen, sondern sie ist aufgrund ihres fast durchgehend daktylischen Metrums ein Fall von ›verdecktem Versmaß‹, wie Grünbein selbst dieses Phänomen nennt (Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle, S. 51).
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antwortlichkeit gebauten sozialen Gemeinschaft Gültigkeit hatte, in der funktional bestimmten, anonymen Gesellschaft der Moderne aber nicht mehr tragfähig ist. Das Gedicht Ein altes Thema demonstriert dies für die Beziehung von Mutter und Kind, die bei Grünbein gerade keine Keimzelle von moralischem Empfinden darstellt, wie in vielen Modellen ethischer Sozialisation. Dass es in dem Text, wenn er das Mutter-Kind-Verhältnis thematisiert, tatsächlich um die allgemeine Frage nach der Moralgenese geht, wird deutlich, indem das Sprecher-Subjekt schon zu Beginn ironisch das einschlägige Signalwort setzt: Es beklagt, ihm fehle, »wenn es / um Mütter und ihre Säuglinge // geht«, der Sinn für »Moral die / Gespräche darüber so recht erst / in familiären Schwung bringt« (63).³¹ In weiten Teilen besteht der Text aus der Wiedergabe exemplarischer Beobachtungen, einer Art ›ethnologischen‹ Bestandsaufnahme eines »ganz gewöhnliche[n] Einkauf[s]« von Müttern mit ihren Sprösslingen. Hier zeigt sich in nuce die in den ersten Kapiteln des Lyrikbandes attestierte Vermassung und Nivellierung menschlicher Beziehungen. Der Sprecher bemerkt im Kaufhaus »gleich am // Eingang die Doppelreihe von / Kinderwagen« (63), die ein eigenes Massenornament formieren. Außerdem hört er die Suchaufrufe verirrter Kinder per Lautsprecherdurchsage und sieht »Mütter die ihre Kinder als // Suchtorpedos in alle Etagen / abschießen.« (63 f.) Das Einkaufszentrum bildet somit die Szene, in der sich die anonyme Funktionalität der modernen Welt besonders drastisch manifestiert. Selbst die Beziehung von Mutter und Kind wird davon affiziert. Dies belegt auch und vor allem das letzte Exempel: »Einmal sah ich // ein weinendes Baby im Draht- / verhau eines Einkaufswagens // quäkend und strampelnd und / als die Mutter ihm einen // 20 Mark-Schein gab wurde es / mit einemmal still beinah tod- // ernst und besah ihn sich / friedlich« (64). Löst man diese Schilderung auf in ihren moraltheoretischen Gehalt, so scheint selbst die Urszene selbstloser Einfühlung, das Trösten eines Kindes durch die eigene Mutter, als Tauschgeschäft zu gegenseitigem Nutzen, als Geben und Nehmen, das nicht motiviert ist durch Empathie, sondern durch den Wechsel von ›emotionalem‹ Kapital – hier der Wunsch nach Ruhe, dort der nach Unterhaltung, die beide durch die symbolische ›Bezahlung‹ erfüllt werden können. Die Pointe des Gedichtes besteht nun darin, diese Gegenwartsdiagnose mit der archaischen Ethik des alten China zu kontrastieren, was allerlei versteckte weltanschauliche und poetologische Implikationen mit sich bringt. Gleich im Anschluss an die Geldschein-Szene konstatiert der Sprecher in einer sarkastischen Wendung:³² »Im Alten China // hielten sie eigens für sowas / ein Schrift31 32
Meine Hervorhebung, B. S. Zu Grünbeins spezifischer Deutung sarkastischer Rede siehe Winkler (Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 29) und Hinrich Ahrend, Essayistische Lyrik. Grünbein Grenzgänger
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zeichen bereit: // Es bedeutete lieben und / war zusammengesetzt aus // den beiden Zeichen für eine / Frau und ein Kind.« (64) Grünbein hat dabei richtig recherchiert: Das Schriftzeichen 好 hào heißt im klassischen Chinesisch tatsächlich unter anderem ›lieben‹ und setzt sich zusammen aus den beiden Bestandteilen 女 nǚ und 子 zǐ, ›Frau‹ und ›Kind‹ beziehungsweise ›Sohn‹. Gemäß dem Wertesystem im alten China, so darf man daraus schließen, war das Verhältnis von Mutter und Kind somit unmittelbar gleichbedeutend mit ›Liebe‹. Mehr noch: Dem Faktum der natürlichen Abkunft entspricht nicht nur eine ebenfalls naturgegebene soziale Praxis, diese bildet sich wiederum unmittelbar in der Schrift ab und wird in ihr visuell sinnfällig. Das Weltbild im alten China – so legt Grünbeins Kommentar nahe – zeichnete sich also aus durch die dreifache Entsprechung von natürlichen Fakten, sozialer Praxis und schriftsprachlichem Ausdruck. Mit dieser Implikation spielt Grünbein ein durchaus kulturwissenschaftlich gedecktes Moment der altchinesischen Weltanschauung ein,³³ »wonach die Zeichen der chinesischen Schrift die Einheit von Kosmos und menschlicher Ordnung zum Ausdruck bringen«.³⁴ So erhält der kleine Exkurs nach Fernost auch eine sprachphilosophische Dimension, die speziell den modernen Dichter interessieren muss. Worte, Taten und Naturgegebenheiten stehen im geschlossenen Weltbild der alten Chinesen in direktem Bezug: Die Sprache sagt über die Dinge gleichzeitig, wie sie sind und wie sie sein sollen. In der Moderne dagegen herrscht nach Grünbein zwischen diesen Faktoren Zusammenhanglosigkeit. Wie ja bereits durch die vorangegangenen Beobachtungen aus dem Kaufhaus verdeutlicht, führt allein die biologische Elternschaft hier nicht mehr auch zu einer kulturellen Praxis empathischer Unmittelbarkeit zwischen Mutter und Kind. Und man wird Grünbeins Gedicht vielleicht nicht überanstrengen, wenn man auch einen Kontrast bezüglich des Zusammenhangs von Schrift/Sprache und Wirklichkeit konstatiert. Schließlich fügt Grünbein ganz im Gegensatz zu den Cantos seines großen Vorbildes Ezra Pound (1885–1971) nicht etwa das Schriftzeichen
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zwischen Poesie und Poetik, in: Schreiben am Schnittpunkt. Poesie und Wissen bei Durs Grünbein, hg. von Kai Bremer, Fabian Lampart, Jörg Wesche, Freiburg im Breisgau, Berlin, Wien 2007, S. 135–168, S. 153–156. Siehe Helwig Schmidt-Glintzer, Geschichte der chinesischen Literatur. Die 3000jährige Entwicklung der poetischen, erzählenden und philosophisch-religiösen Literatur Chinas von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bern, München, Wien 1990, S. 19, 21: »Dieses Verständnis von der Natürlichkeit der Schrift legte den Gedanken nahe, daß es sich bei allem Geschriebenen um etwas der Weltordnung im weitesten Sinne Entsprechendes handeln müsse«, so dass die »Verbindung von Geschriebenem als Muster (wen) […] der Kultivierung (hua) schlechthin […] zu einem Grundzug der Kultur des älteren China geworden« ist. Das Schriftzeichen für ›Schrift‹, wén, ist entsprechend auch im modernen Chinesisch Bestandteil des Wortes für ›Kultur‹, wénhuà. Ralf Moritz, Die Philosophie im alten China, Berlin 1990, S. 50 f.
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hào selbst in seinen Text ein, wie es nahe gelegen hätte, sondern paraphrasiert lediglich seine Komposition, ohne sie auch vorzuführen. Dass er die visuelle Evidenz der chinesischen Schrift also gerade nicht auszuspielen versucht, könnte dann so gedeutet werden, dass Schrift und Sprache ihren besonderen normativen Wirklichkeitsbezug verloren haben, wie er in den chinesischen Zeichen noch manifest wird. Erst in dem Gedicht ›Aids‹ jedoch werden die vollen Konsequenzen dieser Inkompatibilität der Weltbilder ausführlicher ausgelotet, die sich in Ein altes Thema andeuten. Der Text zeigt zu Beginn ein Ich in einer Imbissbude sitzend und im Lunyu lesend, den Gesprächen des Konfuzius. Die Lektüre verläuft aber keinesfalls konzentriert und kontemplativ, sondern in einer Situation permanenter Störung. Der Lesende befindet sich inmitten »erotischer Blicke, vorm / Fenster Verbrüderungsfresken« und unter Dauerbeschallung durch ein laufendes Radio (44). In dieser Situation scheint Konfuzius’ Lehre seinem modernen Leser »plötzlich // absurd. Die Gesetze des Himmels und / welche Dienste die Söhne den / Vätern, die Lebenden / ihren Ahnen schulden, die Riten und / aller Kanon vom / reinen Leben: wem galt das? Uns?« (ebd.) Hier herrschen »Dauerströme von // Informationen«, dort geordneter Ritus, hier sind die Gedanken ein »Gallerthaufen aus schlaffen / Kondomen und fischgräten- / steifen Pessaren« (44 f.), dort der ›Kanon reinen Lebens‹, hier findet sich sozialistische Uniformität mit »BraveNew-World-Komfort« (45), dort klare soziale Hierarchien von Vater und Sohn, Vorfahr und Nachkomme. Konfuzius, und mit ihm jeder Ethiker, der die angemessene ethische Praxis von einer vorgängigen harmonischen Ordnung herleitet, hat dem modernen Menschen also nichts mehr zu sagen, weil diese Prämisse von seiner Erfahrung her nicht mehr gedeckt ist. Diesen Kontrast des unmittelbar erlebten und des durch die Lektüre vermittelten Weltbildes pointiert das Ich in der Mitte des Gedichts mit einer polemischen Frage, die das Problem weiter präzisiert, wenn man der ausgelegten Spur in die Gespräche folgt: »Fehlt nur / die ›Richtigstellung der Worte‹, was?« (45) Mit dieser Phrase bezieht sich Grünbein auf ein fundamentales Prinzip des Konfuzianismus, zhèng míng, was in der Tat meist als ›Richtigstellung der Worte‹ übersetzt wird. In der für das chinesische Denken so typischen Form des Kettenarguments entwickelt Konfuzius im XIII. Buch der Gespräche dieses Philosophem wie folgt: Stimmen die Namen und Begriffe nicht, ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Mißerfolg. Gibt es Unordnung und Mißerfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es tun und was es
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lassen soll. Und darum muß der Edle die Namen und Begriffe korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können.³⁵ Wie bereits für Ein altes Thema erläutert, ist die Ordnung der Sprache nach altchinesischer Vorstellung identisch mit der des Kosmos insgesamt und mit dieser sind gleichzeitig auch moralische Normen gesetzt, so dass die wohlgeordnete Sprache mehr einen Soll- als einen reinen Ist-Zustand beschreibt.³⁶ In Konfuzius’ Argumentation von der Ordnung der Sprache hin zu der der Gesellschaft steckt also auch ein moralisches Postulat. Das angemessene Sprechen über die Dinge – das heißt eines, das die soziomorphe Ordnung des Kosmos repräsentiert – ist sowohl Voraussetzung als auch Effekt des richtigen moralischen Verhaltens des Menschen. Die ›richtige‹ Sprache bildet die kosmische Ordnung nicht nur ab, sie leistet auch einen Beitrag, sie herzustellen und zu gewährleisten. Deshalb ist es die Aufgabe des Menschen, vor allem natürlich des Dichters, in einer Weise zu reden, dass die Ordnungen von Dingen und Zeichen tatsächlich harmonieren. Diese Forderung ist es nun aber, der Grünbeins Ich nicht folgen kann, wie seine spöttische Frage zeigt. Die harmonische Parallelisierung von Natur, praktischer und geistiger Kultur würde nur funktionieren, wenn die einzelnen Parameter einander ordnungsstiftend beeinflussen könnten, falls ein Bereich vorübergehend aus dem Gleichgewicht gerät. Diese Möglichkeit einer positiven Wechselwirkung und Verstärkung wird jedoch durch die Szenerie, in der die Lektüre stattfindet, konterkariert. Es herrscht in der modernen Welt nicht Harmonie, und das äußere und innere Chaos lässt sich vom Subjekt durch eine sprachliche Ordnung nicht einholen oder gar korrigieren. Wenn der diffusen Wirklichkeit der ›Grauzone‹ aber nicht mehr durch eine ›Richtigstellung der Worte‹ begegnet werden kann, dann werden dadurch auch die Möglichkeiten des Handelns und Dichtens stark begrenzt. Dies macht Grünbein in seinem Gedicht mit einem zweiten Zitat aus den Gesprächen deutlich. Zunächst versucht sich das Ich in der Imbissbude, trotz der bereits aufgekommenen Zweifel, noch einmal forciert auf das Gelesene zu konzentrieren: »Was du nur willst / hör ihm gut zu, […] sei / entspannt« (45), nimmt es sich vor und liest:
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Konfuzius, Gespräche, hg. und übers. von Ralf Moritz, Stuttgart 1998, S. 79 (XIII,3). Siehe Ralf Moritz, Nachwort, in: Konfuzius, Gespräche, Stuttgart 1998, S. 161–215, S. 186: Die Sprache ist »vor allem als soziale Nomenklatur bestimmt, wobei die Wörter/Namen als Träger einer bestimmten Norm, eines jeweiligen Soll-Bildes von Verhalten ausgewiesen sind. Die Sprache ist dann konfus, wenn Wörter/Namen benutzt werden, die nicht mehr dem Begriff entsprechen, welcher das Soll-Bild zum Ausdruck bringt.«
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Kung-Fu-Tse, heißt es, kam ohne Pathos aus, seine Lehre war wunderbar leicht, nur ein wenig Musikkult, das ›Buch der Lieder‹ und alles Naheliegende, das er mit Zähigkeit festhielt: »Bin ich ein Kürbis Zi-Lu, bloß zum Ansehn …?« (45)³⁷ In der Welt des Konfuzius war das moralisch korrekte Verhalten somit noch ›wunderbar leicht‹, das heißt unmittelbar einleuchtend mit geringem Aufwand praktikabel. Es erfordert keine besondere Anstrengung, da es ausreicht, wenn der Mensch seine eigene Kultivierung vorantreibt – durch die richtige Lektüre, durch Musik und Achtsamkeit in seinem jeweiligen, konkreten Lebenskontext. Die Moralisierung des Ganzen wird dann quasi von alleine folgen, aufgrund der prinzipiellen positiven Wechselwirkung und Ausbalancierung zwischen der Kultivierung des Einzelnen und der Harmonie des Ganzen. Diesen Zusammenhang macht das auf den ersten Blick kryptische Zitat mit dem Kürbis deutlich: Bi Xi [ein rebellischer Beamter im Staate Jin] wollte Konfuzius in seine Dienste nehmen. Der Meister war nicht abgeneigt, dem Ruf zu folgen. Doch Zi-lu [ein Schüler Konfuzius’, B. S.] sprach: »Früher habe ich Euch reden hören, der Edle lasse sich nicht mit Menschen ein, die Unrechtes tun. Bi Xi hält in seiner Rebellion das Gebiet von Zhong-Mou besetzt. Wie könnt Ihr da jetzt die Absicht haben, seinem Ruf zu folgen?« Konfuzius erwiderte: »Ja, ich habe diese Worte gesagt. Aber heißt es nicht auch: ›Wenn etwas wirklich hart ist, dann mag es noch so sehr geschmirgelt werden, es schleift sich nicht ab. Wenn etwas wirklich weiß ist, dann kann man es noch so sehr schwärzen wollen, es gelingt nicht.‹ Bin ich denn ein Kürbis, den man aufhängen und ansehen kann, ohne ihn zu essen?«³⁸ In dem Vergleich zwischen dem ›Edlen‹ und einem Kürbis, der nicht allein zur Zier, sondern auch zur Nahrung dienen will, wird somit eine Unverwundbarkeit des moralisch integeren Einzelnen behauptet. Das einfache und pure Ethos des Edlen kann bei Konfuzius nicht korrumpiert werden, und daher kann er den Ruf des Rebellen Bi Xi annehmen, weil er immun ist gegen dessen schlechte Ein37 38
Wie auch bei den folgenden, en bloc zitierten Gedichten ist der Satz im Original nicht linksbündig, sondern an beiden Rändern flatternd. Konfuzius, Gespräche, S. 114 (XVII,7).
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flüsse. Ja, er ›regt‹ erst, indem er sich diesen aussetzt, den ›Appetit‹ seines Gegenübers an, ›verführt‹ zum richtigen Verhalten und verändert sein Umfeld zum Guten. Gerade dadurch, dass er sich im Wissen um die eigene Souveränität in die Gefährdung begibt, wird der Mensch also moralisch wirksam. Das moderne Subjekt hingegen bleibt bei Grünbein von den negativen Einflüssen seiner Umwelt nicht mehr unberührt und wirkt daher auch nicht mehr moralisierend in sie zurück. Dies hat das Gedicht ja bereits eingangs verdeutlicht, als der Lesende den Störungen passiv ausgeliefert ist. Und auch jetzt, als das Ich eigentlich noch einmal mit Nachdruck seinen Lektüregegenstand bedenken will, bricht die Wirklichkeit ein weiteres Mal in seine Gedankenwelt ein, nämlich in Form der Nachricht von ›Aids‹: »[A]ber dann / tauchte zum ersten Mal ›Aids‹ auf im / Radio beinah so / ›selbstverständlich‹ wie diese / Neonreklame im Schaufenster / gegenüber« (45 f.). Die Art und Weise, wie hier die Katastrophennachricht ganz ›selbstverständlich‹ und unmotiviert in die Wahrnehmung des Ichs vordringt, ist symptomatisch: Auch sonst ist das moderne Subjekt einer permanenten Entropie der Reize ausgesetzt, die einander in ihrer Überfülle und Unordnung nivellieren. In seinem Tun und Verhalten kann der moderne Mensch somit keine klar strukturierte Welt voraussetzen, und so kann er sich auch zu ihr nicht mehr in ein moralisches Verhältnis setzen. Er ist dem Chaos ausgeliefert, er kann aber nicht ordnend auf dieses einwirken. Grünbeins Sprecher-Subjekt bleibt daher am Ende auch nichts Anderes übrig, als ziel- und tatenlos die Imbissbude wieder zu verlassen. Gebracht hat die Konfuzius-Lektüre keine Anleitung für das richtige Handeln, lediglich ein sentimentalisches Bewusstsein, »von allen / Wespen der Erinnerung dicht / umschwärmt« (46), das heißt mit dem ›Stachel‹ einer Verlusterfahrung behaftet. * Ostasiatische Gedankenbestände kommen in Grauzone morgens aber keinesfalls nur als Negativfolie zum Einsatz, die helfen soll, die Problemlage der modernen Kultur zu konturieren. Umgekehrt dienen sie auch der Reflexion von Möglichkeiten, wie das Subjekt dem Verhängnis der ›Grauzone‹ zumindest momenthaft poetisch entrinnen kann. Dafür muss das Gedicht aber eine Möglichkeit bieten, wie der einzelne besondere Augenblick überhaupt zur Darstellung kommen kann.³⁹ Um dies zu bewerkstelligen, greift Grünbein auf das zen-buddhistische Modell
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Als einer der wenigen in der Forschung thematisiert dies auch Winkler: »Die Welt, die Grünbein schildert, gelangt – wenn man so will – immer wieder in ihrer Urkatastrophe an. Die Poesie des Augenblicks wird mit metronomischer Präzision von der Destruktion eingeholt.« (Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 29)
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der ›plötzlichen Erleuchtung‹ (chinesisch chǎn, japanisch zen oder konkreter satori) zurück, wie es in der Haiku-Dichtung seit dem siebzehnten Jahrhundert eine eigene literarische Form gefunden hat. Freilich wird Grünbeins Textsubjekt deshalb nicht selbst zum Buddhisten, sondern sondiert auch hier kritisch die Potenziale und Schwierigkeiten.⁴⁰ Noch ohne expliziten Bezug auf diesen Kontext setzt das Thema der ›Augenblicke‹, die aus dem Gleichmaß der Zeit herausgehoben sind, schon im dritten Gedicht des Bandes ein. Dort heißt es: »Etwas das zählt (gleich am Morgen) ist / dieser träge zu dir / herüberspringende Chromblitz eines / Motorrads« (11), der dem Ich den genauen Zeitpunkt anzeigt, an dem der Sommer in den Herbst umschlägt. Gleich an dieser Stelle werden zwei Charakteristika ablesbar, mit denen im Band auch sonst solche Momente meist thematisiert werden. Sie verbinden sich zum einen mit der Erfahrung aufblitzender Helligkeit – vom genannten ›Chromblitz‹ bis hin zu den Glimpses & Glances im dritten Kapitel –, sind also ganz literal schon ›plötzliche Erleuchtungen‹. Und sie bergen zum anderen die Aufhebung eines zeitlichen Widerspruchs von Dauer und Plötzlichkeit in sich, im vorliegenden Fall, indem der Blitz ›träge herüberspringt‹. Ein weiteres Beispiel bietet das Gedicht Später dann war es: »Später dann war es die silbrige Leucht- / spur« (19) des Dampfes eines Flugzeugs am Himmel, welche in ihrer Flüchtigkeit paradoxerweise auf eine überzeitliche Struktur verweist: »Alles schien dir / verkürzt (›Eine / Ordnung nie dagewesen …‹)« (ebd.). Die Augenblickserfahrung ereignet sich auch hier im diachronen Verlauf der Zeit, soll aber Zeitloses verdichten, synchrone ›Verkürzung‹ einer allgemeinen Ordnung sein. Bei der dichterischen Darstellung solcher Erfahrungen ergeben sich jedoch poetologische Schwierigkeiten, die Grünbein sehr bewusst sind. Die Erfahrung 40
Natürlich liegt es nahe, die ›gelingenden Augenblicke‹, die Grünbein in seinem Band beschreibt, nach dem Muster der ›Epiphanien‹ zu erläutern, wie sie die moderne Lyrik und Dichtung insgesamt von Baudelaire über Hofmannsthal bis Proust und Joyce geprägt hat. Auch hier dienen oft einfachste Gegenstände wie Prousts Madeleine oder Hofmannsthals Gießkanne als Auslöser von Erfahrungen einer immanenten (das heißt ohne Transzendenzbehauptung auskommenden) unio mystica, die in einen vorkategorialen Bewusstseinszustand versetzt. So wird man die ›Augenblicke‹ nicht allein und ausschließlich mit Hilfe der ostasiatischen Philosopheme deuten dürfen. Dennoch ist die Tatsache erklärungsbedürftig, dass Grünbein in seinem Lyrikband diese Erfahrungen dezidiert nicht mit dem Vokabular und der Bildlichkeit der europäischen Tradition erfasst, die ihm nicht unbekannt gewesen sein dürfte, sondern ostasiatische Begriffe, Vorstellungen und Techniken aufgreift. Dies mag seinen Grund darin haben, dass Grünbein nicht (nur) in der eigenen Kultur nach Lösungen suchen will, sondern nach allgemeinen Möglichkeiten des Denkens, die – wie im Falle der zen-buddhistischen ›Erleuchtung‹ – noch ›unverbraucht‹ und von der ›Grauzone‹ der westlichen Moderne nicht beeinträchtigt sind, auf die Proust, Joyce und Hofmannsthal mit ihren Epiphanien ja bereits reagieren.
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des gelingenden Augenblicks ist wegen der geschilderten Monotonie der Zeitwahrnehmung per se schon nur schwer zu machen, und sie ist in ihrer Flüchtigkeit überdies kaum adäquat sprachlich zur Darstellung zu bringen. Schließlich ist Sprache selbst ein Medium, das – wie unter anderem Fast ein Gesang gezeigt hat – von der allgemeinen Nivellierung durch die ›Grauzone‹ betroffen ist und zudem etwas Nachträgliches, zur genuinen Erfahrung des Augenblicks Sekundäres hat. Eine mögliche Lösung dieser Problemstellung sieht Grünbein schon in Grauzone morgens in der Poetik des Haiku, ausformuliert hat er dies jedoch erst zwanzig Jahre später in dem Aufsatz Siebzehn Silben des Augenblicks, den er dem Lob des Taifuns beifügt. Das Haiku reduziert sprachliche Mittelbarkeit sowohl durch die Instantanität und Kürze des Äußerungsakts als auch dadurch, dass die Sprache dezidiert nur Auslöser, nicht Träger des Einheitserlebnisses ist. Als auf äußerste Konzision verpflichtete »mentale Sofortreaktion« bietet das Haiku »eine Methode, die es einem erlaubte, Vergänglichstes einzufangen in Form von mikrosemantischen Intervallen«, und somit »etwas festhalten zu können, was im Augenblick seines Erscheinens einen packenden Eindruck gemacht hatte und doch nur flüchtig aufscheinen konnte, bevor es verging«.⁴¹ Die traditionellen poetischen Techniken, mit denen das Haiku dies bewerkstelligen soll und mit denen auch Grünbein arbeitet (ohne dass er freilich in Grauzone morgens tatsächlich formgerechte Haikus verfasst hätte), gehen auf die Reform des Genres durch Bashō Matsuo zurück, der es zum literarischen Komplement des Zen-Buddhismus entwickelte. Entscheidend ist dabei zum einen die spezifische Personal-, Zeit- und Raumdeixis, zum andern das Sujet. Alles, was das Aussagesubjekt näher charakterisieren könnte, oder überhaupt explizit sein Vorhandensein lokal oder temporal thematisieren würde, wird bei Bashō aus dem Text verbannt.⁴² Der Sprecherstandpunkt bleibt unspezifisch, ein grober Zeitraum wird zwar angegeben,⁴³ aber in diesem vagen Rahmen behandelt das Haiku rein präsentisch einen einzigen intensiven Augenblick. Diese Erfahrung wiederum kann sich anhand der Wahrnehmung eines Gegenstandes einstellen, der ganz gewöhnlich und nebensächlich ist,⁴⁴ die Hauptsache ist nur, dass der identische, an ihn geknüpfte Stimmungswert auch beim Leser evoziert wird. Die 41 42
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Durs Grünbein, Siebzehn Silben, S. 108. Jane Reichhold, Introduction, in: Matsuo Basho, Basho. The Complete Haiku, hg. und übers. von Jane Reichhold, Tokyo, New York, London 2008, S. 7–17, S. 9: »One of the goals of poetry is to penetrate this essence, to grab hold of it in words and pass it on to the reader, so purely that the writer as author disappears.« Dies geschieht im Wesentlichen durch das Gattungscharakteristikum eines sogenannten ›Jahreszeitenworts‹, das in keinem klassischen Haiku fehlen darf. Jane Reichhold, Introduction, S. 10. Schon bei Bashō können die Gegenstände durchaus nicht nur unscheinbar, sondern auch dezidiert hässlich sein.
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Worte müssen folglich so gewählt sein, dass sie aufgrund der ihnen anhaftenden Suggestion von Vorstellungen und Empfindungen eine analoge Erlebnisqualität initiieren, wie die unmittelbare Gegenstandserfahrung es tut.⁴⁵ Aufgrund dieser Charakteristika der Textsorte eignete sich das Haiku als literarische Form zur Darstellung zen-buddhistischer Überzeugungen. Diese Variante des Buddhismus stammt ursprünglich aus China, fand aber in Japan die größte Resonanz, wobei der zentrale Unterschied zur orthodoxen Lehre aus Indien darin liegt, dass der Zustand der Erlösung aus der Erfahrungswelt in einer plötzlichen Erkenntnis der ›Nichtigkeit‹ der Dinge besteht und nicht erst am Ende einer unendlichen Kette der Wiedergeburt erreicht werden kann, sondern im Prinzip jedem jederzeit offensteht.⁴⁶ Dieser Zustand ist nicht eine nihilistische Negation, sondern eine Art ›Rückkehr‹ zu einer ursprünglichen Bewusstseinsform,⁴⁷ die noch keinerlei Unterschiede zwischen den Phänomenen zieht, ja nicht einmal zwischen Erfahrendem und Erfahrenem, Subjekt und Objekt. All dies ist nur eine Oberflächenvariation derselben Buddha-Natur in allen Dingen, die oft dào/Tao genannt wird.⁴⁸ Dem Intellekt sowie der Sprache ist dieser Zustand aber prinzipiell nicht zugänglich, weil die diskursive Erkenntnis schon wieder ein Akt thetischen Bewusstseins wäre, das Differenzierungen voraussetzen würde, die ja gerade überwunden werden sollen. Aus demselben Grund kann diese ›Erleuchtung‹ sich nur augenblickshaft einstellen⁴⁹ und nicht willentlich hervorgebracht werden, weil sich in jedem Akt der Intentionalität noch, »und sei es auch als Streben nach Wahrheit, eine Begierde des Selbst vernehmlich macht«.⁵⁰ Das Subjekt jedoch soll im Moment der Erleuchtung nur noch klarer Spiegel der Welt sein, ganz ohne Verzerrungen wie Wünsche und Triebe. Dazu muss es zunächst einmal alle Bestrebungen überwinden und selbst ›leer‹ werden. Dann kann es auch die ›Leere‹ der Objektwelt erkennen,⁵¹ bis es schließlich sogar die Nichtig45
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Ebd., S. 16: »Instead of telling the reader what to think or feel, words describing images were used as signposts. The placement of these signs caused the reader to form certain pictures almost like memory.« Wolfgang Bauer, Geschichte der chinesischen Philosophie. Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus, hg. von Hans van Ess, München 2009, 2. Aufl., S. 213. Yu-lan Fung, A Short History of Chinese Philosophy, hg. von Derk Bodde, New York u. a. 1976, S. 261: »Comprehension of the Tao is the same as being one with it. Its wide expanse of emptiness is not a void; it is simply a state in which all distinctions are gone.« Ebd., S. 261. Jan Ulenbrook, Nachwort, in: Haiku. Japanische Dreizeiler, hg. und übers. von Jan Ulenbrook, Stuttgart 1995, S. 237–270, S. 248. Ebd., S. 246 f. Auch bei Grünbein wird in einem der MonoLogischen Gedichte diese erste, rein negative ›zen-buddhistische Einsicht‹ in die Leere der Oberflächenwirklichkeit ins Bild gebracht, hier versinnbildlicht in einer platzenden Fernsehröhre: »Seltsam was mich noch immer /
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keit dieser Erkenntnis selbst einsieht, also überhaupt keinen Unterschied mehr empfindet zwischen Subjekt und Objekt der Erfahrung.⁵² Erst dann hat es den höchsten Standpunkt der Einsicht erreicht. Einen solchen Zustand des dào will auch das Haiku provozieren, und Grünbein bringt dies selbst in einem Haiku im Lob des Taifuns zum Ausdruck: »Das Ich aufgelöst, / Indifferent die Natur: / Willkommen, Haiku.«⁵³ Aber auch schon Jahrzehnte zuvor in Grauzone morgens spricht Grünbein von der »Untrüglichkeit der Haikus« (39) und meint damit ihr Potenzial, eine nicht ›trügerische‹ Erfahrung der ›Wirklichkeit‹ aus erster, statt nur aus zweiter Hand zu ermöglichen. Solche plötzlichen Erleuchtungen gelingen vor allem in den fünf Gedichten der Glimpses & Glances. Im Rückblick meint Grünbein zu dieser Textgruppe: »Damals hatte ich die Vorstellung, daß alles, was ich wirklich sehe, eine Aneinanderreihung von Momenten ist, die ich glimpses nannte. Momente, in denen das Reale emblematisch erstarrt.«⁵⁴ Wie die Haikus identifizieren Grünbeins ›Glimpses‹ also einzelne Momente im Strom der Zeit, die eine überzeitliche, tiefere und diskursiv unaussprechliche Bedeutsamkeit aufscheinen lassen sollen und über die Begrenzungen des Ichs und seiner erfahrungsweltlichen Umgebung hinausweisen. Am ungetrübtesten zeigt sich eine solche Augenblickserfahrung im zweiten Gedicht der Rubrik Eine Regung, das eine Szene schildert, die von Bashō selbst stammen könnte: Ein einzelnes Blatt folgt dem Windstoß, den ein auffliegender Spatz verursacht hat. Diese ›Regung‹ innerhalb der Diegese des Gedichts wird dabei völlig unkommentiert vor Augen gestellt, weil sie vor allem zu einem dienen soll, nämlich eine poetische ›Regung‹ auszulösen auch in der Welt ihres Lesers, also durch die evokative Kraft der Sprache und die Zurücknahme des Textsubjekts zu wirken wie die Haikus von Bashō.⁵⁵ Das Gedicht will nicht eigentlich über die thematische ›Regung‹ sprechen, sondern sie auslösen. Und auch die folgen-
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umhaut ist diese Plötz- // lichkeit mancher Augenblicke. […] // wenn eine 61er Bildröhre auf / einen Schlag implodiert und // dir erst über den Splittern / klarwird daß da immer schon // kein Gedächtnis war (was also / sollte verlöschen?)« (86). Wolfgang Bauer, Chinesische Philosophie, S. 244: »Dann kann es gelingen, die ›Leerheit‹ – dieses janusköpfige, zwischen Nichts und All angesiedelte Phänomen – existentiell unmittelbar zu erleben.« Durs Grünbein, Lob des Taifuns, S. 63. Durs Grünbein, Poetry from the bad side, S. 446. Siehe auch ebd.: »Wenn sich das Lid über dem Auge schließt und du hast ein Motiv im Kasten, das aber, wenn du es prüfst, aus vielen Zufallselementen besteht, die sich zusammenfügen zu einer signifikanten Konstellation, einem natürlichen Gesamtzeichen. Und alles hängt allein von deiner Wahrnehmung ab, an diesem bestimmten Ort, zu dieser Zeit, in dieser Situation.« Gerhart Pickerodt, Aschermittwoch, S. 103: »Eine Regung, die zugleich eine poetische Regung zu nennen ist: eine Regung in der Grauzone blasser Alltäglichkeit und dem Ruinenzerfall eines politisch-sozialen Systems«.
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den beiden Gedichte erstreben diesen Wirkeffekt, einen Stimmungswert zu übermitteln, der im Text nicht ausgesprochen wird, aber dem Sujet als begleitende Vorstellung anhaftet. Die Gegenstände, anhand derer dies bewerkstelligt werden soll, sind wie im Haiku keinesfalls für sich herausragend oder per se positiv besetzt, ja machen im Verlauf des Zyklus’ gar eine Antiklimax durch: Ist es in Eine Regung zunächst noch der Spatz mit seinem Flügelschlag, so in Anderswo bereits lediglich eine weggeworfene Wodkaflasche und in Wärmeplastik nach Beuys gar die verwesenden Kadaver zweier aus dem Nest gefallener Jungvögel.⁵⁶ Am deutlichsten werden die zen-buddhistischen Bezüge allerdings im ersten und letzten Gedicht der Textgruppe, nämlich Du, allein und Notizblatt. In Notizblatt schildert das Ich zunächst einen Moment der Leere im Sinne eines zeit- und unterscheidungslosen Zustandes, wie ihn der Zen-Buddhist erstrebt. »Leere … mein Kopf ist nur Leere, ein / ›Schwarzes Loch‹ an diesem / Sommernachts- / wendepunkt. Tabula rasa.« (57) Wie bei einer buddhistischen Erleuchtung ›entleert‹ sich also das Subjekt zunächst, damit es als ›weißes Papier‹ mit einem unverfälschten Erlebnis der prinzipiellen Gleichheit seiner selbst und der Welt neu ›beschriftet‹ werden kann. Und auch das Gedicht selbst ist gemäß seinem Titel ja als ein solches ›Notizblatt‹ ausgewiesen. Wie in Eine Regung macht der selbstreflexive Gedichttitel folglich deutlich, dass die Erfahrung der Leere, die das Ich im Text macht, durch den Text auch im Leser erzeugt werden soll. Das Ich wird herausgelöst aus dem ›Blitzgewitter‹ der Wahrnehmungen und kann sich so in eine einzige Betrachtung versenken. »›Nichts geht mehr‹ heißt ein Gefühl / von allen Seiten fotografiert / zu sein in Betrachtung der // Ameise, die einen toten Artgenossen / vorüberschleppt (in einem / Augenblick über den Zeiten).«⁵⁷ (57) In diesem Moment der reinen Kontemplation wird eine Nebensächlichkeit wie der Anblick des Insekts zu einer Erfahrung universeller Teilhabe.⁵⁸ 56
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Winkler betitelt die ›Augenblickserfahrungen‹ somit nicht vollständig, wenn er von »der Suche nach dem ephemeren Schatten des Schönen« (Ron Winkler, Großstadt und Großhirn, S. 25) spricht. Nicht das Schöne wird gesucht, sondern das Besondere und Intensive. Grünbein bringt diese Dimension poetischer Rede, wie sie in Notizblatt in praxi vorliegt, auch poetologisch auf den Punkt in dem Essay Mein babylonisches Hirn (1995): »Vielleicht werden die stärksten Gedichte, die rätselhafteren Stücke ja aus Reizabwehr geschrieben, als ein kurzes Aufatmen des Gedächtnisses unter dem Dauerbeschuss täglicher Eindrücke.« (Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle, S. 21) In Drei Briefe wird wiederum deutlich, dass das lyrische Sprechen mit seinen besonderen graphischen und klanglichen Möglichkeiten dazu dienen soll, eine solche Erfahrung der Teilhabe, wie sie das Ich im Text erlebt, auch auf den Leser zu transferieren. Siehe Durs Grünbein, Galilei vermißt Dantes Hölle, S. 52: »Das einzelne Zeichen, die unerwartete Pause, das Leck im Sprechen, der Gedankenstrich – dies sind die Ritzen, durch die unverhofft ein anderes Licht auf das Kontinuum fällt. Plötzlich wird sichtbar, wie und ob überhaupt etwas zusammenhängt«.
»(es gibt / keine leere)«
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Und doch folgt trotz aller Parallelen am Ende des Gedichtes – schon grammatisch durch den Wechsel vom Präsens ins Präteritum als nachträgliche Bewertung eines erinnernden Ichs kenntlich – auch eine klare Abgrenzung vom Modell zenbuddhistischer Erleuchtung. Keinerlei metaphysische oder mystische Union hat hier stattgefunden, sondern – in Vorausdeutung auf Schädelbasislektion – ganz ›materialistisch‹ ein hirnphysiologischer Zustand der sensorischen Deprivation. Darauf weist Grünbein mit einem Wortspiel hin: »‹Geh Hirn!‹ … Natürlich war es nicht das / was die gewitzten / Meister der Sung-Zeit // Satori nannten.« (57)⁵⁹ Der Unterschied der Einheitserfahrungen liegt also in ihrer Deutung: Wo der Buddhist eine Einsicht in die Buddha-Natur als mystische Wesensschau zu erleben glaubt, sieht Grünbeins Ich nur eine Reduktion von Gehirnaktivität bei intensiver Konzentration auf eine singuläre Wahrnehmung.⁶⁰ Diese Absage an eine wie auch immer geartete transzendente Interpretation entspricht der grundlegenden Skepsis Grünbeins und seines Sprechers. In einem der MonoLogischen Gedichte pointiert dieser, er wolle Gedichte schreiben »ohne alle meta- / physischen Raffinessen oder // was als Ersatz neuerdings / dafür gilt« (83). Auch die Glimpses & Glances folgen dieser Prämisse. Zudem bringen solche Erlebnisse bei Grünbein nur eine Unterbrechung der Normalität, keine Erleuchtung und Erhebung von Dauer, die der Zen-Buddhist erstrebt. Das Ich muss aus den ›Augenblicken‹ stets zurückkehren in die ›Normalzeiterfahrung‹. Dies verdeutlicht Grünbein in dem Gedicht Du, allein. Du, allein mit der Geschichte im Rücken, ›Zukunft‹ ist schon zuviel gesagt, ein paar Wochen im voraus (es gibt keine Leere), dazwischen die
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Ein kleiner Recherchefehler liegt hier vor, denn die Epoche der Sung/Song-Zeit (960–1279) bezeichnet eine chinesische Dynastie, während satori ein japanisches Wort ist. Möglicherweise handelt es sich aber selbst um einen ›Witz‹, keinen Lapsus. Für diesen Gedanken danke ich Alexandra Tischel, Universität Stuttgart. Schon hier in Grauzone morgens ist somit die hirnphysiologisch inspirierte Poetik des Autors in den 1990er Jahren angelegt, wenngleich freilich noch nicht entwickelt. Dieser Komplex ist der mittlerweile wohl am besten untersuchte intellektuelle Kontext von Grünbeins Schaffen, so etwa bei Wolfgang Riedel, der Grünbeins ›Poetik der Präsenz‹ im Kontext der literarischen Anthropologie des achtzehnten Jahrhunderts verortet (Wolfgang Riedel, Poetik der Präsenz. Idee der Dichtung bei Durs Grünbein, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 24, S. 82–105).
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benjamin specht Augenblicke von Einssein mit dir und den anderen, die seltsame Komik von Emigrantenträumen in einer Zeit des ›alles erlaubt‹. (53)
›Erlaubt‹ ist deshalb ›alles‹, weil es angesichts der allgemeinen Tendenz zur Nivellierung in der ›Grauzone‹, wie im Kontext der Konfuzius-Rezeption gezeigt, auf das Handeln des Einzelnen gar nicht mehr ankommt. Er kann tun, was er will, weil keine Konsequenzen für den Gang des Ganzen folgen werden.⁶¹ Diese Zeitdiagnose wird aber auch gleich zu Beginn des vorliegenden Gedichts pointiert: Das Ich hat keine ›Zukunft‹, sondern nur »ein paar Wochen im voraus«, das heißt keine finale oder gar utopische, sondern eine lediglich temporale Perspektive nach vorn. Die ›Augenblicke von Einssein‹ vermögen diese Misere lediglich zu unterbrechen, aber nicht zu verändern. So erhält auch die in Parenthesen gesetzte und damit als reflexiver Kommentar hervorgehobene,⁶² höchste Zen-Einsicht – »(es gibt / keine Leere)« (53) – eine neue resignative Bedeutung. Die Negation selbst noch des Wissens um die ›Leere‹, die den Zen-Buddhisten erst vollkommen auf eine höhere Erkenntnisebene versetzt, führt hier nach dem Muster doppelter Verneinung in die Wirklichkeit zurück. Die Zeit geht ihren Gang und jeder Augenblick, selbst der besonderste, wird durch den nächsten abgelöst, weil es keine Leere und keine Lücken in der Zeit gibt. Das Ich als eine Art ›Emigrant‹ der Normalzeit träumt zwar von der dauerhaften ›Ausreise‹ aus der GrauzonenWelt, aber diese wird ihm nicht gelingen. Das Gedicht enthält mit solcherlei Überlegungen eine Art Kurzversion der Problematik, wie sie am ausführlichsten in dem Text No. 8 entwickelt wird. Wenn in Du, allein noch verknappt von der ›Geschichte im Rücken‹ die Rede ist, dann wird in No. 8 speziell die Geschichte Dresdens im und nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert. Angesichts der massiven historischen Erblast, die das Ich in der Ende der 1980er Jahre noch immer von Zerstörung gezeichneten Stadt empfindet, ist die buddhistische Idee einer Aufhebung von Zeit und Geschichte im besonderen Bewusstseinszustand des intensiven Augenblicks, wie sie sich in der Haiku-Dichtung artikuliert, zwar faszinierend, aber kaum möglich. Die Sprechsituation von No. 8 besteht durchgehend in einer Apostrophe ›Meister Bashôs‹ (39), dem das Ich die Problematik der Aktualisierung der Haiku-
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Dass Grünbein sich hier beschwert über eine Mentalität des ›anything goes‹ bedeutet also keine wirklichkeitsblinde Fehldeutung der DDR-Realität, sondern eine allgemeine anthropologische Diagnose. So auch Hermann Korte, Durs Grünbein, S. 2.
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Dichtung und ihrer Prämissen in der Gegenwart begreiflich machen will. Eingangs werden zwei Szenarien geschildert, eine Neuschneenacht in der Dresdner Vorstadt und eine Überschwemmung des Elbufers. Diese Geschehnisse könnten an sich Anlass geben zu einer veränderten Weltwahrnehmung im Sinne der »Untrüglichkeit der Haikus« (ebd.). Angesichts der provozierenden Hässlichkeit und Zerstörungskraft des zweiten Exempels – der »Freude der Überschwemmung« (ebd.) durch die Kloake der Elbe – rechtfertigt sich das Ich jedoch gegenüber dem Adressaten und meint: »Denk nicht ich sei gehässig Bashô. / In mir / ist nicht einmal was übrig blieb / von ›alten Soldatenträumen‹ kein ›Sommergras‹.« (40) Mit den beiden Ausdrücken ›Sommergras‹ und ›Soldatenträume‹ spielt Grünbein auf ein konkretes Haiku Bashōs an, das das Problem von Grünbeins Ich weiter erhellen hilft. In der englischen Gesamtausgabe des japanischen Dichters lautet das Kurzgedicht: »Summergras / the only remains of soldiers’ / dreams«.⁶³ Die Szenerie, die dieses Haiku evoziert, ist ein ehemaliges Schlachtfeld, über das im Wortsinne mittlerweile Gras gewachsen ist. Nur noch dem Wissenden zeigen sich hier andeutungsweise die Spuren des vergangenen Kampfes und der gefallenen Menschen, weil die Zeit auch über diese Phasen von Gewalt hinweggegangen ist. Eine solche poetische, melancholisch-distanzierte Versöhnung mit den Grausamkeiten der Geschichte gelingt Grünbeins Sprecher jedoch im Angesicht des eigenen Schlachtfeldes nicht mehr, nämlich Dresdens, das noch allenthalben von Narben des Krieges gezeichnet ist.⁶⁴ Am liebsten möchte das Ich in seiner ›Geschichtsmüdigkeit‹ zwar die Vergangenheit so weit wie möglich hinter sich lassen, sie poetisch ins Überzeitlich-Allgemeine überformen, aber es gibt für es kein ›Sommergras‹, das nur noch leise auf zerstörte ›Soldatenträume‹ verweist, sondern eine noch immer unübersehbare und laute Präsenz der Zerstörung, die eine poetische Betrachtung kaum erlaubt. Grünbeins Alter ego weiß zudem, dass es dem historischen Ort de facto nur für Augenblicke entkommen kann. Die Wucht der Geschichte in Dresden erschwert einen Ausbruch aus der Zeit und eine poetisierend-zeitlose Perspektive, und wenn dies punktuell doch gelingt, dann baut das Ich damit nur Fallhöhe auf, die die Rückkehr umso härter macht. So erklärt der Sprecher die Allusion auf Bashōs Haiku wie folgt:
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Matsuo Basho, Basho. The Complete Haiku, hg. und übers. von Jane Reichhold, Tokyo, New York, London 2008, Nr. 528. In einem Gespräch meint der Autor: »[N]ach den Bombenangriffen am Kriegsende war die Stadt eine einzige Barockruine, ein Trümmerfeld, über dem die Geigen wimmerten. Dieser Klagegesang lag noch in meiner Zeit in der Luft.« (Durs Grünbein, Gespräch über die Zone, S. 486)
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benjamin specht lauthals zu sein: ich habe es satt so ganz gramgesättigt zu leben von einem undurchdringlichen Augenblick an den nächsten gespannt in einer Stadt alternd in notgedrungenem Schweigen in dieser Talversunkenheit schwerer Kuppeln und schmaler durchbrochener Türme – Dresden grausam zurückgebombt um ein weiteres kaltes Jahrhundert (40).
Das Ich will sich lösen von dem historischen Ballast, der seine Gegenwart prägt, indem es sich im poetischen Moment punktuell herausnimmt aus dem Gang der Geschichte. Diesen herausgehobenen Erlebnissen überzeitlicher Sinnverdichtung, den ›undurchdringlichen Augenblicken‹, will es sein Dichten an sich möglichst exklusiv widmen, doch können sie die Erfahrung der Gegenwart nicht dauerhaft transzendieren, ja nicht einmal poetisch kompensieren, wie es Bashō noch gelingt. Die wenigen kurzen poetischen ›Augenblicke‹ lassen den Kontrast zur Normalität sogar nur noch deutlicher hervortreten. Entsprechend kann auch der Schluss des Gedichtes gelesen werden, der wiederum ein Beispiel für einen ›Augenblick‹ anführt, der aber nicht nachhaltig wirkt: »Denn so regelmäßig // arbeiten der Kühlschrank mein Herz und am Fenster / magisch die beinreibende Fliege daß es / fast scheint alles sei jetzt im / Einklang Matsuo – irgendein zen- / buddhistischer Witz« (40 f.). An sich wäre der Dichter darauf hin angelegt, den Augenblick der Betrachtung einer Fliege am Fenster zum poetischen Sinnbild zu formen. Und doch befindet das Ich sich stets noch im zerstörten Dresden, das sich immer wieder zurückmeldet. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs lassen sich nicht distanzieren durch buddhistische Seinsnegation und/oder geistreiche Aufhebung im Paradox, und sie lassen sich auch nicht poetisieren wie im Haiku. Die Dinge ›scheinen‹ gemäß dem Zitat zwar so, als seien sie ein ›zen-buddhistischer Witz‹, aber damit ist auch gesagt: Sie sind es nicht. * Ostasiatische Gedankenbestände kommen in Grünbeins Lyrikband gerade an neuralgischen Punkten der Kulturkritik und Poetologie zum Einsatz. Sie helfen, den diagnostischen Blick auf die allgemeinen und konkreten Probleme der Moderne zu schärfen, und sie dienen der Suche nach Möglichkeiten, zu einem poetischen Umgang damit zu finden. Nie wird Grauzone morgens aber eine Bekenntnisschrift, und es werden fernöstliche Gedanken stets auf ihre Transferierbarkeit in den aktuellen kulturellen Kontext der Dichtung – mal allgemeiner
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gedacht, mal historisch und lokal konkretisiert – hin untersucht. Ostasien bietet weder das exotische ›ganz Andere‹ zur mitteleuropäischen Alltagswelt noch das Allgemein-Menschliche in anderem Gewand.⁶⁵ Das fernöstliche Denken kann jedoch eine Option darstellen, einen Aspekt aus dem Spektrum der menschlichen Denkmöglichkeiten offenzulegen. Dass auch der Blick nach Fernost aber, wie auch alle anderen poetischen und/oder weltanschaulichen Alternativangebote zur ›Grauzone‹, keine einfache und abschließende Lösung der Problematik bietet, zeigt noch einmal das letzte Gedicht des Bandes Perpetuum mobile. Dieser Text besteht aus vier dreizeiligen Strophen mit hängendem Einzug sowie einer freien Verszeile, die durch eine durchgehende gestrichelte Linie in zwei Teile geteilt werden. In den drei ersten Strophen zeichnet der Text einen utopischen Zustand vom »Ende der Eiszeit« (93), das heißt einer Überwindung der ›Grauzone‹. Relativierungen und Ironisierungen dieser Zukunftsvision gibt es jedoch bereits hier, auch wenn die explizite Brechung erst im zweiten Teil erfolgt. So kann man etwa eine implizite Distanzierung bereits daran erkennen, dass der Sprecher gleich zu Beginn in Klammern fragt, ob es sich bei dem beschriebenen »Ende der Eiszeit« nicht um einen Film handeln könnte, sprich: um Fiktion. Auch das seltsam synkretistische Personal, das die neue Welt bevölkert, weist in diese Richtung: »Tschuang-tse / trifft Ezra Pound im Hades / und schlägt ein Kreuz über ihm. // Die Glücksgötter grinsen, die neuen Menschen / blinzeln träg in die Sonne« (ebd.). Der moderne Dichter Pound befindet sich also in der griechischen Unterwelt, trifft dort auf den antiken chinesischen Dichterphilosophen Zhuangzi und wird von diesem nach christlichem Ritus gesegnet. Aber auch der sozialistische ›neue Mensch‹ ist anwesend in diesem Jenseits, hat jedoch nichts mehr zu tun, weil die Welt ja bereits an ihrem utopischen Ziel angekommen ist. Das mag man zum einen so deuten, dass Grünbein hier sein eigenes eklektizistisches Schreiben kommentiert, das ja aus all diesen Quellen schöpft und sie oft ebenfalls hart nebeneinander montiert: Ostasien, Antike, klassische Moderne, Sozialismus. Vor allem aber sind hier von der antiken Unterwelt über das christliche Paradies, vom ›südlichen Blütenland‹⁶⁶ des chinesischen Philosophen zur 65
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Später allerdings, im Beiwort von Lob des Taifuns, klingen Grünbeins Äußerungen doch nach derartiger Verallgemeinerung, und er bewegt sich bei der Auflösung von kultureller Alterität ins Allgemein-Menschliche zuweilen am Rande des Verantwortbaren: »Denn ob Geheimratsgehrock oder Mönchskutte des Wanderdichters [gemeint ist Bashō, B. S.] (dem Habit des Heiligen Franziskus nicht unähnlich), letzten Endes blieben das Äußerlichkeiten vor der Tatsache unbewußter Verbundenheit im geräumigen Inneren des poetischen Menschen« (Durs Grünbein, Siebzehn Silben, S. 105). Auch der Daoist Zhuangzi/Tschuang-Tse entwirft in seinem Wahren Buch vom südlichen Blütenland eine Art paradiesischer Gegenwelt.
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sozialistischen Utopie lauter Vorstellungen von positiver Gegenweltlichkeit versammelt. Gemeinsam haben sie allesamt, dass niemand mehr den »Traum // von einem Zeitalter« träumt, »in dem die Maschinen / Köpfe tragen« (93). In jedem der Modelle ist also – so mag man diese Formulierung vor dem Hintergrund all der vorangegangenen Gedichte aus der Grauzonen-Wirklichkeit in eine begrifflichere Sprache übersetzen – die rein funktionale Existenz des Menschen, verkörpert in der Maschine mit menschlichem Kopf, überwunden. Und doch wird diese Vision im zweiten Teil des Gedichtes als bloß fiktiver Gegenstand ausgewiesen: »Im Handumdrehn aus dem Lärm einer Stadt / fliegst du als Zeitpfeil / durch den Science-fiction-Spiegel // hinaus in das galaktische Schweigen der Dichter des Tao.« (93) Der angeredete Dichter, nämlich der der vorangegangenen Gedichte, die sich ja in weiten Teilen den in der Vision geschilderten Inspirationsquellen verdanken, entkommt nur im Rahmen der Imagination (dem ›Science-fiction-Spiegel‹ der ›Dichter des Tao‹) seiner ›lärmenden Stadt‹ (der ›Grauzone‹ Dresdens) in eine utopische Gegenwelt. Solche Erfahrungen gelingen zudem, wie die im Band zuvor versammelten Texte gezeigt haben, immer nur für den Moment. Der in die Gegenwelt Entflohene wird also immer wieder zurückgeholt in die ›graue‹ Gegenwart. Gerade deren Druck aber ist es, der ihn erneut dazu treibt, eine Wirklichkeit aus erster, statt aus zweiter Hand zu suchen usw. usf. Eröffnet ist damit das perpetuum mobile, von dem der Titel des Gedichtes spricht: Die Dynamik zwischen der Erfahrung der normalen und der poetischen Welt, zwischen Idee und Wirklichkeit, zwischen Sein und Sollen erhält und trägt sich selbst ad infinitum. Mit dieser resignativen Diagnose endet Grünbeins erster Lyrikband, wobei ausgerechnet das »Tao« das letzte Wort behält. Kann man dies als vorsichtigen Wink deuten, dass die Grauzonenwelt am Ende vielleicht doch nicht auf Dauer die Überhand behalten muss, dass die Moderne sich auch nach der Absage an die Utopien mit Hilfe der Poesie noch auf eine bessere Zukunft hin öffnen kann? In Grauzone morgens selbst spricht wenig dafür, und doch sollte Grünbeins ganz konkrete ›Grauzone‹, in der der Band entstand, nämlich das Dresden und Berlin Ende der 1980er Jahre, nicht einmal ein Jahr nach der Drucklegung Vergangenheit sein.
diskussionen
was heisst und wozu dient heute literarische bildung? Vorbemerkung der Herausgeber zur ersten Diskussionsrunde
Im vergangenen Jahr riefen die Herausgeber des Jahrbuchs zu einer Diskussion über die Frage auf, welche Rolle heute ›literarische Bildung‹ spielt: in einer Zeit des einschneidenden Medienwandels, in einer Welt, in der der globale Buchmarkt einerseits bis zur Unüberschaubarkeit explodiert und andererseits eine radikale Verlagerung von Prioritäten und Werten, aber auch von Kommunikationsweisen stattfindet, die immer wieder das Schreckgespenst vom »Ende der Buchkultur« auf den Plan ruft (Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 57, 2013, S. 375–378). Es wurde gefragt, wie literarische Bildung sich heute definiert, welche soziokulturellen oder auch generationsspezifischen Funktionen sie erfüllt und wie sie durch Bildungsinstitutionen oder andere kulturelle Einrichtungen eingeschätzt und befördert wird. Dabei wurde der Begriff der Bildung in seiner doppelten Ausrichtung beleuchtet: als Resultat von Erziehung und kultureller Prägung einerseits, als ein lebenslanger Prozess andererseits. Ausdrücklich sollte die Debatte nicht von einem von vornherein ›kulturkritischen‹ oder ›kulturpessimistischen‹ Impetus bestimmt sein, sondern sie zielte auf eine konstruktive Zeitdiagnose und daraus resultierende Zukunftsoptionen. – Der Aufruf richtete sich an Vertreter von Bildungsinstitutionen (Schule; Universität, Einrichtungen der Erwachsenenbildung) ebenso wie Akteure des öffentlichen Kulturlebens (Feuilletons; Literaturbetrieb) und auch des Buchmarktes (Verlage; Agenturen). Erfreulicherweise sind einige Diskussionsbeiträge aus dem schulischen und dem universitären Umfeld eingegangen, so kommen eine Gymnasiallehrerin zu Wort sowie Fachvertreter der Deutschdidaktik, der Germanistik und der Pädagogik. Aus dem Bereich der Literaturkritik findet sich leider bisher nur eine Stimme, von Verlagsseite ist kein Beitrag eingegangen. Hier wären für eine nächste Runde noch Erweiterungen und gegebenenfalls eine Akzentverschiebung wünschenswert. Interessant wären zudem auch Voten von solchen Diskutanten, die in ganz anderen Bereichen tätig sind als der Literatur und der Literaturvermittlung.
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die herausgeber
Betrachtet man die Stoßrichtungen der einzelnen eingesandten Diskussionsbeiträge, so steht eines auf den ersten Blick fest: Am Wert einer literarischen Bildung und am Ziel, diese weiterhin zu befördern und zu pflegen, besteht im Konzert der Meinungen kein Zweifel. Dabei sind sich die Diskutanten vor allem in drei Punkten nahezu einig: Erstens, so der Tenor, dient literarische Bildung einer ästhetischen Sensibilisierung, sie macht mit Möglichkeiten einer markant (oder sogar ›abweichend‹) modellierten Sprache vertraut. Kunst, so ein Argument, ist die komplexeste Form der Darstellung menschlicher Wahrnehmung; diese kann über die Begegnung mit Literatur so ausgebildet und geschult werden, dass dies zu einem differenzierten Bewusstsein, zuallererst aber zunächst einmal auch zu ästhetischem Genuss führt. Zweitens wird der literarischen Bildung eine ethische Funktion zugeschrieben: Da Literatur immer auch ein Spiegel beziehungsweise ein Medium gesellschaftlicher Problemlagen und Lösungsansätze darstelle, befördere sie das »Verständnis- und Empathie-Vermögen« sowie die Fähigkeit, in Alternativen zu denken. Drittens wird in den meisten Beiträgen auch die Orientierung an einem ›Kanon‹ letztlich positiv bewertet, sei es, dass damit das kulturelle Gedächtnis am Leben gehalten werde, sei es, dass gerade in einer unübersichtlich gewordenen Welt eine pragmatische Auswahl getroffen werden müsse, sei es, dass man an literarischer Bildung festhält, den Begriff aber von seinen ›elitistischen oder normativen Konnotationen‹ befreien möchte. Hilfreich erscheinen in diesem Zusammenhang die von einigen Beiträgern vorgenommenen, höchst anregenden historischen Perspektivierungen, etwa bezogen auf die Geschichte des Literaturunterrichts und seiner Zielsetzungen vom neunzehnten Jahrhundert bis heute, auf die Diskussionen im Rahmen der Deutschdidaktik in den letzten 40 Jahren oder einfach auch auf eine literarische ›Geschichte der Belesenheit‹. Vor allem zwei Aspekte scheinen im Feld der Positionierungen durchaus Anlass zu vertiefendem Nachdenken und möglicherweise auch zu kontroversen weiteren Diskussionen zu bieten. Zum einen fällt auf, dass in manchen Beiträgen – vor allem solchen, die auf der empirischen Erfahrung des Deutschunterrichts basieren beziehungsweise im Hinblick auf bildungspolitische Debatten und Programme argumentieren – eine auffällige Unterscheidung vorgenommen wird zwischen ›literarischer Bildung‹ und Lese- beziehungsweise Schreib›Kompetenzen‹. Offenbar scheint in der öffentlichen, vor allem auch didaktischen Diskussion der letzten Jahre der Begriff der ›Bildung‹ undeutlich geworden und durch den Begriff der ›Kompetenz‹ ersetzt worden zu sein. Es stellt sich aber die Frage, ob dies nicht viel zu utilitaristisch gedacht ist: Kompetenzen werden gebraucht, um ein Subjekt irgendwo – in Schule, Beruf, Familie, in der Freizeit funktionstüchtig zu machen, es geht um anwendungsorientiertes Wissen und Fertigkeiten, nicht allein um das sich Einlassen und den Genuss ästhetisch
was heisst und wozu dient heute literarische bildung?
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geformter Sprache. Ist aber literarische Bildung mit Kompetenz gleichzusetzen, geht sie in einem solchen bildungspolitischen Jargon auf? Der zweite Punkt hängt mit dem ersten eng zusammen: Offenbar werden die literarischen Kompetenzen nicht nur gefordert und gefördert, um gut lesen, sondern womöglich auch, um gut schreiben zu können. Die Methoden eines produktionsorientierten Literaturunterrichts, Schreibwerkstätten an Universitäten und Volkshochschulen, ja sogar Studiengänge zum »Creative Writing« gehen in diese Richtung, aber etwa auch die Aktivitäten in Internet Blogs und FanFiction. Demgegenüber wäre zu fragen, ob literarische Bildung nicht in erster Linie etwas mit Belesenheit zu tun hat, und zwar weniger in quantitativer als in qualitativer Hinsicht. Im Französischen kennen wir den »Homme de lettres«, im Englischen gibt es das Adjektiv »well-read‹ für belesen, und in diesem Wort steckt ein Qualitätsurteil, das sich auf Menschen und nicht auf ein Abstraktum bezieht. Käme es nicht darauf an – und manche Beiträge zielen darauf ab –, dass das Lesen um des Lesens willen, um des ›guten Lesens‹ willen, eingeübt werden müsste? Um den Genuss und die Freude am treffend Gesagten, am guten Plot, an raffinierten Fiktionen wie an der Brillanz einer ästhetischen Form hervorzurufen und die Erinnerung daran – oder die Sehnsucht nach der Wiederholung – mit in den Alltag zu nehmen? Manche Beiträge jedenfalls sehen in einer solchen Selbstbezüglichkeit der Lust am Lesen geradezu ein subversives Potenzial, ein Gegengewicht gegen die Tendenz zur permanenten Optimierung und Indienstnahme. Muss es ein »Wozu« geben (wie die Überschrift zur Diskussion, in Anlehnung an einen bekannten Schiller-Titel, es ja nahelegte)? Und wohin gelangen wir, wenn wir den Ausgangspunkt der Diskussion jetzt noch einmal, neu gedacht, an ihr Ende stellten: nämlich das »Lob der Belesenheit«? Die Herausgeber
ulf abraham
»was heisst und wozu dient heute literarische bildung?« Die Kinderliteraturwissenschaftlerin Maria Lypp hat den Begriff einmal so definiert: Unter literarischer Bildung wird die Fähigkeit verstanden, sich der besonderen Kommunikationsweise zu bedienen, die ein literarischer Text bietet; genauer: die Fähigkeit, auf das im Text inszenierte Rollenspiel zwischen Autor und Leser einzugehen, die mit Hilfe der Sprache arrangierte Bilderwelt imaginativ auszugestalten und – ihrem Zeichencharakter entsprechend – einen Bedeutungszusammenhang herzustellen, der an die Erfahrungswelt im Sinne eines Modells probierend angelegt werden kann. Voraussetzung für die Tätigkeit ist die Wahrnehmung der sekundären Strukturiertheit des literarischen Textes.¹ Das ist lange her, aber nicht überholt, wie die folgenden Bemerkungen zeigen sollen. Allerdings wurde Lypp vorwiegend in der Literaturpädagogik und -didaktik rezipiert.² In der Literaturwissenschaft ist, wie ein aktueller Handbuchartikel von Nikolaus Wegmann feststellt, unklar, »wer für das Phänomen zuständig ist und welche Wichtigkeit ihm beizumessen ist«.³ Unabhängig davon sieht Wegmann zwei Wirkungsbehauptungen darin: a) Aus literarischer Lektüre »resul-
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Maria Lypp, Literarische Bildung durch Kinderliteratur, in: Conrady, Peter (Hg.), LiteraturErwerb: Kinder lesen Texte und Bilder (Jugend und Medien; 17). Frankfurt am Main 1989, S. 70–79.; Zitat S. 70. Die scheinbare Selbstverständlichkeit des Begriffs in der Didaktik zeigt sich etwa in praxisorientierten Darstellungen von Jana Mikota (2013): Literarische Bildung – Figurenanalyse / Intertextualität. Beides in: Iris Wolf (Hg.), Methoden für Deutschunterricht und Leseförderung. http://www.carlsen.de/sites/default/files/sonstiges/1305_Metamodell_ Figurenanalyse.pdf; http://www.carlsen.de/sites/default/files/TM_Intertextualitaet_020413. pdf, 2. 1. 14. Nikolaus Wegmann, Bildung, literarische, in: Nünning, Ansgar (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. 4., aktual. u. erw. Aufl. Stuttgart u. Weimar 2008, S. 70.
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tieren gravierende positive Effekte auf den Leser als Person« und b) für eine solche »lit. gestützte Selbstformung gibt es keinen gleichwertigen Ersatz«.⁴ Beide Wirkungen können gegenwärtig eher behauptet als nachgewiesen werden. Das weitgehende Fehlen entsprechender empirischer Forschung zeigt (unabsichtlich) Achim Menges, der in einer von wenigen Arbeiten über literarische Erwachsenenbildung nach »modernisierungsrelevanten Kompetenzen« fragt, die »am Gegenstand Literatur erworben werden können«.⁵ Er geht davon aus, dass in den 1970er Jahren die Rede von der literarischen Bildung in der Gesellschaft abgelöst worden sei durch die Rede von Kompetenzen, die (auch) durch literarische Lektüre gefördert würden.⁶ Ins Zentrum seines Konzepts stellt er die »Persönlichkeitskompetenz«, die er allgemein als Reflexionsfähigkeit, etwas praktischer dann als Fähigkeit des Umgangs mit Zeit und sozialen Rollen bestimmt.⁷ Ob literarisches Lesen aber die persönliche Lebensführung verbessert, ist empirisch eine völlig offene Frage; die Begriffe und Argumente der rezeptionsästhetischen Schule, auf die Menges zurückgreift, taugen meines Erachtens nicht dafür, einen solchen Nachweis zu führen. Und wenn man gleichzeitig erfährt, dass der Anteil literaturvermittelnder Kurse an deutschen Volkshochschulen seit 1963 kontinuierlich zurückgeht und 1977 dauerhaft unter 1 % gefallen ist,⁸ so wird man nicht davon ausgehen wollen, dass mehr als eine winzige Bevölkerungsminderheit an die lebensverbessernde Wirkung der Literatur glaubt. Im Bereich der schulischen Bildung sieht es grundsätzlich kaum anders aus. Wenn Christian Dawidowski einen Sammelband unter dem Titel Bildung durch Dichtung – Literarische Bildung herausgibt, so ist das eine Wendung gegen die weitreichende »Entleerung literarischer Bildung«⁹ und ebenso weitreichende Indienstnahme der Literatur als Exerzierfeld für Kompetenzen. Allerdings scheinen mir die den Beiträgen vorangestellten »Osnabrücker Thesen zur Lage der literarischen Bildung«¹⁰ einseitig: Sinke der schulische Stellenwert der Literatur, so mindere sich auch deren Rolle im gesellschaftlichen Bewusstsein. Die von Menges präsentierten Zahlen zur Literaturvermittlung an Volkshochschulen 4 5 6 7 8 9
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Ebd., S. 70. Achim Menges, Literarische Bildung und gesellschaftliche Modernisierung. Eine Untersuchung über Funktionen der Literatur in der Bildungsarbeit, Bad Heilbrunn 2004, S. 8. Vgl. ebd., S. 59. Vgl. ebd., S. 129. Vgl. ebd., S. 188. Christian Dawidowski, (Hg.), Bildung durch Dichtung – Literarische Bildung. Bildungsdiskurse literaturvermittelnder Institutionen um 1900 und um 2000, Frankfurt am Main 2013, S. 9. Ebd., 21 f.
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ulf abraham
zeigen deutlich, dass auch umgekehrt ein Schuh daraus wird und man sich hüten sollte, dem Deutschunterricht eine unlösbare Aufgabe aufzubürden, indem man die Schule zum Bollwerk gegen die Erosion der literarischen Bildung erklärt. Dass die Bildungsstandards der KMK eigentlich keine Bildungsstandards sind, ist indessen mit Recht gesagt worden: kulturelle Wissen sparen sie weitgehend aus¹¹ und damit das Fundament literarischer Bildung. Ihr »reduktionistischer Bildungsbegriff« setzt »auf pragmatische Qualifikationen anstelle von Bildung«.¹² Auf der Basis dieser Vorbemerkungen möchte ich vier Bildungsziele unterscheiden.
Bildungsziel: Kanonkenntnisse Ein Kanon ist, wie Hermann Korte feststellt, stets so (un)umstritten wie die Institution, in der er weitergegeben und gelernt wird.¹³ Kanonsichernde Instanzen als »Garanten verbindlicher Weltbilder und Lebensweisen mit Macht« sind weitgehend erodiert und die Überlieferung ist heute kaum noch »an eine Lehrdoktrin geknüpft«.¹⁴ Und die Formen symbolischen Handelns, an die Korte den Kanon geknüpft sieht, greifen heute auf Medien aus, die sich kulturelle Anerkennung erst noch erkämpfen müssen (Film, Computerspiel, usw.) Es ist daher kein Wunder, dass Kanonbildung im 20. Jahrhundert in eine Krise geriet. Wenn aber richtig ist, dass nie nur der Kanon, sondern immer die ihn vertretende Institution zur Debatte steht, dann verweist eine Kanonkrise bei schulischer Lektüre auch auf den Autoritätsverlust der Schule: Nicht verbindliche Lektürelisten oder sog. Pflichtlektüren bei zentralen Reifeprüfungen sind die Lösung, sondern Literaturlehrer/-innen, die eine breite Textauswahl kennen und das kulturelle Gedächtnis im Bereich der Literatur verteidigen und Kanondiskussionen führen können.¹⁵
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Juliane Köster, Kompetenzerwerb und Wissensnutzung im Literaturunterricht. Vortrag auf dem Landesfachtag Deutsch in Kiel, 19. 4. 2008. www.didaktikdeutsch.de/vortraege/ kompetenzerwerb/und/wissensnutzung.pdf, recherchiert am 3. 8. 2010 (vgl. S. 1). Ursula Helmke, Die Entwürfe für das Fach Deutsch weisen deutliche Mängel auf, in: Die Deutsche Schule 96, 8. Beiheft 2004, S. 101–120; Zitat S. 105. Hermann Korte, Historische Kanonforschung und Verfahren der Textauswahl, in: Bogdal, Klaus-Michael/ Korte, Hermann (Hg.), Grundzüge der Literaturdidaktik. München 2002, S. 61–77; Zitat S. 61. Ebd., S., 62. Vgl. hierzu Ulf Abraham / Marja Rauch, Eine eigene Kompetenz für Literaturgeschichte als Vermittlungsauftrag des Deutschunterrichts?, in: Didaktik Deutsch 30 (2011), S. 57–73.
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Die Präsenz eines Kanons ist ohnedies weniger durch Spezialisten gesichert als durch »viel handfesteren Kanon-Gebrauch«: Übersetzen, Zitieren, Parodieren, Adaptieren.¹⁶
Bildungsziel: Literaturbezogene Fähigkeiten und Einstellungen Hinsichtlich der literarischen Tradition sind Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln; es steht außer Frage, dass gelingende literarische Bildung beide Komponenten umfasst. Analyse- und Interpretationskompetenz, wie etwa Irene Pieper sie einklagt,¹⁷ gehört unbestreitbar dazu, auch wenn über die Überprüfbarkeit vor allem der Interpretationskompetenz wohl noch gestritten werden muss. Im Übrigen geht es hier nicht nur um kognitive, sondern auch um affektive Dispositionen, einfacher gesagt: um Einstellungen, insoweit nämlich »die Differenziertheit literarischer Kennerschaft nicht zuletzt die Frustrationstoleranz gegenüber dem Unerwarteten bzw. Nicht-Intendierten erhöht, weil sie vielfältige Kontextualisierungen und Perspektiven auf das Gelesene ermöglicht«.¹⁸
Bildungsziel: Kulturelle Teilhabe und Selbstreflexion Ist das Ziel der Teilhabe als solches kaum strittig, so muss durchaus diskutiert werden über die Grade und Modi der Teilhabe an literarischer Bildung, die es aus empirischer Sicht gibt. Werner Graf¹⁹ unterscheidet zwischen drei Formen von »Lesen als Partizipation«: Kommunikation (private Anschlusskommunikation, öffentliche Kommunikation), Transfer (Nutzung in pragmatischen Zusammenhängen) und Bildung. Interessant ist nun, dass Graf auf der Basis von ca. 1000
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Vgl. Hermann Korte, Historische Kanonforschung, S. 65. – In diesem Sinn hätte sich literarische Bildung auch und vielleicht besonders beim Klicken durch youtube zu erweisen; Kanongedichte wie Droste-Hülshoffs »Der Knabe im Moor« sind dort in mindestens einem halben Dutzend Adaptionen zu haben, von der ernsthaften Gedichtverfilmung bis zur Parodie. Auch einige Texte Kafkas sind breit vertreten. Der Kanonstatus solcher Werke ist eindrucksvoller in dieser Medienpräsenz festgestellt als in einem Eintrag auf einer mehr oder weniger verbindlichen Lektüreliste. Vgl. Irene Pieper, Literarisch lesen lernen. Zum Erwerb einer Kulturtechnik, http://www. uni-frankfurt.de/grenzbereichedeslesens/pieper_lesenlernen.pdf, 2. 1. 14. Ebd., S. 7. Werner Graf, Der Sinn des Lesens. Modi der literarischen Rezeptionskompetenz, Münster 2004, S. 71 ff.
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über viele Jahre erhobenen Lektüreautobiografien junger Erwachsener in dieser dritten Kategorie noch eine Unterscheidung trifft:²⁰ –
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Lesen zur »Allgemeinbildung«: »Die Quellentexte belegen die Übernahme kultureller Entwürfe der Allgemeinbildung in die subjektive Theorie und ihre Verknüpfung mit dem Lesen«.²¹ Lesen zur »Literarischen Bildung«: »Die kulturgeschichtliche Tradition der ›literarischen Bildung‹[…] bleibt in der gesellschaftlichen Lesepraxis in erstaunlicher Breite als Orientierungsmuster wirksam.²²
Literarischer Bildung wird zugetraut, dass sie uns hilft, Werke der Literatur für unseren »Selbstverständigungs- und Weltdeutungsprozess« zu nutzen.²³ In diesem Sinn wäre literarische Bildung ein Prozess, kein einmal erreichbares Ziel, wie ja überhaupt nicht das Gebildetwerden, sondern die »Selbst-Bildung«²⁴ dem Gegenstand Literatur angemessen ist.
Bildungsziel: Ästhetische Wahrnehmung der Literatur Vom Bildungsziel der kulturellen Teilhabe unterschieden, weil nicht auf Partizipation, sondern auf Genuss ausgerichtet, ist der »ästhetische Lesemodus«.²⁵ »Ästhetische Wahrnehmung als Lesemodell korrespondiert mit dem künstlerischen Autonomieanspruch der Literatur, einen Text zu produzieren, eine symbolische Form zu finden«.²⁶ Einem solchen Modus – der mit Lypp der Wahrnehmung
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Vgl. ebd., S. 18. Ebd, S. 88. Dass dies besonders für Lektüreautobiografien aus sogenannten bildungsfernen Schichten gilt, die dem Lesen explizit Bildungsfunktion zuweisen (vgl. Werner Graf, Der Sinn des Lesens, S. 89), sollte vorsichtig machen gegenüber einfachen Schlüssen aus Lesekompetenzstudien. Volker Steenblock, Theorie der kulturellen Bildung. Zur Philosophie und Didaktik der Geisteswissenschaften München 1999, S. 62. Aktueller liest sich das so: »Literarische Bildung initiiert, über sich selbst nachzudenken, sich selbst zu relativieren, interimistisch Haltungen und vor allem Haltung einzunehmen, Sichtweisen zu erproben, zu verwerfen, vom Scheitern der Helden zu lernen, vom Schicksal des Antihelden betroffen zu sein, berührt zu werden […]. Katastrophen und Schmerz, geschichtliche Zusammenhänge, Glück und Leid, das ganze Spektrum.« (Wolfgang Rzehak, Stichworte zur literarischen Bildung. Fachverband Deutsch im DGV. www.fachverband-deutsch.de, 22. 6. 2012, S. 4). Vgl. hierzu immer noch Hartmut v. Hentig, Bildung. Ein Essay, München. Werner Graf, Der Sinn des Lesens, S. 108. Ebd.
»was heisst und wozu dient heute literarische bildung?«
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sekundärer Strukturiertheit gilt – attestiert Graf ausdrücklich »Funktionslosigkeit«.²⁷ Allerdings sagt er von ihm auch, er vergegenwärtige »fremde und eigene Lebenswelten«²⁸ und verweist für die Reflexion dieser lebensweltlichen Dimension ästhetischer Lektüre auf die Literaturdidaktik, die diese ins Produktive wende, das heißt beispielsweise Schreibaufgaben vorschlage. Im Sinn einer ästhetischen Grundbildung sei auch daran erinnert, dass Hartmut Eggert von »Formbewusstsein« als einem Bildungsziel sprach.²⁹ Ich resümiere in sechs Thesen: (1) Der literarischen Bildung wird heute wieder (zu) viel zugetraut: nicht nur die Fähigkeit ihres Inhabers, alles Schöne, Tiefe und Bedeutende auf dem Feld der Literatur(geschichte) zu würdigen, sondern sich selbst (besser) zu verstehen, offen zu sein für alles Andere und Fremde, besonders sich einfühlen zu können in fremdes Leid, ferner interkulturelles Verstehen über Räume und Zeiten hinweg.³⁰ (2) Der Begriff literarische Bildung ist die normative Ausformung eines weithin uneingelösten Anspruchs auf kulturelle Teilhabe im Handlungsfeld Literatur. Bereiche der (Sub-)Kultur, in denen er am ehesten eingelöst wird (Kinderliteratur, fanzines im Internet, poetry slam und spoken wort art) werden paradoxerweise im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs darüber kaum konnotiert.³¹ (3) Literarisches Lernen findet nur zum Teil im Deutschunterricht statt, darüber hinaus in einigen anderen Schulfächern (vor allem alte und neue Fremdsprachen, Geschichte) sowie in der außerschulischen Sozialisation: (4) Literarische Bildung ist das (immer nur vorläufige) Ergebnis literarischen Lernens, also ein lebenslanger Prozess. Literaturwissenschaft und -didaktik haben hier jenseits schulischen Literaturgebrauchs eine noch wenig bearbeitete Aufgabe.³² 27 28 29 30 31 32
Ebd., S. 109. Ebd., S. 119. Vgl. Hartmut Eggert, Was kann literarische Bildung heute heißen?, in: MDG 39 (1992), H. 4, S. 16–25. Vgl. hierzu besonders Werner Wintersteiner, Transkulturelle literarische Bildung. Die Poetik der Verschiedenheit in der literaturdidaktischen Praxis, Innsbruck 2006. »Vorstellungen von literarischer Bildung sind in Deutschland untrennbar verbunden mit dem Kanon des Gymnasiums« (Werner Graf, Der Sinn des Lesens, S. 90). Vgl. hierzu Sigrid Thielking, Fünfzig plus? Lesen im Alter als Vermögen zwischen Seneszenz und life science, in: dies. (Hg.), Lesevermögen. Lesen in allen Lebenslagen. Frankfurt am Main, 2008, S. 185–200. – Auch das neu gegründete Literaturpädagogische Zentrum am Literaturhaus Stuttgart (http://www.lpz-stuttgart.de/) ist ein Indiz für die wachsende Bedeutung dieser Fragestellung.
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(5) Literarische Bildung ist, wie jede Bildung, Selbst-Bildung in dem Sinn, dass sie sich nicht im Wissenserwerb erschöpft und durch Unterricht/ Lehre nicht erreicht werden kann, wenn sie das sich bildende Subjekt nicht zum Agenten des eigenen Lernprozesses macht. »Pflichtlektüren« im Rahmen des Zentralabiturs verschiedener deutscher Bundesländer sind mit der Idee einer literarischen Bildung im Grunde unvereinbar. (6) Zur literarischen Kompetenz, die bei einer längeren Beschäftigung mit (möglichst) verschiedenartigen literarischen Texten aufgebaut werden kann, verhält sich literarische Bildung wie das problemlösende Nachdenken zur Meditation: Es geht hier nicht um ein ›um zu‹!
wiebke hoheisel
die chancen der schule Ein Antwortversuch auf die Frage »Was heißt und wozu dient heute literarische Bildung?«
Ein niedersächsischer Abiturient des Jahres 2014 hat im Deutschunterricht der zweijährigen Qualifikationsphase fünf Ganzschriften gelesen und einen Film analysiert¹ – in jedem Fall Kafkas Verwandlung als verbindliche Vorgabe für das Zentralabitur, dazu zum Beispiel Goethes Faust, Eichendorffs Marmorbild, Kehlmanns Ruhm, Treichels Der Verlorene und Welles filmische Kafka-Adaptation von Der Prozeß. Sicherlich kamen weitere ›kanonische‹ Texte in Ausschnitten vor: Romananfänge zum Vergleich traditionellen und modernen Erzählens etwa, Dramenszenen im historischen Längsschnitt, um unterschiedliche Dramenkonzeptionen herauszuarbeiten, dazu eine Handvoll Gedichte und einige Kurzgeschichten, vor allem aus der Nachkriegszeit. Niemand käme auf die Idee, ihm »Belesenheit«² zu attestieren, weder quantitativ noch qualitativ: Da es keinesfalls »viel«³ ist, das er gelesen hat, wäre es zwar umso wichtiger zu prüfen, ob es »das Richtige«⁴ war, das seine Deutschlehrer beziehungsweise das Kultusministerium für ihn ausgewählt haben. Fest steht dabei aber so oder so: Unsere Abiturienten sind heute nicht mehr literarisch gebildet, wenn man literarische Bildung mit »Belesenheit« gleichsetzt. Ein katastrophales Urteil über den Deutschunterricht des Jahres 2014? Nein. Obwohl man es sicher bedauern darf, dass man bei einem Abiturienten – und selbst bei einem Referendar im Fach Deutsch – heute nicht mehr voraussetzen kann, dass er bestimmte kanonische Texte kennt. Seine Reaktion gerade auf ihm unbekannte, ›große‹ und faszinierende Texte der (deutschen) Literatur und sein Umgang mit ihnen sagen jedoch viel über Beschaffenheit und Niveau der literarischen Bildung aus, die er in seinem Deutschunterricht erworben hat. Wenn man ihm etwa Fried1
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Gleiches gilt natürlich für eine niedersächsische Abiturientin – auf die konsequente Erwähnung auch der weiblichen Form wird im Folgenden aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet, sie ist aber stets ebenso gemeint wie die männliche. Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, hg. v. Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff, Marbach am Neckar, Bd. 57 (2013), S. 375. Ebd. Ebd.
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rich Hölderlins »Hälfte des Lebens« vorlegte, so würde er hoffentlich nicht seiner Ratlosigkeit angesichts dieses Textes ganz schnell über einen Klick bei Wikipedia begegnen wollen. Dort erführe er wie 19631 andere ›User‹, die den entsprechenden Artikel im Jahr 2013 aufgerufen haben, im Wesentlichen Folgendes: Die Strophen weisen 42, [sic!] beziehungsweise 41 Silben auf, d. h. das Gedicht ist symmetrisch aufgebaut, mit dem Bruch genau in der Mitte. Die verwendeten Symbole: Birnbaum – Rosen – Wasser – Mauern – klirrende Fahnen könnten in ihrer Abfolge die Form einer Parabel andeuten, deren Scheitelpunkt in der Mitte des Gedichtes liegt. Die Zäsur zwischen den beiden Strophen, auf die so deutlich hingewiesen wird, ist nach Meinung einiger Autoren für Hölderlin ein Symbol des Erhabenen. Die Verklammerung zwischen den beiden Strophen ergibt sich aus Wasser und den darauf folgenden Weh-Fragen, schließlich endend mit Winde, dem Aushauchen des Lebens. (http://de.wikipedia.org/ wiki/H%C3 %A4lfte_des_Lebens, aufgerufen am 02. März 2014, 15.32 Uhr) Für die literarische Bildung unseres Abiturienten wäre viel gewonnen, wenn er merkte, dass diese Internet-Zeilen kaum dazu geeignet sind, seine Ratlosigkeit in Faszination umschlagen zu lassen, wenn er stattdessen oder zumindest ergänzend versuchte, eigene Fragen an Hölderlins Text zu stellen und eigene Antworten zu suchen, sich selbst auf den Text einzulassen – Ähnliches gilt freilich für seinen Umgang mit ›großen‹ Werken der bildenden Kunst, der Musik und des Films. In diesem Sinne: Ja, literarische Bildung aus schulischer Perspektive muss heutzutage mehr verstanden werden »als offener Prozess«, denn »als Resultat« (S. 377). Zwei Thesen zur Verdeutlichung: 1.) Literarische Bildung rückt heute mehr denn je in den Bereich der literarischen Lesekompetenz: Keinesfalls kann es im Deutschunterricht darum gehen, wie es bis heute manche Lehrwerke spiegeln, sich bei der Auswahl der Unterrichtsziele eng an germanistischen Vorgaben zu orientieren: Ein Durchgang durch literarische Epochen entfällt als Lernziel ebenso wie die Einsicht in epochale Wenden (etwa um 1800 oder 1900). Büchner, Kafka, Fontane, Döblin stehen nicht für literarische Strömungen, ihre Werke wirken unmittelbar auf ihre Leser und entfalten ihr Faszinationspotential – oder sie entfalten es gar nicht. Das gilt auch und erst recht für die Schule und genau deswegen muss sie sich einem strikt induktiven und zugleich textnahen Unterrichtsarrangement verschreiben. Dabei freilich sollten intensiv die Gründe bestimmter ästhetischer Wirkungen untersucht werden. Hier haben fachwissenschaftliche Analyseverfahren und unterschiedliche Interpretationskonzepte ihren funktionalen Ort. Das Sich-Einlassen auf Texte, auf ästhe-
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tische Erfahrung, ästhetisches Training in diesem Sinne muss den Kern literarischer Bildung in der Schule ausmachen. 2.) Literarische Bildung impliziert das Aushalten-Können von Nicht-Verstehen: In einer Welt, in der fast alle Fragen ›mit einem Klick‹ gelöst scheinen und man auf Wissen überall und jederzeit Zugriff hat, weil man keine Bibliothek mehr braucht, sondern nur noch ein Smartphone, in der Verabredungen in Sekundenschnelle getroffen, wieder abgesagt oder um eine halbe Stunde verschoben werden können, in der man sich bei Facebook nur mit Menschen ›friendet‹, die dieselben Jeans und dieselbe Musik ›liken‹ wie man selbst, ist eben dieses Aushalten-Können von Nicht-Verstehen nicht mehr nur ein möglichst schnell zu überwindender Status im literarischen Verstehensprozess. Vielmehr kommt ihm ein besonderer Wert an sich zu: Literatur – wie bildende Kunst oder Musik – ist in ihrer ästhetischen Substanz nicht schnell verfügbar und verstehbar, erschließt sich dem Rezipienten in unterschiedlichen Lebensphasen vielleicht auch immer wieder neu. Wer das erfahren hat, der weiß, dass die Fragen, die literarische Texte aufwerfen, niemals durch Wikipedia-Artikel auf wohlfeile Weise beantwortet werden, sondern dass es nötig ist, Zeit und Durchhaltevermögen zu investieren, ihre Sperrigkeit und ihre Fremdheit erst einmal anzunehmen. Nur so wird man herausfinden, warum sie so sperrig und fremd anmuten, und vielleicht einen Schlüssel finden, der genau an diesen Stellen ansetzt. Mit diesem Schlüssel kann man sie dann zwar besser, womöglich aber doch nie ganz verstehen. Idealiter erreicht man über diese Akzeptanz des (zunächst) Fremden so nicht nur literarische Lesekompetenz an sich, sondern darüber hinaus auch die Bewusstheit eines solchen Lernprozesses. Erklärt ist damit noch nicht, was einem Abiturienten, der nach seinem Deutschunterricht womöglich nie wieder ›gezwungen‹ wird, sich mit Literatur auseinanderzusetzen, diese Art der literarischen Bildung ›nützt‹. Natürlich muss er als Bankangestellter, als Manager einer großen Firma, als Rechtsanwaltsfachgehilfe oder als Professor für Physik orthografisch korrekt und stilistisch sicher formulieren sowie pragmatische Texte kritisch lesen können. Die sich darauf beziehenden Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts: »Sprechen und Zuhören«, »Schreiben« und »Sprache und Sprachgebrauch untersuchen« bedürfen denn auch kaum einer Legitimation. Aber wozu literarische Bildung? Auch dazu seien zwei Thesen zur Diskussion gestellt: 3.) Literarische Bildung dient auch heute noch dazu, nachhaltigen, tiefen Genuss zu verschaffen und wertzuschätzen: Jemand, der in der Lage ist, sich auf einen Text einzulassen, der wird ihn besser verstehen und kann ihn daher auch nachhaltiger, tiefer und vielschichti-
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ger genießen – und das mag ihn zu etwas befähigen, das heute nicht mehr vielen Menschen möglich ist: Er kann sich abends für drei Stunden mit einem Roman in seinen Lieblingssessel setzen, einfach nur lesen und aus diesem Erlebnis eine tiefe Befriedigung ziehen. In einer Welt, in der man es schwer aushalten kann, einmal nicht erreichbar zu sein, und sich kaum länger als ein paar Minuten auf eine Tätigkeit konzentrieren kann, ohne dass eine Mail beantwortet werden will oder das Handy klingelt, ist die Fähigkeit, Literatur als Kunst genießen zu können, nicht mehr selbstverständlich. Aber sie kann dazu beitragen, dass sich nicht immer mehr Menschen rastlos und leer fühlen. 4.) Literarische Bildung dient besonders heute dazu, Alternativen aufzuzeigen: Gerade für die Generation Web 2.0: immer online, immer verlinkt mit der Net-Community und damit mit dem Diktat, was ›in‹ und was kurze Zeit später wieder ›out‹ ist. Für sie ist das Angebot literarischer Bildung wichtiger als je zuvor, lebt sie doch in einer Welt, in der alle grundlegenden ethischen Fragestellungen schon beantwortet scheinen und deswegen oft gar nicht mehr gestellt werden. Doch unsere Gesellschaft ist nur scheinbar so offen und liberal, wie sie sich gerne gibt: Akzeptiert sie nicht – gekennzeichnet durch die Abwesenheit jeder Utopie – im Grunde den kapitalistischen Wettbewerb als einzige kommunikative Spielform? Wo sonst als in der Literatur begegnet den Jugendlichen eine so entgrenzte und grenzüberschreitende Welt des Möglichen, die einlädt zum Probehandeln, wo das intensive, faszinierende Angebot, sich im »Simulationsraum Literatur« (Dieter Wellershoff) auf Fremdes, ja Befremdliches einzulassen, aber auch, sich selbst in Frage zu stellen und so die Literatur als ein Speichermedium für psychologische und philosophische Fragestellungen zu nutzen? Wo erfahren sie die notwendige Einübung in Empathie, wenn sie die Identifikationsangebote literarischer Figuren annehmen oder aber sich mit ihnen kritisch auseinandersetzen? Wo können sie so eindrücklich zu der Erkenntnis gelangen, Vorgegebenes als Gemachtes zu betrachten, und dadurch zur Umsetzung von Handlungsalternativen ermutigt werden? Kurzum: wo sonst als in der Literatur findet sich die das Individuum aktivierende Provokation ästhetischer Erfahrung in solcher Intensität? Die kompensatorische Bedeutung literarischer Erfahrungen kann in diesem Sinne nicht hoch genug eingeschätzt werden. Konkret heißt das: Am Ende könnte der Abiturient stehen, der die Faszination der Literatur erfahren und sich ihr geöffnet hat. Er hat an einigen wenigen Stellen eine fremde Welt betreten, aber diese Begegnung sollte ihm wesentlich sein, gerade weil sie ihn nicht für bestimmte Berufe qualifiziert. Aber sie prägt, wenn diese Sozialisation denn gelingt, seine Persönlichkeit.
eckart liebau
literarische bildung Dass die Welt eine ist, die sich Bauern, Junker, Kaufleute, Priester und Könige bei erster Gelegenheit schnell zupackend unter den Nagel reißen, in der es also um ökonomische, soziale und politische Macht geht, konstatiert Schiller 1795 in seinem Gedicht »Die Teilung der Erde« völlig nüchtern als empirische Tatsache. Ob die Teilung dann wirklich »brüderlich« vonstatten ging, steht bei ihm nicht zur Debatte. Klar ist nur, dass der erst nach langer Zeit und längst vollzogener Aufteilung der Güter und Einflusssphären erscheinende, sich selbst indessen als »treuster Sohn« kennzeichnende Poet nach Zeus Ansicht nicht recht von dieser Welt ist; er kommt viel zu spät für die reale Welt der Macht, er kommt aus weiter Ferne, aus der himmlisch-phantastischen Traumwelt. Der Realist Zeus steht nun vor der Frage, was er mit diesem seltsam-unrealistischen Vogel denn anfangen soll? »Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?« »Ich war«, sprach der Poet, »bei dir.« Diese Antwort hat Zeus nicht erwartet. Das überraschende Bekenntnis führt spontan zu einem fruchtbaren Moment im Bildungsprozess des Gottes; es kommt ihm der kreative Einfall, der die Situation auf eine neue Entwicklungsstufe bringt: »Willst du in meinem Himmel mit mir leben – Sooft du kommst, er soll dir offen sein.« Die Worte des Poeten öffnen Zeus einen neuen Blick auf die Welt und die Situation. Nicht Bauern, Junker, Kaufleute, Priester oder Könige hatten das beste Teil erwählt – es war der Dichter! Dies erkennend, öffnet ihm der Gott den Himmel und eröffnet ihm damit die Teilhabe am besten Teil der Welt. Sieht man sich die Situation genauer an, so wird deutlich, dass der Poet auf Zeus’ unwirsche Frage zwar die gestellte Frage beantwortet, aber mit der Erklärung seiner damaligen Situation zugleich eine höchst gekonnte und wirksame Verkehrung der Relationen zustande bringt – er schwingt sich auf vom der Weltferne beschuldigten Tropf zum die höhere Einsicht vermittelnden Lehrer. Er spricht als kompetenter Lehrer des Gottes, als jemand, der dem Gott, der in dieser Situation von ihm zum Schüler gemacht wird, die Welt des Dichters und der Dichtung erklärt. Er tut das mit größter didaktischer Kunst, also jener, die dem Schüler Gelegenheit gibt, selbst auf eine unerwartete Idee, eine neue Einsicht,
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sogar eine neue Praxis zu kommen. Hier handelt es sich sogar um eine Einsicht, die zu einem neuen Weltbild des Schülers führt. Und da der Schüler in diesem Fall ein Gott ist, hat der dann auch die Macht, seine Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen – er kann dem Lehrer den Weg in den Himmel öffnen. Zeus hat eine neue Erkenntnis gewonnen, hat in diesem fruchtbaren Moment des Bildungsprozesses eine neue subjektive Kompetenz erworben – und nun nutzt er seine objektive Kompetenz als oberster zuständiger Gott, um die Welt neu einzurichten: er öffnet dem Dichter den Weg an seine Seite, den Weg in den Himmel. Und er richtet damit zugleich seine eigene Welt neu ein. Bildung hat also mindestens zwei Seiten. Sie hat eine subjektive Seite, in der es um Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einsichten, Haltungen und deren Vermittlung und Aneignung geht. Hier steht die Entwicklung der Person, des Ich, im Mittelpunkt. Und sie hat eine objektive Seite, in der es um Weltgestaltung, um die Einrichtung der Verhältnisse, um Befugnisse, Rechte, Zuständigkeiten, Macht, Teilhabe und Entscheidungen geht. Hier steht die Welt im Mittelpunkt. In der Regel wird in pädagogischen und bildungspolitischen Diskussionen nur der erste Aspekt thematisiert, der zweite bleibt meist ausgeblendet. Dabei gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Ich und Welt, zwischen Entwicklung der Person und Entwicklung ihrer Welt.
Ästhetische Bildung Menschen leben bekanntlich nicht in einer Welt, wie sie ist, sondern in einer Welt, wie sie sie wahrnehmen und die sich damit, als ihre, von allen anderen Welten unterscheidet. Wie sie sie wahrnehmen, haben sie gelernt bzw. lernen sie. Wenn man erreichen will, dass sie in reichen Welten leben, also differenziert wahrnehmen, kommen notwendigerweise die Künste ins Spiel. Sie bieten die komplexeste Form menschlicher Wahrnehmung an. Ästhetische Bildung braucht daher notwendig die Rezeptionsperspektive. Aber die Rezeptionsperspektive, ausschließlich genommen, ist zu eng. Denn die Leistung der Künste ist nicht auf die Förderung der Wahrnehmung beschränkt; sie eröffnen auch Möglichkeiten der Gestaltung. Theaterspielen, Musizieren, Malen, Plastizieren, Tanzen, Filmen, literarisches Schreiben sprechen unterschiedliche Möglichkeiten der Wahrnehmung und des Ausdrucks, der Darstellung und Gestaltung an. Gemeinsam ist diesen so unterschiedlichen Künsten, dass sie sich bildende Menschen zu faszinieren vermögen. In guter ästhetischer Bildungspraxis verlieren sich die Lernenden ganz an die Situation der Gestaltung, sind sie ganz bei dem, was sie tun. Das hat Maria Montessori die Polarisation der Aufmerksamkeit genannt; in modernen psychologischen Theo-
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rien heißt das Phänomen »Flow«; es lässt sich bei intensiven rezeptiven und produktiven Prozessen beobachten. Hier geschieht Bildung. Hier kann man die Wechselwirkung zwischen Ich und Welt buchstäblich sehen, die durch die Gleichzeitigkeit und die Wechselwirkung von Welt-Bildung und Ich-Bildung zustande kommt. Es ist das Besondere der ästhetischen Erfahrung, dass sie an eine Welt gebunden ist, die sich nicht vollständig in Routine, Alltag, Selbstverständlichkeit auflösen lässt, sondern immer und genuin auch durch Fremdheit, Andersheit, Unverfügbarkeit gekennzeichnet ist. Da die Künste unterschiedliche Dimensionen menschlicher Bildung ansprechen – man braucht hier nur an die fünf Sinne zu denken –, werden sie alle gebraucht, wenn man umfassende ästhetische Bildung ermöglichen will. Daher kommt es entscheidend darauf an, Kindern und Jugendlichen gut gangbare Zugänge zu den verschiedenen Künsten zu eröffnen; nur dann können sie auch für sich herausfinden, wo sie besondere Interessen und Stärken entwickeln können und vielleicht wollen.
Literarische Bildung Vor diesem Hintergrund ist literarische Bildung genau deshalb ein zentraler Bereich ästhetischer Bildung, weil Literatur eine der wesentlichen Kunstformen ist. Natürlich kann und muss man sich unter heutigen Verhältnissen darüber streiten, wie hier die Grenzen zu bestimmen sind, was zur Literatur gehören soll und was nicht. Dass dieser Streit nicht einfach »objektiv« entschieden werden kann, sondern als Diskurs zu emergenten Ergebnissen führt, gehört zu den Eigenschaften ästhetischer Felder, die eben Konfliktfelder besonderer Art sind. Es gibt indessen gute Gründe, Literatur auch weiterhin als Gattungsbegriff für sprachliche Kunstformen schriftlicher und mündlicher Art zu verwenden; dabei muss der Begriff heute selbstverständlich die neuen digitalen Formen der literarischen Produktion einschließen. Eine solche Bestimmung impliziert Abgrenzungen gegenüber einem allgemeinen Textbegriff ebenso wie Abgrenzungen gegenüber inter- und transmedialen künstlerischen Strategien und beharrt auf dem Eigenwert der sprachlichen künstlerischen Ausdrucks- und Gestaltungsformen, der sich aus den produktiven und rezeptiven Zugängen zum Imaginären und zur Welt der Imaginationen ergibt. Hier werden in verdichteter Form Welt- und Lebenserfahrungen, Phantasien, Wünsche, Vorstellungen aus verschiedensten Zeiten, Welten und Kulturen zugänglich, die wesentliche Bedeutung für den Bildungsprozess gewinnen können. Wie soll man sich als Person bilden und in der Welt teilhabefähig und teilhabeinteressiert werden, wenn die Vorstellungskraft nicht gebildet werden kann? Und an welchem Medium könnte man diese Kraft besser bilden als an der Literatur?
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Dass Lektüren, literarische Hörerlebnisse oder auch literarische Produktionsversuche entscheidende fruchtbare Momente im Bildungsprozess bilden können, wird jeder literarisch Gebildete bestätigen. Man kann es aber auch an jedem Kind beobachten, dem eine interessante Geschichte erzählt oder vorgelesen wird. Wie also wird man literarisch gebildet? Es ist trivial, aber wahr: durch lesen, hören, schreiben – übrigens auch durch auswendig lernen. Es will und muss ja gelernt werden, in diesem Land der Träume den Weg in den Himmel zu finden. Die vielen Formen literarischer Welten wahrnehmen und eigene literarische Welten gestalten zu lernen, stellt eine höchst anspruchsvolle Bildungsaufgabe dar, die nicht zuletzt die Entwicklung einer entsprechenden ästhetischen Urteilskraft erfordert. Dass im schulischen Unterricht der letzten Jahrzehnte die literarische Bildung im Deutsch- und auch im Fremdsprachenunterricht wesentlich an Bedeutung verloren hat, kann daher nur als ein kultur- und bildungspolitisches Desaster angesehen werden. Es kommt alles darauf an, diese verhängnisvolle Entwicklung umzukehren. Vielleicht sind sich allzu viele Lehrer (und Politiker) sicher, dass Schillers Gedicht für Schüler nicht interessant sei. Aber wahrscheinlich kennen sie es gar nicht.
ijoma mangold
mein traum »Der Mensch, der unvollkommene Bibliothekar« – Jorge Luis Borges
Ich möchte eine neue Form des Kulturpessimismus vorschlagen: Früher war nicht alles besser, sondern alles einfacher. Es war einfacher, weil es weniger Bücher gab und die Kluft zwischen der Latenz aller Wissensbestände und ihrer aktualen Aneignung nicht so schwindelerregend groß war. Die Menge der Bücher wächst exponential. Manchmal träume ich davon, in früheren Zeiten gelebt zu haben, in denen der Begriff der Belesenheit noch nicht in den unendlichen Weiten des Universums verdampfte wie Sternenstaub. Mit wieviel Unverzagtheit und Zuversicht konnte noch Hermann Hesse in seiner »Bibliothek der Weltliteratur« einen Kanon zusammenstellen! Goethes emphatische Rede von der Weltliteratur war kein abstrakter Begriff, sondern etwas, über das er aus eigener Leseerfahrung verfügte. Und auch der süße Ennui von Mallarmés Seufzer »Das Fleisch ist müde, ach! Die Bücher sind gelesen« muss einst eine pragmatische Evidenz besessen haben. Wie übersichtlich erst war das Textkorpus vor der Erfindung der Druckerpresse. Der Gelehrte des Mittelalters lebte in einer endlichen Welt von Texten, deren größte Gefahr der Verlust einer Handschrift war. Der Überlieferung eines Textes konnte man sein Leben verschreiben. Die Bibliothek von Alexandria galt in der Antike als Ort unermesslicher geistiger Schätze. Aus heutiger Sicht würde man sie eher als überschaubaren Handapparat betrachten. Als vorsokratischer Philosoph musste man nur die sieben Weisen kennen, über deren Sätze man sich immer wieder beugte. Auf Caravaggios Gemälde »Hieronymus in der Höhle« liegen vor dem Gelehrten genau drei Folianten: eine Idealvorstellung! Man versteht unmittelbar, warum der Totenschädel, der ihn anstarrt, Hieronymus nicht wirklich unter Druck setzt … In früheren Zeiten stand die endliche Lebens- und damit Lesezeit in einem wenn auch herausfordernden, so doch realistischen Verhältnis zur Menge der kanonischen Bücher. Ich träume von einer endlichen Bibliothek, in deren Bände ich mich immer wieder erneut vertiefe. Früher, so lautet meine verklärende Hypothese, hieß Lektüre im Wesentlichen Re-Lektüre. Heute meint Lektüre: Neues entdecken. Dabei schlägt für mein Gefühl intensive stets extensive Lektüre. Mehr
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ijoma mangold
als die Frage, welche Bücher ich noch in meiner verbleibenden Lebenszeit lesen werde, treibt mich die Frage um, bei welchen meiner nur noch traumhaft erinnerten Herzensbücher es noch einmal zu einer Wiederbegegnung kommen wird. Vielleicht ist die zweite Hälfte des Lebens dadurch definiert, dass man sich ReLektüren gönnt. Auch wenn das schmerzhafte Entscheidungen sind: Lieber noch einmal die »Recherche« lesen, obwohl man noch immer nicht die »Brüder Karamasow« gelesen hat? Ich glaube an Re-Lektüren. Deshalb ist die Lyrik als Gattung so unverwüstlich: Das Gedicht wird ja erst durch die wiederholte Lektüre heimisch im inneren Ohr. Völlig unsinnig der Satz: »Nein danke, dieses Gedicht habe ich schon einmal gelesen.« Gedichte leben, wie der Reim, von der Wiederkehr. Das haben sie mit der Lektüre von heiligen Texten gemeinsam. Sich wie Hieronymus auf Caravaggios Gemälde in einen Folianten vertiefen. Nichts kann ihn dabei stören. Belesenheit hat nichts mit der Menge der gelesenen Titel zu tun, sondern mit der Vertrautheit, mit der man über ihre Inhalte verfügt. Der Goldstandard der literarischen Bildung ist das Zitat. Das Zitat ist die intensivste Form der verinnerlichten Re-Lektüre. Leider ist das Zitat in Verruf geraten. Es gilt als angeberisch und bildungshuberisch, als name dropping und leere Distinktionsgeste. Dabei ist das Zitat ein Vorschein der Ewigkeit, eine Form der Verkapselung, die den Sturm der Zeit übersteht (man kann offenbar über literarische Bildung nicht reden, ohne die spezifische Zeitlichkeit unserer Existenz ins Auge zu fassen). Jorge Luis Borges hat gezeigt, wie man aus einem Zitat ein ganz vergessenes Textkorpus wieder auferstehen lassen kann. Literarische Bildung fängt überhaupt erst dort an, wo wir »Stellen« auswendig können. Daher auch der Zauber von Romananfängen, zu denen wir immer wieder zurückkehren an einem ruhigen Sonntagnachmittag, auch wenn wir wissen, dass es zur kompletten Re-Lektüre wieder einmal nicht reichen wird: »Stattlich und feist erschien Buck Mulligan am Treppenaustritt, ein Seifenbecken in Händen, auf dem gekreuzt ein Spiegel und ein Rasiermesser lagen.« Ein begrenztes, ein endliches Textkorpus, über das sich dann ein theoretisch unendliches Gespräch entfalten lässt: Dieser Faszination verdankt sich, vermute ich, die Renaissance des Lesekreises. Der Lesekreis simuliert noch einmal die Idee des Kanons als gemeinschaftsstiftende Textgrundlage. Herrliches Wort: Textgrundlage. Darauf lässt sich dann jeder Turm zu Babel bauen.
dirk von petersdorff
der vitale kern literarischer bildung Auf die Diagnose der Herausgeber zur Situation der literarischen Bildung möchte ich antworten, indem ich einen kurzen Bericht aus der universitären Ausbildungspraxis gebe, einige Überlegungen zur Bedeutung literarischer Bildung für die Identitätsbildung anstelle und für einen Begriff von literarischer Bildung plädiere, der diese als Sensibilisierung für geformte Sprache versteht. Am Institut für Germanistische Literaturwissenschaft in Jena gibt es eine sogenannte Lektüreliste und eine Lektüreprüfung, die als Pflichtmodul in den Lehramts- und Bachelorstudiengängen institutionalisiert ist. Die Liste umfasst 100 Titel der deutschsprachigen Literatur vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Daraus sind für die Lektüreprüfung 40 Titel zu lesen, die Gegenstand eines 15-minütigen Gesprächs sind, das als bestanden oder nicht bestanden bewertet wird. Natürlich spricht man in der Praxis nur einige der ausgesuchten Titel an, und dies möglichst in Form eines freien Austauschs über Romane, Dramen und Gedichte, in dem die Studierenden zeigen, dass sie die Texte mitdenkend gelesen haben. Dieses Modell hat sich nicht nur aus Sicht der Lehrenden, sondern gerade der Studierenden bewährt; manche zittern vor der Prüfung, fast alle nehmen sie ernst, die Prüfungsgespräche verlaufen oft interessant. Sicher ist es kein Zufall, dass ein solches Bekenntnis zum Kanon an einer ostdeutschen Universität praktiziert wird, aber keiner der westdeutsch sozialisierten Lehrenden wollte diese Prüfung abschaffen, und die Studierenden kommen ohnehin inzwischen gleichermaßen aus dem alten Westen und Osten. Eine vor kurzem notwendige Überarbeitung der Liste führte zu aufschlussreichen und lebhaften Gesprächen, in denen man genötigt war, Vorschläge für die Ersetzung von Titeln mit den in Kanondebatten gängigen Kriterien von ›Wichtigkeit‹ zu begründen. Was ich damit sagen will: Es ist möglich literarische Bildung institutionell und pragmatisch zu definieren. Die gegenwärtige Studierendengeneration empfindet dies in der Mehrzahl nicht als Zwang, sondern als Orientierungshilfe. Nach der Prüfung besitzen sie zwar noch keine literarische Bildung, aber haben das Gefühl, einige Pflöcke eingeschlagen zu haben. Ähnlich entdramatisierend würde ich auch auf die Frage nach der Funktion literarischer Bildung reagieren. Den Herausgebern ist zuzustimmen, wenn sie
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dirk von petersdorff
eine gesamtgesellschaftliche Relevanz literarischer Bildung bezweifeln. Seit den 1980er Jahren hat in Deutschland ein mentalitätsgeschichtlicher Pluralisierungsprozess stattgefunden, hat die Heterogenität von Milieus, Einstellungen und Lebensformen zugenommen und hat sich auch das Intellektuellenmilieu von seinen Einheitsfiktionen befreit; Historiker wie Andreas Rödder haben dies überzeugend beschrieben und analysiert. Damit ist die Vorstellung obsolet geworden, dass Lektüreerfahrungen Teil einer kollektiven Identität sein könnten oder dass wenigstens alle gebildet-kritischen Menschen an die Relevanz bestimmter Texte glauben würden. Man kann das bedauern; ich muss zugeben, diese Entwicklung vor allem als Befreiung aus Konformitätserwartungen erlebt zu haben. Unterhalb dieser historischen Entwicklungen aber ist es weiterhin möglich, dass ein Autor einen Roman schreibt, in dem sich ästhetisches Vergnügen und Zeitdiagnose verbinden, erstaunlich weite Kreise der Gesellschaft wiederfinden und der schulisch kanonisiert wird, Wolfgang Herrndorfs Tschick ist ein jüngeres Beispiel. Ebenso behält die Literatur unterhalb der Schwelle kollektiver Einstellungen ihre Bedeutung für die Individuen. Auf den einzelnen Lebenswegen sind es Bücher, die helfen, sich selbst besser zu verstehen, die plötzlich die bekannte Umgebung in verändertem Licht erscheinen lassen, Trost geben oder auch nur ruhiger einschlafen lassen. Dass das Buch um die Funktion der Selbst- und Welterkenntnis mit anderen Medien ringt und dass gegenwärtige Individuen oft einen abenteuerlichen Mix ästhetischer Erfahrungen benennen, die ihnen wichtig waren, kann ja auch Ansporn für Autoren sein, um ihren Platz zu kämpfen. Ästhetische Erfahrung: Sie ist entscheidend, wenn von literarischer Bildung gesprochen wird. Denn es ist ja nicht interessant, ob jemand Madame Bovary gelesen hat; interessant ist, was er oder sie dabei empfunden und erfahren, was dieses Buch einer Leserin bedeutet hat. Unabhängig von meinem Plädoyer für den Kanon würde ich es nicht für wichtig halten, dass jemand besonders viel gelesen hat, eine ›umfassende‹ literarische Bildung besitzt. Natürlich erhöht das Viellesen die Chance auf das für uns selbst Bedeutende zu stoßen. Aber es zählen die wenigen intensiven Lektüreerfahrungen. Wenn man das Differenzkriterium literarischer Texte in ihrer Form sieht, dann besteht literarische Bildung im Erkennen der Qualitäten literarischer Form, ihrer Möglichkeiten, Leistungen und Verheißungen. Daher beginnt literarische Bildung auch nicht mit dem Lesen der ersten kanonischen Werke, sondern in dem möglichst frühkindlichen Umgang mit markant strukturierter Sprache. Erfreulicherweise gibt es im Kinder- und Jugendbuchbereich immer wieder hervorragende Neuerscheinungen. Eines der schönsten und erfolgreichsten Kinderbücher der letzten Jahre heißt Der Grüffelo. Die Freude an diesem Buch geht aus dem witzigen Plot (eine Maus erfindet zur Abwehr von Feinden den monsterartigen Grüffelo, der dann tatsächlich lebendig wird), den Bildern von Axel
der vitale kern literarischer bildung
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Scheffler und dem Text von Julia Donaldson hervor. Die eigentliche Zündung geschieht dabei durch Rhythmus und Reim, und daher können Kinder beim Vorlesen die Lust an der Wiederkehr eines Klangelements in einem bestimmten zeitlichen Intervall erleben; dabei vollziehen sie die Leistung des Reims mit, der bei der Abwehr von Bedrohungen hilft. Genauso wie auf dieses neuere Beispiel lässt sich auf die Klassiker des Kinderbuchs und ihre Formentscheidungen hinweisen, auf den Satzbau in Astrid Lindgrens Die Kinder von Bullerbü, der durch Wiederholungsfiguren zur stabilisierend-wohligen Wirkung beiträgt, die von der dargestellten Welt ausgeht, oder auf die Bild-Erfindungen Michael Endes in Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, denn wie würde jemand, der ihn einmal kennengelernt hat, den Scheinriesen Herrn Tur Tur wieder vergessen? Den Begriff literarischer Bildung möchte ich damit in einer umfassenderen Bedeutung verwenden. Ein Mensch wird in der Lektüre sensibilisiert für abweichend modellierte Sprache, und er selber wird, so könnte man sagen, von dieser Sprache modelliert. Er erfährt, welche lustvolle, befreiende oder stabilisierende Wirkung vom Lesen und Hören auffallend strukturierter Sprache ausgeht. Besonders eindringlich und nachhaltig wirkt diese Begegnung, wie man aus den Forschungen zur Lesesozialisation weiß, wenn sie mit einer sozialen Erfahrung verbunden ist, wenn ein anderer Mensch vorliest. So wird Literatur an Zuwendung gekoppelt, bildet sich die Vorstellung aus, dass Literatur wirklich zu einem Menschen spricht. Um nicht missverstanden zu werden: Bei diesen Anfängen soll es nicht bleiben, und wenn der Grüffelo-Leser irgendwann später bei Ariels Liedern aus Shakespeares The Tempest landet, dann hat er einen Bildungsweg zurückgelegt. Aber dieser Weg wird nicht mehr und sollte auch gar nicht eingeschlagen werden, weil die Gesellschaft es verlangt oder weil damit soziale Zugehörigkeit markiert wird, sondern nur, weil ein Mensch ursprüngliche ästhetische Erfahrungen gemacht hat. Literarische Bildungsanstrengungen gehen aus einem vitalen Untergrund hervor, aus Lusterfahrungen, der Bearbeitung von Leid oder aus Freiheitswünschen. Wenn historische Entwicklungen dazu führen, dass externe Bildungsfaktoren ihren Einfluss einbüßen, dann wird dieser vitale Kern wieder freigelegt.
michael kämper-van den boogaart
literarische bildung als kern des deutschunterrichts auf der oberstufe Einige Anmerkungen
Dass die informierte Affinität zu poetischen Produkten eine Bildung ausmacht, um die sich staatliche Schulen zu kümmern haben, ist eine Auffassung, die, sieht man vom Kanon der Klassischen Philologie ab, sich erst gegen erhebliche Widerstände Bahn zu brechen hatte. Als 1841 Robert Heinrich Hiecke mit einem ersten großen Traktat zur Behandlung der deutschen Literatur auf dem Gymnasium aufwartete, schrieb er noch deutlich gegen eine verbreitete Skepsis an. Angesichts der Klagen über Vielleserei und Lesesucht mutete es nämlich a priori nicht eben überzeugend an, die notorisch knappe Unterrichtszeit der Beschäftigung mit Literatur in der Muttersprache zu opfern. Die Mühen des Unterrichts sollten schließlich nicht allein dem pädagogisch Nützlichen gelten, sondern nützlichen Beschäftigungen, die intellektuell so voraussetzungsreich sind, dass es der schulischen Instruktion und Übung bedarf, um sie zu beherrschen. Konsequenterweise werben deswegen Hiecke und seine germanistischen Nachfahren für den schulischen Erwerbsmodus nationalliterarischer Bildung, indem sie die Komplexität des Gegenstands akzentuieren und das gebildete Lesen als ein schweres ins Bild setzen: Der wahre, einzig vernünftige und sittliche Weg, der Leserei zu begegnen, ist, daß man lesen lehrt. Die Leserei ist nichts als die Befriedigung des rohen Triebes nach geistiger Beschäftigung, eine Befriedigung, die auf dem bequemsten Wege in dem beständigen Lesen von etwas Neuem gesucht wird. Der rohe Trieb, der eben weil er roh ist, auch mächtig ist, über den der damit Behaftete keine sittliche Gewalt und Herrschaft hat, kann nur dadurch mit Erfolg bekämpft wer den, daß man ihn zum gebildeten Bedürfniß erhebt.¹
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Robert Heinrich Hiecke, Der deutsche Unterricht auf deutschen Gymnasien. Ein pädagogischer Versuch Leipzig 1842, S. 70.
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Dieser Akzent auf der Differenz zwischen einem dem Gebildeten angemessenen, die Größe namentlich der Weimarer Literatur hervorhebendem, verständigem Lesen und einer barbarischen Leserei bleibt neben den nationalpädagogischen Verheißungen eine wesentliche Komponente des literaturdidaktischen Diskurses bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Dichotomie der literarischen Produktion spiegelt sich demnach noch in der Dichotomie der Publika kanonischer Höhenkammliteratur: Das niederträchtige Theegeschwätz aber über Göthe und Schiller, woher anders rührt es denn, als daß man ihre Lectüre nur als eine Sache der Erholung, der Unterhaltung, nicht als eine Sache der Anstrengung und der Arbeit betrieben hat?² Dies gilt auch dann noch, wenn man nicht umhinkommt, die Überforderung der jugendlichen Leser kulturkritisch zu beklagen. Dass bereits in Reaktion auf Hiecke solche Klagen erhoben werden und ein stärkerer Zugriff auf die affektiven Dimensionen poetischer Texte in Anschlag gebracht wird, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Apologeten gebildeter Lektüre es nicht bei der schieren Feststellung belassen, dass das richtige Lesen großer Texte gelernt werden muss. Vielmehr ziehen sie zwangsläufig auch unterrichtspraktische Konsequenzen: Angemahnt werden ein langsamer, zergliedernder Lektüremodus, die Zurückhaltung gegenüber verfrüht kritischen Urteilen und ausgedehnte Lektüren. Insofern ergibt sich frühzeitig die Möglichkeit einer Distinktion: Wenn die Leselust durch so viele kognitiven Barrieren vergällt werde, verpuffe die Wirkung der Poesie auf die Herzen ihrer Leser. Dies wiederum gefährde das Erreichen der pädagogisch wichtigen Ziele literarischer Erziehung. Eine Warnung, die gleichsam von den Nationalpädagogen wie von den Anhängern der Kunsterzieherbewegung ausgesprochen wird und die sich sicher bis heute in Plädoyers für lesemotivierende Lektüreangebote auffinden lässt. Nicht selten sind es Krisendiagnosen, die mit der Warnung vor einer kognitiven Überforderung des Literaturunterrichts einhergehen. Diese Diagnosen nehmen zuweilen alarmistische Züge an, insbesondere wenn sich Kultur- und Schulkritik kreuzen, wie es um die Jahrhundertwende 1900 gängig wird. Sie künden aber durchaus auch von der Frustration der Agenten literarischer Bildung, deren stoffliche Angebote beim gymnasialen Klientel nicht mehr zünden. 1911 notiert beispielsweise der Lehrer Kurt Emminger über den Normverlust der Klassikerlektüren:
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Ebd., S. 81.
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michael kämper-van den boogaart Tatsächlich hat das Gymnasium nicht aufgehört seine Schüler mit dem ›Maßstab‹ der deutschen Klassiker ausgerüstet an die Universitäten und ins Leben zu entlassen – und doch wurden und werden Phrase und Nervenaufregung oder fade Possen im Theater und noch mehr beim Romanbuch herzlichem Humor, der Freude am Kunstwerk und der Gedankentiefe vorgezogen.³
Die hier von Emminger vorgetragene Krisendiagnose reflektiert weniger den schulischen Vermittlungsmodus literarischer Bildung als vielmehr eine Attraktivitätseinbuße ihres symbolischen Kerns, die Anerkennung und Bindekraft der Weimarer Klassik. Was im Unterschied zum neuhumanistischen Bildungskanon besonders zeitgemäß angemutet hatte, nimmt nun museale Züge an. Wer am viel zitierten literarischen Leben teilhat, liest mit Ausnahme von Tonio Kröger Schiller nur mehr als Pflichtlektüre. Keine zwanzig Jahre später diskutiert man im Radio den Klassikertod und erhitzt sich über die zunächst unter dem Titel »Die Not des Literaturunterrichts in der großstädtischen Schule« publizierten Thesen des Lehrers Walter Schönbrunn über den Literaturstreik einer Berliner Schülerschaft (1929), die für eine Emilia Galotti nur noch unverständigen Spott aufbringe. Auch diese Debatte, die von Schönbrunn intelligenter als von seinen Rezipienten geführt wird, prägen Reaktionen, die den Diskurs über den prekären Status literarischer Bildung in der Schule treu begleiten: Man leugnet die ganze Angelegenheit, man identifiziert die Schuldigen, hier wahlweise den unfähigen Schulmann oder seine jüdischen Schüler, man räumt ein, man initiiert Befragungen der fremd gewordenen Jugend (sie liest Remarque und geht ins Kino), man konzediert die Reformbedürftigkeit des Lektürekanons, sucht Hilfe bei der Gegenwartsliteratur. Nach 1945 führt die Öffnung der Gymnasien zu neuen Diskussionen, die mit der annoncierten Demokratisierung der Germanistik nach 1968 einhergehen: Textbegriffe werden erweitert, Comics und Trivialliteratur der Untersuchung wert befunden, immerhin Literaturverfilmungen einbezogen. Wohl wird im Kreis des »Bremer Kollektivs« die Frage nach der Antiquiertheit der Klassiker rhetorisch formuliert, doch als sich die Wogen glätten, mutet das Ausmaß der Veränderung nicht allzu groß an. Kanondiskussionen werden zwar zu Gesellschaftsspielen, und die empirischen Schulklassiker erstrecken sich nun auch auf gefällige Problemliteratur von Remarque bis Schlink. An die Stelle der Bekämpfung der Vielleserei ist die Leseförderung mit Leseabenden und Bücherbussen gerückt und der schulische Videorecorder nicht 3
Kurt Emminger, Neuere (vornehmlich epische) Literatur im deutschen Unterricht des Gymnasiums, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 25/1911, S. 397–405, S. 404.
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selten ausgebucht, als mit der Publikation der ersten OECD-PISA-Studie erneut vieles aus den Fugen zu geraten scheint. Nun erschrecken die mageren Leistungsergebnisse deutscher Jugendlicher in dem zuvor selten problematisierten Kompetenzbereich der Reading Literacy, zumal diese nun noch mit den Sensibilitäten der Humankapitaltheorie betrachtet werden. Was ohne den Blickwinkel, es mit Humankapital zu tun zu haben, als milieu- und generationenspezifisches Desinteresse kulturkritisch abgetan werden konnte, mutet nun als Bedrohung der Volkswirtschaft an. Erst jetzt dämmert es einer breiten Öffentlichkeit, dass es keinen guten Ausgang im globalen Wettbewerb nehmen könnte, akzeptierte man einfach, dass weite Kreise der Jugend die Voraussetzungen zum effektiven Lernen nicht aufbringen: Lesekompetenz. Mit der Orientierung auf die internationalen Vergleichsstudien ergibt sich eine durchaus verständliche Neujustierung curricularer Anstrengungen: In den Blick gerät jetzt auch, dass Kampagnen der Leseförderung, die weismachen wollen, dass Lesen Spaß mache, bei denen kaum verfangen können, denen das Lesen vor allem eine Mühe ist, die im Vergleich zu anderen Medienkonsumofferten nur mindere Gratifikationen erlaubt. Packende Geschichten, evasive Phantasien und Identifikationsangebote können schließlich anderswo direkter generiert werden. Reading literacy first: Diesem Grundsatz soll nun auch nach der Grundschulzeit ein Unterricht folgen, dessen Ziel es ist, die sogenannten Risikogruppen Nachwachsender nicht faktisch auszusortieren. Vergleicht man heutige Deutschbücher mit ihren Vorgängerexemplaren etwa der 1980er Jahre, stechen Unterschiede ins Auge: Die Unterrichtswerke haben optisch ihren Buchcharakter eingebüßt, obgleich sie natürlich noch immer stabil gebunden daher kommen. Die Seiten erinnern in ihrem Layout indes an andere Medien, die Themen verbergen der Tendenz nach ihre poetologische Intentionen, Sachtexte nehmen einen breiten Raum ein. Dies allerdings ist nur die eine Seite. Registriert man hingegen, was die neuen Bildungsstandards der Kultusminister an Outputerwartungen dem neuen Deutschunterricht mit auf dem Weg geben, so zeigt sich, dass das Urteil, die humankapitalistische OECD-Nivellierung mache der (bildungsbürgerlich-deutschen) literarischen Bildung den Garaus, doch dramatisch überzieht. Vergleicht man die Erwartungen, die die KMK-Standards für die Kompetenzen im Unterrichtsfach Deutsch auf der Abiturstufe artikulieren, mit der Tradition des Abiturfachs Deutsch, so sind in stofflicher Hinsicht nur mäßige Modifikationen zu verzeichnen. Zwar spielen Filmästhetik und expositorische Texte eine vermeintlich größere Rolle, doch zeigen die Abiturformate, dass die literarische Interpretation ihren Rang kaum verloren hat. Die Orientierung auf den literarischen Kanon als Substrat literarhistorischen Wissens bleibt politisch gewollt; nur graduell unterschieden sich hier die Präferenzen von A- und B-Ländern.
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Dieser (wenn man so will) konservative Konsens ist auch möglich, weil die Literaturdidaktik seit PISA sich zwar auf empirische Verfahren eingestellt, nicht aber in der Breite den Fokus auf Prozesse literarischer Bildung aufgegeben hat. Redet man seit einigen Jahren eher von literarischer Rezeptionskompetenz, so zeigt dies nicht allein, dass man sich der neuen semantischen Hegemonie des K-Wortes gefügt hat, sondern mehr, dass man an Prämissen der kognitiven Wende festhält, indem man letztlich empirisch danach fragt, welche kognitiven Operationen einem poetischen Textverständnis zugrunde liegen, das im Sinne literarischer Bildung als angemessen gelten kann (oder auch nicht). Daraus ergeben sich überraschende Parallelen zu alten Modellen literaturwissenschaftlicher bzw. philologischer Provenienz, etwa bei der Bestimmung der Prämissen hermeneutischer Prozesse, der Konzentration auf Verfahren eines Close Reading, der metakognitiven Vergewisserung kontextualisierender Zuschreibungen usw. Ein Missverständnis wäre es, das Augenmerk auf die Schwierigkeiten des Textes als eine elitaristische Wende aufzufassen. Die Zeiten, in denen man wie Hiecke das Voraussetzungsreiche literarischer Lektüren betonen musste, um sie als Lerngegenstand zu rechtfertigen, sind zweifellos passé. Mit der nahezu flächendecken Einführung des Zentralabiturs ergibt sich zudem ein kurioser Effekt. Während die Kompetenzrhetorik eigentlich dazu tendiert, das Stoffliche der Bildungsprozesse als sekundäre Frage zu traktieren, führt die Zentralisierung der Abituraufgaben zu Inputfestlegungen, die den heißesten Erwartungen der Apologeten eines obligatorischen Lektürekanons zuspielen. Sollen Abiturientinnen und Abiturienten in der Lage sein, sich interpretierend auf einen umfangreichen Text einzulassen, muss dieser im Vorfeld verlässlich rezipiert worden sein. Um dies zu gewährleisten, informieren die meisten Kultusministerien zwei Jahre vorab, mit welchen Dramen und Romanen im Abitur zu rechnen sein wird. De facto wird dergestalt ein verpflichtender Kernkanon implementiert; in NRW dreht es sich in den nächsten Jahren beispielsweise vor allem um Schiller, Roth und Kafka, während in Baden-Württemberg zu Büchner, Frisch und Peter Stamm geschrieben werden darf. Inwiefern diese letztlich technischen Umständen geschuldeten Festlegungen die Empirie literarischer Bildung beeinflussen, muss offen bleiben. Schließlich mag sich auch hier der Verdacht des zitierten Schulmannes Emminger bewahrheiten, dass nämlich die kulturelle Praxis außerhalb und nach der Schule ganz anderen Gratifikationserwartungen folgt.
evi zemanek
fan fiction als literarische bildung Auf die Frage »Was heißt und wozu dient heute ›literarische Bildung‹?« kann man auf viererlei Arten antworten. Erstens: Literarische Bildung meint heute dasselbe wie in den ›guten alten Zeiten‹, existiert leider nicht mehr im selben Maß, und das ist schlecht so. Zweitens: Literarische Bildung meint heute etwas anderes, existiert nach wie vor im selben Maß, und das ist schlecht so. Drittens: Literarische Bildung meint heute etwas anderes, existiert nach wie vor im selben Maß, und das ist gut so. Viertens: Literarische Bildung meint heute etwas anderes, existiert nach wie vor im selben Maß, und das ist weder gut noch schlecht, sondern eine Tatsache. Will man am Konzept ›literarischer Bildung‹ festhalten, muss man den Begriff von seinen normativen und elitistischen Konnotationen befreien, die er verschiedenen historischen Phänomenen wie der Lateinschule, dem humanistischen Bildungsideal und dem Bildungsbürgertum verdankt. Nicht nur weil ›literarische Bildung‹ heute prinzipiell allen zugänglich sein sollte, die Vorgabe praktikabler Kanones in heterogenen nationalen wie internationalen Gemeinschaften aus mehreren Gründen problematisch ist und die in den genannten Kontexten zwar teilweise nachweisbare, aber insgesamt überschätzte ›Belesenheit‹ per se noch keinen Wert darstellt, da ihr Gewinn für die Gesellschaft fraglich bleibt, bis er nachweisbar wird. Akzeptabler und attraktiver ist es, im Konzept ›literarischer Bildung‹ zunächst einmal nur das kaum bestreitbare Versprechen zu hören, dass (aufmerksame) Lektüren verschiedenartigster Texte jedem Leser nahezu immer einen Gewinn an Informationen und Wissen unterschiedlichster Art bescheren, das Denk-, Verständnis- und Empathievermögen schulen, Handlungsmuster und mitunter Zukunftsszenarien vorführen, die zum Nachdenken anregen und Problemlösungen anbieten, welche oft sogar realitätsrelevant sind oder werden. In diesem Sinne bliebe ›literarische Bildung‹ für alle etwas Wünschenswertes. Was aber fangen wir an mit der ambivalenten Botschaft der Deutschdidaktik, dass Schüler heute nicht weniger, aber anders und Anderes lesen? Wie deuten wir, dass selbst Studierende der Literaturwissenschaften – und damit die Ausnahmefälle unter allen potenziellen Lesern – am Semesterende haufenweise ›Klassiker‹
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der Primärliteratur für deutlich weniger als einen Euro pro Buch verkaufen, um die Bücher schnellstmöglich loszuwerden? Der Besitz von Büchern ist heute für viele weniger erstrebenswert, und er belegt weder Lektüre noch Bildung. Wie sich ›literarische Bildung‹ (im oben beschriebenen besten Sinne) überhaupt nachweisen lässt, ist auch für die empirische Literaturwissenschaft eine schwierige Frage. ›Literarische Bildung‹ manifestiert sich heute mitunter gerade in dem Medium, das gern pauschal und vorschnell für ihr Verschwinden verantwortlich gemacht wird: im Internet, das sich bei beinahe allen Fragen als Fundus positiver und negativer Beispiele und Praktiken erweist. Hier findet ein reger und demokratischer, alle Altersgruppen integrierender Meinungsaustausch über Texte statt; selbstverständlich nicht nur über Texte, sondern über diverse Kunstformen und Unterhaltungsformate, aber die Literatur als solche hat hier keineswegs, wie manchmal vermutet, das Nachsehen. Im Netz wird jeder Leser, der sich zu seinen Lektüren äußert, zum Literaturkritiker, avanciert vom bloßen Rezipienten zum Kommentator, der in diversen Foren gar philologische Fähigkeiten demonstriert. Dies widerlegt die von den Herausgebern des Jahrbuchs vorgebrachte Vermutung, unüberschaubare Textmengen verhindern den Austausch und die Orientierung. Im Gegenteil: Sowohl Diskursgemeinschaften als auch Orientierungsmarken existieren und funktionieren hier, wobei die Literaturkritik, die in Printmedienund TV-Öffentlichkeit an Präsenz verloren hat, revitalisiert wird. Noch eindrucksvoller zeigt sich ›literarische Bildung‹ allerdings im Phänomen Fan Fiction/Fanfiktion, deren kritische, aber unvoreingenommene Betrachtung sich deshalb lohnt. In der Fan Fiction wird der Leser gar zum Autor, der seine Lektüren in eigenen fiktionalen Fortschreibungen kanonischer und populärkultureller Werke fruchtbar macht. Dass zu den auf dem Markt etablierten Werken, auf die der ›Fan‹ produktiv reagiert, indem er Figuren, Handlungen und Motive weiterentwickelt und zugleich Stil und Form imitiert oder gezielt modifiziert, nicht nur monomediale Literatur, sondern auch Filme, TV-Serien, Drehbücher, Comics, Musicals und Computerspiele zählen, offenbart zwar die mengenmäßige Dominanz der Populärkultur, doch gibt dies keinen Anlass zur Klage, vielmehr spiegelt es Entwicklungen von Fankultur(en) und Fangemeinden (›Fandoms‹). Auf der bekanntesten deutschen Plattform www.fanfiktion.de werden aktuell (Stand: 25. 2. 2014) für 68.757 Fan-Fiktionen verschiedenste »Bücher« als Prätexte benannt, die ein breites literarisches Spektrum abdecken: darunter zahlreiche deutschsprachige Klassiker der Kinder-/Jugendliteratur, noch zahlreichere Klassiker der Phantastischen Literatur, vergleichsweise weniger sogenannte Hochliteratur und sehr viele populäre aktuelle Werke aus dem angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum. Wer als Bildungsnachweis nur Auseinandersetzungen mit Goethes Faust akzeptiert, findet hier immerhin vierzehn kreative Reaktionen, daneben 60 Reaktualisierungen von Grimms Märchen. Auf der internationalen
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englischsprachigen Seite www.fanfiction.net finden sich zum Beispiel 675.000 kreative Reaktionen auf Harry Potter, aber auch über 2.000 auf Shakespeares Werke. Ein Blick auf die deutschsprachigen Faust-Fiktionen zeigt exemplarisch, dass ihre AutorInnen, von denen gut die Hälfte ihre literarischen Reaktionen auf Schullektüren zurückführt, durchaus gute Kenntnisse des Prätexts von Goethe besitzen: dessen ›Leerstellen‹ wollen sie füllen, indem sie zusätzliche Szenen, Mono- und Dialoge einbauen, die mehr Einblicke in die Gefühle der Figuren geben. So findet man etwa eine alternative Kerkerszene in Prosa, in der Gretchen und Faust stärker psychologisiert sind, einen fiktiven Tagebucheintrag Fausts in Versen, der seine Gefühle für Gretchen ausführt, oder einen zusätzlichen Monolog des Mephisto, der dessen Meinung über Faust und Gretchen expliziert. Ferner gibt es Auszüge eines »Faust auf Neudeutsch« sowie eine synoptische Replik auf die ganze Tragödie im Stil vom slam poetry. Unabhängig davon, wie man diese Schreibversuche qualitativ beurteilen mag, geben sie doch besser als jede Umfrage nach Lesegewohnheiten Aufschluss über die ›literarische Bildung‹ der hier aktiven selbsternannten AutorInnen, die in der Mehrzahl zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahre alt sind, aber auch Input und Zuspruch von vielen älteren AutorInnen erhalten. Da auf diesen Seiten die Selektionsmechanismen des literarischen PrintMarktes gezielt unterlaufen werden, kann hier prinzipiell jeder publizieren. Gleichwohl bieten sich zur Qualitätssicherung in den Foren so genannte BetaLeser an, die ein unentgeltliches, beratendes Lektorat anbieten. Nicht nur hinsichtlich der literarischen Qualität, auch im Selbstverständnis und Wirkungsziel unterscheiden sich die Texte beziehungsweise Autoren stark von einander, je nachdem, ob sie ihren Beitrag als bloßen Selbstversuch und work-in-progress oder als Hommage an eine/n AutorIn, als affirmative Fortschreibung oder subversive Überschreibung, als Protest gegen den literarischen Markt oder Ausdruck einer Subkultur verstehen. Die genannten Plattformen, die immer zugleich Archiv und Diskussionsforum sind, geben Auskunft darüber, welche literarischen Texte die hier aktiven Fangemeinden rezipieren, auf welche Werk-Aspekte und auf welche Weise sie darauf reagieren. Dennoch geht es hier weniger um das, was rezipiert wird, und um den Rezeptionsprozess, als um kreative (Re-)Produktion. Versteht man unter literarischer Bildung nicht nur die inhaltliche Kenntnis von Texten, sondern die Einsicht in das Wesen von Literatur und die Gestaltungsprinzipien von Texten, ist dies bei Fan Fiction doppelt gegeben, da sich die beim Lesen gewonnene Erfahrung mit Texten im Schreiben niederschlägt. Während es nur schwer verifizierbar ist, wie viel heute (außerhalb der Schule) gelesen wird und wie diese Zahl im Verhältnis zu Lesegewohnheiten im prädigi-
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talen Zeitalter tatsächlich ausfällt, zeugt das Internet im Zuge der Demokratisierung von Autorschaft in allen möglichen Themenbereichen davon, dass heute insgesamt, und keineswegs nur von Fan Fiction Autoren, mehr geschrieben wird denn je. Unweigerlich wird dabei das Sprachbewusstsein gestärkt sowie Ausdrucksfähigkeit und eigenständiges Denken geübt. Das Internet bewirkt aber nicht nur die Aktivierung des früher zumeist passiven Lesers, sondern vernetzt ihn darüber hinaus weltweit mit Diskursgemeinschaften und ermöglicht ihm die Interaktion mit denselben – beinhaltet also auch die Begegnung mit dem kulturell Fremden, die einst für viele nur die Literatur bot. ›Literarische Bildung‹ meint also heute wenigstens für die Generation der »Digital Natives« etwas anderes, nämlich: literarisch-mediale Bildung mit einer Akzentverschiebung von der Passivität zur Interaktivität – und das muss man weder gut noch schlecht finden, aber als Tatsache zur Kenntnis nehmen.
berichte
arno barnert
sammelbehälter der moderne Buchattrappen und Scheinbücher im Deutschen Literaturarchiv Marbach
Die Archiv- und Bibliotheksmagazine unter der Schillerhöhe sind randvoll. In dieser Enge gibt es einen ungewöhnlichen Bestand, der nicht nur Platz wegnimmt, sondern in sich selbst neuen Stauraum schafft: die Spezialsammlung Buchattrappen und Scheinbücher, die 2013 an der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach begründet wurde. Buchattrappen sind täuschend ähnliche Nachbildungen von Büchern. Sie erwecken den Anschein echter Bücher, doch hinter der simulierten Oberfläche verbirgt sich in der Regel ein Hohlraum, ein kleines Magazin. Buchattrappen und Scheinbücher sind die geheimen Sammelbehälter der Moderne. Denn die Substitution des Buches durch eine Nachbildung untergräbt traditionelle Vorstellungen von Lesbarkeit sowie von Zugänglichkeit und stellt insofern eine moderne Medienreflexion dar. Die neue Spezialsammlung der Bibliothek setzt mit der Aufklärungszeit ein und legt den Schwerpunkt auf Buchattrappen im engeren Sinne; sie enthält also nicht Buchobjekte der bildenden Kunst und Buchtapeten, wie sie die Trompe-l’œil-Malerei herstellt. Als eigene Objektgattung wurden Buchattrappen und Scheinbücher bisher kaum beachtet. Sie bilden jedoch wichtige Materialien für die ästhetische Theorie der Illusion, für die Geschichte des literarischen Kanons und für buchwissenschaftliche Fragestellungen, etwa zur Speicher- und Erinnerungsfunktion von Büchern. Der Oberbegriff Buchattrappe meint alle Arten von hohlen und massiven Buchnachbildungen, bei denen durch Material und Form ein enger Ähnlichkeitsbezug zum klassischen Buch gegeben ist. Es lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden: nachträglich aus einem realen, veröffentlichten Buch gefertigte und von vornherein als Buchimitat hergestellte Attrappen. Sie sind entweder als Einzelbände oder in Blockform gestaltet, also aus mehreren Bänden bestehend. Die Mehrbänder können nebeneinander stehen oder aufeinander liegen. Es existieren auch Sonderformen, deren innerer Hohlraum sich nicht öffnen lässt oder die aus massivem Material bestehen. Wenn die Buchattrappe keine Rückenbeschriftung hat, tritt vor allem ihre Funktion als Dekorationsobjekt oder Behälter hervor. Eine Autorenangabe und ein Titel betonen dagegen stärker die Ähnlichkeit zum Buch und damit den Illusionseffekt. In diesem Fall kann man von Scheinbüchern sprechen. Darunter werden Attrappen verstanden, bei denen der Grad der Buchsimulation und damit der Täuschungseffekt – etwa durch Titelgebung – größer ist als bei Objekten, die leichter als Imitat erkennbar sind.
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arno barnert
Der Begriff der Attrappe hat sich im achtzehnten Jahrhundert in Anlehnung an die französische Wortgruppe trappe ›Falle, Schlinge‹, attraper ›fangen, ertappen‹ und attrape ›täuschender Gegenstand, Scherzartikel‹ gebildet. Verwandt sind im Englischen trap ›Falle‹ und im Deutschen Treppe, traben und treten. Im ursprünglichen Sinne ist die Attrappe ein Gegenstand, auf oder in den man treten soll, um damit durch Täuschung ein Tier oder einen Menschen zu fangen. Altniederfränkisch trappa bezeichnet eine Falle in Form einer äußerlich ähnlichen Nachbildung. In übertragener Bedeutung ist die Attrappe ein Gegenstand, der Eigenschaften eines Originals nachahmt und der Augentäuschung sowie Irreführung dient.¹ Der Begriff hat also zwei historisch-semantische Schichten: Der archaische, germanische Bedeutungskern leitet sich vom Fallenstellen der Jäger in der freien Natur her. Die moderne Begriffsverwendung bezieht sich auf das Erzeugen einer Illusion, die Nachbildung eines Gegenstandes in der vom Menschen gestalteten Umwelt. Dem Begriff der Attrappe wohnt somit eine Ambiguität inne, er hat im Sinne Friedrich Schillers eine naive und eine sentimentalische Ebene.² Das Kompositum Buchattrappe kam erst um 1900 in Gebrauch. Davor wurde im Deutschen eher der Ausdruck Scheinbuch verwendet. Im Französischen spricht man von livres feints, livres simulés oder faux livres, im Englischen von counterfeit books, faux books, dummy books oder book replicas. In allen Sprachen sind diese Oberbegriffe jedoch relativ selten belegt. Es waren stattdessen Ausdrücke für spezielle Ausprägungen von Buchattrappen im Umlauf. So sprach man im Umgangs-Deutsch des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts von Schnapsbibeln und Teufelsgebetbüchern. Damit waren als Bibel, Gebet- oder Gesangbuch geformte Trinkgefäße gemeint. Die frühesten bekannten Buchnachbildungen aus der Spätantike und dem frühen Mittelalter finden sich im religiös-kultischen Bereich und sind liturgischen Codices nachgeahmt.³
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Siehe Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage, Berlin 2011, s.v. Attrappe, S. 69 und s.v. Treppe, S. 928. – Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2. Auflage, Berlin 1993, s.v. Attrappe, S. 71 f. und s.v. Treppe, S. 1456. – Deutsches Fremdwörterbuch, begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler, 2. Auflage, Bd. 2, Berlin, New York 1996, s.v. Attrappe, S. 499–502. – Walther von Wartburg, Französisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 17, Basel 1966, s.v. trappa, S. 353–359. Allgemein zur Attrappe: Peter Gendolla, Innen hohl. Zur Geschichte der Attrappe, in: Kunstverein Siegen, Attrappen. Nachgemachte Wirklichkeit, Siegen 1984, S. 7–16. – Der Begriff wird vor allem in der Psychologie verwendet: Christian Becker-Carus, Attrappe, in: Markus A. Wirtz (Hg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie, 16. Auflage, Bern 2013, S. 203. – Katja Mellmann, Literatur als emotionale Attrappe. Eine evolutionspsychologische Lösung des »paradox of fiction«, in: Uta Klein, Katja Mellmann, Steffanie Metzger (Hg.), Heuristiken der Literaturwissenschaft. Disziplinexterne Perspektiven auf Literatur, Paderborn 2006, S. 145–166. Siehe Kurt Köster, Schnapsbibeln und Teufelsgebetbücher. Trinkgefäße in Buchform vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Festschrift für Peter Wilhelm Meister zum 65. Geburtstag
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
sammelbehälter der moderne
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Heutzutage stößt man auf Buchattrappen vor allem in öffentlichen Räumen, etwa in Möbelhäusern, an Messeständen oder in Hotels, wo sie als plakatives Dekor dienen. Nicholson Baker hat Bücher als Requisiten in populären amerikanischen Versandhauskatalogen und Werbeprospekten untersucht.⁴ Dietger Pforte versteht das Möbelhaus als literarischen Ort und fragt ironisch, warum die dort zum Schmuck aufgestellten Bücher von der Literatursoziologie sowie der Buch- und Bibliothekswissenschaft nicht beachtet werden.⁵ Sowohl Baker als auch Pforte bemerken die »Buchimitate« oder »buchähnlichen Platzhalter«, zeigen aber vor allem Interesse für die echten, lesbaren Bücher in den Möbel-Arrangements und gehen diesen zufälligen Lektürevorschlägen nach. In Presse, Hörfunk, Internet-Foren und Blogs finden sich immer wieder Berichte über das Phänomen der Bücher und Buchattrappen im Möbelhaus.⁶ Welche Bücher hier als billiges Dekorationsmaterial aufgestellt werden, kann als Indikator dafür gelten, wie die Gesellschaft mit ihrer Tradition und Überlieferung umgeht. Auch in der Geschichte der Privatbibliotheken spielen Buchattrappen eine wichtige Rolle. So hat Joseph Addison im »Spectator« vom 12. April 1711 über die »Counterfeit books« in der Bibliothek auf dem englischen Landsitz einer Lady Leonora berichtet.⁷ Solche vorgetäuschten Bibliotheken gehörten vor allem in Adelspalästen zum »interior design« und dienten zunächst der Repräsentation.⁸ Im achtzehnten Jahrhundert gerieten dann auch Buchattrappen mit Geheimfächern sowie echte oder gemalte Bücherwände mit Geheimtüren in Mode.⁹ So wie die Trompe-l’œil-Malerei
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am 16. Mai 1974, Hamburg 1975, S. 136–150. – Ders., Bücher, die keine sind. Über Buchverfremdungen, besonders im 16. und 17. Jahrhundert, in: Buchhandelsgeschichte, hg. von der Historischen Kommission des Börsenvereins, Beilage zum Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 35 (1979), S. B177–B202. Nicholson Baker, Bücher als Möbel, in: ders., U&I. Wie groß sind die Gedanken? Deutsch von Eike Schönfeld, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 431–460. Dietger Pforte, Die Bibliothek im Möbelhaus – eine Simulation, in: Antonius Jammers, Dietger Pforte, Winfried Sühlo (Hg.), Die besondere Bibliothek oder: Die Faszination von Büchersammlungen, München 2002, S. 255–257. Siehe etwa Frank Knittermeier, Möbelkauf für Literaturkenner, in: Hamburger Abendblatt, 12. 10. 2010, Rubrik »Regional«, S. 1, über ein Hamburger Möbelhaus: »Wer genau hinsieht, entdeckt die Literaturkenner. Sie lümmeln sich unauffällig in den Betten, legen die Füße auf Couchtische und tun so, als ob sie die jeweiligen Möbel auf ihre Gebrauchfähigkeit im Alltag testen. In Wahrheit genießen sie die Ruhe und lesen, während die übrige Familie unruhig durch die Gänge zieht und nach Schränken Ausschau hält.« The Spectator, 12. 4. 1711, Nr. 37. – Vgl. auch die deutsche Übersetzung: Auszug des englischen Zuschauers nach einer neuen Übersetzung, Bd. 1, Berlin 1782, S. 155–162. Siehe David Gunston, Dummy Books, in: Library Review, 16, 1957, S. 169–170. – Rowan Watson, Some Non-textual Uses of Books, in: Simon Eliot, Jonathan Rose (Hg.), A Companion to the History of the Book, Oxford 2007, S. 480–492, hier S. 488 f. Siehe Kurt Köster, Zwei fingierte Büchersammlungen des 18. Jahrhunderts. Turgots ›Büchertür‹ in Limoges (1774) – Ein Kasseler ›Bücherschrank‹ (um 1790), in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 15, 1975, S. 963–998.
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täuschend echt wirkende Bilder von Büchern produzierte,¹⁰ so zieht sich durch die fiktionale Literatur der Moderne das Motiv der imaginären Bibliotheken.¹¹ Bekannt ist die Buchattrappen-Sammlung von Charles Dickens aus seinem Landhaus Gads Hill Place, für die er selber die Titel erfunden hat.¹² Das Phänomen fiktiver Titel auf Buchattrappen war 1922 Gegenstand eines Informationsaustauschs unter Bibliophilen und Sammlern in der Zeitschrift »Notes and Queries«.¹³ Generell lassen sich in der Geschichte der Buchattrappe zwei unterschiedliche Strategien beobachten: Buchattrappen, die für Zwecke der Repräsentation aufgestellt werden, sollen als Element der Raumgestaltung, als effektvoller Hintergrund, als Mittel der Selbstdarstellung ins Auge fallen. Sie erzeugen beim Beobachter die Suggestion, dass er sich in einem imponierenden Wissensraum bewegt. Das Ziel ist, den Besucher zu täuschen und zu beeindrucken. Repräsentative Buchattrappen werden meist im Verbund aufgestellt und können ganze Regalwände füllen. Es handelt sich um einen symbolischen, zeichenhaften Buchgebrauch.¹⁴ Dagegen wollen die Buchattrappen, hinter denen sich ein Geheimfach oder eine Geheimtür verbirgt, gerade keine Aufmerksamkeit erregen. Ihr Ziel ist, in der Vielzahl von Attraktionen und konkurrierenden Kommunikationsangeboten nicht bemerkt zu werden. Sie verstecken sich meist zwischen echten Büchern und setzen auf die selektive Wahrnehmung des Menschen. Im achtzehnten Jahrhundert gehörten Techniken der Herstellung von Büchern mit verborgenen Hohlräumen zum Standardrepertoire der Buchbinder. Auch heute sind derartige Buchschatullen, Buchtresore oder Buchsafes zur Aufbewahrung von Wertsachen auf dem Markt.¹⁵ Solche Buchattrappen brauchen, um ihre Funktion zu erfüllen, das echte Buch. Die Geschichte der Buchattrappe fand in der Buch- und Bibliothekswissenschaft bisher wenig Beachtung. Kurt Köster, der ehemalige Leiter der Deutschen Bibliothek,
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Siehe Bärbel Hedinger (Hg.), Täuschend echt. Illusion und Wirklichkeit in der Kunst, München 2010. Siehe Dietmar Rieger, Imaginäre Bibliotheken. Bücherwelten in der Literatur, München 2002. – Dirk Werle, Copia librorum. Problemgeschichte imaginierter Bibliotheken 1580– 1630, Tübingen 2007. Siehe Charles Rubens, Jens Christian Bay, The dummy library of Charles Dickens at Gad’s Hill Place. Recollections of a pilgrimage, Chicago 1934. Pseudo-Titles for »dummy« books, in: Notes and Queries, 12. Serie, Bd. 10, 1922, S. 129, 173 f., 197, 216, 233. Zur repräsentativen Funktion echter und vorgetäuschter Bücherwände siehe Ursula Rautenberg, Das Buch in der Alltagskultur. Eine Annäherung an zeichenhaften Buchgebrauch und die Medialität des Buches, in: Monika Estermann, Ernst Fischer, Ute Schneider (Hg.), Buchkulturen. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung, Wiesbaden 2005, S. 487–516, hier S. 499–507. Zur Funktion der Buchattrappe als Geheimversteck siehe Christine Haug, »Die Bibliothek verteidigt sich selbst …« Unsichtbare Literatur und verborgene Bibliotheken im 18. Jahrhundert, in: Mona Körte, Cornelia Ortlieb (Hg.), Verbergen – Überschreiben – Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion, Berlin 2007, S. 142–162, hier S. 154.
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hat vor allem historische Buchverfremdungen von der Spätantike bis zum achtzehnten Jahrhundert untersucht. Er beschreibt die verschiedenen Gattungen und Materialarten, von spätantiken buchförmigen Amulettkapseln bis hin zu Pistolenbüchern des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts und zu Objekten, die das Buch nur noch in der Form, aber nicht mehr im Material nachbilden, wie die mittelalterlichen Trinkbücher und Handwärmflaschen aus Metall oder Keramik und wie die bäuerlichen, aus Holz geschnitzten Behältnisse in Buchform.¹⁶ Die Hauptzeit der Buchattrappe war zweifellos die Epoche des Barock, in der die Illusion zur zentralen ästhetischen Kategorie wurde.¹⁷ Im Theater des frühen siebzehnten Jahrhunderts wurden die Kulissen erfunden, bemalte Wände, die man auf Rädchen in kleinen Rillen (coulisses) auf die Bühne fuhr, um Illusionseffekte zu erzeugen. Der Begriff der Illusion galt als komplementäres Pendant zum Kunstgesetz der Imitation, der Nachahmung der Natur. Mit der Fortentwicklung der Simulationsmedien und -techniken im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert – wie der Theaterkulisse und dem Trompe-l’œil in Malerei sowie Architektur – bildete sich auch die Objektgattung der Buchattrappen und Scheinbücher weiter aus. Im achtzehnten Jahrhundert entstanden etwa Baum- und Holzbibliotheken (Xylotheken), bei denen aus verschiedenen Holzarten kastenförmige Buchattrappen hergestellt wurden, die als Behälter für Zweige, Blätter, Samen und Früchte des jeweiligen Baumes dienten.¹⁸ Diese Tradition hat die Künstlerin Marion Gülzow aufgegriffen, die seit 2006 an einer Bibliothek aus hölzernen Scheinbüchern arbeitet, deren Bände aufklappbar sind und weitere Kunstobjekte enthalten.¹⁹ Während Kurt Köster die Buchverfremdungen bis ins achtzehnte Jahrhundert mit vielen Beispielen und Materialien umfassend dokumentiert hat, ließ er die modernen Buchattrappen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts bewusst außer Betracht. Seiner Ansicht nach ging das breitgefächerte Angebot »kommerzieller Buchverfremdungen« der neueren Zeit aufgrund industrieller Massenfertigung und billiger Materialien »auf Kosten von Qualität und Geschmack«.²⁰ Sie seien »Ausgeburten der ebenso dauerhaften wie fruchtbaren Ehe von Snobismus und mangeln16
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Siehe Köster, Bücher, die keine sind, 1979 – Auf Kösters Forschungen stützt sich auch ein 1983 im FAZ-Magazin erschienener Artikel: Stella Baum, Buch-Attrappen, in: Frankfurter Allgemeine Magazin, 7. 10. 1983, Heft 188, S. 40–47; wieder in: Stella Baum, Kunst ist unwiderstehlich. Feuilletons, hg. von Donat de Chapeaurouge und Marlene Baum, Wuppertal 2011, S. 166–172. Siehe Martin Andree, Archäologie der Medienwirkung. Faszinationstypen von der Antike bis heute, 2. Auflage, München 2006, S. 101–117. Siehe S. Hohenstein, Holzbibliothek, in: Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Auflage, Bd. 3, Stuttgart 1991, S. 519. – Stella Baum, Lauter Bäume. Schildbachs Holzbibliothek in Kassel, in: Frankfurter Allgemeine Magazin, 1. 10. 1982, Heft 135, S. 18–24, 37. – Günter Metken, Holzbibliotheken als Buch der Natur, in: Akzente. Zeitschrift für Literatur, 26, 1979, S. 654–664. Siehe die Darstellung im Internet unter . Kurt Köster, Artikel »Buchverfremdung«, in: Lexikon des gesamten Buchwesens. Zweite, völlig neubearbeitete Auflage, Bd. 1, Stuttgart 1987, S. 638.
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dem Geschmack«.²¹ Die modernen Buchattrappen verstand er als defizitäre Objekte, die sich nicht weiter zu untersuchen lohne. Kösters Verdikt ist schwer zu widersprechen, wenn man etwa die seinerzeit üblichen Hüllen für Videokassetten in Buchform betrachtet. In der Tat kommen die Attrappen des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr an ihre Vorläufer heran. Doch es gibt Ausnahmen. So hat Elke Schutt-Kehm auf eine 1928 von der Leipziger Firma Riquet hergestellte bibliophile Buchattrappen-Verpackung für Pralinen hingewiesen. Unter dem Titel »Riquet. Alter Zeiten süßer Hauch« folgte ein mehrseitiger, auch literaturwissenschaftlich interessanter Textteil etwa über »Süßigkeiten bei Goethe«, bevor sich dann das Pralinenfach öffnete.²² Auch heutzutage finden sich Buchbinder, Kunsthandwerker und Unternehmen, die hochwertige Buchattrappen und Bücherwände mit Geheimtüren anbieten.²³ Die neuere literatur- und kulturwissenschaftliche Forschung über Buch- und Bibliotheksdeformationen in fiktionaler Literatur und bildender Kunst geht am Rande auch auf das Phänomen der Schein- und Trugbücher ein.²⁴ So hat Kirsten Dickhaut dargelegt, wie klassische Bibliothekskonzeptionen, die sich am Ideal einer reinen, bruchlosen und widerspruchsfreien Ordnung orientieren, durch den uneigentlichen Buchgebrauch der Attrappe in Frage gestellt werden.²⁵ Die bibliothekarische Systematisierungsarbeit, die Konstruktion eines in sich geschlossenen, homogenen Sammlungszusammenhangs gerät durch Form- und Funktionsveränderungen des Buches aus dem Gleichgewicht. Buchattrappen täuschen durch fiktive Rückentitel einen inhaltlichen Bezug vor, kappen ihn aber in Wirklichkeit. Sie eröffnen Leerstellen und durchkreuzen die Idealvorstellung einer wohlgeordneten, intakten Bibliothek, in der durch Formal- und Sacherschließung alles miteinander verknüpft ist. Insofern haben sie ein subversives, kritisches Potential. Die antiautoritären Aspekte der Buchattrappe wurden vor allem in der Konzeptund Objektkunst seit den 1960er Jahren aufgegriffen.²⁶ Der Künstler und Verleger Wolfgang Feelisch produzierte 1969 eine Buchattrappe mit dem Titel »in’sait«, ein Holzbrett mit Papiereinband, das er in kleiner Auflage vertrieb.²⁷ Das Werk sollte nach Aussage von Feelisch »die Einsicht vermitteln, daß sich ein Buch maßgeblich durch 21 22 23 24 25 26 27
Kurt Köster, Schnapsbibeln und Teufelsgebetbücher, 1975, S. 136. Elke Schutt-Kehm, Buchattrappe, in: Hans Adolf Halbey (Hg.), Museum der Bücher, Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 500, Dortmund 1986, S. 422–425. Wichtige Anbieter sind zum Beispiel Design-Plus in Ostrach, Lauritz-Moritz in Hamburg sowie Faux Books und The Manor Bindery in England. Siehe Dietmar Rieger, Imaginäre Bibliotheken, 2007, S. 333 f. Kirsten Dickhaut, Verkehrte Bücherwelten. Eine kulturgeschichtliche Studie über deformierte Bibliotheken in der französischen Literatur, München 2004, S. 146–152. Siehe Kunstverein Siegen, Attrappen. Nachgemachte Wirklichkeit, Siegen 1984. Siehe die Abbildung und Beschreibung des Exemplars aus der Sammlung Feelisch im Dortmunder Museum Ostwall auf der Online-Museumsplattform NRW (www.nrw-museum.de) und Peter Schmieder, unlimitiert. Der VICE-Versand von Wolfgang Feelisch. Unlimitierte Multiples in Deutschland. Kommentiertes Editionsverzeichnis der Multiples von 1967 bis in die Gegenwart, Köln 1998.
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seine Erscheinungsform und in keiner Weise durch den Inhalt bestimmt«.²⁸ Wie in der Pop Art wird hier jede Tiefendimension negiert. Der Titel evoziert durch die Assoziation von englisch insight und inside die Vorstellung der Einsichtnahme in einem Innenraum, doch besteht das Objekt aus einem massiven Holzquader, der sich nicht öffnen lässt. Ähnlich verhält es sich bei einer Buchattrappe von Timm Ulrichs mit dem Rückentitel »Dem Leser den Rücken zukehrend« (1970), der sich auf einem geschlossenen, weißen Buchkörper aus Karton mit einem Einband aus schwarzem LeinenImitat befindet.²⁹ Diese Arbeiten spielen auf die traditionelle Vorstellung der Attrappe als hohle Nachbildung und auf den Aspekt der Immanenz an, negieren diesen Bezug aber gleichzeitig, indem sie dem Betrachter und Leser gerade keinen Zugang bieten. Während die klassische Buchattrappe mit ihrem Hohlraum noch zwischen äußerem Schein und innerer Substanz unterscheidet, beruht die moderne künstlerische Attrappe auf der Exponierung von reiner Form und Oberfläche. Damit wird der Schein an sich reflektiert. Um das Verhältnis von Schein und Sein, von Illusion und Faktizität geht es auch in Jochem Hendricks Werkgruppe »Buchattrappen / Faux Books«, die von 1994 bis 1996 entstanden ist.³⁰ In dieser Serie stellte er etwa in die Regallücken eines Bibliothekslesesaals Buchattrappen zwischen die echten Bücher, so dass man kaum noch unterscheiden konnte, was echt und unecht war.³¹ 1998/99 betrieb ein Künstlerduo namens Laurids und Mattheus in Berlin kurzzeitig einen »Laden für Kunstbuchattrappen«. Sie übernahmen aus Bibliotheken ausgesonderte Buchumschläge, die sie auf leere Pappkartons zogen. Kunden konnten sich Umschläge aussuchen, aus denen die Konzeptkünstler innerhalb von zehn Minuten die Attrappen fertigten. Der Preis richtete sich nach der Rückenbreite, pro Zentimeter wurden sieben Mark verlangt.³² Die Buchattrappe exponiert sich hier als reine Hülle ohne Inhalt. Buchattrappen thematisieren, wenn sie künstlerisch verwendet werden, explizit oder implizit die traditionelle Funktion von Büchern als Inhalts- und Speichermedien. Mit ihren offenen oder versperrten Hohlräumen – oder auch nur mit ihrer Oberfläche, hinter der sich nichts weiter verbirgt – reagieren sie als »leere Speicher auf die überfüllten Magazine und Datenbanken«,³³ verweigern sich der unmittelbaren Zugänglichkeit und stehen insofern in der Tradition der Schriftskepsis, der ars oblivionis. Gerade 28 29 30 31
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Artikel »in’sait«, in: Der Spiegel, 3. 2. 1969, Nr. 6, S. 140. Zu Timm Ulrichs verwandten Bildrückseitenbildern: ders., Dem Betrachter den Rücken zukehrend, Siegen 1994. Siehe Jochem Hendricks, Legal Crimes, hg. von Dorothea Strauss, Freiburg 2002, S. 74–77 und . Daneben fertigte Hendricks eine Reihe von freistehenden Buchattrappen-Plastiken auf Sockeln an. Der Sockel und das Podest als Präsentationsflächen sind zentrale Momente in Hendricks Werk. Siehe Hendricks, Legal Crimes, 2002, S. 6–10. Siehe die Presseberichte: »Gutenbergs Zukunft«, in: Der Spiegel, 24. 8. 1998, Nr. 35, S. 169. – Nana Rebhan: nichts dahinter, in: Süddeutsche Zeitung, SZ-Jetzt, 7. 9. 1998. Ingrid Schaffner, Matthias Winzen (Hg.), Deep Storage. Arsenale der Erinnerung. Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst, München, New York 1997, S. 9.
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in der digitalen Ära, in der alles Wissen open access verfügbar sein soll, setzen sie der ›Informationsflut‹ ostentativ ein widerständiges Moment der Leere, Unzugänglichkeit und Oberflächlichkeit entgegen. Sie löschen gewissermaßen den Inhaltsspeicher und stellen damit das Vergessen heraus. Auf diese Weise werden sie zur Gedächtnisarbeit, die sich nicht nur durch Reproduzieren und Digitalisieren vollzieht, sondern vor allem durch die Reflexion der Distanz zum Zitierten. Erinnern verlangt ein Moment der Differenz, des Abstandes, auch der Leere – und dies bietet die Buchattrappe. Während die Kunst und der Kunsthandel schon immer ein Augenmerk auf Buchattrappen hatten, wurden sie von Archiven und Bibliotheken bisher nicht gesammelt. Eine Ausnahme ist die Zentralbibliothek Zürich, die 1994 eine Privatsammlung von 127 Trompe-l’œil-Büchern des achtzehnten bis zwanzigsten Jahrhunderts, in der Mehrzahl aus England und Frankreich, übernommen hat. Sie enthält sowohl hohle als auch massive Buchattrappen, die etwa als Trinkgefäße, Flakons, Schmink- und Schmuckkästchen, Fußwärmer oder Briefbeschwerer dienten. Die Sammlung wird seit 2002 als Dauerausstellung in der Abteilung Alte Drucke und Rara der Zentralbibliothek Zürich gezeigt.³⁴ Es ist davon auszugehen, dass sich auch an anderen Archiven und Bibliotheken Buchattrappen erhalten haben. Sie sind jedoch in der Regel nicht auffindbar, weil sie nicht erschlossen werden. Denn Erschließung setzt Inhalte voraus. Attrappen gelten dagegen als inhaltslos und daher als irrelevant. Schon der Begriff der Attrappe ist in der abendländischen Philosophie – vor allem in der idealistischen Tradition – meist negativ konnotiert und wird abwertend als hohler, trügerischer Schein verstanden.³⁵ Das Barock sah Maskerade, Täuschung und Verstellung noch positiv und setzte sie als Kunstmittel bewusst ein. Der neuzeitliche, aufklärerische Blick differenziert indessen zwischen wahrem und falschem Schein.³⁶ Gegen die rein negative Bewertung der Attrappe als Trugbild ist einzuwenden, dass Buchnachbildungen durchaus inhaltliche Merkmale tragen. Sowohl ihre Form als auch ihre Beschriftung lassen Rückschlüsse auf Denkweisen und Stile verschiedener Epochen zu. Denn die fiktiven oder tatsächlich vorhandenen Titel stellen sich in inhaltliche Traditionen. Sie geben je nach Funktion Aufschluss darüber, was in einer Zeit als besonders repräsentativ und zum Kanon gehörig galt, oder was im Gegenteil als unauffällig oder uninteressant erachtet wurde. So fanden Buchattrappen mit einem konventionellen, unverdächtigen Äußeren immer wieder als Transportmit34
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Siehe Bruno Weber, Schöner Bücher Schein. Trompe-l’œil-Bücher aus einer Zürcher Privatsammlung. Zentralbibliothek Zürich 1. November 1994 bis 31. März 1995 (Faltblatt zur Ausstellung). – Hansheinrich Meier, Schöner Bücher Schein. Zentralbibliothek Zürich: Neue Dauerausstellung, in: Bindereport. Fachmagazin für Buchbinderei und Druckverarbeitung, 16/6, Juni 2003, S. 11. So hat der Religionsphilosoph Josef Pieper zwischen dem Symbol als einem wesenhaften Zeichen, das einen Wirklichkeitskern enthält, und der Attrappe als einem inhaltslosen, rein konventionellen Zeichen ohne Bedeutungskraft unterschieden. Vgl. Josef Pieper, Symbol und Attrappe, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst, 36/3, 1938/39, S. 213–220. Für den Hinweis auf diese moderne Unterscheidung danke ich Martin Kölbel.
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tel für Kassiber oder Schmuggelware Verwendung. Aber auch ohne Titel, wenn die Täuschungsabsicht geringer ist, sind Buchattrappen eine wichtige Quelle für die Geschichte der visuellen Kommunikation, indem sie zeigen, wie eine virtuelle Realität gestaltet sein muss, um entweder repräsentativ zu wirken und zu imponieren oder um im Gegenteil nicht aufzufallen, um die jeweiligen Konventionen zu erfüllen. Das Ziel der Marbacher Sammlung ist, alle Typen von Buchattrappen und Scheinbüchern, die es seit dem achtzehnten Jahrhundert gibt, durch exemplarische Objekte zu dokumentieren.³⁷ Der Schwerpunkt liegt dabei einerseits auf Attrappen mit literarischen Titeln, andererseits auf Attrappen mit verborgenen Hohlräumen. Diese beiden Eigenschaften – die äußerliche Titelgebung und die Leerräume im Innern – sind nicht nur funktionale Strategien, die auf die Erzeugung einer Illusion oder auf die möglichst erfolgreiche Tarnung eines Versteckes zielen. Durch den Fortfall der Buchseiten, durch die Auslassung des Inhalts können Buchattrappen und Scheinbücher ex negativo bewusst machen, wodurch sich ein Buch – über seine Speicher- und Erinnerungsfunktion hinaus – konstituiert. Die Konstruktion eines leeren Speicherbehälters deutet implizit – sozusagen mit romantischer Ironie – darauf hin, dass das Buch nicht nur als Speichermedium, als Ablageort und Wissensmagazin fungiert, sondern auch weitergehende, nicht-funktionale Aspekte an sich hat. In der digitalen Ära stellt sich mehr denn je die Frage: Was macht das klassische Buch aus, was ein E-Book nicht hat? Die Buchattrappe gibt eine Antwort, indem sie die Vorstellung, dass das Buch nur der Träger oder Transporteur von Inhalten ist, unterhöhlt. Durch die Negativräume, die in den Attrappen enthalten sind, wird die äußere Beschriftung mit Autorenangabe und Titel zum eigentlichen Inhalt. Der Paratext wird zum Text. Die Verweisfunktion der realen oder fiktiven Titel verläuft zunächst ins Leere. Ohne den Buchkörper, auf den sie eigentlich bezogen sind, gewinnen sie einen autonomen Status, eine neue Eigenständigkeit. Auf diese Weise tritt ihre Referenzbeziehung zu vorhandenen oder erfundenen Werken der Literatur hervor. Die Titel nehmen, da sie nicht mehr den Buchinhalt denotieren, intertextuellen Charakter an. Die Buchattrappe zeigt also in zweierlei Richtung: Einerseits lenkt sie den Blick zum Hohlraum und Geheimboden im Innern hin, der den Buchinhalt gleichsam verschluckt hat. Andererseits fordert sie mit ihren äußeren Referenzmerkmalen den Betrachter und Leser dazu auf, einen außerhalb stehenden Textkörper mitzudenken. Dieses doppelte Spiel – das Buch wird real geleert und virtuell gefüllt – kehrt die Verhältnisse um. Der Speicherraum, der als beliebig und austauschbar gilt, tritt in den Mittelpunkt. Der Text, der sonst im Zentrum steht, diffundiert in die Umgebung. Dadurch wird deutlich, dass das reale Buch eine verbindende und vermittelnde Kraft hat. Es ist in der Lage, den raumgreifenden Text auf einen körperlichen, begrenzten Speicherplatz zu beziehen. Im Gegensatz zu digitalen Repositorien stellt das Buch eine materiale Basis und einen formalen Rahmen bereit, die den Inhalt mitbestimmen. Alle Modelle der Langzeitarchivierung elektronischer Ressourcen beruhen 37
Stiftungen zum weiteren Aufbau der Sammlung, die derzeit etwa 50 Objekte umfasst, sind sehr willkommen.
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darauf, den Textinhalt von seinem originären Trägermedium abzulösen, den Informationskern vom physischen Substrat und Datenformat zu trennen. Das Ziel digitaler Speicherung ist »Medienneutralität«. Die Figur der Buchattrappe macht bewusst, dass dabei Wesentliches verlorengeht. Sie ist – wie die Etymologie schon zeigte – tatsächlich eine Falle: Ein Speicherversteck, das den Text öffnet. Eine räumliche Enge, die sprachliche Weite produziert. Die Buchattrappe fängt damit ein Charakteristikum des traditionellen Buches ein: Indem es die Statik des Speichers und die Dynamik des Textes aufeinandertreffen lässt, kommt es zur Interaktion zwischen dem Zeichensystem und dem Ort seiner Materialisierung.
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Aus der Sammlung Buchattrappen und Scheinbücher des DLA Marbach
Abb. 2: Mehrbändige Buchattrappen aus den 1960er Jahren (Firma Lauritz & Moritz). © DLA
Abb. 1: Zeitgenössische Buchattrappen in Blockform im Bibliotheksmagazin. © DLA
Abb. 3: Einzel-Buchattrappen, auf dem Rücken Autor und Titel existierender Bücher, um 2010. © DLA
Abb. 4: Buchattrappe Gustav Freytag, Gesammelte Werke, 18. Band (Verlag S. Hirzel, 1888). © DLA
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Abb. 6: Zwei französische Attrappen des neunzehnten Jahrhunderts, aus echten Büchern hergestellt (im Vordergrund: Auguste Debay, Laïs de Corinthe, Paris 1855; im Hintergrund: Barthélemy Baudrand, L’âme élevée à Dieu par les réflexions et les sentimens, Paris 1824). © DLA Abb. 5: Der »Buchtresor Schiller« mit Geheimfach (Moses Verlag, 2011). © DLA
Abb. 7: Einzel-Buchattrappen, auf dem Rücken Titel existierender Bücher, um 2010. © DLA
Abb. 8: Timm Ulrichs, Dem Leser den Rücken zukehrend, 1970. © DLA
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anmut und politik Der Siedler-Verlag und sein Archiv in Marbach
»Ich gelte ja hier und da als so etwas wie ein Berliner Säulenheiliger und früher hätte ich mich in dieser Rolle sogar ziemlich wohl gefühlt, aber seit einiger Zeit beunruhigt mich diese Stadt und es kommt mir so vor, als ob ihr Zustand immer desolater wird.«¹ Der hier Beunruhigte ist Wolf Jobst Siedler, der Adressat dieser Sorge Günter Grass, den der Verleger für eines seiner ersten Buchprojekte im neugegründeten Severin und Siedler-Verlag gewinnen möchte. Wir schreiben das Jahr 1980. Wolf Jobst Siedler hatte nach seinem Ausscheiden aus dem Springer-Konzern gemeinsam mit dem Filmproduzenten Jochen Severin einen Verlag ins Leben gerufen, mit dem er über das Ausscheiden Jochen Severins drei Jahre später hinaus seine Rolle als »Säulenheiliger« Berlins weiter etablierte. 1926 in Berlin geboren, war Wolf Jobst Siedler in der Welt des konservativen Bürgertums aufgewachsen. Seine Kindheit verlebte er in einem Elternhaus in Berlin-Dahlem, dem noch der »Geschmack der alten Zeit«² und die Sprache der Großeltern innewohnte. Die Jugendzeit verbrachte er unter anderem im elitären Internat Ettersburg, wo sich Siedler, dessen Vater früher kaiserlicher Diplomat gewesen war, zwischen Abkömmlingen aus einst regierenden Häusern bewegte. Als 17-Jähriger wurde er zusammen mit Ernst Jünger junior wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt, was einen Gefängnisaufenthalt in der Strafanstalt Wilhelmshaven und anschließende »Frontbewährung« zur Folge hatte. Er geriet in britische Kriegsgefangenschaft, wurde als Verfolgter des Nazi-Regimes eingestuft und erhielt so, ohne eine Prüfung abgelegt zu haben, von seiner alten Schulleitung das Abiturzeugnis. Ab 1948 studierte Siedler in Berlin Soziologie, Philosophie, Germanistik und Geschichte³ und war anschließend als Generalsekretär des Kongresses für kulturelle Freiheit, danach als Feuilletonredakteur der Berliner Neuen Zeitung, später als Feuilletonchef des Berliner Tages1 2 3
Brief von Siedler an Günter Grass, 24. 6. 1980, DLA Marbach, A: Siedler-Verlag, Ordner »H.-W.Richter«, siehe Abb. 1. Wolf Jobst Siedler, Ein Leben wird besichtigt. In der Welt der Eltern, Berliner Taschenbuchverlag 2002, S. 13. Siedler schloss dieses Studium jedoch nicht ab. Vgl.: Carsten Heinze, Identität und Geschichte in autobiographischen Lebenskonstruktionen. Jüdische und nicht-jüdische Vergangenheitsbearbeitungen in Ost- und Westdeutschland, Wiesbaden 2009, S. 433.
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anmut und politik
Abb. 1: Brief Siedlers an Günter Grass, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag
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spiegel tätig. 1963 übernahm er die Leitung des Propyläen-Verlages, von 1967 bis 1979 wirkte er als Geschäftsführer der Ullsteingruppe für die Verlage Propyläen, Quadriga und Ullstein. Wolf Jobst Siedlers Lebensmittelpunkt blieb zeitlebens Berlin. Berlin war seine geistige Heimat; sein publizistisches, schriftstellerisches und verlegerisches Engagement erwuchs aus dem Bewusstsein seiner preußischen Herkunft,⁴ auch wenn sich Siedler stets als liberaler Geist verstand. 1980 also, als mit dem Severin und Siedler-Verlag ein eigenes Verlagsprojekt entstand, dachte Siedler in Sorge an den »desolaten« Zustand seiner Heimat: »Mitunter kommt es mir so vor, als ob man hier weder Weltpolitik, noch Europa-Politik und noch nicht einmal mehr deutsche Politik machen könnte, sondern bestenfalls Stadtpolitik, mit der es aber auch nicht mehr zum Besten bestellt ist«,⁵ schreibt er an Günter Grass. Die »intellektuellen Impulse«, welche noch in der Ära Brandt vom »Geist der Stadt« ausgingen – sie scheinen nahezu unmöglich wiederzubeleben. Und doch ist die Gründung des eigenen Verlags sicher als Signal des 50-Jährigen zu verstehen: »Ich bleibe hier«, offenbart Wolf Jobst Siedler in seinem Brief gegenüber Grass, »weil ich nun einmal sozusagen seit dreihundert Jahren in Berlin lebe, aber sehr viel Sinn sehe ich darin gar nicht mehr«. Was also ist der Marginalisierung Berlins im schleppend gewordenen Prozess der Ostpolitik entgegenzusetzen? Siedler und Severin können für ihr Berlin-Bändchen aus dem ersten Verlagsprogramm gut zwei Dutzend namhafte Autoren gewinnen. Der Titel Berlin, ach Berlin, den Wolf Jobst Siedler für das Bändchen fand, mutet fast wie ein Stoßseufzer an. »Wir wollen keines der üblichen verklärenden Berlin-Bücher machen, die sentimentalen oder nostalgischen Charakter haben«, formulierte der Herausgeber Hans Werner Richter im Rundbrief an potentielle Beiträger. Wir möchten vielmehr von dem ein wenig tristen Zustand ausgehen, der die heutige Berlin-Atmosphäre charakterisiert, wobei wir an beide Hälften der Stadt denken […]. Welche Hoffnungen, Erwartungen, Enttäuschungen verbinden sich für die Betreffenden mit Berlin, wobei ich noch immer davon ausgehe, daß sich in dieser Stadt manche deutschen Entwicklungen deutlicher abzeichnen als in Frankfurt oder Hamburg. Lebensfähig wird Berlin wohl schon gehalten werden, aber ist es noch die Stadt, von der so großer Elan ausging und der wir uns lange Zeit hindurch aus tausenderlei Gründen verbunden hatten?⁶
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Als Heimat bezeichnete Siedler nicht nur Berlin, sondern den geschichtsträchtigen Landstrich »Mark Brandenburg«, vgl. Fragebogen in Junge Freiheit, Nr. 20/21, 11. Mai 2001, S. 16. Brief von Siedler an Günter Grass, 24. 6. 1980, DLA Marbach, A: Siedler-Verlag, Ordner »H.-W.Richter«, siehe Abb. 1. Der Rundbrief wurde von Hans Werner Richter im Laufe des Jahres 1980 an verschiedene Autoren verschickt, z. B. hier an Peter Handke am 18. 10. 1980, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag.
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Unter den Autoren, die der Bitte des Verlages nachkommen, finden sich Wolfdietrich Schnurre, Helmut Heißenbüttel, Günter Kunert, Christa Reinig, Walter Höllerer, Oskar Pastior, Uwe Johnson, Günter Grass und viele andere. Und was setzen sie dem Verfall Berlins entgegen? Es sind zumeist – Erinnerungen. So resümiert dann der Herausgeber auch in seinem Vorwort, dass der Band »mehr Rückblicke, mehr Erinnerungen als Ausblicke« vereint.⁷ Doch unter das private Erinnern mischt sich beispielsweise bei Wolfdietrich Schnurre immer der »Weltatem«,⁸ ihm kommt »in Berlin […] die Welt noch dazu, die da mitgemischt hat«.⁹ Auch Günter Kunert kann der verblassenden »Welthaltigkeit«¹⁰ der Stadt noch nachspüren. Wolf Jobst Siedler tat genau dies ein Leben lang. Die Schlagworte des ›Rückblicks‹ und des ›Erinnerns‹ lassen sich auf das Verlagskonzept als Ganzes übertragen.
Rückblicke und Erinnerungen 1983 trennten sich Siedler und Severin. Mit dem Verkauf von Severins Anteilen an den Bertelsmann Verlag war die Bertelsmann Verlagsgruppe Partner des neuentstandenen Wolf Jobst Siedler Verlags geworden. Ohne Zweifel verfolgte und verwirklichte der Berliner »Säulenheilige« fortan in seinem Verlag ein sehr persönliches (Erinnerungs-) Konzept, dessen Sortiment sich vor allem aus Memoiren, Erinnerungsbüchern, Titeln zur europäischen und deutschen Geschichte und zeitgeschichtlich-politischer Literatur zusammensetzte. Schon im ersten Jahrzehnt konnte Siedler die großen Persönlichkeiten aus verschiedenen politischen Lagern an seinen Verlag binden, darunter Richard von Weizsäcker (Die deutsche Geschichte geht weiter, 1982), Helmut Schmidt (Vom deutschen Stolz. Bekenntnisse zur Erfahrung von Kunst, 1986; Eine Strategie für den Westen, 1986; Menschen und Mächte, 1987; Die Grenzen sprengen, 1988), Willy Brandt (Die Abschiedsrede, 1987) und Hans-Dietrich Genscher (Unterwegs zur Einheit, 1990). Franz Josef Strauß’ Erinnerungen fanden ebenso Eingang in das Verlagsprogramm wie die Briefausgaben Konrad Adenauers. Mit Publikationen vertreten waren namhafte Historiker, Philosophen oder Literaturwissenschaftler, darunter Hartmut Boockmann, Ernst Engelberg, Felix Gilbert, Jürgen Habermas, Hermann Lübbe, Hans Mayer, Christian Meier,¹¹ Friedrich Prinz, Karl Schlögel, Hagen Schulze, Fritz Stern, Michael Stürmer, Henry A. Turner und Werner Weidenfeld. Siedler nahm auch eigene Erinnerungsbücher ins Programm auf: 1986 erschien sein schmales Bändchen Auf der Pfaueninsel, eine Hommage an das für die brandenburgisch-preußische Geschichte wichtige Stückchen Land im Südwesten Berlins. Siedlers Wanderungen zwischen Oder und Nirgendwo folgten 1988, in dem er das Land der Vorfahren mit der Seele suchte, so
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Berlin, ach Berlin, hg. von Hans Werner Richter, Berlin 1981, S. 10. Ebd., S. 15. Ebd., S. 14. Ebd., S. 20. Von dessen Politik und Anmut (1985) wurde der Titel dieses Aufsatzes entlehnt.
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der Untertitel. Ein weiteres Erinnerungsbuch aus demselben Jahr stammt von Marion Dönhoff, die ihrer Kindheit in Ostpreußen huldigte. Bereits 1985 war Marianne Peyinghaus’ Stille Jahre in Gertlauken. Erinnerungen an Ostpreußen erschienen. Siedlers besonderes Interesse galt der Architektur. Er kommentierte nicht nur gern und regelmäßig städtebauliche Maßnahmen in der Presse oder setzte sich für den Erhalt von historischen Bauten ein; schon 1964 hatte er mit Die gemordete Stadt¹² Stellung gegen den damals herrschenden städtebaulichen Zeitgeist bezogen. In sein Verlagsprogramm fanden deshalb auch Titel über Architektur Eingang, so zum Beispiel Wolfgang Pehnts Ende der deutschen Zuversicht: Architektur in diesem Jahrhundert (1984) oder das 1986 erschienene Buch Friedrich als Bauherr. Studien zur Architektur des 18. Jahrhunderts in Berlin und Potsdam von Hans-Joachim Giersberg. Mit der deutschen Wiedervereinigung – so formuliert Siedler in einem Brief an Arnulf Baring am 4. 5. 1990 – kehrte Deutschland »auf die Bühne der Weltpolitik« zurück. Gezielt warb der Verleger in Fachkreisen um Publikationen. Seine Erwartungen an einen politischen Umbruch blieben realistisch: »Die Illusionen, daß der Übergang in zwei oder drei Jahren vollzogen sein würde, gehören wohl der Vergangenheit an«, schreibt er am 21. Februar 1991 an Brandenburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Diesen will er für ein Buchprojekt gewinnen, das die bevorstehenden Probleme radikal eruieren und formulieren soll. Vorwegnehmend sinniert er in seinem Brief über das Fehlen der »märkisch-preußischen Führungsschicht«, was den Neuerungsprozess erschwere: Die ehemalige DDR scheint mir in weiten Teilen ein Land zu sein, das in einem halben Jahrhundert seiner Elite beraubt worden ist […]. Ein Gang durch das heutige Neuruppin oder Prenzlau zeigt ja, daß jene Welt vergangen ist, aus der einst die märkisch-preußische Führungsschicht kam, von Humboldt aus Königsberg in der Neumark über Schinkel bis zu Fontane aus Neuruppin. Auch die bürgerliche und selbst die kleinbürgerliche Schicht fehlt ja jetzt, aus der sich einst die Residenzen Berlin wie Potsdam rekrutierten.¹³ Die Frage, wie eine geistige Erneuerung des Landes aussehen könne, stand für Siedler im Mittelpunkt jenes Buches, an dem er mit Stolpe arbeiten wollte. Die Formalitäten waren bald geklärt, und Autor und Verleger hoben im Folgejahr den Titel Schwieriger Aufbruch aus der Taufe. Siedler hatte dabei, »[s]eine Kompetenzen wieder einmal überschreitend«,¹⁴ in die Herstellung eingewirkt. Hatte er in diesem konkreten Fall noch die »Honorarregelung« gemeint, bei der er dem Autor vorgriff, wird schnell deutlich, dass die »Kompetenzüberschreitung«, von der Siedler, natürlich nicht ganz ernst gemeint, spricht, praktisch auf allen Produktionsstufen stattfand. Ein weiterer Titel,
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Wolf Jobst Siedler, Die gemordete Stadt. Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum, Berlin 1964. Brief von Siedler an Manfred Stolpe, 21. 2. 1991, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag. Brief von Siedler an Manfred Stolpe, 30. 8. 1991, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag.
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auf den Siedler gezielt sprachlich einwirkte, sind Horst Teltschiks Tagebuchaufzeichnungen 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Die Aufzeichnungen des damaligen Leiters der Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt sollten den Leser durch ihren authentischen Charakter überzeugen. So übernahm es Siedler anstelle des Lektors Dirk Rumberg, den Autor um eine deutlichere Ausarbeitung des originalen »Tagebuch-Charakters« zu bitten, und machte konkrete Änderungsvorschläge.¹⁵ Offenbar wurde sehr oft auf direktem Weg zwischen Autor und Verlagschef kommuniziert. Dies zumindest geht aus den vorhandenen Unterlagen hervor – obwohl anzunehmen ist, dass es darüber hinaus auch Austausch mit den zuständigen Lektoren gab. Das Verhältnis zwischen Verleger und Autor war mitunter so exklusiv, dass der Verlagschef beispielsweise noch kurz vor Fertigstellung des Titels Teltschik darüber aufzuklären hatte, wer anstelle des irrtümlich dafür gehaltenen Thomas Karlauf der aktuell zuständige Lektor war.¹⁶ Als Teltschiks Tagebuchaufzeichnungen 1992 erschienen, hatte sich der Verlagschef nach eigener Aussage »selbst um die sprachliche Endfassung [ge]kümmer[t]«.¹⁷
»Hier kocht der Chef selbst« Das Archivmaterial des Verlages trägt die Handschrift Siedlers, seiner Unermüdlichkeit, seines persönlichen Engagements, seiner Erfahrung und seines Verhandlungs- und Überzeugungsgeschicks. Dabei stammen, vom Berlin, ach Berlin-Band angefangen, Ideen und Konzeptionen der Bücher meist vom Verleger selbst. Für den Herausgeber des Berlin-Bandes fiel, wie Siedler in seiner Aktennotiz festhielt, nur eine »minimale Arbeitsbelastung« an, da die Verleger sowohl persönlich die Namensliste der Einzuladenden erstellten als auch den Einladungsbrief formulierten und Durchsicht und Überarbeitung aller Manuskripte vornahmen.¹⁸ In einem Interview für das Bertelsmann-Magazin bestätigt Siedler den Eindruck, der bei der Durchsicht der Archivmaterialien entsteht: Mindestens 80 Prozent der Bücher sind von mir selbst angeregt, vorgeschlagen und mit den Autoren diskutiert worden. Das gilt auch für die Historiker: Für die Reihe »Die Deutschen und ihre Nation« und »Das Reich und die Deutschen« haben wir hier monatelang gesessen und die Gliederung des Werkes besprochen und die Aufteilung der einzelnen Bände. Geschrieben haben dann natürlich die Autoren, aber erstens über die Themen, die ich vorschlug, und zweitens nach der Gliederung, die mir sinnvoll erschien.¹⁹
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Vgl. z. B. Brief von Siedler an Horst Teltschik, 25. 4. 1991, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag. Brief von Siedler an Horst Teltschik, 7. 5. 1991, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag. Ebd. Aktennotiz von Siedler am 30. 5. 1980, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag. »Hier kocht der Chef selbst«, in: Bertelsmann Report 239, September 1996, S. 7.
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Dass »natürlich die Autoren« schrieben, stimmt nicht in allen Fällen. Gemäß dem von ihm zitierten ›Lokalspruch‹ »Hier kocht der Chef selbst« legten der Verlagsleiter und seine Vertrauenspersonen mitunter bis zur schriftlichen Endfassung einiger Memoiren-Bände Hand an. In einem ersten Schritt erstellte der Verlag eine genaue Gliederung des zu schreibenden Werkes, auf deren Basis dann Gespräche mit dem Autor geführt und mitgeschnitten wurden. Das Schreiben des zusammenhängenden Textes fiel dann nicht selten wieder in den Aufgabenbereich des Verlages. In Bezug auf den Memoiren-Band von Hermann Joseph Abs erläutert Wolf Jobst Siedler 1983 dem Bertelsmann-Manager Olaf Paeschke genau dieses Verfahren: [A]m Wochenende […] haben wir die Frage seiner Memoiren zum ersten Mal ganz konkret besprochen. Wir haben uns verständigt, daß ich mit seinem engen Berater […] eine Gliederung des Bandes bespreche, womit wir sowohl die gedankliche Anlage als auch den stofflichen Aufbau und die kompositorischen Einzelheiten meinen. Dies wollen wir in mehreren Schreibmaschinenseiten auf eine Weise festhalten, daß sich Herr Abs gedanklich damit beschäftigen kann, bevor wir dann aus Tonbandgesprächen, an denen nach Möglichkeit auch Herr Fest und Herr Gross teilnehmen sollen, ein endgültiges Gespräch gewinnen wollen.²⁰ Das Verfahren der Tonbandaufzeichnungen zur ›Memoiren-Gewinnung‹ hatten Wolf Jobst Siedler und Joachim Fest bereits zu »Propyläen-Zeiten« für ihre umstrittene Publikation von Albrecht Speers Erinnerungen (1969) angewandt.²¹ Auch für den Memoiren-Band von Theodor Eschenburg, über den man seit 1983 korrespondierte, wählte man diese Arbeitsweise. Joachim Fest und Johannes Gross trafen sich mehrfach mit dem betagten Politikwissenschaftler, um Gespräche aufzuzeichnen. Wie sich schnell herausstellte, bedeutete das Redigieren der Eschenburgschen Tonbandprotokolle,
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Brief von Siedler an Olaf Paeschke, 4. 10. 1983, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag, Ordner »Korrespondenz bis 1990«. Das Vorhaben wurde aus nicht genannten Gründen allerdings verschoben. Drei Jahre später, im Dezember 1986, kam es zu einem erneuten Austausch darüber. Siedlers Aktennotiz berichtet über ein dreistündiges Zusammensein, in dem Hermann Abs »jenen Memoiren-Band, dessen Abfassung er seit mehreren Jahrzehnten allen Verlagen verweigere« nun doch dem Siedler-Verlag zusagte und so sollte der Band »in der alten Dreierfreundschaft Abs, Fest, Siedler« zustande kommen. Wiederum scheiterte das Projekt; die Vermutung liegt nahe, dass anderweitige Arbeiten des betagten Autors das Projekt auf unbestimmte Zeit verzögerten (Hausmitteilung vom 19. 12. 1986, in Ordner »Korrespondenz bis 1990«). Joachim Fest und Wolf Jobst Siedler wurde später vorgeworfen, durch diese Publikation die Selbstinszenierung Speers und seinen Status der »zentralen Entlastungsfigur der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft« befördert zu haben. Vgl. Volker Ullrich, Speers Erfindung. Wie die Legende um Hitlers Liebling entstand und welche Rolle Wolf Jobst Siedler und Joachim Fest dabei spielten, 2007, http://www.zeit.de/2005/19/Speer_Verleger.
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aus denen »nur Satzbrocken und Gedankengänge verwendbar« schienen, einen so hohen Arbeitsaufwand, dass vom ›Redigieren‹ bald nur noch gegenüber dem Autor gesprochen wurde. Siedler und Fest mussten, wie sie dies offenbar auch »damals bei den Büchern von Speer« gemacht hatten und wie es auch für den entstehenden Erinnerungsband Zwischen den Zeiten. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten von Bruno Kreisky erwartet wurde, »Satz für Satz selber« schreiben.²²
»In der alten Weise fortgeführt und ausgebaut« Obwohl das zweite Verlagsjahrzehnt für Wolf Jobst Siedler mit der Verwirklichung zahlreicher ›Wiedervereinigungs-Titel‹ und mit der aufwändigen Organisation und Gestaltung der 10-bändigen Reihe Deutsche Geschichte im Osten Europas (der erste Band erschien 1992) vielversprechend begann, plante er, seine leitende Tätigkeit im Verlag mit dem Jahr 1995 zu beenden. Im Zuge einer Umstrukturierung innerhalb der Verlagsgruppe wurde eine gemeinsame Leitung des Siedler-Verlages und des Münchner Albrecht Knaus-Verlages angestrebt. Der inzwischen fast 70-Jährige wollte diese Zäsur offensichtlich zum Anlass nehmen, aus dem Verlag auszuscheiden und die Verlagsleitung Hans Ewald Dede zu überlassen. Das Vorhaben wurde jedoch verworfen, und so schrieb Wolf Jobst Siedler im Dezember 1995 an seine Mitarbeiter: »Der Verlag, der meinen Namen trägt, wird wie seit seiner Gründung in der bisherigen Form in Berlin fortgeführt werden. Ich selbst werde ihn über die Alterszäsur hinaus noch einige Jahre verantwortlich leiten […]«. Die Arbeit des Verlages sollte »in der alten Weise fortgeführt und ausgebaut werden […]. Stärker als in den zurückliegenden Jahren werde ich auch Stoffe der unmittelbaren Gegenwart aufgreifen, wenn sie über die pure Aktualität hinausgehen.« Beispielhaft für diesen neuen Impuls nennt Siedler Jörg von Uthmanns Titel Attentat. Politischer Mord aus gutem Gewissen. Von Julius Caesar bis Jitzhak Rabin, der im Folgejahr erschien. Richtet man seinen Blick auf die Neuerscheinungen der kommenden Jahre, fallen zwischen dem vertrauten Sortiment aus Memoiren und Geschichtsbüchern tatsächlich vermehrt Titel mit verlagsuntypischem Profil ins Auge. Von Sonja Margolina erscheint 1995 der Band Die gemütliche Apokalypse. Unbotmässiges zu Klimahysterie und Einwanderungsdebatte in Deutschland, dessen Manuskript Siedler, ein Jahr zuvor vorgelegt, rasch überzeugt hatte. Auch der zweite Titel Jörg von Uthmanns, das Buch der Laster, weicht vom üblichen Verlagsprogramm etwas ab. Untypisch erscheinen auch die Titel von Paul Hawkens Kollaps oder Kreislaufwirtschaft. Wachstum nach dem Vorbild der Natur (1996) und Frank J. Sulloways Rebell der Familie. Geschwisterrivalität, kreatives Denken und
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Brief von Siedler an Olaf Paeschke, 1. 8. 1985, DLA Marbach, A:Siedler-Verlag, Ordner »Eschenburg«. Obwohl der Titel in den Korrespondenzen nie genannt wird, dürfte es sich um den erst 1995 erschienenen ersten Teil von Eschenburgs Erinnerungen Also hören Sie mal zu handeln.
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Geschichte (1997), bei denen es sich um amerikanische Titel handelt, in deren Entstehung Siedler nicht involviert war. Zum Ende des Jahres 1998 schied Wolf Jobst Siedler aus seinem Verlag aus. Der Verlag ging im Berlin Verlag unter der Leitung Arnulf Conradis auf, ehe er im selben Jahr mehrheitlich von Bertelsmann übernommen wurde. Siedler schrieb 1998 an den Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG, Mark Wössner: [D]as ist nun unwiderruflich das letzte Mal, daß ich Ihnen die Programmvorschau des Verlages schicke, den ich vor fast zwei Jahrzehnten mit drei Leuten ins Leben rief, und der dann Dank Ihrer eine leidlich noble Rolle in der deutschen Verlagslandschaft spielte. Sie werden von Ihrem Herrn Bruder [Frank Wössner] gehört haben, daß ich noch zwei oder drei Jahre für die großen Geschichtswerke und etwa 30 Autoren verantwortlich bin, die sich in besonderer Weise an mich gebunden fühlen. So bin ich nicht ganz aus der Welt, und werde mit Sympathie betrachten, wie Arnulf Conradi das Schiff nun durch die aufgeregten Wogen des Zeitgeistes steuert.²³ Zu diesem Zeitpunkt hatte Wolf Jobst Siedler bereits sein 70stes Lebensjahr deutlich überschritten. Trotzdem blieb er dem Verlag und vielen Autoren verbunden: Von der beratenden Funktion, die Siedler weiterhin wahrnahm, zeugt die bis 2001 fortgesetzte interne Korrespondenz mit Arnulf Conradi und Thomas Sparr, dem damaligen Cheflektor. Aus den späten Verlagsjahren blieben außerdem Tageskopien erhalten, die die Jahre 1995 bis 2001 dokumentieren. Darin wird noch einmal deutlich, wie intensiv der ehemalige Verlagschef seine Autoren auch nach seinem Ausscheiden betreute. Welchen Schriftverkehr und welche Reisen Siedler in diesen Jahren für den Verlag noch unternahm, belegen zudem Ordner mit entsprechenden Abrechnungen oder Auflistungen seiner Korrespondenzen.
Das Archiv des Siedler-Verlages Die Materialien des Verlagsarchivs werden seit 2012 in Marbach verwahrt. Der größte Teil des Bestandes befindet sich in einer übernommenen Ordnung, die dem ursprünglichen Ablagesystem des Verlages entspricht. Sein Umfang beläuft sich auf circa 360 Ordner. Das überlieferte Material besteht aus Manuskripten, Korrespondenzen und einem Pressearchiv, in dem sowohl Siedlers eigene Zeitungspublikationen als auch Reaktionen auf seine Buchpublikationen archiviert werden. Der Fundus umfasst Artikel aus dem Tagesspiegel (1955–1963), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1982–1998), der Berliner Zeitung (1982–1999), der Berliner Morgenpost (1991–1997)
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Brief von Siedler an Mark Wössner am 17. 12. 1998, DLA Marbach, A: Siedler-Verlag, Ordner »Intern, Bertelsmann-Siedler 1997/98«.
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und anderen Zeitungen und Medien, darunter regionale Kultur-Zeitschriften beziehungsweise -Zeitungen und Rundfunksender. Die systematisch beigelegte Korrespondenz gibt zusätzliche Informationen über die Modalitäten des Abdrucks. Mit einem Umfang von 36 Ordnern ist das Pressearchiv eine über viele Jahre gepflegte Ablage. Keine erkennbare Systematik hingegen wird bei der Archivierung von Manuskripten sichtbar. Hier scheint es sich viel eher um Bruchstücke oder ›Restposten‹ der Verlagsarbeit zu handeln, die keinem generellen Archivierungsgedanken unterlagen. Unter den wenigen Manuskripten befinden sich solche von Jürgen von Alten, Günter de Bruyn, Lothar Gall, Ruth Glatzer, Eckhart Gillen, Peter Graf von Kielmansegg, Henning Köhler, Helga M. Novak, Hagen Schulze und Richard von Weizsäcker. Meist handelt es sich um relativ späte Textstufen, die keinen wirklichen Arbeitsprozess erkennen lassen. Anders jedoch sieht es bei zwei erhalten gebliebenen Manuskriptfassungen von Hans-Dietrich Genschers Erinnerungen (1995) und Theodor Eschenburgs zweitem Memoirenteil, Letzten Endes meine ich doch (2000), aus. Hier wird die oben beschriebene Arbeitsweise sichtbar, durch die aus Gesprächsaufzeichnungen ein druckfähiger Text gewonnen wurde. Der Entstehungszeitraum der Korrespondenzen erstreckt sich bis in das Jahr 2001 und umfasst insgesamt circa 230 Ordner. Hier reihen sich zunächst relativ vollständige Korrespondenzalphabete in Originalordnern, deren Inhalte unter anderem aus Terminvereinbarungen, Einladungen zu Veranstaltungen, Publikationsanfragen von Zeitungen, Kontaktpflege, Versendung von Freiexemplaren oder Vorschlägen und Austausch zu Buchprojekten bestehen. Hierunter mischt sich mit schöner Regelmäßigkeit Autoren- und Herausgeberkorrespondenz. Das umfangreiche Alphabet der Jahre 1979–1998 ermöglicht einen relativ schnellen Zugriff auf einzelne Vorgänge, wenngleich vor allem die Ablage der Jahre 1991/92 Lücken aufweist; hier fehlen komplette Ordner. Besonders informativ erscheint eine Reihe gesonderter Ordner, in denen umfangreichere Briefwechsel zu gewichtigen Publikationstiteln oder Projekten separiert aufbewahrt werden. Durch die Lücken im Alphabet wird jedoch auch hier das Fehlen ganzer Ordner sichtbar. Vorhanden sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgende Unterlagen, aus denen zum Teil oben schon zitiert wurde: Jutta Bohnke-Kollwitz, Francis L. Carstens, Schriftenreihe »Deutsche Geschichte im Osten Europas«, Alexander Demandt, Robin Edmonds, Ernst Engelberg, Jürgen Engert, Theodor Eschenburg, Joachim C. Fest, Ingrid Fleischhauer, André Glucksmann, Wilhelm Hankel, Reinhard Henkys, Traudl Herrhausen, Peter Heyworth, Charles Higounet, Projekt »Deutsches Historisches Museum«, Harold James, Martin von Katte, Frederick Kempe, Alfred Kerr, Henry Kissinger, Viktor Klemperer, Jürgen Kolbe, Lew Kopelew, L. Kolakowski, Buchprojekt »Kutte und Kultur« (Heiko A. Oberman, Giles Constable, Kasper Elm, Friedrich Prinz), Julij A. Kwinzinskij, Hans Werner Richter (zu Berlin, ach, Berlin), Manfred Riedel, Helmut Schmidt, Wulf Schönbohm, Peter Scholl-Latour, Karl Schlögel, Brigitte Seebacher-Brandt, Ferdinand Seibt, Berndt von Staden, Thomas Stamm-Kuhlmann, Fritz Stern, Manfred Stolpe, Michael Stürmer (unter anderem zu Franz Josef Strauß’ Memoiren), Horst Teltschik, Peter Wapnewski, Werner Weidenfeld, Richard von Weizsäcker und Irmgard Wirth.
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Unter den Korrespondenzen befindet sich auch eine interne Ablage, die die Bertelsmann Verlagsgruppe betrifft. Zeugnis der Partnerschaft gibt unter anderem der erhalten gebliebene Austausch 1997–1998 mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG Mark Wössner, dem Vorsitzenden des Vorstandes der Bertelsmann Buch AG Frank Wössner beziehungsweise mit Frank Trümper, der nach dem Amt des Geschäftsführers der Bertelsmann Stiftung 1996 das Cheflektorat des Siedler Verlags übernommen hatte. Die Spuren von Wolf Jobst Siedlers Wirken lassen sich im Nachlass bis in das Jahr 2003 verfolgen. Fünf Ordner mit »Hintergrundrecherche« zu dem geplanten und 2004 erschienenen zweiten Band von Siedlers eigenen Erinnerungen²⁴ tragen dieses späte Datum. Bis zu diesem Jahr schrieb Wolf Jobst Siedler auch Artikel für die großen Tages- und Wochenzeitungen, bevor er sich, krankheitsbedingt, endgültig zurückziehen musste. Als sogenannter »Kryptobestand« werden schließlich Briefe an Wolf Jobst Siedler archiviert, die eine private Ablage des Adressaten darstellen. Diese Bezeichnung erhalten Materialien innerhalb eines Bestandes, wenn sie eine geschlossene Einheit bilden, in diesem Fall als Nachlass der Privatperson Siedlers und in Abgrenzung zu den übrigen Verlagsmaterialien. Die Korrespondenzen entstammen, mit wenigen Ausnahmen, der Zeit vor der Verlagsgründung und geben Auskunft über die Kontakte und Projekte Siedlers seit den 50er-Jahren. Viele der späteren Siedler-Autoren treten bereits in diesen frühen Korrespondenzen in Erscheinung, beispielsweise im Zusammenhang mit Publikationen im Propyläen-Verlag, durch Äußerungen zu Siedlers eigenen Publikationen oder den Publikationen seiner Autoren, aber auch durch Äußerungen zu aktuellen politischen Geschehen oder zum Austausch von Erinnerung. Der sehr inhaltsreiche »Kryptobestand« mit Briefen von circa 350 Korrespondenzpartnern ist bereits umgebettet und umfasst drei Archivkästen.²⁵
Benutzung Der Nachlass des Siedler-Verlages unterliegt der regulären Benutzungsordnung, die die Grundsätze des Persönlichkeits- und Urheberrechts wahrt. Für eine Benutzung bedeutet dies, dass noch lebende Verfasser von Schriftstücken vor der Einsicht um Erlaubnis gefragt werden müssen. Die Publikation in schriftlicher Form oder innerhalb eines Vortrags oder einer Ausstellung erfordert eine gesonderte Erlaubnis, die entweder bei der betroffenen Person oder, nach deren Tod, bei ihren Rechteverwaltern einzuholen ist.
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Wolf Jobst Siedler, Wir waren noch einmal davongekommen. Erinnerungen, München 2004. Eine Liste der Personen ist im Bestandsverzeichnis des Kryptobestandes hinterlegt, einzusehen über http://www.dla-marbach.de/opac_kallias/bestaende/index.html.
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Privatisierung von Zeitgeschichte? Nur jene Bücher zu verlegen, die er selbst gern lesen würde – mit diesem Anspruch hatte Siedler einst seinen Verlag gegründet. Die »Verlegerfreunde Ledig-Rowohlt und Siegfried Unseld« sollen zu diesem Konzept geäußert haben: »Das ist ja fabelhaft, was du da machen willst, aber das klappt doch nie.«²⁶ Und doch wurde für den Verlagschef genau dieses Vorgehen zu einem Erfolgsrezept. Ein Rezept, das jedoch wesentlich von der Person Siedlers abhing. Siedler trat als souveräner Intellektueller auf, der von seinen Bewunderern als »preußischer Gentleman« (so ein Zitat von Klaus Bölling aus dem Klappentext seiner Autobiografie Ein Leben wird besichtigt) beschrieben wurde. Ein Mann seines ›Formates‹, seiner Zielstrebigkeit, seiner Wortgewandtheit und nicht zuletzt seines Erfolges konnte ebensolche Persönlichkeiten an sich binden, die den Ruhm des Verlages rasch vergrößerten und auch den finanziellen Erfolg sicherten. Verkaufsträchtige Bestseller waren unter anderem Helmut Schmidts Menschen und Mächte (1987), Marion Dönhoffs Kindheit in Ostpreußen (1988), die Erinnerungen von Franz Josef Strauß, ein Jahr nach dem Tod des Politikers erschienen (1989), das umstrittene Werk Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust von Daniel Jonah Goldhagen (1996) sowie Richard von Weizsäckers Erinnerungen Vier Zeiten (1997) und das 1997 erschienene Buch des Biologen Edward O. Wilson Die Einheit des Wissens. Wolf Jobst Siedler »kochte selbst« und hatte auf alle Vorgänge, von der ersten Buchidee bis hin zur grafischen Gestaltung des Einbandes, ein wachsames Auge. Dieser Eindruck, der aus einem ersten Blick auf die Archivmaterialien hervorgeht, wird sich durch zukünftige Forschungen womöglich bestätigen lassen. Dasselbe mag für die Worte gelten, die Peter Wapnewskis Frau Monica 1979 gegenüber ihrem Mann äußert und die dieser in einem Brief an Wolf Jobst Siedler wiedergab: Lieber Herr Siedler, – […] ich [rekonstruiere] einen Dialog zwischen dem Ehepaar Wapnewski, heute Abend beim Muschelessen zu Haus: Monica: »Also, dein nächstes Buch bringst du bei Siedler heraus. Das steht fest.« Ich: »Aha.« Monica: »Natürlich.« Ich: »Wieso natürlich?« Monica: »Erstens, der versteht was vom Umgang mit Autoren.« Ich: nicke zustimmend. Monica: »Zweitens: Er garantiert, daß Bücher nicht nur innen sondern auch außen richtig schön sind. […] Ich: nicke zustimmend. Monica: »Drittens: Er zahlt anständig.« Ich: nicke hoffnungsfroh. 26
»Hier kocht der Chef selbst«, in: Bertelsmann Report 239, September 1996, S. 7.
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Monica: »Und er sorgt für die richtigen Rezensenten.« Ich: wiege zweifelnd den Kopf … […]²⁷ Vielleicht ist hier schon ein Großteil seines Erfolges als Verleger entschlüsselt. Anderes an der Person Siedler bleibt rätselhaft: Wie aus der Zeit gefallen wirken manche seiner Beschwörungen vergangener Tage. Befremdlich mutet auch sein Glaube an, die Wiedergewinnung der politischen Wichtigkeit Berlins für Deutschland und Europa müsse aus der Wiederbelebung seiner (Theater-)Kultur erwachsen.²⁸ Die Zeit der preußischen Könige scheint ihm bis ins hohe Lebensalter so gegenwärtig, so unbegreiflich ihr ›plötzliches‹ Verschwinden,²⁹ als hätte die Weimarer Republik und das Dritte Reiche kaum auf seine Person und Geisteshaltung einwirken können. Carsten Heinze spricht in diesem Zusammenhang von der »Privatisierung von Zeitgeschichte«.³⁰ Heinze beschreibt, wie Siedler diesen Versuch der »Privatisierung« etwa in seinen Autobiografien unternimmt. Die eigene Leidensgeschichte des Unterganges der bürgerlichen Elite, so die Beobachtung Heinzes, überblende in Siedlers Erinnerungen das längst konsensuelle Geschichtsbild von Deutschland als Land der ›Täter‹: Über die Privatisierung der Erinnerung betreibt Siedler die lebensgeschichtliche ›Befreiung‹ aus den Tabuzonen des bisherigen Vergangenheitsbearbeitungskonsens, womit unter geschichtspolitischen Vorzeichen auf die Festschreibung einer Version des deutschen Geschichtsbildes hingearbeitet wird, das bereits Ende der 1980er Jahre in den Kontroversen des ›Historikerstreits‹ angelegt war, und eine ›Historisierung‹ des Nationalsozialismus betreibt.³¹ Siedlers historisches Bewusstsein bleibe, so Heinze, trotz aller zeitgeschichtlichen Aufarbeitung an alte Denkstrukturen gebunden. Für die Konstruktion seiner Identität wähle Siedler die Konzepte der ›Individualität‹ und der ›Autonomie‹³² und spiele diese »vermeintliche Erinnerungsgeschichte (als biographisches Wissen) […] gegen 27 28 29
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Brief von Peter Wapnewski an Siedler, 27. Oktober 1979, DLA Marbach, A: Siedler° Wolf Jobst Siedler. Vgl. beispielsweise Wolf Jobst Siedler, Berlin auf dem Weg zur Metropole, in: Kultur pur. Berlin, 97/98, S. 8. Vgl. Wolf Jobst Siedler, Eine Rakete in den Nachthimmel geschossen. Ein nahezu vergessener Staat. Zwischen dem alten Brandenburg und dem neuen Deutschland war Preußen der Staat für einen historischen Augenblick; als Radiobeitrag im Bayrischen Rundfunk gesendet am 20. Februar 2001 unter dem Titel Preußen, Adieu, Reihe »Marginalien«. Carsten Heinze, Identität und Geschichte in autobiographischen Lebenskonstruktionen. Jüdische und nicht-jüdische Vergangenheitsbearbeitungen in Ost- und Westdeutschland, Wiesbaden 2009, S. 489. Ebd., S. 531. Vgl. Ebd., S. 535.
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zeitgeschichtliches Wissen kraft Souveränität und Authentizität des Zeitzeugen aus«.³³ Der problematische Aspekt dieser Lebenskonstruktion sei die darin implizierte »moralische Rehabilitierung Deutschlands«, die »vor revanchistischen Äußerungen und Aufrechnungen nicht zurückschreckt«.³⁴ Die Frage liegt nahe, inwiefern sich eine ähnlich problematische »Privatisierung von Erinnerungen« in Siedlers gesamtem Verlagsprogramm wiederfindet und ob und mit welchen Mitteln der Verlagschef, bewusst oder unbewusst, dahingehend einwirkte. Mit Hilfe des Nachlasses werden sich gewiss auch diese Fragen erhellend beantworten lassen – Wolf Jobst Siedler starb am 27. November 2013 in Berlin.
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zwölf teile und doch nur ein anfang Mit den Suhrkamp-Inseln wurden im Marbacher Literaturmuseum der Moderne von 2010 bis 2014 die Dimensionen des Siegfried Unseld Archivs ausgelotet
Vier Jahre lang wurde die Erschließung des Siegfried Unseld Archivs von einer Ausstellungs-Serie begleitet, die ein Novum darstellte: Zeitlich, nicht räumlich betrachtet handelte es sich um die größte Ausstellung, die je in Marbach gezeigt wurde. Auf einem großen Auspacktisch im Literaturmuseum der Moderne wurde in zwölf Teilen demonstriert, welche Dimensionen die Sammlungen der Verlage Suhrkamp und Insel, des Deutschen Klassiker Verlags sowie des Jüdischen Verlags haben. Jede der Suhrkamp-Inseln stellte ausgewählte, sehr unterschiedliche Themen, Autoren und Arbeitsfelder der seit 1959 von Siegfried Unseld geleiteten Verlagsgruppe vor. Nach Ausstellungen über Unselds lateinamerikanisches Programm, den Nobelpreisträger Samuel Beckett, den jungen Max Frisch, Stefan Zweigs »Weltbibliothek« und die Lektoratsarbeit an Ingeborg Bachmanns Roman Malina, welche in den Jahren 2010 und 2011 zu sehen waren, führte die von Gunilla Eschenbach und Sonja Lehmann kuratierte Schau »1912. Ein Jahr auf der Insel« (4. März bis zum 26. August 2012) in die Anfangsjahre des Insel Verlags zurück. Rainer Maria Rilkes Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke war die erste Nummer der 1912 gegründeten Insel-Bücherei, die sich schnell zu einem der beachtlichsten und dauerhaftesten verlegerischen Erfolge des zwanzigsten Jahrhundert entwickelte. Für mehrere Lesergenerationen setzte die Insel-Bücherei ästhetische und weltanschauliche Maßstäbe, in sechs politischen Systemen, vom Kaiserreich bis zum wiedervereinigten Deutschland. Das Spektrum der veröffentlichten Titel trug dabei deutlich die Handschrift des Insel Verlags: Neben zeitgenössischen Autoren wie Rilke und Hofmannsthal prägten Klassiker des In- und Auslands, historische und politische Schriften sowie Texte des Altertums das Gesicht der Buchreihe. Durch den Umstand, dass es über 100 Jahre hinweg kaum verändert wurde, gewann das deutlich am Jugendstil orientierte Erscheinungsbild dabei zunehmend konservativen Charakter. Einerseits blieben die handlichen Bändchen als Geschenkbücher und Sammlerstücke kommerziell ungewöhnlich erfolgreich, andererseits wirkten sie zunehmend wie aus der Zeit gefallen (siehe Abb. 1). Zu jenen Autoren, die solche und ähnliche Relikte des Fin de Siècle virtuos aufgreifen und ironisieren, gehört der 1932 geborene Ror Wolf. Seinen literarischen
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Abb. 1 © alle Bilder DLA Marbach
Anfängen unter Siegfried Unselds nicht immer nur schützenden Händen war die siebte Suhrkamp-Insel gewidmet, die von Jan Bürger, Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter zusammengestellt und vom 13. September bis 2. Dezember 2012 gezeigt wurde. Fortsetzung des Berichts hieß Ror Wolfs erster Roman, der 1964 im Suhrkamp Verlag veröffentlicht wurde. Das Buch wurde kein Verkaufserfolg, aber es erregte Aufsehen: Vor allem junge Schriftsteller wie Peter Handke und Brigitte Kronauer waren von ihm fasziniert. Bald wurde Wolfs Erzählweise an Samuel Beckett gemessen. Als CollageKünstler wiederum, als »Tranchirer«, der er von Anfang an auch war, verglich man ihn mit Max Ernst. Helmut Heißenbüttel entdeckte in Fortsetzung des Berichts gar eine völlig autonome Traumlandschaft, die ihn an Franz Kafka denken ließ. – Im Suhrkamp Verlag allerdings war man sich von Anfang unsicher, was von diesem Schriftsteller zu halten sei, der in Thüringen geboren wurde, 1953 die DDR verließ und ein Jahr später in Frankfurt zu studieren begann. Wolfs erste Veröffentlichungen erschienen seit 1957 in der legendären Studentenzeitung Diskus. Als einer der wenigen glaubte Hans Magnus Enzensberger damals schon entschieden an das neue Talent. Walter Boehlich, der Cheflektor des Suhrkamp Verlags, reagierte hingegen zurückhaltend. Er
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Abb. 2: Vernissage der Ausstellung, Franz Mon und Michael Lentz
habe sein Manuskript gelesen, schrieb er Wolf am 7. Mai 1962, »finde aber nicht, daß man es so veröffentlichen könnte und sollte – jedenfalls nicht bei uns«. Auch Siegfried Unseld blieb vorerst zögerlich. Rückblickend wirkt Boehlichs Skepsis – großer Autor, aber nichts für Suhrkamp – wie ein Omen: Wolfs Werk, absurd, komisch, makaber, blutrünstig und voller Abgründe, galt in dem Frankfurter Verlagshaus als Fremdkörper, besonders durch den beherzten Zugriff auf vermeintlich Triviales, die Kolportage- und Abenteuerliteratur und vor allem den Fußball. Kein Zeitungsausriss, keine Phrase, kein Fan-Chor war Wolf zu banal, um Funken aus ihm zu schlagen. Zur Vernissage in Marbach feierten die Schriftsteller Franz Mon und Michael Lentz ihren Kollegen lesend und interpretierend als einen der ungewöhnlichsten und unerhörtesten Sprachkünstler der Gegenwart (siehe Abb. 2). In den sechziger und siebziger Jahren dienten Ror Wolfs literarische Abenteuer einer Generation von Suhrkamp-Lesern als sarkastisch-ironisches Antidot zu einer pathetischen Theoriegläubigkeit. Zu den wichtigsten Fixsternen dieser Generation gehörten die Werke Walter Benjamins. Dies war zwischen 1950 und 1955, als Benjamins Schriften wieder erscheinen konnten, keinesfalls ausgemacht, blieben sie zunächst doch fast ganz ohne Resonanz. Die Weichen für ihren späteren Welterfolg wurden von Siegfried Unseld nicht zuletzt im Austausch mit Benjamins Studienfreund Gershom Scholem gestellt. Wie dies vonstatten ging, zeichnete die achte, von Heike
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Gfrereis und Liliane Weissberg kuratierte Suhrkamp-Insel nach, die vom 13. Dezember 2012 bis zum 4. März 2013 zu sehen war: »Haschisch und Kabbala. Gershom Scholem, Siegfried Unseld und das Werk von Walter Benjamin«. Kurz nachdem Unseld 1959 Verlagsleiter geworden war, begann eine Werbung über Kreuz: Unseld bemühte sich um die Veröffentlichung der Werke von Gershom Scholem, Scholem um eine Gesamtausgabe Walter Benjamins. In der Folge gelang es den beiden nicht nur, dem Suhrkamp Verlag bis heute eine Vorreiterstellung auf dem Gebiet der jüdischen Philosophie und Literatur zu verschaffen, sie sind auch maßgeblich für Benjamins anhaltenden Erfolg verantwortlich. Die Ausstellung wurde mit einer Diskussion zwischen Liliane Weissberg, Thomas Sparr – Mitglied der Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags – und Gary Smith – dem Direktor der American Academy in Berlin – eröffnet. Begleitend erschien das Marbacher Magazin 140 mit zahlreichen Abbildungen bisher unveröffentlichter Archivalien. Die erste, 1955 erschienene Benjamin-Ausgabe wurde allerdings noch vom Verlagsgründer Peter Suhrkamp selbst und seinem Lektor Friedrich Podszus gemeinsam mit Gretel und Theodor W. Adorno initiiert, und die Pläne hierzu reichen bis in die Zeit vor der Trennung zwischen dem Suhrkamp Verlag und dem S. Fischer Verlag zurück. Zu den prominentesten Autoren dieser frühen Jahre zählte Thomas Mann. Damals arbeitete er eng mit Peter Suhrkamp zusammen, wie die neunte, von Jan Bürger, Anna Kinder und Ellen Strittmatter eingerichtete Suhrkamp-Insel deutlich machte. Unter dem Titel »Doktor Faustus kommt nach Deutschland« war sie vom 15. März bis zum 14. Juli 2013 zu sehen. Drei Jahre lang, von 1947 bis 1950, korrespondierten Thomas Mann und Peter Suhrkamp miteinander. 1946 erschien im ›Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer‹ der Roman Lotte in Weimar, 1948 ein Band mit Erzählungen, noch im selben Jahr folgte Doktor Faustus und 1949 der vierte Band der Joseph-Tetralogie. Der briefliche Austausch zwischen Autor und Verleger gibt Einblick in Manns persönlichen Umgang mit jenem Land, das er 1933 verlassen musste. Vom 23. Juli bis zum 5. August 1949 besuchte er neben München, Nürnberg und Stuttgart auch Frankfurt am Main und Weimar, wo ihm die Goethe-Preise beider Städte verliehen wurden. In Frankfurt kam es auch zu einer persönlichen Begegnung mit Peter Suhrkamp. Die Reise galt, wie Mann in der Ansprache im Goethe-Jahr betonte, »Deutschland als Ganzem, und keinem Besatzungsgebiet«. Es war vor allem der Sprachraum, zu dem er den Kontakt wieder aufbauen wollte: »Ich bin auch als amerikanischer Staatsangehöriger ein deutscher Schriftsteller geblieben, treu der deutschen Sprache, die ich als meine wahre Heimat betrachte.« (Botschaft für das deutsche Volk, 1946) Vor diesem Hintergrund war Thomas Mann die deutsche Lizenzausgabe des Romans Doktor Faustus bei ›Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer‹ besonders wichtig. Dies wurde zur Ausstellungseröffnung von dem Literaturwissenschaftler und Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer hervorgehoben. Die Veröffentlichung des Romans war für Mann nicht nur eine Rückkehr auf den deutschen Buchmarkt, sondern vor allem auch eine Stellungnahme zur politischen Situation. Entsprechend groß war, wie Thomas Mann am 17. April 1948 an Peter Suhrkamp schrieb, die »Spannung, wie dieses Buch in Deutschland sich ausnehmen und wirken wird«.
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Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ausstellungen fasste die zehnte Folge die ›Suhrkamp-Kultur‹ eher spielerisch ins Auge. Assoziativ umkreiste sie jenen 31. März 1959, an dem Peter Suhrkamp starb und Siegfried Unseld endgültig dessen Nachfolge zufiel. Was dachte, schrieb und tat Unseld an diesem Tag und im Monat danach? Was alles zog dieses Datum nach sich, das für Unseld sein Leben lang symbolisch aufgeladen blieb. Die Dokumente der zehnten Suhrkamp-Insel wurden von Jan Bürger und Heike Gfrereis zusammen mit zwanzig Doktorandinnen und Doktoranden der 6. Internationalen Marbacher Sommerschule (Thema: »Literatur – Markt – Macht«) ausgewählt und kommentiert vom 26. Juli bis zum 24. November 2013 gezeigt (siehe Abb. 3). Neben Peter Suhrkamp und Gershom Scholem gehörte vor allem der Philosoph Ernst Bloch zu den einflussreichsten väterlichen Freunden in Unselds Leben. Als Bloch im August 1977 mit 92 Jahren starb, versammelten sich 3.000 Tübinger Studenten zu einem Fackelzug und riefen die ›Ernst-Bloch-Universität‹ aus. Am Grab sprachen Walter Jens, Rudi Dutschke und Unseld, der Bloch 1961 bei der Flucht aus der DDR geholfen und über Jahre hinweg einfallsreich dafür gesorgt hatte, dass dessen Gesamtwerk ein großes Publikum erreichte. Ulrich von Bülow rief mit der Ausstellung Blochs Überschreitungen (5. Dezember 2013 bis 2. Februar 2014) in Erinnerung, wie einflussreich und populär Blochs Werke nicht zuletzt durch Unselds verlegerische Umsicht in der Bundesrepublik gewesen sind, allen voran Das Prinzip Hoffnung, in dem Bloch auf 1658 Buchseiten eine Theorie der menschlichen Bestrebungen, die Welt zu verbessern, entwickelt und verschiedenste Ausdrucksformen unerfüllter Hoffnung interpretiert: Tagträume und Kindermärchen ebenso wie soziale Utopien. Am Ende läuft alles auf Marx zu, dessen Lehre Bloch als realisierbare Verheißung einer humanen Gesellschaft verstand. Für die Suhrkamp-Ausgaben arbeitete Bloch seine Werke stark um, und Unseld ging auf alle seine Wünsche bereitwillig ein und legte selbst dabei besonderen Wert auf die vorbildliche Ausstattung der Bände. Zudem galt 1959 eine Ausgabe des vom Verlag herausgegebenen Morgenblatt für Freunde der Literatur ausschließlich Blochs Werk. In ihm fand sich unter anderem eine enthusiastische Lobeshymne aus der Feder von Martin Walser. Bloch zeigte sich überaus dankbar für Unselds enormes Engagement. Das wurde besonders deutlich, als er 1974 vor einem illustren Publikum eine Rede zum 50. Geburtstag seines Verlegers hielt. Zur Ausstellungseröffnung reflektierten der Tübinger Philosoph Manfred Frank und die Journalistin Barbara Wahlster Blochs enormen Einfluss auf frühere Studentengenerationen und seine vergleichsweise geringe Bedeutung im philosophischen Diskurs der Gegenwart (siehe Abb. 4). Die letzte Folge der Ausstellungsreihe stand unter dem Motto »Nicht enden können«. Schließlich stand von Anfang an fest, dass die Suhrkamp-Inseln allenfalls Ansätze für eine angemessene Auswertung des Siegfried Unseld Archivs aufzeigen könnte. Es wird noch Jahre dauern, bis die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Erschließung und Verzeichnung der Bestände als abgeschlossen bezeichnet werden kann, ganz abgesehen von den enormen Möglichkeiten für literatur-, geistes-, kultur- und ideengeschichtliche Forschungen, die sich durch sie eröff-
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Abb. 3
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Abb. 4: Siegfried Unseld mit Ernst und Karola Bloch
nen. Gegenwärtig entstehen bereits sieben Dissertationen im Rahmen des von der VolkswagenStiftung ermöglichten internationalen Suhrkamp-Forschungskollegs. »Nicht enden können« – mit der zwölften Suhrkamp-Insel präsentierte Ellen Strittmatter vom 14. Februar bis zum 21. April 2014 Spuren von Thomas Bernhards ungewöhnlich intensiven Korrekturarbeiten an seinen eigenen Werken. »Der größte Fehler ist, wenn ein Autor ein Buch zu Ende schreibt«, sagt Bernhard 1970 in Drei Tage. Ein Porträt von Ferry Radax. Als selbst ernannter »Geschichtenzerstörer« griff Bernhard mitunter so stark in die letzten Entstehungsstufen seiner Werke ein, dass sie an manchen Stellen geradezu wie Entwürfe wirken. Bei Betrachtung dieser umfangreichen Änderungen fühlt man sich zuweilen an Bernhards Anfänge als Lyriker erinnert. Schon sein Frühwerk war von einer auffälligen Vorliebe für rhythmisierte Wortfolgen geprägt, von Wiederholungen und Verdichtungen. Besonders eindrücklich stellt die Arbeit an den Satzzeichen die Bedeutung von Sprechrhythmus und Sprachmelodie vor Augen. »Ja, was ich schreibe«, so Bernhard in einem Interview von 1983, »kann man nur verstehen, wenn man sich klarmacht, daß zuallererst die musikalische Komponente zählt und daß erst an zweiter Stelle das kommt, was ich erzähle.« Exzessive Korrekturen dienen allerdings nicht nur dem Werk. Aus Sicht des Verlages erhöhen sie auch die Herstellungskosten eines Buches, und das nicht unerheb-
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Abb. 5: Korrekturfahne
lich. Die überlieferten Dokumente zu Siegfried Unselds Zusammenarbeit mit Thomas Bernhard (siehe Abb. 5) zeigen nicht zuletzt, dass dies einen bedeutenden Verleger im Zweifelsfall nicht schrecken sollte. Sicher, Thomas Bernhard war nicht immer einfach, daran erinnerten zwei Zeitzeugen bei der Eröffnung der letzten SuhrkampInsel, sein früherer Lektor Raimund Fellinger und der Dramaturg Hermann Beil, aber letztlich hat er jeden, der mit ihm näher zu tun hatte, bereichert.
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nicolai riedel in zusammenarbeit mit herman moens
marbacher schiller-bibliographie 2013 Internationales Referenzorgan zur Forschungs- und Wirkungsgeschichte
Vorbemerkungen »Schiller-Bibliographik« ist seit jeher eine anspruchsvolle detektivische Spurensuche in einem transdisziplinären Dschungel und so wird es auch in Zukunft bleiben, da es der Autor, selbst nicht frei von kriminalistischen Neigungen, auf eine flächendeckende, nationenübergreifende Rezeption angelegt hat. Der Bibliograph, will er seine Gewissenhaftigkeit und Glaubwürdigkeit nicht verlieren, ist angehalten, seine Fühler in alle Ecken, Nischen und toten Winkel der Germanistik und benachbarter Fächergruppen auszustrecken, muss als Taucher die Meeresgründe der akademischen Untiefen absuchen und ausleuchten. Sein Pflichtenheft wird mit steigender Komplexität der Wissensvernetzungen spürbar dicker und dicker. Auf die überaus umfangreiche Bibliographie für das Berichtsjahr 2012 folgt eine deutlich schlankere Fortsetzung für 2013 mit abermals wichtigen Nachträgen für die Vorjahre. Nach der gewaltigen »Flut« der Veröffentlichungen vor, zwischen und nach den Jubiläumsjahren zeichnet sich eine vorläufige »Ebbe« in der internationalen Schiller-Forschung ab: eine einschneidende Stagnation ist allerdings nicht in Sicht. Der geringere Umfang resultiert überwiegend aus der Tatsache, dass die retrospektiven Recherchen für das Dezennium 2000 bis 2010 weitestgehend abgeschlossen werden konnten. Im Gegenzug sind in höherem Maße elektronische Ressoursen mit garantierter Langzeitarchivierung erschlossen und verzeichnet worden, um dem raschen Wandel in der Publikationslandschaft gerecht zu werden. Aus Gründen der Dokumentationsgenauigkeit und einer raschen Identifikation der Titel wird bei Zeitschriften in den meisten Fällen auch die ISSN angegeben. Beiträge, die sich mit dem Ästhetik-Diskurs Kant-Schiller und anderen philosophischen Fragestellungen auseinandersetzen, werden im Kap. 6.2. (Ästhetik) verzeichnet, auch wenn es um einen einzelnen Philosophen geht. Wie in den Vorjahren werden neben Monographien und Sammelwerken mit den dazu gehörenden Rezensionen alle einschlägigen Beiträge in Zeitschriften verzeichnet, die zahlreichen versteckten Kapitel in epochen- und themenübergreifenden Abhandlungen, und um dem Internationalitätsanspruch der Bibliographie noch mehr
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gerecht zu werden, wird auch (und retrospektiv) übersetzte Sekundärliteratur berücksicht, insbesondere dann, wenn es sich um Untersuchungen prominenter Germanisten, Kulturwissenschaftler und Philosophen handelt. Auf die Aufnahme von Quellentexten, die als »On-Demand«-Publikationen im In- und Ausland angeboten werden, wurde verzichtet, ebenso wurden kleinere Buchkapitel mit einem Umfang von weniger als fünf Druckseiten in der Regel vernachlässigt, um den Wert der Bibliographie als Vademecum durch die Forschungslandschaft zu erhöhen, denn es ist nicht gewollt, dass Nachweise in erkenntniskritische Sackgassen führen. Zum Register: Verzeichnet werden alle Personen (Verfasser, Herausgeber, Übersetzer, Rezensenten, Komponisten, Illustratoren, Regisseure, Schauspieler, Rezitatoren etc.), die literarischen Autoren, Philosophen und die historischen Persönlichkeiten, die in den Zeitschriftenaufsätzen und Buchbeiträgen im Zusammenhang mit Schillers Werk und Wirkung behandelt und erwähnt werden. Nicht berücksichtigt sind dagegen die mythologischen Figuren, die biblischen Gestalten und die »gefeierten« Personen aus Wissenschaft und Forschung (Festschriften). Auf die Herausgeber von Sammelwerken wird in der Regel nur einmal an der entsprechenden Systemstelle (unter Kap. 1.4.) verwiesen. Redaktionsschluss: 15. Juni 2014
Inhalt 1. Internationale Schiller-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Bibliographien und Referenzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Forschungsberichte, Editionskritik und Nachlass-Überlieferung . . . . . . . 1.3 Zeitschriften und Jahrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Kongress-Schriften: Colloquien – Symposien – Tagungen . . . . . . . . . . . . 1.5 Schiller-Ausstellungen: Kritik, Kataloge und Begleithefte . . . . . . . . . . . . . 1.6 Museumskultur, Forschungsstätten und Geschichte der Schiller-Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Quelleneditionen (und Nachdrucke in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Mehrbändige Werkausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Teilausgaben und kleine Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Literarische Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Lyrik: Gedichte und Balladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Dramatische Werke und Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Erzählende Prosa, theoretische Schriften und andere Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Herausgegebene Publikationen (Zeitschriften) und eigene Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Briefe: Editionen, Korrespondenzen und Einzelstücke . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Übersetzungen von Schillers Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.6.1 Werkausgaben und Sammlungen (alphabetisch nach Sprachen) . 499 2.6.2 Einzelne Werke und Schriften (alphabetisch nach Titeln) . . . . . . . . 499 3. Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Werkübergreifende Gesamtdarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Resümierende Beiträge, Würdigungen, Reden, Essays, Gespräche . . . . . 3.3 Artikel in Literaturlexika und philosophischen Nachschlagewerken . . .
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4. Biographische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 5. Kontexte: Kontakte – Einflüsse – Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Beziehungen zu Orten, Landschaften und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Schillers Zeitgenossen und Vergleiche mit anderen Personen im historisch-politischen, bildungs- und ideengeschichtlichen Kontext . . . 5.3 Die Familie Schiller: Genealogie, Generationen und Verwandtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Intellektuelle Vernetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Geschichte – Kulturkritik – Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Philosophie, Ästhetik, Poetologie, Anthropologie, Bildung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Literatur, Sprache, Kunst und Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Musik und Tanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Religion(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Naturwissenschaften, Medizin, Recht(sgeschichte) und Kriminologie . . 6.7 Griechische und römische Antike (Mythologie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Schillers literarische Werke und theoretische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Allgemeine gattungsübergreifende Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Lyrik: Gedichte und Balladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Einzelne Gedichte: Analysen, Interpretationen, Kommentare und Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Dramatische Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 »Die Braut von Messina« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 »Don Karlos« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 »Die Jungfrau von Orleans« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.5 »Kabale und Liebe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.6 »Maria Stuart« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.7 »Die Räuber« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.8 »Wilhelm Tell« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.9 »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.3.10 »Wallenstein«-Trilogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.11 Kleinere Stücke und dramatische Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählende Prosa, ästhetische und historische Schriften . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Studien zu einzelnen Werken und Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiller als Herausgeber, Übersetzer, (Bühnen-)Bearbeiter, Literaturkritiker und Publizist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zu Briefen und Korrespondenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelne Aspekte, Motive, Stoffe, Themen und Begriffe (werkübergreifend) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Wirkungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Allgemeine Darstellungen zur Wirkung Schillers im deutschsprachigen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Besondere Formen der Schiller-Verehrung: Denkmalkultur, Erinnerungsstücke, Häuser und Gärten, Jubiläumsfeiern, Requisiten, Preis-Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Studien zur internationalen Schiller-Rezeption (alphabetisch nach Ländern/Staaten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Wirkung auf einzelne Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Schillers Werke auf der Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Rückblicke auf historische Aufführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Aktuelle Inszenierungen im Spiegel der Presse (Auswahl) . . . . . . . 8.6 Bearbeitungen und Vertonungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Musikalisch-dramaturgische Medialisierungen und sprachliche Transformationen: Libretti, Partituren, Noten . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Gesamtdarstellungen, Einzelstudien und Beiträge in musikgeschichtlichen Nachschlagewerken . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Illustrationen und Ikonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Produktive Rezeption: Dichtungen, Bearbeitungen, Parodien, Anekdoten, Filme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Schiller in pädagogisch-didaktischen Medien: Textausgaben, Interpretationen, Kommentare, Materialien und Modelle für den Deutschunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Audiovisuelle Medien: Literarische Quellen: Lesungen, Vertonungen, Bearbeitungen (CDs und DVDs in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 10. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587
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1 Internationale Schiller-Forschung 1.1 Bibliographien und Referenzwerke 1.
Riedel, Nicolai (in Zusammenarbeit mit Herman Moens): Marbacher SchillerBibliographie 2012 und Nachträge. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 406–584. – ISBN 978-3-8353-1322-4.
2.
Sperlich, Christine: Bibliographie. In: Dies., »Bewundert viel und viel gescholten«. Schiller im Deutschunterricht. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2013, [Bibliographie] S. 371–488. – ISBN 978-3-83401203-6.
1.2 Forschungsberichte, Editionskritik und Nachlass-Überlieferung 3.
Koopmann, Helmut: Tendenzen der Schillerforschung heute. In: World Literature & Translation as Cultural Praxis. Edited by Madhu Sahni. New Delhi: Mosaic Books, 2013, S. 84–107. (= Goethe Society of India. Yearbook 2012). – ISBN 978-81-907140-4-4.
4.
Wellbery, David E.: Der Schiller-Essay von Josiah Royce. Hintergrund und Intention. In: Geschichte der Germanistik. Historische Zeitschrift für die Philologien. Herausgegeben von Christoph König und Marcel Lepper. Göttingen. 2013, Heft 43/44, S. 8–12. – ISBN 978-3-8353-1296-8. Wiederveröffentlichung des Beitrags, s. Kap. 6.2., Nr. 214.
1.3 Zeitschriften und Jahrbücher 5.
Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Herausgegeben von Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp und Ulrich Raulff. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, 705 S. – ISBN 978-3-8353-1322-4. Beiträge mit unmittelbarem Bezug zu Schillers Werken von Winfried Woesler (Kap. 7.3.4., Nr. 292), Ingo Müller (Kap. 7.3.11., Nr. 351), Thomas Boyken (Kap. 7.3.3., Nr. 274), Norbert Oellers (Kap. 6.2., Nr. 203), Sabine Fischer (Kap. 8.7., Nr. 550) und Gabriele von Bassermann-Jordan (Kap. 8.4., Nr. 450); Schiller-Bibliographie von Nicolai Riedel und Herman Moens (Kap. 1.1., Nr. 1).
6.
Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. Edited by Marco Sgarbi, Eva Del Soldato and Valerio Rocco Lozano. Guest Editor: Laura Anna Macor.
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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Verona. 2013, Vol. 5, 235 S. – ISSN 2036-4989. – Themenheft: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics, and Religion«. Einführung von Laura Anna Macor: Introducing the New Schiller (S. 3–6). – Beiträge von Jeffrey L. High (Kap. 6.2., Nr. 173), Cordula Burtscher (Kap. 7.2.2., Nr. 254), Katerina Deligiorgi (Kap. 7.4.2., Nr. 364), Lucía Bodas Fernández (Kap. 7.4.2., Nr. 360), Giovanna Pinna (Kap. 7.5., Nr. 394), Wolfgang Riedel (Kap. 7.4.2., Nr. 377), María del Rosario Acosta López (Kap. 7.4.2., Nr. 358), Richie Robertson (Kap. 7.4.2., Nr. 379) und Norbert Oellers (Kap. 7.3.1., Nr. 269). – Reviews (S. 223–231). – Abstracts and Indexing (S. 232–235).
1.4 Kongress-Schriften: Colloquien – Symposien – Tagungen 7.
Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, 364 S. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Inhalt: Vorwort der Herausgeber (S. 5–15). – Beiträge von Ute Gerhard (Kap. 8.1., Nr. 407), Claudia Albert (Kap. 8.1., Nr. 403), Raymond Heitz (Kap. 8.1., Nr. 408), Matthias Mansky (Kap. 8.1., Nr. 410), Beate Hochholdinger-Reiterer (Kap. 8.5.1., Nr. 459), Rosmarie Zeller (Kap. 7.3.8., Nr. 329), Steffan Davies (Kap. 8.3., Nr. 422), Anne Feler (Kap. 8.6.1., Nr. 539), Gilles Darras (Kap. 8.3., Nr. 423), Roland Krebs (Kap. 8.5.1., Nr. 460), Rita Unfer Lukoschik (Kap. 8.3., Nr. 425), Giovanni Sampaolo (Kap. 8.3., Nr. 424), Marisa Siguan (Kap. 8.3., Nr. 433), Peter Drews (Kap. 8.3., Nr. 428), Grażyna Barbara Szewczyk (Kap. 8.3., Nr. 429), Liudmila Fuchs-Shamanskaya (Kap. 8.3., Nr. 431), Klára Berzeviczy (Kap. 8.3., Nr. 434), Alice Stašková (Kap. 8.3., Nr. 420), Irena Samide (Kap. 8.3., Nr. 432) und Josip Babić (Kap. 8.3., Nr. 426).
8.
Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, 308 S. – ISBN 978-3-8353-0789-6. Inhalt: Der Band enthält die Vorträge einer Schiller-Tagung, die auf Einladung der Herausgeber vom 9. bis 11. November 2009 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach stattgefunden hat. – Einführung von Peter-André Alt (S. 7–18). – Beiträge von Daniel Fulda (Kap. 6.2., Nr. 166), Maria Carolina Foi (Kap. 7.3.3., Nr. 276), Alexander Honold (Kap. 7.3.10., Nr. 336), Peter Utz (Kap. 6.2., Nr. 224), Alexander Košenina (Kap. 7.3.7., Nr. 312), Steffen Martus (Kap. 7.3.7., Nr. 314), Juliane Vogel (Kap. 7.3.3., Nr. 283), Peter-André Alt (Kap. 7.3.1., Nr. 264), Teresa R. Cadete (Kap. 6.3., Nr. 235), Alice Stašková (Kap. 6.2., Nr. 219), Bernhard Greiner (Kap. 6.2., Nr. 171), Daniel Müller Nielaba (Kap. 7.2.2., Nr. 260), Sabine Schneider (Kap. 6.2., Nr. 216), Thomas Schmidt (Kap. 5.2., Nr. 114), Liliane Weißberg (Kap. 8.4., Nr. 442) und Lucian Hölscher (Kap. 4., Nr. 99).
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nicolai riedel Rezension von Johannes Schmidt. In: literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften. Marburg. 15. Jg., 2013, Heft 12, S. 259–262.
9. L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, 302 S. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. Inhalt: Introduction par Olivier Agard et Françoise Lartillot (S. 7–19). – Einzeln verzeichnetete Beiträge von Gilles Darras (Kap. 6.2., Nr. 152), Carsten Zelle (Kap. 6.2., Nr. 232), Wolfgang Riedel (Kap. 7.4.2., Nr. 377), Gérard Raulet (Kap. 6.2., Nr. 208), Olivier Agard (Kap. 5.2., Nr. 124), Norbert Waszek (Kap. 7.4.2., Nr. 389), Andreas Anglet (Kap. 7.4.2., Nr. 359), Jean-Michel Pouget (Kap. 7.4.2., Nr. 376), Gérard Laudin (Kap. 7.4.2., Nr. 370), Anne Lagny (Kap. 7.4.2., Nr. 369), René-Marc Pille (Kap. 6.2., Nr. 206) und Barbara Beßlich (Kap. 8.1., Nr. 405). 10. »Ein Aggregat von Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert unter Mitarbeit von Marisa Irawan. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, 272 S. – ISBN 978-38260-4851-7. Der Band enthält Beiträge von Jörg Robert (Kap. 7.4.2., Nr. 378 und Kap. 7.7., Nr. 402), Hans Richard Brittnacher (Kap. 7.3.11., Nr. 348), Karina Becker (Kap. 7.3.11., Nr. 347), Kalliope Koukou (Kap. 7.3.11., Nr. 350), Mirjam Springer (Kap. 7.3.11., Nr. 354), Roland Borgards (Kap. 7.4.2., Nr. 361), Rolf-Peter Janz (Kap. 6.2., Nr. 179), Nikolas Immer (Kap. 6.2., Nr. 177), Walter Hinderer (Kap. 7.4.2., Nr. 366), Antje Büssgen (Kap. 6.2., Nr. 143), Marie-Christin Wilm (Kap. 6.2., Nr. 228) und Dirk Oschmann (Kap. 6.2., Nr. 205). 11.
Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, 290 S. – ISBN 978-3-95687-025-5. Inhalt: Für die Zusammenstellung zeichnet kein Herausgeber verantwortlich; sie enthält auch kein Vorwort. Es handelt sich mit Ausnahme des Aufsatzes von Erwin Leibfried um Seminararbeiten, die schon zu einem früheren Zeitpunkt im Münchener Grin Verlag als Broschüren und e-Books veröffentlicht worden sind. Beiträge von Erwin Leibfried (Kap. 7.3.7., Nr. 313), Kader Aki (Kap. 7.3.5., Nr. 294), Marius Nobach (Kap. 7.3.3., Nr. 278), Daniela Söffner (Kap. 7.3.10., Nr. 344), Alexander Monagas (Kap. 7.3.6., Nr. 307), Christina Schmitt (Kap. 7.3.4., Nr. 288), Jan Beckers (Kap. 7.3.8., Nr. 320), Elmar Korte (Kap. 7.4.2., Nr. 367), Claudia Schmidt (Kap. 7.2.2., Nr. 262) und Daniel Lennartz (Kap. 7.4.2., Nr. 371).
12.
Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto Leopoldo Siani e Gabriele Tomasi. Pisa: Edizioni ETS, 2013, 264 S. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Inhalt: Introduzione di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi (S. 5–10). – Beiträge von Leonardo Amoroso (Kap. 6.2., Nr. 134), Violetta L. Waibel (Kap. 6.2., Nr. 225), Salvatore Tedesco (Kap. 7.4.2., Nr. 388), Gabriele Tomasi (Kap. 6.2., Nr. 221), Barbara Santini (Kap. 7.4.2., Nr. 383), Giorgia Cecchinato (Kap. 7.4.2., Nr. 363), Günter Zöllner (Kap. 6.2., Nr. 233), Alberto L. Siani (Kap. 6.2., Nr. 217), Giovanna
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Pinna (Kap. 6.2., Nr. 207), Laura Anna Macor (Kap. 6.2., Nr. 195), Federica Trentani (Kap. 6.2., Nr. 222), Caterina Rossi (Kap. 7.4.2., Nr. 380) und Lorenzo Calabi (Kap. 6.2., Nr. 145). 13.
Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, 219 S. – ISBN 978-88-8098-310-1. Inhalt: Prefazione di Merio Scattola (S. I–XVI). – Beiträge von Merio Scattola (Kap. 8.4., Nr. 438), Francesca Mancini (Kap. 8.4., Nr. 443), Walter Busch (Kap. 8.4., Nr. 451), Gabriella Pelloni (Kap. 8.4., Nr. 452), Chiara Conterno (Kap. 8.4., Nr. 458), Alessia Ferraro (Kap. 8.4., Nr. 439), Giulio Steccanella (Kap. 8.4., Nr. 441), Giovanna Pinna (Kap. 8.4., Nr. 436) und Arno Schneider (Kap. 8.1., Nr. 411).
14.
Schillers Schreiben. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2013, 76 S. – ISBN 978-3-00-042923-1. Einführung der Herausgeber: Schreibgesten. Schöpferische Schriftentstehung bei Schiller (S. 5–10). – Mit Beiträgen von Jörg Robert (Kap. 7.3.11., Nr. 353), Sebastian Böhmer (Kap. 7.3.6., Nr. 302) und Matthias Löwe (Kap. 7.3.6., Nr. 306).
15.
Friedrich Schiller. Estética y libertad. (Ed.) María del Rosario Acosta López. Bogotá: Universidad Nacional de Colombia, Facultad de Ciencias Humanas, 2008. [Marbacher Schiller-Bibliographie 2008, Nr. 7]. Rezension von Óscar Cubo Ugarte. In: Éndoxa. Series Filosóficas. Madrid (Universidad Nacional de Educación a Distancia: Facultad de Filosofía), 2011, Heft 27, S. 395–400. – ISSN 1133-5351.
16.
Schiller im philosophischen Kontext. Herausgegeben von Cordula Burtscher und Markus Hien. Würzburg 2011 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 23]. Rezension von Hartmut Reinhardt. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur Germanistischen Literaturwissenschaft. Berlin, Boston. 31. Jg., 2013, Heft 2, S. 225–231 (auch zu Nr. 18).
17.
Who is this Schiller now? Edited by Jeffrey L. High, Nicholas Martin and Norbert Oellers. Rochester, NY. 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 26 und MSB 2012, Nr. 11]. Rezensionen von Mary Beth Wetli. In: German Studies Review. Baltimore, Md. 36. Jg., 2013, Heft 1, S. 179–182. – Volker Riedel. In: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften. Wien. 59. Jg., 2013, Heft 1, S. 147–152. – Michael André. In: Goethe Yearbook. Publications of the Goethe Society of North America. Vol. 20. Rochester, NY: Camden House, 2013, S. 281–283. ISBN 978-1-57113-559-9.
18.
Würzburger Schiller-Vorträge 2009. Herausgegeben von Wolfgang Riedel. Würzburg 2011 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 27]. Rezension von Hartmut Reinhardt. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur Germanistischen Literaturwissenschaft. Berlin, Boston. 31. Jg., 2013, Heft 2, S. 225–231 (auch zu Nr. 16).
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1.5 Schiller-Ausstellungen: Kritik, Kataloge und Begleithefte 19.
Friedrich von Schiller zwischen »Don Karlos« und »Nathan«. Herausgegeben von Sylke Kaufmann. Kamenz 2009 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 24]. Rezension von Charlotte Craig. In: Lessing Yearbook / Jahrbuch. Band 40 (2012/2013). Edited by Monika Fick and Carl Niekerk. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 191–192. – ISBN 978-3-8353-1247-0.
1.6 Museumskultur, Forschungsstätten und Geschichte der Schiller-Institutionen 20. Wagner, André: Schillermuseum. In: Sonderfall Weimar? DDR-Architektur in der Klassikerstadt. Herausgegeben von Eva Engelberg-Dočkal und Kerstin Vogel. Weimar: Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2013, S. 215–224. (= Forschungen zum baukulturellen Erbe der DDR. 1). – ISBN 978-3-86068-485-6.
2 Quelleneditionen (und Nachdrucke in Auswahl) 2.1 Mehrbändige Werkausgaben 21.
Schillers Werke. Nationalausgabe. Band 8 (Neue Ausgabe). Teil III: Wallenstein (Anmerkungen). Herausgegeben von Norbert Oellers. Mit einem Beitrag von Beate Agnes Schmidt. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, 2013, 809 S. – ISBN 978-3-7400-1253-3. Inhalt (Auszug): Diakritische Zeichen, Siglen und Abkürzungen (S. 7–16). – Überlieferung: Handschriften (S. 17–26). – Überlieferung: Lesarten und Varianten, Nachträge (S. 26–34). – Überlieferung: Drucke (S. 35–38). – Quellen (S. 39–43). – Dokumente I: Briefe, Tagebücher, Regieanweisungen, Gespräche, Erinnerungen zur Entstehungs-, Druck und Rezeptionsgeschichte sowie zu den ersten »Wallenstein«-Aufführungen (S. 45–308). – Dokumente II: Zeitgenössische Ankündigungen, Berichte, Kritiken und Rezensionen zur Entstehungs-, Aufführungs- und Druckgeschichte der »Wallenstein«-Stücke (S. 309–588). – Entstehungsgeschichte (S. 589–608). – Erläuterungen (S. 609–738). – Register vielfach verwendeter Begriffe (S. 739–745). – Beate Agnes Schmidt: Musikdramaturgie (S. 746–780). – Abbildungen (S. 781–799).
22.
Schillers Dramen I. Dinslaken: AtheneMedia-Verlag André Hoffmann, 2011, Band 1, 666 S. – ISBN 978-3-86992-013-9. Inhalt: Die Räuber. Ein Schauspiel (S. 7–130). – Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel (S. 131–216). – Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Ein republika-
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nisches Trauerspiel (S. 217–313). – Don Carlos, Infant von Spanien. Ein dramatisches Gedicht (S. 314–505). – Maria Stuart. Trauerspiel in fünf Akten (S. 506–666). 23.
Schillers Dramen II. Dinslaken: AtheneMedia-Verlag André Hoffmann, 2011, Band 2, 661 S. – ISBN 978-3-86992-097-9. Inhalt: Wallenstein. Ein dramatisches Gedicht (S. 7–161). – Wallensteins Tod (S. 162–332). – Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie (S. 333– 443). – Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören (S. 444–532). – Wilhelm Tell (S. 533–661). Die zweibändige Ausgabe enthält weder Nachweise zu den Textgrundlagen noch Vorworte, Nachworte oder editorische bzw. inhaltliche Kommentare.
2.2 Teilausgaben und kleine Sammlungen 24. Klassische Weisheiten von Goethe und Schiller. Herausgegeben von Ulrich Völkel. Ilmenau: Rhino-Verlag, 2013, 93 S. (= Rhino-Westentaschen-Bibliothek. 1). – ISBN 978-3-95560-001-3. – Format: 11,5 × 8,0 cm. 25.
Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt! Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Wiesbaden: Matrixverlag, 2013, 223 (1) S. – ISBN 978-3-86539-326-5. Die Sammlung enthält neben Auszügen aus Briefen, Dramen und philosophischen Schriften folgende Gedichte: An die Parzen (S. 15–18). – Die Blumen (S. 18–19). – Der Flüchtling (S. 19–20). – Die Größe der Welt (S. 20–21). – Das Glück und die Weisheit (S. 22). – Der Triumph der Liebe (S. 23–29). –Elysium (S. 29–31). – Laura am Klavier (S. 31–32). – Der Kampf (S. 37–38). – Untertänigstes Promemoria an die Konsistorial-Rat Körnersche weibliche Waschdeputation (S. 40–42). – An die Freude (S. 43–47). – Die Götter Griechenlands (S. 53–59). – Resignation (S. 60–63). – Die Begegnung (S. 75–76). – Die Sänger der Vorwelt (S. 82). – Das Ideal und das Leben (S. 83–87). – Die Ideale (S. 88–91). – Die Teilung der Erde (S. 94–95). – Spiel des Lebens (S. 99–100). – Spruch des Konfuzius I/II (S. 100–101). – Pegasus im Joche (S. 101–104). – Die Metaphysiker (S. 104). – Die Weltweisen (S. 105–106). – Das verschleierte Bild zu Sais (S. 109–111). – Die Macht des Gesanges (S. 112–113). – Das Mädchen aus der Fremde (S. 121–122). – Des Mädchens Klage (S. 122–123). – Licht und Wärme (S. 128). – Der Taucher (S. 129–134). – Der Handschuh (S. 134– 136). – Hoffnung (S. 137). – Das Geheimnis (S. 137–138). – Die Worte des Glaubens (S. 138–139). – Breite und Tiefe (S. 140). – Poesie des Lebens (S. 141–142). – Die Bürgschaft (S. 142–147). – Das Lied von der Glocke (S. 147–160). – Nänie (S. 165). – Die Worte des Wahns (S. 169–170). – Das Mädchen von Orleans (S. 175). – Der Antritt des neuen Jahrhunderts (S. 176–177). – An die Freunde (S. 177–179). – Die vier Weltalter (S. 181–183). – Kassandra (S. 183–187). – Die Gunst des Augenblicks (S. 188–189). – Sehnsucht (S. 189–190). – Der Jüngling am Bache (S. 192–193). – Berglied (S. 193–194). – Der Pilgrim (S. 194–195). – Punschlied (S. 196). – Parabeln und Rätsel (S. 213–221). – Abschied vom Leser (S. 222).
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2.3 Literarische Gattungen 2.3.1 Lyrik: Gedichte und Balladen 26. Gedichte: Die Rache der Musen. – Das verschleiterte Bild zu Sais. – Der Ring des Polykrates. – Der Taucher. – Der Handschuh. – Die Kraniche des Ibykus. – Die Bürgschaft. – Der Graf von Habsburg. In: Deutsche Balladen. Herausgegeben von Hartmut Laufhütte. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., durchgesehene Ausgabe, 2012, S. 92–120. (= Reclams Universal-Bibliothek. 8501). – ISBN 978-315-008501-1. Die kanonbildende Anthologie ist zuerst 1991 erschienen. ISBN 3-15-008501-2 / 3-15-008502-0. – 1995 folgte eine seitengleiche »durchgesehene Ausgabe« (= Reihe Reclam) mit der ISBN 3-15-058501-5, im Jahr 2003 abermals eine »durchgesehene Ausgabe« in derselben Reihe mit identischer ISBN. 27.
Gedichte: Der Spaziergang (S. 274–280). – Nänie (S. 281). – Die Sänger der Vorwelt (S. 281–281). – Der Taucher (S. 282–287). – Die Kraniche des Ibycus (S. 287–293). – Die Bürgschaft (S. 293–298). In: Reclams großes Buch der deutschen Gedichte. Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert. Ausgewählt und herausgegeben von Heinrich Detering. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 3., durchgesehene und erweiterte Aufl. 2013, S. 274–298. – ISBN 978-3-15-010948-9. Die 1. Aufl. ist 2007 erschienen, wurde aber wegen der damaligen Auswahl- und Aufnahmekriterien in der Marbacher Schiller-Bibliographie nicht berücksichtigt.
28. Der Antritt des neuen Jahrhunderts. In: Lyrik lesen! Gedichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Textausgabe mit Materialien. Bearbeitet von Peter Bekes. Braunschweig: Schroedel, 2013, S. 93–94. (= Texte □ Medien. Herausgegeben von Peter Bekes und Volker Frederking). – ISBN 978-3-507-47810-7. 29. Die Begegnung. In: Lyrik lesen! Gedichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Textausgabe mit Materialien. Bearbeitet von Peter Bekes. Braunschweig: Schroedel, 2013, S. 18–19. (= Texte □ Medien. Herausgegeben von Peter Bekes und Volker Frederking). – ISBN 978-3-507-47810-7. 30. Die Bürgschaft. In: »Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo«. Deutsche Balladen. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Illustrationen von Burkhard Neie. Berlin: Insel Verlag, 2013, S. 29–33. (= Insel-Bücherei. 2006). – ISBN 978-3-458-20006-2. 31.
Die deutsche Muse. In: Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus. Hundert deutsche Gedichte. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Richard Wagner. Berlin: Aufbau Verlag, 2013, S. 89. – ISBN 978-3-351-03549-5.
32.
Das Glück. In: Einfach.Glück. Gedichte, Sprüche, Ratschläge und Geschichten. Herausgegeben von Richard Schmidjell und Hans Krüger. Salzburg: Verlag Anton Pustet, 2013, S. 39–43. – ISBN 978-3-7025-0691-9.
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Das Glück. In: Lesebuch für Glückliche und solche, die es werden wollen. Herausgegeben von Patrick Hutsch. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2013, S. 179–183. (= Fischer TaschenBibliothek). – ISBN 978-3-596-51294-2.
34. Der Handschuh. In: Gedichte mit Tieren. Eine Anthologie. Zusammengestellt und Fotos von Norbert Ulfig. Zeichnungen von Günther Ritschel. Hamburg: Hanseatic Publisher, 2012, S. 6–8. – ISBN 978-3-9815511-3-6. 35.
Der Handschuh. In: »Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo«. Deutsche Balladen. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Illustrationen von Burkhard Neie. Berlin: Insel Verlag, 2013, S. 22–28. (= Insel-Bücherei. 2006). – ISBN 978-3-458-20006-2. Der Handschuh, russisch-deutscher Paralleldruck, s. Kap. 2.6.2., Nr. 74.
36. Die Kraniche des Ibykus. In: Die besten deutschen Gedichte. Ausgewählt von Marcel Reich-Ranicki. Berlin: Insel Verlag, 2012, S. 65–71. (= insel taschenbuch. 4186). – ISBN 978-3-458-35886-2. 37.
Nänie. In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, Nachdruck 2013, S. 146. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3. – Einführung (S. 145–146). Nänie, russisch-deutscher Paralleldruck, s. Kap. 2.6.2., Nr. 79.
38. Punschlied. In: Winter. Der kleine Almanach. [Herausgegeben von Andrea Achilles]. Berlin: Achilles Verlag, 2012, S. 58. – ISBN 978-3-941767-42-3. 39. Punschlied. In: Schöner Rausch. Gedichte. Herausgegeben von Hiltrud Herbst und Doris Mendlewitsch. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, S. 21–22. – ISBN 978-3-15-010930-4. 40. Der Ring des Polykrates. In: Einfach.Glück. Gedichte, Sprüche, Ratschläge und Geschichten. Herausgegeben von Richard Schmidjell und Hans Krüger. Salzburg: Verlag Anton Pustet, 2013, S. 158–161. – ISBN 978-3-7025-0691-9. 41.
Der Ring des Polykrates. In: Die besten deutschen Gedichte. Ausgewählt von Marcel Reich-Ranicki. Berlin: Insel Verlag, 2012, S. 71–74. (= insel taschenbuch. 4186). – ISBN 978-3-458-35886-2.
42. Der Ring des Polykrates. In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, Nachdruck 2013, S. 142–145. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3. – Einführung (S. 139–142).
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43. Der Ring des Polykrates. In: »Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo«. Deutsche Balladen. Herausgegeben von Matthias Reiner. Mit farbigen Illustrationen von Burkhard Neie. Berlin: Insel Verlag, 2013, S. 34–39. (= Insel-Bücherei. 2006). – ISBN 978-3-458-20006-2. 44. Der Sämann. In: Frühling. Der kleine Almanach. Herausgegeben von Andrea Achilles. Berlin: Achilles Verlag, 2013, S. 19. – ISBN 978-3.941767-43-0. 45. Spruch des Konfuzius I/II. In: Ein jeder ist aus Zeit und Ewigkeit geboren. Gedichte wie Gebete. Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Oberursel: PublikForum, 2013, S. 46–47. (= Publik-Forum: Edition). – ISBN 978-3-88095-250-8. 46. Die Teilung der Erde. In: Die besten deutschen Gedichte. Ausgewählt von Marcel Reich-Ranicki. Berlin: Insel Verlag, 2012, S. 64–65. (= insel taschenbuch. 4186). – ISBN 978-3-458-35886-2. Die Teilung der Erde, russisch-deutscher Paralleldruck, s. Kap. 2.6.2., Nr. 84. 47. Die Worte des Glaubens. In: Ein jeder ist aus Zeit und Ewigkeit geboren. Gedichte wie Gebete. Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Oberursel: Publik-Forum, 2013, S. 48. (= Publik-Forum: Edition). – ISBN 978-3-88095-250-8. 48. Die Worte des Glaubens. In: Lyrik lesen! Gedichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Textausgabe mit Materialien. Bearbeitet von Peter Bekes. Braunschweig: Schroedel, 2013, S. 110–111. (= Texte □ Medien. Herausgegeben von Peter Bekes und Volker Frederking). – ISBN 978-3-507-47810-7. 49. Die Worte des Wahns. In: Ein jeder ist aus Zeit und Ewigkeit geboren. Gedichte wie Gebete. Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Oberursel: Publik-Forum, 2013, S. 49. (= Publik-Forum: Edition). – ISBN 978-3-88095-250-8. 50. Würde der Frauen. In: Gedichte für Frauen. »Ich sehe dich in tausend Bildern«. Herausgegeben von Adrienne Schneider. Wiesbaden: Matrix-Verlag, 2013, S. 183–185. – ISBN 978-3-86539-333-3.
2.3.2 Dramatische Werke und Fragmente 51.
Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie. Köln: Anaconda Verlag, 2012, 160 S. – ISBN 978-3-86647-794-0.
52.
Maria Stuart (3. Aufzug, 4. Auftritt). In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, Nachdruck 2013, S. 288–295. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3. – Einführung (S. 286–287).
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Wallensteins Tod (2. Aufzug, 2. Auftritt). In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, Nachdruck 2013, S. 281–286. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3. – Einführung (S. 279–281).
54. Wilhelm Tell. Schauspiel. Herausgegeben von Uwe Jansen. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, 165 S. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19020). – ISBN 978-3-15-019020-3. Fußnote: Der Text der vorliegenden Ausgabe folgt der Edition: Schillers Werke. Nationalausgabe. Band 10. Weimar: Böhlaus Nachfolger, 1980. Die Orthographie wurde auf Grundlage der neuen Rechtschreibregeln behutsam modernisiert. – Anhang: Anmerkungen, Entstehungsgeschichte, der Stoff in Geschichte und Dichtung, Literatur und Topographie u. a. (S. 129–164).
2.3.3 Erzählende Prosa, theoretische Schriften und andere Texte 55.
Ankündigung der Zeitschrift »Die Horen«. In: Johann Wolfgang Goethe. Iphigenie aus Tauris. Ein Schauspiel. Herausgegeben von Max Kämper. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, S. 93–94. (= Reclam XL: Text und Kontext. 19019). – ISBN 978-3-15-019019-7.
56. Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst. In: Kirchheim, Jakob: Schillerpark. Berlin: Jakob Kirchheim Verlag, 2012, S. 90–92. – ISBN 978-3-942847-24-7. 57.
Der Geisterseher. Aus den Memoires des Grafen von O**. Herausgegeben von Mathias Mayer. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., [Nachdruck] 2013, 242 S. (= Reclams Universal-Bibliothek. 7435). – ISBN 978-3-15-007435-0.
58. Philosophie der Physiologie. In: Materie. Grundlagentexte zur Theoriegeschichte. Herausgegeben von Sigrid G. Köhler, Hania Siebenpfeiffer und Martina WagnerEgelhaaf. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2013, S. 93–105. (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 2051). – ISBN 978-3-518-29651-6. 59. Über Bürgers Gedichte. In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, [Nachdruck] 2013, S. 75–92. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3. 60. (mit Goethe): Über epische und dramatische Dichtung. In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, [Nachdruck] 2013, S. 100–104. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3.
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Über die ästhetische Erziehung des Menschen [12. bis 14. Brief]. In: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung. Band 7: Klassik. Herausgegeben von Gabriele Wirsich-Irwin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998, [Nachdruck] 2013, S. 62–75. (= Reclams Universal-Bibliothek. 9625). – ISBN 978-3-15-009625-3.
62. Über die ästhetische Erziehung des Menschen [Auszug, 11. bis 13. Brief]. In: Materie. Grundlagentexte zur Theoriegeschichte. Herausgegeben von Sigrid G. Köhler, Hania Siebenpfeiffer und Martina Wagner-Egelhaaf. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2013, S. 452–459. (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 2051). – ISBN 978-3-518-29651-6. 63. Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen [Auszug mit einer Einführung des Herausgebers]. In: Texte zur Ästhetik. Eine kommentierte Anthologie. Herausgegeben von Marco Schüller. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013, S. 59–64 und S. 65–74. – ISBN 978-3-534-24645-8.
2.4 Herausgegebene Publikationen (Zeitschriften) und eigene Übersetzungen 64. Racine, Jean: Phädra. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Aus dem Französischen übertragen von Friedrich Schiller. Mit einem Nachwort von Hermann Gmelin. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., [Nachdrucke] 2007, 2010, 63 S. (= Reclams Universal-Bibliothek. 54). – ISBN 978-3-15-000054-0.
2.5 Briefe: Editionen, Korrespondenzen, Einzelstücke 65. An Charlotte von Lengefeld [Ende August 1788]. In: Ich küsse Euch tausendmal. Die schönsten Liebesbriefe der Weltliteratur. Herausgegeben von German Neundorfer. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2013, S. 34. (= Fischer Klassik. 90500). – ISBN 978-3-596-90500-3. 66. An Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld [20. Dezember 1789]. In: Ich küsse Euch tausendmal. Die schönsten Liebesbriefe der Weltliteratur. Herausgegeben von German Neundorfer. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2013, S. 89–92. (= Fischer Klassik. 90500). – ISBN 978-3-596-90500-3. 67. Brief an den Herzog von Augustenburg vom 13. Juli 1793. In: Johann Wolfgang Goethe. Iphigenie aus Tauris. Ein Schauspiel. Herausgegeben von Max Kämper. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, S. 90–93. (= Reclam XL. 19019). – ISBN 978-3-15-019019-7.
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68. An den Herzog Carl August [Jena, 1. September 1799]. In: Weimar literarisch. Herausgegeben von Jens Kirsten. Berlin: Aufbau Verlag, 2013, S. 16–17. (= aufbau taschenbuch. 2914). – ISBN 978-3-7466-2914-8.
2.6 Übersetzungen von Schillers Werken 2.6.1 Werkausgaben und Sammlungen (alphabetisch nach Sprachen) Spanisch 69. Escritos breves sobre Estética. Introducción de Jorge Seca. Traducción de Victor Manuel Borrero Zapata y Juan Pablo Larreta Zulategui. Aracena: Gegner Libros, 2013, V, 69 S. (= Gegner Arte. 2). – ISBN 978-84-96875-97-5. Inhalt: Introducción (S. I–V). – Sobre lo patético [»Über das Pathetische«] (S. 1–25). – Reflexiones sobre el uso de lo vulgar y lo indigno en el arte [»Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst«] (S. 27–33). – Sobre los límites necesarios en el uso de las formas bellas [»Über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen«] (S. 35–59). – Sobre el provecho moral de las costumbres estéticas [»Über den moralischen Nutzen ästhetischer Sitten«] (S. 61–69). – Neuauflage der seitenidentischen Ausgabe von 2004 [s. Schiller-Bibliographie 2004, Nr. 73].
2.6.2 Einzelne Werke und Schriften (alphabetisch nach Titeln) Die ästhetische Erziehung des Menschen (albanisch) 70. Mbi edukimin estetik të njeriut në një rradhë letrash. Shqipëroi nga origjinali Elda Boriçi. Tiranë: Plejad, 2004, 159 S. – ISBN 99927-982-1-1. 71.
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Don Carlos (spanisch) Don Carlos, infante de España. Un poema dramático. Traducción de Emilio J. González García. Tres Cantos / Madrid: Ediciones Akal, 2012, 199 S. (= Akal. Básica de bolsillo: Serie clásicos de la literatura alemana. 269). – ISBN 978-84-460-3629-6. Introducción de Emilio J. González García (S. 5–9). Der Geisterseher (albanisch) Njeriu që sheh fantazma. Roman. Shqipëroi nga origjinali Nikolla Pire. Tiranë: Globus, 2007, 176 S. Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon (italienisch) La legislazioni di Licurgo e Solone. Traduzione di Ciro Palumbo. In: Bruno Romano, Giudizio giuridico e giudizio estetico. Da Kant verso Schiller. Edizione a cura di Ciro Palumbo. Torino: G. Giappichelli Editore, [2013], S. 201–224. (= Uni-
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versità degli Studi Sapienza di Roma: Accademia Internazionale di Filosofia del Diritto. 55). – ISBN 978-88-348-7994-8. Siehe auch Kap. 6.2., Nr. 213. 74.
75.
Der Handschuh (russisch-deutsch) Перчатка. В: Говорит любовь. Из немецкой поэзии. Прочтение и перевод Виталия Штемпеля. Санкт-Петербург: Издательство Алетейя, 2011, c. 32–37. (= Русское зарувежье). – ISBN 978-5-91419-556-1. Transliteration: Perčatka. V: Govorit ljubov’. Iz nemeckoj poezii. Pročtenie i perevod Vitalija Štempelja. Sankt-Peterburg: Izdatel’stvo Aletejja, 2011, S. 32–37. (= Russkoe zarubež’e). Die Jungfrau von Orleans (albanisch) Vajza e Orleansit. Tragjedi romantike. Shqipëroi nga origjinali Skënder Luarasi. Tiranë: Infbotues, 2007, 211 S. – ISBN 978-99943-972-2-8. Vorwort von Dhori Qiriazi (S. 3–8). – Nachwort von Aleks Buda (S. 204–206).
Kabale und Liebe (niederländisch) 76. Kabaal en liefde. Een burgerlijk treurspel. Vertaald uit het Duits door Alex Mallems in opdracht van Theaterproductiehuis Zeelandia voor Zeeland Nazomerfestival 2013. Middelburg: de Drvkkery [sic], 2013, 125 S. – ISBN 978-90-70174-84-2. 77.
Maria Stuart (kroatisch) Marija Stuart. Prijevod Truda Stamać. Zagreb: Mozaik Knjiga, 2010, 423 S. (= Biblioteka Klassici). – ISBN 978-953-14-0723-6. – Der Band enthält auch »Die Räuber« (s. Nr. 80).
Maria Stuart (spanisch) 78. Maria Estuard. In: Teatre Clàssic Alemany. Traducció i edició de Feliu Formosa. Barcelona: Institut del Teatre de la Diputació de Barcelona, 2011, S. 379–558. – ISBN 978-84-9803-429-5. Nänie (russisch-deutsch) 79. Нения. В: Говорит любовь. Из немецкой поэзии. Прочтение и перевод Виталия Штемпеля. Санкт-Петербург: Издательство Алетейя, 2011, c. 30–31. (= Русское зарувежье). – ISBN 978-5-91419-556-1. Transliteration: Nenija. V: Govorit ljubov’. Iz nemeckoj poezii. Pročtenie i perevod Vitalija Štempelja. Sankt-Peterburg: Izdatel’stvo Aletejja, 2011, S. 30–31. (= Russkoe zarubež’e). Die Räuber (kroatisch) 80. Razbojnici. Prijevod Alka Škiljan. Zagreb: Mozaik Knjiga, 2010, 423 S. (= Biblioteka Klassici). – ISBN 978-953-14-0723-6. – Der Band enthält auch »Maria Stuart« (s. Nr. 77).
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Die Räuber (kroatisch) Razbojnici. Prijevod Svevlad Slamnig. Predvogor Boris Senker. Zagreb: SysPrint, 1998, XVI, 118 S. (= Lektira Dostupna Svima. 5/43). – ISBN 953-6041-82-0. Vorwort von Boris Senker: Mladi gnjevni ljudi s kraja osamnaestog stoljeća (S. VII–XVI).
Die Räuber (spanisch) 82. Els bandits. Tragèdia en cinc actes. In: Teatre Clàssic Alemany. Traducció i edició de Feliu Formosa. Barcelona: Institut del Teatre de la Diputació de Barcelona, 2011, S. 221–378. – ISBN 978-84-9803-429-5. Die Räuber (tschechisch) 83. Loupežnici. Pro výuku upravila a přeložila Jana Navrátilová. Brno: Edika, 2013, 184 S. und 1 CD (MP3). (= Dvojjazyčná kniha pro pokročilé). – ISBN 978-80-266-0036-7. Die Teilung der Erde (russisch-deutsch) 84. Раздел земли. В: Говорит любовь. Из немецкой поэзии. Прочтение и перевод Виталия Штемпеля. Санкт-Петербург: Издательство Алетейя, 2011, c. 26-29. (= Русское зарувежье). – ISBN 978-5-91419-556-1. Transliteration: Razdel zemli. V: Govorit ljubov’. Iz nemeckoj poezii. Pročtenie i perevod Vitalija Štempelja. Sankt-Peterburg: Izdatel’stvo Aletejja, 2011, S. 26–29. (= Russkoe zarubež’e). Über die ästhetische Erziehung des Menschen (Auszug; portugiesisch) 85. Sobre a educação estética do homem em uma sequência de cartas. Tradução Verlaine Freitas. In: O Belo Autônomo. Textos clássicos de estética. Rodrigo Duarte (org.). Belo Horizonte: Autêntica Editora; Crisálida Livraria e Editora, 2a edição revista e ampliada 2012, S. 151–165. (= Coleção Filô/Estética. 3). – ISBN 978-85-8217-044-1 / ISBN 978-85-87961-88-4. Über die ästhetische Erziehung des Menschen (finnisch) 86. Kirjeitä ihmisen esteettisestä kasvatuksesta. Suomentanut Pirkko Holmberg. Helsinki: Tutkijaliitto, 2013, 160 S. (= Paradeigma). – ISBN 978-952-5169-95-9. Die Ausgabe enthält ein Vorwort des Übersetzers u. d. T. »Suomentajan esipuhe« (S. 7–22), ein kleines Literaturverzeichnis (S. 23–24) und Worterläuterungen (S. 158–160). Über die ästhetische Erziehung des Menschen (kroatisch) 87. O estetskom odgoju čovjeka u nizu pisama. S njemačkoga preveo Dubravko Torjanac. Predgovor. Zagreb: Scarabaeus-Naklada, 2006, 248 S. (= Biblioteka Imago). – ISBN 953-99185-8-8. Inhalt: Nadežda Čačinović: Schiller i nakon niega (S. 7–13). – O estetskom odgoju čovjeka u nizu pisama (S. 15–162). – Pisma Princu Friedrichu Christianu von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburgu (S. 163–234). – Vladimir Gudac:
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Riječ urednika (S. 235–238). – [Ohne Verfasserangabe:] Nastanak pisama o estetskom odgoju (S. 239–248). Über naive und sentimentalische Dichtung (kroatisch) 88. O naivnom i sentimentalnom pjesništvu. S njemačkog prevela Sanja Beuge. In: Forum. Mjesečnik Razreda za Knjizežnost Hrvatske Akademije Znanosti i Umjetnosti. Zagreb. 40. Jg., 2001, Heft 7/9, S. 925–991. – ISSN 0015-8445. – Mit einer Nachbemerkung von Tea Benčić: O naivom i sentimentalom pjesništvu danas (S. 992–993). Wilhelm Tell (albanisch) 89. Vilhelm Teli. Dramë. Shqipëroi nga origjinali Skënder Luarasi. Tiranë: Shtëpia Botuese Onufri, 2004, 238 (1) S. – ISBN 99927-53-76-5. Vorwort (»Parathënie«) des Übersetzers (S. 5–21). – Nachwort und Anhang: »›Vilhelm Teli‹ në Shqipëri« (S. 213–216). – »›Vilhelm Teli‹ në shkollën kombëtare laike« (S. 217–224). – »Opinione nxënësish« (S. 225–230). – »Shënime« (S. 231–236). – Kurzbiographie und Werkverzeichnis des Übersetzers (S. 237–238). Wilhelm Tell (philippinisch) 90. Guillermo Tell. Translated from German to Filipino by Jose Rizal. [Einleitung von] Mariano Ponce: Paunang salita. Manila: National Historical Commission of the Philippines, 2013, XIII, 154 S. – ISBN 978-971-538-261-8. Überarbeitete Fassung in modernem Philippinisch. Erstveröffentlichung: Libreria Manila Filatelica, 1907/1908. – Nachdruck: Manila, Jose Rizal Centennial Commission, 1961.
3 Darstellungen 3.1 Werkübergreifende Gesamtdarstellungen 91.
Schmiedt, Helmut: Friedrich Schiller. Marburg: Tectum Verlag, 2013, 189 S. Mit zahlreichen Abbildungen. (= Literatur kompakt. 4). – ISBN 978-3-8288-2970-1. Inhalt: I. Friedrich Schiller im 21. Jahrhundert (S. 9–14). – II. Zeittafel (S. 15–17). – III. Biografischer Überblick (S. 18–42). – IV. Allgemeine Voraussetzungen und Merkmale des literarischen Werks (S. 43–57). – V. Ausgewählte Dramen: 1. »Die Räuber« (S. 58–63). – 2. »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« (S. 64–69). – 3. «Kabale und Liebe« (S. 70–73). – 4. «Don Karlos« (S. 74–79). – 5. »Wallenstein« (S. 80–83). – 6. »Maria Stuart« (S. 84–87). – 7. «Die Jungfrau von Orleans« (S. 88–91). – 8. «Wilhelm Tell« (S. 92–97). – VI. Erzählprosa: »Verbrecher aus Infamie« (S. 99–103). – VII. Gedichte: 1. »Die Kindsmörderin (S. 105–108). – 2. »Resignation. Eine Phantasie« / »An die Freude« (S. 109–116). – 3. »Die Götter Griechenlands« (S. 116–118). – 4. »Die Bürgschaft« (S. 119–121). – 5. »Das Lied von der Glocke« (S. 122–125). – VIII. Schriften zur Ästhetik: 1. »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« (S. 127–131). – 2. »Über naive und sentimentalische Dich-
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tung« (S. 131–135). – IX. Historische Schriften: »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs« (S. 137–143). – X. Der Briefwechsel mit Goethe (S. 145–149). – XI. Wirkung (S. 151–161). – XII. Literatur (S. 163–169). – Glossar und Abbildungsverzeichnis (S. 171–184).
3.2 Resümierende Beiträge, Würdigungen, Reden, Essays und Gespräche 92. Andres, Stefan: Schiller, Rebell und Bürger. In: Ders., Der Dichter in dieser Zeit. Reden und Essays. Herausgegeben von Christopher Andres und Michael Braun. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 325–347. (= Stefan Andres: Werke in Einzelausgaben). – ISBN 978-3-8353-1102-2. Frühere Ausgabe im R. Piper Verlag, München 1974, S. 116–137. (= Serie Piper. 106). – ISBN 3-492-00406-7. 93. Berger, Rudi W.: Schiller, der Bolschewik und die verschwiegene Rebellion. In: Ders., Dran, dran, solang ihr Tag habt. Schlachtfeld Literatur – Schlachtfeld Deutschland. Essayistische Exkurse und ein Credo Poesie. Berlin, Böklund: Verlag Wiljo Heinen, 2013, S. 205–249. – ISBN 978-3-95514-010-6. 94. Böhmer, Otto A.: »Wie die erste Liebe«. Schiller und das große Band der Schöpfung. In: Ders., Das Abenteuer der Inspiration. Porträts deutscher Dichter von Lessing bis Dürrenmatt. Zürich: Diogenes Verlag, 2012, S. 63–84. – ISBN 978-3-257-06831-3. 95. Spengler, Tilman: Friedrich Schiller. In: Ders., Haben Sie das wirklich alles im Kopf? Glücksfälle der Weltliteratur. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, [2013], S. 174–180. – ISBN 978-3-423-28026-6. 96. Willems, Gottfried: Goethe und Schiller. – Goethe, Schiller und Hölderlin. In: Ders., Geschichte der deutschen Literatur. Band 3: Goethezeit. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 2013, S. 196–211 und S. 247–258. (= UTB. 3734). – ISBN 978-3-8252-3734-9.
3.3 Artikel in Literaturlexika und philosophischen Nachschlagewerken (Keine Beiträge im laufenden Berichtsjahr)
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4 Biographische Aspekte 97. Geyersbach, Viola / Klauss, Jochen: Schiller-Museum Bauerbach. Schillers Flucht aus Stuttgart und sein Aufenthalt in Bauerbach (22. 9. 1782 bis 24. 7. 1783). Weimar: Klassik-Stiftung Weimar, 2013, 55 S. mit zahlreichen Illustrationen. 98. Hach, Wolfgang / Hach-Wunderle, Viola: Johann Christian Stark (1753–1811) und seine Behandlungsstrategie bei Schillers Lungenembolie anno 1791. In: Gefässchirurgie. Zeitschrift für vaskuläre Medizin. Organ der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaft für Gefäßchirurgie […]. Berlin. 18. Jg., 2013, Heft 4, S. 300–305. – ISSN 0948-7034. 99. Hölscher, Lucian: Schillers Schicksal. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 297–306. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 100. Schwabe, Julius: Schillers Schädel. In: Weimar literarisch. Herausgegeben von Jens Kirsten. Berlin: Aufbau Verlag, 2013, S. 31–42. (= aufbau taschenbuch. 2914). – ISBN 978-3-7466-2914-8. Erstveröffentlichung des Beitrags in: Ders., Harmlose Geschichten. Erinnerungen eines alten Weimaraners. Frankfurt/M.: Moritz Diesterweg, 1890, S. 27–38 [dort als. Kap. IV ohne Überschrift]. 101. Sedivy, Roland: Rätsel Schiller. Sein Leben post mortem. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. Organ der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Stuttgart. 66. Jg., 2013, Heft 1, S. 39–41. – ISSN 0028-1050. 102. Wilke, Georg Maria: Autobiographik. Grundlage der Astromedizin. KrankheitsBiographie Schillers. In: Astrologie und Medizin. Herausgegeben von Detlef Hover und Ulrike Voltmer. Tübingen: Chiron-Verlag, 3. Aufl. 2013, S. 19–26. – ISBN 978-3-925100-39-0.
5 Kontexte: Kontakte – Einflüsse – Vergleiche 5.1 Beziehungen zu Orten, Landschaften und Ländern Dresden 103. Jäckel, Günter: Warum Schiller nicht in Dresden bleiben wollte. In: Kreative Sprachpotenziale mit Stil entdecken. Germanistische Festschrift für Professor Wolfgang Schramm. Herausgegeben von Waldemar Czachur, Marta Czyżewska und Philipp Teichfischer. Wrocław: Oficyna Wydawnicza ATUT, 2011, S. 393–408. – ISBN 978-83-7432-734-3.
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Dresden 104. Zimmermann, Reiner: Begegnungen am Altmarkt und in Blasewitz. Johann Gottlieb Neumann, Anton Graff und Friedrich Schiller. In: Ders., Tannhäusers Brautzug. Künstlerbegegnungen in Dresden. Dresden: Sandstein Verlag 2013, S. 46–61. – ISBN 978-3-95498-030-7. Potsdam 105. Bienert, Michael: Schiller in Potsdam. Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg, 2., vom Verfasser durchgesehene und verbesserte Aufl., 2013, 22 S. mit 17 Abb. (= Frankfurter Buntbücher: Kleist-Museum. 39). – ISBN 978-3-942476-45-4. Die 1. Aufl. ist 2005 erschienen [s. Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 258].
5.2 Schillers Zeitgenossen und Vergleiche mit anderen Personen im historisch-politischen, bildungs- und ideengeschichtlichen Kontext Ayrenhoff, Cornelius Hermann von 106. Mansky, Matthias: Das Theater als Geschmacksbarometer. Zur Schiller-Kritik in den »Briefen über Italien«. In: Ders., Cornelius von Ayrenhoff. Ein Wiener Theaterdichter. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2013, S. 110–118. – ISBN 978-3-86525-335-4. Beethoven, Ludwig van 107. Jens, Walter: Über die Freude. Schiller und Beethoven. In: Karl-Josef Kuschel, Walter Jens. Literat und Protestant. 2., aktualisierte Auflage aus Anlass des 90. Geburtstags von Walter Jens. Tübingen: Attempto Verlag, 2013, S. 216–221. – ISBN 978-3-89308-433-3. Erhard, Johann Benjamin 108. Foi, Maria Carolina: Il diritto alla rivoluzione. Schiller e Erhard. In: Dies., La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, S. 35–74. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462-554-3. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Lo spettacolo della Rivoluzione francese e il classicismo di Weimar. – 2. Constellazioni dimenticate del giacobinismo tedesco. – 3. Letteratura e politica nell’«Educazione estetica«. – 4. Epiloghi. Erstveröffentlichung in einer anderen Fassung u. d. T. »Schiller und Erhard. Literatur und Politik in der Weimarer Republik«. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 49 (2005) [s. Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 284]. Fichte, Johann Gottlieb 109. Acosta, Emiliano: Schiller versus Fichte. Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2011 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 121]. Rezensionen von Elisa Magrì in: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and
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Religion«), S. 223–226. ISSN 2036-4989. – Ludovicus De Vos. In: De Uil van Minerva. Tijdschrift voor Geschiedenis en Wijsbegeerte van de Cultuur. Gent. 25. Jg., 2012, Heft 3, S. 210–214. ISSN 0772-4381. Goethe, Johann Wolfgang 110. Gibhardt, Boris Roman: Goethe et Schiller. Littérature universelle et éducation esthétique. Traduit de l’allemand par Laurent Cantagrel et Virginie de Bermond. In: De l’Allemagne de Friedrich à Beckmann. Sous la direction de Sébastien Allard et Danièle Cohn. Paris: Éditions Hazan & Musée du Louvre, 2013, S. 162–167, 4°. – ISBN 978-2-75410-690-0 / 978-2-35031-424-2. Goethe, Johann Wolfgang 111. Hippe, Christian: Nachspiel. Schiller und Goethe – ästhetische Verteidigungskämpfe. In: Ders., Superiorität der Dichtung. Klopstocks Beziehung zur bildenden Kunst. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 299–314. (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. 759). – ISBN 978-3-8260-4866-1. Goethe, Johann Wolfgang 112. Lenz, Franziska: Kollektives Arbeiten als Kernelement der Klassik: »Manier los werden und ins allgemein Gute übergehen«. In: Dies., Kollektive Arbeitsweisen in der Lyrikproduktion von Goethe. »Nur durch Aneignung fremder Schätze entsteht ein Großes«. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 100– 140. (= Epistemata: Reihe Literaturwissenschaft. 772). – ISBN 978-3-8260-5050-3. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 5.1. Einführung: »Mit Einer Hand zusammenhalten und mit der anderen so weit ausreichen als die Natur uns erlaubt«. – 5.2. Gemeinsame Produktion – Goethe und Schiller: »Lassen sie unsere Zweiheit immer mehr in Einklang bringen«. – 5.3. Gemeinsame Produkte – Programmatische Distichen: »Xenien«. – 5.4. Zusammenfassung: »Manier loszuwerden und ins allgemeine Gute übergehen«. Goethe, Johann Wolfgang 113. Safranski, Rüdiger: Beiträge zu den »Horen«. – Zwei Konzepte gegen den Ungeist der Zeit: Schillers ästhetische Erziehung und Goethes gesellige Bildung. – Der »Centaur«. – Gemeinsame Feldzüge gegen den Literaturbetrieb: die »Xenien«. – Schillers Geburtshilfe beim »Wilhelm Meister«. – Ein antiromantisches Werk? – Das Ende der »Horen« ohne Knalleffekt. In: Ders., Goethe. Kunstwerk des Lebens. München: Carl Hanser Verlag, 2013, S. 398–413. – ISBN 978-3-446-23581-6. GuthsMuths, Johann Christoph Friedrich 114. Schmidt, Thomas: Ästhetisches vs. Physisches Spiel. Der Dichter Schiller und der Leibespädagoge GutsMuths als Konkurrenten. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 262–279. – ISBN 978-3-8353-0789-6.
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Herder, Johann Gottfried 115. Moreau, Didier: L’Éducation, l’état et la poésie. Une controverse à Weimar entre Herder et Schiller. In: Grandes controverses en éducation. Édité par Alain Vergnioux. Bern: Verlag Peter Lang, 2013, S. 53–74. (= Exploration. Éducation: Histoire et pensée). – ISBN 978-3-0343-1259-2. Hölderlin, Friedrich 116. Gerardi, Giovanni: L’educazione estetica dell’uomo. Schiller e Hölderlin. In: Ders., La nozione di »Bildung« nel primo Hegel. Milano: LED, 2012, S. 159–170. (= Il filarete. Collana di studi e testi: Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia. 279). – ISBN 978-88-7916-593-8. Hölderlin, Friedrich 117. Honold, Alexander: Die Zeit des Festes und der Augenblick der Gemeinschaft. Hölderlin und Schiller. In: Ders., Die Zeit schreiben. Jahreszeiten, Uhren und Kalender als Taktgeber der Literatur. Basel: Schwabe Verlag, 2013, S. 87–103. (= Schwabe Reflexe. 30). – ISBN 978-3-7965-3193-4. Kleist, Heinrich von 118. Dermutz, Klaus: Sturz in die Liebe. Kleist und Schiller. In: Ders., Jutta Lumpe. Magische Krisen. Berlin, Münster: Lit Verlag, 2010, S. 47–53. (= Resonanzen. Theater, Kunst, Performance. 3). – ISBN 978-3-643-10721-3. Kleist, Heinrich von 119. Koopmann, Helmut: Schiller und Kleist. In: Ders., Nachgefragt. Zur deutschen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M.: Verlag Vittorio Klostermann, 2013, S. 121–143. (= Das Abendland. Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. N. F. 37). – ISBN 978-3-465-03770-5. Erstveröffentlichung in: Aurora. Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft. Band 50 (1990) [s. Schiller-Bibliographie 1991-1994, Nr. 160]. Kleist, Heinrich von 120. Roesch, Phyllis: Kleists »Hymne an die Sonne« und Schillers Konzept von Sprachbewegung und Landschaftsdichtung. In: Kleist-Jahrbuch 2013. Herausgegeben von Günter Blamberger, Ingo Breuer, Wolfgang de Bruyn und Klaus Müller-Salget. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung, 2013, S. 198–206. – ISBN 978-3-476-02498-5. Kleist, Heinrich von 121. High, Jeffrey L.: Schiller, Freude, Kleist, and Rache. On the German Freedom Ode. In: Heinrich von Kleist. Style and Concept. Explorations of Literary Dissonance. Edited by Dieter Sevin and Christoph Zeller. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 123–146. – ISBN 978-3-11-02747-1.
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Lessing, Gotthold Ephraim 122. Dörr, Volker C.: Gemünzte Wahrheit. Schiller im aufklärungsskeptischen Dialog mit Lessing. In: Tolerant mit Lessing. Ein Lesebuch zur Ringparabel. Herausgegeben von Christoph Bultmann und Birka Siwczyk. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2013, S. 221–231. – ISBN 978-3-374-03136-8. Matthisson, Friedrich von 123. Ritter, Heidi: Matthisson und Schiller oder Wie ein Dichter den anderen brauchen kann. In: Friedrich von Matthisson. Herausgegeben von Erdmut Jost und Christian Eger. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag, 2013, S. 151–161. – ISBN 978-3-95462-022-7. Rousseau, Jean-Jacques 124. Agard, Olivier: Kulturkritik et politique. Schiller, Rousseau, Kant. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 149–170. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Un premier point de convergence: le ›Vernunftstaat‹ comme terme de l’histoire humaine. – Un second point de convergence: la ›Kulturkritik‹. – Le problème du passage: une solution anthropologique. – La stratégie argumentative de Schiller. Schlegel, Friedrich 125. Dahlstrom, Daniel: Play and Irony. Schiller and Schlegel on the Liberating Prospects of Aesthetics. In: Kant, Kantianism, and Idealism. The Origins of Continental Philosophy. Edited by Thomas Nenon. Durham: Acumen Publishing Ltd., 2010, S. 107–129. (= The History of Continental Philosophy. 1). – ISBN 978-1-84465-211-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Playful Freedom: Schiller on Tragedy, Aesthetic Education, and the Promise of Poetry (Beyond good and evil in early essays and tragedy. Modernity and the promise of poetry). – 2. Ironic Freedom: Schlegel on Romantic Poetry (Getting over the obsession with objectivity: Explaining the Romantic turn. Progressive universal poetry: Witty, fragmentary, and the transcendental. Irony as transcendental buffoonery, religion, and the realist turn). – 3. Conclusion. Neuausgabe als Paperback: Durham 2013. – ISBN 978-1-8446-5609-7. Voß, Johann Heinrich 126. Schwerin, Kerstin Gräfin von: Goethes und Schillers Nähe. Jena 1802–1805. In: Dies., Johann Heinrich Voß. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2013, S. 107–117. (= Meteore. 13). – ISBN 978-3-86525-351-4.
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5.3 Die Familie Schiller: Genealogie, Generationen und Verwandtschaften 127. Naumann, Ursula: Die geliebten Schwestern. Schiller, Lotte und Line. Berlin: Insel Verlag, 2013, 195 S. (= insel taschenbücher. 4257). – ISBN 978-3-458-35957-9. 128. Ullrich, Herbert: Schillers Schwester Christophine und Sohn Ernst – vergleichende Schädelbetrachtungen. In: Neue Ausgrabungen und Funde in Thüringen. Band 7 (2012/2013). Langenweißbach: Verlag Beier & Beran, 2013, S. 233–246.
6 Intellektuelle Vernetzungen 6.1 Geschichte – Kulurkritik – Politik 129. Church, Jeffrey: Friedrich Schiller on Republican Virtue and the Tragic Exemplar. In: European Journal of Political Theory. Thousand Oaks, CA. 13. Jg., 2013, Heft 1, S. 95–118. – ISSN 1474-8851. 130. Schings, Hans-Jürgen: Revolutionsetüden. Würzburg 2012 [Marbacher SchillerBibliographie 2012, Nr. 194]. Rezensionen von Johannes Schmidt: Hans-Jürgen Schings untersucht in drei »Revolutionsetüden« den Einfluss der Französischen Revolution auf Schiller, Goethe und Kleist. In: Literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften. Marburg. 15. Jg., 2013, Heft 2, S. 249–252. – Stefan Matuschek. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Berlin. 165. Jg., 2013, 2. Halbjahresband, S. 406–408.
6.2 Philosophie, Ästhetik, Poetologie, Anthropologie, Bildung und Erziehung 131. Acosta López, María del Rosario: Tragedia y modernidad en la teoría sobre lo sublime de Friedrich Schiller. In: Episteme. Revista del Instituto de Filosofía. Caracas (Universidad Central de Venezuela: Facultad de Humanidades y Educación), 27. Jg., 2007, Heft 2, S. 147–168. – ISSN 0798-4324 (Online-Ressourse). 132. Acosta Lopéz, María del Rosario: La tragedia como conjuro. El problema de lo sublime en Friedrich Schiller. Bogotá: Universidad Nacional de Colombia, 2008. [Marbacher Schiller-Bibliographie 2008, Nr. 205]. Rezensionen von Óscar Cubo Ugarte. In: Éndoxa. Series Filosóficas. Madrid (Universidad Nacional de Educación a Distancia: Facultad de Filosofía), 2010, Heft 25, S. 393–399. ISSN 1133-5351. – Bernardo Correa. In: Ideas y Valores. Revista colombiana de Filosofía. Bogotá (Universidad Nacional de Colombia), 2009, Heft 139,
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S. 210–213 (auch zu der Abhandlung »Gusto y comunicabilidad en la estética de Kant« von Laura Quintana). ISSN 0120-0062. 133. Amoroso, Leonardo: Hegel, Schiller e gli dèi della Grecia. In: Arte, religione e politica in Hegel. A cura di Francesca Iannelli. Pisa: Edizioni ETS, 2013, S. 131–146. (= Philosofica. 116). – ISBN 978-88-467-3727-4. 134. Amoroso, Leonardo: Schiller interprete di Kant. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 11–30. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. 135. Beiser, Frederick: Schiller as philosopher. A Re-Examination. Oxford 2005 [Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 355]. Rezensionen von Mario Wenning. In: Graduate Faculty Philosophy Journal. Charlottesville, VA. 27. Jg., 2006, Heft 2, S. 231–236. ISSN 0093-4240 / 2153–9197. – David Pugh. In: Mind. A Quarterly Review of Philosophy. Oxford. 117. Jg., 2008, Heft 466, S. 457–462. ISSN 0026-4423. 136. Bergel, Hans: Versuch über Friedrich Schillers Theorie der Kultur. Die Idee des Spiels als Grundlage der Erziehung. In: Ders., Das Spiel und das Chaos. Essays und Vorträge. Berlin: Edition Noack & Block, 2013, S. 19–32. – ISBN 978-3-86813-013-3. 137. Böhmer, Anselm: Innen und Außen. Zur tradierten bildungstheoretischen Dichotomie von Subjektivität und Welt: Schiller. In: Ders., Diskrete Differenzen. Experimente zur asubjektiven Bildungstheorie in einer selbstkritischen Moderne. Bielefeld: Transcript Verlag, 2013, S. 40–45. – ISBN 978-3-8376-2571-4. 138. Brady, Emily: The Sublime after Kant. Schiller and Schopenhauer. In: Dies., The Sublime in Modern Philosophy. Aesthetics, Ethics, and Nature. New York: Cambridge University Press, 2013, S. 90–99. – ISBN 978-0-521-19414-3. 139. Brandes, Peter: Schiller. – Pathos. Ästhetische Modifikation des Lebendigen. Bewegliche Schönheit. In: Ders., Leben die Bilder bald? Ästhetische Konzepte bildlicher Lebendigkeit in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 108–116. (= Studien zur Kulturpoetik. 19). – ISBN 978-3-8260-4926-2. 140. Brass, Nikolaus: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Schillers heller Kopfstand im Dunkel unserer schlechten Erfahrungen. In: Musik-Texte. Zeitschrift für neue Musik. Köln. 2013, Heft 136 (Februar-Ausgabe), S. 13–16. – ISSN 0178-8884. 141. Brucher, Rosemarie: Das Erhabene bei Friedrich Schiller. In: Dies., Subjektermächtigung und Naturunterwerfung. Künstlerische Selbstverletzung im Zeichen von Kants Ästhetik des Erhabenen. Bielefeld: Transcript Verlag, 2013, S. 99–124. (= Theater. 51). – ISBN 978-3-8376-2270-6.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Ästhetik der Endlichkeit. – Das Erhabene der Handlung. – Ästhetischer Wille, moralischer Wille. – Zusammenfassung: Kant und Schiller. 142. Bürger, Peter: L’autonomie de l’art dans l’esthétique de Kant et de Schiller. In: Ders., Théorie de l’avant-garde. Traduit de l’allemand par Jean-Pierre Cometti. Paris: Éditions Questions Théoriques, 2013, S. 70–78. (= Collection Saggio Casino). – ISBN 978-2-917131-26-8. Deutsche Erstveröffentlichung: Die Autonomie der Kunst in der Ästhetik von Kant und Schiller. In: Ders., Theorie der Avantgarde. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag, 1974, S. 57–63. (= edition suhrkamp. 727). – ISBN 3-518-00727-0. Weitere fremdsprachige Ausgaben (Auswahl): Englische Übersetzung: The Autonomy of Art in the Aesthetics of Kant and Schiller. In: Ders., Theory of the Avant-Garde. Translation from the German by Michael Shaw. Foreword by Jochen Schulte-Sasse. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1984, S. 41–46. (= Theory and History of Literature. 4). – ISBN 0-8166-1067-3. Italienische Übersetzung: L’autonomia dell’arte nell’estetica di Kant e di Schiller. In: Ders., Teoria dell’avabguardia. Edizione italiana a cura di Riccardo Ruschi. Torino: Bollati Boringhieri editore, 1990, S. 50–56. (= Nuova Cultura. 21). – ISBN 88-339-0555-1. Kroatische Übersetzung: Autonomija umjetnosti u Kantovoj i Schillerovoj estetici. In: Ders., Theorija avangarde. Prijevod Nataša Medved. Zagreb: Izdanja Antibarbarus, 2007, S. 55–62. – ISBN 978-953-249-038-1. Norwegische Übersetzung: Kants og Schillers estetikk. In: Ders., Om avantgarden. Oversatt av Eivind Tjønneland. Oslo: Cappelen Akademisk Forlag, 1998, S. 71–78. (= Cappelens upopulære skrifter). – ISBN 82-456-0230-2. Polnische Übersetzung: Autonomia sztuki w estetyce Kanta i Schillera. In: Ders., Teoria awangardy. Przekład Jadwiga Kita-Huber. Kraków: Wydawców Prac Naukowych Universitas, 2006, S. 52–58. – ISBN 83-242-0704-X. Serbische Übersetzung: Autonomija umetnosti u Kantovoj i Šilerovoj estetici. In: Ders., Teorija avangarde. Preveo s nemačkog Zoran Milutinović. Beograd: Narodna Knjiga/Alfa, 1998, S. 65–73. (Biblioteka Pojmovnik. 11). – [ohne ISBN]. Spanische Übersetzung: La autonimia del arte en la estética de Kant y de Schiller. In: Ders., Teoría de la vanguardia. Traducción de Jorge García. Prólogo de Helio Piñón. Barcelona: Ediciones Península, 1997, S. 93–100. (= Historia, Ciencia, Sociedad. 206). – ISBN 84-8307-060-X. Türkische Übersetzung: Kant ile Schiller Estetiğinde Sanatın Özerkliği. In: Ders., Avangard kuramı. Çeviren Erol Özbek. Istanbul: Iletişim Yayıncılık, 2003, S. 93–101. (= Iletişim Yayınları. 956; Sanahayat Dizsi. 3). – ISBN 975-05-0191-8. 143. Büssgen, Antje: Abbruch – Fragment – Scheitern? Schillers »erster Versuch« über eine ästhetische Konstitution des Menschen. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Heraus-
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gegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 183–215. – ISBN 978-3-8260-4851-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Schillers Briefreihe über die ästhetische Erziehung des Menschen als Fragment: Forschungspositionen zur Begründung von Schillers Scheitern. – 2. Anspruch, Leistung und Grenzen des Konzepts: Zum Werkcharakter der Briefe und den Zeitdimensionen ästhetischer Erziehung. 144. Caiola, Maria Elena: »Die Poesie ist Theosophie«. Ricostruzione di una disciplina e la sua eredità in Schiller, Novalis e F. Schlegel. In: La giovane germanistica italiana. Pisa, 25-27 settembre 2006. A cura di Enrico De Angelis. Pisa 2006, S. 33–44. (= Jacques e i Suoi Quaderni. 46). – ISSN 1723-1582. 145. Calabi, Lorenzo: Filosofia della storia in Kant e Schiller. Riflessioni su di un confronto. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 239–262. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-4673777-9. 146. Casadeus, Ricard: Lo estético como mediador de lo moral y lo político en la historia de la razón. Una aproximación a la teoría estética de Friedrich Schiller. In: Pensamiento. Revista de Investigación e Información filosófica. Madrid. 69. Jg., 2013, Heft 258, S. 169–184. – ISSN 0031-4749. 147. Cataldo Sanguinetti, Gustavo: La salvación de las apariencias. El problema de la apariencia en Schiller. In: Philosophica. Valparaiso/Chile (Instituto de Filosofía Pontificia Universidad Católica de Valparaíso), 2006, Heft 30, S. 33–49. – ISSN 0716-1913. 148. Claviez, Thomas: Rancière, Schiller and »free play«. In: Colloquium Helveticum. Cahiers suisses de littérature générale et comparée. Fribourg. 2012, Band 43, S. 147–160. – ISSN 0179-3780. 149. Conant, James: Amerika als das philosophische Telos von Schillers literarischem Kantianismus. Übersetzt von Brigitte Schöning. In: Geschichte der Germanistik. Historische Zeitschrift für die Philologien. Herausgegeben von Christoph König und Marcel Lepper. Göttingen. 2013, Heft 43/44, S. 12–20. – ISBN 978-3-8353-1296-8. 150. Cozma, Carmen: The Modulations of Ethics in an Aesthetic Theory, from the Perspective of Friedrich Schiller. In: Cultura. International Journal of Philosophy of Culture and Axiology. Bern, Frankfurt/M. 3. Jg., 2006, Heft 1, S. 19–26. – ISSN 1584-1057 / 2065-5002. 151. Daniel, Jessica Andrea: Die Ich-Bildung nach Friedrich Schiller im Vergleich mit der modernen Philosophie am Beispiel Judith Butlers. München: Grin Verlag, 2012, 13 S., 8°. – ISBN 978-3-656-49011-1. (Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Hausarbeit).
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152. Darras, Gilles: L’art du jeu, le sens de l’équilibre. Le projet schillérien d’une esthétique avant les Lettres. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 21–44. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 153. De Man, Paul: Kant and Schiller. In: Ders., Aesthetic Ideology. Edited with an Introduction by Andrzej Warminski. Minneapolis, London: University of Minnesota Press, (5th print) 2008, S. 129–162. (= Theory and History of Literature. 65). – ISBN 978-0-8166-2203-0. Es handelt sich um die »Fifth Messenger Lecture«, die der Verfasser am 4. März 1983 an der Cornell University gehalten hat. Die 1. Aufl. ist 1996 erschienen [s. Schiller-Bibliographie 1995-1998, Nr. 208]. Polnische Übersetzung: Kant i Schiller. In: Ders., Ideologia estetyczna. Wstęp Andrzej Warminski. Przełożył Artur Przybysławski. Gdańsk: Wydawnictwo Słowo / Obraz Terytoria, 2000, S. 199–250. – ISBN 83-88560-75-1. Spanische Übersetzung: Kant y Schiller. In: Ders., La ideología estética. Introducción de Andrzej Warminski. Traducción de Manuel Asensi y Mabel Richart. Madrid: Ediciones Cátedra, 1998, S. 185–229. (= Teorema). – ISBN 84-376-1600-X. 154. De Santis, Andrea: Schönheit als Freiheit, Spiel und Wahrheit. In: Ders., Denkbilder. Zum Wechselspiel zwischen Erscheinung und Wahrnehmung. Paderborn, München: Ferdinand Schöningh Verlag, 2013, S. 187–191. (= Ikon, Bild und Theologie). – ISBN 978-3-506-77746-1. 155. Deligiorgi, Katerina: The Convergence of Ethics and Aesthetics. Schiller’s Concept of the »Naive« and the Objects of Distant Antiquity. In: Critical Exchange. European Art Criticism of the Eighteenth and Nineteenth Centuries in Russia and Western Europe. Edited by Carol Adlam and Juliet Simpson. Bern, Frankfurt/M.: Peter Lang Verlag, 2009, S. 63–80. (= CISRA: Cultural Interactions. Studies in the Relationship between the Arts. 12.). – ISBN 978-3-03911-556-3. 156. Deligiorgi, Katerina: The Proper ›Telos‹ of Life. Schiller, Kant and Having Autonomy as an End. In: Inquiry. An Interdisciplinary Journal of Philosophy. Abingdon, Oxford. 54. Jg., 2011, S. 494–511. – ISSN 0020-174X. 157. Dörr, Volker C.: Friedrich Schiller und die Aufklärung. In: Aufklärung. Epoche – Autoren – Werke. Herausgegeben von Michael Hofmann. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013, S. 229–246. – ISBN 978-3-534-24725-7. 158. Du Bois de Dunilac, Christine: Veredeln. In: Dies., Das Reden der Ästhetik. Zur Epistemologie sprachlicher Übertragung in darstellungstheoretischen Texten um 1800. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2012, S. 83–157. (= Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften: Reihe Literaturwissenschaft. 764). – ISBN 978-3-8260-4931-6.
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In diesem Kapitel werden Kants »Kritik der Urteilskraft« und Schillers »Kallias«Briefe auf ihre Epistemologie hin untersucht; im Vordergrund steht dabei »Schillers Transformation der Kantischen Ästhetik als spezifisches Darstellungsprinzip des Fortsetzens/Fort-Setzens«. – Gliederung: Überfall. Im Anfang war der Raub (S. 83–94). – Regelfall. Freiheit des Darstellens: Epistemologie der Linie. – Immanenz der Transzendenz: dargestellte Freiheit. – Transzendenz der Immanenz: Freiheitsexkurs (S. 95–109). – Notfall. Sachanalyse: die Zweckmäßigkeit der Ästhetik. – Systemfunktion: der Aufschluss im Abschluss. – Rhetorik der Ästhetik. – Die Maschinerie der Rhetorik. – Vor-Augen-Stellen (S. 110–138). – Die Not-Wendung im Verwenden. Die erhabene Schönheit. – »Nothwendigkeit«: Transformation des Notfalls. – Veredeln im Fortsetzen/Fort-Setzen (S. 139–157). 159. Düsing, Edith: »Wer wird das Bild des Menschen aufrichten?!« Nietzsches Konzept der Selbstbildung im Dialog mit Sokrates, Pascal und Schiller. In: Perspektiven der Philosophie. Amsterdam, New York. 39. Jg., 2013, Heft 1, S. 81–106. – ISSN 0171-1288. 160. Düsing, Klaus: Ästhetische Freiheit und menschliche Natur bei Kant und Schiller. In: Ders., Immanuel Kant. Klassiker der Aufklärung. Untersuchungen zur kritischen Philosophie in Erkenntnistheorie, Ethik, Ästhetik und Metaphysik. Hildesheim, Zürich, New York: Olms Verlag, 2013, S. 291–302. (= Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie. 89). – ISBN 978-3-487-15053-6. 161. Ebbinghaus, Julius: Kant und Schiller über Pflicht und Neigung [1960]. In: Ders., Philosophische Studien aus dem Nachlaß. In Verbindung mit Manfred Baum herausgegeben von Udo Rameil. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 431–442. – ISBN 978-3-8260-5282-8. 162. Egger, Irmgard: Mittelkraft – Sinne – Medium. Anthropologie und Ästhetik in Schillers medizinischen Schriften und in den »Kallias«-Briefen. In: Das achtzehnte Jahrhundert. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des Achtzehnten Jahrhunderts. Wolfenbüttel. 37. Jg., 2013, Heft 1, S. 83–91. – ISSN 0722-740X. 163. Endres, Johannes: Sicherheit als kulturelles Paradigma. Hobbes, Burke, Schiller und die Theorie des Erhabenen. In: Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien. Band 3: Terror. Herausgegeben von Christer Petersen und Jeanne Riou. Kiel: Ludwig Verlag, 2008, S. 66–96. – ISBN 978-3-937719-49-8. 164. Fetscher, Justus: Tendenz, Zerrissenheit, Zerfall. Stationen der Fragmentästhetik zwischen Friedrich Schiller und Thomas Bernhard. In: Totalität und Zerfall im Kunstwerk der Moderne. Herausgegeben von Reto Sorg und Stefan Bodo Würffel. Paderborn, München: Wilhelm Fink Verlag, 2006, S. 11–31. – ISBN 3-7705-4194-4. 165. Franco Ochoa, Carla Di: El proyeto estético de Friedrich Schiller. Lo estético como propedéutica para el desarollo armónico de la razón y el sentimiento. Lima:
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Pontifica Universidad Católica del Perú, Facultad de Letras y Ciencias Humanas, Tesis licenciada en Filosofia, 2009, 206 (5) S., 4°. Die Untersuchung gliedert sich in vier Hauptkapitel: 1. Antecendentes estéticos de Schiller: del nacimiento de la estética a la apoteosis del arte (S. 8–57). – 2. «Kallias«: La belleza como apariencia de libertad (S. 58–83). – 3. «Gracia y Dignidad«: del alma bella a la belleza del ›pathos‹ (S. 84–127). – 4. «Cartas sobre la educación estética del hombre«: lo bello y lo sublime como propedéutica hacia la virtud (S. 128–188). 166. Fulda, Daniel: Komödiant vs. Kartenspieler? Differenz und Zusammenwirken von ästhetischem und strategischem Spiel bei Schiller. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 19–44. – ISBN 978-3-8353-0789-6. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Strategische Spiele: »Wallenstein« als Beispiel. – 2. Übergänge zwischen ›reinem‹ und interessegeleitetem Spiel. – 3. Spiele des Schönen und Spiele des Erhabenen. – 4. Die Spiele des Hofmanns: Kartenspiel und Komödie. – 5. Frühneuzeitliche Tradition und moderne Ausdifferenzierung des Spielbegriffs. 167. Gaio Guimarães Góes, Géssica: Schiller e o teatro moral. In: Anais do 3°. Seminário Nacional de História da Histografía. Aprender com a história? Sérgio Ricardo da Mata, Helena Miranda Mollo e Flávia Florentino Varella (orgs.). Ouro Preto/Brasil: Edufop, 2009, S. 1–10. – ISBN 978-85-288-0061-6. 168. Gelan, Cristina: J. C. Friedrich von Schiller. Aesthetics and Politics. In: Cultura. International Journal of Philosophy of Culture and Axiology. Bern, Frankfurt/M. 3. Jg., 2006, Heft 1, S. 73–85. – ISSN 1584-1057 / 2065-5002. 169. Gentili, Carlo: Il concetto di barbarie in Schiller e Nietzsche. In: Goethe – Schopenhauer – Nietzsche. Saggi in memoria di Sandro Barbera. A cura di Giuliano Campioni, Leonardo Pica Ciamarra e Marco Segala. Pisa: Edizioni ETS, 2011, S. 335–348. (= Nietzscheana. 15). – ISBN 978-88-467-2937-8. Vgl. auch den früheren Beitrag des Verfassers »Metafisica e finzione« [Marbacher Schiller-Bibliographie 2006, Nr. 177]. 170. Greiner, Bernhard: Idealisierung des Spiels und scheiternder Spieler. Der tragische Horizont der Spielkonzeption Schillers: »Don Karlos«, »Über die ästhetische Erziehung«, »Wallenstein«, »Maria Stuart«. In: Das Spiel in der Literatur. Herausgegeben von Philippe Wellnitz. Berlin: Frank & Timme, 2013, S. 47–68. (= Literaturwissenschaft. 33). – ISBN 978-3-86596-521-9. 171. Greiner, Bernhard: Verschiebung und Spiel. Spielräume Schillers. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 215–229. – ISBN 978-3-8353-0789-6.
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172. Herrmann, Britta: High-risk Lifestyle und poetisches Risikomanagement um 1800. Empfindsamkeit, Goethes »Triumph der Empfindsamkeit« und Schillers idealistische Ästhetik. In: Dies., Literatur als Wagnis. DFG-Symposion 2011. Herausgegeben von Monika Schmitz-Emans in Zusammenarbeit mit Georg Braungart, Achim Geisenhanslüke und Christine Lubkoll. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 99–126. – ISBN 978-3-11-028280-1 / ISBN 978-3-11-028289-4 (e-book). 173. High, Jeffrey L.: »Rede über die Frage: Gehört allzuviel Güte, Leutseeligkeit und grosse Freygebigkeit im engsten Verstande zur Tugend?« Socrates as Secular Jesus in Schiller’s First Karlsschule Speech. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 7–49. – ISSN 2036-4989. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: I. Prelude: Moses Mendelssohn’s »Leben und Charakter des Sokrates« and »Phädon«. – II. Happiness and the Moral-Philosophical Function of Socrates‹ Death in Schiller’s First Virtue Speech. – III. Socrates in Schiller’s Subsequent Works. – IV. A Survey of Schiller’s Contemporaries on the Secularist Function of Socrates. – V. Conclusion: Schiller and the Virtue of Socrates. 174. Hochstetter, Fidelis: Schiller. Die dichterische Ästhetik des Schönen und Erhabenen. In: Ders., Ludwig van Beethovens »Fidelio« vor dem Hintergrund einer Ästhetik des Erhabenen. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 54–72. – ISBN 978-3-8260-5106-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Die »Kallías-Briefe« als Grundlage für Schillers Schönheitsbegriff. – Ästhetischer Humanismus. – »Vom Erhabenen« und »Über das Pathetische«. 175. Hoffmann-Maxis, Angelika: Von der Freiheit zur Beliebigkeit? »Spiel« bei Schiller und in der Postmoderne. In: Spiel. Facetten seiner Ideengeschichte. Herausgegeben von Michel Henri Kowalewicz in Verbindung mit Gunter Scholtz und Karl Acham. Münster: Mentis Verlag, 2013, S. 161–176. (= Vestigia Idearum Historica. 1). – ISBN 978-3-89785-515-1. 176. Illanes, Ana Isabel: Schiller. La sensibilidad y los pasos de la libertad. In: Estudios. Filosofía – Historia – Letras. Publicación trimestral. México (Instituto Tecnológico Autónomo de México), 2010, Heft 94, S. 87–116. – ISSN 0185-6383. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: La reforma del Estado: entre la estética y la ética. – La libertad como juego: entre el impulso sensible y el impulso racional. – Estado e individuo: libertad estética y sensibilidad. – El carácter objetivo de la belleza: la libertad en la apariencia. 177. Immer, Nikolas: Beargwöhnte Bruchstücke. Schillers Profilierung idealistischer Dichtung. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg:
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Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 145–159. – ISBN 978-3-8260-4851-7. – Mit zahlreichen Hinweisen auf Schillers Rezension zu Gottfried August Bürgers Gedichten. 178. Jamme, Christoph: »Entwilderung der Natur«. Zu den Begründungsformen einer Kulturgeschichte der Natur bei Schiller, Hölderlin und Novalis. In: Ders., Mythos als Aufklärung. Dichten und Denken um 1800. München, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 46–64. – ISBN 978-3-7705-5553-6. 179. Janz, Rolf-Peter: Natur und Kunst als Eideshelfer des Vollkommenen. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 135–143. – ISBN 978-3-8260-4851-7. 180. Jauß, Hans Robert: La réplica de la »Querelle des Anciens et des Modernes« en [Friedrich] Schlegel y Schiller. In : Ders., La historia de la literatura como provocación. Prólogo de Domingo Ródenas de Moya. Traducción de Juan Godo Costa y José Luis Gil Aristu. Madrid: Editorial Gredos, 2013, S. 79–114. (= Nueva Biblioteca Románica Hispánica). – ISBN 978-84-249-3666-2. Deutsche Erstveröffentlichung: Schlegels und Schillers Replik auf die »Querelle des Anciens et des Modernes«. In: Ders., Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag, 1970, S. 67–106. (= edition suhrkamp. 418). Polnische Übersetzung: Historia literatury jako prowokacja. Przełożyła Małgorzata Łukasiewicz. Posłowie Kazimierz Bartoszyński. Warszawa: Instytut Badán Literackich Wydawnictwo, 1999, S. 59–92. (= Archiwum humanistyki XX wieku. 2). – ISBN 83-87456-32-2. Italienische Übersetzung: La replica die Schlegel e di Schiller alla »Querelle des anciens et des modernes«. In: Ders., Storia della letteratura como provocazione. A cura di Piero Cresto-Dina. Torino: Bollati Boringhieri Editore, 1999, S. 90–128. (= Saggi: Arte e letteratura). – ISBN 88-339-1176-4. 181. Jeremić-Molnar, Dragana / Molnar, Aleksandar: Rasprava o uzvišenom krajem 18. veka. Berk, Kant i Šiler. In: Filozofija i Društvo. Beograd. 20. Jg., 2009, Heft 1, S. 143–158. – ISSN 0353-5739 / 2334-8577. Mit einem achtzeiligen Abstract: »Debate on Sublime in the End of 18th Century: [Edmund] Burke, Kant, Schiller« (S. 158). 182. Kaminski, Andreas: Drei Varianten des letzten Kapitels der Geschichte. Vollendete Moderne bei Rousseau, Schiller und Husserl. In: Kleists »Über das Marionettentheater«. Welt- und Selbstbezüge. Zur Philosophie der drei Stadien. Herausgegeben von Michael Nerurkar. Bielefeld: Transcript Verlag, 2013, S. 109–134. (= Edition panta rei). – ISBN 978-3- 8376-2229-4. 183. Kapp, Gabriele: Grazie im Spannungsfeld von Anthropologie und Ästhetik: Hogarth, Winckelmann, Mendelssohn, Schiller. – Paradiesmythos und Geschichtsphilosophie: Kant, Schiller, Adam Müller. In: Heinrich von Kleist. Über
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das Marionettentheater. Herausgegeben von Gabriele Kapp. Studienausgabe. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, S. 60–79. (= Reclams Universal-Bibliothek. 19014). – ISBN 978-3-15-019014-2. 184. Kemna, Daniela: Freiheit und Idealismus. Schiller als Existentialist. In: Dies., Die Wege der Freiheit bei Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 17–43. (= Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur. 49). – ISBN 978-363-62754-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 2.1. Schillers Erhabenheitstheorie aus der Perspektive des 20. Jahrhunderts: Erhabenheit und Wille. – Das Erhabene in der Geschichte. – 2.2. Die Aufgabe der Kunst: das »Pathetisch-Erhabene«. 185. Kepling, Michael: Absichten eines Idealisten. Schillers Projekt der Freiheit. München: Grin Verlag, 2012, 19 S., 8°. – ISBN 978-3-656-50897-7. 186. Kerkhoff, Manfred: El momento-milagro de Friedrich Schiller. In: Diálogos. Revista del Departamento de Filosofía (Universidad de Puerto Rico), 41. Jg., 2006, Heft 87, S. 143–156. – ISSN 0012-2122. 187. Kirchmeier, Christian: Ästhetische Hegemonie. Utopische Ästhetik (Schiller). In: Ders., Moral und Literatur. Eine historische Typologie. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 329–348. – ISBN 978-3-7705-5572-7. 188. Knopf, Alexander: Die Befreiung der Freiheit. Zur Entwicklung der Freiheitsidee bei Schiller und Novalis. In: Text & Kontext. Jahrbuch für germanistische Literaturforschung in Skandinavien. Band 35. Herausgegeben von Klaus Bohnen, Birthe Hoffmann und Moritz Schramm. Kopenhagen, München: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 55–75. – ISSN 0105-7065. 189. Koopmann, Helmut: Denken in Bildern. Zu Schillers philosophischem Stil. In: Ders., Nachgefragt. Zur deutschen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M.: Verlag Vittorio Klostermann, 2013, S. 67–103. (= Das Abendland. Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. N. F. 37). – ISBN 978-3-465-03770-5. Erstveröffentlichung in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 30 (1986) [s. Schiller-Bibliographie 1983-1986, Nr. 245]. 190. Koopmann, Helmut: Schiller. Die Dämonie der Natur und die Kehrseite des aufgeklärten Denkens. In: Ders., Nachgefragt. Zur deutschen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M.: Verlag Vittorio Klostermann, 2013, S. 105–120. (= Das Abendland. Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. N. F. 37). – ISBN 978-3-465-03770-5. Erstveröffentlichung in: Schillers Natur. Herausgegeben von Georg Braungart und Bernhard Greiner. Hamburg 2005 [s. Schiller-Bibliographie 2005, Nr. 368].
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191. Kuhnle, Till R.: »... ce silence inhumain« qui s’impose. Réflexions sur les didascalies chez Racine, Schiller, Horváth et Beckett. In: Ne pas dire. Pour une étude du non-dit dans la littérature et la culture européennes. Études réunies par Peter Schnyder et Frédérique Toudoire-Surlapierre. Paris: Classiques Garnier, 2013, S. 431–448. (= Rencontres. 50). – ISBN 978-2-8124-0905-9. 192. Macor, Laura Anna: Il giro fangoso dell’umana destinazione. Friedrich Schiller dall’illuminismo al criticismo. Pisa 2008 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2008, Nr. 190, MSB 2010, Nr. 139 und MSB 2012, Nr. 245]. Rezension von Lucía Bodas Fernández. In: Eidos. Revista de Filosofía de la Universidad del Norte. Barranquilla / Colombia. 15. Jg., 2011, S. 237–242. ISSN 1692-8857 / 2011-7477 (auch in: Historia Philosophica. An International Journal. Pisa, Roma. 10. Jg., 2012, Heft 1, S. 107–110. ISSN 1724-6121 / 1824-095X). 193. Macor, Laura Anna: Der morastige Zirkel menschlicher Bestimmung. Friedrich Schillers Weg von der Aufklärung zu Kant. Würzburg. 2010 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2010, Nr. 138 und MSB 2012, Nr. 244]. Rezensionen von María del Rosario Acosta López. In: Philosophical Readings. A Four-Monthly Online Philosophical Journal. 3. Jg., 2011, No. 3, S. 102–112. – Jennifer Driscoll Colosimo. In: The German Quarterly. 85. Jg., 2012, Heft 2, S. 222–223. – Kevin F. Hilliard. In: Modern Language Review. London. 108. Jg., 2013, Heft 2, S. 663–665. 194. Macor, Laura Anna: Die Bestimmung des Menschen beim jungen Schiller. – Schillers sich wandelndes Verhältnis zur kollektiven Auffassung Kants. In: Dies., Die Bestimmung des Menschen (1748–1800). Eine Begriffsgeschichte. StuttgartBad Cannstatt: Frommann-Holzboog Verlag, 2013, S. 187–199 und S. 267–278. (= Monographien zur Philosophie der deutschen Aufklärung. 25). – ISBN 978-37728-2615-3. 195. Macor, Laura Anna: ›Intendere un autore meglio di quanto egli stesso si sia inteso‹. Schiller interprete dell’etica kantiana. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 185–203. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte : 1. Schiller sostenitore di Kant. – 2. Schiller critico di Kant. – 3. Schiller interprete autentico di Kant. – Conclusione. 196. Macor, Laura Anna: Kant and Schiller on Pure Ethics. Why Philosophers Should Concern Themselves with German Literature (and vice versa). In: Estudos Kantianos. Periódico Electrônico Semestral. Marília. 1. Jg., 2013, Heft 1, S. 125–138. – ISSN 2318-0501. 197. Maharaj, Ayon: Kant’s Legacy in Schillers »Letters«, the »System-Programm«, and beyond. – The Quest for Aesthetic Unity in Schiller and Schelling. In: Ders., The Dialectics of Aesthetic Agency. Revaluating German Aesthetics from Kant to Adorno. London, New York: Bloomsbury, 2013, S. 68–72 und S. 128–132. (= Bloomsbury Studies in Philosophy). – ISBN 978-1-4411-4084-5.
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198. Mihoci, Manuela Teodora: Friedrich Schiller. Ritratto e idea. In: Cultura. International Journal of Philosophy of Culture and Axiology. Bern, Frankfurt/M. 3. Jg., 2006, Heft 1, S. 41–52. – ISSN 1584-1057 / 2065-5002. 199. Murcia Serrano, Immaculada: Sublime belleza. Aportaciones para una síntesis categorial (a partir de la estética de Friedrich Schiller). In: Éndoxa. Series Filosóficas. Madrid (Universidad Nacional de Educación a Distancia: Facultad de Filosofía), 2012, Heft 29, S. 93–112. – ISSN 1133-5351. In diesem Kontext, wenngleich ohne unmittelbaren Bezug zu Schillers Ästhetik, ist ebenfalls der Beitrag von María Elisabeth de los Ríos Uriarte vergleichenswert: Nuevas morfologías de la belleza. De la estética del desarriago a la estética de lo sublime. In: Revista de Filosofía. México (Universidad Iberoamericana), 44. Jg., 2012, Heft 133, S. 191–212. – ISSN 0185-3481. 200. Murcia Serrano, Immaculada: La dimensión estética antropológica del juego en Friedrich Schiller y José Ortega y Gasset. In: Laguna. Revista de Filosofía. Santa Cruz de Tenerife (Universidad de La Laguna), 2013, Heft 32, S. 27–42. – ISSN 1132-8177. 201. Neumann, Siegfried P.: Reflexion auf Schiller. »Wahre Kunst« und »Weltstoff«. In: Ders., La Traviata zur Bewältigung der Zukunft. Frankfurt/M.: R. G. Fischer Verlag, 2013, S. 283–292. – ISBN 978-3-8301-1581-6. 202. Nickl, Peter: Die Renaissance des habitus-Gedankens bei Schiller und Kierkegaard. Habitus als Freiheit: Schillers Kant-Kritik. In: Ders., Die Ordnung der Gefühle. Studien zum Begriff des habitus. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2001, S. 145–177. (= Paradeigmata. 24). – ISBN 3-7873-1587-X. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 1. Φυσις als Freiheit. – 2. Die punktuelle Perspektive der Kantischen Ethik. – 3. Schönheit als Vollendung moralischer Güte: in den »Kallias-Briefen«, in der medizinischen Dissertation (1780) und in »Über Anmut und Würde«. – 4. Schönheit als Weg zur Freiheit: »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. – 5. Zum Begriff der ›schönen Seele‹. – 6. Kantischer Epilog. Weitere Auflagen und Ausgaben: 2. Aufl. 2005. ISBN 3-7873-1767-8. – Online-Publikation: 2013. ISBN 978-3-7873-2512-2. – Die Buchausgabe war in früheren SchillerBibliographien noch nicht verzeichnet. 203. Oellers, Norbert: Schillers Kunstspiele nach dem Studium Kants. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 122–139. – ISBN 978-3-8353-1322-4. Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag, der im November 2009 auf der Marbacher Schiller-Tagung »Schiller, der Spieler« vorgetragen und diskutiert wurde.
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204. Ort, Varun F.: Die ›gegenwärtigen prosaischen Zustände‹. Der Wandel der Arbeitswelt in Ästhetik und Dichtung des Klassizismus. In: Repräsentationen von Arbeit. Transdisziplinäre Analysen und künstlerische Produktion. Herausgegeben von Susanna Brogi, Carolin Freier, Ulf Freier-Otten und Katja Hartosch. Bielefeld: Transcript Verlag, 2013, S. 87–100. (= Gesellschaft der Unterschiede. 11). – ISBN 978-3-8376-2242-3. – Überwiegend zu Schillers ästhetischer Theorie. 205. Oschmann, Dirk: Die Aporien des ›Ganzen‹. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 249–267. – ISBN 978-3-8260-4851-7. 206. Pille, René-Marc: L’estétique selon Schiller. Prolégomènes à l’étude de sa réception. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 273–282. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 207. Pinna, Giovanna: Metamorfosi del sublime. Schiller e Kant. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 167–183. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. 208. Raulet, Gérard: Education esthétique ou anthropologie thérapeutique. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 127–147. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: La dialectique de la civilisation – un problème anthropologique. – Anthropologie et politique. – Philosophia physiologiae. – Le jeu des instincts et l’instinct de jeu. – Esthétique ou anthropologie? 209. Rieger, Lukas: Dialektik und Synthese in Friedrich Schillers anthropologischer Ästhetik. München: Grin Verlag, 2012, 20 S., 8°. – ISBN 978-3-656-31938-2. (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Philosophisches Seminar, Hausarbeit). 210. Robert, Jörg: Vor der Klassik. Die Ästhetik Schillers zwischen Karlsschule und Kant-Rezeption. Berlin, Boston: de Gruyter, 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 224]. Rezensionen von Jennifer Driscoll Colosimo in: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 227–228. ISSN 2036-4989. – Arne Klawitter. In: Neue Beiträge zur Germanistik. Band 12/1. München: Iudicium Verlag, 2013, S. 203–206. ISBN 978-3-86205-318-6. 211. Roberts, David: Aesthetic Education: Schiller. In: Ders., The Total Work of Art in European Modernism. Ithaca, N. Y.: Cornell University Press, 2011, S. 38–44. (= Signale. Modern German Letters, Cultures, and Thought). – ISBN 978-0-80145023-5.
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212. Robertson, Ritchie: Schiller, Kant, Machiavelli and the Ethics of Betrayal. In: Playing False. Representations of Betrayal. Edited by Kristina Mendicino and Betiel Wasihun. Oxford, Bern, Berlin: Verlag Peter Lang, 2013, S. 121–146. (= Cultural History and Literary Imagination. 20). – ISBN 978-3-0343-0867-0. 213. Romano, Bruno: Giudizio giuridico e giudizio estetico. Da Kant verso Schiller. Edizione a cura di Ciro Palumbo. Torino: G. Giappichelli Editore, [2013], 224 S. (= Università degli Studi Sapienza di Roma: Accademia Internazionale di Filosofia del Diritto. 55). – ISBN 978-88-348-7994-8. Inhalt: Prologo (S. 5–13). – 1. Conoscere e creare nello ›jus dicere‹ (S. 15–20). – 2. L’,apriori della comunicabilità universale’, regola de giudizio giuridico e del giudizio estetico (S. 21–27). – 3. Disinteresse e ›sensus communis‹ nel giudizio (S. 29–35). – 4. L’inizio dell’umanità: il bello ed il giusto (S. 37–43). – 5. Il ›sentire‹ ed il ›pensare‹: bellezza e giustizia nel giudizio (S. 45–52). – 6. La ›libertà estetica‹, nella legalità e nella giustizia (S. 53–59). – 7. Regole delle relazioni ludiche e regole delle relazioni giuridiche (S. 61–67). – 8. Bellezza, uguaglianza, giustizia (S. 69–76). – 9. La ›pietra di paragone‹ nell’opera del giudicare (S. 77–84). – 10. Forma e formalismi: il giuridicizzarsi della filosofia. La giuris-dizione è giuris-finzione? (S. 85–90). – 11. Caso e ›sensus communis‹ nel giudizio (S. 91–97). – 12. L’immaginazione, genesi della comparazione delle ipotesi nella formazione del giudizio (S. 99–105). – 13. Educazione estetica, educazione giuridica, addestramento tecnico (S. 107–112). – 14. Immaginazione, riflessione, decisione: il giudizio (S. 113–118). – 15. Giudizi tecnici e giudizi giuridici. Ricettavità nell’estetica del giudizio (S. 119–124). – 16. La Costituzione di Sparta ed Atene: giudizi tecnici, estetici, giuridici (S. 125–130). – 17. ›La legge mite‹ degli eventi del linguaggio e l’ansia di giustizia nella legalità (S. 131–137). – 18. Educazione estetica, regole instituite e giudizi ›sovra le parti‹ (S. 139–142). – 19. Il giudizio è possibile dove chi viene giudicato è sia in grado di giudicare, sia in grado di essere giudicato (S. 143–148). – Appendice. Introduzione di Ciro Palumbo: Il giusto e il bello (in teoria e in pratica) (S. 153–168). – Immanuel Kant: »Sul detto comune: questo può essere giusto in teoria, ma non vale per la prassi« [1793] (S. 169–199). – Friedrich Schiller: »Le legislazioni di Licurgo e Solone« (S. 201–224). 214. Royce, Josiah: Schillers ethische Studien. Übersetzt von Brigitte Schöning. In: Geschichte der Germanistik. Historische Zeitschrift für die Philologien. Herausgegeben von Christoph König und Marcel Lepper. Göttingen. 2013, Heft 43/44, S. 20–35. – ISBN 978-3-8353-1296-8. Siehe hierzu auch den forschungskritischen Kommentar von David E. Wellbery (Kap. 1.2., Nr. 4). – Erstveröffentlichung der historischen Quelle u. d. T.: Schiller’s Ethical Studies. In: Journal of Speculative Philosophy. University Park (Pennsylvania State University Press), 12. Jg., 1878. Heft 4, S. 373–392. 215. Sander, Sarah: Friedrich Schillers Autonomieästhetik. In: Dies., Literarische Selbstbeobachtung. Die politische Kommunikation des Geschichtsdramas im
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18. Jahrhundert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 185–196. (= Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften: Reihe Literaturwissenschaft. 787). – ISBN 978-3-8260-5188-3. 216. Schneider, Sabine: Das sentimentale Spiel mit den Archiven des kulturellen Gedächtnisses. Schillers ludistische Ästhetik als Reflexion auf die Bedingungen künstlerischer Produktivität am Beginn der Moderne. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 242–261. – ISBN 978-3-8353-0789-6. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Spielformen künstlerischer Erinnerung als Selbstbegründung der modernen Kunst. – 2. »Dieß Spiel der alten Zeit«. Schattenspiele antiker Gestalten. 217. Siani, Alberto Leopoldo: Kant, Schiller, Hegel e la parabola dell’estetica. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 147–166. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. 218. Skladny, Helene: Die Entdeckung der Ästhetik als unverzichtbarer Bestandteil von Bildung und Erziehung bei Alexander C. Baumgarten und Friedrich Schiller. In: Dies., Ästhetische Bildung und Erziehung in der Schule. Eine ideengeschichtliche Untersuchung von Pestalozzi bis zur Kunsterzieherbewegung. München: Kopaed Verlag, 2., durchgesehene und ergänzte Aufl. 2012, S. 63–74. (= Kontext Kunstpädagogik. 22). – ISBN 978-3-86736-278-8. Die 1. Aufl. ist 2009 erschienen [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 322]. 219. Stašková, Alice: Der Chiasmus in Schillers ästhetischen Schriften. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 199–214. – ISBN 978-3-8353-0789-6. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Frequenz und Funktion des Chiasmus in Schillers Abhandlungen. – 2. Chiasmus und Subreption. – 3. Chiasmus und Überfluss. 220. Tillich, Paul: Die Philosophie der deutschen Klassik (Sommersemester 1932). 3. Kapitel: Schiller. In: Ders., Frankfurter Vorlesungen (1930–1933). Herausgegeben und mit einer historischen Einleitung versehen von Erdmann Sturm. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter & Evangelisches Verlagswerk, 2013, S. 488–504. (= Paul Tillich: Gesammelte Werke. Ergänzungs- und Nachlassbände. 18). – ISBN 978-3-11-030119-9. 221. Tomasi, Gabriele: Schiller, Kant e l’oggetività della bellezza. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 67–89. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Ambiguità del progetto schilleriano. – 2. Schiller sul bello secondo Kant. – 3. Intermezzo ›oggettivo‹ e ›soggettivo‹. – 4. La ›via stretta‹ di Kant. – 5. La particolarità del bello. – 6. L’estetico e il pratico. –
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7. Oggettività e ›Darstellung‹. – 8. Il mondo dei fenomeni estetici. – 9. Osservazioni conclusive. 222. Trentani, Federica: Per difendere Kant. ›Sympathia moralis‹ e ›humanitas practica‹ nella »Dottrina della virtù«. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 205–216. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Le critiche di Schiller al presunto ›rigorismo kantiano‹ in »Grazia e dignità«. – 2. Le ›tonalità affetive‹ dell’esperienza morale nella ›Tugendlehre‹ di Kant. 223. Uhlig, Ingo: Produktive Anaisthesis im Roman und Drama der Genieepoche. In: Gefühllose Aufklärung. Anaisthesis oder die Unempfindlichkeit im Zeitalter der Aufklärung. Herausgegeben von Katja Battenfeld, Cornelia Bogen, Ingo Uhlig und Patrick Wulfleff. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2012, S. 197–222. – ISBN 978-3-89528-854-8. – Der Beitrag enthält mehrere Exkurse zu Schillers Werken und Schriften. 224. Utz, Peter: ›Alles‹ oder ›nichts‹. Schillers dramatisches Spiel um den höchsten Einsatz. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 89–104. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 225. Waibel, Violetta L.: Il libero gioco di immaginazione e intelletto di Kant e l’impulso al gioco di Schiller. Traduzione di Barbara Santini. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 31–50. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Kant: Il libro gioco di immaginazione e intelletto. – 2. L’impulso al gioco como stato estetico nell’«Educazione estetica dell’uomo« di Friedrich Schiller. – 3. L’impulso al gioco como termine medio dell’impulso materiale e dell’impulso formale. – 4. L’impulso al gioco como stato estetico che è attiva determinabilità. 226. Wege, Sophia: Vorschlag zu einer kognitiven Lesart der ästhetischen Schriften Schillers an ausgewählten Begriffen. In: Dies., Wahrnehmung – Wiederholung – Vertikalität. Zur Theorie und Praxis der Kognitiven Literaturwissenschaft. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2013, S. 200–250. – ISBN 978-3-89528-953-8. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 7.1. Das Problem des Kommerziums von Leib und Seele. Die Materialität mentaler Phänomene in der medizinischen Anthropologie, im französischen Materialismus, bei Kant und bei Schiller. – 7.2. Schiller und der Materialismus. – 7.3. Vorstellung – mentale Repräsentation. – 7.4. Begriff der ›Einbildungskraft‹. Kapazität zur Konstruktion mentaler Modelle. – 7.5. Die Begriffe in Schillers Schriften zur Ästhetik. – 7.6. Verhältnis ›Text/Darstellung‹ – Leserkognition (Vorstellung, Einbildungskraft).
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227. Wicks, Robert L.: The Beauty of Moral Cultivation. Friedrich Schiller. In: Ders., European Aesthetics. A Critical Introduction from Kant to Derrida. London: Oneworld Publications, 2013, S. 38–54. (= A Oneworld Book). – ISBN 978-1-85168818-0 / 978-1-85168-819-7. 228. Wilm, Marie-Christin: »Vestigia terrent«. Schillers Apologie einer fragmentarischen Ästhetik. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 217–248. – ISBN 978-3-8260-4851-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Die naseweise Manier der Schlegelschen Fragmente und die fehlende Brücke zwischen Philosophie und Kunst. – 2. Von der Deduktion des Schönen, ästhetischen Systemen und der nicht auszuschließenden Wirkung einer eselhaften Kritik. – 3. Über mögliche Vorzüge der Induktion und die Frage, ob sich die Aristotelischen Muster dem Zufall oder einer glücklichen Wahl verdanken. – 4. »Vestigia terrent« oder warum die Spuren in die Höhle des Löwen führen, nicht aber wieder hinaus. 229. Winegar, Reed: An Unfamiliar and Positive Law: On Kant and Schiller. In: Archiv für Geschichte der Philosophie. Berlin, Boston. 95. Jg., 2013, Heft 3, S. 275–297. – ISSN 0003-9101 (Print) / ISSN 1613-0650 (Online). Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Introduction. – 2. Grace and Dignity. – 3. The Tyrannous Yoke of the Moral Law. – 4. An Inclination for Duty. – 5. Conclusion. 230. Wokalek, Marie: Die schöne Seele als Denkfigur. Zur Semantik von Gewissen und Geschmack bei Rousseau, Wieland, Schiller und Goethe. Göttingen 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 245]. Rezension von Franz Fromholzer. In: Goethe-Jahrbuch. Band 129 (2012). Herausgegeben von Jochen Golz, Albert Meier und Edith Zehm. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 232–235. – ISBN 978-3-8353-1312-5. 231. Zander, Folko: »Freies Spiel« und »Spieltrieb«. Ästhetische Bildung bei Kant und Schiller. In: Die Bildung der Moderne. Herausgegeben von Michael Dreyer, Michael Forster, Kai-Uwe Hoffmann und Klaus Vieweg. Tübingen: Francke Verlag, 2013, S. 69–82. – ISBN 978-3-7720-8469-0. 232. Zelle, Carsten: »Der Geschmack im Vortrag der Wahrheit«. Zu den Gefahren ästhetischer Erziehung und philosophischer Schreibweise im Anschluss an den Augustenburger-Brief vom 21. November 1793. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 45–66. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Augustenburger-Brief vom 21. November 1793. – 2. Fichte-Schiller-Kontroverse, Juli/August 1795. – 3. »Von den notwendigen Grenzen des Schönen besonders im Vortrag philosophischer Wahrheiten«, September 1795. – Schluss: »Schule der Widerwärtigkeit« – die negative Darstellung des Erhabenen.
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233. Zöller, Günter: ›Potere musicale‹. Filosofia della musica come filosofia politica. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 131–146. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Schillers Schriften werden erst in den letzten Passagen des Beitrags behandelt. 234. Zons, Raimar: Doomsday. Kultur, Geist, Freiheit nach Schiller. In: Mythos – Geist – Kultur. Festschrift zum 60. Geburtstag von Christoph Jamme. Herausgegeben von Kerstin Andermann und Andreas Jürgens. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 315–330. – ISBN 978-3-7705-5656-4.
6.3 Literatur, Sprache, Kunst und Theater 235. Cadete, Teresa R.: Am Rande des Weltspiels. Der skeptische Blick des Regisseurs Schiller. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 188–195. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 236. Godel, Rainer: Vom Zwang des besseren Arguments. Friedrich Schiller und die dramaturgischen Preisfragen des Mannheimer Nationaltheaterausschusses (1782–1784). In: Die Wittelsbacher und die Kurpfalz in der Neuzeit. Zwischen Reformation und Revolution. Herausgegeben von Wilhelm Kreutz, Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. Regensburg: Verlag Schnell & Steiner, 2013, S. 617–638. – ISBN 978-3-7954-2662-0. 237. Groß, Stefan: Die Stellung der Gartenkunst innerhalb der Hierarchie der Künste im Werk Goethes und Schillers. In: RheinMainRomantik. Gartenkunst. Interdiszplinäre Fachtagung, 19. bis 22. September 2012 in Hanau-Wilhelmsbad, Bad Homburg vor der Höhe und Rüdesheim am Rhein. Herausgegeben von Inken Formann. Regensburg: Verlag Schnell & Steiner, 2013, S. 129–134. – ISBN 978-3-7954-2711-5. 238. Hildner, David J.: El impulso lúdico schilleriano y el teatro calderoniano de enredo. In: Bulletin of the Comediantes. Riverside, California. 55. Jg., 2003, Heft 2, S. 151–162. – ISSN 0007-5108. 239. Marton, Peter: Über Wahrheit und Schönheit der Darstellung. Friedrich Schiller und das (Selbst-)Verständnis des Schauspielers als Künstler. Saarbrücken: Akademikerverlag, 2013, 55 S. (= Reihe Geisteswissenschaften). – ISBN 978-3-63947319-3. Inhalt (Auszug): 1. Einleitung (S. 3–7). – 2. Das deutschsprachige Theater im Wandel des 18. Jahrhunderts: Theater als Wandergewerbe. – Reform des Theaters: Das Nationaltheater (Neuberin, Gottsched). – Ansätze zur Formulierung einer Schauspielkunst (S. 8–25). – 3. Schiller über den Schauspieler als Künstler: Wahrheit der Darstellung. – Schönheit der Darstellung (S. 26–46). – 4. Schluss: Wirkung der Darstellung. – Fazit (S. 47–52). – Literatur und verwendete Quellen (S. 53–55).
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240. Vollhardt, Friedrich: Anton von Klein, Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Schiller. Hoftheater und Drama am Ende des 18. Jahrhunderts. In: Die Wittelsbacher und die Kurpfalz in der Neuzeit. Zwischen Reformation und Revolution. Herausgegeben von Wilhelm Kreutz, Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. Regensburg: Verlag Schnell & Steiner, 2013, S. 669–682. – ISBN 978-3-7954-2662-0.
6.4 Musik und Tanz (Keine Beiträge im laufenden Berichtsjahr)
6.5 Religion(en) 241. Fiala-Fürst, Ingeborg: Gegen den Strich lesen. Moses bei Schiller, Goethe und [Hermann] Reckendorf. In: Germanoslavica. Zeitschrift für germano-slawische Studien. Praha. 24. Jg., 2013, Heft 2, S. 3–17. – ISSN 1210-9029. 242. High, Jeffrey L.: Clever Priests and the Missions of Moses and Schiller. From Monotheism to the Aesthetic Civilization of the Individual. In: Religion, Reason, and Culture in the Age of Goethe. Edited by Elisabeth Krimmer and Patricia Anne Simpson. Rochester, NY: Camden House, 2013, S. 79–98. (= Studies in German Literature, Linguistics, and Culture). – ISBN 978-1-57113-561-8. 243. Rohls, Jan: Schiller, Beethoven und die Humanitätsreligion. In: Geist und Buchstabe. Interpretations- und Transformationsprozesse innerhalb des Christentums. Festschrift für Günter Meckenstock zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Michael Pietsch und Dirk Schmid. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 275–310. (= Theologische Bibliothek Töpelmann. 164). – ISBN 978-3-11031116-7.
6.6 Naturwissenschaften, Medizin, Recht(sgeschichte) und Kriminologie 244. Hirt, Beate: Die medizinische Fakultät der Hohen Karlsschule und Schillers dort verfasste medizinische Schriften. In: Ludwigsburger Geschichtsblätter. Band 67. Ludwigsburg: Aigner, 2013, S. 53–65. 245. Hofmann, Hasso: Schiller und der Rechtsstaat. Bemerkungen zu Matthias Tresselts »Friedrich Schiller und die Demokratie«, zu Yvonne Nilges »Schiller und das Recht«, über einige Klischees und zu den Schwierigkeiten transdisziplinärer wissenschaftlicher Arbeit. In: Politisches Denken. Jahrbuch 2013. Herausgege-
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ben von Volker Gerhardt, Clemens Kauffmann, Hans-Christof Kraus u. a. Berlin: Duncker & Humblot, 2013, S. 147–162. – ISBN 978-3-428-14210-1. 246. Köhnen, Ralph: Der ganze Mensch. Friedrich Schillers medizinische Konzepte im Horizont der zeitgenössischen Anthropologie. In: Gesundheit im Spiegel der Disziplinen, Epochen, Kulturen. Herausgegeben von Dietrich H. Grönemeyer, Theo Kobusch und Heinz Schott. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2008, S. 205–320. (= Ars medicinae: Die Wissenschaft der Medizin und das Heil der Menschen. 1). – ISBN 978-3-484-85001-9. 247. Nilges, Yvonne: Schiller und das Recht. Göttingen: Wallstein Verlag, 2012 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 380 und Nr. 497]. Rezensionen von Michael Stolleis: Denn das Auge des Gesetzes wacht. Yvonne Nilges will in Friedrich Schiller einen Vordenker unseres Rechtsstaates entdecken. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 221 vom 24. 09. 2012, S. 14. – Kai Köhler: Schiller als Gestalter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Yvonne Nilges liest die Rechtsthematik bei Friedrich Schiller in aktualisierender Sicht. In: Literaturkritik.de. Rezensionsforum für Literatur und Kulturwissenschaften. Marburg. 15. Jg., 2013, Heft 2, S. 255–258. – Laura Anna Macor. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 228–231. ISSN 2036-4989. – Klaus Lüderssen. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft. Berlin, Boston. 31. Jg., 2013, Heft 3, S. 345–348. – Holger Pils und Uwe H. Schneider. In: JuristenZeitung. Tübingen. 68. Jg., 2013, Heft 8, S. 410–411.
6.7 Griechische und römische Antike (Mythologie) (Keine Beiträge im laufenden Berichtsjahr)
7 Schillers literarische Werke und theoretische Schriften 7.1 Allgemeine gattungsübergreifende Darstellungen (Keine Beiträge im laufenden Berichtsjahr)
7.2 Lyrik: Gedichte und Balladen 7.2.1 Allgemeine Betrachtungen 248. Boock, Barbara: Schiller und Steinitz. Zur politischen Dimension von Soldatenliedern. In: Die Entdeckung des sozialkritischen Liedes. Zum 100. Geburtstag von
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Wolfgang Steinitz (Symposium vom 1. bis 3. Juli 2005 in Rudolstadt). Herausgegeben von Eckhard John. Münster, New York: Waxmann Verlag, 2006, S. 81–96. (= Volksliedstudien. 7). – ISBN 3-8309-1655-8. 249. Krummacher, Hans-Henrik: »Sterben ist der langen Narrheit Ende«. Die Trauergedichte des jungen Schiller. In: Ders., Lyra. Studien zur Theorie und Geschichte der Lyrik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 331–359. – ISBN 978-3-11-031835-7 / ISBN 978-3-11-031840-1 (e-book).
7.2.2 Einzelne Gedichte: Analysen, Interpretationen, Kommentare und Vergleiche 250. Bachmann, Vera: Tauchen. Schillers Ballade »Der Taucher«. In: Dies., Stille Wasser – tiefe Texte? Zur Ästhetik der Oberfläche in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Bielefeld: Transcript Verlag, 2013, S. 91–123. – ISBN 978-3-8376-1929-4. 251. Bandseladse, Beka: Beethovens 9. Sinfonie und Schillers Ode »An die Freude«. In: Goethe-Tage 2012. Ortsvereinigung Kutaissi der Internationalen GoetheGesellschaft in Weimar. Herausgegeben von Nanuli Kakauridse und Rolf Zeiller. Kutaissi: Verlag der Staatlichen Zereteli-Universität, 2012, S. 223–228. – ISBN 9789941-432-98-9. 252. Barfknecht, Imke: Friedrich Schiller, »Der Spaziergang«. Gedichtsinterpretation. München: Grin Verlag, © 2001 [2012], 13 S., 8°. – ISBN 978-3-656-13264-6. 253. Bastug, Nermin: Analyse und Interpretation von Friedrich Schillers »Der Handschuh«. München: Grin Verlag, 2009, 15 S., 8°. – ISBN 978-3-656-21342-0. 254. Burtscher Cordula: Schiller, Hume und die Religionspsychologie. Zu dem Gedicht »Resignation« und dem Bücherbestand der Karlsschule zu Schillers Schulzeit. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 50–62. – ISSN 2036-4989. 255. Calhoon, Kenneth Scott: Sovereign Innocence. Schillers »Walk« and the Naive Spectator. In: Ders., Affecting Grace. Theatre, Subject, and the Shakespearean Paradox in German Literature from Lessing to Kleist. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press, 2013, S. 146–177. (= German and European Studies. 15). – ISBN 978-1-442-64599-8. Siehe auch den früheren Beitrag des Verfassers in deutscher Sprache: Der virtuelle Bogen. Abgrund und Brücke in Friedrich Schillers »Der Spaziergang«. Köln, Weimar, Wien 2007 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2007, Nr. 273]. 256. Czapla, Ralf Georg: Peter Laurembergs »Acerra Philologica« – eine Quelle für Schillers Ballade »Die Kraniche des Ibycus«? In: Die Acerra Philologica. Ein
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frühneuzeitliches Nachschlagewerk zur Antike. Herausgegeben von Veit Rosenberger. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 115–135. (= Friedenstein Forschungen: Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt. 6). – ISBN 978-3-515-09326-2. 257. High, Jeffrey L.: Friedrich Schiller, Secular Virtue, and the »The Gods of Ancient Greece«. In: Enlightenment and Secularism. Essays on the Mobilization of Reason. Edited by Christopher Nadon. Lanham, New York, Toronto: Lexington Books, 2013, S. 315–324. – ISBN 978-0-7391-7747-1. 258. Höyng, Peter: »The Gospel of World Harmony« or, Beethoven’s Transformation of Schiller’s »An die Freude« into World Music Literature. In: Modern Language Quarterly. A Journal of Literary History. Durham, NC. 74. Jg., 2013, Heft 2, S. 261–276. – ISSN 0026-7929 / 1527-1943. 259. Mertens, Marina: ›Baden gehen‹. Anthropoetik in Schillers »Anthologie«-Gedicht »An einen Moralisten. Fragment«. In: Zeitschrift für Germanistik. Bern, Frankfurt/M. 23. Jg., 2013, Heft 1, S. 98–111. 260. Müller-Nielaba, Daniel: Verzeihen, verschoben: »Die Bürgschaft«. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 230–241. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 261. Romahn, Roxana: Die Motivik des Löwen in Friedrich Schillers »Der Handschuh«. München: Grin Verlag, 2009, 8 S., 8°. – ISBN 978-3-656-34233-5. (Universität Mannheim, Seminar für Deutsche Philologie, Hausarbeit). 262. Schmidt, Claudia: Die »Xenien« Goethes und Schillers. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 237–268. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung (Seminararbeit, Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg) im Grin Verlag, München 2011, 27 S. – ISBN 978-3-640-87202-2.
7.3 Dramatische Werke 7.3.1 Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche 263. Aguirre Martínez, Guillermo: La naturaleza heroica en la obra de Friedrich Schiller. In: Eikasia. Revista de filosofía. Oviedo. 2012, Heft 44, S. 177–213. – ISSN 18855679. Der Beitrag gliedert sich in Abschnitte : 1. Introducción. – 2. «Los bandidos«. – 3. «Don Carlos«. – 4. «Maria Estuardo«. – 5. »La Doncella de Orleans«. – 6. El Alma Bella.
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264. Alt, Peter-André: Der Zeremonienmeister. Schillers politisches Theater und die Kontrafakturen des höfischen Rituals. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 161–187. – ISBN 978-3-8353-0789-6. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Einleitung. – 2. »Don Karlos« und die Auflösung der Zeremonie. – 3. »Maria Stuart« und die Verkehrung der Zeremonie. – 4. »Die Jungfrau von Orleans« und die Verbergung der Zeremonie. – 5. Resümee. 265. Crimmann, Ralph P.: Schiller. Karlsschule oder die Theologie. »Die Räuber« – »Fiesco« – »Kabale und Liebe«. In: Ders., Urszenen der deutschen Literatur: Goethe – Schiller – Hoffmann – Büchner – Fontane – Kafka. Hamburg: Verlag Kovač, 2013, S. 39–58. (= Schriften zur Literaturgeschichte. 20). – ISBN 978-38300-7070-2. 266. Foi, Maria Carolina: La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, 229 S. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462-554-3. Inhalt: Metodo. Un frammento di Schiller sul diritto naturale (S. 11–34). – Der Band enthält Beiträge zum Thema »Schiller und Erhard« (Kap. 5.2., Nr. 108), zu den Dramen »Don Carlos« (Kap. 7.3.3., Nr. 277), »Maria Stuart« (Kap. 7.3.6., Nr. 303) und »Wilhelm Tell« (Kap. 7.3.8., Nr. 322), die zuvor an anderer Stelle und in anderen Fassungen veröffentlicht worden sind, sowie einen Aufsatz zum »Demetrius«Fragment (Kap. 7.3.11., Nr. 349), der hier als Erstdruck erscheint. 267. Genton, François: Tradition, Charisma und Legalität in Schillers späten Dramen oder: Schreiben nach 1789. In: Patriotismus – Kosmopolitismus – Nationalismus. Entstehung und Entwicklung einer deutschen Gemengelage (1756–1815). Vierzehn Studien zu Ehren von Françoise Knopper. Herausgeben von Thomas Bremer, Wolfgang Fink und Thomas Nicklas. Halle (Saale): Universitäts-Verlag Halle-Wittenberg, 2013, S. 233–246. (= Wissensdiskurse im 17. und 18. Jahrhundert. 3). – ISBN 978-3-86977-084-0. 268. Lehmann, Hans-Thies: Krisen der dramatischen Tragödie. Schiller, Hölderlin, Kleist. In: Ders., Tragödie und dramatisches Theater. Berlin: Alexander Verlag, 2013, S. 421–458. – ISBN 978-3-89581-308-5. Das Schiller-Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Wirkung der Tragödie. – Politikdarstellung. – Problem des historischen Dramas. – Enthusiasmus. – »Aus meinen Augen, du mit dem Menschengesicht!« – Tier-Werden. – Enthusiasmus und Politik. – Enthusiasmus und Dramaturgie der Plötzlichkeit. – Drama des Idealismus. – Der leere »Transport«. – Ethusiasmus und Spiel. – Meta-Affekt und politische Ambiguität. – Theater und »Geschichtszeichen«. – Schiller heute. – Brecht und Schiller.
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269. Oellers, Norbert: Poesie als Spiel. Der Klassiker Schiller (»Wallenstein« und »Die Braut von Messina«). In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 213–222. – ISSN 2036-4989. 270. Pleschka, Alexander: Theatralität und Öffentlichkeit. Schillers Spätdramatik und die Tragödie der französischen Klassik. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, 255 S. (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. 75). – ISBN 978-3-11-027207-9. Für die Schiller-Forschung von besonderem Interesse die Teile II und III; die Einzeluntersuchungen im Abschnitt »Schillers Spätdramatik« werden an den entsprechenden Systemstellen der Bibliographie verzeichnet (Kap. 7.3.6., Nr. 308; Kap. 7.3.10., Nr. 342; Kap. 7.3.11., Nr. 352). – Teil II, Kap. 2. Schillers frühe Dramatik. Politik und Publikum (S. 81–86). – Teil III: Friedrich Schiller. 1. Theatraliät und Ästhetik: 1.1. Theatralität und Autonomie. Ausgewählte Theorien (S. 87–97). – 1.2. Schillers Kantrezeption in den »Kalliasbriefen« (S. 97–125). – 1.3. Theatralität und Dramaturgie. Die Weimarer Bühnenreform: Schiller – Theater der Autonomie: »Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie« (I). – Goethe – Tableau und Publikum: »Regeln für Schauspieler«. – Humboldt – Tableau und Sinnlichkeit: »Über die gegenwärtige französische tragische Bühne« (S. 125–146). – 2. Theatralität und Öffenlichkeit: 2.1. Performative Öffentlichkeit. Schiller und Rousseau (S. 147–153). – 2.2. Ästhetische Öffentlichkeit. Schiller und Kant (S. 154–161). – 2.3. Theatrale Öffentlichkeit: »Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie« (II) (S. 161–168). 271. Staël-Holstein, Anne Germaine de: [17.] Schillers »Räuber« und »Don Carlos«. – [18.] »Wallenstein« und »Maria Stuart«. – [19.] »Die Jungfrau von Orleans« und »Die Braut von Messina«. – [20.] »Wilhelm Tell«. In: Dies., Über Deutschland. Nach der Übersetzung von Robert Habs. Herausgegeben und eingeleitet von Sigrid Metken. Stuttgart: Verlag Philipp Reclam jun., 2013, S. 211–242. (= Reclams Universal-Bibliothek. 19092). – ISBN 978-3-15-019092-0. Frühere seitenidentische Ausgabe: Stuttgart 1977. (= Reclams Universal-Bibliothek. 1751). – ISBN 3-15-001751-3. – Andere deutschsprachige Ausgaben: Über Deutschland. Vollständige und neu durchgesehene Fassung der deutschen Erstausgabe von 1814 in der Gemeinschaftsübersetzung von Friedrich Buchholz, Samuel Heinrich Catel und Julius Eduard Hitzig. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Monika Bosse. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 1985, S. 250–323. (= InselBibliothek). – Über Deutschland. Herausgegeben und eingeleitet von Anna Mudry. Berlin: Union Verlag, 1989, S. 218–245. – ISBN 3-372-00195-8. Neuere französische Taschenbuchausgabe: De l’Allemagne I. Chronologie, introduction et préface par Simone Balayé. Paris: Garnier-Flammarion, 1998, 382 S. (= GF: Texte intégral. 166). – ISBN 2-08-070166-5. Darin die Kapitel: »Les Brigands« et »Don Carlos« de Schiller (S. 267–275). – »Walstein« et »Marie Stuart« (S. 277–299). – »Jeanne d’Arc« et »La Fiancée de Messine« (S. 301–313). – »Guillaume Tell« (S. 315–320).
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7.3.2 »Die Braut von Messina« 272. Lee, Jae-Min: Chor-Experiment von Schiller: »Die Braut von Messina«. In: Ders., Theorie und Praxis des Chors in der Moderne. Frankfurt/M., Berlin, Bern: Peter Lang Verlag, 2013, S. 133–168. (= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur. 74). – ISBN 978-3-631-61850-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Antike vs Moderne. – Wettstreit mit den Neueren. – Chor als Kunstorgan. – Chor und Wiederherstellung der tragischen Öffentlichkeit. – Fazit. 273. Zimmermann, Bernhard: Tragische Experimente. Zu Friedrich Schillers »Braut von Messina«. In: Epos, Lyrik, Drama. Genese und Ausformung der literarischen Gattungen. Festschrift für Ernst-Richard Schwinge. Herausgegeben von Baros Dunsch, Arbogast Schmitt und Thomas A. Schmitz. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 377–388. (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. Reihe 2. N. F. 139). – ISBN 978-3-8253-6166-2.
7.3.3 »Don Karlos« 274. Boyken, Thomas: Der Bericht über ›die schwärmerische That‹. Zur Funktion der Erzählungen in Schillers »Don Karlos«. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 105–121. – ISBN 978-3-8353-1322-4. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Narrative Muster. Über Belagerungen, Verschwörungen, Abenteuer und Selbstopfer. – Literarische Vorbilder: Über Schwärmerei. – Funktionspotentiale des Erzählens in »Don Karlos«. 275. Diallo, M. Mouhamadou: Literatur als Medium kultureller Vermittlung. Modell einer literaturgeschichtlichen Werkreihe für das senegalesische Germanistikstudium. – ›Traumbild eines neuen Staates‹: Schillers »Don Karlos« im Kontext der Diskussion über eine ›Afrikanische Renaissance‹. In: Ders., Interkulturalität in einer Nord-Süd-Konstellation. Grundlagen und Perspektiven des Deutschunterrichts und Germanistikstudiums in Senegal. Hamburg: Verlag Kovač, 2013, S. 141–160. (= Studien zur Germanistik. 49). – ISBN 978-3-8300-7342-0. 276. Foi, Maria Carolina: Spiel des Weiblichen. Bemerkungen zu »Don Carlos«. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 45–65. – ISBN 978-3-83530789-6. 277. Foi, Maria Carolina: I diritti delle donne e la filosofia dell’amore: »Don Carlos«. In: Dies., La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, S. 75–107. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462554-3.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Giochi di genere. – 2. La tragedia rimossa della principessa Eboli. – 3. La ambiguità della fratellanza universale. – 4. Falsa grazia e vera grazia. Erstveröffentlichung einer ähnlichen Fassung u. d. T. »La tragedia mancata della Principessa Eboli«. In: Auguri Schiller! Perugia 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 313]. 278. Nobach, Marius: Freundschaft in Friedrich Schillers »Don Carlos«. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 79–118. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung (Seminararbeit, Universität zu Köln) im Grin Verlag, München 2012, 32 S. – ISBN 978-3-656-20614-9. 279. Pilipowicz, Andrzej: Allusion statt Illusion. Die Konzeption des Kaiser-KarlV.-Geistes im Drama »Don Karlos« von Friedrich Schiller und im Libretto von Josèphe Méry und Camille du Locle zur Oper »Don Carlos« von Giuseppe Verdi. In: Auswertung und Neubewertung. Herausgegeben von Iwona Bartozewicz, Marek Hałub und Tomasz Małyszek. Wrocław: Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego, 2013, S. 27–40. (= Acta Universitatis Wratislaviensis. 3498; Germanica Wratislaviensia. 138). – ISBN 978-83-229-3384-8. 280. Sander, Sarah: Die theatrale Selbstbeobachtung des Geschichtsdramas. Spiel und Freiheit in »Don Karlos«. In: Dies., Literarische Selbstbeobachtung. Die politische Kommunikation des Geschichtsdramas im 18. Jahrhundert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 196–226. (= Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften: Reihe Literaturwissenschaft. 787). – ISBN 978-38260-5188-3. 281. Simonis, Annette: »Quel langage nouveau!« Zur Figur des Marquis Posa bei Friedrich Schiller und Giuseppe Verdi. In: »… die nach Gerechtigkeit dürsten«. Menschenrechtsappelle in den Musikdramen von Verdi, Wagner und Britten. Herausgegeben von Ute Jung-Kaiser und Matthias Kruse. Hildesheim, Zürich, New York: Olms Verlag 2013, S. 25–46. (= Wegzeichen Musik. 8). – ISBN 978-3487-15019-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Schillers »kühnstes Ideal einer Menschenrepublik«. – 2. La ›liberté de penser‹. – Verdis Adaption des Schillerschen Dramas als ›Grand opéra‹. 282. Tubeuf, André: Einsamkeit und Sangbarkeit der Seele. Funktion des Monologs bei Verdis (und Schillers) »Don Carlos«. In: Kunst als Marke europäischer Identität. Herausgegeben von Michael Fischer. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 185–192. (= Subjekt und Kulturalität. 3). – ISBN 978-3-631-62948-2.
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283. Vogel, Juliane: Aus dem Takt. Auftrittsstrukturen in Schillers »Don Carlos«. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 145–160. – ISBN 978-3-83530789-6. Erstveröffentlichung in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 2012 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 382].
7.3.4 »Die Jungfrau von Orleans« 284. Bergmann, Andy: Politische Implikationen in Friedrich Schillers Tragödie »Die Jungfrau von Orleans«. München: Grin Verlag, 2012, 18 S., 8°. – ISBN 978-3-65639234-7. (Universität Osnabrück, Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften, Institut für Germanistik, Seminararbeit). 285. Heins, Corinna: Zur Gewaltproblematik in Schillers »Jungfrau von Orleans«. – »Und nimmer irrend in der zitternden Hand regiert / das Schwert sich selbst, als wär’ es ein lebend’ger Geist«. München: Grin Verlag, [2013], 23 S., 8°. – ISBN 978-3-656-31170-6. 286. Jäger, Bernd: Paradox Reinheit. Reinheitsdiskurse in Goethes »Iphigenie auf Tauris«, Schillers »Die Jungfrau von Orleans« und Grillparzers »Das goldene Vließ«. Hamburg: Diplomatica Verlag, 2013, 101 S. – ISBN 978-3-8428-8725-1. Das Schiller-Kapitel (S. 35–64) gliedert sich in die Abschnitte: Säuberung und Versöhnung. – Johannas Reinheit. Johanna d’Arc: Anthropologische Reinheit / Die heilige Jungfrau: Metaphysische Reinheit. – Demaskierung. – Figurierte Theorie. 287. Kemna, Daniela: Erhabenheit und Freiheit in ihrer dramatischen Umsetzung: »Die Jungfrau von Orleans«. In: Dies., Die Wege der Freiheit bei Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 142–162. (= Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur. 49). – ISBN 978-363-62754-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Die Bedeutung des Naturerhabenen. – Johanna von Orléans: religiöser Heroismus und Freiheit. Siehe auch Kap 5.2 der vergleichenden Untersuchung: Die Geschichte im Drama Schillers: »Die Jungfrau von Orleans«. – Geschichte und (Un-)Menschlichkeit (S. 277–281). 288. Schmitt, Christina: Friedrich Schillers »Jungfrau von Orleans« im Vergleich zur historischen Johanna d’Arc und ihrer Geschichte. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 161–179. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2008 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 397].
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289. Udelhoven, Anne: Weiblichkeit und Heldentum in Schillers »Jungfrau von Orleans«. München: Grin Verlag, 2012, 6 S., 8°. – ISBN 978-3-656-55409-7. (Referat). 290. Wege, Sophia: Aufstieg und Fall der »Jungfrau von Orleans«. In: Dies., Wahrnehmung – Wiederholung – Vertikalität. Zur Theorie und Praxis der Kognitiven Literaturwissenschaft. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2013, S. 251–347. – ISBN 978-389528-953-8. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 8.1. Probleme der Forschung und Positionierung. – 8.2. Sehen und Hören. – 8.3. Textanalyse. – 8.4. I. Akt: Die Macht der Einbildungskraft. Projektionen. – 8.5. II. Akt: Phantom und Verblendung. – 8.6. III. Akt: ›Menschlich sein ist Sehen, menschlich sein ist Fallen‹. – 8.7. IV. Akt: Die Fahne. ›Wahrheit erkennen ist Sehen‹. – 8.8. V. Akt: Befreiung aus dem Turm. ›Moralische Freiheit ist Bewegungsfreiheit‹. – 8.9. Exkurs: Hochmut/Narzissmus. – 8.10. Aspekte der Rezeption. 291. Wendt, Madleen: Schillers »Die Jungfrau von Orleans« im Vergleich zu Anouilhs »Jeanne und die Lerche«. München: Grin Verlag, 2011, 41 S. – ISBN 978-3-65640093-6. (Hausarbeit). 292. Woesler, Winfried: Erste französisch-deutsche Reaktionen auf Schillers »Jungfrau von Orleans«. Carl Friedrich Cramers Brief vom 8. 6. 1802 an Louis Sébastien Mercier. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 11–22. – ISBN 978-3-8353-1322-4. 293. Woesler, Winfried: Schillers Bühnenfassungen der »Jungfrau von Orleans« im Vergleich zur Buchfassung. In: Medienwandel / Medienwechsel in der Editionswissenschaft. Herausgegeben von Anne Bohnenkamp. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 73–80. (= Beihefte zu Editio. 35). – ISBN 978-3-11-030026-0.
7.3.5 »Kabale und Liebe« 294. Aki, Kader: Schillers »Kabale und Liebe« als bürgerliches Trauerspiel. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 57–77. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung (Seminararbeit, Universität zu Köln) im Grin Verlag, München 2007, 17 S. – ISBN 978-3-638-87081-8. 295. Benkert, Nina: Tochter-Vater-Sozialisationen in der Goethezeit. Das bürgerliche Trauerspiel um Tugend und Autonomie. Friedrich Schiller: »Kabale und Liebe« – oder das paternale Vierte. In: Dies., Paternalisierung – Depaternalisierung. Töchter als literarische Seismografen. Würzburg: Ergon Verlag, 2012, S. 78–86. (= Literatur – Kultur – Theorie. 11). – ISBN 978-3-89913-926-6. Lehmann, Katja, s. Kap. 8.9., Nr. 571.
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296. Mathäs, Alexander: The End of Pathos and of Youthful Innocence. Schiller, Wedekind, and Schnitzler. In: Journal of Austrian Studies. Lincoln, Nebraska. 46. Jg., 2013, Heft 4, S. 1–22. Untersucht werden auch »Liebelei« von Arthur Schnitzler und »Frühlings Erwachen« von Frank Wedekind. 297. Milz, Annika: Friedrich Schillers »Kabale und Liebe«. Die Intrige als Katalysator einer inneren Krise. München: Grin Verlag, © 2003, 12 S., 8°. – ISBN 978-3-65644684-2. (Universität Bremen, Germanistisches Seminar, Hausarbeit). 298. Podlasiak, Marek: Serce w pułapce dworu. Friedrich Schiller: »Intryga i Miłość«. In: Arcydzieła Literatury Niemieckojęzycznej. Szkice – Komentarze – Interpretacje. Tom II. Redakcja Edward Białek i Grzegorz Kowal. Wrocław: Oficyna Wydawnicza ATUT, Wrocławskie Wydawnictwo Oświatowe, 2011, S. 397–407. (= Wydanie specjalne Orbis Linguarum. 100). – ISBN 978-83-7432-760-2. 299. Roth, Corinna: Konfliktstrukturen in Friedrich von Schillers »Kabale und Liebe«. München: Grin Verlag, © 2005 [2013], 26 S., 8°. – ISBN 978-3-656-44701-6. (Technische Universität Chemnitz, Deutsche Literatur der Neuzeit, Seminararbeit). 300. Scherer, Stefan: Einzelanalysen. Friedrich Schiller: »Kabale und Liebe«. In: Ders., Einführung in die Dramen-Analyse. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013, S. 113–122. (= Einführungen Germanistik. Herausgegeben von Gunter E. Grimm und Klaus-Michael Bogdal). – ISBN 978-3-534-30215-4. 301. Wittkowski, Wolfgang: Verzeichnet, verfälscht, verweigert. »Kabale und Liebe« (1784): Musikus Miller und Luise. In: Ders., Hausväter im Drama Lessings und des Sturms und Drangs. Über deutsche Dichtungen 7. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 319–359. – ISBN 978-3-631-64224-5. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Zufall und Standesgegensatz. Ethik und Vaterwelt. – Vater und Tochter. – Luises Heldentum. Ethik und Tragödie. Überarbeitete Fassung und um den »Ferdinand-Teil« gekürzt. Erstveröffentlichung in: Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins. Band 99 (1995), S. 37–68.
7.3.6 »Maria Stuart« 302. Böhmer, Sebastian: »Maria Stuart« als Drama der Schrift. In: Schillers Schreiben. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2013, S. 41–54. – ISBN 978-3-00-042923-1. 303. Foi, Maria Carolina: Un’irruzione del tempo nel dramma: »Maria Stuart«. In: Dies., La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, S. 109–138. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462554-3.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Drammi storici, politici, di attualità? – 2. Sovrani a processo. – 3. La messa in scena di una esecuzione capitale. – 4. Cesare Beccaria in Germania. Erstveröffentlichung in einer anderen Fassung u. d. T. »Recht, Macht und Legitimation in Schillers Dramen. Am Beispiel von ›Maria Stuart‹«. In: Schiller und der Weg in die Moderne. Herausgegeben von Walter Hinderer. Würzburg 2006 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2006, Nr. 390]. 304. Fromholzer, Franz: Friedrich Schiller, »Maria Stuart« (1800). In: Ders., Gefangen im Gewissen. Evidenz und Polyphonie der Gewissensentscheidung auf dem deutschsprachigen Theater der Frühen Neuzeit. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 353–413. (= Ethik – Text – Kultur. 8). – ISBN 978-3-7705-5560-4. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: 1. Das vorklassische Gewissen: »Die Räuber«, Kant und Fichte: a) Das Gewissen und das Unbewusste: Der junge Schiller und »Die Räuber«. – b) Kants Gewissensverständnis. – c) Fichtes Gewissen (S. 353–364). – 2. Maria und Elisabeth, die Gewissen der Gefangenen: a) Die Überwachung der Büßerin: Der Staat als Gewissen. – b) Gewissen und Genealogie: Die eltern- und kinderlose Bastardkönigin (S. 364–376). – 3. Offene Augen, verschlossene Ohren: Schillers Choreographie der Sinne (S. 376–384). – 4. Selbsterforschung: Die Konkurrenz von ›forum externum‹ und ›forum internum‹: a) Elisabeths Entscheidungsfindung: Eine Gewissenserforschung? (S. 384–389). – Exkurs: Schillers Bearbeitung von Shakespeares »Macbeth«. – b) Marias Beichte. – c) Teichoskopie als Selbsterforschung? Leicesters Auditionen und Visionen (S. 389–408). – 5. Gewissensbindung und Gesetz. Die fragliche politische Dimension des Gewissens (S. 409–413). 305. Kemna, Daniela: Erhabenheit und Freiheit in ihrer dramatischen Umsetzung: »Maria Stuart«. In: Dies., Die Wege der Freiheit bei Friedrich Schiller und JeanPaul Sartre. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 113–141. (= Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur. 49). – ISBN 978-363-62754-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Die Bedeutung des Naturerhabenen. – Maria: vom »stolze[n] Herz[en]« zum erhabenen Charakter? – Elisabeth: die Ohnmacht des eigenen Willens. Siehe auch Kap. 5.2 der vergleichenden Untersuchung: Die Geschichte im Drama Schillers: »Maria Stuart«. – Die Unerreichbarkeit individueller Ziele im Angesicht historischer Prozesse. – Mortimer: religiöser Fanatismus und Geschichte (S. 269–277). 306. Löwe, Matthias: Reise im Bild des ›ganzen Menschen‹. Schillers »Maria Stuart« im Erstdruck und in den Bühnenfassungen. In: Schillers Schreiben. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2013, S. 55–76. – ISBN 978-3-00-042923-1. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Der ›ganze Mensch‹: Über Schwierigkeiten ›anthropologischer‹ Schiller-Deutungen. – 2. Die Dramaturgie der Indirektheit in Schillers »Maria Stuart«. – 3. Marias ›Wandlung‹ im fünften Aufzug. – 4. Die Abendmahlszene im Erstdruck und in den Bühnenfassungen. – 5. Fazit.
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307. Monagas, Alexander: Maria und ihre Verwandlung zur ›schönen Seele‹ als Rechtfertigung ihrer Position als Titelheldin und moralischen Siegerin im Vergleich zu ihrer Kontrahentin Elisabeth in Friedrich Schillers »Maria Stuart«. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 139–159. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2008 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 424]. 308. Pleschka, Alexander: Schillers Spätdramatik. Kunstkönigin: »Maria Stuart«. In: Ders., Theatralität und Öffentlichkeit. Schillers Spätdramatik und die Tragödie der französischen Klassik. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 186–214. (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. 75). – ISBN 978-3-11-027207-9. Siehe auch den Haupteintrag zu dieser Monographie, Kap. 7.3.1., Nr. 270. 309. Steele, Rebecca: The Great Cover-up. The Double Containment of Woman in Friedrich Schiller’s »Maria Stuart«. In: Seminar. A Journal of Germanic Studies. Toronto. 49. Jg., 2013, Heft 4, S. 365–384. – ISSN 0037-1939.
7.3.7 »Die Räuber« 310. Blawid, Martin: »Träume kommen ja aus dem Bauch«. Literatur und Traumtheorie im 18. Jahrhundert in Friedrich Schillers »Die Räuber«. In: Moderna Språk. Växjö (Modern Language Teachers’ Association of Sweden and Språkcentrum at Växjö University), 105. Jg., 2011, Heft 1, S. 101–112. – ISSN 2000-3560. Siehe auch das Schiller-Kapitel in der Leipziger Dissertation (2009) des Verfassers: »Dieser männliche Mut« Literarische Männlichkeitsentwürfe in deutschen und italienischen Dramentexten des 18. Jahrhunderts [Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 373]. 311. Hofferberth, Nina Jeanette: Die feindlichen Brüder im Kampf gegen die Autorität des Vaters. Zwei für den Sturm und Drang typische Motive am Beispiel von Schillers »Die Räuber«. München: Grin Verlag, 2007, 25 S. – ISBN 978-3-656-36993-6. (Seminararbeit, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt) 312. Košenina, Alexander: Iffland spielt mit Schiller. Franz Moor als Anwalt einer neuen Bühnenästhetik. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von PeterAndré Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 107–125. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 313. Leibfried, Erwin: »Die Räuber«. Erbrecht und Affektstruktur. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 7–55. – ISBN 978-3-95687-025-5.
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Erstveröffentlichung in: E. L., Schiller. Notizen zum heutigen Verständnis seiner Dramen. Frankfurt/M., Bern: Verlag Peter Lang, 1985, S. 73–116. (= Gießener Arbeiten zur Neueren Deutschen Literatur und Literaturwissenschaft. 7). – Als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2011 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 440]. 314. Martus, Steffen: Schillers Metatheater in »Die Räuber« – mit einem Seitenblick auf Lessings »Emilia Galotti«. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von PeterAndré Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 126–144. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 315. Panizzo, Paolo: Die blendende Fleckenhaut des Tigers. Schillers »Räuber« und die ästhetische Funktionalisierung des Bösen. In: Vernunft, Religionskritik, Volksglauben in der Aufklärung. Wissenszirkulation und Öffentlichkeit in den deutschsprachigen Gebieten. Herausgegeben von Thomas Bremer. Halle (Saale): Universitäts-Verlag Halle-Wittenberg, 2013, S. 221–242. (= Wissensdiskurse im 17. und 18. Jahrhundert. 2). – ISBN 978-3-86977-076-5. 316. Redecker, Anja E.: Regietheater. Der Klassikerfeind? Eine Untersuchung von Friedrich Schillers »Die Räuber« in der Inszenierung Nicolas Stemanns. München: Grin Verlag, 2011, 21 S., 8°. – ISBN 978-3-656-54786-0. (Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Institut für Germanistik, allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft, Seminararbeit). 317. Tabbert, Tiffany: Schillers Trauerspiel. »Die Brüder Moor« im Fokus. Beziehung, Ähnlichkeit und Unterschied der Brüder Karl und Franz Moor. München: Grin Verlag, 2012, [21 S.], 8°. – ISBN 978-3-656-40118-6. (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Germanistische Literaturwissenschaft, Seminararbeit). 318. Willems, Gottfried: Schillers »Räuber«. In: Ders., Geschichte der deutschen Literatur. Band 3: Goethezeit. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 2013, S. 301–307. (= UTB. 3734). – ISBN 978-3-8252-3734-9. 319. Willems, Marianne: Friedrich Maximilian Klingers »Die Zwillinge« und Friedrich Schillers »Die Räuber«. Zur Pathogenese der ›Kraftkerle‹ im Sturm und Drang. In: Sturm und Drang. Epoche – Autoren – Werke. Herausgegeben von Matthias Buschmeier und Kai Kauffmann. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013, S. 158–179. – ISBN 978-3-534-24942-8.
7.3.8 »Wilhelm Tell« 320. Beckers, Jan: Friedrich Schillers »Wilhelm Tell«. Die Apfelschusslegende als internationaler Wanderstoff. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 181–208. – ISBN 978-3-95687-025-5.
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Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2005 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 447]. 321. Béhague, Emmanuel: Stratégies de démythification dans la mise en scène de »Wilhelm Tell« (Hansgünther Heyme, Claus Peymann, Samuel Schwarz). In: Les classiques d’hier aujourd’hui. Études réunies par Fabrice Malkani et Frédéric Weinmann. Aix-en-Provence: Université de Provence, 2013, S. 129–144. (= Cahiers d’Études Germaniques. 65). 322. Foi, Maria Carolina: I diritti dell’uomo e la dignità del femminile: »Wilhelm Tell«. In: Dies., La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, S. 139–176. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462554-3. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Una genealogia dei diritti umani. – 2. Sul diritto di resistenza in Germania. – 3. Un raconto di fondazione e il mito matriarcale. – 4. Il lato oscuro della forza giusta. Erstveröffentlichung in einer ähnlichen Fassung u. d. T. »Schillers ›Wilhelm Tell‹. Menschenrechte, Menschenwürde und die Würde der Frauen«. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 45 (2001) [s. Schiller-Bibliographie 2001, Nr. 204]. 323. Honda, Hiroyuki: Die Topographie von Land und Meer in Schillers »Wilhelm Tell«. In: Ders., Kūkan o kaku. Tōkyō: Nihon-Dokubun-Gakkai, 2011, S. 45–55. (= Nihon-Dokubun-Gakkai-kenkyū-sōsho. 76). – ISBN 978-4-901909-76-1. 324. Kepling, Michael: Das Verhältnis von Natur und Freiheit in Schillers »Wilhelm Tell«. Schillers Ausgestaltung der Freiheitsidee vor dem Hintergrund seiner geistigen Kontroverse von Johann Wolfgang von Goethe. München: Grin Verlag, 2012, 20 S., 8°. – ISBN 978-3-656-51321-6. (Seminararbeit). 325. Müller, Jörg Paul: Schillers »Wilhelm Tell« und das Problem der Demokratie. In: »Fechtschulen und phantastische Gärten«. Recht und Literatur. Herausgegeben von Andreas Kilcher, Matthias Mahlmann und Daniel Müller Nielaba. Zürich: Hochschulverlag an der ETH Zürich, 2013, S. 147–169. (= Zürcher Hochschulforum: Interdisziplinäre Vortragsreihe der Eidgenössischen Hochschule Zürich und der Universität Zürich. 49). – ISBN 978-3-7281-3352-6. 326. Oelerich, Ann-Christin: Friedrich Schillers »Wilhelm Tell«. Aktiver Revolutionär oder zufällige Ikone? München: Grin Verlag, 2012, 13 S., 8°. – ISBN 978-3-65652415-1. 327. Utz, Peter: Der Freiheitsheld als Katastrophenretter. Schillers »Wilhelm Tell«. In: Ders., Kultivierung der Katastrophe. Literarische Untergangsszenarien aus der Schweiz. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 32–37. – ISBN 978-3-77055458-4.
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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328. Varga, Lorenz: Friedrich Schiller, »Wilhelm Tell«. Freising bei München: Stark, 2013, 96 S. mit Illustrationen. (= Interpretationen Deutsch). – ISBN 978-3-86668558-1. 329. Zeller, Rosmarie: Schiller-Rezeption in der Schweiz. Das Beispiel »Wilhelm Tell« oder wie »Wilhelm Tell« zum schweizerischen Nationaldrama wird. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 103–120. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7.
7.3.9 »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« 330. Hollender, Martin: »Im Kolleg setzte er auseinander, warum Schillers ›Fiesco‹ dramaturgisch schlecht gebaut sei«. Max Herrmann als Hochschullehrer. In: Ders., Der Berliner Germanist und Theaterwissenschaftler Max Herrmann (1865–1942). Leben und Werk. Berlin: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, 2013, S. 203–210. (= Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin. 42). – ISBN 978-3-88053-184-0. 331. Sander, Sarah: Die theatrale Selbstbeobachtung des Geschichtsdramas. Das Theater der »Verschwörung des Fiesko zu Genua«. In: Dies., Literarische Selbstbeobachtung. Die politische Kommunikation des Geschichtsdramas im 18. Jahrhundert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 145–185. (= Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften: Reihe Literaturwissenschaft. 787). – ISBN 978-3-8260-5188-3.
7.3.10 »Wallenstein«-Trilogie 332. Aranzueque, Gabriel: L’orrore di Wallenstein. In: Il Pensiero. Rivista di Filosofia. Napoli. 49. Jg., 2010, Heft 1, S. 155–167. – ISSN 1824-4971. 333. Bůžek, Václav: Schillers »Wallenstein« und der Adel im Königreich Böhmen. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte. Stuttgart. Band 72 (2013), S. 291–311. – ISSN 0044-3786. 334. Heise, Wolfgang: Schillers »Prolog« zum »Wallenstein«. Wie heiter ist die Kunst? In: Ders., Schriften. Band 1: 1975-1987. Herausgegeben von Gerd Irrlitz und Ernst Müller. Frankfurt/M., Basel: Stroemfeld Verlag, 2013, S. 151–173. – ISBN 978-386600-153-4. Erstveröffentlichung des Beitrags in: Ders., Die Wirklichkeit des Möglichen. Dichtung und Ästhetik in Deutschland 1750-1850. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag, 1990, S. 399–428. [s. Schiller-Bibliographie 1987-1990, Nr. 398].
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335. Hofmann, Michael: Geschichtsdrama. Schiller: »Wallenstein«. In: Ders., Drama. Grundlagen – Gattungsgeschichte – Perspektiven. Unter Mitarbeit von Miriam Esau und Julian Kanning. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 121–127. (= UTB. 3864). – ISBN 978-3-8252-3864-3. 336. Honold, Alexander: Geschichtsmechanik oder Improvisationskunst? Das Spiel im »Wallenstein«. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 66–88. – ISBN 978-3-8353-0789-6. 337. Kemna, Daniela: Erhabenheit und Freiheit in ihrer dramatischen Umsetzung: »Wallenstein«. In: Dies., Die Wege der Freiheit bei Friedrich Schiller und JeanPaul Sartre. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 75–113. (= Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur. 49). – ISBN 978-363-62754-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: Die Bedeutung des Naturerhabenen. – Die Soldaten: Freiheit als Selbstbetrug. – »Will nicht, was er muß?« Wallensteins Konflikt zwischen Freiheit und Notwendigkeit. – Max und Thekla: Die Macht der Verzweiflung. Siehe auch Kap. 5.2 der vergleichenden Untersuchung: Die Geschichte im Drama Schillers: »Wallenstein«. – Menschliche Hybris und Geschichte. – Das »Geworfensein« in die Geschichte (S. 253–269). 338. Key, Johannes: Einflüsse der Poetik auf Schillers »Wallenstein«. München: Grin Verlag, 2011, 20 S., 8°. – ISBN 978-3-656-43488-7. (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philosophische Fakultät II, Germanistisches Institut, Seminararbeit). 339. Leber, Manfred: Mentalitätsgeschichtliche Zeitenwende. Zur Bedeutung von Schillers »Wallenstein« als Geschichtstragödie. In: Klassiker – Neu-Lektüren. Herausgegeben von Ralf Bogner und Manfred Leber. Saarbrücken: Universaar, 2013, S. 61–98. (= Saarbrücker literaturwissenschaftliche Ringvorlesungen. 3). – ISBN 978-3-86223-098-3. 340. Oellers, Norbert: Cottas Anteil an Schillers »Wallenstein«. In: Durch Lebensereignisse verbunden. Festgabe für Dorothea Kuhn zum 90. Geburtstag am 11. März 2013. Herausgegeben von Jutta Eckle und Dietrich von Engelhardt. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2013, S. 63–71. (= Acta Historica Leopoldina. 62). – ISBN 978-3-8047-3159-2. 341. Peters, Nina: Worte für bare Münze nehmen? Macht und Münze in Schillers »Wallenstein«-Trilogie. In: Focus on German Studies. Journal on and beyond German-language Literature. Cincinnati, Ohio. 2013, Heft 20, S. 79–98. – ISSN 1076-5697.
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342. Pleschka, Alexander: Schillers Spätdramatik. Das Publikum als Politikum: »Wallenstein«. In: Ders., Theatralität und Öffentlichkeit. Schillers Spätdramatik und die Tragödie der französischen Klassik. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 169–185. (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. 75). – ISBN 978-3-11-027207-9. Siehe auch den Haupteintrag zu dieser Monographie, Kap. 7.3.1., Nr. 270. 343. Sander, Sarah: Die theatrale Selbstbeobachtung des Geschichtsdramas. Die »Wallenstein«-Poetologie. In: Dies., Literarische Selbstbeobachtung. Die politische Kommunikation des Geschichtsdramas im 18. Jahrhundert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 226–285. (= Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften: Reihe Literaturwissenschaft. 787). – ISBN 978-38260-5188-3. 344. Söffner, Daniela: Friedrich Schillers »Wallenstein«. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 119–138. – ISBN 9783-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2008 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 473]. 345. Willer, Stefan: Zwischen Planung und Ahnung. Zukunftswissen bei Kant, Herder und in Schillers »Wallenstein«. In: Prophetie und Prognostik. Verfügungen über Zukunft in Wissenschaften, Religionen und Künsten. Herausgegeben von Daniel Weidner und Stefan Willer. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 299–324. (= Trajekte). – ISBN 978-3-7705-5359-4. 346. Zumbusch, Cornelia: Wagestücke. Risiko und Vorsorge in Schillers »Wallenstein«. In: Literatur als Wagnis. DFG-Symposion 2011. Herausgegeben von Monika Schmitz-Emans in Zusammenarbeit mit Georg Braungart, Achim Geisenhanslüke und Christine Lubkoll. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 350–372. – ISBN 978-3-11-028280-1
7.3.11 Kleinere Stücke und dramatische Fragmente 347. Becker, Karina: Schillers »Schiff« und Goethes »Reise der Söhne Megaprazons«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 41–55. – ISBN 978-3-8260-4851-7. 348. Brittnacher, Hans Richard: Hochstapler, Wechselbälger und Demagogen. Legitimitätskrisen und antiklassische Reflexe in Schillers Fragmenten. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 21–40. – ISBN 978-3-8260-4851-7.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte:1. »Der Geisterseher«. – »Narbonne oder Die Kinder des Hasses«. – 3. »Warbeck«. 349. Foi, Maria Carolina: L’usurpatore en bonne foi. Questioni di legittimità nel »Demetrius«. In: Dies., La giurisdizione delle scene. I drammi politici di Schiller. Marcerata: Quodlibet Studio, 2013, S. 177–218. (= Scienze della cultura). – ISBN 978-88-7462-554-3. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Una citazione di Max Weber. – 2. Il progetto incompiuto. – 3. Crisi di legittimazione in un’epoca postrivoluzionaria. – 4. Trasformazioni dell’eroe tragico. – 5. La visibilità del potere e il potere delle scene. 350. Koukou, Kalliope: »Des Gottes schöne Trümmer«. Zum anthropologischen Konzept der »Theosophie des Julius«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 57–72. – ISBN 978-3-8260-4851-7. 351. Müller, Ingo: Dramatische Intrige und musikalische Gegenwärtigkeit. Zur Frage der Intermedialität von Friedrich Schillers ›lyrischer Operette‹ »Semele«. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 75–104. – ISBN 978-3-8353-1322-4. 352. Pleschka, Alexander: Schillers Spätdramatik. Machttheater und Theatermacht: »Demetrius«. In: Ders., Theatralität und Öffentlichkeit. Schillers Spätdramatik und die Tragödie der französischen Klassik. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 214–223. (= Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgescgichte. 75). – ISBN 978-3-11-027207-9. Siehe auch in den Haupteintrag zu dieser Monographie, Kap. 7.3.1., Nr. 270. 353. Robert, Jörg: ›Punctum saliens‹ und empirische Wende. Schillers späte Fragmente und ihre Poetik. In: Schillers Schreiben. Herausgegeben von Silke Henke und Nikolas Immer. Weimar: Weimarer Schillerverein, 2013, S. 11–39. – ISBN 9783-00-042923-1. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Letzte Zeilen. – 2. Totalidee und Assoziation. – 3. Genese einer Szene. – 4. Poetik nach der Ästhetik: Rückkehr zu Aristoteles. – 5. Metaphorologie, Poetologie, Biologie. – 6. ›Punctum saliens‹: Zwischen Präformation und Epigenesis. – 7. Poetik der Präformation. 354. Springer, Mirjam: Allegorien im Guckkasten. Zu Schillers »Seestücken«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 73–100. – ISBN 978-3-8260-4851-7.
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7.4 Erzählende Prosa, ästhetische und historische Schriften 7.4.1 Allgemeine Untersuchungen und Werkvergleiche 355. Güth, Luise: Historisches Erzählen bei Friedrich Schiller. Eine Analyse mit Hayden White. In: Wo bleibt die Aufklärung? Aufklärerische Diskurse in der Postmoderne. Festschrift für Thomas Stamm-Kuhlmann. Herausgegeben von Luise Güth, Niels Hegewisch, Knut Langewand, Dirk Mellies und Hedwig Richter. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2013, S. 207–218. (= Historische Mitteilungen. Beiheft. 84). – ISBN 978-3-515-10423-4. 356. Kaufmann, Sebastian: Der »Wilde« und die Kunst. Ethno-Anthropologie und Ästhetik in Goethes Aufsatz »Von deutscher Baukunst« (1772) und Schillers philosophischen Schriften der 1790er Jahre. In: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik. Bielefeld. 4. Jg., 2013, Heft 1, S. 29–57. – ISSN 1869-3660.
7.4.2 Studien zu einzelnen Werken und Schriften 357. Abt, Natalie: Die Mitleidspoetik Schillers und Lessings. Ein Vergleich der Texte »Über die tragische Kunst« und »Briefwechsel über das Trauerspiel«. München: Grin Verlag, © 2006 [2013], 14 S., 8°. – ISBN 978-3-656-56189-7. (Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Neuphilologische Fakultät, Deutsches Seminar, Hausarbeit). 358. Acosta López, María del Rosario: ›Only a Matter of Style‹: A Controversial Issue Between Schiller and Fichte. Regarding Schiller’s »On the Necessary Limitations in the Use of Beautiful Forms«. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 172–193. – ISSN 2036-4989. Zu Schillers Schrift »Über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen«. – Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Reciprocal Action [›Wechselwirkung‹] Between Image and Concept: more than a Matter of Style. – 2. Three Types of Philosophical Exposition: the Limitations and Possibilities of Imagination in Discourse. – 3. «Compelling Imagination to Think«: ›der darstellende Schriftsteller‹. 359. Anglet, Andreas: Zwischen den Kraftfeldern ästhetischer, politischer und philosophischer Diskurse. Die Eigendynamik der Argumentationsstränge und Wirkungsabsichten in Schillers »Briefen über die ästhetische Erziehung«. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 185–211. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Revolutionskritik als Aufklärungskritik: die sich verschiebenden Typologien in Schillers Analyse der revolutionären Situation. – 2. Schillers ästhetische Erziehung als ästhetische ›Diätetik‹ der seelischen Disposition des Menschen. – 3. Die Aporien der Rückwirkung eines idealen apolitischen Kunstraumes auf den realen politischen und gesellschaftlichen Raum. 360. Bodas Fernández, Lucía: La cuestión de la división del trabajo en »Algo sobre la primera sociedad humana según el hilo conductor de los escritos de Moisés«. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 79–102. – ISSN 2036-4989. Zu Schillers Schrift »Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde«. – Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Historia y teleología. – 2. La división del trabajo y el desarrollo de la humanidad. – 3. Ontogénesis y filogénesis. 361. Borgards, Roland: »(Die Fortsetzung folgt)«. Fragment und Serie in Schillers »Geisterseher«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 101–111. – ISBN 978-3-8260-4851-7. 362. Bridgwater, Patrick: Schiller. In: Ders., The German Gothic Novel in AngloGerman Perspective. Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2013, S. 147–189. (= Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturgeschichte. 165). – ISBN 978-90-420-3741-0. In dem Kapitel werden schwerpunktmäßig der »Geisterseher« und dessen mögliche historischen Quellen behandelt, mit Seitenblicken auf »Die Räuber«. Die einzelnen Abschnitte haben keine Überschriften. 363. Cecchinato, Giorgia: L’ingenuo è interessante? Riflessioni sull’ingenuo e il sentimentale a partire da alcune note riferite a Kant. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 109–130. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Einen Schwerpunkt dieses Beitrags bildet Schillers Abhandlung »Über naive und sentimentalische Dichtung«. Gliederung: 1.Accordi e disaccordi: Introduzione. – 2. La natura come filtro e condizione dell’arte poetica. – 3. Riso e tristezza nell’ingenuo. – 4. Riflessività e immediatezza dell’ingenuo. – 5. L’ingenuo e il sentimentale nella poesia. – 6. L’interesse si trasforma in impulso. 364. Deligiorgi, Katerina: Schiller’s »Philosophical Letters«. Naturalising Spirit to Moralise Nature. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 63–78. – ISSN 2036-4989.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Introduction. – 2. Reading the »Letters« with the »Dissertation« in View. – 3. Julius’s ›Theosophy‹ as Interactionist Monism. – 4. The Natural Place of the Soul. 365. Helfer, Martha B.: Ursprungsfragen. Friedrich von Schillers »Die Sendung Moses«. In: Dies., Das unerhörte Wort. Antisemitismus in Literatur und Kultur. Aus dem amerikanischen Englisch von Christophe Fricker. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 52–92. (= Manhattan Manuscripts. 9). – ISBN 978-3-8353-1295-1. Englischsprachige Originalausgabe der Monographie u. d. T. »The Word Unheard. Legacies of Anti-Semitism in German Literature and Culture«, 2011 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2011, Nr. 409]. 366. Hinderer, Walter: Versuch über die Schreibweise der offenen Denkform. Anmerkungen zu Schillers »Philosophischen Briefen« und »Kallias, oder über die Schönheit«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 161–181. – ISBN 978-3-82604851-7. 367. Korte, Elmar: Friedrich Schiller: »Der Verbrecher aus verlorener Ehre«. Erzählstrategie und Interpretationshorizonte. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 209–235. – ISBN 978-3-95687025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2007 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 504]. 368. Kuhn, Roland: Friedrich Schiller, »Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen«. In: Ders., Münsterlinger Kolloquien. Band 2. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 521–575. – ISBN 978-3-82605055-8 369. Lagny, Anne: La dynamique classique de Schiller au principe des »Lettres sur l’Éducation esthétique«. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 255–271. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 370. Laudin, Gérard: »Universalgeschichte« vs »Geschichtsphilosophie«. De la leçon inaugurale de mai 1789 aux »Lettres sur l’éducation esthétique«. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 237–253. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 371. Lennartz, Daniel: Friedrich Schiller und die ästhetische Erziehung des Menschen. Einführende Auseinandersetzung [mit] Schillers Konzeption einer ästhetischen Erziehung und seiner pädagogischen Anthropologie anhand der »Ästhe-
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tischen Briefe«. In: Friedrich Schiller. Werk und Leben eines Genies. München: ScienceFactory, 2013, S. 269–289. – ISBN 978-3-95687-025-5. Erstveröffentlichung als monographische Abhandlung im Grin Verlag, München 2008 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, Nr. 521]. 372. Lüdemann, Susanne: Literarische Fallgeschichten. Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre« und Kleists »Michael Kohlhaas«. In: Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen. Herausgegeben von Jens Ruchatz, Stefan Willer und Nicolas Pethes. Berlin: Kulturverlag Kadmos, 2007, S. 208–223. (= LiteraturForschung. 4). – ISBN 978-3-86599-038-9. 373. Matuschek, Stefan: Klassisch ist, was den eigenen Denkmalsturz überlebt. Zu Schillers »Ästhetischer Erziehung«. In: Mythos – Geist – Kultur. Festschrift zum 60. Geburtstag von Christoph Jamme. Herausgegeben von Kerstin Andermann und Andreas Jürgens. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 299–314. – ISBN 978-3-7705-5656-4. 374. Pailer, Gaby: Gewalt, Geschlecht und die Kunst der Novelle. Boccaccio, Schiller und Kleist. In: »Wenn sie das Wort ich gebraucht«. Festschrift für Barbara Becker-Cantarino. Herausgegeben von John Pustejovsky und Jacqueline Vansant. Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2013, S. 147–164. (= Chloe. Beihefte zum Daphnis. 47). – ISBN 978-90-420-3703-8. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre«, Kleists »Michael Kohlhaas« und das »Decamerone« von Giovanni Boccaccio. 375. Philipp, Lisa: Über Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre«. Christian Wolf als Verbrecher und die Rolle der Gesellschaft für den weiteren Verlauf seines Lebensweges. München: Grin Verlag, 2009, 11 S., 8°. – ISBN 978-3-656-28800-8. (Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Philologie, Lehrstuhl für Germanistik, Hausarbeit). 376. Pouget, Jean-Michel: L’image de la nature dans les »Lettres sur l’éducation esthétique de l’homme«: entre mécanisme et organisme. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 213–236. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Une image fondée sur l’antagonisme de la raison et de la nature: le paradigme mécaniste. – 2. Une image de la nature en accord avec la raison: la remise en cause de la vision mécaniste. – 3. La nature comme modèle pour la raison: le paradigme organique. 377. Riedel, Wolfgang: Philosophie des Schönen als politische Anthropologie. Schillers Augustenburger Briefe und die »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: L’Éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: L’Harmattan, 2013, S. 67–125. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2.
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Nahezu zeitgleiche Veröffentlichung in: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 118–171. – ISSN 2036-4989. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Wiederentdeckung des politischen Schiller. – 2. Humanität aus Distanzgewinn: Die Augustenburger Briefe. 2.1. Theoretische Voraussetzungen. Schiller und Sulzer. – 2.2. Unzeitgemäße Betrachtungen oder Woran scheiterte die Revolution? – 2.3. Schwenk in die Anthropogenese: Urszene der Distanzgewinnung. – 2.4. Der Grund der Sittlichkeit: Wechselseitige Anerkennung. – 2.5. Lob des Zweitbesten: Schillers pragmatische Wende. – 2.6. Fragmentarische Utopie: Identität von Privat- und Allgemeininteresse. – 3. Die vorpolitischen Grundlagen des modernen Staates. – 4. Anthropologischer Freiheitsbegriff: »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«. Zuerst als Vortrag auf der Wissenschaftlichen Tagung der Université Paris-Sorbonne […] und des DAAD im Rahmen der Agrégation d’Allemand 2013 im Maison Heinrich Heine am 25. Januar 2013. 378. Robert, Jörg: Der Arzt als Detektiv. Fieberwissen und Intrige im »Geisterseher«. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 113–132. – ISBN 978-3-8260-4851-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Schillers literarische Anthropologie: zum ›state of the arts‹. – 2. ›Casus‹ und ›crisis‹: Fieberwissen und Romanpoetik. – 3. Der Hamlet-Komplex. – 4. Spurensuche: Fieberwissen und Intrige. – 5. Medizinhistorisches – Wechselfieber. – 6. Schluss: Metaphysischer Detektivroman. 379. Robertson, Ritchie: »On the Sublime« and Schillers Theory of Tragedy. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 194–212. – ISSN 2036-4989. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. The Theory of the Sublime from Longinus to Kant. – 2. Transformations of the Heroic Ideal. – 3. Schiller’s Theory of the Sublime. – 4. Sublimity in Practice: »Maria Stuart«. 380. Rossi, Caterina: Libertà come ›libertà nel fenomeno‹. La rivistazione estetica del concetto kantiano di libertà nei »Kallias-Briefe«. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 217–237. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. L’orizzonte kantiano di Schiller. – 2. Applicazione al materiale empirico delle forme della conoscenza: intuizioni pure di spazio e tempo, categorie dell’intelletto e principi riflessivi di finaltà. – 3. L’oscillazione nella concezione schilleriana di libertà fra armonia organica e causalità incondizionata. – 4. Dalla spontaneità dell’intelletto alla libertà dell’immaginazione produttiva estetica. – 5. Conclusioni schilleriane: la dialettica di riflessione teleologica ed estetica quale legge oggettiva della libertà.
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381. Rössner, Max: Schillers Abhandlung »Über Anmut und Würde« in der praktischen Analyse in Bezug auf sein Drama »Die Jungfrau von Orleans«. München: Grin Verlag, 2010, 14 S., 8°. (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutsche Sprache und Literatur, Hausarbeit). 382. Saathoff, Jens: Friedrich Schillers »Geisterseher« und die Grenzen der Aufklärung. München: Grin Verlag, [2013], [15 S.], 8°. – ISBN 978-3-656-48614-5. Es handelt sich um ein ausgekoppeltes Kapitel aus der Monographie »Motive krisenhafter Subjektivität. Eine vergleichende Studie zu deutscher und englischer Schauerliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts«. Frankfurt/M. 2001 [s. Schiller-Bibliographie 2001, Nr. 219]. 383. Santini, Barbara: La critica a Kant nei »Fragmente aus Schillers ästhetischen Vorlesungen«. Una strategia argomentativa sospetta. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 91–108. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. L’occasione per riflettere sui principi: »Kolleg über Ästhetik«. – 2. Il carattere controverso del confronto con la teoria estetica kantiana: l’instanza dell’oggettività. – 3. Verso il supramento della spiegazione kantiana del bello: la strategia argomentativa sospetta. – 4. La prima obiezione a Kant: il concetto oggettivo della bellezza. – 5. La seconda obiezione a Kant: il principio oggettivo del gusto. – 6. Note conclusive: il punto debole di Schiller. 384. Schilling, Klaus von: Der philosophische Diskurs zu Geselligkeit und bürgerlicher Kultur. Die ästhetische Projektion: Friedrich Schillers Erziehungsprogramm in den »Ästhetischen Briefen«. In: Ders., Kultur und Identität. Teil 1: Geselligkeit und Gemeinsinn. Bürgerlichkeit im philosophischen und literarischen Diskurs. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 110–127. – ISBN 978-3-8260-5012-1. 385. Schumann, Katharina / Winkler, Michael: Schillers Vision ästhetischer Erziehung. In: Laboratorium Bildungsreform. Jena als Zentrum pädagogischer Innovationen. Herausgegeben von Ralf Koerrenz. München, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2009, S. 35–61. (= Laboratorium Aufklärung. 2). – ISBN 978-3-7705-4881-1. 386. Silkatz, Sebastian: Kultur und Kritik. Simmels Kulturtheorie und Schillers ästhetische Briefe. München: Grin Verlag, 2013, 25 S., 8°. – ISBN 978-3-656-47287-2. (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Philosophische Fakultät, Institut für Germanistische Literaturwissenschaft, Seminararbeit). 387. Simon, Ralf: Schiller. – »Der Geisterseher«: Physiologie und Mittelkraft. – Vermittlungslogik: Spiel. – Prosa? In: Ders., Die Idee der Prosa. Zur Ästhetikgeschichte von Baumgarten bis Hegel mit einem Schwerpunkt bei Jean Paul. München: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 173–191. – ISBN 978-3-7705-5603-8.
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388. Tedesco, Salvatore: ›Dominio dello spirito‹ e vivificazione dell’animo. Sul rapporto fra volontario e involontario nel saggio schilleriano »Grazia e dignità«. In: Schiller lettore di Kant. A cura di Alberto L. Siani e Gabriele Tomasi. Padova: Edizioni ETS, 2013, S. 51–66. (= Philosophica. 119). – ISBN 978-88-467-3777-9. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. ›Il Dracone del suo tempo«: Schiller, Kant e la ragione concreta. – 2. La scena antropologica. – 3. La critica ad Haller e il ›Geist‹ kantiano: natura e volontà in Schiller. 389. Waszek, Norbert: Le Gemüt dans »Les Lettres sur l’éducation esthétique de l’homme«, par Schiller. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 171–184. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 390. Weber, Philipp: »Conjuncturen des Zufalls«. Zu Natur und Bildung bei Schiller und Novalis. In: Athenäum. Jahrbuch der Friedrich-Schlegel-Gesellschaft. Band 23. Herausgegeben von Ulrich Breuer und Nikolaus Wegmann. München, Wien, Zürich: Ferdinand Schöningh Verlag, 2013, S. 155–166. – ISBN 978-3-506-77872-7. Zu Schillers Briefen »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« und zu dem naturphilosophischen Romanfragment »Die Lehrlinge zu Sais« von Novalis.
7.5 Schiller als Herausgeber, Übersetzer, (Bühnen-)Bearbeiter, Literaturkritiker und Publizist 391. Bosse, Heinrich: »So habe ich Muth genug für die Ewigkeit zu arbeiten«. Friedrich Schiller bedankt sich in der »Rheinischen Thalia«. In: Dank sagen. Politik, Semantik und Poetik der Verbindlichkeit. Herausgegeben von Natalie Binczek, Remigius Bunia, Till Dembeck und Alexander Zons. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 81–93. – ISBN 978-3-7705-5669-4. 392. Daroch, Magdalena: Inna niż wszytkie, czyli o »Turandot« Friedricha Schillera. In: O kobietach po niemiecku … Badania literaturoznawcze i laboratorium doktoranskie. Pod redakcją Bożeny Chołuj i Agnieszki Jezierskiej. Warszawa: Fundacja Feminoteka, 2012, S. 211–228. – ISBN 978-83-62206-36-0. 393. Koopmann, Helmut: Der Dichter als Kunstrichter. Zu Schillers Rezensionsstrategie. In: Ders., Nachgefragt. Zur deutschen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M.: Verlag Vittorio Klostermann, 2013, S. 47–66. (= Das Abendland. Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. N. F. 37). – ISBN 978-3465-03770-5.
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Erstveröffentlichung in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 20 (1976) [s. Schiller-Bibliographie 1974-1978, Nr. 435]. 394. Pinna, Giovanna: L’individualità universale. Soggettività e poesia in Schiller a partire dalla »Bürger-« e dalla »Matthisson-Rezension«. In: Philosophical Readings. Online Yearbook of Philosophy. 2013, Vol. 5 (Special Issue: »Reading Schiller: Ethics, Aesthetics and Religion«), S. 103–117. – ISSN 2036-4989. 395. Pinna, Giovanna: Traduzioni, tradimenti, passioni. Schiller traduttore. In: Riscritture. Traduzione nelle arti e nelle lettere. A cura di Gilberto Marconi. Milano: Bruno Mondadori, 2013, S. 115–126. (= Ricerca). – ISBN 978-88-6159-859-1. Das Kapitel gliedert sich in die beiden großen Abschnitte: 2. Alla scuola dei Greci: »L’Ifigenia in Aulide« di Euripide. – 3. Convenzione e natura: la »Phèdre« di Racine. 396. Seeger, Charlotte: Schiller als Übersetzer von Racines »Phèdre«. Vergleich verschiedener Übersetzungstheorien. München: Grin Verlag, 2010, 25 S. – ISBN 978-3-656-40217-6. (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Seminararbeit).
7.6 Studien zu Briefen und Korrespondenzen 397. Głogowski, Kazimierz: Goethes und Schillers Urteile ueber ihre poetischen Werke auf Grund des Briefwechsels der Dichter mit Beruecksichtigung der Biographien des XX Jahrhunderts. Warszawa: Drukarnia Oficyny Wydawniczej Politechniki Warszawskiej, 2012, X, 159 S. und 157 S. Fotomechanischer Nachdruck der maschinenschriftlichen Abhandlung, die 1928 von der Universität Posen als Dissertation angenommen worden ist. Die Wiederveröffentlichung enthält eine polnische Übersetzung von Anna Różańska: Opinie Goethego i Schillera o swych dziełach na podstawie wymiany korespondencji poetów z uwzględnieniem biografii XX wieku. 398. Lorenz-Ridderbecks, Angela: Stilformen im Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe. München: Grin Verlag, 2012, 26 S. – ISBN 978-3-656-28560-1. (Universität Trier, Fachbereich Neuere Deutsche Literatur, Seminararbeit).
7.7 Einzelne Aspekte, Motive, Stoffe, Themen und Begriffe (werkübergreifend) 399. Behler, Constantin: The Politics of Aesthetic Humanism. Schiller’s German Idea of Freedom. In: Goethe Yearbook. Publications of the Goethe Society of North America. Volume 20. Edited by Daniel Purdy. Rochester, NY: Camden House, 2013, S. 223–246. – ISBN 978-1-57113-559-9.
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Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: Schiller’s Political Credo. – Kant’s Classical Liberalism versus Schiller’s Political Credo. – German Aesthetic Humanism versus Kant’s Classical Liberalism. – »Denn er war unser!« Schiller’s German Political Legacy. 400. Lüdemann, Susanne: Weibliche Gründungsopfer und männliche Institutionen. Verginia-Variationen bei Lessing, Schiller und Kleist. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Stuttgart. 87. Jg., 2013, Heft 4, S. 588–599. – ISSN 0012-0936. 401. Meyer, Anne-Rose: Geheimnisvolle Schleier. Novalis, Schiller, [Ann] Radcliffe. In: Die Dialektik des Geheimnisses. Herausgegeben von Grażyna Kwiecinska. Frankfurt/M.: Peter Lang Edition, 2013, S. 89–103. (= Warschauer Studien zur Kultur und Literaturwissenschaft. 4). – ISBN 978-3-631-62665-8. 402. Robert, Jörg: »Ein Aggregat von Bruchstücken«. Schillers Fragmente als fermenta cognitionis. In: »Ein Aggregat aus Bruchstücken«. Fragment und Fragmentarismus im Werk Friedrich Schillers. Herausgegeben von Jörg Robert. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, S. 1–17. – ISBN 978-3-8260-4851-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Fragment und Vollendung. – 2. Aggregat und System: Semantiken des Fragmentarischen. – 3. Fragmentgruppen. – 4. Dialogizität und Kontinuität.
8 Wirkungsgeschichte 8.1 Allgemeine Darstellungen zur Wirkung Schillers im deutschsprachigen Raum 403. Albert, Claudia: Schiller-Rezeption im George-Kreis und im Nationalsozialismus. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 35–48. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. 404. Aschenbrenner, Ann-Kristin: Schillergedenken 1905 und der Sinn der Klassikerehrung. Wilhelminische Gesellschaft, Bildung und Wissen im Übergang. Hamburg: Verlag Kovač, 2013, 2 Teilbände, 1175 S. (= Schriften zur Kulturgeschichte. 30 I/II). – ISBN 978-3-8300-7234-8. Die empirisch-analytisch und positivistisch orientierte Untersuchung (mit 3.964 Anmerkungen!) wurde von der Universität Münster als Dissertation angenommen; sie baut auf der unveröffentlichten Magisterarbeit der Verfasserin aus dem Jahr 2003 auf. Da dem umfangreichen Kompendium ein Personenindex und ein Sachregister fehlen, ist die Benutzung trotz des sehr differenzierten Inhaltsverzeichnis-
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ses recht schwierig, z. B. die Suche nach den Marbacher Schiller-Feiern und dem architekturgeschichtlich bedeutsamen Schiller-Nationalmuseum. Inhalt von Teilband I (Auszug): I. Allgemeiner Teil: Theoretische Grundlagen. I.1. Einleitung (S. 21–202). – I.2. Schillerfeiern und Forschung: I.2.1. Forschung (S. 203–277). – I.2.2. Quellenproblematik, Überlieferungslage und Methodik (S. 279–302). – I.3. Vorläufiges Fazit und Erklärung der zentralen Fragestellung aus dem Titel der Arbeit, Methodik und Zielsetzung (S. 303–310). – II. Spezifischer Teil: Schillerverehrung und Schillergedenken um 1905 im Kontext: II.1. Rückblick. Schiller – ein »bürgerlicher« Klassiker? Schillerverehrung und Schillerablehnung im Bürgertum im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung von 1859 bis 1905 (S. 311–341). – II.2. Die Schillerfeiern von 1905 unter ereignisgeschichtlicher Perspektive: II.2.1. Organisatorische Aspekte der »allgemeinen« Schillerfeiern von 1905 unter bürgerlicher Regie (S. 343–360). – II.2.2. Die Festereignisse im Überblick: Die Programmgestaltung ausgewählter Ehrungen und Vereinsfeiern im städtischen und ländlichen Milieu (S. 361–403). – II.3. Das wilhelminische Bürgertum im Umbruch. Zivilisationskritik, »Nervosität« und Nationalismus: II.3.1. »Wie soll man Schiller feiern?« Die mühsame Wiederannäherung an einen »fremden« Klassiker (S. 405–419). – II.3.2. Das »Bildungsbürgertum« im Kaiserreich. Bedeutungsverlust, Identitätskrise und Streben nach kultureller Kompensation: Bürgerliches Krisenbewusstsein und seine Ursachen im Wilhelminismus (S. 421–469). – II.3.3. Das verlorene Paradies: »Bildung«, Selbstreflexion und Erkenntniszweifel des »modernen« Bürgers (S. 471–517). Inhalt von Teilband II (Auszug): II.4. »Wissen« und sein Transfer. Das Beispiel bürgerlicher »Volksbildungs«-Initiativen im Rahmen der Schillerfeiern von 1905: II.4.1. Rahmenbedingungen (S. 519–658). – II.4.2. Die Praxis der »Volksbildung« während der Schillerfeiern 1905 (S. 658–865). – II.5. Schiller und die Religion (S. 867–916). – II.6. Sozialdemokratische und »Arbeiterfeiern (S. 917–1037). – III. Bilanz und Ausblick: Das Schillerjahr 1905 – oder die zunehmende Unmöglichkeit öffentlichen Feierns in der Moderne (S. 1039–1071). – IV. Literaturverzeichnis (S. 1073–1175). 405. Beßlich, Barbara: Kulturkritische Schiller-Rezeption um 1900. Die Briefe »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« (1795) und »Die Götter Griechenlands« (1788) in der Weltanschauungsliteratur der Moderne. In: L’éducation esthétique selon Schiller. Entre anthropologie, politique et théorie du beau. Sous la direction de Olivier Agard et Françoise Lartillot. Paris: Éditions L’Harmattan, 2013, S. 283–299. (= De l’Allemand). – ISBN 978-2-343-00776-2. 406. Ernst, Petra: Goethe und Schiller im Schtetl. Literarische Transferprozesse und Leseszenen in deutschsprachig-jüdischer Erzählliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In: Kulturtransfer in der jüdischen Geschichte. Herausgegeben von Wolfgang Schmale und Martina Stehr. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag, 2006, S. 123–152. – ISBN 3-593-38208-3.
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407. Gerhard, Ute: Politische Dimensionen der Schiller-Rezeption in Deutschland im 19. Jahrhundert. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 19–33. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. 408. Heitz, Raymond: Die Schiller-Rezeption in der DDR. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 49–66. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Überarbeitete und aktualisierte Fassung einer früheren Veröffentlichung in französischer Sprache u. d. T. »La réception de Schiller en RDA. De l’instrumentalisation apologétique aux lectures dissidentes.« In: Friedrich Schiller. La modernité d’un classique. 2004 [s. Schiller-Bibliographie 2004, Nr. 359]. 409. Hofmann, Michael: Perspektiven der Aufführungsgeschichte Schillers. In: Ders., Drama. Grundlagen – Gattungsgeschichte – Perspektiven. Unter Mitarbeit von Miriam Esau und Julian Kanning. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2013, S. 167–173. (= UTB. 3864). – ISBN 978-3-8252-3864-3. 410. Mansky, Matthias: Der ›österreichische Schiller‹ und die Literaturhistoriographie – 1859 und die Folgen. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 67–83. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Voraussetzungen. – 2. Die Hintergründe der Schiller-Feier 1859 in Wien. – 3. Die Schiller-Feier zwischen lokalpatriotischer Begeisterung und sartirischer Kommentierung. – 4. Die Funktionalisierung Schillers und des Burgtheaters und ihre literatur- und theaterhistoriographischen Folgen. – 5. Joseph Alois Gleichs »Fiesko der Salamikrämer« als Beispiel für eine Schiller-Parodie am Wiener Vorstadttheater. – 6. Fazit. 411. Schneider, Arno: Simulacri di Schiller nella storiografia letteraria tedesca del primo Novecento. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 195– 219. – ISBN 978-88-8098-310-1. 412. Sperlich, Christine: »Bewundert viel und viel gescholten.« Schiller im Deutschunterricht. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2013, XII, 490 S. – ISBN 978-3-83401203-6.
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Inhalt (Auswahl): I. Begründung – Forschungsstand – Methode (S. 1–13). – II. Präludium: Schiller als Wegbereiter einer Bildung durch Dichtung: 1. Zur bewusstseinsgeschichtlichen Bedeutung der »Ästhetischen Erziehung« Schillers (S. 14–19). – 2. Schillers Wirkung auf die preußischen Bildungsreformen (S. 20–22). – III. Die schulische Schiller-Rezeption bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs: 1. Die schulische Schiller-Rezeption bis zur Reichsgründung 1871. 1.1. Schiller als Nationaldichter. – 1.2. Schulische Rezeption Schillers (S. 23–44). – 2. Die schulische Schiller-Rezeption im deutschen Kaiserreich: 2.1. Schiller im kulturellen Leben. – 2.2. Umgang mit der Weimarer Klassik im Zuge der Nationalisierung des Erziehungswesens. – 2.3. Schulische Rezeption. – 2.4. Schiller in der Wahrnehmung der Kunsterziehungsbewegung (S. 45–64). – 3. Die schulische Schiller-Rezeption in der Weimarer Republik: 3.1. Neuausrichtung des Schulwesens unter nationalen Gesichtspunkten. – 3.2. Werke Schillers in deutschkundlichen Lesebüchern. – 3.3. Schillers Dramen in Schulausgaben vom späten 19. Jahrhundert bis 1933. – 3.4. Klassikertod-Debatte (S. 65–77). – 4. Die schulische Schiller-Rezeption im Nationalsozialismus: 4.1. Nationalsozialistische Ideologie im Erziehungswesen. – 4.2. Schillers Leben und Werk in der Sicht des Nationalsozialismus. – Schillers Dramen in nationalsozialistischen Lehrplänen. – 4.4. Schillers Werke in den nationalsozialistischen Lesebüchern. – 4.5. Schillers Dramen in Textausgaben für die Schule (S. 78–90). – IV. Die schulische Schiller-Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland im Kontext literaturdidaktischer Entwicklungen: 1. Moralerziehender Literaturunterricht der Nachkriegszeit (S. 91–129). – 2. Sachliche Erziehung zur Literatur in den 1960er Jahren (S. 130–156). – 3. Die Umbruchphase der 1970er Jahre (S. 157–200). – 4. Die Normalisierungsphase der 1980er Jahre (S. 201–230). – 5. Literaturdidaktischer Pluralismus seit 1990 (S. 231–266). – V. Die Dramen Schillers: ein exemplarischer Längsschnitt im Spiegel von Textausgaben, Lektüre- und Unterrichtshilfen: 1. Schillers Stellung als Dramatiker im Spiegel von Textausgaben für die Schule von 1945 bis 2010. – 2. Schillers einzelne Dramen im Spiel von Textausgaben für die Schule. – 3. Zur didaktischen Aufbereitung der Dramen Schillers in Lektüre- und Unterrichtshilfen (S. 267–275). – 4. Paradigma »Wilhelm Tell«. (S. 276–313). – VI. Bedingungen gegenwärtiger schulischer Schiller-Rezeption. 1. Interesse und Orientierung: 1.1. Literaturdidaktische Kanonprobleme. – 1.2. Exkurs: Schillers Werke in außerschulischen Kanons und Rankings (S. 314–322). – 2. Was heutige Schüler über Schiller wissen und in der Schule kennenlernen: Ergebnisse einer Stichprobe (S. 323–326). – 3. Exkurs: Schiller im Veranstaltungsangebot der Universitäten (SoS 2004 bis SoS 2010) (S. 327–339). – 4. Schillers Repräsentanz im Zentralabitur (S. 340–345). – VII. Ausblick: Motivierende Zugänge zu Werk und Leben Friedrich Schillers (S. 346–357). – VIII. Resümee (S. 358–370). – Bibliographie, s. Kap. 1.1., Nr. 2. 413. Unger, Thorsten: Freiheitsschwabe und Moral-Trompeter. Schillers Kritiker. Erfurt: Sutton Verlag, 2013, 239 S. – ISBN 978-3-95400-300-6.
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Der Band enthält zahlreiche kleinere Kapitel zu August Wilhelm Iffland, Karl Philipp Moritz, Johann Wolfgang Goethe, Charlotte von Kalb, Gotthold Friedrich Stäudlin, Gottfried August Bürger, Adolf Freiherr von Knigge, Christoph Martin Wieland, Karl August Böttiger, Anne Louise Germaine de Staël, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Johann Gottlieb Fichte, Johann Friedrich Reichardt, Friedrich Nicolai, Johann Kaspar Friedrich Manso, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Wilhelm Friedrich August Mackensen, Heinrich Heine, Georg Büchner, Christian Wilhelm Oemler, Jean Paul, Ludwig Börne, Franz Grillparzer, Friedrich Theodor Vischer, Ludolf Wienbarg, Otto Ludwig, Friedrich Hebbel, Friedrich Nietzsche, Wilhelm Dilthey, Johannes Janssen, Theodor Fontane, Egon Friedell, Alfred Kerr, Herbert Eulenberg, Bertolt Brecht, Volker Braun, Golo Mann, Hans Magnus Enzensberger und Friedrich Dürrenmatt [Namen nicht im Personenregister!].
8.2 Besondere Formen der Schiller-Verehrung: Denkmalkultur, Erinnerungsstücke, Häuser und Gärten, Jubiläumsfeiern, Requisiten, Preis-Stiftungen 414. Gossart, Ewa: »Ja, de Pickeln sind weg, aber de Belle ooch«. Das Berliner SchillerDenkmal im Spiegel seiner frühen Restaurierungsgeschichte. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. Berlin. 109. Jg., 2013, Heft 2, S. 200–209. 415. Kirchheim, Jakob: Schillerpark. Berlin: Jakob Kirchheim Verlag, 2012, 102 S., 4° quer. – ISBN 978-3-942847-24-7. Fotodokumentation über den Schillerpark in Berlin Wedding mit einem Anhang »Eintrag zum Schillerpark in der Denkmaldatenbank der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin« (S. 98–101). Der Band enthält auch einen Originaltext von Friedrich Schiller (s. Kap. 2.3.3., Nr. 56). 416. [Nicht belegt] 417. Kusserow, Hans Joachim: Die Nienburger Schillerstiftung von 1859. Begeisterung für Friedrich Schiller und die nach ihm benannte Wohlfahrtseinrichtung. Nienburg/Weser 2009 [s. Marbacher Schiller-Bibliographie 2009, Nr. 556]. Rezension von Ulrich Klappstein. In: Vormärz und Philhellenismus. Herausgegeben von Anne-Rose Meyer. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2013, S. 372–375. (= Forum Vormärz-Forschung. 18). – ISBN 978-3-89528-946-0. 418. Rößner, Alf: Volkstümliche Heroen in Erz. Das Weimarer Doppeldenkmal für Goethe und Schiller. In: Theaterplatz. Klassik & Alltagskultur. Eine Collage. Herausgegeben von Steffen de Rudder. Weimar: M Books, 2012, S. 27–34. – ISBN 978-3-944425-00-0.
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8.3 Studien zur internationalen Schiller-Rezepzion (alphabetisch nach Ländern/Staaten) Albanien 419. Blakaj-Gashi, Albulena: Der Name Schiller als Sinnbild der deutschen Literatur am albanischen Theater. In: Nomen est Omen. Name und Identität in Sprache, Literatur und Kultur. Herausgegeben von Zorica Nikolovska und Emina Avdić. Skopje: Philologische Fakultät »Blaže Koneski«, 2011, S. 163–168. – ISBN 9789989-724-99-2. Böhmen 420. Stašková, Alice: Zwischen Inspiration und Instrumentalisierung. Zur SchillerRezeption im Böhmen des 19. Jahrhunderts. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 303–319. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 9783-8253-6228-7. Dänemark 421. Helbing, Antje: Schillerrezeption in Dänemark. Göttingen: Georg-August-Universität, Philosophische Fakultät, Diss. 2013, 299 S., 4°. Inhalt (Auszug): 1. Einleitung (S. 5–25). – 2. Theoretische und methodische Vorüberlegungen (S. 26–35). – 3. Literaturhistorische Epochen in Deutschland und Dänemark: Klassik-Romantik – Schiller und die Deutsche Klassik – Schillers philosophische Abhandlungen – Schillers klassische Dramenkonzeption – Epochenabgrenzungen in der dänischen Literaturgeschichtsschreibung (S. 36–59). – 4. Vermittlungsinstanzen kultureller Normen (S. 60–150): 4.1. Knud Lyne Rahbek (S. 61–69). – 4.2. Adam Oehlenschläger: »Schiller des Nordens« (S. 69–107). – 4.3. Johan Ludvig Heiberg (S. 107–127). – 4.4. Georg Brandes (S. 127–150). – 5. Bestandsaufnahme: Schiller auf der dänischen Bühne (S. 151–205). – 6. Schillers Lyrik in Dänemark (S. 206–225). – 7. Stationen der Schillerrezeption im 20. Jahrhundert (S. 236–250). – 7. Schluss (S. 251–258). – Anhang (Verzeichnis der Aufführungen von Schillers Dramen in Kopenhagen). – Literatur: Quellen und Forschungsliteratur (S. 259–299). England 422. Davies, Steffan: Von Carlyle zum Kristallpalast. Der Schiller der Briten (1825– 1859). In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 121–140. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7.
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Frankreich 423. Darras, Gilles: »Der erhabene Moment der Zeit«. Die Schiller-Rezeption der französischen Romantik im ästhetisch-politischen Spannungsfeld von Revolution und Restauration. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 163–175. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Italien 424. Sampaolo, Giovanni: Vom reinen Dichter zum Kämpfer. Schiller-Bilder und -Wahrnehmungen im faschistischen Italien. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 211–222. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-38253-6228-7. Italien 425. Unfer Lukoschik, Rita: ›Risorgimento in Schillerscher Manier‹. Zu der politischen Rezeption des Schillerschen Theaters im Italien des 19. Jahrhunderts. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 193–210. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Siehe in diesem Kontext auch die umfassende und grundlegende Untersuchung der Verfasserin: Friedrich Schiller in Italien. Eine quellengeschichtliche Studie. Berlin 2004 [Schiller-Bibliographie 2004, Nr. 406]. Kroatien 426. Babić, Josip: Kroatische Schiller-Rezeption nach 1945. Einige Aspekte. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 335–351. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Mexiko 427. Vergara, Gloria: Presecia de Schiller en la poesia mexicana. In: Cultura. International Journal of Philosophy of Culture and Axiology. Bern, Frankfurt/M. 3. Jg., 2006, Heft 1, S. 7–18. – ISSN 1584-1057 / 2065-5002.
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Polen 428. Drews, Peter: Die polnische Rezeption der Dramen Schillers im 19. Jahrhundert. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 243–264. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Polen 429. Szewczyk, Grażyna Barbara: Im Schatten der politischen Propaganda in der Volksrepublik Polen. Schillers Dramen auf polnischen Bühnen nach 1945. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 265–274. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Russland 430. Данилевский, Ростислав Юрьевич: Фридрих Шиллер и Россия. СанктПетербург: Издательство »Пушкинский Дом«, 2013, 651 (1) с. (= Библиотека Пушкинского Дома). – ISBN 978-5-91476-047-9. Оглавление: Несколько предварительных слов (с. 5–6). – I. XVIII век – первая половина XIX века. Введение: Россия в творчестве Ф. Шиллера (с. 7–36). – 1. Ф. Шиллер и его русские современники (с. 36–120). – 2. В. А. Жуковский и Ф. Шиллер (с. 120–165). – 3. Пушкинский круг (с. 165–202). – 4. Тридцатые годы XIX века (с. 202–244). – 5. Сороковые годы XIX века (с. 244–301). – 6. Середина века. Издание Н. В. Гербеля (с. 301–365). – II. Вторая половина XIX – XX век: 1. Ф. Шиллер и русская литература второй половины XIX века (с. 366–418). – 2. Великие русские писателиреалисты и Ф. Шиллер: И. А. Гончаров – А. Н. Островский – И. С. Тургенев – Н. А. Некрасов – М. Е. Салтыков-Щедрин – Ф. М. Достоевский – Л. Н. Толстой (с. 419–503). – 3. Начало XX века: 1901–1917 гг. (с. 503–540). – 4. XX век: после 1917 г. (с. 541–601). – Послесловие (с. 602–607). – Приложение: Пьесы Ф. Шиллера в театрах Российской империи, Советского Союза и Российской Федерации, XVIII–XX вв. (с. 608–623). Transliteration. – Danilevskij, Rostislav Jur’evič: Fridrich Šiller i Rossija. SanktPeterburg: Izdatel’stvo »Puškinskij Dom«, 2013, 2013, 651 (1) S. (= Biblioteka Puškinskogo Doma). Oglavlenie: Neskol’ko predvaritel’nych slov (S. 5–6). – I. 18. vek – pervaja polovina 19. veka. Vvelenie: Rossija v tvorčestve F. Šillera (S. 7–36). – 1. F. Šiller i ego russkie sovremenniki (S. 36–120). – 2. V. A. Žukovskij i F. Šiller (S. 120–165). – 3. Puškinskij krug (S. 165–202). – 4. Tridcatye gody 19. veka (S. 202–244). – 5. Sorokovye gody 19. veka (S. 244–301). – 6. Seredina veka. Izdanie N. V. Gerbelja (S. 301–365). –
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II. Vtoraja polovina 19.-20. vek: 1. F. Šiller i russkaja literatura vtoroj poloviny 19. veka (S. 366–418). – 2. Velikie russkie pisateli-realisty i F. Šiller: I. A. Gončarov – A. N. Ostrovskij – I. S. Turgenev – N. A. Nekrasov – M. E. Saltykov-Ščedrin – F. M. Dostoevskij – L. N. Tolstoj (S. 419–503). – 3. Načalo 20. veka: 1901-1917 gg. (S. 503–540). – 4. 20. vek: posle 1917 g. (S. 541–601). – Posleslovie (S. 602–607). – Priloženie: P’esy F. Šillera v teatrach Rossijskoj imperii, Sovetskogo Sojuza i Rossijskoj Federacii, 18.-20. vv. (S. 608–623). Übersetzung. – Inhalt: Einige einleitende Worte (S. 5–6). – I. Vom 18. Jahrhundert bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Einleitung: Russland im Werk von Friedrich Schiller (S. 7–36). – 1. F. Schiller und seine russischen Zeitgenossen (S. 36–120). – 2. Vasilij Andreevič Žukovskij und F. Schiller (S. 120–165). – 3. [Aleksandr Sergeevič] Puškins Milieu (S. 165–202). – 4. Die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts (S. 202–244). – 5. Die 40er Jahre des 19. Jahhunderts (S. 244– 301). – 6. Die Mitte des Jahrhunderts. Die Ausgabe von Nikolaj Vasil’evič Gerbel (S. 301–365). – II. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum 20. Jahrhundert: 1. F. Schiller und die russische Literatur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (S. 366–418). – 2. Die großen russischen Schriftsteller des Realismus und F. Schiller: Ivan Аleksandrovič Gončarov – Аleksandr Nikolaevič Ostrovskij – Ivan Sergeevič Turgenev – Nikolaj Аlekseevič Nekrasov – Мichail Еvgrafovič SaltykovŠčedrin – Fedor Michajlovič Dostoevskij – Lev Nikolaevič Tolstoj (S. 419–503). – 3. Am Anfang des 19. Jahrhunderts: 1901 bis 1917 (S. 503–540). – 4. Das 20. Jahrhundert: nach 1917 (S. 541–601). – Nachwort (S. 602–607). – Anhang: Die Stücke von F. Schiller auf den Bühnen des Russischen Imperiums, der Sowjetischen Union und der Russischen Föderation vom 18. bis zum 19. Jahrhundert (S. 608–623). Siehe auch die frühere Veröffentlichung des Verfassers: Schiller in der russischen Literatur. 18. Jahrhundert – erste Hälfte 19. Jahrhundert. Dresden: Dresden University Press, 1998, 365 S. (= Schriften zur Kultur der Slaven. 1). – ISBN 3-931828-53-0. Russland 431. Fuchs-Shamanskaya, Liudmila: Ideologische Instrumentalisierung des russischen Schiller-Bildes in den Jahren 1860-1890. Zwischen der revolutionären Volkstümlerbewegung und der ›russischen Idee‹. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 275–284. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Slowenien 432. Samide, Irena: Schiller-Rezeption im slowenischen Gebiet 1800-1918. Theatralische Funktionalisierung und schulische Instrumentalisierung im Dienst der Habsburgermonarchie. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäi-
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schen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 321–334. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Spanien 433. Siguan, Marisa: Schillersche Abenteuer in Spanien. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 223–240. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Ungarn 434. Berzeviczy, Klára: Zur Rezeption der Schillerschen Dramen in Ungarn bis zur Revolution 1848-1849. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 285–301. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7.
8.4 Wirkung auf einzelne Personen Andersen, Hans Christian (1805–1875) 435. Detering, Heinrich: Das prosaische Lied von der Glocke. Andersens »SchillerMärchen« und die postromantische Kunstreligion. In: Logik der Prosa. Zur Poetizität ungebundener Rede. Herausgegeben von Astrid Arndt, Christoph Deupmann und Lars Korten. Göttingen: V & R Unipress, 2012, S. 215–234. – ISBN 978-3-89971-961-1. Englische Fassung des Beitrags: H. C. Andersen’s »Schiller Fairy Tale« and the Post-Romantic Religion of Art. In: Romantik. Journal for the Study of Romanticism. Aarhus. 2012, Band 1, S. 49–66. – ISSN 2245-599x. Böckmann, Paul (1899–1987) / Spranger, Eduard (1882–1963) 436. Pinna, Giovanna: La forma dello spirito. Paul Böckmann e Eduard Spranger interpreti di Schiller. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 183–193. – ISBN 978-88-8098-310-1. Capograssi, Giuseppe (1889–1956) 437. Miccoli, Paolo: I bisogni dell’uomo. Tema comune a Schiller e a Capograssi. In: Studium. Bimestrale di Cultura. Roma. 105. Jg., 2009, Heft 3, S. 437–456. – ISSN 0039-4130.
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Cysarz, Herbert (1896–1985) 438. Scattola, Merio: Tragedia e libertà. La figura di Friedrich Schiller nella scienza dello spirito di Herbert Cysarz. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 3–44. – ISBN 978-88-8098-310-1. Deubel, Werner (1894–1949) 439. Ferraro, Alessia: Lo »Schillerbild« di Werner Deubel. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 145–165. – ISBN 978-88-8098-310-1. Eminescu, Mihai (1850–1889) 440. Cubleşan, Constantin: M. Emisescu – ciclul schillerian. In: Omagiu professorului septuagenar Victor Jancu. Redactori responsabili: Delia Suiogan, Mircea Farcaş. Cluj-Napoca: Editura Risoprint, 2006, S. 289–311. – ISBN 978-973-751-173-7. Fabricius, Hans (1891–1945) 441. Steccanella, Giulio: Hans Fabricius. Una lettura nazionalsocialista dell’opera drammaturgica di Schiller. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 167–182. – ISBN 978-88-8098-310-1. Freud, Sigmund (1856–1939) 442. Weißberg, Liliane: Kindheit und Spiel. Freud, [Donald W.] Winnicott, Schiller. In: Schiller, der Spieler. Herausgegeben von Peter-André Alt, Marcel Lepper und Ulrich Raulff. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 280–296. – ISBN 978-3-83530789-6. Fricke, Gerhard (1901–1980) 443. Mancini, Francesca: L’interpretazione dell’Idealismo tedesco e Friedrich Schiller in Gerhard Fricke (1927). In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 45–64. – ISBN 978-88-8098-310-1. Goldschmidt, Henriette (1825–1920) 444. Kemp, Annerose / Kemp, Horst: Henriette Goldschmidts Schillerverehrung. In: Frauen erinnern und ermutigen. Berichte vom 12. Louise-Otto-Peters-Tag 2004. Herausgegeben von Gerlinde Kämmerer, Johanna Ludwig, Nina Preißler und Susanne Schötz. Leipzig: Ludwig Verlag, 2006, S. 37–56. (= Louiseum: Sammlungen und Veröffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. 24). Gonçalves Dias, Antônio (1823–1864) 445. Volobeuf, Karin: Friedrich Schiller e Gonçalves Dias. In: Pandaemonium Germanicum. Revista de Estudos Germanisticos. São Paulo. Band 9 (2005), 2013, S. 77–90. – ISSN 1982-8837.
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Gutzkow, Karl (1811–1878) 446. Immer, Nikolas: »Zwischen den löschpapiernen Abdrücken von Schiller und Goethe«. Gutzkows Literaturkritik im Horizont seiner Klassik-Rezeption. In: Karl Gutzkow (1811–1878). Publizistik, Literatur und Buchmarkt zwischen Vormärz und Gründerzeit. Herausgegeben von Wolfgang Lukas und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag. 2013, S. 195–208. (= Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München. 84). – ISBN 978-3-447-06980-9. Heidegger, Martin (1889–1976) 447. Richter, Gerhard: Die Seminare über Schiller und Herder. Von der Freiheit zur Sprache. In: Heidegger-Handbuch. Herausgegeben von Dieter Thomä. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler Verlag, 2., überarbeitete und erweiterte Aufl. 2013, S. 162–166. – ISBN 978-3-476-02268-4. Heine, Heinrich (1797–1856) 448. Böhm, Alexandra: Heines Auseinandersetzung mit Schiller und Goethe in »Die Nordsee III«. In: Dies., Heine und Byron. Poetik eingreifender Kunst am Beginn der Moderne. Berlin, Boston: Verlag Walter de Gruyter, 2013, S. 119–125. (= Hermaea. Germanistische Forschungen. 126). – ISBN 978-3-11-027875-0. Heine, Heinrich 449. Ranke, Wolfgang: »Die Götter Griechenlands«. Heines Replik auf Schiller und die Romantik. In: Heine-Jahrbuch. Band 52 (2013). Herausgegeben von Sabine Brenner-Wilczek. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler, 2013, S. 1–23. – ISBN 978-3-476-02497-8. Kafka, Franz (1883–1924) 450. Bassermann-Jordan, Gabriele von: Der Weg aus dem Käfig als Aufschwung zum Erhabenen? Konstruktion und Destruktion des Schiller’schen Humanitätsgedankens in Franz Kafkas »Ein Bericht für eine Akademie« (1917). In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 228–250. – ISBN 978-38353-1322-4. Kommerell, Max (1902–1944) 451. Busch, Walter: La modernità del classicismo tedesco. Max Kommerell legge Friedrich Schiller. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 65–85. – ISBN 978-88-8098-310-1. Kommerell, Max 452. Pelloni, Gabriella: Schiller psicologo della modernità nella letteratura di Max Kommerell. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 87–112. – ISBN 978-88-8098-310-1.
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Lermontov, Michail Jurevič (1814–1841) 453. Schmid, Herta: Von der Fläche über die Tiefe zur Linie. Lermontovs Dramenpoetik im Aspekt von Lessing, Schiller, Shakespeare und Griboedov. In: Lermontov neu bewertet. Lermontov revisited. Dramen – Epik – Lyrik – Übersetzung. Herausgegeben von Herta Schmid und Jenny Stelleman. München, Berlin, Washington/D. C.: Verlag Otto Sagner, 2013, S. 219–418. (= Die Welt der Slaven: Sammelbände. 48). – ISBN 978-3-86688-324-6. In dem umfangreichen Beitrag sind folgende Abschnitte besonders hervorzuheben: Der weite zeiträumliche Maßstab: Bezug zu Schillers »Kabale und Liebe« und Byrons »The Dream« (S. 263–269). – Die Gestaltung zeiträumlicher Weite und gleichzeitiger Verengung in Bezug auf Schillers »Die Räuber« (S. 273–287). – Intertextuelle Beziehungen zu Schillers »Die Räuber« und »Die Braut von Messina« im Licht der ungleich behandelten Brüder (S. 323–328). Mann, Thomas (1875–1955) 454. Schneider, Arno: All’ombra di Goethe. La crisi di Schiller e Thomas Mann nel ritratto-autoritratto »Schwere Stunde«. In: Carte d’occasione 3. A cura di Mario Melchionda e Monica Santini. Padova: Unipress, 2007, S. 137–153. (= Pubblicazioni del Dipartemento di lingue e letterature anglo-germaniche, Università di Padova. 14). – ISBN 978-88-8098-236-4. Mickiewicz, Adam (1798–1855) 455. Danek, Danuta: Tłumaczenie i doświadczenie. Mickiewicz jako tłumacz Schillera. In: OderÜbersetzen. Deutsch-polnisches Übersetzungsjahrbuch. Polsko-niemiecki rocznik translatorski. Band 1 (2010). Herausgegeben von Bożena Chołuj und Andreas Volk. Słubice: Collegium Polonicum, 2010, S. 40–48. – ISSN 2081-7835. Schmitt, Carl (1888–1985) 456. Werber, Niels: Antichambrieren bei Friedrich Schiller und Carl Schmitt. Zum Zusammenhang von Macht und Raum. In: Konfigurationen. Gebrauchsweisen des Raums. Herausgegeben von Anna Echterhölter und Iris Därmann. Zürich, Berlin: Diaphanes Verlag, 2013, S. 63–80. – ISBN 978-3-03734-156-8. Stein, Edith (1891–1942) 457. Urban, Bernd: Edith Stein und Friedrich Schiller: »die mir genehme Weltanschauung«. Literarisch-philosophische Rezeptionsverläufe zu ›Gottesschau‹, ›Aufstieg‹ und ›Sühnopfer‹. In: Münchener Theologische Zeitschrift. Vierteljahresschrift für das Gesamtgebiet der Katholischen Theologie. St. Ottilien. 64. Jg., 2013, Heft 3, S. 269–290. – ISSN 0580-1400. Wiese, Benno von (1903–1987) 458. Conterno, Chiara: I drammi »stratificati« di Schiller. Interpretazioni di Benno von Wiese negli anni Trenta. In: Schiller tra le due guerre. A cura di Merio Scattola, Gabriella Pelloni e Arno Schneider. Padova: Casa Editrice Unipress, 2013, S. 113–144. – ISBN 978-88-8098-310-1.
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8.5 Schillers Werke auf der Bühne 8.5.1 Rückblicke auf historische Aufführungen 459. Hochholdinger-Reiterer, Beate: Schiller und das Wiener Burgtheater. »Don Karlos«-Inszenierungen 1938 und 1955 als Beispiele. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 85–102. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. 460. Krebs, Roland: »Kabale und Liebe« auf der Bühne der Comédie-Française. Das Gastspiel des Schiller-Theaters im besetzten Paris (Februar 1941) oder: Friedrich Schiller im Dienst der NS-Kulturpropaganda. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 177–191. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. 461. Mach-Meyerhofer, Konstanze: Theaterarbeit in der Zeitenwende dokumentiert. Frank Castorfs Inszenierung der »Räuber« von Schiller, Berlin 1990. In: Aufbrüche in die Moderne. Das Archiv der Akademie der Künste. Herausgegeben von Julia Bernhard und Wolfgang Trautwein. Berlin: Akademie der Künste, 2013, S. 188–193. – ISBN 978-3-88331-202-6.
8.5.2 Aktuelle Inszenierungen im Spiegel der Presse (Auswahl) »Die Braut von Messina« (Keine Inszenierungen im laufenden Berichtsjahr) »Don Karlos« 462. Ahnert, Gerhild: Frischzellenkur für Don Carlos. Die Theatergastspiele Kempf sorgen für einen denkwürdigen Abend: Regisseur Christoph Brück gelingt eine wohltuende Entschlackung des Stückes. In: Saale-Zeitung. Bad Kissingen. Ausg. vom 21. 02. 2013, S. 4. 463. Bröder, Friedrich J.: Der Funke der Freiheit. Zum Spielzeitauftakt am Staatsschauspiel Nürnberg stand Friedrich Schillers »Don Karlos« auf dem Programm. Das Stück mit seinen aufklärerischen Ideen kommt in der Nürnberger Inszenierung mit zunehmender Dauer leichtfüßig daher. In: Fränkischer Tag. Bamberg. Ausg. vom 14. 10. 2013, S. 19.
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464. Ebersberger, Wolf: Auf dem Boulevard der Dämmerung. Auftakt am Nürnberger Schauspiel: »Don Karlos«. In: NZ Nürnberger Zeitung. Ausg. vom 14. 10. 2013, S. 29. 465. Erlenwein, Katharina: Stille Post am spanischen Königshof. Schillers »Don Karlos« am Nürnberger Staatstheater: Intrigen und Gefühlswallungen unter Egomanen. In: Nürnberger Nachrichten. Ausg. vom 14. 10. 2013, S. 28. 466. Erlenwein, Katharina: Der Ruf der Freiheit im Machtapparat. Das Nürnberger Schauspielhaus zeigt Schillers Bühnenklassiker »Don Karlos« mit zwei neuen Gesichtern. In: Nürnberger Nachrichten. Ausg. vom 8. 10. 2013, S. 7. 467. Heinzelmann, Herbert: Eine Königsfamilie zerbricht an der Macht. Mit »Don Karlos« beginnt die Nürnberger Schauspielsaison. In: NZ Nürnberger Zeitung. Ausg. vom 11. 10. 2013, S. 7. 468. Kapries, Ralf: Klassiker spannend und schlüssig inszeniert. Theatergastspiele Kempf überzeugen im Mindener Stadttheater mit einem erfrischen »Don Karlos«. In: Mindener Tageblatt. Ausg. vom 25. 02. 2013, S. 8. 469. Müller, Volker: Im Kühltrakt kein Entrinnen. Friedrich Schillers »Don Carlos« wartet am Theater Plauen-Zwickau mit emotionalen Grenzgängen auf. In: Freie Presse. Chemnitz. Ausg. vom 14. 01. 2013, S. 7. »Die Jungfrau von Orleans« 470. Bauer, Arnim: Heldin konzentriert im Blick. Alejandro Quintana haucht Schillers »Jungfrau von Orleans« neues Leben ein. In: Ludwigsburger Kreiszeitung. Nr. 278 vom 30. 11. 2013, S. 43. – Zur Aufführung an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. 471. Bazinger, Irene: Alles nur geträumt? Michael Thalheimer inszeniert Schillers »Jungfrau von Orleans« am Deutschen Theater Berlin. In: Märkische Oderzeitung. Frankfurt/Oder. Ausg. vom 30. 09. 2013, S. 17. 472. Beintmann, Cord: Starke Frau in einem Männersystem. Die WLB Esslingen zeigt Schillers »Jungfrau von Orleans«. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 278 vom 30. 11. 2013, S. 36. 473. Berger, Jürgen: Verheißungsvoller Albtraum. Salzburger Festspiele: Michael Thalheimer verdichtet Schillers »Jungfrau von Orleans« zu einem Sprechstück im Schattenreich. In: Die Rheinpfalz. Ludwigshafen. Ausg. vom 6. 08. 2013, [S. 7]. 474. Blaser, Patric: Minimalistische Sprachgewalt. In: Die Furche. Österreichische Wochenzeitung. Wien. Nr. 31 vom 1. 08. 2013, S. 16. – Zur Inszenierung von Michael Thalheimer bei den Salzburger Festspielen. 475. Dössel, Christine: Die Hilfsgöttin des Gemetzels. Michael Thalheimer treibt bei den Salzburger Festspielen Schillers »Jungfrau von Orleans« die romantische
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Tragödie aus und liefert die Anatomie einer radikalen Kriegerin. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 174 vom 30. 07. 2013, S. 11. 476. Franzen, K. Erik: Schlachtgemälde eines Seelenkriegs. Michael Thalheimer inszeniert Schillers »Jungfrau von Orleans« zunächst für Salzburg, Ende September ist sie in Berlin zu sehen. In: Berliner Zeitung. Nr. 175 vom 30. 07. 2013, S. 24. – Unter der Überschrift »Hallo Feinde« auch in: Frankfurter Rundschau. Nr. 174 vom 30. 07. 2013, S. 31. 477. Fraschke, Bettina: Raus aus der Komfortzone. Gustav Rueb inszeniert Friedrich Schillers Tragödie »Die Jungfrau von Orleans« am Kasseler Staatstheater. In: Hersfelder Zeitung. Ausg. vom 2. 12. 2013, [o. S.]. 478. Hanssen, Frederik: Die Erleuchtete. Michael Thalheimers neueste Klassikerbeschleunigung: Schillers »Jungfrau von Orleans« für die Salzburger Festspiele – als Koproduktion mit dem Deutschen Theater Berlin. In: Der Tagesspiegel. Berlin. Nr. 21763 vom 30. 07. 2013, S. 19. 479. Mayer, Norbert: Johanna, die Wahnsinnige. Salzburger Festspiele: Regisseur Michael Thalheimer schränkt Friedrich Schillers »Jungfrau von Orleans« ein – ein Standbild statt Schauspiel, Schreiduell statt Poesie. In: Die Presse. Wien. Nr. 19878 vom 30. 07. 2913, S. 19. 480. Mergenthal, Veronika: Radikal schlichte »Jungfrau«. Provokante Neuinszenierung im Geist des Aufklärers Schiller. In: Berchtesgadener Anzeiger. Ausg. vom 3. 08. 2013, S. 21. – Zur Inszenierung von Michael Thalheimer bei den Salzburger Festspielen. 481. Müller, Roland: Das Stehvermögen der heiligen Johanna. Michael Thalheimer inszeniert im Landestheater Schillers »Jungfrau von Orleans«. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 175 vom 31. 07. 2013, S. 26. 482. Nagel, Eva-Maria: Viel Lärm um nichts. Tilman Gersch zeigt in Wiesbaden Schillers »Jungfrau«. In: Rhein-Main-Zeitung. Frankfurt/M. Ausg. vom 24. 09. 2013, S. 46. 483. Pilz, Dirk: Tödlich ist’s, dieser Frau zu begegnen. Michael Thalheimers »Johanna von Orleans« am DT. In: Berliner Zeitung. Nr. 226 vom 27. 09. 2013, S. 28. 484. Schaper, Rüdiger: Hinter Rittern. Michael Thalheimers »Johanna von Orleans« am Deutschen Theater. In: Der Tagesspiegel. Berlin. Nr. 21824 vom 29. 09. 2013, S. 26. 485. Schütt, Hans-Dieter: Wer glaubt, muss dran glauben. »Die Jungfrau von Orleans« von Friedrich Schiller am Deutschen Theater Berlin: Thalheimers Exerzitium. In: Neues Deutschland. Berlin. Nr. 229 vom 1. 10. 2013, S. 16.
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486. Stadelmaier, Gerhard: Die Schreifrau von Orleans. Wer hat die kleine Johanna ans Kreuz genagelt? Der Regisseur Michael Thalheimer gibt bei den Salzburger Festspielen dem Himmel die Schuld, gegen den er anbrüllen lässt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 174 vom 30. 07. 2013, S. 29. 487. Sternburg, Judith von: Alles geben, aber wozu? Schillers »Jungfrau« am Staatstheater Wiesbaden. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 226 vom 28./29. 09. 2013, S. 34. 488. Strauß, Simon: Die im Dunkeln. Mehr Hör- als Schauspiel: Michael Thalheimer inszeniert in Berlin Schillers »Jungfrau von Orleans«. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 39 vom 29. 09. 2013, S. 38. 489. Zlotowicz, Jensen: Johanna von Orleans überstrahlt alle bisherigen Stücke. Schüler der Waldorfschule [Eisenach] wagten sich an das Drama von Friedrich Schiller. In: Thüringer Allgemeine. Eisenach. Ausg. vom 11. 10. 2013, [o. S.]. – Mit veränderten Überschriften auch in: Thüringische Landeszeitung. Weimar. Ausg. vom 11. 10. 2013, [o. S.]. »Kabale und Liebe« 490. Bauermeister, Ute: Jedes tiefe Gefühl wird verweigert. Schillers »Kabale und Liebe« zeitgemäß in Karlsruhe. In: Badisches Tagblatt. Rastatt. Ausg. vom 4. 10. 2013, [o. S.]. 491. Bazinger, Irene: Wie man Handke erzählt und Schiller verfehlt. Loss doch den onderen! oder Tiedemann geht vor Peymann: »Die schönen Tage von Aranjuez« und »Kabale und Liebe« am Berliner Ensemble. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 60 vom 12. 03. 2013, S. 27. 492. Franzen, K. Erik: Dunkles Land. Amélie Niermeyer inszeniert »Kabale und Liebe« im Münchner Residenztheater. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 47 vom 25. 02. 2013, S. 22. 493. Hagenberg-Miliu, Ebba: Liebe über den Schlagbaum hinweg. Theater am AmosComenius-Gymnasium führt ab heute Schillers Trauerspiel »Kabale und Liebe« auf. In: General-Anzeiger. Bonn. Ausg. vom 14. 03. 2013, S. 25. 494. Heinze, Rüdiger: Luise hört, was ihr blüht. Schiller im Schnellgang: Amélie Niermeyer inszeniert »Kabale und Liebe« am Residenztheater. In: Augsburger Allgemeine. Ausg. vom 25. 02. 2013, S. 8. 495. Krohn, Rüdiger: Tragisches Scheitern einer Utopie. »Kabale und Liebe« von oder nach Friedrich Schiller am Badischen Staatstheater Karlsruhe. In: Die Rheinpfalz. Ludwigshafen. Ausg. vom 11. 102013, [o. S.]. 496. Laages, Michael: In Peymanns Schiller-Zirkus. Klarer Fall von Klassikerschändung: »Kabale und Liebe« im Berliner Ensemble. In: Die Welt. Berlin. Nr. 62 vom 14. 03. 2013, S. 26.
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497. Liebers, Peter: Klassiker ohne Effekthascherei. Claus Peymann inszeniert am Berliner Ensemble Schillers »Kabale und Liebe«. In: Märkische Oderzeitung. Frankfurt/Oder. Ausg. vom 8. 03. 2013, S. 18. 498. Mertens, Markus: Und die Gesellschaft hängt am Rad. »Kabale und Liebe« am Badischen Staatstheater als Bühne heutiger Gräueltaten. In: Badische Neueste Nachrichten. Karlsruhe. Ausg. vom 4. 10. 2013, S. 12. 499. Schäfer, Andreas: Das Schnattern, das Schweigen. Zweimal Berliner Ensemble: Claus Peymann verjuxt Schiller, und Philip Tiedemann verzaubert mit Handkes »Aranjuez«. In: Der Tagesspiegel. Berlin. Nr. 21627 vom 11. 03. 2013, S. 19. 500. Schütt, Hans-Dieter: … und die Herzen im Preise steigen. Claus Peymann inszenierte am Berliner Ensemble »Kabale und Liebe«. In: Neues Deutschland. Berlin. Nr. 77 vom 3. 04. 2013, S. 14. 501. Schulte, Bettina: Ach, sie hätte den Wurm nehmen sollen. Marc Günther inszeniert im Marienbad »Kabale und Liebe«. In: Badische Zeitung. Freiburg im Breisgau. Nr. 29 vom 4. 02. 2013, S. 7. 502. Seidler, Ulrich: Vor und nach dem Feuer. Premieredoppel im Berliner Ensemble: Mit Friedrich Schiller und Peter Handke über die Liebe zwischen Mann und Frau. In: Berliner Zeitung. Nr. 59 vom 11. 03. 2013, S. 24. 503. Tholl, Egbert: Der fremde Traum. In der Mitte der Asche steht die Welt: Amélie Niermeyer inszeniert »Kabale und Liebe« in München. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 47 vom 25. 02. 2013, S. 10. »Maria Stuart« 504. Dülk, Renate: Sein und Schein in der Politik. Schillers Trauerspiel »Maria Stuart« eröffnet die neue Theaterspielzeit. In: Badisches Tagblatt. Rastatt. Ausg. vom 31. 08. 2013, [o. S.]. – Zur Inszenierung von Maria-Elena Hackbarth am Theater in Baden-Baden. 505. Kernig, Anja: Kampf um den Thron. »Maria Stuart« wurde in Wiebelskirchen aufgeführt. In: Saarbrücker Zeitung. Ausg. vom 25. 09. 2013, S. C8. 506. Lange, Joachim: Im Uhrwerk der Macht. In Halle überzeugt Matthias Brenner mit einer von Schillers »Maria Stuart«. In: Gießener Allgemeine. Ausg. vom 7. 03. 2013, S. 8. 507. Mallinowski, David: Wenn es bei Schiller was zu lachen gibt. Bohemian Company feierte in Heusweiler mit ihrer Version der »Maria Stuart« Premiere. In: Saarbrücker Zeitung. Ausg. vom 16. 09. 2013, S. C6.
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508. Montag, Andreas: Es geht um die Macht. Schauspiel Halle: Matthias Brenner hat das Trauerspiel »Maria Stuart« von Friedrich Schiller inszeniert. Gelungene Premiere mit viel Beifall. In: Mitteldeutsche Zeitung. Halle. Ausg. vom 4. 03. 2013, S. 26. 509. Orgeldinger, Sibylle: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Maria-Elena Hackbarth inszeniert Maria Stuart am Theater Baden-Baden. In: Badische Neueste Nachrichten. Karlsruhe. Ausg. vom 1. 10. 2013, [o. S.]. 510. Petsch, Barbara: Grandioser Königinnenwahn. Stephan Müller inszeniert im Volkstheater Friedrich Schillers »Maria Stuart« kurz und bündig, mit zwei tollen Herscherinnen und einem reichhaltig gezeichneten Herrenensemble. In: Die Presse am Sonntag. Wien. Nr. 20020 vom 22. 12. 2013, S. 41. 511. Voigt, Kirsten: Ein Trauerspiel ohne Pathos und Sieger. Schiller zeitgemäß, zeitlos: Maria-Elena Hackbarth inszeniert eine entschlackte »Maria Stuart« in Baden-Baden. In: Badisches Tagblatt. Rastatt. Ausg. vom 30. 09. 2013, [o. S.]. »Die Räuber« 512. Adam, Christine: Wenn die Sprache tänzelt. Jan Jochymski lässt Schillers »Räuber« in Osnabrück stürmen und drängen. In: Neue Osnabrücker Zeitung. Ausg. vom 4. 02. 2013, S. 28. 513. Baigger, Katja: Rasanter Schiller. »Die Räuber« an der ›Chorgasse‹. In: Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe. Nr. 80 vom 8. 04. 2013, S. 30. 514. Bauer, Arnim: Ohne Respekt vor dem großen Klassiker. Alte Zöpfe abgeschnitten: Schillers »Räuber« im Stuttgarter Schauspielhaus frisch onduliert und neu gestylt. In: Ludwigsburger Kreiszeitung. Nr. 265 vom 15. 11. 2013, S. 6. 515. Fischer, Jens: Ästhetische Fingerübung. Schillers »Räuber« ohne Worte, dafür mit Pantomime und üppiger Ausstattung und Geräuschen: Dieses Experiment unternahm die Regisseurin Ruth Messing am Jungen Schauspiel Hannover. In: taz. die tageszeitung. Ausgabe Nord vom 22. 10. 2013, S. 23. 516. Golombek, Nicole: »Eddie, was willst du sehen?« Staatsschauspiel Stuttgart: Regisseur Antú Romero Nunes zeigt Friedrich Schillers »Räuber«. In: Stuttgarter Nachrichten. Nr. 265 vom 15. 11. 2013, S. 14. 517. Meyer-Arlt, Ronald: Sprechen verboten. Ruth Messing inszeniert Schiller als Stummfilm – und stattet »Die Räuber« im Ballhof 2 mit großen Gesten aus. In: Deister- und Weserzeitung. Hameln. Ausg. vom 22. 10. 2013, S. 29. – Mit der Überschrift »Ohne Worte« auch in: Hannoversche Allgemeine Zeitung. Ausg. vom 21. 10. 2013, S. 6.
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518. Müller, Roland: Dieser Mann brennt fürs Theater. Im Stuttgarter Schauspielhaus zeigt Antú Romero Nunes »Die Räuber« von Friedrich Schiller. Das große Unruhestück des deutschen Theaters lädt der Regisseur mit der Unruhe der heutigen Jugend auf. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 265 vom 15. 11. 2013, S. 29. 519. Otto, Stefan: Gegen verkrustete Strukturen. Der Heidelberger Club Spezial zeigt Schillers »Räuber«. In: Rhein-Neckar-Zeitung. Heidelberg. Ausg. vom 14. 06. 2013, S. 13. 520. Pecht, Andreas: Schillers »Räuber« werden allerorten befragt. Nach Frankfurt, Mainz und Koblenz widmet sich auch das Bonner Theater dem Stück von 1782. In: Rhein-Zeitung. Koblenz. Ausg. vom 26. 03. 2013, S. 23. »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« (Keine Inszenierungen im laufenden Berichtsjahr) »Wilhelm Tell« 521. Lindner, Reinhold: Schiller beim Wort genommen. Das Annaberger Theater zeigt eine vielschichtige Version des »Wilhelm Tell«. Das Spiel mit dem Klassiker ist erbaulich und im besten Sinne belehrend. In: Freie Presse. Chemnitz. Ausg. vom 8. 10. 2013, S. A1. – Zu einer Inszenierung von Tamara Korber. 522. Halter, Martin: Rütlischwur der begossenen Pudel. Hinterwäldler mit Vorderlader und Didgeridoo: Dušan David Pařízek nimmt Schillers »Wilhelm Tell« im Zürcher Schauspielhaus ganz ernst auf die leichte Schulter. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 66 vom 19. 03. 2013, S. 30. 523. Halter, Martin: In der Badehose zum Schwur. Dušan David Pařízek entlockt Schillers Gassenhauer »Wilhelm Tell« in Zürich neue Töne. In: Badische Zeitung. Freiburg im Breisgau. Nr¨66 vom 19. 03. 2013, S. 9. – Leicht gekürzte Fassung von Nr. 522. 524. Villiger Heilig, Barbara: Wilhelm Tell für die Schule. Schillers Drama – zerlegt, gemixt und neu zusammengesetzt vom tschechischen Regisseur Dušan David Pařízek am Schauspielhaus Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe. Nr. 63 vom 16. 03. 2013, S. 26. »Wallenstein« (Keine Inszenierungen im laufenden Berichtsjahr) Bearbeitungen/Übersetzungen: »Der Parasit« 525. Ammicht, Marion: Leistung muss sich wieder lohnen. Stefan Bachmanns »Der Parasit« bei den Schillertagen Mannheim. In: Süddeutsche Zeitung. München. Nr. 147 vom 28. 06. 2013, S. 12. 526. Bos, Christian: Blender und Bürokraten. Stefan Bachmann, Kölns neuer Schauspielchef, zeigt »Der Parasit« in Mannheim. In: Kölner Stadt-Anzeiger. Ausg. vom 24. 06. 2013, S. 21.
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527. Bosetti, Annette: Saisonstart im Theater mit langem Schatten. Intendant Norbert Weber hält sein Versprechen, dass es im Theater heiterer werden wird. Nurkan Erpulat inszeniert »Der Parasit« von Friedrich Schiller nach dem Französischen des Picard. In: Rheinische Post. Düsseldorf. Ausg. vom 16. 09. 2013, S. C3. 528. Fleischer, Gabriele: Ein Beamtenstadl par excellence fegt über die Bühne. Viel Beifall für die letzte Premiere am Staatsschauspiel [Dresden]: »Der Parasit oder Die Kunst sein Glück zu machen«. In: Freie Presse. Chemnitz. Ausg. vom 2. 07. 2013, [S. 1]. – Zu einer Inszenierung von Stefan Bachmann. 529. Kouschkerian, Sema: Emporkömmling regiert im Vorzimmer der Macht. Regisseur Nurkan Erpulat inszeniert eine französische Komödie in der Übersetzung von Friedrich Schiller. In: Westdeutsche Zeitung. Düsseldorf. Ausg. vom 11. 09. 20123, S. 27. 530. Montag, Andreas: Stunde der Komödianten. Landesbühne Eisleben: Martina Bode inszeniert das Lustspiel »Der Parasit« von Friedrich Schiller nach LouisBenoît Picard als zeitlose Parabel. In: Mitteldeutsche Zeitung. Halle. Ausg. vom 30. 09. 2013, S. 26. 531. Müller, Regine: Ein Reigen der Schleimereien. Die leichtfüßige Komödie »Der Parasit« von Louis-Benoît Picard am Düsseldorfer Schauspielhaus. In: taz. die tageszeitung. Berlin. Nr. 10211 vom 17. 09. 2013, S. 11. 532. Rossmann, Andreas: Schiller in rosa Socken. Alle Boulevards führen nach Weimar: Nurkan Erpulat inszeniert »Der Parasit« in Düsseldorf. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 37 vom 15. 09. 2013, S. 50. 533. Schorpp, Maria: Der Dschungelkönig. Das Zimmertheater »Färbe« in Singen überrascht mit einer schrill-amüsanten Politsatire von Schiller. In: Südkurier. Konstanz. Ausg. vom 18. 02. 2013. – Zu einer Aufführung des »Parasit« in der Inszenierung von Peter Simon. 534. Schütt, Hans-Dieter: Größe klingt plötzlich wie Blöße. Schillers »Der Parasit« am Staatsschauspiel Dresden. In: Neues Deutschland. Berlin. Nr. 154 vom 5. 07. 2013, S. 15. – Zu einer Inszenierung von Stefan Bachmann. 535. Schulte, Bettina: Der Schein regiert die Welt. Eine Entdeckung: Die Mannheimer Schillertage wurden mit »Der Parasit« eröffnet. In: Badische Zeitung. Freiburg im Breisgau. Nr. 143 vom 24. 06. 2013, S. 7. – Zu einer Inszenierung von Stefan Bachmann. 536. Sigg, Arnold: Schiller für ein Publikum von heute. Einen langatmigen Klassiger hat die Singener »Färbe« in eine kurzweilige Komödie umgewandelt. »Der Parasit« von Schiller bereitete den Premierebesuchern einen vergnüglichen Abend. In: Schaffhauser Nachrichten. Ausg. vom 15. 02. 2013. – Zu einer Inszenierung von Peter Simon.
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537. Sternburg, Judith von: Morgen denken wir darüber nach. Stefan Bachmanns sehr komischer »Parasit« eröffnet die Mannheimer Schillertage. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 143 vom 24. 06. 2013, S. 21. 538. Thiele, Sebastian: Mit spitzen Ellenbogen und leichtfüßig federnd. Mit einer fast vergessenen Komödie beendet das Staatsschauspiel Dresden den Premierereigen seiner 100. Spielzeit: »Der Parasit« ist ein amüsanter Beamten-Stadl. In: Sächsische Zeitung. Dresden. Ausg. vom 1. 07. 2013, S. 19. – Zu einer Inszenierung von Stefan Bachmann.
8.6 Bearbeitungen und Vertonungen 8.6.1 Musikalisch-dramaturgische Medialisierungen und sprachliche Transformationen: Libretti, Partituren, Noten 539. Feler, Anne: [Jean-Henri-Ferdinand] Lamartelières Bearbeitung der »Räuber« in Frankreich im Jahre 1793. Eine revolutionäre ›Idealisierung‹ von Schillers dramatischer Praxis und Ästhetik. In: Friedrich Schiller in Europa. Konstellationen und Erscheinungsformen einer politischen und ideologischen Rezeption im europäischen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Herausgegeben von Anne Feler, Raymond Heitz und Gilles Darras. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2013, S. 143–162. (= Beihefte zum Euphorion. 76). – ISBN 978-3-8253-6228-7. Der Beitrag gliedert sich in die Abschnitte: 1. Gestaltung und Symbolik des Räubermotivs: Der Räuber als Leitfigur des Befreiungskampfs gegen die Despotie. – Dramaturgische Erneuerung als prorevolutionäre Pädagogik. – 2. Funktionalisierung von Schillers Ästhetik: Politisierung der Schillerschen ästhetisch-philosophischen Vorstellungen. – Schillers ästhetisch-ethische Anschauungen im Dienst der ethischen Fundierung der Revolution. – 3. Schiller und die Französische Revolution als gegenseitige Spiegelbilder: Schillers politische Plastizität. – Die Übertragung des Räuberdramas als Parteinahme für die gemäßigte Revolution und als Bild der politisch geprägten ›Lumières françaises‹. – Literatur als Vermittlerin der revolutionären Universalität. – Schlussfolgerung. 540. Schumann, Robert: Ouverture zur »Braut von Messina« von Fr. v. Schiller op. 100 [Partitur]. In: Ders., Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie I: Orchesterwerke. Werkgruppe 3: Ouvertüren. Begründet von Akio Mayeda und Klaus Wolfgang Niemöller. Herausgegeben von Armin Koch. Mainz: Schott Music, 2013, S. 1–53, 4°. – ISBN 978-3-7957-9321-0 / ISMN 979-0-001-15592-2. Kritischer Bericht / Critical Notes (Übersetzung von Margit L. McCorkle): I. Werkgeschichte / History of the Work: 1. Entstehung und Uraufführung / Genesis and Première. – 2. Drucklegung / Publication. – 3. Aufführungsgeschichte und Rezeption / History of Performance and Reception (S. 223–261). – II. Quellen / Sources: 1. Alphabetisches Verzeichnis der Quellensiglen / Alphabetical List of Source Sigla. –
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2. Quellenbeschreibung / Description of Sources. – 3. Quellenbewertung / Evaluation of Sources (S. 262–280). – III. Revisionsbericht / Editorial Notes (S. 281–293).
8.6.2 Gesamtdarstellungen, Einzelstudien und Beiträge in musikgeschichtlichen Nachschlagewerken 541. Dennig-Jaschke, Katharina: Maestro Verdi lächelt. Psychoanalytische Betrachtungen. Innsbruck: Studia Universitätsverlag, 2012, 757 S. – ISBN 978-3-90265264-5. Der Band enthält Kapitel zu folgenden Opern: Giovanna d’Arco (S. 83–89). – I masnadieri (S. 117–127). – Luisa Miller (S. 142–157). – Don Carlos (S. 463–526). 542. Döhring, Sieghart: Don Carlos. Opéra en cinq actes. – Don Carlo. Opera in quattro atti. In: Verdi Handbuch. Herausgegeben von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler / Bärenreiter, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2013, S. 504–517. – ISBN 978-3-476-02377-3. 543. Gerhard, Anselm: Giovanna d’Arco. Dramma lirico in un prologo e tre atti. In: Verdi Handbuch. Herausgegeben von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler / Bärenreiter, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2013, S. 370–374. – ISBN 978-3-476-02377-3. 544. Kolago, Lech: Deutsche Texte aus dem 19. Jahrhundert, vertont von polnischen Komponisten; unter besonderer Berücksichtung des lyrischen Werkes von Friedrich Schiller. In: Deutsch-polnische Beziehungen in Kultur und Literatur. Band 5: Materialien der Konferenz 12.-13. April 2013. Herausgegeben von Lech Kolago, Katarzyna Grzywka und Robert Małecki. Warszawa: Instytut Germanistyki Uniwersytetu Warszawskiego, 2013, S. 15–30. – ISBN 978-83-89919-22-9. 545. Kreuzer, Gundula: I masnadieri. Melodramma tragico. In: Verdi Handbuch. Herausgegeben von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler / Bärenreiter, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2013, S. 398–404. – ISBN 978-3-476-02377-3. 546. Lanza Tomasi, Gioacchino: »Don Carlos«. Uno studio per il grand-opéra. In: Vivere senza paura. Scritti per Mario Bortolotto. A cura di Jacopo Pellegrini e Guido Zaccagnini. Torino: EDT, 2007, S. 95–109. – ISBN 978-88-6040-076-5. 547. Lund, Tobias: Freedom and Captivity. »Die Bürgschaft« (D.246) and the Art of Declamation. In: Ders., Enthusiasm, Contemplation, and Romantic Longing. Reconsidering Schubert’s Sectional Songs in the Light of Historical Context. Lund: Lund University (Department of Arts and Cultural Sciences), 2009, S. 55–166. – ISBN 978-91-976670-2-9. Das Kapitel gliedert sich in die Abschnitte: A contradiction in the circle’s thinking? (S. 55–59). – Freedom and ideal in friendship and art (S. 60–75). – Song setting
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as declamation (S. 75–80). – Extensive declamation: Influence of theatre – Melodrama as a model for sectional songs – Natural signs – »German« multiplicity (S. 80–104). – Restrained declamation: Genre expectations – Aesthetic freedom and human ennoblement – Theatre as base entertainment – Elitism and ›gebildete‹ expression (S. 104–131). – Schubert’s »Die Bürgschaft«: Ingenious intimation – Foreground and background in painting and poetry – Foreground and background in musical settings of poems – ›Haltung‹ and ›Gruppe‹ in »Die Bürgschaft« – Freedom from distracting details and freedom from a captivating whole – A Schillerian perspective (S. 131–166). Appendix I: »Die Bürgschaft« (D.246). [Partitur]. Reprinted from »Franz Schubert: Gesamtausgabe«. Herausgegeben von Eusebius Mandyczewski. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1894-1895, Serie 20, Nr. 109, S. 11–29 (S. 300–318). 548. Schweikert, Uwe: Luisa Miller. Melodramma tragico in tre atti. In: Verdi Handbuch. Herausgegeben von Anselm Gerhard und Uwe Schweikert. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler / Bärenreiter, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2013, S. 417–426. – ISBN 978-3-476-02377-3.
8.7 Illustrationen und Ikonographie 549. Davidis, Michael: Von der Miniatur zum Monument. Schiller-Bildnisse in Marbach und Rudolstadt. Rudolstadt: Stadt Rudolstadt, 2013, 47 S. (= Rudolstädter Schiller-Schriften. 4). – ISBN 978-3-910013-86-8. 550. Fischer, Sabine: Auf Augenhöhe? Friedrich und Charlotte Schiller im Porträt. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für Neuere Deutsche Literatur. Band 57. Göttingen: Wallstein Verlag, 2013, S. 140–173. – ISBN 978-3-8353-1322-4. 551. Koloßa, Matthias: Schiller und Schiller-Zitate auf deutschen Geldscheinen. Erfurt: Erfurter Münzfreunde, 2013, 254, [23] S. mit zahlreichen Abbildungen. (= Erfurter Numismatische Forschungen. 2). 552. Schumacher, Doris: Historien für den Hausgebrauch. Johann Heinrich Rambergs Illustrationen zu Friedrich Schiller. In: Literatur – Bilder. Johann Heinrich Ramberg als Buchillustrator der Goethezeit. Herausgegeben von Alexander Košenina. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2013, S. 49–68. – ISBN 978-3-86525-339-2. Im Katalogteil sind knappe erläuternde Texte zu den Stichen enthalten: »Die Braut von Messina« von Markus Wessels (S. 304–305), »Die Bürgschaft« von Julian Ingelmann (S. 306–307), »Demetrius« von Markus Wessels (S. 308–309), »Don Karlos« von Manuel Zink (S. 310–311), »Der Gang nach dem Eisenhammer« von MarieLuise Enss (S. 312–313), »Die Jungfrau von Orleans« von Johannes Rößler (S. 314– 315), »Kabale und Liebe« von Julian Ingelmann (S. 316–319), »Der Kampf mit dem Drachen« von Marie-Luise Enss (S. 320–321), »Die Kraniche des Ibykus« von Ale-
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xander Košenina (S. 322–323), »Das Lied von der Glocke« (S. 324–325), »Maria Stuart« von Frederike Müller (S. 326–329), »Pegasus im Joche« von Marie-Luise Enss (S. 330–331), »Die Räuber« von Alexander Košenina (S. 332–335), »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« von Johannes Rößler (S. 336–337), »Wallenstein« von Manuel Zink (S. 338–339) und »Wilhelm Tell« von Manuel Zink (S. 340–343).
8.8 Produktive Rezeption: Dichtungen, Bearbeitungen, Parodien, Anekdoten, Filme 553. Birkner, Nina / Birkner, Gerhard Kay: Die Grafen von Moor. Eine Bühnenbearbeitung von Schillers »Räubern«, nach der Handschrift von 1785. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2013, 142 S. (= Theatertexte. 35). – ISBN 978-3-86525-317-0. 554. Buschey, Monika: Schillers Weste. Bochum, Freiburg im Breisgau: Projektverlag, 2013, 143 S. – ISBN 978-3-89733-271-3. – Erzählende Prosa. 555. Christiansen, Thesi: He stünn op seines Daches Zinnen. Nach Friedrich Schillers »Der Ring des Polykrates«. – »Kassandra«. Nach der Ballade von Friedrich Schiller. – »Die Jungfrau von Orleans«. Friedrich Schillers Drama in plattdeutschen Reimen. In: Dies., Des Sängers Fluch und andere Parodien in ehrbaren plattdeutschen Riemels. Norderstedt: Kadera Verlag, 2013, S. 8–10, S. 11–14 und S. 34–38. – ISBN 978-3-944459-13-4. 556. Falk, Susanne: Schöne Tage in Weimar. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag & Kindler, 2013, 316 (1) S. – ISBN 978-3-463-40630-5. – Die Handlungen kreisen um das Weimarer Goethe-Schiller-Denkmal von Ernst Rietschel. 557. Hausen, Rita: Schiller-Code. Kriminalroman. Berlin: AAVAA Verlag, 2012, 244 S. – ISBN 978-3-8459-0161-9. 558. Heuer, Imke Wiebke: »Mein ist die That«. Attentäterinnen in der Literatur. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 2013, 648 S. (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. 779). – ISBN 978-3-8260-5108-1. In einigen Kapiteln dieser Untersuchung wird das Theaterstück »Ulrike Maria Stuart« von Elfriede Jelinek behandelt: Körper und Kleidung: Kleidung als Inszenierungsrahmen (S. 59 ff.). – Wiederholte Rituale: Tod in Serie (S. 154 ff.). – Sprechund Subjektpositionen: Melancholisches Sprechen (S. 201 ff.). – (Vor)Bilder und Genealogien: Muttergesellschaft (S. 425 ff.). – Märtyrer- und Opfersemantiken: Messianische Inszenierung oder Message ›Messias‹ (S. 526 ff.). 559. Hultenreich, Jürgen K.: Die Schillergruft. Roman. Berlin: Edition A. B. Fischer, 2013, 255 S. – ISBN 978-3-937434-56-8. Die erste Fassung dieses Romans ist 2001 im Berliner Weidler Verlag erschienen [s. Schiller-Bibliographie 2002, Nr. 403].
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560. Kindermann, Barbara: Haydutlar. Resimleyen: Klaus Ensikat. Çeviren: Kâzım Ozdoğan. Istanbul: Gergedan Yay., 2013, [o. S.]. (= Çocuklar Için Dünya Edebiyatı). – ISBN 978-605-63972-2-6. Türkische Übersetzung des von Klaus Ensikat illustrierten Bandes: Die Räuber. Nach Friedrich Schiller. Neu erzählt von Barbara Kindermann. Berlin 2010 [Marbacher Schiller-Bibliographie 2010, Nr. 452]. 561. Klein, Delphine: »Ulrike Maria Stuart« d’Elfriede Jelinek. Contre l’embaumement d’un classique. In: Les classiques d’hier aujourd’hui. Études réunies par Fabrice Malkani et Frédéric Weinmann. Aix-en-Provence: Université de Provence, 2013, S. 145–157. (= Cahiers d’Études Germaniques. 65). – ISSN 0751-4239. 562. Schlegel, August Wilhelm: Schillers Lob der Frauen. In: Gedichte für Frauen. »Ich sehe dich in tausend Bildern«. Herausgegeben von Adrienne Schneider. Wiesbaden: Matrix-Verlag, 2013, S. 186. – ISBN 978-3-86539-333-3. Erstveröffentlichung des Gedichts [vermutlich] in: Ders., Sämmtliche Werke. Herausgegeben von Eduard Böcking. Band 2: Poetische Werke. Zweiter Teil. Leipzig: Weidmann’sche Buchhandlung, 3., sehr vermehrte Ausgabe, 1846, S. 172. 563. Schulz, Georg-Michael: Schiller-Filme im Fernsehen. In: Fernsehen als Medium der Literatur. Herausgegeben von Peter Seibert unter Mitarbeit von Patrick Pfannkuch und Jana Piper. Kassel: Kassel University Press, 2013, S. 175–190. (= Intervalle. Schriften zur Kulturforschung. 13). – ISBN 978-3-86219-438-4. 564. Überall Schillert’s. Anekdoten und Geschichten über Friedrich Schiller. Gesammelt, ausgewählt und nacherzählt von Ernst Kaufmann. Rudolstadt: Burghügel Editionsverlag, 2013, 168 S. – ISBN 978-3-943509-11-3. Der Band enthält auch die beiden Gedichte »Punschlied« (S. 27) und »Das Mädchen aus der Fremde« (S. 55).
8.9 Schiller in pädagogisch-didaktischen Medien: Textausgaben, Interpretationen, Kommentare, Materialien und Modelle für den Deutschunterricht 565. Adam, Lothar / Wessels, Hans-Friedrich: Friedrich Schiller, »Kabale und Liebe«. Prüfungstraining Literatur. Schritt für Schritt zur erfolgreichen Klausur. Freising: Stark Verlagsgesellschaft, 2012, 56 S., 4° und Lösungsheft 30 S. – ISBN 978-386668-677-9. 566. Ehm, Matthias / Mim, Bettina: Friedrich Schiller, »Maria Stuart. Ein Trauerspiel« … verstehen. Herausgegeben von Johannes Diekhans und Michael Völkl. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2013, 135 (2) S. (= EinFach Deutsch). – ISBN 978-3-14-022479-6. Inhalt (Auszug): Der Inhalt im Überblick (S. 8). – Die Personenkonstellation (S. 9). – Inhalt, Aufbau und erste Deutungsansätze (S. 10–58). – Hintergründe:
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Lebensstationen Schillers. – Schillers klassische Kunsttheorie. – Dramenkonzeption. – Der historische Stoff und Schillers Bearbeitung. – Entstehung und Rezeption des Dramas (S. 59–85). – Das Drama »Maria Stuart« in der Schule. Der Blick auf die Figuren: Die Personencharakterisierung. – Der Blick auf den Text: Die Szenenanalyse. – Der Blick auf die Prüfung: Themenfelder (S. 86–135). 567. Friedl, Gerhard: Freiheit, Schönheit, Sittlichkeit und Humanität in Schillers Dichtung und Ästhetik. In: Ders., Klassik. Herausgegeben von Johannes Diekhans. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2012, S. 123–146. (= EinFach Deutsch: Unterrichtsmodell). – ISBN 978-3-14-022380-5. Auch in den Kapiteln »Begriff, ideelle Grundlagen und Abgrenzungen«, »Weimar« und »Antike« gibt es mehrfach Bezüge zu Schillers Gedichten und ästhetischen Schriften. 568. Hartmann, Ina: Examensstunde. Die Millers – eine zeittypische bürgerliche Familie des 18. Jahrhunderts. Untersuchung der Familienstrukturen der Familie Miller und Vergleich dieser mit dem Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie im 18. Jahrhundert. München: Grin Verlag, 2013, 16 S., 8°. – ISBN 978-3-656-34483-4. (Studienseminar Detmold, Unterrichtsentwurf zu Schillers »Kabale und Liebe«). 569. Hollstein, Nina: »Der Handschuh« – Eine Ballade von Friedrich Schiller. Die Gedanken Delorges’ nach dem geforderten Liebesbeweis Kunigundes: Eine szenisch-empathische Auseinandersetzung. München: Grin Verlag, 2009, 17 S., 8°. – ISBN 978-3-656-33116-2. (Unterrichtsmodell Sekundarstufe I). 570. Lawitschka, Nina: Balladeske Texte im Unterricht der Grundschule, dargestellt an Friedrich von Schillers »Der Handschuh«. München: Grin Verlag, © 2003 [2012], 16 S. – ISBN 978-3-656-20585-2. (Braunschweig: Technische Universität Carolo-Wilhelmina, Seminar für deutsche Sprache und Literatur, Hausarbeit). 571. Lehmann, Katja: »Kabale und Liebe« als Ausgangspunkt literarischen und historischen Lernens im Deutschunterricht. In: Literaturgeschichte. Herausgegeben von Wolfgang Hackl und Claudia Rauchegger-Fischer. Innsbruck, Wien, Bozen: Studien-Verlag, 2012, S. 80–87. (= Informationen zur Deutschdidaktik. 36/4). – ISSN 0721-9954. 572. Luger, Urs: »Die Räuber«. Nach Friedrich Schiller. Niveaustufe A2, leichte Literatur. Mit Illustrationen von Oleg Kantorovitch. Ismaning: Max Hueber Verlag, 52 S. mit 1 CD. (= Hueber-Lektüren: Deutsch als Fremdsprache). – ISBN 978-3-19611673-1.
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573. Müller, Sarah: Ist der Starke am mächtigsten allein? Unterdrückung und Widerstand in Schillers »Wilhelm Tell«. Welche Handlungsoptionen bieten sich den Figuren aufgrund der Willkürherrschaft der Vögte? München: Grin Verlag, 2012, 13 S., 8°. – ISBN 978-3-16396-1. (Unterrichtsentwurf). 574. Müller-Völkl, Claudia / Völkl, Michael: Friedrich Schiller, »Die Jungfrau von Orleans« … verstehen. Eine romantische Tragödie. Herausgegeben von Johannes Diekhans und Michael Völkl. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2013, 138 S. (= EinFach Deutsch). – ISBN 978-3-14-022560-1. Inhalt (Auszug): Der Inhalt im Überblick (S. 7–9). – Die Personenkonstellation (S. 10). – Inhalt, Aufbau und erste Deutungsansätze (S. 11–78). – Hintergründe: Schillers Lebensstationen. – Schiller als Dramatiker. – Entstehungsgeschichte des Dramas. – Dramenkonzeption: eine romantische Tragödie? – Rezeption (S. 79–99). – Das Drama »Die Jungfrau von Orleans« in der Schule. Der Blick auf die Figuren: Die Personencharakterisierung (S. 100–120). – Der Blick auf den Text: Die Szenenanalyse (S. 121–130). – Der Blick auf die Prüfung: Themenfelder (S. 131–135). 575. Popp, Hansjürgen: Friedrich Schiller, »Maria Stuart«. Inklusive Abitur-Fragen mit Lösungen. Ausführliche Inhaltsangabe mit Interpretation. Stuttgart: Klett Lerntraining, 2013, 156 S. (= Klett Lektürehilfen). – ISBN 978-3-12-923078-7. Inhalt (Auszug): Zur Einführung (S. 5). – Der inhaltliche Aufbau des Stücks (S. 6–40). – Die Hauptpersonen und ihre Konstellation (S. 41–65). – Thematische Aspekte: Politik und Moral. – Selbstfindung / Die Idee der Freiheit. – Geschichtspessimismus oder Geschichtsoptimismus? – Der Rollenkonflik der Frau in der Politik (S. 66–81). – Die dramatische Bauform (S. 82–88). – Sprache und Vers (S. 89–97). – »Maria Stuart« im Zusammenhang von Schillers Gesamtwerk (S. 98– 105). – Das Drama und die Geschichte: Die historischen Grundlagen. – Das Leben Maria Stuarts. – Schillers Quellen. – Poetische Freiheiten Schillers gegenüber der Geschichte (S. 106–116). – Entstehung und Rezeption (S. 117–119). – Interpretationsansätze (S. 120–127). – Literaturhinweise (S. 128–129). – Prüfungsaufgaben und Lösungen (S. 130–152). – Stichwortverzeichnis (S. 153–156). 576. Richter, Karin: ›Vom Sockel geholt‹. Wege zu Goethe und Schiller in der Grundschule und in der Sekundarstufe I. Modelle und Materialien für den Literaturunterricht in fächerverbindender Perspektive. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2013, 173 S. (= Bilder erzählen Geschichten: Geschichten erzählen zu Bildern. 9/2). – ISBN 978-3-8340-1129-9. Inhalt (Auszug): III. Biographien und Lebensgeschichten von Schriftstellern in kultureller und literaturdidaktischer Perspektive (S. 5–8). – IV. Die Bausteine für das Unterrichtsprojekt ›Vom Sockel geholt‹: Die Herkunft der beiden Dichter, ihre Kindheit und ihr Bildungsweg. – Die Suche von Goethe und Schiller nach ihrem Beruf und ihrem ›Lebensort‹. – Goethes und Schillers Beziehungen zu Frauen, ihre
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Ehe und Familie. – Distanz und Nähe zwischen Goethe und Schiller, ihre Freundschaft und das gemeinsame Dichten im Balladenjahr. – Der frühe Tod Schillers und die Trauer Goethes. – Die Balladen »Die Bürgschaft« und »Der Zauberlehrling«: Schwerpunkte der Texterschließung (S. 9–64). – V. Modelle für den Unterricht (S. 65–118). – Abbildungsverzeichnis (S. 119–122). – Literaturverzeichnis (S. 123–127). – Arbeitsmaterialien (S. 128–173). 577. Schäfer, Stefan: Friedrich Schiller, »Kabale und Liebe«. Unterrichtssequenzen. Abiturlektüre in 14 komplett ausgearbeiteten Unterrichtseinheiten (11. bis 13. Klasse). Donauwörth: Auer Verlag (AAP Lehrerfachverlag), 2013, 80 S. mit 1 CD, 4°. – ISBN 978-3-403-07149-5. 578. Schiller, Friedrich: »Die Räuber«. Bearbeitet von Judith Woll und Ulrike von Thenen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2013, 186 S. (= Literathek. Herausgegeben von Florian Radvan und Anne Steiner). – ISBN 978-3-06-062929-9. Inhalt: Kurzbiografie (S. 6–11). – Vorrede zur ersten Auflage (S. 15–19). – Sachinformationen (S. 180–186). – Die Ausgabe enthält keinen Hinweis zur Textgestalt. 579. Schiller, Friedrich: »Die Räuber«. Bearbeitet von Ulrike von Thenen und Judith Woll. Berlin: Cornelsen Verlag, 2013, 64 S., 4° mit 1 CD. (= Kopiervorlagen: Literathek. Herausgegeben von Florian Radvan und Anne Steiner). – ISBN 978-3-06062918-3. 580. Thietz, Kirsten: Friedrich Schiller, »Die Jungfrau von Orleans«. Kopiervorlagen. Herausgegeben von Bernd Schurf und Andrea Wagener. Berlin: Cornelsen Verlag, 2012, 48 S., 4°. (= Texte, Themen und Strukturen). – ISBN 978-3-06-060224-7. 581. Varga, Lorenz: Friedrich Schiller, »Wilhelm Tell«. Freising: Stark Verlagsgesellschaft, 2013, 96 S. (= Interpretationen Deutsch). – ISBN 978-3-86668-558-1. Inhalt (Auszug): Einführung (S. 1–2). – Biografie und Entstehungsgeschichte: 1. Friedrich Schiller: Lebensdaten und Werk. – 2. «Wilhelm Tell«: Stoff und Historie. – 3.Entstehungsgeschichte des Dramas (S. 3–12). – Inhaltsangabe (S. 13–22). – Textanalyse und Interpretation: 1. Das geschlossene Ideendrama der Weimarer Klassik (S. 23–25). – 2. Aufbau und Struktur von »Wilhelm Tell« (S. 26–30). – 3. Figurenkonstellation (S. 31–35). – 4. Charakterisierung der Hauptfiguren (S. 36–54). – 5. Motive und zentrale Aspekte (S. 55–66). – 6. Sprache (S. 67–70). – 7. Interpretation von Schlüsselszenen (S. 71–87). – Rezeption und Wirkung (S. 89–94). 582. Volk, Stefan: Friedrich Schiller, »Wilhelm Tell« … verstehen. Herausgegeben von Johannes Diekhans und Michael Völkl. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag, 2013, 126 (1) S. (= EinFach Deutsch). – ISBN 978-3-14-022574-8. Inhalt (Auszug): Der Inhalt im Überblick (S. 8–9). – Die Personenkonstellation (S. 10). – Inhalt, Aufbau und erste Deutungsansätze (S. 11–58). – Hintergründe: Schillers Lebensstationen. – Schillers Gesellschafts- und Menschenbild. – Auseinandersetzung mit der Französischen und Amerikanischen Revolution. – Regeldrama: das klassische Fünfaktschema. – Entstehung und Nationalmythos
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der Schweiz. – Literarische Einflüsse. – Die Entstehungsgeschichte des Dramas »Wilhelm Tell«. – Wirkung und Rezeption (S. 59–80). – Das Drama »Wilhelm Tell« in der Schule. Der Blick auf die Figuren: Die Personencharakterisierung (S. 81–105). – Der Blick auf den Text: Die Szenenanalyse (S. 106–118). – Der Blick auf die Prüfung: Themenfelder (S. 119–124). 583. Zimmer, Thorsten: Friedrich Schiller, »Kabale und Liebe«. Freising: Stark Verlagsgesellschaft, 2012, 85 S. mit Illustrationen. (= Interpretationshilfe Deutsch). – ISBN 978-3-89449-600-5.
9 Audiovisuelle Medien: Literarische Quellen: Lesungen, Vertonungen, Bearbeitungen (CDs und DVDs in Auswahl) 584. Braun, Peter: Friedrich Schiller. Biografie und Werkauszüge. Szenische Lesung mit Matthias Haase, Peter Kaempfe, Friedhelm Ptok, Sabine Falkenberg, Dominik Freiberger, Thomas Krause und Ingeborg Wunderlich. Auswahl der Texte und Produktion Rudi Mika. Dortmund: Igel-Genius, 2013, 2 CD, 57:52 und 74:40 Min. und Booklet. (= Dichterköpfe). – ISBN 978-3-89353-460-9. Inhalt von CD 1: 1. Ein Leben in bewegter Zeit (8:23 Min.). – 2. Der »Räuberdichter« (9:00 Min.). – 3. Von Mannheim nach Jena (9:13 Min.). – 4. Keine Studenten – kein Geld! (6:35 Min.). – 5. Der Schlachtruf der Revolution (5:35 Min.). – 6. Schiller und Goethe in Weimar (6:18 Min.). – 7. Friedrich von Schiller (5:02 Min.). – 8. Gebeine, Schädel und viele Fragezeichen (7:42 Min.). Inhalt von CD 2: 1. »Der Handschuh« (3:01 Min.). – 2. Auszug aus »Die Räuber« (3:52 Min.). – 3. «Der Taucher« (9:05 Min.). – 4. Auszug aus »Kabale und Liebe« (3:52 Min.). – 5. Auszug aus »Don Carlos« (1:19 Min.). – 6. »Die Bürgschaft« (7:21 Min.). – 7. »Der Ring des Polykrates« (5:11 Min.). – 8. Auszug aus »Philosophische Briefe« (3:45 Min.). – 9. Auszug aus »Die Jungfrau von Orleans« (2:44 Min.). – 10. »Die Kraniche des Ibykus« (9:13 Min.). – 11. Auszug aus »Wilhelm Tell« (5:37 Min.). – 12. »Das Lied von der Glocke« (19:34 Min.). 585. Фридрих Шиллер: Поэзия – Биография. Читает заслуженный артист Илья Прудовский. Биография Ф. Шиллера составлена по статье »Шиллер и его произведения« Александра Ивановича Кирпичникова. Москва: Студия Ардис (Art Dictation Studio), 2008, 1 CD (MP 3), 4:51 h. (= Поэтическая Библиотека). Transliteration. – Fridrich Šiller: Poëzija – Biografija. Čitaet zaslužennyj artist Il’ja Prudovskij. Biografija F. Šillera sostavlena po staťe »Šiller i ego proizvedenija« Aleksandra Ivanoviča Kirpičnikova. Moskva: Studija Ardis, 2008. (= Poëtičeskaja Biblioteka). Inhalt: 1. Прощание Гектора (Перевод Л. Мея) / »Hektors Abschied«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 2. Лаура за клавесином (Перевод В.
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Бенедиктова) / »Laura am Klavier«. Übersetzung von Vladimir Grigorievič Benediktov. – 3. Руссо (Перевод Л. Мея) / »Rousseau«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 4. Упоение (Лауре) (Перевод Ф. Миллера) / »Die Entzückung. An Laura«. Übersetzung von Fedor Miller. – 5. Детоубийца (Перевод А. Коринфского) / »Die Kindesmörderin«. Übersetzung von Apollon Apollonovič Korinfskij. – 6. Величие мира (Перевод М. Михайлова) / »Die Größe der Welt«. Übersetzung von Michail Larionovič Michajlov. – 7. Фортуна и Мудрость (Перевод Ф. Тютчева) / »Das Glück und die Weisheit«. Übersetzung von Fedor Ivanovič Tjutčev. – 8. Цветы (Перевод А. Фета) / »Die Blumen«. Übersetzung von Afanasij Afanasevič Fet. – 9. К весне (Перевод К. Фофанова) / »An den Frühling«. Übersetzung von Konstantin Michajlovič Fofanov. – 10. Минне (Перевод В. Бенедиктова) / »An Minna«. Übersetzung von Vladimir Grigorievič Benediktov. – 11. Тайна воспоминания (Перевод А. Григорьева) / »Das Geheimnis der Reminiszenz«. Übersetzung von Apollon Aleksandrovič Grigor’ev. – 12. Элизиум (Перевод Г. Данилевского) / »Elysium«. Übersetzung von Grigorij Petrovič Danilevskij. – 13. Достоинство мужчины (Перевод Ф. Миллера) / »Die Würde des Menschen«. Übersetzung von Fedor Miller. – 14. Граф Эбергард Грейнер. Военная песня (Перевод Л. Мея) / »Graf Eberhard der Greiner«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 15. Борьба (Перевод А. Майкова) / »Der Kampf«. Übersetzung von Apollon Nikolaevič Majkov. – 16. Песнь Радости (Перевод Ф. Тютчева) / »An die Freude«. Übersetzung von Fedor Ivanovič Tjutčev. – 17. Боги Греции (Перевод М. Достоевского) / »Die Götter Griechenlands«. Übersetzzung von Michail Michajlovič Dostoevskij. – 18. В альбом девушки (Перевод М. Достоевского) / »Einer jungen Freundin ins Stammuch«. Übersetzung von Michail Michajlovič Dostoevskij. – 19. Идеалы (Перевод В. Бенедиктова) / »Die Ideale«. Übersetzung von Vladimir Grigorievič Benediktov. – 20. Вечер (Перевод А. Фета) / »Der Abend«. Übersetzung von Afanasij Afanasevič Fet. – 21. Колумб (Перевод М. Михайлова) / »Kolumbus«. Übersetzung von Michail Larionovič Michajlov. – 22. Достоинство женщины (Перевод О. Чюминой) / »Würde der Frauen«. Übersetzung von Ol’ga Nikolaevna Čjumina. – 23. Немецкая верность (Перевод Ф. Миллера) / »Deutsche Treue«. Übersetzung von Fedor Miller. – 24. Раздел земли (Перевод К. Фофанова) / »Die Teilung der Erde«. Übersetzung von Konstantin Michajlovič Fofanov. – 25. Дева из чужбины (Перевод О. Чюминой) / »Das Mädchen aus der Fremde«. Übersetzung von Ol’ga Nikolaevna Čjumina. – 26. Жалоба Цереры (Перевод В. Жуковского) / »Klage der Ceres«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 27. Могущество женщины (Перевод О. Чюминой) / »Macht des Weibes«. Übersetzung von Ol’ga Nikolaevna Čjumina. – 28. Дифирамб (Перевод В. Жуковского) / »Dithyrambe«, Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 29. Тень Шекспира. Пародия (Перевод П. Катенина) / »Shakespeares Schatten«. Übersetzung von Pavel Aleksandrovič Katenin. – 30. Театр жизни (Перевод Н. Холодковского) / »Das Spiel des Lebens«. Übersetzung von Nikolai Aleksandrovič Cholodkovskij. – 31. К Эмме (Перевод В. Жуковского) / »An Emma«. Übersetzung von Vasilij
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Andreevič Žukovskij. – 32. К Эмме (Перевод И. Козлова) / »An Emma«. Übersetzung von Ivan Ivanovič Kozlov. – 33. К Нине (Перевод М. Лермонтова) / »Nänie«. Übersetzung von Michail Jur’evič Lermontov. – 34. Ожидание (Перевод Л. Мея) / »Die Erwartung«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 35. Тайна (Перевод К. Аксакова) / »Das Geheimnis«. Übersetzung von Konstantin Sergeevič Aksakov. – 36. Кубок (Перевод В. Жуковского) / »Der Taucher«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 37. Перчатка (Перевод В. Жуковского) / » Der Handschuh«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 38. Поликратов перстень (Перевод В. Жуковского) / »Der Ring des Polykrates«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 39. Надовесский похоронный плач (Перевод М. Михайлова) / »Nadowessische Totenklage«. Übersetzung von Michail Larionovič Michajlov. – 40. Рыцарь Тогенбург (Перевод В. Жуковского) / »Ritter Toggenburg«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 41. Встреча (Перевод К. Аксакова) / »Die Begegnung«. Übersetzung von Konstantin Sergeevič Aksakov. – 42. Ивиковы журавли (Перевод В. Жуковского) / »Die Kraniche des Ibykus«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 43. Надежда (Перевод А. Фета) / »Hoffnung«. Übersetzung von Afanasij Afanasevič Fet. – 44. Счастие (Перевод В. Жуковского) / »Das Glück«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 45. Античные статуи в Париже (Перевод Ф. Миллера) / »Die Antiken zu Paris«. Übersetzung von Fedor Miller. – 46. Немецкая муза (Перевод Б. Алмазова) / »Die deutsche Muse«. Übersetzung von Boris Nikolaevič Almazov. – 47. Начало нового века (Перевод В. Курочкина) / »Der Antritt des neuen Jahrhunderts«. Übersetzung von Vasilij Stepanovič Kuročkin. – 48. Желание (Перевод В. Жуковского) / »Sehnsucht«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 49. Миг (Перевод М. Михайлова) / »Die Gunst des Augenblicks«. Übersetzung von Michail Larionovič Michajlov. – 50. Друзьям (Перевод К. Случевского) / »An die Freunde«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 51. Текла (Голос духа) (Перевод А. Григорьева) / »Thekla«. Übersetzung von Apollon Aleksandrovič Grigor’ev. – 52. Кассандра (Перевод В. Жуковского) / »Kassandra«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 53. Граф Габсбургский (Перевод В. Жуковского) / »Der Graf von Habsburg«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 54. Торжество победителей. Поминки (Перевод Ф. Тютчева) / »Das Siegesfest«. Übersetzung von Fedor Ivanovič Tjutčev. – 55. Пуншевая песня (Перевод А. Пушкина) / »Punschlied«. Übersetzung von Aleksandr Sergeevič Puškin. – 56. Альпийский стрелок (Перевод Л. Мея) / »Der Alpenjäger«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 57. Пуншевая песня. Для севера (Перевод Л. Мея) / »Punschlied. Im Norden zu singen«. Übersetzung von Ľev Aleksandrovič Mej. – 58. Путешественник (Перевод В. Жуковского) / »Der Pilgrim«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 59. Юноша у ручья (Перевод К. Фофанова) / »Der Jüngling am Bache«. Übersetzung von Konstantin Michajlovič Fofanov. – 60. Горная дорога (Перевод В. Жуковского) / »Berglied«. Übersetzung von Vasilij Andreevič Žukovskij. – 61.
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Вильгельм Телль (Перевод Н. Холодковского) / »Wilhelm Tell«. Übersetzung von Nikolai Aleksandrovič Cholodkovskij. * * * 586. Repke, Reinhardt: Freude schöner Götterfunken. Friedrich Schiller neu vertont. Reinhardt Repkes Club der toten Dichter mit Dirk Darmstaedter, Tim Lorenz, Andreas Sperling und Markus Runzheimer. Produziert von Rainer Oleak & Reinhardt Repke. Gemastert von Andreas Balaskas. Berlin: ZuG-Records & Musikverlag, 2013, 1 CD (62 Min.) und Booklet (12 S.). Inhalt: 1. Liebesbündnis schöner Seelen (3:30 Min.). – 2. Hoffnung (2:42 Min.). – 3. Die seeligen Augenblicke (3:42 Min.). – 4. Antiken zu Paris (3:40 Min.). – 5. Freude schöner Götterfunken (3:23 Min.). – 6. Das Glück und die Weisheit (3:25 Min.). – 7. Der Jüngling am Bache (4:45 Min.). – 8. Breite und Tiefe (2:42 Min.). – 9. Das Mädchen aus der Fremde (3:53 Min.). – 10. Des Mädchens Klage (3:45 Min.). – 11. An Minna (4:52 Min.). – 12. Räuberlied (3:45 Min.). – 13. Die Gunst des Augenblicks (5:06 Min.). – 14. Begegnung (3:35 Min.). – 15. An Emma (3:41 Min.). – Sehnsucht (5:29 Min.). 587. Schiller, Friedrich: Punschlied. In: Du bist wie eine Blume. Lieder von Wenzel Heinrich Veit. Mit Johannes Klüser (Tenor) und Tomáš Spurný (Fortepiano). Produktion: Annette Schumacher. [Ratingen:] Ars Produktion Schumacher, 2013, CD, Track 4 (1:38 Min.). 588. Schiller, Friedrich: Wallenstein. Fernsehadaption (1962). Mit Wilhelm Borchert, Ernst Fritz Fürbringer, Karl Michael Vogler, Wolfgang Kieling, Alexander Golling u.v. a. Drehbuch: Oliver Storz und Franz Peter Wirth. Hamburg: Studio Hamburg Enterprises, ARD Video, 2013, 2 DVD, 245 Min. und illustriertes Booklet, 14 S. (= Große Geschichten. 74). 589. Verdi, Giuseppe: Luisa Miller. Melodramma tragico in three acts. Libretto by Salvatore Cammarano based on the play »Kabale und Liebe« by Friedrich von Schiller. Live from Malmö Opera, Sweden 2012. With Olesya Golovneva, Vladislav Sulimsky, Taras Shtonda, Luc Robert, Ivonne Fuchs, Lars Arvidson u. a. – Malmö Opera Chorus and Orchestra: Michael Güttler (Conductor) and Stefano Vizioli (Stage Director). Directed for Television and Video by Dirk Simon. München: ArtHaus Musik, 2013, 1 DVD, 152 Min. und Booklet (9 S.).
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10 Personenregister Abt, Natalie 357 Acham, Karl 175 Achilles, Andrea 38, 44 Acosta López, María del Rosario 15, 131, 132, 193, 358 Acosta, Emiliano 109 Adam, Christine 512 Adam, Lothar 565 Adlam, Carol 155 Agard, Olivier 9, 124 Aguirre Martínez, Guillermo 263 Ahnert, Gerhild 462 Aki, Kader 294 Aksakov, Konstantin Sergeevič 585 Albert, Claudia 403 Allard, Sébastien 110 Almazov, Boris Nikolaevič 585 Alt, Peter-André 8, 264 Ammicht, Marion 525 Amoroso, Leonardo 133, 134 Andermann, Kerstin 234, 373 Andersen, Hans Christian 435 André, Michael 17 Andres, Christopher 92 Andres, Stefan 92 Anglet, Andreas 359 Anouilh, Jean 291 Aranzueque, Gabriel 332 Aristu, José Luis Gil 180 Arndt, Astrid 435 Arvidson, Lars 589 Aschenbrenner, Ann-Kristin 404 Asensi, Manuel 153 Avdić, Emina 419 Ayrenhoff, Cornelius Hermann von 106 Babić, Josip 426 Bachmann, Stefan 525, 526, 534, 535, 537, 538 Bachmann, Vera 250 Baigger, Katja 513 Balaskas, Andreas 586
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Balayé, Simone 271 Bandseladse, Beka 251 Barfknecht, Imke 252 Barner, Wilfried 5 Bartoszyński, Kazimierz 180 Bartozewicz, Iwona 279 Bassermann-Jordan, Gabriele von 450 Bastug, Nermin 253 Battenfeld, Katja 223 Bauer, Arnim 470, 4 Bauermeister, Ute 490 Baum, Manfred 161 Baumgarten, Alexander C. 218 Bazinger, Irene 471, 491 Beccaria, Cesare 303 Becker, Karina 347 Beckers, Jan 320 Beckett, Samuel 191 Beethoven, Ludwig van 107, 243, 251, 258 Béhague, Emmanuel 321 Behler, Constantin 399 Beintmann, Cord 472 Beiser, Frederick 135 Bekes, Peter 28, 29, 48 Benčić, Tea 88 Benediktov, Vladimir Grigorievič 585 Benkert, Nina 295 Bergel, Hans 136 Berger, Jürgen 473 Berger, Rudi W. 93 Bergmann, Andy 284 Bermond, Virginie de 110 Bernhard, Julia 461 Bernhard, Thomas 164 Berzeviczy, Klára 434 Beßlich, Barbara 405 Beuge, Sanja 88 Białek, Edward 298 Bienert, Michael 105 Binczek, Natalie 391
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Birkner, Gerhard Kay 553 Birkner, Nina 553 Blakaj-Gashi, Albulena 419 Blamberger, Günter 120 Blaser, Patric 474 Blawid, Martin 310 Boccaccio, Giovanni 374 Böcking, Eduard 562 Böckmann, Paul 436 Bodas Fernández, Lucía 192, 360 Bode, Martina 530 Bogen, Cornelia 223 Bogner, Ralf 339 Böhm, Alexandra 448 Böhmer, Anselm 137 Böhmer, Otto A. 94 Böhmer, Sebastian 302 Bohnen, Klaus 188 Bohnenkamp, Anne 293 Boock, Barbara 248 Borchert, Wilhelm 588 Borgards, Roland 361 Boriçi, Elda 70 Borrero Zapata, Victor Manuel 69 Bos, Christian 526 Bosetti, Annette 527 Bosse, Heinrich 391 Bosse, Monika 271 Boyken, Thomas 274 Brady, Emily 138 Brandes, Georg 421 Brandes, Peter 139 Brass, Nikolaus 140 Braun, Michael 92 Braun, Peter 584 Braungart, Georg 172, 346 Brecht, Bertolt 268 Bremer, Thomas 267, 315 Brenner, Matthias 506, 508 Brenner-Wilczek, Sabine 449 Breuer, Ingo 120 Breuer, Ulrich 390 Bridgwater, Patrick 362
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Brittnacher, Hans Richard 348 Bröder, Friedrich J. 463 Brogi, Susanna 204 Brucher, Rosemarie 141 Brück, Christoph 462 Bruyn, Wolfgang de 120 Buchholz, Friedrich 271 Buda, Aleks 75 Bultmann, Christoph 122 Bunia, Remigius 391 Bürger, Gottfried August 177, 394 Bürger, Peter 142 Burke, Edmund 163, 181 Burtscher, Cordula 16, 254 Busch, Walter 451 Buschey, Monika 554 Buschmeier, Matthias 319 Büssgen, Antje 143 Butler, Judith 151 Bůžek, Václav 333 Byron, George Gordon 453 Cadete, Teresa R. 235 Caiola, Maria Elena 144 Calabi, Lorenzo 145 Calderón, Pedro 238 Calhoon, Kenneth Scott 255 Cammarano, Salvatore 589 Campioni, Giuliano 169 Cantagrel, Laurent 110 Capograssi, Giuseppe 437 Casadeus, Ricard 146 Castorf, Frank 461 Cataldo Sanguinetti, Gustavo 147 Catel, Samuel Heinrich 271 Cecchinato, Giorgia 363 Cholodkovskij, Nikolai Aleksandrovič 585 Chołuj, Bożena 392, 455 Christiansen, Thesi 555 Church, Jeffrey 129 Čjumina, Ol’ga Nikolaevna 585 Claviez, Thomas 148 Cohn, Danièle 110
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Cometti, Jean-Pierre 142 Conant, James 149 Conterno, Chiara 458 Correa, Bernardo 132 Cotta, Johann Friedrich 340 Cozma, Carmen 150 Craig, Charlotte 19 Cramer, Carl Friedrich 292 Crimmann, Ralph P. 265 Cubleşan, Constantin 440 Cysarz, Herbert 438 Czachur, Waldemar 103 Czapla, Ralf Georg 256 Czyżewska, Marta 103 Dahlstrom, Daniel 125 Danek, Danuta 455 Daniel, Jessica Andrea 151 Danilevskij, Grigorij Petrovič 585 Danilevskij, Rostislav Jur’evič 430 Därmann, Iris 456 Darmstaedter, Dirk 586 Daroch, Magdalena 392 Darras, Gilles 7, 152, 423 Davidis, Michael 549 Davies, Steffan 422 De Angelis, Enrico 144 De Man, Paul 153 De Santis, Andrea 154 De Vos, Ludovicus 109 Del Soldato, Eva 6 Deligiorgi, Katerina 155, 156, 364 Dembeck, Till 391 Dennig-Jaschke, Katharina 541 Dermutz, Klaus 118 Detering, Heinrich 27, 435 Deubel, Werner 439 Deupmann, Christoph 435 Diallo, M. Mouhamadou 275 Diekhans, Johannes 566, 567, 574, 582 Döhring, Sieghart 542 Dörr, Volker C. 122, 157 Dössel, Christine 475 Dostoevskij, Fëdor Michajlovič 430
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Dostoevskij, Michail Michajlovič 585 Drews, Peter 428 Dreyer, Michael 231 Driscoll Colosimo, Jennifer 193, 210 Du Bois de Dunilac, Christine 158 Duarte, Rodrigo 85 Dülk, Renate 504 Dunsch, Baros 273 Düsing, Edith 159 Düsing, Klaus 160 Ebbinghaus, Julius 161 Ebersberger, Wolf 464 Echterhölter, Anna 456 Eckle, Jutta 340 Eger, Christian 123 Egger, Irmgard 162 Ehm, Matthias 566 Eminescu, Mihai 440 Endres, Johannes 163 Engelberg-Dočkal, Eva 20 Engelhardt, Dietrich von 340 Ensikat, Klaus 560 Enss, Marie-Luise 552 Erhard, Johann Benjamin 108 Erlenwein, Katharina 465, 466 Ernst, Petra 406 Erpulat, Nurkan 527, 529, 532 Esau, Miriam 335, 409 Euripides 395 Fabricius, Hans 441 Falk, Susanne 556 Falkenberg, Sabine 584 Farcaş, Mircea 440 Feler, Anne 7, 539 Ferraro, Alessia 439 Fet, Afanasij Afanasevič 585 Fetscher, Justus 164 Fiala-Fürst, Ingeborg 241 Fichte, Johann Gottlieb 109, 232, 304, 358 Fick, Monika 19 Fink, Wolfgang 267 Fischer, Gabriele 528
590
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Fischer, Jens 515 Fischer, Michael 282 Fischer, Sabine 550 Florentino Varella, Flávia 167 Fofanov, Konstantin Michajlovič 585 Foi, Maria Carolina 108, 266, 276, 277, 303, 322, 349 Formann, Inken 237 Formosa, Feliu 78, 82 Forster, Michael 231 Franco Ochoa, Carla Di 165 Franzen, K. Erik 476, 492 Fraschke, Bettina 477 Frederking, Volker 28, 29, 48 Freiberger, Dominik 584 Freier, Carolin 204 Freier-Otten, Ulf 204 Freitas, Verlaine 85 Freud, Sigmund 442 Fricke, Gerhard 443 Friedl, Gerhard 567 Fromholzer, Franz 230, 304 Fuchs, Ivonne 589 Fuchs-Shamanskaya, Liudmila 431 Fulda, Daniel 166 Fürbringer, Ernst Fritz 588 Gaio Guimarães Góes, Géssica 167 García, Jorge 142 Geisenhanslüke, Achim 172, 346 Gelan, Cristina 168 Gentili, Carlo 169 Genton, François 267 Gerardi, Giovanni 116 Gerbel’, Nikolaj Vasil’evič 430 Gerhard, Anselm 542, 543, 545, 548 Gerhard, Ute 407 Gerhardt, Volker 245 Gersch, Tilman 482 Geyersbach, Viola 97 Gibhardt, Boris Roman 110 Gleich, Joseph Alois 410 Głogowski, Kazimierz 397 Gmelin, Hermann 64
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
Godel, Rainer 236 Godo Costa, Juan 180 Goethe, Johann Wolfgang 55, 67, 91, 96, 110, 111, 112, 113, 126, 172, 230, 237, 241, 262, 270, 286, 324, 347, 397, 398, 406, 418, 448, 576 Goldschmidt, Henriette 444 Golling, Alexander 588 Golombek, Nicole 516 Golovneva, Olesya 589 Golz, Jochen 230 Gonçalves Dias, Antônio 445 Gončarov, Ivan Aleksandrovič 430 González García, Emilio J. 71 Gossart, Ewa 414 Gottsched, Johann Christoph 239 Graff, Anton 104 Greiner, Bernhard 170, 171 Grigor’ev, Apollon Aleksandrovič 585 Grönemeyer, Dietrich H. 246 Groß, Stefan 237 Grzywka, Katarzyna 544 Gudac, Vladimir 87 Günther, Marc 501 Güth, Luise 355 GuthsMuths, Johann Christoph Friedrich 114 Güttler, Michael 589 Gutzkow, Karl 446 Haase, Matthias 584 Hach, Wolfgang 98 Hach-Wunderle, Viola 98 Hackbarth, Maria-Elena 504, 509, 511 Hackl, Wiolfgang 571 Hagenberg-Miliu, Ebba 493 Haller, Albrecht von 388 Halter, Martin 522, 523 Hałub, Marek 279 Hanssen, Frederik 478 Hartmann, Ina 568 Hartosch, Katja 204 Hausen, Rita 557 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 133, 217
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Hegewisch, Niels 355 Heiberg, Johan Ludvig 421 Heidegger, Martin 447 Heine, Heinrich 448, 449 Heins, Corinna 285 Heinze, Rüdiger 494 Heinzelmann, Herbert 467 Heise, Wolfgang 334 Heitz, Raymond 7, 408 Helbing, Antje 421 Helfer, Martha B. 365 Henke, Silke 14 Herbst, Hiltrud 39 Herder, Johann Gottfried 115, 345, 447 Herrmann, Britta 172 Herrmann, Max 330 Heuer, Imke Wiebke 558 Heyme, Hansgünther 321 Hien, Markus 16 High, Jeffrey L. 17, 121, 173, 242, 257 Hildner, David J. 238 Hilliard, Kevin F. 193 Hinderer, Walter 366 Hippe, Christian 111 Hirt, Beate 244 Hitzig, Julius Eduard 271 Hobbes, Thomas 163 Hochholdinger-Reiterer, Beate 459 Hochstetter, Fidelis 174 Hofferberth, Nina Jeanette 311 Hoffmann, Birthe 188 Hoffmann, Kai-Uwe 231 Hoffmann-Maxis, Angelika 175 Hofmann, Hasso 245 Hofmann, Michael 157, 335, 409 Hogarth, William 183 Hölderlin, Friedrich 96, 116, 117, 178 Hollender, Martin 330 Hollstein, Nina 569 Holmberg, Pirkko 86 Hölscher, Lucian 99 Honda, Hiroyuki 323 Honold, Alexander 117, 336
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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Horváth, Ödön von 191 Hover, Detlef 102 Höyng, Peter 258 Hultenreich, Jürgen K. 559 Humboldt, Wilhelm von 270 Hume, David 254 Husserl, Edmund 182 Hutsch, Patrick 33 Iannelli, Francesca 133 Illanes, Ana Isabel 176 Immer, Nikolas 14, 177, 446 Ingelmann, Julian 552 Irawan, Marisa 10 Irrlitz, Gerd 334 Jäckel, Günter 103 Jäger, Bernd 286 Jamme, Christoph 178 Jansen, Uwe 54 Janz, Rolf-Peter 179 Jauß, Hans Robert 180 Jelinek, Elfriede 558, 561 Jens, Walter 107 Jeremić-Molnar, Dragana 181 Jezierska, Agnieszka 392 Jochymski, Jan 512 John, Eckhard 48 Jost, Erdmut 123 Jung-Kaiser, Ute 281 Jürgens, Andreas 234, 373 Kaempfe, Peter 584 Kafka, Franz 450 Kakauridse, Nanuli 251 Kaminski, Andreas 182 Kämmerer, Gerlinde 444 Kämper, Max 55, 67 Kanning, Julian 335, 409 Kant, Immanuel 124, 134, 138, 141, 142, 145, 153, 156, 158, 160, 161, 181, 183, 194, 195, 196, 197, 202, 203, 207, 210, 212, 213, 217, 221, 222, 225, 226, 229, 231, 304, 345, 363, 380, 383, 388, 399 Kantorovich, Oleg 572 Kapp, Gabriele 183
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Kapries, Ralf 468 Katenin, Pavel Aleksandrovič 585 Kauffmann, Clemens 245 Kauffmann, Kai 319 Kaufmann, Ernst 564 Kaufmann, Sebastian 356 Kaufmann, Sylke 19 Kemna, Daniela 184, 287, 305, 337 Kemp, Annerose 444 Kemp, Horst 444 Kepling, Michael 185, 324 Kerkhoff, Manfred 186 Kernig, Anja 505 Key, Johannes 338 Kieling, Wolfgang 588 Kierkegaard, Søren 202 Kilcher, Andreas 325 Kindermann, Barbara 560 Kirchheim, Jakob 56, 415 Kirchmeier, Christian 187 Kirpičnikov, Aleksandr Ivanovič 585 Kirsten, Jens 68, 100 Kita-Huber, Jadwiga 142 Klappstein, Ulrich 417 Klauss, Jochen 97 Klawitter, Arne 210 Klein, Anton von 240 Klein, Delphine 561 Kleist, Heinrich von 118, 119, 120, 121, 372, 374, 400 Klinger, Maximilian 319 Klüser, Johannes 587 Knopf, Alexander 188 Kobusch, Theo 246 Koch, Armin 540 Koerrenz, Ralf 385 Köhler, Kai 247 Köhler, Sigrid G. 58, 62 Köhnen, Ralph 246 Kolago, Lech 544 Koloßa, Matthias 551 Kommerell, Max 451, 452 König, Christoph 4, 149, 214
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
Koopmann, Helmut 3, 119, 189, 190, 393 Korinfskij, Apollon Apollonovič 585 Korte, Elmar 367 Korten, Lars 435 Košenina, Alexander 312, 552 Koukou, Kalliope 350 Kouschkerian, Sema 529 Kowal, Grzegorz 298 Kowalewicz, Michel Henri 175 Kozlov, Ivan Ivanovič 585 Kraus, Hans-Christof 245 Krause, Thomas 584 Krebs, Roland 460 Kreutz, Wilhelm 236, 240 Kreuzer, Gundula 545 Krimmer, Elisabeth 242 Krohn, Rüdiger 495 Krüger, Hans 32, 40 Krummacher, Hans-Henrik 249 Kruse, Matthias 281 Kühlmann, Wilhelm 236, 240 Kuhn, Roland 368 Kuhnle, Till R. 191 Kuročkin, Vasilij Stepanovič 585 Kuschel, Karl-Josef 107 Kusserow, Hans Joachim 417 Kwiecinska, Grażyna 401 Laages, Michael 496 Lagny, Anne 369 Lamartelière, Jean-Henri-Ferdinand 539 Lange, Joachim 506 Langewand, Knut 355 Lanza Tomasi, Gioacchino 546 Larreta Zulategui, Juan Pablo 69 Lartillot, Françoise 9 Laudin, Gérard 370 Laufhütte, Hartmut 26 Lauremberg, Peter 256 Lawitschka, Nina 570 Leber, Manfred 339 Lee, Jae-Min 272 Lehmann, Hans-Thies 268 Lehmann, Katja 571
marbacher schiller-bibliographie 2013
Leibfried, Erwin 313 Lennartz, Daniel 371 Lenz, Franziska 112 Lepper, Marcel 4, 8, 149, 214 Lermontov, Michail Jur’evič 453, 585 Lessing, Gotthold Ephraim 122, 240, 357, 400 Liebers, Peter 497 Lindner, Reinhold 521 Locle, Camille du 279 Lorenz, Tim 586 Lorenz-Ridderbecks, Angela 398 Los Ríos Uriarte, María Elisabeth de 199 Löwe, Matthias 306 Lozano, Velerio Rocco 6 Luarasi, Skënder 75, 89 Lubkoll, Christine 5, 172, 346 Lüdemann, Susanne 372, 400 Lüderssen, Klaus 247 Ludwig, Johanna 444 Luger, Urs 572 Lukas, Wolfgang 446 Lukasiewicz, Małgorzata 180 Lumpe, Jutta 118 Lund, Tobias 547 Machiavelli, Niccolò 212 Mach-Meyerhofer, Konstanze 461 Macor, Laura Anna 6, 192, 193, 194, 195, 196, 247 Magrì, Elisa 109 Maharaj, Ayon 197 Mahlmann, Matthias 325 Majkov, Apollon Nikolaevič 585 Małecki, Robert 544 Malkani, Fabrice 321, 561 Mallems, Alex 76 Mallinowski, David 507 Małyszek, Tomasz 279 Mancini, Francesca 443 Mandyczewski, Eusebius 547 Mann, Thomas 454 Mansky, Matthias 106, 410 Marconi, Gilberto 395
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Martin, Nicholas 17 Marton, Peter 239 Martus, Steffen 314 Mata, Sérdio Ricardo da 167 Mathäs, Alexander 296 Matthisson, Friedrich von 123, 394 Matuschek, Stefan 130, 373 Mayeda, Akio 540 Mayer, Mathias 57 McCorkle, Margit L. 540 Medved, Nataša 142 Meier, Albert 230 Mej, Ľev Aleksandrovič 585 Melchionda, Mario 454 Mellies, Dirk 355 Mendelssohn, Moses 173, 183 Mendicino, Kristina 212 Mendlewitsch, Doris 39 Mercier, Louis Sébastien 292 Mergenthal, Veronika 480 Mertens, Marina 259 Mertens, Markus 498 Méry, Josèphe 279 Messing, Ruth 515, 517 Metken, Sigrid 271 Meyer, Anne-Rose 401, 417 Meyer, Norbert 479 Meyer-Arlt, Ronald 517 Miccoli, Paolo 437 Michajlov, Michail Larionovič 585 Mickiewicz, Adam 455 Mihoci, Manuela Teodora 198 Mika, Rudi 584 Miller, Fedor 585 Milutinović, Zoran 142 Milz, Annika 297 Mim, Bettina 566 Moens, Herman 1 Mollo, Helena Miranda 167 Molnar, Aleksandar 181 Monagas, Alexander 307 Montag, Andreas 508, 530 Moreau, Didier 115
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Mudry, Anna 271 Müller, Adam 183 Müller, Ernst 334 Müller, Frederike 552 Müller, Ingo 351 Müller, Jörg Paul 325 Müller, Regine 531 Müller, Roland 481, 518 Müller, Sarah 573 Müller, Stephan 510 Müller, Volker 469 Müller-Nielaba, Daniel 260, 325 Müller-Salget, Klaus 120 Müller-Völkl, Claudia 574 Murcia Serrano, Immaculada 199, 200 Nadon, Christopher 257 Nagel, Eva-Maria 482 Navrátilová, Jana 83 Neie, Burkhard 30, 35, 43 Nekrasov, Nikolaj Alekseevič 430 Nenon, Thomas 125 Nerurkar, Michael 182 Neumann, Johann Gottlieb 104 Neumann, Siegfried P. 201 Neumann, Ursula 127 Neundorfer, German 65, 66 Nickl, Peter 202 Nicklas, Thomas 267 Niekerk, Carl 19 Niemöller, Klaus Wolfgang 540 Niermeyer, Amélie 492, 494, 503 Nietzsche, Friedrich 159 Nikolovska, Zorica 419 Nilges, Yvonne 245, 247 Nobach, Marius 278 Novalis 144, 178, 390, 401 Nunes, Antú Romero 516, 518 Oehlenschläger, Adam 421 Oelerich, Ann-Christin 326 Oellers, Norbert 17, 21, 203, 269, 340 Oleak, Rainer 586 Orgeldinger, Sibylle 509 Ort, Varun F. 204
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
Ortega y Gasset, José 200 Oschmann, Dirk 205 Osterkamp, Ernst 5 Ostrovskij, Aleksandr Nikolaevič 430 Otto, Stefan 519 Özbek, Erol 142 Ozdoğan, Kâzim 560 Pailer, Gaby 374 Palumbo, Ciro 73, 213 Panizzo, Paolo 315 Pařízek, Dušan David 522, 523, 524 Pascal, Blaise 159 Pecht, Andreas 520 Pellegrini, Jacopo 546 Pelloni, Gabriella 13, 452 Peters, Nina 341 Petersen, Christer 163 Pethes, Nicolas 372 Petsch, Barbara 510 Peymann, Claus 321, 496, 497, 499, 500 Pfannkuch, Patrick 563 Philipp, Lisa 375 Pica Ciamarra, Leonardo 169 Picard, Louis-Benoît 530, 531 Pietsch, Michael 243 Pilipowicz, Andrzej 279 Pille, René-Marc 206 Pils, Holger 247 Pilz, Dirk 483 Pinna, Giovanna 207, 394, 395, 436 Piñón, Helio 142 Piper, Jana 563 Pire, Nikolla 72 Pleschka, Alexander 270, 308, 342, 352 Podlasiak, Marek 298 Ponce, Mariano 90 Popp, Hansjürgen 575 Pouget, Jean-Michel 376 Preißler, Nina 444 Prudovskij, Il’ja 585 Przybysławski, Artur 153 Ptok, Friedhelm 584 Pugh, David 135
marbacher schiller-bibliographie 2013
Purdy, Daniel 399 Puškin, Aleksandr Sergeevič 430, 585 Pustejovsky, John 374 Qiriazi, Dhori 75 Quintana, Alejandro 470 Quintana, Laura 132 Racine, Jean 64, 191, 395, 396 Radcliffe, Ann 401 Radvan, Florian 578, 579 Rahbek, Knud Lyne 421 Ramberg, Johann Heinrich 552 Rameil, Udo 161 Rancière, Jacques 148 Ranke, Wolfgang 449 Rauchegger-Fischer, Claudia 571 Raulet, Gérard 208 Raulff, Ulrich 5, 8 Reckendorf, Hermann 241 Redecker, Anja E. 316 Reich-Ranicki, Marcel 36, 41, 46 Reiner, Matthias 30, 35, 43 Reinhardt, Hartmut 16, 18 Repke, Reinhardt 586 Richart, Mabel 153 Richter, Gerhard 447 Richter, Hedwig 355 Richter, Karin 576 Riedel, Nicolai 1 Riedel, Volker 17 Riedel, Wolfgang 18, 377 Rieger, Lukas 209 Rietschel, Ernst 556 Riou, Jeanne 163 Ritschel, Günther 34 Ritter, Heidi 123 Rizal, Jose 90 Robert, Jörg 10, 210, 353, 378, 402 Robert, Luc 589 Roberts, David 211 Robertson, Ritchie 212, 379 Ródenas de Moya, Domingo 180 Roesch, Phyllis 120
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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Rohls, Jan 243 Romahn, Roxana 261 Romano, Bruno 73, 213 Rosenberger, Veit 256 Rossi, Caterina 380 Rößler, Johannes 552 Rossmann, Andreas 532 Rößner, Alf 418 Rössner, Max 381 Roth, Corinna 299 Rousseau, Jean-Jacques 124, 182, 230 Royce, Josiah 4, 214 Różańska, Anna 397 Ruchatz, Jens 372 Rudder, Steffen de 418 Rueb, Gustav 477 Runzheimer, Markus 586 Ruschi, Riccardo 142 Saathoff, Jens 382 Safranski, Rüdiger 113 Sahni, Madhu 3 Saltykov-Ščedrin, Michail Evgrafovič 430 Samide, Irena 432 Sampaolo, Giovanni 424 Sander, Sarah 215, 280, 331, 343 Santini, Barbara 225, 383 Santini, Monica 454 Sartre, Jean-Paul 184 Scattola, Merio 13, 438 Schäfer, Andreas 499 Schäfer, Stefan 577 Schaper, Rüdiger 484 Scharpp, Maria 533 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 197 Scherer, Stefan 300 Schilling, Klaus von 384 Schings, Hans-Jürgen 130 Schlegel, August Wilhelm 562 Schlegel, Friedrich 125, 144, 180 Schmale, Wolfgang 406 Schmid, Dirk 243 Schmid, Herta 453
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Schmidjell, Richard 32, 40 Schmidt, Beate Agnes 21 Schmidt, Claudia 262 Schmidt, Johannes 130 Schmidt, Thomas 114 Schmiedt, Helmut 91 Schmitt, Arbogast 273 Schmitt, Carl 456 Schmitt, Christina 288 Schmitz, Thomas A. 273 Schmitz-Emans, Monika 172, 346 Schneider, Adrienne 50, 562 Schneider, Arno 13, 411, 454 Schneider, Sabine 216 Schneider, Ute 446 Schneider, Uwe H. 247 Schnitzler, Arthur 296 Schnyder, Peter 191 Scholtz, Gunter 175 Schöning, Brigitte 149, 214 Schopenhauer, Arthur 138 Schott, Heinz 246 Schötz, Susanne 444 Schramm, Moritz 188 Schubert, Franz 547 Schüller, Marco 63 Schulte, Bettina 501, 535 Schulte-Sasse, Jochen 142 Schulz, Georg-Michael 563 Schumacher, Annette 587 Schumacher, Doris 552 Schumann, Katharina 385 Schumann, Robert 540 Schurf, Bernd 580 Schütt, Hans-Dieter 485, 500, 534 Schwabe, Julius 100 Schwarz, Samuel 321 Schweikert, Uwe 542, 543, 545, 548 Seca, Jorge 69 Sedivy, Roland 101 Seeger, Charlotte 396 Segala, Marco 169 Seibert, Peter 563
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
Seidler, Ulrich 502 Senker, Boris 81 Sevin, Dieter 121 Sgarbi, Marco 6 Shakespeare, William 304 Shaw, Michael 142 Shtonda, Taras 589 Siani, Alberto Leopoldo 12, 217 Siebenpfeiffer, Hania 58, 62 Sigg, Arnold 536 Siguan, Marisa 433 Silkatz, Sebastian 386 Simm, Hans-Joachim 25, 45, 47, 49 Simmel, Georg 386 Simon, Dirk 589 Simon, Peter 533, 536 Simon, Ralf 387 Simonis, Annette 281 Simpson, Juliet 155 Simpson, Patricia Anne 242 Siwczyk, Birka 122 Škiljan, Alka 80 Skladny, Helene 218 Slamnig, Svevlad 81 Söffner, Daniela 344 Sokrates 159, 173 Sorg, Reto 164 Spengler, Tilman 95 Sperlich, Christine 2, 412 Sperling, Andreas 586 Spranger, Eduard 436 Springer, Mirjam 354 Spurný, Tomáš 587 Stadelmaier, Gerhard 486 Staël-Holstein, Anne Germaine de 271 Stamać, Truda 77 Stašková, Alice 219, 420 Steccanella, Giulio 441 Steele, Rebecca 309 Stehr, Martina 406 Stein, Edith 457 Steiner, Anne 578, 579 Steinitz, Wolfgang 248
marbacher schiller-bibliographie 2013
Stelleman, Jenny 453 Stemann, Nicolas 316 Štempel’, Vitalij 74, 79, 84 Sternburg, Judith von 487, 537 Stolleis, Michael 247 Storz, Oliver 588 Strauß, Simon 488 Sturm, Edmann 220 Suiogan, Delia 440 Sulimsky, Vladislav 589 Sulzer, Johann Georg 377 Szewczyk, Grażyna Barbara 429 Tabbert, Tiffany 317 Tabeuf, André 282 Tedesco, Salvatore 388 Teichfischer, Philipp 103 Thalheimer, Michael 471, 473, 474, 475, 476, 478, 479, 480, 481, 483, 484, 485, 486, 488 Thenen, Ulrike von 578, 579 Thiele, Sebastian 538 Thietz, Kirsten 580 Tholl, Egbert 503 Thomä, Dieter 447 Tillich, Paul 220 Tjønneland, Eivind 142 Tjutčev, Fedor Ivanovič 585 Tolstoj, Lev Nikolaevič 430 Tomasi, Gabriele 12, 221 Torjanac, Dubravko 87 Toudoire-Surlapierre, Frédérique 191 Trautwein, Wolfgang 461 Trentani, Federica 222 Tresselt, Matthias 245 Turgenev, Ivan Sergeevič 430 Udelhoven, Anne 289 Ugarte, Óscar Cubo 15, 132 Uhlig, Ingo 223 Ulfig, Norbert 34 Ullrich, Herbert 128 Unfer Lukoschik, Rita 425 Unger, Thorsten 413 Urban, Bernd 457
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Utz, Peter 224, 327 Vansant, Jacqueline 374 Varga, Lorenz 328, 581 Veit, Wenzel Heinrich 587 Verdi, Giuseppe 279, 281, 541, 542, 543, 545, 546, 548, 589 Vergara, Gloria 427 Vergnioux, Alain 115 Vieweg, Klaus 231 Villiger Heilig, Barbara 524 Vizioli, Stefano 589 Vogel, Juliane 283 Vogel, Kerstin 20 Vogler, Karl Michael 588 Voigt, Kirsten 511 Volk, Andreas 455 Volk, Stefan 582 Völkel, Ulrich 24 Völkl, Michael 566, 574, 582 Vollhardt, Friedrich 240 Volobeuf, Karin 445 Voltmer, Ulrike 102 Voß, Johann Heinrich 126 Wagener, Andrea 580 Wagner, André 20 Wagner, Richard 31 Wagner-Egelhaaf, Martina 58, 62 Waibel, Violetta L. 225 Warminski, Andrzej 153 Wasihun, Betiel 212 Waszek, Norbert 389 Weber, Norbert Weber, Philipp 390 Wedekind, Frank 296 Wege, Sophia 226, 290 Wegmann, Nikolaus 390 Weidner, Daniel 345 Weinmann, Frédéric 321, 561 Weißberg, Liliane 442 Wellbery, David E. 4 Wellnitz, Philippe 170 Wendt, Madleen 291 Wenning, Mario 135
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Werber, Niels 456 Wessels, Hans-Friedrich 565 Wessels, Markus 552 Wetli, Mary Beth 17 White, Hayden 355 Wicks, Robert L. 227 Wiegand, Hermann 236, 240 Wieland, Christoph Martin 230 Wiese, Benno von 458 Wilke, Georg Maria 102 Willems, Gottfried 96, 318 Willems, Marianne 319 Willer, Stefan 345, 372 Wilm, Marie-Christin 228 Winckelmann, Johann Joachim 183 Winegar, Reed 229 Winkler, Michael 385 Winnicott, Donald W. 442 Wirsich-Irwin, Gabriele 37, 42, 52, 53, 59, 60, 61 Wirth, Franz Peter 588 Wittkowski, Wolfgang 301
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Woesler, Winfried 292, 293 Wokalek, Marie 230 Woll, Judith 578, 579 Wulfleff, Patrick 223 Wunderlich, Ingeborg 584 Würffel, Stefan Bodo 164 Zaccagnini, Guido 546 Zander, Folko 231 Zehm, Edith 230 Zeiller, Rolf 251 Zelle, Carsten 232 Zeller, Christoph 121 Zeller, Rosmarie 329 Zimmermann, Bernhard 273 Zimmermann, Reiner 104 Zink, Manuel 552 Zlotowicz, Jensen 489 Zöller, Günter 233 Zons, Alexander 391 Zons, Raimar 234 Žukovskij, Vasilij Andreevič 430, 585 Zumbusch, Cornelia 346
marbacher vorträge
hans ulrich gumbrecht
kann literatur ausgestellt werden? Marbacher Antworten
Um das Paradox – und oft wirklich: die unglückliche Idee – des Ausstellens von Literatur aufkommen zu lassen, hat es nicht erst unserer, mit Gedenken und Gedächtnis (gnadenlos bis zur Banalität) besessenen Gegenwart bedurft. Aber warum ist schon das Projekt, Literatur auszustellen, tatsächlich ein (meist übersehenes) Paradox? Weil Ausstellungen davon leben und ihre Besucher damit bei Laune halten, dass möglichst alle präsentierten Gegenstände – als Gegenstände – nachhaltig die Wahrnehmung faszinieren, während literarische Texte – wie alle anderen Texte – ja gerade darauf angewiesen sind, dass das auf ihren Seiten sichtbar Werdende in Sinn überführt und damit als Gegenstand der Wahrnehmung aufgehoben wird. Wir alle sind mit der eigenartig tautologischen Wirkung der besonderen Paradoxie vertraut, welche hier ins Spiel kommt – aus den vielen kleinen Austellungen in Geburts-, Wohn- oder Sterbe-Häusern von mehr oder weniger bedeutenden Autoren. Dort werden immer, so als sei es gar nicht zu vermeiden, Original-Manuskripte oder frühe Drucke gezeigt, die wir dann unwillkürlich lesen. Damit machen wir sie aber zu Fragmenten »klassischer« Texte, welche sich als Sinn-Fragmente in ihrer Wirkung von der Wirkung der späteren und gegenwärtigen Text-Ausgaben nur noch »oberflächlich« unterscheiden, wie sie dort auch zu sehen sind. Am Ende muss sich in der so entstehenden Umwelt vielfach erschlossenen Sinns die potentiell spezifische Anziehungskraft der Ausstellung verflüchtigen. Nicht die Sinn-Dimension darf also im Vordergrund stehen, wenn das Ausstellen von Literatur kein Dilemma werden soll. Doch was kann die Alternative sein? Das Schiller-Museum und das Literaturmuseum der Moderne von Marbach haben im vergangenen Jahrzehnt Schritt für Schritt, Ausstellung für Ausstellung, das heißt: in ihrer praktischen Arbeit eher als mit vollmundigen Manifesten und Programmen, Antworten auf diese Frage entwickelt, welche Zehntausende von Besuchern intensiv unterhalten und so eine ganz neue Dimension des Experimentieren mit dem Zeigen von Literatur erobert haben. Der erfolgreiche Such-Prozess setzt sich in jedem neuen Marbacher Projekt fort – und sollte vielleicht nie ein Ende in stabilen Lösungen finden. Doch diese bis vor kurzem ungeahnte Dynamik verbietet es nicht, das bisher Eroberte in einem ersten Ansatz zu beobachten und zu beschreiben.*
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Mein kurzer Text geht zurück auf die Vorstellung der Arbeit von Heike Gfrereis anlässlich
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* Die neue Dimension, bei der die Suche angekommen ist und sich nun weiter entwickelt, kann als eine Dimension der »Atmosphäre« und der »Stimmung« identifiziert werden. Sie tritt an die Stelle der Dimension von Verstehen und Hermeneutik, mit der die Erschließung von Literatur traditionell verschaltet war. Verstehen richtete sich auf die Intentionen von Autoren und auf hinter ihren Intentionen liegenden Erlebnisse, welche der Entstehung von Werken vorausgehen. Daher fasste Verstehen Gegenstände und materielle Spuren der Kommunikation als historische Symptome von Intentionen und Erlebnissen auf und übersetzte sie in Sinn. Die Dimension von Atmosphäre und Stimmung hingegen rückt Gegenstände und Spuren der Kommunikation in ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit mit der Gegenwart eines Publikums. Aus unmittelbar räumlicher Nähe sollen Gegenstände auf die sinnliche Wahrnehmung der Museumsbesucher gerade so wirken, wie sie als Umwelt auf die Autoren und ihre Zeitgenossen gewirkt haben. Schreibgeräte und beschriebenes Papier, Dokumente des alltäglichen Handelns wie Rechnungen, Rezepte oder Fahrscheine, Möbel, Kleider und Schmuckstücke, Teller und Gläser machen Momente vergangenen Lebens präsent und laden uns ein, mit Körper und Imagination jenes Leben zu bewohnen und sein Teil zu werden. So kehren wir – mit den Autoren gleichsam – zurück an Ausgangspunkte ihrer Werke, eben zu deren materiellen Bedingungen, welche einst Sensibilitäten geweckt und Vorstellungen heraufbeschworen haben mögen. Dabei werden die ausgestellten Gegenstände gegenwärtig als Auslöser von Stimmungen, welche über Wahrnehmung Literatur inspiriert haben könnten – und bleiben doch Gegenstände, die gerade nicht in Sinn zu überführen und so als Gegenstände aufzuheben sind. * In den Marbacher Ausstellungen bleiben und werden diese Gegenstände wieder wirklich (und beinahe »tatsächlich«), statt für Bedeutungen zu stehen, und so machen sie jene Wirklichkeiten präsent, zu denen sie einst gehörten. Dabei treten die Gegenstände nicht nur in ihrer eigenen Singularität und Pluralität hervor. Eher scheint es ein Effekt der Syntax im sich entfaltenden Marbacher Stil zu sein, dass sie jeweils für eine Pluralität von Welten und Stimmungen stehen, für »Mini-Stimmungen« sozusagen, statt unter umgreifende Welten subsumiert zu werden, welche immer zu begrifflicher Abstraktheit streben. Nebeneinander stehen einzelne Momente aus dem Leben von Friedrich Schiller: Stuttgart, Mannheim, Weimar; von Ernst Jünger: Hannover, Paris, Wilfingen; oder von Franz Kafka: Prag in den verschiedenen Welten seiner Lebenszeit, Berlin, Wien. Die Glaskästen, in denen die Gegenstände ausgestellt sind, das helle Licht, in dem sie erscheinen, und die Beschriftungen, welche sie
eines Seminars in der »Division of Literatures, Cultures, and Languages« der Stanford University am 9. Oktober 2013.
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identifizieren, weisen, betont nüchtern, wie sie wirken, alle Aufmerksamkeit ab und lenken sie auf die Dinge zurück, welche nichts als sie selbst sein dürfen – und gerade deshalb unmittelbare Präsenz hervorbringen. Neben der Singularität kommt dabei vor allem Serialität zustande, Serien von Gegenständen, aus denen nie das Fließen von Geschichten, Erklärungen oder gar Thesen wird. Einzelne, manchmal sich wiederholende Momente, die zurückgewonnen sind gegen das Verschwinden, dem sie schon anheim gefallen waren. * So zeigen sich sich die ausgestellten Handschriften-Dokumente als Gegenstände. Als Gegenstände jedoch, deren interne Singularität der Wörter und Zeichen die Bewegung von Ereignissen innerhalb der seriellen Statik von Ausstellungen lebendig werden lässt. In Franz Kafkas Streichungen, Wortersetzungen und Neu-Anfängen zum Beispiel können Momente des Zögerns und der Inspiration – ein knappes Jahrhundert später und für die Zeit eines Blicks – zu Momenten in der Zeit des Betrachters werden. In der nur selten unterbrochenen Regelmäßigkeit des Bildes von Schillers Schrift kommen – vor den Augen der Nachgeborenen – Wörter noch einmal hervor und werden zu Versen, Sätzen und Texten, die in einer anderen Gegenwart als der ihres singulären Sich-Ereignens auch anders – oder gar nicht – hätten entstehen können. Während die Gegenstände vergangenen Alltags-Lebens dieses Leben wie einen Rahmen heraufbeschwören, erwecken die Manuskripte in diesem Rahmen noch einmal die vergangene Lebendigkeit ihres Entstehens. Indem wir körperlich berührt werden von der wahrgenommenen Unmittelbarkeit der Stimmungen, welche Literatur möglich gemacht haben, erleben wir, ohne sie je festhalten zu können, die Emergenz von Literatur. * Wer ästhetische Erfahrung als Oszillation zwischen Weltaneignung durch Begriffe (»Erfahrung«) und Weltaneignung durch die Sinne (»Wahrnehmung«) auffasst, der mag zu dem Schluss kommen, dass durch den Schritt von der Dimension des Verstehens zur Dimension der Stimmungen in den Marbacher Ausstellungen Literatur ästhetisch fassbar gemacht wird. Doch diese ästhetische Erfahrung ist eine Erfahrung der materiellen Welten und der Emergenz von Literatur, die unterschieden bleibt von jener anderen Modalität ästhetischer Erfahrung, welche Literatur in ihrer Textualität (»als Gedicht« etwa oder »als Roman«) erschließt. So verschieden, glaube ich, sind diese beiden Modalitäten ästhetischer Erfahrung, dass sie sich weder berühren noch miteinander interferieren. Es gehört also nicht unbedingt zu den Wirkungen der Marbacher Ausstellungen, die spezifische, von den Texten ermöglichte ästhetische Erfahrung zu befördern – aber sie stehen ihr andererseits gewiss nicht im Weg. Eher wird in der sich formierenden Ästhetik der Ausstellungen das Potential einer neuen Beziehung zur Literatur sichtbar, welche an die Stelle von – oder neben – »Literaturgeschichte« treten könnte, wie sie seit der Zeit der Romantik die Erfahrung lite-
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rarischer Texte begleitet hat. Als Teil der Ideen- und Geistesgeschichte wollte – und will – Literaturgeschichte verständlich machen, welchen Teil bedeutende Texte und die Prozesse ihrer Entstehung im (oft langfristigen) Heraufkommen der Gegenwart ihrer Leser gespielt haben. Die Marbacher Ausstellungen stattdessen machen die vergangenen Gegenwarten von Literatur präsent. Deshalb sind sie – wie alle anderen Formen des Heraufbeschwörens – auf die Materialität von Gegenständen als ihren Bezugspunkt angewiesen. Und in dieser Konzentration auf Gegenstände, meine ich, sind die Marbacher Ausstellungen Teil und Avantgarde einer neuen Beziehung zur Zeit geworden, an deren Beginn wir jetzt stehen.
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maurice gourdault-montagne
grusswort Anlässlich der Ausstellungseröffnung »August 1914. Krieg und Literatur« im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am 16. Oktober 2013 durch den Französischen Botschafter Berlin
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sehr geehrter Herr Professor Raulff, sehr geehrter Herr Professor Lethen, verehrte Freunde aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland, meine sehr geehrten Damen und Herren, 2014 jährt sich zum 100. Male der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, und es ist mir eine Ehre, diesem so besonderen Gedenkjahr heute mit Ihnen gemeinsam hier in Marbach einen frühen Auftakt zu geben. Ich bedanke mich bei Professor Raulff und beim Deutschen Literaturarchiv Marbach für die großartige Initiative und ich freue mich über die Beteiligung der BNU Straßburg sowie der Bodleian Library in Oxford, die ich als Botschafter in Großbritannien wohl kannte und deren Vertreter ich herzlich begrüße. Ich begrüße auch die Kuratoren. An dieser fruchtbaren Zusammenarbeit lässt sich der lange Weg ermessen, den wir seit August 1914 zurückgelegt haben! Meine Damen und Herren, es ist mir ein besonderes Vergnügen, dass Sie so zahlreich gekommen sind. Es zeugt von einem unablässigen Interesse an einer Phase unserer Geschichte, die unsere Epoche bis heute noch prägt. Ich zähle zu denjenigen, die der festen Überzeugung sind, dass es uns nur durch die Erinnerung an die Tragödien von gestern gelingt, den ganzen Sinn unseres heutigen Handelns zu begreifen. Gestatten Sie mir, in diesem Sinne einige wohlbekannte Worte des Schriftstellers Bruno Frank zu zitieren, der 1928 schrieb: Es muss der Tage kommen, der den Irrtum von tausend Jahren wieder gutmacht. Es muss der Tage kommen, der die entsetzlich klaffende, brandige Wunde an der Flanke Europas heilt. Der uns endgültig wieder zusammenführt zur Rettung unseres großen, gemeinsamen Erdteils. Es muss die Zeit kommen – nein, sie muss da sein die Zeit, da kein hungriges Schwein mehr an einem deutschen oder französischen Toten frisst.
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maurice gourdault-montagne
Mit diesen kraftvollen Worten richtet sich in Bruno Franks hellseherischem Roman Politische Novelle Außenminister Achille Dorval an Kammergerichtsrat Carl Ferdinand Carmer. Die beiden Romanfiguren stehen natürlich für Aristide Briand und Gustav Stresemann, die bereits 1926 verstanden hatten, dass die deutsch-französische Aussöhnung die wichtigste Grundvoraussetzung für den Frieden in Europa war. Wie diese beiden Staatsmänner hatte auch Bruno Frank den Ersten Weltkrieg und die Gräuel des Konflikts am eigenen Leibe erfahren. Ja, meine Damen und Herren, einer Sache sollte man sich immer bewusst sein: dass der Krieg eine Niederlage für alle beteiligten Parteien gewesen war, auch für die, die damals den militärischen Sieg davongetragen hatten, wie Frankreich. Der Krieg bedeutete den moralischen und materiellen Zusammenbruch eines ganzen Kontinents, einer ganzen Welt, die man »die Welt von gestern« nannte. Und mit ihr schwanden auch die alten Gewissheiten. Es brach eine Epoche des Zweifelns an, eine Epoche, in der feste Orientierungspunkte fehlten, um sich in der Welt zurechtzufinden. In die Kräfte des Fortschritts, in die Sittlichkeit und in die menschliche Vernunft konnte man kein Vertrauen mehr haben: Sie hatten versagt. Da kein anderer es vermochte, war es an den Schriftstellern, dem Trauma des Kriegs sowie dieser neuen Welt einen Sinn zu geben. Sei es in den Schriften von Dorgelès, Mauroix, Genevoix, Erich-Maria Remarque, Romain Roland, Hermann Hesse, Ernst Jünger oder Kafka und anderen Autoren und Dichtern – diese Sehnsucht nach Sinnstiftung ging mit dem drängenden Wunsch nach Frieden einher. Nach Frieden, das heißt, nach europäischer Aussöhnung. Diese Schriftsteller versuchten, auf unseren gemeinsamen humanistischen Werten Europa neu zu begründen. Kurzfristig gesehen konnte man meinen, sie seien gescheitert. Denn 20 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs brach erneut ein Krieg in Europa aus. Mit dem historischen Abstand, den wir heute haben, sieht es jedoch ganz anders aus: Die Werte, die diese Autoren hoch hielten, haben wir nach dem Zweiten Weltkrieg geerbt. Sie hatten vor dem Krieg gesät, was wir Europäer danach ernten konnten: Frieden und Aussöhnung, Menschenwürde und Brüderschaft. Bis zum heutigen Tag sind diese Werte ein unschätzbar wertvolles Erbe, das wir zu pflegen haben. Nichts anderes liegt dem Elysee-Vertrag zugrunde, der vor 50 Jahren die deutschfranzösische Aussöhnung besiegelte und unsere Freundschaft aufblühen ließ. Im Jahre 1963 haben sich zwei herausragende Staatsmänner auf ihr gemeinsames humanistisches Erbe berufen, um ganz Europa an seine Werte zu erinnern. Erst dann konnten wir, Deutsche und Franzosen, erkennen, so schrieb Carlo Schmid in seinem Text Freundschaft ohne Mythos, ich zitiere: »[…] dass wir in dem Hader, der uns so oft blutig geschunden hat, verkannte Brüder waren, die sich in Hassliebe suchten, einer im Spiegel des anderen sich zu erkennen suchten«. Dies hat den Weg für den Ausbau unseres gemeinsamen europäischen Einigungswerks geebnet, und gerade in den heutigen Krisenzeiten dürfen wir diese Werte nicht vergessen. Denn nur gemeinsam lassen sich die heutigen und künftigen Herausforderungen meistern.
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Wir haben den moralischen Zusammenbruch der Welt von gestern überlebt und überwunden: »Die brandigen Wunden an der Flanke Europas« wurde zum Wunder der Eintracht und des Vertrauens zwischen unseren Völkern. Heute sind wir dafür verantwortlich, wachsam zu sein und diese Eintracht zugunsten Europas zu pflegen. Es ist das Verdienst dieser Ausstellung, die Schriftsteller, die die Gräuel des Kriegs erlebt haben, sowie ihre Gedanken, die uns heute noch inspirieren, zu würdigen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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nick pickard
grusswort Anlässlich der Ausstellungseröffnung »August 1914. Krieg und Literatur« im Deutschen Literaturarchiv Marbach am 16. Oktober 2013 durch den Generalkonsul der Britischen Botschaft Berlin
Sehr geehrter Professor Raulff, sehr geehrter Botschafter Gourdault-Montagne, meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Einladung in das Deutsche Literaturarchiv. Ich freue mich, stellvertretend für den britischen Botschafter hier zu sein, der sich entschuldigt und leider nicht hier sein kann. Aber da ich erst vor zwei Monaten nach Berlin gekommen bin und möglichst viel von Deutschland entdecken möchte, vertrete ich ihn hier natürlich gerne! Die heute eröffnete Ausstellung ist sehr wichtig, aus meiner Sicht vor allem aus zwei Gründen. Erstens kann sie uns viel über das gewaltige Ausmaß des Ersten Weltkrieges zeigen. Für die Jahre des Krieges gehörten »Literatur und Krieg« – wie der Titel der Ausstellung ankündigt – tatsächlich zusammen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine große Zahl von Schriftstellern einberufen, die ihre Erlebnisse natürlich literarisch verarbeiteten. Aber nicht nur Schriftsteller, auch einfache Soldaten und Zivilisten verspürten den Drang, ihre Erfahrungen aufzuschreiben. Es entstanden beeindruckende, beklemmende und grausame Kriegsberichte. Im Vereinigten Königreich denken wir zum Beispiel an Rupert Brooke, der vor dem Krieg der Bloomsbury Group um Virginia Woolf angehörte. Oder an Wilfred Owen, der die Kriesgräuel schonungslos beschrieb. Brooke starb an einer Sepsis auf dem Weg nach Gallipoli; Owen fiel in Frankreich. Der Erste Weltkrieg löschte eine ganze Generation von Künstlern aus – auf allen Seiten. Allein die Poets’ Corner in Westminster Abbey ehrt sechzehn im Ersten Weltkrieg gefallene Schriftsteller. Die über zweihundert Exponate der Ausstellung werden zeigen, wie tiefgreifend der Krieg den Alltag der Chronisten – egal ob Soldat oder Zivilist – bestimmt hat. Ich finde es faszinierend, wie Tagebücher das Nebeneinander von Krieg und Alltag festhalten. Sie kennen wahrscheinlich den Tagebucheintrag von Franz Kafka von August 1914: »Deutschland hat Russland den Krieg erklärt – Nachmittag Schwimmschule«.
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Die Ausstellungs-Serie ist noch aus einem zweiten Grund wichtig: Die Kooperation zwischen dem Literaturarchiv, den Bodleian Libraries in Oxford und der Bibliothèque nationale et universitaire aus Strasbourg bringt nicht nur herausragende Forschungsinstitute zusammen. Sie ist auch ein starkes Symbol für die tiefe Freundschaft und die enge Verbindung zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland. Sie zeigt sich auf allen Ebenen: in der Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur. Das Literaturmuseum der Moderne ist dafür natürlich ein schönes Beispiel – Es wurde von David Chipperfield entworfen. Marbach selbst hat lebendige Städtepartnerschaften mit Stratford-upon-Avon in England – eine Stadt, die natürlich auch reich an Literaturgut ist – und L’Isle Adam in Frankreich. Die Ausstellungen sind auch ein geeignetes Projekt, um den hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkriegs im nächsten Jahr zu begehen. Auch für die britische Regierung hat das Gedenken an den furchtbaren Krieg hohe Priorität. Wir bereiten dazu gerade konkrete Pläne vor, in enger Abstimmung mit der deutschen und anderen Regierungen. Wir finden es sehr wichtig, dass wir gemeinsam an den Krieg erinnern. Wir haben natürlich verschiedene Perspektiven auf den Krieg – wir sind uns aber einig, dass er einer der schlimmsten Katastrophen der Geschichte war. Wir müssen deswegen aller Opfer – egal welcher Nationalität – gedenken. Eine der zentralen – gemeinsamen – Gedenkveranstaltungen wird am vierten August auf dem Militärfriedhof im belgischen Mons stattfinden, dem Ort einer der ersten Schlachten. Neben der gemeinsamen Erinnerung an die Vergangenheit ist es für uns auch wichtig, der jungen Generation der Zukunft die Notwendigkeit von Versöhnung und Partnerschaft zu vermitteln. Wir planen deshalb für nächstes Jahr auch konkrete Bildungsprojekte, unter anderem zusammen mit dem British Council und der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich freue mich auf die Besichtigung später, bei der ich mich selber weiterbilden werde, und bin mir sicher, dass Ihre Ausstellungen in allen drei Städten auf großes Interesse stoßen werden. Vielen Dank.
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helmut lethen
der lärm der schlacht und die stille des archivs Psychiater als Gegner der Kriegsliteratur
Das Reichsarbeitsministerium in Berlin ruft 1929 einen Kreis von Sachverständigen zusammen, der feststellen soll, ob Neurosen noch auf den Krieg zurückzuführen sind.¹ Zehn Jahre nach dem Krieg liegt nach Auskunft der Experten die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs von Kriegsbeschädigung und Neurose bei beinahe null. Statistische Erhebungen hätten ergeben, dass von Granateinschlägen verursachte Schreckneurosen keine praktische Bedeutung mehr haben. Vertreter der öffentlichen Transportunternehmen Berlins berichten, dass »die trostlosen Bilder der zitternden und zappelnden, von jeder Arbeit sich fernhaltenden Neurotiker« nicht mehr beobachtet werden.² Auch die Oberpostdirektion bestätigt, dass Schreckneurosen praktisch überhaupt nicht mehr vorkommen. Das Motiv der Einberufung des Expertenrats war nicht unklar. Das Reichsarbeitsministerium wollte von den Direktoren von Nervenkliniken und psychiatrischen Gutachtern und Juristen wissen, ob der Krieg nach zehn Jahren noch zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs geltend gemacht werden könne. Darum geht es dem Reichsversicherungsamt. Die Sachverständigen beruhigen das Ministerium. Beinahe einhellig erklären sie, dass sich traumatisierende Ereignisse des Krieges nicht in der Psyche einkapseln können. Wohl wird von einigen Psychiatern eingeräumt, dass der aufgrund von Kriegseinwirkungen »einmal flott gemachte hysterische Mechanismus« zuweilen automatisch weiterläuft, ohne ursächlich an die Kriegserfahrung gebunden zu bleiben.³ Elf Jahre nach Kriegsende herrscht also weitgehende Einigkeit unter den Wissenschaftlern, dass die Neurose, die vielleicht einmal von dem Erlebnis »wehrlosen Überwältigtwerdens von einer vitalen Gefahr«⁴ verursacht worden war, sich nicht mehr auf den Krieg berufen kann. Der ursprüngliche Schrecken ist, wie es heißt, endgültig
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Die »Unfall- (Kriegs-) Neurose«. Vorträge und Erörterungen gelegentlich eines Lehrgangs für Versorgungsärzte im Reichsarbeitsministeriums vom 6.–8. März 1929, in: Arbeit und Gesundheit. Schriftenreihe zum Reichsarbeitsblatt 13 (1929). Ebd., S. 48. Ebd., S. 109. Ebd., S. 17.
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verblasst. Er hat weder am Körper noch in der Psyche bleibende Spuren hinterlassen. Was könnte dann noch sein Gedächtnis-Medium sein? Dass weder Körper noch Psyche den Schrecken speichern, wird von den Medizinern als Glücksfall begriffen. Darum weisen sie auf das infame Vermögen von Artefakten wie der Literatur und Fotografie hin, den Schrecken künstlich zu konservieren und wiederzubeleben. Auf diese Weise stellten Literatur und Fotografie die Symptombildung der Kriegsneurose auf Dauer und verzögerten den Genesungsprozess. Diese Literatur verzögere oder vereitle die Therapie. Während der Organismus die Verletzung schon lange behoben habe, nährten die Literatur und andere Medien Erinnerungsbilder, die, wie der juristische Sachverständige, Oberregierungsrat Dr. Knoll, ausführt, »in ähnlichen Lebenslagen den schrecklichen Augenblick des Unfalls wieder vor das geistige Auge stellen und dann lähmend auf das Handeln des Menschen einwirken«.⁵ Das könne, wie der Assistent von Bonhoeffer an der Nervenklinik der Charité, Dr. Joßmann, feststellt, absurde Konsequenzen haben: Dann müßten nämlich die Rentenansprüche von Personen anerkannt werden, deren »Beteiligung« an dem Unfall nur darin bestanden hat, daß sie ihn durch bloßes Mitansehen oder sogar durch Zeitungslektüre »miterlebt, mitgemacht« haben; die Begründung eines solchen Rentenantrages würde lauten, die betreffende Person habe durch den furchtbaren Anblick oder die drastische Schilderung einen so starken Chok, psychisches Trauma usw. davongetragen, daß sie z. B. nicht mehr mit der Eisenbahn fahren und daher ihren Beruf – etwa als Reisender – nicht mehr ausüben könne.⁶ Elf Jahre nach dem Krieg gilt die Langzeitverbindung von Neurose und Fronterlebnis als unwahrscheinlich. Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt die Flut der Kriegsliteratur. Die Sachverständigen des Jahres 1929 könnten folglich Recht haben: Der Körper ist ein schlechter Garant für Erinnerung an Schmerz. Darum müssen körperfernere, symbolische Rituale und Medien wie Literatur, Fotografie und Film helfen, die Erinnerung an traumatische Erfahrungen wach zu halten. Das mag ein Motiv des Lesehungers gewesen sein, mit dem die nach 1928 erscheinende Kriegsliteratur von einem großen Publikum verschlungen wurde. Allerdings kommt in den genannten Medien die wahrscheinlich einschneidenste Erfahrung der Front nur mangelhaft zum Ausdruck: der Lärm.
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Ebd., S. 93. Ebd., S. 36.
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Das Ohr als Einbruchsstelle des Traumas Es gab das Einverständnis unter den Soldaten, berichtet Eric Leed in seinem Buch No Man’s Land. Combat and Identity in World War I⁷, dass die Bedingungen von Neurosen nicht durch den Anblick explodierender Chemikalien, sondern durch das betäubende Geräusch und die Vibration des Trommelfeuers erzeugt worden seien, die die Verteidiger für Stunden oder gar Tage hätten aushalten müssen. Die Ohrenbetäubung habe eine Art hypnotischen Zustands erzeugt, der nicht in Sprache habe übertragen werden können. Robert Graves bestätigt die Nichtübersetzbarkeit des akustischen Ereignisses. Merkwürdig und furchtbar sei der Fronturlaub gewesen, weil man von Leuten umgeben gewesen sei, die gar nicht verstanden hätten, worum es überhaupt gegangen sei. Man hätte es auch nicht erzählen können, »das ging nicht: man kann Lärm nicht kommunizieren, und der Lärm hörte nie auf, niemals […].«⁸ Im November 1914 schrieb Philipp Gibbs: »Der Lärm war noch niederdrückender als die Aussicht auf den nahen Tod. Der Lärm war in seinen Wirkungen entsetzlich[…].« Ein ohrenbetäubender Lärm kam von den feindlichen Kanonen, »regelmäßig wie der Donner dahinrollend, von plötzlichen Erschütterungen unterbrochen, die sich durch das Gehirn fortpflanzen und wie ein grausiger Auflösungsprozeß im ganzen Körper empfunden werden.«⁹ Ein führender Militärpsychiater bestätigt diese Erfahrung. Schon wenige Monate nach Kriegsbeginn bekamen es die Ärzte in den Lazaretten massenhaft mit »hysterisch Ertaubten« zu tun.¹⁰ Etwas gestaltlos Reales dringt durch das Ohr in Körper und Psyche ein, gegen das sich der Soldat nicht panzern kann. Das Ohr wird zur Einbruchstelle der traumatischen Erschütterung. Wenn das Gehör eine bevorzugte Einbruchstelle bei der Verursachung von Kriegsneurosen war, so scheint die Reaktion einiger Militärpsychiater auf der Hand zu liegen. Sie versuchen über den äußeren Trichter des Ohrs zu den »Gedenksteinen der in der Tiefe begrabenen Erinnerung« vorzustoßen, wie der ungarische Psychiater Ferenczi formulierte.¹¹ Die harte Fraktion der Ärzte versucht, die durch psychischen Schock »aus den richtigen Gleisen gebrachte Innervation« durch einen erneuten psychischen Schock wieder »in die richtige Bahn« zurückzubringen. In derartigen Therapien wird 7 8 9
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Eric Leed, No Man’s Land. Combat and Identity in World War I., Cambridge 1979, S. 126. Ebd. Phillip Gibbs, Im Granatfeuer, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt vom 27. 11. 1914, Nr. 329, Erstes Morgenblatt. Zit. n. Julia Encke, Augenblicke der Gefahr. Der Krieg und die Sinne 1914–1934, Paderborn 2006, S. 175. Unveröffentlichte Dissertation. Diese Arbeit enthält das bisher interessanteste Archiv über den Krieg als »Schule des Horchens«. Robert Gaupp, Schreckneurosen und Neurasthenie. Zit. n. Günter Komo, »Für Volk und Vaterland«. Die Militärpsychiatrie in den Weltkriegen, Münster/Hamburg 1992, S. 71. Zit. n. Karl-Heinz Roth, Die Modernisierung der Folter in den beiden Weltkriegen. Der Konflikt der Psychotherapeuten und Schulpsychiater um die deutschen »Kriegsneurotiker« 1915–1945, Hamburg1987, S. 18.
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das Ohr buchstäblich belagert. Psychiater arbeiten mit Stromstößen auf die Ohrmuschel und Salzinjektionen in der Gehörgegend, um mithilfe heftiger »Wortsuggestionen im Befehlston« den Zugang zu psychischen Zentren freizulegen und so die »psychopathische Verschiebung« rückgängig zu machen. Mit solchen »Palliativmethoden« versuchte man zu verhindern, dass Soldaten mit »hysterischen Bewegungsstörung«, die sogenannten »Kriegszitterer« und »Schüttelneurotiker«, an die Heimatfront zurückkehrten. Sie sollten auf den heimatlichen Straßen nicht als körperliche Sinnbilder der Wehrkraftzersetzung in Erscheinung treten.
Überlebenstechnik der Geräuscherkennung Wenn das Ohr Haupteinbruchstelle für psychische Verletzungen ist, gilt es für die Soldaten, eine schützende Form des Horchens als Überlebenstechnik auszubilden. Die ersten Wochen an der Front bilden, wie Ernst Jünger zu berichten weiß, eine Schule des Horchens: Nach und nach lernt er [der Soldat] aus der Menge der Geräusche die ihm gefährlichen zu unterscheiden; er errät schon aus den ersten flatternden Andeutungen eines Geschosses dessen Bahn. Er lernt die bedrohlichen Zeiten und Orte kennen, um endlich zu einem kriegskundigen Wesen zu werden, das sich unauffällig wie eine Schlange durch das zerklüftete Gelände windet […].¹² Aber auch Ernst Jünger verfügt nicht spontan über die Kunst der Geräuscherkennung. Am 25. April 1915 heißt es in seinen Aufzeichnungen noch »Krach, Bautz! ssst! ssst! ssst – bum!« Eine Kette angespitzter Buchstaben (Stephan Schlak) soll den Eindruck, sich unter Beschuss zu befinden, fixieren. Es erinnert daran, wie Comic-Strips mit akustischen Ereignissen umgehen. Die Wortfetzen und Lautmalereien berühren Zonen jenseits der Ordnung, nähern sich einem Nullpunkt sprachlicher Vermittlung, münden in dadaistischer Onomatopoesie wie »Bautz! Hulululu« oder »Udja – Udja – Udja – klack«. Acht Monate später schiebt sich ein Ordnungsschema vor den Horizont des diffusen Geräuschs. Am 10. Januar 1916 notiert Ernst Jünger seine Erfahrungen mit Geräuschwahrnehmung. »Schon die Gewehrkugel, die man durch die Luft pfeifen hört und der Gewehrschuß, der aus der Ferne ans Ohr dröhnt, erzählen viel.«¹³ Um Ordnung in die diffuse Erfahrung zu bringen, stellt er eine Typologie Geschossgeräusche¹⁴ auf:
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Ernst Jünger, Das Wäldchen 125, in: Sämtliche Werke, Erste Abteilung. Tagebücher I. Bd. 1, hg. von Ernst Jünger, Stuttgart 1979, S. 331 f. Ernst Jünger, Kriegstagebuch 1914–1918, S. 75 Ebd., S. 76 f.
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»Ist ein Gewehrschuß, auch auf weitere Entfernung auf mich abgegeben, so ist der Klang eigenartig scharf. Er hat dann nicht Ähnlichkeit mit einem starken Geräusch, sondern mehr mit einer scharfen Schmerzempfindung des Trommelfells.« »Steht man da, wo die Laufbahn des Geschosses durch die eigene Mattigkeit endet, so hört man geraume Zeit vorher das Annähern des Geschosses, dann ein Aufklatschen, was nichts nervenerregendes an sich hat, sondern, wenigstens mir, unwillkürlich ein Lächeln abnötigt«. »Querschläger erkennt man an einem mehr surrenden Pfeifen, das durch die Umdrehung um die Horizontalachse hervorgerufen wird«. Die schwere Granate ist »ein schrecklicher Gast«. »Steht man weit von der Stelle des Einschlags, so hört man ein Rumoren in der Luft, das an ein Rattern oder Fahren erinnert. Deshalb nennen unsere Leute diese Geschosse auch Leichenwagen, D-Züge, Reisekoffer u. s. w. Am Schluß der Bahn ein furchtbarer, zerreißender Krach oder – nichts, wenn es ein Blindgänger war.« Wurfminen erzeugen plötzlich einen »Krach im Graben, der eigentümlich nachdröhnt. Das genügt, um für die nächsten Stunden ein Gefühl peinlicher Nervosität entstehen zu lassen«. Die Zünder pfeifen »bis ins hohe C. Wir bezeichneten sie treffenderweise als Canarienvögel.« Sie haben »die unangenehme moralische Wirkung, daß man glaubt, sie nähern sich ständig dem Zuhörer. Wenn sie endlich aufgeklatscht sind, atmet man erleichtert auf.«
Das Gehör tastet den Lärm nach Regelmäßigkeiten ab, identifiziert Munitionsart und Kaliber nach Art des Fluggeräuschs und der Explosion, erfasst Entfernungsgrade. Rechtzeitige Dekodierung der akustischen Signale erlaubt blitzschnelle Körperreaktionen. Musikalisch Gebildete, berichtet Eric Leed, hätten es zu einer gewissen Virtuosität in der differenzierenden Wahrnehmung verschiedener Granatensorten gebracht.¹⁵ Freilich wird nicht berichtet, dass ihre Überlebenschancen dadurch merkbar gestiegen seien. Der chronische Alarmzustand wird im Unterstand nicht nur über das Gehör sondern auch durch das Beben des Erdreichs und wechselnden Luftdruck erzeugt. Hohe Frequenzen gehen nicht über das Gehör.¹⁶ In dieser Situation ist der Soldat im Bann von zwei so gegensätzlichen wie unheimlichen Gewissheiten: Der unsichtbare Feind lähmt ihn durch seine akustische Präsenz. Gleichzeitig weiß er, dass er blitzschnell reagieren muss, wenn der Lärm abebbt und er den Feind zum ersten Mal leibhaftig erblickt. Eine charakteristische Situation zu Beginn der Schlacht an der Somme verdeutlicht das. Der englische Feind ist zwar akustisch im niederprasselnden Trommelfeuer bereits im eigenen Territorium anwesend, als sichtbarer Körper befindet er sich jedoch in einer nicht genau einzu15 16
Eric Leed, No Man’s Land, S. 124. Dazu sehr materialreich Julia Encke, Augenblicke der Gefahr.
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schätzenden Entfernung. Der Horchende weiß, dass mit Nachlassen des Trommelfeuers und plötzlich eintretender Stille der Feind leibhaftig vor dem Graben auftauchen wird.¹⁷ Die motorische Lähmung der Soldaten in der Phase der Bombardierung ihrer Stellungen muss blitzschnell in die Geistesgegenwart des »Wettlaufs um die Brustwehr« (John Keegan) umschlagen. Es gilt, bei Eintritt der Stille aus der Tiefe der Unterstände bis zur obersten Stufe des Einstiegs zu klettern, um von dort aus mit Maschinengewehren die vor den Gräben auftauchenden Infanteristen zu bekämpfen. Horchen auf Fremdes, das ins eigene Territorium eindringen will, erzeugt, wenn der Fluchtweg verstellt ist, Angst. Wenn uns Bewegungsoptionen der Flucht oder des Ausweichens offen bleiben, können wir mit akustischer Bedrohung und panischem Warten auf unbekannte Urheber eines Geräuschs recht und schlecht umgehen. Der Horrorfilm bildet bekanntlich ein Trainingsmedium für die Ausbildung dieses Vermögens. »Die besten Gespenstergeschichten«, bemerkt Ernst Jünger im Lob der Vokale, »zeichnen sich dadurch aus, daß man die Annäherung des Gefährlichen nicht sieht sondern hört«.¹⁸ Mit den Kriegsgeräuschen lernt man also umzugehen. Mit dem Ereignis des traumatisierenden Knalls eines Granateinschlags kann man hingegen nicht umgehen. Fotos und Filme von diesem Ereignis mögen Rauch, Dreckfontänen und zerrissene Körper zeigen – sie zeigen es lautlos. Man kann sie fotografieren – sie bleiben stumm. Der vom Knall überwältigte Soldat verfügt dagegen über kein Mittel, mit dem er sich das Ereignis vom Leibe halten, geschweige denn mit ihm besonnen umgehen könnte.
Wie geht Sprache mit Lärm-Ereignissen um? Schon im August 1914 setzen Kriegserwartung und erste Erfahrungen, wie Heike Gfrereis bemerkt, eine »riesig[e] Schreibmaschine«¹⁹ in Gang. Das Archiv sammelt die Tagebücher und Briefe, und stellt, wie sie sagt, die »ungeheure Schreibenergie«²⁰ aus, mit der sich der Soldat in seiner Verlassenheit auf kleinen Papierblättern eines Rests selbstgewissen Tuns vergewissert. Aber ist der Lärm der Schlacht im Schriftarchiv hörbar? Die Stille des Archivs schaltet den Lärm aus, um die Aufmerksamkeit auf das Material der stummen Überreste der von der Hand gezeichneten, am Körper getragenen, in Feldpostpaketen transportierten Dinge zu lenken. Dennoch begegnen wir keinen lautlosen Zeitspeichern; denn die stumme Schrift ist ein Abbild der lautierenden Sprache.
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John Keegan, Das Antlitz des Krieges, Frankfurt/New York 1991, S. 269–280. Ernst Jünger, Lob der Vokale, in: Sämtliche Werke, Zweite Abteilung. Essays VI. Bd. XII, Stuttgart 1979, S. 23. Heike Gfrereis, Zur Ausstellung »August. Literatur und Krieg«, in: August 1914 – Literatur und Krieg. Eine Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne, hg. von Ulrich Raulff, Christophe Didier, Richard Ovenden und Helmut Lethen, Marbach am Neckar 2013, S. 47. Heike Gfrereis, Zur Ausstellung »August. Literatur und Krieg«, S. 70.
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1925 erscheint eine Materialsammlung über Geschütz- und Geschosslaute im Weltkrieg. Darin hat man Schallbezeichnungen in deutschen und französischen Kriegsberichten und -literatur gesammelt. Man trifft in ihr auf lange Inventarlisten von Schallbezeichnungen. Da es noch keinen Phonographen gab, der das akustische Ereignis annähernd adäquat hätte festhalten können, untersuchte man in den 1920er Jahren das Vermögen der Sprache, akustische Dimensionen unserer Erfahrung zu repräsentieren. Das scheint vor allem darum möglich zu sein, weil das Geräusch nie als ein nacktes akustisches Phänomen auftritt, sondern in der Regel den ganzen Körper erschüttert. Wie die 1925 gesammelten Beispiele zeigen, ist die Sprache durch ihr synästhetisches Vermögen in der Lage, den Energietransfer des akustischen Sinnenreizes auf andere Neuronetze zu erfassen:²¹ – – – –
»S-sim fährt’s vorbei wie Messerschnitt« (FZ 1915, Nr. 28, II.M) »Das irrsinnige Zähnegeklapper der Maschinengewehre« (Ga 1915) »Da kommt schlürfend und heulend von weit hinten die erste schwere Granate« (K 1915) »[…] als käme ein Expresszug aus einem Tunnel herangerast« (VV, 1915) »Wie das einförmige Klappern von Tassen und Tellern in irgendeiner riesigen von lärmenden Gästen erfüllten Gartenwirtschaft […] schallt es von drüben heraus« (FZ 1916)
Im Kriegsgeräusch werden viele Sinne, der akustische, der optische und der Tastsinn überkreuz gereizt und in synästhetischen Bildern an vertraute Alltagswahrnehmungen der Friedenszeit (wie vor allem das letzte Beispiel zeigt) rückgebunden. Ernst Jünger versuchte zehn Jahre nach dem Krieg in seinen surrealistischen Skizzen Das abenteuerliche Herz ein Bild vom »Entsetzen«, das die Erfahrung des Granateinschlags in Erinnerung ruft, zu rekonstruieren? Er verschmilzt den anwachsenden Lärm, der den Gleichgewichtssinn aus dem Lot bringt, mit markerschütternden Vibrationen des Körpers und dem Empfinden, ins Bodenlose zu stürzen: Es gibt eine Art von sehr dünnem und großflächigem Blech, mittels dessen man an kleinen Theatern den Donner vorzutäuschen pflegt. Sehr viele solcher Bleche, noch dünner und klangfähiger, denke ich mir in regelmäßigen Abständen über21
Die folgenden Beispiele stammen aus dem Buch von Dietrich Behrens u. Magdalene Karstien, Geschütz- und Geschosslaute im Weltkrieg. Eine Materialsammlung aus deutschen und französischen Kriegsberichten, Giessen 1925. Die Siglen in Klammern: FZ = Frankfurter Zeitung / I. M. = Erste bzw. II.M. = Zweite Morgenausgabe; Ga III = L. Ganghofer, Die stählerne Mauer. Berlin/Wien 1915.; Ga IV = L. Ganghofer, Der russische Niederbruch. Berlin/ Wien 1915.; Gen. = Frankfurter General-Anzeiger; H =P. O. Höcker, An der Spitze meiner Kompanie. Berlin/Wien 1914.; K = Kieler Neueste Nachrichten; Kr I = Der Krieg, illustrierte Chronik des Krieges 1914/15. Stuttgart 1915.; M = Morgenblatt der Frankfurter Zeitung; Queri = Georg Queri, Die hämmernde Front, Berlin 1916.; VV = Der Völkerkrieg. Hg. v. C. H. Baer. Stuttgart, 1915. Bd. V.; W = F. Wertheimer, Im polnischen Winterfeldzug, Stuttgart 1915.
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einander angebracht, gleich Blättern eines Buches, die jedoch nicht gepreßt liegen, sondern durch irgendeine Vorrichtung voneinander entfernt gehalten werden. Auf das oberste Blatt dieses gewaltigen Stoßes heb ich dich empor, und sowie das Gewicht deines Körpers es berührt, reißt es krachend entzwei. Du stürzt, und stürzt auf das zweite Blatt, das ebenfalls, und mit heftigerem Knalle, zerbirst. Der Sturz trifft auf das dritte, vierte, fünfte Blatt und so fort, und die Steigerung der Fallgeschwindigkeit läßt die Detonationen in einer Beschleunigung aufeinander folgen, die den Eindruck eines an Tempo und Heftigkeit ununterbrochen verstärkten Trommelwirbels erweckt. Immer noch rasender werden Fall und Wirbel, in einen mächtig rollenden Donner sich verwandelnd, bis endlich ein einziger, fürchterlicher Lärm die Grenzen des Bewußtseins sprengt.²² Jüngers surreal anmutendes Sprachbild ist erfahrungsnah. Es schöpft seine Evidenz aus den in Umlauf befindlichen Schallbezeichnungen. Die deutsch französische Materialsammlung führt 1925 folgende Fundstellen auf: – – – –
»Der Nachhall klingt wie das Hinschmettern von Metallplatten« (FZ 1915) »Und es donnert, blitzt und grollt als wäre die Erde ein dickes Blech, auf das Beulenschläge prasseln« (FZ 1915) »Es schien, als ob ein Riese eine ungeheure Leinwand zerrisse« (VV 1915) »Eisentüren fallen in’s Schloß, turmhohe, gepanzerte Eisentüren« (H 1914)
Jüngers Bild des Entsetzens bezieht seine Evidenz auch aus einem Textarchiv von Geräuschnamen, in dem die Erfahrungen der Frontsoldaten abgelagert sind. Sie lehnen sich an Muster der Schreckens-Literatur von zum Beispiel E. A. Poe und E. T.A. Hoffmann an, die sich als Ausdruckformen des Entsetzens im neunzehnten Jahrhundert eingebürgert hatten.
Technische Speichermedien des Knalls Sie versagten beim Entwicklungsstand der Phonotechnik im Ersten Weltkrieg. Die industriellen Fabrikanten Siemens & Halske konzentrierten sich auf technische Kommunikations-Systeme und weniger auf Speichermedien. Es gibt einige auf Schellack-Platten gepresste Hörbilder mit Soldatenliedern, Kommandorufen, Ansprachen, Sprechproben von Gefangenen verschiedener Ethnien. Auf einer zweiminütigen englischen Aufnahme von 9. Oktober 1918 aus der Gegend von Lille, hören wir zunächst
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Ernst Jünger, Das Abenteuerliche Herz. Aufzeichnungen bei Tag und Nacht. Erste Fassung (1929), Stuttgart 1987, S. 15 ff.
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die Stimmen von Soldaten, die Befehle weitergeben, bevor das Kommando »Fire« ertönt, gefolgt von Abschüssen und dem Heulen von Gasgranaten.²³ Ein technisches Gerät wie der Phonograph könnte, so hoffte man, den Originalton des Lärms speichern und reproduzieren ohne Dazwischenkunft kognitiver Filter, die das akustische Signal beugen, umlenken, dekodieren. Weil der Phonograph weniger kann als das Gehirn, das mit dem Lärm umgehen, ihm Orientierungsdaten und Abwehrmittel abgewinnen muss, ist es ihm auf dem Sektor des Registrierens des rein akustischen Ereignisses, überlegen. Aber Aufnahmen des Originaltons brachten damals und noch in den zwanziger Jahren nichts als Enttäuschung: »Durch die rein apparaturmäßige Übertragung vom wirklichen Geräusch wird nämlich meist nur Lärm im Apparat, aber keine Illusion produziert. Zum Beispiel klingt ein Schuss gar nicht wie ein wirklicher Schuss, sondern nur wie ein Schlag aufs Mikrophon«.²⁴ Also beginnen die Toningenieure, Lärmkulissen im Labor herzustellen, um möglichst authentische Effekte, zu erzielen. Erst dem amerikanischen Tonfilm wird es viel später gelingen, Geräuschkulissen zu konstruieren, die die Illusion des traumatisierenden Krachs wachrufen. Joris Ivens berichtet, wie sein Team in der Columbia-Werkstatt von CBS 1937 durch die Synthese verschiedener Tonspuren authentische Geräusche zu seinem Dokumentarfilm The Spanish Earth herstellen musste, weil die Originaltöne, die man aus Spanien mitgebracht hatte, unbrauchbar blass klangen: All die erfundenen Kriegsgeräusche usw. basierten darauf, was mein Gedächtnis und das Hemingways gemeinsam zu reproduzieren wußten. Wir sagten Irving [dem leitenden Toningenieur, HL] zum Beispiel, ein Luftangriff höre sich an wie Hundebellen in der Nacht […]. Granatexplosionen, die tatsächlich nur eine Fünftelsekunde dauerten, streckten wir auf das Fünffache. Der einzige, schon vorher einmal benutzte Ton, den wir in unseren Film aufnahmen, war ein Stück Erdbebengeräusch aus ›San Francisco‹, das wir rückwärts abspielten, um den von uns gewünschten Effekt bei einer Bombardierung zu erreichen.²⁵ Ivens ließ die künstlich hergestellte Tonspur aus dem Labor Kriegsteilnehmern vorspielen. Der Effekt frappierte alle – das klang authentisch. Dabei kann sich die gelungene Transposition des »Hundebellens« in die Tonspur der Bombardierung auf Wendungen stützen, die im Erinnerungsraum der Sprache vorgebahnt sind. 1915 las man in der Frankfurter Zeitung über einen Angriff durch Mitrailleusen:
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Gerhard Paul, Trommelfeuer aufs Trommelfell. Der Erste Weltkrieg als akustischer Ausnahmezustand, in: Sound des Jahrhunderts, hg. von Gerhard Paul, Ralph Schock, Bonn 2013, S. 83. Hermann Kesser, Bemerkungen zum Hör-Drama, in: Die Sendung, 29 (1931). Zit. n. Schneider, S. 189. Joris Ivens, Die Kamera und ich. Autobiographie eines Filmers, Reinbeck 1974, S. 99.
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»Es war, als ob sämtliche Hunde der Stadt auf einmal zu bellen anfingen«²⁶ »Wie oft blickten wir hinauf und meinten, wir müssten die fliegenden Kriegshunde aus Eisen sausen sehen, so nahe vernahmen wir ihr Heulen und Bellen« (Kr I, 1914/15) Das in die Tonspur integrierte Erdbebengeräusch muss im Kino des Jahres 1937 noch ein akustisches Ereignis bleiben. Erst mit der Einführung von Dolby-Stereo Installationen gelang viel später durch eine extreme Verstärkung ganz tiefer Frequenzen eine Überflutung (»engulfment«, wie Thomas Elsaesser es nannte) der Zuschauer, mit der Teilhabe des Gehörs mit Vibrationen des Körpers verschmelzen soll. Neue Beschallungsgeräte sind in der Lage, die Eigenresonanz des Kinomobilars so zu aktivieren, dass die visuellen und akustischen in taktile Reize überführt werden.²⁷ Steven Spielbergs Sequenz über die Landung in der Normandie in seinem Private Ryan ist der extremste Versuch, mit Mitteln des engulfments eine traumatische Situation nachzustellen. Die Technologie des Films scheint also inzwischen zumindest zu Annäherungen an Simulationen des akustischen Schreckens gekommen zu sein, die von Sprache und Schrift schwer einzuholen sind. Zumal die schriftlichen Aufzeichnungen aus dem Krieg plötzlich mit der Fotografie einen Konkurrenten bekommen, der auf seine Weise ein lautloses Inventar der Schlachtfelder zusammen stellte. Gegenwärtig erwarten wir ein gigantisches Wachstum von Millionen digitalisierten Ersten Weltkriegsfotografien. Die Fotographie, nicht die Literatur, ist gegenwärtig der Königsweg zur Wirklichkeit des Ersten Weltkriegs. Sie scheint uns unmittelbarer an die Gegenstände des Kriegs zu rücken, weil sie, wie Roland Barthes einmal sagte, über eine magisches Vermögen verfügt, von einem »realen Objekt, das einmal da war« Strahlen aufzufangen, »die mich erreichen, der ich hier bin«. Die Dauer der Übertragung zählt für Barthes wenig, »die Photographie des verschwundenen Wesens berührt mich wie des Licht eines Sterns.«²⁸ Berühren uns die Gestalten in den Sprachkonstruktionen der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg nicht wie das Licht eines fernen Sterns?
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Von der Insonzofront werden ähnliche Verbalisierung berichtet: Man sprach je nach Art der Geschosse von Katzen, Hunden und schweren Trümmern. Die Infanteriegeschosse wurden meist mit Zwitschern, Zischen und Klirren beim Aufschlag beschrieben. Mitteillung von Lutz Musner. Barbara Flückiger, Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films, Marburg 2001, S. 208 ff. Roland Barthes, Helle Kammer, Frankfurt am Main 1989, S. 90.
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Das Vermögen der Sprache Gegen Ende der Weimarer Republik, in dem die Verarbeitung der Kriegserfahrungen politisch auf fatale Weise fehlschlug, sprach der Linguist Karl Bühler von der nicht stillbaren »Sehnsucht, das Indirekte, was die Sprache mit anderen Kulturgütern gemeinsam hat«²⁹ aufzuheben. Bühler versteht das Verlangen der Menschen, die Grammatik der schriftlichen Umwelt zu durchstoßen. Der Anschauungshunger und die Sehnsucht nach einem direkten Kontakt und Verkehr mit den Sinnesdingen ist eine psychologisch durchaus begreifliche Haltung des Sprechenden. Der Mensch, welcher lautierend die Welt zu lesen und zu deuten gelernt hat, sieht sich durch das Zwischengerät Sprache und dessen Eigengesetze abgedrängt von der unmittelbaren Fülle dessen, was das Auge zu trinken, das Ohr zu erlauschen, die Hand zu begreifen vermag, und sucht den Weg zurück, sucht zu einer vollen Entfaltung der konkreten Welt zu gelangen unter Wahrung des Lautierens, soweit es gehen mag.³⁰ Bühler findet es komisch, dass Schriftsteller versuchen, mit lautmalenden Elementen, ihrem Ziel, der Wirklichkeit näher kommen wollen. Diese Lautmalereien können seines Erachtens nur »sporadische Fleckchen« im Darstellungsfeld der Sprache bilden. Tatsächlich findet man in Kriegsdokumenten selten direkt lautmalende Schallausdrücke, wie zum Beispiel: – –
»Pft-pft-pft, wie ein pustender Motor beim Anwerfen« (Queri, 19) »S sss itt, klatsch!« hörte ich eine Kugel in meinen Nebenmann einschlagen« (K 1915, Nr. 143)
Man könnte, vermutet Bühler, mit solchen Phonemen vielleicht ein »sukzessives Abrollen von kleinen Tonbildern« in der Sprache veranstalten, um die Sehnsucht des »stofflichen Hörens«³¹ zu befriedigen. Das aber entspreche nicht dem Vermögen der Sprache. Denn deren eigentliche Kapazität besteht darin, die Dinge durch ihre indirekte symbolische Form, die eigenen Gesetzen des Zeichensystems unterliegt, in die Ferne zu rücken, um sie in kommunizierbare Nähe zu bringen. Während Bühler die Fähigkeit der Sprache, »erscheinungstreue Wiedergabe« von Akustischem in isolierten Phonemen skeptisch beurteilt, preist er ihr Vermögen, überkreuz gereizte Sinne abzubilden, ihre Fähigkeit zur Synästhesie. Beispiele dafür sind hier schon aufgeführt. Ich will sie durch andere ergänzen:
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Karl Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Jena 1934, S. 195. Ebd. Karl Bühler, Sprachtheorie, S. 203.
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»Dazwischen dringt scharf und hell wie ein Schlag mit dem Messer auf eine Tischkante der vereinzelte Schuß eines Scharfschützen.« (FZ 1916) »Die Explosionen der Geschosse klingen dumpf auf, wie ein zugehaltener Mund, den plötzlich gewaltsam der Atem sprengt« (FZ 1915) »Langgezogen und ohne Pausen, wie ein Wesen das des Atemholens nicht bedarf, so brodelt und rollt das Gewehrfeuer« (FZ 1916)
Bühler räumt der synästhetischen Ausdrucksdimension der Sprache einen Möglichkeitsraum der Imagination ein. Er ist allerdings skeptisch, ob isolierte Phoneme wie »ratsch«, »ssit«, »peng«, »rumms« und »klatsch« sozusagen als Löcher in der symbolisch fabrizierten Umwelt einen Durchblick auf akustisch Unbewusstes zuließen. Bühler war gegen eine Tendenz, die Robert Musil beobachtete, wenn er sagte, die Intelligenz der Vorkriegszeit hätte sich wohl nach einem »metaphysischen Krach« gesehnt. Das mag sein. Als der Krach da war, verging ihnen, wenn sie klug waren, Hören und Sehen und die Lust, ihm metaphysischen Rang beizumessen.
Die Stille des Archivs Es fragt sich, ob wir uns im Gedenkjahr 2014 dem Meer von Millionen Weltkriegsfotografien wie einem metaphysischem Krach ausliefern müssen oder uns in die Stille der Sprachdokumente versenken, eingedenk der Erkenntnis, dass wir die symbolische Technik der Sprache brauchen, um uns die Phänomene vom Leib zu rücken, um in dieser Entfernung mit ihnen in größerer Nähe der Reflexion so umzugehen, sodass wir sie bewusst spüren können. Insofern liefert die Stille der Marbacher Ausstellung und seines Archivs nicht einen toten Rückstand der Schrift, nicht die lautlose Halde des Zwischengeräts Sprache. Es ist wirklich still im Archiv. »Die Lesbarkeit der Zeichen ist so fragil wie ihre Materialität«, bemerkt Heike Gfrereis in ihrem Kommentar zur Ausstellung. »Je näher man der realen Schrift kommt, umso unzugänglicher kann sie sich erweisen. Man kann sie berühren, aber man kann sie eventuell nicht lesen oder nicht verstehen.«³² Wir erfahren ungeheure Transformationsprozesse innerhalb eines Monats, des August 1914. Dokumente von Künstlern, die sich im Handumdrehen in das Schwungrad der Volksbegeisterung einhängen, das »Uhrwerk« des Kriegs bewundern, in dem, wie Armin T. Wegener am 9. August schreibt, »kunstvoll die Räder ineinandergreifen« und schon neun Tage später an der polnischen Front eine groteske Szene wahrnimmt: »Als die Soldaten die Leichen wie Heringe eingepackt haben, sagen sie: ›Nun noch etwas Senf dazu‹ und scheißen in die Grube hinein«, um am 22. August bereits ein anthropologisches Fazit zu ziehen, das Sigmund Freuds spätere Einsicht vom bahnbrechenden Untermenschlichen vorwegnimmt. Die Transforma-
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Heike Gfrereis, Zur Ausstellung »August. Literatur und Krieg«, S. 68.
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tion des Ereignisses in Schrift mag lautlos sein, aber nur sie kann ihre Drastik wiedergeben. Darin ist sie Phonogrammen und Fotografien überlegen. Dennoch trifft man in der Stille des Archivs auf etwas, was einen anderen Aggregatzustand hat, als die Schrift. Es ist ein anderer Überrest des Lebens eines jungen Schriftstellers. Wir können die Liebesbriefe von Gustav Sack, der als Kriegsgegner in den Krieg gezwungen wird, vom August 1914 bis zum Dezember 1916 lesen, bis wir zum 26. Dezember kommen. Erst lesen wir: Per Einschreiben erhält Paula Sack am zweiten Weihnachtsfeiertag ein kleines Päckchen mit den Dingen, die ihr Mann Gustav bei seinem Tod an der rumänischen Front bei sich hatte: eine Pfeife mit Tabakresten, ein Portemonnaie und eine kleine mit einem Amor geschmückte Schachtel, in der zwei Medaillons mit Fotos von Gustav und Paula sowie der Ring einer Studentenverbindung liegen.³³ Das lesen wir mit fataler Gelassenheit. Kein Zweifel: Schrift war die Vermittlung, Liebesbriefe bahnten den Weg, auf dem wir zu dem Ding geführt werden, das in der Vitrine vor uns liegt. Und dann schieres Entsetzen: das Ding ist wirklich da und haut dem Fass der Schriftlichkeit den Boden aus. Wie ein heiliger Überrest mit der Magie der Präsenz eines für immer ausgelöschten Lebens, das Feldpostpäckchen. Man wird verstehen, dass ich zögere, einem anderen Ding, das man zu sehen bekommt, den Stahlhelm mit Einschussloch, den Jünger dem von ihm getöteten britischen Offizier abnahm und als Trophäe seiner Sammlung einverleibte, unter der Kategorie des heiligen Überrests aufzuführen. Aber wer auf dem Dogma der Präsenz der Dinge beharrt, muss die Amoralität des Kontextes in Kauf nehmen.
Epilog In den Kommandostäben der österreichischen Armee versuchte man mit Hilfe von Stummfilmsequenzen die Auswirkungen der Granateinschläge, die zu traumatischen Erkrankungen führten, zu ergründen. Karl Kraus hat die Groteske eines Versuchs, das traumatische Erlebnis des Frontsoldaten auf Generalstabsebene in den Griff zu bekommen, in Die Letzten Tage der Menschheit vergegenwärtigt: Hauptquartier. Kinotheater. In der ersten Reihe sitzt der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich. Ihm zur Seite sein Gast, der König Ferdinand von Bulgarien. Es wird ein Sascha-Film vorgeführt, der, in sämtlichen Bildern Mörserwirkungen darstellt. Man sieht Rauch aufsteigen und Soldaten fallen. Der Vorgang wieder-
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Der Krieg im Archiv – ein Kalendarium: September 1914–Dezember 1918, in: August 1914 – Literatur und Krieg. Eine Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne, hg. von Ulrich Raulff, Christophe Didier, Richard Ovenden und Helmut Lethen, Marbach am Neckar 2013, Bd. III, S. 229.
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holt sich während anderthalb Stunden vierzehnmal. Das militärische Publikum sieht mit fachmännischer Aufmerksamkeit zu. Man hört keinen Laut. Nur bei jedem Bild in dem Augenblick, in dem der Mörser seine Wirkung übt, hört man aus der vordersten Reihe das Wort: »Bumsti!!«³⁴ In Österreich rufen Kinder, wenn ihre Puppe aus dem Wagen, das Kranauto in den Sand oder die Tasse auf die Fliesen gefallen ist, »Bumsti«.³⁵ Von wem auch immer dieser Ausruf im Karl Krausens Armeekinotheater des Oberkommandos stammt – moralischer sind wir schon, im Bezug auf das traumatische Geschehen. Aber sind wir sprachmächtiger als Erzherzog Friedrich oder einer seiner Generäle?
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Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit (1926), Frankfurt 1986, S. 297. Mitgeteilt von Ralf Bogner.
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schiller-rede Am 10. November 2013 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Friedrich Schillers Brieffolge Über die ästhetische Erziehung des Menschen gegenwärtig zu den bevorzugten Lektüren sich bildender oder gebildeter Kreise gehört. Um 1790 herum geschrieben, wollte der Dichter des Don Karlos die ästhetischen Grundlagen untersuchen, die zum Aufbau einer neuen Anschauung der Welt nützlich wären. In einem Schreiben an seinen Gönner Prinz Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg heißt es: Die Revolution in der philosophischen Welt hat den Grund, auf dem die Ästhetik aufgeführt war, erschüttert, und das bisherige System derselben, wenn man ihm anderes diesen Namen geben kann, über den Haufen geworfen. Kant hat schon 1790 in seiner Kritik der ästhetischen Urteilskraft angefangen, die Grundsätze der kritischen Philosophie auch auf den Geschmack anzuwenden und zu einer neuen Kunsttheorie die Fundamente, wo nicht gegeben, doch vorbereitet. Aber so wie es jetzt in der philosophischen Welt aussieht, dürfte die Reihe wohl zuletzt an die Ästhetik kommen, eine Regeneration zu erfahren. […] Auch die Schönheit, dünkt mir, muß wie die Wahrheit und das Recht auf ewigen Fundamenten ruhn, und die ursprünglichen Gesetze der Vernunft müssen auch die Gesetze des Geschmacks sein. Als ich diese hundert dicht gedrängten, fabelhaft formulierten und mit Grandezza vorgetragenen Seiten wieder las – ich muss sie, wie Anstreichungen zeigen, schon einmal gelesen haben –, war ich vor lauter Staunen über den hochherzigen Schwung, mit dem Schiller sein Fundament einer künftigen ästhetischen Ordnung zimmerte, sprachlos: Schönheit, Wahrheit und Recht spricht er in einem Atemzug aus. Und statt darüber nachzudenken, wie ich die Schiller-Rede, die ja ausdrücklich nicht von Schiller zu handeln brauchte, aufs Papier bringen könnte, las ich im Urlaub die knapp tausend Seiten der theoretischen Schriften samt Anmerkungen, wie sie in Hansers Schiller-Ausgabe in Band V zusammengefasst sind. Schiller war 32, als er die Ästhetischen Briefe schrieb, er wurde insgesamt nur 46 Jahre alt. Wenn man heute unter Google die erste Eintragung von Schiller anklickt, starren einen genau zwölf Zeilen an:
schiller-rede
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Geboren: 10. November 1759 in Marbach am Neckar. Gestorben: 4. Mai 1805 in Weimar. Ausbildung: Hohe Karlsschule. Bücher: Der Geisterseher. Filme: Carlos, Wilhelm Tell. C’est tout. Schiller selbst konnte sich der heute allgegenwärtigen Suchmaschinen nicht bedienen, die unsere Anschauungen und Kenntnisse von der Welt lenken. Er musste selber denken. Er kannte weder die Fernleihe noch die Exzellenzprogramme zur Drittmittelbeschaffung, er hatte keine reichen Eltern oder fleißige Assistenten, vor allem hatte er die Welt nicht angeschaut; auf die grand tour, auf der Herder und Goethe zu Europäern wurden, musste er aus Erstmittelknappheit verzichten. Wie er trotz der kümmerlichen Lebensumstände sein gewaltiges Werk mit Feder und Tinte im Alleingang aus sich heraus entwickeln konnte, bleibt für mich ein ebenso großes Rätsel wie die sogenannte deutsche Klassik insgesamt – Was in den wenigen Jahrzehnten um 1800 zur Selbstvergewisserung, zur Geschmacksbildung, zu rechtlichen und sozialen Fragen jenseits der gegebenen Strukturen, oder gar zur kulturellen Selbstbehauptung, zu der auch der Begriff Geistiges Eigentum und das Urheberrecht gehörten, gedacht und geschrieben, gezeichnet und komponiert wurde, dieses kollektive Aufatmen zwischen Königsberg, Berlin, Weimar und Tübingen gehört noch immer zu den wenigen unbegreiflichen Sternstunden der deutschen Geschichte. Weder davor noch danach ist eine solche kompakte Architektur geistiger Vorstellungen im Namen von Vernunft und Schönheit errichtet worden. Peter von Matt hat kürzlich darauf hingewiesen, dass wir uns schämen sollten, die wenigen verbliebenen Hüter dieses Schatzes, von dem wir alle, Goethe-Leser oder -Verächter, KlassikEnthusiasten oder -Bezweifler, noch heute profitieren, als Bildungsbürger zu verspotten. Wie pervers muss eine Gesellschaft sein, dass sie es zulässt, Bildung als etwas Geschäftsschädigendes anzusehen. Die meisten von uns, wenn sie überhaupt je mit den ästhetischen Schriften Schillers in Verbindung getreten sind, haben die berühmten Zeilen aus dem 15. Brief (S. 618) in Erinnerung behalten, die lauten: »Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« Ein enigmatischer Spruch, der so entschieden gegen die Ansprüche des Christentums – gegen das bete und arbeite – gerichtet ist, dass es einen schaudert. Man sollte sich aber die Zeit nehmen, den ganzen Text einmal durchzusehen, um die Tragweite der Didaktik des Schönen und der idealistischen Anthropologie zu ermessen, wie Schiller sie entwickelt hat – auch um zu begreifen, warum eine solche Idee vom Menschen – wie übrigens alle Ideen, die den Menschen normativ festlegen wollen – notwendigerweise scheitern musste. Deshalb noch ein Zitat, Schiller, Band V, S. 564: Ich will also Vorstellungen, die ich schon gehabt, in eine einzige auflösen, und dieses kann ich nicht, und peinlich empfinde ich, daß ich es nicht kann. Um aber zu empfinden, daß ich eine Forderung nicht erfüllen kann, muß ich zugleich die
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michael krüger Vorstellung dieser Forderung und die meines Unvermögens haben. Diese Forderung aber ist hier: Allheit der Teile in der Komprehension, oder Einheit meines Ichs in einer gewissen Reihe von Veränderungen meines Ichs. Ich muß mir also vorstellen, daß ich die Einheit meines Ichs in allen diesen Veränderungen nicht zur Vorstellung bringen kann; aber eben dadurch stelle ich mir ja dieselbe vor. Eben dadurch denke ich mir ja schon die Totalität der ganzen Reihe, daß ich sie denken will, da ich nichts wollen kann, als wovon ich schon eine Vorstellung habe. Ich trage also schon diese Allheit in mir, die ich darzustellen suche, eben weil ich sie darzustellen suche. Das Große also ist in mir, nicht außer mir. Es ist mein ewig identisches, in jedem Wechsel bestehendes, in jeder Verwandlung sich selbst wiederfindendes Subjekt. Ich kann die Auffassung ins Unendliche fortsetzen: heißt also nichts anderes, als in unendlichen Veränderungen meines Bewußtseins ist mein Bewußtsein identisch, die ganze Unendlichkeit liegt in der Einheit meines Ichs.
Wer sich bei diesen Zeilen nicht gewissermaßen innerlich erhoben fühlt, sollte die Finger von Schiller lassen. Nun, dieses ewig identische Ich ist schon im neunzehnten Jahrhundert den peinlichsten Belastungen ausgesetzt worden; dem Traum von der Unendlichkeit folgten die romantischen Konzepte der Innerlichkeit, die wiederum an den politischen Bedingungen des bürgerlichen Zeitalters zerschellten, das – mit der Ausnahme des evangelischen Pfarrhauses – andere, pragmatischere Vorstellungen über das Hier und Jetzt der Existenz formulierte. Das Fundament, auf dem Schönheit, Wahrheit und Recht gleichberechtigt blühen sollten, zerfiel. Seltsamerweise hat diese Zeit des Umbruchs in Deutschland nur wenige Prosaiker von Rang hervorgebracht. Während in England, Frankreich und Russland der moderne Roman geschrieben wurde, das gewaltige Epos der Seele und der Leidenschaften, der Gewinner und der Verlierer, des Staates und seiner Gegner, der auf dem Alten beharrenden Väter und der dem Neuen entgegenfiebernden Söhne und natürlich das Drama des aus den Wolken der Transzendenz hernieder gezwungenen, befragten, verspotteten und schließlich für tot erklärten Gottes: All das, was die Moderne ausmachte, wurde von Stendhal bis Balzac und Flaubert, von Turgenjew, Tolstoi und Dostojewski, von Dickens, Thackeray und den englischen Autorinnen des neunzehnten Jahrhunderts in einem erzählerischen Panorama von so ungeheurer Detailgenauigkeit und Plastizität vorgestellt, dass es in europäischer Perspektive die deutsche idealistische Klassik ersetzt hat: Der europäische Roman des neunzehnten Jahrhunderts, an dem die Deutschen so wenig beteiligt sind, ist zum eigentlichen Klassiker geworden. Urs Widmer hat kürzlich ironisch festgestellt, Gottfried Keller sei der Homer der Schweiz gewesen, der Gründungsvater der eidgenössischen Literatur. Unser deutschsprachiger Anteil jedenfalls, Der Grüne Heinrich, die Romane von Stifter und Fontane, ist gering, denn man wird kaum auf die Idee kommen, Gustav Freytag in einem Atemzug mit Balzac nennen zu wollen. Die zentrifugalen Energien, die das sich industriell entwickelnde und in den Kolonien sich austobende Europa beherrschten, waren nur in einer kollektiven ›großen
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Erzählung‹ zu bannen, die den Ehrgeiz entwickelte, alle Seiten, alle Potentialitäten eines Sachverhalts, einer politischen Konstellation, einer psychologischen Beziehung, einer sozialen Entwicklung oder auch nur einer besonders scheußlichen Intrige darzustellen. Dem ›großen Roman‹ des neunzehnten Jahrhunderts, das macht seine unvergleichliche Größe aus, war nichts heilig: Vom Gläubigen bis zum Pornographen hat er alle nur denkbaren Charaktere emblematisch und wirklich in Szene gesetzt. Die Mentalitätsgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, das Fundament dessen, was uns ausmacht, wurde in der Hauptsache im Roman festgehalten. Wie also sollen wir mit diesem gewaltigen Kollektivtext umgehen? »Klassiker«, sagt der kluge Essayist Italo Calvino, »liest man nicht aus Pflicht oder Respekt, sondern nur aus Liebe.« Und bei George Steiner heißt es: »Keine formale Geschichte kann es mit der Wahrhaftigkeit von Tolstois Krieg und Frieden aufnehmen.« In solchen Zusammenhängen hat es Schiller schwer, seine an der Antike geschulte Ästhetik der Idealität zur Geltung zu bringen. Adieu Schiller, adieu ewig identisches Subjekt! Als mich Ulrich Raulff und Jan Bürger fragten, ob ich die diesjährige SchillerRede halten wolle, habe ich lange gezögert. Was kann ich Ihnen hier in Marbach, in dieser Schatzkammer der Literatur erzählen, was Sie nicht schon selber wissen? Eine Apologie der Bildung, des Lesens? Solche idealistischen Sonntagsreden sollen andere halten – ich glaube schon längst nicht mehr daran, dass sich das einer zu Herzen nimmt. Ich selber habe nie studiert, nie wissenschaftlich gearbeitet, nie systematisch gelesen, ich habe keine Blumenberg’schen Zettelkästen angelegt, die mich bedienen, und keine alten Vorlesungen zur Hand, die ich nach den richtigen Zitaten abgrasen kann. Auf mein Gedächtnis will ich mich schon gar nicht verlassen. Und obwohl ich mein ganzes Leben mit Büchern zugebracht habe, sehe ich überall die gähnenden Lücken, die natürlich ungleich größer sind als der Platz, den das Gelesene einnimmt. »So umfangreich die Bildungslektüre eines Individuums auch sein mag«, tröste ich mich mit Calvino, »immer bleibt eine riesige Anzahl grundlegender Werke übrig, die man nicht gelesen hat.« Ich habe weder den ganzen Herodot gelesen, noch den ganzen Thukydides, ich habe im Saint Simon nur geblättert und keine Zeile des Kardinal Retz zur Kenntnis genommen. Émile Zolas Zyklus der Rougon Macquart habe ich brav gekauft, bin aber über zwei oder drei Bände nicht hinausgekommen. Als wir kürzlich den runden Geburtstag von Jean Paul gefeiert haben, bin ich wieder in seinen Labyrinthen herumgestiegen, als nähme er mich zum ersten Mal gefangen. Wie lange konnte ich mich ihm hingeben? Drei Wochenenden? Das heißt, ich gehöre zu der verschwindend kleinen Minorität, die anlässlich des Geburtstages dieses Großmeisters der deutschen Sprache wenigstens ein Prozent dieser wörterspuckenden Wundermaschine in sich aufgenommen hat. Gottlob haben wir immer mehr gelesen, als wir tatsächlich gelesen haben. Das weiß ich von dem wunderbaren Julien Gracq, der ein Lehrer war und es trotzdem zugegeben hat: Wenn wir sagen, wir hätten Hesse gelesen, dann wollen wir mitteilen, dass wir vielleicht einmal das seltsame Glasperlenspiel verschlungen haben und im übrigen wissen, welch Geisteskind der Autor war: für die einen ein Spiritualist, für die anderen ein Kitschier – Mein Gott: Gulp oder In der alten Sonne! – für wieder andere ein erstklassiger Kritiker – aber er war natür-
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lich alles zusammen, nur haben wir nicht alles von ihm zur Kenntnis nehmen können. Wer aus patriotischem oder tatsächlich literarischem Interesse alle Werke wenigstens unserer Nobelpreisträger der Gegenwart gelesen hat – Heinrich Böll, Elias Canetti, Günter Grass, Elfriede Jelinek und Herta Müller –, der hebe die Hand. So viel Lesezeit hat keiner. Ich will hier eine wahre Anekdote einfügen. In den 1960er Jahren lud mich ein Professor für Ökonomie, der Gefallen an mir gefunden hatte, als Externen in sein Seminar Einführung in die Ökonomie ein und schickte mir die Leseliste zu, deren Kenntnis unabdingbar war für die Teilnahme. Vom Kapital von Marx bis zu Schumpeter und darüber hinaus bestand sie aus rund dreißig Titeln, die ich, tagsüber Lehrling in einem Verlag und in einer Druckerei, in den nächsten vier Wochen abends zu lesen hatte, um wenigstens einen Moment im hellen Licht der Wissenschaft mich baden zu dürfen. Ich hatte schnell herausgefunden, dass ich bei einer Lesezeit von fünf Minuten pro Seite erst als Rentner in seinem Seminar hätte Aufnahme finden können – und verzichtete dankend. Marx habe ich dann später doch noch gelesen, die vierbändige Auswahl von Iring Fetscher in der Fischer Bücherei, Schumpeters Thesen sind mir zugeflogen, ohne dass ich je eines seiner Bücher studiert hätte – wir wissen eben mehr als wir gelesen haben. Ich will also, wenn Sie gestatten und wenn dies als Schiller-Rede durchgeht, von mir sprechen. Das Fazit lautet, ich will es vorwegnehmen: ich bin Lektor, Verleger, Zeitschriftenherausgeber und, am Rande, Autor geworden, um wenigstens einen Teil meiner Lesezeit als Arbeitszeit deklarieren zu können. Das ist mir leider nur unzureichend gelungen: Jetzt, am Ende meiner Arbeitszeit, lese ich wieder wie zu Beginn – abends und nachts. Mein wirklicher Lese-Enthusiasmus begann im Sommer 1958. Ich trampte mit einer Gruppe der evangelischen Jungenschar von Berlin aus in die Bretagne, und weil ich, wie so oft in meinem Leben, Glück hatte, war ich als erster in Paris, dem ersten Treffpunkt. Wir schliefen, eingehüllt in unsere Schlafsäcke, am Straßenrand, und bevor mir die Augen zufielen, las ich das schönste deutschsprachige Paris-Buch, den Malte Laurids Brigge von Rilke. Ich war damals durch und durch existenzialistisch gestimmt, wenn ich so sagen darf, das heißt, ich liebte Juliette Greco, Georges Brassens, Camus und Sartre. Ich behauptete trotzig, ohne alles eigene Zutun ins Leben geworfen worden zu sein, und dem Leiter unserer Gruppe, dem hochgebildeten Pfarrer Claus Eggers, erklärte ich ohne Umschweife, nicht an einen Gott glauben zu können, der zu schwach ist, das Elend der Menschheit zu tilgen. Ich war der festen Überzeugung, das dreißigste Lebensjahr nicht zu erreichen, und spielte sogar mit dem Gedanken, mich umzubringen, um der sinnlosen Welt zu entkommen. Mit anderen Worten, Paris war das richtige Pflaster für mich. Ich traf gegen Mittag in der Hauptstadt ein, deponierte meinen Affen samt Kochgeschirr bei dem Onkel eines Freundes und machte mich, den Malte unterm Arm, schnurstracks auf zu den Bouquinisten an der Seine, die damals, im Vor-Amazon-Zeitalter, ihre Bücher noch nicht durch durchsichtige Folien geschützt anboten. Dort fand ich Die Flucht ohne Ende von Joseph Roth. Was für ein Titel! Er entsprach haargenau meinem Lebensgefühl. An die Kaimauer gelehnt, aufgeschossen und mager, in kurzen Lederhosen und in der Kluft der Jungenschar mit Halstuch
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und Knoten las ich unter den argwöhnischen Augen des Bouquinisten atemlos den Bericht des Leutnants Franz Tunda, diese Allegorie des katastrophalen Untergangs eines Reichs – und konnte nicht mehr aufhören. Was mit der Gefangennahme durch die russische Armee beginnt und nach Stationen in der sibirischen Steppe, in Odessa, Berlin und Wien schließlich in Paris endet, ist nicht nur der Bericht vom Ende des k. und k.-Reiches, vom Sieg der Bolschewisten, von der deutschen Revolution und einer George-Grosz-haften Nachkriegszeit, sondern eben auch eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte. Als mein neuer Freund Franz Tunda seine Verlobte in Paris endlich wiedersieht, erkennt sie ihn nicht mehr wieder! Die ganze Welt hat ihr Gesicht geändert! Und die Verlobte geht, ohne ihn auch nur zu bemerken, an ihm vorbei. Und dann kommt die Schlusspassage, die ich nur unter Tränen lesen konnte: Es war am 27. August 1926, um vier Uhr nachmittags, die Läden waren voll, in den Warenhäusern drängten sich die Frauen, in den Modesalons drehten sich die Mannequins, in den Konditoreien plauderten die Nichtstuer, in den Fabriken sausten die Räder, an den Ufern der Seine lausten sich die Bettler, im Bois de Boulogne küßten sich die Liebespaare, in den Gärten fuhren Kinder Karussell. Es war um diese Stunde, da stand mein Freund Tunda, 32 Jahre alt, gesund und frisch, ein junger starker Mann von allerhand Talenten, auf dem Platz vor der Madeleine, inmitten der Hauptstadt der Welt und wußte nicht, was er machen sollte. Er hatte keinen Beruf, keine Liebe, keine Lust, keine Hoffnung, keinen Ehrgeiz und nicht einmal Egoismus. So überflüssig wie er war niemand in der Welt. Ja, Franz Tunda, das war ich, so wie ich Malte, Roquentin und selbstverständlich auch Meursault war. Vom Unglück geboren zu sein, auf diese griffige Formel hat es dann der Dauerhäretiker Cioran in der Übersetzung von Celan gebracht – eine Formulierung übrigens, die ich nach Jahren nahezu wortwörtlich bei dem großartigen Leopardi wiederfand – wie ja überhaupt philosophische Aphoristiker sich gerne voneinander bedienen. Als Betreuer der letzten Auflage der Schlechta-Ausgabe von Nietzsches Werken habe ich oft versuchen müssen, die durch Übersetzungen in andere Werke eingeschmuggelten, durch winzige Drehungen leicht veränderten Zitate zu entschlüsseln. Von Cioran hatte ich einmal in den Akzenten die Sentenz gedruckt: »Heute früh, als ich einen Astronomen über Milliarden von Sonnen sprechen hörte, habe ich darauf verzichtet, meine Morgentoilette zu machen: Wozu sich überhaupt noch waschen?« Der eminente Philosoph und Sternendeuter Hans Blumenberg antwortete ihm, ebenfalls in den Akzenten: »Bitterkeit ist oft das Aroma des bedeutenden Stilisten. Sie zwingt zur Kürze aus Überdruss. Aber Kürze ist gefährlich; sie verrät jede Ungleichgewichtigkeit im Bau des Gedankens.« Was Cioran schreibe, sagt Blumenberg, »ist als Aufschrei der Empörung zu lang. Empörung verläuft sich, wenn nicht jedes Wort empört […] Dürfte man kürzen (was man keinesfalls darf), würde stehenbleiben: Heute früh. Ein Astronom redete über Sonnen. Wozu sich noch waschen?«
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Kannte Blumenberg das Gedicht 1929 von Jorge Luis Borges, in dem es heißt: »Er steht | gemächlich auf, rasiert sich sinnlos gründlich. | Mit irgendwas muß man die Zeit verbringen.«? In einer der Suchmaschinen der Zukunft wird man mühe- und spannungslos sich sämtliche Passagen der Weltliteratur zusammenklicken können, in denen die Frage gestellt wird, ob es sich beim Stand der Weltlage noch verlohnt, Waschlappen oder Rasierzeug zu benutzen. In meiner Kladde jedenfalls, in der ich über die Jahre solche Szenen für einen Essay, den ich nun nicht mehr schreiben werde, gesammelt habe, steht auch das schöne Zitat aus Guido Morsellis Dissipatio humani generis: »die Schuppen des bürgerlichen Konformismus fallen ab, dafür werden die der Verwahrlosung dicker. Rasieren tue ich mich nur, weil mich die langen Stoppeln beim Schlafen stören.« Mein an die Suchmaschine delegierter Essay über die Sinnlosigkeit des Aufstehens, Rasierens und Waschens unter den Bedingungen des endlosen Universums sollte nach einem Umweg über Gottfried Benn mit Hans Blumenberg und Niklas Luhmann enden. Benn fällt Ihnen sicher wieder ein, wenn ich ihn zitiere. In seinem Gedicht Melancholie heißt es im zweiten Vers: »Was ist der Mensch – die Nacht vielleicht geschlafen, | doch vom Rasieren wieder schon so müd, | noch eh ihn Post und Telefone trafen, | ist die Substanz schon leer und ausgeglüht.« Mit Blumenbergs Bemerkung aus der Beschreibung des Menschen (681), dass wir wahrscheinlich die einzigen Lebewesen sind, die sich im Spiegel erkennen, wollte ich enden, und mit der durch Hans Ulrich Gumbrecht im Merkur (8/2006) überlieferten Anekdote von Luhmann: »Wenn Sie in meinem Alter eines Morgens aufwachen und Ihnen nichts wehtut – dann wissen Sie, daß Sie tot sind.« Die Philologen der Zukunft, die dann natürlich anders heißen werden, werden sich solche erlesenen Lesefrüchte aus dem Netz klauben und im Netz veröffentlichen, gedruckt lesen will sie wahrscheinlich keiner mehr. Die Zeit des freien, nicht auf ein Ziel hin laufenden Essays ist längst vorbei, seit die Zeitschriften nach und nach den Geist oder die Auflage aufgegeben haben. Die Zeit der Literatur ist zumindest angezählt, wenn überhaupt noch jemand an sie glaubt. Doch zurück zu meinem Bouquinisten am Seine-Quai. Er hatte, als die Sonne verschwand, ein Einsehen mit dem zitternden Lederhosenträger und schenkte mir den Band, der 1926 im Kurt Wolff Verlag erschienen war und noch heute in meinem Besitz ist. Am folgenden Tag ging ich, nachdem mich mein Gastgeber aufgeklärt hatte, wer Joseph Roth gewesen war, in sein Stamm-Café Tournon in der Nähe des Bois de Boulogne und trank – sein Buch für alle sichtbar vor mir auf dem runden Tisch – auf den heiligen Trinker einen – café crème. Die Ferien wurden trotz aller Geworfenheit doch noch schön und interessant, nur war ich nach der Rückkehr für das Fach Deutsch, also für deutsche Literatur, wie sie an meiner Schule unterrichtet wurde, für die Iphigenie und den Meister Anton und den Bahnwärter Thiel, zunächst nicht mehr zu gebrauchen. Die schönen Tage von Aranjuez waren tatsächlich vorbei. Lesen musste etwas mit totaler Hingabe, mit Identifikation, mit meinem Leben zu tun haben, alles andere war Kinderkram.
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Ich sehe noch das fassungslose Gesicht meines Vaters vor mir, als ich ihm nach dem Abitur mitteilte, ich wolle nicht studieren, sondern eine Lehre als Buchdrucker und Buchhändler machen. Er hatte damit gerechnet, dass sein jüngstes Kind Philosophie oder Germanistik studieren wollte, nicht zuletzt deshalb, weil ich mir mit einem Klassenkameraden in Ost-Berlin, das wir bis 1961 ja noch leicht betreten konnten, für eins zu vier umgetauschtes Ostgeld sämtliche lieferbaren Philosophie-Bände aus dem Akademie-Verlag beschafft hatte. Eine eigentümliche Mischung von Aristoteles bis Diderot. Mit letzterem konnte ich beim Abitur gut angeben, weil ganz offenbar keiner der Prüfer – die ja allesamt in der Nazi-Zeit studiert hatten – je ein Wort von ihm gelesen hatte – und außerdem hat Diderot mich von meiner damaligen acedia geheilt: seine Neugier auf die Welt war ansteckend. In einem der letzten Telefongespräche mit Henning Ritter in diesem Frühjahr tauchte Diderot neben Montaigne wieder als Heilmittel gegen Schwarzgalligkeit auf: Wer nach der Lektüre eines Essays von Montaigne oder einer Seite von Diderot noch immer Überdruss am Leben hat, sagte er, dem ist tatsächlich nicht zu helfen. Zu diesen beiden kamen bei mir noch als Dauerlektüre hinzu: der immer auf Hochtouren denkende, spekulative Nietzsche, der die Oberfläche der Wahrnehmung hartnäckig pflügende Kafka und der verzweifelt verspielte, bodenlose Robert Walser. Und viel später zwei Autoren, die gegensätzlicher nicht sein können und die mir, nachdem ich sie gelesen und zu meinem Glück persönlich kennengelernt hatte, mehr als einmal aus der Patsche geholfen haben: Canetti und Cioran. Canetti, der strenge Optimist, der trotz aller persönlich erlittenen Schmach unbedingt an den Menschen und seine Fähigkeiten zum Überleben glauben wollte, und Cioran, der die gesamte Schöpfung für verfehlt hielt und ununterbrochen in Büchern nach Belegen für seine häretischen Thesen suchte – und gottlob nie der häufig geäußerten Versuchung nachgab, sich aus Überdruss das Leben zu nehmen. Immer wenn man dachte, jetzt hat er es wahrgemacht, traf prompt eine seiner heiteren Postkarten ein. Wer weder an Gott noch an die Menschen glaubt, muss selbst fürs Überleben sorgen: Dabei half ihm nicht die Schrift, sondern in hohem Maße die Musik. Man musste übrigens beide Autoren, Canetti und Cioran, voreinander verstecken – sie waren einander nicht grün. Ich lernte also das Buchhandwerk, im Verlag und in einer Druckerei, und da einige Professoren es vorzogen, ihre Vorlesungen nach 18.00 Uhr beginnen zu lassen, durfte ich mich als Gasthörer unter die Studenten mischen, die sich aus beruflichen Gründen mit Hölderlin, Kafka und dem George-Kreis beschäftigen mussten. Ich saß natürlich als Paria mit schmutzigen Händen unter ihnen: edel gesinnt und einsam. Berlin entwickelte sich damals, nach dem Mauerbau, von einer Provinzstadt ohne viele Autoren in eine Provinzstadt mit vielen Autoren. Walter Höllerer war der Magnet, der jede Woche einen anderen Autor aus dem Zylinder zog, angefangen bei seinen Assistenten Norbert Miller, Volker Klotz, Klaus Völker, Gerhard Schmidt-Henkel oder Friedrich Knilli, die mir, jeder auf andere Weise und ohne Ansehen meines Status, das Glück des Lesens beibrachten; plötzlich lebten Günter Grass und Uwe Johnson, Peter Weiss und Hans Magnus Enzensberger, der umwerfend komische Reinhard Lettau und der knurrige Hans Werner Richter in Berlin; und durch Höllerers Kolloquium
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kamen aus dem Ausland die bedeutendsten Dichter jener Zeit in die Stadt, mit denen ich mich zum großen Teil anfreundete und von denen später, als ich zu Hanser ging, einige auch Autoren des Verlags wurden: Miroslav Holub, Lars Gustafsson, Zbigniew Herbert, Tadeusz Różewicz, Tomas Tranströmer, Vasco Popa und viele andere; und natürlich auch die jüngeren deutschen Autoren Hubert Fichte, Peter Bichsel, Nicolas Born, F. C. Delius. Es war eine Zeit, als Autoren noch ohne Kalorientabellen reisten und immer schwer rauchend ihr Handwerk betrieben – und dem Handwerk galt damals das größte Interesse, nicht der Auflage. Für die Literatur war es die intensivste Periode der Nachkriegszeit. Für ihr Überleben sorgten die avancierten dritten Programme der Rundfunksender, geleitet von Helmut Heißenbüttel, Gerd Kalow, Hanns Grössel, Jürgen Manthey oder meinem Bruder Peter, und eine interessierte Öffentlichkeit, die froh war, endlich von der unmittelbaren Nachkriegsliteratur und ihrem speziellen Aroma befreit zu sein. Ich ging nach der Lehre, weil ich doch nicht sofort in einem deutschen Betrieb arbeiten wollte, nach London, wo ich im Kaufhaus Harrods an der Knightsbridge einen Job als Buchhändler im foreign book-department gefunden hatte. London wurde meine erste richtige Schule, auch eine Schule des Lesens und Lernens. Nach den ersten Lebensjahren bei meinen Großeltern in einem kleinen Dorf in SachsenAnhalt, das in meiner Vorstellung vom richtigen Leben immer noch den prominentesten Platz einnimmt, mit Huhn und Ente auf der Dorfstraße und trotz der mich nicht sehr bedrückenden Armut, ist die Schul- und Lehrzeit in Berlin in meiner Erinnerung zu einer Art Bohème-Periode geronnen: Ohne dass man sich besonders anstrengen musste, flog einem, wenn man sich für Literatur interessierte, alles zu: Man musste nur, wie in Eichendorffs Vision von Italien, den Mund aufsperren. Ich schrieb, angeregt von unserem Nachbarn Gerd Henniger, der Michaux, Ponge und René Char übersetzte, surrealistische Gedichte, die ich, wie es sich für einen richtigen Dichter gehört, generös verschenkte, vor allem natürlich an junge Damen – ohne auf feilen Beifall hoffen zu dürfen; nach dem Theater ging ich in die Fasanen-Stuben, wo mir der traurige Franz Tumler von Stifter vorschwärmte, und auf der langen S-Bahn-Fahrt nach Hause, nach Nikolassee, las ich die Dichter, die mich damals am meisten bewegten: Eich, Huchel und Celan. In London dagegen begann der Ernst des Lebens. Zunächst musste ich mich einlesen in die älteste, die alte und die moderne englische Literatur, von Beowulf und Chaucer über das neunzehnte Jahrhundert bis zu Eliot und Pound. Ich hatte keinen blassen Schimmer von der Größe und Weite der englischen Literatur. Vor allem machte mir der Umstand zu schaffen, dass für die Engländer die damals in Deutschland gepflegte strikte Trennung zwischen E- und U-Literatur nicht existierte. Cyril Connolly, der gefürchtete Chefkritiker der Sunday Times – damals noch eine seriöse Zeitung –, besprach mit dem selben mürrischen Enthusiasmus ein Buch über Gardening oder Kriminalromane oder große Literatur, von deutscher Literatur hielt er – mit wenigen Ausnahmen wie Goethe und Kafka – nichts. In seiner Jugend – deshalb hatte ich ihn aufgesucht – hatte er in seiner Zeitschrift Horizon emphatisch für die Moderne gekämpft und unter dem Pseudonym Palinurus das Buch The Unquiet Grave
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geschrieben, das in deutscher Übersetzung in der Vor-Fleckhaus-Bibliothek Suhrkamp erschienen war: damals eines meiner Lieblingsbücher. Es war eine Sammlung hochfahrender Gedanken eines Ästheten, der nur mit Mühe seinen Ekel vor der Literatur als Massenware und Gebrauchsgegenstand unterdrücken konnte – also mein Buch. Darin heißt es: Je mehr Bücher wir lesen, desto schneller bemerken wir, daß die wahre Aufgabe eines Schriftstellers die ist, ein Meisterwerk zu schaffen, und daß keine andere Aufgabe irgendeinen Wert hat. So offenbar dies auch sein sollte, wie wenige Schriftsteller werden dies zugeben, oder, wenn sie ein solches Eingeständnis gemacht haben, bereit sein, das Stück schillernder Mittelmäßigkeit, mit dem sie sich eingeschifft haben, beiseite zu legen. Schriftsteller hoffen immer, daß ihr nächstes Buch gerade ihr bestes sein wird, denn sie werden nicht einsehen, daß just ihre gegenwärtige Lebensweise sie daran hindert, jemals etwas anderes oder Besseres zu schaffen […] Niemand über fünfunddreißig ist einer Begegnung wert, wenn er uns nichts zu lehren hat – etwas mehr, als wir für uns allein aus einem Buch lernen können. Ein Jugendwerk, sagte er verlegen, ein volles Whiskey-Glas in der Hand, aber er war geschmeichelt, dass ich es kannte. Dieser bedingungslose Einsatz für die große Literatur imponierte mir – zumal deshalb, weil ich mich als Buchhändler mit den damals gerade Furore machenden Kriminalromanen über den ubiquitären Alleskönner James Bond beschäftigen musste, der im Auftrag Ihrer Majestät das langsam zerfleddernde Kolonialreich zusammenhalten sollte. Ian Fleming kannte jeder, Max Frisch kaum einer. Vor allem vermisste ich in London die eigentümliche Faszination für Theorie, die in Deutschland und in Frankreich zwei Jahrzehnte lang die intellektuell-literarische Auseinandersetzung beherrschte. Leider nicht immer zum Wohl der Literatur. Von Walter Benjamin, den wir gerade entdeckt hatten, wollte man in London nichts hören, Adornos Noten, die wir so hingebungsvoll lasen, um das Endspiel zu verstehen, kamen nicht einmal am Rande vor, und dass man mit den Theorien des in London gestorbenen Sigmund Freud die Literatur besser verstehen sollte, galt als kontinental-exzentrische Flause. In London wurden die literarischen Ambitionen des Proletariats diskutiert, Allen Sillitoe’s Loneliness of the Long Distance Runner oder die ersten Stücke der angry young men, eine philosophische Analyse der Kunst der Gegenwart war bestenfalls eine akademische Marotte. Noch Jahrzehnte später bin ich dieser Theorie-Resistenz bei Isaiah Berlin wiederbegegnet, der sich nur ruppig-ironisch über die vollständige Ideenlosigkeit der Frankfurter Schule ausließ und durch kein Argument in seinen abfälligen Kommentaren zu bremsen war – also war es besser, auf die russischen Dichter abzulenken, die er dann in seinem röchelnden Bass über den grünen Klee lobte. Das Misstrauen oder Desinteresse gegenüber aller kontinentalen Literatur und Theorie kam mir auch deshalb merkwürdig vor, weil zu meiner Zeit natürlich noch
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viele deutsche und österreichische Emigranten in London lebten – und viele von ihnen arbeiteten im Verlagswesen. Diese Geschichte des kulturellen Einflusses der Emigration nach England ist meines Wissens noch nicht geschrieben worden; für mich ist sie auch deshalb bedeutend, weil es die erste Begegnung mit Juden war. Wir hatten in der Schule die Vernichtung der europäischen Juden durchgenommen, Zahlen gehört und wohl auch ein paar Fotografien angeschaut und besprochen, die nach der Befreiung der Lager gemacht worden waren. Keiner von meinen Mitschülern wäre aber auf die Idee gekommen, den eigenen Vater oder Onkel als Mitschuldigen oder Mittäter zu bezeichnen. Es hatte offenbar eine nicht näher bekannte, inzwischen vollständig aufgelöste winzige Gruppe von deutschen Fanatikern gegeben, die von der Öffentlichkeit unbemerkt Millionen von Juden in ganz Europa auf bestialische Weise umgebracht hatte. Ein bedauerlicher Vorfall, über den nicht gerne gesprochen wurde. Wer aber diese Juden waren und warum sie um Gottes willen so gnadenlos verfolgt wurden, darüber wurde in meiner Schulzeit kein Wort verloren. Im Religionsunterricht kam gelegentlich zur Sprache, dass die Juden eben leider nicht der Kirche Christi beigetreten waren oder partout nicht beitreten wollten, was zu allerhand Problemen geführt habe, aber das war’s dann auch schon. Und jetzt saß ich in London Menschen gegenüber, die meinen Vätern, Onkeln, Nachbarn auf ihren Todeszügen entkommen waren. »Andere Religionen, andere Nationen sind Zeit und Vernichtung unterworfen«, schreibt George Steiner, der in unserer Zeit am eindrucksvollsten über das Überleben des Judentums nachgedacht hat, »nicht das Judentum. Nicht dieser kleine, scharfkantige Stein in den Schuhen der Menschheit.« (121) Ich hatte, um eine lange, Augen und Ohren öffnende Geschichte abzukürzen, das unverhoffte Glück, in London mit den unterschiedlichsten Temperamenten unter den Emigranten zusammenzutreffen, um mir die gewaltigen und die traurigen, die triumphalen und die herzzerreißenden Lebensgeschichten anzuhören – und ich erinnere mich auch noch an meine Hilflosigkeit, keine Antworten geben zu können. Ich war nicht vorbereitet gewesen. Was wir heute – mit George Steiner, mit Max Sebald oder Heinz Schlaffer – wie selbstverständlich als die kurze jüdische Renaissance am Übergang zum zwanzigsten Jahrhundert bezeichnen, die die Deutschen im wahrsten Sinne des Wortes abgewürgt haben, war ja, kurz gesagt, nach dem deutschen Idealismus der zweite grundstürzende Beitrag zur Weltkultur – von Mahler bis Schönberg, von Broch zu Canetti, von Kafka zu Freud, von Einstein zu Panofsky und Warburg bis zu denen, die ich in London traf: Jakov Lind und Erich Fried, H. G. Adler und Michael Hamburger, Marion Boyars und Arthur Koestler, George Weidenfeld und die Neuraths, Anna Freud und Gariele Tergit, Alfred Sohn-Rethel und Norbert Elias und viele, viele andere Unbekannte, die in den Cafés am Bahnhof von Hampstead saßen und deutsch sprachen. Anders gesagt: Es hätte der großartigste Beitrag zur Weltliteratur werden können, wenn nicht … ja, wenn nicht eine nationale Feigheit … aber lassen wir die Spekulationen. Als ich, über Paris, nach Deutschland zurückkam, war ich erwachsen geworden und musste einen Beruf ergreifen. In Berlin gab es nicht viel zu tun. Neben der Sprin-
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ger-Presse gab es als einzige seriöse Zeitung nur den Tagesspiegel, dessen Herausgeber Walther Karsch, einer der letzten Redakteure der Weltbühne, mir gelegentlich Aufträge zuschusterte. Mein Lehr-Verlag, Herbig, ging bald nach meiner Rückkehr in die Hände eines Verlegers über, der sein Geld mit landsmannschaftlich revanchistischen Blättern verdiente, kam also nicht mehr in Frage, und die Hoffnung, in der von Rudolf Augstein geplanten Wochenzeitung Heute einen Unterschlupf zu finden, zerplatzte, weil Augstein den Berliner Verhältnissen nicht traute. Also war ich froh, über Vermittlung von Reinhard Lettau und Günter Grass bei Hanser in München unterzukommen, dem ich bis heute treu geblieben bin. Der Mann, der mich bei Hanser anstellte, hieß Fritz Arnold. Zum Vorstellungsgespräch an einem Sonntag empfing er mich, der ich in meinem zerknitterten Konfirmationsanzug angereist war, auf seinem Balkon in einem blütenweißen Bademantel, um ohne lange Vorreden ein Gespräch über Borchardt, Rilke und Hofmannsthal zu beginnen. Ein solches Gespräch wäre zu jener Zeit in Berlin unmöglich gewesen, weil es dort fast ausschließlich um das Verhältnis von Literatur und Politik ging. Die verbissene Hartnäckigkeit, mit der diskutiert wurde, ist heute, da Literatur, weit hinter Fußball, Fernsehen, Mode und Reisen nur noch eine Nebenrolle spielt, kaum noch vorstellbar. Natürlich konnte und wollte Literatur nicht leisten, was ihr von den Großfürsten der Theorie zugemutet wurde. Ein Gedicht von Ilse Aichinger kam sich in solch martialischer Umgebung fremd und verloren vor, und selbst Robert Walser, einem sozialistischen Tauglichkeitstest unterzogen, musste sich noch kleiner machen als er sich ohnehin schon fühlte. Es ist hier nicht die Zeit, die Geschichte dieses Irrsinns nachzuerzählen, jedenfalls war der Patient, die Literatur, nach diesen Operationen mausetot. Damit war sie leichte Beute der sich anschließenden Theoriegefechte darüber, wie der Leichnam zu entsorgen sei. Hegels Argumente vom Ende der Kunst, die er an antiken Plastiken erprobt hatte, wurden ebenso missverstanden wie Paul Valérys berühmter Ausspruch: Die Literaturgeschichte sollte nicht die Geschichte der Autoren sein, nicht die Zufallsgeschichte ihres Lebens oder ihrer Werke, sondern die Geschichte des Geistes, die Literatur hervorbringt und Literatur verzehrt. Diese Geschichte könnte ohne die Erwähnung eines einzigen Schriftstellers auskommen. Je nachdem, wem gerade der Tod an den Hals gewünscht wurde, der bürgerlichen Literatur, dem Literaturbetrieb, der Geschäftemacherei der Verlage, dem Autor, vor allem aber dem ewig identischen Subjekt, immer fanden sich ein paar bruchsichere Zitate als Mordwerkzeuge. All das, was die Literaturgeschichte seit zweihundertfünfzig Jahren angesammelt hatte, wurde fortan materialistisch, kommunistisch, strukturalistisch, post-strukturalistisch, dekonstruktivistisch und durch andere Folterinstrumente gemartert, und erst als man kürzlich merkte, dass die letzten passionierten Leser sich keinen Deut um das theoretische Geschrei kümmerten, erinnerte man sich an den von Heidegger gebrauchten und deshalb lange gemiedenen Begriff der Stimmung, um ästhetische Rezeptionsvorgänge wieder angemessen beschreiben zu können. Durch eine Hintertür kam auch das arg ramponierte Subjekt wieder ins
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Haus zurück und wartet nun mit gefalteten Händen und niedergeschlagenen Augen auf seine endgültige Auflösung in den neurophysiologischen Laboren und digitalen Netzen. Bei Fritz Arnold, dem spitznasigen, spitzzüngigen, ironischen, belesenen Ästheten waren solche Untergangsszenarien nicht besonders beliebt, doch eigentlich bereitete ihm fast jede Form von Theorie Kopfschmerzen, die nur durch eine hohe Dosis konzentrierter Literatur zu bekämpfen waren. Am Ende unserer Unterhaltung über Rilke und die Folgen auf Arnolds Balkon war ich jedenfalls angestellt, und um dieses Ereignis gebührend zu feiern, gingen wir auf einen Tee mit Rum und dann ohne Tee ein paar Häuser weiter zu Christiane Zimmer, die als geborene Hofmannsthal noch auf dem Schoß von Rilke dessen dichterische Geheimnisse hautnah erfahren hatte. Auch der hünenhafte Rilke-Spezialist Erich Heller war anwesend, Emigrant wie der wunderbar zarte Werner Vordtriede, der herbeigerufen wurde, um unser Literarisches Quintett vollständig zu machen. Alle tot jetzt. Meine ersten größeren editorischen Arbeiten im Verlag galten – mit Norbert Miller als Patron – dem Aufbau einer Bibliotheca Dracula, in der wir die berühmten gotischen Romane versammelten, von dem von Baudelaire geliebten Melmoth, der Wanderer, über Der Mönch von Lewis bis zu Frankenstein, alle zum ersten Mal oder neu übersetzt. Herr Hanser, der bei Klassikern eher an Schiller oder Fontane dachte, fiel bei der Ankündigung der Bibliotheca Dracula fast vom Stuhl und war erst dann beruhigt, als er die Namen der Nachwortschreiber las, neben Miller waren das zum Beispiel Richard Alewyn, auch er ein heimgekehrter Emigrant, Klaus Völker, Dieter Sturm und viele andere. Und als sich diese von Uwe Bremer wunderbar ausgestatteten Schwarten auch noch verkauften, weil die Leser Vergnügen aus diesen sinisteren Abenteuern zogen – die übrigens alle in der von uns verlegten Schwarzen Romantik von Mario Praz gewürdigt waren –, durfte ich nach der Probezeit bleiben. Dass ich damals fast alle deutschsprachige Literatur las, habe ich meinem Freund Klaus Wagenbach zu verdanken, der mich einlud, mit ihm das Jahrbuch Tintenfisch herauszugeben. Ach, die schönen Abende an seinem Küchentisch, wo wir jedes einzelne Gedicht erwogen, ob es Aufnahme finden solle oder nicht – eine Puzzle-Arbeit, die uns das ganze Jahr über beschäftigte. Dann frug mich Hans Bender, ob ich die von ihm herausgegebene Zeitschrift Akzente übernehmen wolle, die ich nun seit mehr als dreißig Jahren an den Wochenenden redigiere, immer zu den alten Bedingungen, als hätte die Welt nicht ihr Gesicht schon mehr als einmal verloren. Als schließlich die öffentliche Wahrnehmung der Poesie auf dem untersten Niveau angelangt und der zweifelhafte Sieg der Prosa nicht mehr aufzuhalten war, bildete sich um den Kunsthistoriker und künftigen Verleger Hubert Burda ein Kreis von Schriftstellern, der einmal jährlich, meistens in Italien, den Petrarca-Preis verlieh – ein seit Jahrzehnten sich wiederholendes Ereignis, das in meiner Erinnerung und Vorstellung das ideale Fest der Poesie wurde: Zbigniew Herbert, Philippe Jaccottet und Tomas Tranströmer, oder Jan Skácel, Michael Hamburger, Ernst Meister und Sarah Kirsch; dazu die Jury mit Peter Hamm, Peter Handke, Alfred Kolleritsch. Nie wieder haben wir zusammen so intensiv Gedichte gelesen, wie mit Andrea Zanzotto
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unter den Maulbeerbäumen von Asolo oder mit Jürgen Becker und Peter Rühmkorf unter den Pinien von Arqua Petrarca. Die Vereinnahmung der Poesie für politische Zwecke war damit ein für allemal vorbei. Wer das Glück hatte, an diesen Tagungen im Juni teilnehmen zu dürfen, der wird nicht mehr vom Ende des Gedichts, vom Ende des Lyrischen reden wollen, selbst dann nicht, wenn nur noch ein paar Versprengte diese edle Gattung verehren, weil ihr Nutzen nicht auf der Hand liegt. »Während der Schierlingsbecher bereitet wurde, übte Sokrates ein Lied auf der Flöte. ›Zu was nützt dir das?‹ wurde er gefragt. ›Dazu, dieses Lied zu können, bevor ich sterbe‹«, war seine Antwort. (Cioran nach Calvino) Auf einem der in den 1980er Jahren nicht gerade seltenen Kongresse über die Frage, ob der Begriff Mitteleuropa ein kultureller, ein politischer, ein geografischer oder gar keiner sei, traf ich das dritte Mitglied der sogenannten k.-u.-k.-u.-k.- Fraktion, Danilo Kiš. Konrad und Kundera kannte ich schon. Mit Claudio Magris, der das untergegangene, nur noch imaginäre, in der Imagination allerdings blühende Kakanien in seinen auseinanderstrebenden Bewegungen intellektuell am genauesten durchdacht hatte, war ich befreundet – er sah übrigens damals aus wie eine Inkarnation von Kafka. Die Mitteleuropa-Kongresse waren mir deshalb besonders lieb, weil sie einen anderen Typ von Intellektuellen anzogen als die vielen anderen politischen oder literarischen Symposien, deren Aussagen und Ergebnisse in der Regel schon vorher feststanden. Der Intellektuelle als öffentliche Person, wie er sich in der französischen Revolution geformt hat – er war der Bankert der Revolution, wie es Ivan Nagel formuliert hat, auch ein Mitteleuropäer –, dieser Intellektuelle hatte ja noch einmal eine Sternstunde in den Jahren nach 1968, als erklärt werden musste, warum die hohen und hehren Ziele der von den Studenten losgetretenen Reformen so kläglich oder sogar so mörderisch enden mussten. Der Intellektuelle war interpretierend, protestierend zur Stelle, in jeder Hinsicht ein gefragter Mann oder eine gefragte Frau. Vielleicht trifft sich hier in Marbach demnächst eine Arbeitsgruppe, um dieses Phänomen – unzynisch und auch nicht frivol – zu untersuchen, weil uns die Wirkungslosigkeit der kontrollierenden Medien nicht unbeeindruckt lassen sollte. Warum ist der Intellektuelle heute fast verschwunden? Weil er nicht mehr gebraucht wird? Die gesellschaftlichen Prozesse haben sich offenbar die Luhmann’sche Systemtheorie zu Herzen genommen und handeln autopoietisch, selbststeuernd, da braucht es keine Vermittler mehr. Es ist wahrscheinlich nicht ganz falsch, die emotionale Gestimmtheit hinter dieser Tendenz als Resignation zu beschreiben. Wo jedenfalls Kultur als »provisorische Kontingenzerfahrungsbewältigung« (Ralf Konersmann über Dirk Baecker, SZ 24./25. August) gesehen und erfahren wird, hat der Intellektuelle seine eingreifende Funktion verloren. Auf den Mitteleuropa-Kongressen vor der großen Wende dagegen hatte er noch seinen prominenten Auftritt. Da war plötzlich nichts mehr zu spüren von den oft so begriffsklauberischen, scholastischen, rechthaberischen Auseinandersetzungen der politischen Debatten, sondern es herrschte eine vitale Leidenschaft, und die Hauptargumente, die das Gespräch belebten, kamen aus der Literatur. Der mitteleuropäische
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Schriftsteller hatte uns eine Erfahrung voraus, die haushoch unseren Erfahrungen überlegen war, und – noch wichtiger – er hatte nie an der Literatur gezweifelt. Die eigentümliche Verbindung von Weisheit, Ironie und Traurigkeit, die ihn auszeichnet, ergibt eine intellektuelle und poetische Qualität, wie sie im hysterischen Westen nicht mehr zu vernehmen war. Einer der besten Schriftsteller dieser mitteleuropäischen Kultur war Danilo Kiš. Er kam – wie übrigens auch Alexandar Tišma – aus einer serbisch-ungarisch-jüdischen Familie, seinen Vater hatten die Deutschen ermordet, Danilo selbst lebte, nach diversen Auseinandersetzungen mit den offiziellen Dickschädeln zu Hause in Belgrad, in seiner Wahlheimat Paris, wo er seine letzten großen Werke schrieb, die damals auf der ganzen Welt gelobt und gelesen wurden. Hätte sich dieser wunderbare Mensch nicht zu Tode geraucht, hätte er sicher den Nobelpreis erhalten. Eine seiner Erzählungen, die ich wegen ihrer Verbindung von erzählerischer Raffinesse und philosophischer Einsicht über alles liebe, heißt: Die Enzyklopädie der Toten, mit dem in Klammern gesetzten Untertitel (»Ein ganzes Leben«). Es ist die Geschichte einer Ich-Erzählerin, die sich auf Einladung des Instituts für Theaterwissenschaften in Stockholm aufhält und eines Abends – »es war schon gegen elf« – von ihrer Betreuerin in die Königliche Bibliothek geführt wird. In den Katakomben allein gelassen, entdeckt die Frau, dass jeder Saal einem Buchstaben vorbehalten ist, und instinktiv ahnt sie, dass sie im Archiv der Enzyklopädie der Toten steht. Es dauert nicht lange, bis sie die Akte ihres kürzlich verstorbenen Vaters in Händen hält. »Die einzige Bedingung« – heißt es bei Kiš –, »um in die Enzyklopädie der Toten aufgenommen zu werden, ist, das war mir sofort klar, daß der hier aufgeführte Name in keiner anderen Enzyklopädie vertreten ist.« Es ist, mit anderen Worten, die Enzyklopädie der Namenlosen, irgendwann um 1789 begonnen – also zu Schillers ÄsthetikZeit – und geschrieben mit der »Absicht, die Ungerechtigkeiten unter den Menschen auszugleichen und allen Geschöpfen Gottes den gleichen Platz in der Ewigkeit einzuräumen.« Um es mit den Worten von Walter Benjamin zu sagen: »Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten.« Was die Autoren dieser geheimnisvollen Enzyklopädie – Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft – an Material präsentieren und wie sie es präsentieren, ein »unwahrscheinliches Amalgam aus enzyklopädischer Knappheit und biblischer Beredsamkeit«, ist atemberaubend: Es ist der Tag vermerkt, an dem der Vater seine erste Zigarette anzünden wird, im Schulklo und auf Anstiftung eines Ivan Gerassimov, Sohn russischer Emigranten, der ihn eine Woche später in ein zu jener Zeit berühmtes Belgrader Lokal mitnehmen wird, wo eine Zigeunerkapelle spielt und die russischen Grafen und Offiziere zu den Balalaika- und Gitarrenklängen weinen […] Nichts ist hier ausgelassen: weder die feierliche Enthüllung des Denkmals auf dem Kalemegdan noch die Vergiftung mit einem an der Ecke der Makedonska-Straße gekauften Eis, auch nicht die Shimmy-Schuhe, die er von dem Geld kaufte, das er von seinem Vater als Belohnung für die gut bestandene Diplomprüfung bekommen hatte.
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»In der Menschheitsgeschichte«, so die Verfasser der Enzyklopädie der Toten, wiederholt sich nie etwas, alles, was auf den ersten Blick gleich scheint, ist kaum ähnlich; jeder Mensch ist ein Stern für sich, alles geschieht immer und niemals, alles wiederholt sich bis ins unendliche und nie. (Daher insistieren die Autoren der Enzyklopädie der Toten, dieses grandiosen Denkmals der Verschiedenheit, auf dem einzelnen, daher ist ihnen jedes menschliche Geschöpf heilig.) Und weil es um jeden einzelnen Menschen geht, kümmert sich die Enzyklopädie der Toten nicht nur um die materiellen Güter, sie ist kein Werk der doppelten Buchführung, kein Inventar und auch kein Namensverzeichnis wie das Buch der Könige oder die Genesis, wenngleich sie auch das ist; in ihr geht es auch um die Seelenzustände des Menschen, um seine Weltanschauung, seine Anschauung von Gott, um seine Zweifel an der Existenz des Jenseits, um seine moralischen Normen. Aber was am meisten erstaunt, das ist diese einzigartige Verknüpfung des Äußeren und des Inneren, dieses Insistieren auf materiellen Tatsachen, die anschließend in eine logische Verbindung mit dem Menschen gebracht werden, mit dem, was man seine Seele nennt. Und wenn die Redakteure auch ein paar objektive Gegebenheiten unkommentiert stehen lassen – wie etwa die Umstellung der Kachelöfen 1969 auf Strom, den Ansatz einer Tonsur oder die plötzliche Gefräßigkeit meines Vaters, die Zubereitung eines Erfrischungsgetränks aus Holunder nach einem Rezept aus der Politika –, so deuten sie die Leidenschaft, mit der er auf seine alten Tage plötzlich Briefmarken zu sammeln begann, als Ausgleich für die lange Unbeweglichkeit. So spielt sich der Roman eines Lebens vor den Augen der Leserin und vor uns ab – bis zu dem unvermeidlichen Tod des Vaters: Den aufmerksamen Verfassern der Enzyklopädie ist auch nicht der ungewöhnliche Umstand entgangen, daß er – der Vater – genau am zwölften Geburtstag seines Enkels starb. Ebenso wenig wie sie übersahen, daß mein Vater dagegen aufbegehrte, seinem letzten Enkel den Namen des Großvaters zu geben. Wir hatten geglaubt, wir könnten damit seiner Eitelkeit schmeicheln und er werde darin ein Zeichen unserer besonderer Aufmerksamkeit und Zuneigung sehen. Er brummte allerdings nur etwas vor sich hin, und in seinen Augen sah ich den fernen Schatten jenes Grauens, das ein Jahr später, als er die Gewißheit seines nahen Endes hatte, hinter seiner Brille aufblitzen sollte. Diese Aufeinanderfolge der Lebenden und Toten, diesen allgemeinen Mythos vom Wechsel der Generationen, diesen kümmerlichen Trost, den sich der Mensch ausgedacht hat, um den Gedanken an den Tod leichter zu ertragen, empfand mein Vater in diesem Moment als Beleidigung; als hätte man ihn durch diese magische Handlung der Weitergabe seines Namens an ein neugeborenes Kind, und sei es hundertmal von seinem Blut, ins Grab gebracht.
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Natürlich ist auch die Totenrede aufgezeichnet, gespickt mit rhetorischen Plattitüden; das Inventar der Dinge, die er hinterließ, kein Taschentuch ist ausgelassen, nicht die Zigarettenpackung Morava, das halb gelöste Kreuzworträtsel –, eben, wie es im Untertitel heißt: das ganze Leben. Diese Enzyklopädie der Unbekannten, die nach Kiš in Stockholm geschrieben wird, hat in einem berühmten Gedicht eines Stockholmers ein Echo gefunden: in Tomas Tranströmers Kurze Pause im Orgelkonzert. Dort heißt es: Zu Hause stand die allwissende Enzyklopädie, ein Meter im Bücherregal, ich lernte darin lesen. Doch jedem Menschen wird seine eigene Enzyklopädie geschrieben, sie wächst in jeder Seele heran, sie wird von Geburt an und weiter geschrieben, die Hunderttausende von Seiten stehn aneinandergepreßt und doch mit Luft dazwischen! Wie das zitternde Laub in einem Wald. Das Buch der Widersprüche. Was darin steht, ändert sich stündlich, die Bilder retuschieren sich selbst, die Wörter flimmern. Eine Schlagwelle rollt durch den ganzen Text, ihr folgt die nächste Schlagwelle und die nächste Meine Damen und Herren – Sie merken, ich würde Ihnen gern die ganze herzzerreißende Geschichte dieses großen Schriftstellers Danilo Kiš vorlesen, aber dazu fehlt leider die Zeit; vielleicht ein andermal. Was ich mit diesem Beispiel – und damit komme ich zum Schluss – andeuten wollte, liegt ohnehin auf der Hand: Es ist die nicht zu bestreitende Leistung und Fähigkeit der Literatur, dass sie, jenseits von Theorie, Ideologie, Philosophie und Wissenschaft etwas von uns aufbewahrt, das unter keinen Umständen verloren gehen darf, wenn wir das außergewöhnliche und außergewöhnlich bedrohte Abenteuer unserer Existenz auf diesem bedrohten Planeten weiterführen wollen. Das letzte Geheimnis wird auch die Literatur nicht aufdecken können, aber sie kommt ihm nahe – näher jedenfalls als alle Algorithmen, die unser Leben entschlüsselt und entwertet haben. Natürlich gilt das nur für die große Literatur. Aber über Bücher, deren Lektüre uns nicht die Augen öffnen kann, also die meisten, lohnt es sich sowieso nicht zu reden. Das alles ist Ihnen bekannt, ich bitte um Entschuldigung. Um aber schließlich am Ende etwas Greifbares vorweisen zu können, möchte ich dem Archiv eine kleine Auswahl von Postkarten schenken, die ich im Laufe meines Lebens in meinem Briefkasten fand – von Cioran und Herbert, Born und Handke und vielen anderen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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nachruf auf walter scheffler 10. Juli 1923 – 30. Oktober 2013
Es ist eines Mannes zu gedenken, der vierzig Jahre lang im Dienst des Schiller Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs gestanden ist. Als wir Walter Scheffler 1987 in den Ruhestand verabschiedet haben, hat ihn Bernhard Zeller »den letzten Mann der ersten Stunde« genannt. Denn er verband die Zeit des Wiederbeginns nach dem Zweiten Weltkrieg mit unserer Gegenwart. Nach der Schule und einer Praktikumszeit im Buchhandel musste er mit achtzehn Jahren in den Krieg ziehen. Als er wiederkam, war seine ostpreußische Heimat verloren, galt es eine neue zu finden – und er fand sie. Erwin Ackerknecht, auch er vertrieben (aus Stettin), hatte die Initiative zur Wiedereröffnung der Stuttgarter Büchereischule ergriffen; dort wurde Scheffler zum Bibliothekar ausgebildet. Derselbe Ackerknecht, der von 1946 bis 1954 neben vielen anderen Ämtern auch Direktor des Schiller-Nationalmuseums war, stellte ihn 1947 dort ein, um die Sammlungen zu pflegen, die gerade erst aus dem Friedrichshaller Bergwerk zurückgeholt und wieder öffentlich zugänglich waren. Außer dem Hausmeister und der zweimal wöchentlich aus Stuttgart kommenden Archivarin Dr. Irene Koschlig gab es damals noch keine weiteren Mitarbeiter. Ackerknecht, der auch Kulturdezernent in Ludwigsburg war, kam nur einmal die Woche nach Marbach. Der zerstörte Viadukt machte dies überdies zu einem schwierigen Weg, auch für Scheffler, wenn er zur Beratung der Marbacher Angelegenheiten nach Ludwigsburg fuhr. Er war damals allzuständig auf der Schillerhöhe. Erst allmählich wuchs die Zahl der Mitarbeiter. Man erzählt, Scheffler habe noch Bernhard Zeller in die Museums- und Archivgeschäfte eingearbeitet, als dieser 1953 anfing. Was verdanken wir ihm nicht alles, ganz abgesehen von diesen besonderen Umständen des Neuanfangs nach dem Krieg?! Als das Schiller-Nationalmuseum allmählich mehr Personal und damit eine innere Gliederung bekam, wurde Walter Scheffler mit der Leitung der Bildabteilung betraut, in der die bildlichen und gegenständlichen Zeugnisse der Literatur und die Musikalien zusammengefasst wurden. Aber seine Tätigkeiten, seine Kompetenzen gingen selbst dann weit hinaus über die Abteilungsgrenzen. Die neue Heimat, die er gewonnen hatte, wurde auch im Literarischen sein Bezirk – die Dichter aus Schwaben. Er baute das einzigartige Mörike-Archiv auf; eine Zeitlang war er Redaktor der großen
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Mörike-Ausgabe. Lange führte er die Redaktion des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft, gemeinhin Schiller-Jahrbuch genannt, sogar noch in den Ruhestand hinein. Die Dauerausstellung zu den Dichtern aus Schwaben im Schillermuseum, Mörike, Kerner, Uhland, hat er zusammen mit Albrecht Bergold und Jutta Salchow gestaltet. An der Gedenkausstellung zu Mörikes hundertstem Todestag 1975 war er maßgeblich beteiligt, die Kabinette zu Uhland und zu Lenau stammten von ihm. Herausgegeben hat er Kerners Reiseschatten und die heute noch gültige Ausgabe von Ludwig Uhlands Werken, die dreibändige Uhland-Ausgabe des Hanser Verlags. Gemeinsam mit Bernhard Zeller hat er die Schiller-Dokumentation in Bildern zusammengestellt, die als Taschenbuch ein Bestseller wurde, und die gewichtige Aufsatzsammlung »Literatur im deutschen Südwesten«, worin er über Uhland und Kerner schrieb. Er war auch mir noch in Vielem Stütze und Ratgeber in den fast drei Jahren, in denen er zu meiner Zeit zum Kollegium der Abteilungsleiter gehört hat. Nicht wegzudenken ist er freilich auch aus dem Gemeinwesen Marbach und aus der evangelischen Kirchengemeinde. Neben Zeller, Pfäfflin und mir war er ja der vierte Pfarrersohn im Dienst der Schillergesellschaft – und wenn nichts anderes, eines liegt Pfarrerskindern zumeist im Blut – soziale Kompetenz nämlich, wie man das heute nennt. Auch sein langer, sechsundzwanzigjähriger Ruhestand an der Seite seiner Frau hat ihm Gelegenheit gegeben, diese Menschenzugewandtheit zu entfalten, im Marbacher Literaturkreis, im Kirchenchor, und selbst dann noch auf der Schillerhöhe: Viele erinnern sich an die Wandernachmittage, auf die auch der Pensionär gern mitging und in der Wanderpause die Erschöpften aus einem Flachmann mit Danziger Goldwasser erfrischte – oder jedenfalls erfreute. Er, der unter Erwin Ackerknecht in Marbach angefangen hatte, vertrat nach der Wende von 1989 die Deutsche Schillergesellschaft im polnischen Stettin, als die Stadtbücherei dort, die Ackerknecht bis 1945 geleitet hatte, eine Gedenkausstellung und ein Symposium für ihn ausrichtete, bei dem Scheffler über Ackerknechts Tätigkeiten nach 1945 sprach. Nach dem langen Arbeitsleben wurden 1987, als er in den Ruhestand trat, seine vielfachen Leistungen mit dem Bundesverdienstkreuz anerkannt. Walter Scheffler hat große Verdienste um das Schiller-Nationalmuseum und das Deutsche Literaturarchiv. Dafür sind und bleiben wir ihm dankbar. Er hat in Marbach seine familiäre und literarische Heimat gefunden. Wir dürfen ihm, auch dem alten Sänger, der er war, zum Abschied eine Strophe von Ludwig Uhland in den Mund legen: Bedrängt mich einst die Welt noch bänger, So such ich wieder dich, mein Thal! Empfange dann den kranken Sänger Mit deiner Milde noch einmal! Und sink ich dann ermattet nieder, So öffne leise deinen Grund Und nimm mich auf und schließ ihn wieder Und grüne fröhlich und gesund!
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nachruf auf walter scheffler
Und nimm mich auf und schließ ihn wieder Und grüne fröhlich und gesund!
Walter Scheffler an seinem 85. Geburtstag im Jahr 2008, DLA Marbach
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deutsche schillergesellschaft
ulrich raulff
jahresbericht der deutschen schillergesellschaft 2013/2014
Nach einigen turbulenten Jahren für die Deutsche Schillergesellschaft ist seit der Verabschiedung der neuen Satzung im Jahr 2012 wieder Ruhe auf der Schillerhöhe eingekehrt. Der wissenschaftliche Beirat und das Kuratorium haben gemeinsam mit dem Präsidenten, Prof. Dr. Peter-André Alt, ihre verantwortungsvolle Arbeit auch im Jahr 2013 hervorragend fortgeführt und mit dazu beigetragen, dass das Deutsche Literaturarchiv Marbach seiner Rolle als eine der bundesweit wichtigsten Einrichtungen geisteswissenschaftlicher Forschung gerecht werden konnte. Seit dem 1. September 2013 ist nun eine weitere Empfehlung des Wissenschaftsrates umgesetzt. Nach einer einjährigen Pilotphase bündeln das Deutsche Literaturarchiv Marbach, die Klassik Stiftung Weimar und die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel als Zentren der geisteswissenschaftlichen Forschung ihre Aktivitäten in dem Forschungsverbund Marbach–Weimar–Wolfenbüttel. Sein Ziel ist es, mit innovativen Forschungsprojekten die reichen Sammlungsbestände in den Archiven, Bibliotheken und Museen der drei Einrichtungen auf eine neue Ebene der Sichtbarkeit zu heben und den wissenschaftlichen Nachwuchs im Rahmen bestandsbezogener Forschungsprogramme zu fördern. Drei Forschungsprojekte in den drei Häusern sind seither gestartet. Das Marbacher Forschungsprojekt ist in den reichen Beständen der »Bilder und Objekte« angesiedelt und wird sich gemeinsam mit den Materialien aus Weimar und Wolfenbüttel dem Untersuchungsgegenstand »Bildpolitik – Das Autorenporträt als ikonische Autorisierung« widmen. Den Höhepunkt und gleichzeitig Abschluss eines ereignis- und inhaltsreichen Jahres auf der Schillerhöhe stellte die Schillerrede dar: Michael Krüger, der Schriftsteller und langjährige Geschäftsführer des Hanser-Verlages, sprach über Danilo Kiš, Schiller und sein eigenes Lebenswerk. In der Schillerwoche war im DLA ohnehin viel geboten. Einige Tage zuvor hatte der amerikanische Autor Louis Begley in englischer Sprache die Wechselausstellung »Der ganze Prozess« mit einer sehr persönlichen Darstellung seiner Kafka-Lektüre eröffnet. Zum ersten Mal wurde das komplette Originalmanuskript von Franz Kafkas Roman »Der Prozess« Seite für Seite gezeigt und ließ die unterschiedlichen Ordnungen seiner Entstehung und seiner Veröffentlichung sichtbar werden. Begleitet wurde die Ausstellungseröffnung durch die internationale Tagung »Weltautor Kafka«.
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Zur Eröffnung der großen Wechselausstellung »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie« sprachen Navid Kermani und Norbert Miller über das dichterische Schreiben Jean Pauls und feierten damit dessen 250. Geburtstag. Und schon im Oktober 2013 gedachte die Schillerhöhe mit der Eröffnung der Ausstellung »August 1914. Literatur und Krieg« des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Die in Kooperation mit den Bodleian Libraries der Universität Oxford und der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg entstandene Ausstellung wurde in Gegenwart von Vertretern der drei Kooperationspartner mit einem Festvortrag von Helmut Lethen eröffnet. Ergänzt wurde diese Ausstellung durch eine Truppenbücherei, die mit Unterstützung der DFG für die Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach rekonstruiert wurde, und einer Präsentation von Schützengrabenzeitungen, die für die Dauer der Ausstellung aus Straßburg entliehen werden konnten. Weitere Ausstellungen in den unterschiedlichen Formaten unseres Hauses befassten sich mit Ernst Bloch, mit Siegfried Unseld als Verleger und Thomas Manns »Doktor Faustus« (»Suhrkamp Insel«), Zeitkapseln eröffneten Archiveinblicke in Erich Kästners Fotonachlass, den ersten Exilroman »Tarabas« von Joseph Roth und zeigten Unbekanntes von den Wegbereitern der Popliteratur Carl Weissner und Jörg Fauser sowie aus dem »Helen und Kurt Wolff-Archiv«. Durs Grünbein stellte seine jüngsten Veröffentlichungen vor, und Michael Köhlmeier las aus seinem Buch »Die Abenteuer des Joel Spazierer«. Ulrich Peltzer, Silke Scheuermann und Matthias Göritz lasen ebenfalls aus ihren jüngsten Werken und zogen ein zahlreiches, interessiertes Publikum an. Zu Gast auf der Schillerhöhe war auch Joachim Radkau, der seine Theodor Heuss-Biografie vorstellte. Den prominenten Auftakt des wissenschaftlichen Programmjahrs hatte eine Tagung im März zur hundertjährigen Geschichte der Jugendbewegung und zu ihren Wirkungen in Politik, Gesellschaft und Kunst gemacht. Weitere Themen, die in Kolloquien diskutiert und abgehandelt wurden, waren: »Kritik in der Krise«, »Nachlassbewusstsein« und »Theorietransfer«. Mit Viktor von Weizsäcker, Johann Friedrich Cotta, Carl Schmitt, Peter Rühmkorf und Franz Kafka befassten sich weitere Tagungen. Das Tagungsprogramm hat sich somit wie immer auch wichtigen Nachlässen und Erwerbungen gewidmet. Womit wir bei den Erwerbungen wären: Das Familienarchiv Curtius / Picht mit Manuskripten, Briefen, Dokumenten und Fotos hat seit dem letzten Jahr seinen Platz im Marbacher Archiv gefunden. Auch konnte der deutschsprachige Teil des Vorlasses, also Manuskripte und Korrespondenzen, von Georges-Arthur Goldschmidt erworben werden, ebenso wie die Gedichte und Gedichtsammlungen aus dem Vorlass von Paul Wühr und Materialkonvolute und Zettelkästen von Harald Weinrich. Der Nachlass von Carl Weissner als Übersetzer und Literaturagent gibt mit vielen Materialen, Manuskripten und Briefen interessante Einblicke in die deutsche Rezeption der Beatgeneration. Als wichtige Einzelautografen wurden Gedichte von Eduard Mörike erworben, die den vorhandenen Mörikebestand ergänzen. Aus der Welt der Politik durften wir Ende des Jahres zur Ausstellungseröffnung »August 1914. Literatur und Krieg« den französischen Botschafter in der Bundes-
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republik Deutschland Maurice Gourdault-Montagne und den britischen Generalkonsul Nick Pickard begrüßen, die beide ein Grußwort bei der Eröffnung sprachen und sich danach viel Zeit für die Ausstellung nahmen. Zuvor schon hatten sich Ministerialdirigentin Dr. Claudia Rose vom Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Markus Barth vom Bundespräsidialamt und der Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Dr. Georg Schütte, zu Besuchen angekündigt. Außerdem besuchte der neue Bürgermeister Marbachs, Jan Trost, gleich zu Beginn seiner Amtszeit das DLA. Auch auf internationaler Ebene hat sich Marbach im letzten Jahr weiterentwickelt. Die Koordinationsstelle zur Erforschung deutsch-jüdischer Nachlässe in Israel, die schon 2012 eingerichtet werden konnte, wurde vom Auswärtigen Amt für die nächsten drei Jahre bewilligt und kann sich nun mit ganzer Kraft dem Erhalt, der Aufarbeitung und Erforschung deutsch-jüdischer Nachlässe in Israel widmen. Zudem hat sich der Amerikanische Freundeskreis äußert positiv entwickelt und zählt seit einer großen Mitgliederwerbung im Frühjahr 2013 jetzt 240 Mitglieder. Das Treffen des amerikanischen Freundeskreises fand in Princeton statt und widmete sich dem Thema »Exiled Writers in Princeton 1933–1945« – eine schöne Anknüpfung an die Vorträge der Marbacher Mitarbeiter aus dem Vorjahr bei der Jahrestagung der German Study Association über verschiedene Exil-Nachlässe in Marbach. Seit der Ausstellungseröffnung »August 1914. Literatur und Krieg« gibt es zudem eine Kooperation mit dem Staatlichen Literaturmuseum russischer Föderation in Moskau, in deren Rahmen unterschiedliche Projekte und Ausstellungen für die nächsten Jahre geplant sind. Schließlich muss ein Problem angesprochen werden, das uns in der letzten Zeit immer mehr beschäftigt. Seit Jahren sind die Mitgliederzahlen der Deutschen Schillergesellschaft rückläufig, was vor allem daran liegt, dass der DSG der interessierte Nachwuchs fehlt. Diese negative Entwicklung zu stoppen und die Deutsche Schillergesellschaft auch für jüngere Menschen attraktiv zu gestalten, muss ein Ziel für die nächsten Jahre sein.
archiv 1 Erwerbungen 1.1 Handschriftensammlung 1.1.1 Vorlässe, Nachlässe, Teilnachlässe und Sammlungen Klara Badorrek-Hoguth: Sammlung zum Thema Pseudonyme. Briefe von Carl Amery, Hans Carl Artmann, Thomas Brussig, Peter O. Chotjewitz, Reinhard Döhl, Milo Dor, Hans Magnus Enzensberger, Iring Fetscher, Günter Grass, Friedhelm Kemp, Walter Kempowski, Günter Kunert, Ruth Rehmann, Peter Rühmkorf, Jörg Schröder, Johannes Mario Simmel, Rudi Strahl, Michael Wildenhain, Gerhard Zwerenz u. a. Franz Richard Behrens: Sammlung Michael Lentz. Gedichte Todlob. Feldtagebuchgedichte 1915/16 u. a.; Tagebuchaufzeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg; Briefe von
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und an die Familie; Herbert Behrens-Hangeler: Tagebuch aus dem Ersten Weltkrieg u. a.; Exzerpte, Fotografien, Dokumente. Familienarchiv Curtius / Picht: Manuskripte, Briefe, Dokumente und Fotos von Ernst Curtius, Friedrich Curtius und Ernst Robert Curtius, Max Picht, Werner Picht, Georg Picht, Robert Picht und weiteren Familienmitgliedern, darunter Korrespondenzen mit Hellmut Becker, Margret Boveri, Friedrich Gundolf, Adolf von Harnack, Martin Heidegger, Hartmut von Hentig, Sabine Lepsius, Max Müller, Eugen RosenstockHuessy, Max Rychner, Edgar Salin, Albert Schweitzer, Rudolf Smend, Bruno Snell, Max Weber, Carl Friedrich von Weizsäcker u. a. Zsuzsanna Gahse: Erster Teil des Vorlasses. Lyrik; Dramatisches; Prosa Berganza, Ein Blick auf die ungarische Literatur der Gegenwart, durch und durch. Müllheim/Thur in drei Kapiteln, Kellnerroman, Nichts ist wie oder Rosa kehrt nicht zurück u. a.; Übersetzungen von Werken von Tibor Déry, Péter Esterházy, Jókai Mór, Péter Nádas, István Örkény u. a.; Briefe von und an Heinz Ludwig Arnold, György Dalos, Péter Esterházy, Wilhelm Genazino, Hildegard Grosche, Peter Härtling, Helmut Heißenbüttel, Walter Jens, Imre Kertész, György Ligeti, Friederike Mayröcker, Péter Nádas, Oskar Pastior, Hannelore Schlaffer, Johano Strasser, Gert Ueding, Urs Widmer, Gabriele Wohmann u. a. – Drucksachen und Zeitungsausschnitte. Georges-Arthur Goldschmidt: Deutschsprachiger Vorlass. Romane Die Absonderung, Die Aussetzung, Die Befreiung; Essayistisches Heute Heine, Die Schreibspanne. Hamburger Poetikvorlesungen, Vom Stil einer Sprache u. a.; Manuskripte von Peter Handke: Die Stunde der wahren Empfindung, Lucie im Wald mit dem Dingsda u. a.; Briefe von und an Egon Ammann, Wolf Biermann, Karl Heinz Bohrer, Durs Grünbein, Peter Handke, Ludwig Harig, Paul Nizon, W. G. Sebald, Hans-Ulrich Treichel u. a. Reinhard Gröper (d. i. Egbert-Hans Müller): Nachtrag zum Vorlass. Prosa Kinderkrieg, Leonce, Literarischer Salon u. a.; Reden und Ansprachen über Literatur und zu Preisverleihungen; Briefe von und an Horst Brandstätter, Friedrich Christian Delius, Hilde Domin, Werner Helwig, Hermann Kinder, Hanns-Josef Ortheil, Marcel ReichRanicki, Helmut Richter, Manfred Rommel, Jens Sparschuh, Beatrice Steiner, Erwin Teufel u. a. Max Herrmann-Neisse: Teilnachlass. Gedichte; Dramatisches Melancholisches Kabarett, Vogelfrei u. a.; Prosa Die Bernert-Paula u. a.; Briefe von und an Lion Feuchtwanger, Bruno Frank, Friedrich und Hedi Grieger, George Grosz, Alfred Kittner, Stefan Zweig u. a.; Collagen, Fotoalben, Dokumente. Dieter Hoffmann: Erster Teil des Vorlasses. Briefe von Horst Antes, Hans Bender, Werner Bock, Tankred Dorst, Walter Helmut Fritz, Margarete Hannsmann, Manfred Hausmann, Otto Heuschele, Kurt Heynicke, Hermann Kasack, Marie Luise Kaschnitz, Wulf Kirsten, Karl Krolow, Hermann Lenz, Christoph Meckel, Walter Neumann, Karl und Ellen Otten, Heinz Piontek, Johannes Poethen, Joachim Ritter, Hans Dieter Schäfer, Friedrich Schnack, Wolfgang Weyrauch, Karl Alfred Wolken, Wolf Wondratschek u. a. Autographensammlung Magda Maria Hug: Briefe von Theodor Fontane, Rudolf Kassner, Houston Stewart Chamberlain, Gustav Lindemann, Marie von Ebner-Eschen-
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bach, Ellen Remnit, Reinhard Goering u. a., von Reichstagsabgeordneten; Autogrammkarten von Henri Marteau und Elly Ney, gedruckte Dokumente aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Oskar Jancke: Nachtrag zum Nachlass. Gedichte; Prosa; Briefe an Andere von Rudolf G. Binding, Erika Mann, Thomas Mann u. a.; Rudolf Pannwitz: Gedichte; Materialien zur Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Gerhard Kaiser: Nachlass. Vorlesungsmanuskripte; Briefe von und an Richard Alewyn, Schalom Ben-Chorin, Bernhard Böschenstein, Tankred Dorst, Hugo Friedrich, Max Frisch, Hans-Georg Gadamer, Walter Kempowski, Friedrich Kittler, Werner Kraft, Karl Kardinal Lehmann, Golo Mann, Adolf Muschg, Friedrich Ohly, Wolfgang Preisendanz, Patrick Roth, Willibald Sauerländer, Hans-Jürgen Schings, Hannelore Schlaffer, Gershom Scholem, Jacob Taubes, Max Wehrli u. a. Friedhelm Kemp: Nachtrag zum Nachlass. Gedichte für Ludwig Greve; Tage-, Reise- und Notizbücher aus Frankreich; Briefe von Horst Antes, Cyrus Atabay, Wolfgang Harms, Michael Krüger, Louis Levinnois, Claude Lévi-Strauss, Christoph Meckel, Peter Horst Neumann, Gaspard Olgiati, Kevin Perryman, Karl Prokop, Hoyt Rogers, Joachim Sparre, Rolf Szymanski, Franz Wurm u. a. Michael Krüger: Sammlung. Postkarten von Herbert Achternbusch, Hans Bender, Elisabeth Borchers, Nicolas Born, Rolf Dieter Brinkmann, Peter O. Chotjewitz, Emil Cioran, Christian Enzensberger, Hans Magnus Enzensberger, Günter Bruno Fuchs, Julien Green, Lars Gustafsson, Peter Handke, Ludwig Harig, Günter Herburger, Walter Höllerer, Gert Friedrich Jonke, Walter Kempowski, Günter Kunert, Reinhard Lettau, Hans Paeschke, Oskar Pastior, Tadeusz Różewicz, Volker Schlöndorff, Ernst Schnabel, Urs Widmer u. a. Kurt Kusenberg: Erster Teil des Nachlasses (Depositum). Kurzprosa Der blaue Traum, Ein Brief aus China, Kein Tag wie jeder andere, Mal was andres, Die Pantoffel, So soll ein Buch nicht sein, Das vergessene Leben, Zwei Pakete u. a.; Briefe von Alfred Andersch, Ernst Barlach, Joseph Breitbach, Georg Britting, Emil Cioran, Günter Grass, Ernst Jünger, Sebastian Haffner, Rudolf Hagelstange, Wolfgang Hildesheimer, Hans Jantzen, Alfred Kubin, Friedo Lampe, Reinhard Lettau, Friedrich Luft, Gerhard Marcks, Boris Pasternak, Karl Rössing, Arno Schmidt u. a. Max Reuschle: Nachtrag zum Nachlass. Gedichte; Dramatisches, Prometheus; Prosa, Schopenhauers Stellung zur Geschichte; Verschiedenes, autobiographische Aufzeichnungen; Personaldokumente, Zeitungsausschnitte, Photos. Rowohlt Verlag: Nachtrag zum Verlagsarchiv. Ablagen von Hans Georg Heepe, Jürgen Manthey aus den 60er und 70er Jahren, Aktennotizen, Verträge u. a. – Pressematerialien. Peter Rühmkorf: Nachträge zum Nachlass. Gedichtentwürfe, Kleine Prosatexte und Notizen; Briefe von Alfred Döblin, Ulrike Meinhof u. a.; Versicherungs- und Steuerunterlagen; Gottfried Benn: Klinikbericht über Georg Overbeck, Brief von Kurt Tucholsky an Kurt Hiller. – Zeitungsartikel, Tonträger, Bilder und Objekte. Heinrich Schirmbeck: Nachlass. Prosa Ärgert dich dein rechtes Auge u. a.; Essays, Erzählungen; Autobiographisches; Briefe von und an Hans Bender, Günther Birken-
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feld, Heinrich Böll, Elisabeth Borchers, Hilde Domin, Otto Heuschele, Insel Verlag, Rolf Italiaander, Peter Jokostra, Hermann Kasack, Karl Krolow, Hermann Pongs, Luise Rinser, Otto Rombach, Peter Rühmkorf, Hermann Stahl, Dolf Sternberger, Suhrkamp Verlag, Friedrich Sieburg, Hermann Stresau, Rijn Thaland, Frank Thiess, Siegfried Unseld, Fritz Usinger u. a.; Dokumente zur Wiedergutmachung und zum Studienverbot während der NS-Zeit. Egon Schwarz: Nachtrag zum Vorlass. Prosa Adenauerplatz, Angst, Años de vagabundeo forzado, Dorle Klockenbusch, Heinz Politzer, Mein 90. Geburtstag u. a.; Briefe an Wolfgang Beck, Carola und Jochen Bloss, Marianne Gruber, Hildegarde und Hunter G. Hannum, Hartmut von Hentig, Hans Vaget, Wilhelm und Almuth Voßkamp u. a.; Briefe von Karl Otto Conrady, Hartmut von Hentig, Walter Hinck, Walter Sokel, Uwe Timm, Wilhelm Voßkamp, Hans-Ulrich Wehler u. a. Ulrich Stadler: Sammlung. Briefe von Ingeborg Bachmann, Volker Braun, Helmut Gollwitzer, Franz Innerhofer, Theodor Litt, Peter Horst Neumann, Friederike Mayröcker, Peter Szondi, Martin Walser. Brief von Heinrich Mann an Ernst M. Frey. Harald Weinrich: Vorlass. Materialkonvolute und Zettelkästen zu Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens; Briefe von Wilfried Barner, Wolfgang Beck, Elazar Benyoëtz, Jean Bollack, Hellmut Flashar, Wolfgang Frühwald, Wolfgang Harms, Harald Hartung, Walter Hinck, Willibald Sauerländer, Kurt Sontheimer, Hans Joachim Störig, Jürgen Trabant, Rainer Warning u. a. Carl Weissner: Nachlass. Manuskripte, Materialien zu seiner Tätigkeit als Übersetzer und Literaturagent; Briefe von Udo Breger, Charles Bukowski, William S. Burroughs, Jörg Fauser, Allen Ginsberg, Paul Grillo, Benno Käsmayr, Michael Krüger, Melzer Verlag, Jack Micheline, Harold Norse, Jürgen Ploog, Claude Pélieu, Patrick Roth, Wolf Wondratschek u. a. – Widmungsexemplare; Underground-Zeitschriften; Fotografien. Eugen Gottlob Winkler: Sammlung der Familie Scheuing. Gedichtsammlungen, Einzelgedichte § 218 u. a.; Jahresberichte des »Clubs der Harmlosen« 1926–1929; Briefe an und von der Familie Scheuing, Briefe über ihn; Zeichnungen, Fotografien, Erinnerungsstücke. Paul Wühr: Vorlass. Gedichte und Gedichtsammlungen Marienoden, Grüß Gott ihr Mütter, ihr Väter, ihr Töchter, ihr Söhne, Salve res publica poetica, Venus im Pudel u. a.; Hörspiele Bidermann, Gott heißt Simon Cumascach, Faschang Garaus, Wenn Florich mit Schachter spricht, Preislied, Soundseeing, Viel Glück u. a.; Prosa Absolut Homer, Basili, Das Buch Poppes, Embryonen, Das falsche Buch, Gegenmünchen, Luftstreiche, Sonderfisch/Ondrach; Notizbücher, Rezensionen u. a.; Tagebücher. 1.1.2 Kleinere Sammlungen und Einzelautographen (Auswahl) Alfred und Gisela Andersch: Briefe an Uwe Rosenbaum. – Hannah Arendt: Register zum Denktagebuch. – Schalom Ben-Chorin: Brief an Siegfried Henrichs. – Ernst Bloch: Briefe an Hans Poser. – Jochanan Bloch: Die Welt des Werdens, Geheimnis und Schöpfung. Elemente der Dialogik Martin Bubers, Tagebuchblätter zum Problem
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des Jüdischen, Aufzeichnungen, Notizen, Briefe. – Paul Böckmann: Brief an Paul Schmitthenner, Notiz zur Formgeschichte, Vortragsmanuskript, Briefe an Hans Poser. – Rudolf Borchardt: Brief an Rudolf Alexander Schröder, Briefe vom und an den Rowohlt Verlag. – Achim von Borries: Briefe von Margarete Susman und Peter Szondi. – Josef Breitbach: Briefe von und an Karl Hermann. – Otto Coester: Materialien zu Franz Kafka. – Hans Heinrich Ehrler: Der Vierröhrenbrunnen, Briefe von ihm, Materialien über ihn. – Hans Franck: Briefe an Hermann Peter. – Fritz Rudolf Fries: Last Exit to El Paso, Briefe von Uwe Johnson u. a. – Gerd Gaiser: Ludwig Uhland – zu seinem hundertsten Todestag. – Hellmut Geißner: Texte und Materialien zu Nelly Sachs, Max Bense, Ludwig Harig. – Emilie von Gleichen-Rußwurm: Brief an Adolf Calmberg. – Johann Philipp Glökler: zwei Bände Gedichte, Briefe der Familie Erbe, Tagebücher der Tochter. – Albrecht Goes: Briefe an Paul-Christoph Sachse. – Friedrich Griese: Briefe an Erhard und Lisbet Wittek. – Georg Groddeck: Briefe an Sigmund Freud, Rolf Meier, Elisabeth Seyffert, an die Familie. – Friedrich Gundert: Ausweis. – Wilhelm Hauff: Gedichtabschrift Herzog Ulrich. – Hans-Jürgen Heise: Werkmanuskripte, frühe Essays, Materialien zu Federico García Lorca. – Bernt von Heiseler: Brief an Gisela Matzkowsky. – Hermann Hesse: Briefe an Ida Huk, Briefe von Margarete Gundert. – Ricarda Huch: Brief an Elsa Nüesch. – Wilhelm Hüttermann: Briefe an ihn. – Karl Jaspers: Adressbuch, Aufzeichnungen zu verschiedenen Personen und Themen, Briefe an Maria Salditt u. a. – Ernst Jünger: 1 Bl. Tagebuch-Entwurf, Materialien zu seinem Aufenthalt in Frankreich. – Franz Kafka: Brief an Max Brod (sog. »Mäusebrief«), unvollständiger Brief (Kopie) an Rúzenka Wetterglovà. – Marie Luise Kaschnitz: Karte an Hildegard Gröger. – Erich Kästner: Korrekturfahnen zu Das fliegende Klassenzimmer. – Raymond Klibansky: Briefe an Maria Fittler. – Harry Graf Kessler: Brief an die Cranach-Presse, Briefe an ihn von Elisabeth Förster-Nietzsche, Hermann Graf Keyserling, R. Rudin, Erich Stephani; Lebensdokumente. – Vittorio Klostermann Verlag: Briefe von und an Arnold Bergstraesser. – Therese Köstlin: Briefe an Stadtpfarrer Friedrich Pfäfflin und seine Frau. – Günter Kunert: Gedichte, Essays, Kurzprosa, Notizen. – Ilse Langner: Materialien über sie. – Werner Leibbrand: Briefe an ihn. – Richard Leising: Gedichte, Prosa Die Unterkunft, Inhumanus est, Rätsel, Über ein Mißverständnis in der Bildenden Kunst, Der Besuch, Der lange Weg. – Mechthilde Lichnowsky: Notizen. – Rudolf Lennert: Briefe an ihn. – Emmanuel Lévinas: Brief an Jean Beaufret. – Karl Löwith: Manuskripte (Kopien), Briefe von ihm und an ihn, Brief von Marguerite Yourcenar an Ada Löwith. – Thomas Mann: Brief an eine Unbekannte. – Zenta Maurina: autobiographische Dokumente, Briefe u. a. an Signe Braun. – Friederike Mayröcker: Briefe von und an Herbert Wiesner. – Friedrich Michael: Briefe an Augusta Aboling. – Agnes Miegel: Briefe an Hertha Marquardt, Elly Melzer, Hannelore Wolfslast und Eva Wünsch. – Reinhart Müller-Freienfels: Briefe von Sławomir Mrożek. – Eduard Mörike: Gedichte Mit hundert Fenstern, An Herrn Bibliothekar Prof. Keller …, An Philomele, Ein Album! Schneeweiß Pergamentpapier…, Brief an Friedrich Krauss, verschiedene Vertonungen von Mörike-Gedichten. – Jean Paul: Kalenderabschrift von Georg Ernst. – Paul Pörtner: Briefe an Uwe Rosenbaum. – Fritz J. Raddatz: Briefe von und an Gerhard Schönberner und Peter Wapnewski. – Rainer Maria Rilke: Abschrift von Die Weise von
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Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke aus einem afrikanischen Kriegsgefangenenlager. – Nelly Sachs: Briefe an Hellmut Geißner. – Albrecht Schaeffer: Briefe an Erna Biedermann. – Arno Schirokauer: Brief an Thomas P. Thornton. – Bernhard Schlink: Sommerlügen und Das Wochenende. – Wolfdietrich Schnurre: Briefe von und an Albert Günter Hess. – Rudolf Alexander Schröder: Übersetzungen Cymbeline. – Marguerite Speyer: Briefe von Hermann Claudius, Manfred Hausmann u. a. – Hermann Sudermann: Brief an Reinhold Anschütz. – Thaddäus Troll: Brief an Siegfried Melchinger. – Mary Tucholsky: Brief an Paul Schütz. – Fritz Usinger: Briefe an Meta Nicolai. – Hans Volkart: Brief an Margarete Gundert. – Kurt Wais: Briefe von und an Wolfgang Theile und Horst Rüdiger. – Ludwig Walesrode: Briefe an Familie Pinder. – Martin Walser: Interviews aus der Zeit vor 1998. – Viktor von Weizsäcker: Heiligenstädter Notizen. – Ottilie Wildermuth: Prosa Die Frau des Missionärs, Schwarz auf Weiß. – Friedrich Wolf: Briefe von und an Hermann Schmid. – Gabriele Wohmann: Entwürfe zu Theater von innen, Der grüne Kuß, Briefe von Hans Bender, Heinz Piontek, Zeitschriften und Verlagen. – Carl Zuckmayer: Briefe an Sighilde (Margarete) Mehren, Rundbrief. 1.1.3 Für Stiftungen ist zu danken Agnes-Miegel-Gesellschaft, Arno-Schmidt-Stiftung Bargfeld, Dr. Klara BadorrekHoguth, Sigfrid Bein, Gudula Biedermann, Dr. Katharina Blencke-Dörr, Cornelius Borchardt, Dr. Niels Bokhove, Maria von Borries, Marie Brandes, Prof. Dr. Antje Bultmann-Lemke, Heidi Caudrelier, Helene Dehner, Margarete D‘Hooghe, Diogenes Verlag KG, Annaliesa Dister, Dr. Margarete Dierks, Beate Dorfner-Erbs, Dr. Doris Esch, Christine Fausel, Prof. Dr. François Fédier, Verena Förster-Gaiser, Rainer FritzVietta, Waltraud Giesen, Christine Glitsch, Dr. Theo Greiner, Georg-Groddeck-Gesellschaft Frankfurt a. M., Marcus Gundlach, Salome Hächler-Rüsch, Hans-Jürgen Heise, Ulrich Herrmann, Rainer Hindrischedt, Dr. Günter Höffken, Claus-Wilhelm Hoffmann, Dieter Hoffmann, Hiltrud Hoffmann-Richter, Ada Honegger-Kaufmann, Hans Huber, Marianne und Heinz Jäckel, Prof. Dr. Dieter Janz, Dr. Cornelia Kemp, Vittorio Klostermann Verlag, Dr. Stefan Knödler, Klaus Krämer, Dr. Michael Krüger, Günter Kunert, Mechthild Lange, Traute Lindörfer, Literaturhaus Berlin, Ursula Ludz, Jörg Martin, Gisela Matzkowsky, Prof. Dr. Andreas Meier, Birte Meiners, Elisabeth Michael, Dr. Gisela Morgenstern, Dr. Reinhart Müller-Freienfels, Egbert Hans Müller, Andreas Mytze, Dr. Friedrich Pfäfflin, Götz Pinder, Anita Riedmüller, Prof. Dr. Hellmut Rosenfeld, Dr. Uwe Rosenbaum, Rowohlt Verlag Reinbek, Eva Rühmkorf, Margot Sachse, Ingrid Sandmann, Hans Saner, Oriol Schaedel, Helga Schirmbeck, Prof. Dr. Wilhelm Schlink, Prof. Dr. Egon Schwarz, Isa Sigg, Dr. Edith Slembek, Prof. Dr. Ulrich Stadler, Rudolf Suthoff-Gross, Prof. Dr. Wolfgang Theile, Prof. Dr. Siegfried Thiele, Thomas P. Thornton, Jürgen Ullrich, Dr. Vittorio Klostermann Verlag Frankfurt a. M., Theresia Wittenbrink, Gabriele Wohmann, Maria Wüllner-Marquardt, Dr. Ursula Wulfhorst, Sieglinde Ziller.
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1.2 Bilder und Objekte 1.2.1 Aus Vorlässen, Nachlässen, Teilnachlässen und Sammlungen Zeichnungen aus der Sammlung Lentz zu Franz Richard Behrens; Fotografien, Fotoalben und eine Zeichnung aus dem Teilnachlass von Max Herrmann-Neisse; Grafikmappen, Einzelgrafiken, Druckplatten und Zeichnungen aus dem Vorlass von Dieter Hoffmann, darunter Werke von Horst Antes, Jürgen Brodwolf, Ernst Hassebrauk, Barbara Klemm und Volker Stelzmann; ca. 650 Bildpostkarten, überwiegend mit Städteansichten, aus dem Nachlass von Ricarda Huch; Zeichnungen, Skizzenbücher, Fotografien und eine Bildnisbüste Max Webers von Arnold Rickert aus dem Nachlass von Karl Jaspers; Fotoalben aus dem Nachlass von Zenta Maurina; Fotografien und Fotoalben aus dem Familienarchiv Curtius / Picht; eine Bildnisbüste aus dem Nachlass von Kurt Hübner; Fotografien aus dem Nachlass von Carl Weissner. 1.2.2 Gemälde, Skulpturen und Totenmasken Uwe Johnson, Gemälde von Stephan Kaluza, 2001; Friedrich Schiller, Büste, um 1950. 1.2.3 Grafiken Heft mit 19 Illustrationen von Lieselotte Plangger-Popp zu Eduard Mörikes Die Hand der Jezerte, 1950; Ludowike Simanowiz, Stahlstich von Adolph Gnauth, um 1850; zwei Lithographien nach Theobald von Oers Weimar’s Goldene Tage, nach 1860, und Die erste Vorlesung der Räuber nach Schiller, 1859; Felix Martin Furtwängler, Zwei menschliche Gestalten mit Wolf, 2012; Peter Tuma, Gotthold E. Lessing erklärt Paul Raabe die Ringparabel, 2006. 1.2.4 Fotografien Frank Arnau, Autogrammpostkarte, um 1970; Agnes Miegel, verschiedene Fotografien, 1964; Rainer Binder, Porträtfotografien von Luise Rinser, Thaddäus Troll, Ernst von Salomon und Johannes Mario Simmel, 1971 bis 1980; Innenansichten der Villa Schwalbenhof in Gärtringen von F. C. Gundlach, 1949. 1.2.5 Objekte Oswald Egger, aus einem Märklin-Baukasten gebildeter Textrahmen für die Absatzzeichen in dem Gedichtband Nihilum album, 2007.
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1.2.6 Für Stiftungen ist zu danken Margit Berger, Doro Boesnach, Karl Heinz Danner, Horst Dieter, Oswald Egger, Felix Martin Furtwängler, Dieter Hoffmann, Eva Hunziker, Joachim Kersten, Karin Lehmann, Viktor Otto, Lieselotte Plangger-Popp, Lore Prinzing, Burkhard Riegels, Micheline Schöffler, Friedbert Sommer, Dr. Roland Stark, Tina Stroheker, Peter Tuma. 2 Erschließung 2.1 Handschriftensammlung Folgende Bestände wurden ganz oder teilweise katalogisiert: Lou Andreas-Salomé, Cotta-Copierbücher, Hilde Domin (mit Mitteln des Domin-Fonds), Albert Dulk, Günter Eich, S. Fischer Verlag (mit Mitteln der S. Fischer Stiftung), Peter Hacks, Walter Hasenclever (Nachträge), Edition Isele, Ernst Jünger, Ludwig Klages, Reinhart Koselleck (mit Mitteln der Gerda Henkel Stiftung), Gert Mattenklott, Hans Erich Nossack, Oskar Pastior, Rowohlt Verlag, Peter Rühmkorf (mit Mitteln der Arno Schmidt Stiftung), Rudolf A. Schröder, Egon Schwarz, Peter Suhrkamp, Margarete Susman, Bernward Vesper, Ottilie Wildermuth, Kurt Wolff/Sammlung Merck, Armin T. Wegner, Heinrich Zimmer. Hinzu kam die laufende Verzeichnung von kleinen Neuzugängen. Durch Feinordnung wurde das Siegfried Unseld Archiv (mit Mitteln der DFG) weiter erschlossen und für die Katalogisierung vorbereitet. Vorgeordnet wurden ganz oder teilweise unter anderem die Bestände von Schalom Ben-Chorin, Jochanan Bloch, Karl Heinz Bohrer, Rudolf Borchardt, Zsuzsanna Gahse, Robert Gernhardt, Max Herrmann-Neiße, Helga M. Novak, Gerlind Reinshagen, Paul Wühr sowie das Rowohlt Verlagsarchiv und das Archiv des Siedler Verlags. 2.2 Bilder und Objekte Erschlossen wurden mehr als 20 Bestände, darunter Felix Hartlaub, Wilhelm Hausenstein, Walter Janka, Friedrich Kittler, Isolde Kurz, Christoph Meckel, Claus Träger, Thaddäus Troll sowie die Grafik-Sammlung HAP Grieshaber und Entwürfe zur Buchgestaltung aus der Produktion des Insel Verlags.
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2.3 Statistik: Neue Datensätze Den größten Teil der neuen Katalogaufnahmen verdanken wir 2013 der Retrokonversion des Zettelkatalogs der Handschriftensammlung. 2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
insgesamt
14.196 33.770 27.173 26.178 30.216 34.126 32.329 88.519 101.380
Handschriften Neuaufnahmen
13.445 33.202 26.138 25.380 29.820 33.482 21.808 25.731
Handschriften Retrokonversion
Bilder und Objekte
751
568
1.035
798
396
644
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
9.707 62.117
814
671
33.314
67.594
472
658
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3 Benutzung Die meisten Messwerte im Bereich der Benutzung sind weiter gestiegen. Besonders zugenommen hat die Anzahl der beantworteten Benutzeranfragen, die zum Teil mit aufwändigen Rechercheleistungen verbunden sind, aber auch besonders zur Außenwirkung der Abteilung beitragen. Die Zahl der Leihscheine ist auf hohem Niveau etwas zurückgegangen. 3.1 Anwesenheiten 2006
2007
Tagespräsenzen Archiv insgesamt
3.003
3.052 3.729 3.550 3.619 4.206 4.714 4.862
Tagespräsenzen Handschriften
2.603
2.637 3.310 3.250 3.331 3.858 4.410 4.401
Tagespräsenzen Bilder und Objekte Anmeldungen Archiv insgesamt
400 1.081
415
419
300
288
348
304
461
1.152 1.160 1.239 1.142 1.317 1.299 1.129
Anmeldungen Handschriften
958
1.021
Anmeldungen Bilder und Objekte
123
131
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
2008 2009 2010 2011 2012 2013
984 1.140 1.021 1.178 1.176 1.079 176
99
121
139
123
50
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3.2 Entleihungen 2006 Handschriften (Leihscheine)
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
13.713 15.319 18.382 16.498 16.316 18.546 19.565 17.314
Externer Leihverkehr. Handschriften: Verträge
33
56
56
40
43
33
27
30
Externer Leihverkehr. Handschriften: Einheiten
333
542
814
611
317
257
296
364
Externer Leihverkehr. Bilder und Objekte: Verträge
21
29
22
24
14
13
19
17
Externer Leihverkehr. Bilder und Objekte: Einheiten
98
218
153
120
60
111
281
67
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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3.3 Anfragen mit Rechercheaufwand 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anfragen mit Rechercheaufwand gesamt
Anfragen mit Rechercheaufwand Handschriften
942
Anfragen mit Rechercheaufwand Bilder und Objekte
1.198 1.295 1.340 1.618
889 1.139
989 1.069 1.129 1.179 1.473
129
166
161
145
3.4 Datenbank-Recherchen 2009
2010
2011
2012
2013
Datenbank-Recherchen Archiv
39.001
43.522
42.572
51.149
52.945
Datenbank-Recherchen im Modul Handschriften
35.321
39.219
37.291
46.084
47.509
Datenbank-Recherchen im Modul Bilder und Objekte
3.680
4.303
5.281
5.065
5.436
26.538
27.920
34.021
49.806
27.486
Modul Bestandsführung
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3.5 Kopien von Handschriften
Kopien Kopieraufträge
2009
2010
2011
2012
2013
35.166
34.902
39.305
58.991
53.152
1.665
1.537
1.742
2.025
1.857
4 Weitere Projekte und Sonstiges Im Rahmen des von der DFG finanzierten Projekts Retrokonversion des alphabetischen Zettelkatalogs der Handschriftensammlung setzten die beiden dafür eingestellten Bibliothekare ihre Arbeit planmäßig fort; Ende des Jahres 2013 hatten sie etwa die Hälfte des Gesamtvolumens bewältigt. Zu diesem Zeitpunkt waren durch die Retrokonversion insgesamt 139.154 Handschriftendatensätze mit 12.895 dazugehörigen Personen- und 25.760 Körperschaftsdatensätzen entstanden. Das Projekt ist nur mit einem sehr hohen Anteil an Eigenleistungen möglich, denn in dem historisch gewachsenen, von 1957 bis 1999 geführten Zettelkatalog fehlen in vielen Fällen die für die Aushebung und die Verzeichnung in der Datenbank Kallías notwendigen Angaben, z. B. die Kategorien »Bestandssignatur« oder »Gattungen«. Diese müssen per Autopsie von den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung ermittelt werden. Besonders arbeitsintensiv sind die Zuarbeiten in den Bereichen Altbestände und Normdatenpflege (Personen und Körperschaften). Durch die Retrokonversion werden die bestehenden Zettelkataloge der Handschriftensammlung nicht nur ersetzt, sondern darüber hinaus die Qualität der Metadaten deutlich verbessert. Für die Forschung eröffnen sich damit neue, wesentlich erweiterte Recherchemöglichkeiten, außerdem erleichtert der Leihscheindruck in den Magazinen das Ausheben der betreffenden Dokumente. Ende 2013 wurde ein Verfahren für den Export der Datensätze entwickelt, so dass künftig alle Kallías-Datensätze auch in der zentralen Datenbank Kalliope nachgewiesen werden können. 2013 bewilligte die DFG die planmäßige Fortsetzung des Projekts für weitere 24 Monate. Die Arbeit an der Erschließung des Suhrkamp-Verlagsarchivs schreitet zügig voran. Die sechs von der DFG geförderten Bibliothekarinnen arbeiteten gewinnbringend mit den sieben Doktoranden des von der Volkswagen-Stiftung finanzierten Suhrkamp-Forschungskollegs und mit den jeweiligen Kuratoren der Ausstellungsreihe Die Suhrkamp-Insel zusammen. Nikola Herweg besuchte am 23. 03. 2013 in Hamburg die Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung in Hamburg. Sabine Fischer vertrat die Abteilung im April 2013 beim Jahrestreffen der Graphischen Sammlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Museum Kunstpalast Düsseldorf. Ulrich von Bülow nahm während der Dortmunder Tagung der KOOP-LITERA international am 23. 5. 2013 an einer Podiumsdiskussion zum Thema Nachlasserschließung und Edition teil. Silke Becker, zuständig für Grundsatzfragen der Erschließung, beteiligte sich am 10. 9. 2013 in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main an einer ersten Beratung über die bevorste-
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hende Einführung des internationalen Regelwerks Resource Description and Access (RDA) in Kultureinrichtungen und Literaturarchiven. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung nutzten auch im vergangenen Jahr wieder vielfach die Möglichkeit, sich im Rahmen der Fortbildungsreihen Stunde mit der Maus und Auf dem Laufenden über IT-Fragen sowie laufende Projekte der verschiedenen Abteilungen zu informieren. Im Jahr 2013 wurden in der Abteilung Archiv insgesamt 16 Praktikanten betreut. Ein besonderer Dank gilt Viktoria Fuchs und Roland Stark, die uns bei Erschließungsarbeiten ehrenamtlich unterstützten.
bibliothek 1 Erwerbung Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Monographienzugang noch einmal, wiederum als Ergebnis des DFG-Projekts zur retrospektiven Bestandsergänzung, in dessen Rahmen 1.966 Bände erworben werden konnten. Ungewöhnlich hoch ist der Anteil an Stiftungen: 31 % der inventarisierten Bücher und 22 % der Zeitschriftenhefte, sie haben den ohnehin sehr knappen Etat für laufende Erwerbungen entlastet. Der Schwerpunkt des Bestandsergänzungsprojekts lag auf den Segmenten Kolonialliteratur, völkisch-nationale und rumäniendeutsche Literatur, die Ergänzung der frühen DDR-Literatur wurde fortgeführt. Im Bereich der proletarisch-revolutionären Literatur konnte ein Konvolut mit 65 gut erhaltenen Flugblättern mit Texten von Johannes R. Becher, Willi Bredel, Alfred Kurella, Erich Weinert und Friedrich Wolf angekauft werden, die sich im russischen Exil befanden. Die Flugblätter wurden über den Linien der Wehrmacht abgeworfen; sie tragen Nummerierungen und zumeist den Hinweis, dass sie bei Gefangennahme als Passierschein gelten. Im Segment Unterhaltungsliteratur – einem von drei Schwerpunkten des im September gestarteten dritten Projektjahres – wurde die Übernahme einer Stiftung von mehr als 2.000 Bänden Unterhaltungsliteratur mit den Erscheinungsjahren 1933–1945 abgewickelt. Die Bände stammen aus dem Dublettenbestand der ehemaligen Volksbibliothek Hegau in der Singener Stadtbibliothek, die als nationalsozialistische Bibliothek gegründet worden war. Aus Privatbesitz erhielten wir die populären, vom Reichsarchiv zwischen 1921 und 1930 herausgegebenen 36 Bände der Schriftenreihe »Schlachten des Weltkrieges«; vier der Bände sind von Werner Beumelburg bearbeitet worden. Unter den antiquarischen Einzelerwerbungen sei nur als Nachtrag zum Jean-Paul-Jahr das Rarissimum des Autors, »Reisegefährte deutscher Jünglinge, besonders, wenn sie auf Universitäten gehen« genannt, das 1801 als veränderter Auszug aus dem 1799 erschienenen Titel »Briefe und bevorstehender Lebenslauf« von Johann Michael Sailer herausgegeben wurde. Im Rahmen des Forschungsverbunds Marbach–Weimar–Wolfenbüttel wurden strategische Vereinbarungen für die koordinierte Erwerbung von E-Ressourcen getroffen.
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1.1 Für Buch- und Zeitschriftenstiftungen danken wir: Agneta Almeida, Irmeli Altendorf, Oskar Ansull, Dr. Wilfried Bacher, Horst Bergdolt, Susanne Bieri, Dr. H. J. Bodenbach, Daniela-Maria Brandt, Klaus-Dieter Brunotte, Nadia Centorbi, Ingo Cesaro, Prof. Klaus-Peter Dencker, Gerhild Ebel, Dr. Christian Eschweiler, Prof. Dr. Walter Fähnders, Constantino Franke, Felix Martin Furtwängler, Karlheinz Gabor, Kay Ganahl, Ulrich Goerdten, Dr. Albrecht Götz von Olenhusen, Dr. Reiner Haehling von Lanzenauer, Prof. Dr. Lutz Hagestedt, Prof. Dr. Barbara Hartlange-Laufenberg, Edgar Harwardt, Anne Hasenohr, Hans Herrmann, Eva-Maria Hertel, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Margarete Immer, Dr. Marianne Jacob, Dr. Martin Kämpchen, J. J. Karinger, Harro Kieser, Hertha Kirschbaum, Richard Klimmer, Dr. Georg Nicolaus Knauer, Amala Kohler, Hansjürg Kohlermann, Thorsten Krämer, Prof. Dr. Klaus-Dieter Kreiser, Gerhild Kutschka-Kalz, Michael Ladwein, Prof. Dr. Françoise Lartillot, Michel Le Moal, Jacques Le Rider, Debbie Lewer, Gabbo Mateen, Dr. Frank Rainer Max, Prof. Dr. Stéphane Michaud, Stefan Monhardt, Dr. Eberhard Ostermann, Dr. Friedrich Pfäfflin, Sebastian Porzer, Prof. Dr. Paul Raabe, Dr. E. Matthias Reifegerste, Helmut Schulze, Dr. Gerhard Schuster, Peter Schütt, Dr. Hannes Schwenger, Wolfram Setz, Diethard Thieme, Roland Zärwinkel, Annemarie Zornack – Berliner Festspiele, De groene waterman Antwerpen, Det Paulsen Legaat gemein Aklersum/Föhr, Ekazent Immobilien Wien, Galerie Rothe, Geschichtswerkstatt Degerloch, Goethe-Museum Düsseldorf, Gymnasium Weilheim, Hebelbund Lörrach, Körber-Stiftung Hamburg, Kulturreferat Nürnberg, Leonhard-Frank-Gesellschaft Würzburg, Meranier-Gymnasium Lichtenfels, Museum Strauhof Zürich, Robert Bosch Stiftung, RWLE Möller Stiftung Celle, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Stadt Abenberg, Vereinigung der Freunde und Förderer des Stoltze-Museums Frankfurt, Vontobel-Stiftung Zürich. Außerdem den Verlagen und Buchhandlungen: AQ-Verlag, Arche Verlag, Armin Berg Verlag, Athena Verlag, C. H. Beck, Deutsche Verlagsanstalt, Deutscher Taschenbuch Verlag, Diadem Hethiter Verlag, Diogenes Verlag, Driesch Verlag, Deutscher Theaterverlag, Edition Text und Kritik, Edition Thanhäuser, S. Fischer, Frankfurter Verlagsanstalt, Georg Olms, Gmeiner-Verlag, Goldmann, Hans Boldt Literaturverlag, Hans Huber, Haymon Verlag, iheleo verlag, Knaus, KulleraugenVerlag, Kulturmaschinen Verlag, Kunstmann, Lektora Verlag, Lichtung-Verlag, Luchterhand, Luttertaler Händedruck, Lynkeus Verlag, Mareverlag, »Orpheus und Söhne« Verlag, Antiquariat Osthoff, Piper, Reclam, Rotpunktverlag, Stieglitz-Verlag, Thienemann, Vahl-Verlag, Verlag der Autoren, Verlag Klaus Bittermann, Verlag Ralf Liebe, Wallstein.
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Zugangsstatistik Erwerbung
2009
2010
2011
2012
2013
Gesamt (physische Einheiten)
25.607
88.446
22.279
25.227
28.726
Monographienerwerbung
9.527
8.684
8.640
9.297
9.977
Nachlasskonvolute und Sammlungen (physische Einheiten)
3.160
68.354
2.657
2.645
8.158
Zeitschriftenerwerbung (physische Einheiten)
5.579
4.376
4.663
4.748
4.154
Spezialsammlungen insgesamt (Mediendokumentation)
7.341
7.032
6.319
8.537
6.437
457
667
526
778
498
Theatersammlung
2.051
2.531
1.124
3.379
1.551
Rundfunkmanuskripte
1.239
811
1.126
922
1.039
AV-Materialien
2.081
1.603
2.278
1.663
1.433
64
24
2
13
44
1.449
1.396
1.263
1.782
1.872
6
5
5
4
6
Nachlasskonvolute und Sammlungen (Mediendokumentation)
44
24
31
16
19
Zeitschriftenerwerbung (laufende Abonnements)
1.091
983
953
966
1.026
Gesamtbestand Bücher und Zeitschriften
819.958
898.255
912.220
928.711
933.860
Gesamtbestand Andere Materialien (AV-Mat., Theatersammlung, Zeitungsausschnitte, Buchumschläge usw.)
348.696
353.018
358.408
365.861
369.399
Gesamtbestand Digitale Bibliothek (Literatur im Netz u. liz. Zeitschriften)
6.735
7.397
9.064
6.839
6.853
Zeitungsausschnittsammlung (Kästen, Ordner, Konvolute)
Dokumente (Mappen) Buchumschläge Geschlossene Sammlungen (Bibliothek)
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jahresbericht 2013/2014
665
Erwerbung (physische Einheiten) Bibliothek
2 Erschließung Die Anzahl der Titelaufnahmen in den Kernbereichen der Erschließung – Monographien, Zeitschriften, Rundfunkmanuskripte, audiovisuelle Medien und unselbständige Werke – ist 2013 im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben. Die regulären Zugänge durch Kauf, Tausch, Beleg und Geschenk wurden in den Normalbestand eingearbeitet, außerdem eine 635 Bände zählende Sammlung mit Drucken der Alternativ- und Minipressen-Literatur. Der Rückgang sämtlicher Titelaufnahmen aus Bibliothek und Mediendokumentation von ca. 40.000 (2012) auf ca. 34.000 (2013) erklärt sich vor allem daraus, dass das Drittmittelprojekt zur Erschließung der Bibliothek Reinhart Koselleck sowie die in Folge der Retrokonversion der Zettelkataloge notwendigen Nacharbeiten (Anlage von Bandsätzen für mehrbändige Werke) nur mit reduziertem Personaleinsatz fortgeführt werden konnten. 2013 wurden zwei wichtige Spezialsammlungen neu erschlossen: Die Sammlung Heinrich Hauser mit 295 Bänden (Erstausgaben seiner Werke sowie zahlreiche Ausgaben- und Auflagenvarianten, Zeitschriftenbeiträge und Übersetzungen). Stiftung und Katalogisierung dieser Sammlung sind Frau Dr. Grith Graebner zu verdanken. Sodann die 417 Bände zählende Sammlung Rolf Dieter Brinkmann / Ralf-Rainer Rygulla, Materialgrundlage angloamerikanischer »Underground-Literatur« für die Anthologien Acid und Silverscreen (beide 1969). In einem bis 2015 dauernden und aus dem Mörike-Fonds finanzierten Katalogisierungsprojekt begann im August die Bearbeitung von Rückständen aus dem Umfeld von Mörike. Nach der Volltextanreicherung der Beitragsnachweise aus »Simplicissimus« und »Jugend« folgte nun die Verlinkung mit der digitalisierten Vorlage für 4.740 Beiträge aus dem »Merkur« sowie 8.830 Beiträge aus der »Neuen Rundschau«. Bei beiden lau-
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jahresbericht 2013/2014
fenden Zeitschriften wurden Nachlieferungen und regelmäßige Aktualisierungen mit den Verlagen vereinbart. Im systematischen Auswertungsprogramm der Bibliothek befinden sich derzeit 56 wissenschaftliche und 44 literarische Zeitschriften sowie 39 Tages- und Wochenzeitungen. Wichtige Beiträge zur Entwicklung und Einführung des neuen bundesweit verbindlichen Regelwerkes Resource Description and Access (RDA) wurden geleistet: Stellungnahmen zu den Themenspeichern »Teil/Ganzes« sowie zu »Werke und Expresssion« wurden erarbeitet und ein überregionaler Workshop unter Beteiligung großer Spezialbibliotheken organisiert. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Nationalbibliothek, der Firma aStec, dem Referat WDV, der Normdatenredaktion des Hauses und dem Referat Projektkoordination wurden die Schnittstelle und das Workflow für die Integration der GND (Gemeinsame Normdatei) in die Katalogisierungsschnittstelle des DLA zum SWB entwickelt. Die Revision und Überarbeitung der Fachsystematik wurde im Bereich der Systematischen Literaturwissenschaft (S 8.4) begonnen. Das Referat Erschließung hat in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Projektkoordination sämtliche Erschließungsprojekte sowie Förderanträge konzipiert und betreut. Erschließung Katalogisierung, Zuwachs
2009
2010
2011
2012
2013
Titelaufnahmen Katalog Gesamt
39.121
39.496
32.322
40.147
34.105
davon selbständige Publikationen
29.418
30.876
25.550
31.375
26.846
9.703
8.620
6.772
8.772
7.259
270.484
178.699
1.590
21.112
18.248
700
824
632
738
622
davon unselbständige Publikationen Titelaufnahmen Retro-Projekte pauschale Bestandsbeschreibungen (Modul »Bestände«)
Gesamtnachweis Kallías
2009
Katalogsätze
993.630 1.206.832 1.239.864 1.297.410 1.343.303
Exemplarsätze
371.773
443.838
464.622
507.647
542.755
Bestandssätze
22.690
23.516
24.138
24.868
25.485
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
2010
2011
2012
2013
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667
3 Bestand und Benutzung Im Januar wurde das »Benutzerbuch«, in dem seit Jahrzehnten die Tagespräsenzen aller Nutzer dokumentiert werden, abgelöst durch einen elektronischen Nachfolger, der deutliche statistische Erleichterungen mit sich bringt. Während in den lokalen Nutzungen Rückgänge festzustellen sind, stiegen die externen Abfragen im OnlineKatalog noch einmal deutlich, dabei zeigt die differenzierte Auswertung einen erfreulichen Anstieg der Zugriffe auf die für Marbach spezifischen Erschließungs- und Beschreibungseinheiten »Provenienzrecherche« und »Bestandsführung«. Von den 163 geschlossen aufgestellten Bibliotheken, Sammlungen und Verlagsarchivproduktionen waren 15 Bestände wieder Gegenstand intensiver Recherchen nach Provenienzen und Lesespuren durch wissenschaftliche Nutzer, dabei wurden 1.406 physische Einheiten und zahllose Mappen mit Dokumenten zur Verlagsgeschichte benutzt. Wie in den Vorjahren sind viele Forschende bei der Nutzung noch nicht erschlossener Bestände gründlich eingeführt und beraten worden. Im Mittelpunkt des Interesses standen die Arbeitsbibliothek von Siegfried Kracauer und das Siegfried-Unseld-Archiv. Mit Hilfe von Praktikantinnen konnte der im April überführte umfangreiche Övelgönner Bestand der Bibliothek Peter Rühmkorf (ca. 5.000 Bände) feingeordnet werden, ebenso die philosophische Arbeitsbibliothek von Nicolai Hartmann. Die beiden Lieferungen der deutschsprachigen Russica (Sammlung Friedrich Hübner, 2.500 Bände) wurden zusammengeführt und an einem neuen Magazinstandort aufgestellt; mit Hilfe der Hübner’schen Bibliographie ist dieser große Bestand nun leicht benutzbar. Zwei kleinere Konvolute, die Heidegger-Sammlung Jean Beaufret und die Teilbibliothek Ludwig Greve, wurden bibliographisch verzeichnet. Die Neuordnung und Revision des Erich-Kästner-Archivs (ca. 4.200 Bände) steht kurz vor dem Abschluss. Im Juni konnte die Neu- und Umordnung des mit 112 Kästen außergewöhn-
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lich umfangreichen Zeitungsausschnittnachlasses von Armin T. Wegner abgeschlossen werden, damit wurde der auch zeitgeschichtlich bedeutsame Bestand erstmals benutzbar gemacht. Als Neuzugang waren außerdem zu verzeichnen: die Sammlung Harald Weinrich (Migrantenliteratur und Kontextliteratur zu seinen wichtigen Werken), die Teilbibliothek des Philosophen Kurt Hübner, das Produktionsarchiv des alternativen Killroy Media-Verlags (Beat-Literatur, Slam Poetry u. ä.) sowie insgesamt 19 dokumentarische und audiovisuelle Nachlass-Konvolute und Sammlungen. Das Suhrkamp-Pressearchiv wurde durch die Nachlieferung der Bestände zu Walter Benjamin, Ernst Bloch, Hans Magnus Enzensberger, Max Frisch und Peter Handke umfänglich ergänzt. Für die kontinuierlich wachsende Sammlung von Auktions- und Autographenkatalogen, die immer wieder Gegenstand der Nutzung durch Editoren oder Provenienzforscher sind, wurde ein neues Ablagesystem geschaffen, das die Benutzbarkeit und die Integration der zahlreichen Neuzugänge wesentlich erleichtert. Aufgrund der knapper werdenden Platzressourcen in den Marbacher Bibliotheksmagazinen waren erneut sorgfältige logistische Planungen erforderlich, um ausgewählte Bestände in das Magazin Sindelfingen vorübergehend auslagern zu können. Diese Transaktionen und die damit verbundenen organisatorischen Arbeiten (z. B. Beschriftungen, statistische Analysen) haben hohe personelle Kapazitäten gebunden. Der Standort Sindelfingen wurde, soweit möglich, in den Signaturen und Bestandsbeschreibungen im Online-Katalog nachgetragen. Wegen des dramatischen Platzmangels sind weitere Revirements künftig unvermeidbar. Die im Rahmen der Retrospektiven Bestandsergänzung (Segment Kriegsliteratur, Frontlektüre, Feldpostausgaben) rekonstruierte Truppenbücherei aus dem Ersten Weltkrieg wird als Teil der im Oktober eröffneten Ausstellung »August 1914. Literatur und Krieg« gezeigt und im begleitenden »Marbacher Magazin« beschrieben. Sie ist auf große Resonanz gestoßen. Das in der Bibliothek am Signaturenbestand »K« (Literatur der Jahrhundertwende) unter Federführung des Referats Bestandserhaltung (Abteilung Entwicklung) durchgeführte Projekt Massenentsäuerung ist mittlerweile bei den Kapselformaten angelangt. Projektinterne Verschiebungen haben die Organisation einer »ZwischenAusleihe« für diese häufig nachgefragte Signaturgruppe sowie die sukzessive TeilAufhebung von Sperrungen notwendig gemacht. Benutzung Wöchentliche Öffnungsstunden Benutzungsanträge Lesesaal-Eintragungen
2009 64,5
2010 64,5
2011 64,5
2012 64,5
2013 64,5
947
875
994
912
860
8.811
8.640
9.755
9.690
7.383
Ausleihe (physische Einheiten)
58.713
49.729
52.797
44.487
42.495
OPAC Abfragen Extern
69.477
99.238
98.823
119.181
124.845
OPAC Abfragen Lokal
56.460
47.895
58.699
56.351
55.622
1.108
1.487
1.201
1.252
1.244
Fernleihe (gebend)
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Fernleihe (nehmend)
1.362
843
747
645
957
Direktlieferdienst (Kopien von Beiträgen und Zeitungsartikeln)
1.395
933
720
2.025
486
314
115
85
181
102
1.103
1.102
922
846
745
Leihgaben Auskünfte und Recherchen
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670
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4 Projekte und Sonstiges Die von der DFG geförderte Retrokonversion der Hörfunk- und Fernsehmanuskriptkataloge durch einen Dienstleister konnte im Juli beendet werden; der Online-Katalog wies am 31. Dezember 2013 einen einzigartigen Bestand von mehr als 52.000 Rundfunkmanuskripte nach, die frühesten Manuskripte stammen aus den 1930er Jahren. Als Abschluss des Projekts können Restmittel für die Katalogisierung eines umfangreichen Konvoluts von Neuzugängen genutzt werden. Für das Projekt Retrospektive Bestandsergänzung wurde ein drittes Förderjahr bewilligt. Die DFG stimmte auch dem Antrag auf Verlängerung des Projekts »Bibliothek Reinhart Koselleck: Prove-
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671
nienz- und Sammlungserschließung« um vier Monate zu (bis Juni 2014); bis zum Jahresende 2013 waren alle Buchexemplare und Zeitschriftenhefte der nahezu durchgehend annotierten Gelehrtenbibliothek (7.100 Bände im DLA sowie 1.058 Bände mit Standort Bildarchiv Foto Marburg) erschlossen. Ebenso bewilligte die DFG zwei Drittel der Projektkosten für die »Provenienzerschließung der Bibliothek Ernst Jünger als Rekonstruktion einer literarisch-naturwissenschaftlichen Universalsammlung«. Im Rahmen eines weiteren Förderantrags sollen nun die restlichen Mittel eingeworben werden, ohne die das Projekt nicht starten kann. Die mehr als 12.000 Bände zählende Bibliothek ist in Marbach und Wilflingen (Oberschwaben) aufgestellt, Nachweis und Zugänglichkeit sind seit langem ein Desiderat der Forschung. Der Beginn des bereits im Dezember 2012 bewilligten Projektes »Quellenrepertorium der Exilbibliotheken im Deutschen Literaturarchiv, Modul 1: Alfred Döblin« wurde auf 2014 verschoben, weil die erforderlichen Erweiterungen für eine Bibliographie-Komponente in unserem Lokalsystem aufgrund externer Kapazitätsengpässe beim Systemanbieter noch nicht programmiert werden konnten. Im Januar 2013 startete das Projekt »Netzliteratur authentisch archivieren und langfristig verfügbar machen«. Im ersten Projektjahr wurden wesentliche Arbeiten vorgenommen: die Erstellung des Quellencorpus, die Entwicklung eines Geschäftsgangs in Zusammenarbeit mit dem BSZ Konstanz, die exemplarische Spiegelung und technische Analyse ausgewählter Werke, die Entwicklung eines Metadatenschemas, der Aufbau einer Laborumgebung, die Einrichtung eines Wiki als Arbeitsplattform sowie die Präsentation des Projekts während einer von unserem Kooperationspartner Dilimag (Universität Innsbruck) veranstalteten Tagung. Für das ebenfalls DFG-geförderte Projekt »Entwicklung eines historischbiographischen Informationssystems« (Federführung: Historischen Kommission der Bayrischen Akademie der Wissenschaften und Bayrische Staatsbibliothek) hat das DLA als Kooperationspartner 53.000 Personendatensätze zur Verfügung gestellt. Im Berichtsjahr gab es wieder zahlreiche Personalbewegungen durch Elternzeiten und Wiederbesetzungen, sechs Praktikanten waren zu betreuen, fünf Kollegen/ innen arbeiteten im Betriebsrat mit. Eine Kollegin hospitierte im Rahmen des WITProgramms am Leo-Baeck-Institut in Jerusalem; Karin Schmidgall referierte über elektronische Ressourcen in der Fernleihe und vertrat das Haus und die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken in der Expertengruppe Datenformate und der Arbeitsgruppe RDA.
museum 1 Ausstellung 1.1 Ausstellungen im Literaturmuseum der Moderne (LiMo) Dauerausstellung, Kuratoren: Heike Gfrereis, Katja Leuchtenberger; Roland Kamzelak, Gestaltung: büro element, Basel, seit 6. 6. 2006, aktualisiert durch Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter am 6. 6. und 6. 12. 2013.
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Wechselausstellungen »Kassiber. Verbotenes Schreiben.« 27. 9. 2012 bis 27. 1. 2013. Konzept, Recherchen und Texte: Arno Barnert, Ulrich von Bülow, Jan Bürger, Heike Gfrereis, Ulrich Raulff und Ellen Strittmatter nach einer Idee von Helga Raulff. Ausstellungsrealisation: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter. – »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie.« 4. 3. bis 15. 9. 2013. Ausstellung: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter. Gestaltung: Diethard Keppler, Marcus Wichmann und Space4. – »Kafkas Mäuse« 10. 4. bis 7. 7. 2013. Ausstellung: Heike Gfrereis und Vinca Lochstampfer. Gestaltung Diethard Keppler. – »LSD. Der Briefwechsel zwischen Albert Hofmann und Ernst Jünger.« 16. 7. bis 20. 10. 2013. Ausstellung: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter. Gestaltung: Diethard Keppler und Marcus Wichmann. – »Der ganze Prozess« 7. 11. 2013 bis 9. 2. 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis, Gestaltung: Diethard Keppler. – »August 1914. Literatur und Krieg« 16. 10. 2013 – 30. 3. 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis, Johannes Kempf und Ellen Strittmatter mit Annika Christof und Christoph Willmitzer. Gestaltung: Korkut Demirag, Diethard Keppler und Franziska Schmidt. Reihe ›fluxus‹ 23: »PEN. Writers in Prison – Writers in Exile.« 27. 9. 2012 bis 27. 1. 2013. Konzept, Recherchen und Texte: Sascha Feuchert, Julia Paganini, Dirk Sager, Christa Schuenke, Hans Thill, Herbert Wiesner. Ausstellungsrealisation: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter. – 24: »du sagst ja immer, wir sind ein Gespräch.« Vorlassbesichtigung bei Tankred Dorst und Ursula Ehler. 18. 2. bis 2. 6. 2013. Konzept und Ausstellungsrealisation: Heike Gfrereis, Gestaltung: Diethard Keppler – 25: »Objekt digital. Friedrich Kittlers Speicher.« 13. 7. bis 22. 9. 2013. Konzept und Ausstellungsrealisation: Heike Gfrereis und Friederike Knüpling. – 26: »Schützengrabenzeitungen.« 16. 10. bis 30. 3. 2014. Ausstellung: Heike Gfrereis und Johannes Kempf. Reihe ›Suhrkamp-Inseln‹ (Reihenkonzept: Heike Gfrereis, Grafik: Diethard Keppler) 8: »Haschisch und Kabbala. Gershom Scholem, Siegfried Unseld und das Werk von Walter Benjamin.« 13. 12. bis 4. 3. 2013. Konzept: Liliane Weissberg mit Jan Bürger und Heike Gfrereis. – 9: »Dr. Faustus kommt nach Deutschland« 19. 3.bis 7. 7. 2013. Konzept: Anna Kinder mit Ellen Strittmatter. – 10: »Der Tag, an dem Siegfried Unseld Verleger wurde.« 26. 7. bis 24. 11. 2013. Konzept: Jan Bürger und Heike Gfrereis – 11: »Blochs Überschreitungen« 5. 12. 2013 bis 2. 2. 2014. Konzept Ulrich von Bülow mit Heike Gfrereis.
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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673
1.2 Ausstellungen im SNM Dauerausstellung im Schiller-Nationalmuseum, Kuratoren: Heike Gfrereis mit Stephanie Käthow, Katharina Schneider, Ellen Strittmatter, Aneka Viering, Martina Wolff; Gestaltung: space4 (Architektur), Diethard Keppler und Stefan Schmid (Grafik); seit 10. 11. 2009. 1.3 Marbacher Passage (Vitrinenausstellungen im Vestibül des Archivs) »Exilbibliothek Karl Lieblich«, 6. 02. bis 24. 02. 2013 – »Hermann Lenz 100. Geb. am 26. 02. 2013«, 25. 02. bis 5. 04. 2013 – »Erstlingswerke deutscher Gegenwartsautoren«, 8. 04. bis 24. 05. 2013 – »Erich Kästner« 27. 05. bis 5. 07. 2013 – »Begriff der Angst seit 1913 in der Lyrik« 8. 07.–30. 08. 2013 – Aktionstag 01. 10. bis 21. 10. 2013 – »Helen und Kurt Wolff« 22. 10. bis 25. 11. 2013 – »100. Spuren-Heft«, ab 20. 11. 2013. Die Ausstellungen in der »Passage« wurden 2013 kuratiert von Jan Bürger, Frank Druffner, Nikola Herweg, Enke Huhnsmann, Hermann Moens, Lisa Marlen Schmidt und Nicolai Riedel. 1.4 Ausstellungen zu Gast »Finden: 1913« Ruhrfestspiele Recklinghausen, 3. 5. bis 16. 6. 2013, Kuratoren: Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter, Gestaltung: Diethard Keppler 2 Besucherzahlen 2003
2004
2005
2006
2007
2008
2008
2010
2011
2012
2013
18.521 19.668 45.191 52.759 35.500 34.105 48.153 87.315 86.850 67.092 61.110
2000 konnte das Schiller-Nationalmuseum wegen Außensanierungen für Ausstellungen nicht genutzt werden, von Ende März 2007 bis 10. November 2009 war es wegen Innensanierung geschlossen. Im Juni 2006 kam das Literaturmuseum der Moderne hinzu. 3. Publikationen 3.1 Zu den Ausstellungen Marbacher Katalog 66. Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. – Marbacher Magazin 141. »du sagst ja immer, wir sind ein Gespräch«. Eine Vorlassbesichtigung bei Tankred Dorst und Ursula Ehler. – Marbacher Magazin 142.143 LSD. Albert Hofmann und Ernst Jünger. Der Briefwechsel 1947 bis 1997. – Marbacher Magazin 144. August 1914. Literatur und Krieg. – Marbacher Magazin 145. Der ganze Prozess. 33 Nahaufnahmen von Kafkas Manuskript.
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3.2 Weitere Aus dem Archiv 6. Georges-Arthur Goldschmidt: Die Schreibspanne. Hamburger Poetikvorlesungen 1995. Mit einem Nachw. von Jan Bürger. – Spuren 96. Erhart Kästners Haus in Staufen. Von Arnold Stadler, – Spuren 97. Balzac in Weinheim. Von Barbara Wiedemann. – Spuren 98. Friedrich Gundolf in Heidelberg. Von Jürgen Egyptien. – Spuren 100. Sartre in Stammheim. Von Günter Riederer. – Marbacher Schriften N. F. 9. Zwischen Sprache und Geschichte. Zum Werk Reinhart Kosellecks. Hrsg. von Carsten Dutt und Reinhard Laube. – Marbacher Schriften N. F. 10. Eduard Berend / Heinrich Meyer: Briefwechsel 1938–1972. Hrsg. von Meike G. Werner. 3.3 Sonstiges Programmplakat 2013. Nr. 1 bis 4. Text- und Bildredaktion: Heike Gfrereis und Dietmar Jaegle. – Zeitschrift für Ideengeschichte. Jg. VII, H. 1 bis 4: Hrsg. von Ulrich Raulff (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Helwig Schmidt-Glintzer (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), Hellmut Th. Seemann (Klassik Stiftung Weimar). 4 Literaturvermittlung/Museumspädagogik 4.1 Museumsführungen 2013 2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
219
219
251
342
1038
753
730
628
836
1098
1044
582
4.1.1 Themen der Führungen LiMo Dauerausstellung allgemein. – SNM Dauerausstellung allgemein. – Rundgang durchs LiMo und SNM mit Diskussion zum Ausstellungskonzept. – LiMo Architektur für Literatur: Die beiden Marbacher Museen (dt., engl.). – LiMo-Rundgang (dt., engl., frz.). – Mit Schülern ins LiMo und SNM. Angebot für Lehrer. – Literatur im Sitzen – SNM-Rundgang (dt., engl., frz.). –Schiller-Rundgang durchs SNM – Kassiber. Verbotenes Schreiben. – Zettelkästen. Maschinen der Phantasie – LSD. Der Briefwechsel zwischen Albert Hofmann und Ernst Jünger – August 1914. Literatur und Krieg – Der ganze Prozess – –Vom Feiern genug. Weihnachtsführung 4.1.2 Aktionstage mit freiem Eintritt, freien Führungen und Veranstaltungen »Gute Lese-Vorsätze fürs neue Jahr«, 1. 1. 2013 – Finissage »Kassiber. Verbotenes Schreiben«, 27. 1. 2013 – LINA 9: »Mascha Kaléko online von Schülern für Schüler«, 27. 1. 2013 – Internationaler Museumstag: »Kafkas Mäuse. Die Suche nach dem Kleinen«, 12. 5. 2013 – Marbacher Erlebnissonntag: »Zettel-Welt-Reisen«, 30. 6. 2013 – 9. Aktionstag der Allianz Schriftliches Kulturgut erhalten: »Originalerhalt im Zeitalter der Virtualisierung«, 19. 10. 2013 – Tag der offenen Tür »Kafka Finden«, 10. 11. 2013.
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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675
4.2 Schul- und Kinderprogramm des Museums 2013 4.2.1 Zahl der Veranstaltungen Führungen/Veranstaltungen im Schul- und Kinderprogramm insgesamt Besucher im Schul- und Kinderprogramm insgesamt Seminare und Workshops im Schul- und Kinderprogramm
189 3.848 56
Spezielle Aktionstage für Kinder, Schulen und Familien
3
Einwöchige Ferienworkshops
7
Fünfmonatige Workshops
2
Lehrerfortbildungen
7
4.2.2 Themen der Kinder- und Schülerführungen LiMo Dauerausstellung allgemein – Forschen im Archiv – Fremde Welten – Exil – Kafka – SNM Dauerausstellung allgemein – Schiller in einer Stunde – Mit Schiller in der Schule – Liebe – August 1914. Literatur und Krieg – Max Frisch. 4.2.3 Themen der Seminare und Workshops Vom Axtbuch zur Geheimschrift – Dichterschätze – Erich Kästner – Schneiden und Kleben – Der Prozess unter der Lupe – Walter Benjamins Berliner Kindheit – Vom Krieg erzählen – Kafkas Roman DerProcess – Christa Wolfs Kassandra – Georg Büchners Dantons Tod – Georg Büchners Lenz. Die Seminare und Workshops 2013 wurden durchgeführt von Charlotte Andresen, Annika Christof, Monika Degner, Magdalena Hack, Johannes Kempf, Rudi Kienzle, Claudia Konzmann, Verena Staack, Christoph Willmitzer und Martina Wolff. 4.2.4 Themen der Lehrerfortbildungen Kann eine Geschichte töten? Autorenseminar mit Peter Stamm, – Kafkas Roman Der Prozess im Deutschunterricht – Seminar mit Joachim Zelter – Max Frisch: Homo Faber – – Georg Büchners Drama Dantons Tod verstehen – 1914. Literatur und Krieg. – Formen der Kurzprosa. Die Lehrerfortbildungen wurden von Rudi Kienzle, Reiner Niehoff, Verena Staack und Margit Unser durchgeführt.
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5 Projekte 5.1 LINA. Die Literaturschule im LiMo Seit September 2008 können Schüler im LiMo ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt besuchen: die Literaturschule LINA (Literatur am Nachmittag), in der sie nachmittags betreut werden und durch Originale aus dem Archiv und die Mitwirkung an der Vermittlungsarbeit des Museums einen ungewöhnlichen Zugang zur Literatur kennen lernen. 2013 fanden drei Projekte statt: »Mascha Kaléko online. Ein virtuelles ExilMuseum von Schülern für Schüler« (mit dem Friedrich-List-Gymnasium, Asperg), »Zwischen den Welten. Oskar Pastior« (mit der Oscar-Paret-Schule, Freiberg) und »Literatur in Bewegung: Kafkas Prozess« (mit den Beruflichen Schulen, Heilbronn). Sie wurden betreut von Verena Staack, Sandra Potsch, Magdalena Hack, Andrea Thormählen, Annika Christof, Senta Friedrich, Katrin Schuhmann, Martina Wolff, Silke Weber, Elke Schmid und Maike Moreau und mitfinanziert vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg, der Kulturstiftung des Bundes und dem BKM. 5.2 LINA in den Ferien Seit August 2009 findet die Literaturschule LINA auch in den Ferien statt. LINA in den Ferien wendet sich an besonders begabte und interessierte Kinder und Jugendliche, die die Ferien nutzen möchten, ihre sprachlichen Talente und ihr literarisches Interesse weiter zu entwickeln und in kreativer Weise auszudrücken. In Kooperation mit Schriftstellern, Schauspielern, Journalisten oder bildenden Künstlern werden Schreib- und Theaterwerkstätten, Hörspielproduktionen sowie Buchgestaltungs- und -illustrationskurse angeboten. 2013 fanden drei Ferienworkshops statt, die die Stiftung Kinderland der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert hat: »Grunzen, Brummen, Knurren« mit Ulrike Draesner (Weihnachtsferien), »Märchenschloss und Knusperhäuschen« mit Christian Peitz (Osterferien), »Ungeschriebene Bücher« mit Lena Gorelik (Sommerferien). 5.3 Kulturakademie der Stiftung Kinderland des Landes Baden-Württemberg Die Kulturakademie richtet sich seit 2010 mit einem bundesweit einmaligen Angebot an alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sechs bis acht (in den Sparten Bildende Kunst, Literatur, MINT und Musik). In den Faschings- und Sommerferien faden in den marbacher Museen zwei einwöchige Schreibseminare mit Silke Scheuermann und Matthias Göritz und eine Projektklasse (Literatur und MINT, mit Ulrich Woelk, in Verbindung mit dem Förderverein Science und Technologie e. V.) statt.
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entwicklung Allgemein Zu den allgemeinen Arbeiten der Entwicklung gehörte die Unterstützung des Direktors in vielfältigen Angelegenheiten und die Stellvertretung während dessen Abwesenheiten. Die Vorstands- und Kuratoriumssitzungen wurden vom Leiter der Entwicklung vorbereitet und betreut. Strukturplanung Für den Umbau des Bernhard-Zeller Saals ist nach einer ersten Begehung mit der Architektin Frau Kiefner im Frühjahr 2013 ein Angebot abgefragt worden. Geplant ist ein stufenweises Vorgehen mit den Schritten: 1. Ideenskizze, 2. Vorplanung mit Kostenschätzung, 3. Umsetzung. Mangels Finanzierung kann kein konkreter Zeitplan vorgegeben werden. Ein Workshop zum geplanten Neubau hat am 21. 2. 2013 stattgefunden. Die Stadt Marbach hat ein Sportgutachten in Auftrag gegeben, welches Aufschluss geben soll über die Bebauung der Marbacher Kulturmeile von der Schillerhöhe bis zur Poppenweiler Straße. Das Gutachten hat ergeben, dass es sinnvoll ist, sowohl den Vorplatz als auch das Hallenbad mittelfristig auf das Sportgelände der Schule zu verlegen. Dadurch werden diese Flächen für einen Neubau zur Verfügung stehen. Der Workshop hat ergeben, dass die vorhandene Funktionsstudie der Firma Drees & Sommer erweitert werden muss. Sie muss auch um die notwendig werdenden Umbauten im Bestand nach dem Auszug der Bibliothek erweitert werden. Ein Angebot für die Erweiterung der Studie ist eingeholt worden. Ein Kick-off Workshop zum Projekt Kafka-Virtual-Archive (KVA) hat am 29. 1. 2013 stattgefunden. Erste Anregungen, auch für die Zusammensetzung eines Beirats wurden gesammelt und erste Gespräche mit potentiellen Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats wurden geführt. Diese wurden bei einem weiteren Treffen in Oxford am 25. 4. 2013 festgelegt. Zudem wurde ein konkreter Arbeitsplan erstellt, der eine Veröffentlichung des Portals Ende 2014 vorsieht. Für das Hospitationsprogramm WIT konnte die Cornell University in Ithaca (NY) gewonnen werden. Der Systemadministrator, Herr Thomas Meyer, hospitierte im September für zwei Wochen an der dortigen Universitätsbibliothek. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Auf dem Laufenden. Hausinterne Fachinformationen« (AdL) haben 2013 insgesamt 13 Veranstaltungen stattgefunden. Die Umsetzung der Geschäftsprozessanalyse in der Abteilung Entwicklung wurde unter der Leitung der Verwaltungsleiterin durchgeführt und abgeschlossen. Durch die Raumnot und zunehmenden Raumbedarf durch Projekte wurde begonnen, das Raummanagement neu zu entwickeln. Das Katastrophenmanagement wurde weiter entwickelt. Evakuierungsabschnitte wurden festgelegt und ein entsprechender Workflow besprochen.
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Editionen Das Projekt »Vernetzte Korrespondenzen« ist vom BMBF bewilligt worden. Im März 2013 hat ein Kickoff-Treffen mit den Partnern, dem Kompetenzzentrum Digitalisierung Trier und der Informatik der Universität Halle-Wittenberg, in Trier stattgefunden. Das Personalgewinnungsverfahren für die notwendige wissenschaftliche Stelle wurde kurzfristig eingeleitet und durchgeführt. Ein erster inhaltlicher Workshop mit allen Projektpartnern hat in Marbach stattgefunden. Ein neues Projekt zu den Briefen von Max Kommerell bahnt sich gemeinsam mit der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung an. Eine integrale Editionsdatenbank wurde entwickelt. Um Ergebnisse von Editionsprojekten auch über die Laufzeit der einzelnen Editionen hinaus zu transportieren, steht eine relationale Datenbank AMIE (administro editiones) zur Verfügung, die die Register aller Editionen zentral verwaltet. Alle Ergebnisse inklusive Recherchematerialien stehen projektübergreifend zur Verfügung. Gleichzeitig werden die Editionsrichtlinien in dieser Datenbank gesammelt und auch projektübergreifend zur Information zur Verfügung gestellt. Die Editionen-Datenbank ist auf der Grundlage von umfangreichen FeedbackMeldungen der Nutzer überarbeitet worden. Die Arbeiten am Kesslerschen Tagebuch Band I schreiten kontinuierlich, aber mangels Förderung langsam voran. Die Recherchearbeit wird von Hilfskräften unterstützt. Die dritte Konferenz zu Kessler in der Villa Vigoni beschäftigt sich mit dem Thema Literatur. Federführend bei dieser letzten von drei Forschungskonferenzen ist das DLA.
Wissenschaftliche Datenverarbeitung Das neue zentrale Speichersystem DX90 S2 wurde nach diversen Tests und Konfigurationsarbeiten erfolgreich und mit erwartet guter Performance in Betrieb genommen. Alle virtuellen Server und Datenbanken wurden nach und nach von der alten EVA im Prinzip unterbrechungsfrei auf das neue System umgezogen. Fünf programmierbare Steckerleisten im Serverraum, die das Problem der Einschaltströme nach Stromausfall lösen sollen, mussten auf Grund eines Serienfehlers ersetzt werden. Auch dies gelang größtenteils unterbrechungsfrei im laufenden Betrieb. Vor diesem Hintergrund ist eine Verfügbarkeit von 99,67 % in der Rahmenarbeitszeit, die nur unwesentlich unter dem Vorjahreswert von 99,75 % liegt, als sehr guter Wert anzusehen. Der abgelaufene Support für SUSE Linux Enterprise Server 10 erforderte eine Aktualisierung aller entsprechenden Systeme, die zu einem großen Teil bis Ende 2013 abgeschlossen werden konnte. Seit einer Aktualisierung der Virtualisierungslösung vCenter auf Version 5.1 erleichtern Storage VMotion und eine Anbindung an den zentralen LDAP Verzeichnisdienst die Serveradministration. Die physischen Server ARIAL (Systemüberwachung), ROOMSERV (Collegienhaus) und WALBAUM (Webauf-
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tritt) wurden virtualisiert und umgewidmet oder abgeschaltet. Zugleich wurden einige virtuelle »Klone« in isolierten Umgebungen geschaffen, mit denen betriebskritische Updates gefahrlos erprobt werden konnten. Es gab 2013 durch Projekte und personelle Wechsel sehr viele Personalmaßnahmen, die Umzüge der PC Arbeitsplätze und Rechteänderungen nach sich zogen. Es wurden 45 Ersatz-PCs und 40 neue LCD-Monitore für Austausch und Mehrbedarf beschafft und teilweise konfiguriert. Insgesamt werden nun 282 PCs und vergleichbare Geräte betreut. (Der leichte zahlenmäßige Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (287) kommt durch statistische Bereinigungen zustande; PC-Arbeitsplätze im Haus nehmen weiter zu.) Für den Tagungsraum 2 wurde ein neuer Projektor beschafft und eingerichtet. Eine Beschaffung von kleinen, mobilen Aktivlautsprechern für Laptops und von langen Audiokabeln zur Anbindung an die ELA-Anlage in den Seminarräumen befriedigt die zunehmende Nachfrage nach Tonausgabe bei Präsentationen. An der Rezeption wurde ein Zugang zur Zeiterfassungs-Anwesenheitsinformation eingerichtet. Er ist durch eine spezielle Firewall-Konfiguration des Zeus-Servers vor unberechtigtem Zugriff geschützt. Auf Initiative der Verwaltung wurden Testumgebungen für Bewerbermanagementprogramme geschaffen und mögliche Lösungen bewertet. Die bevorstehende SEPA-Umstellung hat umfangreiche Planungen, SoftwareUpdates, Anpassungen und Schulungen insbesondere in den verschiedenen Systemen der Verwaltung (Profiskal, VEWA, SFirm) notwendig gemacht. Vorhandene Bankverbindungsdaten in den genannten Systemen wurden auf IBAN/BIC umgerechnet. Bei den Kartenzahlungsterminals (EC-Terminals) wurde ein Wechsel des Anbieters technisch und vertraglich vorbereitet. Als Testumgebung wurde von aStec zweimal eine neue Kallías-Version installiert, für die diverse serverseitige Voraussetzungen geschaffen werden mussten. Im Zentrum des Tests standen zunächst die neue Online-Anbindung an die neue Gemeinsame Normdatei (GND) sowie die neu gestaltete SWB-Einbindung über das SRU-Protokoll. In beiden Projekten (deren Abschluss erst 2014 erreicht wird) ist Kallías zurzeit das einzige Fremdsystem, das so weitgehend integriert eingebunden werden kann. Dieser Pilotcharakter drückte sich aber auch in nur mühsam erzielten Fortschritten aus. Die direkte Erfassung durch Foto Marburg in Kallías wurde aufgegeben. Deshalb wurde ein Datenexport der Koselleck-Daten samt technischer Dokumentation erstellt und übergeben. Das Retrokonversions-Projekt für die Rundfunk und Fernsehmanuskripte wurde mit einer letzten Korrekturlieferung und der nachfolgenden mechanischen Vollständigkeitsprüfung abgeschlossen. Auf Drängen der DFG, die die weitere Förderung der Retrokonversion im Archiv davon abhängig gemacht hatte, wurden mehr als 401.000 Handschriftensätze an Kalliope (die Zentralkartei für Autographen in Berlin) exportiert. Die Mittelsperre wurde daraufhin aufgehoben.
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Zur Kataloganreicherung wurden 8.830 Beiträge der Zeitschrift »Neue Rundschau« und 4.710 Beiträge des »Merkur« mit extern gehosteten Digitalisaten verknüpft. Die OPAC-Statistik 2013 weist mit 286.000 Suchanfragen erstmals einen geringen Rückgang auf (Vorjahr 302.000), die durchschnittlichen monatlichen Zugriffszahlen auf den allgemeinen Webauftritt stiegen dagegen von 231.000 auf 272.000. Für den geplanten umfassenden Web-Relaunch wurden Anforderungen gesammelt und formuliert und eine Ausschreibungsunterlage mit gewichteter Bewertungsmatrix erstellt, doch konnte das Projekt wegen fehlender Finanzmittel zunächst nur in kleinem Rahmen als rein technische Aktualisierung beauftragt werden. Die Weimarer Agentur Lombego wird diese erste Stufe im Frühjahr 2014 abschließen. Als Vorbereitung der Neustrukturierung auf dem neuen Speichersystem wurde auch ein Verzeichnis aller relevanten Digitalisierungsbestände erstellt. In diesem Zuge wurden die Bestände Gernhardt-Brunnenhefte, Cotta-Briefkopierbücher, Cotta-Verlagsbuch und Heine-Briefe auch der Digitalisierung/Fotostelle zugänglich gemacht. Als neue Digitalisate wurden die Handke-Notizbücher von Herrman & Kraemer geliefert – dank softwaregestützter Eingangkontrolle letztlich in hervorragender Qualität (je 28.802 Scans in fünf Auflösungsstufen plus DFG-Viewer kompatible Metadaten). Die Firma BDG hat 6.500 PDF-Dokumente als Scan des Kessler-Arbeitsarchivs geliefert, die über eine vereinheitlichte Mappenliste über Links zugänglich sind. Für eigene Arbeiten wurde in der Fotowerkstatt ein weiterer DIN-A3-Flachbettscanner aufgestellt und in Betrieb genommen. Die Firma Induprint hat einen gebrauchten A2 Farb-Aufsichtscanner gestiftet, der abgeholt und zunächst provisorisch in Betrieb genommen wurde. Für die Ablösung des Buchkopierers wurde eine Marktanalyse und intensive Teststellung durchgeführt. Die Stilus-Installation wurde mit technischer Begleitung des WDV-Referates professionell abgebaut und eingelagert. Für »fluxus 25« wurde eine neue virtuelle Maschine konfiguriert, ausgewählte grafische Programme Friedrich Kittlers lauffähig gemacht und für eine Videoaufzeichnung demonstriert. Bei den Museumsführern (M3) gab es diverse Verbesserungen bei der Versions- und Inhalteverwaltung und eine schnellere Aktualisierung der Geräte. Die M3s selbst wurden zum Teil überholt. Der Bereich »Digitale Nachlässe« stand ohnehin im Zeichen Friedrich Kittlers: Zunächst wurden Seminarmitschnitte (DV-Video, 515 GB) von Brian Toussaint übernommen und für die Mediendokumentation bereitgestellt. Gemeinsam mit Tania Hron (Kittler-Edition) wurden dann mit eigens geschaffenen Werkzeugen Sektorimages von 22 optischen Datenträgern und von 274 Disketten erstellt (sechs Festplatten mit 10 Partitionen waren bereits 2012 auf diese Weise gesichert worden). Die Phase der Bitstream-Preservation von mutmaßlich relevanten Kittler-Datenträgern ist damit weitgehend abgeschlossen. Auf diese Grundlage hat Jürgen Enge (HAWK Hildesheim) einen Prototyp zur Datei-Identifikation und Volltextindexierung entwickelt, mit dem Auswahl und Bewertung der rund 1,7 Mio. Dateien überhaupt erst möglich werden. Zuletzt wurde noch die amerikanische »National Software Reference Library« (NSRL) beschafft und eingebunden, die 33 Mio. eindeutige digitale »Fingerabdrücke« von bekannten
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Anwendungsprogrammen etc. enthält. Mit der NSRL gelang es, rund 567.000 Dateien als eindeutig »nicht von Kittlers Hand« zu identifizieren, immerhin gut ein Drittel. Dieses neue Werkzeug der Digital Humanities haben Jürgen Enge und Heinz Kramski auf einem Nestor Workshop im Rahmen der »Informatik 2013« in Koblenz vorgestellt. Weitere digitale Unikate von Manfred Naumann, Georges-Arthur Goldschmidt, Reinhart Koselleck, Brigitte Kronauer, Egon Schwarz, Helga M. Novak und Henning Ritter wurden übernommen und bearbeitet. Am Aktionstag Bestandserhaltung war das WDV-Referat mit einem Text für die Broschüre, einem Vortrag zu digitalen Nachlässen und einem Ausstellungsstand mit historischen Rechnern beteiligt. Praktischer Erfahrungsaustausch im Bereich digitaler Dokumente fand statt durch Workshops und Führungen für das »Digitale Archiv Stuttgart«, für Leigh Rosin, »Digital Archivist« an der Nationalbibliothek Neuseeland, das Stadtarchiv Stuttgart sowie das Literaturarchiv von Georgien. Im Zuge des MWW-Verbundprojektes haben auch die Kollegen aus der Klassikstiftung Weimar und der HAB Wolfenbüttel einen Einblick in den IT-Einsatz in Marbach erhalten. Für den Hauptantrag hat das WDV-Referat mit Unterstützung der Projektkraft Alexander Harm insbesondere den Teil für ein vertrauenswürdiges verteiltes Langzeitarchivierungssystem bearbeitet. In diesem Zusammenhang wurden auch Kosten und technische Varianten einer schnelleren Internet-Anbindung erkundet. Das DFG-Projekt »Netzliteratur« der Bibliothek ist 2013 erfolgreich angelaufen und wurde technisch (VMs, Wiki, Screencast-Software usw.) und konzeptionell begleitet. Für die Massenentsäuerung der Bibliothek wurden Barcode-Zettel für die Signaturen K:Kps. und KK:Kps. aktuell aus Kallías erstellt. Die Bewertungsliste für die Vorselektion wurde funktional erweitert. Thomas Meyer hat im Rahmen des WIT-Programmes die Bibliothek der Cornell Universität in Ithaca (Staat New York, USA) besucht und im Rahmen der Reihe »Auf dem Laufenden« berichtet. Für die Nutzung von privaten Smartphones wurde eine offizielle Regelung erarbeitet, begleitet von einer Kurzanleitung, wie dienstliche Kalender unter Android oder Apple IOS eingebunden werden können. Die Kennwörter aller Mitarbeiter wurden in anonymisierter Form mit einem Standard-Crack-Programm bearbeitet, das nach nur einer Stunde Laufzeit 25,7 % aller Kennwörter knacken konnte. Die Ursache lag teils in Trivialkennwörtern, teils an deren großem Alter, da vor einigen Jahren die Verschlüsselungsverfahren für gespeicherte Kennwörter noch nicht so gut waren wie heute. Zur Verbesserung der Kennwortsicherheit wurden einige Werkzeuge vorbereitet und im Produktionsbetrieb implementiert. Strengere Kennwortrichtlinien wurden durch eine obligatorische Kennwortänderung Anfang Dezember durchgesetzt. Die Umstellung erfolgte weitgehend ohne Probleme.
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Statistik (nicht weitergeben)
Vorjahr
Vor-Vorjahr
»Normaler« Zuwachs Kallías-Einzel- 46.276+ Katalogisate DLA (AK, HS, BI); ohne 100.910+472= Batcheinspielungen 147.658 (+ 619 BI-Aufnahmen aus Marburg)
Berichtsjahr
38.108+ 25.726+671= 64.505 (+ 3.431 BI-Aufnahmen aus Marburg)
34.827+ 31.494+812= 67.133
Zuwachs Kallías-MM
8.295
4.467 (+ 47.517 RFS-Karten)
7.715
OPAC-Zugriffe Benutzer (inkl. Campus, extern, ViFa, Deep-Links)
249.945
268.384
231.315
OPAC-Zugriffe Mitarbeiter (intern)
36.141
33.517
37.805
Zuwachs Titel KallíasEinspielungen/Batch/Retro
0
0
0
Zuwachs Titel Kallías-Retro Online
AK (RFS, Medien- AK (RFS, Medien- HS? dok) 22.940; HS: dok) 20.790; HS: 67.597 62.116
Kataloganreicherungen (Zuspielen von Zusatzinfos durch SQL o. ä.)
nicht erfasst
nicht erfasst
10
praktisch unverändert
Gesamtzahl PCs (ab 2006 mit Tablet 282 PCs LiMo)
287
praktisch unverändert
Benutzerhilfe
keine zuverläss. Zahlen
keine zuverläss. Zahlen
keine zuverläss. Zahlen
Virusinfektionen (meist E-Mails) [erheblich weniger wg. SpamAbweisung durch Belwue])
stark angestiegen stark angestiegen stark angestiegen
gravierende Störungen gesamt / angekündigt
16/0
15/0
7/0
Verfügbarkeit Rahmenarbeitszeit
99,67
99,75 %
99,85 %
Durchschnittl. Pageviews/Monat öff. 272.167 Webserver
221.377
204.984
zentrale WWW-Anfragen 1.941 [ab 2006 mehr wg. zentralem Typo3Kontakformular]
1.100
1.263
Neue PCs (inkl. Ablösung)
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Digitalisierung / Fotostelle Im Referat Digitalisierung / Fotostelle konnten zum 1. Februar 2013 die unbesetzten Stellen des Fotografen und der Fotolaborantin (heute Digitalisiererin) wiederbesetzt werden. Die Digitalisierung / Fotostelle hat im Berichtsjahr 719 Aufträge bearbeitet, davon 221 hausinterne und 498 für externe Auftraggeber. Dabei wurden 9.495 Fotos geliefert. Es gingen 119 Belegexemplare ein. Für die Hauschronik, die Homepage und die Pressestelle wurden etwa 30 Veranstaltungen fotografisch dokumentiert. In die fotografische Portraitsammlung wurden 6 von den Hausfotografen aufgenommene Schriftstellerportraits übernommen. Drei Marbacher Magazine, drei Spurenhefte, ein Ausstellungskatalog und zahlreiche weitere Publikationen, Flyer, Werbemittel und Plakate und insgesamt 12 Ausstellungen wurden mit Aufnahmen, Scans oder Ausdrucken der Digitalisierung / Fotostelle ausgestattet. Folgende Konvolute wurden im Berichtszeitraum vollständig digitalisiert: Der Briefwechsel zwischen Harry Graf Kessler und Oscar Bie, Anton Kippenberg, Otto von Dungern, Max Goertz, Alfred Walter Heymel, R. A. Schröder, Alfred Lichtwark und Eberhard von Bodenhausen, sowie das Manuskript von Kafkas Proceß, Kerners Klebealbum, Mörikes Lorcher Hausbuch und alle Fotos zum 1. Weltkrieg aus dem Nachlass von Ernst Jünger. Die technische Ausstattung der Digitalisierung/Fotostelle wurde um 2 Objektive für die digitalen SLR.-Kameras und einen Flachbettscanner erweitert.
Bestandserhaltung Mit der Unterzeichnung des Rahmenvertrags zur Entsäuerung von Bibliotheksbeständen bei der Nitrochemie Wimmis am 18. 7. 2013, begann mit der neuen Projektkraft im Oktober des Jahres eine auf lange Sicht geplante und eingehend geprüfte Erhaltungsmaßnahme im DLA. Mit dem Ziel der routinemäßigen Behandlung von sauren Beständen nach dem PaperSave Swiss-Verfahren wurden, nach einer positiv verlaufenen Probecharge in 2012/2013, die ersten zwei Chargen zur Buchentsäuerung in die Schweiz transportiert. Der aktuelle Chargenplan sieht acht Behandlungsdurchgänge mit durchschnittlich 1.300 Bänden bis Ende 2014 vor. Die entsäuerten Signaturabschnitte werden damit langfristig in ihrem momentanen Zustand konserviert. Die für Massenverfahren üblichen Nebenwirkungen liegen bereits in diesem Anfangsstadium weit unter der vertraglich festgelegten Toleranzgrenze von 5 %. Das beruht auch auf der sorgfältigen Auswahl und den laufend verbesserten Verpackungskriterien bei der Vorselektion, nach der bis zu 85 % der in der Signaturengruppe K und KK gesammelten Bestände das nichtwässrige Verfahren durchlaufen. Die Datenerfassung zu den einzelnen Exemplaren und auch die verfeinerte Qualitätskontrolle werden durch die von einer Bibliothekskraft eingelegten Verbuchungszettel erheblich vereinfacht. Zum Jahresende sind die Bücher des Oktavformats der Signatur K mit Barcodezetteln ausgestattet. Daran schließt sich die Vorbereitung der Oktav-Kapselschriften bzw. der Quartbände an.
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Restauratorische Eingriffe zur Sicherung von Büchern, Handschriften, Grafiken und Fotos werden fasst ausschließlich im Zusammenhang mit der Benutzung im Lesesaal oder in Zuge von Ausstellungen durchgeführt. Insgesamt konnten 28 Bücher und 18 Einzelblätter intern restauriert werden. Dazu kamen zwei Aufträge an externe Restauratorinnen: für eine Tischuhr aus dem Bestand Mörike und die Sicherung von 115 Notizbüchern Peter Handkes. Eine erste präventive Erhaltungsmaßnahme für Nachlasszugänge ist die Reinigung von staubigen und ggf. kontaminierten Beständen oder deren Entmetallisierung. Die Ablieferungen der drei Verlagsarchive gehörten auch in 2013 zu den laufenden Hauptprojekten. Die Reinigung der sehr verbräunten und sichtbar verstaubten Korrespondenz erfolgte möglichst rationell. Die bedurfte dennoch regelmäßig einer Einzelblattbearbeitung, auch aufgrund der sehr spröden, da sauren Papiere. Nominell hat die Bestandspflege Akten aus 90 Ordnern vom Inselverlag, 140 Ordnern vom Fischerverlag (einschließlich Entmetallisierung) und 100 Ordnern aus dem Suhrkamp-Verlagsarchiv gereinigt. Die Arbeiten am SUA-Pressearchiv wurden abgeschlossen. Neben der Verlagskorrespondenz war bei 22 Autoren- oder Wissenschaftlernachlässen (im Umfang von bis zu 36 Kästen) eine Trockenreinigung notwendig. Mit der Erwerbung des Nachlasses von Friedrich Kittler gelangte ein sehr umfangreicher Daten- bzw. Datenträgerbestand in das DLA. Um die Speichermedien für die Lesegeräte der WDV schadlos zugänglich zu machen, war eine sensible Reinigung der erheblich verstaubten Disketten (2 lfd. Meter) notwendig. Auch die zum Nachlass gehörigen Geräte wurden von losem Schmutz befreit. Konservatorische Arbeiten bilden einen großen Schwerpunkt in der Arbeit der Restaurierwerkstatt. Insbesondere Sonderformate der Sammlungen von Bilder und Objekte sind mit Unterstützung einer studentischen Hilfskraft gereinigt und für die Lagerung außerhalb der Archivschränke in 9 Schachteln verpackt worden. Das bestehende Lagerungssystem der Textilsammlung hat die Bestandserhaltung mit 15 großformatigen, mit Molton bespannten Trägerkartonagen ergänzt und die in Planschränken gelagerten Sammlungen Tillmann und Duttenhofer mit 80 Schutzabdeckungen ausgestattet. Zum Jahresbeginn wurde der zweite Teil der von der Fa. Hermann und Krämer digitalisierten Notizbücher von Peter Handke zurück geliefert. An der in 2012 begonnenen Schutzmaßnahme für die verbliebenen 177 Bände waren neben der Bestandserhaltung maßgeblich die Referate WDV und DiFo beteiligt. Die Notizbücher wurden abschließend adäquat für das Magazin verpackt und beschriftet (130 Mappen und 15 Inlays für die Archivkästen). Als weiteren konservatorischen Schwerpunkt betreut die Restaurierwerkstatt Exponate für hauseigene Ausstellungen und für Leihanfragen externer Institutionen. Folgende große Wechselausstellungen des DLA wurden konservatorisch begleitet: »Kassiber – Verbotenes Schreiben«, »Zettelkästen – Maschinen der Phantasie« (47 Positionen), »August 1914 – Literatur und Krieg« (84 Exp.). Die konservatorischen Arbeiten beinhalten die Montierung von 769 Exponaten in die Hängevitrinen, als auch die Bereitstellung von Einzelblattunterlagen für die Standvitrinen, 33 Fotomontagen und insgesamt 42 Buchstützen, sowie die Herstellung von
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24 Faksimiles, hier in Zusammenarbeit mit dem Referat Digitalisierung / Fotostelle. Für die großen Ausstellungen in 2013 wurden insgesamt 67 externe Leihgaben dokumentiert, aufgebaut und ggf. für den sicheren Transport verpackt. Insgesamt 159 Leihgaben aus dem DLA wurden für externe Einrichtungen gerahmt und ggf. montiert und passepartouriert, sowie z. T. kostenlos für den Eigentransport verpackt. Mit dem Abbau der Stilus-Installation schuf das Museum im LiMo, neben »Fluxus« und SUI, einen weiteren Raum für kleinere temporäre Ausstellungen. Hier betreute die Werkstatt die Präsentationen von »Kafkas Mäusen« (davon 41 Exponate), »LSD – Der Briefwechsel zwischen A. Hofmann und E. Jünger« (davon 117 Exp.) und »Den ganzen Prozess« (davon 161 Exp.). Zuarbeiten für die Beschriftung und Präsentationen erfolgten zu den drei Suhrkamp-Inseln 9 bis 11 und den Ausstellungen Fluxus 22 bis 24. Die Kollegen des Archivs und der Bibliothek haben 9 Marbacher Passagen kuratiert. Den Ab- und Aufbau der zwei bis dreiwöchigen Ausstellungen unterstützt die Restaurierwerkstatt. Für die Einrichtung der zwei neuen Dauerausstellungen durch die ALiM, »Hauffs Märchen-Museum« in Baierbronn und »Peter Huchel und Erhard Kästner in Staufen i. B.«, hat die Restaurierwerkstatt passgenaue Buchstützen bereit gestellt oder deren Vermessung vorgenommen. Desgleichen gilt für die Wanderausstellung »Theodor Heuss«. Insgesamt wurden zudem 32 Exponate aus den Beständen des DLA fallweise restauriert oder montiert bzw. gerahmt. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach war am 19. Oktober 2013 Gastgeber des 9. Nationalen Aktionstags für die Erhaltung Schriftlichen Kulturguts. Für die zentrale Veranstaltung kamen neben den hauseigenen Beiträgen neun Gastredner und 19 Aussteller in das DLA um die Öffentlichkeit und Fachpublikum über die Notwenigkeit des »Originalerhalts im Zeitalter der Virtualisierung« aufzuklären. Zu dieser Veranstaltung findet sich im Jahrbuch ein gesonderter Beitrag. Für die Lesesäle und den internen Gebrauch wurden 39 kurzfristige Entnahmen aus den Dauerausstellungen durchgeführt. Als regelmäßig durchzuführende Routineübung wurde am 4. 12. 2013 eine praktische Notfallübung mit den Ersthelfern für die Bergung von wassergeschädigten Handschriften und Druckwerken angesetzt. Die 16 Teilnehmer aus Archiv, Bibliothek, Museum und Bestandserhaltung haben drei Übungsszenarien durchlaufen. Die Kolleginnen und Kollegen kamen beim Bergen, Verpacken und Dokumentieren, dem internen Abtransport bis zu den Möglichkeiten und Grenzen der inhouse Versorgung bei der Trocknung zum Einsatz. Neben einer studentischen Hilfskraft, die einmal pro Woche über 8 Monate die Bestandserhaltung bei den Arbeiten für das Museum (Vitrinenreinigung und Ausstellungsvorbereitung) und in der Konservierung unterstützte, haben 2 Praktikanten aus der Abteilung Entwicklung und der Abteilung Archiv stundenweise als Hilfskräfte ausgeholfen, u. a. bei der Trockenreinigung von Buchschnitten für die ME. Auf der 18. Gemeinsamen Bestandserhaltungsbesprechung im Institut für Erhaltung Ludwigsburg am 9. April 2013 wurde um einen Bericht über die laufenden Arbei-
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ten im Entsäuerungsprojekt des DLA gebeten. Das Ludwigsburger Institut schreibt jährlich diese Erhaltungsmaßnahmen für die angeschlossenen Archive und wissenschaftlichen Bibliotheken aus und hat nun auch erstmalig die Nitrochemie Wimmis AG einbezogen. Drei Schulungsangebote für neue Mitarbeiter (Museum und DiFo) dienten der Einweisung in den materialgerechten Umgang mit Archivalien und Büchern. Die Bestandserhaltung hat 8 Werkstattführungen durch die Bestandspflege, Buchrestaurierung, Papierrestaurierung und Massenentsäuerung im Zuge der allgemeinen Praktikantenführungen und dem Tag der offenen Tür, als auch für neue Mitarbeiter und Gäste des DLA angeboten. Mit einem zweiteiligen Werkstattprogramm wurde das Museum im Rahmen der Kulturakademie Baden-Württemberg unterstützt. Acht Bachelorstudenten der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Studiengang Papierrestaurierung haben bei einem halbtägigen Besuch im DLA die Abläufe bei Nachlasseingängen im Archiv und deren Versorgung durch die Bestandserhaltung kennengelernt.
verwaltung 1 Mitarbeiterschaft (Stand: 31. Dezember 2013) Voll- und Teilzeitstellen
davon Planstellen der DSG
davon Befristete, projektPlanstellen des Landes gebundene Stellen
105,5
103,5
2
25,5
Die befristeten projektgebundenen Stellen wurden überwiegend aus Sachbeihilfen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus Stiftungsmitteln von privater Seite finanziert. Auch 2013 waren zahlreiche wissenschaftliche Hilfskräfte, geringfügig Beschäftigte sowie Praktikanten befristet tätig. 2 Personelle Veränderungen im Jahr 2013 a) Neu eingestellt wurden am 01.01.2013 01.01.2013 01.01.2013 01.02.2013 01.02.2013 01.04.2013 01.05.2013 10.06.2013 01.07.2013 01.08.2013
Huhsmann, Enke Weber, Silke Willmitzer, Christoph Layman, Diana Tremmel, Jens Gückel, Christina Dr. Lorenz, Anne Schneider, Tanja Fritz, Steffen Geiß, Marianne
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Bestandsreferentin Volontärin Volontär Digitalisierung Fotograf Bibliothekarin Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bibliothekarin IT-Spezialist Besucherbetreuung
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01.09.2013 01.09.2013 09.09.2013 01.10.2013 21.10.2013 01.12.2013
Kuch, Stefanie Velensek, Nora Müller, Sandra Potsch, Sandra Schmidt, Thomas Kaiser, Petra
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Bibliothekarin Restauratorin Bibliothekarin Volontärin Volontär Assistentin der Museumsleitung
b) Ausgeschieden sind am 31.03.2013 31.08.2013 31.08.2013 31.08.2013 31.08.2013 30.11.2013 28.02.2013 30.09.2013 30.04.2013
Breihofer, Sabine Christof, Annika Dr. Held, Katharina Dr. Böhmer, Sebastian PD Dr. Laube, Stefan Müller, Sandra Wolff, Martina Harm, Alexander Hein, Heidrun
Bibliothekarin Volontärin Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wissenschaftlicher Mitarbeiter Wissenschaftlicher Mitarbeiter Bibliothekarin Wissenschaftliche Mitarbeiterin IT-Spezialist Besucherbetreuung
3 Deutsche Schillergesellschaft e. V. Jahr
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Mitglieder
3.729 3.659 3.545 3.509 3.444 3.409 3.323 3.198 3.077 2.803
Mitglieder mit Jahrbuch
70 % 70 % 65 % 65 % 65 % 65 % 62 % 61 % 58 % 62 %
neue Mitglieder
175
93
83
126
118
133
101
79
148
39
ausgetretene oder verstorbene Mitglieder
150
200
197
162
183
146
217
284
315
203
ausländische Mitglieder
12 % 12 % 12 % 12 % 12 % 12 % 12 % 11 % 11 % 11 %
DSG-Jahresbeitrag (€)
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
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50,–
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DSG-Jahresbeitrag mit Jahrbuch (€)
50,–
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50,–
50,–
50,–
50,–
50,–
80,–
80,–
DSG-Jahresbeitrag (€) 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 12,50 (Mitgl. in Ausbildung)
20,–
20,–
DSG-Jahresbeitrag (€) (Mitgl. in Ausbildung mit Jahrbuch)
30,–
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25,–
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25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
25,–
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Den Bewohnern der neuen Bundesländer und Osteuropas wurden auch 2013 auf Antrag die Mitgliedschaft und das Jahrbuch zur Hälfte des allgemeinen Tarifs angeboten.
arbeitsstelle für literarische museen, archive und gedenkstätten in baden-württemberg (alim) 1 Museen und Dauerausstellungen Staufen i. Br.: Literarische Ausstellung Huchel und Kästner in Staufen im Stubenhaus (Eröffnung 27. 4. 2013). – Tübingen: Hesse-Kabinett im Antiquariat J. J. Heckenhauer (Eröffnung 29. 5. 2013). – Lichtenstein-Honau: Wilhelm-Hauff-Museum (Wiedereröffnung 29. 11. 2013). – An literarische Museen und Gedenkstätten in Baden-Württemberg gingen im Jahr 2013 Zuwendungen in Höhe von rund € 94.500,–. Es konnten außerdem literarische Veranstaltungen in diesen Museen mit € 49.500,– gefördert und Dauerleihgaben der Arbeitsstelle im Wert von € 8.530,– zur Verfügung gestellt werden. Außerhalb von Marbach wurden 115 Ortstermine in literarischen Museen in 29 Orten wahrgenommen. 2 Abgeschlossene Projekte in Museen Allensbach, Mühlenweg-Museum: Flyer für die Dauerausstellung; Gaienhofen, Hermann-Hesse-Haus: Infotafeln; Gaienhofen: Hermann-Hesse-Höri-Museum: Ausstellungskatalog ›Ein Kapitel deutsch-schweizerischer Literaturbeziehungen am Beispiel Robert Faisi‹; Marbach a. N., Schillers Geburtshaus: Flyer für die Dauerausstellung; Königsfeld, Albert-Schweitzer-Haus: Internetauftritt. 3 Publikationen der Arbeitsstelle Zu Spuren 96 (Arnold Stadler: Erhart Kästners Haus in Staufen), 97 (Barbara Wiedemann: Balzac in Weinheim), 98 (Jürgen Egyptien: Friedrich Gundolf in Heidelberg), 99 (Tilman Venzl: Lotte Paepcke in Freiburg und Stegen) und 100 (Günter Riederer: Sartre in Stammheim) s. Bericht Museum. 4 Veranstaltungen und Ausstellungen Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur. Wanderausstellung der alim in Zusammenarbeit mit dem Theodor-Heuss-Museum Brackenheim. Eröffnungen in Freiburg, SWR (4. 11. 2013) und Langenbeutingen, Goes-Stube (15. 12. 2013) – Marbacher Schaufenster in Heilbronn: In der Stadtbibliothek wurden die Spuren 93 (Ilse Aichinger in Ulm) und 94 (Josef Mühlberger in Eislingen) in Ausstellungen und die Spuren 87 (Hermann Lenz in Künzelsau, am 25. 2. 2013 mit Rainer Moritz) und 97 (Balzac in Weinheim, am 16. 10. 2013 mit Barbara Wiedemann) auf Lesungen vorge-
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stellt. – Weitere Spuren-Vorstellungen: Spuren 53 (Jean Pauls Besuch in Stuttgart, am 04. 06. 2013 mit Armin Elhardt) in der Stadtbibliothek Stuttgart und Spuren 96 (Erhart Kästners Haus in Staufen, am 20. 10. 2013 mit Arnold Stadler) im Stubenhaus Staufen im Breisgau. Aus Anlass von Spuren 100 (Sartre in Stammheim) fand am 20. 11. 2013 eine feierliche Vorstellung des Heftes mit dem Autor Günter Riederer und dem Hamburger RAF-Spezialisten Wolfgang Kraushaar statt, die von einer Ausstellung in der Marbacher Passage begleitet wurde. – Arbeitstagung der literarischen Museen Baden Württembergs (24. 9. 2013 in Reutlingen).
forschung 1 Internationale Forschungsbeziehungen Mit dem Suhrkamp-Forschungskolleg (VolkswagenStiftung), dem Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (BMBF) und der Koordinierungsstelle für die Bewahrung und Erforschung deutsch-jüdischer Nachlässe in Israel (Auswärtiges Amt) hat das Deutsche Literaturarchiv Marbach eine neue Phase multilateraler Forschungsbeziehungen erreicht. Die 6. Internationale Marbacher Sommerschule zum Thema »Literatur − Macht − Markt« bot für Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit zum materialbezogenen Austausch mit deutschen und amerikanischen Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern. 2 Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (BMBF) In der einjährigen Vorphase konnten ein gemeinsames Verbundprogramm ausgearbeitet und Verbundstrukturen aufgebaut werden. Dafür wurden mit Experten im Inund Ausland Ideen für bestandsbezogene Forschungsprojekte diskutiert und künftige Kooperationsmöglichkeiten, vor allem in der Nachwuchsförderung, ausgelotet. Drei Tagungen beschäftigten sich mit den wichtigsten Aspekten der Verbundsarbeit: material- und objektbezogene Forschung, Digital Humanities, Datenaustausch und Langzeitarchivierung sowie wissenschaftliche Erschließung der kulturellen Überlieferung im Zeitalter der Globalisierung. Mit erfolgter Bewilligung konnte der Forschungsverbund MWW (BMBF) zum 1. September 2013 seine Arbeit in der Vollförderung aufnehmen. Nach Besetzung der Koordinationsstellen wurden alle weiteren Stellen in den Forschungsprojekten und die in Berlin angesiedelten Funktionsstellen (Geschäftsführung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ZIG-Redaktion) ausgeschrieben. An den Vorhaben im Bereich Digital Humanities sowie an den Projekten »Bildpolitik: Das Autorenporträt als ikonische Autorisierung« (Federführung Marbach), »Autorenbibliotheken: Materialität – Wissensordnung – Performanz« (Weimar) und »Text und Rahmen: Präsentationsmodi kanonischer Werke« (Wolfenbüttel) sind neben den neu eingestellten Projektkräften des Verbunds ständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Einrichtungen sowie externe Wissenschaftler/innen beteiligt.
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Die Forschungsprojekte werden durch den Aufbau einer ›Virtuellen Forschungsumgebung‹ begleitet. Die Berliner Geschäftsstelle des Verbunds eröffnet 2014 und ist am Wissenschaftskolleg angebunden, um den Austausch mit internationalen Repräsentanten und Fellows der Berliner Wissenschaftsinstitutionen zu stärken. Im Februar 2014 konstituierte sich der Wissenschaftliche Beirat, der den Verbund beratend begleitet und für die Auswahl der Geschäftsführerin/des Geschäftsführers zuständig war, die/ der den künftigen Integrationsprozess des Forschungsverbunds konzipieren wird. Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung in Berlin stellte sich der Forschungsverbund im Mai 2014 der Öffentlichkeit vor (www.mww-forschung.de). 3 Suhrkamp-Forschungskolleg Im Rahmen des von der VolkswagenStiftung geförderten Internationalen SuhrkampForschungskollegs (Förderbeginn: 01. 09. 2012) konnte zum 1. Juni 2013 eine zusätzliche Doktorandenstelle geschaffen werden. Damit erforschen nun insgesamt acht Doktorandinnen und Doktoranden, kooperativ betreut durch das DLA und die Kooperationspartner an den Universitäten Konstanz, Stuttgart, Tübingen und der Humboldt-Universität zu Berlin, gemeinsam mit ausgewiesenen Experten die Bestände des Siegfried Unseld Archivs. Erste Ergebnisse wurden in einem intensiven WorkshopProgramm diskutiert und international auf Tagungen vorgestellt. Die Reihe der »Forschungstreffen Suhrkamp/Insel« wurde mit drei Tagungen fortgesetzt, die das Forschungsgespräch zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung fortgesetzt und bestandsbezogen intensiviert haben. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen standen Problemzusammenhänge und Forschungsfragen aus dem Kollegskontext, die eine internationale und interdisziplinäre Diskussion erfordern. Die paradigmatische Zusammenarbeit zwischen sammlungsbezogener Forschung und forschungsorientierter Sammlung hat sich als so ertragreich erwiesen, dass sie für weitere Projekte übernommen wird. 4 Koordinierungsstelle für die Bewahrung und Erforschung deutsch-jüdischer Nachlässe und Sammlungen in Israel Nach der erfolgreichen Pilotphase 2012/2013 kann die vom DLA gemeinsam mit dem Franz Rosenzweig Minerva Forschungszentrum der Hebräischen Universität Jerusalem und der Universität Bonn eingerichtete Arbeitsstelle zur Bewahrung, Erschließung und Erforschung von Archivbeständen zur deutsch-jüdischen Geschichte in Israel ihr Engagement verstärken. Das Auswärtige Amt bewilligte im Sommer die Vollförderung für das Jahr 2013/2014 mit Ausblick auf eine Förderung bis 2016. Israelische Archive und Museen werden, eingebunden in Forschungsprojekte zum Wissens- und Kulturtransfer, insbesondere in der Erschließung von Beständen emigrierter deutsch-jüdischer Gelehrter und Künstler unterstützt. Diese Schwerpunktsetzung knüpft gezielt an eine mit Mitteln des DLA ermöglichte internationale
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Konferenz am Rosenzweig Minerva Forschungszentrum im Juni 2013 an, die den fachlichen Austausch zwischen deutschen und israelischen Archiven und geisteswissenschaftlichen Forschungsinstituten substantiell stärkte. Das DLA und das Rosenzweig Minerva Forschungszentrum kooperieren zudem mit dem Israel Museum Jerusalem in der wissenschaftlichen Erarbeitung und Organisation einer Ausstellung der grafischen Arbeiten von Franziska Baruch, Henri Friedlaender und Moshe Spitzer, die in den 1920er und 1930er Jahren die Buchgestaltung jüdischer Verlage in Deutschland mitprägten und besonders nach ihrer Emigration in Israel entscheidend zur Entwicklung moderner hebräischer Schriften und Drucktypen beitrugen. Die Ausstellung wird aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der deutschisraelischen Beziehungen im Jahr 2015 in Jerusalem eröffnet werden und auch nach Deutschland reisen. 5 Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik Die Tagungspublikation zu der von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Tagung des Marbacher Arbeitskreises Geschichte der Germanistik zu Problemen der Disziplinenbildung ist in Vorbereitung (S. Hirzel Verlag, Stuttgart). Die Zeitschrift »Geschichte der Germanistik« dokumentiert die international erweiterte Perspektive mit dem neuen Untertitel »Historische Zeitschrift für die Philologien« (43/44, Göttingen: Wallstein, 2013). Die Erwerbung und Erschließung von Germanistennachlässen und wissenschaftlichen Archiven geht in den Bericht der Archivabteilung ein. 6 Stipendiatinnen und Stipendiaten Im Jahr 2013 erhielten folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Marbach-Stipendium: Andrisevic, Andreja (Berlin, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Erschließung des Vorlasses von Paul Wühr); Bachmann, Magdalena (Innsbruck, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: »Grenzfälle von Grenzfällen« – Die Form des Essays bei Erwin Chargaff); Bandel, Jan-Frederik (Buchholz, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Eine kryptische Agentur. Jörg Schröder und die Bismarc Media); Bey, Gesine (Berlin, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Angela Rohr – Edition des Romans »Lager« und weitere Werk-Editionen); Blach, Malgorzata (Oppeln, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Franz Adamus’ Jahrhundertwende. Vom Naturalismus hin zu einer neuen Moderne); Boy, Franziska (Dresden, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Ernst Jünger und der Osten); Brandt, Marion (Danzig, 2 Monate Vollstipendium, Projektthema: Neuausgabe von Alfred Döblins »Reise in Polen«); Fähnders, Walter (Osnabrück, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Vagabondage und Avantgarde bei Emil Szittya); García-Durán, Pedro (Valencia, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Hans Blumenbergs Anthropologie. Hintergründe); Gorenstein, Dan (Berlin, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Betrachtung des geformten Lebens: Biologie und
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literarische Beschreibungskunst bei Ernst Jünger); Hahn, Julia (Rostock, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: »Eine Idee muss Wirklichkeit werden können.« Der Briefwechsel zwischen Berthold Auerbach und Heinrich Josef König); Haubrich, Rebecca (Ralingen, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: »Post amore omne animal triste.« Zu einem Schreiben aus der Unterwelt: Hans Erich Nossack); Held, Lukas (Toulouse, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Anthropologie und Skeptizismus. Hans Blumenberg, Odo Marquard und die Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik); Hiller, Moritz (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Diskurs/Signal – Literaturarchiv und Editorik am Anfang des 21. Jahrhunderts); Hof, Holger (Berlin, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Briefwechsel Gottfried Benn/Gertrud Zenzes); Horáková, Aneta (Znojmo-Primetice, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Phantastik, Okkultismus und Mystik im Werk Franz Spundas); Hoyer, Stefanie (Marburg, 2 Wochen Aufenthaltsstipendium, Projektthema: »Neues Leben«– Studien zum pädagogischen Roman Berthold Auerbachs); Jacobi, Rainer-M. E. (Aue, 6 Wochen Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Viktor von Weizsäcker − Schreibsituation »Heiligenstadt 1945«); Kardach, Magdalena (Warschau, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Das kulturelle und symbolische Kapital des Gebietes Ostpreußen und dessen neuer Begrifflichkeit im Kontext der Wechselbeziehung Zentrum – Peripherie); Kim, Jong Pil (Augsburg, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Eduard Mörikes Erzählpoetik in »Vier Erzählungen«. Liebesdiskurs und künstlerische Selbstreflexion des literarischen Biedermeier); Konczal, Katarzyna (Kerowo, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Zeit – Trauma – Apokryph (W. G. Sebald, B. Schulz, T. Rózewicz, S. Lem); Kordics, Noémi (Oradea, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Arthur Holitscher); Leugering, Dominik Joakim (Erlangen, 2 Wochen Graduiertenstipendium, Projektthema: »Joseph Roth. Erzähler in Briefen« Untersuchung der narrativen Verfahren der Briefe Joseph Roths); Münüklü, Ersin (Rheda-Wiedenbrück, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Marginalität und Marginalisierung in den Werken von W. G. Sebald, J. M. Coetzee und Orhan Pamuk); Nachtigall, Jenny (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Infantility in a Masculine Avantgarde. Psychoanalysis and Politics in Berlin Dada); Post, Anna-Maria (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Verdichtung. Verfahren der Wirklichkeitserfassung in der Mitte des 19. Jahrhunderts); Reinert, Bastian (Berlin, 1 Monat Reisestipendium, Projektthema: Thanatographien in der Literatur »nach Auschwitz« – Beckett, Nossack, Jelinek); Rohrbacher, Imelda (Wien, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Tempus der Moderne – Neudokumentation der Debatte um das »epische Präteritum« anhand der Zeitschriftenbestände des Literaturarchivs Marbach und Recherche zum »Berliner Nachlass« von Joseph Roth); Schulz, Markus (Göttingen, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Siegfried Marck. Politische Biographie eines jüdisch-intellektuellen Sozialdemokraten); Smid, Robert (Budapest, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: How materiality became materialities. The rise of a post-hermeneutical generation); Tausch, Harald (Aschaffenburg, 6 Wochen Vollstipendium, Projektthema: Felix Hartlaubs Aufzeichnungen aus dem nationalsozialisti-
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schen Berlin 1934 bis 1939); Tolone, Oreste (Brescia, 1 Monat Aufenthaltsstipendium, Projektthema: Die Auseinandersetzung zwischen Karl Jaspers und Viktor von Weizsäcker zum epistemologischen Status der Medizin.); Urupin, Innokentij (Konstanz, 2 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Konzepte der Mündlichkeit bei Johannes Bobrowski und Isaak Babel); Weitzman, Erica (Konstanz, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Der Fetisch des Realismus. Zur obszönen Ästhetik in der deutschen und europäischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts); Yos, Roman (Leipzig, 2 Wochen Graduiertenstipendium, Projektthema: Der junge Habermas. Eine ideengeschichtliche Untersuchung zur Entstehung seines politisch-philosophischen Denkens). Für das Jahr 2013 wurden außerdem folgende benannte Stipendien bewilligt: American-Friends-Stipendium: Gelderloos, Carl (Ithaca, 1 Monat Reisestipendium, Projektthema: Entwicklung der Topoi der organischen Maschine und des instrumentalischen Körpers im Werk von Alfred Döblin und Ernst Jünger in den 1920er und 1930er Jahren); Schwarzbeck, Humberto (Princeton, 2 Wochen Reisestipendium, Projektthema: The Concept of the »Instant« in 20th Century German Thought). C. H. Beck-Stipendium für Literatur- und Geisteswissenschaften: Haubenreich, Jacob (Berkeley, 2 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: The Dissolution of the Page: Print Literature and the Disintegration of the Print Universe); Parkinson, Anna M. (Chicago, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: In An Emotional State: The Politics of Emotion in Postwar West German Culture); Schmidt, Jana (New York, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Image Ridden – Literature, Art, and Identification in the Work of Hannah Arendt, H. G. Adler, and Philip Guston); Wilhelm, Katrin (München, 6 Wochen Graduiertenstipendium, Projektthema: Mimi Grossberg und die literarische Exilszene in New York). Hermann-Broch-Stipendium: Wray, Miriam (Harvard, 2 Monate Graduiertenstipendium, Projektthema: Textile and Textile Practices of Hermann Broch). Hilde-Domin-Stipendium für lateinamerikanisch-deutsche Literaturbeziehungen: Maeding, Linda (Barcelona, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Postkolonialität und Exil. Kulturelle Differenz im Werk deutschsprachiger Vertriebener in den Amerikas); Pompeu, Douglas (Assis, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Eine brasilianische Insel im deutschen Sprachraum: die Rolle der Verlage Suhrkamp und Insel in der Vermittlung der Literatur aus Brasilien); Seidl-Gómez, Kathrin (Somerville, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: The Creativity of Displacement: Ernesto Volkening as Essayist and Cultural Translator in Colombia, 1934–1983).
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Max-Kade-Stipendium: Plummer, Jessica (Austin, 1 Monat Summer Research Grant, Projektthema: Popular Influence: The German Kolportageroman 1871–1914). Norbert-Elias-Stipendium: Link, Fabian (Basel, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Zivilisationsprozess und Zivilisierung des Menschen. Soziologisches Wissen und Kalter Krieg bei Norbert Elias); Perulli, Angela (Florenz, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Individuen und Gesellschaft: die Evolution des Gedankens Elias zwischen Biographie und wissenschaftlicher Produktion). Rostocker Marbach-Stipendium: Haberkorn, Isabel (Rostock, 1 Monat, Projektthema: Schweigender Sänger. Richard Leising, Lyriker und Dramaturg). Suhrkamp-Stipendium: Brixa, Anna (Berlin, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Literarische Vergangenheitsbewältigung bei Wolfgang Koeppen und Walter Kempowski); Brügmann, Nora (Nashville, 1 Monat Reisestipendium, Projektthema: Auf der Suche nach Welt. Eva Rechel-Mertens’ Proust-Übersetzungen im Suhrkamp Verlag); Chiappa, Claudia (Torrevecchia Pia, 2 Wochen Sondierungsstipendium, Projektthema: Carlo Levi’s »L’Orologio«); Künstler, Kira Louisa (Leipzig, 1 Monat Sondierungsstipendium, Projektthema: Die literarische Anthologie); Milone, Federico (Como, 2 Wochen Sondierungsstipendium, Projektthema: The poets of the Novissimi. Critic and archivistic research among writers’ autographs.); Narloch, Agnieszka (Pasieka Miastko, 1 Monat Graduiertenstipendium, Projektthema: Die Rezeption der Prosawerke von Max Frisch in Polen); Neuburger, Karin (Jerusalem, 1 Monat Postdoktorandenstipendium, Projektthema: »Als Schnecke auf dem Spielplatz sah sie herrlich aus«: Poetik des Wohnens in deutschsprachiger Gegenwartsliteratur); van den Berg, Hubert (Poznan, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Niederländisch-deutscher Literaturtransfer im Suhrkamp Verlag); Zajas, Pawel (Poznan, 1 Monat Vollstipendium, Projektthema: Der deutsch-niederländische Literaturtransfer im Suhrkamp Verlag). Udo-Keller-Stipendium für Gegenwartsforschung: Religion und Moderne: Poggi, Manuela (Novi Sad, 4 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Bilder der Religion und der Anti-Religion in der deutschen Rezeption angloamerikanischer Literatur am Beispiel von Rolf Dieter Brinkmanns Herausgabe-Werk); Voß, Torsten (Bielefeld, 4 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Renouveau catholique – Literarischer Katholizismus und/als kulturelle Avantgarde in Europa vom 19. bis zum frühen 21. Jahrhundert); Wolff, Uwe (Bad Salzdetfurth, 4 Monate Postdoktorandenstipendium, Projektthema: Religion und Moderne: Vorarbeiten zu Hans Blumenbergs Angelogie und Dämonologie).
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veranstaltungen und vorträge Veranstaltungen und Vorträge Autorenlesungen und Vorträge Das Literarische Programm des DLA wurde im Berichtsjahr 2013 von Jan Bürger betreut, das Wissenschaftliche Programm von Marcel Lepper, die Museumsveranstaltungen von Heike Gfrereis. 2013 fanden folgende Veranstaltungen statt: 2. Januar: Schreibwerkstatt in den Weihnachtsferien. Grunzen, Brummen, Knurren. Mit Ulrike Draesner. Ein Ferienprojekt der Literaturschule LINA für Kinder von 10–12. Gefördert von der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg. – 16. Januar: Zeitkapsel 31. Tarabas. Joseph Roth und sein erster Exilroman. Gelesen von Jan Bürger und Marietta Meguid. – 22. Januar: Literarisches Konzert. Musik hinter Gittern. Mit Javier Alonso (Tenor), André Morsch (Bariton), Felix Romankiewicz (Klavier) und Werken von Franz Schubert, Christian Friedrich Daniel Schubart, Viktor Ullmann, Henri Dutilleux und Isang Yun. In Zusammenarbeit mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie und der Oper Stuttgart. – 27. Januar: Finissage. Kassiber. Verbotenes Schreiben. Lesung mit Dorothee Roth. – 27. Januar: LINA-Abschluss. Mascha Kaléko online, von Schülern für Schüler. Mit Schülerinnen und Schülern der Klasse 9d des Friedrich-ListGymnasiums Asperg. Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg. – 11. Februar: Kulturakademie Literatur. Mit Matthias Göritz und Silke Scheuermann – 18. Februar: Ausstellungseröffnung. fluxus 24. du sagst ja immer, wir sind ein Gespräch. Vorlassbesichtigung bei Tankred Dorst und Ursula Ehler. Mit Peter von Becker, Tankred Dorst, Ursula Ehler und Peter Stoltzenberg. – 25. Februar: Lehrerfortbildung. Kann eine Geschichte töten? Autorenseminar mit Peter Stamm zu seinem Roman Agnes. Moderation: Rudi Kienzle. – 4. März: Ausstellungseröffnung zum 250. Geburtstag von Jean Paul. Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Mit Navid Kermani, Norbert Miller und Meike Werner. – 4. bis 6. März: Forschungstreffen Suhrkamp/Insel. Verlag macht Weltliteratur. Lateinamerikanisch-deutsche Literaturbeziehungen zwischen internationalem Literaturbetrieb und Übersetzungspolitik. Mit Ottmar Ette, Dieter Ingenschay, Marco Thomas Bosshard u. a. – 5. März: Lesung mit Jorge Volpi. In Kooperation mit der Universität Potsdam. – 7. und 8. März: Tagung. Hoher Meißner 1913: Die Jugendbewegung und Ihre Wirkung in Politik, Gesellschaft und Kunst. Mit Micha Brumlik, Arno Klönne, Lutz Niethammer, Jürgen Reulecke, Justus Ulbricht, Barbara Stambolis u. a. – 12. März: Lektüreseminar für Erwachsene. Christa Wolf: Kassandra. Mit Charlotte Andresen. – 19. März: Ausstellungseröffnung. Suhrkamp-Insel 9. Dr. Faustus kommt nach Deutschland. Dieter Borchmeyer im Gespräch mit Anna Kinder und Jan Bürger. – 2.–5. April: Schreibwerkstatt in den Osterferien. Märchenschloss und Knusperhäuschen. Mit Eduard Mörike Märchen schreiben. Mit Christan Peitz für Kinder von 8–11 Jahren. Ein Ferienprojekt der Literaturschule LINA. Gefördert von der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg. – 9. April: Schullesung.
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Joachim Zelter: Briefe aus Amerika. Moderation: Rudi Kienzle. – 9. April: Ausstellungseröffnung. Kafkas Mäuse. Mit Wilhelm Genazino. Moderation: Jan Bürger und Ulrich Raulff. – 9. April: Lehrerfortbildung Realschule. Seminar mit Joachim Zelter. Moderation: Rudi Kienzle. – 17. April: Symposium. Viktor von Weizsäcker: Der Nachlass. – 3. Mai: Gespräch. Kafkas Mäuse. Mit Peter von Matt und Andreas Platthaus. Moderation: Jan Bürger. – 12. Mai: Internationaler Museumstag. Kafkas Mäuse. Die Suche nach dem Kleinen. Freier Eintritt in die Museen mit kostenlosen Führungen. – 16.–18. Mai: Tagung Collecting Ideas – The Idea of Collecting. Archiv-Benutzer aus aller Welt erörtern die Funktionen und politischen Dimensionen von Archiven, Bibliotheken und Museen in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung. In Kooperation mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Klassik Stiftung Weimar. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. – 5. Juni: Vortrag zur Wechselausstellung. Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Mit Denis Scheck. – 6. Juni: Lesung. Koloss im Nebel. Mit Durs Grünbein. Moderation: Jan Bürger. In Kooperation mit dem DLA-Weekend Seminar ‚Neue ostdeutsche Literatur‘. – 7. Juni: Lesung. Ausprobieren, wie es wäre, wenn es nicht so wäre, wie es ist. Mit Peter Bichsel. Moderation: Christine Tresch. Im Rahmen des Symposiums Topographien der Kindheit. Eine Veranstaltung der PH Ludwigsburg. Gefördert von der Universität Zürich/SIKJM. – 10. Juni: Zeitkapsel 32. Sitzt der Frack diesmal besser? Erich Kästners Fotonachlass. Mit Frank Druffner und Rosemarie Kutschis. – 13. Juni: Ausstellungseröffnung. fluxus 25. Objekt digital. Friedrich Kittlers Speicher. Mit Peter Berz und Marcus Krajewski. Moderation: Marcel Lepper. Im Rahmen der Tagung Materiale Textkukulturen in Kooperation mit dem SFB der Universität Heidelberg. – 18. Juni: Lesung. Reize des Bösen. Mit Michael Köhlmeier. Moderation: Jan Bürger. – 26. Juni: Lehrerfortbildung. Max Frisch: Homo faber. Margit Unser spricht über Frischs Roman im Deutschunterricht. Moderation: Rudi Kienzle. – 27.–28. Juni: 6. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel. Kritik in der Krise? Kulturdiagnosen der Gegenwart. Mit Eva Illouz, Rahel Jaeggi, Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa u. a. In Verbindung mit der Universität Tübingen. – 30. Juni: LINA 10/ Schwerpunkt Exil. Künste im Exil. Oskar Pastior. Die Literaturschule wird vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg gefördert. – 30. Juni: Marbacher Erlebnissonntag. Zettel-Welt-Reisen. Kostenlose Führungen im Literaturmuseum der Moderne und Schiller-Nationalmuseum mit freiem Eintritt. – 16. Juli: Ausstellungseröffnung. LSD. Der Briefwechsel zwischen Albert Hofmann und Ernst Jünger. Mit Michael Klett und Jörg Magenau. Moderation: Heike Gfereis und Friederike Knüpling. – 21. Juli–9. August: 6. Internationale Marbacher Sommerschule. Literatur – Macht – Markt. Mit Andrea Albrecht, Detlev Claussen, Sandra Richter, Liliane Weissberg u. a. In Verbindung mit der Universität Stuttgart und der University of Pennsylvania, Philadelphia. – 26. Juli: Ausstellungseröffnung. Suhrkamp-Insel 10: Der Tag, an dem Siegfried Unseld Verleger wurde. Im Rahmen der 6. Internationalen Marbacher Sommerschule. – 29. Juli: Lesung. Was Liebe ist. Mit Ulrich Woelk. In Verbindung mit dem Förderverein Science und Technologie e. V. Rust. Moderation: Annika Christof. – 1. August: Lesung. Aus einem Hotel in São Paulo. Mit Ulrich Peltzer. Moderation: Jan Bürger. – 20.–23. August: Schreibwerkstatt in den Sommerferien. Unge-
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schriebene Bücher. Mit Lena Gorelik. Ein Ferienprojekt der Literaturschule LINA. Gefördert von der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg. – 4. September: Lesung. Gedicht und Roman: Der Tag an dem die Möwen zweitstimmig sangen – Träumer und Sünder. Mit Silke Scheuermann und Matthias Göritz. Moderation: Verena Staack. Gefördert von der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg im Rahmen der 4. Kulturakademie. – 5.–7. September: Tagung. Nachlassbewusstsein: Literatur – Archiv – Philologie. Mit Andrea Albrecht, Christian Benne, Heinrich Detering, Wolfgang Proß u. a. In Verbindung mit der Universität Göttingen und der Humboldt-Universität zu Berlin. Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. – 15. September: Gesprächskonzert. Aus der Seele muss man spielen. Jean Paul und die Musik. Mit Jens Malte Fischer, Mirella Hagen (Sopran) und Kerstin Mörk (Klavier). In Kooperation mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie. – 25. September: Zeitkapsel 33. Cut up! Wie Carl Weissner und Jörg Fauser die Pop-Literatur entdeckten. Mit Jasmin Hambsch und Jan Bürger. – 26. – 27. September: 7. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel. Theorie-Transfer: Zur internationalen Rezeption deutschsprachiger Theorie-Autoren. Mit Natalie Binczek, Judith Ryan, Nikolaus Wegmann u. a. – 30. September: Lehrerfortbildung. Georg Büchners Drama Dantons Tod verstehen. Mit Reiner Niehoff und Rudi Kienzle. – 1. Oktober: Buchpremiere. Theodor Heuss – Papa, Politiker, Spötter. Mit Joachim Radkau. Moderation: Jan Bürger. – 6. Oktober: Marbach zu Gast. 37th Annual Conference of the German Studies Association in Denver. Der Erste Weltkrieg: Literatur. Fotografie. Archiv. Mit Frank Druffner, Heike Gfrereis, Frank Trommler und Meike G. Werner. In Verbindung mit dem Amerikanischen Freundeskreis des Deutschen Literaturarchivs Marbach. – 9. Oktober: Marbach zu Gast. Stanford University. Near reading: Kafka’s The Trial manuscript. Workshop mit Heike Gfrereis und Hans Ulrich Gumbrecht. Mit freundlicher Unterstützung durch die Stanford University im Rahmen des Projekts Kafka 2014. Original und Verwandlung. – 14.–17. Oktober: Schülerseminar. Preisträgerseminar der Berkenkamp-Stiftung Essen. Mit Volker Demuth. – 16. Oktober: Ausstellungseröffnung. August 1914. Literatur und Krieg. Mit Christophe Didier, Helmut Lethen, Richard Ovenden, Maurice GourdaultMontagne und Ulrich Raulff (Einführung). – 17. Oktober: Buchvorstellung. In Stahlgewittern. Die historisch-kritische Edition. Mit Helmuth Kiesel und Helmut Lethen. Moderation: Stephan Schlak. – 19. Oktober: 9. Aktionstag der Allianz Schriftliches Kulturgut. Erhalten: Originalerhalt im Zeitalter der Virtualisierung. – 23. Oktober: Lehrerfortbildung. Literatur und Krieg. Mit Verena Staack. – 29. Oktober: Zeitkapsel 34. Nach dem jüngsten Tag: Helen und Kurt Wolff und ihre Verlage. Mit Nikola Herweg, Christian Wolff und Nicolas Hodges (Klavier). – 31. Oktober–2. November: Tagung. Was nachher so schön fliegt … Peter Rühmkorf – Lyrik. In Verbindung mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Arno Schmidt Stiftung, der Akademie für gesprochenes Wort und der Universität Stuttgart. – 31. Oktober: Lesung und Konzert. Peter Rühmkorf. Neues aus dem Archiv. Mit Joachim Kersten, Stephan Opitz und Jan Bürger. Allein ist nicht genug. Peter Rühmkorfs Lyrik gespielt, gesprochen und gesungen. Mit Ulrich Jokiel, Peter Missler und Bernd Rauschenbach. – 1. November: Lesung. Peter Rühmkorf: Nicht einen Moment ohne Lyrik. Mit Nora Gomringer. – 2. November: Podi-
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umsgespräch. Peter Rühmkorf – Lyrik. Mit Jan Wagner, Daniela Danz, Hans Edwin Friedrich und Heinrich Detering. – 7. November: Ausstellungseröffnung. Der ganze Prozess. Mit Louis Begley. Gefördert im Rahmen des Projekts Kafka 2014. – 7.–9. November: Tagung. Weltautor Kafka. Mit Peter-André Alt, Joachim Kalka, Vera Koubová, Galili Shahar, Reiner Stach u. a. Gefördert im Rahmen des Projekts Kafka 2014. – 10. November: Schillerrede. Das ganze Leben. Danilo Kiš, Schiller und ich. Mit Michael Krüger. – 10. November: Tag der offenen Tür. Kafka finden. – 20. November: Das 100. Spuren-Heft. Sartre in Stammheim. Mit Günter Riederer und Wolfgang Kraushaar. Moderation: Thomas Schmidt. – 5. Dezember: Ausstellungseröffnung. Suhrkamp-Insel 11: Blochs Überschreitungen. Mit Manfred Frank und Barbara Wahlster. Moderation: Ulrich von Bülow. – 5. und 6. Dezember: Tagung. Entzweiung und Kompensation: Joachim Ritter und seine Schüler. Mit Josef Früchtl, Jens Hacke, Hermann Lübbe u. a. Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung. – 10. Dezember: Lehrerfortbildung. Formen der Kurzprosa. Mit Rudi Kienzle.
presse- und öffentlichkeitsarbeit Die große Ausstellung »August 1914. Literatur und Krieg«, die der Kulturwissenschaftler Helmut Lethen eröffnete, bildete einen Höhepunkt im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zusammen mit der begleitenden Ausstellung »Der ganze Prozess«, die mit einer Rede des US-amerikanischen Schriftstellers Louis Begley eröffnet wurde, fand sie ausnehmend große mediale Aufmerksamkeit. Besondere Beachtung fand zudem die Ausstellung »Kafkas Mäuse«, die anlässlich einer der jüngsten spektakulären Kafka-Erwerbungen des Deutschen Literaturarchivs Marbach, des »Mäuse-Briefs«, entwickelt wurde. Vielfach beachtet wurde zudem die internationale Konferenz »Collecting Ideas – The Idea of Collecting« im Rahmen des Forschungsverbunds Marbach Weimar Wolfenbüttel mit einem Festvortrag von Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Darüber hinaus erfuhr die Meldung über die Verlängerung des Vertrags von Ulrich Raulff als Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach bis Ende 2018 große Aufmerksamkeit. Pressearbeit: Im Jahr 2013 informierte die Pressestelle die Medien mit 71 Pressemitteilungen über die Aktivitäten des Deutschen Literaturarchivs Marbach, davon entfielen 33 auf Ankündigungen von Veranstaltungen (Lesungen, Vorträge und Tagungen), elf auf den Bereich Ausstellungen, 16 auf Literaturvermittlung und Sonderführungen, fünf auf Erwerbungen und sechs auf den Bereich institutionelle Meldungen. Auf große Resonanz stießen die Meldungen zu wichtigen Erwerbungen, u. a. des Archivs der Familien Curtius und Picht, des Vorlasses des Romanisten und Schriftstellers Harald Weinrich, des Nachlasses des Philosophen Nicolai Hartmann und zur Stiftung der Exil-Bibliothek von Karl Lieblich. Große Aufmerksamkeit erfuhren Veranstaltungen wie die Schillerrede, die im Jahr 2013 von dem Verleger Michael Krüger
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gehalten wurde, die Zeitkapseln zu Erich Kästners Fotonachlass und zum Helen und Kurt Wolff-Archiv sowie das Gespräch mit Günter Riederer und Wolfgang Kraushaar zum 100. Spuren-Heft: »Sartre in Stammheim«. Sehr erfolgreich verlief der 9. Aktionstag der Allianz Schriftliches Kulturgut Erhalten: »Originalerhalt im Zeitalter der Virtualisierung«. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach gab es Pressekonferenzen zu den großen Wechselausstellungen »August 1914. Literatur und Krieg« (17 Pressevertreter) mit den Kooperationspartnern Richard Ovenden, Bodleian Libraries der Universität Oxford, und Christophe Didier, Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg, und »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie« (10 Pressevertreter). Darüber hinaus Pressegespräche und Presseführungen u. a. zu den Ausstellungen in der Reihe SuhrkampInsel »Doktor Faustus kommt nach Deutschland«, »Der Tag, an dem Siegfried Unseld Verleger wurde« und »Blochs Überschreitungen« sowie zu den Ausstellungen »Kafkas Mäuse«, »LSD. Der Briefwechsel zwischen Albert Hofmann und Ernst Jünger«, »Der ganze Prozess« und »Objekt digital. Friedrich Kittlers Speicher« in der Reihe »fluxus«. Ein sehr großes Echo fand die Ausstellung »August 1914. Literatur und Krieg« mit über 80 Besprechungen und Beiträgen in den Medien, u. a. in Basler Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Sonntag aktuell, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Der Tagesspiegel, Welt am Sonntag, Wiener Zeitung und dem digitalen Magazin Sonntag. Darüber hinaus wurde die Ausstellung in 3sat-Kulturzeit, der SWR-Landesschau und SWR-Nachtkultur vorgestellt, in den Kultursendungen des ARD-Hörfunks wurde ebenfalls ausführlich berichtet. Eine Besprechung in The Guardian ist in Vorbereitung. Zur Ausstellung »Zettelkästen. Maschinen der Phantasie« gab es neben vielen Besprechungen eine große Bildstrecke aus der Ausstellung zur Buchmesse Leipzig in Der Tagesspiegel. Die Eröffnungsrede von Louis Begley zur Ausstellung »Der ganze Prozess« wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt, Begley gab 3satKulturzeit ein Interview, außerdem wurde die erste Seite von »Der Prozess« als Aufmacher in der Stuttgarter Zeitung abgedruckt. Über Fachveranstaltungen wie »Kritik in der Krise? Kulturdiagnosen der Gegenwart« (6. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel) wurde ausführlich berichtet, u. a. in einem Beitrag in 3sat-Kulturzeit. Weitere Tagungen wie »Johann Friedrich Cotta (1764–1832) – Verleger, Unternehmer, Technikpionier«, »Nachlassbewusstsein. Literatur im Zeitalter ihrer Archivierung«, »Was nachher so schön fliegt … Peter Rühmkorf – Lyrik« und »Entzweiung und Kompensation? Joachim Ritter und seine Schüler« wurden ebenfalls sehr gut wahrgenommen. Die Pressereferentin besuchte die Buchmessen Leipzig und Frankfurt und stellte dort das Programm des Deutschen Literaturarchivs Marbach vor; außerdem unternahm sie eine Pressereise nach Berlin. Zahlreiche Journalisten besuchten die Lesungen, Vorträge und Tagungen in Marbach, wurden durch das Archiv und die Museen geführt oder waren zu Gesprächen mit dem Direktor und der Pressereferentin zu Gast. Eine Vielzahl von Anfragen von Medienvertretern, Kooperationspartnern, Marketingabteilungen, Museumsbesuchern und anderen Interessierten wurden beantwortet.
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Öffentlichkeitsarbeit: In der Rubrik »Museen und Galerien« konnten in der Wochenzeitung Die Zeit regelmäßig Textanzeigen geschaltet werden, außerdem im Ausstellungsanzeiger Mart. Außerdem wurden aus dem laufenden Etat punktuell Anzeigen in verschiedenen Printmedien geschaltet, u. a. in Lettre international. Plakate wurden für die Ausstellung »Der ganze Prozess« gedruckt und an Kulturinstitutionen verteilt. Außerdem gab es kleinere Marketingaktionen, wie zum Beispiel eine Kooperation mit dem SWR Kulturservice, bei dem eine Besuchergruppe im Vorfeld der Zeitkapsel Hermann Hesse und sein Hut exklusiv durch das Suhrkamp Archiv geführt wurde. Die Veranstaltung und Führung wurde im SWR2 Infoheft im Rahmen der Partnerschaft beworben. Zudem gab es in Kooperation mit der Stadt Marbach u. a. einen gemeinsamen Beitrag in der Broschüre Kulturland – Kulturerlebnisse in BadenWürttemberg der Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg und verschiedene Anzeigen, u. a. in dem Magazin BW erleben – Sonderausgabe »Dichter, Denker, Geistesgrößen« oder in Stuttgart fliegt aus 2013/2014. Die Homepage des Deutschen Literaturarchivs Marbach wurde von der Pressereferentin ständig aktualisiert und weiterentwickelt. Die Vorbereitungen zum geplanten Relaunch der Homepage im Jahr 2014 wurden getroffen; eine entsprechende Ausschreibung ausgearbeitet. Interne Kommunikation: Über Belegschaftsnachrichten und insgesamt 239 Tickermeldungen wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Mitteilungen des Direktors, personelle Veränderungen, Veranstaltungen und wichtige Medientermine laufend informiert. Personelle Situation: Der Pressereferentin Alexa Hennemann obliegt das Aufgabenfeld Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; sie wird halbtags von einer Sekretärin, Patricia Schüttler, unterstützt.
schriften, vorträge und seminare Schriften Arno Barnert: Die Mobilmachung der Bücher. Zur Rekonstruktion einer Truppenbücherei aus dem Ersten Weltkrieg, in: August 1914. Literatur und Krieg. Marbacher Magazin 144, Marbach a. N. 2013, 72–88 – Verschluss- und Öffnungsarten. Zur Erschließungstradition und Katalogmethodik der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 57 (2013), 381–405. Silke Becker: Born-digital-Materialien in literarischen Nachlässen. Auswertung einer quantitativen Erhebung, 2014, http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract. php?lang=ger&id=40428 (06. 01. 2014) Petra Boden: Arbeit an den Begriffen. Zur Geschichte von Kontroversen in der Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik« (1966 –1984). Ein Forschungsbericht, in: Geschichte der Germanistik. Historische Zeitschrift für die Philologien (2013), H. 43/44, 140–142. – Vom Protokoll zum idealen Gespräch. Einblicke in die Werkstatt von POETIK
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UND HERMENEUTIK, in: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge XXIII (2013), H. 2, 359–373. – Vom Umgang mit Dissens und Kontroversen. Ein Forschungsbericht über das Projekt Arbeit an Begriffen. Zur Geschichte von Kontroversen in der Forschungsgruppe »POETIK UND HERMENEUTIK« (1966–1984), in: IASL 38 (2013), H. 2, 281–314. Sebastian Böhmer: »Maria Stuart als Drama der Schrift, in: Silke Henke / Nikolas Immer (Hg.), Schillers Schreiben, Weimar 2013, 41–54. – Die Leser von morgen. Typographie als Strategie der Leser-Konditionierung um 1800, in: TypoJournal, 2013, H. 4, Das Schriftschaffen im deutschsprachigen Raum, 16–22. – Goethe, schreibend, auf dem Brenner. Anmerkungen zu zwei Fassungen eines denkwürdigen Moments, in: Jochen Golz / Albert Meier / Edith Zehm (Hg.), Goethe-Jahrbuch 129 (2013), 13–20. Ulrich von Bülow: Tankred Dorst und Ursula Ehler, in: »du sagst immer, wir sind ein Gespräch«. Vorlassbesichtigung bei Ursula Ehler und Tankred Dorst, Marbach a. N. 2013, 59–83. – [zus. m. Dorit Krusche] Nachrichten an sich selbst. Der Zettelkasten von Hans Blumenberg, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013, 113–119. – [zus. m. Dorit Krusche] Vorläufiges zum Nachlass von Hans Blumenberg, in: Cornelius Bork (Hg.), Hans Blumenberg beobachtet. Wissenschaft, Technik und Philosophie, Freiburg, München, 2013, 273–288. – Beobachter oder Spieler? Literaturarchive im literarischen Feld, in: Text + Kritik. Sonderband: Zukunft der Literatur (2013), 141–147. – Der Autor im Selbstgespräch. Zur Entstehungsgeschichte des Romans »Brandung« von Martin Walser, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 57 (2013), 54–74. – The Philosopher’s Stone? Peter Handkes Spinoza-Lektüren in den Jahren 1980 und 1983, in: Erin McGlothlin / Jenniver Kapczynski / Michael Lützeler (Hg.), Gegenwartsliteratur. Ein germanistisches Jahrbuch 12 (2013), 91–112. Jan Bürger: Der Neckar. Eine literarische Reise, München 2013. – Nachwort, in: Bürger, Jan (Hg.), Georges-Arthur Goldschmidt: Die Schreibspanne. Hamburger Poetikvorlesungen 1995, Marbach a. N. 2013, 84–90. – Peter Rühmkorfs »Lyriden« oder »Gedanken aus Grühnkohl, Graupen und Kochwurst«, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013, 107–110 – Verdrängte Tierliebe. Warum das Jahr 1913 zur Lücke in Gottfried Benns Lebenslauf wurde, in: IASL 38 (2013), H. 2, 469–478 – Peter Suhrkamp, in: Barbara Stambolis (Hg.), Jugendbewegt geprägt, Göttingen 2013, 683–688. Gunilla Eschenbach: (Hg.), Rudolf Borchardt, Denkschrift an einen deutschen Verleger, Berlin, Leipzig 2013. – Der Nachlass Wilhelm von Scholz im Deutschen Literaturarchiv Marbach, in: Manfred Bosch / Siegmund Kopitzki (Hg.), Wettlauf mit dem Schatten. Der Fall (des) Wilhelm von Scholz, Konstanz, München 2013, 215–220. – Geschichte und Geschichtlichkeit in Stefan Georges Lyrik, in: Heinrich Detering / Peer Trilcke (Hg.), Geschichtslyrik. Ein Kompendium, Band 2, Göttingen 2013, 859–884. – Schaeffer, Albrecht. Elli oder Sieben Treppen, in: Gertrud-Maria Rösch (Hg.), Fakten und Fiktion. Weltlexikon deutschsprachiger Schlüsselliteratur 1900–2012, 2. Halbband, Heinrich Mann bis Zwerenz, Stuttgart 2013, 549–554. – Schröders Auseinandersetzung mit Anton Kippenberg und die Hintergründe der Vertragsauflösung 1938, in:
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Hans-Albrecht Koch (Hg.), Rudolf Alexander Schröder (1878–1962), Frankfurt a. M., 2013, 291–309. Heike Gfrereis: Anfangen, in: »du sagst immer, wir sind ein Gespräch«. Vorlassbesichtigung bei Ursula Ehler und Tankred Dorst, Marbach a. N. 2013, 9–10. – Vorwort, in: Der ganze Prozess. 33 Nahaufnahmen von Kafkas Manuskript, Marbach a. N. 2013, 5–8. – Zur Ausstellung, in: 1914. Literatur und Krieg, Marbach a. N. 2013, 47–70. – [zus. m. Ellen Strittmatter] Architektur, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013, 5–15. – [zus. m. Ellen Strittmatter] Die dritte Dimension. Ausgestellte Textualität bei Ernst Jünger und W. G. Sebald, in: Katerina Kroucheva / Barbara Schaff (Hg.), Kafkas Gabel. Interdisziplinäre und intermediale Aspekte von Literaturvermittlung, Bielefeld 2013, 25–52. – Geistermaschinen. Poetische Alben im Deutschen Literaturarchiv, in: Anke Kramer / Annegret Pelz (Hg.), Album. Organisationsform narrativer Kohärenz, Göttingen 2013, 74–88. – Heike Gfrereis / Dietmar Jaegle / Johannes Kempf / Friederike Knüpling / Ellen Strittmatter (Hg.), LSD. Der Briefwechsel von Albert Hofmann und Ernst Jünger 1947 bis 1997, Marbach a. N. 2013. – Nicht-Lesen. Die Entzauberung einer Vorstellung, in: Günter Figal (Hg.), Internationales Jahrbuch für Hermeneutik, Tübingen 2013, 5–14. – Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013. – [Rezension] Gfrereis, Heike, Fritz Franz Vogel, »Das Handbuch der Exponatik. Vom Ausstellen und Zeigen«, in: Geschichte der Germanistik 43/44 (2013). – Heike, Kafkas Mäuse, 2013, www.dla-marbach.de/dla/museum/ausstellungen/ wechselausstellungen/ausstellungstexte_online (23. 01. 2014). – [zus. m. Ellen Strittmatter] Finden 1913, www.dla-marbach.de/dla/museum/ausstellungen/ wechselausstellungen/ausstellungstexte_online (23. 02. 2013). Nikola Herweg: Nikola Herweg / Harald Tausch (Hg.), Felix Hartlaub, Italienische Reise. Tagebuch einer Studienfahrt 1931, Berlin 2013. – [zus. m. Harald Tausch] Herweg, Nikola, »Langsames Aufleben der Farben« – Felix Hartlaubs Wanderung durch Oberitalien im Sommer 1931, in: Nikola Herweg / Harald Tausch (Hg.), Felix Hartlaub, Italienische Reise. Tagebuch einer Studienfahrt 1931, Berlin 2013. Dietmar Jaegle: Heike Gfrereis / Dietmar Jaegle / Johannes Kempf / Friederike Knüpling / Ellen Strittmatter (Hg.), LSD. Der Briefwechsel von Albert Hofmann und Ernst Jünger 1947 bis 1997, Marbach a. N. 2013. – [Teilverfasser] 1914. Literatur und Krieg, Marbach a. N. 2013. – William Shakespeare, in: Reclams Literaturkalender 2014, Ditzingen 2013, 33–35. – Georg Trakl, in: Reclams Literaturkalender 2014, Ditzingen 2013, 76–78. Caroline Jessen: Das problematische Bild der geretteten Kultur. Büchersammlungen deutsch-jüdischer Einwanderer in Israel, in: José Brunner (Hg.), Deutsche(s) in Palästina und Israel. Alltag, Kultur, Politik, Göttingen 2013. – Der Kanon im Archiv. Chancen und Herausforderungen für die Bewahrung und Erforschung von Nachlässen deutsch-jüdischer Autoren und Gelehrter in Israel, in: Yfaat Weiss (Hg.), Naharaim. Zeitschrift für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte 7 (2013), 202–216. – Spuren deutsch-jüdischer Geschichte. Erschließung und Erforschung von Nachlässen und Sammlungen in Israel, in: Landesarchiv Nordrhein-Westfahlen / Verband deut-
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scher Archivarinnen und Archivare e. V. (Hg.), Archivar. Zeitschrift für Archivwesen 66 (2013), 328–333. Roland S. Kamzelak: (Hg.), Der kleine Mann und andere kleine Geschichten, edition. eliber.de (Kindle Edition, ASIN B00EJDQRN8), 2013. – Harry Graf Kesslers Weltreisealbum 1891/1892, 6 Bände, edition.eliber.de (Kindle Edition, ASIN B00EX9MH82), 2013. – Arbeiten für die Ewigkeit. Editionen aus Sicht eines Archivs, in: Gesa Dane / Jörg Jungmayr / Marcus Schotte (Hg.), Im Dickicht der Texte. Editionswissenschaft als interdisziplinäre Grundlagenforschung, Berlin 2013, 37–50. – Digitalisierung in Literaturarchiven, in: Christine Grond-Rigler / Wolfgang Straub (Hg.), Literatur und Digitalisierung, Berlin, Boston 2013, 297–309. – Der Chronist und der Balkankrieg. Harry Graf Kesslers Aufzeichnungen 1913, in: IASL 38 (2013), H. 1, 207–222. Johannes Kempf: Heike Gfrereis / Dietmar Jaegle / Johannes Kempf / Friederike Knüpling / Ellen Strittmatter (Hg.), LSD. Der Briefwechsel von Albert Hofmann und Ernst Jünger 1947 bis 1997, Marbach a. N. 2013. – [zus. m. Heike Gfrereis und Martina Wolff] Vier Bausteine zu einem virtuellen Exilmuseum, in: Doerte Bischoff / Joachim Schlör (Hg.), Dinge des Exils, München 2013. Anna Kinder: Geldströme. Ökonomie im Romanwerk Thomas Manns, Berlin 2013. – Das Suhrkamp-Forschungskolleg am Deutschen Literaturarchiv Marbach. Archiv und Forschung im Dialog, in: Passim. Bulletin des Schweizerischen Literaturarchivs 13 (2013), 8–9. Jost Philipp Klenner: Kugelmensch. Percy Ernst Schramms politische Ikonologie, in: Hubert Lochner / Adriana Merkantonatos (Hg.), Reinhart Kosellek und die Politische Ikonologie, Berlin 2013, 84–95. – Schlagschatten, Betonbrücken und Fingerkreise, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013, 40–48. – [Rezension] Dorothea McEwan, Fritz Saxl – Eine Biografie, in: Geschichte der Germanistik (2013), H. 43/44, 160. Andreas Kozlik: Historische Heilkunde in historischen Mauern. Das Äskulap-InfoZentrum in Oberrot, in: Schwäbischer Heimatkalender 125 (2014), 75–77. Heinz Werner Kramski: [zus. m. Jürgen Enge und Tabea Lurk] Ordnungsstrukturen von der Floppy zur Festplatte. Zur Vereinnahmung komplexer digitaler Datensammlungen im Archivkontext, in: Matthias Horbach (Hg.), Informatik 2013. Informatik angepasst an Mensch, Organisation und Umwelt (GI Edition, Lecture Notes in Informatics 220), Bonn 2013, 520–535. Dorit Krusche: [zus. m. Ulrich von Bülow] Nachrichten an sich selbst. Der Zettelkasten von Hans Blumenberg, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013, 113–119. – [zus. m. Ulrich von Bülow] Vorläufiges zum Nachlass von Hans Blumenberg, in: Cornelius Bork (Hg.), Hans Blumenberg beobachtet. Wissenschaft, Technik und Philosophie, Freiburg, München, 2013, 273–288. Marcel Lepper: Peter-André Alt / Marcel Lepper / Ulrich Raulff (Hg.), Schiller, der Spieler, Göttingen 2013. – Marcel Lepper / Stephan Schlak (Hg.), Konservative Ästhetik. Themenheft der Zeitschrift für Ideengeschichte, München 2013. – [Rezension] Das Politische der Philologie, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 7 (2013), H. 4, 122–124. –
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Notizbücher: Prozessbegleitende Dokumentationen philologischer Arbeit, in: Zeitschrift für Germanistik N. F. 23 (2013), H. 2, 343–358. Herman Moens: [zus. m. Nicolai Riedel] Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 57 (2013), 406–584. Ulrich Raulff: Peter André / Marcel Lepper / Ulrich Raulff (Hg.), Schiller, der Spieler, Göttingen 2013. – Das Ende des Pferdezeitalters. Bericht von einer Energiewende. Vortrag vor der Schwäbischen Gesellschaft, 8. Oktober 2012, in: Schwäbische Gesellschaft. Schriftenreihe 70 (2013), 5 ff. – Der Wert des Originals. Bemerkungen über Konservatismus und das Kulturgut der Zukunft, in: Arsprototo 4 (2013), 72–74. – Henning Ritter. Anstelle eines Nachrufs, in: Marcel Lepper / Stephan Schalk (Hg.), Zeitschrift für Ideengeschichte VII (2013), H. 3, 58. – Wo es langgeht. Geistige Situationen zwischen Heidelberg und Frankfurt, in: Wolfert von Rahden / Andreas Urs Sommer (Hg.), Zeitschrift für Ideengeschichte VII (2013), H. 1, 65–80. Nicolai Riedel: [zus. m. Herman Moens] Marbacher Schiller-Bibliographie 2012, in: Wilfried Barner / Christine Lubkoll / Ernst Osterkamp / Ulrich Raulff (Hg.), Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 57 (2013), 406–584. Thomas Schmidt: (Hg.), Arnold Stadler, Erhart Kästners Haus in Staufen, Spuren 96, Marbach a. N. 2013. – (Hg.), Barbara Wiedemann, Balsac in Weinheim, Spuren 97, Marbach a. N. 2013. – (Hg.), Jürgen Egyptien, Friedrich Gundolf in Heidelberg, Spuren 98, Marbach a. N. 2013. – (Hg.), Tilman Venzl, Lotte Paepcke in Freiburg und Stegen, Spuren 99, Marbach a. N. 2013. – (Hg.), Günter Riederer, Sartre in Stammheim, Spuren 100, Marbach a. N. 2013. – Thomas Schmidt, Ästhetisches vs. physisches Spiel. Der Dichter Schiller und der Leibespädagoge GutsMuths als Konkurrenten, in: Peter-André Alt / Marcel Lepper / Ulrich Raulff (Hg.), Schiller, der Spieler, Göttingen 2013, 293– 279. – Schmidt, Thomas, »Wofür nur das alles?« Zur literarischen Shoa-Darstellung in der DDR, in: Günter Oesterle / Thomas Klinkert (Hg.), Gedächtnis und Katastrophe, Berlin 2013, 293–319. Ellen Strittmatter: Poetik des Phantasmas. Eine imaginationstheoretische Lektüre der Werke Hartmanns von Aue, Heidelberg 2013. – [zus. m. Heike Gfrereis] Architektur, in: Heike Gfrereis / Ellen Strittmatter (Hg.), Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Marbach a. N. 2013. – [zus. m. Heike Gfrereis] Die dritte Dimension. Ausgestellte Textualität bei Ernst Jünger und W. G. Sebald, in: Katerina Kroucheva / Barbara schaff (Hg.), Kafkas Gabel. Interdisziplinäre und intermediale Aspekte von Literaturvermittlung, Bielefeld 2013. – Inwendige Bilder. Die Imaginationsarchitektur der »Iwein«-Fresken auf der Burg Rodenegg, in: Elmar Locher / Hans Jürgen Scheuer (Hg.), Archäologie der Phantasie. Vom »Imaginationsraum Südtirol« zur longue durée einer »Kultur der Phantasmen« und ihrer Wiederkehr in der Kunst der Gegenwart, Innsbruck / Wien / Bozen 2012, 75–95. – [zus. m. Heike Gfrereis] Finden 1913, www.dla-marbach. de/dla/museum/ausstellungen/wechselausstellungen/ausstellungstexte_online (23. 02. 2013).
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Vorträge und Seminare Arno Barnert: Marbacher Erschließungsprojekte, Vortrag auf der Sommerschule des Forschungsverbundes Marbach – Weimar – Wolfenbüttel »Spuren lesen. Handschriftenedition in Theorie und Praxis« im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, 31. 07. 2013. – Soldatenliteratur. Die Truppenbüchereien der Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr, Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Fachinformationsunterstützung der Bundeswehr in der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn, 26. 11. 2013. Jutta Bendt: Über Andreas Maier, Vortrag im Rahmen der Begrüßung des neuen Stipendiaten der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung in Calw, 22. 06. 2012. – Über Jochen Schimmang, Vortrag im Rahmen der Begrüßung des neuen Stipendiaten der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung in Calw, 08. 10. 2013. Petra Boden: Literatur(wissenschaft) und Aufmerksamkeit(sökonomie), Seminarsitzung im Rahmen der »Marbacher Internationalen Sommerschule« im DLA Marbach, 29. 07. 2013. Ulrich von Bülow: [zus. m. Birgit Dahlke und Sabine Wolf] Podiumsdiskussion zum Abschluss der Tagung »DDR-Literatur. Eine Archivexpedition« an der Akademie der Künste Berlin, 12. 04. 2013. – Vom Manuskript zum Buch. Der Weg des Textes vom Autor zum Buch. Nachlasserschließung und Edition, Podiumsgespräch mit Anne Baillot, Konrad Heumann, Wolfgang Lukas und Jutta Weber im Rahmen der Tagung der KOOP-LITERA in Dortmund, 23. 05. 2013. – Das Hand-Werk des Denkens. Zum Nachlass von Martin Heidegger, Vortrag im Rahmen der Konferenz »Heideggers Esoterik? Zum Verhältnis von Philosophie und Öffentlichkeit« an der Bergischen Universität Wuppertal, 25. 05. 3013. – Papiere von Übersetzerinnen und Übersetzern im Deutschen Literaturarchiv Marbach, Vortrag im Rahmen des Zweiten Germersheimer Symposiums Übersetzen und Literatur »Übersetzer als Entdecker« in Germersheim, 08. 06. 2013. – Zwischen Politik und Natur. Karl Löwiths Philosophie des Exils, Vortrag im Rahmen des Kolloqiums »Marburger Hermeneutik – Leo Strauss im Kontext« im Karl-Jaspers-Haus an der Universität Oldenburg, 28. 06. 2013. – Quellenkunde, Seminar im Rahmen der 6. Internationalen Marbacher Sommerschule »Literatur – Markt – Macht« am DLA Marbach, 25. 07. 2013. – Zur Morphogenese und Interpretation von Nachlässen, Vortrag im Rahmen der Tagung »Nachlassbewusstsein – Literatur, Archiv, Philologie« am DLA Marbach, 05. 09. 2013. – Erschließen, ohne zu entschlüsseln. Franz Kafka im Archiv, Vortrag im Rahmen der Tagung »Weltautor Kafka« am DLA Marbach, 08. 11. 2013. – [zus. m. Manfred Frank und Barbara Wahlster] Podiumsgespräch über Ernst Bloch im Rahmen der Ausstellung »Blochs Überschreitungen (Suhrkamp Insel 11)« in Marbach a. N., 05. 12. 2013. – Die Ritter-Schule im Archiv, Einführung und Vortrag im Rahmen der Tagung »Entzweiung und Kompensation. Die Aktualität Joachim Ritters und seiner Schüler« am DLA Marbach, 05.–06. 12. 2013. Jan Bürger: Zeitkapsel. Joseph Roths erster Exilroman »Tarabas«, DLA Marbach, 16. 01. 2013. – Einführungsvortrag in die Sammlungen des DLA, Universität Tübingen, 29. 01. 2013. – Kierkegaard und die Gegenwartsliteratur, Vortrag im Rahmen der Tagung »Sokratische Ortlosigkeit. Kierkegaards Idee des religiösen Schriftstellers«, im Max-
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Weber-Kollegs Erfurt, 14. bis 16. 02. 2013. – Drei Briefe von Gottfried Benn und Theodor W. Adorno, Vortrag im Rahmen des Jahrestreffens der Gottfried-Benn-Gesellschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 27. 04. 2013. – Nachlässe jüdischer Autorinnen und Autoren in Marbach. Eine materielle Grundlage für die Forschungskooperation in Israel, Vortrag im Rahmen der Tagung »Traces and Treasures. Preserving and Exploring German-Jewish Collections in Israeli Archives« an der Hebrew University of Jerusalem, 23. – 24. 06. 2013. – [zus. m. Jasmin Hambsch] »Cut up!« Wie Carl Weissner und Jörg Fauser die Pop-Literatur entdeckten, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreiche »Zeitkapsel« am DLA Marbach, 25. 09. 2013. – »Wär’s nicht schon so oft getan, wär’s nicht so gut« – zur Bedeutung Brechts für Peter Rühmkorf, im Rahmen der Tagung »›Was nachher so schön fliegt …‹. Peter Rühmkorf – Lyrik« im DLA Marbach, 31. 10. bis 2. 11. 2013. – [zus. m. Ulrich Greiner und Siegfried Kernen] »Dänemark ist ein toter Eierkuchen«. Unbekannte Botschaften von Hans Henny Jahnn aus der Emigration, Veranstaltung im Rahmen der Freien Akademie der Künste in Hamburg, 09. 12. 2013. – Der Nektar. Eine literarische Reise, Buchvorstellung im Literaturhaus Stuttgart am 26. 03. 2013, Buchhandlung Aigner in Ludwigsburg am 16. 04. 2013, Bücherfest in Tübingen am 08. 06. 2013, Landesschau »Kultour« im SWR Fernsehen am 18. 08. 2013, »Sonntag Abend« im SWR Fernsehen am 15. 09. 2013, Landesvertretung BW in Berlin am 15. 10.2013, Museum für Literatur am Oberrhein in Karlsruhe am 19. 11. 2013, Kulturbüro Konstanz am 21. 11. 2013, Botnanger Buchladen in Stuttgart am 22. 11. 2013. Janet Dilger: KarriereTalk, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe »KarriereTalk« der Hochschule der Medien Stuttgart in Kooperation mit dem Berufsverband Information Bibliothek, 04. 06. 2013. Frank Druffner: Dichter im Krieg. Bilder und Texte, Vortrag im Gemeindezentrum der Stuttgarter Gedächtniskirche, 18. 03. 2013. – [zus. m. Rosemarie Kutschis] Sitzt der Frack diesmal besser? Erich Kästners Fotonachlass, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Zeitkapsel« am DLA Marbach, 10. 06. 2013. – Dichter in Uniform, Vortrag im Rahmen der German Studies Association Conference in Denver, 06. 10. 2013. – Max Beckmann Paints a Poet in 1935. The Intellectual and Artistic Atmosphere in Early Nazi Berlin, Vortrag am Mildred Lane Kemper Art Museum in St. Louis, 08. 10. 2013. Gunilla Eschenbach: »Jüdisch, römisch und deutsch zugleich«. Karl Wolfskehl, Vortrag im Rahmen der Reihe »Literarisches am Sonntagnachmittag« der katholischen Akademie Freiburg, 10. 03. 2013. – Rudolf Borchardts »Denkschrift an einen deutschen Verleger«, Seminar im Rahmen der 6. Internationalen Sommerschule Marbach »Literatur – Markt – Macht«, 23.–24. 07. 2013. – Verlagspolitik des InselVerlags 1906–1923, Seminar im Rahmen des Instituts Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2013. – Dichterische Prädikationen der letzten Dinge und die Rolle der Musik in den »Höllen- und Himmelsliedern« (1651) von Rist/Scheidemann, Vortrag im Rahmen der Tagung »Der Katharinenorganist Heinrich Scheidemann und der Kantor Thomas Selle« im Museum für Hamburgische Geschichte, 06. 09. 2013.
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Steffen Fritz: [zus. m. Jochen Walter] Introducing The Deutsche Literaturarchiv Marbach And Ist Works On (Early) German Netliterature, Vortrag im Rahmen des »Web Archiving Meeting 2013« in Innsbruck, 20. 09. 2013. Heike Gfrereis: [zus. m. Ellen Strittmatter] Literatur im Exil, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Wintersemester 2012/2013. – Wie stellt man Literatur aus?, Seminar »Gegenwartsliteratur« des Goethe-Instituts im Rahmen der Leipziger Buchmesse, 13. 03. 2013. – Buch, Blatt, Buchstabe oder Was sieht man im Literaturarchiv? Ein Erfahrungsbericht aus dem Forschungsprojekt »Archiv – Exponat – Evidenz, Vortrag im Rahmen des Forums literarischer Museen am Moskauer Institut für Sozial- und Kulturprogramme, 18. 04. 2013. – [zus. m. Friederike Knüpling] LSD. Der Briefwechsel von Ernst Jünger und Albert Hoffmann, Gespräch mit Michael Klett und Jörg Magenau im Rahmen des DLA Marbach, 16. 07. 2013. – Lyrik, Epos, Drama. Gibt es Gattungen des Literaturausstellens?, Vortrag am Dartmouth College in Hannover, 02. 10. 2013. – Den Ersten Weltkrieg ausstellen, Vortrag im Rahmen der Annual Conference der German Speakers Association in Denver, 06. 10. 2013. – Closeness. Materiality in Storytelling, Podiumsgespräch mit Vincent Barletta, Annie Correal und Jonah Willihnganz an der Stanford University, 08. 10. 2013. – Near reading: Kafka’s »The Trial« manuscript, Workshop mit Hans Gumbrecht an der Stanford University, 09. 10. 2013. – Kafka zeigen oder: Was liest man, wenn man sieht? Fallbeispiel aus den Marbacher Literaturmuseen, Vortrag im Rahmen der Tagung »Text und Materialität« in Weimar, 15. 11. 2013, und am Dartmouth College in Hannover, 02. 10. 2013 und am Smith College in Northhampton, 03. 10. 2013. – [zus. m. Ellen Strittmatter] Heidegger lesen, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2013. – Kafkas Prozess. Seite für Seite, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Wintersemester 2013/2014. Magdalena Hack: Der Besuch der alten Dame. Rache oder Gerechtigkeit?, Vortrag im Rahmen des Sternchenthemenfestivals des Theaters Baden-Baden, 22. 02. 2013. – Der Besuch der alten Dame. Rache oder Gerechtigkeit?, Vortrag am Schillergymnasium Heidenheim, 14. 03. 2013. Jasmin Hambsch: [zus. m. Jan Bürger] »Cut up!« Wie Carl Weissner und Jörg Fauser die Pop-Literatur entdeckten, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreiche »Zeitkapsel« am DLA Marbach, 25. 09. 2013. Nikola Herweg: [zus. m. Caroline Jessen] Ben-Chorins Rezensionsbuch »Kritiken über mich«, »Zeitkapsel« im Rahmen der Tagung »Dinge des Exils« der Gesellschaft für Exilforschung an der Universität Hamburg, 23. 03. 2013. – Ad fontes. Arbeiten mit Quellen am Beispiel der Bestände des Deutschen Literaturarchivs Marbach, Vortrag an der Keio Univerity Tokyo, 11. 06. 2013. – Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Sammeln, Ausstellen, Forschen, Vortrag an der Universität Kyoto, 19. 05. 2013. – Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Sammeln, Ausstellen, Forschen, Vortrag an der Gakushuin University Tokyo, 24. 04. 2013. – [zus. m. Nicolas Hodges und Christian Wolff] Nach dem »jüngsten Tag«. Helen und Kurt Wolff und ihre Verlage, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreiche »Zeitkapsel« am DLA Marbach, 29. 10. 2013.
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Christoph Hilse: Das »bombensichere Liegeplätzchen« – Der Nachlass von Peter Rühmkorf im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Ein Werkstattbericht, im Rahmen der Tagung »›Was nacher so schön fliegt …‹. Peter Rühmkorf – Lyrik« im DLA Marbach, 31. 10. bis 2. 11. 2013. Dietmar Jaegle: Wortkünstler, Liebesentdeckungen, Vortrag im Rahmen der Tagung »Die große Liebe« an der Evangelischen Akademie Baden in Bad Herrenalb, 06. 07. 2013. Caroline Jessen: [zus. m. Nicola Herweg] Ben-Chorins Rezensionsbuch »Kritiken über mich«, »Zeitkapsel« im Rahmen der Tagung »Dinge des Exils« der Gesellschaft für Exilforschung an der Universität Hamburg, 23. 03. 2013. – Der Kanon im Archiv, Vortrag im Rahmen der Tagung »Traces und treasures. Preserving and Exploring German-Jewish Archives in Israeli Collections« an der Hebrew University of Jerusalem, 24. 06. 2013. Roland S. Kamzelak: Was macht das Referat Editionen im Deutschen Literaturarchiv Marbach?, Vortrag im Rahmen der VdB-Fortbildungsveranstaltungen in Marbach a. N., 16. 07. 2013. – Wie nimmt Harry Graf Kessler die emphatische Moderne wahr?, Vortrag im Rahmen der dritten Forschungskonferenz »Grenzenlose Moderne« an der Villa Vigoni vom 24.–28. 07. 2013, 24. 07. 2013. – Harry Graf Kesslers Weltreisealbum 1891/1892, Vortrag im Rahmen der dritten Forschungskonferenz »Grenzenlose Moderne« an der Villa Vigoni vom 24.–28. 07. 2013, 25. 07. 2013. – Wo steht das Haltbarkeitsdatum bei Editionen?, Vortrag im Rahmen der Weimarer Sommerschule »Editionsphilologie«, 01. 08. 2013. – Gedichte des 20. Jahrhunderts, Seminar an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Sommersemester 2013. – Geschichte der Editorik, Seminar an der Universität Würzburg, Sommersemester 2013. Johannes Kempf: »Exil« im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Das pädagogische Angebot für Schulklassen, Vortrag im Rahmen der Lehrerfortbildung »Gedenken lässt sich nicht verordnen« der Weiße-Rose-Stiftung e. V. in Zusammenarbeit mit der Bayrischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 22. 10. 2013. Anna Kinder: Autor und Archiv, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2013. – [zus. m. Sandra Richter und Liliane Weissberg] Konzeption und Leitung der 6. Internationalen Marbacher Sommerschule »Literatur – Markt – Macht«, Juli/August 2013. – Close Reading: Geschichte, Methode, Potential, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Wintersemester 2013/2014. Jost Philipp Klenner: Zwischen Land und Meer. Das englische Königtum im 17. Jahrhundert im Spiegel der Ikonographie (im Anschluss an Warburg und Schmitt), Vortrag im Rahmen der Tagung »Carl Schmitt und die Literatur seiner Zeit« im DLA in Marbach a. N., 05. 07. 2013. – Kantorowicz und Warburg sowie Dionysos in Princeton?, Vortrag und Gespräch im Rahmen der Tagung »Mythen, Körper, Bilder. Ernst Kantorowicz zwischen Historismus, Emigration und Erneuerung der Geisteswissenschaften« an der Leuphana Universität Lüneburg und im Gutshaus Gartow, 06. 11. 2013. Heinz Werner Kramski: Neue Probleme digitaler Nachlässe am Beispiel Friedrich Kittler, Vortrag im Rahmen der Tagung »KOOP-LITERA Österreich 2013«, 25. 04. 2013. –
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[zus. m. Jürgen Enge] Ordnungsstrukturen von der Floppy zur Festplatte. Zur Vereinnahmung komplexer digitaler Datensammlungen im Archivkontext, Vortrag auf dem Nestor-Tagesworkshops »Digitale Langzeitarchivierung – Herausforderung bei der Übernahme, Aufbewahrung und Archivierung digitaler Objekte« im Rahmen der Tagung »Informatik 2013«, 20. 11. 2013. – Digitale Nachlässe im DLA, Vortrag auf dem 9. Nationalen Aktionstag für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes, 19. 10. 2013. – Wenn Schiller die Räuber mit Wordstar geschrieben hätte – digitale Langzeitarchivierung am Deutschen Literaturarchiv Marbach, Vortrag in der Stadtbibliothek Stuttgart, 14. 11. 2013. Marcel Lepper: Die asymmetrische Struktur von Sammlungsgeschichte und literaturwissenschaftlicher Archivforschung, Eröffnungsvortrag im Rahmen der Tagung »Hinterlassenschaften. Nachlässe des 19. und 20. Jahrhunderts in den Literaturarchiven. Aktuelle Probleme und Perspektiven« an der Universität Salzburg, 28. 02. 2013. – Publishing History and Access to Archives, Vortrag und Posdiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz »Disporic Literary Archives. The Stakes of Public/Private Ownership« an der University of Reading / IMEC, Abbaye d’Ardenne, 30. 05. 2013. – Lesebeschleunigung und Schreibbeschleunigung in den Geisteswissenschaften. Evaluative Rhetorik und methodische Regulierung, Vortrag im Rahmen der Tagung »Schreiben in den Geisteswissenschaften« an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld, 26. 09. 2013. – Philologische Redlichkeit. Tugend und Tugendpolitik, Vortrag im Rahmen der Tagung »Epistemische Tugenden« an der Universität Zürich, 18. 10. 2013. – Big Data, Global Village? Franco Moretti and Emily Apter on World Literature, Vortrag am Centre for Modern European Literature an der University of Kent, Canterbury, 05. 11. 2013. – Politik der Unordnung? Archive im 21. Jahrhundert, Vortrag an der Universität Trier, 06. 12. 2013. Lydia Christine Michel: Tradition und »Marktlage«. Peter Rühmkorfs Selbstinszenierung als Dichter, Vortrag im Rahmen der Tagung »›Was nachher so schön fliegt …‹. Peter Rühmkorf – Lyrik« im DLA Marbach, 31. 10.–02. 11. 2013. Anais Ott: Massenentsäuerung im Deutschen Literaturarchiv Marbach, Vortrag im Rahmen des »9. Nationalen Aktionstags für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts 2013«, 19. 10. 2013. Ulrich Raulff: Stile und Praktiken im Ausstellen von Literatur, Vortrag im Rahmen des Kolloqiums »Szenografie in Ausstellungen und Museen. Aussichten zur Öffnung des Unverhofften« in der DASA Dortmund, 24. 01. 2013. – Die Textur des Lebens, Vortrag im Rahmen des Kolloqiums anlässlich des 90. Geburtstages von Prof. Dr. Christian Farenholz in der Hamburger City Nord, 27. 02. 2013. – Der Kopf des Kurators. Forschung an kulturhistorischen Museen, Vortrag im Rahmen des Statussymposiums der Volkswagen-Stiftung in Bremen, 07. 04. 2013. – Germanistik und Karriere?, Vortrag und Diskussion im Rahmen des Kolloqiums »Nach der Theorie, jenseits von Bologna, am Ende der Exzellenz? Perspektiven der Germanistik im 21. Jahrhundert« auf Schloss Herrenhausen Hannover vom 04.–06. 04. 2013, 05. 04. 2013. – The end of the equestrian era, Vortrag im Bard College New York, 15. 04. 2013. – Der lange Abspann. Das Ende des Pferdezeitalters, Vortrag im Stadthaus Ulm, 25. 04. 2013. – Zwi-
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schen Stall und Studium. Cottas Taschenbuch für Pferdeliebhaber (1792–1802), Vortrag im Rahmen der Cotta-Tagung am DLA Marbach, 11. 05. 2013. – Was zum Forschen übrig blieb. Vorlass, Nachlass und Archiv, Vortrag vor der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte im DLA Marbach, 07. 06. 2013. – Zur Archivierung der Literatur, Vortrag im Rahmen des Karlsruher Forums für Kultur, Recht und Technik »Interdisziplinäre Tagung: Kulturverlust durch Gedächtniszersetzung? Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter«, 24. 10. 2013. – Der zweite Satz, Laudatio auf Berthold Leibinger im Rahmen der Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin, 16. 11. 2013. – Einführende Worte anlässlich der Feierstunde zum 25-jährigen Bestehen der Kulturstiftung der Länder, Ansprache im Rahmen der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin, 29. 11. 2013. Karin Schmidgall: Wohin entwickelt sich die Gemeinsame Normdatei?, Podiumsdiskussion auf dem »Normdatenanwendertreffen« im Rahmen des »5. Kongresses der Bibliothek & Information Deutschland«, 12. 03. 2013. – Kopienlieferung aus elektronischen Zeitschriften. Die Lösung des SWB, Vortrag im Rahmen des »4. Erfahrungsaustausch überregionaler Leihverkehr 2013«, 29. 10. 2013. Thomas Schmidt: Von der Spur zum Druck. Bibliophile Editionspraxis, Übung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Wintersemester 2012/2013. – Athletentugend. Hölderlin und die Leibesübungen, Vortrag im Museum im Klosterhof in Lauffen a. N., 22. 03. 2013. – Konkurrenz. Digitale Medien im Literaturmuseum, Vortrag im Rahmen der Arbeitstagung des Museumsverbands Baden-Württemberg e. V. »Museen auf der Suche nach medialen Vermittlungswegen« in Sulz a. N., 12. 04. 2013. – Gewagtes Doppel. Zwei Jahrhundertbiografien in einem Raum, Vortrag zur Eröffnung der literarischen Dauerausstellung »Huchel und Kästner in Staufen« in Staufen i. Br., 27. 04. 2013. – Ergebnisse des Fachbeirats Kulturelle Bildung, Impulsreferat im Rahmen des 2. Literaturdialogs des MWK im Museum für Literatur am Oberrhein in Karlsruhe, 13. 06. 2013. – Der authentische literarische Ort als museologisches Problem, Vortrag bei der Karl-Jaspers-Gesellschaft e. V. an der Universität Oldenburg, 18. 06. 2013. – Grußwort, Zur Einrichtung des »Literarischen Salons« im Stubenhaus als Kooperation von Badischer Zeitung, SWR Freiburg und Arbeitsstelle für literarische Museen in Staufen i. Br., 13. 07. 2013. – Zwischen Ulrichstein und Schweizerhof. Zum Problem des literarischen Erinnerungsortes mit Blick auf Nürtingen, Vortrag im Stadtmuseum Nürtingen, 15. 07. 2013. – Eislaufapostel, Meisterschwimmer, Extremwanderer. Wie die Literatur dem Sport auf die Beine half (und welchen Preis die Kultur dafür bezahlte), Festvortrag zum Jubiläum »10 Jahre Deutsche Arbeitsgemeinschaft von Sportmuseen, Sportarchiven und Sportsammlungen e. V.« und »20 Jahre Institut für Sportgeschichte BadenWürttemberg e. V.« in Maulbronn, 25. 10. 2013. – Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur, Vortrag im Rahmen der Eröffnung der gleichnamigen Wanderausstellung im Theodor Heuss-Museum in Brackenheim, 31. 01. 2013. – Grußwort, Zur Eröffnung der Wanderausstellung »Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur« beim SWR Freiburg, 04. 11. 2013. – Grußwort, Zur Vorstellung des 100. Spuren-Heftes »Sartre in Stammheim« im DLA Marbach, 20. 11. 2013. – Grußwort, Zur Tagung »Das Blaue Band. Hermann Kurz zum 200. Geburtstag« in Reutlingen,
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29. 11. 2013. – Grußwort, Zur Einweihung der neuen Daueraustellung im WilhelmHauff-Museum in Lichtenstein-Honau, 29. 11. 2013. – Grußwort, Zur Eröffnung der Wanderausstellung »Der schreibende Präsident. Theodor Heuss und die Literatur« in Langenbeutingen, 15. 12. 2013. Ellen Strittmatter: [zus. m. Heike Gfrereis] Literatur im Exil, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Wintersemester 2012/2013. – Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, Gespräch mit Denis Scheck am DLA Marbach, 05. 06. 2013. – [zus. m. Heike Gfrereis] Heidegger lesen, Seminar am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Stuttgart, Sommersemester 2013. Jochen Walter: [zus. m. Steffen Fritz] Introducing The Deutsche Literaturarchiv Marbach And Its Works On (Early) German Netliterature, Vortrag im Rahmen des »Web Archiving Meeting 2013« in Innsbruck, 20. 09. 2013.
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anschriften der jahrbuch-mitarbeiter Prof. Dr. Ulf Abraham, An der Universität 5, 96049 Bamberg Hans R. Bambey, Heinrich-Hertz-Str. 13, 53177 Bonn – Bad Godesberg Ines Barner, M. A., Internationales Kolleg Morphomata: Genese, Dynamik und Medialität kultureller Figurationen, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln Prof. Dr. Dr. hc. Wilfried Barner, Seminar für Deutsche Philologie, Georg-AugustUniversität, Käthe-Hamburger-Weg 3, 37073 Göttingen Dr. Arno Barnert, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Dr. Hermann Bernauer, c.p.503, 6702 Claro, Schweiz Dr. Simone Costagli, Dipartimento di Scienze Umane, Università di Ferrara, Via del Paradiso 12, 44121 Ferrara, Italien PD Dr. Mark-Georg Dehrmann, Leibniz Universität Hannover, Deutsches Seminar, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover Maurice Gourdault-Montagne, c/o Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht, Department of Comparative Literarure, Stanford University, Building 260 / Pigott Hall, Stanford, CA 94305, USA Dr. Jasmin Hambsch, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Prof. Dr. Wilhelm Hemecker, Prechtlgasse 1 / 6, 1090 Wien, Österreich Dr. Wiebke Hoheisel, Studienrätin für die Fächer Deutsch und Geschichte an der Europaschule Theodor-Heuss-Gymnasium Göttingen und Ausbilderin für das Fach Deutsch am Studienseminar Göttingen für das Lehramt an Gymnasien, Am Sölenborn 5, 37085 Göttingen Prof. Dr. Peter Horwath, Arizona State University, School of International Letters and Cultures, P. O. Box 870202, Tempe, AZ 85287-0202, USA Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart, Humboldt-Universität zu Berlin, Vizepräsident für Studium und Internationales, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Marc Klesse, M. A., Universität Würzburg, Institut für deutsche Philologie, Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte, Am Hubland, 97074 Würzburg Michael Krüger, Gellertstrasse 10, 81925 München Prof. Dr. Helmut Lethen, IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstr. 17, 1010 Wien, Österreich Prof. Dr. Eckart Liebau, Institut für Pädagogik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bismarckstr. 1, 91054 Erlangen Dr. Dieter Liewerscheidt, Bleichgrabenstraße 46, 41063 Mönchengladbach Prof. Dr. Christine Lubkoll, Institut für Germanistik, Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bismarckstr. 1b, 91054 Erlangen
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Ijoma Mangold, c/o Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Herman Moens, lic. phil. ger., Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar PD Dr. Alexander Nebrig, Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin David Österle, M. A., Hahngasse 28 / Tür 7, 1090 Wien, Österreich Prof. Dr. Ernst Osterkamp, Institut für Deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Prof. Dr. Ulrich Ott, Westendstraße 11, 78337 Öhningen Nick Picard, British Embassy Berlin, Wilhelmstraße 70, 10117 Berlin Prof. Dr. Ulrich Raulff, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Dr. Nicolai Riedel, Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar Juniorprof. Dr. Benjamin Specht, Universität Stuttgart, Institut für Literaturwissenschaft, Postfach 10 60 37, 70049 Stuttgart Dr. Carlos Spoerhase, Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin Prof. Dr. Peter Sprengel, Freie Universität Berlin, Institut für deutsche und niederländische Philologie, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin Prof. Dr. Dirk von Petersdorff, Institut für Germanistische Literaturwissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Fürstengraben 18, 07737 Jena PD Dr. Volkhard Wels, SFB 980 Episteme in Bewegung, Freie Universität Berlin, Schwendenerstr. 8, 14195 Berlin Univ.-Prof. Dr. Norbert Christian Wolf, Fachbereich Germanistik, Neuere deutsche Literatur, Universität Salzburg, Erzabt-Klotz-Str. 1, 5020 Salzburg, Österreich Juniorprof. Dr. Evi Zemanek, Juniorprofessorin f. NDL / Intermedialität, Deutsches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Platz der Universität 3, 79098 Freiburg
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zum frontispiz Das diesjährige Frontispiz begleitet den Bericht von Arno Barnert: »Sammelbehälter der Moderne. Buchattrappen und Scheinbücher im Deutschen Literaturarchiv Marbach«.
internet Aktuelle Informationen zur Deutschen Schillergesellschaft, zum Schiller-Nationalmuseum, zum Literaturmuseum der Moderne und zum Deutschen Literaturarchiv sind zu finden unter der Adresse http://www.dla-marbach.de.
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impressum JAHRBUCH DER DEUTSCHEN SCHILLERGESELLSCHAFT INTERNATIONALES ORGAN FÜR NEUERE DEUTSCHE LITERATUR Das Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft ist ein literaturwissenschaftliches Periodikum, das vorwiegend Beiträge zur deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart veröffentlicht. Diese Eingrenzung entspricht den Sammelgebieten des Deutschen Literaturarchivs Marbach, das von der Deutschen Schillergesellschaft e. V. getragen wird. Arbeiten zu Schiller sind besonders willkommen, bilden aber naturgemäß nur einen Teil des Spektrums. Weitere Gebiete, denen ein verstärktes Interesse gilt, sind die Geschichte der Germanistik (der sich auch eine Marbacher Arbeitsstelle widmet) und die deutschsprachige Literatur seit 1945. Darüber hinaus ist es ein Ziel des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft, wichtige unveröffentlichte ›Texte und Dokumente‹ zu publizieren. Außerdem werden regelmäßig Diskussionen über aktuelle Probleme der Literaturwissenschaft und der Literaturbeschäftigung geführt sowie – vom Jahrgang 2000 an – eine jährliche Bibliographie zu Schiller geboten, die die bisher im vierjährigen Turnus erschienene ersetzt. Herausgeber Prof. Dr. Dr. h. c. Wilfried Barner, Universität Göttingen, Seminar für deutsche Philologie, Käte-Hamburger-Weg 3, 37073 Göttingen – Prof. Dr. Christine Lubkoll, Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Germanistik, Bismarckstraße 1 B, 91054 Erlangen – Prof. Dr. Ernst Osterkamp, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur, Unter den Linden 6, 10099 Berlin – Prof. Dr. Ulrich Raulff, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8–10, Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar. Redaktion Dr. Jasmin Hambsch, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Schillerhöhe 8–10, 71672 Marbach am Neckar / Anschrift für Briefpost Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar / Tel. +49 (0)7144/848-406; Fax +49 (0)7144/848-490 / E-Mail [email protected] / Internet http://dlanserv.dla-marbach.de:81/veroeff/jahrb.html. Allgemeine Hinweise Redaktionsschluss für Jg. 59/2015: 1. Februar 2015 – Das Jahrbuch umfasst in der Regel ca. 500 bis 550 Seiten und erscheint jeweils zum 1. Dezember des laufenden Jahres – Das Jahrbuch ist zum Preis von € 29,95 über den Buchhandel zu beziehen, für Mitglieder der Deutschen Schillergesellschaft e. V. (Postfach 1162, 71666 Marbach am Neckar) ist – bei entsprechender Mitgliedsvariante – der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (weitere Exemplare können zum Preis von € 19,45 bei der Deutschen Schiller-
DOI: 10.1515/jdsg-2014-0001
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gesellschaft bezogen werden) – Alster Werkdruck-Papier von Geese, 100 % chlor- und säurefrei. Hinweise für Manuskript-Einsendungen Auszüge aus dem Merkblatt für die Mitarbeiter des Jahrbuchs der Deutschen Schillergesellschaft (kann bei der Redaktion angefordert werden): In das Jahrbuch werden nur Originalbeiträge aufgenommen, die nicht gleichzeitig anderen Organen des In- oder Auslandes angeboten werden. Für unaufgefordert Eingesandtes kann keine Haftung übernommen werden; eine Rücksendung erfolgt nur, wenn Rückporto beilag. Der Abdruck von Dissertationen oder Teilen von solchen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jeder Verfasser erhält 1 Belegexemplar seines Beitrags kostenlos (bei Diskussionsbeiträgern: 1 Belegexemplar des Diskussionsteils). Das Manuskript ist per E-Mail bzw. CD (Word-Format) einzureichen. Der Umfang des ausgedruckten Manuskripts sollte in der Regel bis zu 25 (maximal 30) ManuskriptSeiten (67.000 bis maximal 81.000 Zeichen) umfassen. Sind Abbildungen gewünscht, sollten die reprofähigen bzw. die digitalisierten Vorlagen (300 dpi), die Quellenangaben und Bildunterschriften sowie die Abdruckgenehmigungen bis Ende März in der Redaktion vorliegen (evtl. entstehende Kosten für Sonderwünsche und / oder für Rechte gehen zu Lasten des Beiträgers). Änderungen, vor allem bei Rechtschreibung, Interpunktion, Literaturangaben, Lesarten oder Abkürzungen, behält sich die Redaktion aus Gründen der Einheitlichkeit vor. Rechtliche Hinweise Mit Übernahme eines Beitrags zur Veröffentlichung durch die Herausgeber erwirbt der Verlag das ausschließliche Verlagsrecht und das alleinige Recht zur Vervielfältigung. Das Jahrbuch sowie alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Sämtliche Nutzungsrechte, insbesondere das Recht zur Übersetzung in fremde Sprachen, bleiben vorbehalten. Das Jahrbuch oder Teile davon dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags vervielfältigt oder verarbeitet werden.
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