173 42 18MB
German Pages 390 Year 1895
Jahrbücher
für die
deutsche
Armee und
Marine .
Verantwortlich geleitet
von
E. Schnackenburg
Oberstlieutenant a. D.
Sechsundneunzigster Band . Juli bis September 1895.
BERLIN W.8.
Verlag
von
A.
Bath .
Mohren-Strasse 19.
1895 . Pritd in Gorman
.
Inhalts - Verzeichnifs.
No. 286.
Seite
Heft 1. Juli.
V. Soldatenleben im 30jährigen Kriege. Von J. Baumann , Hauptmann. 1. Die Werbung VI. Ein Husarenstreich aus dem Feldzuge 1807 • VII. Das Remonte-Pferd der russischen Armee VIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen IX. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften · II. Bücher III. Seewesen IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher
No. 287.
Heft 2.
59 80
84 89 91 95
97 104 116 118
August.
X. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet . Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792-1814. Von Hans Fabricius , Oberstlieutenant a. D. (Fortsetzung) . XI . Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung der k. bayerischen Feld-Artillerie in unserem Jahrhundert, insbesondere deren Schiefsausbildung bis 1874. Von Speck , Generalmajor a. D. . • (Fortsetzung) XII. Festungsmanöver. Von H. Frobenius , Oberstlieutenant a. D. XIII. Das internationale Rote Kreuz, nach seiner Organisation und seinen jüngsten Leistungen im Auslande. XIV. Soldatenleben im 30jährigen Kriege. Von J. Baumann, Hauptmann. 2. Im Lager . XV. Betrachtungen über die Schiefsregeln der Feld-Artillerie, welche durch die Einführung der Schrapnels mit Doppelzünder als Hauptgeschofs veranlasst werden . XVI. Eine Marine-Rangliste aus dem Jahre 1850 XVII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen •
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1 358888
I. Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg im Jahre 1689. Ein Beitrag zur brandenburgischen Kriegsgeschichte nach urkundlichen bayerischen Quellen bearbeitet von Joseph Dauer , Premierlieutenant im k. b. 10. Inf. - Regt. Prinz Ludwig, k. z . Generalstab (Kriegs- Archiv) . (Schluſs) II. Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung der k . bayerischen Feld-Artillerie in unserem Jahrhundert, insbesondere deren Schiefsausbildung bis 1874. Von Speck, Generalmajor a. D. • III . Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps IV. Gustav Adolf II . als Krieger .
)
496296
121
146 180 203
218
223 232 234
XVIII. Umschau I. II. III. IV.
No. 288.
Heft 3.
Seite in der Militär-Litteratur: 236 Ausländische Zeitschriften Bücher 242 251 Seewesen Verzeichniss der zur Besprechung eingegangenen Bücher 254 September.
XIX. Der Parteigänger Friedrich von Hellwig und seine Streifzüge, im kriegsgeschichtlichen Zusammenhange betrachtet. Ein Beitrag zur Geschichte des kleinen Krieges in den Jahren 1792-1814 . Von Hans Fabricius , Oberstlieutenant a D. (Fortsetzung) XX. Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung der k. bayerischen Feld-Artillerie in unserem Jahrhundert, insbesondere deren Schiefsausbildung bis 1874. Von Speck, Generalmajor a. D. · (Schlufs) XXI. Festungsmanöver. Von H. Frobenius , Oberstlieutenant a. D. (Schlufs) XXII. Soldatenleben im 30jährigen Kriege. Von J. Baumann , Hauptmann. 3. Passauer Kunst . XXIII. Die Organisation des Militär-Fahrradwesens XXIV. Zur Geschichte des städtischen Kriegswesens der Mark Brandenburg im 16. Jahrhundert. Von E. Schnackenburg , Oberstlieutenant a. D... . . XXV. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen XXVI. Umschau auf militärtechnischem Gebiet. Von Joseph Schott , Major a. D.. XXVII. Umschau in der Militär-Litteratur : I. Ausländische Zeitschriften • II. Bücher . III. Seewesen IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher
255
275
301 324 327
337 340 343 362 368 381 382
I.
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg im Jahre 1689. Ein Beitrag zur brandenburgischen Kriegsgeschichte nach urkundlichen bayerischen Quellen bearbeitet von
Joseph Dauer, Premierlieutenant im k. b. 10. Inf.-Regt. Prinz Ludwig, k. z. Generalstab (Kriegs-Archiv). (Schlufs.)
Der Kurfürst hatte sich ursprünglich bereit erklärt, zum kaiserlichen Angriff 2000 Mann abzustellen, dann aber nur 500 Mann geschickt und durch ein scharfes Schreiben" erneut die Abstellung von 700 Mann aus Rheinberg gefordert. Behufs Deckung der Belagerung waren Sachsen und Bayern endlich dahin übereingekommen, dafs eine gemischte Abteilung von 5000 Mann unter dem General Rabutin bei Heidelberg stehen bleiben sollte, um nötigenfalls einem Entsatzheer entgegenzutreten ¹ ) . Dagegen war der Fürst von Waldeck wieder ungehalten, weil der Brandenburger so lange mit der Abschickung der neuerdings versprochenen Truppenhilfe zögerte 2). Der Herzog erkundete sogleich nach seiner Ankunft die Festung und beschlofs , den Angriff gegen das Hornwerk zu richten , welchem noch die Kontreskarpe ,
hinter
und die beiden Halbmonde Maria
und Brigitta nebst dem Stockenpfortenbollwerk zu überwinden waren. Gleich am ersten Abend ging er mit 1000 Kaiserlichen , ebensoviel Lüneburgern und den 500 Brandenburgern so nahe an das Hornwerk heran, daſs er fast bis an die Pallisaden kam³). Trotzdem arbeitete er fast drei Stunden , ehe die Franzosen den neuen Angriff bemerkten ,
¹) 342/8 317. - 2) 342/8 249. 3) Im gedruckten Tagebuch heifst es : „ Die Brandenburgische waren noch bis 300 Schritt von der Kontreskarpen, und eben in dergleichen Distantz haben die Kayserlichen diese Nacht vor dem Hornwerk auch Posto gefasset, worbey 4 todt und 15 blessirt worden . ... Den 27. des Nachts haben zwar die Kayserl. Arbeiter sehr avancirt, weil es aber ganz hell gewesen, und die Leute gantz frei gestanden, seynd in die 60 blessirt und 12-14 tot geblieben. Den 1. October des Nachts, hat man auf Kayserl. Seiten weiter vorwerts 2 Seiten-Linien gegen dem Hornwerk , und auch die halbe Paralel der Communications-Linie gezogen , und befunden sich nur bey 40 Schritt von dem Graben bey dem Hornwerk. " 1 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96, 1.
2
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
worauf sie ein lebhaftes Feuer eröffneten.
Im Gegensatz zu dem
brandenburgischen Angriff zeigte der kaiserliche bereits deutlich den Einfluss Vauban's : mehrere vor einander liegende, die angegriffenen Werke umfassenden Parallelen ¹ ) .
Am 28. September brach man aus
der ersten Parallele aus , am 2. Oktober waren die Spitzen des Angriffes nur mehr 40 Schritte vom Hornwerksgraben entfernt und wurden durch eine letzte Parallele verbunden . An Geschützstellungen entstand eine Batterie von vierzehn halben Karthaunen nahe dem Glacis, eine andere von acht Geschützen etwas weiter zurück am Weg zur Stockenpforte 2). Am 28. eröffneten die Kaiserlichen, bald darauf aus etwa 50 Geschützen³) die Brandenburger , Holländer und Münsterer das Feuer gegen die angegriffenen Werke , das in den nächsten Tagen lebhaft fortgesetzt wurde. Das Geschütz der Festung schwieg dagegen fast ganz, ebenso das Kleingewehr und man fürchtete sehr, dafs der Gegner seinen Vorrat an Pulver in Minen anlege, deren eine grofse Zahl vorhanden sein sollte 4). Die Besatzung zählte noch etwa 3000 Gesunde, von denen die Hälfte täglich auf Wache ziehen musste. An Kranken und Verwundeten befanden sich angeblich über 1500 in der Festung, der übrigens durch ein Weib eine grofse Menge von Heilmitteln zugeführt worden waren. Indessen herrschte auch im verbündeten Lager die Ruhr sehr stark und raffte viele Leute dahin.
Der branden-
burgische General Herzog von Holnstein starb. Die Verpflegung des immer gröfser werdenden Belagerungsheeres , 1) Die Angriffsarbeiten Lothringens und der Unterschied gegenüber denen des Brandenburgers kommen in dem beigegebenen Plan deutlich zum Ausdruck. Der bayerische Oberstuckhauptmann Koch nennt die Kayl . Attaque sehr regular , die Churbrandenhurgische aber etwas weitläufftiger". In dem , dem Werke Hennert's angefügten Plan „ gezeichnet und zusammengetragen von dem Verfasser" sind die Angriffsarbeiten offenbar nach unbestimmten Angaben und Vermutungen eingezeichnet. 2) Diese beiden Batterien verzeichnet auch der beigefügte Plan ; die erstere wird auch von Hennert , die letztere vom Theatr. Eur. erwähnt. Die öst . mil. Zeitschr. , welche im übrigen die Angaben betreffs der Geschützstellungen mit dem Theatr. Eur. gleichlautend giebt, läfst an Stelle der Batterie zu acht halben Karthaunen , eine Redoute für fünf halbe Karthaunen treten ; nach derselben begann auch das Feuer erst am 1. Oktober. 3) Das Theatr. Eur. und Hennert geben die Zahl der brandenburgischen Geschütze zu 30, die der münsterischen zu 20 an. Nach dem beigefügten Plan befanden sich in der Hauptgeschützstellung der Brandenburger 38 Stücke und 9 Mörser. Das gedruckte Diarium berichtet : „ Den 29. Mittag hat die Brandenburgische Batterie mit etliche und 20 Canonen zu schiessen angefangen. .... Den 1. October Morgens wurde von der Brandenburgischen , Münsterischen , auch von der Kayserl. Batterie, deren die erstere mit 30, die andere mit 20, und die dritte mit 8 halben Carthaunen besetzt, zu schiessen angefangen“. — 4) 342/8 321.
von Brandenburg im Jahre 1689.
3
namentlich der Reiterei, gestaltete sich von Tag zu Tag schwieriger. Die Beitreibungen nahmen eine immer rücksichtslosere Form an ; auch Kirchen und Klöster wurden nicht mehr verschont. " Man hat zwar bifshern mit denen rationen in natura vel pretio im Läger vor Bonn zuzuhalten sich eusserst beflissen, es scheint aber eine pure Unmöglichkeit zu seyn, darmit länger nachzusezen : und ist hingegen zwischen dem fouragiren unserer freünd , und dem feindlichen plündern kein Underschied , aufser dafs man die Häuser nicht abbrent , und das Landvolk nicht hinwegführt 1) ". „Mit dem fouragiren der Unserigen geht es so erbärmlich in disem Erzstifft her ,
das Clöster ,
adeliche
Häuser und ganze Dorffschaften keinen nagel an der Wand behalten. Von denen im läger stehenden Kayl. und Churbrandenb. Trouppen werden nun täglich 1600 malter rocken und 1600 bund stroh umb der fouragirung zu entgehen gefordert , so in 14 tagen zu gelt angeschlagen sich auf 41 720 Rchsth . belauffete , wormit aufs mangl credit in so kurzer Zeit nicht aufzukommen , viel weniger alle tag zuzuhalten. Wie es bey uns nach eroberung der Statt zugehen möge, weils Gott2)" . Während so die Kräfte des Landes durch das Heer der Verbündeten vollauf in Anspruch genommen wurden , verwüstete Boufflers, ohne dafs die Belagerungsarmee irgend etwas dagegen thun konnte, in unmittelbarster Nähe das trierische Gebiet auf die unerhörteste Weise.
Zuletzt hatte er die schöne kurfürstliche Residenz Wittlich
in Asche gelegt ,
die Mauern und Türme der Stadt Bernkastel ge-
schleift , Welschbillich , Pfalzl, Ehrang abgebrannt, dann kamen Malmedy und Stablo an die Reihe ,
und endlich erging auch von dem
französischen König der Befehl , die Hauptstadt Trier einzuäschern ³). Im trierischen Gebiet hatte der Feind , wie Max Emanuel an den Kaiser schreibt , so sehr die Oberhand, dafs man es gleichsamb alls defs feindts Land consideriren mues" und dort den Mordbrennern Einhalt zu thun ,
schien ihm ebensoviel
„alfs wen man mitten in
frankreich dafs prenen verhindern wolte , weillen der feindt innerhalb 24 Stundt das Land creüzweis einäschern khan4). Vor Bonn begannen die Franzosen jetzt bisweilen ein lebhaftes Musketenfeuer aus dem bedeckten Weg gegen den kaiserlichen Angriff, während die übrigen Teile der Einschliefsungslinie nur wenig belästigt
¹) 342/8 293. - 2) 342/8 348. Das gedruckte Diarium sagt : Die Landsstände hatten sich eingelassen , die Armee durchgehends mit Fourage an Stroh und Habern Portionsweise zu versehen , und selbsten zuzuführen , damit man nicht fouragiren dörffte ; weilen aber die Herren Land- Commissarii mit der versprochenen Fourage nicht aufkamen , hat man wieder zu fouragieren angefangen. " ³) 342/8 267 , 294, 348. — ¹ ) 342/8 310 . 1*
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III .
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wurden. Das Geschützfeuer blieb immer sehr sparsam. Wiederholt suchte der Befehlshaber der Festung Unterhandlungen anzuknüpfen , da dieselben aber aussichtslos blieben , so verbot der Kurfürst die Sendboten anzunehmen . Ein Trommler, der sich nicht abweisen liefs , wurde niedergeschossen ; diesem folgete ein Trompeter, so sich aber, wegen kurtz vor Augen gefafsten Exempels , bald wiederum zuruck begab. " Ein Überläufer meldete am 3. Oktober , „von Fleisch seye nichts mehr vorhanden, ausser was der Commendant habe, das übrige eingesaltzene Pferd- und anders Fleisch seye verzehrt oder verdorben, dahero täglich hundert Officier des Commendanten Kuchel besuchen , an Brodt aber noch kein Abgang seye , des Weins aber wenig , und verspahre der Commendant solchen bis auf weitere Noth .
Wegen
einer Capitulation seye noch nichts zu gedenken, indeme des Königs Ordre vermöge, sich bis auf den 2. Novembr. zu halten , und ehr nicht zu capitulieren “ . Am 5. Oktober begannen die Kaiserlichen an fünf Stellen zugleich mit der Sappe vorzugehen, wobei sie 1 Hauptmann und 20 Mann verloren.
Trotz
des heftigen Regenwetters machte die
Sappirung
ziemlich gute Fortschritte , man wandte dabei יeine sonderbare Invention von Woll - Säcken" an , welche durch den Holländischen General-Controleur dem Herrn Hertzog von Lothringen repräsentiert worden , und mittelst deren man nun gar sicher avanciren kunte" . Zur Bedeckung der Reiterwacht bei den Laufgräben wurde
eine
Schulterwehr aufgeführt ; die Circumvallations-Linie der Kaiserlichen war nahezu vollendet . In der Nacht vom 5. auf 6. stiefsen die holländischen und münsterischen Angriffswege auf dem Glacis zusammen ; gleichzeitig eröffnete eine neue Batterie von 10 Stücken das Feuer gegen das Hornwerk¹ ) . Die Verluste der Kaiserlichen betrugen dabei nur 20 Tote ; auf der münsterischen Seite wurde der Lieutenant Rochow erschossen . Am folgenden Tage war das Feuer des Belagerers besonders heftig. Die Kaiserlichen warfen mit Bomben und Karkassen in den Graben und die Waffenplätze des Hornwerks ; eine Bombe fiel in einen Vorrat von Handgranaten in einem Aufsenwerk nieder und rief grofse Bestürzung unter der Besatzung hervor ; mit den Annäherungswegen kam man auf der Süd- Seite bis an die obere Fahrgasse ") ; bei den Sappen wurden Logements gebaut ; von manchen Stellen des Lagers konnte man bereits bis auf den Markt sehen. Die Brandenburger bauten vor ihrer letzten Artilleriestellung eine neue Batterie von neun halben Karthaunen , um die Pallisaden auf der Kontreskarpe und den Aufsenwerken niederzulegen 3). ¹) ad 342/9 135. - ¹) 342/8 348. 3) Bericht Karg's 342/8 348. In dem beigegebenen Plan zählt die Batterie
von Brandenburg im Jahre 1689.
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Der Sturm war jetzt genügend vorbereitet.
Am 9. Oktober
sollte derselbe auf den drei Angriffsfeldern gleichzeitig unternommen werden , bei den Brandenburgern , Münsterern und Holländern gegen den bedeckten Weg , bei den Kaiserlichen gegen das vorliegende Hornwerk. Auf Seite der Brandenburger waren befohlen : zum Sturm 1500 Gemeine nebst 20 Primaplanen, 3 Obristen, 4 Obristlieutenants , 4 Majore ; ferner 8 Lieutenants , 3 Sergeanten, 3 Korporale, 60 Grenadiere ; 3 Kapitäne , 3 Primaplanen , 180 Gemeine ; die Grenadierkompagnie von der Garde der Grandmusketiere ; 3 Kompagnien Kadetten von Corneau , 1 von Lottum , nebst 20 Grenadieren von Varenne ; ferner von jeder Kompagnie Grandmusketiere 40 Mann, nebst allen reformirten Musketieren ; alle reformirten Offiziere , alle Ingenieure und Kondukteure , mit 12 Primaplanen ,
alle Jäger ;
2 Obristen ,
aufserdem 1200 Gemeine
2 Obristlieutenants und 2 Majore
zur Reserve, und 900 Mann nebst 12 Primaplanen, 1 Obristlieutenant, 1 Major zur Arbeit. In der Nacht vom 8. auf 9. wurde noch die letzte Hand an die Arbeit gelegt ;
alle zum Sturm nötigen Gerät-
schaften, die Brücken über die Laufgräben, Chandelliers, Axte, Beile, Schippen , Hacken , Sandsäcke , eine grofse Menge von Wollsäcken „mit ihren Stielen " , Morgensterne und Sensen, Pulversäcke, Faschinen , Schanz- und Kopf - Körbe
wurden hinter der grofsen Batterie bereit
gestellt . Am Morgen des 9. rückten zur gewöhnlichen Zeit 2600 Mann¹) als Besatzung in die Laufgräben ; dazu verblieben in denselben von der alten Besatzung 1000 Mann ; die zur Reserve befohlenen Mannschaften wurden bei
Poppelsdorf aufgestellt.
An die
zum Sturm
Kommandirten wurde Bier, Wein und Branntwein verabreicht ; jeder Offizier erhielt 8 , jeder Gemeine 4 Reichsthaler. Für die Hinterbliebenen der im Sturm Fallenden versprach der Kurfürst zu sorgen. Die Brandenburger stürmten in drei Kolonnen . Die rechte ging auf den ausspringenden Winkel des bedeckten Weges von der Bastion . Cassius vor , die linke auf den der Bastion Maximilian , die mittlere auf die Kapitale des dazwischen liegenden Halbmondes Klara. Die 8 Stücke , zu beiden Seiten sind noch je 3 Mörser angehängt. Das gedruckte Tagebuch fährt in dem Bericht über die Batteriestellungen (S. 2, Anm. 3) fort : Den 3. October . . . ward wiederum zu 2 neuen Batterien der Anfang gemacht , welche innerhalb 2 Tagen verfertigt sein mufsten . Den 4. Oct. ... ward nun die Batterie auf 9 halbe Carthaunen und ein Kessel auf 4 Mörser also verfertigt , dafs man auf den 6. dieses von beiden spielen kunte. Den 6. hat man Kayserl. Seits von der neuen Batterie auf das Hornwerk zu schiessen den Anfang mit gar gutem Succefs gemacht, und seynd auch die Kessel völlig verfertiget worden. 1) nämlich „ die 1500 Gemeine, item die 60 Grenadiere, item die 180, item die 900. "
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Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
Spitze jeder
Kolonne
bildete
1
Lieutenant ,
1
Unteroffizier
und
20 deutsche Grenadiere ; unterstützt wurden dieselben durch je 1 Hauptmann und 60 Gemeine , welche bei der mittleren Kolonne Füsiliere, bei den Flügelkolonnen Grenadiere waren. In dritter Linie marschirten bei den beiden äufseren Kolonnen geteilt eine Kompagnie französischer Grenadiere (von der Garde der Grandmusketiere) ,
mit
dem Major du Puis und 14 Ober- und Unter-Offizieren , bei der mittleren 3 Kompagnien französischer Kadetten und 20 Grenadiere von Varenne unter Obristlieutenant Dorth . Die vierte Staffel bildeten bei den beiden äufseren Kolonnen je 80 Mann Musketiere und 10 zugehörige Offiziere, rechts befehligt vom Obristlieutenant Graf Dohna, links vom Generaladjutanten und Obristlieutenant Natzmer. In der Mitte befanden sich der Obristlieutenant Corneau mit sämmtlichen reformirten Offizieren . Ihnen folgten gleichmässig auf die Kolonnen verteilt 600 Musketiere von der Garde , dabei 6 Obristlieutenants, 6 Majors und 27 Primaplanen in 9 Kompagnien unter Befehl des Obristen Schöning. Dann kamen als Korps der Reserve : 500 Gemeine mit 6 Primaplanen unter Obrist Graf Dönhof und 400 Gemeine mit 5 Primaplanen unter Obrist von Schlaberndorf. Den Schlufs bildeten 900 Arbeiter ; davon waren 200 mit Schippen, 50 mit Äxten und 50 mit Hacken ausgerüstet , 300 Mann trugen Schanzkörbe, Woll- und Sand-Säcke und spanische Reiter, 300 wareu als Reserve bestimmt. Die Arbeiter unterstanden nebst sämmtlichen Ingenieuren und Kondukteuren dem Generalquartiermeister du Puis .
In Reserve
standen, gleichfalls in 3 Teile geteilt, 1200 Gemeine nebst 2 Obristen, 2 Obristlieutenants und 11 Primaplanen . Alle Zimmerleute von der Artillerie und der Baumeister mit seinen Zimmerleuten waren auf die grofse Batterie befohlen ; ebenso die sämmtlichen Feldscherer. Zur Unterstützung der letzteren waren 100 Mann von der Reserve bestimmt ; die gleiche Anzahl hatte für Herbeischaffung der nötigen Munition zu sorgen . Bei dem GeneralFeldzeugmeister und dem kommandirenden Generalmajor waren je 10, bei dem Generalquartiermeister 2 Ordonnanzoffiziere. Alle Offiziere und Ingenieure mufsten schufsfreie Harnische tragen, jeder Musketier war mit 24 Schüssen versehen . Während des Sturmes hatten sämmtliche Batterien und die in den Linien stehenden Musketiere das Feuer gegen die Werke fort-
zusetzen , soweit dies ohne Gefährdung der eigenen Leute geschehen konnte. Die Sturmmannschaften sollten lediglich den Gegner von der Kontreskarpe vertreiben und dort festen Fufs fassen , die Arbeiter sogleich die Verbauungen herstellen. In ähnlicher Weise waren die Anordnungen für den Sturm beim kaiserlichen und dem
von Brandenburg im Jahre 1689.
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holländisch-münsterischen Angriff getroffen . Kommandeur der sämmtlichen Sturmtruppen war Generalfeldzeugmeister Spaen, die Brandenburger befehligte Generalmajor Heiden. Am 9. Oktober¹ ) Nachmittags 5 Uhr, da es noch heller Tag war, liefs der Kurfürst vom Poppelsdorfer Garten her , wo er selber Aufstellung genommen, die Losung aus drei halben Karthaunen für den Beginn des Sturmes auf den drei Angriffsfeldern geben. Die Brücken wurden über die Laufgräben gelegt und die Abteilungen liefen gegen den bedeckten Weg und das Hornwerk an. Am leichtesten gelang es der kaiserlichen Kolonne Vorteile zu
erringen.
Die feindlichen
Minen flogen zu früh auf und richteten nur geringen Schaden an 2). Die Truppen nahmen das Hornwerk und das dahinter liegende Glacis des Hauptwalles , drangen bis an die Kontreskarpe vor und machten alles was sich darin befand nieder , mufsten aber , da sie zur Behauptung der letzteren keine Geräte bei sich führten, wieder zurückgehen und sich mit der Verbauung des Hornwerks begnügen. Bei den Münsterern und Holländern dauerte es geraume Zeit, bis der Grabenrand genommen war ; die Mannschaften standen unter heftigem Feuer des Feindes ziemlich lange Zeit ungedeckt auf dem Glacis, dann aber vertrieben sie den Gegner und bemächtigten sich sogar des vorliegenden Halbmondes. Am verlustreichsten war der Kampf bei den Brandenburgern. Sie nahmen die Kontreskarpe im ersten Anlauf, sprangen über die Pallisaden und eroberten den bedeckten Weg ; statt aber hier sich zu verbauen , erstieg die mittlere Kolonne unter Obrist Corneau den vorgelegenen Halbmond , die rechte Flügelkolonne , an ihrer Spitze Graf Dohna, die der Bastion Cassius vorliegende Gegenwehr. Dohna warf seine Rüstung, weil sie ihm zu schwer ward, in den Graben und nahm 4 feindliche Offiziere gefangen. von Anhalt - Zerbst als Freiwilliger.
Neben ihm focht der Prinz Corneau sprang sogar vom
Ravelin in den Hauptgraben , drang bis an die Mauer vor und verlangte noch zweihundert Mann frische Truppen , um den Hauptwall selbst zu ersteigen. Da aber dieser keine Bresche aufwies , und die Nacht hereinbrach, so beschränkte man sich auf die Behauptung der
1) Nach Oelsnitz hätte der Sturm am 11. stattgefunden. 2) Die öst. mil. Zeitschr. erzählt , dafs eine Fladdermine im bedeckten Weg sprang und acht Mann verbrannte oder verschüttete , 3 Minen im Hornwerksgraben zu früh aufflogen und keinen Schaden anrichteten. - Karg berichtet unterm 9. Oktober , dafs man auf Seite der Kaiserlichen vorhabe , um den Minen aus dem Wege zu gehen , den Anlauf nicht gegen die Spitze des Hornwerks, sondern seitwärts zu nehmen .
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
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Gegenwehr , des Ravelins und der kleinen zwischen den beiden angegriffenen Bastionen liegenden Werke¹). Um 7 Uhr war der Sturm beendet.
Die Verluste der Branden-
burger
Bericht
an Toten
betrugen
nach dem
vom 10. Oktober 500 Mann, darunter viele Offiziere ; die Zahl der Verwundeten konnte damals noch nicht festgestellt werden. Die Kaiserlichen verloren
40 Mann tot und 100 verwundet ; von den Verlusten der Holländer und Münsterer sind nur die Namen einiger Offiziere bekannt 2) . Mit Einbruch der Nacht begannen die Batterien neuerdings das Feuer gegen die Festung ,
1000 Mann frische Truppen besetzten die
eroberten Werke , gleichzeitig liefs der Kurfürst Vorbereitungen treffen , um den Mineur an den corps de la place zu attachieren " , und Breschbatterien auf der Kontreskarpe und den Ravelinen zu errichten. Sämmtliche Truppen standen um 4 Uhr Morgens bei dem Poppelsdorfer Garten wieder in Bereitschaft. Um 7 Uhr schlug der Gegner die Chamade und schickte Geiseln Der Kurfürst liefs das Feuer einstellen, mit der Arbeit aber
heraus.
1) Siehe den Bericht über den Sturm 342/8 473 ff. Anlage 7. 2 ) Das Theatr. Eur. zählt an Toten und Verwundeten (Offiziere, Grandmusketiere und Kadetten meist mit Namen genannt) auf: 2 Generale (Heyden und Belling) verwundet ; von den deutschen Grandmusketieren tot : 3 Offiziere, 4 Grandmusketiere, verw. 5 Off., 14 Grandm.; von der Kompagnie des Grafen Dohna : tot 2, verw. 9 Grandm.; von der Kompagnie Bonnet : tot 3 (darunter der erste , welcher Grandmusketier gewesen") , von der französischen Kompagnie Grenadiere : tot 2 Off., 4 Gren., verw. 4 Off. , 16 Gren .; von den Grandmusketieren : verw. 3 Off. , 18 Grandm.; von den reformirten französischen Offizieren : tot 1 , verw. 10 ; von den Kadetten von Corneau : tot 6 Unteroffiziere , 4 Gemeine, verw. 5 Off., 6 Kadetten ; von den Kadetten von Lottum : tot 1 Off. , 5 Kadetten, verw. 1 Off. , 4 Untff., 12 Gem.; von der Garde zu Fuſs : tot 2 Off. , 3 Untff. , 39 Gem., verw. 8 Off. , 11 Untff., 148 Gem.; vom Bataillon Kurprinz : tot 1 Off., 2 Untff. , 18 Gem. , verw. 2 Off., 5 Untff. , 24 Gem.; vom markgräflichen Bat.: tot 6 Gem., verw. 2 Off., 5 Untff., 24 Gem.; vom Bat. Anhalt : tot 2 Untff. , 21 Gem. , verw. 3 Off. , 3 Untff. , 30 Gem.; vom Bat. Dörffling : tot 1 Off. , 1 Untff., 13 Gem. , verw. 1 Off., 1 Untff. , 23 Gem.; vom Bat. Spaen : tot 2 Gem., verw. 4 Off. , 1 Untff. , 22 Gem.; von dem anderen Bat. Anhalt ; tot 1 Untff., 13 Gem. , verw. 1 Off., 1 Untff., 35 Gem.; von Dönhof: tot 1 Untff., 13 Gem., vevw. 1 Off., 2 Untff., 48 Gem.; von Barfufs : tot 2 Off., 5 Untff. , 14 Gem., verw. 5 Off. , 5 Untff. , 41 Gem.; von Schomberg : tot 1 Untff. , 18 Gem. , verw. 3 Off. , 58 Gem.; von Heyden : tot 1 Off. , 14 Gem. , verw. 2 Untff. , 84 Gem.; von Briquemault : tot 1 Untff., 12 Gem , verw. 18 Gem.; von Ziethen : tot 14 Gem., verw. 2 Off., 2 Untff., 25 Gem.; von Belling : tot 2 Off. , 2 Untff. , 15 Gem., verw. 1 Off., 12 Gem.; von Varenne : tot 5 Gem., verw. 2 Off., 5 Untff. , 18 Gem .; von Dohna : tot 2 Untff. , 8 Gem. , verw. 3 Off., 3 Untff., 32 Gem. Hennert Darnach betrug die Zahl der Toten rund 300, der Verwundeten 900. giebt die Liste sammt Druckfehlern wieder.
9
von Brandenburg im Jahre 1689.
fortfahren¹ ) und ritt selbst in die Laufgräben. Da aber der Gegner gar zu impertinente Conditiones " stellte , während der Kurfürst Übergabe auf Diskretion forderte , so verwarf letzterer nach einer Unterredung mit seinen Verbündeten das Anerbieten und liefs die Geiseln wieder auswechseln ,
mit dem Beifügen ,
er wolle die Be-
satzung nur mit Stäben in der Hand ausziehen lassen .
Schon war
man daran, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen, als Asfeld gegen Abend den Platzmajor mit einer anderen Kapitulation so viel raisonabler war " herausschickte 2).
Der Kurfürst behielt den Offizier
über Nacht im Lager und liefs die äussersten Bedingungen , auf die er sich einlassen wollte, aufsetzen. Am nächsten Morgen schickte er sie in die Festung mit der Drohung , dafs er, wenn binnen einer Stunde die Annahme nicht erfolgt wäre , den Angriff wieder beginnen Asfeld , der schwer verwundet im Bette lag , nahm an. Am
würde .
12. Oktober Mittags um 1 Uhr³) wurde der Vertrag unterzeichnet . Nach demselben erhielt die Besatzung freien Abzug
mit Gewehr und
Bagage Kugel im Mundt, schlagenden Paucken, rührenden Trommeln , blasenden Trompeten , fliegendten fahnen und standarten , an beeden seithen brennenten luntten, angefülten Bantelieren mit Luntten unnd Kugl, Musqueten und piquen auf den Schultern, die Reütter zu pferdt mit dem Degen in der Handt , die Tragoner auch zu pferdt mit der flinten in die höch¹) . " Um Mitternacht besetzten einige hundert Mann im Namen des Kurfürsten von Brandenburg das Sternthor. Die Bürger erhielten dem Vertrag gemäfs Erlaubnifs in die Stadt zurückzukehren und zusammen zu suchen , was sie von ihrer Habe noch fänden. Allein in Folge der Nachsicht der verbündeten
Befehlshaber
hielten
die
Franzosen die Thore zwei Tage gesperrt und liefsen die Mehrzahl der Bevölkerung erst unmittelbar vor ihrem Auszug ein. Inzwischen hatten sie alles, was sie an Geld und Kostbarkeiten in der Residenz , den Klöstern ,
Kirchen und in den Kellern der Bürgerhäuser noch
zusammenraffen konnten ,
an sich gebracht ; der französische Platz-
major soll allein über 50 000 Reichsthaler auf unrechtmässige Weise erworben haben. Von der im Vertrag bedungenen Bezahlung dessen , was die Franzosen verzehrt hatten , war keine Rede.
Karg hatte wohl schon vor Wochen gemeint 5), man solle sich wegen der geraubten
1) Die öst. mil. Zeitschr. berichtet, der Gegner habe schon um Mitternacht die Chamade schlagen lassen, der Kurfürst aber nicht darauf geachtet und erst um 7 Uhr Morgens , nachdem die Trommler unausgesetzt den Chamadestreich wirbelten , auf Vorstellung des Herzogs von Lothringen dem Feuer Einhalt gethan. - 2) 342/8 476 ; Brief Brandenburgs an Bayern 342/8 392. 3) 342/9 158 Mitteilung Brandenburgs an Bayern. Nach anderen zwischen 3 und 4 Uhr. -Die ganze Kapitulation (342/8 410) ist in Anlage 8 enthalten. $) 342/8 198.
10
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
Sachen an die reichen Offiziere Asfeld ,
Tiange und Castre halten,
aber gleichzeitig auch die Befürchtung ausgesprochen , dafs den Franzosen , wie bei Mainz , der Auszug mit Wagen gestattet würde. So kam es auch. Am 15. Oktober zogen die Franzosen über 2000¹ ) Mann stark „mit
einer unbeschreiblichen Menge von Bagage "
aus der Festung
aus und wurden unter entsprechender Begleitung nach Diedenhofen geführt. In der Festung blieben nur der Intendant Heifs mit einigen . Genossen und etlichen Überläufern als Kriegsgefangene, der Graf von Tiange als Geisel für die Rückkehr der Begleitmannschaft und 800 Kranke . Der Kommandant Asfeld liefs sich in einer Sänfte heraustragen ; er starb bald nachher zu Aachen an seiner Wunde. Die Übergabe der Festung wurde im Heere durch Gottesdienst und Freudenfeuer festlich begangen. Am Tage des Auszuges der Franzosen reiste Generalfeldmarschall Sereni aus dem bayerischen Hauptquartier zu Eppingen ab, um im Namen des Prinzen Josef Clemens von Bayern , als jetzigen Kurfürsten von Köln , von der Stadt Bonn Besitz zu ergreifen 2) . Gleichzeitig rückten die Verbündeten in dieselbe ein: je ein Bataillon Brandenburger, Holländer und Münsterer, dazu einige Reiterei, im ganzen etwa 2500 Mann 3). Sie hielten Nachlese über das , was die Franzosen übrig gelassen hatten und hausten nicht viel anders als die Feinde 4) . Was noch einigen Wert zu haben schien, wurde geraubt ; Thüren wurden zertrümmert, um die Schlösser und eisernen Beschläge wegzunehmen , Glasfenster, wo sie noch vorhanden waren , um das Blei zu gewinnen. Selbst aus den für ihre Unterkunft bestimmten Gebäuden nahmen die Soldaten Gitter, Fenster und Thüren, Holzwerk und eiserne Öfen weg , einige noch zum Teil stehende Gebäude rissen sie bis auf den Grund nieder und verschleppten die Sachen auf die holländischen Schiffe . Die noch vorhandenen Lebensmittelvorräte wurden verschleudert , alle Pferde und Fuhrwerke beigetrieben.
Die Befehlshaber gingen mit schlechtem Bei-
1) Bericht Karg's 342/14 295. Nach dem Theatr. Eur. 1500, nach der öst. mil. Zeitschr. 3000, dazu 1800 Kranke. ― - 2) 342/9 158. 3) Nach anderen ein Regiment Münsterer unter dem Obrist Landsberg , dazu 200 Brandenburger und eben so viel Holländer . - Jedenfalls stand im Dezember von jedem der drei verbündeten Völker ein Bataillon in Bonn. (342/8 528. 342/14 319. ) Es ist auch bei den damaligen Verhältnissen das Wahrscheinliche, dafs, wie es z. B. bei Kaiserswerth der Fall war (ad 342/9 36) , die Besatzung von den drei Bestandteilen des Heeres zu gleichen Teilen gegeben wurde. Von dem münsterischen Regiment lagen sicher schon zu Anfang November Mannschaften in Kaisers werth und Rheinberg. 4) Relation, Was in ein und anderen nach Übergab der Statt Bonn daselbst vorgangen" (342/6 446 ff.) s . Anlage 9.
von Brandenburg im Jahre 1689.
spiel voran.
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Sie verteilten die dem Erzstift gehörigen Kanonen als
Beute unter sich, verfuhren gegen die kölnischen Beamten mit gröſster Willkür und liefsen sogar , um ihre umfangreichen Forderungen¹ ) durchzusetzen, einen kurkölnischen Hof-Kammerrat verhaften. Da man die Festung in ihrem damaligen Zustande nicht belassen konnte , so wurde allen Ernstes in Erwägung gezogen und darüber auch an den Kaiser berichtet , ob man nicht die Werke überhaupt schleifen solle 2) ; denn zu einer Besatzung und Ausrüstung des Platzes in wünschenswerter Stärke reichten die Mittel des Erzstiftes nicht hin und die Werke konnten doch nicht hindern , dafs das umliegende Land vom Feind verheert werde ; die Stadt selbst aber hatte gerade durch ihre Festungseigenschaft wiederholt das schlimmste erfahren müssen. Trotzdem entschied man sich für den Beibehalt der Festung, schon um die Kosten der Schleifung zu ersparen. Aber erst nach vielen Bemühungen gelang es Karg, 900 Thaler von den Ständen zu erlangen, um nur die Belagerungsarbeiten einebnen zu können . Ahnlich wie in Bonn ging es im ganzen Erzstift zu .
Die lothrin-
gischen Völker marschirten unmittelbar nach dem Fall der Festung ohne weitere Beschwernifs des Landes ab ; dagegen folgten jetzt eine Reihe von Durchzügen brandenburgischer, holländischer, münsterischer und pfalzneuburgischer Truppen, welche die Kraft des Landes durch ausgedehnte Beitreibungen, Vorspann , und anderes auf das äufserste erschöpften. Durch das Vest Recklinghausen, das nur aus 2 Städten und 12 Kirchdörfern bestand ³), marschirten innerhalb 14 Tagen nicht weniger als 10 Regimenter Brandenburger und Münsterer, von denen sich jedes 3-4 Tage im Ländchen aufhielt . Für die zunächst zur Deckung des Landes bestimmten Truppen hatten die Generale Spaen und Schwarz unterm 20. Oktober verlangt, daſs man ihnen zwischen Rhein und Erft , wo sie Stellung nehmen wollten, Quartiere einräume¹) . Während die kölnischen Stände erst mit den jülichschen, bergischen und clevischen Abgeordneten beraten wollten , blieben aber die Brandenburger nicht bei ihren ursprünglichen Forderungen bestehen. Sie nahmen vielmehr nach und nach alle guten und dem feindlichen Angriff nicht unmittelbar ausgesetzten Quartiere für sich in Beschlag 5) und scheuten auch die Anwendung ¹ ) Diese in 31 Punkten enthaltenen Forderungen (45/22 158) giebt Anlåge 10. 2) 342/14 273. Im Jahre 1717 wurde die Festung thatsächlich geschleift, nachdem sie vorher abermals, diesmal von den Engländern und Holländern, erobert worden war. ³) 45/22 73. 4) Die Forderungen der beiden Generale (ad 342/9 140) giebt Anlage 11. Die Antwort der kölnischen Stände wurde weggelassen. 5) 342/14 305.
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Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
von Gewalt nicht .
So zogen sie sich auf dem linken Rheinufer immer
mehr flufsabwärts , gingen auf das rechte Rheinufer über und verlangten auch Quartiere in Westfalen ; im unteren Erzstift besetzten sie Zons und Lechenich und erhoben von dort aus im ganzen Lande Kriegssteuern, wobei sie mit gröfster Willkür zu Werke gingen . Am rechten Rheinufer belegten sie Deutz und andere Orte mit Dragonern und Reitern ; obwohl dort vom Feind nichts zu befürchten war, marschirten im November, unter dem Vorwand gegen Montroyal Vorposten zu beziehen, 5 Kompagnien auf Linz, das schon mit kölnischen Truppen besetzt war ; sie hieben die Thore und Pallisaden ein , setzten sich in der Stadt fest und verlangten tägliche Verpflegung für 700 Pferde¹ ). Noch schlimmer machten es etwas später 5 Kompagnien des Leibregiments zu Pferd in Westfalen. Tages - 12. Dezember
Dieselben brachen eines
aus ihren Quartieren auf, um angeblich
nach der Grafschaft Rietberg zu marschiren , zogen die in der Soester Vörde gelegenen Grandmusketiere und Grenadiere , wie einige Infanterie aus der Lippstadt an sich und überfielen dann die kurkölnische Grenzstadt Gesecke , die aufser der Bürgerschaft nur 30 geworbene erzstiftische Soldaten zählte . Sturmleitern wurden angelegt , Handgranaten geworfen , die Pallisaden niedergerissen und die Thore eingehauen ; einige von den Soldaten und Bürgern wurden getötet , die übrigen entwaffnet , der Bürgermeister nebst vielen Einwohnern gefangen genommen. Den ersten Lärm benützten die Eindringlinge, um alles was sie in den Häusern bekommen konnten zu rauben , dann legten sie sich, 9 Kompagnien stark, in das verarmte Waldstädtchen und verlangten den Lebensunterhalt von der Bürgerschaft , der sich auf nahezu 4000 Thaler monatlich belief ). Die zu Arnsberg versammelten Stände schickten eilends Abgeordnete nach Gesecke, um in Güte mit den Soldaten zu verhandeln .
Die Zahl der im Lande stehenden Truppen wufste man lange Zeit garnicht ; sie verdoppelte sich aber durch die fortwährenden Hinund Hermärsche. Es war zu verwundern , wie ein Bericht schreibt, dafs noch eine seele auf dem platten landt stehe. " Die Bauern verliefsen die Ortschaften um auszuwandern , und die Truppen drohten die verlassenen Häuser einzureifsen . Dafs land, " schreibt Karg, „ steht von oben in Gefahr einefs feindlichen Überfallfs und von unden in solchen Trangsalen , die sie von denen eigenmächtig hineingetrungenen Kurbrandenburg. Trouppen erleyden müssen , dergleichen nicht zu glauben , noch genugsamb zu beschreiben 3). " Dazu kam aber noch . ein anderer Umstand. Während die Münsterer und Holländer bald ¹) 342/14 288.
2) 342/14 303. - ³) 45/22 154.
von Brandenburg im Jahre 1689.
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nach der Eroberung Bonns ihre Truppen bis auf einige Bataillone aus dem Lande gerufen hatten ¹ ) , zeigten die Brandenburger, die noch dazu lauter uncatholisches Volck 2)" waren, nicht übel Lust, sich im Lande festzusetzen . Man hatte ihnen schon zu Anfang des Feldzuges nur ungern die Festungen Kaiserswerth und Rheinberg geöffnet, und wufste auch, dafs sie im Einverständnifs mit den Generalstaaten auf Schleifung der beiden Plätze hinarbeiteten , während sie ihre Grenzfestung Wesel zu einem Hauptwaffenplatz machten ³) . Kurfürst Max Emanuel hatte sich daher in enger Geheimbe" schon während des Sommers
erboten ,
seinem Bruder ein Regiment
Kavallerie gegen anderweitige Entschädigung gänzlich zu überlassen ; aufserdem wollte er ihm nach Beendigung des Feldzuges unter irgend einem Vorwand einige Regimenter schicken, welche im Erzstift Winterquartier beziehen , aber im Frühjahr „ con bel modo " wieder an den Oberrhein marschiren könnten,
יdavon man aber anfangs nicht der-
gleichen thuen miesste , unnd dises nur haubtsächlich zu dem endte, damit die Brandenburger , so es nit nachgeben werden wollen , im Erzstifft nit so gar starck einnisten : und selbes weith ybler und härter alfs die Churbayern hernemmen Können¹). “ Der erste Vorschlag verwirklichte sich nicht ; dagegen nahm Joseph Clemens den anderen an , 2 Regimenter zu Fufs , 1 zu Pferd und 1 Dragonerregiment während des Winters in sein Land zu nehmen. Die kölnischen Stände freilich verhielten sich vollkommen ablehnend und erklärten, sie müssten ihre „unterthänigste all zu schwache Hand " abthun und alles dem Vater des Vaterlandes anheim geben ") ; nur mit vieler Mühe gelang es Karg, wenigstens die Beschaffung der Fourage zu erlangen 6). Kurfürst Max Emanuel war über dieses geringe Entgegenkommen höchst ungehalten und wollte die Regimenter noch im Dezember, als sie schon nahe dem
1 ) Der Bischof von Münster rief seine Truppen anfangs November zurück (342/8 479) ; er wurde von den kölnischen Ständen ausdrücklich gebeten, sein landsbergisches Regiment zu Fufs einstweilen noch in Bonn, Kaiserswerth und Rheinberg stehen zu lassen (342/14 277) ; die Holländer, von denen man weiter nichts mehr hört, scheinen überhaupt nur das eine Bataillon in Bonn zurückgelassen zu haben. Dagegen waren andere kölnische Gebietsteile durch Truppen besetzt, von denen bisher nicht die Rede war. Wenigstens schreibt Karg unterm 6. November: „ Andernach haben aufs Abgang der Subsistenz die württembergische leuth jüngst verlassen, und Churf. Gnaden zu Trier, solange 101 Mann dahin verlegt, bifs ich 2 Kompagnien zu Fuefs und 25 Pferde dahin verschaffe. " 2) Dafs die Unduldsamkeit in Glaubenssachen auch eine grofse Rolle spielt, beweist der Bericht Karg's, in welchem er sich beklagt , dafs Schlaberndorff „aus lautern muthwillen" am Christtag die kalvinische Versammlung und Austeilung der Kommunion in der kurfürstlichen Residenz anstellen liefs. 4) 342/7 159. — 5) 342/14 314. 6) 342/14 295. 3) 342/14 407.
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Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
kölnischen Gebiet standen, wieder zurückrufen ¹ ). Trotzdem beharrten die Stände darauf, zunächst für Verpflegung der Truppen weiter nichts zu gewähren. Die bayerischen Regimenter waren , wie den Generalen Schwarz
und Spaen schon kurz nach Eroberung von Bonn mitgeteilt worden ²), bestimmt, im Verein mit den kurkölnischen Truppen die Plätze Dorsten, Recklinghausen, Rheinberg, Linn , Kaiserswerth, Bonn, Andernach, Linz, Ahrweiler, dann Altenahr, Rheinbach , Zülpich, Meckenheim, Lechenich, Kerpen zu besetzen ; die kurprinzlich jülichschen Truppen wurden in Montjoie, Münstereifel, Euskirchen, Düren untergebracht ; die Brandenburger sollten Köln, Aachen und Koblenz durch stärkere Abteilungen besetzen , womit allerdings Köln für seinen Teil nicht einverstanden war. Zunächst aber standen die Brandenburger noch allenthalben im Erzstift ; Karg warnt auch ausdrücklich davor, auf ihren gänzlichen Abzug zu dringen , da die wenigen bayerischen und kölnischen Regimenter zur Deckung des Landes bei weitem nicht hinreichten. Doch hatte man bis Mitte Dezember soviel
erreicht , dafs man nur mehr
28 Kompagnien zu Fufs nebst 41 Stäben und 27 Kompagnien zu Pferd mit 42 Stäben zu verpflegen hatte, und ein Teil der Reiterei in die benachbarten Reichsherrschaften verlegt werden sollte³). Über die von den kölnischen Ständen zu liefernde Verpflegung scheinen bis zum Dezember genaue , allgemein giltige Bestimmungen nicht bestanden zu haben. Nach einer anscheinend halb amtlichen Forderung ) „ sollen und müssen die Truppen haben " :
der Mann die
Brodportion , bestehend in 2 Pfund Brod täglich oder 18 Groschen monatlich , dazu die „ Services in natura, alfs Pfeffer, Salz, essig, Licht, Holz und Bether" , oder dafür in Geld der Reiter 14, der Musketier 10 Groschen monatlich. Für die Pferdeverpflegung waren verlangt 112 Viertel Haber, 8 Pfund Heu und 1 Bund Stroh von etwa 12 Pfund täglich, oder 3 Reichsthaler monatlich .
Dem Offizier gebührte freies
Quartier und Stallung oder entsprechendes Quartiergeld , und die Verpflegung für die Pferde. Dabei war der Regimentsstab bei der Kavallerie zu 39 ,
den Dragonern zu 32 , der Infanterie zu 18 Pferden
angenommen, die Primaplana der Kompagnie zu beziehungsweise 16 , 15, 12 Pferden. Dem Generalfeldzeugmeister Spaen gebührten 70 Pferde, dem General Grafen von Schomberg 50, dem Generalmajor 30. Selbstverständlich überschritten die Truppen häufig diese Maafse , verlangten und nahmen volle Verpflegung , beziehungsweise ¹) 3) burger Fuls -
eine Entschädigung
342/14 315 . - 2) ad 342/9 140. 342/13 293. Ebenda wird die Zahl der im Erzstift stehenden Brandennach deren eigenen Mitteilungen zu 1420 Mann zu Pferd und 3070 zu angegeben.4) 45/22 162. ohne Primaplanen
von Brandenburg im Jahre 1689.
15
von 4 Reichsthalern, und vieles andere . So mufsten im unteren Erzstift für den Generalstab anstatt 300 ,
592 Rationen ,
für die Re-
gimentsstäbe zu Pferd 70 , für die Primaplana einer Kompagnie 60 Rationen geliefert werden ¹ ).
In Linz verlangte man für jedes Pferd
10 Pfund Haber und 2 Bund Stroh. Die Verpflegung sollte ferner auf den vollen Stand gewährt werden , während die Stände nur die thatsächliche Stärke gelten lassen wollten. Erst unterm 12. Dezember wurde zu Berlin gleichzeitig mit anderen Bestimmungen auch die Verpflegung der brandenburgischen Truppen endgiltig geregelt. Demnach gebührte auf jedes Pferd täglich 1 Viertel Haber , 6 Pfund Heu und das nötige an Häckerling, dazu ein Bund Stroh ; konnte die Verpflegung nicht geliefert werden , so waren dafür 3 Reichsthaler monatlich zu entrichten. Dem Mann gebührten täglich an Verpflegung nur 2 Pfund Brod , wofür auch nach Belieben des Wirtes monatlich 18 Groschen gezahlt werden konnten. Dazu kam noch das Servis , an dessen statt dem Reiter 14, dem Dragoner 12 , dem Musketier 10 Groschen zu bezahlen waren. Die Kompagnie sollte auf den vollen Stand verpflegt werden, nämlich zu 125 Mann bei der Infanterie, 50 Mann bei der Kavallerie , 64 bei den Dragonern ; für die Stäbe und Primaplanen wurde die bisherige Zahl der Rationen beibehalten . Dem Offizier gebührte für die eigene Person nichts als das Quartier ohne Servis . Diese Verpflegungsbestimmungen gelangten erst gegen Ende Dezember zur Kenntnifs des Baron Karg . Die brandenburgischen Generale und das Kommissariat verlangten dagegen, indem sie sich auf eine kurfürstliche Ordonnanz bezogen , noch unmittelbar vorher für den Mann neben dem Servis und der Brodportion 2 Quart Bier und 2 Pfund Fleisch täglich , und für das Pferd 1½ Viertel Haber.
Dabei
sollte alles in natura geliefert werden , was bei der herrschenden Futternot eine Summe von monatlich 25 000 Reichsthaler ausgemacht haben würde 2) . Da die im August vom Land bewilligten 30000 Reichsthaler noch
immer nicht bezahlt waren , so begann auch das brandenburgische Kommissariat ungeduldig zu werden und „ die Hände in die kurfürstlichen Gefälle zu schlagen. " Karg hatte sich vergeblich bemüht, die Summe im Lande aufzubringen 3) ; ein kölner Wechselherr, De Groote, wollte sich allenfalls auf 3000 Thaler einlassen. Karg erbat sich daher einen Aufschub von sechs Wochen , um inzwischen in Holland eine Anleihe zu machen. Als aber um Mitte Dezember noch immer nichts bezahlt war , ¹) 342/14 284.
wurde von Seite Brandenburgs die zwangsweise 2) 342/14 293.
³) 45/22 154.
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Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III .
Beitreibung angeordnet.
Im letzten Augenblick wendete sie der Landes-
kommissär Bernsau ab , indem er versprach, binnen 14 Tagen die Hälfte der Summe zu erlegen, oder wenigstens die Säumigen namhaft zu machen. Auf Erlegung des Geldes war indefs, wie Karg schreibt, wenig Aussicht vorhanden. Man hatte bereits ohne wesentlichen Erfolg 5 Simpla ausgeschrieben. Brachte man endlich die Anleihe in Holland zu wege, so ging sie so ziemlich für Besoldung der Besatzung in Rheinberg auf, die schon seit 4 Monaten nicht mehr bezahlt worden war, und das Schlimmste befürchten liefs . Aufserdem betrugen aber die laufenden Forderungen Brandenburgs alles in allem gerechnet, etwa 40 000 Thaler monatlich ¹ ) und verlangte Bayern 30000 Thaler für seine Regimenter. Die letzteren kamen am schlimmsten weg. Die Brandenburger suchten nach dem Bericht Karg's "deren subsistenz ganz zu impossibilitieren 2) " ; von der holländischen Anleihe blieb höchstens noch so viel übrig , um
einiges Korn für sie anzukaufen ; „damit sie nicht gleich anfänglich crepierten " schofs Karg noch insgeheim eine Summe aus den kurfürstlichen Kammergefällen bei³) . Trotz der Lasten, die dem Lande durch die Truppen der Bundesgenossen erwuchsen , war man aber keinen Augenblick vor einem feindlichen Einfall sicher. Die Franzosen wurden durch Spione und Überläufer auf das Beste mit Nachrichten bedient. Von Montroyal aus schrieben sie zu Anfang November mittels eines in deutscher und französischer Sprache abgefafsten Briefes eine Kriegssteuer von 30 000 Livres aus. Um Mitte Dezember kamen sie 3000 Mann stark ins Jülichsche, drangen mitten unter die Quartiere der pfalzneuburgischen Truppen zwischen Düren und Lechenich ein, verwüsteten etwa 10 Dörfer, und zogen sich dann wieder in die Eifel zurück ; zugleich versprachen sie , nach 8 Tagen wieder zu kommen , und in gleicher Weise das Kölnische heimzusuchen, wenn bis dahin die Kriegssteuer
¹) 342/14 314 . - 2) 342/14 292 ; ähnlich 342/14 285. 9) Übrigens möge hier im Gegenhalt zu den von Kurbayern und Kurköln gegen Brandenburg erhobenen Vorwürfen auch Hennert gehört werden, welcher darüber Klage führt , dafs die wohlmeinenden , auf strategischen Gründen beruhenden Ratschläge des Kurfürsten Friedrich bezüglich der Winterquartiere in Folge der Umtriebe am kaiserlichen Hof nicht zur Ausführung gelangten, und dafs der Kurfürst, nachdem ihm der Krieg beinahe 3 Millionen gekostet, auch noch einen grofsen Teil seiner Truppen im eigenen Lande Winterquartiere beziehen lassen musste. Dem Umstand, dafs man dem Plan Friedrich's kein Gehör schenkte, schreibt Hennert es auch zu, dafs die Franzosen gleich zu Anfang des neuen Jahres einen Raubzug ins Jülichsche unternehmen konnten, und bei Beginn des kommenden Feldzuges lange vor den Verbündeten ihre Versammlung bewerkstelligt hatten.
von Brandenburg im Jahre 1689.
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nicht erlegt sei¹ ) . Gegen Ende des Jahres standen etwa 7-8000 Mann mit Artillerie bei Lützenburg zu einem neuen Einfall bereit ; bezeichnend für ihre Kriegführung ist es, dafs der Abteilung 10 Mordbrenner vorausgingen ; zwei von diesen gelang es
einzufangen ;
sie
hatten den Auftrag gehabt, Zülpich, Euskirchen, Düren und viele umliegende Ortschaften an vier Enden anzuzünden 2) . Um die Jahreswende kamen endlich die bayerischen Truppen an-
marschirt. Brandenburg zog vertragsmässig 3) seine Truppen aus Bonn und dem oberen Erzstift zurück. Im unteren Erzstift an der Niers und Erft liefs es 5900 Mann stehen, die von Kurköln verpflegt wurden ; aufserdem lagen noch einige Kompagnien in Westfalen . Die bayerischen Truppen aber , die zunächst in das obere Erzstift einrückten, fanden eine schlimme Unterkunft. Mit dem Fall von Bonn und der Besitzergreifung des Landes durch den Kurfürsten Joseph Clemens war das Erzstift einstweilen dem altersschwachen Reiche wiedergegeben ; in seinem Oberlauf aber bespülte der Rhein noch fast 2 Jahrhunderte lang deutsche Lande, die unter fremder Herrschaft standen. Sie wieder zu gewinnen, war erst einem späteren Geschlechte vorbehalten.
Das neue deutsche Reich
aber vereinigte in sich als die beiden mächtigsten Völker jene, deren Fürsten damals Schulter an Schulter gegen den Erbfeind im Feld gestanden waren .
342/6 385.
Anlage 1. Liste
der Chur-Brandenburg. Armee, so zu Felde gehet, ohne den General- Stab .
Staub
Officirer von Gemeine Summe Staaben Prim, plan.
Comp.
798
Artillerie 888888
3488 ∞ ∞ ∞ ∞82
65
8 8
56
22
LLLLLLL
7
1 1 1 1 1 1 1
Cavallerie : Trabanten . Grands Mousquetaires Leib-Regiment Chur Prinz Anhalt Dörffling Sachfsen Litwiz Du Hamel Lethmath
12 12 12 12 12 12 12 84
112 112 112 112 112 112 112 28 956
396 326 400 400 400 400 400 400 400 100
452 514 524 524 524 524 524 524 524 128
3622
4662
342/14 303. - 2) 342/14 317. 13 Der Inhalt des zu Berlin abgeschlossenen Vertrages ist in Kürze in Anlage 12 wiedergegeben (342/8 528) ; eine ausführliche Inhaltsangabe desselben mit Bemerkungen des Gesandten Karg versehen, befindet sich 342/14 325. 2 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96, 1.
18
Die Eroberung von Bonn durch Kurfürst Friedrich III.
Stanb
6
1/2 31/2
1 1 1 1 1 1 1 1 1
5 5 5 5
2
4 1 10 1
17 101/2
133 91
272
224
Infanterie Cavallerie und Dragoner Artillerie Summa .
45/22 163.
128 128 96 64
512 512 384 256
652 652 492 326
416
1664
2122
24 12 12 12 12 12 12 12 12 12 6 6 12 6 6 12
468
3520
3742
90 90 90 90 90 180 180 90 90 90 90 90 90 90 90
625 625 625 625 625 1250 1250 625 625 625 625 625 625 625 625
727 727 727 727 727 1442 1442 727 727 721 721 727 727 721 727
12
108
665
785
5
90
280
375
2
1
5 5 5 5 5 5 5 5 5
Infanterie: Leib Garde Comp. Cadets ) Chur Prinz Marggraf Philipp Anhalt Dörffling Spaen Dönhoff Barfuls Alt-Holstein Jung-Holstein Churland Briquemault Zieten Dona . Belling Varenne Lottum Comp. Cadets Courneau Comp. Cadets Schomberg Piemonteser
22222222222OON 2
1111110010101010
25
1
12 12 12
26
2
1
Dragoner: Leibregiment . Dörffling Perband und Sonsfeld Junge Marggraf von Anspach
2 2226
88848
1 1 1
Officirer von Gemeine Summe Staaben Prim. plan.
Comp.
12
180 18
1250 125
1442 143
209 126
2394 1372
16195 18798 5286 6784 798
335
3766
21481 26380
Anlage 2. Liste
der 17 Staab-Officiren, so zuruckh bleiben“ 1689/90. Zu Neufs und Umgegend verblieben : Generalfeldzeugmeister Spaen, Herzog von Holstein, General Graf Schomberg, Generalmajor Ziethen, Generalmajor Dewiz, 1 Generalquartiermeister, 1 Generalquartiermeister-Lieutenant, 1 GeneralAdjutant (des G. F. Z. M.), 1 Feldmedikus (Schweling), 1 Stabsfourier, 1 Stabsfeldscherer (Klering), 1 Generalgewaltiger , 1 Wagenmeister, 1 Scharfrichter, 1 Profofs, 1 Steckenknecht. Kommissariatsbediente : Regierungsrat von Mozfeld, 1 Kommissär, 3 Proviantmeister, 2 Proviantbediente. Aufserdem waren zu Wesel 1 OberKommissär und 3 Proviantmeister, zu Aachen 1 Ober-Kommissär, 1 Richter, 1 Proviantsekretär, 1 Proviantbedienter.
19
von Brandenburg im Jahre 1689.
Anlage 3.
45/22 162. Zusammensetzung der Regimentsstäbe.
1 Oberst, 1 Oberstlieutenant , 1 Oberstwachtmeister , 1 Regimentsquartiermeister, 1 Adjutant, 1 Prediger, 1 Auditeur, 1 Sekretär, 1 Pauker oder RegimentsTambour, 1 Feldscherer, 1 Profofs, 1 Scharfrichter. Primaplanen einer Kompagnie . zu Pferd 1 1 1 1
Dragoner 1 1 1 1
2
342/7 331.
TABILNIH | 3 |
132TT
Rittmeister oder Kapitän Lieutenant Cornet oder Fähnrich Wachtmeister oder gefreiter Korporal Sergeanten Fourier . Korporäle Trompeter . Musterschreiber . Feldscherer Capitain d'Armes Fahnenschmied Sattler . Tamboure Pfeifer ·
1 3
zu Fufs 1 1 1 1 3 1 3
1 1 1 1
1 1 1
3 1.
Anlage 4.
Ohngefährlicher Überschlag wafs zu der Belägerung von Bonn erfordert wird . 1. An Infanterie 36000 Mann, 2. zur Arbeit 6000 Bauern, 3. Schanzgereithschaft auf 15000 Mann. 4. An Stücken : 24 pfündige 40 Stück, 20000 Kugeln ; 12 pfdg. 20 St., 10000 K.; 8 pfdg. 12 St. , 6000 K.; 6 pfdg. 12 St., 6000 K. --- 5. An grofsen und kleinen feürmörsern, Haubizen, Bomben, Sprengkugeln, und andern benöthigten feürwerck eine grosse quantitet. 6. an Pulver 10000 Ctr. , 7. Lunthen und mousquetten Kugeln eine grosse quantitet wie auch einen grossen vorrath an hand granaten. 8. an Wollsäcken 1000 Stück und an Sandsäcken 20000 Stück. 9. Allerhand Holzwerck von Bälcken, dicken schalen, und brettern einen grossen Vorrath. 10. Viel Schmied, Zimmer und Maur-Leüth mit ihren Knechten . 11. Erfahrene mineurs. 12. Eine grosse quantitet an fachinen, würsten, Kopffkörben, grofs und kleinen Horten, und blendungen . 13. wals von obigen allen würcklich vonnöthig seye, davon soll die designation eingegeben werden . Ohngefährlicher unmafsgeblicher Vorschlag ,
wie Bonn zu
bloquiren und wie viel Mannschaften darzue erfordert werden . Zu Fuels 8000 Mann, Reütter und Dragoner 2000 Mann . Summa : 10000 Mann. Davon müssen diesseits Rheins bleiben 2000 zu Fuefs, 300 Reuter, thuet 2300, welche theilfs negst am Rhein in einige redouten und in den Schiffen, und der Überrest in Ferburg konnten postiert werden. N.B. Die ingenieurs sollen ein dessein wie und wo die redouten und Feldschanzen anzulegen seyn, auch wie die Stiffter etwa zu bevestigen wären, eingeben. Jenseits Rheins 1700 zu Pferd , zu Fufs 6000, thut 7700. Dise müssen
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entweder in einem geschlossenen läger stehen, oder hin und wieder auf haltbahren öhrtern postirt werden, welches durch deme darzue destinierten general zu visitieren und dessen sentiment über ein und anderes zu vernehmen wäre. N.B. Wan aber der Feind von Montroyal ein detachement schicken wirdt und sich also verstarken . . . . so würde die zur bloquade jenseits Rheins destinirte Mannschaft nicht sufficient und in sicherheit sein.
Anlage 5.
342/13 109. Traitté
entre Sa Majesté Tres Chretienne A Sa Serenité Electorale de Brandebourg pour les echanges et rançons des Prisonniers de guerre du 6 Aoust 1689 . Nous Philippe de Langlée de Magny , Colonel d'Infanterie et François d'Asfeld Capitaine de Dragons au nom et de la part de Sa Majesté et Jean Frederic Schultze, Conseiller et Auditeur General de Sa Sérénité Elect., Bertram de Belau , Lieutenant Colonel d'Infanterie et Jean Rudolphe Ruchat, Capitaine d'Infanterie de la part de Sa Serenité Elect. sommes convenus de l'echange et rançon des Prisonniers de guerre, qui seront faits de part et d'autre et en avons passé le present traitté en vertu des pouvoirs à nous donnés en la manière : qui en suit : 1. Que ce traitté durera pendant tout le tems de la guerre qui se fera entre Sa Majesté et Sa Serenité Elect. et sera gardé inviolablement de part et d'autre. 2. Ce traitté conprend tous les officiers et soldats de quelque nation qu'ils soient, qui servent dans les Armées et Guarnisons de Sa Sér. Elect. et mémement ceux, qui sont au service de ses Alliés sans pouvoir étre recherchés sous aucun pretexté, quelconque que ce puisse étre sans aucune exception. 3. Le present traitté n'aura lieu qu'à commencement du jour et datte de la ratification et tous les prisonniers seront rendus 15 ze jours aprés leur detention au plutard par echange des prisonniers de pareille charge ou par rançon. 4. La ratification sera fournie de part et d'autre d'aujourdhuy en Six Semaine : faute de quoy le présent traitté n'aura aucun effet. 5. La rançon se payera en monnoye de France ou du Pais bais, dont les trois livres font un écu et la livre fait 20 sols . 6. Et pour mieux savoir la rançon qui doit étre payée pour les Prisonniers de part et d'autre on a jugé à propos de marquer cy apres ces charges et postes de chacun party avec le prix de la dite rançon. Officiers des Trouppes de Sa Majesté Tres Chrétienne . Le General d'Armée ou Marechal de France 50 000 , Lieutenant General 20 000, Grand Maitre d'Artiglerie 20 000, Marechal de Camp 6000 , Colonel general de la Cavallerie 15 000 , Colonel general des Dragons 6000, Mre de Camp general de la Cavallerie 6000, Mr de Camp general de Dragons 3000, Commissaire general de la Cavallerie 3000 , Intendant de l'Armée 9000 , Brigadier de la gendarmerie de Cavallerie de Dragons ou d'Infanterie 5000, General de Vivres 900, Major General d'Infanterie 2000 , Mareschal des Logis general de l'Armée 1000, Mareschal des Logis general de la Cavallerie 600, Major general de Dragons 600 , Major de Brigade 500 , Ayde de Camp 400 , Thresorier general de l'Armée 3000 , Commis de l'Extraordinaire des Guerres 500 , Commissaire des Guerres 500 , Principal Commissaire des vivres 300, Tous autres Commissaires ou Commis des vivres 200.
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Maison du Roi. Gardes du Corps. Capitaine des Gardes du Corps de sa Majesté 4000, Lieutenant des Gardes du Corps 1800, Enseigne des Gardes du Corps 1800, Exemt des gardes du Corps 600, Brigadier et sous Brigadier des g . d . C. 100 , Guardes du Corps 45 . Gendarmes ou Chevaux legers de la garde du Roy. Capitaine Lieutenant des gendarmes ou Chevauxlegers de la Garde du Roy 4000, Souslieutenant des gensdarmes ou Chevauxlegers 1800, Mareschal des Logis des gensdarmes ou Chevauxlegers 600, Enseigne et Guidon des gensdarmes ou Chevauxlegers 900, Brigadier et sous Brigadier des gensdarmes ou Chevauxlegers 100, Gensdarmes et Chevauxlegers de la garde 45. Mousquetaires du Roy. Les Capitaines Lieuts. de deux Comp. des Mousquetaires 3000 , Le sous Lieut. de deux Mousqures. 1800, Enseigne des Mousquetaires 1800, Cornette des Mousquetaires 1800, Mareschal des Logis des Mousquetaires 600 , Brigadier et Sousbrigadier des Mousq. 100, Les Mousquetaires 45. Gendarmerie. Capitaine Lieutenant de la Garde Ecossoise 3000 , Sous Lieutenant de la Garde Ecossoise 1800 , Les Capitaines Lieutenans de la Gendrie. 3000, Les Sous Lieutenans de la Gendarmerie 1800 , Enseigne et Guidon de la Gendarmerie 600, Marechaux des logis de la Gendrie. 200 , Brigadier et Sousbrigadier de la Gendrie. 30, Gensdarmes ou Chevauxlegers de Comp . d'ordonnance 20. Grenadiers du Roy à Cheval. Capitaine 500, Lieutenant 300 , Sous Lieutenant 200, Enseigne 200, Mareschal des Logis 100, Brigadiers 80, Les Grenadiers 20. Garde Françoise. Colonel 6000 , Lieutenant Colonel 1500 , Major 600 , Capitaine 600, Ayde Major 200, Lieutenant, Souslieutenant et Enseigne 200, Sergeant 30, Caporal 20, Soldats 18 . Le Colonel General des Suisses 8000, Le Colonel des Gardes Suisses et autres officiers et soldats du Regt. payeront sur le pied des gardes françoises. Infanterie. Colonel 1500, Lieutenant Colonel 600, Major 200, Capitaine 200, Ayde Major 90, Lieutenant 90, Enseigne et Souslieutenant 60, Sergeant 20, Fourier 25 , Caporaux 15, Tambours fifres et soldats 10. Compagnie de Cadets ou Gentilshommes. Capitaine 200, Lieutenant 90, Sous Lieutenant 60, Sergeant 40, Brigadier 30, Sousbrigadier 20, Cadett ou gentilhomme 15. Cavalerie. Mre de Camp 1800, Lieutenant Colonel 900, Major 300, Capitaine 300, Ayde Major 100, Lieutenant 100, Cornette 80, Mareschal des Logis 40, Les Cavaliers, Brigadiers, selliers, Mareschaux, Trompettes et Timbaliers 15.
Dragons. Les Colonels , Lieutenans colonels , Majors , Capitaines , aydes Majors, Lieutenants , Cornettes , et Marechaux des logis payeront sur le pied de l'Infanterie et les Dragons aussi. Artillerie. Lieutenant General d'Artillerie 2000, Les Commissaires d'Artillerie payeront comme les Capitaines d'Infanterie et les autres officiers d'Artillerie payeront comme les Lieutenans d'Infanterie. Les Capitaines Charois d'Artillerie et des
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vivres payeront comme les Lieutenans d'Infanterie 90, Les Ingenieurs en Chef 300, Les autres Ingenieurs 150, Les capitaines des Guides 90, Les Vagnemestres 90, Les vivandiers payeront à proportion de leur equippage savoir 6 livres par cheval . Estat Major des Places . Gouverneur 1800 , Lieutenant du Roy 900, Major 500, Ayde Major 200, Capitaine des portes 90. Officiers de Sa Sérenité Electorale de Brandenbourg. General-Feldmareschal 30 000 , General Feldt Marchal Lieutenant 20 000, General d'Artillerie 15000, General de Cavalerie 12000, General Lieutenant 10000, General Major 5000, General Commissaire des Guerres 5000, General Quartiermaistre 1000, General Adjutant 600 , General Quartiermaitre Lieutenant 600 , Premier Commissaire des guerres 500 , Maitre General des Vivres 900, Grand Receveur 500, Commissaire des Guerres 300, Adjutant des ailes 400 , Commissaire des vivres 200, Capitaine General de Charois 90, Ingenieur 150, Quartiermaistre du Stab 99, Conducteur 90. Trabans. Colonel 2000, Lieutenant Colonel 1000 , Major 600, Capitaine 500, Lieutenant 300, Cornette 200, Wachtmestre 120, Quartiermaitre 100, Caporal 80, Trabant 20. Grand Mousquetaires . Les officiers payeront la rançon sur le pied des officiers des Trabans. Les Mousquetaires payeront 30. Grenadiers à cheval. Les officiers et Grenadiers payeront generalement comme les Trabans. Cavallerie. (Etat du Regiment. ) Colonel 1800, Lieutenant Colonel 900 , Major 300, Regimentquartiermaitre et Adjutant 80, Auditeur 45, Thimbalier 15. Etat de Compagnie . Capitaine 300, Capitaine Lieutenant ou Lieutenant 100, Cornette 80 , Wachtmestre 40, Quartiermestre 30, Caporale 15, Trompette 15, Ecrivain de Roles 15, Mareschal ferrant 15, Sellier 15, Cavallier 15. Dragons. Les officiers et Dragons payeront tous generalement sur le pied de l'Infanterie. Infanterie. (Etat du Regiment.) Colonel 1500, Lieutenant Colonel 600, Major 200, Regiment Quartiermeistre et Adjut. 60, Auditeur 45. Etat de Compagnies . Capitaine 200, Capitaine Lieutenant ou Lieutenant 90, Enseigne 60, Sergeant 20, Caporal pointé 15, Fourier, Ecrivain des Rôles , Capitaine des Armes 15 , Caporal, Tambour, Hautbois, Fifres, Soldats 10, Vivandiers payeront à proportion de leur equippage par cheval 6 livres . Artillerie. Colonel 1500, Lieutenant Colonel 600, Oberhauptmann 300, Stuckhauptmann 200, Ober Zeugmaister 200, Zeugwarter 10, Stuckjunker 20, Petardier 20 , Feuerwerker 20, Constabel 10, Mineur 15, Handlanger 10, Zeugschreiber 15, Zeugschmidt 10, Stellmacher 10.
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Etat des Guarnisons. Gouverneur 1800, Le comendant et les autres officiers payeront selon la plus haute charge qu'ils ont dans l'Armée. Cadets. Les officiers payeront comme l'infanterie selon leur charge. Cadets 15 livres . 7. Les Princes de la maison Electorale et autres qui seront faits prisonniers de part et d'autre ne payeront qu'à proportion de leurs charges militaires , qu'ils ont dans l'Armée . Mais les Princes qui servent en Volontaires et qui n'ont point de Charge dans l'Armée ne seront obligés de payer que 9000 livres . 8. Les Ministres et autres personnes de la Cour, de justice et de Chancellerie payeront pour leur rançon à proportion de leur rang aux charges militaires et particulierement selon le rang , qui a été fait par le reglement de Sa Ser. Electorale. 9. Les Officiers qui ont plusieurs charges payeront sur le pied de la plus haute. 10. Les Volontaires, qui ont charges, payeront sur le pied de leurs charges, mais qui en ont eu payeront la moitié de la rançon de la charge qu'ils ont possédée . Tous les autres Volontaires , à l'exception des Princes, payeront 300 Livres . 11. L'Auditeur Géneral avec son lieutenant , le Prevôt general avec les Prevôts des Regimens et leurs Gens, y compris les Bourreaux ; Tous les Medicins et poticaires Chirurgiens, Maitres des postes, Postillon, Courriers ne payeront pour rançon qu'un mois de leur apointement, ce qui sera reglé sur le certificat de l'Intendant de l'Armée de France et sur celuy de l'Auditeur General de l'Armée de Brandenbourg sans qu'on aye besoin d'autres epreuves. 12. Les Officiers Prisonniers qu'on aura relachés sur leur parole seront obligé à payer leur rançon au tems nommé, faute de quoy ils se rendront à la place d'ou ils sont sortis et reviendront au pouvoir de ceux, qui les auront faits prisonniers ; ceux qui y manquent, passeront dans l'armée pour gens sans foy et sans honneur et seront pour tels hautement proclamés. 13. Les Ministres , Aumoniers, les Maitres d'Hôtel, Valets de Chambre, Sommeliers et autres servans à l'Offices, Cuisiniers et tous les Valets portant livrée , aussi bien que femmes et enfans ayant moins de 14 ans seront renvoyés sans rançon. 14. Tous les officiers reformés servans dans les Garnisons et Armées de part et d'autre payeront la moitié de la rançon de la charge en pied dans la quelle ils auront été reformé . 15. Les Trompettes et Tambours qui iront reclamer les prisonniers seront renvoyés dans trois jours hormi si quelque raison de guerre oblige à les retenir plus longtemps. 16. Ceux qui ne seront pas reclamés au bout de trois mois auront la liberté de prendre parti sans que cela puisse préjudicier à leur honneur et condition, mais aussi on ne forcera point les prisonniers par aucun mauvais traitement à prendre party. 17. De trois mois en trois mois on fera le deconte de tous les prisonniers du prix des rançons et frais, par l'Intendant de l'Armée du Roy et l'Auditeur general des Trouppes de Sa Serté Elect. les quels se donneront reciproquement un recû des prisonniers, qu'on renvoyera de part et d'autre afin qu'ils y soient satisfaits sur le pied de rançons cy-dessus specificiées . 18. Ce qui n'est pas compris et reglé dans ces articles sera concerté puis
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après par un accord et particulierement observé et tenu pour inseré dans le présent Traitté. Iln' y a de contestation sur tous les articles cy dessus que sur le second que les commissaires de sa Majesté n'ont point voulu passer qu'ils n'ayent sû auparavant ses intentions sur le dit Article, qui est pourtant la derniere resolution de Sa Serenité Electorale qui ne veut point souvenir du Cartel, si cet article n'a lieu : C'est pourquoy ce projet n'aura aucun effet que sa Majesté ne s'en soit expliquée ¹ ) . Fait à Brule ce Sixième Aoust, Mil Six Cens quatre vingt neuf. J. Frédéric Schultze . Philippe de Sanglée de Magny B. Belou. François d'Asfeld . Jean Rud. Ruchat.
Anlage 6. Teilung des Belagerungsheeres für den Marsch ins Trierische (gleichzeitig Stärke- Ausweis) . Nach Trier marschiren : 2480 Kavallerie • 2000 Sa. 5080. Dragoner } (Kommandirte) 600 Münsterische Reiter Infanterie : Brandenburgische Garde 2 Bat. , Anhalt 1 , Dönhoff 1 , Barfuſs 1 , Briquemault und Heyden 1 Bat , Sa. 3750. Holländer 2 Bat. 600 , Münsterer 2 Bat. 600, Sa. 10030. (Ohne Stab und Primaplana ). Vor Bonn bleiben : Kavallerie 1198 , Dragoner 500 , Münsterische Reiter 900, Sa. 2598. Infanterie : Brandenburgische Garde 3 Bat., Kurprinz 1 , Märkg. Philipp 1 , Derfflinger 1 , Alt Holstein 1 , Spaen 1 , Dönhoff 1 , Barfufs 1 , Briquemault 1 , Schomberg 2, Zieten 1 , Belling 1 , Varenne 1, Cornaud 1 , Sa. 105252) . - Holländer 9 Bat., 2700, Münsterer 7 Bat. , 2100. - Infanterie in Summa : 17923. ( Ohne Stab und Primaplana).
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Anlage 7. Bericht über den Sturm. Aufs dem Churf. Brandenburg. Lager vorr Bonn. Sept. Den 30. 10. Okt. 1689.
Nachdem Se. Churf. Drchl. zu Brandeburg mit dero attaque wie auch die Stattischen Trouppen under dem general lieuth Deluvius und die münsterische under dem gener. Leuth . Schwarz mit den Ihrigen bifs auffs glacis der contrascerpe kommen, defs Herzog von Lothringen Dehl. auch mit der Kays . attaque bis ahn den graben des Hornwerckfs avancirt, hat man nach gehaltenen Kriegſs Rath 29. Sept. beschlossen, als gestern, wahre der 6. Okt. einen gener. Sturmb zugleich auf die ¹) Karg meldet noch unterm 14. August , dafs das Inkrafttreten des Vertrags sich verzögere, weil man auf Seite Brandenburgs die refugirten Franzosen, auf Seite Frankreichs „, wegen der Kaiserlichen avocatoria" die im französischen Heere dienenden Deutschen nicht einbeziehen wolle. 342/14 397. 2 ) Nachdem die brandenburgischen Bataillone durchweg 625 Mann stark waren, soll diese Zahl wohl 10625 heifsen.
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Contrascerpe an der Brandenb. undt der allyrten undt auf das Hornwerckh an Kayserlicher seithen zu thuen. Sr. Churf. Drl. hatten vorhero durch dero gen. Veltzeüg Mstr. Freyherrn von Spaen, welcher dafs Commando führte , alle darzu benöttigte anstalt machen, ein grose quantitet Schippen, hackhen , axten, Schanzkörb, woll und Sand söckh hinder der grossen Baterie bringen, denen Veltscheren von allen Regtrn., einen gewisen orth auf besagter Batterie assignirt , allen Zimmerleithen auch einen gewissen orth anweisen, die brückhen umb aufs denen werckhen zu gehen, dahin lieffern, auch bier und weinn umb under die Leuthe, so efs begehrten, aufs zuthailen, auf die Batterie bringen undt alle Commandirte inn ihre gewisse ordnung stellen lassen, Nachdem dan Sr. Churf. Drl . nachdem sie sowohl denen officiren alls gemainen dapffer zugeredt, und selbige dero gnade versichert, Nachmittagfs umb 5 uhr, wie efs noch heller Tag wahre, die lohsung aufs 3 Stuckhen von dem poppeldorffischen gartten, allwo Sr. Churf. Drl . sich damahls befunden, auch so lang die attaque wehrete, verblieben, geben liefsen, da dann der anfall in demselben augenblickh mit einer ungemeinen herzhafftigkeith geschahe. An brandeburg seithen gingen erstlich 3 leüt. mit 3 Sergeanten, 3 Corporalen , und 60 granatieren Thütsche , davon einer mit 20 mann zurrechten der andere mit eben so vill zur linckhen undt der 3te mit eben so vill mannschafft auff die mitte der contrascerpe zu sezen , denen folgten 2 tens 3 Capitainfs mit 180 man granatieren welche die vorhergendte 3 Leuth. soutenirn, hierauf kamen 3 franzöische Comp . granatir, Commandirt vom Major du Puis nechst 14 bey derselben sich befindenten officiren, davon die eine helffte zur rechten, die andere helffte zur linckhen handt anlieffen, und die beede Capi tains so vorhero gangen , souteniret , In der mitte ginge der obristleüt. Dortt, welcher 3 Compagnie franz . Cadets und 20 granatir von dem Obristen Varenne Commandirte, diese soutenirten den Capitain so auf die mitte mit den granatieren anlieffe, hierauff folgte 4 tens zur Rechten der Obristleüth . Graff von Donna mit 80 grand Musquetirfs und 10 officirern von selbigem Corpo , zur linckhen der gen. adjutant und obristleüth . Nazamer, mit eben so vill grand Musquetirfs und deren officiren, in der Mitte marchirte der Obristleüthenant Courneau mit allen franz. reformirten officiren 5. hierauff kam der obriste Schenning von der quarte mit 600 Musquet . und 9 Prima plan. wovonn er 200 zur Rechten 200 zur Linckhen undt 200 auf die mitte Commandirte , disen folgtete der Obrist graff von Dona mit 500 gemeindten undt 6 prima Plan. und disem der Obrist Schlapperndorf mit 400 gemainen und 5 prima plan. 6. hiernächst wahren commandirt 900 Mann zur arbeit, welche faschinen, Säckh, schanzkörb, undt andere materialien trugen, disen wardt von dem gen. quartier Mstr. du Puis, welcher selbige nechst allen ingenieren undt conducteurn Commandirte, Ihr gewisser orth, wohinn sie gehen . sollten, angewissen. Die ordre wahr anfangs gegeben, daſs man nur die Contrascerpe wegnehmen undt darauf posto fassen sollte, efs gingen aber die Leüthe mit solcher fourie undt Bravoure darauff lofs, das sie nicht allein den feindt in der ersten attaque auf der Contrascerpen jagten , sondern denselben auch in den graben hinunder verfolgten, über die Pallisaten sprungen , den bedeckte Weeg eroberten, auch zugleich dafs revelin, so zwischen denen beeden bollwerckhen St. Maximilian undt de la chasse belegen, undt St. Annen Revelin¹ ) genant wird nechst einer Contra quarde oder 2 ten Revelin de la Chasse genannt, sambt noch 2 tenaillen undt allen anderen werckhen , so zwischen gedachten beeden Bollwerckhen gelegen, erstiegen, alle Franzosen, so sie darin gefunden, nidergemacht, ¹) Der zwischen Maximilian und de la Chasse gelegene halbe Mond hiefs übrigens Clara.
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dieselbe auch glorieusement behauptet , undt sich daselbsten verbaueten. Die bravoire wahr so grofs , dafs viele von denen Unserigen auf den 2 ten Graben bifs an die Maüren drungen, undt der Obristleüt. Corneau 200 frischer mann begehrte, in hoffnung dieselbe auch zu ersteigen undt solchergestalt den orth in diesem Sturm zu erobern, weil man aber vorhero keine breche darin schiefsen können, auch die nacht darüber einfiell, hat man confusion zu vermeiden, guth gefunden, sich vorerst mit dem eroberten zu uergnügen, undt sich wohl zu verbawen. ahn holländischer und münsterischen seithen hat man zwahr so geschwind nicht posto fassen können , dahero auch daselbst daſs feür desto grösser gewesen undt länger gewehrt, So haben aber doch auch an Ihrem orth die contrascerpe emportirt undt seindt nechst den unseren auf daſs eine Revelin gekhomen. haben auch, ungeachtet defs grofsen feüerfs, eine ungemeine bravoure erwiesen, undt ein guete Zeith unbedeckt, aufs glacis der Contrascerpe gefochten . Auff kays. seithe hat mann nicht weniger mit einer preifswürtigen dapfferkeith auf daſs hornwerckh angesezet, undt hat efs denenselben sonderlich darin geglickhet, dafs der feint sein daselbst habente mine gar zu zeitig springen lassen , wordurch dann wenig oder garr khein schaden geschehen, dergestalt , daſs man sich nit allein sofort des Hornwerckhfs bemächtiget, sondern auch noch weither bifs an die Contrascerpe gedrungen , undt allefs , wafs man darinnen gefunden niedergemacht, weil man aber auch nur vorhabens gewesen, dafs Hornwerckh zu emportiren undt also zu behauptung der Contrascerpen keine materialien bei sich gehabt, hat man selbige zwar wieder verlassen aber sich dannoch in dem Hornwerckh wohl postirt und verbauet, dafs gefechte hat von 5 bifs 7 Uhr gewehrt, undt ist so ein erschreckliches feüer gewesen, wann himmel undt erdten het vergehen sollen, dafs auch vill von allten soldaten bekennen, dergleichen nihe gesehen zu haben, mann hat überall ein grose courage wider den feindt gethann , unndt ist fast alles nidergemacht worden , jedoch hat man auch verschiedene gefangene, worunder etliche Capitainlieut. und andere officirer, welche einhellig bekhennen, dafs sie dergleichen attaque nihe gesehen, und man sich derselben in dem platz gar nicht vermuhtet hette, wie vill der feindt verlohren ist daraufs abzunehmen, das auf denen Ravelinen über 200 mann geblieben, und alleſs waſs auf der contrascerpe undt graben gewesen, massacriert wordten, der gefangenen aussag nach ist von etlichen compag. kein man davon kommen, undt von etlichen Batallions gar wenig . wie vill auf den Bolwerckhen und mauren geblieben kann mann noch nicht wissen, dafs aber deren sehr vill sein müssen, erscheint daraufs , weill von allen Batterien mit grofsem Success continuirlich drauf gespielet wordten . Efs seindt aber auch an unserer Brand. seithen vill brafe leüthe tott und blessirt, undt zwahr seindt tott, so vill mann bifs dato erfahren könen , der obristleut. Soehanscky, der Major du Puis, von den franz. granatirn Major Tettou , Haubtman Dewitz von den Teütschen grand musquet. , 8 bifs 9 haubtleüth von denen andern Regimenter , nechst vielen leüth. und fendrichſs undt über die 20 grand musquet. 35 granatiers sowohl Teütsche alfs franzoische, 40 franz . Cadets , 8 franz . Reformirte Majors , Rittmeister undt Capitainfs , 4 Ingenieurs, undt ungefehr 500 gemaine.. Blessirt seindt der gener. Major Freyh. von Heyden, welcher die attaque commandiret, der general major Belling, obrister Graff von Dona, Obristleüt von Nazemar, Obristleüt. St. Bonnet von den grandt Mufsquetiren , so alls volunteur mit gewesen , 3 Capitains von der quarde zu fuefs , und 8 von denen andern Regimentern , auch viele leüth . und fendrichfs , wie auch ein haubtmann von den grand musquetirs, noch 1 leüth. von denselben, noch 6 reformirte franz. officir , 20 Teutsche undt franz. grand musquetirs , 20
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Cadets , 15 franz. granatirfs undt viele gemeine von allen seithen , Sowohl auf kayfs. alfs Brand. und der übrigen allyrten ifs überaus dapffer gefochten undt haben so wohl officir alfs gemaine Ihr Devoir wie redliche gethann, wehr von Kays. seithen geblieben, undt wie die attaque geführt worden, weifs man noch nicht. Von hollendischer undt münsterischer seithen seint auch viele geblieben, undt plessirt , deren qualitet undt anzahl man auch noch nit weifs, aufser dafs die 2 obristen Crusemarck undt schwerin , so bey denen trouppen , welche S. Churf. Durchlcht. denen herren Statten überlassen, gestanden , geblieben . Der Herr gen. Leüth . Deluvig undt der Herr general Leüth . schwarz alle beede plessirt, wiewohl ohne gefahr. S. Churf. Dehlcht. haben nit allein vor der action einem ieden Gemainen, von denen so die erste attaqué gethan, 4 Rchsth. undt einen officir doppelt so vill geben, sondern auch nach der action under denen Plessirten vill gelt aufstheilen lassen, auch sonderliche vorsorge vor derselben Verpflegung gehabt. So balt S. Churf. Drlcht. in dero Zimmer gekommen , schrieben sie disen grofsen Succes Gott allein zu undt gaben ordre , dafs sofort 1000 frische mann in die werckhe marchiren undt alle Battalions heute frühe morgenfs bey dem poppelstorffischen garthen sich stellen sollten , umb die attaque mit desto gröſserer vigueur zu poussiren , undt den feindt keine Zeit zu respiren zu geben. Ingleichen dafs so fortt der minieur attachirt, undt neüe Baterien auf der Contrascerpe oder Revelinen , wo efs sich am befsten schickhen würdte verfertigt werden sollten umb Prefse in die mauer zu schiefsen. Es hat aber der feindt heütte fruhe umb 7 Uhr die Chamade schlagen lassen, worauf Se. Churf. Dehlcht . zwahr mit dem schiefsen innen zu hallten , aber mit der arbeith dapffer fort zu fahren anbefohlen, seindt auch so fort darauf selber in die approchen geritten , weil aber der feindt gar impertinente conditiones proponiren lassen , haben Sr. Churf. Dchleht. nach geschehener Communication mit dero Allyerten selbige gänzlich verworffen, undt ihm hinwieder zu entbieden lassen, dafs er sich à Discretion ergeben müste undt dafs die Zeith auf solche arth zu capituliren lengst vorbey ; Mann erwarttet nunmehr ein verlangen , wessen er sich darauf erclären werdte , undt ist man allenfahlfs im werckh begriffen , den minirer au corps de la place zu attachiren , auch zugleich durch Canon eine breche in der mauer zu machen, umb solcher gestalt den orth de vive force undt durch einen neüen gener. sturm zu emportiren.
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Anlage 8. Capitulation. Zwischen Ihrer Churfürstl. Dehlt. von Brandenburg Nahmens Ihro Keyserl . May , so wohl Ihro selbsten alfs dero Allyrten, benentlich denen Herren Gral. Staaten der vereinigten Niderlanden, wie auch des Herrn Bischoffen von Münster eines, und dem Herren Gral. Grafen d'Assfeld Veldt - Marschallen der Armeen des Aller Christl. Königs andern theils geschlossen worden . 1. Erstlich soll die Franzöischen Guarnison 2 tag nach Underschrifft der Capitulation mit gewehr und Bagage, Kugel im Mundt, schlagenden Paucken , rührenden Trommeln, blasenden Trompeten, fliegendten fahnen und standarten, an beeden seithen brennenten luntten, angefüllten Bantelieren mit Luntten unnd Kugl, Musqueten und piquen auf den Schultern, die Reütter zu pferdt mit dem Degen in der Handt, die Tragoner auch zu pferdt mit der flinten in die höch, aufs Bonn aufsziehen, was aber vor standarten unnd fahnen von frembden Trouppen sich befindet, soll nicht mit aufsgenommen sondern Ihrer Churfürstl. Dchl. von Brandenburg beim aufszug eingelüffert werden.
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2. Sollen die officir unnd Commissarien der ammunition und Artiglerie , Postmeister, Ingenieurs, Werckmeister und all andere officirer und Underthanen defs Königs, so sich in der Statt befinden , sambt aller ihrer bagage und Equipage mit der Guarnison aufsziehen, jedoch der Intendant de Heifs und andere Intendans, Kriegs-Commissarien, Schantzmeister, Commiss . und Empfänger der Contributionen, sollen alfs Kriegsgefangene zuruckh bleiben . 3. Solle gemelte guarnison den Kürtzisten und geradisten weg mit einer genugsamen Covoy von den Brandenburg . Trouppen so durch einen Obristen sollen Commandirt nebst nöthigen Pafsporten der Allyerten nach Düdenhoffen begleit werden, und soll man sich vergleichen wegen der Stätte, marckflecken und Dörffer, wo man übernachten wirdt, welche nit 3 ad 4 franzöische Meilen voneinder sein sollen, alwo für einen billichen preifs durch Ordre Ihrer Churfürstl. Dchlt. so wohl denen officirern, Soldaten, Reüttern, Tragoner und andern officirers der Guarnison , die nöttige Lebensmittel, wie auch heü und haber vor die pferdt beygeschafft werden wirdt, den 4ten tag soll man aufsruhen und die Gaifslen so zur sicherheit der Convoy hergegeben werden müssen, sollen allein auff deren Zuruckhkonfft erlassen, unnd alfsdann wegen Ihrer abraifs mit genugsamer Versicherung versehen werden. 4. Alles geschütz, wie auch Kriegsmunition unnd Proviant soll in der Statt zur disposition Ihrer Churf. Dehlt. und dero Allyrten verbleiben. 5. Solle die Guarnison kein Goldt noch Silber, ausserhalb wals der Guarnison so wohl officirer alfs Soldaten zugehörth, mitnehmen, übriges solle ohne einigen Betrug dafür den Intendant und die einnehmer stehen , sollen zuruckh verbleiben, dergestalt, das im fall man sich in diesem articul einiger Untreüw bedienen wurde, die gantze Capitulation null und nichtig sein. 6. Zur abführung der Krancken und Plessierten so wohl der officirers alfs Soldaten sollen an der Rheinpfortte nöttige Schiff, Schiffleüth und Convoy beygeschafft werden, wordurch dieselbe nechst hergebung erforderter Medicin, Hauſsrath, Lebensmittel unnd andern nothwendigkeitten sowohl für die plessirte alls officirer, Proviant Commissarien, Feldtscherer und andere leüth, so zu ihrem Transport bestelt werden, zumahlen sicher nach Mont Royal begleittet, dergestalt jedoch, dafs alles wie auch die Schifffracht solle bezahlt werden. 7. Die ganze Guarnison sowohl officirer alfs Soldaten sollen keineswegs wegen einiger acten von feindschafft welche bifs dato so wohl wegen der Contribution oder sonstigen wie es Nahmen haben könntte, möchten verübet sein, keineswegs beunruhiget werden . 8. Alle in der Statt befindliche gefangene, sowohl militarisch alfs Politi von Ihrer Churf. Dehlt. und dero Allyrten absonderlich die von den Ertzstiffter Cölln und Thrier, alfs auch den Hertzogthümmer Jülich und Berg lofsgelassen werdten. 9. Einen Tag vor dem Aufszug sollen vor die Equipage der officirer der guarnison 60 wägen mit 4 Pferdten bespannt gegen einen billichen preifs , so man alhier reguliren wirdt, hergegeben werdten. 10. Nach underzeichneter Capitulation soll man Ihrer Churf. Dchlcht. die Sternepfort einraumen, vorbehaldtlich jedoch der alten pfordt an der alten Mauer, und sollen Ihro Churf. Dehlcht gemelte Sternpfortte mit 300 Mann und zu verhüttung einiger disordres nebst einem ansehnlichen officirer besetzen lassen. 11. Alle Krancke und plessirte officirers , wie auch Reütter, Tragoner, Soldaten und andere, so noch zu wasser und Land nicht können fortgebracht werden, sollen in der statt verbleiben und auf ihren kosten mit der erforderten
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medicamenten und Nöttiger auffwartung bifs zu deren völliger Genesung versehen werden, nachgehents aber mit nöthigen pafsporten nacher franckreich versehen oder mit hergebung erforderter Schiff sicher nach Mont Royal convoyrt werden. 12. Keine frembde officirers, Reütter , Dragoner und Soldaten, worunder auch die Lottringer undt von den Unyrten Ländern begriffen werden, sollen nit mit der Garnison aufsziehen, sondern verpflicht sein, Under denen Troppen Ihrer Churf. Dchlcht. oder dero Allyrten Dienste zu nehmen, oder aber mit Pafsporten umb mit den ihrigen zuruckzukehren versehen werden, jedoch sofern sich under den frembden Compag . Soldaten, so gebohrne Underthanen des Königs sein, befinden, die sollen selbige Conditionen der aufsziehendten Guarnison zu geniessen haben. 13. Alles was von den Kirchen, conventen und andern Geistl. ortern in der Statt genommen worden, unnd sich in natura befindet, worüber durch beederseits Commissarien genauwe Durchsuchung geschehe solle, selbiges muſs zuruckh begeben werden ingleichen auch was sich von den Bürgern in natura befindet, und solle denselben erlaubt sein, in der Statt zu gehen, die nachsuchung zu thun, auch sollen alle in der Statt gemachte Schulden bezallt werden. 14. Soll auch alles, was sich in natura dem abgelebten Churfürsten von Cölln und dem Ertzstifft zugörig, befindet, restituiert werden, wo aber nit mehr in der Statt ist, solle man verpflichtet sein, so viel man weifs , Redt und antworth zu geben, wo solches hinkommen, das Archivum unnd alle Schrifften, so dem Ertzstifft Cölln zugehörig, müssen zumahlen zurückh bleiben. Man solle auch alle gütter unnd mobilien dem Cardinal von Fürstenberg und seinen bedienten zugehörig, welche noch alda vorhanden, hinderlassen, und diejenige, so solche in Händen gehabt, schuldig gehalten sein, darvon ein richtig Infentarium zu lüffern . 15. Solle man verpflicht sein, alfsbaldt die minen zu entdecken, und ein listam von denen Magazinen so wohl von Kriegs alfs Lebens munition herzugeben. 16. Soll auch alles dasjenige, was sich in natura dem Graffen von Schomberg zugehörig befindet, zuruckh gelassen werden. 17. Ihrer Churf. Dchlcht. obligirt sich von seithen Ihrer Kayserl . May. und dero Allyrten das alles was in der Capitulation begriffen ist, ihrerseits genau gehalten werden solle. Geschehen im Lager vor Bonn den 12. 8br. 1689. Friedrich Churfürst von Brandenburg . L. S. D'Assfeld.
Anlage 9.
342/6 446. Relation
Was in ein und anderem nach Übergab der Statt Bon daselbst vorgangen. Nachdemahlen die Statt und Vestung Bonn die zu ihrem völligen Undergang ausgeschlagene bombardierung , dan eine langwierige Blocquade überstanden, und endlich durch der Röm: Kayserl: May . und der hohen H. H. Allyrten siegreiche waffen aufs dem Frantzösischen Joch errettet und bey der Übergab vermög Capitulation § 13 et 14 Specifice bedungen worden, dafs alles, wafs aufs denen Kirchen, Conventen und Geistlichen örthern genommen, bey denen Burgern creditirt oder geraubt, wie auch, was abgelebter Sr. Chrf. Drl. Hochseeligsten
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Andenkens , oder dem Erzstifft zugehörig , in naturâ sich befinden wurde respectivè bezahlt und restituiert werde , und zu dem end so wohl denen Churf. Bedienten , alfs der Bönnischer Geistlichen und burgern , nach underzeichneter Capitulation in die statt zu gehen, und die ungehinderte nachsuechung zu thun erlaubt sein solte : So haben doch per Conniventiam der hohen H. H. Allyrten darzu bestellten befelchshaber , die frantzosen die thör also gespert gehalten, dafs aufser deren hohen officiern, welche von der armée aufs- und eingeritten, nur einigen Churfrtl. Bedienten und burgern : dem mehristen theill aber auf den dritten tag nach der Capitulation etliche stund vor dem abzug der eingang in besagtes orth gestattet, und der zum dritten Mahl von dem Churfrtl. Hoffrath Herrn von Bernsaw, und der burgerschafft angehaltene frantzösischer Platzmajor, m der allein über 50 Rchsth. mit unrecht erweislich an sich gebracht, mit hindansetzung alles hoher orthen geschehenen remonstrirens , und bittens loſs und gar hinweggelassen worden ; wodurch die Frantzosen mehr Keckheit, auch überflüssige Zeit und gelegenheit gewonnen, den so wohl in der Churfrtl. residenz an Kostbahren mobilien alfs in Clöstern, Kirchen und burgerlichen Kellern gethanen grossen raub an gold, gelt und silbergeschirren zu verbringen, und seint darauf die Frantzosen zur Zahlung dessen, wafs sie bey denen burgern an wein, früchten , und andern sachen auf Credit consumirt , von denen darzu bestelten Commissarien, und officiern , ebensowenig vermöget und bifs anhero durch die arrestierung des Intendanten Heifs noch sehr schlecht consoliert worden : Alfs dafs die beide capitulations puncten der ins euserste verderben gesezter Statt bonn fast gar nichts zu gutem kommen , wan nicht etwa noch mit besserem nachtruck geholfen wird. Indem nun die desolirte arme burgerschafft, nach der Franzosen abzug verhofft gehabt aufs den überstandenen so unbeschreiblichen jammer und elend etwas zu eluctirn, hat sich doch leyder begeben, daſs die zur Guarnison in die statt verlegte militz, ohne die geringste remedyrung, ungeachtet vilfältig darüber geführter Klagen , allerhand im brand übergebliebenes eisen werckh und was denen soldaten sonst under die hand kommen, auf ein unsagliche weifs , mit zukung des Degens gewaltthätig hinweggenommen, und nicht nur die eisene gätter , sondern auch die glaſs fenster in Clösteren , und privat heüseren, wo noch einige vorhanden gewesen, ia so gar in der Churf. residenz selbsten wegen des Bleyes, das gehöltz wegen der eisengehänger, die Thüren, und kostbahres steinwerckh. wegen der schlösser und des eisen beschlägs , respectivè zerschlagen, geraubt und in die Holländ . Schiff verbracht und nit einmahl denen Corps de Gardes, baracquen, und schilderheüseren zu ihrer selbst eigenen gröster incommoditet, verschont, und nachdem sie fenster, thüren, und anderes Holtz werckh, eisene stuben öfen etc. daraufs ertragen , und bey der eingefallenen frost sich darin fast nit erhalten können, dardurch sehr vil unnöhttige schwere reparations kosten verursacht , und sich nit gescheuet , einige in noch zimlich gutem stand gewesene geist- und weltliche heuser bifs auf den grund nider zu reissen : und die materialia zu mahlen zu verschlöppen : auch zur Zeit, da man sich aller Pferden undt fuhren , zur bedienung der abmarchirenden sowoll allyrten alfs französischen Trouppen bemächtiget, die beyführung viles holtzes aufs denen wälderen gefordert, und die gleich vor dem Thor in grofser Mänge gelegene Fachinen , die neben einer geringen beyhülff von gröberen holtz , für den gantzen winter hetten erkleckhen khönnen, bey solcher noth mehrern Theilfs anzuwenden refusirt : der particuliers quartiers ungelegenheiten zu geschweigen. Der zum magazin gehörige speckh, gerauchtes hartes fleisch, vorrahttiges saltz, mit vil andern sachen mehr, die auf allem fall der noth zur subsistenz der
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guarnison hatten nutzlich gebraucht werden khönnen, seind auch fort, ohne dafs iemand wissen will, wo ein : und anders hinkommen, dessen unangesehen gleichwoll die H. H. Commendanten von hiesiger ruinirten Erzstifft eine übermässige provision und vil andere unaufbringliche sachen mit harten betrohungen fordern , wie sich dan der Churbrandenb. Commissarius Mozfeld verlauten lassen, dafs sie, bey nit erfolgender beyschaffung alles dessen, was die Allyrte Trouppen verlangten, die leuth auf weeg und steeg anhalten, und die execution aller ohrten vornehmen wolten. Die beschehene vertheilung der ansehnlichen quantitet Churfrtl. weins im Hoffkeller und der Erztstifftische Cannonen , so auf requisition des Chur Cölln H. Plenipotentiarii, Excellenz, zu des publici Diensten , aus Kayserswerth vor : und in Bonn gebracht worden, und nun für bonne prise geachtet werden wollen, ist so woll bekandt, alfs die gewaltsame, mit Aufschlagung der kisten beschechene der zur Churfrtl. Erbschaffts Massa gehörige Littigische ad 80 Marck silber sich ertragende schilderey : wie nit weniger, dafs die H. H. Commendanten sich noch unlängst understanden, den Churfrtl. Hof Cammer Rath Flörckin mit dem stättischen Syndico Doctore Dirath , zu dem ende mit leiblichen arrest zu belegen, damit sie die Churfrtl. Regierung sambt denen Löbl. Landständen zur einwilligung in ihre, über 30 puncten, sich betragende excessive postulata solcher gestalt zwingen mögten. Auf wafs weifs aber mehrgedachte H. H. Commendanten denen Churfrtl. Zoll bedienten die registren und das vorhandene paare geldt , mit mehr alls feindtlichen worten undt betrohungen , darauf erfolgten arrest , und hinsezung ihrer auf die haubtwacht, abgenöhttiget, ist landtkündig, und höchst ärgerlich, dafs dem Chur-Cöllnischen Zollschreibers Verwaltern , in des H. Obristen von Landtsberg behausung, von denen commandirenden officirn und ober Commissario Mozfeld committirt worden, ihn durch den gegenwertig gewesenen Türcken auf türkisch briglen zu lassen , so fern er Sr. Chrfrtl . Dehl . zu Cöllen Zoll- Registere und dafs von der übergab her eingegangene gefälle ihme nit sogleich aushändigen wurde . Nun überzihen sie auch under den furwand, das ober Erztstifft zu bedecken, die andere seithen des Rheins, fouragieren und zehren alles aufs, Trachten 2 Compag. Dragoner und 3. Comp. Reütter in die mit Chur Cöllnischer Mannschaft nach notturft verwarte , zur unterhaltung der pferden aber ganz untaugliche Statt Lintz zu werffen , da sie hingegen bey ihrem neulichen abzug von Bonn die vor-posten gegen Montroyal offen gelassen und zur völligen verderbung des landts sich fern von denen feindtlichen frontièren, nach Neüfs und besser hinabgezogen, wo sie anfänglich durch allerhand Erpressungen, so arg, alfs der feind selbst verfahren : Darnach aber bey gesuchter remedyrung , eine solche mänge von Cavallerie und Infanterie daselbst zusam geführt, und zu deren unterhalt so enorme Forderungen gethan, dafs es die Leuth nicht austehen, sonder mehrentheils besorglich verlauffen müessen . Ins Hertzogthumb Westphalen , welches doch das von der Röm: Kayserl: May: Ihro Churf: Drl: zu Brandenburg assignirte Geld quantum zu erlegen sich erbotten, wollen sie über dessen empfang nun noch 7 Compagnien zu Pferd einquartirn. In die gantz verarmbte Statt Dorfen haben sie sich auch mit 100 pferden und 2 Comp. zu Fuefs eigenmächtig hineingetrungen, wo sie mit gröster ungestimme neue wacht: und schilderheuser und die abundanz von allen sachen fordern, auch denen armen Leuthen und burgern in ihre Häuser einfallen, ihnen ihre köller und anderes aufhauen und nach gefallen hausen.
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Von der ins Ertzstifft Cölln gehörige Abbtey Steinfeld begehren sie aufs Aachen vom 16. Novembris zur Unterhalt und subsistenz ihrer in dem Aachischen Land stehenden Cavallerie 6000 rationen an habern, Hew, strohe, dan dasselbiger Prælat, der im Churfürstenthumb Cöllen zu allem concurriren mufs, auch nach aachen deputire der wegen der übrigen subsistenz mitteln vor die Winterquartier in der guete regalirn und abmachen möge. Die zur sicherheit der strassen in underm Erzstifft schon längst hin und her verlegte Chur Cöllnische Infanterie aber wollen sie mit gewalt von dannen jagen, under dem fürwand, dafs sie solche in ihrem quartier nicht leyden könten .
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Anlage 10.
Postulata der Churbrandenburg. Commendanten in Bonn. Nachfolgende puncten hat man nöthig hefunden, denen Chur : Cöln Herrn Plenipotentiario und übrigen Regierungs-Räthen vorzustellen, damit bei jetzigem Commando man sich behörig verbauen und vor feindlichen Surprisen und attaquen gesichert sein möge. 1mo. wird anfänglich höchst nöthig seyn , auf 1870 von der infanterie und 500 Man von Dragoner und reütter proviant auf 2 monat anzuschaffen, so sich ungefähr ad 2000 malter reinefs Korns belauffen wird und doch zu ihrer disposition bleiben kan ohne die Stab und prim. plan. 20. Eine quantitet Salz , Erbsen, Grüze und andere trockene Vorkost, Speck, Kese, Butter, welches allzeit in vorrath und bifs auf den nothfall verwahrt bleibt. 30. weilen die Herren officiern Ihre quartier nicht in natura geniessen, solchen von anfang der besazung monatlich ein gewifses behöriges quartiergelt zahlen zu lassen, Ingleichen vor die gemeine behörigen Service, an beth, licht, holz, Sauer, Pfeffer, und dergleichen entweder in natura oder am gelt, wie solches gebräuchlich monatlich zu liffern. 40. Von anfang an gebührt den Herrn officiren Ihr gehörig hart und rauch fuetter alle monat, also jeder Stab und jede Compagnie mit 20 Pferden bringt an Churbrandenb. seiten 140 Pferd , Holland : 140 Pferd, Münsterische 140 Pferd . 50. Dann muefs auff die reütter und Dragoner, so in 500 bestellt, nicht nur ihr nöthiges hart und rauch fuetter anizo ordentlich gereicht werden , sondern es wird darbey erfordert, dafs vor solche auf ein paar monat zulängliche fourage hier in Vorrat geliffert werde, worvon sie im nothfall ihren underhalt haben mögen. 60. Ist nöthig, dafs vor solche alhier genugsame stallung verfertigt werde . 70. wird man vor die guarnison und vor die in Kellern und baraquen ligende Soldaten auch zum backen genugsames brennholz anschaffen müessen, sonsten sie die Churf. residenz burgerliche Häuser und sonstigen fruchtbaren und andern guten bäumen bedienen und solche nicht verschonen därfften. 80. Vom Land Wachtholz anfahren zu lassen und jemand zu verordnen, der solches täglich in die Corpse de garde liffere. 90. Jemand anzuschaffen, die vor die wachten alle abend öhl und licht aufsgebe oder soviel gelt darvor an die miliz zahle. 100. Auf die in guarnison stehende 1870 Man reine gefühlte strohsäck, alls auf 2 Mann einen nebst behörigen Decken anzuschaffen , damit die leuth vor kälte gesichert und ihre montirung nicht verderben müssen . 110. Etwals Vieh und Wein vor die krancken anschaffen zu lassen. 120. wird man eine Specification übergeben, wie viel man Pallisaden holz nöthig, ohngefähr anfangs ad 2000 pallisaden und 4000 Sturmpfähl , welches
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ohne verliehrung einiger Zeit angefahren werden muefs , worbey dann auf die 50 baurn auf 8 tag mit starcken axten und guten saagen vom Land zu verschreiben, welche die pallisaden hauen und sezen, dann alhier nicht einige axt oder saag in vorrath. 130. Mufs ohne verlihrung einiger Zeit anstalt gemacht werden, die approchen und darvor gemachte werck zu schlichten und zu demoliren. 140. Vor allem mufs die Contrescarp in vollem Stand und mit pallisaden aufsgebessert werden, dann viel abgeschossen und abgehauen. 15º. Die revelin, halbe Mond und andere Werck, so viel möglich zu repariren, welches ein zimmliches erfordern wird. 160. Rings um die Vestung Banquet zu machen, wo noch keine seind, und alles befstens aufszubessern. 170. weillen höchst nöthig, das die thor und brucken , corps de guarde, baraquen, Schillerhäuser verfertigt und mit guten Schlössern versehen auch die Sorties eingehengt werden, und efs dannenhero ein zimmliches an arbeitslohn erfordern wird alfs wird gebetten, einen Commissarium zu verordnen , der dises alles in augenschein nehme, die arbeit sofort bedinge und verfertigen lasse, weilen efs höchst nöthig ist. 18⁰. Müssen die bettungen auf denen batterieen imgleichen die schufsscharten verfertigt und behörige munitions Kösten auf die batterieen geschafft auch das ladtzeug in verwahrung und dafs trockene gebracht werden. 190. Viertausend Sandsöck und etliche tausend Köpff- Körbe zu bestellen . 20º. Die Rofs und handmühlen gangbar zu machen , worzu einige Pferde erfordert werden, so vom land nach und nach können verschriben werden . 21º. Ordre an den magistrat zu ertheilen, ihre schütte oder daſsjenige, wafs vom brand übrig, nicht auf dem plaz und strassen ligen zu lassen, sondern aufszuführen, entweder in den Rhein oder einige vor der Statt ligende löcher. 220. Der Canal mufs gereinigt durch die Statt geführt , und dadurch die Stattmühl brauchbar gemacht werden, auch dafs zum 23º. selbige die schwanghäfftige gipffel und maurn in zeiten fällen ehe solches durch den wind und an Menschen Schaden geschehe. 240. Müssen 12 Pferd aufs wenigst zur artillerie, auch in die mühlen angeschafft werden umb in gelegener Zeit auch die benöthige materialien anzuführen. 250. Ein paar Tausend Huefeisen mit zubehörigen Nägeln in Vorrath. 260. Einige affuit zu Cannonen und Mörsner müssen ebenmässig verfertigt werden. 270. 20 Karren zu bestellen, so dafs benöthigte Bauholz, faschinen, und Spänische reütter aufs den approchen, werckern und gräben abfahren, welches in 8 tag zu vollziehen. 28º. allerhand handwercksleüth zu verschreiben , weilen sie meistens geflüchtet, alfs Zimmerleüth, Maurer, Schmid, Bäcker, Breüer und dergleichen. 290. Einen Commissarium zu verordnen, der mit unfs in allen nothwendigkeiten conferiren, die Zahlung thun , und des gantzen Lands bestes darunter befördern helffen möge. 300. gewise Wochen - Märck anzuordnen, und an die Chur Cöln : ämbter, auch ganzes Land zu notificiren, das sie ihre vivres anhero sicher bringen können, worgegen sie von aller Plackerey incommodirt und bestens in schuz gehalten werden sollen, hingegen wird gebetten , ihnen eine taxa von allem einJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd . 96, 1. 3
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bringenden zu verordnen , dafs sowohl kauffer als verkauffer darunder nicht gravirt werden . 310. Anstalt zu machen, das eine gute quantitet Schub Karrn, schuppen und Hacken, so hier mangeln, angeschafft werden . Man wird über dafs solches Commando halten das yber die hierstehende Miliz so wohl in alfs aufswerts keine Klag erfolgen soll. Wie nun obiges alles sehr nöthig und ohne Zeitverlihrung darüber resolvirt werden mufs, also wolle der Churf. Hl. Plenipotentiarius wie auch übrige H. H. unfs schleuniche resolution zu unserer Nachricht zu kommen belieben tragen . 8. 9 bris Sig. Bonn den 1689.
L. S. ad 342/9 140.
B. Schlabendorff.
L. S.
M. Berchem . Anlage 11.
Die von Ihro Churfrtl. Drl. zu Brandenburg und Ihro Hochfürstl. Gnaden zu Münster etc. hier underschriebene respèe Gral Veldzeügmeister und Gral Lieut: seynd gndst. befelchet , denen von Ihro Churfrtl. Drl. zu Cöln anhero Deputirten Herrn Deputirten folgendes vorzustellen, und deren Erklärung darüber zu vernehmen. 1. Weilen durch Gottes Beystand Bonn aufs feindlichen Handen gerissen und die dabey stehende armée wegen Mangel fourage und anderer Lebensmitteln daselbst nicht länger subsistiren kan , sondern zwischen der Erff und Rhein sich wird vorfs erst postiren und ad interim cantoniren müssen, so wäre nöthig , das einem jeden der alliirten Trouppen die ämbter und örter nebenfs der Fourage angewiesen und assignirt werden . 2. Dafs die approchen und alle zur attaque von Bonn aufgworffene werck, wie auch gemachte retranchementen durch eine grosse anzahl Baurn so gleich geschleifft werden mögen. 3. Das alle an diser Vestung Bonn ruinirte wie auch sonst imperfecte Werck reparirt und perfectionirt, und alles was sowohl behueff der Logirungen und subsistenz der darin erforderten guarnisons alfs auch zu defendirung und manutenirung ged. Vestung nöthig ist und Stuckweifs specificirt werden kan, sogleich beygeschafft und angeordnet werden möge. 4. Demnechst verlangt man von denen Herren Deputirten zu vernehmen ob der hohe Herr Principal im Stand seye , und sich getraue , nicht allein die mit so grossen Kosten und mühe eroberte und diesseits am undern Rhein und in der nahe gelegene Vestungen dergestalt zu besezen und zu bewahren , wie auch seine eigenen Länder zu beschüzen und zu bedecken , das so wohl diese alfs jene von allem feindlichen an und überfall auch sengen und brennen und verheeren gesichert seye , und also denen angränzenden Ländern die so theuer erworbene sicherheit beybehalten werden könne, worüber, und wie sie solches werckstellig zu machen intendirn, deroselben beliebige erklärung begehrt wird, wann aber die Herrn Deputirte vermeynen , das hochged. dero Herr Principal aniezto nicht im stand wäre obiges alles selber zu besorgen, und thun zu können, so wird deroselben vernünfftigen jugement anheimgegeben, ob nicht nothwendig seye , das ein subsistirendes Corps des Armées difsseit Rheins stehen bleibe, worauf dann erfolglich zu determiniren und vestzustellen wäre , wie und wo dieses Corps zu postiren, damit obiger Zweck erreicht werden könne, wie auch wafs die Trouppen zur Subsistenz so wohl aufs denen Ländern darin sie stehen müssen, alls auch aufs andern angränzenden gereicht werden könne und wolle. Çöln den 20 8bris 1689. Span. Schwarz.
von Brandenburg im Jahre 1689. 342/8 528.
35 Anlage 12.
Chur- Brandenb. Tractat, 1. Chur-Brandenb. erbietet sich seine Völcker aufs Bonn und dem Obern Ertzstifft abzuführen, in der hoffnung, Staaden und Münster werden mit ihren Völckern ein gleichmessiges thuen. cum hac insuper condicione dafs man für den in Bonn gestandenen Bataillon à mense 8 bris bifs zu dessen abzug völligen Underhalt verschaffen solle ; doch soll daruon abgerechnet werden, wafs solche Bataill. seithero an gelt empfangen. 2. Chur Brandenburg will noch daryber im Erzstifft am underm Rheine an der Niers und Erfft 5842 Mann zu Pferd und Fuefs logirn, welche die ChurCöllnische Mannschaft bedecken solle et vice versa. 3. Die Verpflegung soll der Erz - Stüfft thuen : Pferdportion 1S . haber, 6 hew, 1 pund strohe, oder monatlich 3 Rchsthaler. - Mundportion 2 Für Servis einem Reiter 14 Groschen, Brodt oder monatlich 18 Groschen. Dragoner 12, Musketier 10. Der Hauls Vatter soll die option haben ein oder daſs andere zu geben , so sich also auch auf die quartier verstehet. - Mehreres will Churbrandenburg nit fordern, uneracht Sie bifs zu aufsgang des 8 bris, vasst mit Ihrer ganzen armée das Erzstüfftische bedecken müssen. 4. Excessus sollen mehrers specificirt werden ; die Generalitet habe sonsten wegen deren ein: und abstellung strenge beuelch bekommen. 5. Für die eigene Chur- Cöllnische Völcker verbleibt die Eifl, dergestalt, wann die Chur-Brandenburgische Trouppen seither des 1. 8bris etwas daraufs gezogen, selbiges auf liquid. an ihren portionen defalcirt werden solle. 6. Und weilen über dises in dem Hertzogthumb Westphalen noch 2 Comp. zu Fuefs und 10 Comp . zu Pferd Brandenburgische Völcker einlogirt seind, will sich Chur-Brandenburg auf die assignation die der Kayser thuen wird, eintweder lassen abrechnen, oder in ermanglung deren, dafs paar gelt darfür bezalen. 7. Diser Recess soll beederseits inner 3 Wochen ad subscr. ratificirt werden.
II. Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung der k. bayerischen Feld - Artillerie in unserem Jahrhundert, insbesondere deren Schiefsausbildung bis 1874. Von Speck, Generalmajor a. D.
Februar 1874 wurden zum ersten Male Hauptleute der k. bayerischen Artillerie in den Lehrkurs der 1867 errichteten k. preufsischen Artillerie-Schiefsschule kommandirt. Nicht nur aus diesem Grunde , sondern auch mit Rücksicht auf die nicht selten gehörte Frage , nach welchen Regeln die bayerische 3*
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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Artillerie im Kriege 1870/71 geschossen habe , wird sich ein Rückblick auf die Schiefsausbildung, welche die bayerische Feldartillerie im Jahre 1874 erreicht hatte, rechtfertigen.
Dieser Rück-
blick mufs nicht nur das mit glatten Feldgeschützen gebräuchlich gewesene Schiefsverfahren, sondern auch diejenigen Verhältnisse, welche auf die Entwickelung der bayerischen Feldartillerie seit 1815 von wesentlichem Einflusse waren , mithin insbesondere die Bestimmungen, nach welchen die Ausbildung ihrer Angehörigen , vor allem ihrer Offiziere erfolgte, kurz berühren . Während der Ersatz der Offiziere ,
Unteroffiziere
und
Mannschaften seit 1868 in der
Hauptsache wie in Preufsen bethätigt wird , ist die bayerische Feldartillerie bezüglich Gliederung , Material und Ausbildung erst seit 1874 von der übrigen deutschen Feldartillerie nicht mehr in wesentlicher Weise verschieden .
Für den Rückblick ergeben sich vier Hauptabschnitte: I. Bis zu der Einführung gezogener Geschütze ( 1861 ) , II . Bis zu dergänzlichen Ausscheidung der glatten Feldgeschütze ( 1867), III. Von der durchgängigen Bewaffnung mit gezogenen Feldgeschützen bis zum Kriege 1870/71 , IV. Nach dem Kriege 1870/71 , bis zu der Einführung des deutschen Feldartillerie-Materials C/73. In jedem dieser vier Hauptabschnitte wird zuerst der Entwickelung und der allgemeinen Ausbildung der Artillerie , dann erst der Ausbildung der Feldartillerie im Schiefsen besonders gedacht werden. Nachdem erst 1894 eine von Herrn Hauptmann Lutz nach Geschichte der bayeauthentischen Quellen bearbeitete rischen Artillerie von ihren ersten Anfängen bis zur Gegen . wart " erschienen ist , wird in jedem der vier Hauptabschnitte die Entwickelung der bayerischen Artillerie nur in so weit berührt werden , als dieselbe von besonderem Einflusse auf die Ausbildung der bayerischen Feldartillerie gewesen ist. I. Bis zu der Einführung gezogener Geschütze (1861 ) . A. Ausbildung im Allgemeinen. Bei der 1777 erfolgten Vereinigung des Kurfürstentums Bayern mit der Kurpfalz traten zu den vier kurbayerischen Artillerie - Kompagnien , deren älteste ununterbrochen seit 1705 bestand , drei kurpfälzische Artillerie-Kompagnien , von welchen die älteste 1692 errichtet worden war , die beiden anderen Kompagnien seit 1701 bestanden. 1791 wurde die kurpfalz-bayerische Artillerie in ein Regiment zu zwei Bataillonen à vier Kompagnien, mit dem I. Bataillon in Bayern (Ingolstadt) , mit dem II. Bataillon in der Pfalz (Mannheim),
der k. bayerischen Feld -Artillerie etc.
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Während der
Jülich und Berg (Düsseldorf) stehend, vereinigt .
Napoleonischen Kriege war dieses Regiment auf 22 Kompagnien gebracht und dann 26. Juni 1817 der Stand desselben zu vier Bataillonen, jedes zu sechs Kompagnien, darunter eine leichte (fahrende) und fünf Linien- (Fufs-) Kompagnien , festgesetzt und sohin für nur einen Regimentsverband zu stark geworden . 1. Von der Bildung zweier Regimenter bis zur Gleichstellung aller 24 Artillerie - Komgagnien ( 1824 bis 1839 ). 11. Oktober 1824 wurden die vier Bataillone in der Weise in zwei Regimenter gegliedert, daſs die Bataillone mit den ungeraden Nummern , welche in München garnisonirten , das erste Regiment, die Bataillone mit den geraden Nummern, welche sich seit 1817 das II . Bataillon von Nürnberg nach Augsburg verlegt worden war fanden, das zweite Regiment bildeten. sämmtlicher
Zweige
in Augsburg be-
Da das 1. Regiment als Stamın
und Abteilungen
der k. bayerischen Artillerie
angesehen wurde, hatte das 2. Regiment, welches 1827 von Augsburg nach Würzburg verlegt wurde , die Geschichte seiner Stamm-Bataillone an das 1. Regiment abzugeben , bewahrte jedoch Abschriften dieser Geschichte in seiner Offiziers-Bibliothek, die aus jenen des II . und IV. Bataillons entstanden ist, auf. Vom 2. Regiment befanden sich vier Linien - Kompagnien in der Bundesfestung Landau in der Pfalz , während vom 1. Regiment seit 1827 eine Linien-Kompagnie in Augsburg garnisonirte .
Die Ablösung
der nicht am Regimentssitze befindlichen Linien-Kompagnien fand während des Monats Oktober in der Weise statt, dafs keine Kompagnie
länger
als zwei Jahre vom Regimentssitze
entfernt blieb .
Aufserdem waren die früher fürstbischöflich Bambergische Festung Forchheim und die Vesten Würzburg bei Weifsenburg am Sand, sowie Rosenberg bei Kronach vom 2. Regiment , die Vesten Ober- und Niederhaus bei Passau und Rothenberg bei Amberg vom 1. Regiment mit kleinen, von einem Lieutenant oder Feuerwerker (Sergeant) befehligten Artillerie-Kommandos zu besetzen , deren Ablösung jährlich während des Monats Oktober stattfand. Jedes der beiden Regimenter verfügte, seit der 21. Dezember 1825 erfolgten Auflösung des Artillerie- und Armee-Fuhrwesens-Bataillons, über so viel Fuhrwesen, mit aus Unteroffizieren der Artillerie und der Kavallerie sich ergänzenden Offizieren ,
dafs zwei halbe 6 Pfünder-
(fahrende) Feldbatterien, für deren Bedienung die stets am Regimentssitze garnisonirenden zwei leichten Kompagnien bestimmt waren, und, behufs Ausbildung der Linien-Kompagnien , welche in der Bedienung aller Feld- und Festungsgeschütze zu unterrichten waren , als Feld-
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Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
Artillerie, eine acht Geschütze und eben so viele Munitionswagen starke 6 Pfünder-Fufs- oder 12 Pfünder-Fufs-Batterie bespannt werden . konnte. Das zur Bespannung dieser Batterie bestimmte Fuhrwesen stand unter dem Kommando eines Fuhrwesens-Rittmeisters ,
welchem
zwei Fuhrwesens-Lieutenants und die nötige Anzahl von FuhrwesensUnteroffizieren und Mannschaften unterstellt waren. Dem ArtillerieKorps-Kommando, welchem die Artillerie - Regimenter und die Zeughaus - Haupt - Direktion mit allen Zeughaus - Verwaltungen (ArtillerieDepots) und technischen Instituten der Artillerie unterstellt waren, wurde der seitherige Kommandeur des Artillerie- und Armee - Fuhrwesens-Bataillons als Referent für das Fuhrwesen beigegeben. Aufser den Stabs-Offizieren, für welche je zwei , und den Regimentsund Bataillons - Adjutanten , für welche je ein eigenes Reitpferd vorgeschrieben war, oblag nur den Hauptleuten und Lieutenants der leichten Kompagnien und den Fuhrwesens-Offizieren die Berittenmachung mit je einem aus eigenen Mitteln beschafften Reitpferde.
Die Offiziere
der Linien-Kompagnien wurden an denjenigen Tagen , an welchen ihre Kompagnie als Feldbatterie exerzirte, mit Dienstreitpferden des Fuhrwesens beritten gemacht. Dieselben erhielten jedoch, ebenso wie die sämmtlichen Unteroffiziere und Trompeter der leichten Kompagnien, während des Winters von den Fuhrwesens-Offizieren Reitunterricht etc. ertheilt. Bis zum Jahre 1831 verfügten nur die leichten Kompagnien über Trompeter, welche beim bespannten Exerziren beritten waren, während bei den Linien- Kompagnien die Dienste der Trompeter durch Tambours verrichtet wurden, welche beim Exerziren ihrer Kompagnie als Feldbatterie mit dem Trommler zu Fufs ausrückten. Die leichten Kompagnien , welche , 1806 zum ersten Male vorkommend , die 1799 bis 1804 bestandene reitende Batterie ersetzen sollten, hatten sich in den Feldzügen vielfach besonders rühmlich hervorgethan und den Namen ihrer Hauptleute --- von Caspers , Regnier,
Gotthard, Freiherr von Gravenreuth , Freiherr von Widemann, Anton Halder, Rudersheim etc., nach welchen die Feldbatterien ausschliefslich im Kriege benannt worden waren, grofses Ansehen in der Armee gewonnen. Dem Berittensein der bei den leichten Kompagnien eingeteilten Offiziere mit eigenen Reitpferden und der jeder dieser Kompagnien ständig, unter dem Kommando eines Fuhrwesens-Lieutenants, zugeteilten reichlichen Friedens-Bespannung, mit welcher vier Geschütze und vier Wurst - Munitionswagen ' ) bespannt werden konnten , war es ¹ ) Bis 1862 waren auf dem Deckel des nach der Zugrichtung , also nach der Länge, gestellten Hinterkastens derjenigen Munitionswagen, welche für die leichten (fahrenden) Feldbatterien bestimmt waren, gepolsterte Ledersitze angebracht, damit die zur Geschützbedienung nötige Mannschaft, von welcher beim
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
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zu danken, daſs , obwohl die Beaufsichtigung des Stalldienstes und der Pferdewart, der Reit- und Bespannungsdienst dem Fuhrwesens-Lieutenant, welcher in der bespannten Batterie die Munitionswagen - zweite Linie der Batterie genannt kommandirte , und den FuhrwesensUnteroffizieren - Wagenführern in ber bespannten Batterie
oblag,
von den 24 Kompagnien wenigstens 4 für die im Kriege an die Feldartillerie herantretenden Aufgaben besser vorbereitet werden konnten . Aus der Zahl derjenigen Offiziere ,
welche in den leichten Kom-
pagnien als Hauptleute und Lieutenants gedient hatten, wurden 1848 , bei der Errichtung der reitenden Artillerie , die Stabsoffiziere und Batterie-Kommandanten für das reitende (dritte) Artillerie- Regiment mit sehr entsprechendem Erfolge gewählt. Die Mehrzahl der Artillerie- Offiziere war in erster Linie auf Erweiterung und Vervollkommnung ihrer mathematischen und technischen Kenntnisse und Fertigkeiten bedacht.
Kunstfertigkeit im Arbeiten an,
aus eigenen Mitteln beschafften, ja selbst gefertigten Drehbänken ¹) oder Geschicklichkeit in physikalischen Experimenten, insbesondere im Laboriren von Feuerwerkskörpern etc. und ganz besonders im Zeichnen 2) wurde angestrebt und von einem nicht unbeträchtlichen Teile der Artillerieoffiziere jener Zeit wirklich erreicht. Auch durch die bei den Regimentern seit 1824 für die theoretisch-wissenschaftliche Fortbildung der Lieutenants und Junker eingeführten Offiziersschulen, deren sowie des gesammten Ausbildungs- und Dienstbetriebes ad 3. eingehender gedacht werden wird , wurde die artilleristisch-technische Ausbildung Material C/1800 nur zwei , beim Material C/1836 drei Mann auf der Geschützprotze Platz fanden, auf dem jedem Geschütze stets unmittelbar folgenden Munitionswagen wie auf einem Voltigirbock sitzend fortgeschafft werden konnte . Weil diese Ledersitze den langen und schmalen hinteren Kasten des Munitionswagens wurstartig eindeckten, wurden die Munitionswagen der leichten (fahrenden) Batterien Wurstmunitionswagen , die der Linien- (Fufs- )Batterien, welche eiserne Deckel hatten, Linienmunitionswagen genannt. ¹) Die Offiziers - Bibliothek des 2. Artillerie- Regiments war mit Recht stolz auf die musterhaft gefertigten Modelle nahezu aller in den europäischen Artillerien im vierten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts bestandenen Geschütz- und Fahrzeug-Konstruktionen, welche Unterlieutenant Korbinian Halder - gestorben 1888 als Generalmajor a. D., der Angehörige einer Familie, die in dem bayerischen Heere , insbesondere in dessen Artillerie , seit der 1607 stattgehabten Eroberung der bis dahin freien Reichsstadt Donauwörth, durch den Herzog, seit 1623 Kurfürst Maximilian I. von Bayern, unausgesetzt durch vortreffliche Offiziere vertreten war und ist, gefertigt hatte . 2) In der Offiziers - Zeichnungs - Schule des 1. Artillerie- Regiments wurde für den Kaiser Nikolaus I. von Rufsland, welcher 1838 den Truppenübungen der bayerischen Armee bei Augsburg beigewohnt und hierbei insbesondere der Artillerie seine hohe Aufmerksamkeit geschenkt hatte , das gesammte bayerische Feldartillerie-Material C/36 hervorragend schön gezeichnet.
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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entschieden vielmehr unterstützt und gefördert , als die Erweiterung und Vervollkommnung des Wissens und Könnens im taktischen Gebiete der Belagerungs- und Festungs- , geschweige Feldartillerie . Die Besetzung der technischen Etablissements der Artillerie mit für diese wichtigen Institute geeigneten Artillerie- Offizieren bot daher keinerlei Schwierigkeit. Die bald nach Schlufs der Napoleonischen Kriegsperiode mittelst freiwilliger Beiträge der Offiziere gegründeten Offiziers-Bibliotheken geben ein schönes Zeugnifs für das wissenschaftliche Streben ihrer Gründer. Die Werke des grofsen und edlen Scharnhorst , Vega's, Decker's, Dr. Moritz Meyer's etc. und vor allem l'Aide-Mémoire à l'usage des officiers d'artillerie , wurden von vielen , jene Monhaupt's, Pz.'s, Clausewitz's, wenn auch von wenigen Offizieren, doch dafür von diesen um so eifriger gelesen und studirt. Die Beförderungs-Verhältnisse der Offiziere waren nach heutigen Begriffen sehr ungünstige, aber immerhin bei der Artillerie wesentlich günstiger als bei der Infanterie.
In der Artillerie wurde, wie in der
Kavallerie, durchschnittlich der Hauptmann nach 20 jähriger, der Stabsoffizier nach gut 30 jähriger Dienstzeit als Offizier erreicht , während bei der Infanterie, wegen der grofsen Zahl der nach Schlufs der Kriegsperiode ( 1815) im Dienste verbliebenen Offiziere der 1813 aufgestellten freiwilligen Truppen- Abteilungen, nahezu 10 Jahre mehr Zeit erforderlich war . Eine sehr wirksame Förderung erhielt die technische Entwickelung der bayerischen Artillerie durch die Reise , welche auf Befehl König Ludwig I. drei Offiziere derselben - Major Karl Weishaupt¹ ) , Hauptmann Vinzenz Achner 2 ) und Oberlieutenant Friedrich Speck 3) in den 1 ) Sohn des Universitäts -Professors und Stifters des Illuminaten- Ordens in Ingolstadt , kommandirte im russischen Feldzuge 1812 , als Hauptmann , eine Batterie mit Auszeichnung, war 1844-1848 Oberst und Vorstand der ZeughausHaupt-Direktion, 1848 Generalmajor und Kriegsminister , hierauf bis zu seinem Tode, Ende 1853, Brigadier der Artillerie. 2) Soll vor Anfang unseres Jahrhunderts, ohne Kenntnifs des Lesens und Schreibens , freiwillig in die Artillerie eingetreten sein , deren wissenschaftlich gebildetster Offizier er wurde, 1848-1855, als Oberst später Generalmajor, Vorstand der Zeughaus-Haupt- Direktion , hochbetagt und hochgeehrt Anfang der 70er Jahre gestorben. ³) 1813 aus dem Kadetten -Korps als Unterlieutenant in die Artillerie übergetreten, nach den Feldzügen, 8 Jahre lang, bis ihm vom Kriegsministerium die technische Einrichtung der Gewehrfabrik in Amberg übertragen wurde , im technischen Institute Georg von Reichenbach's, des Erfinders der Teilmaschine, welcher selbst bis 1811 in der bayerischen Artillerie, zuletzt als Hauptmann gedient hatte , als Ingenieur thätig. Nach der Rückkehr von der Reise wurde dem Oberlieutenant Speck die technische Einrichtung des Giefs- und Bohrhauses
der k. bayerischen Feld -Artillerie etc.
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Jahren 1827 bis 1829 nach Frankreich, England und Preufsen , behufs Kenntnifsnahme und Studiums der technischen und übrigen Einrichtungen der Artillerien jener Staaten, und Schweden, wegen des Gusses eiserner Kanonen , auszuführen hatten.
dem
Eine Linien-Kompagnie des 1. Artillerie-Regiments gehörte, unter Kommando des Hauptmanns Friedrich Schnizlein ¹ ) , zu dem
25. Oktober 1832 nach Griechenland entsendeten bayerischen Hülfskorps . - Einige Hauptleute und mehrere Lieutenants der bayerischen Artillerie traten 1833 in k. griechische Dienste über, aus welchen sie, bis zum Jahre 1843 , wieder in k . bayerische Dienste in ihr früheres Rangverhältnifs zurücktraten .
Hauptmann Ludwig Lüder 2) war Kom-
mandant von Nauplia und Gouverneur des Pelopones , ebenso bekleidete Hauptmann Philipp Freiherr von Brand³) eine hohe Stelle im k. griechischen Heere . Lieutenant Maximilian Feder¹ ) war Gouverneur der Maina.
Lieutenant Joseph Hütz 5) kommandirte als Oberstlieute-
nant die k . griechische Artillerie. Auch Lieutenant Joseph Schmölzl ), (Geschützgiesserei) in Augsburg übertragen , und derselbe dann , nachdem er 1836-1838 zur Übernahme der in Schweden für Bayern gegossenen eisernen Kanonen kommandirt gewesen war, dem Vorstande der Zeughaus - Haupt-Direktion für das Maschinenwesen beigegeben. 1858 als Oberst verabschiedet, starb derselbe hoch betagt und hoch geachtet 1880 . 1 ) Teilte sich mit Achner in den Ruf des wissenschaftlich gebildetsten bayerischen Artillerie- Offiziers, 1850-1855 Oberst und Kommandeur des 1. Artillerie-Regiments , dann , bis zu seinem Tode , Januar 1866 , Gouverneur der Bundesfestung Landau. 2) 1812 aus dem Kadetten-Korps als Unterlieutenant in die Artillerie übergetreten, 1844-1848 Kommandeur des Genie- (Pionier-) Bataillons, seit 1848 GenieRegiment. Herbst 1848 zum Kommandanten von München, 1848 zum Generalmajor und Kriegsminister ernannt, welche hohe Stelle derselbe bis 1855 , dann wieder 1859-1861 bekleidete . Gestorben 1862 als Feldzeugmeister z. D. und Inhaber des 2. Artillerie-Regiments. 3) 1848-1850 Kommandeur des 3. (reitenden) Artillerie- Regiments , dann bis 1852 Gouverneur der Bundesfestung Landau, hierauf bis 1856 Generalquartiermeister (Chef des Generalstabes) und 1856-1862 Artillerie-Korps -Kommandant. 1870 gestorben. 4) 1844 als Major zur Infanterie versetzt, kommandirte derselbe , Anfang der 50er Jahre, das 14. Infanterie- Regiment, war dann bayerischer Gesandter am k. griechischen Hofe, hierauf 1861 bis zu seinem Tode (1869) Kommandeur der 2. Infanterie-Division, welche er im Feldzuge 1866 kommandirte. 5) 1853-1855 , als Oberstlieutenant , Mitglied der Artillerie- BerathungsKommission , 1855-1859 Oberst und Kommandeur des 1. Artillerie- Regiments, 1859-1863 Generalmajor und Gouverneur der Festung Germersheim, 1863-1869 Brigadier der Artillerie und als solcher Vorstand der Artillerie- BerathungsKommission, 1869-1874 Generallieutenant und Gouverneur der Festung Ingolstadt. Ende der 70er Jahre gestorben. 6) Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre Lehrer der Waffenlehre am Kadetten-Korps, dann Major und Mitglied der Artillerie- Berathungs - Kommission,
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Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
welcher in der zweiten Hälfte der 40er Jahre, mit dem, gleich ihm, in k. bayerische Dienste zurückgekehrten Hauptmann Hütz, die Zeitschrift Archiv für die Offiziere der k. bayerischen Armee" leitete, und mit pp. Hütz 1847 ein Handbuch für die k. bayerische Artillerie herausgab, welches mit Recht auch aufserhalb Bayerns geschätzt wurde und 1856 eine zweite Auflage erlebte ,
hatte als Major in der k.
griechischen Artillerie gedient. 1838 verlor Forchheim seine Festungs-Eigenschaft, daher auch seinen Kommandanten Generallieutenant -, seine Zeughaus - Verwaltung (Artillerie-Depot) und sein kleines Artillerie- Besatzungs-Kommando . worden.
Schon ein Jahr vorher war die Veste Rothenberg desarmirt
2. Von der Gleichstellung aller Artillerie - Kompagnien bis zur Errichtung der reitenden Artillerie ( 1839-1848 ) .
In Folge der Einführung des Feld - Artillerie - Materials C/1836 (System Zoller¹ ) , an Stelle des bei Beginn des Jahrhunderts, durch den aus französischen in bayerische Dienste übergetretenen Generallieutenant von Manson in Bayern zur Einführung gelangten, dem Gribeauval'schen in Frankreich nachgebildeten Feld -Artillerie-Material C/1800 (System Manson) - von den französischen Artillerie-Offizieren daher System Grippon genannt ---, wurden 1839
die
Linien - Kom-
pagnien den leichten Kompagnien gleichgestellt, und deshalb die Berittenmachung der Hauptleute und Lieutenants aller 24 ArtillerieKompagnien mit aus eigenen Mitteln beschafften Reitpferden verfügt. Aus demselben Grunde erhielten nun die Unteroffiziere und Trompeter sämmtlicher Artillerie - Kompagnien während des Winters von den Die bisher beFuhrwesens -Offizieren Reitunterricht etc. erteilt. standene Trennung zwischen dem Bedienungs- und dem Bespannungsdienste wurde streng aufrecht erhalten , und trat bezüglich des ersterwähnten Dienstes nur die Änderung ein, dafs nun alle 24 Kompagnien in der Bedienung aller Feld- und Festungsgeschütze auszubilden waren . später Oberstlieutenant und Referent bei der Zeughaus-Haupt- Direktion , Ende der 60er Jahre Oberst und Artillerie-Direktor (Artillerie-Offizier vom Platz) der Festung Germersheim . Derselbe war bis zu seinem Tode, Anfang der 80er Jahre, ein eben so fleifsiger als geschätzter Militär- Schriftsteller. ¹ ) Karl Freiherr von Zoller , welcher sich in den Feldzügen 1805-1815 als höherer Artillerieführer ausgezeichnet hatte, war 1829-1837 Vorstand der Zeughaus-Haupt-Direktion, 1838-1848 Artillerie-Korps-Kommandant und starb als Feldzeugmeister z. D. und Inhaber des 2. Artillerie - Regiments 1849. Derselbe soll mit Generallieutenant von Manson, dessen Adjutant er gewesen war, aus französischem in bayerische Dienste übergetreten sein.
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der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
Der Pferdestand
des
jedem Regiment zugeteilten Fuhrwesens
blieb ungeändert und genügte für die Bespannung von zwei ExerzirBatterien zu acht Geschützen und eben so vielen Munitionswagen an jedem Regimentssitze.
Jede der jeweilig in München bezw. Würzburg
garnisonirenden Kompagnien konnte, während des dritten RekrutenMonats (Juni) und während der ,
drei Monate nach der Einstellung
der Rekruten beginnenden , im Nachfolgenden eingehender erwähnt werdenden zweimonatlichen Hauptausbildungszeit (Juli und August) wöchentlich mindestens ein-, höchstens zwei Mal im bespannten Exerziren als Feldbatterie und im Schiefsen als 6 Pfünder- (nur durchaus fahrende) und 12 Pfünder- (Fufs- ) Batterie geübt werden. Das am Regimentssitze befindliche Fuhrwesen wurde jedoch bei jedem Regiment nicht in zwei, sondern in so viele Abteilungen , als das Regiment bei der Mobilmachung Feldbatterien aufzustellen hatte, - also vier pro Regiment gegliedert. Jede dieser acht Abteilungen wurde von einem Fuhrwesens- Lieutenant kommandirt und einer der jeweilig am Regimentssitze garnisonirenden Artillerie- Kompagnien in der Weise, wie früher die Bespannungs - Abteilungen mit den leichten Kompagnien - aber ständig -- verbunden waren, zugeteilt. Nicht nur die jährlich unter den Artillerie-Kompagnien stattfindenden Garnisonswechsel - das 1. Regiment hatte nur eine Kompagnie in Augsburg, dagegen das 2. Regiment, aufser vier Kompagnien in Landau, nun auch eine Kompagnie in Germersheim detachirt ,
und war des-
halb 1841 von 12 auf 14 Kompagnien vermehrt worden , sondern auch der Umstand , dafs die Fuhrwesens - Abteilungen grundsätzlich den von den älteren Hauptleuten kommandirten Kompagnien zugeteilt wurden, gestalteten die an und für sich lockere Verbindung der Bedienung und Bespannung der Artillerie auch noch zu einer häufig wechselnden. Aufserdem verfügten die Festungen Landau und Germersheim über Fuhrwesens - Abteilungen, mittelst welcher den jeweilig in diesen Festungen garnisonirenden Artillerie-Kompagnien das bespannte Exerziren als halbe 6 Pfünder fahrende Feld- (Ausfall-) Batterie ermöglicht wurde . Der Rittmeister des Fuhrwesens wurde als ständiges Mitglied der Regiments-Ökonomie- (Bekleidungs-) Kommission verwendet, und waren ihm insbesondere die bezüglich der sehr grofsen Pferde-Rüstungs-Vorräte gebotenen Thätigkeiten zugewiesen. Abgesehen von der sich bewährenden Berittenmachung aller Offiziere mit selbst beschafften Reitpferden , wurden 1839 mehr die leichten den Linien - Kompagnien , als letztere den leichten Kompagnien gleichgestellt. Nicht nur alle Offiziere, sondern auch alle Unteroffiziere und Mannschaften der ge-
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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sammten Artillerie sollten, je nach Bedarf, sowohl im Feld- wie im Festungskriege verwendet werden können . Aus diesem Grunde wurden alle Artillerie - Kompagnien für die Bedienung etc. aller Feld- und Festungs- bezw. Belagerungsgeschütze ausgebildet. Damit aber diese grofs Anforderung gestellt werden konnte , wurde der Bespannungsdienst, welcher bei der Feldartillerie so innig und unmittelbar mit dem Gebrauche ihrer Geschütze verbunden ist, dem Fuhrwesen überlassen. Unter einer solchen Organisation mufste die Heranbildung für den Feldartilleriedienst fast noch mehr als jene für den Festungs- und Belagerungs - Artilleriedienst leiden. - Dennoch hatte die Berittenmachung der Hauptleute und Lieutenants aller Artillerie-Kompagnien die günstige Folge , dafs das Exerziren in der bespannten Feldbatterie, welches bis 1839 nur von den vier leichten Kompagnien mit wirklichem Erfolge betrieben werden konnte, nun von allen 24 Kompagnien, zwar nicht in der nutzbringenden Weise, wie bisher von den vier leichten Kompagnien, so doch mit viel besserem Erfolge als vorher von den 20 Linien-Kompagnien , geübt werden konnte. Die bis 1839 von Seite vieler Offiziere den Arbeiten an der Drehbank, dem Laboriren von Feuerwerkskörpern etc. geschenkte Vorliebe nahm entschieden ab, die für mathematische Namentlich unter den jüngeren Studien und Zeichnen aber nicht. Offizieren war der gröfsere Teil mit Erfolg bestrebt, sich im Reiten und in allen auf das Pferd bezüglichen Kenntnissen auszubilden und dadurch die Befähigung für das Exerziren in der bespannten Feldbatterie zu erhöhen. Ehe nun zu der Betrachtung des Zeitraums geschritten wird, mit welchem, in Folge der kurz vor der Mitte des Jahrhunderts erfolgten Errichtung eines reitenden Artillerie - Regiments, ein so bedeutender Fortschritt in der Entwickelung der bayerischen Feldartillerie begann , ist die Einschaltung des nachstehenden Abschnittes vielleicht nicht ohne Interesse. 3. Ergänzung und Ausbildung der bayerischen Artillerie in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts . Der Ersatz der Offiziere der bayerischen Artillerie erfolgte aus Offizierszum gröfseren Teile -- nahezu zu zwei Drittteilen und höheren Beamten- Söhnen, welche im Kadetten- Korps vom 10. bis zum 18. Lebensjahre erzogen worden waren¹ ) , zum geringeren Teile 16, sogar weniger Lebensaus, meist in sehr jugendlichem Alter jahren
in den Artillerie-Regimentern auf Beförderung eingetretenen
1 ) Erst seit 1850 vom 12. bis zum 18. Lebensjahre.
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
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Söhnen von Offizieren, Beamten, Adeligen - sogenannten Regimentszu geringem , aber gewichtigem Teile aus in der k. Kadetten Pagerie erzogenen Söhnen der Adelsfamilien des Königreiches¹ ). Für die Edelknaben, welche aus der k. Pagerie in die Armee als Unterlieutenant, seit 1849 als Junker übertraten , war das Bestehen der Schlufsprüfung dieser Anstalt - Absolutorium des humanistischen Gymnasiums Bedingung. - Der Lehrpsan des k. Kadetten-Korps wich darin von demjenigen einer Lateinschule und eines humanistischen Gymnasiums ab, dafs, an Stelle der griechischen und bis 1842 auch der lateinischen Sprache, französische Sprache, Geschichte, Geographie, Naturwissenschaften und Zeichnungs-Unterricht , namentlich aber die mathematischen Studien und ganz besonders alle körperlichen Übungen sehr berücksichtigt wurden .
In den beiden höchsten Lehrklassen des
k. Kadetten - Korps wurde aufserdem Unterricht in der Taktik ,
Be-
festigung , Dienstlehre , Physik und höheren Mathematik erteilt . Ebenso wie das Erlernen der englischen Sprache, war die Teilnahme am Physik- und höheren Mathematik - Unterricht dem freien Willen der Zöglinge überlassen , jedoch davon abhängig , dafs die von denselben in den Unterrichtsgebieten der niederen Mathematik gewonnenen Kenntnisse besonders befriedigten. Für den Übertritt als Junker zur Artillerie war nicht nur das Bestehen der Schlussprüfung am Kadetten-Korps , sondern auch der befriedigende Besuch des Physikund höheren Mathematik - Unterrichts Bedingung. An dem im Kadetten - Korps erteilt werdenden Unterricht in der Physik hatten auch diejenigen Regiments - Kadetten der Artillerie Teil zu nehmen, welche die für die Zöglinge der höchsten achten - Lehrklasse des Kadetten - Korps vorgeschriebene Schlufsprüfung bestanden hatten. Für diese Prüfung mufsten sich die Regiments-Kadetten in ihren dienstfreien Stunden , unterstützt durch Lieutenants ihrer Regimenter, vorbereiten. Die Beförderung der Regiments-Kadetten zu Junkern — nach bereits vollendetem 25. Lebensjahre sofort zu Unterlieutenants erfolgte, da für die Deckung des Offizier-Bedarfes in manchen Jahren der Zugang aus dem Kadetten-Korps genügte , erst zwei , oft noch mehr Jahre nach jener derjenigen Korps-Kadetten, mit welchen sie die Schlufsprüfung des Kadetten-Korps bestanden hatten . Die aus der Pagerie und dem Kadetten - Korps Ende August als Unterlieutenant bezw. Junker in die Artillerie eingetretenen jungen. Männer verrichteten, je einen Monat lang, Dienste als Kanonier, Korporal (Unteroffizier) und Oberfeuerwerker (Wachtmeister) ehe sie zur ¹) Der kommandirende General des I. bayerischen Armee-Korps während des Krieges 1870/71 , General der Infanterie Ludwig Freiherr von der TannRathsamhausen, trat 1833 aus der Pagerie in die Artillerie über.
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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Verrichtung der Dienste ihrer Charge zugelassen wurden. Die Junker waren dem Regiments- Adjutanten unmittelbar unterstellt, und wurden von diesem zur Verrichtung der verschiedenen Kanzleidienste verwendet, in der Regel jedoch, sobald sie in diesen Diensten, namentlich im Führen der Rapporte und Listen, genügende Fertigkeit gewonnen hatten, einer Kompagnie zur Verrichtung von Lieutenants - Diensten zugeteilt. Je nach dem gröfseren oder geringeren Abgang von Offizieren erfolgte die Beförderung der Junker zu Unterlieutenants innerhalb ein bis drei Jahren. Die Bataillons-Adjutanten waren, in so weit sie nicht bei Stabsoffizieren, welche vom Regiment detachirte Kompagnien kommandirten , als Adjutanten Verwendung fanden, dem Regiments-Kommandeur unmittelbar unterstellt, weil die am Regimentssitze befindlichen Oberstlieutenants und Majore nicht als Kommandeure der Bataillone des Regiments bezeichnet und verwendet wurden . Das mannigfaltige Gebiet des Regiments- Adjutanten-Dienstes bot reichliche Gelegenheit, den am Regimentssitze befindlichen Bataillons-Adjutanten einen Thätigkeitskreis zuzuweisen, und hierdurch den Regiments- Adjutanten zu entlasten . Regiments- und Bataillons- Adjutanten zählten bis zum Jahre 1848 auf den Stand der für die Kompagnien vorgeschriebenen Lieutenants, pro Kompagnie ein Ober- und 2 Unterlieutenants . Bis zum Jahre 1851 bestand für die speziellen Studien des Artillerie - Offiziers keine eigene Lehranstalt in Bayern. Diesem Mangel wurde seit 1824 durch die bei den Artillerie- Regimentern während der Monate November einschliefslich März stattfindenden Offiziers-Schulen zu begegnen getrachtet. Lieutenants
Sämmtliche Junker und
ausschliefslich der Adjutanten und derjenigen Ober-
lieutenants, welche längere Zeit Kompagnie -Kommandos zu führen hatten, sowie der als Lehrer der Unteroffiziere verwendeten Lieutenants erhielten, während der eben erwähnten fünf Winter- Monate, durch besonders hierfür geeignet erachtete, vom Artillerie-Korps-Kommando, auf Vorschlag der Regiments - Kommandeure zu bestimmende Hauptleute ihrer Regimenter , drei Mal wöchentlich Vormittags 8 Uhr bis zu der, Mittags 11 Uhr, in Gegenwart aller Offiziere und Unteroffiziere der Kompagnien stattfindenden Regiments - Parade - Unterricht in der Mathematik, Chemie etc., an den anderen drei Wochentagen Nachmittags 2 bis 4 Uhr in der darstellenden Zeichnungskunde. Den beiden Hauptleuten, welche an jedem Regimentssitze diese Unterrichte zu erteilen hatten , wurde hierfür eine Zulage gewährt , die für den Lehrer in der Mathematik, Chemie etc. 400 Gulden¹ ) — 1½ des ¹ ) Bis zur Einführung der deutschen Reichswährung - 1. Januar 1876 bestand in Bayern die süddeutsche Währung ; der Gulden dieser Währung war
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc. damaligen Jahresgehaltes eines Hauptmanns I. Klasse —,
47 für den
Lehrer im Zeichnen 200 Gulden betrug. Wie überaus wichtig diese Unterrichte erachtet wurden , dürfte schon daraus erhellen, dafs die mit der Erteilung derselben beauftragten Hauptleute in denjenigen Jahren, in welchen die von ihnen kommandirten Kompagnien nicht am Regimentssitze garnisonirten, das Kompagnie-Kommando abzugeben hatten, um ihrem Lehrerberufe am Regimentssitze obliegen zu können. An den Vormittagen der drei Wochentage, an welchen keine Offiziersschule stattfand, wurden den Junkern und Lieutenants durch den Major vom Tage, von 10 Uhr bis zur Regiments-Parade, die Dienstund reichlich mannigfaltigen Exerzir- etc. Vorschriften erläutert . Die Unteroffiziere der am Regimentssitze garnisonirenden Kompagnien erhielten , vom Feuerwerker (Sergeanten) abwärts , während der Monate November einschliefslich März, an den drei Wochentagen, an welchem die Offiziers-Zeichnungs- Schule nicht stattfand, nachmittags 2 bis 4 Uhr , von dem mit Erteilung des Zeichnungsunterrichtes an die Lieutenants und Junker beauftragten Hauptmann , Unterricht im Zeichnen erteilt. Sowohl an diesem Unterrichte, als auch an dem für die Unteroffiziere , von zwei durch das Regiment hierfür bestimmten Lieutenants zu erteilenden Arithmetik- , Artillerie- , Laborir- und Batteriebau-Unterricht, hatten auch die von den Kompagnien zur Besetzung von Unteroffiziersstellen in Aussicht genommenen UnteroffiziersAspiranten Teil zu nehmen . Die mit Erteilung der letzerwähnten Unterrichte an den Regimentssitzen beauftragten Lieutenants erhielten jährlich 120 Gulden Zulage. Für diejenigen Lieutenants , Junker ,
Unteroffiziere und Unter-
offiziers-Aspiranten, deren Kompagnien nicht am Regimentssitze garnisonirten, waren ebenfalls während des Winters Offiziers- bezw. Unteroffiziers - Schulen vorgesehen , jedoch wurde deren Lehrern - ein Hauptmann für die Offizier- Schule, ein Lieutenant für die UnteroffizierSchule keine Zulage gewährt, und hatten die Lieutenants und Junker zu Hause zu zeichnen - während des Winters mindestens einen Plan zu fertigen . Die Bombardiere ( Gefreiten), Ober- und Unterkanoniere erhielten von November einschliesslich März , an den Tagen , an welchen sie nicht im Dienste standen , in der sogenannten Kanonier-Schule ihrer Kompagnie, Unterricht im Lesen, Schreiben , Rechnen , aufserdem wurde , jedoch rein auf theoretischem Wege, getrachtet, ihre artilleristischen Kenntnisse zu fördern . in 60 Kreuzer, der Kreuzer in 4 Pfennige, der Pfennig in 2 Heller geteilt. Ein Gulden süddeutscher Währung entsprach nicht ganz 13 , Reichsmark, da 35 Kreuzer gleich 1/3 preufsischen Thaler waren.
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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Aufser den vorerwähnten Unterrichten erhielten sämmtliche Lieutenants ,
Junker ,
Unteroffiziere und Trompeter ,
sowie die Unter-
offiziers- und Trompeter - Aspiranten der Kompagnien , während der Winterperiode (Oktober einschliesslich März) , Reitunterricht und Unterweisungen in der Wart, Satteln, Zäumen, Packen , Beschirren der Pferde. Der Reitunterricht an die Lieutenants und Junker wurde von einem Stabsoffizier oder besonders hierfür geeigneten Hauptmann erteilt.
Die
Ausbildung der Unteroffiziere und Trompeter , sowie der Aspiranten für diese Chargen, im Reiten oblag den Fuhrwesens-Lieutenants , welche aufserdem das Zureiten der Remonten und die Reit- sowie die übrige Ausbildung der Unteroffiziere, Trompeter und Mannschaften ihrer Abteilungen zu leiten hatten. Die Beförderung aller Offiziere und Junker erfolgte innerhalb der Waffe , die der Unteroffiziere innerhalb des Regiments ,
nach dem
Dienstalter der hierfür geeignet erachteten . Versetzungen von der Artillerie zum Fuhrwesen und noch weniger umgekehrt kamen nur ganz ausnahmsweise vor. Die Unteroffiziere der Artillerie hatten aufserdem in einer mündlichen und schriftlichen Prüfung nachzuweisen, dafs sie sich die für den nächst höheren Unteroffiziersgrad genau festgesetzten Kenntnisse erworben hatten.
Unter
den Unteroffizieren waren die Einsteher, welche durch weilse Borten. auf dem linken Ärmel des Rockes jahre ein Bortenstrich mehr,
für jede sechs weitere Dienst-
nach 24 Dienstjahren durch den auf
der Brust zu tragenden Veteranenschild, ausgezeichnet wurden, reichlich vertreten. Mindestens die Hälfte , häufig zwei Drittteile aller Unteroffiziere waren Einsteher ,
und herrschte fast durchaus die An-
sicht, dafs nur Unteroffiziere von mindestens sechsjähriger Dienstzeit den vielseitigen Aufgaben, welche der Dienst wahrlich von ihnen verlangte, gewachsen sein könnten. Für die Ausbildung zu Fufs und mit dem Infanteriegewehr (glatte Perkussions-Muskete) , mit welchem alle Bombardiere und Kanoniere bewaffnet waren, war das Reglement für die Infanterie, für den Reitunterricht etc. das Kavallerie- Reglement mafsgebend.
Die Zusammenfassung aller für den Dienst der Artillerie
nötigen Vorschriften in acht Bänden, welche seit Jahrzehnten bewerkstelligt wurde , kam erst 1860 zu Stande. Vorher waren nur der dritte einschliesslich sechste Band (Exerziren mit Feld- , Festungsgeschützen, Handhabungsarbeiten und Laborirunterricht) herausgegeben worden. Deshalb kamen bis 1860 für ein und dieselbe Bewegung, je nachdem diese beim Fufsexerziren , auf der Reitschule oder mit bespanntem Feldgeschütze auszuführen war, nicht selten drei verschiedene Kommandoworte in Anwendung .
Hierdurch wurde die an und für
sich höchst mannigfaltige Ausbildung noch verwickelter, zu Fufs und
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
49
beim Reiten war der für die Infanterie und Kavallerie vorgeschriebene bayerische Fufs mit 129,38 pariser Linien, für das Feld- und FestungsArtillerie - Material und daher auch für den Batteriebau der dem preufsischen und dänischen Fufse gleiche rheinische Fufs mit 139,13 pariser Linien mafsgebend. Die Bundesfestung Landau war durchaus mit französischem Material armirt. Ebenso wie den anderen Waffen wurde auch der Artillerie und dem Fuhrwesen jährlich ein Sechstel ihres Sollstandes vom ersten Unteroffizier abwärts als Rekruten zugewiesen. Dieser Sollstand war für jede Artillerie-Kompagnie auf 127 , für jede Fuhrwesens-Abteilung auf 57 Mann und aufserdem auf 312 assentirt unmontirte Fuhrwesenssoldaten pro Regiment festgesetzt. --- Die Musterung der im vorangegangenen Kalenderjahre das 21. Lebensjahr vollendet habenden jungen Männer fand während des Monats März am Sitze der acht Regierungsbezirke ( Kreishauptstädte) statt . Von den für das Fuhrwesen ausgehobenen Rekruten wurden im Frieden mehr als die Hälfte nicht zum Dienste eingestellt , sondern nur als assentirt unmontirte beurlaubte Fuhrwesenssoldaten " in den Listen aufgenommen . Die Rekruten der Artillerie und die zur wirklichen Dienstleistung ausgehobenen Rekruten des Fuhrwesens wurden , in so weit sie sich nicht freihändig in der Person eines, seiner gesetzlichen sechsjährigen Dienstzeit zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten genügt habenden Unteroffiziers , Trompeters oder Gemeinen einen Ersatzmann stellten , 1. April zum Dienste eingestellt. Die Einsteher erhielten , je nachdem geringere oder grössere Kriegsbefürchtung herrschte, verschiedene Geldentschädigungen, die, auch nach den Waffengattungen ungleich , bei der Kavallerie am beträchtlichsten, bei der Infanterie, weil hier die wirkliche Dienstzeit im Durchschnitt wenig über ein Jahr betrug, am mäfsigsten waren. Einsteher bei der Artillerie und bei dem Fuhrwesen - zu letzterem wurden auch und zwar mit Vorliebe ausgediente Kavalleristen zugelassen empfingen, in für sie günstigen Jahren, 400-700 Gulden, nach heutigem Gelde 700 bis 1200 Mark , in nicht durch Kriegsbefürchtungen beunruhigten Jahren 500 bis 700 Mark Einstandsgeld. Von diesem Gelde durfte den Einstehern nur ein kleiner Teil --höchstens 50 Gulden ― baar ausbezahlt werden , das übrige Geld wurde gegen 312 Prozent Verzinsung angelegt und den Einstehern, abgesehen von besonders zu begründenden Bedürfnifsfällen ,
erst am
Schlusse der übernommenen Einstandsdienstzeit die freie Verfügung über dasselbe gegeben. Dennoch kam es nicht gerade besonders selten vor, dafs vorher sehr brav gedient habende und auch haushälterische Leute, nachdem sie Einsteher geworden waren, ausarteten, verschuldeten , und man brauchte nicht lange zu fragen : „Ou est la femme ?" , denn Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96, 1. 4
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Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
die Alimentationsansprüche auf das Einstandskapital warteten selten ein volles Jahr. Die Zahl der Rekruten , welche dem Fuhrwesen jährlich zugewiesen, aber , wie schon erwähnt , nicht einmal zur Hälfte im Frieden zum Dienste eingestellt wurde, war eine sehr grofse , weil bei dem Fuhrwesen der Artillerie - Regimenter auch das Armee - Fuhrwesen in den Listen zu führen war. Welche Mängel man während der langen Friedenszeit für den Dienst beim Armee-Fuhrwesen noch zulässig erachtete, dürfte schon daraus erhellen , dafs ― nicht gerade sehr ausnahmsweise durch Kriegsministerial-Reskript, ein für den Reitdienst gänzlich unbrauchbar erklärter Kürassier oder Chevaulegers hierwegen zum Fuhrwesen des 1. oder 2. Artillerie - Regiments versetzt wurde. Zum Glücke war damit nicht verfügt, dafs dieser Mann den anstrengenden Artillerie - Bespannungsdienst leisten sollte , sondern derselbe wurde assentirt unmontirter beurlaubter Fuhrwesenssoldat " , der, wenn er überhaupt im Frieden zum Dienste einberufen worden wäre , sicher vom Fuhrwesens- Lieutenant wieder zur Beurlaubung, auf Nimmerwiedersehen im Frieden , beim Hauptmann derjenigen Artillerie- Kompagnie , welcher die betreffende Fuhrwesens-Abteilung zu dieser Zeit gerade zugeteilt war, beantragt worden wäre.
Im Kriegsfalle aber
war, unter diesen Umständen , auf die grofse Zahl der in den Listen befindlichen assentirt unmontirt beurlaubten Furwesenssoldaten wenig zu rechnen. Die Artillerie- Kompagnien bildeten ihre Rekruten im Monat April im Exerziren zu Fufs und mit dem Infanteriegewehr, im Monat Mai in der Bedienung der Feldgeschütze auf der Stelle aus.
Die Rekruten
der Fuhrwesens-Abteilungen wurden alsbald im Reiten unterrichtet. Im Monat Mai begann der Fahrunterricht , dessen Erteilung den Lieutenants und Unteroffizieren des Fuhrwesens , unter Aufsicht des Majors vom Tage der Artillerie oblag.
Die erst einen Monat dienen-
den Rekruten des Fuhrwesens wurden nur bei Mangel an dienstpräsenten älteren Fuhrwesenssoldaten und dann stets als Mittelreiter in die Bespannungszüge eingeteilt. Der Fahrunterricht war ein streng behütetes Geheimnifs der , ihrem anstrengenden Dienste mit unermüdlichem Fleifse nachkommenden Fuhrwesens - Offiziere , beruhte jedoch entschieden mehr auf Empirie , als gründlichem Verständnisse des Pferdebaues , der Reit- und Fahrkunst.
Erster Grundsatz war : „ Als Stangen- und
Vorderreiter nur solche Fuhrwesenssoldaten zu verwenden, welche schon eine Sommer - Exerzir - Periode als Mittelreiter durchgemacht hatten . " Unter diesen Umständen gehörten Deichselbrüche, trotz der strengen Strafe 5 Tage doppelt geschärfter Strafstubenarrest,
der k. bayerischen Feld- Artillerie etc.
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welche dieses unliebsame Vorkommnifs für den Stangenreiter des betreffenden Fahrzeuges zur Folge hatte, nicht zu den besonderen Seltenheiten. Im Juni begann das bespannte Exerziren mit Feldbatterien und wurde in der Weise gefördert, dafs gegen Ende dieses Monats - jedoch nur von den an den Regimentssitzen garnisonirenden Kompagnien Rekrutenschiefsen genannt, weil für jeden Redas erste Schiefsen kruten ein Schufs genehmigt war - in der 6 Pfünder-Feldbatterie stattfinden konnte. Diesem Rekrutenschiefsen hatte das Scheibenschiefsen mit dem Infanteriegewehr vorauszugehen. Ausserdem wurden die Rekruten im Monat Juni in der Bedienung der Festungsgeschütze ausgebildet. Im Monat Juli
drei Monate nach Einstellung der Rekruten
begann die sogenannte Hauptübungszeit, welche zwei Monate umfafste . Während dieser Zeit (Juli und August) wurde der, seit 1. April durchdurch das Einrücken der Rekruten um die Zahl dieser schnittlich 20 Mann pro Kompagnie erhöhte Winter-Präsentstand, welcher vom Oktober einschliefslich März, vom Oberfeuerwerker (Wachtmeister) abwärts nur rund 50 Mann betrug, durch Einberufung von Beurlaubten etwas mehr als verdoppelt. Aufser den Exerzir- und Schiefsübungen als Feldbatterien, ein höchstens zwei Mal - aber nur an den Regimentssitzen - auch im Divisions- (Abteilungs-) Verbande zu zwei Batterien à 8 Geschützen die Kompagnien während
und 8 Munitionswagen,
der Hauptübungszeit
hatten
auch Exerzir- und
Schiefsübungen als Belagerungs- und Festungsbatterien mit schweren die in den Festungen garnisoKanonen, Haubitzen und Mörsern nirenden Kompagnien Schiefsübungen nur aus Mörsern , Nachtbau von Belagerungsbatterien in , vor und hinter einer Parallele , Handhabungsarbeiten mannigfaltigster Art etc. vorzunehmen . Nach Schlufs der Hauptübungszeit blieb der Winterpräsentstand den soder Kompagnien noch einen Monat lang (September) um die Zahl der Rekruten ergenannten vierten Rekruten-Monat höht.
In diesem Monat wurden die Rekruten in den Laborir- Arbeiten
unterrichtet, jene der an den Regimentssitzen befindlichen Kompagnien aber auch, mit den dienstpräsenten älteren Mannschaften, zum Ausgraben der Munition -- Kugelfangbau verwendet. Gröfsere Truppenübungen fanden nur ausnahmsweise, meist nur in Zwischenräumen von 3 bis 5 Jahren und dann in der Stärke einer Infanterie-Division statt .
Dieser Infanterie-Division wurde eine zwei
Batterien starke Artillerie - Division
zugeteilt ,
welche in der Regel
aus einer 6 Pfünder fahrenden und 12 Pfünder Fufs - Batterie , jede 8 Geschütze und eben so viele Munitionswagen stark, gebildet wurde. 4*
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
52
Auch Garnisonsübungen in kleineren Verbänden gemischter Waffen fanden nur selten statt, und litten sehr darunter, dafs bei denselben ausschliesslich nur Strafsen und Wege betreten werden durften . Nicht minder verloren sie aber auch dadurch an Nutzen , dafs ihnen von Seite
der älteren ,
noch kriegserfahrenen Offiziere ganz
Wert abgesprochen wurde.
offen aller
Unter diesen Umständen konnte es nicht
Wunder nehmen, dafs die Ausbildung für den Krieg, je länger die Friedenszeit dauerte , immer weniger im Auge behalten wurde. Während des Winter-Halbjahres waren bei der Artillerie die militärischen Übungen auf das Exerziren zu Fufs und mit dem Infanteriegewehr der auf Wache kommenden Mannschaften beschränkt . Die Zeit der Lieutenants und der Unteroffiziere der Kompagnien war durch den Besuch der Offiziers- und Unteroffiziers - Schulen , jene der wenigen dienstpräsenten Mannschaften, soweit dieselbe nicht von dem Arbeitsdienste im Zeughause (Artillerie - Depot) der Garnison, den Wach- und inneren Dienst in Anspruch genommen war , durch den Besuch der Kanonierschulen ausgefüllt. Den Offizieren , Unteroffizieren und Mannschaften des Fuhrwesens oblag die Beaufsichtigung bezw. die Wart, das Reiten etc. der Pferde , weshalb bei den Fuhrwesens-Abteilungen die Unteroffiziere und Mannschaften während des Winters nur im Lesen , Schreiben und Rechnen unterrichtet wurden. In Folge der nicht unbeträchtlichen Zahl der auch unter den Gemeinen
namentlich bei den Fuhrwesens-Abteilungen
befind-
lichen Einsteher, die , wegen ihrer Verwendung als Offiziers - Diener (Wärter der Offizierspferde), ihrer grofsen Gewandtheit im Wichsen der Helme, Patrontaschen - Deckel etc.
und in sonstigen, im Frieden
so leicht über Gebühr geschätzten Propretätskünsten, aber auch sehr mit ihrem Willen ,
meistens die gesammte übernommene Einstands-
dienstzeit präsent behalten wurden, waren auch diejenigen Fuhrwesenssoldaten , welche ihre gesetzliche Dienstpflicht selbst erfüllten , nicht beträchtlich länger dienstpräsent als diejenigen Bedienungsmannschaften, welche nicht als Einsteher dienten .
Das Fuhrwesen hielt auf je zwei
Pferde einen Mann präsent und hierzu noch auf je zehn Pferde einen weiteren Mann. Die zum Dienst eingestellten Rekruten des Fuhrwesens - durchschnittlich pro Fuhrwesens- Abteilung 8 Mann - hatten drei Monate (April einschliefslich Juni) Ausbildungszeit, jedoch mussten während der letzten zwei Monate so viele exerzirte Fuhrwesenssoldaten beurlaubt werden , als die Hälfte der Rekrutenzahl betrug. - Die Dienstzeit derjenigen Mannschaften , welche ihre Militärpflicht selbst erfüllten , betrug selten über 22 Monate , die zudem nur bei den Fuhrwesenssoldaten ohne Unterbrechung aufeinander folgten, während die Artilleristen
durchschnittlich nur 18
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
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Monate ohne Unterbrechung und dann nur in ihrem dritten oder vierten Dienstjahre je zwei Monate während der Hauptübungszeit dienten. -Da die gesammte Bekleidung, aufsschliefslich des Mantels, persönliches Eigentum des Mannes war, wurden bei der Beurlaubung nicht diejenigen Mannschaften, die im Dienste am besten entsprochen hatten, in erster Linie berücksichtigt, sondern diejenigen, welche den Geldwert der bei der Diensteinstellung empfangenen Kleidungsstücke die sogenannte Monturschuld, die durch jeden dienstpräsenten Tag aus des Mannes um etwas mehr als drei Kreuzer gemindert wurde eigenen Mitteln bezahlen konnten. Die Zeit-Einteilung für die Vornahme aller Übungen und Unterrichte wurde wochen-, ja selbst tageweise vom Regiments- bezw. Artillerie-Kommando der betreffenden Festung bestimmt. An den Regimentssitzen oblag dem Major ¹),
welcher in wöchentlichen
oder
zehntägigen Wechsel die Jour, den Dienst vom Tage hatte, die Leitung und Überwachung aller Übungen, Thätigkeiten und Dienste der Kompagnien und Fuhrwesens - Abteilungen. Die Lieutenants der Kompagnien , welche im wöchentlichen oder zehntägigen Wechsel die Übungen der Rekruten ihrer Kompagnie zu leiten hatten, empfingen die hierauf bezüglichen Weisungen nicht von ihrem Kompagnie-Kommandanten, sondern vom Major vom Tage. Nur während der zweimonatlichen Hauptübungszeit leitete der Hauptmann die Übungen seiner Kompagnie selbst, jedoch unter Aufsicht des Majors vom Tage und zu der vom Regiment hierfür festgesetzten Tageszeit. 4. Von der Errichtung der reitenden Artillerie bis zur Umwandlung der bisherigen Artillerie - Kompagnien in Feldund Fufs- ( Festungs- ) Batterien ( 1848 bis 1855) . Eine der letzten Regierungshandlungen König Ludwig I. verfügte 16. März 1848 die Bildung eines 3. (reitenden) Artillerie-Regiments (Garnison München) . Dieses Regiment wurde aus Offizieren des 1. und 2. Artillerie-Regiments, dann aus Unteroffizieren und Mannschaften der Artillerie und des Fuhrwesens dieser beiden Regimenter und der Kavallerie - Regimenter, unter Einführung von Fahrkanonieren statt Fuhrwesenssoldaten , gebildet . Jedem Hauptmann und Lieutenant der reitenden Artillerie oblag die Beschaffung zweier Reitpferde aus eigenen Mitteln, jedem der beiden Majore und dem Oberst¹ ) Befand sich von den beiden Majoren des Regiments nur einer am Regimentssitze, so wurde der älteste der dortselbst garnisonirenden Hauptleute zur Verrichtung der Majorsdienste beigezogen - majorisirte , und gab derselbe deshalb das Kommando seiner Kompagnie und der dieser zugeteilten Fuhrwesens-Abteilung an den ältesten Lieutenant seiner Kompagnie ab.
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
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lieutenant wurden drei, dem Obersten vier Fouragerationen gewährt. - Der Sollstand jeder reitenden Batterie wurde im Frieden , einschliesslich der Offiziere
1 Hauptmann , 2 Oberlieutenants
und
2 Unterlieutenants , auf 215 Mann , im Kriege auf 219 Mann festgesetzt . Hiervon waren das ganze Jahr hindurch die zur Bedienung und Bespannung der acht Geschütze der Batterie sechs 6 PfünderKanonen und zwei 7 Pfunder lange leichte Haubitzen - nötigen 122 Mann vom Hauptmann abwärts, dann, aufser den 10 Offizierspferden, 83 Reit- und 54 Zugpferde präsent. Die Bekleidung und Rüstung dieses neuen Artillerie-Regiments wurde in den Hauptsachen mit derjenigen der beiden älteren Artillerie-Regimenter, jedoch auch in einigen Punkten - darunter zwei Finger breite Streifen von scharlachrotem Tuche auf den Tuchbeinkleidern von dunkelblauer Farbe - mit derjenigen der Kavallerie- Regimenter in Übereinstimmung gebracht.
Alle Offiziere und Mannschaften
der reitenden Artillerie
hatten am Helm einen roten hängenden Rofshaarbusch zu tragen. Nachdem, wie ad 2 schon erwähnt, in Folge der neu erbauten Festung Germersheim, das 2. Artillerie-Regiment bereits 1841 von 12 auf 14 Kompagnien vermehrt worden war, wurden 1848 , da nun auch die Festungen Ingolstadt und Ulm Artillerie-Besatzungen erforderten, die beiden älteren Artillerie - Regimenter auf die Stärke von je 15 Kompagnien gebracht . Die 13. , 14. und 15. Kompagnie dieser Regimenter bildeten das III. Bataillon ihres Regiments , und erhielten, einschliefslich der Offiziere - 1 Hauptmann, 1 Oberlieutenant und 2 Unterlieutenants
, einen Sollstand von 204 Mann im Frieden
(im Kriege 207 Mann), während die Stärke der Artillerie-Kompagnien der I. und II. Bataillone, wie seither, einschliefslich ihrer 4 Offiziere, im Frieden nur 131 Mann (im Kriege 133 Mann) blieb. Von diesem Sollstande an Mannschaften waren bei den Kompagnien der I. und II. Bataillone während des Winters (Oktober einschliefslich März), wie seither, nur 50 Mann, bei den Kompagnien der III. Bataillone 80 Mann vom Oberfeuerwerker (Feldwebel) abwärts präsent. Von den 30 Artillerie - Kompagnien der Regimenter 1 und
2 wurde in den Jahren 1848 bis 1850 ungefähr der dritte Teil zur Bedienung der in diesen Jahren mobil gemachten Feldbatterien verwendet. Der sehr grofse Bedarf an Offizieren wurde 1848, mit sehr entsprechendem Erfolge, durch Absolventen der polytechnischen Schule und Besucher der Universitäten, mit nicht so günstigem Erfolge aus der Zahl der Frühjahr 1848 freiwillig auf Beförderung bei den Regimentern eingetretenen, ein Gymnasium noch nicht absolvirt habenden jungen Münner , und mit im Ganzen geradezu ungünstigem Ergebnisse
der k. bayerischen Feld-Artillerie etc.
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durch alt- und brav gediente Feuerwerker (Sergeanten), ja selbst Oberfeuerwerker (Wachtmeister) gedeckt. Schon der Verlust dieser tüchtigen Unteroffiziere, noch dazu gerade zu der Zeit, in welcher auch der Bedarf an Unteroffizieren ein ungewöhnlich grofser war, wirkte höchst nachteilig. Die Vorträge in der Offiziers-Schule dem, nun so sehr ungleich gewordenen Bildungsgrade der Lieutenants und Junker in entsprechender Weise anzupassen, wurde namentlich für diejenigen Lehrer schwierig, welche ihre Vorträge über Gebühr auf die Kenntnisse in der höheren Mathematik begründeten, denn sie wurden von einigen ihrer Zuhörer scharf kontrollirt, von anderen nicht verstanden. Beim 3. ArtillerieRegiment gelangte die Offiziersschule überhaupt nicht zur Einführung, und hatten die Lieutenants und Junker dieses Regiments, während des Winters, eine Aufgabe aus dem militärwissenschaftlichen Gebiet zu bearbeiten und eine Zeichnung zu fertigen. Auch der Unteroffiziersschule, welche von einem Lieutenant erteilt wurde, und den Kanonierschulen konnte in diesem Regimente , bei welchem die Rekruten, wie bei der Kavallerie, Anfang Oktober jeden Jahres eingestellt wurden, während des Winters, nicht die in den älteren Artillerie-Regimentern hierauf verwendete Zeit gewidmet werden . hieraus nicht.
Nachteile ergaben
sich
Bei dem, aus Artillerie-, Fuhrwesens- und Kavallerie-Unteroffizieren und Mannschaften unter dem Befehle von Artillerie- Offizieren gebildeten, nur vier Batterien starken reitenden Artillerie-Regiment entwickelte sich bald eine Reit- und Fahrgewandtheit, welche der gesammten Artillerie sehr zu statten kam. Gründliche Kenntnifs des Baues des Pferdes und des Reitens wurde
angestrebt und führte dazu,
dafs
im 3. Regiment das für die Feld- Artillerie so wichtige Fahren mit Meisterschaft gelehrt und ausgführt wurde.. Insbesondere der Adjutant¹ ) dieses Regiments erwarb sich hierdurch ein entschiedenes Verdienst. Der im reitenden Artillerie- Regiment mit grofsem Erfolge erprobte Fahrunterricht, welcher 1856 auch bei den älteren ArtillerieRegimentern eingeführt wurde, unterschied sich von dem preufsischen 1 ) Nunmehrige General der Infanterie z. D. und General-Adjutant, Friedrich Ritter von Muck, welcher 1842 als Junker aus dem Kadetten-Korps in die Artillerie übergetreten und 1845 zum Unterlieutenant befördert, nachdem derselbe seit 1848 als Lieutenant, Hauptmann und Major im 3. (reitenden ) ArtillerieRegiment gedient hatte, 1868 in den Generalstab versetzt wurde . Im Feldzuge 1870/71 Generalstabsoffizier der 2. Infanterie - Division, 1874-1876 Chef des Generalstabes des I. Armee- Korps, dann nach einander Kommandeur der 8., 5. und Metzer Besatzungs- Infanterie-Brigade, wurde derselbe 1880 zum Kommandanten der Haupt- nnd Residenzstadt München berufen und war 1883-1889 Inspekteur der Artillerie und des Trains.
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Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung
Fahrunterricht, welcher 1874 in Bayern zur Einführung gelangte, in folgenden Punkten. Nicht blofs bei der scharfen Wendung, welche übrigens nur bei den Wendungen rechts- und linksum auf der Stelle. angewendet wurde, sondern auch bei der Kehrt-Wendung und bei den Wendungen rechts- und linksum während des Marsches, hatte aufser den Stangenpferden nur das innere Mittelpferd im Zuge zu bleiben. Die Kehrt-Wendung wurde , sowohl auf der Stelle , wie während des Marsches, stets so ausgeführt, dafs das innere Vorderrad einen Halbkreisbogen beschrieb, dessen Halbmesser 2 , Schritt - 6 Fufs rheinisch - betrug, mithin das innere Stangenpferd in einer viel weniger anzu strengenden Travers-Stellung und zwar stets im Schritte gehen hatte, als bei der scharfen Wendung, durch welche das innere Vorderrad auf der Stelle gedreht wurde . Bei den Wendungen rechtsund linksum während des Marsches hatte das innere Vorderrad einen Viertelkreisbogen, dessen Halbmesser fünf Schritte betrug,
zu be-
schreiben, daher das innere Stangenpferd in einer dasselbe wenig anstrengenden Travers-Stellung zu gehen, die ihm das Beibehalten der Gangart ermöglichte, in welcher sich das Fahrzeug beim Kommandiren der Wendung befand.
Vorder- und Mittelreiter hatten bei Ausführung
aller Wendungen die Gangart ihrer Pferde, im Verhältnisse zu jener des inneren Stangenpferdes ihres Fahrzeuges nur in so weit zu verstärken, dafs das letzterwähnte Pferd die Wendung in der für dasselbe vorgeschriebenen Gangart bewirken konnte, und hierbei, aufser den beiden Stangenpferden, nur das innere Mittelpferd im Zuge blieb, die Stränge (Taue) der anderen drei Pferde aber mäfsig locker wurden. Die in der bayerischen Artillerie während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts siegreich gebliebene Ansicht, dafs der ArtillerieOffizier , welcher in den Stall gehen müsse , kein Artillerist mehr sein könne , wurde von dem, 1848 an Stelle des Generallieutenants Freiherrn von Zoller zum Artillerie-Korps-Kommandanten ernannten Prinz Luitpold, dritt geborenen Sohne des Königs Ludwig I. Bayerns hochverehrten Regenten seit 1886
nicht geteilt.
Auch
die jede Erwartung übertreffenden Leistungen des, 1850 bis 1856 vom Oberst Karl von Brodesser¹) kommandirten 3. (reitenden) Artillerie¹) 1805, mit 10 Lebensjahren, als Tambour in die Artillerie eingetreten, in Folge vor dem Feinde bewiesener Tüchtigkeit zum Unteroffizier, 1813 zum Unterlieutenant befördert, kommandirte derselbe 1832 bis 1839 eine leichte Kompagnie des 2. Artillerie-Regiments, wurde 1845 zum Major im 1., 1848 zum Oberstlieutenant im 3. Artillerie- Regiment befördert. Als solcher stellte er 1849, bereits in Folge Doppelrechnung von 6 Feldzugsjahren mit dem für 50jährige Dienstzeit verliehen Ludwigsorden geziert, zum ersten Male reitende Artillerie im Exerziren und Manövriren König Max II . und Allerhöchstdessen Gemahlin vor. Unmittelbar darauf erhielt das 3. (reitende) Artillerie - Regiment Ihre
der k. bayerischen Feld -Artillerie etc.
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Regiments, dessen Mannschaften während ihrer gesetzlichen sechs Dienstjahre durchschnittlich vier Jahre wirklich dienten, widerlegten die vorerwähnte Ansicht.
Immer mehr wurde die Notwendigkeit er-
kannt, auch die anderen Feldbatterien schon im Frieden ständig zu besitzen. Anfang der 50er Jahre konnte jedoch das Artillerie-KorpsKommando in dieser Beziehung nur erreichen , dafs das an den Regimentssitzen der beiden älteren Artillerie-Regimenter befindliche Fuhrwesen, ohne Standesvermehrung desselben, in so viele, also schwächere Abteilungen gegliedert wurde , als Artillerie-Kompagnien am Regimentssitze garnisonirten, um jeder dieser Kompagnien eine FuhrwesensAbteilung zuteilen zu können. Bei denjenigen Fuhrwesens-Abteilungen, welche keinen Fuhrwesens-Lieutenant besafsen, hatten die Lieutenants derjenigen Kompagnien, welchen diese Abteilungen jeweilig zugeteilt waren, im wöchentlichen oder zehntägigen Wechsel unter einander, den Dienst des Fuhrwesens-Lieutenants zu verrichten , und bestand daher bei diesen Kompagnien sowohl ein Bedienungs- als ein Fuhrwesens-Jour- (Tages-) Dienst ihrer Lieutenants . - Dagegen fand bei den reitenden Batterien , seit deren Errichtung , in der Leitung der verschiedenen Übungen und Unterrichte der Unteroffiziere und Mannschaften
kein wöchentlicher oder
zehntägiger Wechsel
unter
den
Lieutenants der Batterie statt, sondern es wurde jedem Lieutenant der Batterie die Leitung eines bestimmten Ausbildungsgebietes Fufsund Geschütz-Exerziren der Rekruten wenigstens
oder Fahrunterricht
oder
wie im Reiten etc. -- bezüglich derselben Mannschaften
übertragen. 24. August 1851 wurden dem Kadetten - Korps , welches durch Aufhebung der seitherigen beiden untersten Lehrklassen von acht auf sechs Klassen vermindert worden war, zwei höhere Lehrklassen -- 7. und 8.1) - für die speziellen Studien des Artilleristen und Ingenieurs angefügt , und dadurch einem längst gefühlten Bedürfnisse Rechnung getragen . 10. Februar 1853 wurden alle seither, zumeist unter dem Vorsitze Majestät die Königin Marie , Schwester des Prinzen Adalbert von Preuſsen , zum Inhaber. 1856 wurde Oberst von Brodesser zum Generalmajor und Brigadier der Artillerie befördert, 1863 zum Artillerie-Korps-Kommandanten , 1872 zum Inspekteur der Artillerie und des Trains ernannt. 1873, nach 68 Dienstjahren, in den Ruhestand getreten, erfreute sich der Feldzeugmeister z. D. und Inhaber des 2. Feld-Artillerie- Regiments von Brodesser bis zu seinem Tode (1876) der höchsten Verehrung Aller, besonders der bayerischen Artillerie, deren Waffenchef derselbe 10 Jahre lang gewesen war. ¹) 1. Januar 1857 wurden diese beiden Lehrklassen vom Kadetten- Korps getrennt und als „ Artillerie- und Genie- Schule" errichtet, die 1. April 1872 die Benennung 12 Artillerie- und Ingenieur - Schule " erhielt.
58
Rückblick auf die Entwickelung und Ausbildung etc.
des Vorstandes der Zeughaus-Haupt-Direktion bestandenen, aus Stabsoffizieren der Zeughaus-Haupt- Direktion und des 1. Artillerie -Regiments gebildeten Spezial-Kommissionen (Reglements-, Kriegsraketen- etc.) , in welchen die von König Ludwig I. in den Jahren 1827 bis 1829 zur Kenntnifsnahme der artilleristischen Einrichtungen gröfserer Staaten entsendet gewesenen Offiziere Jahrzehnte hindurch mit rühmenswertem Eifer und nicht ohne Erfolg thätig gewesen waren, in einer einzigen, unter dem Titel „ Artillerie - Beratungs - Kommission " 1) vereinigt. Vorstand dieser Kommission, welche unmittelbar dem Artillerie-KorpsKommando unterstellt wurde und aus 1 Oberstlieutenant, 1 Major und 4 Hauptleuten als Mitgliedern bestand, hatte stets der dem ArtillerieKorps-Kommando seit 1848 beigegebene Generalmajor und Brigadier der Artillerie zu sein. Aufgabe der Artillerie- Beratungs-Kommission war es, über alle ihr auf dem Dienstwege zugewiesenen Gegenstände, namentlich über den Dienst, die Übungen, den theoretischen und praktischen Unterricht der Artillerie-Truppen und der hierauf bezüglichen Vorschriften , ferner über das gesammte Artillerie - Material, sowie auch über die Entdeckungen und Erfindungen, welche in Bezug zur Artillerie und zur
Bewaffnung des Heeres standen etc. zu be-
richten, Versuche vorzunehmen, Gutachten abzugeben und Anträge zu stellen. Abgesehen von den Zusammenziehungen gröfserer Truppenkörper, welche in den Jahren 1848 bis 1850 zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung etc. geboten waren, und dem von Bayern 1849 zum Kriege gegen Dänemark gestellten Bundes - Kontingent , welchem vom 1. Artillerie - Regiment eine 6 Pfünder-, vom 2. Artillerie - Regiment eine 12 Pfünder-Feldbatterie und der diese beiden Batterien kommandirende Stabsofffzier zugeteilt waren, wurde in dem Zeitraum 1848 bis 1855 , während welchem die bayerische Armee in zwei Armee-Korps gegliedert war, nur eine gröfsere Truppenübung abgehalten. An dieser Übung , welche Herbst 1852 bei München stattfand, nahmen die Infanterie und Kavallerie des 1. Armee-Korps, die vier reitenden Batterien und vom Fuhrwesen des 1. Artillerie- Regiments bespannte Feldbatterien dieses Regiments Teil.
Das Fuhrwesen des 2. Artillerie-Regiments
wurde zur Bepannung der Brücken- und übrigen Trains des übenden Armee-Korps verwendet. (Fortsetzung folgt. ) 1) Die Artillerie-Beratungs-Kommission wurde 1. Oktober 1878 aufgelöst bezw. die Offiziere derselben in der vom gleichen Tage an bei der Inspektion der Artillerie und des Trains gebildeten „ Sektion für Artillerie und artilleristischtechnische Angelegenheiten " eingeteilt.
III. Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps. ')
Beginnen wir die Schilderung des militärischen Lebens des deutschen Offiziers mit der Betrachtung seiner Stellung als Befehlshaber, als Untergebener und als Kamerad .
Als Vorgesetzter ist der
deutsche Offizier strenge , gerecht und bemüht gleichmässig zu bleiben . Es kommt aber auch vor,
dafs er aufser sich gerät und dann kann
man, namentlich den Mannschaften gegenüber, sehen, wie wenig Güte sein Herz birgt. Die vor einiger Zeit erschienenen Brochüren eines gewissen Abel : „Vier Wochen Vizewachtmeister " , "Vor dem Kriegsgericht" etc., geben , selbst wenn manches in diesen Schriften übertrieben sein mag , den Beweis, wie hart einige Kommandeure sein können . Auch wir sind jedoch geneigt , diese Fälle nur zu den Ausnahmen zu zählen und hegen die Meinung, dafs, wenn die Offiziere auch einen trockenen , fast groben Charakter besitzen, sie doch nur strenge und, dank ihrer Willenskraft, zu Allen gleichmässig gerecht sind. Sie arbeiten an sich selbst während ihrer ganzen Dienstzeit. Ohne besondere Fähigkeiten zu besitzen , lernen sie das Notwendige gründlich , ihr Blick ist klar , ihr Urteil logisch und was die Hauptsache für ihre Stellung als Vorgesetzter ist, sie besitzen einen festen , entschiedenen Charakter und verstehen es , die Disziplin aufrecht zu erhalten.
In welcher Weise geschieht letzteres ? Die sprichwörtlich gewordene strenge Disziplin der deutschen Armee ist die Frucht von Jahrhunderten und stammt schon von der ersten Errichtung einer stehenden preufsischen Armee unter Georg Wilhelm. Sie ist seither von Geschlecht zu Geschlecht traditional geworden , hat jedoch in ihrer praktischen Erscheinung, gemäfs dem allgemeinen Fortschritte der Kultur des Volkes , ihren Charakter verändert . Je weiter die Bildung vorschritt, um so weniger Ansprüche wurden an die äufsere Erscheinung der Disziplin gestellt, um so mehr wurde sie gewissermafsen verinnerlicht. Seit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht begann die Armee einen erzieherischen Einfluss auf die ganze Nation auszuüben, was auf Gegenseitigkeit beruhte und die folgenden Generationen immer 1) Fortsetzung des Aufsatzes : Das deutsche Offizierkorps im russischen Lichte. (Aprilheft 1894.)
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Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps.
geeigneter zum Kriegsdienst und zum richtigen Verständnis der Disziplin machte. Die Vorgesetzten geben dafür ein Beispiel , indem sie ihrer dienstlichen Pflichten gemäfs die Allerhöchsten Befehle ausführen, sich nicht von ihren eigenen Ansichten und von ihrer persönlichen Bequemlichkeit oder Willkür leiten lassen. Zwischen unseren Disziplinarbestimmungen und denen der deutschen Armee, so ähnlich sie auch untereinander sind, besteht doch ein wesentlicher Unterschied . So sind erstens, was die Disziplinar - Bestrafungen der Offiziere, mit Ausnahme von Verweisen , anbetrifft, nicht wie bei uns , bereits die Kompagniechefs zu ihrer Erteilung befugt, sondern erst die Regimentskommandeure bezw. die Kommandeure selbstständiger Bataillone. Geringere Rechte besitzen die Kommandeure detachirt stehender Bataillone etc. Über die Mannschaften beginnt die Disziplinargewalt erst mit dem Kompagniechef. Zweitens sind die Disziplinarstrafen bei der deutschen Armee erheblich milder als bei uns und beschränken sich , was die Offiziere anbetrifft, nur auf Stubenarrest und Verweise verschiedenen Grades. Da die Disziplinargewalt über die Offiziere im Regiment nur dem Kommandeur und die über die Mannschaften zunächst den Kompagniechefs (nicht aber auch den unteren Chargen) obliegt, so erhalten die auf die Disziplin bezüglichen Anforderungen einen gleichmässigeren Charakter, was überdies durch die erheblich konzentrirtere Unterbringung der Truppenteile (als bei uns) wesentlich erleichtert wird. Die Aufrechterhaltung der Disziplin bei der deutschen Armee ist dabei nicht so sehr auf die Strenge der Strafen begründet, die im Ganzen selten verhängt werden , sondern auf die Erziehung des Charakters , wobei man den Offizieren gegenüber stets gleichmässig verfährt und mehr durch das Beispiel und rechtzeitige Warnungen zu wirken sucht. So wird bei den Offizieren das Pflichtgefühl, die Liebe zur Ordnung, zum Gehorsam, aber auch zur Selbstständigkeit entwickelt, und diese wertvollen militärischen Eigenschaften bleiben ihnen während ihres ganzen Lebens nicht nur im aktiven Dienst, sondern auch als Verabschiedete. Nur durch diese mehr pädagogische Auffassung über den Zweck der Strafen lässt es sich erklären, dafs sich dieselben für die Offiziere auf Stubenarrest und Verweise beschränken und dafs man darin für Stabsund Oberoffiziere keinen Unterschied macht. Sehr natürlich , denn helfen Verweise und Hausarrest nichts mehr , so sind auch alle härteren Strafen vergebens, wenigstens im erzieherischen Sinne, denn der betreffende Offizier beweist dadurch , dafs er kein Ehrgefühl mehr besitzt . Er wird vielleicht, wenn noch strenger bestraft, äufserlich vorsichtiger werden , man darf ihm aber nicht mehr trauen.
Wendet
man (wie es in Ruſsland häufig geschieht) Disziplinarstrafen wie Sus-
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps .
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pendirung von der Befehlsführung oder Nichtbeförderung zu der nächsten Charge an , so kann unserer Meinung nach die Folge nur die sein, dafs der so Gemafsregelte alle Lust zum Dienste verliert und nur noch bleibt, weil er nichts Anderes anzufangen weifs . Ebenso kann man sagen, dafs besondere Strafen für Stabs- und Oberoffiziere Wer nicht schon vorher von der ihren Zweck verfehlen würden. Disziplin durchdrungen ist, wird es auch als Stabsoffizier nicht werden, und in der deutschen Armee dürften kaum derartige Individuen bis zu dieser Charge gelangen. Der deutsche Offizier erhält nur Stubenarrest und nicht (wie bei Es geschieht das augenuns) Arrest auch auf der Hauptwache. scheinlich, um sein Selbstgefühl nicht zu verletzen, ihn nicht vor den Soldaten lächerlich zu machen, und die Ehre der Uniform zu wahren. Die Strafe ist eine rein moralische, kommt verhältnifsmäfsig selten Auf die Unteroffiziere , die in vor und man spricht darüber nicht . Deutschland hinsichtlich ihrer Stellung und geistigen Entwickelung den Gemeinen weit voraus sind, wird in ähnlicher Weise, das heifst mehr erzieherisch als strafend,
eingewirkt, während bei den Mann-
schaften natürlich noch öfter strenge Mafsregeln zur Anwendung kommen . Durch diese verschiedenartige Anwendung der Disziplinargewalt charakSie beruht hauptterisirt sich die Stärke der deutschen Armee. sächlich auf ihrem Offizierkorps, sodann auf den Unteroffizieren ; die Gemeinen nehmen die letzte Stelle ein. Über die kriegsgerichtlichen Einrichtungen der deutschen Armee, die in wesentlichen Punkten von der russischen abweichen , hier nur so viel , dafs sie mit Ausnahme von Bayern , ausschliefslich in den Händen der militärischen Vorgesetzten ruhen und dafs daher die Gerichte bei Aburteilung von Vergehungen militärischen Gesichtspunkten leiten lassen.
sich hauptsächlich von Das Verfahren bei ge-
schlossenen Thüren , und die Art der Verkündigung der Urteile , gestatten es der Bevölkerung und den Zeitungen nicht, ihren sensationellen Neigungen nachzugehen . Es ist das für die Aufrechterhaltung der Disziplin und der Ehre der Uniform unzweifelhaft von Vorteil , wobei aber auch Mifsbräuche nicht ganz ausgeschlossen sein dürften .
Hin-
sichtlich der Aufrechterhaltung der Disziplin herrscht in der deutschen Armee das Prinzip, dafs sich die Vorgesetzten der persönlichen und nicht nur der ihnen vom Gesetz sollen ,
zugebilligten Autorität bedienen .
wozu natürlich eine genaue Bekanntschaft mit den Unter-
gebenen, ohne dafs es dabei zur Familiarität kommt , nötig ist .
Die
sogenannte Zwangsdisziplin ist verpönt und durch die , so zu sagen bewusste, Disziplin ersetzt. Strafen allein thuen es nicht. Eine ebensolche Sorgfalt bei der Behandlung der Untergebenen
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zeigt sich nicht nur bei der Erziehung, sondern auch bei der Ausbildung. Kein Kommandeur erlaubt es sich, aus dem Lernenden nur eine Maschine machen zu wollen, sondern veranlafst ihn auch, beständig zu denken .
Es zeigt sich das namentlich bei der Unterweisung
der Rekruten, die von jedem Kompagnie- Chef selbstständig und oft nach einem vorher genau ausgearbeiteten System geleitet wird.
Sehr
zweckmäfsig erscheint es dabei, dafs jeder Mann von dem betreffenden Unteroffizier zunächst einzeln (also nicht, wie in Rufsland häufig, gleich ganze Glieder) unterwiesen wird. Die Vorgesetzten in der deutschen Armee sind der Meinung, dafs der Soldat nicht nur ausgebildet (wörtlich erzogen), sondern auch gedrillt (wörtlich gemustert) werden mufs. Es wird daher im Frieden vieles betrieben, was im Kriege keine Anwendung findet. Nehmen wir z. B. den Lehr- oder Paradeschritt (nicht zu verwechseln mit dem früher auch bei uns angewendeten langsamen Schritt), der in der ganzen Armee mit sehr viel Zeitaufwand geübt wird und nur beim Parademarsch, sowie bei der Begegnung von Vorgesetzten zur Ausführung kommt, während man ihn auf den Märschen und im Kriege nie braucht. Dieser Schritt mit stark vornüber gebeugtem Oberkörper, zurückgeschobenem Hintern , gestreckten Fufsspitzen und durchgedrückten Knieen , bringt die Füfse mit solcher Gewalt auf die Erde, daſs man, wenn eine Abteilung auf dem Asphalt marschirt , das Geräusch auf weiter als hundert Schritt zu hören vermag. Es geschieht das augenscheinlich nur zu Drillzwecken , soll aber auch die Muskulatur und die Räumigkeit des Schrittes entwickeln, derartig, dafs eine solche fünf Minuten ausgehaltene Bewegung ebenso viel nützt,
als ein ge-
wöhnlicher Marsch von einer Viertelstunde. Man ersetzt dadurch gewissermafsen die bei der deutschen Armee nicht vorgenommenen Übungsmärsche (?) .
Der Paradeschritt ist auch ein Mittel gegen das
Einreifsen von Schläfrigkeit und Bummelei. Andererseits schont man aber auch die Kräfte der Leute und gewährt ihnen, wo es irgend angebracht ist, Erleichterungen . So z. B. läfst man die Posten bei starker Sonnenglut in die Schilderhäuser oder sonst in den Schatten treten, hält die Leute nicht unnötig lange unter präsentirtem Gewehr u. S. W. Daraus ersieht der Soldat, dafs die Vorgesetzten auf sein Wohl bedacht sind und Anstrengungen von ihm nur dann verlangen, wenn es wirklich auf besondere Leistungen ankommt.
Dadurch ge-
langt man, um nur ein Beispiel anzuführen, dahin, daſs, wie unlängst bei einem fünftägigen Manöver, die Truppen erst um 12 Uhr Nachts zur Ruhe kommen und schön am nächsten Morgen um 4 Uhr wieder frisch sind. Die Vorgesetzten sind mit ihrem Lobe den Untergebenen gegen-
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über sparsam, um die Wirkung nicht abzuschwächen . Sie loben , um Eifersüchteleien und Überhebung zu vermeiden , eine Truppe nie im Vergleich mit einer anderen. Lautes Lob z. B. beim Vorbeidefiliren (in Rufsland die Regel) , wird nie gespendet, die Truppe antwortet auch nicht darauf. Ebensowenig herrscht die (bei uns bestehende) Sitte, den Mannschaften zur Anerkennung für Schnaps reichen zu lassen.
besondere Leistungen
Wohl aber geben selbst die höchsten Vor-
gesetzten einem besonders verdienten Feldwebel gelegentlich die Hand. Wie bereits gesagt, gehen die Vorgesetzten in der Erfüllung aller militärischen Pflichten und Gebräuchen mit gutem Beispiel voran . Es bezieht sich das auf die militärischen Ehrenbezeugungen, auf das Grüfsen, das weniger der Persönlichkeit,
als der Achtung vor dem
ganzen Stande und vor den Vorgesetzten im Besonderen gilt.
Der
Vorgesetzte verlangt aber nicht nur den Grufs genau nach Vorschrift, sondern er erwidert ihn auch stets, sogar bei schlechtem Wetter, was natürlich dem Selbstgefühl des Untergebenen schmeichelt und ihn auf seine Stellung als Soldat stolz macht. Die Bestimmungen über die Ehrenbezeugungen sind aber in der deutschen Armee einfacher und weniger belästigend wie bei uns. wird viel weniger vor den Vorgesetzten Front gemacht u . s. w.
Es Es
rührt diese mildere Praxis wohl auch daher, dafs das Offizier- Korps der deutschen Armee aus Leuten von gleicher Bildungsstufe besteht, und dafs die sämmtlich in den Elementarschulen unterrichteten Mannschaften ebenfalls hinlänglich entwickelt sind . Was verlangt wird, darf andererseits nie verabsäumt werden, und es erklärt sich aus dieser Festhaltung der Vorschriften auch der Umstand, dafs Deutschlands sämmtliche Offiziere einander streng militärisch grüfsen. (N.B. Das Grüssen der Offiziere unter einander und der Vorgesetzten im Besonderen ist zwar auch bei der russischen Armee vorgeschrieben , wird aber viel verabsäumt. Es mag dazu kommen, dafs sie sich gegenseitig bekannter sind, als bei uns, sowie dafs es keinen Unterschied zwischen Garde- und Armeeoffizieren giebt . Das ist aber nur sehr nebensächlich, die Hauptsache bleibt das gemeinsame Standesbewuſstsein, das sich auch in der ernsten Miene, mit welcher von den deutschen Offizieren der Grufs stets abgestattet und erwidert wird, ausspricht) . Wenn die gegebenen Befehle bei den Deutschen immer genau befolgt werden, so kommt das daher, dafs dieselben stets verständlich und klar, den gegebenen Mitteln und Persönlichkeiten entsprechend, erfolgen, und dafs die Vorgesetzten auch die Verantwortung dafür übernehmen. Der Befehl wird einmal deutlich und kurz erteilt, eine Wiederholung, nur um Vergefslichkeit oder Lauheit vorzubeugen , ist nicht Sitte,
ebenso wenig Abänderung des Befehls, falls sich nicht
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auch die Umstände inzwischen geändert haben. Lieber falsche Dispositionen als Schwankungen im Entschlufs , wodurch auch bei der Ausführung die Sicherheit erzeugt wird . Die Vorgesetzten wachen darüber, dafs ihr Wille zur Durchführung kommt, vermeiden es aber, sich in die Details zu mischen, um die Untergebenen so wenig wie möglich in ihrer Selbstständigkeit zu beschränken. Daher wohnen in den Kasernen auch nur die jüngeren Offiziere, damit die Vorgesetzten nicht fortwährend bei der Ausbildung zugegen sind. Dieses Vertrauen ist bei dem Bestande des deutschen Offizierkorps, den wir jetzt hinsichtlich seiner Ausbildung näher betrachten wollen, durchaus an seinem Platz. Wie bereits erwähnt , haben sämmtliche deutschen Offiziere eine gute und dabei gleichmässige allgemein wissenschaftliche und militärische Vorbildung genossen . Viele von ihnen besuchen die Kriegsakademie, und da der Generalstab 195 Offiziere zählt und aus der Akademie jährlich über 100 Offiziere entlassen werden, so häuft sich natürlich auch in den Regimentern die Zahl der akademisch Gebildeten und zwar schon unter den Hauptleuten und Lieutenants.
Die Anzahl der-
jenigen, welche sich zur Akademie vorbereiten - die auf den Kriegsschulen erlangten Kenntnisse werden als nicht genügend erachtet ist ebenfalls grofs, und nur die in jeder Hinsicht am besten qualifizirten Offiziere gelangen wirklich zur Aufnahme in die Akademie. Die dort übliche Vortragsmethode , bei der auch Fragen gestellt und praktische Übungen vorgenommen werden , erfüllt durchaus ihren Zweck. Die Leistungen in der Terrainaufnahme sind erheblich schwächer als bei uns, dafür werden aber die Akademiker in den beiden nächstfolgenden Jahren auf einige Monate zu anderen Truppenteilen kommandirt, um den Dienst bei denselben kennen zu lernen. Es ist daraus ersichtlich , dafs der Kursus auf der Kriegsakademie sich mehr als bei uns den Bedürfnissen des praktischen Dienstes anpafst. Wir erwähnen auch, dafs ähnlich wie bei uns, Offiziere zu Lehrtruppenteilen und verschiedenen Schulen abkommandirt werden . Der Unterschied besteht aber darin, dafs auch ältere Offiziere sogenannte abgekürzte Kurse (Schiefsschule , Reitschule und Artillerieschulen) besuchen müssen, um sich mit den neuesten Methoden und den Errungenschaften der Technik bekannt zu machen. Die spätere Art der Auswahl und Heranbildung der Generalstabsoffiziere, desgl. der Dienst derselben , setzen wir als bekannt voraus. Sie ist der langjährigen Einwirkung Moltke's zu verdanken und wird in derselben, streng praktischen und nur die geeignetsten Elemente in den Generalstab selbst inkorporirenden Weise fortgesetzt. Die Offiziere des Generalstabes werden der Truppe nie ganz ent-
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps .
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fremdet, sondern kehren zeitweise zu derselben zurück bezw . werden, namentlich wenn sie zu Kommandeurstellungen heran sind, für immer zum Frontdienst genommen. Daraus erklärt es sich, dafs obwohl man in der deutschen Armee auf die Generalstabsoffiziere mit einem gewissen Neide blickt, man sie doch ihrer Verdienste wegen schätzt und dafs andererseits die Generalstäbler stets enge Beziehungen zu den Armeeoffizieren unterhalten , die sie als echte Kameraden vom Fach und den gleichen Strang mit ihnen ziehend, betrachten. Wenden wir uns nun zu dem deutschen Offizier in seiner Eigenschaft als Kamerad , so ist zunächst zu bemerken , dafs der Geist der Kameradschaft bei den deutschen sehr stark entwickelt ist, wenn auch vielleicht nicht in derselben Richtung als bei anderen Armeen. Sie basirt auf dem esprit de corps , der die ganze Armee durchläuft und ist mit eine Folge der gleichmäfsig guten Vorbildung und der hohen gesellschaftlichen Stellung, welche dem Offizier im Allgemeinen eingeräumt ist. Sie beruht nicht auf Herzensgüte und wahrem Freundschaftsgefühl,
sie hat keine Nachsicht mit Nichtsnutzen und
Tagedieben, die darauf pochend weiter dienen bleiben und wohl gar im Regiment den Ton angeben würden, nein, sie gründet sich auf das Bewusstsein der Offiziere, dafs jeder von ihnen nur einen untrennbaren Teil des ganzen Offizierkorps ausmacht. Einer für Alle , Alle für Einen.
Ein Offizier, der in einem Regiment nicht geachtet wird ,
mit dem die Kameraden nicht sprechen , kann daher nicht nur in seinem Regiment nicht bleiben, sondern darf auch nicht darauf rechnen, wo anders unterzukommen. In welcher Weise werden die kameradschaftlichen Pflichten erfüllt ? Der Umstand, dafs 95/100 aller Offiziersaspiranten als Gemeine zu den Regimentern kommen und bevor sie zum Fähndrich avanciren , erst einer Wahl unterliegen, ermöglicht es den Offizieren, sich mit dem Nachwuchs gründlich bekannt zu machen. zu ihrem Tisch
Sie lassen die jungen Leute
zu und impfen den für jede Einwirkung noch so
empfänglichen Gemütern die bei dem Offizierkorps gültigen Anschauungen ein. Dadurch gewinnen die Offiziere auch den besten Anhalt für die künftige Auswahl, die mit grofser Strenge gehandhabt wird, und bei der namentlich die Stimmen der jüngeren Offiziere zur Geltung kommen , da diese den Avantageuren und Fähndrichen im aufserdienstlichen Leben näher stehen und ihre Führung besser kontrolliren können , als die älteren Herren.
Der Korpsgeist in den Regimentern wird auch
dadurch gefördert, dafs sich die Aspiranten die Regimenter, bei denen sie eintreten wollen , selbst aussuchen . Sie wachen daher, wenn Offiziere geworden, um so eifriger über die Ehre ihres Korps .
Eine
Ausnahme machen die aus dem Kadettenkorps zur Truppe kommenden Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96 , 1. 5
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jungen Leute insofern, als sie häufig gegen ihren Wunsch in unbeliebte und an einem Mangel an Offizieren leidende Garnisonen verteilt werden. Die von den Offizieren gegenseitig ausgeübte Kontrolle im aufserdienstlichen Leben bezieht sich auch auf die Gelage, derartig,
dafs
Kameraden, die nicht viel vertragen können , von zu starkem Trinken abgehalten werden, speziell an öffentlichen Orten. Daraus folgt aber nicht, dafs die deutschen Offiziere wenig trinken. sind grofse Liebhaber des Zechens,
Im Gegenteil ,
sie
vergessen sich dabei aber sehr
selten und werden bei Zeiten in Sicherheit gebracht, so dafs Ausschreitungen nicht vorfallen können. Passirt in irgend einem Regimente mit einem Offizier eine Unannehmlichkeit, so wird dieselbe dem ganzen Korps zur Last gelegt. Die persönliche Freiheit des Einzelnen steht daher erst in zweiter Linie . Persönlichkeiten, die einen ungünstigen Einfluss ausüben, werden entfernt, selbst dann, wenn sie im Dienst noch so tüchtig sind .
Über
die Vorkommnisse im Regiment wird nach aufsen hin nichts laut, so z. B. wenn ein Offizier Stubenarrest erhält . In Gegenwart von Nichtregimentsangehörigen
äufsert man
sich
über Vorgesetzte und Kameraden nur mit gröfster Zurückhaltung und sagt ihnen nichts Übles nach .
Zur Aufrechterhaltung des kamerad-
schaftlichen Geistes trägt es bei ,
dafs alle Offiziere auf der Strafse
einander grüfsen und dafs sie sich am dritten Ort einander vorstellen . Daher rührt es, dafs die meisten Offiziere, namentlich die in derselben Garnison stehenden, einander persönlich kennen . Die älteren Offiziere verhalten sich zu den jüngeren aufser Dienst ebenfalls kameradschaftlich, ohne dafs dadurch die Disziplin irgendwie leidet . Die Formen der gegenseitigen Anrede und sonstigen Etiquette sind genau bestimmt. Das „Du" ist nicht üblich, aufser bei Freunden und Verwandten. Der Pflege der Kameradschaft dienen die bereits seit vielen Jahren bestehenden Kasinos , die auch von den älteren, und verheirateten Offizieren, sowie ehemaligen Regimentsangehörigen viel besucht werden, besonders bei den sogenannten Liebesmahlen. Die Einrichtung der mitunter für mehrere Offizierkorps gleichzeitig bestehenden Kasinos ist meistens bequem, zuweilen sogar mit Gärten . Sie enthalten allerlei Regimentsandenken, wie Bilder, Waffen, Geschenke, Dokumente. In vielen Offizierkorps ist es üblich, dafs die neu eintretenden Offiziere ihre eigenen Bestecke mit ihren Wappen und Namenszügen mitbrigen und sie dem Regiment beim Scheiden zum Andenken zurücklassen . Mit einem Wort, die Einrichtung der Kasinos ist eine solche, dafs sie die Offiziere beständig an die ganze Vergangenheit und die früheren Kameraden des Regiments erinnert.
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Der korporative Geist beschränkt sich aber nicht nur auf die Regimenter, sondern erstreckt sich auch auf andere Verbände, wie z . B. auf die Offizierkorps der Lehranstalten, der technischen Institute u. s. W. Wenigstens essen die Offiziere in ein und demselben Gasthof oder trinken dort Abends ihr Bier
Die meisten Kasinos sind recht bescheiden ausgestattet ,
einige
aber, namentlich in den neueren Kasernements , bei einigen GardeKavallerieregimentern sogar üppig. Man speist gemeinsam zu verschiedenen Zeiten , gewöhnlich zwischen 1-2 Uhr , in den grofsen Garnisonen meistens später.
Mehr Gerichte wie drei giebt es selten .
Sie sind einfach und für uns (Russen) nicht besonders schmackhaft. Die Suppe ist meistens eine Art Puree aus Gemüse oder eine Mehlpampe ohne Bouillongeschmack. Gutes Rindfleisch nach Art unseres tscherkessischen giebt es nicht , und das Kalbfleisch ist nach seiner Farbe und seinem Geschmack von dem Rindfleisch kaum zu unterscheiden. Am Donnerstag wird mit Vorliebe gesalzenes Schweinefleisch mit Sauerkraut und Erbsen genossen . Dazu trinkt man unfehlbar ein Glas Bier.
Auch Klöfse sind sehr beliebt und vertreten
mitunter beim Braten die Kartoffeln . die Tafel. Die Kochkunst steht nicht hoch ,
Seefische kommen häufig auf es ist Alles zu fett, und der
natürliche Geschmack dringt nicht durch. Dafür sind die Materialien Die Preise für das Mittagessen sind verstets vollkommen frisch. schieden, von 1 Mark an bis 2 Mark 50 Pfennig, je nach den Mitteln des Offizierkorps . Schnaps trinken die deutschen Offiziere wenig ( ?), da bei ihnen die Sitte des Vorimbisses ( sakusska) vor den Mahlzeiten . nicht herrscht. Auch starke Weine wie Sherry und Madeira werden nicht viel genossen . Der Wein ist preiswürdig und nicht teuer. Es giebt sehr billigen deutschen Schaumwein, der aber nicht gut schmeckt . Französischer Champagner wird aus Sparsamkeit und auch aus PatrioSehr beliebt , namentlich im tismus in den Kasinos wenig benutzt . Sommer, sind Bowlen, die mitunter auch Mineralwasser enthalten. Das Essen im Kasino gilt für die nicht verheirateten jüngeren In Rufsland bekanntlich nicht der Fall . Offiziere als obligatorisch . Ausnahmen sind gestattet , man sieht sie aber nicht gerne und beurteilt den Offizier danach,ob er sich zum Kasino hält oder nicht. In den grofsen Garnisonen haben die Offiziere mehr Gelegenheit, zu gröfseren Mittagsessen ausgebeten zu werden , in den kleineren selten , da die Sitte, Jemand zur einfachen Hausmannskost oder gar ungebeten , aufzunehmen, in Deutschland nicht existirt. Man macht stets zu viel Umstände.
Den Vorsitz bei Tisch führt gewöhnlich ein älterer Kapitän, Prinzen, deren es in 5*
die Tischordnung wird sorgfältig inne gehalten .
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den Garderegimentern viele giebt, machen keine Ausnahme , sondern Das Essen im nehmen bei Tisch ihre chargenmäfsigen Plätze ein . Kasino hat zum Teil eine erzieherische Bedeutung, die dabei beobachteten Formen dürfen wir hier übergehen, doch sei bemerkt, dafs unpassende Gespräche und Kindereien bei Tisch nicht gestattet sind. Auf diese Weise gehen die Offiziere niemals über gewisse Grenzen der Gemessenheit hinaus, obwohl andererseits in ihren gegenseitigen Beziehungen eine grofse Ungezwungenheit herrscht, so dafs z. B. Untergebene ihren Vorgesetzten gegenüber ihre abweichende Meinung unumwunden äufsern . Um den mehr kameradschaftlichen Charakter der gemeinsamen Mahlzeiten hervorzuheben, herrscht die Sitte, dafs viele der Offiziere mit aufgeknöpften Röcken speisen . Sind nur Offiziere von gleicher Charge vereinigt, so ist der Unterhaltungston natürlich noch etwas ungezwungener, und es fällt dann wohl auch mitunter eine pikante Anekdote, wovon die deutschen Offiziere grofse Liebhaber sind. In solchen Fällen halten sich die älteren Hauptleute und Rittmeister u . s . w. absichtlich beiseite, um sich einerseits nichts zu vergeben, andererseits nicht zu stören . Die deutschen Offiziere lieben den Weingenufs, die Sitte, Jemand frei zu halten, seien es Vorgesetzte oder gleichaltrige Kameraden, existirt aber nicht . Man würde eine solche Bewirtung für taktlos halten, da sie Gegenseitigkeit verlangt und der Bewirtete dazu nicht immer in der Lage ist. Man trinkt daher meistens auf gemeinschaftliche Kosten .
Die sogenannten Liebesmähler haben einen etwas feier-
licheren Anstrich, die Zahl der Gerichte ist gröfser, aber sie sind wie gewöhnlich in Deutschland, nicht besonders schmackhaft. Verwöhnt sind die Herren in dieser Beziehung nicht, aber sie essen und trinken. gern viel. Nach der Mahlzeit wird noch tüchtig Bier getrunken, wozu man der besseren Bekömmlichkeit wegen und auch zur Belebung des Durstes belegte Butterbrode ifst. Überhaupt vertritt das Bier in Deutschland unsern Wein. Nach dem Essen werden allerlei Späfse getrieben und gymnastische Übungen vorgenommen . Viele Offizierkorps geniefsen die Auszeichnung, Seine Majestät den Die Kaiser als Gast in ihren Kasinoräumen empfangen zu dürfen . Garderegimenter haben dazu die meiste Gelegenheit , am häufigsten das
1. Garderegiment zu Fufs und das Leibgardehusarenregiment.
Möglicherweise sind die Mahlzeiten bei diesen Anlässen etwas besser als die gewöhnlichen , sicher sind sie aber nach unserem Geschmack erheblich schlechter, als sie bei unseren Garderegimentern bei festAuf diese Frugalität licheren Veranlassungen aufgetragen werden . hat wohl auch der Erlafs des Kaisers vom 29. März 1890 eingewirkt. Man vermeidet es sogar, bei solchen Anlässen Champagner zu trinken.
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps.
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Kein Zweifel, dafs die häufigen Besuche des Kaisers bei den Offizierkorps die Bedeutung derselben sowohl in ihren eigenen Augen als bei der ganzen Gesellschaft hebt .
Wir erwähnten bereits, daſs nach
dem Kriege von 1870-71 das gesellschaftliche Leben in Deutschland sich üppiger gestaltete, was sich auch auf die Existenz der Offiziere, speziell auf die Kasinos , ausdehnt. Von wirklichem Luxus ist es jedoch mit geringen Ausnahmen noch weit entfernt. Einzelne unserer Dafür leben die Offiziere Garderegimenter gehen darin viel weiter . des bescheidensten Feldregiments in ihren Kasinos viel besser als die der meisten unseren Armeeregimenter. Die Bedeutung der Kasinos, mögen sie arm oder reich eingerichtet sein, liegt hauptsächlich in dem Zweck, die Kameradschaft zu heben und den Besuch anderer Lokalitäten, wie Bierhäuser u. s. w. , die in Deutschland das Familienleben ersetzen, entbehrlicher zu machen. Die Billigkeit der Existenz wird dadurch nicht gefördert, da die Kasinos auch viele Gelegenheiten zu obligatorischen Ausgaben geben. Es giebt sogar Kasinos für Reserveund Landwehroffiziere mit ganz ähnlichen Tendenzen , zu deren Mitgliedern auch im Auslande lebende Offiziere gehören. Letztere bilden dort mitunter eigene Vereine und unterhalten Verbindung mit ihrer Armee. Mit Bezug auf die Einwohner des fremden Landes halten sich diese Herren reservirt, nehmen ihre Gastfreundschaft und ihre Gewohnheiten nicht an, sondern behalten die Lebensanschauungen und Gewohnheiten ihres Heimatslandes bei. Mit einem Worte, sie betrachten das fremde Land nur als eine Quelle des Erwerbs , d . h . sie sind nur Verstandesmenschen ohne Herz. Als Kameraden geben die Offiziere der deutschen Armee nicht nur auf einander Obacht, sondern verhängen auch über die Unwürdigen Strafen. Es geschieht das wie bei uns, durch die Offiziersgerichte . Die preufsischen Offiziersgerichte weichen jedoch in ihrem Charakter wesentlich von den unsrigen ab und haben auch diejenigen Offiziere abzuurteilen, die sich zur Reinigung ihrer Ehre selbst dem Gericht stellen. Ihrer Kompetenz unterliegen auch die Offiziere der Reserve und diejenigen Verabschiedeten , welche das Recht haben, Uniform zu tragen. Der hauptsächlichste Unterschied mit unseren Einrichtungen besteht darin, dafs in Deutschland alle Offiziere des. Regiments oder selbstständigen Truppenteils das Ehrengericht über einen Kameraden bilden, während bei uns das Ehrengericht nur aus sieben Mitgliedern besteht , also eigentlich nichts weiter ist, als ein verstärkter Ehrenrat . Es rührt das daher, weil in Deutschland, wie erwähnt, die Zusammensetzung der Offizierkorps eine gleichmässigere und daher jedes Mitglied desselben kompetent genug ist , über Ehrverletzungen abzuurteilen . Jeder, der seine Ehre oder die eines Ka-
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meraden irgendwie für befleckt ansieht, ist verpflichtet, dem Ehrenrat davon Anzeige zu machen und auf Erledigung zu dringen. Die Verheimlichung eines ehrenrührigen Vorfalls und die Nichtahndung desselben gereicht dem betreffenden Regiment zur Schmach.
So ist es
bei der deutschen Armee im Prinzip, in der Praxis gehen aber natürlich viele Fälle unbemerkt durch. Aber schon allein die Regel genügt, um die Auffassungen der Offiziere über die Standesehre klar zu legen. Wir gelangen hieran anschliefsend zu den Bestimmungen über die Duelle, die von den Landesgesetzen unbedingt verboten sind und vom Kriegsgericht geahndet werden. (N.B. In Rufsland, woselbst das Gesetz früher den Duellen noch strenger gegenüber trat, als bei uns, sind neuerdings Bestimmungen eingetreten, die sich unseren deutschen Anschauungen mehr anpassen. Die Verhältnisse machten eine solche Milderung unentbehrlich .)
Die Ehrengerichte der Offiziere stellen sich
dazu ganz anders und ziehen die Betreffenden nur dann zur Verantwortung, wenn einer derselben beim Anlafs des Zwistes sich unwürdig des Offiziersstandes benommen hat. So stehen Gesetz und Tradition einander gewissermafsen gegenüber. Um dieselben mehr in Einklang zu setzen, ist es Bestimmung, dafs der Offizier, der mit einem anderen oder mit einem Zivilisten einer Ehrensache wegen in Streit gerät und zum Duell gewungen ist,
dem Ehrenrat vorher davon Anzeige zu
machen hat. Auch wenn das Duell stattgefunden hat, kann derjenige der Duellanten, der seinen Gegner grob und ohne Veranlassung beleidigt, sich also in für einen Offizier unwürdiger Weise betragen hat, vor das Ehrengericht zitirt und evtl. aus der Armee entfernt werden. Ebenso geschieht es mit einem solchen Offizier, der seine Ehre nicht zu verteidigen gewusst hat. In der Praxis stellt es sich so, dafs die höchsten Vorgesetzten bis
zu einem gewissen Grade den Austrag der Ehrenangelegenheiten durch Zweikampf, dem Gesetz entgegen, begünstigen . Nur wenn ein Untergebener einen Vorgesetzten aus Veranlassung von Konflikten im Dienst fordert und sich mit ihm schlägt, kommt die ganze Strenge des Gesetzes zur Anwendung, und es erfolgt für beide Teile aufser den anderen Strafen Dienstentlassung , letzteres zur Aufrechterhaltung der Disziplin. Der auf diese Weise aufrecht erhaltene Geist umfafst thatsächlich die ganze Armee ; „der Offizier der Gardes du Corps oder des 1. GardeRegiments zu Fufs sieht in dem Offizier des einfachsten Infanterieregiments seinen Kameraden, den er achtet und dessen Verhalten ihm nicht gleichgültig ist. Natürlich besteht immerhin ein gewisser Unterschied zwischen den Garde- und den Armeeregimentern, zwischen den verschiedenen Waffengattungen und sogar zwischen den einzelnen Re-
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gimentern derselben, er ist aber nicht entfernt so grofs wie bei uns und vor allen Dingen, man äufsert sich darüber nicht, wenigstens nicht aufserhalb des engsten Kameradenkreises.
Die Garde ist der Armee fast in jeder Hinsicht gleichgestellt . Rangunterschiede der Armee gegenüber giebt es nicht. Jeder Armeeoffizier kann zur Garde versetzt werden, es kommt sogar vor , dafs Offiziere, die nie vorher bei der Garde gedient haben, Regimenter in derselben erhalten. Die Gardeoffiziere haben aber mehr Mittel , sind meistens von Adel und haben , da in den Hauptstädten stehend, in der Regel mehr gesellschaftlichen Schliff und Eleganz, als ihre Kameraden von der Armee. Was die verschiedenen Waffengattungen anbetrifft, so haben die Kavallerieoffiziere eine besondere Meinung von sich, da sich unter ihnen meist wohlhabende Leute befinden und sogar in einzelnen Armeeregimentern nur der Adel vertreten ist.
Sie geniefsen daher in
der Gesellschaft ein gewisses gesteigertes Ansehen und gelten bei den Eltern von Töchtern als annehmbare Freier. Die Spezialwaffen, die Artillerie und die Ingenieure, stehen einigermaſsen gesondert da, und zwar wegen ihrer spieziellen Vorbildung und der historischen Entwickelung der Organisation beider Waffen. Neuerdings ist, was die Ausbildung der Feld -Artillerie- Offiziere anbetrifft, eine Änderung in mehr praktischer Richtung eingetreten, die sie den anderen Waffen näher bringt, aber von vielen Seiten mit einem gewissen Skeptizismus, d. h. als nicht gründlich und wissenschaftlich genug betrachtet wird. Die Leistungen im Schiefsen gelten als die Hauptsache, die Theorie tritt erst an die zweite Stelle . Sie kann es um so mehr, als die Privatindustrie im Waffenfache in Deutschland aufserordentlich entwickelt ist, die Techniker ausbildet und dem . Lande überdies grofse Einnahmen bringt. Technisch gebildete Artillerieoffiziere sind also in Deutschland weniger nötig als bei uns . Jedenfalls kann man annehmen, dafs die stattgehabte Änderung bei der Ausbildung der jungen Artillerieoffiziere ihre Sonderstellung in der Armee beseitigen und sie den anderen Waffen näher bringen wird.
Vorläufig dienen bei der Artillerie und
den Ingenieuren sehr viel mehr bürgerliche Offiziere, als bei den übrigen Waffen, und man hat für diese Herren von den Spezialwaffen die Bezeichnung „Konventionsschulze " , spricht jedoch darüber nur im engeren Kreise. (N.B. Diese Auffassung des russischen Autors beruht bekanntlich auf einem Mifsverständnifs und ist um so weniger richtig, als jetzt auch die Feldartillerie - Regimenter viele adelige Offiziere zählen und auch sonst bei der Annahme von Offiziersaspiranten nur verlangt wird , dafs der Betreffende aus anständiger Familie stammt,
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mithin die Garantie bietet, dereinst ein „ Gentlemen " zu werden.
In
Rufsland sind die Ansprüche an die Herkunft der Offiziere erheblich geringer, als bei uns, und selbst bei der Annahme zur Garde entscheiden hauptsächlich die Mittel. ) Der Verfasser betrachtet nunmehr
näher die Ausbildung der
Generalstabsoffiziere , desgleichen die Kurse auf der Reitschule, den Schiefsschulen, die Übungsreisen u. s. w. und fährt daran anschliefsend fort : Betrachten wir im Allgemeinen die Art der wissenschaftlichen Beschäftigungen bei der deutschen Armee (Kriegsspiel, Lösung von taktischen Aufgaben, Vorträge, schriftliche Winterarbeiten , Übungsreisen u. s . w.) , so gelangen wir zu folgendem Schluſs : a) die jungen Offiziere , welche alle ohne Ausnahme eine gute Vorbildung genossen haben, sind genügend entwickelt, um von den theoretischen Beschäftigungen innerhalb des Regimentsverbandes Vorteil ziehen und ihre Aufgaben als Befehlshaber selbstständig
erfüllen zu können ;
b) die
älteren Offiziere, welche dieselbe gute Vorbildung besitzen und die durch die neueren Fortschritte der Technik verursachten Lücken in ihren praktischen Kenntnissen durch Kommandirung zu den verschiedenen technischen Schulen ausgefüllt haben, sind völlig im Stande, die theoretischen Beschäftigungen der Offiziere innerhalb der Regimenter zu leiten und auch bei den praktischen Übungen und Manövern im Gelände die Mitwirkung von Generalstabsoffizieren unentbehrlich zu machen. So kommen auch die jüngeren Offiziere in die Lage, bei einer Mobilmachung höhere Posten völlig selbstständig ausfüllen zu können.
Hieraus geht auch die der deutschen Armee eigentümliche
Neigung zur Initiative hervor, die aber nie in Willkür ausartet, sondern sich in den den einzelnen Chargen gegebenen Grenzen bewegt und stets den gemeinschaftlichen Zweck im Auge hat . Die den deutschen Offizieren im Frieden gewährte Selbstständigkeit und daraus hervorgehende Initiative sind eine Bürgschaft dafür , dafs die Befehlshaber auch im Kriege in demselben Geiste wirken werden. Es hat sich das schon im Kriege von 1870-71 im Gegensatz zu
den Franzosen gezeigt, worüber man das Buch des russischen Generallieutenants Woide : "7 Die Siege und Niederlagen im Kriege von 1870 und ihre wirklichen Ursachen " nachlesen mag . . . Die einzelnen, von oben her Befehle empfangenden Befehlshaber haben mitunter nicht nur die Erwartungen übertroffen , sondern auch häufig die Fehler der höheren Vorgesetzten verbessert und ihnen zu einem nicht immer verdienten Siege verholfen. General Woide bemerkt durchaus richtig, dafs die Gegner der Deutschen bei künftigen Kriegen mit dieser elementaren Kraft rechnen und sie sich selbst aneignen müssen . Diese elementare Kraft wird auch bei der an eine so peinliche Ordnung ge-
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wöhnten deutschen Armee im Falle von Niederlagen ihren Dienst thun . Es finden sich vielleicht Leute, welche behaupten , dafs gerade eine an strenge Ordnung gewöhnte Armee bei den ersten Mifserfolgen desto eher in Auflösung geraten müsse. Das ist aber nur dann richtig, wenn stets Befehle von oben her erwartet werden , während bei den Deutschen die unteren Führer sich auch allein zu helfen wissen . „ Die Kraft der höheren Führer wird auf diese Weise durch die Unterbefehlshaber vervielfältigt. " Der deutsche Offizier als Vorgesetzter bemüht sich um seine Untergebenen, um ihre Einquartierung, ihre Verpflegung u . s. w. Er wünscht aber auch ,
dafs diese Bemühungen von den Untergebenen .
nicht unbemerkt bleiben, sondern dafs sie sein Interesse für sie und seine stete Bereitwilligkeit sie nach oben hin in Schutz zu nehmen , zu würdigen wissen . Im Frontdienst bemühen sich die deutschen Offiziere ihren Untergebenen mit gutem Beispiel voranzugehen, keine Unzufriedenheit über allzugrofse Anforderungen zu äufsern und die Beschwerden in gleicher Weise zu ertragen wie die Soldaten . Sie werden sich nicht erlauben . während des Marsches die Tornister abzulegen, auszutreten um Wasser zu trinken, an den Fenstern stehen zu bleiben, um mit Bekannten zu sprechen und dergl.
Andererseits werden bei Märschen u. s. w. den
Truppen nur solche Forderungen auferlegt, die langjährige Erfahrungen für sich haben , und den Vorgesetzten ist die Möglichkeit gewährt, die Ausführung derselben überwachen zu können. Die Marschdistanzen sind der Bequemlichkeit angepafst, und die Offiziere brauchen, wenn nicht im Tritt marschirt wird, nicht immer an ein und derselben. Stelle zu verbleiben, so dafs sie in der Lage sind , das Zusammenbleiben der Kolonnen kontrolliren zu können . Zum Schlufs unserer Betrachtungen über die deutschen Offiziere in ihrer Stellung als Vorgesetzter sei erwähnt ,
dafs wenn sie auch
auf Grund ihrer gerechten und eingehenden Sorge um das Wohl ihrer Untergebenen von diesen geschätzt und mit Vertrauen betrachtet werden, dennoch keine eigentliche Liebe bei ihnen geniefsen. Wenn sich dieses Gefühl wenigstens nach deutschen Begriffen mitunter zeigt, so ist es nicht jenes starke aufrichtige, opferbereite, welches in unserer Armee guten Vorgesetzten entgegengebracht wird . Das oben Gesagte charakterisirt den deutschen Offizier auch als Untergebenen , so dafs in dieser Hinsicht nicht viel hinzuzufügen ist. Die militärische Subordination verlangt unbedingte Unterordnung, aber wie bereits oben erwähnt, verlangen die Vorgesetzten dabei von den jüngeren Ghargen nicht, dafs sie ihren eigenen Willen, ihre innere Überzeugung ganz aufgeben und ihre Meinung nicht äussern.
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Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps. Es darf nur nicht zum Räsonnement kommen .
Militärische Fragen
werden im Kreise der Offiziere viel und gerne berührt, nützlicher Austausch der Meinungen stattfindet ,
so dafs ein
an anderen Dingen
haben sie wenig Interesse, trotz ihrer guten wissenschaftlichen Vorbildung, die nach Einschlagung der militärischen Laufbahn meistens nicht weiter gefördert wird. Handelt es sich um Beurteilung militärischer Angelegenheiten, so werden sich die Subalternoffiziere, als noch nicht hinlänglich im Dienst erfahren, Vorgesetzten gegenüber selten darauf einlassen, ihre Meinung zu äufsern, die Stabsoffiziere aber nehmen sogar Generalen gegenüber im Privatgespräch keinen Anstand, ihre häufig abweichenden , wohlüberlegten Meinungen abzugeben . Es kommt natürlich auch vor, dafs manche Offiziere den Vorgesetzten Das passirt zum Munde reden, um sich bei ihnen anzuschmeicheln . aber nur selten und widerspricht auch dem angeborenen Charakter des ganzen Volks, der eher grob als liebenswürdig ist . Die ehrerbietige Haltung der Jüngeren den Alteren gegenüber bleibt nicht nur im, sondern auch aufser Dienst auch dann bestehen, wenn eine besondere Freundschaft zwischen ihnen herrscht. Familiaritäten kommen nicht vor. Wenn z. B. nach einem Diner, wobei es ganz ungezwungen hergegangen ist, die Offiziere sich einander verabschieden,
so stecken sie
sofort
wieder ihre etwas hochmütige,
ceremonieuse Miene auf und verbeugen sich so förmlich , als ob sie sich das erste Mal im Leben gesehen hätten. Diese strenge Etiquette wird nur von einzelnen älteren, aus einer früheren Schule stammenden Generalen zuweilen beiseite gelassen . Von den in der Front befindlichen Offizieren wird nicht nur Dienstkenntnifs ,
sondern auch äufsere Repräsentabilität , sei es zu
Pferde oder zu Fufs , verlangt. Es gilt daher als nichts besonderes, wenn einem jüngeren Offizier von einem Vorgesetzten anempfohlen wird, sich zu Hause im Paradeschritt oder in Säbelgriffen zu üben. Ebenso wird auch von den Infanterieoffizieren verlangt, dafs sie nur ansehnliche Pferde reiten. Zwischen den Offizieren der Armee und denen der Reserve besteht ein gewisses Band, das, wenn
es auch
nicht wirkliche Kameradschaft genannt werden kann, doch Anklänge daran zeigt . Die Offiziere der Reserve sind stolz auf ihre Stellung und verfehlen bei vorkommenden Gelegenheiten nie, ihren militärischen Titel als Lieutenant der Reserve ihren sonstigen Würden hinzuzufügen. Auf diese Weise umfafst der Geist der Kameradschaft alle Offiziere, und diesem Geiste verdankt die deutsche Armee zum grofsen Teil ihre Erfolge im Kriege. Er ist es, welcher die verschiedenen Bestandteile aneinander kettet und die schnelle gegenseitige Unterstützung derselben hervorruft.
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps.
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Nachdem wir nunmehr den deutschen Offizier als Vorgesetzten und Untergebenen, sowie als Kamerad geschildert haben , gehen wir auf seine Auffassungen in verschiedener Hinsicht über. Die deutschen Offiziere sind von dem Bewusstsein durchdrungen, dafs die Ehre die schönste Zierde und dafs ihre Aufrechterhaltung einzeln und in der Gesammtheit die Pflicht aller ist. Dabei verstehen sie unter dem Begriff Ehre die tadellose Erfüllung aller Obliegenheiten , so dafs jede ihrer Handlungen vor jedem Ehrengericht und auch vor ihrem eigenen Gewissen bestehen kann. Die Fundamente der Ehre sind ja, im Allgemeinen gesprochen, für alle Völker und für alle Menschen die gleichen .
In der Praxis aber stellt es sich heraus, dafs
aufser den allgemeinen Anforderungen der Ehre, jede Nation, ihrem Charakter gemäſs , jede Gesellschaftsklasse und jeder Dienstzweig seine besonderen Anforderungen in dieser Hinsicht stellt. So haben auch die Ehrbegriffe der deutschen Offiziere eine besondere Färbung , bei der die feineren Empfindungen des Herzens jedoch wenig mitsprechen. Man bemüht sich, in der deutschen Armee durch ehrenhaftes Benehmen das zu ersetzen , was anderen Nationen der Glaube und die tiefe Liebe zum Vaterlande giebt. Es wird den Offizieren eingeimpft, dafs für sie wahre Ehre nur im Verein mit der Treue zu ihrem Könige (bezw. dem Kaiser) voller Aufopferungsfähigkeit und Ehrlichkeit und der Bereitwilligkeit, ihre Interessen zur Erfüllung auch der scheinbar unwichtigsten Pflichten hintenan zu setzen , zu existiren vermag. Dieses Ehrbewusstsein soll nicht nur ein innerliches sein, sondern sich auch äufserlich durch würdevolles Benehmen kundgeben .
Dieses Gefühl
bewirkt auch Eigenliebe und Ehrgeiz , die aber auch, wie es häufig genug eintritt, in Selbstgefälligkeit und Ehrsucht ausarten , nur mit dem Unterschiede, dafs in der deutschen Armee äufsere Auszeichnungen nur der zu erlangen vermag, welcher sie auch verdient. Denn in Deutschland wacht man gegenseitig übereinander und dank dieser allgemeinen Kontrolle ist es schwer, einen Posten unverdientermaſsen längere Zeit hindurch zu bekleiden.
Selbstverständlich spielt auch in
Deutschland die Protektion eine grofse Rolle ; die Protektion ohne Kenntnisse, ohne Arbeit macht es dort aber nie allein , man kommt damit nicht vorwärts . Diejenigen Offiziere , welche sich stets vordrängen, werden mit Miſstrauen betrachtet und in ihren Bestrebungen gezügelt.
Als eins der Mittel, welches namentlich dazu dient, bei den
jungen Offizieren die Ehrbegriffe zu entwickeln und zu festigen , dient das Duell, worüber bereits das Nähere gesagt ist .
Seine erzieherische
Bedeutung besteht darin , dafs durch die Eventualität, sich ein Duell zuzuziehen, die jungen Leute darauf hingewiesen werden , über ihr Benehmen stets zu wachen. Lediglich aus diesem Grunde sind in
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Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps .
höheren Vorgesetzten geneigt, die Zweikämpfe milder zu betrachten, als es sonst dem Gesetz nach geschehen würde. Die Rauflust spielt bei dieser Neigung nur eine geringe Rolle. Im Gegenteil , da in Universitätsstädten häufig Anlässe zu Duellen zwischen Offizieren und Studenten vorkommen und es schwer ist, Händel zu vermeiden, so pflegen sich sogar ältere Offiziere nicht gerne dorthin versetzen zu lassen. Auf die Bestrebungen der deutschen Offiziere, ihre Ehre hoch zu halten, wirkt auch die stete Kontrolle durch die höchsten Behörden speziell das Militärkabinet - ein, welches über jeden. einzelnen Offizier die genauesten Informationen einzieht und darüber Listen führt. Sehr möglich übrigens , dafs die den deutschen Offizieren ein-
geimpften Ehrbegriffe , welche die Treue gegen den König der für das Vaterland voranstellen, im Verein mit der angeborenen Liebe zum Waffenhandwerk, dem Fehlen eines tiefen Gefühls für das Heimatsland und einer schwach entwickelten Religiosität, mit dazu beitragen, dafs die Offiziere, denen es bei ihrer eigenen Armee nicht glückt, gerne Kriegsdienst in anderen Staaten, so auch bei uns, nehmen, und dabei mitunter noch im Verbande der eigenen Armee bleiben, ja sogar in derselben weiter avanziren. Es giebt deutsche Offiziere, welche den Kriegsdienst ebenso leicht wechseln, wie man von einem Quartier in das andere zieht . Hier spielt offenbar ein Mangel an Vaterlandsliebe und eine in ihrer Art zwar hohe, aber in anderen Hinsichten ziemlich eigentümliche , man möchte sagen handwerksmässige , AufAuch die Regierung selbst fassung über die Ehre des Offiziers mit. teilt diese Anschauungen, obwohl sie andererseits strenge Bestimmungen dagegen erlassen hat, dafs im Falle eines Krieges ehemalige Angehörige der deutschen Armee, die in einem fremden Heere dienen , sich mit den Waffen in der Hand ihren eigenen Landsleuten entgegen stellen. Hierin liegt eine gewisse Zweideutigkeit und es kann daher ein solcher deutscher Kondottiere, so wenig er sich auch aus dem eigenen Lande machen mag , niemals aufrichtige Sympathie für die fremde Armee Den deutschen Offizieren wird ferner schon vor ihrer Befühlen. förderung eingeprägt, dafs die Armee nicht nur zum Schutz des Vaterlandes da ist, sondern einen Hauptmafsstab für seine Macht und die Sie beurteilen daher einzige Bürgschaft für seine Existenz bildet. auch alle anderen Staaten hauptsächlich nach ihrer militärischen Leistungsfähigkeit . Die Macht geht bei ihnen vor dem Recht. Natürlich findet etwas Ähnliches auch bei uns statt, nur mit dem Unterschiede, dafs wir uns diesen Fragen gegenüber vorsichtiger verhalten. In Deutschland aber huldigt man ganz entschieden dem Grundsatz, dafs es in der Politik neben dem Recht des Stärkeren kein anderes Recht giebt (?) .
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps.
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Zur Entwickelung und Erhaltung des moralischen Elements bei den Truppen wird grofses Gewicht auf die Verewigung des Gedächtnisses der Heerführer und der gefallenen Kameraden gelegt, deren Denkmale in verschiedener Form nicht nur auf den Hauptplätzen der Städte, sondern auch im Innern des Kasernements ihren Platz finden . Man pflanzt auch Gedenkbäume u . s. w. Die deutschen Offiziere sind in der Mehrheit
evangelischer Konfession ,
eifriger zur Kirche zu halten.
die Katholiken scheinen
Im Allgemeinen sind aber die Deutschen
wenig religiös, was schon aus der obligatorischen Zivilehe hervorgeht. Die evangelischen Geistlichen haben selbst den Wunsch ausgesprochen, von der allgemeinen Dienstpflicht nicht befreit zu werden. Die Offiziere gehen zur Kirche nur, wenn sie dazu kommandirt werden , und bei vielen Truppenteilen werden auch die Soldaten, anstatt sie Sonntags zum Gottesdienst zu führen, mit Reinigungsarbeiten und verschiedenen Besichtigungen beschäftigt.
(N.B. In Rufsland hat jeder selbstständige
Truppenteil seine Kirche und seinen Popen , sodafs die Soldaten alle Sonn- und Feiertage zur Kirche kommen . ) Vergleicht man die von den Militärgeistlichen abgehaltenen Andachten mit den unserigen, so zeigt es sich , dafs die Einwirkung, welche die Pastoren und die Priester auf die Soldaten ausüben, sich hauptsächlich auf die Predigten beschränkt. Dieselben werden mit lauter, häufig kreischender Stimme und rauher Betonung, mit starker Gestikulation und starker Mimik abgehalten ; es ist fast, als ob man nicht Prediger, Redner hört .
sondern antike
Von christlicher Demut und Liebe ist dabei wenig zu
spüren, die Rede wirkt vielmehr im Vergleich zu unseren Anrufungen Gottes zu energisch auf den Verstand des Menschen ein . Es werden bei den Feldgottesdiensten häufig frühere Schlachten in Erinnerung gebracht ,
so dafs die Predigt fast einer Erzählung aus der Kriegs-
geschichte gleicht. Die Predigten der Pastoren sind übrigens weniger im christlichen Geiste gehalten als die der katholischen Priester. Man verlangt von den deutschen Offizieren , daſs sie im Dienst stets gut angezogen erscheinen und auch hierin den Soldaten zum Beispiel dienen.
Die den Offizieren auferlegten Abzüge für die Be-
kleidungskasse erleichtern die Ausführung dieses Verlangens.
In der
Form der Kleidung hat man sich in den letzten Jahren zum Teil nach russischem Muster gerichtet.
Es bezieht sich das namentlich
auf das Tragen bezw. Nichttragen der Epauletten,
der hohen Stiefel
und der Kittel, desgl. auch auf die Farbe der Paletots und Mäntel. Über die einzelnen Abweichungen in der Form im Vergleich zur russischen Armee dürfen wir hier hinweggehen . Eine besondere Charakteristik der deutschen Uniformen und Uniformröcke bilden die sehr hohen Kragen, ferner die jetzt abgeschaffte (und in das Gegen-
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Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps.
Im Allgemeinen sind die. teil ausartende) Enge der Beinkleider. deutschen Uniformen sehr der Mode und dem Geschmack der Offiziere unterworfen, und die Vorgesetzten treten diesen dandyhaften Neigungen nicht entgegen. Man weifs kaum mehr, was vorschriftsmäfsig ist . So sind die himbeerfarbigen Abzeichen der Generalstabsoffiziere mitunter so hell, dafs man sie eher als rosa bezeichnen müfste. Um die Gestalt kräftiger erscheinen
zu
lassen , wird sehr viel Watte verbraucht.
Einige Offiziere tragen hohe Stiefel mit schrecklich engen Schäften und fast ohne Absätze. Die Stabsoffiziere gefallen sich in Achselstücken, die fast ebenso breit sind als die der Generale. An Mützen giebt es die verschiedensten vorschriftswidrigen Formen mit besonderer Benennung. Die Schirme daran sind so klein , dafs sie die Augen. nicht schützen und nur dazu dienen , das Abnehmen der Mützen zu Bei den Offizieren der deutschen Armee wird stark erleichtern . Bedacht auf Abhärtung des Körpers und Beförderung der Ausdauer genommen , wozu ein regelmäfsiges Leben, viel Aufenthalt in freier Luft und verschiedene physische Übungen , Reiten , Gymnastik, Fechten, Schiefsen, Schwimmen, die Parforcejagd und Spiele aller Art , namentlich Es wird auch bei Kälte viel im Freien exerzirt, Kegel, beitragen. während des Tages sind in den Kasernen die Fenster geöffnet, und auch auf der Strafse gehen die Offiziere im Winter, wenigstens äufserlich, leicht angezogen . (N.B. Die russischen Offiziere sieht man auch im Sommer häufig in Paletots oder Mänteln , die im Winter mit Pelz gefüttert sind . ) Diese Abhärtung der Offiziere bedingt auch ihre Dienstfähigkeit, stärkt ihr Nervensystem , ihre Willenskraft und dient Es bezieht sich das auch den Mannschaften zum guten Beispiele. Gerühmte gleichmäfsig auf die Garde, auf die Armee, auf arm und reich. Man darf darin aber nichts Besonderes sehen , denn Dank ihrer vernünftigen Lebensweise und ihrer guten Ernährung, dem starken Weinverbrauch u . s . w. , sind die deutschen Offiziere selten blutarm und daher nicht besonders empfindlich gegen die Einwirkungen der Kälte. Ausserdem ist ihre Abhärtung nur den klimatischen Bedingungen und der Lebensweise in Deutschland angepasst.
Es fragt sich z. B.
sehr, ob sie sich in rauheren Klimaten und bei schlechteren Wegen mit dem Tragen dickerer Paletots und schwererer Stiefel ebenso leicht Überdies tragen abfinden würden , als zu Hause auf dem Asphalt. fast alle Unterhemden und die meisten sogar gestrickte Unterbeinkleider. Hierin liegt doch wohl eine Verweichlichung. Als eine solche ist auch der übermäfsige Durst der deutschen Offiziere anzusehen, den Es spricht das zwar sie mit Strömen von Bier zu löschen pflegen. auch für einen guten Magen , andererseits dürfen wir diesem übermäfsigen Bedürfnifs nach Flüssigkeiten auch die bei der deutschen
Ein russisches Urteil über das deutsche Offizierkorps .
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Armee vorkommenden vielen Fälle von Hitzschlag zuschreiben,
der
dann eintritt, wenn bei langen anstrengenden Märschen im Sommer Bier nicht zu erlangen ist. Der Dienst der deutschen Offiziere, speziell der jüngeren , hat sich in neuerer Zeit sehr vermehrt, besonders im Winter, wo das Tagewerk des Morgens um 8, bei den Rekruten um 7 Uhr, beginnt und Nachmittags bis 5 und 6 Uhr, mitunter noch länger dauert.
Letzteres
namentlich bei der Kavallerie , damit möglichst viele Abteilungen in der Bahn reiten können. Im Sommer wird noch früher aufgestanden, und es kommt bei der Infanterie die Ausbildung der eingezogenen . Reserve- und Landwehrleute hinzu . Wie bereits erwähnt , sind die deutschen Offiziere mit sehr guten Pferden beritten ; selbst bei den Fufstruppen kann man sie elegant nennen. Sogar die Infanterieoffiziere werden im Reiten gut ausgebildet, und man sieht nie lächerliche Erscheinungen zu Pferde. Obligatorische Rennen giebt es bei der deutschen Armee nicht, dagegen werden freiwillige Rennen auf eigenen oder Chargenpferden bei allen Kavallerieregimentern und auch bei der Artillerie unter grofser Beteiligung der Offiziere vorgenommen .
Schon allein der Um-
stand, dafs obligatorische Rennen, wie sie bei der russischen Armee für die gesammte Kavallerie und reitenden Artillerie seit Jahren im Gebrauch sind , nicht als nötig angesehen werden , spricht dafür , dafs die Vorgesetzten ihren Offizieren hinlängliche Neigung zum Sport zutrauen. Zur Ausübung desselben sind vielfache Gelegenheiten vorhanden , so in Berlin bei den königlichen Parforcejagden, in Hannover bei der Reitschule, bei öffentlichen Rennen u . s . w. Viele Offizierkorps thun sich mit den Besitzern der Umgegend zu Reitervereinen zusammen . Die Kavallerie - Generale , so z. B. von Versen und von Rosenberg, gehen hierin mit dem besten Beispiel voran und reiten sogar Jagden auf ungesattelten Pferden. Distanzritte führen die Offiziere selten (?)
und stets freiwillig,
nur aus Liebe zur Sache und zur Ergründung der Leistungsfähigkeit des Materials , aus. Distanzritte von Mannschaften finden garnicht statt, da der Dienst im Winter und Sommer vollständig dazu genügt, die Leistungsfähigkeit der Pferde zu entwickeln .
(N.B. Der Autor geht
nunmehr auf einzelne Distanzritte, so z . B. den von Berlin nach Wien , näher ein und spricht sich mifsbilligend über die Überanstrengung der Pferde aus.) Im Allgemeinen darf man sagen, dafs mit Ausnahme der Distanzritte der Reitsport bei den deutschen Offizieren stark entwickelt ist und gute Früchte trägt.
Übrigens ist die Neigung dazu in den
süddeutschen Staaten geringer als in Norddeutschland vorhanden . Die Infanterieoffiziere u . s . w. erhalten Reitunterricht schon auf den Kriegs-
Gustav Adolf II. als Krieger .
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schulen und aufserdem bei den Regimentern durch Kavallerieoffiziere . Gute Reiter findet man namentlich bei der auch wertvollere Pferde besitzenden Garde-Infanterie.
Auf den Kriegsakademien wird Reit-
unterricht nicht erteilt, es ist das auch nicht nötig, da alle Besucher schon vorher solchen erhalten haben . Die Generalstabsoffiziere üben sich, wenn sie nicht frühere Kavalleristen oder Artilleristen sind , selbstständig im Reiten und halten ihre Pferde stets auch präsent. Der Nichtbesitz von Pferden würde für sie ebenso viel bedeuten , als wenn 35. sie keine Uniform bereit hätten.
IV. Gustav Adolf II. als Krieger.
Als der Schneekönig , „ der neue kleine Feind " , wie Kaiser Ferdinand ihn nannte, am 17. Juni 1630 von Schweden absegelte, um in Deutschland an dem Kampfe gegen die katholische Reaktion teilzunehmen, hatte er ca. 13 000 Mann mit sich an Bord der Transportschiffe das war die ganze Stärke, die er besafs , um die Bewerkstelligung seiner grofsen Pläne zu beginnen.
Zwar wuchs sein Heer
noch im Laufe des Krieges bedeutend, im Vergleich zu Tilly's Schaaren blieb es aber fortfahrend der kleine Haufen ". War er aber in der Gröfse unterlegen , so zeigte sich bald, daſs es nur dieser Umstand war , in dem Tilly dem schwedischen Heere überlegen war. Der kleine Haufen " war völlig disziplinirt und von dem Geiste seines Führers durchdrungen - er teilte dessen religiöse Begeisterung und glühende Vaterlandsliebe, er hatte schon viele Siege unter dem Kommando Gustav Adolf's gewonnen und kannte keine Niederlage.
Er vertraute auf seinen König und Feldherrn und war
davon überzeugt, dafs sich keiner seiner Gegner mit ihm messen könne. So besals das Heer schon bei seiner Landung das Zeug zur Unüberwindlichkeit, das es zu einer der bemerkenswertesten Erscheinungen des dreifsigjährigen Krieges machte. Das Heer Gustav Adolf's war zu seiner Aufgabe gründlich vorbereitet worden. Es ist eines der Kennzeichen des Feldherrn von Gottes Gnaden, dafs er Heerwesen und Heerführung auf dem Wege der Entwickelung vorwärts bringt, und Gustav Adolf hatte in seinem Heer auf allen Gebieten diejenigen Verbesserungen durchgeführt , zu
Gustav Adolf II. als Krieger.
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denen teils er selbst, teils Andere den Anstofs gegeben. Er bewaffnete seine Pikeniere mit leichten Lanzen, führte für seine Musketiere ein leichteres Gewehr ein und änderte die beschwerliche Ladungsmethode, indem er Pulverhorn und Kugelbeutel abschaffte und Papierpatronen ein Fortschritt , der ungefähr mit dem Übergang vom einführte Vorderlader zum Hinterlader zu vergleichen ist. Auf Grundlage des taktischen Systems Moritz von Oraniens entwickelte Gustav Adolf die Taktik seiner Infanterie zur höchsten Vollkommenheit seiner Zeit . Bekannt ist die sog. schwedische Brigade , die aus 3 Vierfähnlein bestand (ein Fähnlein = 100 bis 150 Mann, so daſs ein Vierfähnlein fast einem Bataillon entspricht). gade wurde in Schlachtordnung so aufgestellt :
Diese Bri-
Die Musketiere in drei Gliedern zur Feuergebung anf beiden Seiten der Pikeniere, die mit gefällten Lanzen in die feindliche Linie brechen sollten , wenn die Musketiere von rückwärts einfielen . Die Rolle, die wärend des dreifsigjährigen Krieges die Kavallerie spielte, war zu einem grofsen Teil das Ergebnifs der Verbesserungen Gustav Adolf's.
Wie alle grofsen Feldherrn sah er die wahre Natur
dieser Waffe ein : Angriff in vollem Galopp mit der blanken Waffe im Gegensatz zu der üblichen Taktik, die darin bestand, still zu halten und vom Pferde aus zu feuern . Das gröfste Verdienst erwarb sich Gustav Adolf durch die Entwickelung der Artillerie. Er brachte ein System zuwege und teilte seine Artillerie in schwere und leichte. Von seinen Obersten Siegroth und Hamilton unterstützt , führte er die sog. Regimentskanonen ein, die zum grofsen Teil dazu beitrugen, ihm den Sieg zu verschaffen . Berühmt sind seine „ Lederkanonen " , 1627 vom Oberst Wurmbrandt erfunden. Sie konnten von zwei Mann gezogen werden und in Folge der fertigen Ladungen " , die gleichfalls von Gustav Adolf eingeführt worden, konnte mit ihnen schnell gefeuert werden. Auch auf dem Gebiete des Verpflegungswesens finden wir Gustav Adolf als Reformator, indem er feste Bestimmungen für den Unterhalt der Truppen etc. einführte. dernen Grundsätzen .
In diesem Falle huldigte er völlig mo-
Hinsichtlich der Disziplin befolgte man in der schwedischen Armee ein ganz anderes System als in der kaiserlichen, und trotzdem wurde. 6 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96, 1.
Gustav Adolf II. als Krieger.
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die Kriegszucht in der strengsten Weise aufrecht erhalten . Die Kriegsartikel , die 1621 erschienen , stellen Gustav Adolf auf gleiche Höhe mit den ersten militärischen Gesetzgebern jener Zeit. Er hebt besonders das moralische Moment hervor und betont, dafs der Beruf des Kriegers ein Ehrenberuf sei, weshalb man ihn auch als einen solchen, der Ehre wert sei , behandeln und ihn nicht durch erniedrigende Strafen kränken solle, wenn er nicht durch schändende Handlungen solche verdient " . (N.B. In Österreich war die Prügelstrafe 1866 noch nicht abgeschafft .) Solcherart war in Kürze das Heer, das am 26. Juni 1630 an der nördlichsten Stelle Usedoms an Land stieg. Der König selbst , sowie die Brüder Nils und Joachim Brahe waren die ersten , die den Fufs auf's Land setzten.
Wie immer, wenn Gustav Adolf im Begriff stand , ein
Unternehmen zu beginnen, warf er sich auch hier auf die Knie und rief Gott um Beistand im Kampfe gegen die Feinde der Kirche an. „ Ich kenne blofs eine Art der Kriegführung" sagte Napoleon, Stets über„ ,5 Meilen zu marschiren , zu schlagen und zu ruhen. “ legene Massen an den entscheidenden Punkten zu haben , um sich den Sieg zu sichern , darin bestand Napoleon's und später Moltke's Die Strategie dieser beiden Koryphäen hatte daher streng Kunst. genommen nur den einen Pol : die Schlacht, von deren Ausgang das Schicksal des Feldzuges abhängt . Dies haben alle grofsen Feldherren eingesehen, aber nicht alle waren in der Lage, die Strategie des Schlagens zu befolgen. Die Heere der alten Zeit waren schwer zu Eine schaffen, kostspielig im Unterhalt und schwer zu verpflegen. Niederlage führte nicht nur eine moralische Erschlaffung herbei, häufig konnte sie auch mit völliger Auflösung des Heeres gleichbedeutend sein, da Verluste nur schwer zu ersetzen waren . Die Folge war, dafs die Kriegführung nicht nach dem gleichen Prinzip wie in der Neuzeit erfolgen konnte, man mufste, mit anderen Worten, die Schlacht vermeiden , wenn sich ein anderes Mittel bot, das Ziel zu erreichen. Und diese Mittel suchte man im Manöveriren, Besetzung wichtiger Provinzen, Eroberung von Magazinen u . s . w. , so dafs die Strategie jener Zeit gewissermassen zwei Pole : Schlacht und Manöver, besafs. Dies System war dasjenige Gustav Adolf's und später Friedrich des Grofsen , unter welch letzterem es seine höchste Vollendung erreichte. Das System hat den Hauptfehler , dafs es den selbstständig gestellten Generälen eine aufserordentliche Verantwortung auferlegt. Die Versuchung liegt nahe , der Schlacht aus dem Wege zu gehen , wenn nicht ein direkter Befehl vorliegt, und je schwächer die Natur ist, je gröfser ist die Unlust , die Waffen entscheiden zu lassen, weil
Gustav Adolf II. als Krieger.
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die schwache Natur vor der mit dem Entschlusse zum Kampf verbundenen Verantwortung zurückweicht , während andererseits starke Charaktere ganz natürlich zum andern Pol des Systems : der Schlacht, neigen. In der Handhabung des Systems durch Gustav Adolf findet man gleichzeitig einen Kunktator (Zauderer) und einen Napoleon. Schon während des dänischen Krieges als ganz junger Feldherr verstand Gustav Adolf zu warten und den passenden Augenblick abzuwarten, um sich dann plötzlich mit aller Kraft auf seinen Gegner zu werfen, wenn alle Chancen günstig waren. Gustav Adolf huldigte dem damals noch ungeborenen Wort Moltke's : Erst wägen, dann wagen. Wir sehen ihn Ende Juni 1630 auf Usedom landen und, ohne sich um den in der Nähe, bei Wolgast, stehenden kaiserlichen Feldherrn, Torquato Conti, zu kümmern , eifrig bemüht, sich für seine künftigen Operationen günstige Ausgangspunkte zu schaffen. Er eroberte Stettin und dehnte von dort allmählich seine Herrschaft über eine Menge anderer Stellen in Pommern und später in Mecklenburg aus, um sich einen genügend grofsen Küstenstrich für Verschiffungen zu sichern. Der gefährlichste Gegner Gustav Adolf's war Tilly. Ein Feldherr der Neuzeit würde es sich zur Aufgabe gestellt haben , seine Hauptstärke gegen Tilly zu konzentriren , um ihn zu schlagen - wo er ihn auch fände.
Das Heer Gustav Adolf's war aber zu klein ,
solche Aufgabe zu lösen .
um eine
Für ihn galt es bis auf Weiteres , Tilly
daran zu hindern, von der Elblinie gegen die Oderlinie zu rücken und ihn in seinen Bewegungen zu stören. Als er daher zu wissen bekommt, dafs Tilly im Begriff steht, gegen die Oder vorzurücken, fällt er augenblicklich in Mecklenburg ein ―― blofs Gustav Horn mit ca. 7000 Mann bei Soldin zurücklassend , um sich des stark befestigten Demmin zu bemächtigen , und dadurch Tilly zur Entsetzung der kaiserlichen Garnisonen zu bewegen. Während des ganzen Jahres 1631 bis zur Schlacht bei Breitenfeld manöverirt Gustav Adolf systematisch und vorsichtig und nimmt Tilly jede Aussicht zu einem entscheidenden Kampf. Erst am 17. September 1631 standen die beiden Heere bei Breitenfeld einander gegenüber, und nun war es Gustav Adolf, der die Schlacht wünschte, bevor Tilly seine von Süddeutschland erwarteten Verstärkungen erhielt. Die Schlacht von Breitenfeld, die die Schweden
allein auszu-
kämpfen hatten, da sie von den Sachsen im Stiche gelassen worden, war für Deutschland, was Naseby durch Cromwell's That für England . wurde. Naseby war der Sieg der disziplinirenden Intelligenz über ungeordnete Tapferkeit, Breitenfeld war der Sieg der disziplinirenden Intelligenz über die steife Routine der spanischen Kriegskunst. 6*
Tilly
Soldatenleben im 30jährigen Kriege.
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hatte durch die überlegene Anzahl seiner Veteranen solche Abenteurer wie Mansfeld und Christian von Braunschweig vernichtet, ebenso wie die wiedererstandene katholische Disziplin die kämpfenden Theologen , die an Luther's und Melanchthon's Stelle getreten waren, niederwarf. Nun aber trat Gustav Adolf mit seinem Heere hervor und zeigte der Welt, dafs Ordnung und Gehorsam nur schwach sind, wenn sie nicht von einer persönlichen Intelligenz gestützt würden . Von diesem Gesichtspunkt aus mufs die Bedeutung Gustav Adolf's als Feldherrn betrachtet werden . Bei Breitenfeld war Tilly's Rolle ausgespielt - das System, dem er huldigte, war unmöglich , und er hatte nichts anderes zu thun, wie mit ihm unterzugehen . M. (Nach „ Göteborgs Handelstidning. ")
V.
Soldatenleben im 30jährigen Kriege. Von J. Baumann, Hauptmann.
1. Die Werbung. Der Feldherr der Liga, der bisher unbesiegte Tilly, war dem Schwedenkönig bei Breitenfeld unterlegen. Gustav Adolf zog ungehindert nach Bayern. In der äufsersten Bedrängnifs wandte sich der Kaiser wieder an Wallenstein , welchen er, den gerechten Forderungen der Fürsten folgend, einige Jahre vorher vom Oberkommando hatte entDoch der Friedländer, anmafsenden und hochfahrenden Sinnes wie kein Zweiter seiner Zeit, liefs sich erst dann herbei , ein Heer zu werben, als ihm der argbedrängte Kaiser die demütigsten
heben müssen.
Mit Machtbefugnissen ausgestattet, die bisher unerhört gewesen, übernahm er ohne jede Einschränkung den Oberbefehl über die kaiserliche Armada. 27 Nicht einmal neben Gott, geschweige denn neben dem König von Ungarn, des Kaisers Sohn , hätte er das Oberkommando übernommen . "
Zugeständnisse gemacht hatte .
Nun begann im Januar 1632 die Werbung in des Kaisers Erblanden, denn innerhalb dreier Monate wollte Wallenstein dem Kaiser ein Heer von 50 000 Mann aufstellen . Das war für die damalige Zeit ein ungeheures Versprechen ; alle Welt hatte aber auch die Gewissheit,
Soldatenleben im 30jährigen Kriege.
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dafs es ein Friedländer und nur der allein, einlösen könnte .
Schnell
sammelten sich um Wallenstein Offiziere, Oberste und Hauptleute , die schon früher unter ihm gedient und sich seit dem Regensburger Reichstage zurückgezogen hatten, um auf bessere Tage zu warten, Offiziere , denen unter des Kaisers Fahnen kein Glück gelächelt, Unzufriedene und bei Beförderung Übergangene, Abenteurer und Waghälse, Offiziere, die ihre bisherigen Ersparnisse auf einen Wurf setzen wollten. An diese verteilte der Friedländer seine Werbebriefe, in denen die Vollmachten verzeichnet standen, Regimenter und Fähnleins zu werben . Wallenstein munterte die Vermöglichen unter diesen Offizieren auf, das Ihrige daran zu geben , denn es würde hundertfältig ersetzt werden. In der That verkauften Viele ihre Landgüter und die fahrende Habe , um das Kapital in Soldaten anzulegen, den Unbemittelten aber streckte der Herzog selber aus seinen Schätzen grofse Summen vor. Es entfaltete sich nun das buntbewegte Treiben der Werbung in allen Landschaften des kaiserlichen Staates : in Ober- und Unterösterreich, in Schlesien, in Ungarn, in Mähren, in Steiermark, in Kärnthen und Krain . Das reichte aber noch lange nicht. Terzky, des Herzogs reicher Schwager, ging nach Polen und warb Kasaken, . Graf Merode holte in Flandern Wallonen , Oberst Isolani in Ungarn Kroaten. Man warb am Niederrhein , in Westfalen , Lothringen und Italien. Andere brachten Dalmatiner , Walachen und venetianische Gegen alle Offiziere , die sich mit der Werbung begegen seine Gewohnheit freundlich und freiWallenstein faſsten , war gebig in Ehrenbezeigungen und Beförderungen. Dadurch wurden sie leichte Reiter.
Sie hatten auch unter keinem anderen Oberfeldherrn Aussicht, das eingesetzte Vermögen mit den erwarteten Lieber unter Wallenstein die hohen Zinsen zurück zu erhalten . Pike tragen, als auf die bisherige Weise Oberst sein " , äusserte ein unlöslich an ihn gekettet.
höherer Offizier. Die Heere der damaligen Zeit waren teuer.
Die Kosten eines
Regiments zu Fufs von 3000 Mann berechnete ein Zeitgenosse (J. v. Wallhausen, Kriegskunst zu Fufs 1615) auf mindestens 2 Millionen Mark nach unserem Gelde. Für ein Heer von 50 000 Mann reichten selbst das Vermögen eines Friedländers und die grofsen Einsätze seiner Obersten nicht aus. Man erhob darum in allen Erblanden und von allen Ständen aufserordentliche Steuern.
Von den Gutsherrn und
Pfarrern, Doktoren und Kaufleuten, Advokaten , Bürgern und Handwerkern wurde
eine entsprechende
Schätzung
eingefordert.
Selbst
Bauernknechte, Taglöhner und Mägde mufsten je 15 Kreuzer beitragen . Auch der Adel und die Bischöfe steuerten bei. Man wendete sich ferner an das befreundete Spanien, hier jedoch mit mässigen Erfolgen.
an Venedig und an den Papst,
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Soldatenleben im 30jährigen Kriege.
Rasch verbreitete sich die Nachricht von Wallenstein's Werbung und es wimmelte auf allen Heerstrafsen von buntem Volke. Einzeln , in Haufen und in ganzen Zügen kamen die Werbelustigen und zogen der Trommel zu. Da sah man heruntergekommene Männer, denen das tägliche Brot fehlte, in vertragenen fadenscheinigen Wämsern , Schnapphähne, die sich bisher herrenlos und arbeitsscheu herumgetrieben hatten, rauflustige und beutegierige Kumpane, ferner Ausreiſser von anderen Heeren , die unter des Friedländers Fahnen ein ungebundenes Leben erwarteten . Reiter zogen heran, Waffenstücke und Rüstungen am Pferde, denn ein Jeder hatte für Montur und Waffen selber aufzukommen,
Fufsleute mit der langen Pike und einzelnen
Harnischteilen, junge Bursche, denen der erste Flaum am Kinne sprofste, und alte, verwegene, wetterharte Veteranen , deren Narben an lange Kriegsgewöhnung erinnerten. Bauern kamen, die in Säcken auf dem Rücken die wenigen Vorräte trugen, Schüler, Studenten und durch den langen Krieg verarmte Bürger, Leute aller Nationen und Zungen. Sie alle hofften auf die Fahnen und das Glück des Friedländers , dessen Freigebigkeit bekannt war.
und Glückstern in ganz Deutschland
Bei der Anwerbung war man nichts weniger als wählerisch .
Man nahm Jeden, der einen gesunden Leib und eine kräftige Faust sein nannte. Schwächliche , sagte Wallenstein, werden bald von selbst darauf gehen. Man frug auch nicht nach Glauben, Stand und Vaterland, wie es auch dem Soldaten ganz gleichgilitig war, ob er gegen den Papst oder den Schwedenkönig fechten sollte. Aber einen unbedingten Gehorsam verlangte der Herzog, das wufste Jeder, und wer dagegen fehlte, hatte rücksichtslose Strafe zu gewärtigen. Dagegen gab es aufserhalb des knechtenden Dienstes eine Ungebundenheit , wie in keinem anderen Heere ; die Unterführer durften sich kühn über die höchsten Diener des Kaisers hinwegsetzen. Die Abenteurer lockte der Reiz des Vagabundenlebens, den Gewaltsamen die verlockende Aussicht, Bürger und Bauern schinden zu können, den Habgierigen köderte die sichere Hoffnung auf Plünderung und die voraussichtliche Zuweisung fremden Eigentums, den Lüsternen aber der weibliche Trofs , denn eine ungezählte Menge von Huren folgte dem Heere. Alle die Angeworbenen fanden ein Unterkommen und das tägliche Brot, woran es in der damaligen Zeit Hunderttausenden gebrach. An den Orten, wo die Werber aufzogen, entfaltete sich ein ungewohntes Leben und Treiben. Ein Vertrauensmann des Hauptmannes, welcher ein Fähnlein werben wollte, zog mit handfesten, erprobten Leuten unter Trommelschlag durch die Ortschaft und verlas den Werbebrief, welcher die Vollmacht enthielt, im Lande zu werben, an-
Soldatenleben im 30jährigen Kriege.
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zunehmen und umzuschlagen. Haufen von Neugierigen, Alt und Jung, umstanden den Kriegsmann, der sich weidlich Mühe gab, klar zu machen , für wen das Fähnlein geworben würde und was er den Geworbenen zu geben bereit sei . Auf dem Marktplatz oder besser auf der Stadtwiese wurden Buden aufgeschlagen und Tische aufgestellt , an denen sich die Werber niederliefsen. Rasch füllten sich die Listen , denn Viele hatten schon seit Langem auf die Gelegenheit der Werbung gedas Lauf- oder Andere lockten die blanken Goldgulden , Werbegeld " , das gewöhnlich vom Sold abgerechnet, später aber auch ohne Rückerstattung geboten wurde. Wieder Andere kamen in Schaaren auf der Strafse herangezogen , denn in entlegenen Winkeln hatte sie
wartet.
die Kunde erreicht , dafs Wallenstein dem Kaiser ein grofses Heer werben wollte. Jubelnd brachen sie durch die gaffende Menge und nahmen die glänzenden Thaler. Bald begann auf dem Laufplatze ein buntbewegtes Treiben , denn eine Reihe von Schenkbuden war rasch entstanden, um den freigebigen Rekruten Bier und Wein zu zapfen und der vielköpfigen Menge in dampfenden Kesseln einen Imbifs zu bieten. Man wufste, dafs die Neugeworbenen das Geld in der Tasche nicht zu sparen pflegten. Da gab es die verschiedenartigsten Gruppen . Die Einen zechten bereits in ausgelassenster Laune ; Andere scherzten mit den aufschreienden. Bürgermädchen ,
die neugierig herangekommen waren,
das fremde
Treiben zu beschauen ; wieder Andere horchten mit hängenden Köpfen den wohlgemeinten Lehren weinender Eltern und Geschwister ; dort handelte man um ein Wams und blankgeputzte Waffenstücke, und in einer Ecke suchte man Unschlüssige mit einer Flut von Beredsamkeit für die Werbung zu gewinnen. Manchem geriebenen Kunden war auch das Handgeld zu gering, und galt es, einen flotten, kräftigen Bengel zu gewinnen, so liefs man sich langes Verhandeln nicht gereuen. Einem guten Fufsknechte bot man bis zu 25 Thaler . Da waren viele unter den Geworbenen, welche bessere Tage gesehen , und verarmte Adelige, die aus fremder Gegend herangekommen waren, nahmen schweigend das Handgeld. Manch offenkundiger Taugenichts sagte mit schlauem Blinzeln seinen Namen ; leicht erriet es der Schreiber, dafs sich der lockere Vogel wohl nur das Laufgeld holen wollte, um bei erster Gelegenheit in den Büschen zu verschwinden ; doch zunächst galt es, die Listen voll zu machen . Man rechnete auch auf Ausreifser, die von den naheliegenden feindlichen Heeren heranliefen, auch Zugang So aus den Lagern der Bundesgenossen war sicher zu erwarten . brachte noch in vorgerückter Stunde ein Werbebruder triumphirend einen Haufen erprobter Kriegsleute in voller Wehr, die er dem „ Alten “ , wie sie Tilly nannten, weggekapert hatte. Zu diesem einträglichen
88
Soldatenleben im 30jährigen Kriege.
Privatgeschäftchen hatte er sich schon vor Wochen auf die Beine gemacht. Die Neugekommenen hatten wohl schon früher unter dem Friedländer gestanden . Leicht hatten sie sich zum Fahnenwechsel überreden lassen, denn es diente sich lustiger unter dem freigebigen Wallenstein, als beim stillen und kargen Tilly . Da die Listen nicht voll zu werden schienen, griffen die schlauen Werber zu manch anderem, oft erprobten Mittel. Sie setzten sich in den Schenken zu den Burschen und zahlten freigebig Bier und Wein , Dann brachten sie bis den Ahnungslosen die Zunge schwer wurde. Wer Bescheid that, den begrüfste die Gesundheit des Kaisers aus . man triumphirend als des Kaisers Rekruten , wer sich aber, die Folgen ahnend zurückhielt, der war ein Rebelle , und nahm er nicht willig Handgeld, so führten ihn ein Paar handfeste Leute in Gewahrsam, wo er dann in Eisen kleinlaut gerne seine Einwilligung gab . Manchem einfältigen Bauernjungen, der sich das tolle Treiben mit ansah , setzten die Werber einen Soldatenhut auf und machten ihm klar, dafs er nunmehr Soldat sei und nicht mehr zurück könne. Ja, man ging noch weiter. Man drang in die Häuser, wo die Furchtsamen und Ängstlichen zurückgeblieben waren , legte Geld und einen Strick auf den Tisch und rief: Entweder Soldat oder aufgehängt !" Da fügten sich Viele der rohen Gewalt. Auch aus den Städten brachten die Helfer herrenloses Gesindel, das sie aufgegriffen hatten und nun mit Gewalt unter die Fahnen steckten.
War die Nacht hereingebrochen, erreichte die tolle Ausgelassenheit den Gipfelpunkt , denn keine Zucht und kein Gesetz band noch die Rekruten. Viele jubelten, weil es bei der Werbung alter Brauch war, Andere, um zu vergessen, dafs sie für einige Thaler ihre Freiheit verkauft ; selbst Jene, denen man Gewalt angethan, stimmten schliesslich mit ein, denn zu ändern war doch nichts mehr, es galt die neuen Verhältnisse am vorteilhaftesten zu nehmen. Es war ja eine Zeit, wo Alles in Trümmer ging. Da auch die Bürger und Bauern auf dem Laufplatze mit den Soldaten zechten, machten sich Schnapphähne die leer stehenden Häuser zu nutzen und holten sich daraus manchen Gewinn. Ein Werbeplatz wurde für jeden Ort ein Schrecken . Schon auf den Strafsen , welche zum Werbeplatze führten, war Niemand sicher vor den groben und ausgelassenen Gesellen . Niemand von den Zuziehenden kehrte sich an das Gebot, keine Gewalt zu gebrauchen und höchstens in 10 Mann starken Gruppen beisammen zu bleiben. Schon unterwegs ward in den anliegenden Dörfern manch Goldstück erprefst und mancher Geldkasten erbrochen. Die Neugeworbenen wurden, sobald die Fähnlein voll waren, den Bürgern und Bauern in's Quartier gelegt. Das war eine arge Last ,
Ein Husarenstreich aus dem Feldzuge 1807.
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denn die Übermütigen schalteten dort als Herren, nahmen, was ihnen gut dünkte, und verdarben in ihrer Laune nicht selten, was sie nicht verwenden konnten.
Es gab freilich Gesetze, welche die Einwohner
schützen sollten, solche Ungebühr untersagten und Übertritte zu ahnden versprachen. Wer sollte aber klagen und wohin sollte man sich wenden? Es war eine rechtlose Zeit und ein Menschenleben galt wenig. War ein Fähnlein geworben , so zogen die geworbenen Haufen zum Musterplatze, der weit entlegen sein konnte . Dort verhandelte man von Neuem über den Sold, die Artikelbriefe wurden verlesen und die Rekruten vereidigt.
Die Artikelbriefe enthielten die Vorschriften
und die Verhaltungsmafsregeln für die Soldaten . In denselben wurde ihnen anbefohlen, einen ehrbaren Lebenswandel zu führen, dem Gottesdienste beizuwohnen, sich vor Völlerei zu bewahren und den gemeinen Freilich in der Mann nicht zu berauben und zu vergewaltigen. Wirklichkeit kehrte man sich wenig an die Befolgung dieser alten von den Landsknechten übernommenen Heeresvorschriften. Die Feldherren mussten wohl ein Auge zudrücken , und nur ,
wenn die Un-
gesetzlichkeit überhand nahm, wurden Exempel statuirt. Auf dem Musterplatze stellte man die Fähnleins in Regimenter zusammen. Wer ein Regiment zum Heere brachte , erhielt von Wallenstein eine besondere „Verehrung" und drei Monatssolde im Voraus. (Fortsetzung folgt.)
VI . Ein Husarenstreich aus dem Feldzuge 1807 .
Wenngleich die Erinnerung an den Felzug 1806/7 eine ungemein schmerzliche für die preufsische Waffenehre ist, so fehlt es doch selbst in diesem unglücklichsten aller Feldzüge des preufsischen Heeres nicht an Zügen wahrhaft heldenmütigen Verhaltens, von welchen man um so lieber Kenntnifs nimmt, als sie den Beweis liefern, daſs der Geist, welcher Preuſsens Krieger in fridericianischer Zeit beseelte, auch nach dem Tode des Grofsen Königs im Heere noch keineswegs. erloschen war. Dies gilt besonders von seinen Husaren . Nach dem Gefecht von Braunsberg am 26. Februar 1807 hatte General von Plötz mit seinem Detachement, zu welchem das Regiment Schwarze Husaren gehörte, gedrängt von französischen weit über-
Ein Husarenstreich aus dem Feldzuge 1807.
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legenen Streitkräften , den Rückmarsch von Braunsberg auf Heiligenbeil antreten müssen . Sein Verlust war bedeutend, auch 6 Geschütze waren verloren gegangen.
Zu einer besonders schneidigen That
fand nach dem Gefecht Unteroffizier Giese Gelegenheit.
Erst kürzlich
wegen seines bisherigen tapfern Verhaltens zu dieser Charge befördert, und auch mit der silbernen Verdienst-Medaille schon ausgezeichnet, war er am Morgen des 26. Februar mit 20 Husaren von Braunsberg gegen Elbing auf Kundschaft gesandt worden . Gegen Abend zurück kehrend, erfuhr er durch Landleute die Vorgänge des Tages : den Abzug der Preufsen aus Braunsberg und die Besetzung dieser Stadt durch die Franzosen . Um das Regiment wieder zu erreichen, gab es für Unteroffizier Giese nur den einen Weg über Braunsberg, denn der hohe Wasserstand und das Treibeis machten ein Überschreiten der Passarge an anderen Stellen, als auf Brücken, zur Zeit unmöglich. So reitet er denn, kurz entschlossen und mit den örtlichen Verhältnissen ziemlich vertraut, sowie von einem Schneegestöber begünstigt, gegen 5 Uhr Abends
mit
seinen
20 Husaren
nach
Braunsberg
hinein.
Unbemerkt und unbehindert gelangt er bis zur zweiten Brücke, obgleich überall französische Soldaten sich auf den Strafsen herumtreiben. Erst hier werden die preufsischen Todtenkopfreiter erkannt und beschossen. Nun fliegen aber auch die Husarensäbel aus den Scheiden und die Sporen den Pferden in die Rippen . Wer unsern Reitern in den Weg zu treten versucht, wird überritten oder niedergehauen ; und durch Giese's Beispiel angefeuert, der, obwohl angeschossen, den Seinen den Weg bahnt, hält die kleine Schaar im Marsch-Marsch nach dem Ausgange der Stadt hin zusammen. Vier Husaren, die mit ihren Pferden im Feuer stürzen, müssen zurückgelassen werden ; alle übrigen gewinnen glücklich die Strafse nach Heiligenbeil und freies Feld östlich der Passarge. Ihr Ziel ist damit jedoch noch nicht erreicht ; denn zwischen ihnen und dem Regiment stehen noch die feindlichen Vorposten . Geraden Wegs geht es auch auf diese los und ihnen in den Rücken. Eine Feldwache wird zusammen gehauen ; in dem Wäldchen am Einsiedel-Krug wird eine Abteilung französischer Kavallerie, die dabei ist,
zwei preufsische Bataillonsgeschütze nebst
Pulverwagen wegzuführen , überrascht ; sie wird verjagt, ihr die Beute abgenommen ; und thatsächlich trifft Unteroffizier Giese am späten Abend mit den ihm gebliebenen 16 Husaren und den zurückeroberten Geschützen glücklich beim Gros des Detachements Plötz in Heiligenbeil ein. Unteroffizier Giese erhielt für die mutige That das goldene Ehrenzeichen.
Und noch mehr.
Hans Wilhelm Giese, der Sohn
eines gemeinen Soldaten , hatte sich durch seinen Heldenmut das Recht erkämpft,
Offizier zu werden.
Seiner Majestät dem Könige als ein
Das Remonte-Pferd der russischen Armee.
91
Vorbild hingebungsvoller Tapferkeit und ungewöhnlicher Tüchtigkeit genannt und vorgestellt, wurde er am 9. Mai 1808 zum Junker ernannt. Zuletzt in der Stellung als Kommandeur der 6. KavallerieBrigade der Armee angehörend , ist Generalmajor v. Giese der letzte aktive Offizier gewesen, welchen die Rang- und Quartierliste unseres Heeres mit der goldenen Militär -Verdienstmedaille
dem ehemaligen
Orden pour le mérite des Mannschaftsstandes - ausgezeichnet, geführt hat. Wir entnehmen die Erzählung dieser schönen husarischen Waffenthat dem 1892 erschienenen trefflichen Werke : 17 Schwarze Husaren. Geschichte der Leib - Husaren - Regimenter" von Major Mackensen,
Schbg.
VII. Das Remonte - Pferd der russischen Armee.
Der Aufsatz des Generals Ssuchotin im „ Russ. Invaliden “ : „ Das Schlachtrofs der russischen Kavallerie " 1) hat von Seiten eines anderen russischen Reiterführers bereits eine
ernste Zurückweisung
erfahren 2). Generalmajor Ssuchomlinow, der Direktor der Petersburger Offizier- Kavallerie - Schule, tritt gegen seinen alten Gegner in allen kavalleristischen Fragen , den „ Professor " Ssuchotin, in einer so scharfen Weise auf, dafs eine Zurückweisung der chauvinistischen Ausfälle des Generals Ssuchotin unsererseits hätte unterbleiben können. Die sachlichen Ausführungen des Generals Ssuchomlinow bieten so viel des Interessanten, dafs wir uns nicht versagen können , deren Inhalt in Kurzem anzuführen. General Ssuchomlinow geht von der Anschauung aus , dafs die russische Armee es nicht zu scheuen brauche, ihre Mängel offen zu bekennen.
„ Der Geist des russischen Kriegers, der Ssewastopol mit dem
Feuerschlofsgewehr verteidigt hat, ist genügend bekannt ; ein von solchem Geiste beseelter Mensch aber, der seine schwachen Seiten erkennt, verbessert diese, wenn ihm die Zeit dazu gelassen wird ; tritt aber die Stunde der Prüfung früher ein, so wird er nur um so gröfsere แ Festigkeit zeigen . . . Auf die hämische Frage Ssuchotin's : „ Wann 1 ) Vergl. Juni-Heft der „ Jahrbücher" : „ Militärisches aus Rufsland“ . 2) Russ . Invalide" Nr. 85/1895 .
Das Remonte-Pferd der russischen Armee.
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haben denn eigentlich die Deutschen diesen Bucephalus geschaffen ? ", erwidert Ssuchomlinow: „ Sie haben diesen Bucephalus, d. h . ein gutes Pferd, eben dann geschaffen, als unsere Pferdezucht zu sinken begann. Die Geschichte des Steppenpferdes ist sehr einfach : es geht unter mit dem kulturellen Anwachsen der Bevölkerung ; die Steppe wird dem Ackerbau, der Schafzucht dienstbar gemacht , das Steppenpferd wird allmählich und überall durch das Kulturpferd verdrängt . Wo ist denn unser berühmtes Baschkiren-, wo das Kirgisenpferd ? Und was ist aus der Don-Pferdezucht geworden ? Würde General Ssuchotin sich die Mühe geben, das überreich vorhandene Material unserer „ Pferdekunde" einmal durchzusehen, so würde er sich überzeugen, dafs er für ein Pferd in die Schranken tritt , das garnicht mehr vorhanden ist ... Wie das Don-Pferd bereits unter Kaiser Nikolaus I. beschaffen war, kann man daraus ersehen, dafs dieser Monarch bei seiner Anwesenheit im Don-Gebiet und nach Besichtigung der Don- Regimenter, unter Hinweis auf das schlechte Pferdematerial, die Äufserung that: Das sind keine Kasakenpferde, das sind Bauernpferde . "
Seit jener
Zeit aber hat sich das Don- Steppenpferd noch mehr verschlechtert . . . Unter 30 000 Pferden, welche augenblicklich am Don vorhanden sind, vermögen unsere Remonteure nicht die erforderliche Zahl jährlicher Remonten für die Armee-Kavallerie herauszufinden . Wie aber ist erst der Pferdebestand der Don-Regimenter beschaffen ...?" Während Ssuchotin sich auf Peter den Grofsen beruft, der auf dem russischen Schlachtpferde die Dragoner-Reiterei geschaffen und mit dieser seine Gegner besiegt habe , beweist Ssuchomlinow, dafs gerade dieser Monarch es gewesen, welcher die Unzulänglichkeit des russischen Pferdes erkannt und durch Einrichtung von Gestüten die Hebung der Pferdezucht angestrebt habe.
Aber auch diese Gestütspferdezucht ist , wie bereits
ausgeführt worden ¹ ), seit 40 Jahren in ununterbrochenem Niedergange begriffen ; im Jahre 1893 betrug die Zahl der Gestütspferde in den südlichen Gouvernements ungefähr nur noch 1% der im Jahre 1854 vorhandenen Pferde, so dafs die Armee-Kavallerie im Jahre 1893 nur 10 % ihres Bedarfs aus Gestüten im Innern Rufslands decken konnte, während alle übrigen Gestütspferde zur Remontirung der GardeKavallerie genommen wurden. 90 % der Remonten der Armee-Kavallerie waren Steppenpferde , davon 69,4 % aus den Steppen des Don- Gebietes. Fragt man nach den Gründen des schnellen Sinkens der russischen Pferdezucht, so liegen diese einerseits in der wirtschaftlichen Krisis , in der seit der Bauernbefreiung stetig zunehmenden Ausbreitung des Ackerlandes , vor Allem aber in dem bis auf den heutigen Tag be-
1) Vergl. Juni-Heft der
Jahrbücher" : „ Militärisches aus Rufsland".
Das Remonte-Pferd der russischen Armee.
93
stehenden Remontirungs-System und der erst in den letzten Jahrzehnten erteilten Erlaubnifs, die Don-Steppen-Pferde in unbeschränkter Zahl als Remonten in die Kavallerie einzustellen . Eine kurze Betrachtung des augenblicklichen Remontirungsverfahrens genügt, um einzusehen , dafs dieses Verfahren führen musste.
zum völligen Niedergange
der Pferdezucht
Der Ankauf der Remonten für die Kavallerie - Regimenter geschieht durch Remonteur-Offiziere, welche sich in der Verwaltung des Remonten-Inspekteurs befinden. Für jeden Kadre des KavallerieErsatzes , d . h. für je 3 Regimenter , ist ein Remonteur - Offizier vorhanden. Jährlich zum 1. September wird dem Remonteur-Offizier die zum Ankauf der Remonten erforderliche Summe angewiesen, und zwar sind für jedes Remonte-Pferd folgende Preise festgesetzt : für die GardeKürassier-Regimenter 300 Rubel , leichte Garde-Kavallerie 203 bis 207 Rubel, gesammte Armee-Kavallerie 125 Rubel. Ausserdem erhält der Remonteur- Offizier eine gewisse Geldsumme für den Transport der Pferde vom Ankaufsort bis zum Depot des Remonteur-Offiziers und von dort zum Abnahme-Ort des Pferdes , ferner für Mieten der Stallungen für das Depot , für Mieten der Pferdewärter u. s. w. Die gesammte Remonte - Summe befindet sich vollständig zur Verfügung des RemonteurOffiziers , welcher dieselbe nach seinem Ermessen verwendet ; d. h. er kauft die Pferde zu der Zeit und an dem Orte, wann und wo er es am vorteilhaftesten erachtet, er zahlt dem Verkäufer über oder unter dem festgesetzten Remonte-Preise, nach freier Übereinkunft, wobei er nur verpflichtet ist , zur festgesetzten Frist die vorschriftsmäfsige Anzahl dienstbrauchbarer Pferde, im Alter zwischen 31½ und Über 7 Jahren, an den Kadre des Kavallerie - Ersatzes abzuliefern . die Verwendung des ihm gezahlten Remonte - Geldes hat der Remonteur - Offizier keinerlei Rechenschaft abzulegen. Unter diesen Umständen ist es selbstverständlich, dafs der Remonteur- Offizier, der mit seinem eigenen Geldbeutel bei dem Ankauf von Remonten interessirt ist, die billigsten Märkte aufsucht, und dafs er, seitdem das Don - Steppenpferd für die Einstellung als Kavallerie - Remonte freigegeben worden ist, hier in den Don- Steppen seinen gesammten Bedarf zu decken sucht ; dafs aber das Steppenpferd bezüglich seiner Kriegsbrauchbarkeit dem Kulturpferde " der westeuropäischen Armeen bedeutend unterlegen ist ,
darüber ist in Rufsland,
Generals Ssuchotin, Niemand im Zweifel.
mit Ausnahme des
Bei den geringen Kosten ,
welche die Steppen- Pferdezucht verursacht, konnten die Gestüte nicht konkurriren ; sie gingen teilweise ganz ein , teils legten sie sich auf die Zucht von Trabern und von Arbeitspferden. So werden aus den
Das Remonte-Pferd der russischen Armee.
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Gestüten des inneren Rufslands jährlich nur etwa 1000 Pferde als Remonten in die Kavallerie und zwar fast ausschliesslich in die GardeKavallerie
eingestellt,
da nur der Remonteur - Offizier der Garde-
Kavallerie in der Lage ist , zu zahlen.
einen einigermafsen angemessenen Preis
Die Armee-Kavallerie, wie bereits erwähnt, remontirte sich
im Jahre 1893 zu 90 % durch Steppenpferde ( 69,4 % Don-, 12,1 % Astrachan-, 2 % Ural- Steppenpferde, 5,9 % unbestimmt¹) . Die Remontirung der Artillerie an Reit- und Artillerie-Pferden geschieht nur in den Militärbezirken Wilna, Warschau und Kaukasus durch Remonteur - Offiziere. In allen übrigen Militärbezirken findet der Ankauf der Pferde direkt durch die Truppenteile statt ; der Remonte-Preis schwankt zwischen 165-200 (für die Garde 280) Rbl. , in welcher Summe jedoch sämmtliche Nebenunkosten für Transport von Pferden und Mannschaften u. s . w. einbegriffen sind. Die Remontirung der Kasaken - Truppen ist dadurch vereinfacht, dafs jeder Kasak seine Dienstzeit auf eigenem Pferde abzulegen hat. Über den Wert des Kasaken-Pferdes ist bereits mehr als genügend gesprochen worden 2) . Die auf Urlaub befindlichen Kasaken der Regimenter 2. Aufgebots müssen bekanntlich ebenfalls stets im Besitze eines kriegsbrauchbaren Pferdes sein ; die Kriegsbrauchbarkeit des letzteren wird aber dadurch noch beträchtlich verringert, dafs die Kasaken - Regimenter berechtigt sind , im Herbst, bei Absendung des zum 2. Aufgebot zu entlassenden Kasaken - Kommandos, alle dienstuntauglichen Pferde der noch im Dienst verbleibenden Kasaken auszurangiren und sie durch taugliche Pferde der zum 2. Aufgebot zu entlassen len Kasaken , welche hierfür eine Geldentschädigung erhalten, zu ersetzen. Von dieser Berechtigung wird namentlich bei den Kuban-Regimentern ausgiebiger Gebrauch gemacht, so dafs sich die Kasaken 2. Aufgebots gröfstenteils im Besitz dienstuntauglicher Pferde befinden . Das Streben aller einsichtigen russischen Kavallerieführer geht daher dahin, Mittel zur Beseitigung dieses grofsen Übelstandes, zur Hebung der russischen Pferdezucht zu ersinnen . „Ja bei der „ Feuer-Attacke " 3) hat man natürlich nicht notwendig, sich um das Pferd zu bekümmern ", sagt General Souchomlinow in seiner obenerwähnten Streitschrift, und auf die fernere ironische Frage des Generals Ssuchotin: was wird die Zukunft uns bezüglich des deutschen Kavallerie-Ideals lehren ?" erwidert er zum Schlufs : 99 es ist ¹) Vergl. „ Wajenny Sbornik", Mai 1895, „ die Don- Pferdezucht. " 2 ) Vergl. Juni-Heft der „ Jahrbücher“, „ Militärisches aus Rufsland“. 3) Bekanntlich versieht General Ssuchotin die Idee, die Attacke der Kavallerie durch Salven vom Pferde einzuleiten.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
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besser sich jetzt mit der Verbesserung unseres Dienstpferdes zu beschäftigen und nicht erst darauf zu warten, dafs wir nach dem Zusammenstofs mit der deutschen Kavallerie dieselbe Frage , nur in einer anderen Tonart zu hören bekommen : 97 Wann haben denn eigentlich die Deutschen diesen Bucephalus geschaffen ? " ....
v. T.
VIII .
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
1. Starke Verluste in Folge der Bekleidung mit hellgrauen Mänteln erlitt (nach mündlicher Mitteilung eines Mitkämpfers) ein Bataillon Württemberger in dem Treffen von Ulderup , am 6. April 1849. Dänische Offiziere bekundeten später, dafs sich der hellgraue Mantel sehr deutlich von dem dunklen Hintergrunde des Waldrandes , den dieses Bataillon im Gefecht besetzt hatte , abgehoben hätte und demnach eine vorzügliche Zielmarke gewesen sei, während die dunkle Farbe der Mäntel der Hannoveraner garnicht in die Augen sprang und von der Farbe der Baumstämme kaum zu unterscheiden gewesen wäre. Sch. 2. Liebesmahl bei einem englischen Regimente im Jahre 1808 . Über ein Gastmahl, zu welchem die Offiziere eines englischen Regiments ihre Kameraden eines der Bataillone der englisch - deutschen Legion im Jahre 1808 während des gemeinsamen Aufenthalts in einem der am Nordufer des Kanals errichteten Standlager eingeladen hatten, schreibt einer der deutschen Offiziere in einem nach der Heimat gerichteten Briefe : In voriger Woche waren wir die Gäste des englischen Regiments , neben welchem wir lagern . Die Offiziere hatten uns zum Mittagessen, das heifst zum Mittagessen um 6 Uhr Abends , als aller Dienst abgethan war , geladen. Da ging es anders her, als bei uns. Was bei uns Thaler heifst, ist bei ihnen Pfund oder Guinee. Die letztere ist noch einen Schilling mehr wert, als das erstere, sie zählt deren 21 , jenes nur 20, von unseren Thalern gehen also etwa sieben darauf. Das Regiment ist noch nicht lange aus Indien zurück. Tierfelle, Teppiche und Shawls bedeckten die Wände in ihrer messbarrack , die bei uns ganz kahl sind, und die Tafel glänzte von Krystall und schwerem Silber, das hier zu Lande auch viel weiſser ist, als bei uns in Hannover, weil weniger Kupfer dazu verwendet wird.
Die
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Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
Offiziere kannten wir kaum wieder, so verändert sahen sie aus in Sie trugen dunkelblaue Jacken mit Goldschnüren,
ihrem mess-dress.
und Westen von derselben Farbe, ebensolche Beinkleider, die unten ganz eng anlagen, dazu Schuhe von Lackleder und schneeweiſse Wäsche mit hohen Vatermördern.
Nur zwei, welche Dienst hatten, waren in
Uniform. Das Essen war vorzüglich. Als wir damit fertig waren, das Tischtuch abgenommen und auf die darunter befindliche grüne Friesdecke der Nachtisch ― Früchte und Nüsse in Krystallschalen auf silbernen Füssen - gesetzt war und wir die Gläser gefüllt hatten, erhob sich der Präsident, sagte The king" und verneigte sich nach allen Seiten ; wir thaten das gleiche ; jeder trank aus ; die Musik spielte "God save the king " und umzog, aus dem Nebenzimmer hervorkommend und den Grenadiermarsch anstimmend , dreimal die Tafel. Dann setzten wir uns .
Nach kurzer Pause stand der Präsident zum zweiten
Male auf, trank auf das Wohl des Prinz-Regenten, ebenfalls nur den Namen nennend , die Musik spielte „ Rule Britannia " und marschirte wieder dreimal um den Tisch herum. Das nämliche Stück wiederholte sich zum dritten Male, als der Präsident die Armee und ihren Oberbefehlshaber hochleben liefs ; was dabei die Musik spielte, weils ich nicht. Mit dem Nachtische war auf der Tafel ein Präsentirbrett, natürlich silbern , mit Rollen darunter und mit Flaschen und Gläsern darauf, erschienen, welches nun die Runde um den Tisch machte und fleifsig im Gange erhalten wurde. Mit den Worten „Pass the bottle" schob man es dem Nachbar zu . Es wurde fleifsig einander zugetrunken. Dabei war aber ein Gutes. Oberster Grundsatz , so weihte mich mein Tischnachbar gleich zu Anfang in die Gewohnheiten der Mess ein, ist auszutrinken . Dabei heifst es aber : Fill what you will, but drink what you fill ! Man kann so viel oder so wenig einschänken, wie man Lust hat, aber man darf nichts im Glase lassen. Sonstige Umstände werden dabei nicht gemacht. Man nennt den Namen desjenigen, mit dem man trinken will, fügt, wenn man nahe genug sitzt, um verstanden zu werden, „The honour af a glass of wine with you , Sir !" oder etwas Ähnliches hinzu, verneigt sich, wenn jener eingegossen hat, gegen ihn oder nickt ihm zu und trinkt ohne aufzustehen aus. Entfernt Sitzende fordert man durch einen Diener auf. Die Aufforderung zu erwidern ist nicht Sitte, ebensowenig fordern die Gäste einen der bewirtenden Offiziere auf. Die Getränke, die gereicht wurden, waren Claret, Port und Sherry. Es wurde ihnen tüchtig zugesprochen, auch noch, nachdem der Kaffee eine Unterbrechung hervorgerufen hatte, aber nicht allzu sehr . Zum nächsten Gasttage kommen die Engländer zu uns . Da werden wir mit unserer Mess freilich abfallen, aber das schadet nichts. Unsere Gäste sind harmlos und finden
Umschau in der Militär- Litteratur.
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das ganz natürlich. Übrigens erhalten wir von der Regierung jetzt alljährlich 200 Pfund zur Entschädigung für die hohe Weinaccise, auch der Mess-waiter und der Koch werden uns (aus unseren Leuten) gestellt und die Kohlen geliefert . 14. 3. Ein Sinnspruch, welcher in den Reihen des preufsischen Heeres vor fünfzig Jahren bekannt und in wechselnder Lesart in aller Munde war, lautete :
Wer will unter die Soldaten, Lasse sich bei Zeiten raten : Nennt er Gold und Silber sein, Trete er beim Fufsvolk ein, Ziert ihn die Gelehrsamkeit, Zieh' er an des Reiters Kleid, Klang des Namens schadet nie Bei des Königs Artillerie, Feine Leute prosperiren Sicher bei den Pionieren ! Wer sich läfst bei Zeiten raten, Macht sein Glück bei den Soldaten : Hast Du, was den Andern fehlt, Bist von selbst Du auserwählt ! Die Melodie ist alt, der Vers läfst sich aber noch heutigen Tages darnach singen . 14.
IX. Umschau in der Militär - Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften. Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. ( Mai . ) Die Einzelausbildung des Infanteristen nach dem k. preuſs, und k. u. k. ExerzirReglement (Ob. Lieutenant Frh. von Seefried). - Über Handfeuerwaffen . - Über Marschordnung der k. u . k. Feldartillerie. ― Taktische Betrachtungen über den Festungsangriff und die permanente Fortifikation der Gegenwart. Organ der militär- wissenschaftlichen Vereine. (Österreich.) 50. Bd. 5. Heft. Über Felddienst - Vorschriften (Major Schirmbeck) . Über Beschaffung Der Realismus im Festungskriege (Major Miksch). von gesundem Trinkwasser im Lager und während des Marsches mit Rücksicht auf die Filtrirungsmethoden (Oberstabsarzt Kratschmer) . Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. 96, 1.
7
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens. (Österreich.) 1895. 4. Heft. Die Verwendung der technischen Truppen bei den gröfseren Truppen - Übungen 1894 (Schlufs) . - Über die französische Der automatische Richtapparat Deport. 5. Heft. Festungs-Artillerie. Über eine Pendelvorrichtung zur Prüfung ballistischer Chronographen. Zur Quadranten-Frage. - Die fremdländischen Besprechungen des Werkes Die beständige Befestigung und der Festungskrieg" von Leithner. Armeeblatt. (Österreich . ) Nr. 17 : Die Explosion in der Pulverfabrik zu Blumau. - Die Versorgung der Festungen mit Trinkwasser. Nr. 18 : Die Kriegsverwaltung und der militärische Geist. - Die Durchbohrung des Simplon . Das Kombiniren kriegsstarker Abteilungen (Forts.). Nr. 19 : Die Kavallerie bei Manövern und die Distanzritte. Das Kombiniren kriegsstarker Abteilungen (Forts.) . Nr. 20 : Das Kombiniren etc. (Forts.) . Nr. 21 : Die Flottenschau (in Pola, 8. bis 11. Mai) . Militär -Zeitung. (Österreich.) Nr. 15 : Zur Reorganisation des Armeestandes. Die Probemobilmachung von zwei französischen ReserveKavallerieregimentern im Oktober 1894. Nr. 16 : Eine Militär-Versicherungsanstalt als Genossenschaft. - Die russischen Truppen in Ostasien. Nr. 17 : Reitübungen für die Militär- Intendantur. - Der Stapellauf des „ Monarch". Nr. 18 : Der Ordonnanzoffizier.
Der Krieg auf Cuba.
Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 761 : Die neue StabsoffiziersPrüfung und die Oberlieutenantskurse. III . - Der italienische Säbel. Nr. 762 : Das Mai-Avancement. Nr. 763 : Infanterie und Jäger ; die neuen organisatorischen Bestimmungen für die Jägertruppe regen die Frage an, ob dieselbe ,, einzuregimentiren“ und der Einheits- Infanterie anzuschliefsen oder als ,,leichte Infanterie" zur Unterstützung von Kavallerie - Divisionen zu organisiren seien. Torpedoboots-Havarien. Nr. 764 : Militär-Unfallversicherung im Allgemeinen und Gebühren bei Pulverbetrieben . - Eine Strafse im Passeier-Thal. Nr. 766 : Militärischer Ausflug auf Schneeschuhen. (Interessante russische Versuche mit letzteren ; der finnische Schuh habe sich als der beste erwiesen). Nr. 767: Zur Neuausgabe unseres InfanterieReglements. Nr. 768 : Zur Neuausgabe etc. II . Der Kaiser in Pola. Die Kasematt - Kanone M/ 1894 . Nr. 769 : Zur Neuausgabe etc. III. Neue Torpedoboote. Nr. 770 : Das Organ der militärwissenschaftlichen Vereine (Rückblick auf die jetzt abgelaufenen 25 Jahre des Bestehens dieser hervorragenden Zeitschrift) . Nr. 771 : Die Begünstigung der EinjährigFreiwilligen; es wird betont, dafs man höhere Ansprüche bei den Prüfungen stellen müsse . — Vom roten Kreuz.
Journal des sciences militaires. (Mai 1895.) Kampf-Strategie, von General Lewal (Forts.). - Der Krieg Japans gegen China und seine voraussichtlichen Folgen (Schlufs). Veränderungen im Kriegswesen. (Organischer, strategischer und taktischer Rückblick .) - Betrachtungen über die Infanterie-Taktik. - Allgemeine Grundsätze über Feldzugspläne Der Feldzug 1814 (Forts.) . Über Geheimschrift (Schlufs). (Schlufs). Die Belagerung von Paris (General Cosseron de Villenoisy). -- Die französische Armee 1690 (Schlufs) .
Umschau in der Militär - Litteratur.
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Le Spectateur militaire. (1. Mai 1895. ) Der Marschall St. Arnaud in der Krimm. - Gesundheitliche Reform der Kasernen (Schlufs). -- Das Militär-Budget für 1895. Revue militaire universelle. Nr. 38 : ,,Le Morvan" (milit. geogr. Studie, Forts .). - Die Expedition von Sardinien und der Feldzug in Korsika (Forts.). - Bemerkungen über das Militär-Schlachthaus in Verdun. Indien und die englisch-russische Frage (Forts.) . - Reglement (Forts.). von 1881 für das Fufsgefecht der Kavallerie und der Kasaken (Forts .) . Revue du cercle militaire. Nr. 17 : Plauderei über die LuftschiffDas zusammenlegbare Zweirad ( Schlufs) . -— Die engl. Rekrutirung fahrt. Die Instruk(Schlufs). Nr. 18 : Plauderei über Luftschifffahrt (Schluſs). Nr. 19 : Die italienische tionen des Kaisers von Japan an seine Armee. Armee und die Ausführung der Gesetzentwürfe von 1894. — Vergleichende Studie über die im Gebrauch befindlichen Handfeuerwaffen. Nr. 20 : Die Artillerie in Verbindung mit den anderen Waffen. Revue de Cavalerie. ( April 1895.) Über Erziehung und Führung von Kavallerie (Übers . des Werkes des General v. Pelet - Narbonne). Operationen der 5. deutschen Kavallerie - Division vom 12. bis 15. August 1870. - Ernährung und Leistung des Kriegspferdes (Schlufs) . - Kavallerie gegen Kavallerie. Der Aufklärungsdienst (Schlufs). - Die ,,Grenadiere zu Pferde“ . I. Die Kompagnie der Grenadiere zu Pferde der „Maison du Roi" (1676-1775). Ausbildung eines Kavalleristen in möglichst kurzer Zeit. Die Gangarten des Pferdes nach der Erfahrungs-Methode (Forts.). Revue d'Artillerie. ( Mai 1895. ) Die Artillerie bei Beginn der Revolutionskriege . Anmerkung über das Schiefsen der Artillerie bei Nacht. ― Libellenquadrant Modell 1894 der schweizerischen Feldartillerie. - Verteilung der Dehnungen bei Metallen, die grofsen Kraftproben unterworfen sind (Forts.). Die Offensiv- und Defensivwaffen in der Schlacht am Yalu. L'Avenir militaire. Nr. 1992 : Japan und Europa ; es wird betont, daſs Frankreich sich Abenteuer im fernen Osten versagen müsse, so lange die Frage des Protektorates in Tananarive nicht erledigt sei. Nr. 1993 : Europa und Japan. Frankreichs Interesse, sagt A. , sei nur das seines Verbündeten, Rufslands, dem man begreiflich machen müsse, wie drückend die Lasten eines Konfliktes mit einer Nation seien, die ihrer Stärke sich bewufst ist. Nr. 1994 : Le ,, Bouvines" . Beschreibung und Kritik dieses zum Küstenschutz bestimmten Panzerschiffes. Nr. 1995 : Die Militärschulen ; es wird betont, dafs die Resultate des Unterrichtes nicht den für dieselben aufgewendeten Mitteln entsprächen. Nr. 1996 : Übungen mit scharfer Munition ; die Schiefsübungen auf weite Entfernungen im deutschen Heere werden besprochen. Nr. 1997 : Rufsland und Japan. Av. meint, es sei gefährlich, Japan auf eine neue Geduldsprobe gegenüber den russischen Ansprüchen zu stellen. Le Progrès militaire . Nr. 1513 : Infanterie - Meldereiter (Cavaliers d'Infanterie) ; Besprechung dieser deutschen Neuformation , über die man erst nach den grofsen Manövern ein Urteil gewinnen könne. Nr. 1514 ; 7*
Umschau in der Militär-Litteratur. 98 Mitteilungen über Gegenstände des Artiller (Österreich .) 1895. 4. Heft. Die Verwendung d bei den gröfseren Truppen -Übungen 1894 (Schlufs) Festungs -Artillerie . - Der automatische Richta Über eine Pendelvorrichtung zur Prüfung balli Zur Quadranten -Frage. — Die fremdländischen Die beständige Befestigung und der Festung Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 17: 1 fabrik zu Blumau . Die Versorgung der Nr. 18 : Die Kriegsverwaltung und der milit bohrung des Simplon . Das Kombiniren kri Nr. 19 : Die Kavallerie bei Manövern und d biniren kriegsstarker Abteilungen (Forts.). (Forts.). Nr. 21 : Die Flottenschau (in Pol Militär -Zeitung . (Österreich.) F Armeestandes . - Die Probemobilmachun wird Kavallerieregimentern im Oktober 1894. anstalt als Genossenschaft . - Die russis Versagen", cueral Tricoche Reitübungen für die Militär-Intendantur Er ist des Lobes Nr. 18 : Der Ordonnanzoffizier . - Der China and Japan, Verfasser, Die Reichswehr . (Österreich Rufslands in Ostasien. China Prüfung und die Oberlieutenantsky Nr. 762 : Das Mai-Avancement. Nr . dagegen seien den Franzosen symorganisatorischen Bestimmungen fürer genommen . Den Franzosen sei bei Imob dieselbe ,,einzuregimentiren " unde Macht zu Hülfe gekommen . oder als leichte Infanterie" zur I Zwei solche werden in diesem Jahre zu organisiren seien. - Torpedog wird ungünstig beurteilt . Die Übung versicherung im Allgemeinen de als solche sich eingelebt. Nr. 3323 : Der Strafse im Passeier-Thal. Nr. nung auf den Angriff in Nr. 3313, von (Interessante russische Versuch sich als der beste erwiesen) . Nr. 1253 : Landesverteidigung und BefestiReglements. Nr. 768 : Zur Wahrhunderts (General Brialmont) . - Die AusDie Kasematt - Kanone M/Feldgeschütze grofsen Kalibers. Nr. 1254: Die Neue Torpedoboote. Nr. (Forts.). Nr. 1255 : Das Anwachsen der euroVereine (Rückblick auf die Unterricht der des Lesens und Schreibens hervorragenden Zeitschrifsschen Armee. Freiwilligen; es wird beinatssehrift für Offiziere aller Waffen. Nr. 4: stellen müsse. - Vomvill Dragoner- Regiments im Februar 1895. - Der Journal des scie :Revision der schweizerischen Heeresorganisation. General Lewal (Fortssuisse. Nr. 5: Aufgabe der Kavallerie, gemäfs der voraussichtlichen Folg1894- Französiche Mobilmachungs - Pläne gegen(Organischer, strategi Savoyen. - Der chinesisch - japanische Krieg und über die Infanterieion des Train. Der Beitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 4: (Schlufs). tillerie. -Vortrag über optischen Feldsignaldienst Die Belagerung von c Eine Studie über unseren 12 cm System). zösische Armee 16
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'ircusgänge und Mr. James Fillis (Schlufs). he Militärzeitung. ments von Paris.
Nr. 17 : Die ProbeHerbstmanöver des
itische Expedition nach Tschitral . hlufs). Nr. 19 : Die neue Verahren. Nr. 20 : Einige BetrachUnternehmungen Österreichs.
ge in Chitral.
Charak-
wärtigen Expedition an Derst Colville schildert aus nglischem Schutze stehenden Marschall Sir Donald Stelle Thätigkeit im indischen Aufnachte. Nr. 1839 : Chitral. Einder Kolonne des Oberst Kelly
idgezierte Gewehr. Anknüpfend goldgezierte Gewehr eines indischen htiger Ölung gänzlich unbrauchbar war, nglischen Soldaten als unbrauchbar nachverder Volunteers in Brigton und Windsor lers wegen der übergrofsen Zuschauer- Menge. l über die Armee. Behandelt die Frage des des Herzogs von Cambridge vom Oberkommando . .. Die Notwendigkeit der Änderung der Organisation ial- Truppen wird nachzuweisen gesucht. - La vie abe eines in Belgien erschienenen Aufsatzes, der die r englischen Volunteers mit scharfem Spott geifselt. tüber die kriegerischen Operationen . Nr. 1841 : Die Orr Kavallerie , sowie deren Ausbildung werden in vielen iffen. Das Fehlen der 5. Eskadrons, der Mangel an ausreichend --plätzen und der fehlerhafte Ausbildungsgang werden hervorGeschichte des Infanterie - Regiments Herzog von CamNr. 57 und 77 der Linien-Infanterie). Errichtet 1755-56. Nr. 1842 : ritannien und Japan. Politische Betrachtung über den Friedens- zwischen China und Japan, wobei bedauert wird, dafs sich England den übrigen Grofsmächten angeschlossen hat. Positions - Auffinder. Beschreibung der bei Portsmouth und Plymouth erbauten bombensebern Beobachtungsstellungen zum Aufsuchen feindlicher Schiffe bis auf eine Entfernung von 6 engl. Meilen. Journal of the Royal United Institution . Nr. 206 : Die neuesten Erfindungen zum Überschreiten von Flüssen und zur Landung von Truppen. Beschreibung der zuerst aus Leder, jetzt aus wasserdichter Leinwand hergestellten Boote. - Zusammenlegbare Boote und Pontons zu Kriegszwecken. Beschreibung dieser Boote und der daraus erbauten
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Neue Vorschriften für den Angriff. Bezieht sich auf die von den Schiedsrichtern bei den deutschen Manövern geäufserten Ansichten über die Wirksamkeit des Infanteriefeuers . Nr. 1516 : Budget und Effektivstärken. Der Mangel an Beständigkeit der letzteren , im Vergleich zu den deutschen, wird betont. Die budgetäre Stärke beträgt 584 734 Offiziere und Mannschaften mit 115 781 Pferden . Nr. 1517 : Nochmals der Schild" ; abfällige Beurteilung der von Kapitän Damrit erfundenen Infanterieschilde . Nr. 1518 : Das Angriffsverfahren der Infanterie. Das „,Feuer in der Bewegung“ (le tir en marchant) wird befürwortet. La France militaire. Nr. 3313 : Der Generalstab. Man hat dem Chef des Generalstabs eine zu hohe Bedeutung verliehen, es ist kein Platz für einen unverantwortlichen Würdenträger, der bei uns nicht, wie in anderen Staaten, durch den Herrscher gedeckt ist. Auch in der Marine hat man dies empfunden, F. Faure als Minister wollte die Bedeutung einschränken , doch ist es auch hier beim bisherigen verblieben . Nr. 3315 : Der Marineminister. Jeremiade wegen der Teilnahme an den Kieler Festen. „ Den Offizieren, welche mit den Deutschen an einem Tische sitzen sollen, wird die Kehle zugeschnürt sein, der Mund wird ihnen den Dienst versagen", u. a. m. Nr. 3319 : Eine Parade vor Kaiser Wilhelm II. General Tricoche war am Namenstag des Königs von Sachsen in Dresden. Er ist des Lobes voll über das , was er gesehen hat. Nr. 3322 : China und Japan, Verfasser, Oberst Thomas, ist gegen die Unterstützung Ruſslands in Ostasien. China sei der Feind Frankreichs, die Japaner dagegen seien den Franzosen sympathisch und haben diese als Vorbilder genommen. Den Franzosen sei bei ihren Niederlagen auch keine fremde Macht zu Hülfe gekommen . Improvisirte Kavallerie - Divisionen . Zwei solche werden in diesem Jahre wieder gebildet. Die Einrichtung wird ungünstig beurteilt. Die Übung ist vorüber, ehe nur die Brigade als solche sich eingelebt. Nr. 3323 : Der Generalstab der Armee. Entgegnung auf den Angriff in Nr. 3313, von einem Maréchal - de - Camp. La Belgique militaire. Nr. 1253 : Landesverteidigung und Befestigungskunst zu Ende des 19. Jahrhunderts (General Brialmont) . - Die Ausrüstung der Infanterie. Feldgeschütze grofsen Kalibers. Nr. 1254 : Die Ausrüstung der Infanterie ( Forts.) . Nr. 1255 : Das Anwachsen der europäischen Flotten. Nr. 1256 : Unterricht der des Lesens und Schreibens Unkundigen in der französischen Armee. Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. Nr. 4: Die Winterübung des VII. Dragoner-Regiments im Februar 1895 . Der Munitionsersatz. Die Revision der schweizerischen Heeresorganisation. Revue militaire suisse. Nr. 5 : Aufgabe der Kavallerie, gemäss der Französiche Mobilmachungs - Pläne gegenOrdonnanz vom 31. 4. 1894. Der chinesisch - japanische Krieg und über der Schweiz und Savoyen . Reorganisation des Train. Frieden. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 4: Mitteilungen über unsere Artillerie. - Vortrag über optischen Feldsignaldienst
ww (Morsé- System und Dreieck-System).
Eine Studie über unseren 12 cm
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Mörser. Schulgänge , Circusgänge und Mr. James Fillis (Schlufs). Handfeuerwaffen (Forts.). Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 17 : Die Probemobilmachung des Militärgouvernements von Paris. - Herbstmanöver des IV. Armeekorps 1894. Nr. 18 : Die britische Expedition nach Tschitral.Herbstmanöver des IV. Armeekorps ( Schlufs). - Nr. 19 : Die neue Veränderung im französischen Avancementsverfahren. Nr. 20 : Einige Betrachtungen über die Politik und die militärischen Unternehmungen Österreichs in Deutschland 1849-1851 . Army and Navy Gazette. Nr. 1838 : Die Lage in Chitral. Charakteristik der militärischen Verhältnisse der gegenwärtigen Expedition an Über Uganda. Oberst Colville schildert aus der indischen Grenze . eigener Anschauung die Zustände der unter englischem Schutze stehenden egyptischen Äquatorial - Provinzen. - Feldmarschall Sir Donald Stewart. Ein Rückblick auf dessen verdienstvolle Thätigkeit im indischen Aufstande 1857 , den er als Hauptmann mitmachte. Nr. 1839 : Chitral. Eingehende Beschreibung der Operationen der Kolonne des Oberst Kelly während des Vormarsches. - Das goldgezierte Gewehr. Anknüpfend an eine indische Fabel, nach der das goldgezierte Gewehr eines indischen Fürsten nur wegen Mangel an richtiger Ölung gänzlich unbrauchbar war, wird die Kriegsausrüstung des englischen Soldaten als unbrauchbar nachgewiesen. Die Oster - Manöver der Volunteers in Brigton und Windsor werden scharf getadelt, besonders wegen der übergrofsen Zuschauer- Menge. Nr. 1840 : Der Oberbefehl über die Armee. Behandelt die Frage des bevorstehenden Rücktritts des Herzogs von Cambridge vom Oberkommando. -Kolonial . Truppen. Die Notwendigkeit der Änderung der Organisation der französischen Kolonial- Truppen wird nachzuweisen gesucht. La vie anglaise. Wiedergabe eines in Belgien erschienenen Aufsatzes, der die Oster - Manöver der englischen Volunteers mit scharfem Spott geifselt. Chitral. Bericht über die kriegerischen Operationen. Nr. 1841 : Die Organisation der Kavallerie , sowie deren Ausbildung werden in vielen Punkten angegriffen . Das Fehlen der 5. Eskadrons, der Mangel an ausreichend grofsen Übungsplätzen und der fehlerhafte Ausbildungsgang werden hervorgehoben. Geschichte des Infanterie - Regiments Herzog von Cambridge. (Nr. 57 und 77 der Linien- Infanterie) . Errichtet 1755-56 . Nr. 1842 : Grofsbritannien und Japan. Politische Betrachtung über den Friedensschlufs zwischen China und Japan, wobei bedauert wird, dafs sich England nicht den übrigen Grofsmächten angeschlossen hat. Positions - Auffinder. Eine Beschreibung der bei Portsmouth und Plymouth erbauten bombensichern Beobachtungsstellungen zum Aufsuchen feindlicher Schiffe bis auf eine Entfernung von 6 engl. Meilen. Journal of the Royal United Institution. Nr. 206 : Die neuesten Erfindungen zum Überschreiten von Flüssen und zur Landung von Truppen. Beschreibung der zuerst aus Leder, jetzt aus wasserdichter Leinwand hergestellten Boote. - Zusammenlegbare Boote und Pontons zu Kriegszwecken, Beschreibung dieser Boote und der daraus erbauten.
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Brücken, sowie des Transports derselben auf Wagen und von Maultieren getragen. Nr. 207 : Das Feuer der Feldartillerie nach den Schiefsübungen in Okehampton. Die Erfahrungen mit dem neuen Feldartillerie-Material, dem kurzen 12 Pfünder und den Maxim-Nordenfeld'schen Schnellfeuer-Geschützen werden zum ersten Male veröffentlicht. Neben der Beschreibung des technischen Materials wird auch die taktische Verwendung der neueren Geschütze erörtert. - Praktische Winke für die Bedienung und Verwendung der Maxim- Geschütze. Von Kapitän Lambert. Der Aufsatz behandelt eine Ergänzung bezw. Erweiterung der in den Dienstvorschriften enthaltenen Anweisungen. Russischer Invalide. Verordnungen , Befehle , kleine militärische Nachrichten. Nr. 80 : Übungen der Reservisten im Jahre 1894. Es waren die Jahrgänge 1884 und 1889 zu zwei- bezw. dreiwöchentlichen Übungen einberufen ; ein Teil der Übungen fiel jedoch, in Folge der Cholera - Epidemie , aus ; die Ergebnisse waren zufriedenstellende. Nr. 84 : Prikas bez . der Reserve - Übungen im Jahre 1895. Nr. 85 : Besichtigung der Festungen Ossowez und Iwangorod durch den Grafen Schuwalow. Nr. 87 : Prikas über die Übungen der Praporschtschiks (Vicefeldwebel) der Reserve im Sommer 95. Nr. 93 : Auch die Hochsee - Torpedo boote erhalten, wie dieses bei den Küsten-Torpedobooten bereits der Fall war , als Bezeichnung anstatt der Namen Nummern , und zwar werden die Küsten- Torpedoboote mit den Nrn. 1-100 , die Hochseetorpedoboote der baltischen Flotte mit Nr. 101-250, die der Schwarzenmeer- Flotte mit Nr. von 251 an bezeichnet ; nur die Hochseetorpedoboote ,, Wsryw" und ,,Ssokol" behalten ihre Namen. Nr. 99 : Änderungen und Ergänzungen der Verordnung über Beförderung der Kapitäns der Armee - Infanterie zu Oberstlieutenants. Gröfsere Aufsätze : Nr. 85 : Erwiderung auf ,, Das Schlachtrofs der russischen Kavallerie ", von General Ssuchomlinow (vergl. Aufsatz in vorliegendem Heft ,,das Remonte Pferd der russischen Kavallerie"). Nr. 87 : Bärenjagd des Jagd-Kommandos des 85. Inf.- Rgts . Wyborg. Nr. 91 : Versuchsweiser Ankauf von Remonten im Don - Gebiet , im Jahre 1865. In diesem Jahre wurden als Versuch 120 Remonten für die Kavallerie im Don- Steppen-Gebiet angekauft ; der Durchschnittspreis der Pferde betrug betrug 58 Rubel ; der Versuch fiel so günstig aus, dafs die bisherigen, die Einstellung der Don - Steppenpferde in die Kavallerie einschränkenden Bestimmungen aufgehoben wurden . Nr. 98 : Abwehr von Kavallerie-Attacken durch Infanterie. Wajennüj Ssbornik. 1895. Nr. 5 : Schilderung der Teilnahme des 2. transkaspischen Eisenbahn- Bataillons am Bau der transkaspischen Eisenbahn (Schlufs). Interessante Details über die Leistungen der Eisenbahntruppe unter ganz aufsergewöhnlichen Verhältnissen. Auch die Darstellung der Aufnahme des neuen Verkehrsmittels Seitens der eingeborenen BevölRufsland bemächtigte sich unseres kerung Buchara's ist von Interesse. Landes nicht nur für einige Zeit, wie frühere Eroberer, sondern für immer. Denn es kettete dasselbe an sich durch eiserne Wege." Die Heeres-
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Über den Gebrauch des Bajonetts im Gefecht . organisation . III . Die Privat- Pferdezucht am Don in ihrer Beziehung zur Remontirung der Herbst - Dauerritt einer Abteilung der Offizier - KavallerieKavallerie. Die Infanterie unter dem Feuer der eigenen Schule im Jahre 1894. fizier rie. -Frage in den bedeutendsten Armeen Europas. Unterof — Die Artille II. —- Die Verwaltung der Reserve- Infanterie -Brigaden . - Die Verteidigung des Schipka . (Der Dienst und das Leben der Artillerie auf dem Schipka .) — Die Einrichtung der Offiziere der Reserve Das östliche Turkestan . II . 17. in Frankreich . Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 234 : Prikas vom 20. März, bestimmt die Bezeichnung zweier nicht unmittelbar an einem bewohnten Ort liegenden Kasernements der Regimenter Dragoner 10 und Infanterie 62 mit aus der Kriegsgeschichte gewählten Ortsnamen ,,Potemkin'scher bezw. Sammlung Suworowski'scher Stab" . — Unter den Russen auf dem Pamir. der Materialien für Regiments-Geschichten. Kompagnie- Schulen. Die Belohnung der den Kursus der Akademien beendigenden Offiziere. Die Kasaken vor Bajazet 1877. Nr. 235 : Befehl des Oberkommandirenden im turkestanischen Bezirk (Nr. 357), belobt das im April 1893 formirte, seitdem unter schweren Anstrengungen und Entbehrungen auf dem Pamir als Besatzung des dort erbauten festen Postens verbliebene Detachement unter dem Kapitän Saïzeff wegen seiner trefflichen Haltung. — Schneeschuhe im Gebrauche der Grenzwache. Kompagnie-Schulen. Zum Andenken an Oberst Skalon. Nr. 236 : Biographie und Bild des zum Kommandeur der an der Westgrenze stehenden 3. Kavallerie - Division , früheren Lehrers an der Nicolai- Generalstabs -Akademie, Generallieutenants Ssuchotin, eines der anerkanntestesten Generale der russischen Armee, wohl auch eines der an Lebensjahren jüngsten (47 Jahre). Der Platz Peters des Grofsen unter den grofsen Heerführern. - Friedrich der Grofse nach Kunersdorf. Nr. 237 : Die transDie Erlernung fremder Sprachen durch unsere Offiziere . kaspischen Eisenbahn-Bataillone. - Die Fremdwörter in der russischen Armee. Nr. 238 : Die Landung der Japaner zum Angriff auf den Hafen Wei-hai-Wei. --- Die Kontrolle der Ausbildung der Rekruten im Winter. Russisches Artillerie - Journal. Nr. 2 : Die 3. Leibgarde- ArtillerieBrigade (geschichtliche Forschung ). Die Verteilung der Deformation in den Metallen, welche der Wirkung einer Kraft unterliegen. - Untersuchung der Brenngesetze der Explosivstoffe (Forts .). Die Fabrikation des rauchlosen Pulvers. Vortrag des Oskar Guttmann in der Londoner Abteilung der Gesellschaft für chemische Industrie. Von der Kartätsche bei der Feldartillerie. Damascirte Waffen. Rivista militare Italiana. ( 1. Mai. ) Der chinesisch -japanische Krieg. (Mit einer Karte.) - Die grofsen deutschen Manöver 1894 (Schlufs) . Unterbringung, Sanitätsdienst. -- Über Korpsgeist (Forts. ). Esercito Italiano. Nr. 53 : Nationale Schiefsgesellschaften (Unterstellung derselben unter das Ministerium des Innern). Militär- und Pensionsgesetze (Forts. Nr. 54 und 55 ). Nr. 56 : Die XIII . Legislaturperiode (Resultate derselben für Heer und Marine). Nr. 57; Militär- und Zivil-
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pensionsgesetze (Schlufs).
Nr. 58 : Wahlrede des Marineministers Morin
(Programm für die Entwickelung der Seemacht). Rivista di artiglieria e genio. (April.) Die Küstenbatterien und die neuen Angriffsmittel. Feuerleitung der Feldartillerie . Taktische
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Bemerkungen über den Angriff der Festungen und die heutige stehende Befestigung. - Wer hat das Pulver erfunden? Revista cientifico - militar. ( Spanien .) Nr. 7 : Militärische Ausstellung in Wien 1894. Parteigängerkrieg, seine Geschichte (Schlufs). Nr. 8 : Militärische Ausstellung in Wien 1894 (Schlufs). - Bemerkungen über die französische Reiterei im Vergleich mit der deutschen. Memorial de Ingenieros del Ejercito. ( Spanien .) Nr. IV :
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Die Ingenieur-Kompagnien im Kriege im Norden Mindanaos. Revista Militar. ( Portugal. ) Nr. 8 : Die Expedition nach Mozambique. Krigsvetenskaps-Akademiens-Handlingar. ( Schweden. ) April : Das neue Exerzir-Reglement für die Infanterie. Norsk-Militaert-Tidsskrift. (Norwegen.) 4. Heft : Die preussische Armee-Taktik unter Friedrich d. Gr. De Militaire Spectator. ( Holland .) Nr. 5 : Kriegsgeschichtliche Studie über die Verteidigung der batavischen Republik 1799. Militaire Gids. (Holland . ) 3. Lieferung : Unsere Kadre - Reserve und der Reserve-Kadre .
II. Bücher. Moderne Reserven von C. von B.-K. R. Felix .
Berlin 1895.
Militär - Verlag
Unter diesem Titel liegt eine überaus interessante und geistreiche Studie über den Krieg und die Bedeutung vor, welche zu allen Zeiten in ihm wehrpolitische, strategische und taktische Reserven gespielt haben. Augenscheinlich nur die Vorläuferin weiterer Veröffentlichungen , ist das Interessanteste an der Schrift, dafs sie die Frage aufwirft, ob wir mit dem Prinzip der Reserve , welches die ganze moderne Taktik übermässig durchsetzt , nicht in's Ungewisse steuern und , ob die gegenwärtige Art zu kämpfen für die Zukunft beizubehalten sei ? - Der Gang , der in dem kleinen Heft in reicher Fülle niedergelegten Gedanken ist etwa folgender : Die Reserve ist eine zum Kampf geeignete, fähige, aber örtlich und zeitlich noch nicht verwendete Kraft. Der Begriff der Schlachtreserve war bestimmend für die schiefe Schlachtordnung des Epaminondas, während wir das erste Beispiel von der Verwendung der Reserve im modernen Sinn in der Taktik der römischen Legion finden. Ihre mehr oder weniger ausgedehnte Anwendung sehen wir seitdem durch alle Zeitalter. Während im Mittelalter das Fechten aus der Tiefe und für das spätere Jahrhundert die breite Schlachtordnung und möglichster Einsatz aller Kräfte mafsgebend wurde, tritt die taktische Reserve wieder unter Friedrich dem Grofsen in die Erscheinung . Diese Wandlungen entspringen aus der Erkenntnifs, daſs
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