Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Juli bis September 1881 [40]


245 97 13MB

German Pages 358 Year 1881

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Front Cover
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie
Die Erstürmung von Kars, unter Zugrundelegung des Tagebuches
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit Von C v Bruch-
VI
28
Umschau in der Militär-Litteratur:
Die Ehrentage des Königlich bayerischen 13 Infanterieregiments
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen
Freicorps und Kavalleriedivisionen
XII
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens des Gefechts
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel Von
Topographische Erörterungen Von Reichert, Hauptmann (Schluſs)
Die Reorganisation der englischen Armee
Tassaert
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie
Gerhard David v Scharnhorst Ein militärhistorisches Charakterbild
Parallele zwischen dem Balkanübergang des General Gurko im Winter
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
Über die Kämpfe am Lom während der Zeit vom 21 Juli bis 2
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und
Umschau in der Militär-Litteratur:
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen
Recommend Papers

Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Juli bis September 1881 [40]

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Jahrbücher

für die

deutsche

Armee

und

Marine.

Verantwortlich redigiert

von

G.

von

MARÉES Major.

Vierzigster Band . Juli bis September 1881 .

BERLIN ,

1881 .

F. SCHNEIDER

&

(Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.

Printed in Germany

Oo.

1

Inhalts -Verzeichnis.

Seite I.

II.

Die Erstürmung von Kars , unter Zugrundelegung des Tagebuches eines russischen Generalstabsoffiziers der Armee in Armenien 1877/78 III. Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder der Feldgeschütze (Schlufs) . IV. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. Von A. v. Crousaz, Major z. D. . . V. Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. Von C. v. Bruchhausen VI. Aus ausländischen militärischen Zeitschriften VII. Umschau in der Militär-Litteratur : Militärische Essay's I. Untersuchungen über den Wert der Kavalllerie in den Kriegen der Neuzeit. Von R. V. . . . Die Ehrentage des Königlich bayerischen 13. Infanterieregiments Kaiser Franz Joseph von Österreich im Feldzuge 1870-71 . Von Adolf Hoenig, Hauptmann und Compagniechef . . . VIII. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften ( 15. Mai bis 15. Juni) IX. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen • Bücher u. s . w. ( 15. Mai bis 15. Juni) X. Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann . (Fortsetzung) XI. Freicorps und Kavalleriedivisionen . XII. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. · Von A. v. Crousaz, Major z . D. (Fortsetzung) . XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII.

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens des Gefechts als Friedrich? .

1

28

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann (Fortsetzung) •

20 38

53 71 101

109

114

116

121

123 143 160

177

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel. Von F. 187 Hentsch, Hauptmann a. D. • Topographische Erörterungen . Von Reichert , Hauptmann (Schluſs) 198 207 Die Reorganisation der englischen Armee 212 Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge 217 Tassaert . P )

(RECA

496240

IV

Inhalts-Verzeichnis

Seite XIX .

Umschau in der Militär-Litteratur :

Jahresberrichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen. VII. Jahrgang 1870. Herausgegeben von H. v. Löbell, Oberst z. D. XX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften (15. Juni bis 15. Juli) XXI. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Juni bis 15. Juli) . XXII. Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann (Fortsetzung) . XXIII. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. Von A. v. Crousaz, Major z. D. (Schlufs) XXIV. Parallele zwischen dem Balkanübergang des General Gurko im Winter 1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829 . XXV. Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte an der französischen Grenze. (Autorisierte Übersetzung aus dem • Journal des sciences militaires) .

227 231 236

239 257 282

298

XXVI.

Über die Kämpfe am Lom während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877 . ·

315

XXVII.

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe Umschau in der Militär-Litteratur :

331

XXVIII.

Geschichte des 3. Garde-Grenadier-Regiments Königin Elisabeth im deutsch-französischen Kriege 1870/71 . Nebst Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880

342

Kurzgefafste Geschichte des 8. Westfälischen Infanterie- Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments von Hilken , Hauptmann und Com343 pagniechef.. Das Königlich Bayerische 4. Infanterie-Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806 von C. 344 v. Hoffmann, Oberst und Kommandeur des Regiments . Memoiren des Freiherrn Dubislav Gneomar v. Natzmer , Königl. preufs. Feldmarschalls u. s . w. - Mit spezieller Erlaubnis des Besitzers herausgegeben, bearbeitet und mit Erläuterungen 345 . versehen von Eufemia Gräfin Ballestrem XXIX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen • 347 Zeitschriften (15. Juli bis 15. August) XXX .

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Juli bis 15. August) .

353

1

I.

Die historische Entwickelung

der Gefechts-

formen der Infanterie in ihrer Bedeutung für

die Gegenwart.

Von E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Militärische Ausbildung war zur Zeit des Lehenswesens weder vorhanden noch notwendig einzurichten .

Jeder, der überhaupt

Soldat wurde, war es eigentlich von Jugend auf gewesen, oder, wie er hierzu die Waffen und Ausrüstungsstücke vom Vater ererbte ,

so

erhielt er auch zu deren Gebrauch durch seine Erziehung im Schofse der Familie die erforderliche Anleitung.

Das ganze Heerwesen war

so wenig in der Hand einer höchsten militärischen Autorität centralisiert ,

dafs von einer gleichmässigen Ausrüstung keine Rede war.

Ein jeder versah sich damit nach Gewohnheit, zufälligem Besitz oder individueller Neigung , und wie darin jeder einzelne Soldat vom anderen verschieden war , so war Hantierung.

Die Taktik

er es auch in

seiner militärischen

selbst kannte keine bestimmten Formen ,

das Heer, zum überwiegenden Teile aus Reiterei bestehend, focht im Schwarm , wobei im Einzeln kampfe die persönlichen Eigenschaften. also die Resultate der Erziehung , den Ausschlag gaben. Dies gi auch für die wenig zahlreiche Infanterie , welche lediglich in zerstreuter Ordnung focht. Die Sache tritt in ein weiteres Stadium mit Einführung 1 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

2

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

der Pike und der Kolonne -

letztere in ihrer primitivsten Er-

scheinungsform des gevierten Haufens . Es war jetzt nicht mehr gleichgültig, welche Waffen der Mann und wie er sie führte. Zwar brauchte die Führung in Bezug auf die Beschaffung der Bewaffnung , die nach wie vor dem Individuum überlassen

blieb ,

nicht autoritativ einzu-

greifen, aber doch geschah etwas derartiges, indem durch das Söldnerwesen , welches die ganze Heeresergänzung auf das wirtschaftliche Gebiet von Angebot und Nachfrage verpflanzte , die Annahme zum Diensteintritte von dem Besitze solcher Waffen abhängig gemacht werden konnte , wie sie dem taktischen Gebrauche der Truppe entsprachen. Dafs gleichwohl die Führung , insbesondere bezüglich der Schutz- und Feuerwaffen, sich mitunter den thatsächlich mitgebrachten Verhältnissen anbequemen musste, war ihr nur durch äuſsere Gründe auferlegt.

Der Gebrauch der Waffen erfuhr jedoch durch die Ko-

lonnenform mindestens die Einschränkung, dafs jeder auf eine solche Führung seiner Waffe angewiesen war, welche jene der anderen nicht beeinträchtigte . Es war also notwendig, die Mannschaften im Waffengebrauch innerhalb der geschlossenen Form zu üben . Aus diesem Grunde bilden die Hand- und Ladungsgriffe, und die hiermit in nächster Verbindung stehenden Bewegungen (Öffnen und Schliefsen der Rotten und Glieder), die ersten Gegenstände des taktischen Exerzierens.

Um hierbei ein genügendes Resultat

es nicht viel ;

die Heere

zu erzielen , bedurfte

bestanden ja zum gröfsten Teile aus ge-

die Manipulationen waren so einfach und so allbekannte , dafs sie durch die blofse Dienstpraxis der Soldaten und deren gegenseitigen Verkehr sich genügend verbreiteten . Zudem löste dienten Leuten ,

auch die Kolonne im eigentlichen Kampfe sich zum Melée auf und blieb bis zu diesem Augenblicke eine rein defensive , auf Erhalten der eingenommenen Gestalt angewiesene Form. Die Formenbildung der taktischen Einheiten war aber noch kein Gegenstand der militärischen Abrichtung, weder bei Moritz von Oranien, dem Begründer des Exercierens, noch auch anderwärts . Allerdings wurden die Formen gebildet, aber nicht auf dem Wege der Evolution , sondern des thätigen Eingreifens der Führer und ihrer Organe, welche die ihnen zu gehte stehenden Kräfte dem jedesmaligen Bedarf und ihren taken Ansichten entsprechend, gruppierten und zerlegten . War ein Bataillon zersprengt oder durcheinander gekommen , so war , wenn nicht zufällig die Leute sich wieder in eine quadratische Form zusammenfanden, die Wiederformierung ohne die thätliche Intervention eines Führers kaum zu erwarten. Die Dinge gingen noch an, so lange man groſse Fähnlein , wenige Regimenter zählte und nur drei groſse

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Haufen zu bilden hatte ,

damit liefs sich doch in ein paar Stunden

die Schlachtordnung herstellen .

Mifslich fing die Sache aber zu wer-

den an , wie sowohl die administrativen Einheiten als auch die taktischen sich vermehrten. Da die Umstände , welche ein taktisches Exercieren verhinderten , nämlich der Vertragscharakter des ganzen Kriegsdienstes und der Mangel an einer eigentlichen Übungspräsenz, nach wie vor bestehen blieben , blieb der Mangel an Ausbildung bestehen , begann

der Taktik selbst nun Schwierigkeiten zu bereiten

und legte insbesondere der zeitgemäfsen Tendenz nach Zerlegung der grofsen Kolonnen in kleinere Fesseln an . Eine Ausnahme fand nur statt, wo obige Hemmnisse wegfielen, wo also eine fester begründete Herrschaft der Führung

über die Truppen bestand und es Zeit zu

Übungen gab, so bei den kleinen stehenden Truppenkörpern einzelner Monarchen ; Adolfs ,

ganz besonders

aber

in Schweden

zur

welchem sein taktisches Genie ebensosehr wie

Zeit

Gustav

seine könig-

liche Macht, sein organisatorisches Geschick und die eigenthümliche Heeresverfassung die

Durchführung

eines Ausbildungssystems und

infolge dessen die Annahme einer Taktik ermöglichte, an deren verhältnismässigen Komplikation die Routine aller Oberwachtmeister des Erdkreises gescheitert wäre . Es wäre unmöglich gewesen, die Gustav Adolf'sche Lineartaktik, selbst in der sehr vereinfachten Gestalt, zu welcher sie bis Ende des 30jährigen Krieges gerathen war, anderwärts weiter zu führen , wären nicht um die gleiche Zeit (zum Teile ja auch durch die gleichen Ereignisse) Verhältnisse in Europa eingetreten, welche eine militärische Ausbildung

ins Werk

zu setzen gestatteten ,

militärischen Centralgewalt an walten und die Einführung und

strengerer

die

die Übertragung

der

politischen und absoluten Ge-

stehender Heere mit langer Dienstzeit

Form der Verpflichtung.

Diese Ereignisse

allerwärts der Friedens ausbildung auch in Formen und Evolutionen Eingang

verschafft.

haben

den taktischen Betrachtet man

die Sache so , so wird man wohl vor dem Irrthum mancher Autoren bewahrt bleiben , welche das Exercieren nur für eine böswillige Erfindung eines

freiheitsmörderischen Absolutismus erklärt ,

letztere hat nur das Verdienst ,

allen Zeiten vorher ebenso erwünscht erreichbar war. In welcher Weise

denn der

möglich gemacht zu haben , was in aber mehr oder weniger un-

nun nach Methode

Intensität und Geist in

militärischer Ausbildung sich gestalteten, das war selbst wieder vollständig abhängig von den Verhältnissen der abrichtenden und abzurichtenden Elementen , und zwar so sehr, dafs man erst in Berück1*

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

4

sichtigung dieser die eigentümlichen Erscheinungsformen des Dienstes und der Übungen von damals versteht. Es mag genügen , ohne weiteres Eingehen auf die Heeresergänzungsverhältnisse jener Zeit als deren charakteristischen Unterschied vom Kriegsdienste in der Söldnerzeit das zu bezeichnen , daſs, wähdas Bindemittel rend hier der persönliche Vorteil, dort der Zwang . Es kam daher dem Bedürfnisse nach für den Heereskörper war. Ausbildung und Übung der Umstand noch besonders entgegen , dafs es nicht blos reichlich Zeit gab, sondern es in disciplinarer Hinsicht geradezu Problem wurde, das Übermafs an Zeit entsprechend auszufüllen . Überliefs man den Soldaten seinen eigenen Passionen und Gedanken , so war gröfste Wahrscheinlichkeit dafür , dafs diese sich in einem dem Dienste nicht förderlichen Sinne geltend machten . Für die Art und Weise, in welcher jene „ Ausfüllung der Präsenz66 zeit

vor sich ging, sind die Verhältnisse jener Zeit , und zwar ins-

besondere die eigenthümliche Gestaltung des Offizierstandes , bestimmend gewesen.

Ohne auf die

letztere ,

besonderen Gegenstand bilden müfste ,

deren Entwickelung

einzugehen,

einen

mag es genügen

zu konstatieren , dafs in den meisten Ländern die Soldaten vorwiegend in den Händen der Unteroffiziere waren, welche ihnen wohl das Formelle, mehr aber nicht, beizubringen und sonst in allen übrigen kleinen aber zahlreichen Dienstobliegenheiten die nötige Aufsicht auszuüben vermochten. Endlich aber war die eigentliche Kriegswissenschaft noch in der Wiege ihrer Kindheit.

Alles , was man unter diesen Begriff brachte,

bezog sich hauptsächlich auf die technischen Hülfsmittel der Kriegführung ; Lagereinrichtung, Brückenschlag, Ballistik und Konstruktion der Feuerwaffen, Befestigung u. s. w. Die Taktik participierte daran nur mit ihrer Formenbildung , welche bis zu dem gröfsten Truppenkörper hinauf elementarer Natur war , regeln eine Armee zu ernähren .

die Strategie

mit den Mafs-

Ein in das Wesen und die Grund-

1 bedingungen der Taktik

und ihrer Aufgabe

eindringendes

und die

Konsequenzen hieraus auf die Formenbildung und Formenverwendung übertragendes Studium gab es nicht, es war weder in der Zeit noch in den Personen gelegen.

Man muss diese Verhältnisse vor Augen behalten , um sich vor dem Irrtum zu bewahren, über die uns gewifs höchst wunderlich erscheinende Taktik am Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu lächeln ; und es wird gut sein, sich stets zu erinnern , dafs die Taktik einer jeden Zeit ein Ergebnis von Thatsachen und Zuständen und nur so weit von dem Einflusse der Per-

5

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

sonen berührbar ist, als in diesen die Erkenntnis der Thatsachen und ihrer Folgen das Eingreifen bestimmt. Personen , welche gegen die unerbittliche Logik der Umstände, und sei es aus den besten Motiven , ankämpfen, werden zum mindesten von den Thatsachen desavouiert, in schlimmeren Fällen vernichtet. Dies ist eine Lehre der Geschichte, die sich zu Herzen zu nehmen auch heute zu tage und insbesondere bei der Betrachtung der Neugestaltung der Taktik von Nutzen sein wird. Um die Taktik jener Zeit in

dem Geiste dieser und zugleich

nach ihrer Bedeutung für unsere Verhältnisse richtig zu beurteilen , ist vor allem festzuhalten, dafs sie entstanden war durch und für die Tendenz der Ausnutzung des Infanteriegewehres als Feuerwaffe . definitive

Herrschaft

der linearen Form

ebenso Konsequenz als Symbol

im Infanteriegefechte

Die ist

des vollständigen Sieges der Feuer-

über die Stofsnatur der Infanteriewaffe . Alle anderen Erscheinungen an jener Taktik sind - zunächst wenigstens - nebensächlicher Art, als sie entweder als absolut unvermeidliche Konsequenzen der linearen Form in den Kauf genommen oder dem Gebrauche der letzteren als Schranken auferlegt werden mussten, weil eben das Feuergewehr die Voraussetzungen, auf welchen die Taktik sich aufzubauen versuchte , nur zum Teile erfüllte und damit gewisse Berücksichtigung des Stofsund Widerstandsmomentes unerlässlich machte . Diese Nebenerscheinungen werden zum mindesten indirekt uns auch in der Folge noch beschäftigen ; augenblicklich aber genügt es , aus der Erfahrung des 17 . und 18. Jahrhunderts festzustellen,

dafs die Tendenz der Aus-

nutzung des Infanterie feuers der elementaren Taktik die Linie als Kampfform aufzwingt , und zwar in dem Mafse , als diese Tendenz eine ausschliefsliche und das Feuer als Universalkampfmittel geeignet ist. Daneben bleibt für das Gefecht auch die Kolonne ,

allerdings

wie später erörtert, nur die Marschkolonne, in Gebrauch, jedoch lediglich als Evolutionsform vor dem Eintritte in die Feuersphäre des Gegners. Die Linie hätte nun

allerdings höchstens dreigliedrig zu sein

mehr als drei Glieder können wohl nicht feuern. Dafs sie anfänglich sechs Glieder zählte und auch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht weiter als auf vier herunterging, hat seinen

gebraucht ,

denn

Grund darin, dafs das Infanteriegewehr als Stofswaffe erheblich minderwertig geworden war , ohne dieses Deficit durch ein rasches Feuer auf die kürzesten Distancen decken zu können. Die Empfindung dieses Übelstandes war

es ,

welche die Taktiker jener Zeit immer

6

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

wieder zu Versuchen mit tieferen Aufstellungen

veranlafste .

Die

nämlichen Gründe trugen gleichfalls bei zur Herbeiführung einer auch von anderer Seite her verursachten Erscheinung, nämlich der Starrheit der

Form .

Denn wenn

die

Stofs- und Widerstandskraft der In-

fanterie durch die Annahme der Lineartaktik überhaupt zurückgegangen war, so galt dies ganz besonders für die Flanken und für etwaige Lücken der Aufstellung. hierzu aufgestellte Infanterie

Während man erstere durch eigens

zu

schliefsen und durch Kavallerie zu

schützen vermochte, konnte man der Entstehung gefährlicher Lücken nur dadurch vorbeugen, dafs man die Teile der Schlachtlinie so nahe als möglich aneinander fügte und jede eigene Absonderung, jede selbständige Unternehmung

derselben

ausschlofs.

Eine Gliederung der

Schlachtlinie in taktisch selbständige Unterabteilungen war dadurch ganz gegenstandslos , die ganze Schlachtenordnung bildete ein untrennbares, ungegliedertes Ganze.

Es zeigt sich hieraus die Starrheit als

eine Konsequenz der linearen Form , jedoch nicht als eine absolute, sondern als

eine bedingungsweise ,

abhängig von dem Grade

der

Nähewaffenwirkung der Infanterie und ihrer Fähigkeit , sich auch in der Flanke zu schützen . Ganz besonders ist aber diese Starrheit durch andere Rücksichten herbeigeführt ;

sie ist der Ausdruck

des Willens der

Führung , sich durch die einmal für notwendig gehaltene lineare Taktik die Herrschaft über das Ganze , heitliche Leitung

nicht schmälern zu lassen.

die

ein-

Mehr noch

als der Schutz der Schlachtordnung ist es das Prinzip der Führung, welches das Ganze auch als lenkbare Einheit zu formen und zu erhalten strebt durch festes Zusammenschliefsen

aller Teile in Einen

Befehlsverband. Dafs nun allerdings die Führung das Mittel zur Erhaltung ihres Einflusses nur in der Starrheit suchte, mag uns, die wir theoretisch und praktisch mit der Gliederung des Befehles wie der Truppen so vertraut sind ,

befremdend vorkommen ,

seits

dafs

daraus ,

die

es

erklärt sich aber einer-

Beschaffenheit der höheren

und

Truppenführer zu dieser Einrichtung nicht gerade einlud ,

niederen anderseits

daraus , dafs diese Starrheit auch von anderer Seite her , nämlich durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Ganzen , geboten schien. Aus den letzten Erklärungen ergiebt sich, dafs auch vom Standpunkte der Führung

die Starrheit der linearen Form nur eine be-

dingungsweise Forderung ist.

Allein sie kann auch in unseren Ver-

hältnissen zur absoluten werden :

überall da , wo bei weiterer Glie-

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. derung des Befehls die Einheit des Zusammenwirkens nicht mehr genügend gewährleistet erscheint. Infolgedessen war in dem durch die Infanterie gebildeten Centrum der Schlachtordnung eine taktische Gliederung gar nicht vorhanden.

Wohl gab es Flügel , Brigaden , Regimenter und Bataillone ,

und es ist deutlich ,

dafs im Vergleiche zur früheren Zeit die Glie-

derung der Truppe schon sehr erheblich fortgeschritten war.

Aber

diese ganze Einteilung hatte im Frieden nur Ausbildungs- , Administrations- und Kontrolzwecke, im Kriege nur die Aufgabe , die Aufsicht zu üben und gutes Beispiel zu geben, wozu jetzt, bei den sehr verlängerten Fronten, wenige Führer nicht mehr ausreichten . Darum ist auch die die Idee einer taktischen Einheit völlig untergegangen ; wie früher im Haufen, so bildete jetzt in Linie das ganze Heer eine einzige taktische Einheit, in welcher die Brigade, das Regiment, das Bataillon nur als Beaufsichtigungseinheit und nur das Bataillon soweit noch als taktische Einheit figurierte , als der Feldherr seine Infanterie nach Bataillonen summierte und innerhalb des Bataillons die Feuerthätigkeit der Infanterie zur Ausführung gelangte. Die Feuerform hatte sich indessen , gleicherweise unter dem Einfluss der für sie bestimmenden Momente grofsmöglichster Wirksamkeit und vollster Beherrschung durch die Führung , stetig dahin entwickelt , dafs die Salve die einzige Art des Feuers geworden war.

Sie gelangte zu dieser Ausschliefslichkeit auch noch durch

die Rücksicht darauf, dafs in der geschlossenen Linienformation eine gleichmässige Ausführung der Ladegriffe, sohin auch eine gleiche Ladeund Feuergeschwindigkeit notwendige Folge war. war verschiedenartig :

Die Art der Salve

man feuerte mit ganzen Gliedern , mit Teilen

solcher, dann mit ganzen Bataillonen oder mit Unterabteilungen (Pelotons) derselben.

Für letztere Art der Salve , welche die gebräuch-

lichste war, wurde das Bataillon , ohne Rücksicht auf seine sonstige administrative Gliederung in Compagnieen , in eine Anzahl von Unterabteilungen geteilt ; derart ab ,

dieselben lösten sich in der Regel flügelweise

dafs zuerst das erste Peloton eines jeden Flügels , dann

das zweite u. s. f. seine Salve abgab.

Alle gebräuchlichen und ver-

suchten Arten der Salve gehorchten der Grundtendenz, ein ununterbrochenes und unter voller Aufsicht und Leitung der Chargen stehendes Feuer hervorzubringen . Diese Starrheit in der Form als Konsequenz des Bedürfnisses der Führung erklärt es denn auch , dafs die Marschkolonne die einzige Evolutionsform war. Sie allein ermöglichte, unter steter Erhaltung der Aufsicht, die Armee als ein Ganzes an den Ort ihrer

8

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

Wirksamkeit heranzubringen , sie bis zu dem gewählten Augenblicke aufser dem Kontakte mit dem Feinde zu erhalten ,

sie in dem ge-

wählten Momente in ihre Gefechts- und Kampfform, die Linie , überzuführen. Ein Zwischenstadium , ein Aufmarsch in Kolonnenlinie als Bereitschaftsform existierte nicht, es sei denn, dafs man die Teilung der Armee in mehrere nebeneinander vorrückende Marschkolonnen als einen solchen ansehen will. Allein diese Teilung ging in der Regel nicht sehr weit ; meistens bildete die Infanterie eine oder zwei (flügelweise) Kolonnen, die Kavallerie flügelweise zwei, die Artillerie eine .

Märsche in mehreren Kolonnen, die einem Vormarsch in Ko-

lonnenlinie gleichen , waren selten, was schon daraus hervorgeht, dafs solche, wie z. B. der Marsch Luxemburgs von Jandrain nach St. Tronc in 11 , oder der Anmarsch des Prinzen Eugen zur Schlacht von Höchstädt in 13 Kolonnen als Wunderwerke der Heeresleitung angesehen. wurden . Es nahm übrigens

der Marschkolonne viel

von ihrer Schwer-

fälligkeit, dafs sie nicht mehr wie früher aus der tieferen Rangierung, als Reihenkolonne, sondern mit Frontunterabteilungen , Sektionen , Pelotons, selbst Divisionen gebildet war. Die Wahl der Kolonnenbreite richtete sich nach dem

gegebenen Raume ,

doch ermöglichte gerade

das Terrain, wie es die Linienform aufzusuchen nötigte, in dem dem Aufmarsche unmittelbar vorhergehenden Stadium die Annahme breiter Marschkolonnen . Endlich ist noch zu erwägen, dafs der Aufmarsch in die Linie aufserhalb der feindlichen Feuerwirkung erfolgte , so dafs in dieser Hinsicht der Nachteil so tiefer Kolonnen nicht ,

son-

dern nur ihr Vorteil gröfserer Leistungsfähigkeit fühlbar war. Vom Aufmarsche ab , also durch die ganze feindliche Wirkungssphäre hindurch ,

war

die Linie auch einzige Bewegungsform .

Die

Unbequemlichkeiten , Schwierigkeiten und Verzögerungen , die sie verursachte, entsprangen weniger der Linie als solcher, als ihrer Starrheit, die unter den damaligen Umständen ein notwendiges Übel war. Alle anderen reglementarischen Formen ,

soweit

sie nicht blos

für Parade und Besichtigungen , sondern für den wirklichen Gefechtsgebrauch bestimmt und geeignet waren, bezogen sich auf Herstellung der Marschkolonne, Veränderung der Breite derselben , Aufmarsch zur Linie , Vormarsch derselben unter Überwindung von Defileen und Hindernissen, endlich die Bildung des Carrés .

Doch wurde die letztere

Form praktisch nur wenig verwendet, ihre Herstellung aus der Linie erforderte zu viel Zeit und beschränkte die Macht des Feuers zu sehr, als dafs man nicht vorgezogen hätte , in der Linie zu verbleiben und diese durch Dublieren der Rotten zu verdichten.

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Wie

aber schon

zu Ende

9

der Pikenzeit bemerkbar geworden

war, dafs die lineare Form das Schwergewicht des Kampfes in das so kam dies nunmehr in vollem Mafse zur Geltung, als die definitive und vollständige Durchführung der Linear-

erste Treffen verlege ,

taktik

dazu genötigt hatte, die Intervalle auf ein Minimum zu reduzieren. Dem entsprechend zeigt sich, dafs allenthalben das zweite Treffen schwächer als das erste gemacht und auf die Aufgabe, dieses

stets in kampffähigem Zustande zu erhalten, beschränkt wird. Das erste Treffen aber ficht die Schlacht von Anfang bis zu Ende durch, auf ihm ruht die ganze Aufgabe des Tages , in seinem Erfolge der des Ganzen . Diese Entwickelung der Taktik hätte das zerstreute Gefecht der Infanterie

vollständig beseitigt,

wenn es sich nicht fast gegen den

Willen, jedenfalls aber ohne das Zuthun der Führung, gewissermassen zufällig selbst wieder eingeführt und erhalten hätte . Seine Stätte war die sogenannte Frei - Infanterie, die ihren Ausgang von Oesterreich her nahm ,

wo die Besitzergreifung bedeutender, den Türken

abgenommener Gebiete dem kaiserlichen Heere ein zahlreiches und durch die frühere türkische Herrschaft kriegerisch geartetes Heermaterial zuführte .

Auf die Verwertung desselben mochte man um-

soweniger verzichten,

als dasselbe durch seine Vertrautheit mit der

eigentümlichen osmanischen Kriegführung in gewisser Beziehung ausserordentlich brauchbar schien, und in den eroberten Provinzen die Inanspruchnahme der lebenden Kräfte der kaiserlichen Regierung nicht die Schwierigkeiten verursachte , auf welche sie in den Erblanden zu stofsen gewöhnt war. Da man aber dieses Heermaterial nicht nach der Art der regulären Truppen ausbilden konnte, so verwandte man es nach seiner eigentümlichen Eigenschaft aufserhalb der regulären Truppen, in deren diffiziles Gefüge diese naturalistisch kämpfenden Schaaren nur Störung gebracht haben würden .

Man or-

ganisierte daraus die Panduren- (später Kroaten- *) Bataillone ,

und

verwendete

zur

diese

sowohl aufserhalb der rangierten

Deckung der eigenen ,

Gefechte

Störung der feindlichen Verbindungen, Deta-

chierungen, Sicherheitsdienst,

als

auch innerhalb desselben in zer-

streuter Ordnung zur Besetzung der Oertlichkeiten. Von diesen beiden Verwendungsarten schlägt nur die zweite in den vorliegenden Gegenstand ein.

Sie bietet jedoch für sich allein

schon eine interessante Wahrnehmung.

Sie zeigt ,

dafs

selbst für

*) Diese Bezeichnung kam während des 30 jährigen Krieges nur der irregulären Kavallerie zu, ging aber nunmehr auf die irreguläre Infanterie über.

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

10

Formationen, welche ganz auf maximale Feuerwirkung eingerichtet sind, die Zuhülfenahme der zerstreuten Gefechtsform unerlässlich ist, und zwar in dem Grade,

in welchem die geschlossene,

oder besser

die normale Gefechtsform die Forderung der Verwendbarkeit im Terrain unerfüllt läfst.

Vorgeschobene Punkte,

seitwärts gelegene De-

fileeen u. s. w. aus dem ersten Treffen zu besetzen, die Beobachtung und Störung des

feindlichen Aufmarsches,

die Einleitung

fechtes durch aus der Front detachierte Abteilungen

des Ge-

vornehmen zu

lassen , wäre eine Anomalie gegen die normale Gefechtsform gewesen. Da aber gleich wohl alle diese Dinge nicht zu ignorieren waren, so bediente man sich gerne hiezu jener irregulären Truppen, die auf solche Weise erspriefsliche Verwendung

fanden ,

ohne dafs

sie in die rangierte Schlachtordnung aufgenommen zu werden brauchten. Diese Frei-Infanterie ist dem Sinne nach als ein Vortreffen oder als Detachierung der Schlachtordnung anzusehen . zerstreuter Ordnung, im Schwarm ,

Sie kämpft nur in

nur in und um Oertlichkeiten ,

welche die Verwendung geschlossener Formen erschweren, bekämpfen den feindlichen Aufmarsch, beschäftigen seine Front, treten aber im Stadium der Entscheidung hinter der regulären Infanterie zurück . Dafs aber die Existenz dieser Freitruppen und ihr zerstreutes Gefecht ein wirkliches Bedürfnifs der Taktik war und nicht blofs ein Accidenz der speziell österreichischen Verhältnisse, das beweist die Erfahrung,

dafs

nun auch Freibataillone und Freikompagnieen

in allen anderen Ländern entstanden ,

selbst in

solchen ,

die be-

züglich des Materials hierfür durchaus nicht die in Oesterreich bestehenden Voraussetzungen in sich fanden. dafs an diesen Truppen nicht

Es geht daraus hervor,

die Irregulärität,

streute Gefecht es war, was die Taktik begehrte.

sondern das

zer-

Sie bedurfte eines

Vortreffens, dessen Thätigkeit an jenen Punkten und in jenen Stadien des Gefechtes,

wo nicht der Entscheidungskampf sich vollzog ,

ein-

trat und dem Haupttreffen es erleichtert, in die Entscheidung möglichst ungeschwächt in Zahl und Form einzutreten. Dafs eine Art von zerstreuter Ordnung auch in diesem eintrat , namentlich am Ende des Entscheidungskampfes, ist selbstverständlich . Aber dies war so wenig beabsichtigt und wurde für eine solche Gefahr gehalten, dafs die Wiederherstellung der geschlossenen Ordnung für ein höheres Interesse galt, als die Ausnutzung des Erfolges .

Der

um seiner Wiederrangierung willen auf die Verfolgung wenigstens durch die Infanterie, da eine solche durch blofses Feuer nicht möglich war, und gestattete so dem Besiegten, den zur

Sieger

verzichtete

Wiederherstellung seiner Ordnung nöthigen Vorsprung zu finden.

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

11

Durch die Abschaffung der Pike und die damit in Zusammenhang stehende Weiterbildung der Gefechtsform hatte das Ganze der Infanterie im Vergleiche zu der unmittelbar vorhergegangenen Zeit soviel an eigener Kraft gewonnen , Kavallerie

entraten ,

die

dafs sie des Schutzes durch die

unnatürliche

und Schwadronen aufgeben konnte .

Vermischung der Bataillone

Kam dies einerseits wieder der

Festigkeit des Gefüges, der Führung der Infanterielinien , der Leitung ihres Feuers zu Gute, so

ermöglichte es auch anderseits, wie dies

im spanischen Erbfolgekriege auch wirklich eintrat , wieder

die Kavallerie

auf den Flügeln zu massieren und sie ihrer ursprünglichen

Bestimmung wieder

zurückzugeben.

Wenn die Reiterei sich dieser

nicht gleich mit allem Nachdrucke zuwandte, so lag dies teils darin, dafs

die

geringe Tiefe der ganzen Schlachtordnung es sehr wichtig

erscheinen liefs , die Flanke nicht zu früh und zu sehr zu entblöfsen, teils darin, dafs die Kavallerie, von der allgemeinen Feuermanie mitergriffen, das Feuergewehr in einem Umfang annahm und kultivierte , wie bisher noch nie. Der erstere Grund lag in der Taktik und war deshalb so ohne weiteres nicht aus der Welt zu schaffen, wenngleich immer noch möglich blieb,

den Schutz der Flanke

offensiv zu be-

wirken ; der zweite aber war nicht durch die Verhältnisse ,

sondern

mehr durch ihr Mifsverstehen entstanden und konnte und musste gehoben werden. Dazu trug denn auch zum Teile schon die Erfahrung bei, die doch stets wieder den Beweis lieferte, dafs die eigentlichen Waffen der Reiterei Pferd, Sporen und Säbel seien ; hauptsächlich aber mufste die Korrektur dem Auftreten von Persönlichkeiten vorbehalten bleiben, die mit der Erkenntnis des Fehlers auch die Macht zu dessen Bekämpfung besafsen .

Solche Männer waren Carl XII. und

der grofse Kurfürst ; aber der damalige Einfluss ihrer Erfolge war nicht von genügendem Gewichte, um die im Methodismus der Zeit befangene Reiterwaffe dies

im Allgemeinen

blieb Friedrich dem Grossen

die Kräftigung,

zur Bekehrung

vorbehalten.

zu bringen ;

Infolgedessen

fiel

welche die Taktik im Allgemeinen von der Kaval-

lerie hätte erwarten können , nicht sehr ausgiebig aus , und diese beschäftigt sich im Verbande mit der Infanterie vorwiegend damit, die feindliche Kavallerie ohne

sich dabei

zu beschiefsen,

zu beschäftigen,

zu bedrohen,

zu weit von dem angewiesenen Platze im ganzen

der Schlachtordnung zu entfernen .

Der Säbel kam erst, wenn es mit

dem Schiefsen nicht mehr ging, d. h. in der Regel nicht früh genug. Das Verhältnis der Infanterie zur Artillerie war , nach gleich bleibend, zum besseren fortgeschritten . Adolf angebahnte Verwandlung

dem Wesen

Die durch Gustav

der Zunft zur Waffe

war bis zum

12

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

Anfang des 18. Jahrhunderts allenthalben zur Durchführung gelangt, wenigstens in der Feldartillerie .

Nicht allein waren jedem Bataillon

zwei leichte Geschütze zugewiesen , welche von Mannschaften der Infanterie bedient wurden, sondern auch die nicht regimentierte Artillerie war mit regulären Mannschaften und Bespannungen versehen . Insoweit konnte also sicher sein .

die Infanterie der Unterstützung der Artillerie

Dafür sorgte auch die Taktik, welche offenbar mit Rück-

sicht auf Verstärkung des Infanteriefeuers , auf der ganzen Front verteilte .

die Geschütze möglichst

Aber gerade dieser Umstand, ferner

die geringe Feuergeschwindigkeit und endlich die geringe Beweglichkeit der Geschütze , die zum Teile durch eine weitgehende Schonung der Bespannungen herbeigeführt wirkung der Artillerie gute kam.

mehr

war,

verursachten ,

der Defensive

dafs

die Mit-

als der Offensive

zu

Unter diesen Umständen änderte auch die Abschaffung der Pike nichts an dem Gesamttypus der Taktik. Der Verlauf der Schlacht blieb nach wie vor ein frontaler , ein gegenseitiges Sichmüderingen, nach welchem der Sieger erschöpft das Feld behauptet. Der Angrift war der Vertheidigung gegenüber so im Nachteile, dafs die Strategie eine wesentliche Aufgabe darin fand , ihn dem Gegner zuzuschieben , und dafs , nachdem der Versuch, taktisch zu flankieren , doch immer wieder zum Frontalkampfe führte, wofern der Gegner nicht aus anderen Gründen aus dem Wege ging, die Strategie ihr Problem darin suchte , den Erfolg , den durch den Kampf zu erreichen man zu schwierig fand , auf dem billigeren Wege des Manövrierens zu langen. Die Bilder, wie sie jene Strategie darstellte, sind bekannt, dieses Stellungsuchen, Schanzen, Umgehen , Vorlegen, Drücken auf die Verbindungslinien , Bedrohen der Magazine, die langen befestigten Linien zum Schutze einer Belagerung

oder der Grenzen .

Ihre eingehende

Schilderung ist für den vorliegenden Gegenstand erlässlich .

Aber es

ist doch gut, sich zu vergegenwärtigen, zu welcher Sorte von Kriegführung man

kommt ,

wenn man die Opfer des Angriffes

scheut,

wenn man nicht die Kraft fühlt , der vermeintlichen Übermacht der Defensive zu begegnen .

Ob die damalige Ansicht von der Schwie-

rigkeit der taktischen Offensive wirklich begründet war oder nicht, genug, sie existierte und herrschte und dies hat eine Kriegführung erzeugt, in welcher zwar Erfolge , aber keine Entscheidungen errungen, Terrain gewonnen und verloren , aber keine Niederwerfung des Gegners erreicht wurde.

Dahin

wird man immer wieder kommen

müssen, sobald man anfängt, den Angriff im Prinzipe für bedenklich

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. zu halten.

13

Wer jenes nicht will, mufs sich entschliefsen, die mate-

riellen und moralischen Bedingungen zu erfüllen , unter welchen der Angriff seine Bedenken, seine Gefahr zu vermindern verspricht. Wie weit dies auf die Gefechtsform der Infanterie Bezug hatte,

ist aus den vorangegangenen Schilderungen zu ihnen ergeben sich auch die Punkte , wickelung anzuknüpfen hatte .

an welcher

entnehmen .

Aus

die weitere Ent-

Schon an früherer Stelle ist angeführt, dass man die Schwierigkeiten der Form am vollständigsten mit dieser selbst beseitigt hätte, d . h. indem man die lineare Form abschaffte und durch die Kolonne ersetzte . Aber aus dieser war ja erst alles mit Mühe und in langer Zeiten-Entwickelung hervorgegangen , und bevor man die Lineartaktik einfach abschaffte , war doch erst noch die Erkenntnis notwendig, dafs diese an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sei. Denn ein Entwickelungsgang ,

den die Geschichte unter dem zwingenden Gebote der Umstände eingeschlagen hat , kann nicht nach Belieben verlassen werden , den Menschen ist seine Weiterbildung gegeben , seine Veränderung aber den Ereignissen und Umständen vorbehalten . Die Lineartaktik hat in der That eine Epoche hoher Blüte erlebt.

Ohne ihren Sinn und ihre Tendenz zu ändern ,

ohne sie mit

neuen Formen auszustatten , lediglich durch eine vollkommenere Erfüllung ihrer Bedingungen, sind mit ihr Erfolge errungen worden, die unerhört waren und in vieler Beziehung

unerrreicht geblieben sind.

Es giebt nicht leicht einen glänzenderen Beweis dafür, dafs es nicht auf die äufsere formelle Gestaltung der Taktik, sondern auf ihr Verständnis ankommt , und dass dieses Verständnis , welches mehr noch als in der Menge der Ausführenden , in der Einheit des Organisators wirksam werden mufs, darin besteht , dafs es die Voraussetzungen und Konsequenzen der taktischen Formen genau erkennt. Eben deshalb ist es auch so schwierig, ja unmöglich, ein konkretes Reglement blos aus den darin enthaltenen Formen zu beurteilen , weil die Brauchbarkeit der letzteren durch die geistige Klarheit

und die

moralische Konsequenz

Ein und

der Organisation bestimmt wird.

dasselbe Reglement kann in diesen Händen zu guten , in jenen zu schlimmen Resultaten führen; es ist eine Pflanze , die in dem einen Boden gedeiht , im anderen verkümmert, je nachdem derselbe die Bedingungen ihrer Existenz und ihres Wachstums erfüllt. Die reglementaren Formen der Infanterie waren in Preufsen so

ziemlich die gleichen wie anderwärts, Kolonnenbildungen, Abmärsche , Aufmärsche, Staffel- und Carréformationen unterschieden sich von

14

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

jenen anderer Armeeen sicher nicht so viel , deres taktisches Übergewicht herzuleiten .

um daraus ein beson-

Diese hat nicht das Regle-

ment, sondern dessen Verwirklichung hervorgebracht. Die glänzendsten taktischen Erfolge der linearen Form knüpfen sich an Friedrich des Grofsen sogenannte schräge Schlachtordnung. Sie ist allbekannt :

gleichwohl dürfte es erspriefslich sein ,

dieselbe

näher zu analysieren , teils um den Beweis für die Herrschaft des organisatorischen Elements in der formalen Taktik perfekt zu machen, teils um aus der historischen Umgebung jene Ursachen

zu abstra-

hieren, welche nicht für jene Zeit , sondern für immer bestimmende Einwirkung aufweisen. Nach ihrer geometrischen Grundlage bestand die schräge Schlachtordnung darin, dafs die angreifende Armee nicht in einer zur feindlichen Front parallelen, sondern in einer solchen Linie aufmarschierte , welche mit der Verlängerung der feindlichen Aufstellung einen Winkel bildete ,

und

sonach

durch

ein einfaches gerades Vorrücken einen vorausgesetzt , dafs

feindlichen Flügel überragte und eindrückte , die feindliche Front dabei

stets

die

gleiche blieb.

Der mit Über-

macht und in verwandter Front angegriffene feindliche Flügel wird geworfen und nun die feindliche Stellung von hier aus aufgerollt, während der zurückgehaltene Flügel des Angreifers durch sein successives Eintreten ins Gefecht die übrigen Teile der feindlichen Stellung beschäftigt und festhält. Diese geometrische Konstruktion ist so aufserordentlich einfach und repräsentiert Flankenangriffes

so sehr die

einzige Lösung

mit der linearen Form ,

dafs

des Problems

eines

man sich wundern

müfste, warum davon überhaupt so viel Aufhebens gemacht worden ist und warum nicht andere Heerführer sich ihrer auch bedient haben. Aber das Verdienst liegt nicht in der geometrischen Idee ,

die

weder neu war noch auch von anderen unversucht geblieben ist . Allein Turenne , der sie bei Sinzheim und Ensisheim anzuwenden versucht hatte, war dies nicht gelungen, Friedrich dem Groſsen aber gelang die Ausführung, - darin liegt der Unterschied und der Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung. Sollte nämlich der Angriff der schrägen Schlachtordnung in der That auf eine feindliche Flanke treffen , so mufste zwischen dem

Momente , in welchem der Angegriffene den feindlichen Aufmarsch in welchem der entscheidende Stofs auf den

erkannte , und jenem ,

angegriffenen Flügel erfolgte , eine so geringe Spanne Zeit liegen , dafs es innerhalb derselben dem Angegriffenen nicht mehr möglich war, eine neue der feindlichen parallele Front zu bilden.

Unter den

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

15

Verhältnissen der Lineartaktik mit ihrem starren Gefüge und ihren schwachen Reserven war diese Frist nicht allzu karg bemessen, denn eine neue Front war nur herzustellen durch Abmarsch und abermaligen Aufmarsch, zwei gerade damals ziemlich langwierige Prozeduren. Gleichwohl ist ersichtlich, dafs die Chancen des Verteidigers mit jeder ihm gegönnten Minute erster Linie das Grundgesetz

sich besserten

des

und dafs

also in

schrägen Angriffes auf äusserste

Zeitbenutzung lautete. Zum Teil war dies welche dahin abzielten ,

nun wohl

lichst lange zu verbergen. bringen, musste

dieselbe

zu erreichen durch Mafsregeln,

dem Feinde den An- und Aufmarsch mögUm die Armee in die schräge Front zu meistens

erst im Flankenmarsche an der

feindlichen Front vorbeiziehen. In den Fällen , in welchen dies gelang , trat allerdings der Angriff noch im Bunde mit der Überraschung ein. In jedem Falle aber war erforderlich , dafs der Angreifer die Zeitdauer seines An- und Aufmarsches selbst nach Möglichkeit kürzte ; und hierfür war nun wieder bestimmend die Raschheit , mit welcher der Angriffspunkt bestimmt wurde und von der Schnelligkeit , in welcher die Herstellung der Front sich vollzog .

Die Wahl des An-

griffspunktes und der neuen Frontrichtung lag lediglich beim Oberfeldherrn, dem Könige ; sie war dadurch vereinfacht, dafs sie nur zwischen zwei Flügeln zu wählen hatte, daſs zu jener Zeit die Armeeen offene Schlachtfelder aufzusuchen genötigt waren und dafs sie hier stets in Schlachtordnung zu lagern pflegten.

Die Rekognoszierung der feind-

lichen Stellung und ihrer Flügel und die Würdigung des Terrains waren demnach nicht allzu zeitraubend und die erforderliche Têtenschwenkung konnte bald begonnen werden . Aber es ist nicht zu übersehen , dafs von nun ab der Angriffspunkt absolut fixiert war, so dafs jede Änderung des Entschlusses, jedes Stocken, jedes Schwanken Zeitverlust verursacht , die Aussicht auf den Erfolg geschmälert haben würde .

Konsequent an dem ein-

mal gewählten Angriffsobjekte festhalten, war eine weitere Bedingung des Gelingens .

Nicht immer hat der König gerade

den Punkt er-

rathen, wo der Angriff wirklich die meisten Chancen geboten hätte . Aber gerade die Konsequenz , mit welcher er das einmal begonnene Werk durchführte, brachte ihn regelmässig einer feindlichen Schwäche näher, als dies eine Änderung des Entschlusses und der Disposition vermocht hätte und

die unvermutet auftauchenden Schwierigkeiten

wurden dadurch leichter überwunden ,

weil sie die Willenskraft des

Führers nicht ab-, sondern höher spannten.

Die Schlacht bei Prag

16

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

( 1757) , in welcher die bei der Rekognoszierung für günstig gehaltenen Wiesen vor dem linken Flügel sich schliefslich als Moräste entpuppten, ohne dafs dies jedoch zu einer Änderung der einmal begonnenen Angriffsbewegung führte , bildet ein beredtes Zeugnifs

für jenes so

bedeutende Moment der schrägen Schlachtordnung - die Klarheit , Festigkeit und Beharrlichket in dem Entschlusse. Die Schnelligkeit des An- und Aufmarsches ist ausschliesslich Es ist bekannt , ein Produkt der Evolutionsfähigkeit der Truppen. was hierin

die Friedericianische Infanterie in

ihrer besseren Zeit

zu leisten vermochte ; es ist aber auch von Belang, die Quellen dieser Leistungsfähigkeit kennen zu lernen . Die Formen, die hierfür bestanden , bieten , wie schon bemerkt, nichts neues . Es sind dieselben , die auch den Gegnern Friedrichs zu Gebote standen. diente ,

Die geöffnete Kolonne ,

war zugleich einzige Evolutionsform .

welche Sie

dem Marsche

eignete

sich zu

einer solchen, weil sie die Möglichkeit gab, das Ganze bis zum letzten Augenblicke in der Hand des obersten Führers und leitungsfähig zu erhalten, und doch im Bedarfsfalle sofort die Linie, d . h. die Kampfform , herzustellen.

Darin also, dafs die Marschkolonne der damaligen

Zeit ebenso den Anforderungen des Gefechtes als des Marsches entsprach, lag der Grund, warum eine Zwischenform zwischen ihr und der Linie nicht existierte. Aber von ganz entscheidender Bedeutung war dabei das Verhalten der Marschkolonne . Es ist schon an früherer Stelle darauf hingewiesen worden , dafs die Herstellung der Linie durch gleichzeitiges Einschwenken sich sehr rasch vollziehen konnte ,

dabei aber

von der Form eine sehr vollendete Ausführung zur Bedingung machte. Es war erforderlich, dafs die Unterabteilungen genau ihre Abstände , die nebeneinander marschierenden Kolonnen ihre Zwischenräume einhielten ,

dafs im Augenblicke

des Einschwenkens Alles schleunigst

das neue Alignement nahm und endlich auch gröfsere Truppenkörper im stande waren, in Linie sich ohne Störung des Gefüges vorwärts zu bewegen . Diese Fähigkeit war nun speziell der preussischen Infanterie durch eine gründliche , von den Offizieren unter eigener Verantwortung geleitete , von dem Könige sorgfältig überwachte Detailansbildung zu eigen gemacht, die schon unter Friedrich Wilhelm I. durch Leopold von Dessau eingeführt und gehandhabt, seit langer Zeit die preufsische Infanterie imprägniert hatte , als dieselbe nun auch auf dem Schlachtfelde sie zu erweisen Gelegenheit fand . tigkeit, Schnelligkeit und Präzision ,

mit

Die grofse Fer-

welcher die Bildung der

1

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

17

Marschkolonnen, der Linien , die Bewegungen in beiden Formen vo sich gingen, waren speziell Produkte einer vorangegangenen Exerzierplatzleistung .

für

Die Rücksicht auf diese Hauptevolutionen giebt eine Erklärung die eigentümliche Verschiedenheit zwischen der Kriegs- und

Friedenseinteilung des Bataillons.

Dasselbe hatte eine Gefechts- und

eine compagnieweise Formation .

Zu ersterer zerlegte es sich unter

Ignorierung des Compagnieverbandes in vier Divisionen à zwei Pelotons ; zu letzterer in seine fünf Compagnieen . Für den Marsch aufserhalb der Feindesnähe

war die

compagnieweise ,

für den An-

marsch zum Gefechte die Gefechtsformation gewählt worden . Aber diese Verschiedenheit der Formation bestand nur im Frieden ; sowohl 7jährigen Kriege , als auch im baierischen Erbfolgekriege führt die eingetretene Augmentation der Bataillone dazu , dass diese sich

im

in je fünf Divisionen zerlegen , Division mit Compagnie also identisch wird. Wenn nun gleichwohl jedesmal nach der Beendigung des Krieges wieder die Doppelformation angenommen wurde , so lag darin nicht etwa eine unnötige Komplikation des Reglements . Die Schnelligkeit der Evolutionen erforderte eine genaue Einhaltung der Distanzen in der Marschkolonne, die demnach durch die Friedensübung den Leuten geläufig und zur Gewohnheit werden mufsten. Diese Distanzen hinsondern von der Stärke der Divisionen Würde diese in ihrem Friedens- und Kriegsstande bedeutende

gen nicht von der Zahl , ab.

Differenzen aufgewiesen haben ,

so

hätten

sich

bei allen Friedens-

übungen die Teile der Kolonnen auf kürzere Distanze zu folgen gehabt, als der Kriegsstand erforderte, - oder hätten andernfalls eine geschlossene Linie rasch herzustellen nicht vermocht. Diese Doppelformation war also offenbar eine Konzession an die kriegsmässige Ausbildung der Infanterie bei geringerem Friedensstande. Dieselbe gründliche Detailausbildung war es auch, welche selbst in jenen Fällen ,

wo

die Bildung

der Linie

früher

hatte

erfolgen

müssen , als dies der Lage des feindlichen Flügels nach notwendig war, es ermöglichte , durch die Art des Vormarsches noch die Umfassung des Angriffsobjektes zu ermöglichen.

Bei Rofsbach und bei

Leuthen ging die Infanterie nicht im Frontmarsche vor, sondern mit im Schrägmarsche vorrückenden Staffeln von Bataillonen , eine Formation, die, im feindlichen Feuer ausgeführt ,

kaum anwendbar ge-

wesen wäre bei einer Truppe, welche nicht diesen Grad von Detailausbildung und innerem Zusammenhalte besafs . Dieser Teil also in der Ausführung des Gedankens der schrägen 2 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XL.

18

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

Schlachtordnung ist das Ergebnis einer organisatorischen Thätigkeit, welche für die Forderungen

der Taktik die Bedingungen schon in

Friedenszeit erfüllte . Nicht allein die Genauigkeit und Peinlichkeit der Detaildressur an sich hat diese so wertvoll gemacht , sondern der Umstand , dafs ebenso das Ziel wie die Gründlichkeit der Ausbildung im Einklange mit den augenblicklichen Forderungen der Taktik standen. Es kennzeichnet sich also nach Vorstehendem das Wesen des schrägen Angriffes als das Bestreben, mit einem ― durch die Avantgarde verstärkten Teile der Front eine Flanke , d . h . einen für das Ganze entscheidenden Punkt der feindlichen Schlachtlinie zu überwinden , während gleichzeitig der zurückgehaltene Teil der angreifenden Linie durch sein successives Eintreten in den Kampf die übrigen feindlichen Kräfte von Punktes abhalten sollte.

einer Unterstützung des entscheidenden

In dieser Auffassung wird das Wesen der

schiefen Schlachtordnung heute noch , wie für alle Zeiten seine Bedeutung behalten . diese Bedeutung

Allein es ist immerhin nicht zu verkennen , dafs nur sehr allgemeiner Natur ist.

An und für sich

schon fällt sie nur in das Gebiet der höheren Führung und Organisation ,

deren Leistungen ja ausschliesslich die Früchte dieser Ver-

fahrungsweise gezeitigt haben , und hat nichts gemein mit dem Einflusse der Form .

Das Gelingen des schrägen Angriffes, soweit dieses

wirklich eintrat, war lediglich ein Erfolg jener zielbewussten Klarheit , Konsequenz Heeres,

und Energie in der Führung und Heranbildung des

welche es möglich gemacht hatte ,

sich einer Angriffsweise

zu bedienen, die sonst und anderwärts eben an der Schwierigkeit ihrer Ausführung gescheitert war. Die Angriffsform aber als solche war so sehr ein Ergebnis der augenblicklichen starren Lineartaktik und der damaligen Kriegführung , dafs eine Wiederverwendung derselben sich lediglich im Falle einer Wiederholung aller andern begleitenden Umstände gewärtigen liefse . Dies ist wohl für heute und in der nächsten Zukunft ausgeschlossen . Dagegen bietet für uns,

und gerade

in

Beziehung

auf die

Formenlehre, die fridericianische Taktik spezielleres Interesse , wenn man die schräge Angriffsform statt in ihrer ideellen Konstruktion , in ihrer praktischen Gestalt, wirklich gewann ,

betrachtet.

wie sie solche auf den Schlachtfeldern Thatsächlich ist die einfache Flügel-

aufrollung nie eingetreten, auch nicht in der Schlacht bei Leuthen, welche doch für diejenige gilt , in der sich der Typus der schrägen Schlachtordnung am prägnantesten ausspricht.

Es war ja bei aller

Raschheit des preufsischen Anmarsches doch nie zu vermeiden, dafs

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. der Feind

mindestens

19

an dem bedrohten Flügel Gegenanstalten zu

treffen im Stande war, deren Ausgiebigkeit sich nach der verfügbaren Zeit bemafs . Meist wurde ein Haken von dem bedrohten Flügel gebildet,

dieser dann aus dem zweiten Treffen, aus der Re-

serve, aus Teilen des anderen Flügels verlängert und verstärkt.

Es

stand also dem Angriffsflügel nicht eine reine Flanke, sondern immer wieder eine Art Front gegenüber. Der Widerstand, den diese leistete, war entscheidend dafür , ob derselben noch weitere Verstärkung zugeführt , oder ob sie in ihrer vorerst improvisierten Verfassung allmählich gefestigt werden konnte. Damit veränderte sich der Flankenangriff zum Flügelangriff, die Umfassung wurde erst durch das Eindrücken des Flügels erreicht ; der Kampf am Entscheidungspunkte war Frontalkampf. In dieser Weise haben sich alle Schlachten des siebenjährigen Krieges (Rofsbach ausgenommen ,

wo

völlige Überraschung eintrat)

gestaltet. Von dem Erfolge des Frontalkampfes des preussischen Angriffsflügels hing es ab, ob die Idee der schiefen Schlachtordnung auch in der Praxis sich verwirklichen konnte. Damit nun traten andere Faktoren in Wirksamkeit ; vornehmlich die Zahl und das was ein

Äquivalent

für diese

Gefechtskraft der Truppen.

zu schaffen geeignet war ,

Terrain und

In dem Mafse, in welchem der besseren

Kampftüchtigkeit der preufsischen Truppen der Gegner numerische Überlegenheit und Gunst des Terrains zum Ausdruck zu bringen Zeit und Mittel fand , verminderten sich die Chancen der schrägen Schlachtordnung.

Alles kam

darauf an , den Frontalkampf in der

möglichst kurzen Zeit und mit nachdrücklichstem Erfolge zu beenligen. Wo dies nicht gelang , endete die Schlacht besten Falles in einem verlustreichen und taktisch resultatlosen Müderingen beider Teile - (Zorndorf) , schlimmeren Falles aber mit einer Niederlage der Preufsen

(Kolin, Kunersdorf) .

So kam es , dafs der Erfolg des Ganzen sich stützte auf den Erfolg eines Teiles , den dieser im frontalen Kampfe zu erringen hatte ,

und in welchem vom Augenblick des Beginnes ab,

nicht mehr die höhere Führung , sondern die Kampfestüchtigkeit der Truppe das entscheidende Wort sprach . Und hierin ist es, wo sich weiter nachforschen und lernen läfst. Denn da nicht blos innerhalb der ganzen Heere, sondern auch oft an den entscheidenden Angriffspunkten die preufsischen Truppen gegen eine Überlegenheit an Zahl oder im Terrain anzukämpfen hatten , ist es von Belang , die Mittel kennen zu lernen , womit sie den Teilsieg zu erringen vermochten . (Fortsetzung folgt.) 2*

20

Die Erstürmung von Kars.

II.

Die Erstürmung von Kars, unter Zugrundelegung des Tagebuches eines russischen Generalstabsoffiziers der Armee in Armenien 1877/78 .

Am 17. November 1877 befanden sich 391/2 Bataillone , 40 Schwadronen (bezw. Sotnien) und 124 Geschütze vor Kars.

Diesen 26 377

Mann standen nach russischen Berechnungen in Kars und seinem befestigten Lager an 30 000 Türken gegenüber, zum grofsen Teil Flüchtlinge der bei Wisinkiöi geschlagenen Feldarmee . Das hier zu grunde liegende Tagebuch berechnet die Stärke der Türken wie folgt : „ 17 000 Mann wurden mit den Waffen gefangen , 5000 fand man in den Lazareten , 5000 waren gefallen und wenigstens 3000 Einwohner nahmen an dem Kampfe teil. " Der Sturm war ursprünglich auf den 13. November festgesetzt . An diesem Tage trat aber ein so heftiges Schlackenwetter ein , dafs im

letzten Augenblick das Unternehmen aufgegeben werden musste. Da der Feldtelegraph in Unordnung

geraten war (! ) ,

erhielten

die Truppen des Generals Roop den Gegenbefehl erst, als sie bereits in ein Gefecht verwickelt waren, welches nunmehr abgebrochen wurde . Der Zufall begünstigte übrigens die Russen .

Die Türken hatten

nämlich ihre Absichten erfahren und infolgedessen die ganze Nacht unter dem Gewehr gestanden . Die Nacht zum 18. November wurde bestimmt.

nunmehr für den Sturm

Am Abend vorher standen die Russen in 11 verschiede-

nen Kolonnen vor Kars bereit : 1. Generalmajor Komaroff mit 6 Bataillonen, 16 Geschützen beim Dorfe Tatlidscha zur Demonstration gegen Fort Tochmals und zum Sturm auf Fort Tschim . 2. Oberst Tscheremissinoff mit 31½ Bataillonen und 4 Geschützen beim Dorfe Komk zur Demonstration gegen Fort LasTepessi und Fort Muchlifs . 3. Generalmajor Scheremetjeff mit 15 Schwadronen und 8 Geschützen beim Dorfe Tschachmaur zur Beobachtung der Strafs e von Kars über Samawat auf Erzerum.

Die Erstürmung von Kars. 4. Generalmajor Fürst

21

Tscherbatoff mit

1912

Schwadro-

nen beim Dorfe Kümbet zur Deckung der grofsen Strafse nach Erzerum . 5. Oberstlieutenant Fürst Melikoff mit 3 Bataillonen

beim

Dorfe Tschiftlik zum Sturm auf die Forts Ssuwari und Tschim . 6. Generalmajor Graf Grabbe mit 5 Bataillonen, 8 Geschützen beim Dorfe Ober-Karadjören zum Sturm auf Fort Kanly. 7. Generalmajor Alcha soff mit 7 Bataillonen , bei den Belagerungsbatterieen Fort Chafiz-Pascha.

des rechten Flügels

(Von dieser Kolonne waren 2 Bataillone , Oberst Kosselkoff zur Reserne bestimmt.)

16 Geschützen zum Sturm

8 Geschütze

auf

unter

8. Generallieutenant Fürst Tschawtschawadse mit 4 Schwadr. 8 Geschützen beim Dorfe Ober-Karadjören zur Besetzung der Brücke von Kütschük-Köi und zur Verbindung mit dem die ersten vier Kolonnen kommandierenden General Roop. 9. Generallieutenant Schatiloff und Generalmajor Rüdsewsky mit 5 Bataillonen ,

24 Geschützen beim Dorfe Mazra zur Demon-

stration gegen die Forts Karadagh und Arab . 10. Generalmajor Dehn

mit

2

24 Geschützen beim Dorfe Komanur kolonnen.

Bataillonen ,

2

Schwadronen,

als Hauptreserve

der Sturm-

11. 2 Bataillone, 8 Geschütze bei Beran Kale und die Belagerungsbatterieen auf dem rechten Ufer des Kars - Tschai zur Deckung des Hauptquartiers und der Belagerungsbatterieen . Ausserdem war das 3. kaukasische Sappeurbataillon in einzelnen Kommandos mit Dynamit und Instrumenten bei den Sturmkolonnen vertheilt. Über die Kolonnen 1 bis 4 führte der Generallieutenant Roop, über die Kolonnen 5 bis 8 Generallieutenant Lazarew den Oberbefehl . Hören wir nunmehr den Bericht des Generalstabs offiziers dieses Generals :

", Vom frühen Morgen des 5./17 . November waren alle Mitglieder des Stabes mit der Abschrift der Disposition beschäftigt , da man nur auf diese Weise hoffen durfte , das Geheimnis des Unternehmens ganz zu bewahren. Um Mittag befand sich die erstere in den Händen aller Truppenteile . Einige Stunden vergingen mit der Verteilung des Proviants und der Patronen und der Einrichtung des Hauptverbandplatzes

im Dorfe

Ober-Karadjören ,

woselbst

General

Lazarew bereits seit länger als einer Woche sein Stabsquartier hatte und wo

auch der Corpskommandeur

eintraf.

Die Befehle

wurden

22

Dio Erstürmung von Kars.

so unbemerkt erlassen , dafs die Abteilung des

roten Kreuzes " *)

von Beran-Kale aus nicht den Hauptverbandplatz rechtzeitig zu erreichen vermochte. Den ganzen Tag blieb das Wetter klar und kalt. Nach dem

Untergang der Sonne schien der Vollmond.

Im feierlichen Schweigen

die Truppen vor ihren Zelten um 7 Uhr abends . General Lazarew ritt noch ein letztes mal vor die Front der Truppen und begrüfste dieselben mit lauter Stimme, ihnen "" zum kommenden rangierten

sich

Siege " Glück wünschend. wagten Aktion ,

wie

Diese Selbstgewifsheit vor

einer so ge-

es doch ein nächtlicher Sturm immerhin war,

Aber General Lazarew beerschien Vielen als eine Übertreibung. dafs bei ihm eine derartige Sprache

wies noch in derselben Nacht ,

wirklich das Resultat innerer Überzeugung und der unerschütterlichen Entschiedenheit zu siegen sei . **) Um 812 Uhr rückten die Kolonnen vor ;

General Lazarew mit

seinem Stabe ritt unter der Bedeckung von 2 Sotnien Kosaken in den Raum zwischen den Forts Kanly und Chafiz- Pascha . Wir blieben

anfänglich weit von der Infanterie

ab.

Vor uns

war nichts sichtbar. Es glänzten nur die mit silbernem Reife bedeckten Felder im Mondscheine und in der Ferne sah man die mächtigen Umrisse der Festung .

Plötzlich fiel ein Schufs, bald meh-

rere und weit nach dem linken Flügel hin begann ein lebhaftes Feuergefecht. Es waren dies welche

die Truppen der Generale Roop und Komaroff,

zum Angriff gegen Tochmals vorgingen ,

Melikoff, welche Ssuwari angriffen. tiger, vor uns blieb noch alles still. etwas von dem Gefecht zu sehen ,

und des

Fürsten

Der Kampf wurde immer hefWir ritten langsam weiter, um

welches

sich nun auch vor uns

entwickelte. Doch das Terrain verdeckte uns den gröfsten Teil des Gefechtsfeldes . Graf Grabbe griff Kanly an . Allein , während hier das Feuer

sehr heftig wurde,

hörte

man aus der Richtung von Chafiz-Pascha-

Tabia, welches zu gleicher Zeit angegriffen werden sollte, noch nichts . Inzwischen begannen uns die Kugeln um die Ohren zu pfeifen . Endlich trat auch General Alchasoff in das Gefecht ein. Nach

*) Hülfskomite zur Pflege der Kranken und Verwundeten . **) Zur Charakteristik russischer Verhältnisse sei hier erwänt , dafs im Laufe des 16. und während des Vormittags des 17. Novembers General Lazarew nicht weniger als 1000 Georgskreuze für „frühere " Verdienste unter den Truppen verteilen liefs mit dem Wunsche , dafs ein jeder neue Georgsritter sich die höhere Klasse beim Sturme verdienen möge.

23

Die Erstürmung von Kars.

einem lauten Hurrah von Chafiz her, erschallte von dort her heftiges Gewehrfeuer , ein Zeichen , dass die Türken energischer als gewöhnlich Widerstand leisteten. General Lazarew schickte

mich nun vor , die Sachlage so weit

wie möglich aufzuklären, da trotz des immer heftiger werdenden Feuers von keiner Seite Meldungen eintrafen. Ich ritt bis zu dem letzten hohen Punkte , von welchem man das

ganze Terrain

zwischen

Kanly

und

Chafiz-Pascha

übersehen

konnte . Von hier konnte ich deutlich erkennen , dafs die Türken starke Reserven zwischen der Stadt und den bedrohten Forts heranführten .

Ob aber eins und welches von diesen Forts genommen sei ,

war mir unmöglich festzustellen . Ein grofser Zug Verwundeter begegnete mir, welche

die

un-

glaublichsten Räubergeschichten erzählten . Bei dieser Gelegenheit sah

ich auch das

erste Beispiel von

Panik in unseren Truppen. Das Nachtgefecht that seine Wirkung. Ungefähr 20 unbewaffnete Sanitätssoldaten stürzten sich nach rückwärts mit dem Rufe : „ Die Türken kommen hinter uns " . reden vermochte sie zum Frontmachen

zu bewegen.

Kein Zu-

Erst der An-

blick ihrer ruhig auf dem Verbandplatze und in den Laufgräben wartenden Kameraden brachte sie zur Besinnung. in die Gefechtslinie zurück .

Sie kehrten sogleich

Nun schickte General Lazarew Freiwillige nach Kanly ,

um

über die Gefechtslage Nachrichten einzuholen. Auch sie kehrten nicht zurück. Doch kamen inzwischen Nachrichten von verschiedenen Seiten. Leute der Kolonne des Fürsten Melikoff sagten aus , dafs derselbe Ssuwari genommen

und hierauf Fort Tschim

im Rücken an-

gegriffen hätte . Hierbei sei er in der Vorstadt tödlich verwundet worden. Seine Kolonne wäre nach dem Fall ihres Führers in Verwirrung geraten und hätte nicht allein den Angriff auf Fort Tschim aufgegeben, sondern sei sogar aus Ssuwari zurückgegangen . Jüngere Offiziere , auch Hauptleute und Bataillonskommandeure teilten mit , nierte

dafs Graf Grabbe gefallen wäre ,

General Woschdjänin genötigt sei ,

dafs

der kontusio-

das Schlachtfeld

zu verlassen, dafs ihre Kräfte erschöpft seien und ohne rechtzeitige Unterstützung durch die Reserven es für sie unmöglich sein würde , sich auf den von ihnen genommenen Stellungen zu halten . Endlich ging eine Meldung von Oberst Karaseff ein , welcher den Befehl nach dem Grafen Grabbe übernommen hatte , dafs er sich bemühe die Ordnung wiederherzustellen ,

dafs alle hintenoffenen Vorwerke des

24

Die Erstürmung von Kars.

Forts Kanly von

uns besetzt

seien und die Türken nur noch eine

Defensionskaserne mit Erfolg verteidigten. Ohne starke Unterstützungen würde man hier mit ihnen kaum fertig werden . So wurde es klar, dafs auf der ganzen linken Flanke die Krisis herannahte. Vom Fort Chafiz- Pascha war noch keine Meldung eingegangen . Daher schickte mich General Lazarew nach diesem Festungswerk, um über die Lage der Dinge zu berichten. Auf dem kürzesten Wege dorthin eilend, traf ich bald auf einen langen Zug unserer vom Fort Chafiz zurückströmenden Verwundeten . Bei dieser Gelegenheit war ich Zeuge einer Panik.

Denn einzelne dieser Leute schossen auf

50 Schritt nach uns (ich war von meinem Kasaken begleitet), andere ihnen ein Pferd zu überlassen . Bald geriet ich auch in das

baten ,

so dafs ich einen grofsen Bogen beschrieb , um die östliche Seite des Forts zu erreichen, auf welcher ich nach meiner Berechnung unsere Truppen vermutete. Ich traf auch wirklich hier Feuer der Türken ,

in einem türkischen Vorwerk eine russische Infanterieabteilung, welche mich auf meine Frage nach dem General Alchasoff nach dem Innern des Forts wies. Als ich in den Graben hinunter kletterte, fand ich eine Abteilung des Regiments Kutaïs, welche, vom Kapitän Lewinsky kommandiert , an der äufseren Böschung der Brustwehr mit einer Abteilung Infanterie an der anderen Seite des Forts über dieses hinweg ein lebhaftes Feuergefecht führte.

Da ich befürchtete ,

dafs in

der Dunkelheit die eigenen Truppen auf einander schössen, ritt ich Ein wilan den vermeintlichen Gegner heran, rief denselben an. des Geschrei, aus welchem ich nur die Worte : „ Kasak, Kasak ! " heraushörte und eine Salve in nächster Nähe gaben mir die beste Antwort. Mit grofsen Schwierigkeiten kam ich zurück, mein Kasak, welcher mit dem Pferde stürzte, wurde im Gesicht verwundet . Ich rief den Kutaïszen (populäre russische Bezeichnung für Soldaten vom Regiment Kutaïs) zu, dafs vor uns wirklich ein Haufen Türken sei. Doch war dies überflüssig, denn unser Soldat läfst ungern seinen Offizier allein.

Die

Kutaïszen , unter Kapitän Lewinsky , waren mir gefolgt , und als hinter ihnen die Wladikawkaszen erschienen, welche General Alchasoff persönlich heranführte , erschallte ein lautes Hurrah und die Brustwehr bedeckte sich mit den attackierenden Kutaïszen. Unter ihren Fülsen flammten auf der Brustwehr auf. Man hielt sie für Flatterminen .

1/2 Arschine hohe * ) Feuerchen

Im Augenblick war das ganze Fort in unseren Händen .

*) Eine Arschine = 0,7 m.

Die

25

Die Erstürmung von Kars . Türken flüchteten eiligst nach der Stadt, Kutaïszen .

auf ihren Fersen unsere

Ich kehrte durch den gedeckten Weg zurück und begegnete hier den schon kontusionierten General Alchasoff , welcher , auf einem Gewehr gestützt , vom Glacis in den gedeckten Weg herunterstieg (sein Pferd war verwundet). Er hatte einige Bataillone gerade zur rechten Zeit herangeführt und gab mir den Auftrag , dem General Lazarew zu melden, dafs er den Chafiz unter keinen Umständen wieder aufgeben würde. Ich ritt eiligst zu meinem General und überbrachte ihm diese Meldung, die erste willkommene an jenem schweren Abend . Es mochte 11 Uhr abends geworden sein. Diese gute Nachricht war auch wirklich sehr notwendig. Auf allen anderen Punkten hatte sich noch nichts zum besseren gewendet.

Von allen Seiten nur Hiobsposten und Bitten um Unter-

stützung.

Aber

der General

Lazarew war,

in dem Bewusstsein ,

„ dafs ein guter Führer geizig mit Reserven sein taub gegen solche Bitten. "

mufs ,

Zwei Schritte von ihm wurde sein

Lieblingsneffe tödlich verwundet, ein junger Artillerist, ein hoffnungsvoller Soldat, welcher den Angriff als Freiwilliger mitmachte . - - Der General hatte soeben den Befehl erhalten ,

den Rückzug anzutreten,

wenn er an dem Erfolge des Sturmes zweifeln sollte . Aber der General, dessen energischen Geist auch der Fall seines Neffen nicht zu erschüttern vermochte , von neuem stürmen.

erwiderte, er werde immer

Es bedarf wohl nicht der Versicherung, dafs unter solchen Umständen die

Nachricht von der Einnahme eines Forts mit grofser

Freude aufgenommen wurde . Nun erst verstand zu verwenden . dem

Befehl

sich General Lazarew dazu , seine Reserven

Er sandte mich sogleich zum General Alchasoff mit

zur Absendung

zweier Bataillone gegen Fort Kanly.

Dann sollte ich zu den anderen Forts reiten , um eingehende Nachrichten über den Stand der Dinge einzuziehen. Ich bestieg ein frisches Pferd und sprengte von neuem nach dem Fort Chafiz . Ich fand den General Alchasoff mit einem Bataillon im Lager zwischen dem Chafiz und der Stadt.

Zwei Bataillone konnte

er mir nicht geben , da er nur noch eins bei sich hatte . Daher bat er mich, in die Stadt zu reiten und diesen Befehl in seinem Namen an den Oberst Fadejew zu überbringen, welcher nach seiner Ansicht dort mit seinem Regiment und einem anderen Bataillon der Wladikawkaszen sein mufste . Als ich durch das genommene Lager ritt,

26

Die Erstärmung von Kars.

traf ich in jeder Minute auf Schauspiele der erbarmungslosesten Niedermetzelung von Türken . Ich hielt an und fragte die Soldaten , warum sie die Türken töteten, anstatt zu Gefangenen zu machen ? Die Soldaten salutierten und ein recht gutmütiger Kerl erwiderte : „ Man mufs sie schlagen ,

nieder-

denn sowie man sich umdreht , jagen sie einem das Ba-

jonett oder eine Kugel durch den Leib ". Zwei Schüsse aus nächster Nähe bestätigten seine Worte . Die Türken , welche dieselben verräterisch ― mein Gespräch benutzend abgefeuert, wurden sofort zu Boden geschlagen. Unmittelbar an der Stadt, vor einem türkischen Lazarete, wogten einige Tausend unserer Soldaten hin und her, vermischt mit Türken . Auch dort fand dasselbe Gemetzel derjenigen

feindlichen Soldaten

statt, welche es verweigerten sich zu ergeben. Geschrei , Lachen , Witze , Freudenschreie , Flintenschüsse , alles dies gab zusammen ein Bild von solcher Schaurigkeit , dafs man es gesehen haben mufs, um sich einen Begriff von seiner Furchtbarkeit zu machen. Zwei in Flammen stehende hölzerne Gebäude , welche, am Bazar stehend, von unseren Freiwilligen angezündet waren, warfen ein phantastisches Licht auf diese wogende Masse. Mit Mühe untersagte ich ein weiteres Anzünden ,

indem ich

ihnen klar

unsere Winterquartiere schonen müsse .

machte ,

dafs man

Da ich nirgends einen höhe-

ren Offizier sah und glaubte , dafs der Oberst Fadejew schon weiter in die Stadt vorgedrungen sei und die Brücken besetzt hätte , so ritt ich die breite Strafse hinunter, welche mich wie ich hoffte - zum Flusse führen

sollte . -

Mein Kasak blieb auf seinem ermüdeten

Pferde weit hinter mir zurück, so dafs ich ganz allein bei einer Biegung der Strafse auf einen Türken stiefs, welcher aber sein auf mich gerichtetes Bajonett fallen liefs und die Flucht ergriff, hierdurch mich allerdings überzeugend , dafs hier Oberst Fadejew nicht sein konnte. Ich ritt nun zum Lazaret zurück. Eine Abteilung Freiwilliger vom Regiment Sewastopol, unter dem Premierlieutenant Statkewitsch, dirigierte ich nach den Brücken . Dann suchte ich Offiziere zu finden , um mit ihrer Hülfe

die Mannschaften

zu sammeln und zu ordnen ,

welche ich nach Fort Kanly zur Unterstützung senden könnte .

Dieser Aufgabe unterzogen sich auch Hauptmann Lewinsky vom Regiment Kutaïs und Hauptmann Araktschejeff vom Regiment Imeretien . Es glückte ihnen auch nach grofser Anstrengnug , zwei Bataillone zu formieren und dorthin zu führen. Kurze Zeit hierauf erhielt ich vom General Lazarew einen Be-

27

Die Erstürmung von Kars. fehl, in dessen Ausführung

ich

die Batterie Fezi - Pascha berührte ,

welche sich zwischen den Forts Chafiz und Kanly befand.

Ich fand

sie von dem Regiment Sewastopol besetzt, welches bei der Ungewifsheit des Ausganges des Sturmes die Verschlüsse von den türkischen Kanonen abgenommen und in die Erde gegraben hatte.

Zum Fort

Kanly vermochte ich nicht durchzudringen, da ich von den drei Seiten , von

denen her ich mich ihnen zu nähern suchte ,

stets Feuer

erhielt, so dafs ich nicht feststellen konnte, von welchem Truppenteil es besetzt war. Hierbei traf ich auf freiem Felde den General Rerberg, welchem es ebenfalls nicht gelungen war, nach Kanly hineinzukommen . Den General Lazarew fand ich nicht auf seinem früheren Standpunkte . Dieser hatte nach der inzwischen eingegangenen Meldung des Oberst Fadejew von der Wegnahme des Karadagh nicht mehr an dem Gelingen des Sturmes auf Kars gezweifelt und sich, ohne auf den noch immer dauernden Widerstand der Garnison des Forts Kanly zu achten , über Fort Chafiz in die Stadt begeben , um dort selbst

die beim

Sturm beteiligten Regimenter wieder zu ordnen . Der General erhielt aber aus den Fenstern eines dicht an der Stadt liegenden, mit dem ,,roten Halbmonde " bezeichneten Lazarets ein sehr starkes welches das Pferd eines seiner Ordonanzen tötete . Er gab dem Oberst Baum , lons ,

den Befehl ,

Feuer,

Kommandeur des 3. Sappeurbatail-

das Lazaret von bewaffneten Türken zu säubern .

Dann ritt der General nach Fort Kanly , in welchem die Besatzung der Defensionskaserne zwar das Feuer nicht mehr erwiderte, aber noch immer standhaft jede Aufforderung weigerte . Als ich den General wiederfand ,

zur Übergabe

ver-

war er gerade mit der per-

sönlichen Unterhandlung mit den Türken beschäftigt (gegen 5 Uhr morgens), deren Resultat die endliche Ergebung der Besatzung war. In der Stadt und in den noch nicht von uns besetzten Forts währte indessen das Feuer fort , ja während der Verhandlungen des Generals wurde ganz in seiner Nähe das Pferd des Obersten Malama verwundet. " -

Soweit unser Tagebuch. Wir vervollständigen seinen Bericht durch die Darstellung , welche russische Quellen verschiedener Art von den Ereignissen der denkwürdigen Nacht gaben . Die erstere ist vielleicht deshalb nicht ohne Interesse, weil sie in wesentlichen Punkten die bisher und berichtigt. -

erschienenen

Die Kolonne des Generals Komaroff begann

Berichte

ergänzt

ihren Vormarsch,

28

Die Erstürmung von Kars .

durch die

Terrainverhältnisse gezwungen,

von

einem entfernteren

Punkte als die anderen und brach auch dementsprechend fast eine Stunde früher auf. Aber der erste Schufs fiel nicht auf diese Kolonne, sondern auf diejenige des Grafen Grabbe, welche Kanly angriff. Kaum waren die ersten vereinzelten Schüsse der türkischen Vorposten gefallen, als die russischen Batterieen, welche gegenüber den Höhen von Schorachs errichtet waren, sogleich das Feuer eröffneten, um die Türken glauben

zu machen ,

es würde wieder von dort ein

Angriff vorbereitet , wie sie in den letzten Tagen gewöhnlich stattfanden. Russischerseits hoffte man , durch diese Mafsregel nach jenen Höhen einen Teil der feindlichen Streitkräfte abzuziehen. Aus den Verhältnissen bei der Kolonne Komaroff scheint hervorzugehen, dafs die Türken sich in der That beeilten , einen Teil ihrer Reserven auf das linke Ufer des Kars-Tschai hinüberzuwerfen. Die zur Demonstration gegen die Forts

dieses Ufers

bereit stehenden

Kolonnen gingen nun auch sogleich vor. Schon jetzt sei bemerkt (obwohl dies eigentlich erst in einer späteren Stunde geschah) , dafs besonders die Kolonne des Oberst Tscheremissoff so gewissenhaft ihre Aufgabe erfüllte , dafs sie wirklich

die Türken

zu

dem Irrtum zu verleiten vermochte ,

sie führe

den Hauptangriff aus. Sie erstürmte

die

Laufgräben

zwischen Muchliss

und

Lass-

Tepessi. An die Eroberung der übrigen geschlossenen Schanzen war natürlich nicht zu denken, Von den Sturmkolonnen erreichte zuerst die Kolonne des Oberstlieutenant Fürst Melikoff ihr Ziel, das Fort Ssuwari . Es gelang ihr, im Flufsthal des Kars-tschai unbemerkt in den Rücken des Forts zu gelangen und fast ohne Verlust in die offene Kehle einzudringen . *) Die schlaftrunkene Besatzung wurde zum Teil niedergemacht , zum Teil gelang es ihr, in gröfster Verwirrung in die Stadt zu flüchten. Fürst Melikoff liefs nur eine unbedeutende Abteilung im Fort Ssuwari zurück und ging sofort weiter vor, um durch die armenische Vorstadt dem Fort Tschim in den Rücken zu kommen, welches nach der entworfenen Disposition zur selben Zeit Generals Komaroff angegriffen werden sollte.

von der Kolonne des

Auf seinem Wege traf Fürst Melikoff ein bereits durch das Gefecht alarmiertes Kavallerielager , sprengte nach kurzem Gefecht die Kavallerie auseinander und drang ohne Aufenthalt nach dem Kars-

*) Übrigens hatten die Türken in allen an der Kehle offenen Werken diese durch eine Brustwehr von Feldsteinen zu schliefsen gesucht.

Die Erstürmung von Kars.

tschai vor.

29

Ein Teil seiner Kolonne durchwatete in einer Fuhrt den

Flufs , dessen dünne Eisdecke zerschlagen werden musste , ein andeglücklicher als der erstere , traf auf eine den Russen bis dahin unbekannte Schiffbrücke und ersparte sich so das eisige Bad . Ungeachtet des Feuers von den Dächern und aus den Häusern der armenischen Vorstadt , in welche Fürst Melikoff nun eindrang , ging rer Teil ,

er sofort auf die Kehle von Fort Tschim vor, um General Komaroff zu unterstützen . Zwei Kugeln trafen ihn fast vor diesem Fort . Der Oberstlieutenant Matschkanin übernahm nunmehr den Befehl über die Kolonne , gab jedoch bald das weitere Vorgehen auf, als er sah, dafs der General Komaroff noch nicht heran war. Ja , er ging , um nicht allein mit seinem Bataillon auf dem linken Ufer abgeschnitten zu

werden , zunächst

auf das rechte Ufer

zurück und gab selbst in Folge eines Mifsverständnisses das Fort Ssuwari auf, in welchem nur ein Kommando Freiwilliger zurückblieb .

Doch Seine Hoheit ( der Grofs-

fürst ? ) dirigierte , sobald er hiervon Meldung erhielt , persönlich die Kolonne in das Fort zurück , in welchem Oberst lieutenant Matschkanin nun bis zum Ende des Kampfes verblieb und von dort aus mit der Stadt ein lebhaftes Feuergefecht unterhielt . Auch bei der Kolonne des Generals Komaroff kam es zu schweren Mifsverständnissen.

Diese

Kolonne

war der

grofsen Strafse

nach

Erzerum gefolgt und gerade auf Fort Tschim vorgegangen. Nach der ursprünglichen Disposition sollte sie nicht in einer Höhe mit der Kolonne des Oberstlieutenants Fürsten Melikoff, sondern etwas hinter derselben bleiben und war das Verhältnis der beiden Kolonnen anfänglich auch satzung

dem entsprechend.

Als aber Fürst Melikoff die Be-

von Ssuwari und des hinter diesem Fort liegenden Lagers

in die Flucht trieb und auch der gleichzeitige Angriff auf die anderen Forts die Masse der Flüchtlinge derart vermehrte ,

dafs

am Fort Tschim und Tochmass

sie in grofsen Haufen von diesem Fort zur

Chaussee nach Erzerum herabdrängten , da glaubte sich Komaroff in seiner linken Flanke bedroht. Er unterbrach sein Vorgehen auf Fort Tschim ,

General

und warf den

Oberst Butschkieff mit dem Regiment Pjätigorsk nach dieser Flanke gegen den Feind heraus. Der Angriff des Obersten Butschkieff wurde mit der nach russischen Autoren alle Angriffe in jener denkwürdigen Nacht charakterisierenden Bravour ausgeführt .*) *) Wir möchten freilich glauben, dafs eine ungeregelte flüchtende Masse, welche auf den vorgehenden Feind stöfst, meist ohne Widerstand " der Panik “ anheimfällt.

Die Erstürmung von Kars.

30

Die Türken stürzten, so schnell wie sie erschienen waren , wieder zu den Laufgräben zurück, hinter denselben sich niederwerfend. ,,Doch die Pjätigorzen begnügten sich mit diesem Resultate

nicht. "

Sie warfen sich ohne Rücksicht auf das Feuer, welches von

drei Seiten (Fort Tochmass, Tschim und aus den Verbindungslinien) auf sie gerichtet wurde , unter Führung ihres heldenmütigen Kommandeurs , der hierbei fiel, nicht nur auf die Laufgräben, sondern auch auf das Fort Tochmass . Doch an diesem scheiterte ihr Angriff und das Regiment mufste mit Verlust von mehreren hundert Mann zurück. Nach der

Rückkehr der Pjätigorzen bildete General Komaroff

eine neue Sturmkolonne

aus

frischen Bataillonen und den weniger mitgenommenen Compagnieen der Pjätigorzen zum Angriff auf Fort Tschim . Um seinen Angriff zu verstärken , liefs er auch seine Artillerie mitwirken. Inzwischen war aber auch die Besatzung von Fort Tschim durch

all'

die

Fliehenden verstärkt ,

Strafse der Gefangenschaft zu

welche

auf der grofsen Erzerumer

entgehen versuchten ,

und

es fand

General Komaroff einen nicht zu bewältigenden Widerstand . Vier Berggeschütze, die einzigen , welche in dem felsigen Terrain manövrieren konnten , fuhren auf einem niedrigen Hügel - ca. 100 Saschenen (= 210 m) vom türkischen Fort

entfernt auf.

Doch

bald mufsten sie dem Kreuzfeuer der Festungsgeschütze weichen . Ein Versuch, welcher von Freiwilligen gemacht wurde, sich des Forts zu bemächtigen , und von dem die am andern Morgen gefundenen halbverbrannten und schrecklich verstümmelten Leichen zeugten , hatte auch keinen Erfolg . General Komaroff führte seine Kolonne daher aus dem Bereiche des Gewehrfeuers zurück und erwartete hier den Anbruch des Tages . Für den Sturm auf Fort Kanly waren 10 Bataillone bestimmt, welche in zwei gleich starken

Kolonnen

die Laufgräben

an

den

Seiten des Festungswerks nahmen und dann dasselbe vom Rücken aus angreifen sollten . Das

eigentliche Fort bestand

mit angehängten Flanken .

aus

zwei bastionierten Fronten

Es war in der Kehle offen mit Ausnahme

des mittleren Bastions , welches durch sehr feste Defensions -Kasernen geschlossen war.

Vorgeschoben waren noch zwei Redouten .

Beide Kolonnen gelangten fast zu gleicher Zeit an das Fort . Die Imeretintzen und Freiwillige vom Regiment Sewastopol - die Kolonne des Generals Woschdjanin --- drangen zuerst in die vorgeschobene Redoute

der linken Flanke ein und setzten sich sogleich

31

Die Erstürmung von Kars. in ihren Besitz ,

trotz

des

verzweifelten Widerstandes

seiner Be-

satzung .

Die andern Bataillone des Regiments Sewastopol griffen mehr rechts die an die linke Flanke des Forts sich anschliefsenden Laufgräben an.

Sie geriethen hierbei in das heftige Feuer der verhält-

nismäfsig unbedeutenden Batterie Fezi - Pascha , noch in letzter Zeit

zwischen

welche

die Türken

den Forts Kanly und Chafiz- Pascha

gebaut hatten, so dafs ihre Existenz fast ganz unbekannt geblieben war, da man sie von weitem kaum erkennen konnte. Die Bataillone schwenkten in Folge dieses Feuers sofort gegen Fezi-Pascha ein, nahmen die Batterie und setzten sich in derselben fest, um das Eingreifen der Kolonne des Obersten Karasseff (welcher nach der Kontusion des Generals Woschdjanin den Befehl übernommen hatte) gegen die Kehle von Fort Kanly abzuwarten. Doch dieser hielt ganz getrennt hatten , ihm

sich,

nachdem die Bataillone sich von ihm

zu schwach, das eigentliche Fort mit dem

verbleibenden Reste

seiner Kolonne

anzugreifen und beschlofs

daher , sich für die erste Zeit auf die Verteidigung der gewonnenen Redoute gegen die Offensivstöfse der Türken zu beschränken . — Zu dieser Zeit schickten beide getrennten Teile der Kolonne Meldungen mit der Bitte um Unterstützung an den General Lazarew, weil jede einzelne in ihrer Isoliertheit sich für die Fortsetzung des Angriffes zu schwach fühlte. Inzwischen hatte auf dem linken Flügel das Gefecht eine etwas andere Wendung genommen . Die Kolonne des Grafen Grabbe hielt sich mehr an den ihr gewordenen Auftrag, umging die vorgeschobene Redoute vollständig und drang im ersten Anlauf in den Graben des Hauptwalles . Graf Grabbe dirigierte das Schützenbataillon in den Rücken des Feindes und ging mit den anderen Bataillonen zum Angriff gegen die Flanken vor. Doch fiel er vor Beginn des eigentlichen Sturmes . Der Oberst Bjälinsky übernahm das Kommando und bemächtigte sich gleichzeitig mit den Schützen des Majors Geritsch der Brustwehr des Forts . Hier kam es zu einem entsetzlichen Chaos . In einem

verzweifelten Handgemenge

Innern des Forts einander.

und teilweise

auf der Brustwehr ,

im

sogar im Graben kam alles durch

Haufen von Türken kämpften vermischt mit Russen, ohne

sich darum zu kümmern, wer ihre Nachbarn wären . Auf diese Weise

fiel der tapfere Major Geritsch.

Er war an

der Spitze seiner Jäger in das Fort gedrungen und bemüht , dieselben wieder zu

ordnen ,

als er eine vereinzelte Gruppe neben sich

32

Die Erstürmung von Kars.

bemerkte. -

Er eilte auf dieselbe zu , um sie in der Meinung, es seien Leute seines Bataillons - zu sammeln, als er zu spät er-

kannte, dafs

es Türken waren.

Einige Säbelhiebe ins Gesicht und

mehrere Bajonettstiche in die Brust machten dem Leben dieses braven Offiziers ein Ende. Nach einem heftigen Kampfe wurden alle nach der Kehle offenen Teile dieser Flanke von Türken gesäubert.

Doch war es

den von der harten Blutarbeit ermüdeten

Pernowzen und Sewastopolzen

(populäre Bezeichnung für Soldaten

vom Regiment Pernow und Sewastopol) nicht möglich, auch das durch eine Defensionskaserne verstärkte Centralbastion zu stürmen . Oberst Bjälinsky hatte zwar seine Leute sogleich zum Sturm gegen dasselbe vorgeführt und war auch hinein gedrungen . An

ein Festhalten des Bastions ,

so lange als die Defensions-

kaserne noch nicht genommen , war aber nicht zu denken . zunächst das sehr feste Thor derselben zu erbrechen.

Es galt Oberst

Bjälinsky versuchte dies persönlich zu thun , das Thor widerstand aber und er selbst fiel # als Opfer seiner Aufopferung. Dieser Mifserfolg brachte die sehr geschwächte Kolonne in eine kritische Lage. — Auch sie mufste um Verstärkung bitten . Dies

war ungefähr

zu der

Zeit,

als

in der oben gegebenen

Schilderung des russischen Generalstabsoffiziers dieser beim General Lazarew mit der Meldung von der Wegnahme des Chafiz -Pascha eintraf. General Lazarew wollte nicht

seine Reserven

verwenden und

befahl zunächst dem General Alchasoff, die im Fort Kanly kämpfenden Truppen zu unterstützen . durch

die

in

der

Dies geschah

erst

ziemlich spät

Stadt gesammelten Bataillone der Hauptleute

Araktschejeff und Lewinsky. Doch bereits vor Ankunft derselben hatte General Lazarew aus der Reserve des Generals Alchasoff das erste Bataillon des Regiments Wladikawkas und zwei Compagnieen des Regiments Imeretin ― welche letzteren zur Bedeckung der Belagerungsbatterieen gehörten - dorthin gesendet. Der Corpskommandeur (General Loris - Melikoff , dem auch das Herannahen der Krisis des Gefechts im Fort Kanly und das Schicksal der drei Kommandeure gemeldet war, schickte sogleich ein Bataillon des Regiments Pernow , 2 Sotnien des Regiments Jeïsch und eine Sotnie Dagesthaner unter dem Obersten Bulmering zu Hülfe . Der General Tschawtschawadse wurde mit dem Kommando aller im Fort kämpfenden Truppen betraut . Zunächst eilte die Kavallerie Kameraden Hilfe

zu

bringen.

vor,

um den fast erliegenden

Bald darauf trafen auch die ersten

33

Die Erstürmung von Kars.

Verstärkungen an Infanterie ein. Der Oberst Karaseff bemächtigte sich nun endlich der Brustwehr auf der linken Flanke des Forts und der Oberst Bulmering erneuerte den Versuch zur Wegnahme des Central- Bastions. Aber wiederum scheiterten alle Anstrengungen an der festen Kaserne .

Endlich knüpfte Oberst Bulmering russischer

neue Verhandlungen

Seite aufgehört hatte

tapfern Besatzung

an ,

nachdem das Feuer von

infolgederen

dieselbe ,

mit der

aber auch erst nach

Tagesanbruch, die Waffen niederlegte, als sie sich überzeugen konnte, dafs sie allein von den Vertheidigern aller angegriffenen Forts Widerstand leistete . Zum Angriff auf das Fort Chafiz - Pascha

waren

noch

nach

der Disposition 3 Bataillone des Regiments Kutaïs und 2 Bataillone des Regiments Wladikawkas mit einer speziellen Reserve von 2 anderen Bataillonen dieses Regiments bestimmt . *) Da

aber das

1. Bataillon

des

Regiments Kutaïs

an diesem

Tage die Vorposten hatte und nicht rechtzeitig auf dem Rendezvous eintreffen konnte, so nahm General Atchasoff noch ein Bataillon Regiments Wladikawkas aus der Reserve und theilte dafür das 1. Bataillon des Regiments Kutaïs der letzteren zu. So wurden im Ganzen für die erste Linie 5 Bataillone bestimmt . Oberst Fadejeff mit

2 Bataillonen Kutaïszen

und

1 Bataillon

Wladikawkaszen griff die nordöstliche Face an, während 2 Bataillone Wladikawkaszen gegen die südlichen Facen des Forts vorgingen . So bildeten die Kutaïszen .

die Wladikawkaszen naturgemäfs das Echelon für

Auch den Oberst Fadejeff gelang es , unbemerkt bis an die türkischen Vorposten zu kommen, dieselben zurückzuwerfen und trotz des starken Feuers

schnell gegen

die

ihm bestimmte Face vorzu-

dringen. Aber noch bevor er dieselbe erreichte , bemerkte

er zwei erst

vor kurzem erbaute kleine Batterieen zwischen Chafiz und Karadagh . Da er glaubte , dafs sein Angriff durch das Flankenfeuer derselben zu sehr erschwert würde, entschlofs er sich zuerst die Batterieen zu nehmen und dann erst seinen Angriff auf das Fort fortzusetzen. Mit Hurrahgeschrei warfen sich die Kutaïszen auf das neue Angriffsobjekt und im ersten Anlauf nahmen sie die Batterieen. *) Die Infanterie- Regimenter der kaukasischen Armee und der Garderegimenter waren schon seit früherer Zeit zu 4 Bataillonen formiert. Für die übrigen 3 Grenadier- und 35 Armee Infanterie - Divisionen ist dies erst durch Ukas Nr. 75 vom Jahre 1879 befohlen worden. 3 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Die Erstürmung von Kars .

34 Das

dieselben

verteidigende

türkische

grofsen Kampf in die Flucht gejagt.

Bataillon

wurde

ohne

Ein Teil desselben wandte sich

nach der Stadt, ein anderer flüchtete auf dem engen und schwierigen Pfade zum festen Turm Siaret hinauf. Es gelang dem Obersten Fadejeff nicht,

seine Truppen in der

Hand zu behalten, ja er selbst liefs sich verführen , sein ihm angewiesenes Angriffsobjekt aus dem Auge zu verlieren . Der gröfsere Teil seiner Leute

verfolgte

die

nach

der Stadt

flüchtenden Türken und alarmierte die an derselben liegenden Läger. Der Oberst Fadejeff sammelte

persönlich 2 Compagnieen und

folgte den nach dem festen Turm Siaret Fliehenden so schnell, dafs es ihm gelang, unbemerkt mit denselben einzudringen, gerade als von einer anderen Seite Freiwillige *) den Turm erklettert hatten und ein Kommando Sappeure noch damit beschäftigt war, ein Thor mit Dynamit zu sprengen. Das Innere des Siarets bot nur Raum für einen Teil der Kolonne des Obersten Fadejeff.

Er

setzte daher sogleich

die Verfolgung der Türken nach Fort Karadagh fort, drang in die offene Kele desselben ein und nahm es. Was von den Türken entkam, floh nach Fort Arab . Inzwischen hatten sich auch die 2 Bataillone des Regiments Wladikawkas durch das auf ihre linke Flanke gerichtete Feuer der Batterie Fezi-Pascha verführen lassen, sich gegen dieselbe zu wenden. Es blieb dem General Alchasoff mithin nichts übrig, als die noch in seiner Hand verbliebenen 2 Bataillone Wladikawkas zum Sturme gegen Fort Chafiz

zu verwenden .

Diese

Bataillone

drangen

mit

grofser Tapferkeit in das Fort ein, welches seine Besatzung sogleich flüchtend verliefs . Doch zwangen Reserven, welche von der Stadt her vorrückten, sie, sich mit der Besetzung der der Stadt zugewandten Brustwehr zu begnügen . Die Wladikawkaszen wurden hierdurch nicht nur an der Ausbeutung ihres anfänglichen Erfolges verhindert, sie vermochten sich sogar nicht einmal in dem Fort zu halten ; sondern mussten mit Verlust von mehr als 150 Mann dasselbe räumen , um „ die Ordnung wieder aufserhalb desselben herzustellen " . Kaum war der Chafiz auf diese Weise nach kurzer Besetzung von den Russen verlassen worden, als zur rechten Zeit das 1. Bataillon der Kutaïszen herbeikam . Die Türken wagten nicht das Fort von neuem zu besetzen, in

*) Die russische Armee hat noch die Einrichtung, zu besonders schwierigen Aufträgen 99 Freiwillige " aus den Regimentern aufzurufen . Solche Freiwilligen-Kommandos scheinen beim Sturm auf Kars in umfangreicher Weise zur Verwendung gekommen zu sein.

35

Die Erstürmung von Kars.

welchem auch die Defensionskaserne

von

den russischen 24 - pfün-

digen Belagerungsgeschützen zerstört war . General Alchasoff besetzte es daher wieder.

Der Oberst Fade-

jeff begnügte

sich nach der Einnahme des Forts Karadagh damit, dasselbe gegen die ― wohl nur zur Deckung des Rückzugs in die Citadelle - von Fort Arab her unternommenen türkischen Offensivstöfse zu halten.

Auf seine Meldung schickte ihm General Alchasoff

ein Bataillon zur Verstärkung mit dem Befehl ,

nichts

mehr gegen

Fort Arab zu unternehmen , da dies die Sache der Kolonne des Generals Schatiloff sei,

Dieser General hatte

den Befehl

erhalten,

gegen die Forts

Arab und Karadagh zu demonstrieren . Auf eine sehr originelle Weise löste er diese Aufgabe. Die Infanterie wurde aufserhalb der Schufsweite des Feindes versammelt und starke Batterieen vorgeschoben. Diese eröffneten ein lebhaftes Feuer gegen die türkische Stellung. Dann brachen sie das Feuer auf einmal ab. Der Feind sah in dieser Feuerpause das Zeichen für den Beginn des Sturmes durch die Inund feuerte nun seinerseits lebhaft ins Blaue hinein , ohne

fanterie

an eine Unterstützung denken.

der in

der Ebene liegenden Nebenforts

Sobald aber das Feuer des Feindes nachliefs, von russischer Seite das erwähnte Verfahren.

zu

wiederholte sich

Der General Schatiloff erreichte aber hierdurch einen doppelten Zweck: 1) Die Besatzungen der beiden Forts lahm zu legen. 2) Seinen eigenen Angriff vorzubereiten und wesentlich durch die Täuschung des Feindes zu erleichtern, so dafs seine Kolonne fast

ohne Verlust Fort Arab wegnehmen konnte. Haben wir so die sämtlichen Forts des rechten Ufers des KarsTschai in die Hände der Russen fallen gesehen, so erübrigt noch ein Blick auf den Zustand der beiderseitigen Armeeen beim Anbruch des Tages. Das erste Licht des Morgens liefs deutlich

erkennen ,

wie der

Teil der Garnison , welcher nicht den Russen in die Hände gefallen war, sich instinktmäfsig auf den schneebedeckten Höhen des linken Ufers zusammengedrängt hatte .

Die Türken ihrerseits fanden auf

der allein ihre Rettung ermöglichenden Strafse nach Erzerum nur die drei Bataillone des Regiments Rostow vor sich und warfen sich in dichten Schwärmen auf dieselben, um sich durchzuschlagen. Das Regiment „ im Gefühl seiner numerischen Unterlegenheit “ 3*

36

Die Erstürmung von Kars.

wich diesem Angriffe aus und so

strömten

die Scharen

fliehender

Türken ungehindert an ihnen vorbei. Doch bald gelang

es

der von allen Seiten herbeieilenden rus-

sischen Kavallerie, die Flüchtigen

zum Stehen

zu bringen - und sie

mit Ausnahme weniger gut berittener Leute , meist Offiziere und unter diesen auch der Kommandant der Festung , zur Ergebung zu zwingen. - Nun ergaben sich auch die noch von den Türken besetzten Forts und die Citadelle . So Nacht.

endeten die kriegerischen Ereignisse

dieser denkwürdigen

Am Morgen des 18. November n. St. zog der Corpskommandeur in die Stadt ein. Diese schien wie ausgestorben. Nur einige kleine Deputationen Armenier und Türken mit kläglichem Brod und Salz *) wagten sich auf die Strafsen .

Sechs fremdländische Ärzte ,

unter denen ein Preusse , Dr. Schöps , wurden in den Hospitälern vorgefunden. Der letztere hatte sich bemüht, fünf gefangenen Russen das Leben zu erhalten . Dafs die Türken häufig

in liebenswürdigster Weise ihren bis-

herigen Gegnern entgegenkamen , beweist folgendes von unserm russischen Gewährsmann erzählte Erlebnis .

Als er beim Durchreiten der Stadt die Häuserreihen musterte , um sich ein gutes Winterquartier auszuwählen , traten aus einem Häuschen am Kars-Tschai zwei Türken auf ihn zu und baten mit Zeichen recht eindringlich, bei ihnen Quartier zu nehmen . Er nahm dies ihm zu seinem grofsen Erstaunen gemachte Anerbieten mit grofser Freude an . erhaben .

Die Aufnahme war auch wirklich über alles Lob

Die beiden Türken

bemühten sich , alle Wünsche ihrer russischen Gäste zu erfüllen, ja sie kamen denselben zuvor. Der Schlüssel zu diesem etwas rätselhaften Benehmen wurde erst gegeben , als nach dem Einzuge des Grofsfürsten Michael am 20. November den Einwohnern durch Ausrufer verkündet wurde, dass sie ohne Furcht ihre gewöhnlichen Beschäftigungen fortsetzen könnten und sich die Strafsen und Plätze wie mit einem Zauberschlage von neuem belebten . Da krochen aus dem Kellerraum

zwei Dutzend Frauen heraus

und entfernten sich mit unseren beiden Türken , welche die russischen

*) Brod und Salz " ist bei den Ostslaven , ją bei den meisten der SlavenChljäbossolstämme , das Zeichen des Willkommens , der Gastfreundschaft. stwo (Chljäb = Brod, Ssol = Salz) heisst sogar die Gastfreiheit.

37

Die Erstürmung von Kars.

Offiziere natürlich nur deshalb so freundlich aufgenommen, damit sie das Haus nicht durchsuchen und ihnen zum Schutze gegen die Belästigung durch Andere dienen sollten . Die Eroberung von Kars brachte den Russen ausser dieser wichtigen Position in Armenien an 17,000 Gefangene und 303 Geschütze in die Hände. Der Verlust der Türken

an Toten ist

schwer zu bestimmen.

Während einer ganzen Woche waren 100 Arben (Wagen) mit der Wegschaffung von Leichen beschäftigt, obwohl man am ersten Tage mehr als 2500 beerdigt hatte.

Der russische Verlust war verhältnismäfsig gering.

Er betrug

im ganzen 2100 Mann (etwa 10 Prozent der Gesamtstärke) , von denen fast die Hälfte ( 1000 Mann ) bei der Einnahme von Fort Kanly gefallen oder verwundet war. Die Kolonne des Generals Komaroff verlor 350 , die des Generals Alchasoff 300 Mann . Von höheren Offizieren

waren Generalmajor Graf Grabbe und

die Obersten Butschkiäjeff und Bjälinskij gefallen. Das Schicksal der Verwundeten auf beiden Seiten war zum Teil ein äusserst trauriges . Wie schon oben erwähnt, war die Abteilung nicht oriendes roten Kreuzes der freiwilligen Krankenpflege tiert worden, und beteiligte dieselbe sich gar nicht an der Sorge für die Verwundeten, welche nach dem Berichte von Augenzeugen einer russischen Marketenderin " mit dem Beinamen Madame Pierre fast ausschliesslich zufiel . Dafs es an warmen Unterkunftsräumen mangelte , dafs die türkischen Lazarete ein Heerd aller Infektionskrankheiten waren , versteht sich von selbst .

Der deutsche Leser wird aus der vorliegenden ,

ausschliesslich

aus russischen, also mehr oder weniger nicht unparteiischen Quellen geschöpften Schilderung

und

aus der lebensvollen Erzählung

des

russischen Offiziers ein Urteil gewonnen haben, wie leicht die Türken den Russen den Sieg machten, der gewifs einem anderen Gegner gegenüber bei den Erscheinungen, welche uns in der Gefechtsleitung und in der

Ausführung

der Dispositionen

entgegentraten , nicht

möglich gewesen wäre . Für die Russen war aber die Eroberung von Kars vor Eintritt des

härtesten Armenischen Winters

ein grofser Glückszufall .

Sie

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

38

erhielten mit derselben nicht allein für die Beherrschung des eroberten Landes einen strategischen Punkt erster Ordnung , hatten für die ferneren Operationen deutung.

sondern sie

einen Rückhalt von hoher Be-

Wie der russische Soldat denselben schätzte , glauben wir

nicht besser schildern zu können, als mit der Wiedergabe der Worte eines russischen Offiziers : „Unsere Gefühle in der Zeit ,

welche der Eroberung von Kars

folgte, sind schwer zu beschreiben . Aber eine Empfindung machte das Gefühl der Wärme. Ein uns fast wahnsinnig vor Freude Fufsboden , Wände , Fenster , eine Decke und sogar - ein Ofen! Welcher Luxus für Leute , welche ein halbes Jahr lang etwas ähnliches nicht gesehen hatten !

Man mufs so frieren , wie wir in der

letzten Zeit gefroren hatten, um eine solche Wohlthat ganz würdigen zu können . Wir genossen die Wärme mit eisernen Ofen bis zur Glühhitze ! "

vollen Zügen und heizten den

III.

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder der Feldgeschütze . Nach dem Französischen des Obersten Mercier. (Schlufs.)

Bei den in Versuch befindlichen Arten von Granaten wechselt der Streuungswinkel zwischen 140 bis 60 °.

Dieser sehr bedeutende Unterschied zeigt zur Genüge, wie wenig noch die Ansicht über diesen Punkt feststeht. Wir wollen deshalb für die Streuungswinkel

von 14 °, 20 °, 30 °, 40 °, 50 °, 60 ° unter der Annahme, dafs die Granate beim Krepieren 300 Kugeln oder Sprengstücke liefert in der ersten Tabelle die bestrichenen Wandlängen , sowie die Gesamtsumme der stellen.

direkt

treffenden Kugeln

vergleichsweise

zusammen-

und Zeitzünder der Feldgeschütze.

39

Tabelle Nr. 1. L = 140

L

200

L = 30°

L = 500

L = 40°

L - 60º

W n

1,8 3,5 5,0 7,0 9,0 10,5 12,0 14,0 16,0 17,5 21,0 24,5 28,0 31,5 35,5

300 218 153 109 85 73 64 55 48 43 36 31 27 24 21

21 53,0 16 72,0 12 88,0 10 105,0

14 11 9 7

150 200 250 300

37,0 49,0 61,0 74,0

18880

100

1,2 300 2,0 300 3,5 218 4,5 169 5,5 139 6,5 118 95 8,0 9,0 85 76 10,0 11,0 69 13,5 57 16,0 48 42 18,0 38 20,0 31 24,5

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 60 70

L Meter

n

2,7 283 5,5 139 8,0 95 10,5 73 13,5 57 16,0 48 41 18,5 35 21,5 24,0 32 28 27,0 32,0 24 37,5 21 43,0 18 16 48,0 14 53,5 9 80,0 107,0 7 134,0 6 161,0 5

n

L Meter

L Meter

3,6 212 7,5 102 11,0 69 14,5 53 42 18,0 22,0 35 25,5 30 26 29,0 23 32,5 21 36,5 18 43,5 51,0 15 58,0 13 11 65,0 10 73,0 109,0 145,0 182,0 218,0

7 5 4 3

n

L Meter

4,7 9,5 14,0 18,5 23,5 28,0 32,5 36,5 41,0 46,5 56,0 65,5 74,5 84,0 93,0

163 5,8 80 11,5 55 17,5 41 23,0 33 29,0 27 34,5 23 40,5 21 46,0 19 52,0 16 57,5 14 69,5 11 81,0 10 92,5 9 104,0 8 115,5

140,0 186,0 233,0 280,0

5 173,0 4 231,0 3 288,0 3346,0

n

132 67 43 33 26 22 19 16 14

1310876

L Meter

n

4332

L Meter Meter

Aus dieser Tabelle ziehen wir als erste Folgerung die, dafs die Zahl der direkten Treffer (die Wirkung der aufschlagenden und abprallenden Stücke wird später besprochen) bei einer gröfseren Sprengweite als 100 m so klein ist, dafs man sie vernachlässigen kann und soll .

Ist es schon

deshalb nicht erforderlich , die Untersuchung der

Garbe über diese Länge hinaus auszudehnen, so berechtigt uns hierzu auch

noch die früher gemachte Annahme ,

dafs

unsere Zeitzünder

alle Sprengpunkte in einen Raum von 100 m Länge bringen. Eine Vergleichung der bestrichenen Frontlängen bei derselben Sprengweite führt aussetzung ,

uns zu einer zweiten Folgerung . Unserer Vordafs die Achse des Kegels die Mitte der Scheibenwand

in halber Höhe trifft , wird nur bei mathematisch genauer Lage des Sprengpunktes entsprochen . Erleidet diese nun eine Verschiebung nach der Höhe , ist,

die gleich der Hälfte der bestrichenen Frontlänge

so wird auch die Garbe parallel mit sich selbst um ebensoviel

nach der Höhe 30 m

an ,

gerückt.

Nehmen wir

z. B.

welche ausgezeichnete Resultate

die

Sprengweite von

zu versprechen scheint ;

sie giebt bei der Garbe von 14 Grad Öffnung 6,5 m bestrichene Frontlänge . Es wird also eine Granate, welche 30 m vor der Wand und in einer Höhe von 3,25 m über der theoretischen Sprenghöhe

40

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

krepiert ,

nicht

eine einzige Kugel in dieselbe bringen ;

die ganze

Garbe geht vielmehr über die Wand hinweg. Ehe ein gleiches Resultat mit der Garbe von 60 Grad Öffnung eintritt ,

müfste

eine Abweichung von 17,25 in der Sprenghöhe der

Granate stattfinden, d . h . eine Unregelmässigkeit, die viel gröfser ist, als nach den gewöhnlichen Abweichungen erwartet werden kann. Die Unterschiede , welche aus diesem Vergleich hervorgehen , springen noch viel mehr in die Augen, wenn man anstatt eines aufrechten und freistehenden Zieles ein liegendes und gedecktes voraussetzt . In diesem Falle würde mit dem gröfseren Öffnungswinkel der Garbe auch die Chance zunehmen, Truppen hinter Deckungen zu treffen, weil die Richtung eines Teiles der Sprengstücke sich der vertikalen nähert. Die Garbe von gröfserer Öffnung hilft also besser wie die enge den Nachteilen ab ,

welche die unvermeidlichen Unterschiede in der

Höhenlage der Sprengpunkte hervorrufen und vermehrt die Aussicht, liegende und gedeckte Truppen zu treffen . Ein Vergleich der auf die Länge der bestrichenen Front entfallenen Trefferzahlen kann uns andere Aufschlüsse gewähren. Bei 30 m Sprengweite und 14 Grad Öffnung der Garbe erhält z . B. eine Frontlänge von 6,5 m, die nur 13 Felder darstellt, 118 direkt treffende Kugeln. Die Nutzlosigkeit dieser Anhäufung auf kleinem Raume ist klar.

Übrigens giebt

OEK IRJAAKUNNES ,

bessere Auskunft ,

die

folgende Tabelle in dieser Beziehung

da sie einmal die Totalsumme F der in der be-

strichenen Front liegenden Felder und dann die Zahl ( f) der Felder enthält, welche von den Kugeln direkt getroffen werden . Tabelle Nr. 2.

L = 140

L = 20°

L = 300

L = 40 °

L -

50º

L = 60° ‫بها‬

W

F

2252809

40 45 50 60 70 80 90 100

27 32 36 40 49

F

f

F

f

F

f

F

f

F

3 4 7 9 11 13 16 18 20 22 27 32 36 38 31

7 10 14 18 21 24 28 32 36 42 49 56 63 71

4 7 10 14 18 21 24 28 32 36 36 31 27 24 21

6 11 16 21 27 32 37 43 48 54 64 75 86 96 107

6 11 16 21 27 2 37 35 32 28 24 21 18 16 14

7 15 22 29 36 44 51 58 65 73 47 102 116 131 146

7 15 22 29 36 35 30 26 23 21 18 15 13 11 10

10 19 28 37 47 56 65 73 82 93 112 131 149 164 186

10 19 28 37 33 27 23 21 19 16 14 11 10 9 8

12 23 35 46 58 69 81 92 104 115 139 162 185 208 231

f 233322RRIOT

347

30

7 9 11 13 16 18

f

12

35 26

19 16 14 13 11 10 8 7 6

und Zeitzünder der Feldgeschütze.

41

Diese Tabelle zeigt uns , dafs es ein Maximum an getroffenen Feldern giebt, welches für jede Garbenöffnung dasselbe ist, zu dessen Erreichung aber verschiedene Sprengweiten gehören . So erhielt man für die Garbe von 14 Grad das Maximum der Wirkung bei einer Sprengweite von 90 m, während für die Garben von 40-60 Grad dasselbe Maximum von getroffenen Feldern bei einer Sprengweite von 25 bis 15 m erreicht wird .

Hierin liegt der erste Vorteil der offenen Garbe,

denn unter sonst gleichen Verhältnissen werden die Kugeln derselben mit einer um 25 m gröfseren Geschwindigkeit und entsprechender Durchschlagskraft treffen, als die der engen Garbe bei 90 m Sprengweite. Zur Feststellung der zweckmäfsigsten Tempierung des Schusses wollen wir jetzt für dieses Maximum von getroffenen Feldern die mit den verschiedenen Garben korrespondierenden Sprengweiten vergleichen .

Um mit Granaten von 14 Grad Garbenöffnung gute Wir-

kung zu erzielen , müfste man den Zünder so

einstellen ,

dafs

mittlere Sprengpunkt 90 m vor das Ziel zu liegen käme , ja könnte ,

wie wir später sehen werden ,

der man

diese Entfernung noch ver-

gröfsern, wenn man auch die Wirkung der ricochettierenden Sprengteile zur Geltung bringen will .

Dies als Regel aufzustellen , scheint

uns aber nicht praktisch . Das Einschiefsen würde nur erschwert, und man kann dieselben Resultate einfacher erhalten . Wie wird man also in der Praxis verfahren? Nachdem mit dem Perkussionsapparat die Entfernung ermittelt worden ist ,

öffnet man dasjenige Brandloch des Zünders ,

welches

das Krepieren der Granaten in der Luft und möglichst nahe vor dem Ziel zuläfst. Um alle Sprengpunkte in der Luft zu haben, wäre in Anbetracht, dafs das Funktionieren der Zünder in einem Raume von 100 m Länge welche

eintritt ,

diejenige Tempierung

als

beste zu wählen,

den mittleren Sprengpunkt 50 m vor das Ziel legt.

Noch

vorteilhafter ist es aber, denselben dem Ziele bis auf 40 m zu nähern , weil

die

sich

dann

notwendig ergebenden vereinzelten Aufschläge,

bei denen der Perkussionszünder in Thätigkeit tritt, leichter gestatten, sich von der richtigen Flugbahnlage zu überzeugen . So denken wir uns das Verfahren, weil es das einfachste und natürlichste ist . Für diese mittlere Sprengweite von 30-40 m würde nach der Tabelle Nr. 2 hafteste sein.

der Streuungswinkel

von 30-40 Grad der vorteil-

Die Tabellen Nr. 1 und Nr. 2 enthalten aber nur die direkten Treffer und welche

berücksichtigen

nicht

die häufig

wichtigen Resultate,

die ricochettierenden Kugeln eines Teiles

der Garbe

geben

42

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

können .

Nehmen

wir z. B.

35 m Sprengweite. welche die Granate

die Garbe von 30 Grad Öffnung bei

Sie bringt (Tabelle Nr. 1 ) von 300 Kugeln , enthält, 41 Kugeln in die Schufswand. Von

den übrigen 259 Kugeln geht die Hälfte, dem oberen Halbkegel angehörend, über die Wand hinweg, der untere Halbkegel mit der anderen Hälfte trifft den Boden vor der Wand. Von seinen 130 Kugeln , die in dem Raume von 35 m aufschlagen , wird eine grofse Anzahl bei günstiger Bodenbeschaffenheit zwar noch die Scheibe durchschlagen, der Wirkung aber nur dann von Nutzen sein, wenn Felder getroffen werden ,

die nicht schon direkte Kugeln erhalten haben . In dem hier gewählten Beispiel ist das nicht der Fall, weil die 37 Felder in der Garbe (Tabelle Nr . 2 ) schon durch 41 Kugeln im direkten Schufs belegt sind . Jene Anzahl geht also der nutzbringenden Wirkung verloren .

Die Garbe von 50 Grad Öffnung bringt dagegen bei

derselben Sprengweite von 35 m nur 23 Kugeln direkt in die Wand , aber die 138 Kugeln , welche vorher den Boden getroffen haben, können die Wirkung beträchtlich steigern, weil die Garbe 65 Felder umschliefst , von denen 42 keine Kugeln im direkten Schufs erhalten haben. Man erkennt hieraus, dafs die bei kleiner Sprengweite oft grofse Nebenwirkung durch abprallende Kugeln, welche nicht vernachlässigt werden darf, für den Vorzug der weitgeöffneten Garbe spricht. dann muss

aber

die Sprengweite ,

Maximum von nützlicher Wirkung zuläfst , würde die Garbe von 50 Grad

Als-

welche nach Tabelle Nr . 2 das

Öffnung ,

vergröfsert werden .

welche

nach

So

der Tabelle

Nr. 2 bei 20 m Sprengweite die beste Wirkung durch direkte Treffer verspricht ,

durch

eine Vergröfserung dieser auf 35-40 m

wahr-

scheinlich auch die günstigste Steigerung dieser durch rikoschettierende Kugeln zulassen .

Es ist dies dieselbe Entfernung, die auch die Er-

örterung der Tempierungsfrage als

vorteilhaft

erscheinen liefs und

man erkennt deutlich , wie man mit Gewalt zur Annahme derselben als mittlere Sprengweite geführt wird. Da die Garbe von 50-55 Grad unter diesen Bedingungen die gröfste Wirkung zuläfst, so geben wir auch diesem Streuungswinkel den Vorzug . Noch ein allerdings mehr untergeordneter Punkt, von dem man in gewissen Fällen geeigneten Gebrauch machen kann, sei zu Gunsten dieses Winkels angeführt. Bei demselben ist nämlich die Länge der bestrichenen Front der Sprengweite gleich, eine leicht zu behaltende Übereinstimmung , die es gestattet , sich in der Praxis einfach und ohne Berechnung von der mutmafslichen Wirkung Rechenschaft zu geben.

und Zeitzünder der Feldgeschütze.

43

Sollte noch die Frage aufgeworfen werden , warum gerade eine Granate, die 300 Kugeln resp. Sprengstücke liefert, dieser Betrachtung zu Grunde gelegt ist, so sei darauf hingewiesen, dafs wir früher für das 90 mm Kaliber, welches die Grundlage unserer Feldarmierung bildet, diese Füllung als erreichbar nachgewiesen haben . Übrigens zeigt uns sowohl die angestellte Untersuchung als auch die in der Formel , dafs der Streuungswinkel im Zuder Fallstücke des Geschosses steht und Zahl der sammenhang mit Anmerkung gegebene

zwar in der Weise , dafs er zu- oder abnehmen soll, je nachdem die Totalsumme der Kugeln gröfser oder kleiner wird . Die Vorteile, welche wir bis jetzt an der offenen Garbe erkannt haben, beziehen sich auf den mit einem Zeitzünder versehenen Schufs . Um dieselben zu beweisen, mufsten wir uns in eine sehr ins Einzelne gehende Betrachtung einlassen .

Anders ist es beim Schufs mit Per-

kussionszünder , denn für diesen ist der Vorteil der a priori deutlich.

offenen Garbe

Nicht eine absteigende, sondern eine aufsteigende

Garbe, deren Spitze einem nahe vor dem Ziele gelegenen Punkte des Bodens angehört, trifft dieses . Je enger sie ist, desto mehr Wahrscheinlichkeit liegt vor, dafs die Kugeln und Sprengstücke , ohne zu treffen ,

über das Ziel hinweggehen,

punkt den Wänden

sehr nahe

liegt ,

und nur wenn der Sprengwird diese Garbe noch ein-

schlagen, aber wegen ihrer geringen Ausbreitung stets wenige Felder mit einer grofsen , zum Theil nutzlosen Trefferzahl belegen . Gegen die vorhergegangene Betrachtung liefse sich der Einwand erheben , dafs die Resultate ganz andere sein würden , wenn anstatt eines Zieles ohne Tiefe und von grofser Breite , ein solches von schmaler Front- und gröfserer Tiefe-Ausdehnung gewählt wäre. Wir wollen zunächst die getroffene Wahl rechtfertigen und dann auch ein solches schmales und tiefes Ziel in Betracht ziehen .

Die Artillerie wird aus zwei Gründen ihr Feuer stets gegen die feindliche Feuerlinie richten : Erstens ,

weil sich in der Regel nur

diese durch ihr eigenes Feuer markiert und die Möglichkeit zum Einschiefsen bietet ; zweitens, weil die Zurückwerfung und Vernichtung derselben vor allem wichtig ist.

Diese Feuerlinie besteht aus den

Batterieen und Schützenketten des Feindes ,

denn nur die Einzel-

ordnung bildet die thatsächliche Gefechtsformation der Infanterie . Eine Batterie (Geschütze — Bedienung -Protzen) hat in der Feuerstellung eine Tiefe von 25 m. ihre

Auch die Schützenkette besitzt durch

stets

vorhandenen Krümmungen an einzelnen Punkten etwas Tiefe, doch wird dieselbe in der Schufsrichtung desselben Geschützes wohl niemals über 30 m betragen.

Das von uns gewählte Ziel ent-

44

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

spricht im allgemeinen diesen Verhältnissen ,

denn

die Feuerlinie

bietet auch nur wenig Tiefe und gewährt bei geringer sichtbarer Höhe eine unbegrenzte Breite . Was

die Verstärkungen ,

die Soutiens und

die Reserven der

Schützenkette, betrifft , so werden sie im allgemeinen nicht sichtbar sein,

weil sie entweder am Boden liegen oder hinter

Deckungen und Terraingegenständen versteckt sind . Gegenwart nicht durch Schiefsen verrathen , Aufstellung vermuten , noch gegen sie ein

natürlichen Da sie ihre

kann man weder ihre wohlgezieltes

und

gut

beobachtetes Feuer abgeben . Sollten sie zufällig sichtbar werden , so würde man sie wahrscheinlich beschiefsen und schon durch die ersten in ihrer Nähe einschlagenden Geschosse veranlassen , wiederum eine Deckung aufzusuchen , oder wenn dazu die Gelegenheit fehlt, sich in breiter Front zu entwickeln . Das Ziel hat also in diesen Fällen stets die Gestalt, welche wir ihm beilegten. Prüfen wir dennoch den nach unserer Ansicht nur ausnahmsweise eintretenden Fall, dafs sich dem Schusse ein tiefes Ziel bietet, z. B. eine Kolonne,

deren Entwickelung besondere Umstände ver-

hindern, oder ein verdecktes Gelände , auf welchem man Truppenansammlungen vermutet. Man würde in diesem besonderen Falle nach der allgemeinen Methode verfahren , welche eine Batterie zum Schiefsen gegen Ziele von gröfserer Ausdehnung stets anzuwenden pflegt.

Während man aber für gewöhnlich alle Geschütze mit dem-

selben Aufsatz auf verschiedene Punkte des Ziels richtet, würde man in diesem besonderen Falle

für

alle Geschütze

dieselbe Richtung

beibehalten, aber die Aufsatzlängen verschieden wählen.

Wenn auf

diese Weise jedes Geschütz beispielsweise 100 m weiterschiefst als das vorhergehende, so kann eine Batterie mit Geschossen von offener Garbe ein Ziel von 7-800 m Tiefe wirksam unter Feuer nehmen. Wir können

uns nur einen Fall denken,

in dem die engere

Garbe günstigere Resultate als die offene liefert. Wenn nämlich alle Granaten in Folge eines Fehlers beim Einschiefsen viel zu weit vor Dafs dieser Umstand manchmal eintritt, ist dem Ziel krepieren . wahrscheinlich, aber er bildet doch immerhin nur die Ausnahme, Zum auf welche man deshalb kein Geschofssystem gründen darf. Beweis,

dafs

der Granatschufs

mit offener Garbe auch bei

einer

erheblichen Abweichung von der wirklichen Entfernung noch recht befriedigende Resultate liefert, soll noch ein Beispiel angeführt werden. Die Kommission zu Calais hat auf 2000 m ( 15. Februar 1879, Protokoll Nr. 31 über den Versuch Nr. 286) 18 Granaten des 90 mm Kalibers, von denen jede 250 Sprengstücke lieferte und 55 Grad Öffnung

und Zeitzünder der Feldgeschütze.

45

hatte, mit einem absichtlich falschen und zwar um 100-150 m zu kurz gewählten Aufsatz verfeuert. Die Granaten waren mit Doppelzündern versehen . Die erste Schufswand (die einzige , welche wir in Betracht ziehen, weil sie allein das der Wirklichkeit entsprechende Ziel darstellt) hatte 40 m Länge bei nur 2 m Höhe und umfafste folglich 80 neben einander gelegene Felder.

Sie erhielt 400 Spreng-

stücke, von denen 321 die Wand durchschlagen , 76 stark und 3 schwach angeschlagen hatten. Von 80 Feldern waren 78 getroffen , und da die äussersten Felder noch mehrere Stücke erhalten hatten, so kann man annehmen , dafs bei gröfserer Länge der Schufswand die Zahl der Treffer und der getroffenen Felder sicherlich noch beträchtlicher Zu diesem Versuch war nur 1 Geschütz , welches gewesen wäre. die Richtung auf die Mitte der Wand nahm , herangezogen . Wenn das Schiefsen statt dessen von einer Batterie zu 6 Geschützen ausgeführt wäre,

von denen jedes

3 Schüsse gegen eine Wand von

300 m Länge mit einer um je 40 m verlegten Seitenrichtung verfeuert hätte, so würde die Zahl der empfangenen Sprengstücke noch gröfser gewesen sein und die Zahl der getroffenen Felder hätte sich vervier- oder verfünffacht. Wir führen diesen Versuch nur aus dem Grunde an,

weil er

unseres Wissens der einzige ist , welcher die Ermittelung des Einflusses auf die Wirkung bezweckte , den ein Irrthum bezüglich der Unsere unparEntfernung beim Einschiefsen hervorbringen kann . nur Schiefsresultate teiische Meinung geht übrigens dahin, dafs jene den dem Abprallen der Sprengstücke günstigen Bodenverhältnissen der Küste von Calais zuzuschreiben sind. Nachdem wir in dieser Untersuchung die Hauptgesichtspunkte , unter welchen man den Streuungswinkel einer Garbe betrachten kann , nach unserer Meinung erschöpft haben, ziehen wir den Schlufs , dafs Wir die Ergebnisse einem grofsen Streuungswinkel günstig sind . entscheiden uns bei den Feldgranaten für einen solchen von 50-55 Grad und fassen dessen Vorteile dahin zusammen : Er begünstigt den Schufs gegen die dem modernen Gefecht entsprechenden Ziele , weil er bei den Sprengweiten , auf welche man sowohl bei Anwendung des Zeit- als auch des Perkussionszünders naturgemäss hingeführt wird , eine bessere Streuung der Sprengstücke giebt und

eine gröfsere Anzahl Mannsbreiten zu treffen gestattet.

Er gleicht bis zu einer gewissen Grenze Unrichtigkeiten in der Sprenghöhe und bei Anwendung eines Perkussionszünders auch solche in der Sprengweite aus. hinter künstlichen

Er vermehrt ferner die Chancen , den Feind

oder natürlichen Deckungen zu treffen und ge-

46

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

stattet

endlich die Anwendung

des

für die Beobachtung und die

Korrektur des Schusses so wichtigen Hauptprinzips : die Geschosse so nahe als möglich vor der feindlichen Truppe krepieren zu lassen . Der Einfluss des Streuungswinkels auf die Wirkung ist

mit

einer solchen Ausführlichkeit behandelt , dafs nur noch wenig über die Flugweite der Garbe zu sagen übrig bleibt . den Nachweis

geliefert,

dafs

Wir haben schon

man bei gröfseren Sprengweiten als

100 m nicht auf gute Wirkung zählen

darf und dafs die mittlere

Sprengweite für gewöhnlich 40 m betragen soll .

Unter diesen Be-

dingungen ist die Totalflugweite der Sprengpartikel von nebensächlicher Bedeutung ,

denn die Garben der so verfeuerten Geschosse

werden im allgemeinen keine grofse mittlere Flugweite ergeben , weil diese beträchtlichere Sprenghöhen voraussetzt. Wir wollen daher einfach annehmen,

dafs

die

direkt

treffenden Kugeln bis auf eine

Entfernung von 250 m jenseits des Sprengpunktes noch einen Mann aufser Gefecht setzen, so dafs also ein Schufs, der 100 m vor einer Schützenkette krepiert , noch die auf 150 m dahinter aufgestellten Unterstützungstrupps erreichen und beunruhigen kann. Dieser Zweck wird überdies vollkommen durch die bis auf 400 m reichende Garbe derjenigen Schüsse

erfüllt ,

welche auch bei richtiger Abgabe des

Feuers gegen die Schützenkette aufschlagen und schüsse wirken .

als Perkussions-

Die Soutiens und Reserven , welche sich 500 m

resp. 1000 m hinter der Schützenlinie befinden , mufs man direkt beschiefsen, wenn sie die Unklugheit haben, sich zu zeigen. besondere Beachtung

zuzuwenden ,

ist nicht nöthig,

Ihnen eine

denn sie sind

gezwungen, sich dem auf die Schützenlinie gerichteten Feuer auszusetzen, sobald sie zur Verstärkung in dieselbe einrücken, oder nach einer längeren oder kürzeren Vorbereitung zur Ausführung des Angriffs vorgehen . Dieser Moment giebt sich deutlich durch ein lebhaftes und verstärktes Feuer oder durch ein Vorbrechen der Schützenlinie zu erkennen.

Ihn mufs die Artillerie , die sich bis

dahin durch langsame und gut beobachtete Abgabe ihrer Schüsse auf die Schützenkette eingeschossen haben wird, wahrnehmen , indem sie die Schnelligkeit ihres Feuers steigert und ihre höchste Leistungsfähigkeit entwickelt, um die feindliche Infanterie zu erschüttern und zum Rückzuge zu zwingen .

Die Kürze der Zeit, in welcher sich

dieser Infanterie-Angriff vollzieht ,

macht es

unerlässlich ,

dafs die

Artillerie gerade die Vorbereitungsperiode zum Einschiefsen auf die Schützenlinie benutzt. Nur dann vermag sie im Moment des Angriffs sofort ihre ganze Feuerkraft zu entfalten . Diese Betrachtungen scheinen es zu rechtfertigen , dafs wir der

und Zeitzünder der Feldgeschütze .

47

Flugweite der Garbe, oder mit anderen Worten , der langen Erhaltung der Geschwindigkeit in den Kugeln und Sprengstücken bloſs eine nebensächliche Bedeutung beilegen . Nur soweit soll man den Vorteil dieser Geschwindigkeitserhaltung anstreben , als dies geschehen kann, ohne anderen wichtigen Eigenschaften des Geschosses zu schaden .

Wir haben ja auch bei Behandlung der Füllungsfrage

den Wunsch geäufsert, man möchte die Granaten bis zu einem gewissen Verhältnifs mit Hartbleikugeln füllen , welche sowohl im Fluge als auch beim Aufschlag geringere Geschwindigkeitsverluste erleiden , wie unregelmäfsig geformte Sprengstücke. Man würde auf diese Weise einen Teil der Garbe zu einer weiter reichenden Wirkung befähigen , die wir die Ergänzungswirkung nennen wollen .

So nützlich sie unter Umständen sein kann , so darf man

doch weder auf sie rechnen, noch sich durch ein Streben nach ihrer Verwertung beim Einschiefsen leiten lassen.

Auch könnte man durch

die unserem früher geäufserten Verlangen entsprechende Füllung der Granaten mit kleinen und grofsen Stücken , sowie mit Kugeln , der Garbe eine Streuung nach der Länge , ähnlich der nach der Breite beabsichtigten geben , welche zum Teil die in der Praxis vorkommenden Irrtümer beim Einschiefsen ausgliche. Unsere Ansicht zielt auf den Versuch hin, diese drei Arten von Sprengteilen derartig in der Granate zu verteilen , dafs ihnen eine verschiedene Streuungsgeschwindigkeit erteilt wird ,

welche

in be-

stimmter Beziehung zu dem Unterschiede in ihrer Flugweite steht . Wenn die Lagerung in der Form

von drei koncentrischen Ringen

geschieht und die kleinen Stücke den äufseren , die grofsen Stücke den mittleren und die Kugeln den inneren Ring bilden, so würde in Folge der verschiedenen Einwirkung der Centrifugalkraft die ganze Füllungsgarbe in Wirklichkeit aus drei koncentrischen Garben mit verschiedenen Streuungsbreiten und Wirkungssphären bestehen, deren mittlere Flugweiten sich so regeln liefsen , dafs sie mit den mittleren Entfernungen der Tiefengruppierung einer Gefechtsfront über- einstimmten.

Die äufsere Garbe mit dem gröfsten Streuungswinkel

und den kleinen Stücken erringt eine wirksame Flugweite von kaum 150 m und wirkt direkt auf die Gefechtslinie in nächster Nähe des Sprengpunktes.

Die mittlere Garbe der gröfseren Stücke wird we-

niger offen sein , aber bis ungefähr auf 250 m reichen .

Nachdem sie

direkte Wirkungen gegen die Gefechtslinie hervorgebracht hat, liefert sie noch Ergänzungswirkungen gegen die Unterstützungstrupps .

Die

innere Garbe endlich, welche die Kugeln enthält und bei geringster Breitenausdehnung die längste sein wird, dürfte eine Flugweite von

48

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

4-500 m erreichen. kung auf die

Von ihr kann man aufser der direkten Wir-

Feuerlinie

Ergänzungswirkungen gegen die Unter-

stützungstrupps bis zu den Soutiens hin erwarten. Die Verwirklichung dieser Theorie, welche in vorteilhafter Weise zu einer Vereinigung der Haupt- und Ergänzungswirkungen führt, scheint keine unüberwindlichen Schwierigkeiten zu bieten , besonders wenn zur koncentrischen Lagerung der Sprengteile im Geschofs das früher besprochene System der Ringstücke ausgenutzt wird . Unsere Ideeen werden nicht allgemein geteilt . Das ergiebt sich schon daraus, dafs unter den Shrapnelarten, welche sich im Versuchsstadium befinden, solche sind, bei deren Konstruktion man von den unserigen direkt entgegenstehenden Prinzipien ausgegangen ist .

Nur

Versuche können über die streitigen Punkte dieser Frage entscheiden. Die gewiſs nützlichen Aufschlüsse , welche unser Versuchsverfahren zur Bestimmung der Form der Garben auf geometrischem und theoretischem Wege herbeizuführen beabsichtigte , sind allein nicht hinreichend .

Sie müssen durch praktisches Schiefsen , das sich so viel

wie möglich dem Gefechtsschiefsen nähert , vervollständigt werden, damit ein richtiger Mafsstab für die im Ernstfall zu erwartenden Resultate erhalten wird . Wie verfährt man aber bei uns ? Man sucht bei dem gewöhnlichen Versuchsschiefsen mit Shrapnels möglichst viele Kugeln in die 4

mit

40 m

Abstand

hintereinander aufge-

stellten Scheibenwände von 40 m Frontlänge zu bringen und nimmt zu dem Zweck die Richtung nach der zweiten Wand.

Dies Ver-

suchsverfahren stammt aus einer Zeit , in der die geringere Trefffähigkeit der Kanonen und die Ungleichmässigkeit der Zünder, grofse Abweichungen in der Schufs- und Sprengweite ergab . haben wir an dieser Tradition festgehalten.

Allzu getreu

Heutzutage liegt aber

zu einer solchen Anordnung der Scheiben kein Grund mehr vor, denn sie entspricht keiner taktischen Formation und gestattet auch nicht, eine der beiden beabsichtigten Hauptwirkungen mit Genauigkeit festzustellen . Will man Frontalwirkungen ermitteln, so müssen die Wände wenigstens 100 m Länge erhalten, weil die Sprengweite eines richtig abgegebenen Schusses noch 100 m betragen kann und weil die Breitestreuung einer Granate mit offener Garbe der Sprengweite gleich ist . Beabsichtigt man aber Wirkungen nach der Tiefe festzustellen , so erweist sich jene Aufstellung der Wände auch als fehlerhaft , denn ihre Tiefe ist unzureichend und entspricht weder den normalen Gefechtsabständen der Verstärkungstrupps und Soutiens, noch denen der verschiedenen Staffeln einer Batterie . Dazu kommt, dafs bei der grofsen Nähe der Wände die mehrfach hervorgebrachten

und Zeitzünder der Feldgeschütze.

49

Effekte vieler Sprengstücke zu einer falschen Aufnahme des Ergebnisses führen .

nels

Wir würden also viel lieber für die Schiefsversuche mit Shrapals Ziel eine Reihe doppelter Schufswände , zusammengesetzt

aus einer Reihe liegender und einer Reihe aufrechter, dicht dahinter befindlicher Scheiben angenommen sehen. Die Resultate gegen beide müſsten getrennt gezählt und dürften nicht summiert werden .

Sie

veranschaulichten die gegen liegende und aufrechtstehende Truppen erzielten Wirkungen . Zur Feststellung von frontalen Wirkungen würde man für ein einzelnes feuerndes Geschütz einer solchen Wand 100 m Länge und für eine Batterie ,

deren Geschütze die Richtpunkte vom Flügel ab

um je 40 m verlegen , 300 m Länge geben . Eine Batterie könnte so die Gefechtsfront eines Bataillons unter Feuer nehmen . Um die Resultate nach der Tiefe, also die Ergänzungswirkungen müfsten hinter jener Reihe noch Doppelwände zur Staffeln in entsprechenden Entfernungen und Dimender Darstellung sionen aufgestellt werden. Bei offenem und ebenem Terrain würde zu ermitteln ,

man also 150 m hinter der ersten Doppelwand von 300 m Länge, die Schützenkette eines Bataillons repräsentiert, die Unter-

welche

durch eine Doppelwand von 25 m Länge und auf dahinter die Soutiens durch eine solche von 50 m Länge markieren. Ist das Terrain bewachsen und uneben, so müsste man dementsprechend die die Staffeln darstellenden Wände auf verschiestützungstrupps 500 m

dene Entfernungen verteilen . Auf alle Fälle ist die Schützenkette ,

d. h.

die

erste Reihe

Wände als Schufsobjekt zu nehmen , so dafs die gegen die hinteren Staffeln erhaltenen Resultate nur die indirekte oder Ergänzungswirkung darstellen . So erhielte man Angaben , die den auf dem Schlachtfelde zu

erwartenden thatsächlichen Wirkungen annähernd entsprächen und eine Grundlage gäben , um den Einfluss der Flugweite der Garben und der verschiedenen Lage der Sprengpunkte auf die Wirkung zu erforschen.

Resumé und Folgerungen aus dem zweiten Teil. Wer dieser Abhandlung bis zu Ende gefolgt ist , das

alle

der hat auch

Einzelnheiten der Frage beherrschende Faktum

erkannt,

dafs sich die Konstruktionsbedingungen eines Shrapnels widersprechen, je nachdem man der Tiefen- oder Breitenwirkung der Garben mehr Es mag sich um die Gestalt der Sprengstücke Wichtigkeit beilegt. 4 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels

50 handeln ,

um Form, Dichtigkeit, Gewicht, um Lage und Gröfse der

Sprengladung, oder um den Streuungswinkel der Garbe, der Wunsch die eine

oder andere Wirkung

verschiedenen Beantwortung

zu

erreichen , führt auch zu einer Da es bis jetzt weder ge-

der Frage .

lungen ist, noch auch bei dem gegenwärtigen Stand unserer Wissenschaft ausführbar erscheint ,

diese beiden verschiedenen Wirkungen,

deren jede ihre besondere Bedeutung hat, in einem Geschofs zu vereinigen, so ist man genötigt, zwischen beiden Prinzipien eine Wahl zu treffen. Während der angenommenen Wirkungsart die Hauptwichtigkeit beigelegt wird , darf man aber das andere Prinzip nicht ganz vernachlässigen.

Mit einer Entscheidung in dieser Hinsicht

wird der Verwirrung und dem Mangel an Zusammenhang abgeholfen , welche sich gegenwärtig nicht nur in der Konstruktionsfrage der Shrapnels , sondern auch in der Wahl des Versuchsverfahrens geltend machen. Wir haben unsere persönliche Ansicht über diejenige Wirkungsart klar dargelegt , der wir die Hauptwichtigkeit zuschreiben.

Die

Beweisführung geschah unter Berücksichtigung der Formen des modernen Gefechtes und durch Hindeutung auf die Notwendigkeit, die durch ihr eigenes Feuer sichtbare Schützenkette Schufsobjekt zu nehmen .

des Feindes

als

Ferner an der Hand der Erwägungen, daſs

diese Kette, durch ihre Staffeln verstärkt, im entscheidenden Augenblick die wirkliche Kampflinie sein wird , auf welche man nur nach vorhergegangenem Einschiefsen und Verteilen des Feuers seine ganze Wirksamkeit

richten kann .

Aufser diesen taktischen Erwägungen

haben wir zur Unterstützung unserer Ansicht technische Gründe angeführt.

Diese wurden aus den bedeutenden Fortschritten in Bezug

auf die Treffgenauigkeit der Kanonen , die Regelmässigkeit der Zünder und das

praktische

Verfahren beim Einschiefsen

hergeleitet.

Eine eingehende Untersuchung der Gestalt der Garben zeigte uns dann, dafs die Wirksamkeit des Schusses ihr Maximum erreicht, wenn man Granaten mit offener Garbe anwendet, mittlerer Es

Sprengweite

war so

welche bei 40 m

40 m Frontlänge pro Geschütz

die Möglichkeit gegeben ,

bestreichen.

mit einer Batterie à 6 Ge-

schützen eine Frontlänge von 300 m, also die Gefechtsfront eines Bataillons wirksam unter Feuer zu nehmen . Auch vermochte man unter Beibehaltung desselben Richtpunktes und Anwendung verschiedener Aufsatzhöhen einen Raum von 100 m Breite und 800 m Tiefe zu beherrschen.

Zwischen

diesen beiden

äufsersten Grenzen kann

eine Batterie durch sachgemäfse Wahl der Richtpunkte und Aufsatzhöhen nach Belieben ihr Feuer verteilen. Nachdem wir vor allem

und Zeitzünder der Feldgeschütze .

51

bemüht waren , die Hauptwirkung auf die Front zu sichern, versuchten wir endlich auch die Erreichung einer Ergänzungswirkung in die Tiefe und fanden die Mittel dazu in einer Füllungsmethode,

welche

in Bezug auf Form, Gewicht und Verteilung der Sprengpartikel von der früheren abweicht. Unter

Voraussetzung

dieser Grundsätze

kann

man die Kon-

struktionsbedingungen des Shrapnels folgender Weise zusammenfassen :

Eine

Ein Wirkungsgewicht von 50-75 pCt. seines Totalgewichtes . mit der Gröfse des Kalibers wachsende Anzahl von Spreng-

stücken , wollen.

die wir für das 90 mm Kaliber auf 250-300 festsetzen

Eine in Bezug auf Gewicht , Form und Verteilung der Sprengpartikel derartig angeordnete Füllung ,

dafs

die ganze Sprenggarbe

aus mehreren koncentrischen Garben mit abgestuften Flugweiten zusammengesetzt ist, deren Kugelwinkel in dem Verhältnis abnehmen, wie die Flugweiten zunehmen. Ein totaler Kegelwinkel der Garbe , welcher sich mit der Zahl der Sprengstücke ändert und den wir für die Feldgranate auf ungefähr 50 Grad festsetzen wollen. Eine central gelagerte Sprengladung,

so grofs ,

dafs sie diesen

Streuungswinkel hervorbringt und kräftige , auf grofse Entfernungen wahrnehmbare Explosionen erzeugt. Ein dünner, schmiedeeiserner Mantel, welcher durch die Sprengladung leicht und vollkommen zerrissen wird ,

aber keinen Anlafs

zur Abnutzung der Seelenwände des Rohrs giebt. Endlich an der

Spitze des

Geschosses

eine Abflachung

55 mm Durchmesser und eine Weite des Mundlochs beides Abmessungen ,

welche

von

von 30 mm ,

im ersten Teil dieser Abhandlung für

die Herstellung eines guten Doppelzünders als notwendig erkannt sind.

Allgemeine Schlufsfolgerungen . Wenn sich in naher Zukunft die Ausrüstung unserer Batterieen mit Shrapnels bedingungen

und Doppelzündern , entsprechen ,

welche den

vollzogen hat ,

erwähnten Haupt-

so erleidet die Thätigkeit

und Wirkung der Artillerie auf dem Schlachtfelde eine solche Veränderung , dafs die Erfahrungen aus dem letzten Kriege kaum eine Vorstellung davon zu geben vermögen . Während die Bewaffnung der Infanterie seit 1870 wenig an Wirksamkeit gewonnen hat, sind von der Artillerie bedeutende Fortschritte in Bezug auf Schufsweite , Treffgenauigkeit ,

Wirksamkeit der Geschosse und Zünder gemacht .

Man kann deshalb dreist behaupten, dafs sich das frühere Verhältnis 4*

Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder etc.

52

in Bezug auf die Kriegsleistung dieser beiden Waffen beträchtlich zum Vorteil der Artillerie verändern mufs. Diese Überlegenheit wird um so deutlicher hervortreten, je mehr man die Mufsezeit praktische

des Friedens dazu benutzt,

Aneignung der

durch Studium und

der Natur unserer neuen Waffen ent-

sprechenden Schiefsregeln , der Artillerie die höchste Leistungsfähigkeit

zu sichern .

Wir haben

summarisch einige jener Regeln , die

a priori von theoretischen Erwägungen abgeleitet worden sind, kurz angedeutet.

Sie können selbstredend nur als ein erster sehr unge-

nügender Annäherungsversuch gelten, dazu bestimmt, als Ausgangspunkt für die wichtigen und zahlreichen Untersuchungen zu dienen , welche im praktischen Schiefskursus, und bei

Gelegenheit

in den Versuchskommissionen

der jährlichen Schiefsübungen der Artillerie-

brigaden vorgenommen werden.

Indem wir die schwerwiegende Sorge

für die Aufstellung der die gewöhnlichen Kriegsverhältnisse berücksichtigenden Schiefsregeln der zuständigen Behörde überlassen ,

be-

gnügen wir uns damit, die Aufmerksamkeit noch auf 2 Punkte von allgemeiner Tragweite zu lenken : Der erste besteht darin ,

dass die Artillerie mehr wie jemals

ein hervorragendes Interesse daran hat, dominierende Stellungen einzunehmen, weil sie nur so ihr Gesichtsfeld und damit das Feld ihrer Wirksamkeit zu erweitern vermag. Wo heutzutage die Artillerie sehen und beobachten kann ,

da ist sie auch zu einer hervorragend

wirksamen Thatigkeit berufen. Der zweite Punkt ist der ,

dafs sich die Infanterie nicht unge-

deckt

sie sich zeigt ,

darf sehen lassen .

Wo

kann sie durch ein

wirksames Shrapnelfeuer vernichtet werden und zwar weit über die Entfernung von 2000 m hinaus, welche durch Reglement vom 12. Juni 1875 als Gebrauchsgrenze für die demnächst die Grundlage unserer Munitionsausrüstung bildenden Shrapnels bezeichnet ist. Beide Erwägungen äufsern vielleicht einen solchen Einfluss auf die Prinzipien, welche gegenwärtig unsere taktischen Formen beherrschen, dafs diese eine teilweise Aenderung erfahren.

Gerhard David von Scharnhorst.

53

IV .

Gerhard

David von Scharnhorst.

Ein militärhistorisches Charakterbild .

Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition.

I.

Allgemeines .

Im Bereiche des Gewöhnlichen trennen sich Praxis und Theorie, Freisinn und Konservation, Politik und Kriegskunst stets mehr oder minder ; wo die Notwendigkeit sie zusammenfügt , wird doch immer je eines von ihnen vorherrschend und das andere untergeordnet sein. Dieser Regel entzieht sich nur der Aufserordentliche, welcher zu ganz freier Umschau emporgehen und sein menschliches Stückwerk doch annähernd abrunden kann . Er erhebt sich dann über die kleineren Unterscheidungen; für ihn giebt es kein isoliertes Wissen und keine Parteistandpunkte mehr ; sein Pflichtgefühl geht im Feuereifer und seine Erkenntnis in Thaten auf. Er verschmilzt auch die Weisheit des Friedens, um seinetwillen, mit derjenigen des Krieges ,

und ist

dazu angethan, groſsen Übeln abzuhelfen und grofse Fortschritte zu schaffen . Auf solch einer Höhe stand Gerhard David v. Scharnhorst , ein Hauptmotor seiner und ein Vorarbeiter der nachfolgenden Zeit, der preufsische Waffenschmied , von welchem die Dichter sangen , der seinen König ganz verstand und von Ihm ganz verstanden wurde. Er war als Soldat auch

zugleich Philosoph und Politiker ;

er ist

Schriftsteller und Organisator , und doch nicht minder ein Held der kriegerischen Praxis gewesen ; wir bekamen ihn aus fremdem Dienste, und doch wurde er der Schöpfer unseres neuen Heerwesens und Apparates, mit dem wir den Feind geschlagen, Preufsen und Deutschland frei gemacht haben. Wenn der Mensch im grofsen und ganzen durch seine Naturanlage bestimmt wird , so tragen fürs einzelne doch die Umstände seines Lebens , zumal diejenigen der Jugendbildung ,

viel

dazu bei,

Gerhard David von Scharnhorst.

54

ihn auf entsprechende Wege zu leiten.

Bei Scharnhorst geschah dies

im allgemeinen durch die Einfachheit und Zucht , Moral und Arbeit seines Vaterhauses ; Schaffen ,

durch sie

die Selbsterkenntnis

hat

er sich in das Gehorchen und

und Ausdauer,

das Wahrheits- und

Rechtsgefühl, welche ihn während seines ganzen Lebenslaufes charakterisierten, von der Wurzel auf hineingelebt. Seine Empfindungen wurden weder vom Notstande noch durch Überflufs verdorben ; ihn hemmte kein materielles Gegengewicht ,

und

durch zu viel Erziehung geschwächt und

sein Genie ist nicht

durch vorzeitige Freiheit

unfrei gemacht worden. Der Neigung und Anlage für den Kriegsberuf ,

welche Scharn-

horst schon früh zu erkennen gab, sind verschiedene Eindrücke seiner Jugendzeit zu Hülfe gekommen. Zumal schuf ein Geschichtsbuch der schlesischen Kriege ihm Bilder, und die Erzählungen eines invaliden Unteroffiziers , welcher die Schlachten Friedrichs mitgekämpft, führten erstere weiter aus. Gewann der geistvolle Knabe dort einen Zusammenhang des Geschehenen , so sind ihm hier die Musterhandlungen Friedrichs , Zietens Husarenstreiche und Seydlitz' Herkulesarbeiten in überraschenden Einzelcoups begegnet. militärisches Naturell zur Erscheinung ;

das

Das brachte sein

würde in anderen Be-

wandnissen ihn vielleicht zu ausschreitender Romantik geleitet haben, aber seine Anlage und Erziehung machten es fruchtbar ; das wendete Scharnhorsts Herz

schon in früher Jugend dem streitbareu Preussen

zu, welchem er sich nachher in der Fülle des Genies und an der Hand ernster Erwägungen ganz hingab . Scharnhorsts Lebensarbeit hat in seiner Lehre , seiner Kriegsthätigkeit und seinem Reorganisationswerke beruht. Diese Stücke bedingen sich und greifen in einander ; wenn man eines vom anderen abgrenzen wollte , so würde dies auf Kosten ihres inneren Zusammenhanges geschehen . Die Lehre , welche auch literarisch stattfand, ging hier von der Erfahrung des Krieges aus, und zielte wiederum auf denselben ;

Scharnhorsts Kriegsthätigkeit stand

auf dem Fundamente dessen, was er überhaupt, und zumal auch im Sein Reorganisationswerk ist eine Brücke Lehren, gelernt hatte . von Krieg zu Krieg , es nützt die Erfahrungen des ersten aus und bereitet den zweiten vor ; in ihm ist Praxis und Theorie, Politik und Begeisterung, Lehre und Literatur. Scharnhorsts Lehre hat nicht nur Helden vorgebildet, sondern auch grofse Gedanken, die zu eben solchen Handlungen werden sollten, angeregt ; seine Bücher sind nicht blos der Gegenwart , sondern auch der Zukunft gewidmet worden. Ebenbürtig stehen daneben die

Gerhard David von Scharnhorst.

55

im Zusammenhange der Reorganisation von ihm geschaffenen Memoriale ; all sein geistiges Vollbringen aber greift so weit und tief, daſs es nicht minder in die allgemeine

wie

speziell militärische

in die

Kulturgeschichte gerechnet werden mufs. Die Kriegsthätigkeit unseres Helden

war

an jeder

Stelle

mustergültig ; doch befand er sich, nach besonderer Schicksalsfügung, meist in so schwierigen Kriegslagen , persönlich und defensiv sein konnte. so und noch mehr im Kriege nahme.

dafs seine Sieghaftigkeit nur So war es 1794 bei Menin,

von 1806 ,

bis

zu seiner Gefangen-

Der Sieg bei Preufsisch-Eylau wurde ihm durch das nach-

herige Mifsgeschick verleidet, und derjenige von Grofs - Görschen liefs immer noch zu wünschen übrig. Bei Auerstädt wurde Scharnhorst zweimal, und am 2. Mai 1813 doch so verwundet, dafs es ihm infolge dessen nicht mehr vergönnt war, in die volle Glorie des Freiheitskrieges , welche er vorbereitet hatte, mit einzutreten . Das Reorganisationswerk

Scharnhorsts gründete

sich auf

dessen Erkenntnis der allgemeinen Zeitlage , sowie unserer Verhältnisstellung mit dem Gegner.

Das Vertrauen seines Monarchen stellte

ihn an die Spitze einer Reorganisationskommission ; in und mit dieser vollzog er eine Neubildung unseres

Heerwesens ,

zeitgemäfs und zweckentsprechend wie sie war, Wiederherstellung Preufsens

vorbereitete .

Seine

welche ,

den Sieg Prinzipien

und

so die

kamen

zur Geltung, ihn schreckte nichts zurück und widerlegte nichts ,

er

blieb taktfest und unermüdet. Scharnhorst leitete den Gang der Arbeit, bereitete vor und half aus ; seine Memoriale erschienen Stück für Stück, die meisten Bausteine wurden ihm verdankt, und die zerstreuten Elemente

sind gleichzeitig von ihm zusammengefasst ,

die

Formen gerundet , die Meinungsunterschiede ausgeglichen worden. Der König gab die grofsen Intentionen, und die Kommission entwickelte daraus Vorschläge, welche der Monarch prüfte ; nur was diese Musterung bestand, bekam dann Gesetzeskraft . So wurde von der Kommission durch Scharnhorst, und von Scharnhorst durch den Impuls und die Vollmacht ,

welche

ihm sein König gab , das grofse Werk

binnen fünf Jahren segensreich vollbracht. Durch die Art, in welcher unser Held sein Reorganisationswerk lebendig und wirksam machte, bekam auch das Nationalgefühl einen unvergleichlichen Anstofs, - und in den Probetagen unserer Erhebung von 1813 stand Scharnhorst, als Wortführer und Vorkämpfer, sehr hoch und in sehr hellem Lichte. Sein Name war in jedes patriotische Herz geschrieben, sein früher Tod hat unser ganzes Volk tief erschüttert ; aber seitdem verklang viel von der Begeisterung für ihn ,

Gerhard David von Scharnhorst .

56

und sein Nachruhm ist sogar an manchen Stellen geschädigt worden. Teils durch den Irrtum oder Neid Solcher, welche sein Verdienst schmälern , und in betreff dieses Vaterlandshelden die alte Geschichte von dem Ei des Columbus wiederholen wollten, teils durch den vom Idealismus und der ausschreitenden Freisinnigkeit ihm gespendeten Weihrauch. Scharnhorst war liberal, aber weder egoistisch noch auf einem Parteistandpunkte, sondern echt und allgemein ; nicht wider, sondern für den König , nicht zur Beunruhigung , sondern zum Heile des Vaterlandes .

Der militärische Fortschritt ,

humanen Geistes ,

welchen

er schuf,

aber zur Stärkung von Autorität und Disziplin ;

er rüstete unser konservierendes Preufsen gegen das

auch im Zu-

stande der Militärdespotie doch stets revolutionäre Frankreich. Genie strebte

war

die gemeinschädlichen Übel ,

welche

Sein

die französische

Revolution erzeugt hatte , abzuthun ; seine echte Vaterlandsliebe arbeitete überall der falschen Freisinnigkeit entgegen. Wenn jene Revolution vorerst ihre Gegner überwand, so erkannte Scharnhorst genau , dafs dies durch die Überlegenheit ihrer StreitDort die nationale Kraft und Begeisterung, mittel verursacht sei. hier bei uns ein schon ausgelebter Apparat, welcher mit der Nation wenig gemein hatte ; eine graue Theorie stand der lebensfrischen Praxis gegenüber.

Die Vertreter der ersteren muſsten mit all' ihrem

Rechte doch unterliegen , und diejenigen der letzteren mit all' ihrem Unrechte doch siegreich sein , - das lag in der Natur der Sache. Die hierauf bezügliche Erwägung

Scharnhorsts

war ganz militär-

politisch und traf den Nagel auf den Kopf: „ Wenn unser Heerwesen sich mit der Nationalkraft identifizieren läfst , so werden wir ,

vermöge

der deutschen Gründlichkeit und

Moral , dann noch viel siegreicher sein als die Franzosen . " Schon in diesem Gedanken sprach sich eine nur auf die Conservation und Ermächtigung des Vaterlandes spekulierende Freisinnigkeit aus . Der Geist seiner Vorlesungen war so liberal, wie es in der gesunden Vernunft und im Interesse des Heeres lag .

Seine echt mili-

tärische Volksbewaffnung und seine humane Fassung der Disziplin sind von der neuen Zeit acceptirt und vom Erfolge gekrönt worden ; alle späteren Heeresentwickelungen und Siege befinden sich in ihrer Konsequenz . Dafs Scharnhorst den sogenannten Tugendbund ablehnte , entsprach seiner Gesinnung und Berufsthätigkeit vollständig .

Wie hätte

seine Besonnenheit sich mit jenem Idealismus, sein offener Sinn mit

Gerhard David von Scharnhorst.

der Heimlichkeit und sein Patriotismus

mit

57

demjenigen ,

was

dem

Könige bedenklich , unserer systematischen Wehrbarmachung gefährlich schien, verbünden können ! Scharnhorst ist viel leichter und viel schwerer zu behandeln , als jeder geringere Ritter vom Geiste.

Leichter im Äufseren, da die

ganze Erscheinung hoch genug steht, um weithin anschaulich zu sein und in betreff ihrer

scharfen Umrifslinien kaum noch ein Zweifel

entstehen kann. Schwerer nach der Tiefe hin , und wo es sich um den besonderen Mafsstab für das Aufserordentliche handelt. Wer in Bezug auf Scharnhorst Werke schaffen will , braucht dazu tiefe Menschenkenntnis,

ein umfassendes kriegerisches Wissen und die ge-

naueste Bekanntschaft mit allen jener Zeit angehörigen Verhältnissen ; für eine Skizze wie die gegenwärtige reichen wohl Sorgfalt und Präzision, die sich doch aber auch dem schwereren Teile zuwenden müssen, aus . Der in Betracht stehende Lebenslauf ist zeiten unserer Kriegsgeschichte eingerahmt , von 1757 ging er empor, was über

Scharnhorsts

zwischen zwei Glanzdenn auf der Schwelle

und im Sonnenaufgange von 1813 unter ;

früheste Jugend

hinaus

in betreff seiner

zwischen diesen Grenzpunkten lag, ist Sorge und Arbeit unter dem Sterne des Genies gewesen. Seine Begeisterung für den Kriegsberuf leitete sich von Friedrichs Thaten und die Glorie des deutschen Freiheitskrieges wiederum von Scharnhorst ab, ― so hängen die Dinge der Welt an einander.

Der grofse König würde für Seine Erkennt-

nis neue Haltpunkte gewonnen haben ,

wenn Er den Findling von

Torgau, den zurückgesetzten Gebhard Lebrecht und den Dorfknaben von Hämelsee als die Faktoren hätte sehen können .

II.

des preufsischen Sieges von 1813

Jugend- und Lernzeit.

Gerhard Johann David Scharnhorst wurde am 10. November 1756 zu Hämelsee in Hannover geboren .

Sein auf eine kleine Pachtung

beschränkter Vater erschwang kaum das Notwendige, und die früheste Erziehung dieses Knaben konnte sonach nur durch die Dorfschule. und das Elternhaus bewirkt werden . Aber ein wirkliches Talent bedarf nur kleiner Hülfen , und das Haus, wenn es guten Geistes ist, formt den Grund des Charakters und selbst die Anfänge des Genies besser als das kunstvollste Pädagogium . Dieses Haus hier war überaus einfach , aber um so tüchtiger wurden seine Bewohner. Der Familienvater handhabte eine strenge Disziplin, dem Druck der Verhältnisse wurden Mut und Fleifs gegenübergestellt, jedes Glied dieser

Gerhard David von Scharnhorst.

58

Genossenschaft hatte seinen häuslichen Beruf und leistete mehr als es genofs .

Dies spartanische Haus , jene schon erwähnten Kriegs―bücher und der preufsische Veteran, sie bildeten zusammen immerhin einen guten Kursus , durch den Gerhard auf die eigenen Füſse gestellt, zur Arbeit und Selbstbeschränkung gewöhnt und militärisch angeregt wurde.

Der Kriegsberuf lockt wohl überhaupt die Jugend

an, die Romantik des herantrat

wie

hier ,

siebenjährigen Krieges auch jeden

würde ,

wenn sie so

anderen Knaben begeistert haben,

aber doch meist nur als flüchtiges Jugendspiel . Bei Scharnhorst war das anders , denn sein militärischer Trieb zeigte sich ernsthaft und beharrlich ; wo die Vorsehung über einen Geist bestimmt , rüstet sie ihn auch im Sinne ihres Vorhabens. Der junge Gerhard wünschte Soldat zu werden , aber seine Eltern erklärten sich dagegen. Das Offiziertum ist für einen bürgerlichen und unbemittelten Jüngling derzeitig kaum erreichbar, in der Masse würde er verwildern ; die Naturanlage Gerhards ist noch nicht erkannt , und sein Wunsch gilt vorerst nur für eine Jugendthorheit. Sein Vater will ihn durch Arbeit und Genügsamkeit glücklich machen ; die Sorge und Hoffnung, welche ersterer an einen schwebenden Erbstreit knüpft, soll auf den in Sohn vererbt werden. Dieses Programm durchgeführt ,

seine

wurde bis

dann aber änderte

eigensten Fußstapfen

tretenden

zu Gerhards fünfzehntem Jahre sich die Sachlage.

Der erwähnte

Erbstreit kam 1771 günstig zu Ende , und da hiermit die Familie Scharnhorst das Rittergut Bordenau an der Leine gewann , so verbesserte dies ihre Umstände sehr wesentlich. Gerhards war jetzt nicht mehr unmöglich ,

Eine Offizierlaufbahn

und da dessen Neigung

sich inzwischen bewährt, seine Berufsanlage kennbar gemacht hatte, so fiel mit dem äuſseren auch das prinzipielle Hindernis , und Gerhards Eltern willigten ein, ihren Sohn Soldat werden zu lassen ; Wie und Wo liefs sich noch nicht bestimmen.

nur das

Aber der neue Wohnort brachte auch das schnell zur Entscheidung. Die Nachbarschaft interessierte dieser Familie ,

sich für den

hoffnungsvollen Sohn

und der berühmte Graf Wilhelm

burg - Lippe - Bückeburg wurde auf Gerhard dessen soldatische Lust und Anlage aufmerksam .

zu Schaum-

Scharnhorst und Er fand alsbald

den goldenen Kern dieses Jünglings und nahm ihn am 1. Juli 1772 als "" Kadett" in seine Kriegsschule zu Wilhelmsstein . *) Dieses Faktum leitete Scharnhorst in seinen Beruf. Der neue

*) Damals mustergültige kleine Festung im Steinhuder Meer .

Gerhard David von Scharnhorst. Zögling brachte jener Anstalt mit der Liebe

59 zu den Waffen auch

seinen forschenden Geist , mit dem anerzogenen Arbeitstriebe und Stoicismus auch seine unentnervte Lebenskraft. Die Militärschule ihrerseits befriedigte, schon als solche, sein Verlangen ; aufserdem aber ist durch ihre Eigenart die seinige ganz speziell entwickelt worden. Graf Wilhelm ging bei allem, was er that, von der Erfahrung aus ,

und

bildete

sich demnach seine Theorie nur aus der Praxis ;

hiermit aber gewann er den unschätzbaren Vorteil, mit seinem Können nie hinter dem Wissen und Wollen zurückzubleiben . Diesen Grundsatz

drückte

auch

die

von ihm gestiftete Kriegsschule aus ;

ihr wissenschaftlicher Unterricht war durchweg auf das wirkliche Bedürfnis

gegründet und ging mit dem praktischen Militärdienste

zusammen.

Artillerie und Ingenieurtum standen, weil in ihnen ganz

speziell die Praxis zur Wissenschaft und die Wissenschaft zur Praxis gravitiert, im Vordergrunde ; die erste Klasse des Institutes entsprach dem Kanonier, die zweite dem Unteroffizier und in der dritten wurden Portepeefähnriche für das Offiziertum geschult.

Der wissen-

schaftliche Unterricht der Zöglinge ging mit ihren praktischen Übungen Hand in Hand ; sie standen schon in wirklichem Dienst und Solde ,

und wenn die Disziplin , der man sie unterwarf , streng

war , so wurde sie doch durch humane und höhere Ansichten bestimmt. Scharnhorst äufserte Schule ; sie wurde Humanität.

Wo er,

lingen nachstand , flügelt worden . für

ihn ,

bemüht ,

sich

nachmals

ein mächtiger Hebel als Dorfschüler,

sehr günstig

über

diese

seines Genies und seiner

den besser vorbereiteten Zög-

sind diese doch bald von ihm erreicht und über-

Auch interessierte sich Graf Wilhelm ganz speziell

liefs ihm noch besondere Lektionen angedeihen ,

und war

den zu schroffer Abgeschlossenheit neigenden Geist seines

Lieblings durch Eindrücke klassischer Poesie zu mildern .

Nach vier

Jahren voll Anstrengung und Genufs kam Scharnhorst auf den Gipfel dieser Schule ; ―― aber da starb auch sein Wohlthäter und ihn traf hiermit eine erste und gleich sehr harte Prüfung.

Sie griff tief in

sein Herz, aber seine Flügel wurden nicht mehr gehalten , sein bereits anschaulicher Wert öffnete ihm sehr bald den Weg zum hannoverschen Kriegsdienste . Der General v. Estorf nahm ihn 1777 in sein eigenes Dragonerregiment, welches zu Nordheim bei Göttingen in Garnison lag ; hiermit begann Scharnhorsts eigentliche Dienstlaufbahn , bereits in militärischer Praxis gewesen war ,

obgleich er

und nach seiner artil-

leristischen Vorschule jetzt schon in die zweite Waffe einging .

Gerhard David von Scharnhorst.

60

Auch diese erfafste er voll und ganz ; seine Präzision im Dienste liefs nichts zu wünschen übrig ,

und gleichwohl arbeitete er rastlos

an seiner inneren Fortbildung , vertraute ihm

selbst jüngere Offiziere

Das

Man

die Information der Unteroffiziere und „Cadets " ; ja

schaftliche Arbeiten gingen.

sowie an derjenigen Anderer.

wurden von ihm unterwiesen und wissen-

vollbracht ,

alles that seiner

die

später in die

Öffentlichkeit

Praxis im Sattel keinen

Eintrag.

Solche Resultate entsprangen nur aus seiner Theorie vermöge der Praxis und seinem Genie mit der Anstrengung ; darauf begründete sich sein

allseitiges Gleichgewicht ,

welches ihm die Anerkennung

von oben herunter ebenso reichlich einbrachte , wie diejenige von unten herauf. Nicht minder schuf es ihm durchs Lernen im Lehren , durch Umschau

und

Dienstbeeiferung

bei

Forschung bei

solcher Jugend ,

solcher Wissenschaftlichkeit ,

militärischen Fortschritt.

durch stete

den

wirklichen

Für diesen Offizier war schon damals , in

seiner Berufssphäre nichts so klein , dafs er es nicht wert gehalten, und nichts so grofs , dafs er nicht danach gestrebt hätte . Hiermit bricht die Jugend- und Lernzeit unseres Helden noch nicht ab , - in sie mufs vielmehr auch sein literarischer Frühling und seine

erste Waffenprobe

mit

eingerechnet

werden .

Ersterer,

weil durch seine Produkte der geistige Wert dieser Jugend erst voll beleuchtet wird ; letztere, weil sie in Betreff des Krieges sein erster Kursus, eine militärisch wichtige , ja wohl seine wichtigste Lernzeit war.

Die Jugendschule

grofser Männer braucht weiterer als

der

sonst gewöhnlichen Linien, weil sie für ihre Riesenarbeiten Aufserordentliches vorzubereiten hat. Scharnhorst's Leistungen und Kenntnisse sprangen so sehr hervor, dafs er 1780 als Lieutenant in das Artillerieregiment zu Hannover versetzt und mit Ausarbeitung eines Organisationsplanes für die dort neu zu errichtende Kriegsschule beauftragt wurde. Diese letztere gestaltete sich dann, nach dem Vorbilde von Wilhelmsstein, zu einer wirklichen Musteranstalt, und Scharnhorst, der an ihr, von 1782 ab , elfjährig als Lehrer gewirkt hat , sorgte in dieser langen Dauer dafür, das Wissen , welches sie schuf, stets mit dem Können, ihre Form mit dem Stoffe, und ihren humanen Geist mit der Disziplin richtig zu proportionieren . In dieser pädagogischen Zeit sprach sich überdies Scharnhorsts Geist durch mehrere belangreiche Schriften aus, die teils von seinem damaligen Berufe Ereignisse

abgeleitet ,

verfasst waren.

teils in Hinblick auf die kommenden Sie geben für die Beurteilung

dieser

durch Wissenschaft und Gedankenwert bestimmten Jugend die festesten

Gerhard David von Scharnhorst.

Haltpunkte , -

um

so fester ,

61

als sie aus seinem Innersten heraus

and in die Öffentlichkeit gingen . Vorerst erschien 1787 und bis 1790 sein Handbuch für Offiziere ; er schuf damit vorerst einen seiner Militärschule gewidmeten Leitfaden, der, aus ihren Bedürfnissen entsprungen, sehr bald festen Boden gewann und in die weitesten Kreise drang. Dieses auch jetzt noch kaum übertroffene Lehrbuch der Kriegswissenschaften wurde 1804 u. s . w. , ja selbst nach dem Tode des Autors noch mehrfach neu aufgelegt . *)

1788 begann unter seiner Leitung das „ Neue mi-

litärische Journal " , welches späterhin auch den Titel : „ Militärische Denkwürdigkeiten " führte, **) und , wenn er in jenem vorerst ein Interesse für die ursprünglichen Intentionen der französischen Revolution kundzugeben schien, so ist dies an mancher Stelle mifsverstanden worden. Er erwartete von jenen ersteren eine Abhülfe grofser Verwirrungen und Nothstände unseres Nachbarreiches ; als es aber sehr schnell klar wurde , dafs die scheinbare Hülfe viel schlimmer war als das abzustellende Uebel, da hat Scharnhorst gegen jene

politische Umwälzung Front gemacht und gegen sie und das ,

was aus ihr entsprang, all' sein Wissen und Können ins Feld geführt. 1792 erschien Scharnhorsts " Militärisches Taschenbuch zum Gebrauch im Felde " , welches, im Hinblick aufsen herantretenden Ereignisse , Zeit befriedigte,

eine

auf die

von

militärische Forderung der

und dem deutschen Offizier, in Betreff seiner feld-

dienstlichen Obliegenheit, eine solche Anleitung gab, wie er sie bisher noch nicht gehabt hatte.

Dieses

dann mehrfach und in schneller

Aufeinanderfolge neu aufgelegte Buch behauptet seinen Rang in der Militärliteratur noch jetzt und kann zu den klassischen gezählt werden ; wer kann bezweifeln, dafs durch solche die Praxis bestimmende Schriften jedem Heerwesen noch belangreicher als selbst mit hervorragenden Kriegshandlungen gedient Scharnhorsts „Unterricht des

wird !

1793

endlich

erschien

Königs von Preufsen *** )

an

die Generale Seiner Armee , vermehrt durch die vom Könige

später hinzugesetzten Instruktionen und erläutert

durch Pläne und Beispiele " , und dieses,

welches seiner schon

ursprünglichen Pietät für den grofsen König Ausdruck gab, markierte auch zugleich den Endpunkt seiner bisherigen Lehrthätigkeit. *) Der vollständige Titel lautet : „Handbuch für Offiziere in den verwendbaren Teilen der Kriegswissenschaften " , vorerst 3, dann 4, schliefslich sogar 6 Teile. **) 1797 mit dem fünften Bande. ***) Friedrichs des Grofsen.

Gerhard David von Scharnhorst .

62

1785 hatte sich Scharnhorst verheirathet *),

1792

war er zum

Stabskapitain befördert worden ; im Jahre 1793 sollte er zum ersten Male die Vorbereitung auf den Krieg gegen diesen selbst umtauschen .

Zu dieser Zeit rückten , dem siegreichen Frankreich gegenüber, auch die Hannoveraner, in deren Reihen Scharnhorst jetzt als Chef einer reitenden Batterie stand,

ins Feld.

Als , nach einem Winter-

lager, am linken Ufer der Lys , ihre Kriegsoperation von 1794 begann,

befand sich unser Held bei einem vom Generalmajor von

Hammerstein befehligten kleinen Truppenkorps , welches die Festung Menin **) besetzen mufste . Hier überwand sein Genie alle Schwierigkeiten der Vertheidigungsfähigkeit dieses Platzes,

und

als letzterer von zehnfacher Uebermacht umschlossen und jedes Mittel seiner Behauptung erschöpft war, sich heldenmüthig,

schlug dieses kleine Detachement

nach Scharnhorsts Entwurfe ,

und erreichte Brügge .

durch den Feind

Wenn diese Aktion, durch contraire Zufällig-

keiten gehemmt, mit schweren Opfern vollführt war, dies um so verdienstvoller ,

so machte sie

und der in ihr beruhende Sieg in der

offensiv formierten

schwierigsten Defensive ist zumeist Scharnhorst

verdankt worden .

Er selbst äufserte sich in seiner diese Kriegs-

handlung betreffenden Schrift ***) sehr eingehend und objektiv, doch mit Uebergehung seines eigenen Verdienstes ; dieses letztere ist aber von den Generalen v. Hammerstein und Graf v. Wallmoden in solcher Weise gerühmt worden †) , dafs der König von England ihn durch Verleihung eines Ehrensäbels und die Beförderung zum Major im Generalstab belohnte . Im weiteren Verlaufe von 1794 machte Scharnhorst, noch als Kapitän, bei Hammerstein einige Gefechte an der Dommel mit ; 1795 befand er sich zuerst als Major im Stabe Wallmodens und im Oktober dieses Jahres wurde bei Nymwegen ein Detachement leichter Infanterie von ihm geleitet. Bis zum Tilsiter Frieden . Auf den Kriegssturm folgte in diesem Lebenslaufe wieder das Studium. Der Baseler Friede war unterzeichnet, auch Hannover *) Mit der Schwester seines ältesten Jugendfreundes, des nachher in Berlin lebenden Geheimen Rats Professors Schmalz, eines berühmten Juristen. **) Am linken Ufer der Lys, zwischen Courtrai und Werwik der Provinz Westflandern. ***) „ Die Verteidigung der Stadt Menin und die Selbstbefreiung der Garnison unter dem Generalmajor v. Hammerstein ," von G. von Scharnhorst. †) Wallmodens bezügliches Urtheil teilen wir im Schlufskapitel mit.

Gerhard David von Scharnhorst. schob

sein Schwert in die Scheide,

63

und Scharnhorst dachte dem-

jenigen was geschehen , und der Nutzanwendung, die daraus zu ziehen war, ernstlich nach . *)

Wie hat doch der überraschende Sieg dieses

vorher miſsachteten Frankreichs alle Geister verwirrt, wie neigte man sich zu überschwänglichen Annahmen, nahe

lag !

Eine

wo doch die Erklärung ganz

solche gab Scharnhorst schon mit der diesen Ge-

genstand betreffenden Abhandlung , seines militärischen Journals eröffnete.

welche 1797 die neue Folge " Wenn eine ganze Reihe

von Feldzügen dort gewonnen und hier verloren wird , so mufs dies auf allgemeinen Ursachen beruhen. jenseits

die französischen Emigranten ,

Diese sind .

welche uns

falschen Voraussetzungen und Mafsregeln leiteten , tionalstolz

und

Verzweifelung ,

die unseren Gegner zu

aufserordentlichen Anstrengungen trieben ; der ganzen Nationalkraft in den Kampf, geographischen Lage , schritte ,

ihre

Schablone ,

zu Na-

ihr Einsatz

die Gunst ihrer

ihr Vorsprung militärischer Fort-

mindere Abhängigkeit von Vorurteil und

ihre jüngere Führerschaft u . a. m.

Was

uns

betrifft , so sind vorerst durch Uneinigkeit unsere Kräfte zersplittert und durch Parteihafs unsere Einsichten verblendet worden .

Unsere geworbenen Heere kamen gegen

das Vermögen einer ganzen Nationalkraft nicht auf , und wir unterschätzten nicht nur überhaupt jenen Gegner , sondern auch die Macht der bei ihm entfesselten Leidenschaften und die ganze historische Tragweite der französischen Revolution. Wenn unser Feind durch geographische Vorteile unterstützt war , so hätte es gegen ihn einer besser vorbereiteten und planmäfsigeren Kriegführung bedurft ;

wenn im jenseitigen Heerlager jeder be-

sondere Umstand , und zumal der französische Nationalcharakter , eine zweckentsprechende Berücksichtigung fand , so hätten die Verbündeten sich umso weniger auf unwandelbare Regeln und alte Systeme steifen sollen. Auch die Politik der Verbündeten griff fehl , ihre Operationspläne u. s. w.

und Heerführungen waren zu differierend

Kurz ,

es braucht einer anderen Organisation .

und Kriegführung ,

um die deutschen Heere , Frankreich

gegenüber , siegesfähig zu machen . " Wäre diese Aussprache

berücksichtigt worden,

so

hätte

*) Er war zu dieser Zeit Oberstlieutenant im Generalstabe zu Hannover.

das

Gerhard David von Scharnhorst.

64 Ströme von

Blut erspart und schweren Verhängnissen vorgebeugt,

aber die Stimme eines tief Gepflanzten

effektuiert nicht,

und

zur

Fortschaffung alter Systeme reichen überhaupt Stimmen und Mahnungen selten aus, dazu braucht es vielmehr aufserordentlicher Fakten. Die Feldzüge von 1796 bis 1800 belehrten Scharnhorst immer

mehr, dafs der französische Kriegsgeist in seine Fülle getreten und das Vorhaben der Revolution von demjenigen einer gegen ganz Europa offensiven Militärdespotie verdrängt war. Ein begabter Emporkömmling ergriff die nationale Strömung Frankreichs und beutete die Schwächen seiner Gegner aus ; Sieg um Sieg hoben ihn, vermöge der Eitelkeit und Ruhmgier seines Volkes, immer höher empor, und dem gegenüber hatte der deutsche Kaiser 1801 im Friedentraktate von Luneville erklärt ,

dafs er das allgemeine deutsche Interesse dem-

jenigen Österreichs unterordnen müsse. Was war und vermochte in solchen Umständen noch Hannover? es war der Eroberung oder dem Ländertausche preisgegeben, und ein freier starker Geist wie derjenige Scharnhorst's , der, auf ganz Deutschland bedacht , sich zu Grofsem berufen fühlte , fand dort kein Arbeitsfeld mehr. Scharnhorst wurde durch solche Erwägungen bestimmt 1801 aus dem hannöverschen in den preuſsischen Kriegsdienst überzugehen ; nur dem preuſsischen Staate , der in Deutschland noch aufrecht stand , und den ja schon Friedrich der Grofse zum Schwert und Schilde deutscher Gerechtsame gemacht, konnte die zur Wiederherstellung des allgemeinen Vaterlandes nötige Kraft zugetraut werden , und unser Held wollte , dem Zuge seiner Bestimmung folgend , wie St. Christophorus einem mächtigeren Herrn dienen. Als er, durch Vermittelung des Herzogs von Braunschweig, mit einem Patent vom 14. Juni 1800 in den preufsischen Heeresverband trat , wurde er als Oberstlieutenant vorerst dem in Berlin garnisonierenden 3. Artillerieregimente zugeteilt ; 1804 ging er, zum Oberst befördert und

nachdem

ihm der Adel verliehen worden, in

den General - Quartiermeisterstab über ,

und die Rangliste von 1806

nennt ihn als General - Quartiermeister - Lieutenant und „ Directeur" der Akademie

für junge

Offiziere ,

nebst dem Lehrinstitut für die

berlinische Inspektion . *) Dafs ihn das Unglück traf 1803 seine Gattin durch den Tod zu verlieren, mufs zu denjenigen Prüfungen gezählt werden ,

welche , gerade als solche ,

die Seelenstärke wert-

voller Menschen noch zu erhöhen geeignet sind .

*) Stammliste aller Regimenter und Corps der Königlich preuſsichen Armee für das Jahr 1806 S. 192.

Gerhard David von Scharnhorst.

65

Scharnhorst genofs zu jener Zeit schon eines bedeutenden Rufes , aber gleichwohl liefs ihn sein militärischer Rang noch zu keinem eigentlichen Faktor für die ersten Anfänge einer schon von 1806 versuchten Heeresreform

werden ;

wäre

er für diese in Anspruch ge-

kommen ,

so würde es ihm damals , wo der Gegendruck der alten Schule noch zu grofs war, kaum besser gegangen sein, als dem geist-

vollen Major v. Knesebeck mit seinen Vorschlägen. Scharnhorst's Zeit und Stichwort waren eben noch nicht gekommen. Aber durch die 1803 von ihm begonnenen Vorlesungen für Offiziere kam doch so viel Geist und Wahrheit zum Vorschein, dafs dadurch seine Begriffsweise und Einsicht scharf beleuchtet wurde, und ihn

infolgedessen

Anerkennung und

Gegnerschaft

schon auf

einen sehr markierten Standpunkt hoben. Wenn er einen Generalstab will , „ der das Organ , nicht das Orakel des Feldherrn ist , der nicht aus

erhabenen Sonderlingen , sondern aus

verständigen ausrichtsamen Leuten mit genügender Praxis und Theorie , Umsicht und Findigkeit besteht etc. " - wer kann etwas dagegen sagen? wenn er meint , " dafs im Kriege nur für den Zweck aber nicht

durch Sorglosigkeit und

verkehrte Mafsregeln Menschen geopfert werden dürfen “ , -wer sollte das nicht richtig finden ! Dennoch ist Scharnhorst durch solche Anschauungen mit der alten Schule veruneinigt worden ; unter denjenigen aber ,

welche ihm eine verständnisvolle Aufmerksamkeit

widmeten, stand König Friedrich Wilhelm III. in erster Reihe.

Dieser

Monarch besafs die Eigenschaft jedem Standpunkte seinen richtigen Mann

zu finden , und da Ihm in Scharnhorst nicht nur eine ungewöhnliche Einsicht und Produktionskraft, sondern auch manche Seiner Eigensten Intentionen begegnete , so suchte Er ihn in eine spielräum-

lichere Bahn

zu leiten ,

und fühlte

wohl

schon damals vor, dafs

Scharnhorst erst Schwung in den Generalstab bringen und zu seiner Zeit überhaupt diejenigen Heeresfortschritte ermöglichen würde, welche Er, der König, schon damals im Herzen trug. Dennoch konnte Scharnhorst vor dem unglücklichen Kriege und während desselben immer nur einzelnes

leisten ,

zu einem

durch-

greifenden Einflusse auf das Ganze unseres Heerwesens gelangte er noch nicht. Der König konnte eben mit dem alten Systeme und Denen, die es trugen, noch nicht ganz brechen , und Seine Bescheidenheit, die Ihn da, wo es sich um eine Verletzung historisch- sanktionierter Personen

und Gebräuche handelte ,

mit Seinem Eigenen

Selbst am wenigsten durchgreifen liefs, hielt Ihn eben auch, diesseits des Krieges , noch von einer solchen Bevollmächtigung Scharnhorst's 5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Gerhard David von Scharnhorst.

66

zurück , wie sie geeignet gewesen wäre,

das Genie desselben ,

im

Interesse des Vaterlandes , schon früher zu seiner vollen Geltung zu bringen.

Wie die Lage von 1806 war, brauch hier nicht wiederholt werden ; wohl aber dient es zur Charakteristik Scharnhorst's, diejenige Meinung zu vernehmen, welche er, in Bezug auf unsere Stellung zu den Zeitereignissen, schon 1805 , nicht öffentlich , aber im vertrauten Kreise aussprach . Wir

stehen

gegenwärtig

vor

einem

Scheide wege *)

und wenn die noch intakten Staaten bezüglich ihres Auftretens gegen Napoleon sich voll einigen , so müssen wir , so des Ruhmes als des Vorteils wegen , ins Vordertreffen ; hält aber diese Koalition nicht fest zusammen , dann ist

es bedenklich.

Verbänden

gegen die Koalition , so Deutschlands rauben , nie mehr.

wir uns mit Frankreich ,

müfste uns

und

dies

das Vertrauen

diesen Feind überwänden wir

Unser Heil liegt vorerst darin , dafs wir rüsten

und gegen jeden französischen Einflufs feststehen ; aber Oesterreich

den Krieg

an Frankreich

wenn

erklärt ,

so

mufs unsererseits sogleich gegen Napoleon losgeschlagen werden.

Geschieht das nicht, so kommt er uns im näch-

sten Jahre auf den Hals , und woher dann Hülfe ?" Leider kam es so , wie er befürchtete . Als das neutrale Anspach'sche Gebiet verletzt war , hielt Scharnhorst den Krieg für unvermeidlich, fürchtete aber unser Zuspätkommen ;

als man dann,

erst nach Abschlufs des Prefsburger Friedens , von aller Hülfe entblöfst , gegen das übermächtige Frankreich losging , mufste einem Kriegspolitiker, wie Scharnhorst war,

wohl bereits der Erfolg sehr

zweifelhaft sein ; um so mehr ersehnte er aber die äusserste Anspannung unseres Kraft- und Kunstvermögens . Er konnte sie nur ersehnen , Vorkehrungen zum Kriege

denn seine Stellung war für die

und die Operationen

selbst noch

nicht

mafsgebend genug ; ihm und den anderen Rittern des neuen Geistes, welche nachher die Führerschaft von 1813 bildeten , blieb 1806 , in ihrer damaligen Subordinierung, nur übrig, sich auch ohne Hoffnung heldenmütig zu schlagen.

Scharnhorst

befand

sich

im

September

1806

zuerst

beim

*) Bei der Nachricht von dem Konzerttraktrat zwischen England und Rufsland vom 11. April 1805, um Frankreich in seine alten Grenzen zurückzutreiben.

Gerhard David von Scharnhorst.

67

Rüchel'schen Corps und wurde von diesem zu dem vom Herzog von Braunschweig befehligten Hauptheere versetzt , wo er als zweiter Generalquartiermeister fungierte. Er besafs nicht die Gabe, sich schnell Eingang zu verschaffen , differierte in seinen Kriegsansichten mit dem ersten Generalquartiermeister , und konnte bei dem Oberfeldherrn , der die alte Zeit und Schule vertrat , ebenso wenig ein Verständnis finden. In der Schlacht von Auerstädt that Scharnhorst sein Äufserstes und ist zweimal leicht verwundet worden ; als , nachdem schon die Verwundung des Herzogs von Braunschweig stattgefunden und unsere Gefechtslage sich ungünstig gestaltet hatte , im vierten Momente der Schlacht die Brigade des Prinzen Heinrich zur Unterstützung des linken Flügels unserer Schlachtlinie vorging,

und sich

der Prinz durch das vom Feinde genommene Dorf Poppel durchzuschlagen suchte , wurde sein Pferd erschossen und er selbst beim Sturze schwer verletzt.

Scharnhorst gab

ihm

sofort sein eigenes

Pferd, und man sah nun diesen Stabschef das vom Feinde okkupierte Dorf zu Fufs und mit einer Muskete in der Hand passieren . *) Scharnhorst

selbst

sagt in

einem an den

Oberst

v.

Kleist,

Generaladjutanten der Infanterie, gerichteten Schreiben vom 20. Oktober 1806 : **) Ich bin auf dem linken Flügel ,

von

anfang an , be-

ständig in und vor dem ersten Treffen gewesen und habe alle Anordnungen hier im Namen des Herzogs von Braunschweig getroffen . Ich habe die Infanterie einmal vorgeführt , den Feind bis

übers Schlachtfeld hinaus zweimal

hinausgetrieben und so das Schlachtfeld behauptet , bis der rechte Flügel völlig geschlagen war etc. - - Ich habe mein Pferd in der Schlacht verloren und eine Wunde in der linken Seite erhalten , die nicht

bedeutend

ist ,

mir

aber dennoch jetzt sehr beschwerlich wird . " Sein Bericht über die Schlacht von Auerstädt ***) giebt inbetreff dieser

die gediegenste Auskunft .

In

seiner sehr prägnanten Er-

örterung der Operationen , welche die Schlacht herbeiführten , accentuiert er einerseits , ,„ dafs die inneren Verhältnisse der preufsischen Armee keinen günstigen Erfolg zuliefsen , " andererseits,,, dafs die Art , wie der Herzog von Braunschweig das Kommando der Armee betrieb ,

eine

so schnelle Ausfüh-

*) E. v. Höpfner: Der Krieg von 1806 und 1807 I. ( 1 ) SS . 454 ff. , 458, 460, 461 , **) G. H. Pertz : Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt v. Gneisenau I. (Beilagen) SS. 252 und 254. ***) Pertz, cit. I. (Beilagen) S. 553-667. 5*

Gerhard David von Scharnhorst.

68

rung , wie sie bei dem Abmarsche nach Auerstädt und der Saale notwendig war , nicht gestattete. " Am Schlufs seines Berichtes über die Schlacht selbst sagt Scharnhorst sehr bezeichnend : „ Mangel an gegenseitiger Unterstützung hat nicht blos den Verlust der Schlacht und den Rückzug , sondern auch die Unordnung der Infanterie auf dem Rückzuge nach dem Eckartsberge herbeigeführt , und dadurch es unmöglich gemacht , dafs die Armee sich von neuem dem Feinde widersetzen konnte. " Auf dem Rückzuge nach Sömerda schlofs sich Scharnhorst zu Nordhausen an die Kolonne Blüchers und blieb bei dieser als Stabschef,

bis

erlag .

auch sie einem nicht mehr aufzuhaltenden Verhängnisse

Der reguläre Rückzug und präzise Zusammenhalt dieses Korps,

sowie die geschickte Führung desselben,

der im Einzelnen noch

manche gute Kriegshandlung zu verdanken war , beruhte wesentlich mit auf ihm, und Lübeck, dessen Verteidigung er trefflich angeordnet hatte, wurde am 6. Novembar 1806 nur aus Grund eines von seinen Anordnungen unabhängigen Versehens

vom Feinde

erstürmt.

Bei

dieser Gelegenheit fiel Scharnhorst in Gefangenschaft ; da aber am 3. November in dem nicht unglücklichen Arrièregardengefechte bei Kriwitz ein französischer Oberst gefangen und eine Auswechselung schon von den Franzosen selbst in Vorschlag gebracht worden war, so kam unser Held noch vor der am 7. November erfolgten Ratkauer Kapitulation des Blücherschen Korps wieder in Freiheit. Dies machte es ihm möglich, zu dem noch intakten Teile des preufsischen Heeres , welcher , mit einem russischen Hülfscorps vereinigt, am rechten Weichselufer stand und von dem General- Lieutenant v. L'Estocq befehligt wurde, zu gelangen ; er wurde dessen Stabschef und kam mit diesem noch aus der Schule Zietens stammenden Truppenführer in ein sehr gutes Einverständnis . Hier, in diesem neuen Verhältnis lagen die Umstände so , dafs die jeder Strategie ohnedies stets nötige Politik doppelt in Anspruch kam ; der Stabschef L'Estocqs mufste schon aus Grund unseres dermaligen Zusammengehens mit den Russen sein politisches Talent zur Geltung bringen. Die Uebelstände der Gegenseitigkeit sämtlich auszugleichen vermochte er allerdings nicht, und ebenso wenig war eine Abhülfe aller, oder auch nur der meisten Unzuträglichkeiten , welche die Heeresleitung des Partners herausstellte , thunlich ; aber Scharnhorst erreichte doch , nach diesen Richtungen hin, teils durch L'Estocq, teils durch direkte Einwirkung auf den ihm persönlich zugethanen russischen Oberbefehlshaber , manches Wertvolle. So

Gerhard David von Scharnhorst.

69

gelang es ihm , das preufsische Truppencorps ganz

selbständig und

als einen nur im Sinne der preufsischen Politik operierenden Kriegsfaktor zu erhalten u. a. m.; freilich wäre viel mehr effektuiert worden,

wenn man die Russen hätte zu einer regeren Offensive brin-

gen können.

Seinen in diesem Feldzuge besten,

und zwar einen

absolut militärischen Erfolg hatte Scharnhorst vermöge der glänzenden Aktion,

welche

er dem preufsischen

durch dessen Beteiligung Eylau erwirkte.

bei

der

Corps am 8. Februar 1807

Schlacht

von

Preufsisch

Das verbündete russisch-preufsische Heer ging am 18. Januar 1807, von Osten her,

gegen die Alle offensiv vor und kam über

diesen Flufs hinaus bis Mohrungen ; hier aber bewog der feindliche Gegendruck das russische Heer, bis Preufsisch Eylau zurückzugehen , und nur L'Estocq bewegte sich, um mit Graudenz in Verbindung zu treten, noch bis Freystadt, war aber hier allerdings sehr exponiert. Er musste auf Mohrungen zurück, büfste seine Vorpostenbrigaden gröfstenteils ein und konnte nur durch äufserste Umsicht und Anstrengung und unter unaufhörlichen Gefechten und Nachtmärschen. am 8. Februar Preufsisch Eylau

erreichen .

Hier war schon

am

7. Februar das russische Heer durch Napoleon engagirt worden, und da ihn noch Davoust verstärkte, so kam ersteres gegen eine beträchtliche Übermacht in Nachteil.

Die Russen standen, nachdem

der Kampf am 7. ohne Entscheidung geblieben, mit der Front gegen Südwest, so aufgestellt , dafs ihr rechter Flügel an das Dorf Schloditten, der linke an die Dörfer Klein- Sausgarten und Serpallen gelehnt war ;

in

gaben sie

dieses freiwillig

ihrem Centrum befand sich Preufsisch Eylau , doch auf.

Als am 8. Februar Mittags das

preufsische Corps über Althof nach Schloditten gelangte,

war der

russische linke Flügel schon von Davoust zurückgedrängt und umgangen worden ; die russische Schlachtordnung stand bereits zwischen zwei Feuern und es kam für L'Estocq jetzt darauf an , diese Umgehung Seitens der Franzosen unwirksam zu machen . Zweck marschierte er ,

Für diesen

vom rechten Flügel der Russen aus ,

ihrer Schlachtlinie auf Kutschitten,

hinter

welches Davoust schon besetzt

hatte, und traf hier Nachmittags um 3 Uhr ein.

Scharnhorst, welcher

seinen General zu dieser Bewegung veranlafst hatte und also deren intellektueller Urheber war, erkannte sofort, dafs bei Kutschitten die Entscheidung lag Infanterieregiment

und dieses Dorf wurde nun durch das

v. Rüchel *)

mit dem Bajonett genommen.

*) Das jetzige Grenadierregiment Nr. 1 .

Die

Gerhard David von Scharnhorst.

70

diesseitige Infanterie entwickelte sich hierauf in nur einem Treffen, die Kavallerie folgte und die Artillerie leitete den jetzt entstehenden heftigen Kampf gegen die französische Division Friant sehr wirksam ein.

Letztere wurde mit grofsem Verluste zurückgedrängt, und

als dann auch noch Truppen des russischen linken Flügels zur Unterstützung herbeikamen , trieb man Davoust aus dem Felde. *) Die Schlacht war entschieden ; mehr Scharnhorst,

mit einem,

wenn nicht L'Estocq, und noch

nach allen Detachierungen und Ver-

lusten hier nur noch sehr kleinen Truppencorps,**) welches überdies aus

ermüdeten Truppen

bestand ,

wären die Russen geschlagen , bracht worden.

dieses Resultat erzielt hätte ,

Scharnhorsts Verdienst wurde von Kaiser von Rufsland

so

vielleicht der Vernichtung nahe ge-

allen Teilen anerkannt ; der

verlieh ihm den Wladimirorden dritter Klasse

und von seinem Monarchen wurde er durch den Verdienstorden und die Beförderung zum Generalmajor ausgezeichnet. Aber der ganze Krieg stand unter einem Unsterne ; zösische Kriegspolitik nicht energisch genug . sere Sache

wieder

die fran-

war zu treulos und die russische Operation Nach zwischenzeitiger Waffenruhe ging un-

rückwärts ,

und alle bisherigen Opfer und An-

strengungen wurden durch die

unglückliche Schlacht von Friedland

am 14. Juni 1807

fruchtlos gemacht.

Kein Genie und Heldenmut

vermochte es mehr zu hindern , dafs unser Vaterland an das schwere Verhängnis des Tilsiter Friedens überliefert wurde . (Schlufs folgt.)

*) Näheres über diesen Kampf : Höpfner cit. III . 250 ff. **) Nur 92 Bataillone, 29 Schwadronen und 2 reitende Batterieen . Höpfner cit. III 235 ff.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

71

V.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer

unserer Zeit. Von C. v. Bruchhausen.

I. Man hat unsere Zeit -

und nicht

mit Unrecht

wohl die

„rückblickende " genannt. Gerade in den Tagen grofser Ereignisse , tief einschneidender Veränderungen und Fortschritte sucht der Mensch nach festen Formeln für seine Ansichten und Bestrebungen , und er glaubt sie gefunden zu haben , wenn er von grofsen Geistern vergangener Jahrhunderte das in klassischer Form ausgesprochen antrifft, was ihm heute Kopf und Herz erfüllt. Solche Übereinstimmung gewährt eine gewisse Beruhigung : denn Sätze und Sentenzen, denen Jahrhunderte nichts anhaben konnten , die müssen mehr als beherzigenswert und ehrwürdig , die müssen wahr sein! - Und da solche Lehren alter Zeit meist in knapper , sentenzenhafter Form ausgesprochen sind, acceptieren wir sie um so lieber. Das Bestreben , dort

zerstreuten

gerade

in die Vergangenheit zurückzuschauen und die

geistigen Früchte

in letzter Zeit

zu sammeln ,

hat bekanntlich

auf militärischem Gebiete eine ganze Reihe

anregender und belehrender Schriften gezeitigt. Über ihren Wert ist gestritten worden. Hierher gehört ein Satz aus der Vorrede des Kommentators zu den militärischen Schriften Napoleons I. *) Er spricht von den Aufsätzen Napoleons und sagt : „Eine sehr grofse Menge einzelner Lehren, in klassischer Kürze ausgesprochen , findet sich darin zerstreut wie Goldkörner im Flufssande. Dieselben zu sammeln schien bedenklich : aus dem Zusammenhange gerissen sind die

meisten nicht ohne weiteres verständlich

und scheinen sich oft zu widersprechen. Der Sammler müfste sie gruppieren und weitläufig kommentieren . Dann aber würde die

Militärische Klassiker 6. Heft.

72

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

Sammlung nicht den Geist Napoleons wiedergeben, sondern den Geist des Sammlers, in dem Napoleon sich bespiegelt. " Letzteres geben wir im grofsen Ganzen zu , möchten aber erwidern ,

daſs

es immerhin denkbar wäre ,

wie der Geist des Kom-

mentators sich dem des betreffenden grofsen Mannes assimiliert und gleichsam in ihm aufgeht, und ferner, dafs in den Aussprüchen und Schriften grofser Männer so viel ihres Geistes lebendig fortlebt, dafs auch der ungeschickteste Sammler ihn

nie

zu

ertöten

vermögen

würde. Und selbst , wenn eine solche Sammlung aus den Werken eines grofsen Kriegstheoretikers nur die Gedanken und Ansichten des Herausgebers unter der Maske seines Gewährsmannes enthalten sollte wir sind wie schon gesagt nicht dieser Meinung so liefse sich noch der Umstand geltend machen, dafs auf dem bezeichneten Wege dem grofsen militärischen Publikum taktische und strategische Lehren in der gewünschten und in gleichzeitig anregender Weise vorgetragen werden. Dies Gunsten

zur Rechtfertigung ihrer Tendenz

dieser Studien , und wollen

nur noch ein

Wort

des

grofsen

wir zu Königs

folgen lassen : *) „ Unter der grofsen Anzahl der existierenden Bücher giebt es nur wenige, in denen alles Gold ist ; ja es sind selbst darunter nur eine geringe Zahl, als

aus denen man so viel gute Dinge ziehen kann ,

aus den Kommentaren

des Polybius .

schritt des menschlichen Wissens

Es

zu wünschen ,

wäre für den Fortdafs man ,

anstatt

selbst zu schreiben, sich, ohne neue Bücher zu verfertigen, befleifsige, gute Auszüge aus denen zu machen , könnte dann verlieren. "

hoffen ,

nicht

welche man schon hat ,

unnütz Zeit

mit

deren

Lektüre

man zu

II. Ein Vortrag, den der Major Jähns im Februar 1876 im wissenschaftlichen Verein zu Berlin über des Thema „ Machiavelli und der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht" hielt , war die Veranlassung, dafs wir uns eingehender mit den Werken des grofsen florentiner Staatsmannes beschäftigten . Dabei wurde uns zunächst zweierlei klar : wie seine Bedeutung als Kriegstheoretiker fast allgemein zu gering angeschlagen wird , und wie wenig seine Schicksale bekannt sind . Aus letzterem Grunde mögen hier einige biographische Notizen folgen .

*) Militärische Klassiker, 1. Heft S. 117.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. Niccolo stammte aus

73

geboren am 3. Mai 1469 zu Florenz , einem vornehmen aber verarmten toskanischen Ge-

Machiavelli ,

Seine hervorragenden Fähigkeiten verschafften ihm bereits 1498 Eintritt in die Regierung, und in den nächsten 14 Jahren war er als Staatssekretär sowie als Gesandter vielfach im Interesse seines

schlechte.

Vaterlandes

thätig ,

vier mal war er beim Könige von Frankreich,

zwei mal beim Kaiser ,

zwei mal beim Papst.

Das

Jahr

1512

führte eine gewaltsame Umgestaltung in der Regierung von Florenz herbei und setzte Machiavelli wider seinen Willen zur Ruhe . In der schrieb er nun Mufse des Landaufenthalts - er starb 1527 seine zweifellos hochbedeutenden Werke, die in der deutschen Übersetzung von Ziegler *) acht Bände füllen . Soldat ist Machiavelli nie gewesen -- wenn er auch als Organisator der florentiner Nationalmiliz 1506 und 1511 auftrat , und kurz vor seinem Tode bei der Befestigung von Florenz mit seinen Kenntnissen aushalf- und dennoch schrieb er Bücher , die von seinem soldatisch angelegten Geiste und namentlich von seinem bedeutenden Verständnis militärischer Dinge zeugen! Es kommen hier eigentlich nur drei seiner Werke in Betracht : das mit Unrecht so berüchtigte Buch vom Fürsten , die 7 Bücher über die Kriegskunst und

seine 3 Bücher vom Staate. **) Dazu mögen noch seine Reglements für die Einrichtung einer Nationalmiliz zu Florenz (Infanterie und Kavallerie) Erwähnung finden. Das

erstgenannte Werk hat bekanntlich

eine

ganze Flut von

Kommentaren, Schmähschriften und dergleichen mehr hervorgerufen ; es hat den Namen Machiavellis aus Unverstand und Unkenntnis mit einem nicht mehr zu tilgenden Makel behaftet, so dafs jeder Biedermann bei dem Ausdruck " Machiavellismus " schaudert und als Gegengift vor sich hinsummt : „ Üb immer Treu und Redlichkeit!" Es ist hier nicht die Stelle, diesen ungerechten, aber mehr und mehr schwindenden Anfeindungen des durchaus gläubigen und abgesehen von einer starken Neigung zur Erotik auch von sittlichen Grundsätzen beseelten Machiavelli schrieb doch selbst Friedrich der Grofse seinen längst widerlegten Antimachiavelli entgegenzutreten, so gerne wir es thäten, um Machiavelli den Lesern nicht nur als einen geistig bedeutenden, sondern auch als einen der Achtung

würdigen ,

sympathischen Menschen anzuführen .

Wir be-

*) Karlsruhe, 1832-1841 . **) Ausserdem enthalten seine Werke : „ Die Florentiner Geschichten ," poetische Sachen, sowie Briefe und Gesandschaftsberichte.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

74

schränken uns darauf, den Idealfürsten

zu erwähnen ,

schildert ,

dafs er im Fürsten niemals

sondern nur angiebt,

wie ein Herrscher

nach den Erfahrungen dieser Welt seinen Staat behaupten kann und mufs , wenn er ihn durchaus behaupten will . Dafs dieser Wille stellenweise zu grausamen und unmoralischen Handlungen führt, verschweigt Machiavelli keineswegs. *) Die 7 Bücher von der Kriegskunst enthalten nun die ganze Was er über Summe der militärischen Ansichten Machiavellis . Rekrutierung, Bewaffnung, Zusammensetzung der Heere, Taktik und Strategie ,

die Festungsfrage u. s . w. denkt ,

hat

er dort in einem

Dialog, den er einen alten Söldnerhauptmann, Fabrizio Colonna, mit geistreichen jungen Florentinern führen läfst, niedergelegt. gelten ihm

die

altrömischen Einrichtungen als Muster ,

Überall ohne dafs

dabei aber auf die Kritik verzichtet würde , denn Fabrizio Colonna sagt : „Ohne jedoch in allen ihren Einrichtungen zu folgen , werde ich nur die annehmen , welche mir für die gegenwärtigen Zeiten passend erscheinen . " Das nach unserer Meinung bedeutendste Werk Machiavellis sind die drei Bücher vom Staate , gewöhnlich „ Discorsi " genannt, weil auch sie der Unterhaltung

mit hochbegabten Bürgern von Florenz

ihren Ursprung

verdanken. Der ganze Titel lautet : „ Vom Staate, oder Betrachtungen über die 10 ersten Bücher des Titus Livius . “ Lehren der Staatskunst werden mit soldatischen Angelegenheiten verknüpft , immer wird an reelle Verhältnisse , an historische Ereignisse die Doktrin geschlossen, und vor allen Dingen wird als Quelle des ganzen politischen und kriegerischen Getriebes die nach Machiavelli ewig gleiche -- Natur des Menschen analysiert . Eine ganze Reihe von Sätzen, deren Richtigkeit sofort einleuchtet und die durch ihre prägnante Fassung und ihren logischen Aufbau überraschen, imponiert dem Leser. Trotzdem nun Machiavellis Werke in vielfachen Auflagen erschienen und in fast alle lebende Sprachen übersetzt sind, finden wir seine militärische Bedeutung weder in den ersten Jahrhunderten nach ihrer Entstehung , gewürdigt ,

noch auch zu unserer Zeit nach Verdienst

während seine politischen Lehren eine reiche Diskussion

*) Das sonst so verdienstliche Potensche ,,Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften" giebt noch der längst widerlegten Ansicht (als Möglichkeit der richtigen Deutung) Raum , dafs M. mit dem „,Fürsten“ eine Satyre bezweckt habe. Übrigens ist M.'s Name an der genannten Stelle in einer nicht üblichen Weise mit doppelt-c geschrieben.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. hervorgerufen haben.

Militärisch wurde

75

er ausgenutzt aber tot-

geschwiegen, Ziegler sagt darüber : „Nach dem Tode

du Bellays, der Lieutenant du roi in Turin

war, fand man ein Manuskript überschrieben : La Discipline militaire et Instructions sur le fait de la guerre extraits puis peu de temps de plusieurs Autheurs ; es erschien im Jahre 1546 im Druck. In einer neuen Auflage vom Jahre 1553 sind die Autoren genannt, aus denen es gezogen : Polybe , Frontin, Vegece, Machiavelli et plusieurs autres .

Der Name Machiavellis wurde Jahre

1592

weggelassen , obgleich

in einer neuen Ausgabe vom ein Vierteil

des Werkes ,

wie

Algarotti sagt, Übersetzung der Kriegskunst Machiavellis ist . Folard in seinem Kommentar über Polybius erkennt Machiavelli militärisches Talent zu ; seinen Schriften ,

er findet die Beweise desselben überall in

nur nicht in dem Buche

über die Kriegskunst.

Dies mache ihm wenig Ehre , er habe den Vegez geplündert und übel umgekleidet ; aufserdem sei er in allem bewundernswert. “ Inwieweit aber Folard etwa selbst Machiavellis Theorieen für sein Werk benutzt hat , können wir nicht beurteilen, da sein Kommentar über Polybius uns nicht zugänglich gewesen ist . Ebenso wenig war es uns möglich, den von Friedrich dem Grofsen verfafsten Auszug aus ebengenanntem Kommentar mit Machiavellis Werken zu vergleichen ,

da dieser Auszug

in den gewöhnlichen Ausgaben der

Werke des grofsen Königs fehlt (auch in den „ Oeuvres militaires " herausgegeben von Preufs) . Friedrich selbst führt in der Vorrede zu besagtem Auszuge mehrere Militärschriftsteller auf, erwähnt aber dabei Machiavellis mit keinem Worte. Sollte er ihn nicht gekannt haben? Sein Antimachiavelli liefert den Gegenbeweis. Sollte er nur den Staatsmann und nicht den Kriegslehrer Machiavelli gekannt haben ? Man wird stutzig , wenn man bei Vergleichung der von Beiden hinterlassenen Werke eine frappante Aehnlichkeit nach der andern findet. Und Friedrich sagt selbst in der Vorbemerkung zu den Generalprinzipien vom Kriege : „Es giebt vielleicht keine Kunst , über welche so viele Bücher geschrieben sind als 66 gelesen

über den Krieg.

Ich habe dieselben fast alle

Schon in der Anordnung des Stoffes springt die merkwürdige Ähnlichkeit zwischen Machiavelli und dem grofsen König in die Augen. Beide

sprechen ihre Lehrsätze und Ansichten aus und belegen sie

gleich hinterher mit Beispielen aus der Geschichte ; oder auch ,

was

seltener geschieht, sie führen ein historisches Faktum an und ziehen

76

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

daraus ihre Schlufsfolgerungen ; beide sprechen ihre Gedanken klar und concis aus , und man fühlt das Bestreben, dafs sie das einmal für wahr Erkannte auch rücksichtslos und unverhüllt sagen wollen ; beide verfügen über jenen logischen Gedankengang ,

der dem Leser

die Anerkennung der vorgetragenen Lehren geradezu abzwingt ; über jenen sentenzenhaften Stil, der so förderlich ist, das Gelesene dem Gedächtnisse fest einzuprägen ; beide endlich und das ist die Hauptsache - stimmen in ihren Lehren in überraschender Weise oft überein. Es liegt uns nun nichts ferner , als den grofsen König eines Plagiats zu beschuldigen über einen solchen Verdacht ist ein so gewaltiger Geist wie der Friedrichs des Grofsen erhaben — wir denken auch nicht daran , Machiavelli nur vergleichsweise in eine Linie mit

unserm

gröfsten Feldherrn

wollen dem grofsen Manne,

zu stellen :

aber wir

der zwei und ein halbes Jahrhundert

vor Friedrich in einer militärisch verkommenen Zeit lebte,

und der

so sachgemäfs über militärische Angelegenheiten schrieb, obgleich er nie Soldat war ,

durch Darlegung seiner Bedeutung

einigermaſsen

gerecht werden ! Jedenfalls ist es von Interesse , die Ähnlichkeiten zwischen Machiavellis Lehren und denen des grofsen Königs zu verfolgen. Gleich in der Einleitung zu den Generalprinzipien vom Kriege spricht Friedrich dasselbe aus, wie der Florentiner im Beginn seiner „ Kriegskunst : " man müsse auf die Anordnungen der alten Römer zurückgreifen. -- Da es zu viel Raum einnehmen würde , wollten wir da, wo die Ähnlichkeiten schlagend hervortreten, jedesmal den ganzen entsprechenden Passus

aus den

Werken

Friedrichs

des

Groſsen

citieren, so werden wir an solchen Stellen nur durch eine Anmerkung darauf hinweisen und uns in der Hauptsache auf die Generalprinzipien vom Kriege beschränkend ―― die betreffende Seitenzahl im 1. Heft der „ Militärischen Klassiker", Händen ist ,

anführen.

das wohl in Jedermanns

Wir werden dabei auf eine stattliche Reihe

von Hinweisen kommen , und doch finden sich manche Ähnlichkeiten an Stellen, die hier keine Aufnahme gefunden haben, weil sie unseres Erachtens veraltet sind. * ) Es ist nämlich in dem Nachstehenden aus Machiavellis Lehren nur das ausgewählt, was nach unserer Ansicht noch voll und ganz zu Recht besteht ,

nichts halbes ,

so ver-

lockend es auch hin und wieder war, einzelnen besonders geistreichen, aber zum Teil veralteten Sätzen Aufnahme zu gewähren.

Dann sind

*) Beispielsweise Artikel 11 der Generalprinzipien und Kapitel 40 im 3. Buche ,,vom Staate" (über Kriegslisten).

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

77

die historischen Beithaten, da es uns nur auf die abstrakten Lehren anzukommen schien , wo immer angängig fortgelassen .

Ferner muſs-

ten manche interessante und schlagende Sätze fortbleiben, das Schlufsglied

einer langen Beweiskette bilden und so,

Zusammenhang gerissen ,

unverständlich werden ,

nahme der ganzen Prämissen

zu

viel Raum

weil sie aus dem

während die Auf-

beanspruchen würde.

Häufig finden sich auch in den drei hauptsächlich in Frage kommenden Werken Machiavellis Wiederholungen mit kleinen Nuancen . haben uns

dann den Satz

ausgewählt ,

Wir

der uns die prägnanteste

Fassung zu haben schien. Wir sind Jomini gegen Clausewitz Recht gebend - der Ansicht, dafs taktische Lehren, als zum Teil unmittelbarer Ausflufs der jeweiligen Bewaffnung ,

einem gröfseren Wechsel unterworfen sind , als die strategischen , die in ihren Grundzügen von unvergänglicher Wahrheit sind. Noch stabiler erscheinen uns die Doktrinen der Kriegspolitik.

Es liegt daher auf der Hand, dafs die Hauptausbeute

aus den Werken Machiavellis, der ein Kriegspolitiker ersten Ranges war, sich auf die beiden letztgenannten Gebiete erstrecken wird. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen , dafs zu Machiavellis Zeiten die Feuerwirkung noch keineswegs

„ die Beherrscherin des

Schlachtfeldes " war ; dafs Machiavelli seinen Soldaten noch die altrömische Bewaffnung und daneben nur einige Hakenbüchsen geben wollte ;

dafs er bezüglich des Geschützes äufsert, wie es dort, " wo

die Tapferkeit der Alten zu finden sei , nützlich, ohne diese Tapferkeit aber gegen ein tapferes Heer völlig unnütz sei" ; und an einer anderen Stelle meint er : es komme weniger darauf an, den Feind zu treffen, als sich zu hüten, dafs man nicht selbst getroffen werde. *) Er erwartet alles vom Stofse der Waffen, und es ist klar, was für starre unbeholfene Formen eine solche Taktik, die für die heutige Zeit fast unverständlich geworden ist, zur Folge haben musste . Hinsichtlich der Strategie ist zu bemerken , wie seit jener Zeit die Kommunikationsmittel sich geändert haben, wie die Heeresmassen angewachsen sind. Machiavellis Normalheer bestand aus 24 000

Mann und 2000 Dienstpferden ! Dafs Machiavelli nun trotzdem eine Masse goldener Kriegslehren in origineller Prägung hinterlassen hat, hoffen wir in Nachstehendem zu beweisen.

Wir sind bei unseren Citaten im grofsen Ganzen der Ziegler-

*) An einer Stelle sagt er sogar von den Bombardieren : " welche man jedoch auch zu den Soldaten zählen kann. "

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

78

schen Uebersetzung gefolgt und haben nur hin und wieder meist nach Vergleich mit dem Original kleine stilistische Abänderungen getroffen.

Mit gesperrter

Schrift gedruckte Worte

sind von uns

hervorgehoben.

III. Der Krieg .

1.

giebt

" Ihr müfst nämlich wissen, dafs es zwei Gattungen von Kampf die eine durch Gesetze, die andere durch Gewalt ; die erste

ist dem Menschen

die zweite den Tieren, aber weil mufs man zu der zweiten seine

eigentümlich,

die erste oftmals nicht ausreicht, Zuflucht nehmen. "

Und aus dem Livius citiert Machiavelli : „ Die führen einen gerechten Krieg, die einen notwendigen Krieg führen, und fromm sind die Waffen dort, wo nur in den Waffen Hoffnung ist !" "" Ein wohl eingerichteter Staat soll also wollen, dafs man sich zur Zeit des Friedens nur zum Kriege übe , daſs man - wird der Friede gebrochen

den Krieg

als

eine Notwendigkeit und eine

Quelle des Ruhmes betrachte, und dafs der Krieg als Handwerk nur vom Staate getrieben werden darf. " Männer,

Eisen,

Geld und Brod

sind der Nerv des Krieges !

Von diesen vier jedoch sind die zwei ersten am notwendigsten , denn Männer und Eisen finden Geld, aber Brod und Geld finden nicht Männer und Eisen !" Das klingt ganz spruch .

anders

als Montecuculis weltbekannter Aus-

Über die Richtigkeit des

vorstehenden Satzes

liefse

sich

streiten : wir meinen aber, dafs er heute mehr Berechtigung hat als zu Machiavellis Zeiten . 2.

Para bellum !

„Die beste Verfassung geht ohne Schutz der Waffen gerade so zu Grunde, wie die prächtigen Säle eines königlichen Palastes , wenn sie, obgleich mit Gold und Edelsteinen geschmückt, kein Dach hätten, das sie vor dem Regen schützte. " Der Regent mufs Soldat sein und mufs sich persönlich an die wie wir weiter unten sehen Spitze seines Heeres stellen , sagt werden - Machiavelli . Wir wissen , welche Erfolge wir diesem in unserer Geschichte fährt fort :

-

verkörperten

Prinzip

verdanken .

Machiavelli

„ Und darum kann ein Fürst, der sich nicht auf das Kriegs-

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

79

wesen versteht, aufser allem anderen Unheil, wie gesagt, von seinen Soldaten nicht geachtet werden

und

sich nicht auf sie verlassen.

Er mufs deshalb niemals den Gedanken von der Übunng des Krieges abwenden , und mufs sich im Frieden mehr darin üben ,

als im Kriege ,

was er auf zweierlei Weise thun

kann, einmal mit der That, zweitens im Geiste . betrifft,

so

mufs

er,

abgesehen davon ,

Und was die That

dafs er die Seinigen wohl

geordnet und geübt erhält, immer der Jagd beflissen sein und vermittelst dieser den Körper an Beschwerden gewöhnen, zum Teil auch die natürliche Beschaffenheit der Gegenden kennen lernen und sehen , wie

die Berge

sich

erheben,

wie

die Thäler einmünden,

wie die

Ebenen liegen und auf die Beschaffenheit der Flüsse und Sümpfe merken und auf diese Dinge die gröfste Sorgfalt verwenden . Denn diese Kenntnis ist auf zweierlei Weise nützlich . Erstens lernt man sein Land kennen und kann besser die Arten seiner Verteidigung verstehen.

Dann

begreift man vermittelst

der Kenntnis und Er-

fahrung in diesen Gegenden mit Leichtigkeit jede andere Gegend, welche neu zu erforschen nötig sein sollte , weil die Höhen und Thäler und Ebenen und Flüsse und Sümpfe , die sich beispielsweise in Toscana finden , mit denen anderer Länder eine gewisse Ähnlichkeit haben , so dafs man von der Kenntnis der natürlichen Beschaffenheit eines Landes leicht zur Kenntnis der übrigen gelangen kann.

Und dem

Fürsten, welchem es an dieser Erfahrung fehlt, fehlt es an der ersten Eigenschaft, die man von einem Feldherrn verlangt, denn diese lehrt mit Vorteil den Feind aufsuchen, Quartiere nehmen , Schlachten dirigieren, Städte belagern . "*)

Heere führen ,

Den folgenden Passus haben wir hier aufgenommen, weil er uns wohl

die erste Kunde davon giebt, wie ein Feldherr mit seinen Freunden, d. h. Unterführern „Generalstabsreisen " unternahm . „ Pilopömen,

der Fürst der Achäer,

wird unter anderen Lob-

sprüchen, die ihm von den Schriftstellern erteilt werden, darum gelobt, weil er in den Zeiten des Friedens an nichts als an die Arten der Kriegführung dachte,

und wenn er mit seinen Freunden im Freien

war, oft stehen blieb und sich mit ihnen unterhielt : Wenn die Feinde auf jenem Hügel ständen und wir uns mit unserem Heere hier befänden, wer von uns wäre im Vorteil ? Wie könnte man ihnen mit Sicherheit entgegen gehen und doch die Ordnung bewahren? Wenn wir uns zurückziehen wollten, was hätten wir zu thun ? Wenn sie

*) Friedrich der Grofse I. S. 12 .

80

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

sich zurückzögen, wie hätten wir ihnen zu folgen ?

Und im Gehen

legte er ihnen alle Fälle vor, die bei einem Heere eintreten können, hörte ihre Meinung an, sagte die seinige, unterstützte sie durch Gründe, so dafs in Folge dieses fortwährenden Nachdenkens ihm bei Führung seiner Heere nie ein Fall vorkommen konnte, gegen den er kein Mittel gewufst hätte. "*) „Aber was die Übung des Geistes betrifft , so mufs der Fürst die Geschichte

lesen und darin die Thaten ausgezeichneter Männer

betrachten, sehen, wie sie in den Kriegen verfahren sind, die Ursachen ihrer Siege und Niederlagen untersuchen , um diese vermeiden und jene

nachahmen zu können,

und vor allem thun,

Zeit mancher ausgezeichnete Mann gethan hat,

was in früherer

dafs er sich,

wenn

Einer vor ihm gepriesen und verherrlicht worden, diesen zur Nachahmung gewählt und die Thaten und Handlungen desselben sich stets gegenwärtig erhalten hat, wie Alexander der Grofse den Achilles , Casar den Alexander, Scipio den Cyrus nachgeahmt haben soll. " Indes sollen nicht blos die Heerführer für den Krieg vorgebildet werden, sondern auch die unteren Befehlshaber:

99 Wenn ein zweiter Hannibal (ein ungeübtes Heer) befehligte, so müfste er unterliegen , denn ein Feldherr kann während der Schlacht nicht überall sein , und wenn er daher nicht schon früher Männer herangebildet hat, die von seinem Geiste durchdrungen sind und seine Regeln und Kriegführung wohl kennen , so mufs er notwendig zu grunde gehen . " Nicht minder bedürfen die Soldaten der Vorbildung , denn : Immer steht man nicht im Felde und kann nicht immer darin stehen ; es ist daher notwendig , die Soldaten im Frieden zu üben. " „Die Natur erzeugt wenig mutige Männer, bilden viele."

Kunst und Übung

„ " Sache des Soldaten ist es , gut Reih' und Glied in seinem Bataillon zu halten, Sache des Bataillonschefs ist es , dafs sie ihre Bataillone am richtigen Platz im Heere halten und verstehen, den Befehlen des Feldherrn zu gehorchen. " „ Man soll das Regiment ein- bis zweimal im Jahre zur Übung • Man würde es einige Tage einüben , als ob

zusammenziehen. . .

man eine Schlacht liefern wollte ,

und hierbei Centrum , Flügel und

Reserven an ihre gehörigen Plätze stellen. . . . Kurz , der Feldherr *) Man vergleiche hiermit, was Friedrich der Grofse in seiner „ Règles de ce qu'on exige d'un bon commandeur de bataillon " schreibt. Siehe " Friedrichs des Grofsen Lehren vom Kriege von A. v. Taysen , Major im grofsen Generalstab. “ Berlin 1877. Seite 60.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

81

soll seine Soldaten mit diesen Scheingefechten und Angriffen so vertraut machen ,

dafs in ihnen das Verlangen nach wirklichem Kampf rege werden muſs . . . . Diese Übungen sind durchaus notwendig, wenn man ein ganz neues Heer errichtet, sie sind aber auch da notwendig, wo schon ein altes Heer besteht. " 3.

Disziplin .

„ Im Kriege vermag Kriegszucht mehr als blinde Wut. " *) „Es reicht nicht aus , gute Verordnungen zu geben, wenn man nicht mit der gröfsten Strenge

denn nir-

auf ihre Befolgung hält ,

gends ist der Gehorsam so notwendig, als beim Heere . daher die Gesetze zur Aufrechterhaltung der Ordnung hart sein und der Vollzieher unerbittlich . "

Es müssen streng und

„ Es ist daher die richtige Regel, dafs auf die Ausführung harter Befehle mit Härte gehalten werden mufs , wenn man nicht hintergangen sein will. " „ Dabei ist zu bemerken , daſs, um Gehorsam zu finden, man zu befehlen verstehen mufs ; zu befehlen aber versteht der, welcher eine Vergleichung anstellt zwischen

sich und dem ,

der gehorchen

soll,

und wenn er ein richtiges Verhältnis findet , befiehlt , findet er hinUm aber zu gegen ein Mifsverhältnis , sich dessen enthält. · unserem Gegenstande zurückzukehren, sage ich, dafs , um energische Befehle geben zu können , man einen energischen Geist haben müsse , und der ,

welcher diese Energie besitzt und energisch befiehlt ,

die

Ausführung nicht durch Sanftmut erreichen kann. "

" Weil die Furcht vor dem Gesetz und vor dem Menschen nicht hinreicht, bewaffnete Männer zu zügeln , so verbanden die Alten das Ansehen der Götter damit. Man liefs mit den feierlichsten Ceremonien die Soldaten den Kriegsgesetzen und der Kriegszucht Gehorsam schwören , damit sie, dagegen handelnd , nicht allein Gesetze und Menschen, sondern auch die Götter zu fürchten hätten, und man wandte alle Kunst an, sie religiös zu machen. " Letzteres ist aber nach Machiavelli nicht allzu leicht : „Wo Religion ist , können Waffen leicht eingeführt werden, wo aber Waffen sind und keine Religion , lässt sich letztere nur schwer einführen. " Damit die Soldaten nicht zu viel an Weiber und Spiel denken -- des Trinkens wird nicht erwähnt ― schlägt Machiavelli vor, sie anhaltend durch allerlei Übungen zu beschäftigen .

*) Friedrich der Grofse I. S. 90. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band LX.

Die Beschäftigung

6

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

82

werde auch dazu beitragen , die Heere gesund zu erhalten, was von gröfster Bedeutung sei. Machiavelli betont in den oben angeführten Sätzen und an anderen Stellen immer wieder , wie erforderlich die gröfste Strenge sei :

einmal verlangt

er

sogar von

" Grausamkeit “ und führt als Beleg Hannibal an, weder im Glück noch im Unglück je gekommen sei .

die

den Feldherren

in dessen Heeren

geringste Meuterei vor-

Dies verdanke er neben seinen vielen Tugenden der

unmenschlichen Grausamkeit : die Soldaten hätten ihn angebetet und gefürchtet. Man darf bei

solchen Sentenzen nicht vergessen ,

Individuen sich die Heere zur Zeit Machiavelli's Der nächste Abschnitt wird es darthun . 4.

aus was für

zusammensetzten.

Söldner und Volksheere .

Über dieses Kapitel, dem der Major Jähns den oben erwähnten Vortrag gewidmet hat, stimmen heute die Meinungen wohl fast Aller überein. Nur ganz vereinzelte Stimmen erheben sich noch gegen das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht. Mögen demnach die nachfolgenden Sätze Machiavelli's uns hin und wieder allzusehr selbstverständlich erscheinen, so möchten wir sie doch nicht unterdrücken , da sie den klaren Blick Machiavelli's ,

der

zu

einer Zeit schrieb , die nur

Söldnertum kannte, in besonders hellem Lichte zeigen. „ Die hauptsächlichste Grundlage für alle Staaten , neue wie alte oder gemischte ,

sind gute Gesetze und gute Heere ;

guten Gesetze sein können ,

wo schlechte Heere

und da keine

sind und wo gute

Heere sind, die Gesetze gut sein müssen, so werde ich es übergehen, von den Gesetzen zu reden und nur von den Heeren sprechen .

Ich

sage also, dafs die Heere, mit denen ein Fürst sein Reich verteidigt, entweder eigene , oder gemietete , oder hülfeleistende oder gemischte sind .

Die Miets- und Hülfstruppen sind nutzlos und gefährlich, und

wenn einer seine Herrschaft auf Mietstruppen gegründet hält , wird er nie fest noch sicher stehen, denn sie sind uneinig, ehrgeizig, zuchtlos und treulos ,

mutig gegen die Freunde ,

haben keine Furcht vor Gott ,

man schiebt den Sturz nur so lange auf, schiebt.

Das kommt davon ,

andere Veranlassung

haben ,

feig gegen die Feinde,

keine Treue bei den Menschen , und als man den Angriff auf-

dafs sie keine andere Liebe und keine die

sie

im Felde hält ,

als ein wenig

Sold, der nicht hinreicht zu bewirken, dafs sie für Dich in den Tod gehen wollen .

Sie wollen wohl Deine Soldaten sein , so lange Du

nicht Krieg führst , oder davongehen .

aber wenn der Krieg kommt , Dies zur Überzeugung

entweder fliehen

zu bringen ,

dürfte mir

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

83

wenig Mühe kosten , da der heutige Verfall Italiens von nichts Anals dafs es sich viele Jahre lang auf Mietstruppen

derem herrührt ,

gestützt hat. Wohl erreichten diese manchmal für jemanden etwas und schienen untereinander mutig, aber sowie der Fremde kam , zeigte sich, was sie wert waren. Die Anführer der Mietstruppen sind entweder ausgezeichnete Männer oder nicht ; sind sie es , so kannst Du Dich nicht auf sie verlassen, weil sie immer nach eigener Gröfse trachten werden, indem sie entweder Dich, der Du ihr Gebieter bist, oder andere gegen Deine Absicht unterdrücken ; ist aber der Anführer nicht tüchtig, so richtet er Dich in der Regel zugrunde. Und wenn man einwendet , jeder, der die Waffen in der Hand habe , werde dasselbe thun , Mietling oder nicht ,

so erwidere ich,

dafs die Waffen entweder von einem

Fürsten oder einer Republik gebraucht werden müssen , soll in Person gehen und versehen ; einen sendet ,

die Republik mufs

der Fürst

selbst das Amt des Anführers ihre Bürger senden , und wenn sie

der

sich nicht als tüchtiger Mann erweist, ihn wechseln , wenn er es aber ist , ihn durch die Gesetze innerhalb seiner

Befugnisse halten . “ „Zuerst sind die , welche sich , ohne Eure Unterthanen zu sein, freiwillig anwerben lassen ,

weit entfernt ,

die besten Menschen zu

sein ; sie sind im Gegenteil der Auswurf der Gesellschaft . . . Wenn sich nun mehr Leute dieses Gelichters anbieten , als man nötig hat, so kann man wohl unter ihnen eine Wahl treffen ;

wenn

aber alle

nichts taugen, so können auch die ausgewählten nicht gut sein . “ Wie es im wohlgeordneten Staate sein soll, schildert Machiavelli an dem Beispiel der alten römischen Heere : „ Die Soldaten ihrerseits legten die Waffen mit mehr Vergnügen nieder ,

als sie sie ergriffen hatten.

Jeder kehrte dann zu der Be-

schäftigung zurück, die er zu seinem Lebensberuf erwählt hatte, und nie fafste einer aus ihnen die Hoffnung, sich durch das Kriegshandwerk und die Beute ernähren zu können. " „ Der König , der also in Sicherheit leben will , mufs sein Fufsvolk

aus Leuten

zusammensetzen ,

die ,

wenn die Zeit Kriege zu

führen gekommen ist , sich aus Liebe zu ihm willig einstellen , die aber, wenn der Friede kommt, noch lieber zu ihrem Heerde zurückkehren.

Er wird dies immer erreichen , wenn er Leute wählt , die

sich von einem anderen Handwerk als dem des Krieges zu ernähren wissen .

Sobald es Friede ist , mufs er verlangen , dafs die Fürsten

heimkehren , um ihre Vasallen zu regieren , die Edelleute , um von neuem ihre Güter zu bebauen , die gemeinen Soldaten , um ihr 6*

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

84

gewöhnliches Gewerbe

auszuüben .

Jeder von

ihnen soll gerne in

den Krieg ziehen , um den Frieden zu erkämpfen , aber niemals den Frieden zu stören suchen, damit es Krieg gebe. " „Fühlen die Heere für den, für welchen sie kämpfen , nicht eine gewisse Liebe und Ergebenheit ,

welche

sie

zu

seinen Anhängern

macht , so kann nie so viel Tapferkeit in ihnen zu finden sein , dafs sie einem nur etwas tapferen Feinde zu widerstehen vermögen . Da nun diese Liebe und ein gewisser Wetteifer mit anderen Völkern, oder Nationalstolz, nur bei den eigenen Unterthanen vorhanden sein kann ,

so

ist

es ,

um auf einem Throne zu bleiben , eine Republik

oder ein Reich zu erhalten ,

durchaus

notwendig ,

sich aus

seinen

Unterthanen Heere zu bilden , wie alle thaten , die mit den Waffen grofse Dinge ausgeführt haben. " Im 12. und 13. Kapitel des Fürsten finden sich weitere sachgemässe Ausführungen über dieses Thema.

5.

Organisation der Wehrpflicht.

Dafs die vorstehenden Lehren nicht blos leere Theorien waren, bewies Machiavelli, als er die Ordnung zur Einführung einer Nationalbewaffnung der florentinischen Republik ( 1506 für die Infanterie, 1511 für die Kavallerie) entwarf. Sie wurde zum Gesetz erhoben und blieb längere Zeit gültig , Einflüsse

indes

stellten sich ihr allerlei feindselige

entgegen ,

so dafs Machiavelli ihre Verkörperung einmal eine „ Mifsgeburt " nennt. Diese „ Ordnungen" zeigen Machiavelli als gewandten Organisator. Da sie indes nur noch historischen Wert haben, müssen wir uns versagen, auf ihren Inhalt näher einzugehen , und wollen nur bemerken , dafs der ganze Apparat mit Stammrollenführung , Kontrolversammlungen und jährlichen Einbeorderungen in ähnlicher Weise , wie heute bei uns , vorgesehen war. Einen Satz indes aus der genannten Ordnung wollen wir im Hinblick auf Unzuträglichkeiten, welche die militärische Bezirksgliederung des Staates bei unseren Landwehrtruppen mit sich zu führen pflegt , hersetzen. Machiavelli fürchtet den Zusammenhang zwischen Vorgesetzten und Untergebenen auf Grund ihrer bürgerlichen Beschäftigung und Stellung ; solche Beziehungen hält er für nachteilig und schreibt daher vor : 99, Es soll zum Bataillonschef oder Befehlshaber der besagten Fähnlein niemand gewählt werden können , der aus dem Vicariat , Kapitanat oder der Potesteria gebürtig ist , wozu die Leute gehören, die unter seine Befehle gestellt werden, oder der an besagtem Orte oder Orten ein Haus oder Besitzungen hat. " Hinsichtlich des Ersatzes sagt Machiavelli :

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

85

"" Wenn ich ein ganz neues Heer zu bilden hätte, so würde ich Leute von 17 bis 40 Jahren nehmen ; wenn es aber einmal völlig gebildet wäre und nur unterhalten zu werden brauchte, nur von 17 Jahren. "

" Man mufs die Unterthanen von 17 bis 30 Jahren als Soldaten ausbilden und sie dann in die Reserve setzen, denn nach dieser Zeit fehlt den Menschen die Gelehrigkeit und sie wollen nicht mehr gern gehorchen ; sie nehmen an Bosheit zu und an Kräften ab . “

Als Garantie des Sieges gilt ihm die beste Organisation : „ Ich wiederhole daher, daſs , um wohlgeordnetes Fufsvolk überwinden zu wollen , man ihm noch besser organisiertes Fufsvolk entgegenstellen mufs , sonst geht man einer offenbaren Niederlage entgegen. " Andererseits verkennt Machiavelli auch nicht die Bedeutung der die sich in unserer Zeit so überwältigend geltend gemacht Die Frage, ob es besser sei, wenige gut ausgebildete oder viele minder gut einexerzierte Mannschaften zu haben, entscheidet er: Masse ,

hat.

" Ohne Zweifel ist die kleine . "

die

grofse Zahl besser und notwendiger als

6. Militarismus . Der nachfolgende Satz hat Aufnahme gefunden nicht etwa, weil ihm eine besonders

hohe Bedeutung inne wohnte ,

dem Militärstande ein

giebt er auch heute noch.

denken

hegen die Mei-

dafs Nichts weniger sich mit einander vertrage , ja

dafs es nichts Widersprechenderes gebe , leben .

Zu

Machiavelli sagt :

„ Es haben viele die Meinung gehegt und viele nung , Lorenzo ,

sondern weil er

erheiterndes Spiegelbild vorhält.

Häufig spricht man daher ,

Waffen sein Glück versuchen will , nur seine Kleidung wechselt ,

als Bürger- und Soldaten-

wenn jemand in der Bahn

der

dafs er mit einem Schlage nicht

sondern auch in Sitten und Gewohn-

heiten, in Sprache und Benehmen von den Gebräuchen des gewöhnlichen Lebens sich entfernt. Wer zu jeder Gewaltthätigkeit geschickt und bereit sein will, glaubt kein bürgerliches Kleid tragen zu dürfen . Bürgerliche Sitten und Gebräuche kann

er nicht befolgen ,

da

er

diese Sitten für weibisch, diese Gebräuche für seinem Handwerk zuwider hält.

Gewöhnliches Benehmen und gewöhnliche Sprache bei-

zubehalten erscheint demjenigen nicht angebracht ,

der durch einen

Schnurrbart und durch Flüche die anderen Leute in Furcht jagen will. Es ist deshalb freilich in unseren Tagen jene Meinung sehr richtig. " Dann wird ausgeführt, dafs es im Altertum anders gewesen sei

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

86

und dafs es anders sein

müsse.

Vom Soldaten habe

man zu ver-

langen, dafs er in erster Linie ein guter Staatsbürger sei . " Von wem soll auch das Vaterland gröfsere Treue verlangen , als von dem , der in seinem Dienste zu sterben versprechen muſs ? Wer soll friedliebender sein als der , welcher allein im Kriege getroffen werden kann ? Wer soll mehr von Gottesfurcht durchdrungen. sein , als der , welcher täglich unzähligen Gefahren ausgesetzt , ohne Unterlafs Gottes Beistand bedarf? "

Strategische Lehren.

7.

Allgemeine Kriegsmaximen . " Was dem Feinde nützt , schadet dem Feinde . " *)

schadet Euch , und was Euch nützt

„ Die Gelegenheit wahrnehmen

und

ergreifen können ,

ist im

Kriege mehr wert als alles Übrige . " Schwer ist plötzlichen Unfällen abzuhelfen , dachten. "

leicht voraus be-

,,Aufserdem können die Fehler, die man in anderen Dingen begeht ,

bisweilen wieder gut gemacht werden ;

im Kriege begeht ,

können

die aber , welche man

nicht wieder gut gemacht werden ;

da

ihnen die Strafe auf dem Fufse folgt. "

Kriegsglück . „ Dafs Glück und Kriegskunst Ursachen der Gröfse des römischen Reiches gewesen sind , läfst scheint zu übersehen ,

dafs

da ,

sich

nicht leugnen ;

allein

man

wo ein gutes Kriegswesen besteht,

schon aus diesem Grunde eine gute Staatsordnung sein dafs dann auch selten das Glück fehlt. "

mufs ,

und

Selbständigkeit der Heerführer und Einheit im Oberbefehl. Bezüglich der Selbständigkeit der Heerführer werden uns wieder die alten Römer als Muster vorgeführt. "" Man findet , dafs diese Gewalt (der Konsuln, Diktatoren) sehr grofs war.

Der Senat behielt sich nichts Anderes vor, als das Recht,

neue Kriege

zu

erklären

und die Friedensschlüsse

zu bestätigen .

Alles Übrige war dem Gutbefinden und der Befugnis des Konsuls anheimgestellt.

Hatten Volk und Senat einen Krieg beschlossen, z. B.

gegen die Lateiner ,

so

überliefsen sie

die Leitung desselben ganz

*) Vergl. den Schlufssatz des 13. Artikels der Generalprinzipien Friedrich des Grofsen I. S. 32, sowie ebendaselbst S. 85 .

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. dem Konsul.

87

Er konnte eine Schlacht liefern, die eine oder andere

Stadt belagern , wie es ihm gut schien. . . Denn obgleich alle Senatoren sehr kriegserfahrene Männer waren, so würden sie doch, da sie sich nicht an Ort und Stelle befanden, und deshalb unzählige, um gut zu raten, notwendige Einzelheiten nicht wissen konnten , in ihrem Rat eine Menge Irrtümer begangen haben.

Der Konsul

Wie einleuchtend

sollte daher unabhängig handeln. . . “ *)

klingt nicht

dieser Ausspruch Machiavelli's !

Der Lehrsatz war ausgesprochen , die Wahrheit steht ihm auf der Stirne geschrieben ,

und

dennoch sehen wir in den folgenden Jahr-

hunderten das Umgekehrte ausgeführt ; ja , im letzten russisch-türkischen Kriege wollte noch das Stambuler Kabinet die Feldoperationen leiten und beeinflussen !

Und nicht nur Selbständigkeit der Heer-

führer, sondern auch Einheit im Oberbefehl verlangte Machiavelli . Um dies zu illustrieren , citiert er eine Stelle aus dem Livius : „ Die drei Tribunen mit Konsulargewalt gaben den Beweis , wie nachteilig es ist, den Oberbefehl im Kriege mehreren anzuvertrauen ; indem jeder der Erreichung seiner Pläne nachstrebte , jeder etwas Anderes für gut hielt, gaben sie dem Feinde günstige Gelegenheit. " Daran wird angeknüpft : „ Es läfst sich mit Recht der Schlufs ziehen , dafs es besser ist, einen Mann von gewöhnlichen Fähigkeiten allein zu einem Unternehmen abzusenden , als wenn zwei ganz vorzügliche Männer die gleiche Gewalt haben. " „ Diese Sache hat mich auf die Betrachtung geleitet, dafs jedesmal, wenn viele Mächte gegen eine Macht verbündet sind und sie alle zusammengenommen auch mächtiger sind als diese ,

man doch

mehr von der einen und weniger starken erwarten müsse als von den vielen , obgleich sie sehr stark sind. " Man sieht ,

einen wie hohen Wert Machiavelli der einheitlichen Leitung der Operationen zuschreibt - und denkt unwillkürlich an des grofsen Königs siebenjährigen Krieg !

Kriegspläne. „Zieht viele darüber zu rate, was ihr thun sollt, aber nur wenigen teilt mit, was Ihr thun wollt. " „ Die gröfste und wichtigste Vorsicht , die ein Feldherr beobachten

mufs, ist , in seiner Umgebung treue im Krieg erfahrene und kluge

Vergl. Friedrich der Grofse I. S. 89.

88

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

mit denen

Männer zu haben ,

er sich fortwährend berät und über

seine wie die feindlichen Streitkräfte spricht. " Machiavelli will in den beiden angeführteu Sätzen nur eine Art

n Generalstab" empfehlen, der dem Oberfeldherrn rät , ohne aber die geringste Berechtigung zu haben , in seine Entscheidungen einzugreifen . Das ist etwas Anderes, als der „ Kriegsrat " , den Friedrich der Grofse bekanntlich in

seinem

25. Articul der

Generalprinzipien

auf das

Schärfste verurteilt. *) „ Kein Plan ist besser als der ,

welcher dem Feinde verborgen

bleibt, bis Ihr ihn ausgeführt habt. "

„Besonders wichtig ist , dafs das Heer nicht weifs , zu welchem Unternehmen es geführt wird .

Denn eine Hauptsache im Kriege ist,

verschweigen zu können, was man vor hat. **) Das Zeitalter Machiavellis mit seinen Verraten keiten mag ihn veranlafst haben ,

und Treulosig-

die Geheimhaltung der Absichten

im Kriege immer und immer wieder zu betonen .

Heute wird eine

Verheimlichung der Operationsziele häufig an und für sich unmöglich sein. „ Ändert Eure Pläne ,

sobald sie der Feind durchschaut hat. "

Auch das wird nicht immer möglich sein. „ Der Thebaner Epaminondas

pflegte zu sagen ,

nichts sei not-

wendiger und nützlicher für einen Feldherrn , als die Pläne und Operationen des Feindes zu kennen. Da aber diese Kenntnis schwer zu erlangen ist , so verdient der Feldherr um so gröfseres Lob, der es dahin bringt, richtig zu schliefsen und zu mutmafsen . nicht so schwer ,

die Pläne

des Feindes zu

Es ist jedoch

durchschauen ,

als

es

manchmal schwer ist , zu erfahren , was er thut , und nicht so sehr, was er in der Ferne thut, als was gerade in dem betreffenden Augenblick und in der Nähe geschieht . ***) Zur Schlacht! „ Jeder, der Krieg führt, setzt sich als Ziel vor, das Feld gegen jede Art von Feind behaupten zu können, um am Tage der Schlacht den Sieg davon zu tragen .

Hierzu mufs man ein Heer bilden .

Um

ein Heer zu bilden , muſs man Leute suchen, sie bewaffnen, einteilen , sie in grofsen und kleinen Haufen üben, sie lagern und sie dem Feind entgegenstellen ,

sei

es

nun festen Fulses oder im Marsch.

* Friedrich der Grofse I. **) Friedrich der Grofse I. ***) Friedrich der Grofse I. dieren, arbeiten darauf hin, sich nicht immer. "

Darin

S. 89. S. 109. S. 30 : „ Alle diejenigen . welche Armeeen kommandiese Avantgarde zu prokurieren, aber sie reüssieren

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. besteht die ganze Kunst des Feldkrieges ,

89

und dieser ist von den

Kriegsarten die notwendigste und rühmlichste. Wer dem Feind mit Vorteil eine Schlacht zu liefern versteht , kann alle übrigen in der Kriegführung begangenen Fehler wieder gut machen .

Der aber, dem

dies Talent abgeht, und wäre er in allen Teilen der Kunst noch so geschickt , wird niemals einen Feldzug mit Ehren beendigen . ein Sieg macht alle übrigen schlechten Maſsregeln gut ,

Denn

so wie eine

Niederlage alle früher errungenen Vorteile vernichtet. "

" Wer alles dies (Sieg und Vorteile) erreichen römische Art und Weise befolgen , dafs sie die Kriege , führten. "

wie

die

Franzosen

"" Kurz und vives " müfsten der grofse König. *)

Es

ist

die

sagen ,

mufs

kurz

die

und derb

preufsischen Kriege sein ,

erstaunlich ,

Zeit, in der die Condottieri mit ihren Scheinschlachten das

will ,

die vornehmlich darin bestand,

sagt

dafs Machiavelli in einer

unblutigen Manövrier-

und

militärische Leben Italiens beherrschten ,

eine

solche Einsicht besafs und sie so klar aussprach.

Die „ Entscheidung"

ist auch für ihn die Hauptsache . Wenn er nun so die kühne Kriegführung anrät, empfiehlt er doch gleichzeitig die gröfste Vorsicht : " Hier mufs ich euch zuerst sagen ,

dafs ein Feldherr nie eine

Schlacht liefern darf, wenn er nicht im Vorteil oder dazu genötigt ist. Der Vorteil liegt im Terrain , in der Schlachtordnung, in zahlreicheren und besseren Streitkräften. Die Notwendigkeit ist vorhanden, wenn Ihr Euch, nicht schlagend, auf jeden Fall verloren seht. "“ **) Überhaupt ist es nach Machiavelli Feldkriege die Schlacht will.

zu vermeiden ,

so

gut wie

wenn

unmöglich ,

im

der Gegner schlagen

Mit Bezug hierauf führt er an, dafs viele italienische Fürsten

ihren Generalen die Instruktion gaben , Schlacht auszuweichen :

so viel

als

möglich einer

,,Sie glauben hierin die Klugheit des Fabius Maximus, der durch Aufschub des Kampfes Rom rettete , nachzuahmen , und sehen nicht ein , dafs eine solche Instruktion zumeist ein Unsinn oder schädlich ist ;

denn ein Heerführer ,

die Schlacht vermeiden , Eine solche Instruktion

der

sich im Felde halten will, kann nie

wenn sein Gegner durchaus schlagen will . heifst also nichts anderes , als : liefere die

Schlacht, wenns dem Feinde vorteilhaft ist, nicht Dir ! « ***) *) Friedrich **) Friedrich ***) Friedrich das man infolge I. S. 84.

der Grofse I. S. 86. der Grofse I. S. 84. der Grofse spricht bekanntlich vom „ stolzen Gesetze der Schlacht " , einiger Fautes " unter Umständen vom Feinde annehmen müsse.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

90

"" Um im Felde zu bleiben und keine Schlacht zu liefern , giebt es nur ein sicheres Mittel, nämlich, sich wenigstens 50 Meilen vom Feinde entfernt aufzustellen und gute Spione zu halten , damit man sogleich , wenn jener sich nähert , wieder weiter laufen kann. Ein anderes Mittel , der Schlacht auszuweichen , besteht darin , daſs man sich in eine Festung einschliefst, und beide Mittel sind durchaus verderblich. Im ersten Falle läfst man sein Land dem Feinde zur Beute ,

und jeder tapfere Fürst wird eher in der Schlacht sein

Glück versuchen, als den Krieg zum gröfsten Schaden seiner Unterthanen in die Länge ziehen . Im zweiten Falle ist der unglückliche Ausgang des Krieges vorauszusehen , denn mit einem ganzen Heere in einer Festung eingeschlossen und belagert, leidest Du bald Hunger und mufst Dich ergeben. "

" Ein guter Feldherr und ein gutes Heer fürchten keinen teilweisen, sondern nur einen allgemeinen Verlust. " *) " Niemals galt es für eine weise Mafsregel, alles aufs Spiel zu setzen und hierbei nicht alle Streitkräfte anzuwenden. “ **) „ Unter allen seinen anderen Handlungen mufs ein Feldherr mit jeglicher Kunst auf Mittel sinnen , die Streitkräfte des Feindes zu theilen. “ ***) Ersehen wir aus den beiden letztangeführten Sätzen, wie Machiavelli über zwei Hauptaktionen der Kriegskunst : Zusammenhalten der eigenen Kräfte und Teilung derer des Feindes - ganz unser heutigen Meinung ist ,

so läfst der folgende Satz erkennen ,

dafs ihm

auch die Bedeutung der inneren Linie völlig klar ist : ,,Käme der Feind aber von drei oder vier Seiten, so müfste es notwendig entwender Euch oder ihm an Klugheit fehlen ; denn wenn Ihr klug seid , werdet Ihr Euch niemals in eine Lage versetzen , dafs Euch der Feind von drei oder vier Seiten mit einer bedeutenden Anzahl geordneter Soldaten zugleich angreifen kann . Der Feind muſs nämlich, wenn er Euch ohne eigene Gefahr bekämpfen will , zahlreich sein ,

und jede Seite mit fast so viel Soldaten angreifen ,

als Euer ganzes Heer zählt. Wenn Ihr aber so unklug seid , Euch in das Land und die Gewalt eines Feindes zu begeben, der dreimal so viel regelmässige Streitkräfte besitzt wie Ihr , so könnt Ihr, Wenn wenn es schlecht ausfällt, Niemand als Euch anklagen aber der Feind nicht mehr Leute hat als Ihr, und Euch durch einen Friedrich der Grofse I. S. 26 : " Wer Alles konservieren will, der konserviert Nichts. " Vergl. auch S. 86 . **) Friedrich der Grofse I. S. 24. ***) Friedrich der Grofse I. S. 104.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

91

Angriff auf mehreren Seiten in Unordnung bringen will, so ist es eine Thorheit von ihm und ein Glück für Euch, denn er ist dann genötigt, sich so dünn aufzustellen, daſs Ihr leicht auf eine seiner Abteilungen eindringen , eine andere abhalten und in kurzem alle nach einander aufreiben könnt. " Auch hier wird man unwillkürlich an den siebenjährigen Krieg erinnert.

Über Diversionen heifst es: „ Einige Feldherren, die angegriffen wurden, wollten dem Feinde nicht entgegenrücken , sondern griffen sein eigenes Land an und zwangen ihn so, zur Verteidigung seines Landes umzukehren.

. Wer eine solche Diversion unternahm, kam oft zum Ziele. Aber nur der kann sie unternehmen, dessen Land fester (soll heifsen zuverlässiger und stärker) ist als das des Feindes ; wäre dem nicht so , würde er in sein Verderben gehen . " 8. Taktische Lehren . Das moralische Element. „Der Angreifer kommt mit gröfserem Mute ,

als ihn der Ver-

teidiger hat, was seinem Heere mehr Selbstvertrauen giebt. " „ Selten erleidet der Sieger einen sehr starken Verlust, weil er nur im Kampfe ,

nicht aber auf der Flucht Leute verliert.

In der

Hitze des Gefechts aber, wenn sich Mann und Mann ins Auge schauen, fallen wenige , besonders, da dieser Moment nur kurze Zeit dauert. Sollte er aber auch lange dauern, und sollte der Sieger viele Leute verlieren ,

so ist doch der Ruf des Sieges und der Schrecken ,

er einflöfst ,

so mächtig ,

den

dafs er bei weitem den Schaden aufwiegt,

den der Sieger an Toten und Verwundeten erlitten hat.

Es würde

sich daher ein Heer ,

das den Sieger in der Meinung , er sei durch

den Sieg geschwächt ,

angriffe ,

getäuscht finden ;

dies Heer müfste

denn so beschaffen sein , dafs es sich zu jeder Zeit , vor wie nach dem Siege , mit jenem messen könnte. In diesem Falle mag es je nach Glück und Tapferkeit siegen oder unterliegen, immer wird aber derjenige von den Kriegführenden , der die erste Schlacht gewann, eher im Vorteil sein. " *)

"" Um eine Schlacht zu gewinnen , ist es nötig , solches Vertrauen einzuflöfsen , glaubt.

dafs es durchaus

dem Heere ein

siegen

zu müssen

Die Dinge, die es vertrauungsvoll machen , sind, dafs es gut bewaffnet und geordnet ist , dafs einer den anderen kennt. · •

*) Friedrich der Grofse I. S. 83.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

92

Der Feldherr mufs geachtet sein, so dafs das Heer auf seine Klugheit vertraut.

Immer wird es vertrauen, wenn es ihn geregelt , thätig,

mutvoll sieht , wenn er sein Ansehen als Feldherr und die Majestät seiner Würde behauptet .

Immer wird er dies ,

wenn er seine Sol-

daten für ihre Vergehen straft , sie nicht zwecklos anstrengt , seine Versprechungen hält , wenn er den Weg zum Siege als leicht darstellt und was die Gefahr von ferne zeigen könnte, verkleinert. " " Vor allem aber müfst Ihr Euch hüten, Euer Heer nicht in den Kampf zu führen , wenn es sich fürchtet oder an dem Siege verzweifelt, denn die sicherste Vorbedeutung einer Niederlage ist, wenn man nicht glaubt siegen zu können . “ Das

Terrain .

Unter Nr. 2 ist schon von der militärischen Bedeutung des Terrains die Rede gewesen.

Hier mögen noch folgende Sätze folgen :

„ Die Tapferkeit der Soldaten ist mehr wert als die Menge, und manchmal nützt das Terrain mehr als die Tapferkeit. " „Wer mehr auf die Reiterei baut als auf sein Fufsvolk , oder mehr auf das Fufsvolk Terrain. "

als auf die

Reiterei ,

wähle

danach

sein

Und auf die Frage des jungen Florentiners : " Werdet Ihr Euch immer derselben Schlachtordnung bedienen , wenn Ihr eine Schlacht liefern wollt? " läfst Machiavelli den greisen Feldhauptmann erwidern :

"" Durchaus nicht, die Form des Heeres mufs nach der Beschaffenheit des Terrains wechseln. " *)

und nach der Gattung

und Anzahl des Feindes

Marschsicherung. "9 Ihr müfst zuerst wissen , dafs die Römer in vorsichtiger Weise immer einige Turmen Reiterei vorausschickten, um den Weg auszukundschaften. " „ Die Wachsamkeit mufs um so grösser sein , je geeigneter das Land zu Hinterhalten ist, wie z . B. in waldigen oder bergigen Gegenden. " „Der Feldherr mufs auf dem Marsche seine Wachsamkeit verdoppeln. Das erste, was er zu thun hat, ist, sich Beschreibungen und Karten von dem Lande , in dem er Krieg führt, zu verschaffen, so dafs er die Ortschaften, ihre Zahl und Entfernung von einander, die Wege , die Berge, *) Friedrich der Grofse I. S. 16 : „ Man muss sich also jedesmal nach denen Orten richten, wo man sich befindet " u. s. w.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. die Flüsse ,

93

die Sümpfe und überhaupt die Beschaffenheit des Ter-

rains genau kennt.

Um gehörig unterrichtet zu sein, ist es notwendig, dafs er immer , unter verschiedenen Titeln, mit der Gegend bekannte Personen um sich hat, dafs er sie sorgfältig ausfragt, ihre Aussagen vergleicht und sich die, welche mit einander übereinstimmen, aufschreibt. Er wird Reiterabteilungen , durch verständige Offiziere befehligt , voraussenden ,

weniger um den Feind zu entdecken ,

als

um das Terrain zu rekognoscieren und zu sehen , ob es mit den Karten und erhaltenen Nachrichten übereinstimmt. " *)

Von dem frei marschierenden Heere verlangt Machiavelli ,

dafs

es täglich 5 deutsche Meilen zurücklegt , wogegen das in „ Schlachtordnung" sich vorbewegende täglich 22 Meilen marschieren soll .

Die Schlacht. Zur Leitung der Truppen in der Schlacht verlangt Machiavelli accentuierte, nicht mifszuverstehende Kommandos : „Ebenso müssen die anderen Befehlsworte einfach und klar sein, wie: Aufgeschlossen ! Halt ! Vorwärts ! Kehrt ! Was sich mit der Stimme befehlen läfst , mufs mit der Stimme befohlen werden ; das übrige mit Trommel und Trompete. " Dann empfiehlt er dringend ,

sich in

mehreren Treffen aufzu-

stellen, um durch die hinteren die vorderen zu unterstützen. er sich die Art dieser Unterstützung selbstverständlich

Wenn

auch ganz

anders

gedacht hat , als wie wir sie heute eintreten lassen , so ist doch die Grundidee dieselbe und bleiben seine Aussprüche nicht minder treffend : „ Der gröfste Fehler , Schlachtordnung begeht ,

den man bei Aufstellung eines Heeres in ist der , dafs man ein einziges Treffen for-

miert , und es so vom Erfolg eines einzigen Angriffs und von

einer

einzigen Wendung des Glückes abhängig macht. " „Wer sich so in Schlachtordnung stellt , dafs

er dreimal mit

frischer Kraft fechten kann , dem mufs , soll er besiegt werden , das Glück dreimal feindlich sein . Er mufs eine Tapferkeit sich gegenüber haben , die ihn dreimal zu besiegen vermag . Wer hingegen nur zu einem einzigen Stofs aufgestellt ist ,

wie

heute

die christlichen

Heere, kann leicht geschlagen werden. "

*) Friedrich der Grofse I. S. 12 : „ Die erstern , und von welcher man den Anfang machen mufs , ist , dafs man die Landkarte von derjenigen Provintz, worin man Krieg führen will , genau studieren , und die Namen derer grofsen Städte und Flüsse, desgleichen der bergichten Gegenden dem Gedächtnis imprimiere" u. s. w.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit .

94

„ Es ist besser, in der Schlachtordnung hinter das erste Treffen beträchtliche Reserven zu stellen , als , um eine ausgedehntere Front zu haben, seine Soldaten zu zerstreuen. " „ Beachtet aber dies, dafs keine gefährlichere Form existiert, als Eurer Front eine zu

grofse Ausdehnung zu geben ,

wenn

Ihr nicht

ein sehr zahlreiches und kriegstüchtiges Heer habt. Habt Ihr das nicht, dann ist es besser, Euch tief und weniger breit zu formieren, als dafs Ihr Euch durch Ausdehnung in die Breite schwächt. Wenn Ihr im Verhältnis zum Feinde nur wenig Leute habt , so müsst Ihr andere Hülfsmittel aufsuchen und z. B. Euer Heer mit einem Flügel an einen Flufs oder Sumpf lehnen , damit Ihr nicht umringt (flankiert) werden könnt, oder auch, Ihr müfst die Flügel durch Verschanzungen decken, wie Cäsar in Gallien that. " *)

Hinsichtlich der Rücken- und Seitenangriffe

meint Machiavelli,

dafs der Erfolg, wenn sie gelingen, stets ein aufserordentlich grofser sein müsse ; er hält sie aber für sehr schwer durchführbar. Jedes Heer müsse übrigens auch in der Inversion kämpfen können . allgemeinen Regeln giebt er noch: „ Je wachsamer Ihr seid , achten ,

An

die Absichten

des Feindes zu beob-

und je mehr Mühe Ihr Euch gebt ,

Euer Heer einzuüben ,

desto weniger lauft Ihr Gefahr und desto mehr hoffen. "

dürft Ihr auf Sieg

,,Im Gefecht ändert nie die anfängliche Bestimmung eines Corps , wenn Ihr nicht Unordnung in Euer Heer bringen wollt. " „ Oft hat es sich ereignet ,

dafs

in einer Schlacht , die bis zur

Nacht währte, der Sieger glaubte geschlagen zu sein, während der Geschlagene gesiegt zu haben glaubte. .. Auf diese Art kann es sich häufig ereignen, dafs zwei sich feindlich gegenüberstehende Heere in derselben Verwirrung sind und dieselbe Not leiden, und dafs der am Ende Sieger bleibt, der die Not des anderen zuerst erfährt. “

" Sehr schwer ist es , ein schon auf der Flucht befindliches Heer zum stehen zu bringen und zu neuem Kampf zu bewegen. hier unterscheiden ,

Man muſs

ob das ganze Heer fortläuft, und dann ist alles

vergebens, oder ob nur ein Teil flieht, und dann kann vielleicht noch geholfen werden. "

Letzteres könne aber ,

wie des längeren

ausgeführt wird ,

nur

durch persönlich couragöses und rücksichtsloses Eingreifen der Führer geschehen.

*) Friedrich der Grofse I. S. 64.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

95

Die Verfolgung. "" Werden Schlachten gewonnen, so muſs man mit aller Schnelligkeit den Sieg verfolgen und darin Cäsar nachahmen und nicht Hannibal, welcher nach der Niederlage der Römer bei Cannä stehen blieb , und dadurch die Herrschaft über Rom verlor. " " Cäsar

ruhte

niemals

geschlagenen Feind

nach dem Siege ,

sondern verfolgte den

mit gröfserem Ungestüm und gröfserer Wut,

als er den unversehrten Feind angegriffen. " *) Wenn Machiavelli in dieser Weise die rücksichtslose Verfolgung -

deren Bedeutung zu den meist wohl erkannten aber selten ins

Leben übersetzten Wahrheiten zähltanrät , so mahnt er doch in ganz ähnlicher Weise, wie der grofse König, zur Vorsicht ; weil man sonst leicht den errungenen Sieg in eine Niederlage verkehren könne. Namentlich warnt er vor ungeordnetem Folgen : ""Wer den geschlagenen Feind mit Unordnung verfolgt , will nichts anderes, als seinen Sieg in eine Niederlage verwandeln. " 9.

Infanterie -

Kavallerie .

„Es ist aufser Zweifel, dafs das Fufsvolk der Nerv des Heeres ist . "

" Ich behaupte , dafs die Völker oder Reiche, welche mehr Wert auf die Reiterei als auf das Fufsvolk legen, immer schwach und jedem Unfall ausgesetzt sind. " „ Es ist ohne Zweifel gut, Reiterei zu haben , aber nur als zweite , nicht als erste Grundlage des Heeres . Nichts ist nützlicher und nötiger, um auf Kundschaft auszugehen , das Land des Feindes zu durchstreifen und zu verheeren ,

sein Heer

zu beunruhigen und in Ver-

wirrung zu bringen, es immer unter den Waffen zu halten, ihm die Lebensmittel abzuschneiden .

Was aber die grofse Feldschlacht be-

trifft , die Hauptsache im Krieg und der Zweck, wofür man Heere bildet, so ist die Reiterei nützlicher, den geschlagenen Feind zu verfolgen, wenn er einmal in Unordnung ist, als zu irgend etwas anderem , was in der Schlacht vorkommt , volk weit nach. „ Ihr wollt wissen , ist ?

und an Kraft steht sie dem Fufs-

warum das Fufsvolk der Reiterei überlegen

Ich antworte zuerst, dafs die Reiterei nicht, wie das Fufsvolk,

an alle Orte dringen kann. . . . . Ferner können die Reiter , wenn sie ein Angriff in Verwirrung gebracht , nur schwer wieder in Ordnung gebracht werden, selbst wenn dieser Angriff gescheitert ist..

*) Friedrich der Grofse I. S. 82.

96

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

Ausserdem ereignet es sich oft , dafs ein mutiger Mann ein furchtsames Pferd hat oder ein furchtsamer Mann ein mutiges Pferd ; und diese Ungleichheit führt Unordnung herbei. “ ,,Man darf sich nicht wundern , dafs eine Masse Fufsvolk den Stofs der Reiterei aushalten kann, denn das Pferd ist ein verständiges Tier.

Es kennt die Gefahr und setzt sich ihr nur ungern aus. Wenn nun die Kraft ,

man

welche es vorwärts treibt ,

gegen die abwägt,

welche es zurückhält, so wird man finden, um wie viel die hemmende Kraft stärker ist als die vortreibende, denn nur der Sporn treibt es vor, Piken und Degen halten es zurück.

Auch hat die Erfahrung

alter und neuer Zeit bewiesen , dafs eine geschlossene Schaar Fufsvolk nichts von der Reiterei zu fürchten hat und von ihr nicht angetastet werden kann.

. . . Allein unerachtet

dieser natürlichen

Hindernisse, die den Reiter im Wege stehen , mufs der Befehlshaber des Fufsvolkes immer diejenigen Wege wählen , welche der Reiterei die meisten Hemmnisse darbieten, und selten wird der Fall eintreten, dafs man sich nicht durch die Beschaffenheit des Terrains sichern. kann . Wenn man auf den Höhen hinzieht , so ist man vor jenem Ungestüm ,

das

man fürchtete ,

sicher.

Marschiert man durch die

Ebene , so ist zu bemerken, dafs es wenige Ebenen giebt, wo nicht Anbau und Gehölze Sicherheit gewähren , denn jeder Zaun , jeder Graben, so seicht er auch ist, hält plötzlich jenes Ungestüm an, und Reben und Baumpflanzungen hindern die Bewegungen der Kavallerie gänzlich. " Man darf nicht vergessen, dafs Machiavelli vor beinahe 400 Jahren so schrieb, und dafs seit jener Zeit das Fufsvolk sich in ganz gewaltiger Weise vervollkommnet hat, während das Pferd , die Hauptwaffe des Reiters , im grofsen Ganzen dasselbe bleiben musste. Es frappiert uns ferner , wenn wir in Machiavelli's Schriften bereits die Forderung ausgesprochen finden, die erst in unseren Tagen realisiert worden ist , zu geben.

nämlich : dem Kavalleristen eine brauchbare Feuerwaffe Es wird nämlich verlangt ,

die Reiter

mit „ Armbrusten

und auch einigen Hakenbüchsen " auszurüsten , um die „ Bauern “ zu verjagen , falls sie sich einfallen lassen sollten , Pässe zu besetzen . Hinsichtlich des Gebrauches der blanken Waffe heifst es : „Die Römer wollten , sollte ,

nicht allein weil

parieren läfst ,

dafs der Soldat stechen und nicht hauen der Stich

sondern auch weil

tödtlicher ist und sich schwerer derjenige ,

welcher stöfst ,

weniger Blöfsen giebt und eher zu erneutem Angriff bereit ist , der, welcher haut. "

sich als

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

97

10. Schanzarbeiten . Die Bedeutung der Schanzarbeiten ist , seit das Terrain der Schild" des Soldaten - den Machiavelli noch in natura verteidigt geworden ist, natürlich ganz wesentlich verändert.

Wir führen daher

nur das an, was Machiavelli darüber sagt, wer solche Arbeiten ausführen soll. so würde ich ihr Geschäft

" Was die Schanzgräber betrifft, von meinen eigenen Soldaten verrichten Alten so hielten ,

teils ,

gehalten werde.

lassen ,

teils , weil es die

damit das Heer weniger durch Trofs auf-

Ich würde aus jedem Bataillon

die

erforderliche

Anzahl herausziehen , ihnen das zum Wegbahnen erforderliche Handwerkszeug geben und ihre Waffen den

nächststehenden Rotten zum

Tragen zurücklassen (hiervon kann natürlich bei uns keine Rede sein). Käme nun der Feind , so würden sie ihre Waffen gleich wieder ergreifen und in ihre Glieder eintreten. " Die Frage ,

wie überhaupt das Schanzzeug mitgeführt werden

soll, wird beantwortet :

„auf besonders hierzu bestimmten Wagen . "

Der Frager ist aber skeptisch

und thut zum Schlusse einen Aus-

spruch, der gerade uns zu denken geben muſs : „ Ich zweifele

sehr ,

ob Ihr jemals Eure Soldaten

zu Schanz-

arbeiten bringen werdet. "

11. Grenzsperren und Festungen.

Mit der Festungsfrage Eingehendste beschäftigt.

hat Das

sich Machiavelli wiederholt auf das siebente Buch von der Kriegskunst

handelt ausschliesslich über das Befestigungswesen mit all seinen technischen Details. Davon ist trotz des gewaltigen Umschwunges in der Bewaffnung noch eine grofse Menge heute ganz und gar gültig, indes schien uns diese Materie mehr in den Rahmen einer technischen Fachschrift als dieser Arbeit zu gehören . Für den Ingenieur würde jedenfalls „ Machiavelli und die Befestigungskunst von heute " ein dankbares und interessantes Thema sein. Hier ist die ganze darauf bezügliche Materie fortgeblieben und sollen nur ein paar Sätze, speciell über Grenzfestungen , die ja in unserer Zeit wiederum einmal eine Rolle spielen , Aufnahme finden . Machiavelli verwirft die Grenzfestungen im Princip und findet alles Kriegsheil nur in einer guten, wuchtigen Militärorganisation . Wir wollen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen ,

wie mit

Rücksicht auf die heutige rasche Kriegführung der Gewinn auch nur weniger Tage , erzielt durch Grenzsperren , von der allergröfsten 7 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

98

Wichtigkeit sein kann. beipflichten .

Im ganzen aber möchten wir Machiavelli

Er sagt :

"" Was aber die Erbauung von Festungen zum Schutze gegen den äufseren Feind betrifft, so sage ich, dafs sie für Völker und Reiche , welche gute Heere haben , nicht nötig, und für die , welche keine guten Heere haben, unnütz sind.

Denn ein gutes Heer ist ohne Festungen

hinreichend , Dich zu verteidigen , Heer können Dich nicht schützen

Festungen aber • .16

ohne

ein gutes

„Wenn daher ein Fürst , der im Besitz eines guten Heeres ist, an den schwächsten Punkten

seiner Grenzen

den Feind ein paar Tage aufhalten können ,

einige Forts hat , bis

er

die

selbst gerüstet

ist , so kann das manchmal nützlich sein , ist aber nicht notwendig. Hat hingegen der Fürst kein gutes Heer, so sind ihm Festungen, in seinem Lande verteilt oder an der Grenze , unnütz .

entweder schädlich oder

Schädlich, weil er sie leicht verliert und sie ihm dann selbst

den Krieg machen . liegen läfst ,

nehmen kann. stand findet ,

Ganz fruchtlos ,

weil sie das

wenn sie so stark sein sollten , Wenn ein gutes Heer nicht so dringt es in das Land

dafs

feindliche Heer es sie nicht ein-

den kräftigsten Wider-

des Feindes ein , ohne auf

eine Stadt oder Festung zu achten, die es im Rücken läfst. *) So schrieb Machiavelli 300 Jahre vor Napoleon ! Und ferner : „ In diesen Nachteil fällt man fast immer , wenn man bei Ankunft des Feindes die schwierigen Stellen zu halten ,

die Pässe

zu

man zur Besetzung felsiger Stellen

besetzen beschliefst. . . . . Da nicht viele Leute verwenden

kann , teils , weil sie dort selbst nicht

lange Lebensunterhalt finden ,

teils , weil diese Stellen räumlich be-

schränkt sind und wenig Leute fassen, so kann man einem zahlreich anrückenden Feinde nicht widerstehen . Dem Feinde ist es leicht, zahlreich zu kommen ,

da es seine Absicht ist ,

und nicht stehen zu bleiben ;

vorwärts zu gehen

dem Verteidiger ist es unmöglich, ihn

zahlreich zu erwarten, da er in der Ungewissheit ,

wann der Feind

passieren will , längere Zeit an engen und unfruchtbaren Stellen lagern müfste.. . . . Wenn man die ganze Geschichte mit Aufmerksamkeit durchliest, wird man finden , herren solche Pässe

dafs sehr wenige ausgezeichnete Feld-

zu halten

versucht haben ,

teils

aus den an-

geführten Gründen , teils , weil die Pässe nicht alle gesperrt werden können. Die Gebirge haben nämlich gleich der Ebene nicht allein gewöhnliche und häufig betretene Strafsen, sondern viele andere Wege und Pfade , welche , wenn nicht Fremden , doch den Einheimischen

*) Friedrich der Grofse I. S. 56.

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

99

bekannt sind, mit deren Hülfe der Angreifende immer an irgend eine Stelle gegen den Willen des Verteidigers geführt wird. . . Geht nun ein Paſs, den Du halten zu können glaubtest und auf den sich Dein Volk und Dein Heer verliefs , verloren , so bemächtigt sich meistenteils des Volkes und der übrigen Soldaten ein solcher Schrecken , dafs Du , ohne ihre Tapferkeit auf die Probe stellen zu können , besiegt bleibst und hast. " *)

mit einem Teil Deiner Streitkräfte alles verloren

12.

Verpflegung.**)

"" Wer nicht für den nötigen Mundvorrat sorgt, ist ohne Schwert besiegt. " „Ihr müfst zuerst wissen , lich wie möglich machen und

dafs ein Fürst sein Heer so bewegalles entfernen soll ,

wodurch es in

seinen Kriegshandlungen gehindert oder aufgehalten wird. " Dieser Satz bezieht sich auf die möglichste Verringerung des Trosses. Machiavelli will sie seiner Zeit und den nächsten Jahrhunderten weit voraus ---- durch ein gesundes Requisitionssystem erreichen : " Was den Hunger betrifft, so ist nicht allein nötig , zu wachen, dafs Euch der Feind die Lebensmittel nicht abschneidet, sondern Ihr müfst auch sehen , wo Ihr sie herbekommt , und sorgen , dafs die, welche Ihr habt, nicht verschleudert werden . Ihr müfst daher immer Vorräte für einen Monat beim Heer haben , Freunden als Steuer auferlegen , mitteln versehen.

und den benachbarten

dafs sie Euch täglich mit Lebens-

In einigen festen Plätzen müfst Ihr Vorräte auf-

häufen und vor allem sie mit Umsicht austeilen ,

indem Ihr jeden

Tag einem Jeden ein vernünftiges Mafs gebt und es so einrichtet, dafs Ihr nicht aus Eurer Ordnung kommt. Denn jede andere Sache kann im Kriege mit der Zeit besiegt werden : diese allein besiegt mit. der Zeit Euch.. • können ,

Dem Hunger wird aber ein Heer nicht entgehen

welches die Gerechtigkeit nicht beachtet und zügellos ver-

zehrt, was ihm in die Hände fällt . "

Geregelte Verpflegung erhalte auch die Heere gesund, und Gesundheit sei eine Hauptsache im Kriege, denn : "" Ein Feldherr, der mit Krankheiten und dem Feinde zu kämpfen hat, befindet sich in der übelsten Lage. "

*) Friedrich der Grofse I. S. 46 und 91. **) Friedrich der Grofse I. S. 125. 126.

7*

100

Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.

IV . Wir hoffen ,

durch die vorstehende Auslese von Kriegslehren

Machiavelli's dargethan zu haben , wie sehr das kritische Studium seiner Werke sich auch noch für den Soldaten von heute lohnt. Ist uns dieser Nachweis gelungen ,

so ist unser Hauptzweck erreicht :

wir wollten durch unsere Arbeit nicht die weitere Beschäftigung mit Machiavelli überflüssig machen , sondern im Gegenteil dazu anregen . Von diesem Gesichtspunkte aus dürfen wir noch wohl erwähnen, daſs für denjenigen , der sich mit der Geschichte der Kriegskunst des 15. und 16. Jahrhunderts beschäftigt , seine Werke geradezu unentbehrlich und unersetzlich sind. Was würde ein Mann von der klaren Einsicht und dem energischen Willen Machiavelli's geleistet haben, wenn ihm das Geschick statt eines Federkiels das Schwert in die Hand gedrückt hätte? wenn es ihn überhaupt eine andere Zeit hätte sehen lassen ! Denn über seine Zeit und die Unverbesserlichkeit ihrer militärischen Einrichtungen äufsert er sich : „An Euch ist, es zu beurteilen, ob es möglich ist, unter solchen Menschen eine der Verbesserungen einzuführen , von der ich Euch heute unterhalten habe. Wann werde ich einen unserer jetzigen Soldaten zwingen können, mehr Waffen als gewöhnlich zu tragen, diesen Waffen noch Lebensmittel auf zwei oder drei Tage und einen Helm beizufügen?

Wann werde ich es

dahin bringen ,

ihn zu

Schanz-

arbeiten zu bewegen und ihn einen Teil des Tages mit Manövern zu beschäftigen ,

damit er nur im Ernstfalle etwas nützt ?

er sich des Spiels ,

der Ausschweifungen ,

Wann wird

der Gotteslästerung

und

des frechen Wesens enthalten, das sie täglich zeigen ? . . . . Wovor könnte ich Menschen zum Erröten bringen, die ohne Scham geboren und aufgewachsen sind ? Welchen Respekt sollen sie vor mir haben , da sie mich nicht kennen ? Bei welchem Gott oder bei welchen Heiligen soll ich sie schwören lassen ? Bei denen , die sie anbeten oder bei denen, die sie lästern ? dafs sie alle lästern , denen ihr Gelübde

Die sie verehren, kenne ich nicht, aber

das weifs ich !

halten ,

die

Wie soll ich glauben , dafs sie

sie verspotten ?

Wie

können

die ,

welche Gott verachten , Menschen achten ? Welche gute Form liefse sich also diesem Stoffe geben ? . .... . . Niemals wird ein guter Bildhauer aus einem schlecht gemeifselten Marmor eine schöne Bildsäule formen können, wohl aber aus einem rohen Block!" Und wehmütig

stimmt uns

die Klage ,

die

er

hauptmann Fabricio Colonna in den Mund legt , die

seinem Feldaber fraglos

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

sein eigenster , ergufs sind :

101

mit tiefster Überzeugung ausgesprochener Herzens-

„ Ich meinesteils klage die Natur an , die mir entweder diese Einsicht nicht hätte geben oder die Möglichkeit gewähren sollen, sie auszunutzen ! "

VI.

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

Streffleur's österreichische Militärzeitung. März 1881. Über den Aufklärungsdienst der Kavallerie

und dessen Ver-

wertung bei der Befehlsgebung der höheren Kommanden im

Felde ,

vom Oberst v. Neuwirth .

Die im

September 1880

stattgehabten grofsen Manöver an der Sau , denen der Verfasser als Corps-Generalstabschef beiwohnte ,

geben demselben Veranlassung,

in einem Vortrage die Erfahrungen

über die Verwendung der selb-

ständigen Kavalleriedivisionen näher zu beleuchten , wobei

die Not-

wendigkeit betont wird , dem Aufklärungsdienste eine weit gröſsere Aufmerksamkeit wie bisher zuzuwenden . Das Prinzip über die Verwendung der Kavallerie-Divisionen ist in allen europäischen Staaten dasselbe, die eigenen Absichten sollen verschleiert, die des Gegners aufgeklärt werden .

Es mufs daher als

Ziel angestrebt werden , die feindliche Kavallerie auf ihr Gros zurückzuwerfen, um direkt oder auf Umwegen Fühlung mit der feindlichen Infanterie zu gewinnen. vallerie

Demnach lässt sich die Thätigkeit der Ka-

in drei Gruppen zusammenfassen :

achten des Feindes.

1. Aufsuchen und Beob-

2. Unterstützung der Patrouillen durch stärkere

Abteilungen und 3. Durchbrechen des feindlichen Schleiers , um Nachrichten einzuholen. Eine Unterstützung der Kavallerie mufs stets da stattfinden, wo bedeutende Hindernisse, z . B. gröfsere Flüsse, weit ausgedehnte Wälder u. s. w . die Marschlinie treffen , um hier einen Rückhalt für die Kavallerie zu bilden . Bei den erwähnten Manövern wurden zu diesem Zwecke die Jägerbataillone verwandt. Als Ausdehnungraum für die Kavallerie

stellt

der Verfasser

30-50 km fest , jeder Schwadron wird ein bestimmter Rayon zugewiesen, während das Gros mit gewöhnlichen Sicherheitsmafsregeln

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

102

auf den Hauptbewegungslinien marschiert.

Die Österreicher teilten

bei den Manövern die 40 km lange Front in vier Abschnitte für je eine Schwadron ein, so dafs die Flügelschwadronen 14-20 km vom Gros entfernt waren , ein Umstand , der auf das Meldewesen vom gröfsten Einfluss ist. die Kavalleriedivision

In Bezug auf die Frage , vorzupoussieren

ist ,

wie weit überhaupt

hält der Verfasser drei

Tagemärsche (40-60 km) für die günstigste Entfernung. Hieraus ergiebt sich nun die Frage , wie sollen bei dieser Distance die Meldungen zur Tête der Armee kommen ? Selbstverständlich wird überall da ,

wo

Telegraphenleitung vorhanden

ist ,

von dieser Gebrauch

gemacht.

Das ist aber nur in den allerseltensten Fällen möglich, man wird daher meistens auf Beförderung der Meldungen durch Ordonnanzen, resp . durch eingerichtete Kurslinien angewiesen sein. Verfasser berechnet hiernach , dafs bei einem Aufbruch der Kavallerie um 6 Uhr morgens die Meldungen der Division nicht vor 4 Uhr nachmittags abgehen und nicht vor 4 Uhr morgens beim Hauptquartier des Têtencorps eintreffen können . Ist somit die Kavallerie drei Tagemärsche voraus , so kann vor dem fünften Operationstage kein Zusammenstofs mit der Infanterie erwartet werden. Diese Behauptungen werden durch die Erfahrungen der letztjährigen Maauch durch Citate aus dem preufsischen Generalstabswerke (7. Heft) über den Vormarsch auf Sedan bewiesen , wonach növer , wie

die Annahme der Beförderung

von Meldungen auf durchschnittlich eine Meile in der Stunde noch sehr günstig ist. Es ergiebt sich hieraus die Notwendigkeit der Einrichtung einer Ordonnanz- Kurslinie, die durchaus nicht so einfach ist und einer strengen Schulung im Frieden bedarf. Aus diesen Betrachtungen zieht nun der Verfasser zum Schlufs folgende Nutzanwendung speziell für die österreichische Armee. 1. Die Aufstellung von Kavallerie-Truppendivisionen ist bereits im Frieden notwendig. 2. Die österreichische Armee bedarf einer Vermehrung der Kavallerie, da sie, mit alleiniger Ausnahme Italiens, allen übrigen Groſsmächten an Reiterei nachsteht. 3. Die Kavallerie mufs im Felddienst mehr ausgebildet werden. Es wird der Ausbildung Wichtigkeit beigelegt ,

im

Einzelreiten und im Gefecht zu viel

während die Ausbildung im Terrain und die

Geschicklichkeit im Felddienst vernachlässigt werden.

Gerade das

aber mufs den Mafsstab für die Beurteilung eines Kavallerieregiments abgeben.

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften. Journal des

sciences

militaires.

103

April 1881.

Kritische

Betrachtung über die Operationen der Kavallerie. Ein dem obigen Thema ähnliches finden wir hier in der französischen Journallitteratur vertreten . Der Unterschied in der Behandlung des Themas seitens der beiden Verfasser liegt darin, dafs ersterer, an bestimmte Thatsachen anknüpfend , bestimmte Grundsätze entwickelt , während letzterer mehr eine historisch-kritische Abhandlung liefert . Die Ansichten über die Verwendung der Kavallerie sind in Frankreich noch immer sehr geteilt, während eine Partei den Dienst der selbständigen Kavalleriedivisionen als den wichtigsten fast ausschliesslich betrieben haben will, dagegen die Massenverwendung in der Schlacht, bei der Verbesserung der Feuerwaffen , für geradezu unmöglich hält, will die andere Partei dieser Massenverwendung auch dieselbe Bedeutung wie Die Erfahrung hat gelehrt , dafs die

in früheren Zeiten zusprechen . Kavallerie unter der Leitung

mittelmässiger Führer stets mehr und

mehr verfallen ist, dafs sie dagegen in der Hand tüchtiger Führer, wie Gustav Adolphs , Carls XII. , des grofsen Condé , Turennes , Moritz' von Sachsen, Friedrichs II. , Napoleons I. stets hervorragendes geleistet hat. Besonders wird hierbei der General Warnery , der die Grundsätze Seydlitz's veröffentlichte , als Autorität citiert , den Instruktionen Friedrichs II. nachgewiesen ,

dafs

und dabei aus dieselben Prin-

zipien für die Verwendung der Kavallerie auch noch jetzt maſsgebend sind . Das Feuergefecht von Kavallerie gegen Kavallerie wird nach noch häufig als Einleitung des Kampfes zur Verwendung kommen, der wirkliche Kampf wird aber stets mit der blanken Waffe ausgefochten werden . Die Verwendung der Feuerwaffe vom Pferde aus hat zu allen Zeiten stets zum Verfall der Kavallerie wie vor

geführt . Das zweite Kapitel behandelt speciell den Kampf zu Fufs .

Es

enthält eine Zusammenstellung von Äufserungen kavalleristischer Autoritäten über die Leistungen der Kürassiere und Dragoner , aus denen der Verfasser den Schlufs zieht, dafs jede Kavallerie, die den rein kavalleristischen Charakter aufgegeben hatte uud eine gemischte Waffengattung bilden wollte , stets gewesen ist.

anderen Kavallerieen unterlegen

Man darf nur zwischen Infanterie und Kavallerie wählen,

jedes Mittelding ist absolut verwerflich.

Der Verfasser bedauert auch

lebhaft die Abschaffung der Kürassiere und Lanciers, beides Waffengattungen , deren Specialausrüstung so viel dazu beitrug , das moralische Element zu beleben . Die Schufswaffe des Kavalleristen darf nur den einzigen Zweck haben , ständigkeit zu geben ,

so dafs

der Kavallerie sie

eine gröfsere Selb-

sich ohne Unterstützung durch

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

104

Infanterie weiter vorwärts bewegen und ihre Kantonnements selbständig verteidigen kann . Niemals darf die Kavallerie daran denken, das wieder zu werden ,

was die Dragoner des vorigen Jahrhunderts

waren. Das dritte Kapitel behandelt den Felddienst. Nach Ansicht des Verfassers hat die französische Instruktion den Fehler gemacht, dem Aufklärungs- und Sicherheitsdienste zu grofse Wichtigkeit beizulegen , und darüber versäumt, das Hauptziel , das Gefecht, im Auge zu behalten. Der Kunst, im richtigen Augenblicke auf dem entscheidenden Punkte mit überlegenen Kräften aufzutreten , dieser Kunst ist zu wenig Beachtung geschenkt.

Namentlich

im letzten Feldzuge

hat

die Kavallerie sich keineswegs ihrer hohen Aufgabe gewachsen gezeigt, der Grund hierfür lag aber in den mangelhaften Instruktionen für eine methodische Kriegführung, und diese war wiederum Folge einer falschen Anwendung der in Spezialkriegen erworbenen Erfahrungen. Zu allen Zeiten und in allen Kriegen hat die französische Armee den Fehler gemacht , den Sicherheitsdienst zu vernachlässigen , und nur hervorragende Heerführer vermochten diesen Fehler durch ihre Genialität wieder auszugleichen.

In neuerer Zeit ist es namentlich

der General Lewall , der durch seine „Tactique de renseignement " hierüber Belehrung verbreitet und den Sicherheitsdienst in ein den modernen Verhältnissen

entsprechendes System gebracht hat . Die einzelnen , sich hierbei ergebenden Momente lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen :

1. Die beiden Kavallerien haben noch keine Fühlung genommen. 2. Sie sind zusammengetroffen und der Erfolg war günstig. 3. Der Erfolg war ungünstig . Diese Grundsätze finden

nach Ansicht des Verfassers

bei

den

Manövern nicht die genügende Berücksichtigung , während dieses in Deutschland weit mehr der Fall ist. Die französischen Manöver sind fast nur Infanteriemanöver, indem man dem Aufmarsche und der Entwickelung der Truppen

den gröfsten Wert beilegt .

Hieraus erklärt

sich auch der übergrofse Mifsbrauch mit dem Gefecht der Kavallerie zu Fufs.

Von

einer Zuteilung

von

Infanterie

zu

den Kavallerie-

divisionen will der Verfasser nichts wissen , er ist der Ansicht , dafs diese durch die reitende Artillerie vollständig entbehrlich ist. In dem Schlufskapitel des umfangreichen Artikels spricht der Verfasser sich sehr scharf gegen die Art und Weise aus , in der in Frankreich militärische Angelegenheiten in der Journalistik kritisiert werden.

Im Gegensatz dazu erwähnt er, in welcher Weise und mit

welcher Vorsicht dieses in Deutschland geschieht .

Wir führen hier

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

105

seine eigenen Worte an : "9 In Deutschland ist der alte Kaiser selbst. bei allen Manövern zugegen und Er ist es , der etwaige Neuerungen Seine Anwesenheit inmitten der prüft und darüber entscheidet. Truppen ist ein fortwährender Sporn, und jeder Einzelne ist bemüht, sich die Zufriedenheit seines hohen Souverains zu erwerben. Unter seinen Augen entscheidet ein höchstes Tribunal von siegreichen und geschätzten Generalen über militärische Reformen,

und niemand er-

laubt sich dagegen Einwendungen zu machen , selbst wenn er anderer Ansicht wäre. Dort sind es nicht Zeitungsschreiber , die je nach ihren Interessen oder politischen Ansichten Lob oder Tadel äussern , wie es ihnen gerade gefällt. " Zum Schlufs stellt der Verfasser nochmals kurz alle vorher erwähnten Grundsätze zusammen und warnt besonders vor Einführung von Neuerungen, die den echten kavalleristischen Geist gefährden .

Revue d'Artillerie .

März 1881.

Betrachtungen über die

Verteidigung fester Plätze durch Artillerie. Capitaine d'Artillerie .

Im

Von E. Jourdy,

ersten Kapitel werden die Angriffsmittel

mit denen der Verteidigung verglichen . Während das militärische und vielfach auch das nichtmilitärische Publikum mit Interesse den Kampf der schweren Geschütze

gegen Panzerschiffe und die gegen-

seitige Steigerung der Angriffs- und Verteidigungsmittel verfolgt, wird den Kampfesmitteln der festen Plätze im allgemeinen weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obgleich auch diese bedeutenden Änderungen und Verbesserungen unterworfen sind .

Noch bis in die neueste Zeit

hinein war das alte Vauban'sche System mustergültig , und erst vor wenigen Jahren konnte man sich verlassen.

entschliefsen ,

Die verbesserte Präcision

dieses definitiv zu

und Tragweite der schweren

Geschütze warf das ganze System über den Haufen, und trat

an

dessen Stelle das Prinzip ,

zu

schützen.

den Platz

durch detachierte Forts

Im Vergleich zu früheren Zeiten hat der Angriff wesent-

liche Erleichterungen erfahren. Der Bau der ersten Batterieen ist durch die erweiterten Distancen wie auch durch die Möglichkeit der Entwickelung langer Artillerielinien leichter geworden und wird dieser durch das gewaltige koncentrische Feuer von anfang an ein bedeutendes Übergewicht verliehen.

Auch

der Transport

der

Geschütze

ist durch die Eisenbahnen , die bis in die Nähe des Belagerungsparkes führen ,

gegen frühere Zeiten bedeutend erleichtert , man wird sogar

meistens in der Lage sein , die Geschütze vom Park aus mit Strafsenlokomotiven bis in die ersten Batterieen transportieren zu können . Die Ziele , die sich der Belagerungsartillerie darbieten , sind weit leichter

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

106

zu treffen, wie die der Verteidigungsartillerie , kurz gesagt , es zeigt sich bei dem ersten Artilleriekampf in jeder Weise eine bedeutende Überlegenheit

des Angreifers .

gefolgert werden ,

Es darf jedoch

hieraus

keineswegs

dafs die Fortifikation heutzutage ihren Wert ver-

loren hat, sie spielt nach wie vor eine glänzende Rolle, wenn sie es versteht , die Hülfsmittel , über die sie zu gebieten hat , richtig zu verwerten. Diese Verwendung Artikels behandelt.

der Hülfsmittel wird im zweiten Teile des

Durch die Einführung von Panzertürmen finden

die auf den Brustwehren so sehr gefährdeten Geschütze einen sicheren Schutz .

Der einzige Nachteil , der mit diesen Türmen verbunden ist,

besteht darin ,

dafs

das Zielen von innen her etwas erschwert ist,

und dafs sie immerhin keinen absoluten Schutz gegen direkte Treffer gewähren.

Die

aber darin , allergröfsten

dafs

bedeutendste

Überlegenheit

sie im stande ist,

Kalibers

der Verteidigung liegt

dem Angreifer Geschütze des

entgegenzustellen.

Derartige

Geschütze

mit

Geschossen von 150-200 kg Gewicht werden jede Belagerungsbatterie zwingen, ihr Feuer zu unterbrechen, so dafs diese dadurch mindestens ebenso gefährdet ist, wie die Verteidigungsgeschütze auf den Brustwehren.

Der Kostenpunkt, den man gegen die Einführung dieser

grofsen Kaliber als Einwand erheben könnte, kann nicht in Betracht kommen , da eine geringe Anzahl dieser eine weit gröfsere Anzahl mittlerer Kaliber zu ersetzen im stande ist. Um diese schweren Geschütze gegen feindliches Feuer zu schützen , einen Vorschlag ,

der

Beifall finden dürfte.

geradezu

originell

Er verlangt ,

dafs

macht der Verfasser

erscheint und wohl wenig die Glacis in einer Breite

von 40-50 m mit ganz dichtem Unterholz bepflanzt werden, so daſs die Brustwehr vollständig gegen die Einsicht von aufsen geschützt ist. Will daher der Belagerer mit Sicherheit zielen , so muſs er zuvor eine Bresche durch dieses Gebüsch schiefsen , wodurch für den Verteidiger eine kostbare Zeit gewonnen wird , die er zur Beschiefsung der Belagerungsbatterieen mit seinen schwersten Geschützen verwenden wird.

Dieses dichte ,

buschige Glacis bildet gleichzeitig eine vor-

zügliche Position für die verteidigende Infanterie, kurz, der Verfasser ist der Ansicht ,

dafs

im ersten Stadium würde.

hierdurch die des

Kampfes

Überlegenheit vollständig

des Angreifers

paralysiert werden

Eine mächtige Stütze wird die Verteidigung in den Belagerungskriegen der Zukunft in der Anlage starker Batterieen in den Zwischenräumen der Forts finden . Artilleriekampfes

Werden

aufserdem noch vor Beginn des

Feldbefestigungen weit hinaus

im Vorterrain

er-

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

richtet ,

so kann durch diese ,

107

wie die Belagerung von Plewna und

Sebastopol gezeigt, der Angriff auf lange Zeit aufgehalten werden . Im Schlufskapitel stellt der Verfasser folgende Grundsätze auf. Die Fortifikation als solche hat gegen früher bedeutend an Wert verloren ,

dieser Verlust ist

durch Aufstellung

schwerster Kaliber auf

den Brustwehren zu ersetzen, vorausgesetzt, dafs diese durch dichtes Der HauptBuschwerk dem Auge des Gegners entzogen sind. Geschützkampf wird seitens der in den Zwischenräumen der Forts errichteten Batterieen geführt werden müssen , und mehr wie früher wird es darauf ankommen, daſs der Verteidiger von der vorhandenen Armierung und dem Terrain den richtigen Gebrauch macht, und dafs er es versteht, erhalten .

das

moralische Element in der Truppe aufrecht zu

L'Avenir militaire. lerie.

März 1881.

Die Pioniere der Kaval-

Trotz der grofsen Beweglichkeit der Kavallerie wird es häufig

vorkommen, dafs sie durch Terrainhindernisse oder solche künstlicher Art in ihren Bewegungen aufgehalten wird.

In den meisten Fällen

wird ein geringer Vorrat von Schanzzeug genügend sein , Hindernis zu beseitigen.

um

das

Aus diesem Grunde fanden in den Jahren

1873 und 1874 in Versailles eingehende Übungen und Versuche bei dem 18. Dragonerregiment unter Leitung des General L'Hotte statt, und man erwartete ,

daſs, dem Vorschlage dieses Generals gemäſs ,

6 Mann jeder Schwadron zeug versehen werden

als Pioniere

sollten.

ein Kapitän kommandiert ,

um

ausgebildet und mit Schanz-

Es wurden auch von jeder Brigade in Versailles für diesen Dienstzweig

besonders ausgebildet zu werden, allein, es ist bei diesen Versuchen geblieben und von Einführung einer Pioniersektion bei jeder Schwadron ist nicht mehr die Rede , obgleich die meisten europäischen Heere längst

eine

derartige Einrichtung besitzen.

Die erste Idee

dieser Kavalleriepioniere ist schon von Napoleon I. ausgegangen, denn in einem Armeebefehl vom 10. Brumaire des Jahres IV, vom Hauptquartier Verona aus, heifst es wörtlich : „ Nach beifolgenden Modellen sind in jeder Schwadron 2 Mann mit Spaten auszurüsten.

mit Beilen , 2 mit Hacken und 2

Die Corpskommandeure haben die Anferti-

gung dieser Werkzeuge zu veranlassen und sind dafür verantwortlich, dafs die Schwadron fünf Tage nach dem Eintreffen dieser Ordre mit Schanzzeug ausgerüstet sind. " Man hat in Frankreich vielfach erwogen , ob es nicht zweckmäfsig sei , dem Stabe des Kavallerie-Divisionskommandeurs einen Genieoffizier beizugeben , um die vorkommenden

technischen

Arbeiten ,

namentlich Zerstörung von

Eisen-

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

108"

bahnen zu leiten.

Der Verfasser spricht energisch gegen diese rein

theoretische Maſsregel und plaidiert für rasche Einführung der Pioniersektionen, deren Ausbildung die in Versailles kommandiert gewesenen Offiziere zu übernehmen hätten.

Die Revue maritime et coloniale bringt im Märzhefte dieses Jahres einige interessante Notizen über die englische Flotte.

In

Shoeburyness finden gegenwärtig ausgedehnte Übungen der Küstenartillerie statt.

Man hat die Absicht ,

die Bedienung der Küsten-

geschütze vorzugsweise der Miliz und den Freiwilligen zu übertragen, und nur eine geringe Anzahl wirklich ausgebildeter Artilleristen jenen zuzuteilen . Die Bedienung der Geschütze, sowohl der durch Dampfkraft wie der ausschliefslich von Menschenhänden bedienten , war so eingeteilt, dafs nur ein , höchstens zwei ausgebildete Artilleristen bei jedem Geschütz vorhanden waren , wobei es sich herausstellte , dafs diese Zahl selbst bei den 38 t Geschützen vollständig ausreichte. Die Schiefsübungen fanden sowohl bei Tage wie bei Nacht statt , zwar bei Nacht ohne jede Beleuchtung , Gegner das Zielen zu erleichtern. Das

und

um nicht durch Licht dem

Nordenfeldt'sche Revolvergeschütz ,

dessen Leistungen im

Oktober-Hefte vorigen Jahres seitens der Jahrbücher den Lesern mit-. geteilt wurde ,

ist bekanntlich zur Einführung in der ganzen Flotte

gelangt, wo es zur Verteidigung grofser Schiffe gegen Torpedoboote dienen soll. Gegenwärtig ist das Mittelmeergeschwader mit 50 Stück dieser Geschütze ausgerüstet. Das Geschütz selbst besteht aus vier auf einem Durchmesser von 1 (engl. ) Fufs zusammengefügten parallelen Rohren . sind im

Die Geschosse, die ungefähr ein halbes Pfund wiegen ,

stande ,

eine Panzerplatte von 5%

durchschlagen , doch hofft man , das Doppelte zu angefertigt ,

erhöhen .

was

diese Durchschlagskraft

noch um

Bisher wurden die Geschosse aus Stahl

neuerdings werden

Gufseisen gegossen ,

Fufs Durchmesser zu

sie auch aus besonders gehärtetem

den Vorteil

hat , dafs sie

bei

gleicher

Durchschlagskraft, durch die Splitter, in die das Gufseisen zerspringt, eine noch höhere Wirkung gewähren. Das Geschützrohr wird auf einem stählernen Dreifuss mit Kugelcharnier aufgestellt und erfordert zu seiner Bedienung nur drei Mann. Man hat auch seitens der englischen Marine Versuche angestellt , statt der vier Läufe oder Rohre deren zehn zu nehmen , ist aber wieder davon zurückgekommen. Im verflossenen Jahre ist dasselbe Geschütz bekanntlich auch in unserer Marine eingeführt.

Umschau in der Militär-Litteratur.

109

VII .

Umschau in

der Militär-Litteratur.

Militärische Essay's I. Untersuchungen über den Wert der Kavallerie in den Kriegen der Neuzeit. Von R. V. Berlin 1881.

Ferd . Dümmler's Verlagsbuchhandlung (Harr-

witz und Hoffmann) .

44 Seiten .

Preis 50 Pf. *)

„ Zum gesunden Sinne unseres Adels , der die Offizierstellen der Kavallerie fast ausschliefslich besetzt , habe ich das Vertrauen , daſs , sobald er den geringen Wert der Kavallerie als Waffe erkannt haben, er sich auch von ihr abwenden wird . Ist der Kriegszweck der Kavallerie verloren ,

so

sinkt der Kavallerieoffizier zur Bedeutungs-

losigkeit einer „jeunesse dorée " **) herab. " Diese Worte dem Schlusse der vorliegenden Broschüre entnommen - mögen zur Einleitung unserer Besprechung dienen , damit gleich von vornherein der Charakter des Büchleins klar gelegt ist. Sollte dieser trotzdem noch zweifelhaft erscheinen, dann werden der Seite 1 entlehnte Worte gewifs aufklären. Dort heifst es : „ Das Pferd ist eines der scheuesten Tiere. Seine ans

nachstehende ,

Sensitive streifende Natur läfst es vor jedem Geräusch erzittern. Vor jedem auffliegenden Vogel , jedem bellenden Hunde , jedem hellen Fleck

auf der Strafse

springt

es

erschreckt zur Seite.

Die Ver-

bindung von Mann und Pferd ist daher weit mehr geeignet, das kalte Blut des ersteren zu irritieren und seinen moralischen Halt in der Schlacht zu erschüttern, als wenn der Mann nur auf sich selbst vertraut. " Es läfst sich im übrigen nicht leugnen ,

dafs das Büchlein ge-

wandt geschrieben ist und die historischen Scheinbelege so geschickt

*) Obgleich der Redaktion ein Recensions-Exemplar des obengenannten Büchleins nicht zugegangen ist, sieht sie sich dennoch veranlasst, eine ihr von schätzenswerter Seite zur Verfügung gestellte Besprechung dieses Werkes zu veröffentlichen, da sie es für Pflicht erachtet , Bestrebungen , wie sie die " Militärischen Essay's I. “ an den Tag legen, mit allen Mitteln zu bekämpfen. **) Im Original steht d'orée. Auch ist die Frage wohl erlaubt , wie eine Person eine „jeunesse dorée " sein kann ?

Umschau in der Militär-Litteratur.

110

aneinander gereiht, dafs man nur bei gründlicher Prüfung die tendenziöse Darstellung der Thatsachen merkt. Zunächst können wir nicht umhin ,

dem Herrn Verfasser unser

aufrichtiges Bedauern darüber auszusprechen, dafs er sich zu Pferde stets so unbehaglich gefühlt hat. Wie er dann die "" Erschütterung des moralischen Haltes in der Schlacht

mit der „grofsen Bravour" (S. 5 und 19) , „ todesverachten-

den Bravour" (S. 17) , mit welcher die Kavallerie auch nach seiner Auffassung attackierte ,

in Einklang bringt ,

dürfte nicht leicht zu

ergründen sein . Dafs schon in den „ Napoleonischen Feldzügen der Kavallerie nirgends mehr eine Entscheidung auf dem Schlachtfelde zufiel " , ist neu und widerspricht den Angaben längst bekannter, tüchtiger Werke , wie z. B. der „ Histoire de Murat" von L. Gallois oder (v . Canitz) „Nachrichten und Betrachtungen über die Thaten und Schlachten der Reiterei ". Gebührt, um ein drastisches Beispiel anzuführen, nicht der Brigade Kellermann das Verdienst in der Schlacht bei Marengo , den völligen Rückzug der Franzosen in einen Sieg verwandelt zu haben, indem sie die hitzig verfolgenden Österreicher , welche mit 8 Bataillonen und 1 Dragonerregiment in der Vorhut der französischen Armee nach San Giuliano folgten ,

durch

einen

dem rechten Flügel plötzlich

schnellen Ritt vom linken nach

angriff und warf.

Sie ermöglichte es

hierdurch Desaix, Lannes und Monnier , ebenfalls wieder vorzugehen, die Batterien zum Abfahren zu zwingen und die Bataillone der Vorhut dann vollends auseinander

zu sprengen , so dafs sie ,

auf das

Gros zurückgeworfen , dieses , mit Ausnahme der standhaltenden 6 Grenadierbataillone brachten .* )

Weidenfeld

(Reserve) ,

vollständig

in

Unordnung

Ebenso zählen wir zu den Ehrentagen der Kavallerie die von Wertingen , Austerlitz, Jena und Auerstädt, Friedland, Eylau, Borodino , Hainau, Hagelsberg, Belle-Alliance. Zum Beweise dafür, dafs in damaliger Zeit der Verwendung grofser Kavalleriemassen eine entschiedene Wirkung beigemessen wurde , seien die Worte Gneisenau's erwähnt : "" " · und anstatt wie die Franzosen den Divisionen nur wenig Kavallerie

beizugeben ,

zusammenzuhalten,

und damit

diese hingegen in grofsen Massen irgendwo

einen

entscheidenden

Schlag auszuführen. . ... “ **) *) Vergl. v. Bülow : „ Geschichte des Krieges von 1800. “ **) Vergl. Reorganisation der preufsischen Armee nach dem Tilsiter Frieden Bd. 1 S. 8.

Umschau in der Militär-Litteratur.

111

Bei Betrachtung des Krimfeldzuges erzählt Herr R. V., dafs die Brigade Cardigan bei Balaclava „in das Feuer von russischer Infanterie und Artillerie geriet " und " in wilder Flucht zurückraste . " Thatsache ist wahr , jedoch der Hergang ein anderer ,

Die

denn 1. hat

die Brigade überhaupt nur auf einen mifsverstandenen und bis jetzt nicht aufgeklärten Befehl hin attackiert, 2. geriet sie nicht so nebenbei in das Feuer feindlicher Infanterie und Artillerie , sondern stürmte zwischen den mit Artillerie armierten russischen Redouten hindurch, gegen die russische unerschütterte Infanterie- und Kavalleriemassen. *) Ferner wird es der Kavallerie zum Vorwurf gemacht ,

dass sie

bei Sebastopol , ohne bei der Belagerung Verwendung zu finden , zu grunde ging. Es sei die Frage gestattet : Wie denkt sich der Herr R. V. eine Verwendung der Kavallerie bei einer Belagerung ? dann nehme man in Erwägung , zuges (gleichzeitig

Und

dafs von den zu anfang des Feld-

mit der Kavallerie) hingeschickten Truppen nur

sehr wenige die Heimat wiedergesehen haben , da fast alles vor Sebastopol während der ersten Monate zu grunde ging. Wenden wir uns jetzt zu den uns näher liegenden Feldzügen von 1866 und 1870/71 , so hat unstreitbar die Kavallerie darin nicht. das geleistet, was sie leisten kann. Woran lag dies

aber ? **)

Die

bis 1866

stattgefundenen Zu-

sammenziehungen von Kavallerie waren nicht nur auch örtlich vereinzelt geblieben ,

zeitlich ,

sondern

es ereignete sich daher , dafs bei

Ausbruch des Feldzuges 1866 bei weitem die meisten preufsischen Kavallerieoffiziere kaum

mehr als 2-3 Regimenter ihrer Waffe je

auf einem Flecke vereinigt , gesehen hatten.

geschweige denn sich taktisch bewegen

Nur der, dessen Auge von jungen Jahren an gewöhnt

ist, auf gröfseren Reiterscharen zu ruhen, nur der, welcher mit schnellem Blicke schon ihren Zustand, ihr Vermögen oder Nichtvermögen richtig zu erfassen vermag , ist im stande , sie zu führen und die Mafsregeln des Gegners richtig machen sich

ebenso für

zu beurteilen.

Diese Forderungen

die „Geführten" geltend .

Da

dies vorher

nur selten geschehen war, so brachte der Feldzug von 1866 unserer Reiterei keine Erfolge im grofsen , wohl aber führte er auf die richtige Fährte, wie eine bessere Verwendung der Kavallerie zu suchen sei . Der Zwischenraum kurz gewesen ,

als

dafs

zwischen beiden Feldzügen war leider zu sich Zeit und Gelegenheit gefunden hätte,

*) Vergl. Kinglake, the invasion of the Crimea. **) Vergl. Seydlitz in seiner Bedeutung für die Kavallerie von damals und jetzt von Oberstlieutenant Kähler.

Umschau in der Militär-Litteratur.

112

die neuen Gestaltungen in Kavalleriemassen, wie sie 1870 sofort angewandt wurden, der Waffe selber zum Eigentum zu machen . und Truppe waren

gänzlich

fremd

mit Form

Führer

und Zweck.

So

haben wir denn erst im letzten Kriege die Fähigkeit erlernen können , dem Geiste eines Seydlitz in zeitgemässen Formen neues Leben zu geben

und es dürfte wohl nicht der geringste Beweis für die

Tüchtigkeit der preussischen Reiterei, für die Richtigkeit der Grundsätze sein, welche bei Aufstellung und Verwendung jener Kavalleriedivisionen zur Geltung kamen ,

wenn jene sich so schnell in dieser

zurechtfand , dafs sie die Augen von ganz Europa auf sich lenkte, dafs sie ein Nachod , Tobitschau und Mars-la-Tour zu verzeichnen hat. Jedoch auch diese drei Ehrentage der preufsischen Reiterei sind für den Herrn R. V. nichts Anderes als ein „ resultatloses Bataillieren" (Nachod) , „ eine wenig aufgeklärte Affaire " (Tobitschau) *), „ ein resultatloses pêle mêle " (Mars-la-Tour) . Was im speziellen Nachod betrifft, so verweisen wir auf Nr . 61 und 52 des Militär -Wochenblattes stabschef des 5. Corps) .

von 1867 (Bericht des General-

"" In dem Augenblicke, als die österr. Bri-

gaden Rosenzweig und Solms in die Aktion eintraten, " heifst es dort, „ befanden sich 3 österreichische_Infanteriebrigaden, also wohl 21 Bataillone Infanterie bezw. Jäger

den durch die

notwendigen Deta-

chierungen noch geschwächten 7 preufsischen Bataillonen gegenüber . Dieser Übermacht gegenüber mufste die Infanterie der Avantgarde weichen , die Tête des Gros passierte eben erst Nachod , konnte somit sobald nicht herankommen. Als einzige Unterstützung der Avantgarde traf die vorbeorderte Brigade v. Wnuck 8. Dragoner, 1. reitende Batterie) ein.

( 1.

Ulanen,

Ehe noch die Brigade Solms

sich auf die zurückweichende preufsische Avantgarde werfen konnte , attackierte General v. Wnuck, brachte den ganzen Angriff zum Stehen, verschaffte der Avantgarde Luft und Zeit , wodurch es derselben ermöglicht wurde, bis zum Eintreffen des Gros auszuhalten. " Aus dem Umstande,

dafs beide Kavallerieabteilungen sich den

Sieg zuschreiben , folgert Herr R. V. , dafs es ein „ resultatloses Bataillieren" gewesen sei.

Legt man sich jedoch die bei Beurteilung

solcher Attacken einzig mafsgebenden Fragen vor : welches war der Zweck der Attacke ? und : wurde dieser Zweck erreicht? so kann der objektive Beurteiler nur sagen , dafs der Zweck der Attacke kein anderer sein konnte - ähnlich wie bei der Attacke der Brigade

*) Die hierbei gefangenen Kanoniere sollen von sich selbst gesagt haben : "Sono Italiani“.

Umschau in der Militär-Litteratur.

113

Bredow bei Mars-la-Tour -aus ihrer kritischen Lage

als die bedrängte Brigade Löwenfeld zu befreien. Dafs dieser Zweck erreicht

wurde, lehrt der Ausgang der Schlacht selbst. Weshalb die Attacke der 5. Kürassiere bei Tobitschau für den Herrn Verfasser unaufgeklärt erscheint, wissen wir nicht, uns ist sie jedenfalls klar genug , und sehen wir in dem unbemerkten Überschreiten der Blatta bei Biskupitz und der darauf folgenden Wegnahme von 18 Geschützen einen sehr gelungenen Handstreich , wie er sich einem aufmerksamen Kavallerieführer recht oft bieten kann . Auf eine Diskussion

darüber ,

es der Attacke der Brigade

ob

Bredow oder anderen Umständen zuzuschreiben ist, dafs die Offensivbewegung des französischen 6. Corps zum Stehen kam, brauchen wir uns nicht einzulassen , denn das Generalstabswerk hat sich darüber sehr deutlich ausgesprochen . Dem letzteren gegenüber

klingt

es

zum mindesten sonderbar,

wenn der Herr Verfasser ferner behauptet , dafs "" durch die Schuld der Kavallerie , die solche enorme Verpflegungsschwierigkeiten verursacht hatte ,

das mächtigste Heer der Neuzeit nach Siegen

ohne

gleichen nahe daran gewesen sei , an Überwindung der Trägheit der Masse zu erlahmen," " ,dafs dafs diese Rücksichten es jedenfalls auch waren, welche von

einer förmlichen Belagerung von Paris absehen liefsen, "

und 99 dafs auf diese Weise 150 000 Mann 6 Monate lang unthätig (!) vor Paris liegen blieben. " Ebenso auffallend ist die Behauptung S. 16 : „ Bei der III . Armee , wo man die Kavallerie mit unparteiischen Augen die Kavalleriedivisionen in der Queue. "

ansah , liefs man

Wir haben uns vergeblich

bemüht , z . B. die Kavalleriedivision Prinz Albrecht (Vater) 5. August an "9 hinten " zu finden.

vom

Bei der Betrachtung des Loire-Feldzuges und der Operationen im Norden Frankreichs macht der Herr Verfasser dann der Kavallerie Vorwürfe, dafs sie nicht während der levée en masse „ mit weit ausgreifenden Stöfsen mitten ins Herz des feindlichen Landes zwischen die Mobilmachungen

gefahren

sei " und vergifst ,

dafs der Auftrag

hierzu doch nur von der Armeeleitung aus geschehen konnte. Vollständig sind wir mit ihm einverstanden, dafs die Kavallerie noch lange nicht genug geleistet hat ,

es wäre aber geradezu ein ,,testimonium paupertatis " für die Kavallerie, wenn dieselbe sich erst jetzt, nach 10 Jahren , hierüber klar werden sollte. Gott sei Dank haben dies andere Männer auf Grund richtig dargestellter Verhältnisse bereits lange vor dem Herrn R. V. gewufst, jedoch nicht mutlos die Hände in den Schoofs gelegt und etwa die Kavallerie auf 8 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XL.

Umschau in der Militär-Litteratur.

114

ein Regiment per Kriegsdivision ,

wie

es Herr R. V. verlangt ,

zu

vermindern vorgeschlagen, sondern durch ein verbessertes Reglement, häufigere Übungen in grofsen Massen, Bewaffnung mit einer vorzüglichen Feuerwaffe und einem verbesserten Winterbeschlag die Kavalihr eigenartigen Aufgaben geeigneter gemacht. Auch wir Kavalleristen verlangen, dafs man uns dergleichen Aufgaben stellt, wie sie zum Teil der Herr Verfasser mit Recht als nicht gelöst "

lerie zu den

bezeichnet, aber nur, weil sie uns nicht gestellt wurden, wie er hinzuzufügen vergifst . Unsere Schwesterwaffe, die Infanterie, hat vor uns den ungeheueren Vorteil voraus, alljährlich im Divisionsverbande können .

zu

üben

Wie oft wird dies

den einzelnen

Kavallerie-

regimentern zu Teil ? Gestützt auf die den Ansichten

angeführten Thatsachen glauben wir , dafs es

über die Thätigkeit der Kavallerie keinen

Schaden

thut, wenn Herr R. V. auf S. 9 behauptet : „ Hat aber die Kavallerie keine Einwirkung mehr auf die die moderne Schlacht entscheidende Waffe ,

so

ist der Kampf der Kavallerie unter sich eine nutzlose

Episode", oder auf S. 7 :

,,auf den Gang der Schlacht haben der-

gleichen nebenhergeführte Kavalleriegefechte keinen gröfseren Einflußs, wie etwa eine nebenbei sich zutragende Privatrauferei ", oder S. 40 : ,,Die Kavallerie hat aufgehört eine Waffe zu sein , diejenige Armee wird in Zukunft die Ballast befreit. "

schlagfertigste sein ,

welche sich von

diesem

Zum Schlusse können wir nicht umhin, unser Bedauern darüber auszusprechen ,

dafs ein Deutscher über das , was Deutsche in dem

letzten Feldzuge geleistet haben ,

in so gehässiger Weise den Stab

bricht und nicht in objektiver Weise den Gründen für den einen oder anderen Mifserfolg nachforscht ,

sondern alle Thatsachen einfach zur

Bekräftigung seiner Behauptungen umwandelt und entstellt . Er steht bei Beurteilung

der kavalleristischen Verhältnisse

auf einem voll-

ständig unlogischen , bei der Darstellung kriegsgeschichtlicher Ereignisse auf einem vollständig unhistorischen Boden.

Die

Ehrentage

des

Königlich bayerischen 13. Infanterie-

regiments Kaiser Franz Joseph von Österreich im Feldzuge

1870-71 .

Von Adolf Hoenig ,

Hauptmann und

Compagniechef im Regimente. Mit besonderer Freude begrüfsen wir das vorliegende Werk, denn es ist neben der vor einigen Jahren erschienenen Feldzugsgeschichte des 1. bayerischen Infanterieregiments und abgesehen von den bekannten gröfseren kriegsgeschichtlichen Werken Heilmann's und Hel-

Umschau in der Militär-Litteratur.

wig's unseres Wissens das

einzigste ,

das

115

die Waffenthaten

eines

bayerischen Regimentes im deutsch-französischen Kriege zur Darstellung bringt, während bei den übrigen Kontingenten des deutschen Heeres bereits eine reiche Litteratur über diesen Gegenstand besteht. In den Reihen des stehenden Heeres befinden sich zur Zeit nur noch wenig Unteroffiziere , welche im Jahre 1870-71 persönlich an den Kriegsthaten theilgenommen haben und ihren jüngeren Kameraden, dem Mann in Reih und Glied ,

im

tagtäglichen Umgang von der grofsen Zeit

erzählen können , da sich Deutschland von Sieg zu Sieg durch die Thaten seines Volkes in Waffen zu einem mächtigen Staat emporkämpfte . Es bedarf also jetzt anderer Mittel , um bei den Truppen den Geist jener grofsen Zeit wach zu halten , es bedarf einer besonderen Geschichte ,

in welcher die Thaten des Truppenteils den

kommenden Geschlechtern

zur Belehrung und Nacheiferung durch

das gedruckte Wort vor die Augen geführt werden. Hierin besteht meines Erachtens die hohe Bedeutung der Regimentsgeschichten , und diesem Zwecke mufs sich vor allem die Darstellungsweise unterordnen . Wir haben im Laufe der Jahre in diesen Blättern auf manche Regimentsgeschichte hinweisen dürfen ,

die vortreffliches nach dieser

Richtung hin geleistet und in den für sie bestimmten Kreisen gewiſs auch segensreich gewirkt hat.

Aber selbst wenn dieser Standpunkt

nicht ganz

bleibt

festgehalten wird ,

eine Regimentsgeschichte ein

wichtiges Dokument, das den jüngeren Offizieren , die vorzugsweise berufen sind , die geistige Ausbildung der Mannschaft mittelst des theoretischen Unterrichtes und der Kapitulantenschulen zu fördern, den Stoff liefert , in einer dem Standpunkte seiner Zuhörer entsprechenden Weise durch Erzählung der Thaten des Heeres und namentlich des betreffenden Truppenteils das moralische Element zu heben, jenes Faktors , der schliesslich allein im stande ist, die Menge über alle Widerwärtigkeiten des Krieges hinwegzuhelfen . Was nun im besonderen die Ehrentage des bayerischen 13. Infanterieregiments im Feldzuge 1870-71 anbelangt, so ist deren wahrlich keine kleine Zahl und dürfte diese nur von wenigen Truppenteilen des

deutschen

Heeres

übertroffen

Schlachten hat das Regiment bezw. des 1. bayerischen Corps

werden.

In

14 Gefechten

und

ein Teil desselben im Verbande

gekämpft und hierbei

einen Verlust von

52 Offizieren und nahezu 1000 Mann erlitten ; die namhaftesten jener Kämpfe sind Beaumont , Sedan , erste Einnahme von Orleans ,

Mar-

chenoir, Coulmiers , Villepion , Loigny- Poupry , zweite Einnahme von Orleans, Meung, Beaugency und Morée. ist," so

,,Vom Rheine bis zum Loir

dürfen die bayerischen Dreizehner Alfred de Musset mit 8*

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

116

dessen eigenen Worten erwidern,

„ la

trace altière du pied de nos

chevaux marqué dans votre sang ! “ In einfacher schlichter Weise erzählt der Herr Verfasser die Thaten seines Regiments und thut dabei nennenswerter Einzelhandlungen gebührend Erwähnung. Für das allgemeine Verständnis wird auch der Verlauf des Krieges

in allgemeinen Zügen

zur Darstellung

gebracht ;

ganz genau ist die Angabe nicht, dafs in der Schlacht bei Spicheren das franz. 2. Corps durch Teile des 3. verstärkt worden sei , was in der That nicht der Fall war, und dafs sich drei Divisionen der I. Armee zum Angriff entwickelt hätten ; denn das Vorgehen der 13. Division geschah bekanntlich brannten Kampfe . General Faidherbe ,

ganz

unabhängig von

In der Schlacht bei

dem bei Spicheren entAmiens wurde

nicht der

sondern der jetzige französische Kriegsminister,

General Farre , zurückgeschlagen. In Metz verblieb nach der Kapitulation der Rhein -Armee nicht das ganze 7. Armeecorps zur Ablieferung der Kriegsgefangenen , die Besatzung ,

sondern ein Teil dieses Corps

bildete

dort

während der andere Teil zur Belagerung mehrerer

Festungen verwendet, die Gefangenenabführung aber Landwehrtruppen übertragen wurde. Gerne hätten wir die so thatenreiche Feldzugsgeschichte des bayerischen 13. Regiments, mit Rücksicht auf den wichtigen Zweck, ausführlicher und mit etwas gröfserer Wärme behandelt gesehen aber auch so wie sie ist wird sie gewifs Gutes stiften und hoffentlich im ,,Bayernland " recht bald viele Nachfolger haben .

VIII .

Verzeichnis

der bedeutenderen Aufsätze aus

anderen militärischen Zeitschriften.

(15. Mai bis 15. Juni .)

Militär-Wochenblatt ( Nr. 41–50) : Nur keine Schablone für den Exerzierplatz . Aufklärung und Sicherung. Carl v. Wnuck, Königl. preufs. Generallieutenant †. - Das moralische Element der Truppen. - Die Aufgabe der preufsischen Jägerbataillone bei Ausbildung der Corpsjäger zum Förster. - Formation , innerer Dienst

aus anderen militärischen Zeitschriften .

117

Die und Ausbildung der französischen Infanterie - Compagnie. neuesten Bestimmungen über die Ausbildung der Rekruten und das Über die Ausbildung Scheibenschiefsen in der russischen Armee. der italienischen Infanterie im Schiefsen , mit besonderer Berücksichtigung der neuen Instruktion vom Jahre 1880. - Über die Sicherung im Vormarsch.

Das verdeckte Anzeigen und das Telephon auf den Schiefsständen der Infanterie . - Die Anwendung des HeDie Beurteilung liographen während der Achal-Teke - Expedition .

der Dienstbrauchbarkeit nach dem Körpergewicht. -Zur Stiefelfrage .

Neue

militärische Blätter (Juni 1881) :

Die Reorganisation des Heerwesens in Holland, mit Berücksichtigung seines Festungssystems . - Neue Heilversuche eines alten Übels in Frankreich. Die Grenzverhältnisse zwischen Deutschland und Frankreich, mit Rücksicht auf einen event. Krieg zwischen diesen Mächten . - Grundzüge der geschichtlichen Entwickelung der Kasakenheere . Die beiden denkwürdigsten Seegefechte Über Repetiergewehre .

zur Zeit

des

amerikanischen

Krieges.

Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 36-45) : Der Ersatz des französischen Offiziercorps . - Der diesjährige Lehrkursus der Königlich bayerischen Militär- Schiefsschule im Lager Lechfeld . - Die Friedensorganisation des deutschen Reichsheeres . - Beiträge zur Geschichte des Krieges zwischen Chili und Peru. Ein Beitrag zur Zünderfrage. Einige Worte über Taktik und Strategie der Neuzeit. Noch ein paar Bemerkungen über die deutschen und französischen Eisenbahnen . - Die Verhandlungen der französischen Kavalleriekommission zu Tours .

Eine französische Ansicht über den stra-

tegischen Aufmarsch deutscher Streitkräfte an der Rheingrenze . Die Graudenzer Schiefsversuche mit schweren Geschützen . Deutsche Heeres-Zeitung (Nr. 40-47) : Die französischen Eisenbahntruppen. Die Telegraphie vom militärischen Gesichtspunkt. - Die Expedition Skobeleff's gegen die Teke-Turkmenen . - Explosionsunglück auf dem Artillerieschiff „ Mars " in Wilhelmshaven. Die Grundsätze der heutigen Befestigungskunst . - Die deutsche Militär -Versicherungsanstalt in

Hamburg.

Der Heliograph als

Kriegsmittel. Militär -Zeitung für

die

Reserve-

und Landwehr- Offiziere des

deutschen Heeres ( Nr. 21-24) : Die Kämpfe Rufslands mit den Teketurkmenen 1880/81 . -- Die Reiterei . - Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fufsartillerie . - Über die Ausbildung der Reserven und Landwehr bei den jährlichen Übungen . -Der nächste Krieg.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

118

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft V.) ; Über einige Ergebnisse der neueren Tiefseeforschungen. Die Vertikalkraftwaage . - Reisebericht des Kapitän J. H. Stege vom Schiffe ,,Pallas". Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 39 -47) : Die Verwendung der Torpedos im jüngsten Kriege Chiles gegen Peru und Bolivia. — Die Reorganisation der Geniewaffe. Ein Beitrag zur Zünderfrage . - Der Kampf der Feuerlinie im Geiste des neuen Exerzierreglements . - Die Kämpfe Rufslands mit den Teke-Turkmenen 1880-81 . - Die Unnatal- Bahn.

Österreichische Militär - Zeitung ( Nr. 38-46) : Die Erholung des Soldaten . Studie üher das K. K. Militär-Unterrichtswesen. Über Kriegserfahrung im taktischen Sinne. - Taktische Reglements und die Diskussion taktischer Fragen. - Das moralische Element der Truppen.

Feldartillerie , ihr Wert und ihr Verhältnis zur In-

fanterie. - Formation , innerer Dienst und Ausbildung der französischen Infanterie-Compagnie. - Das Infanteriefeuer im Festungskriege. Die Adjustierung der Armee vom taktischen Standpunkte. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens (4. Heft): Bericht der höheren Kommission über den Bruch der gufsstählernen beringten 45 cm Kanone des „ Duilio “ . - Explosivstoffe und Sicherheitspolizei .

Journal des sciences militaires ( Mai 1881) : Aufklärungstaktik. Studie über die Grundlagen eines neuen Reglements über den Dienst in Festungen . - Die Befestigungen in der Schweiz. - Die Rolle der Befestigung im letzten Orientkriege . Die rationelle Ernährung des Truppenpferdes. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 20-24) : Der neue Krieg in Afghanistan . - Abhandlung über theoretische und praktische Elektricität. Die Lage der Kriegsflotten der vornehmsten Seemächte 1880. - Einige Bemerkungen über Transvaal. - Der Winteroder Eisbeschlag in Europa. - Das Seekriegsspiel und die Kaiserlich technische Gesellschaft in Rufsland . - Studie über die deutsche Artillerie.

Das Generalstabscorps in den verschiedenen Staaten von Europa. - Die Entwickelung in zerstreuter Gefechtsordnung. - Die Einnahme von Geok-Tepe. L'armee française ( Nr. 512-526) : Die Militärkonferenzen von Tours . Die militärischen Operationen in Tunis . Die Armee, die Kirche und die Schule. Aufklärungs- und Sicherheitsdienst. Die Rekrutierung im Jahre 1880. Das Avancementsgesetz .

aus anderen militärischen Zeitschriften.

119

Le progrès militaire ( Nr. 55-64) : Die Kavalleriemanöver. Das Avancementsgesetz . - Die Tirailleurs und die Spahis in Tunis . Die Intendanz im Jahre 1859 und 1881. - Die Schlacht von Chellala. Die Subordination der Infanterie . Der dreijährige

Dienst . —

Die Brigademanöver mit Cadres .

La France militaire ( Nr. 20) : cadres . - Der Gebirgskrieg.

Die

Manöver mit Kavallerie-

Revue d'Artillerie ( Mai 1881) : Studie über die Artillerie . Praktische Arbeiten des Geniecorps am Guadalajara. - Versuche mit Perkussionszündern in Italien .

Revue maritime et coloniale (Mai 1881) : Mondentfernungen. Studie über die Kolonie von Martinique . ― Studie über die Schiffstaktik. - Die Königl. Marine-Akademie von 1775-1775. - (Juni 1881) : Dictionair der österr. gepanzerten Marine. ______ Der Admiral Duperré und die Expedition von Algier. Russischer Invalide ( Nr. 92-119) : Über den Artikel Tschebyschew's , bezüglich der vorteilhaftesten Formation zum Angriff. - Die Schriften Dragomirow's als Buch. Wajenny Sbornik (Juni-Heft) : Die Reiterei jenseits des Wid. Materialien zur Darstellung der Operationen des RustschukdetacheBemerkungen über die Führung von Compaments 1877-78. gnieen und Eskadrons . ― Bemerkung über die Reservebataillone. Militärisch-statistische Übersicht der Kasakentruppen . -

Die 3. Gardedivision 1877/78 . Die 4. Schützenbrigade jenseits der Donau . Erinnerungen an die Thätigkeit der Artillerie bei Rustschuk und Plewna . Russisches Artillerie-Journal ( Mai-Heft) : Beschreibung der dreiDer Schipkapafs. Eine Vorrichtung zölligen Leuchtraketen. -

zur Ausbildung im Richten . Russisches Ingenieur-Journal ( Mai- Heft) : Beschreibung des Dniesterflusses und seines Gebietes. Auszüge aus Briefen vom Kriegstheater in der asiatischen Türkei 1877–78 . Rivista militare italiana ( Mai 1881) : Kartuschen und Werkzeuge für Trancheen. __ Studie über Militäreisenbahnen . — Die militärische Disziplin bei den heutigen Armeeen. - Die Infanterie in der Schlacht. Die Küstenverteidigung. - Neuer Vorschlag zur Befestigung des Schweizer Territoriums. L'Esercito italiano ( Nr. 57-68 ) : Die Offiziere der TerritorialDie Genietruppe. miliz. - Die Operationen in der Lomellina . Militärische JurispruDie Unteroffiziere des französischen Heeres . -Die Instruktionslager. denz . Die Militärjustiz im Jahre 1881 .

120 -

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

Die Territorialmiliz. -

Die kommandierenden Generale . -

Unsere

Kavallerie. Giornale di Artiglieria e genio ( Heft 3) : Die modernen Löschapparate bei Bränden . - Das französische Artilleriematerial von

1870-1880.

Bericht über die Militärtelegraphie .

Rivista marittima (Juni- Heft) : Betrachtungen über die Schiffstaktik. Über die beste Marsch- und Gefechtsordnung mit den gegenwärtigen Waffen . Army and Navy Gazette ( Nr. 1112–1116 ) : Das Unglück auf dem Deterel. - Die Belagerung von Stauderton . - Das Territorialregiment Blunder. - Unsere Freiwilligenmacht. Das Unglück auf

dem Majuba- Hügel .

Die Ausbildung der Infanterie für die Schlacht.

Army and Navy Journal ( Nr. 923-927) : Der Seeadmiral. — Kavallerie- und Infanterieschule. Zwei amerikanische Soldaten. The United Service (Juni 1881) : Über Infanterie . ---- Die österr. Artillerie . -

Die militärische Ohnmacht

Grofsbrittanniens.

Die

Konstruktion der Schiffe, welche für die Marine angenommen sind. Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung ( Nr. 21-24) : Die Über die Unteroffizierfrage in militärischen Operationen in Tunis. der schweizerischen Armee. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 5 ) : Über Aufgaben der Waffenkonstruktionslehre. - Über Organisation der Gebirgsartillerie . - Die Schule für unterseeisches Minenwesen

die

in Willets Point. Revue militaire suisse ( Nr. 10 u. 11) : Instruktion über den Felddienst der Schweizertruppen . - Die Kriege in Afrika . Die Befestigungsfrage. De militare Spectator ( Nr. 6) : Die Verbindung von Amsterdam Über Spermit dem Rheine vom Standpunkt der Verteidigung. Normalbatterieen Verteidigung Festungen Über bei von forts. . Einige Artikel über die Rechtspflege beim Landheere . Militaert Tidskrift (4. Heft): Die Kriegstelegraphie.

-

Das

Massenfeuer auf grofse Entfernungen. Die flüchtige Feldbefestigung mit dem Infanteriespaten . - Das italienische Befestigungswesen . Kongl. Krigsvetenskaps - Akademiens - Handlingar : Über die Gefechtsformen der Infanterie . - Die Ausbildung der Infanterie im Scheibenschiefsen bei den europäischen Heeren .

Jahresbericht über

die Veränderungen in der Befestigungskunst. Revista cientifico militar (Nr. 6-9) : Die Miliz und der Pedro Calderon de la Barca. ------- Die Eroberung von Toledo am 25. Mai 1085. - Über Märsche .

121

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.

La illustracion militar ( Nr. 8) : Studie über den Krieg und seine Mittel. - Die flämischen Regimenter 1534-1700 . Der Feldzug gegen Tunis. Die Belagerung von Cherona im Jahre 1808. Die Militär-Taubenpost. -- Das spanische Pferd. Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 10 u . 11 ) : Die militärischen Rayons. - Das militärische Fuhrwesen . Revista militar ( Nr. 9 u. 10) : Über Artillerie. - Das Heer eine Schule des Gehorsams . Der indirekte Schufs der Artillerie. Der tunesische Konflikt. - Die theoretische Instruktion.

IX .

Verzeichnis

der bei

der

Redaktion eingegan-

genen neu erschienenen Bücher u.

s.

w.

(15. Mai bis 15. Juni .)

Böcker , Ewald : Burggraf Friedrich. Schauspiel in neun Aufzügen. Nebst einem Nachwort und zwei Prologen. - Frankfurt am Main 1881. C. Könitzer. 8º. - 159 S. Bollinger ,

E. ,

eidg.

Oberst ,

Kreisinstrukteur der VI.

Division :

Militärgeographie der Schweiz . Zürich 1881. Orell Füfsli kl. 8°. u. Comp . 122 S. Preis 2,40 Mark. Comas ,

D. Carlos Banus y ,

capitan de ingenieros y profesor de

la academia del cuerpo : Estudios de arte é historia militar. Red. Primera parte : Politica de la guerra. Barcelona 1881 . de la revista cientif. militar. — 8º. - 425 S. Hoenig, Adolph, Hauptmann und Compagniechef : Die Ehrentage des Königlich bayer. 13. Infanterie - Regiments Kaiser Franz Josef von Österreich im Feldzuge 1870-71 . Mit 3 Plänen. Berlin 1881. E. S. Mittler u . Sohn . - 80. -- 84 S. Preis 2 Mark. Hoffmann, L. , Oberstabsarzt : Tierpsychologie. Schickhardt u. Ebner. - 8º. - 130 S.

Stuttgart 1881 .

Le Faure , M. Amédée , Deputé de la Creuse : Dictionnaire militaire. 1. Livraison . A - Art. Paris 1831. Berger - Levrault et Cp. - 8º. - - 160 S. - 3,36 Mark.

122

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.

Notizbuch a. Elbe .

für Offiziere

der Armee und Marine . Th . Lehmann u. Co. - Preis 1,00 Mark .

Prettin

Pedraza , D. Pedro ... y Cabera y D. Carlos Banus y Comas , capitanes de ingenieros : El terreno y la guerra. Barcelona 1881. Red. de la revista cientifico militar. - 8º. - 512 S. Russischen Sprache , Kleines Handbuch der . den Gebrauch in der deutschen Armee bestimmt. A. Goldschmidt. - kl. 8º. - 101 S.

• speziell für

Berlin 1881 .

W., E. v.: Barbara - Taschenbuch zum Gebrauch in FeldartillerieRegimentern und Gebirgsbatterieen. Zweite verbesserte Auflage Wien 1881. mit 43 in den Text gedruckten Zeichnungen. L. W. Seidel u. Sohn. --- kl . 8º.- 100 S.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.

X.

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der

Infanterie in ihrer Bedeutung für

die Gegenwart.

Von E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Es wird sich empfehlen , vorerst den Anteil auszuscheiden, welchen die anderen Waffen am Erfolg hatten . Denn an diesen war gerade der preufsische Angriffsflügel besonders reich dotiert, es war ihm meistens eine erhebliche Anzahl schwerer Geschütze und der gröfsere Teil der gesamten Kavallerie

zugewiesen.

Bei Beginn des

Gefechts ging diese grofse Kavalleriemasse gegen die den feindlichen Flügel deckende Kavallerie vor, warf sie und postierte sich nun selbst so vor dem Flügel der eigenen Infanterie, dafs sie ebensosehr diesen deckte ,

als

den

feindlichen

in Flanke

und Rücken bedrohte .

So

diente schon das Vorgehen der Kavallerie dazu , dem preufsischen Angriffsflügel das Gefühl der Sicherheit , dem feindlichen Flügel das der Unbehaglichkeit zu verursachen.

Die Perspektive, im Falle der

Niederlage nun von dieser Reitermasse überfallen zu werden, mochte beim Feinde keinen anderen als einen entmutigenden Eindruck hervorbringen . So hatte denn in manchen Schlachten die Kavallerie der Infanterie redlich vorgearbeitet , indem ihr erster Erfolg und ihre Anwesenheit zum mindesten das moralische Moment zu Gunsten des Angreifers gestaltete . Die ganz hervorragende Kampfestüchtigkeit der preussischen 9 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

124 Kavallerie ,

die

hierbei natürlich sehr in die Wagschale fällt , liegt

aufserhalb der Gegenstände

dieser Erörterung.

Immerhin

mag

es

aber nützlich sein , gelegentlich darauf hinzuweisen, dafs eine derartige Unterstützung des Flügelangriffs durch grofse Reitermassen , welche die feindliche Kavallerie hinwegfegen, durchaus nicht gerade von der Linearität der Taktik abhängig ist. gehens ist zwar bei

Der Eindruck eines solchen Vor-

der linearen Gestalt der Schlachtordnung ganz

besonders ausgiebig zu denken , wird jedoch auch der Tiefengliederung gegenüber nie ausbleiben , gerade weil es ein vorwiegend moralischer Eindruck ist.

Weit weniger prägnant spricht sich die Mitwirkung der Artillerie an dieser Waffe wenig zugethan , sah der König sich erst durch die Erfahrung genötigt , derselben etwas mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Namentlich war es aber die successive

aus .

Von Anfang

Verschlechterung der Infanterie , welche die Artillerie an Zahl und Bedeutung steigerte, ein Hinweis darauf, dafs die Infanterie in der guten Qualität, wie sie sich zu Anfang des 7jährigen Krieges befand, der Unterstützung der Artillerie entraten konnte , weil sie gröſsere Kraft in sich selbst fühlte. Die Verwendung der Geschützwirkung ward aber dann als mehr in Richtung jener Verstärkung des Infanteriefeuers, als der einer Erschütterung angewendet. Die Vollkugelwirkung auf gröfsere Entfernungen war nicht ausgiebig genug , auf den näheren Distancen, auf welche jedoch nur die leichten Regimentsgeschütze , weniger oft die schwereren Batteriegeschütze gelangten, wurde vorwiegend der Kartätschschufs angewendet. Man kann sonach sagen, dafs die Infanterie seitens der Kavallerie hauptsächlich durch moralischen Eindruck, seitens der Artillerie durch einige Feuerverstärkung unterstützt worden ist.

Aber eigentlich hatte

sie die ganze Arbeit des entscheidenden Kampfes Feuervorbereitung

einschliesslich der

zu verrichten gehabt und dies mitunter auch in

Verhältnissen, welche die Mitwirkung der anderen Waffen beschränkten oder aufhoben. Die prinzipale Waffe der fridericianischen Feuer ,

Infanterie war das

auf dessen gröfstmögliche Entfaltung und Ausnutzung die

ganze preussische Organisation schon vor Friedrich dem Grofsen konsequent und energisch zugestrebt hatte.

Sie war damit ganz in dem

Zuge der bisherigen Entwickelung geblieben, nur war sie darin weiter vorwärts gekommen, weil es ihr gelang, viele der Hindernisse, welche der vollen Herrschaft des Infanteriefeuers sich entgegengestellt hatten, zu beseitigen. Die qualitative Leistung des Gewehres hatte dabei keine erheb-

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. liche Steigerung gewonnen ,

125

wohl aber hatten mehrfache technische

Verbesserungen bewirkt, in Beziehung auf Feuergeschwindigkeit höheres anzustreben. Hierzu zählen die eisernen Ladestöcke , deren. Einführung alle die Inkonvenienzen und Zeitversäumnisse beseitigte, welche durch das Zerbrechen der bisherigen hölzernen oftmals entstanden ; dazu auch die Erleichterung des Gewehres durch Verkürzung des Laufes und Minderung des Beschlages ; dazu die konischen Zündlöcher, welche das Aufschütten von Pulver auf die Pfanne ersparte ; dazu die Anbringung der Lederumfassung des Laufes , die bei dessen Erhitzung die Hand schützte ; dazu endlich die durch anderweitige Organisation des Gepäckes (Wegfall des Degens, der Schweinsfeder ,

der Zelte)

ermöglichte

( 60 Patronen in der Tasche) .

Erhöhung

der Munitionsausrüstung

Soweit also waren alle technischen

Voraussetzungen für ein schnelles Feuern in dem Maſse gegeben, in welchem dies der Vorderlader mit dem Steinschlofs überhaupt zuliefs . Diesem Ziele thatsächlich näher zu kommen , ganze Ausbildung mitgeholfen .

hatte

auch die

Sie hatte es bewirkt, dafs die zahl-

reichen und mitunter komplizierten Ladebewegungen von ganzen Bataillonen mit Schnelligkeit und Präzision ausgeführt wurden und die Infanterie auf dem Exerzierplatze 5-6 , im Gefechte 3 mal in der Minute zu laden vermochte ; eine Leistung , die um so grösser erscheint ,

als

es ja darauf ankam , dafs

gleichzeitig gemacht wurden.

sämtliche Griffe von Allen

Was also die Technik zu bieten noch

nicht im stande war, vermochte eine sorgfältige, gründliche und energische Ausbildungsmethode zu ersetzen. Die fridericianische Infanterietaktik erweist sich somit entschieden als Schnellfeuertaktik . Hierin nun wurde sie noch unterstützt durch die Dotierung der Bataillone mit je 2-3 Geschützen leichten Kalibers , die von Infanteristen bedient, im Gefechte auch gezogen wurden und deren gesamte Taktik und Aufgabe darin bestand, sich stets 50 Schritt vor dem vorrückenden Bataillon zu halten und von 350 Schritt vom Feinde ab während der Vorbewegung möglichst schnell mit Kartätschen zu schiefsen. Die ausschliefsliche Verwendung dieser Schufsart sowie die ganze Taktik dieser Regimentsgeschütze berechtigten sie dazu , sie mehr der Infanterie als der Artillerie zuzuzählen und - in heutiger Zeit

sie mehr zu den Mitrailleusen- als den Kanonenbatte-

rieen in Analogie zu setzen , weil sie nicht das Zielobjekt des Vormarsches zu erschüttern, sondern nur das Massenfeuer der Infanterie noch zu vermehren im stande waren.

Auch für die übrige Artillerie 9*

126

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

wurde die Kartätsche als vorwiegende Schufsart , die gröfste Feuergeschwindigkeit als Ziel der Ausbildung betrachtet. Diesem Streben nach Massenfeuer verschaffen ,

die volle Verwirklichung zu

arbeitete endlich noch die Formenbildung mit.

In dem

Streben , möglichst viele Feuergewehre in Thätigkeit zu bringen, wurde die Rangierung der Infanterie von 4 auf 3 Glieder verflacht. Das erste Treffen wurde einziges und Haupttreffen , das zweite ganz bedeutend schwächer gehalten und lediglich zum Soutien des ersten für Schliefsung von Lücken , Ersatz von Verlusten bestimmt. die Reserve ,

wenn

Auch

eine solche überhaupt bestand , diente nur dem

ersten Treffen insofern, als sie nicht für den Entscheidungsstofs, sondern nur dazu bestimmt war , aufzunehmen.

das erste Treffen zu verlängern oder

Zwar wurde hierdurch die ganze frontale Kraft der

Schlachtordnung auf die einer dreigliedrigen Linie reduziert , aber diese hatte in ihrer höheren Feuerkraft und durch feste Geschlossenheit hier wiederum soviel an Stärke gewonnen , dafs ihr Stofs- und Widerstandsvermögen sich stets genügend erwies, wo nicht entweder das Feuer oder

die Geschlossenheit den Dienst versagte.

Flanke deckte die Kavallerie ,

In der

deren höchstes Gebot war, sich nicht

attackieren zu lassen, und aufserdem der durch Bataillone, welche den Zwischenraum zwischen den Treffen abschlossen, bewirkte Schutz . Zur Lösung aber des wichtigen Problems ,

das Feuer mit der

Vorbewegung zu verbinden, war der Infanterie ebenso das Motiv, wie die Fähigkeit zu eigen gemacht worden.

Es wäre die Gefahr, in die

Passivität geworfen zu werden, gerade durch diese grofse Entfaltung der Feuerkraft der Infanterie näher gerückt gewesen. Aber der Charakter der Offensive, welche Leopold von Dessau und König Friedrich innewohnte ,

drängt von

selbst danach ,

das Vorwärtsgehen der In-

fanterie

zum höchsten Gebote

auch selbst ihrer Feuerleistung zu

machen.

Das Reglement von 1743 bezeichnet das Bajonett, d. h . den

letzten Anlauf als die ultima ratio in jenen Fällen, wo das Feuer allein nicht ausgereicht haben sollte , und verlangt von der Infanterie , daſs sie ihr Feuer bis auf die kürzeste Distanz an den Gegner herantrage . Das Bajonett, das die preufsische Infanterie stets auf dem Gewehre trug, gemahnte sie daran, dafs der Lohn für die Feuerleistung nach vorwärts liege, und dafs auch der Feuereffekt um so kräftiger werde, je näher er der Wirkungssphäre des Bajonettes liegt. Diese

Erwägung hätte

Kolonne hinweisen können ,

ebenso

sehr auf die Anwendung der

wie sie dies gleichzeitig in Frankreich,

wenn auch vorerst nur bei einigen Kriegstheoretikern gethan hat. Allein das Feuer

der Infanterie war als

ein

so prädominierender

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Faktor anzusehen ,

dafs

127

man um seinetwillen auf die Kolonne und

die von ihr gebotenen Vorteile, die gerade einem historisch so durchgebildeten Feldherrn und Organisator, wie Friedrich der Grofse war, sicher nicht verborgen geblieben sind, zu verzichten . Wenigstens war. es so im Bereiche des Kampfes , der in dem Augenblick als betreten erachtet werden konnte, in welchem die aufmarschierte Armee sich in Bewegung gegen den Feind setzte. Auf die Beweglichkeit der Kolonne mufste eben von da zum Teil verzichtet , für die Führbarkeit derselben in anderer Weise Ersatz geschaffen werden.

Letzteres bewirkte die Geschlossenheit der ganzen Linie, die in ihrer Gesamtheit eine einzige Form war, welche vollständig unter der Herrschaft nicht nur, sondern auch unter der Aufsicht des Königlichen Führers stand, der nun seinerseits diese Aufsicht ausübte durch . eine weitgehende Gliederung, eine Gliederung aber, die ganz im Sinne ihrer Bestimmung nicht eine war für selbständiges Handeln der Teile, sondern nur für eine bis ins kleinste verzweigte Kontrolle. Dieser Absicht dienen also die Flügel , die Treffen , die Brigaden , die Regimenter ,

die Bataillone und Pelotons, es sind Unterabteilungen für

die Aufsicht und Wirkungskreise für den persönlichen Einfluss der Unterführer . Um diese Linie unter

einem

steten Feuer auch wirklich vor-

wärts zu bringen , war das einzige Mittel eine successive Vorwärtsbewegung, bei welcher einzelne Teile durch ihr Feuer das Vorgehen der anderen deckten. Diese in ihrem Prinzipe wohl einzig mögliche Verfahrungsweise hätte nun wieder dazu führen können , daſs die einzelnen Teile der Schlachtlinie sich zum Feuern und Vorbewegen von einander ablösten , und hätte dadurch zum Ausgangspunkte dafür werden können , die einzelnen Heeresteile taktisch selbständiger zu verwenden.

Aber die Thatsache ,

dafs das Feuergewehr der Infanterie

selbst bei der vollendetsten Detailausbildung noch lange nicht vermochte , einzelne weiter vorgehende Abteilungen ganz selbständig zu machen, und die ebenso noch nicht bedeutende Feuergeschwindigkeit verboten es, die einzelnen Glieder für das Vorgehen grofs anzunehmen und weit vorgehen zu lassen.

Ersteres

hätte

die Kontinuität der

Schlachtlinie und des Feuers zu sehr gestört, letzteres die vorgeschobene Abteilung zu sehr gefährdet. Aus diesen Erwägungen erklärt sich denn zur Genüge das sonderbar scheinende Verfahren der preuſsischen Infanterie , wonach bataillonsweise mit Pelotons derart vorgerückt dafs , während das Ganze in langsamem Schritte vorrückte , die zum Feuern bestimmten Pelotons mit drei grofsen und raschen Schritten vor die Front heraustraten , ihre Salve abgaben und dann

wurde ,

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

128

sich mit dem unterdessen nachgekommenen Ganzen vereinigten. Es war dies eben nichts Anderes als der kleine Bruchteil, der von unserem sprungweisen Vorgehen in der fridericianischen Zeit möglich war. Auf solche Art war ein ununterbrochenes Feuer während des Vorrückens möglich ,

allerdings

aber wieder nur in der Form der

Salve , welche für die damalige Leistung des Gewehres ebenso notwendig wie durch die Starrheit der Form möglich gewesen ist. Und trotzdem degenerierte auch da in den letzten Momenten des Kampfes das Feuer in ein ungeordnetes Einzelfeuer, in welchem jeder schofs, der konnte und so schnell er konnte. Büfste man auf solche Weise durch die Linie an Beweglichkeit ein, so war doch durch das stärkere Feuer ein mehr als ausreichendes Äquivalent geboten. Ferner aber konnte die Evolutionsfähigkeit um so weniger in Betracht kommen , als in der fridericianischen Schlachtenführung von dem Augenblicke an , wo das Ganze sich zur Linie formierte, das Angriffsobjekt und die Richtung des Vormarsches ganz bestimmt und das Vorrücken im ganzen nur ein frontales war. Dafs dann diese Front im weiteren Verlaufe auf die feindliche Flanke kam, hat mit der Gefechtsform der Infanterie nichts zu thun.

Diese

sorgte lediglich dafür, dafs jedes Bataillon stetig, in gutem Zusammenhang mit dem Ganzen in der einmal gegebenen Richtung vorrückte und durch sein Feuer wie durch seine Entschlossenheit erforderlichenfalls das Bajonett zu gebrauchen , überstehenden Feindes brach.

die Willenskraft des ihm gegen-

Wenn nun der Gebrauch der Linie, als die Form der absoluten Herrschaft des Feuers , mochte ,

in der That jene Aufgabe zu erfüllen ver-

so geschah dies jedoch lediglich unter Zuhülfenahme einer

Detailausbildung und

einer Erziehung , die

damals in Preufsen so

ziemlich allein die Grundbedingungen ihrer Verwirklichung fand. Sie allein ermöglichte es, ein taktisches Gebilde von einer solchen Künstlichkeit in das Gebiet des praktischen Gebrauches , der nur das Einfache zu gestatten pflegt, überzuführen.

Diese Künstlichkeit war kein

absolutes und untrennbares Axiom der Linie, sie war es nur zu jener Zeit, wo die Taktik mit ihren Formen der Leistung der Kampfmittel um ein Jahrhundert vorauseilte . Diese Anomalie konnte nicht umhin, wieder eine Anomalie zu erzeugen , und wenn sich gleichwohl sogar damals

die Linienform im Gefechte

als brauchbar erprobte,

so ist

dies eine Leistung menschlicher Konsequenz und zielbewufster Klarheit, welche alle Bewunderung verdient und deutlich zeigt, wie weit sich eine Sache, ihrer eigenen Natur entgegen, erzwingen lässt, wenn dies nurmit klarer Erkenntnis und in vollkommener Folgerichtigkeit geschieht.

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

129

Es ist darum auch sehr begreiflich , dafs mit der Linienform nicht überall und nicht zu allen Zeiten das Gleiche erreicht worden ist, weil eben nicht immer und allenthalben die Bedingungen dafür erfüllt waren . Es war ebendann wohl unausweichlich , dafs man die schwierige Lenkbarkeit der Linienform zu verspüren bekam und dies umsomehr , je mehr die Armeeen an Zahl wuchsen und je weniger man vermochte , den Nachteil mangelnder Evolutionsfähigkeit durch eine stärkere frontale Entscheidungskraft wieder auszugleichen. war natürlicher ,

Was

als dafs man nach anderen Formen suchte , welche

sowohl Evolutionsfähigkeit als

auch Stofskraft besaſsen , wenngleich

sie die letztere um die Preisgebung eines Teiles ihrer Feuerleistung erkaufen mussten ? Diese Erwägungen hatten schon frühzeitig

in Frankreich

die

Erinnerung an die Kolonne wiedergeweckt. Die Ansicht von der Unnatürlichkeit der reinen Feuertaktik in der damaligen Zeit hatten schon Moritz von Sachsen und Folard veranlafst , als Gefechtsformen in Vorschlag zu bringen.

gewisse Kolonnen

Die damit verbundene

Absicht der Wiedereinführung der Pike zeigt , wie sehr der Wunsch bestand, die verlorene Stofskraft durch die Form wieder da zu erreichen , wo die Feuerleistung nicht das Meiste zu thun vermochte Allein die Notwendigkeit des Infanteriefeuers war doch

schon

damals ein Axiom von solcher Kraft, dafs jene Vorschläge über innere blos akademische Bedeutung nicht hinaus gelangten.

Sie blieben rein

theoretische Betrachtungen, die einen praktischen Wert erst in späterer Zeit und auch da nur insofern erhielten, als man sich bei der wirklichen Wiedereinführung der Kolonne

daran erinnerte ,

dafs

schon

früher bedeutende Kriegstheoretiker ihr das Wort geredet hätten. Mehr Erfolg hatte schon Mesnil Durand, der Folard's und Moritz' von Sachsen Vorschläge Mitte des 18. Jahrhunderts weiter ausbildete. Er ging diesen schon

dadurch voran ,

als er ganz davon absah, die

Pike wieder einzubürgern, sondern die Flinte als alleinige Infanteriewaffe zu grunde legte.

Hierdurch und

durch den glücklichen Griff,

den Mesnil Durand dadurch machte, dafs er inmitten der grofsen und oft überschwenglichen Anbetung als die französische

anpries

der preufsischen Taktik die seine

und dabei das Nationalitätsgefühl auf

seine Seite zog , erreichte er , dafs infolge der grofsen , zu seinen Gunsten entstandenen Agitation sein System zum Gegenstand von Versuchen gemacht wurde , welche zum Zwecke hatten, die praktische Verwendbarkeit beider Arten von Formen zu erproben. Allein auch damals blieb der Versuch ohne Resultat.

Die Übungen

vermochten die Überlegenheit oder doch die Vorzüge der Kolonnen-

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

130

taktik nicht in solchem Mafse darzulegen , dafs hierdurch die Anhänglichkeit an das Hergebrachte , praktisch Erprobte und durch den Vorgang des ersten Militärstaates Gestützte zu besiegen. Es blieb bei der Lineartaktik und das Reglement der französischen Infanterie von 1792 brachte dies auch durchweg treu zum Ausdrucke .

Dafs das-

selbe gleichwohl auch die Kolonne aufnahm , geschah so nebensächlich und unvermittelt ,

dafs es fast nur wie eine Konzession an die

Bemühungen Mesnil-Durands und den von ihm angerufenen nationalen Geist aussieht. Aber was die theoretische Erwägung nicht vermochte, das leistete in einem riesigen Mafse jener gewaltige Umsturz in den bestimmenden Umständen, welche die französische Revolution mit sich brachte. Die hierin hervorgebrachten Änderungen grofse Massen , Autorität.

geringe Ausrüstung

sind in

Kürze benannt :

und Zerstörung aller höheren

Die grofsen Massen wurden notwendig durch die Gefahr, welcher die Koalitionen

mit

das junge Dasein der Republik bedrohten,

durch die Vervielfachung der Kriegsschauplätze ,

durch die grofsen

Abgänge durch Krankheit , Mifswirtschaft und Desertion , endlich als Äquivalent für den Mangel an Ausbildung.

Die letztere hatte ihre

Ursache in dem Widerwillen gegen die bisherige

militärische Zucht,

in der überhaupt auf Schrankenlosigkeit gerichteten Tendenz der ganzen Bewegung, in der Vertreibung oder Beseitigung des gröfsten Teils der bisherigen Offiziere, in der Massenhaftigkeit und Eile, mit welcher die Neuformationen aufgestellt und zur Verwendung gebracht wurden. Die Zerstörung aller höheren Autorität aber war der Grundzug der Revolution , scheuten , greifen ,

und wie die Leiter derselben sich nicht

sich an der geheiligten Person

so wachten sie auch

des

Monarchen

ängstlich darüber ,

zu ver-

dafs ja nicht ein-

zelne Persönlichkeiten in der grofsen Masse zu einem allzumächtigen Einflusse gelangten .

Der Offizier hatte wenig

andere Macht über

seine Untergebenen als die, welche ihm seine persönlichen Eigenschaften verliehen, und selbst um diese mufste zumal der höhere Führer mit der Eifersucht und dem Mifstrauen der Machthaber , die auch vor der Aufhetzung der Soldaten gegen die Offiziere nicht zurückschreckten, oft genug ringen . Unter solchen Umständen war es wohl unmöglich , Taktik zu bedienen ,

sich einer

deren unerlässliche Vorbedingungen gerade das

Gegenteil von dem waren, was geboten war : kleine Heere , vorzügliche Ausbildung , vollkommenste Disziplin. Wenn man einer Infanterie , wie

jene der

französischen Revolution ,

das

Reglement

mit

der

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

131

Lineartaktik in die Hand gab, so war unschwer vorauszusehen, dafs entweder die Infanterie oder das Reglement in die Brüche gehen müsse. Diese Frage, deren Lösung sich anfänglich sehr der ersten Alternative zuneigte, entschied sich endlich, hauptsächlich infolge der riesigen Energie

des Wohlfahrtsausschusses ,

definitiv für die zweite .

Aber auch dies ging nicht mit einem Male , beinahe zufällig vor sich , wickelung . Das erste war ,

ganz in

sondern successive und

dem Gange allmählicher Ent-

dafs die Linie im Vorgehen ihren Zusammen-

hang verlor und aus einer geschlossenen zu einer Schwarmlinie wurde , die sich nur je nach dem Umstande, den sie vor sich fand, oder nach der Deckung oder Bewegungsfähigkeit ,

die ihr das Innere bot, hier

in dichten Schwärmen oder Klumpen zusammenballte , dort verdünnte . So ging das erste Treffen an die begann nun ,

feindliche Aufstellung heran und

auf gehörige Distanz angelangt , ein unablässiges aber

regelloses Feuer. Die Bataillone des zweiten Treffens , durch den Vormarsch ebenso in die Schwarmform geraten, doublierten ein, verstärkten das Feuer ,

bis

endlich die ganze ,

nunmehr ein einziges

Schwarmtreffen bildende Masse, entweder von dem Beispiele einzelner Führer hingerissen , oder dem davonlief.

vorwärts stürmte ,

feindlichen

Gegenstofse

Dies ist die Infanterietaktik ,

oder dem feindlichen Feuer

unterliegend ,

ebenso

regellos

mit welcher die Revolutionsheere

bis zum Jahre 1794 vollständig und ausschliesslich ihre Schlachten kämpfte, und welche mit jener nicht verwechselt werden darf, welche in der späteren Zeit mehr geschaffen wurde, als sich gestaltete.

Jene

war rein naturalistisch, eine Übersetzung der Lineartaktik ins Formlose. Dafs gleichwohl der taktische Erfolg nicht selten

der französi-

schen Infanterie zufiel , hatte seinen Grund nicht nur in der behutsamen , methodischen Kriegführung , die gegenüber der stürmischen und kunstlosen Strategie der Revolutionsheere oft das Konzept verlor, sondern auch in der Gefechtsform. Denn diese machte die Truppe vom Terrain unabhängiger , so dafs mancher Punkt , der nach bisherigen Ansichten unangreifbar zu sein oder einen Schutz zu bieten schien , nunmehr angreifbar oder gar zu einer Gefahr wurde. Die ungleiche Zusammensetzung der Schwärme verursachte ,

dafs , wenn dieselben auch an vielen Punkten aufgehalten oder abgewiesen wurden , die dichteren Teile an einzelnen Stellen der feindlichen. Linie durchdrangen. so

reichte das

Schaden gut

zu

War aber die feindliche Linie durchbrochen ,

zweite Treffen in der Regel nicht mehr hin , den machen ; das durchbrochene erste Treffen war

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

132 damit

aus

so schwach ,

seiner ganzen Natur

hinausgeworfen ,

es

wurde

nun

als es vorher stark gewesen war und die Verwirrung,

die der lokale Durchbruch erzeugte, ermöglichte es bald auch anderen Teilen der französischen Schwarmlinie in die feindliche Stellung einzudringen. Es war eben wieder eine neue Erscheinung der alten , von Friedrich dem Grofsen mit solcher Virtuosität benutzten Thatsache, dafs die frontale Überwindung eines für die Widerstandsfähigkeit der feindlichen Aufstellung entscheidenden Punktes den Sieg über des Ganze zur Folge haben könne , wobei sich nur noch ergab, dafs dieser entscheidende Punkt nicht gerade auf einem Flügel zu liegen brauche, wofern nur die Art der feindlichen Stellung gestattete, auch von einem anderen Punkte aus auf sie diejenigen Einwirkungen auszuüben, welche auf der Flanke soviel Erfolg erzielen können. Dagegen erwies die Ungebundenheit der Form auch ihre Nachteile in reichem Maſse. An Lenksamkeit im grofsen hatte sie vor der reinen Linienform nichts voraus , die Angriffe erfolgten durchweg ein Manövrieren mit der aufmarschierten Armee auf dem Schlachtfelde fand nicht statt und war um so weniger möglich , als

frontal ,

dies gerade der Mangel

an Führung im Innern in einem mit der

Gröfse der Armeeen steigenden Mafse verhinderte. Dieser Mangel fand einen Ausdruck in den massenhaften Desertionen , welche jede , selbst glückliche Schlacht begleiteten , und welche die Armeeen der Republik in noch weit höherem Grade schwächte , als dies die Gefechtsverluste , Entbehrungen und Krankheiten thaten. Die Armeeen würden schon sehr bald auf schwache Cadres reduziert gewesen sein , wenn die politischen Leiter es nicht vermocht hätten, durch eine gewaltsame Ein- und gewaltthätige Durchführung der Konskription eine unerschöpfliche Quelle von Ersatz zu eröffnen. In Beziehung auf Feuereffekt zeigen

die Schlachten jener Zeit

keinen besonderen Unterschied gegen jene der Lineartaktik.

Was

an Ordnung und Leitung gebrach , mochte die Massenhaftigkeit und teilweise auch die Freiheit des Feuers ersetzen . Vor einem allzu raschen Verschiefsen

schützte

schon das geringe Mafs von Feuer-

geschwindigkeit, welches das Infanteriegewehr gestattete.

Gleichwohl

darf nicht übersehen werden , dafs eine empfindliche Munitionsverzehrung bei einem schnellfeuernden Gewehre auch damals hätte eintreten müssen .

Dann aber wäre in noch weit fühlbarerem Grade jene

Schwäche der Schwarmtaktik zur Geltung gekommen, an welcher sie auch der Lineartaktik gegenüber abermals zu scheitern begann. Gegenüber dem Prinzipe der Schwarmtaktik, mit dem ersten und

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

133

einzigen, aber mit aller Wucht geführten Stofse die Haltbarkeit der linearen Form an dem ersten und einzigen Haupttreffen zu zerstören, lag das Schutzmittel darin nahe , den Schwerpunkt der Schlachtlinie in das zweite Treffen zu verlegen und dasselbe von dem ersten soweit entfernt zu halten, dafs eine Niederlage dieses jenes nicht mehr in Mitleidenschaft zog. Es lag darin noch durchaus kein Abweichen von den Prinzipien der Lineartaktik, sondern nur eine Verwechselung der Rollen in den Treffen ; das erste diente nun dem zweiten , nicht aber zur Verstärkung und Unterstützung , sondern als Präservativ, als Wellenbrecher. An ihm gewann das anstürmende feindliche Schwarmtreffen einen leichten Sieg, aber mit grofser Kraftvergeudung und der Einbufse an taktischer Ordnung.

In diesem Zustande war

ihm das Entgegentreten eines starken , festgeschlossenen intakten linearen Treffens weit gefährlicher ; oft kam dadurch der Angriff zum Stehen ;

oft aber verwandelte sich ,

wenn

er gleichwohl fortgesetzt

wurde, die Siegesfreude in einen panischen Schrecken, die Verfolgung in schmähliche Flucht. Wiederholt zeigte die Erfahrung , dafs der Angriff mit massenhaften Schwärmen nach dem erstmaligen Erfolge einer erneuten Leistung ohne vorherige vollständige Neuordnung nicht mehr fähig war. Die Erfahrung konnte nicht verfehlen, die Einsicht zu zeitigen, dafs Masse und Ordnung nicht vorzeitig verschwendet werden dürften , dafs sie beide aufbewahrt werden müfsten , auf jenen Zeitpunkt, wo auch der Gegner seine Entscheidungskräfte in Thätigkeit brachte, dafs also bis

dahin ein

oder mehrere ,

dem Haupttreffen vorangehende

Treffen erst dem Entscheidungskampfe die Wege zu ebnen hätten . Damit entsteht nun zu beiden Seiten, zum ersten Male seit dem Mittelalter, wieder der Begriff des Vortreffens Auf Seite der Verteidigung

dazu bestimmt ,

der linearen Taktik.

das Gefüge

der feind-

lichen Ordnung vor dem Entscheidungskampfe zu stören und zu lockeren , hatte es für den Angreifer die Aufgabe , den Entscheidungsstofs

blofszulegen

die feindliche Stellung für

und hierbei gleich einer Sonde

an derselben die für den letzteren wichtigsten und günstigsten Stellen zu ermitteln . Die unmittelbare Wirkung dieser sich allmählich wieder bis zu drei Treffen ausdehnenden Tiefengliederung war nur eine Verlängerung des Gefechtsaktes ,

der

sich nunmehr nicht in einem Kampfe ,

sondern in mehreren abspielt, in ebenso vielen als Treffen zur Aktion gebracht werden konnten.

Das Gefecht gewinnt an Dauer, an Zähig-

keit, an Kraftausnutzung und bewahrt die Chance des Erfolges dem, der zuletzt noch über kampf- und leitungsfähige Kräfte zu verfügen hat.

134

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Und doch lag in dieser so einfachen Veränderung der Treffen-

verwendung der Keim und die Notwendigkeit Umwälzung

auf taktischem Gebiete.

des Haupttreffens nicht mehr die

einer

tiefgreifenden

Sobald nämlich die Thätigkeit

primäre ,

sondern

abhängig und

präjudiziert war von den Ergebnissen des Einleitungsgefechtes , muſste es als Erfordernis erscheinen , das Haupttreffen in eine solche Form · zu bringen ,

dafs

dasselbe nach Bedarf in diese oder jene Richtung

und Front gebracht werden konnte, dafs es also einerseits möglichst bewahrt blieb vor auflösenden Verlusten,

anderseits

aber und ins-

besondere, dafs es intakt blieb in der Hand der Führung. Ersteres war durch die eingetretene Vergrösserung der Treffenabstände zur genüge ermöglicht , in der Aufrechterhaltung der Führungsverbände und der Aufsicht lag die gröfsere Schwierigkeit ; für die Armeeen der Koalitionen zwar in minder erheblichem Maſse, denn sie verhielten sich zunächst defensiv und hatten dann , angriffsweise verfuhren ,

in

wenn

sie

ihrer besseren Dressur und der langen

Präsenz noch den festen Zusammenhalt bewahrt. Anders aber lag es bei den Revolutionsheeren. Hier war eine ebenso zahlreiche als ungeschulte ,

undisziplinierte Masse zu leiten ,

in welcher die blofse

Treffengliederung nach Schwarmlinien das gestellte Problem nur unvollkommen löste. Es entstand zunächst nur jene Gefechtsweise , welche

sich

als

die

Aufeinanderfolge einer Anzahl

Schwarmlinienangriffe repräsentierte.

massenhafter

Dafs diese gleichwohl fast stets

den Erfolg für sich hatten , lag weniger an der Form , als an der Massenhaftigkeit des verwendeten und immer wieder nachgeführten Menschenmateriales. brauchbar ist ,

Darin

zeigt es

sich wieder ,

dafs jede Form

wenn man die Bedingungen ihrer Wirksamkeit zu

erfüllen vermag. Dafs die Werbeheere und die politischen Zustände in den Koalitionsheeren ein derartiges Kräfteaufgebot nicht zuliefsen, ist einer der Hauptgründe für den Erfolg der französischen Schwarmgegenüber der Lineartaktik. Aber gerade dasselbe Bedürfnis ,

welches die Treffengliederung

und Treffenbedeutung hervorgerufen hatte, machte es zur Notwendigkeit, die rückwärtigen Treffen in der Hand der Führung zu behalten, um eine vorzeitige Beteiligung derselben am Kampfe zu verhüten und im Gebrauchsfalle - sie noch den wichtigsten Punkten zuführen zu können.

Und da die starre Linie

sich schon der mangelhaften

Ausbildung der Truppen und Führer wegen ausschlofs , so blieb als die einzig anwendbare Form die Marschkolonne oder eine derselben ähnliche Form . Gefechtsform zu

Nur erforderte sein ,

d. h .

es die Aufgabe der Kolonne ,

eine

den baldigen Aufmarsch der Linie zu

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

135

gestatten, dafs die lange unhandliche Marschkolonne in ihren einzelnen Stücken nebeneinander gestellt wurde. Den organisatorischen Ausdruck fanden jene Einsichten in dem Halbbrigadesystem Carnots , in welchem stehende Halbbrigade

die

aus 3 Bataillonen be-

die Treffeneinheit bildete.

standen die Halbbrigaden

in Linie ,

in

den

geschlossener Marschkolonne nebeneinander.

Im ersten Treffen

rückwärtigen

in

auf-

Unter dem Schutze der

Schwärme des ersten Treffens hielten sich die Kolonnen intakt , bewegten sich den Angriffspunkten zu , traten auch schliesslich in den Kampf selbst ein. Diese Taktik, dieselbe welche Bonaparte in seinem ersten Feldzuge in Italien vorfand und kultivierte, war bei aller ihrer Ursprünglichkeit doch

eine vorzügliche Waffe für den Führer , der schnelle

Entschlüsse , Überraschungen liebte, und der das Ganze seiner Armee zu beherrschen

ebenso

sehr die Fähigkeit wie das Bedürfnis hatte.

Gerade da war aber ein Entwickeln der 24-27 Compagnieen tiefen Halbbrigaden zur Linie oftmals entweder unnötig oder unmöglich, die Kolonnen gerieten , wie sie waren , Widerstandes.

bis an den Kern des feindlichen

Hier aber war ihre Wirkung weit weniger eine mate-

rielle als eine moralische. Bajonettattacken waren auch damals eine Seltenheit. Das was entschied, war in der Krisis des Gefechtes das Eintreten einer geschlossenen , zielbewussten

Führung

sichtlich

unter der Herrschaft einer

stehenden Masse.

Dieser Eindruck wurde

durch die Kolonnenform ebensosehr hervorgebracht, wie vordem durch die geschlossenen, gleichfalls den Typus der Leitung tragenden fridericianischen Linien .

Sie war denselben sogar darin überlegen , dafs

die Form selbst das Zusammenhaltende, Beherrschende des Führungsprinzips in noch höherem Grade zum Ausdrucke brachte und hierbei noch von der gröfseren Beweglichkeit der Kolonne unterstützt wurde. Der vorwiegende Charakter der Kolonnenwirkung war ein moralischer ; aber derselbe erfüllte seine Aufgabe um so eher, als ja der Kampf ein Abwägen mehr der Willenskräfte ist, als der physischen , welch letztere ja nur mit dem Einflusse ihres Zustandes auf erstere zum Ausdrucke kommen. Denn da es bis zum vollständigen Vernichtungsakte fast nie kommt, wird fast nie jener der Besiegte sein, der nicht mehr kann , sondern stets jener, der zuerst nicht mehr will. Dem Erfolge gesellte sich die Erinnerung an die Arbeiten von Mesnil Durand ,

an die Propaganda der Anhänger der national-französischen Taktik hinzu , um der Kolonnenform , die ja allein das Prinzip der Führung mit den herrschenden inneren Zuständen in der Armee in Einklang brachte, die definitive Aufnahme zu sichern.

So

136

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

war nun die tiefe Aufstellung der Infanterie wieder auf das Schlachtfeld zurückgekehrt , von welchem sie die Unmöglichkeit , den Widerstreit von Pike und Muskete zu lösen , verdrängt hatte. Sie war zurückgekehrt, nachdem die Abschaffung der Pike die Einheitlichkeit der Infanterie wiederhergestellt hatte, aber auch dann erst, nachdem die Forderungen, welche das reine Feuerprinzip damals stellte, augenblicklich sich als so unerfüllbar erwiesen hatten, dafs man lieber auf einen Teil des Feuereffektes verzichten, als ihm zu Liebe die Leitung der Kräfte einbüfsen wollte. Aber ein ganz bedeutender Unterschied waltete doch zwischen der neuen und der alten Kolonnenform. Was dieser nie hatte gelingen können, die Verbindung des Feuergefechtes im Vor- mit der Kolonnenverwendung in den Haupttreffen, das war jetzt, Dank der einheitlichen Bewaffnung der Infanterie, in dem Grade ermöglicht worden, dafs je nach Bedarf in dem einen oder dem anderen Teile der Infanteriethätigkeit , dem Feuer oder dem Stofse, eine beliebige numerische Veränderung bewirkt werden konnte. Und aus eben diesem Grunde war auch die Kolonnenform vor dem Geschicke ihrer Vorgängerin vorerst bewahrt , von dem Feuer zerstört zu werden, weil sie ihr linares Vortreffen durch seine Feuerwirkung schützte und ihre dem Zwecke der Bewegung angepasste Gestalt ihr die Benutzung der Vorteile des Terrains ermöglichte. Da aber die Kolonne doch nicht um ihrer selbst willen entstanden war , sondern ihren Hauptwert in ihrer schliesslichen Entfaltung zur Linie hatte, so wurde dafs die halbbrigadenweise Kolonne oft nicht

es doch sehr fühlbar ,

mehr rechtzeitig entwickelt werden konnte.

Wie nun die Rücksicht auf die Feuerwirkung die grofsen gevierten Schlachthaufen in mehrere, nebeneinander geordnete zerteilte , so war es auch hier. Da man dort und hier von der Kolonnenform nicht abgehen konnte,

mufste man zur Kolonnenlinie kommen . So geschah es, daſs die Halbbrigaden, statt ihre Bataillone hintereinander marschieren zu lassen, dieselben in Kolonne nebeneinander setzten. Man vermochte sonach ebenso leicht zu deployieren , als sich bis dahin zu bewegen , wenngleich die Leitung für den Führer der Halbbrigade wieder an Schwierigkeit zunahm . Es ist merkwürdig, wie sehr diese Vorgänge in Analogie stehen zu der Entwickelung der Kolonnenformen im Mittelalter ; noch merkwürdiger aber, wie sehr schon nach kurzer Zeit des Kolonnengebrauches die Rücksicht auf die Entwickelung zur Linie , d. h . auf die Feuerthätigkeit, wieder ihren

auseinanderzerrenden Einfluss

ausübt.

An

Stelle der aufgeschlossenen Marschkolonnen traten Halbbrigaden-, an Stelle dieser Bataillonskolonnen. Das Bestreben der Führung in die

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Form zusammenzufassen ,

137

findet bei der Kolonnentaktik immer ihre

Gegenströmung in dem Bestreben der Feuertaktik zu gliedern , weil es schliesslich doch immer wieder die Linie ist, um derenwillen man die Kolonne in Verwendung bringt. Dieser neue zweiten Treffens gemäfs

Schritt

an die Wiederherstellung

eines linearen

heran vollzog sich seinem ganzen inneren Charakter

vornehmlich auf dem Schauplatze des

Feldzuges 1796 in

Deutschland, wo das Wesen der rangierten Schlacht mehr zum Ausdrucke kam .

Er setzte sich weiter fort in der Art , dafs auch die

Halbbrigaden des dritten Treffens sich in Bataillonskolonnen auseinanderzogen ,

deren Aufstellung hinter den Zwischenräumen der Ba-

taillone des zweiten Treffens schon deutlich auf ihre Bestimmung des Eindoublierens hinwies . Dies führte im Verlaufe der weiteren Entwickelung dazu, die Treffengliederung für die Schlachtlinie überhaupt brigadenweise anzuordnen , so dafs jede Brigade aus einem Teil der einen Halbbrigade das erste , anderen Halbbrigade das

aus

dem Reste

das zweite ,

dritte Treffen formierte .

aus der

Sieht man von

einer allgemeinen Reserve ab, was man thun kann, weil eine solche oft gar nicht speziell ausgeschieden, sondern nur durch die von rückwärts heranmarschierenden Truppen dargestellt, aufserdem aber stets sich in gewöhnlicher

oder aufgeschlossener Marschkolonne formiert

war , so sieht man leicht, wie sich die Aufstellung der im Gefechte befindlichen Truppen, die ja nur aus nebeneinander kämpfenden Brigaden bestand, wieder der Linearität genähert hat. Die hierdurch verursachte

gleichmässige Verteilung

der Streit-

kräfte auf der Gefechtslinie war von dem Prinzipe der Kolonnentaktik, der lokalen Überlegenheit wieder so weit abgekommen, dafs sie eine Massenwirkung auf einem einzelnen Punkte beinahe so schwer machte , als sie früher gewesen war. Eine Natur wie die Bonaparte's ,

welche stets nach der Ent-

scheidung suchte und für dieselbe grofse Massen einzusetzen ebenso sehr das Bedürfnis wie die Fähigkeit besaſs , mufste danach streben , grofse Massen zu seiner eigenen Verfügung zurückzubehalten , die übrigen Teile aber selbständiger zu machen und die Anzahl der in der Schlachtordnung nebeneinander kämpfenden Glieder zu verringern. Er war hierzu umsomehr genötigt, als er auch die strategische Massenverwendung inaugurierte, zufolge derer er auf den Hauptkriegsschauplätzen den Hauptteil seiner Streitkräfte anhäufte . Von dieser numerischen Stärke auch taktisch Gebrauch machen zu können , dazu war notwendig , dafs er sie auch wirklich heran und in das Gefecht hineinbrachte.

138

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Es ist erforderlich ,

an dieser Stelle

einen Blick auf die orga-

nische Gliederung der Heere zu werfen. Die lineare Schlachtordnung hatte aufser ihrer nahezu mit der Einteilung in Waffengattungen identischen Gliederung in Centrum, Flügel und Treffen keine weitere mehr, die aufmarschierte Armee war ein geschlossenes Ganze, dessen Unterabteilungen mehr der Kontrolle und Aufsicht als der Führung wegen bestanden ; der materielle Zusammenhalt mufste geben, was man von dem ideellen nicht erwarten zu können glaubte . Mit dem Eintritt des französischen Reglements von 1792 in die Sphäre der durch die Revolution geschaffenen Zustände musste sich der materielle Halt , den nur eine sorgfältige Dressur

dies ändern ;

und eine strenge Disziplin zu geben vermochte , war hinweggefallen und konnte so leicht nicht wieder ersetzt werden ; die unmittelbare Führung des Ganzen war ein Ding der Unmöglichkeit , der Versuch einer mittelbaren Führung desselben zur Notwendigkeit geworden. Die Verwirklichung dieser Notwendigkeit wurde nahe gebracht durch dieselben Umstände , eingewirkt hatten.

welche auf die formale Taktik ändernd

Dieselben Einflüsse des Terrains , welche das ein-

zelne Bataillon in eine ungleich verteilte Schützenlinie verwandelten, äufserten sich in gröfserem Mafsstabe an dem Ganzen des einzelnen Heeres.

Und wie dort die Gruppierung

der Schwärme im wesent-

lichen sich nach der Leichtigkeit der Bewegung im Terrain richtete und modifizierte ,

so

zerteilten

sich hier die Massen nach den An-

marschwegen und Strafsen, nachdem es nicht angängig war, die ganze Armee in wenigen langen Kolonnen heranzuführen , - es wäre ihr ja der Aufmarsch zu lang und gliedert sich dadurch

zu schwer geworden.

Ebenso zer-

auch das Ganze der Gefechtsaktion in

Reihe von Teilgefechten .

eine

Für diese aber war die wenige leichte

Artillerie, welche nach dem Vorgange der Lineartaktik den Infanterieregimentern und -Bataillonen beigegeben war , eine nicht genügende Unterstützung ,

auch die eigentliche Artillerie ( die Brigadeartillerie)

mufste verteilt werden , wobei sie dann auch naturgemäfs die Regimentsgeschütze wieder in sich resarbierte . So entstanden, auch wieder mehr als Konsequenz der Umstände denn als Frucht der Reflektion , die Divisionen der französischen Revolutionszeit ; wirkliche Infanteriedivisionen , die nur aus Infanterie mit zugeteilter Artillerie bestanden und nur ganz wenig Kavallerie enthielten .

Doch war auch diese Gliederung keine stabile, sie

wurde je nach Bedarf vorgenommen und entsprach sonach in unseren heutigen Verhältnissen mehr der Truppeneinteilung als der ordre de bataille . Die definitive Einführung der Divisionseinteilung durch

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

139

Carnot stellt nur die Regularisierung des Thatsächlichen dar , giebt aber darum nicht minder Zeugnis von dem Verständnisse Schöpfers , für die Forderungen seiner Zeit.

ihres

Die Gliederung der Armeeen in selbständige Körper machte sich für die Operationen, wie für die Taktik gleich vorteilhaft bemerkbar. In jener Hinsicht erleichtert sie die Märsche , Unterkunft und Verpflegung , in

dieser

entsprach

sie gerade dem inneren Wesen der

neuen Taktik, welche den Sieg in der lokalen Überlegenheit an irgend einem Punkte suchte . Aber sie hatte auch den schwer wiegenden Nachteil, dafs sie der Zersplitterung der Kräfte nicht nur nicht vorbeugte , sondern dieselben gerade durch die Selbständigkeit der Divisionen förderte und aus dem taktischen auch noch in das strategische Gebiet überzuführen gestattete .

Je gröfser die Heere unter

dem Einflusse der Massenkonskription wurden , desto zahlreicher wurden deren selbständige Glieder , desto vielfacher die Teilung der Gefechtsaufgabe, desto schwieriger ihre Beherrschung nach der Frontwie nach der Tiefenausdehnung. Und dies war in beiden Beziehungen erschwerend für die Massenwirkung auf Einen Punkt. Kleine Divisionen hatten als Reserve verwendet entweder nicht die genügende Masse oder keine Einheitlichkeit , in der Front besafsen sie an dem nicht für den entscheidenden Stofs ausersehenen Punkt nicht genug Widerstandskraft und inneren Halt, und für die Führung im grofsen ergaben sich zu viele selbständige Körper, die der Feldherr nicht, vollständig zu leiten und zu kontrollieren vermochte. Schon früher hatte diese Erfahrung zu einer Zusammenfassung der Divisionen in gröfsere Einheiten, Corps , geführt, welche für sich ganz wie eine Armee zusammengesetzt und ausgestattet waren , SO in der Sambre- und Maas -Armee 1795

unter Jourdan

und in der

Rhein -Armee 1800 unter Moreau , doch war die Wirksamkeit dieser Einrichtung nur auf spezielle Fälle und auch da auf das strategische Gebiet der Märsche und Operationen beschränkt geblieben.

Sie auch

in der Taktik- ein- und durchzuführen , blieb Napoleon vorbehalten, der von dem Zeitpunkte an , wo er die Hand nach der Kaiserkrone ausstreckte , auch die taktischen Formen wie die organische Gliederung der Heere für den Massengebrauch in der Schlacht einzurichten bestrebt war.

Die Notwendigkeit ,

mit grofsen Massen auf dem Schlachtfelde

zu erscheinen und diese vollkommen in der Hand zu behalten, machten das Armeecorps dig ausgestattet

zur Einheit der Schlachtenführung , das vollstänmit allen Waffen sowohl als auch mit allen

Trains u . s . w. in sich eine wirkliche Selbständigkeit im Operieren 10 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

140

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

und im Fechten trug, das aber auch stark genug war, die Entscheidung an einem einzelnen Punkte , Ganzes erschien , zu geben .

an welchem

es als geschlossenes

Diese Schöpfung bedurfte der Realisierung ihrer Grundidee durch die Form nach zwei Richtungen, einmal dahin, dafs das Armeecorps im stande war ,

in der Front

die Last des Gefechtes auf längere Zeit allein zu tragen, und dann dahin, daſs es im Reserveverhältnis leitungs- und beaufsichtigungsfähig blieb bis zu dem Punkte, wo es in den Kampf selbst eintreten sollte. Nach beiden Seiten hin gab Napoleon den Formen der Infanterie eine konsequente

und

methodische Durchbildung ,

bei welcher

er

gleichwohl auf dem aus der bisherigen Tradition und Erfahrung Überkommenen fufste. Das Bataillon erhielt als Zwischenglied zwischen der gewissermafsen noch als Marschkolonne anzusehenden Pelotonskolonne die Doppelpelotonskolonne, die 2 Compagnieen in der Front, 3-4 in der Tiefe hatte , und welche durch ihre Tiefenverminderung ebensosehr das Deployement als auch die Übersicht erleichterte und die Zahl der Feuergewehre in der Front der Kolonne für den Fall, dafs diese als solche in den Kampf eintrat, vermehrte. In solcher Form bildete das Bataillon die Kampfeseinheit der vorderen Treffen . Aber hier war es gerade für die erforderliche Ausdauer im Gefechte

notwendig

zu verhüten ,

dafs das Bataillon zu früh in Linie

sich entwickelte , die bequeme und feste Gestalt verliefs und sich in der Schwarmform der Leitung durch die höhere Führung entzog und dem Zufalle mehr in die Hand gab.. Dieses Bestreben führte hier ebenso , wie dies vor dem 30jährigen Kriege und in der Blüte der Lineartaktik der Fall war, dazu, dafs das zerstreute Gefecht der Infanterie , das vollständig zu beseitigen der fortgeschrittenen Feuerwirkung und der Wiederannahme der Kolonnenform wegen nicht angängig war , doch mindestens eine sehr erhebliche Beschränkung erfuhr , während gleichzeitig wieder, hier wie dort , aus der Masse der Einheitsinfanterie eine vorwiegend zu dem Plänklergefechte bildete.

bestimmte Infanteriespecies

sich heraus-

Was das erstere anbelangt, so setzte Napoleon die Quote, welche vom Bataillon als Plänkler zu entwickeln gestattet sein sollte, organisch dadurch fest, dafs er jedem Bataillon eine Compagnie Voltigeure zuwies , welche leichter bewaffnet , gymnastisch besonders ausgebildet, aus kleinen gewandten Leuten rekrutiert und speziell für das Tirailleurgefecht bestimmt waren. Dadurch wurde die Stärke der Plänkler-

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

141

linie auf 19, später ( 1808 ) , als die Zahl der Compagnieen auf 6 herabgesetzt wurde , auf % der Stärke des Bataillons fixiert. Der Rest desselben konnte zwar zur Linie entwickelt werden , blieb aber als Regel auf die Kolonnenform angewiesen. Dafs diese ,

so

sehr an

die gevierten Bataillone mit den vor-

geschobenen Schützenschwärmen der spanisch-ungarischen Ordonnanz erinnernde Verwendungsweise nicht ähnliche Unzukömmlichkeiten mit sich brachte , war dadurch bedingt , dafs dort die beiden Kampfesthätigkeiten strenge an die zwei gänzlich verschiedenen Infanteriegattungen verteilt waren , wie

zum

hier aber das Ganze ebenso zum Feuern

Nähewaffenkampfe verwendbar war und die Schützen

in

ihrem Bajonett und in der Feuerbereitschaft des geschlossenen Bataillons eine ebenso nachhaltige und ausgiebige Stütze fanden , wie in des letzteren Kolonnenform . Dieser Umstand war es , der denn

auch nunmehr eine solche

Entfaltung und Zuverlässigkeit des Tirailleurgefechtes ermöglicht hatte. Dadurch nun gewann in seiner vorgeschobenen Tirailleurlinie das geschlossene Bataillon einen Schutz, der es bei dem damaligen Stande der Feuerwaffen vor der Geschütz- wie der Gewehrwirkung ausreichend bewahrte, um ihm das Verbleiben in der Kolonnenform bis zum letzten Augenblicke zu gestatten .

Eine

entsprechende

Poten-

zierung der Artillerie- und Infanterie-Feuerwirkung mufste dies wohl wieder ändern und die Erfahrungen der Kaiserlichen gegen die Schweden wieder erneut machen lassen , - aber eine solche Potenzierung trat damals nicht ein, und die Kolonne blieb als eine ebenso unbedenkliche wie bequeme und brauchbare Form mit allem Rechte bestehen. Die für das Bataillon adoptierte Kolonnenform fand ihre weitere Anwendung auch bei den höheren Truppenkörpern der Infanterie. Das Regiment formierte , bevor es im Gefechte seine Bataillonskolonnen nebeneinander herauszog , dieselben in Einer Kolonne hintereinander , ebenso

die Brigade ihre Regimenter ,

Division und das Armeecorps . seinen

festen Zusammenhalt ,

analog verfuhr die

In dieser Form bewahrte das Ganze seine

vollständige Leitungsfähigkeit

gerade durch die Unverwendbarkeit der Massenkolonnenform , in die es gegossen war und die konnte .

es ohne besonderen Befehl nicht aufgeben

Aber auch für den Fall des Eintretens in das Gefecht wurde

die von demselben

erforderte Zerlegung

in

solcher Weise möglich,

dafs sie nie weiter ging , als es der nötige Grad der Gefechtsbereitschaft erforderte. Das Armeecorps konnte erst seine Divisionen nebeneinander vorziehen, dann später eine derselben oder mehr wieder 10 *

142

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen etc.

in Brigademassen zerteilen , letztere ganz oder zum Teil in Regimentskolonnen zerlegen, um erst zuletzt diese letztere in einzelne Bataillone auseinander zu ziehen . Es war dies der deutliche Ausdruck für das Bestreben der Führung , ihre Herrschaft nicht weiter und zu gliedern, als dies die Bereitschaft für den ment erforderte ,

und als es die Möglichkeit ,

zu teilen

nächsten Mo-

die Teile wieder zu-

sammenzufassen, zugab. Die Einführung einer von der Marschkolonne ganz verschiedenen Gefechtskolonne bereichert das Regiment

um eine Anzahl von Evo-

lutionen , welche den Zweck hatten , den Übergang von der Marschkolonne zur Masse ,

von der Masse zur Kolonnenlinie , von der Ba-

taillonskolonne zur Linie und umgekehrt, unter dem Einflufs und der Aufsicht der Führung, d. h. auf Kommando zu vermitteln , die Auflösung und Wiedereinziehung der Plänklerlinien zu bewerkstelligen. Daran reihte sich naturgemäfs die Notwendigkeit der Einübung und die Wiederkehr der Ausbildung der Truppen, sehen wir den Kaiser vor Beginn des

und übereinstimmend

grofsen Feldzuges von 1805

dem Exerzieren seiner Truppen , besonders der Infanterie, viel Eifer und Sorgfalt zuwenden. Zu der Zeit aber ,

in welcher die französische Infanterie durch

die unaufhörlichen Kriege und Neuorganisationen schon so sehr verschlechtert war, dafs selbst diese Formen für sie noch zu frei waren, ein Zeitpunkt, dessen Eintreten Napoleon selbst durch die Zuteilung von Regimentsgeschützen an dieselbe 1809 gekennzeichnet hat fafste er jene Divisionen, mit welchen er selbst auf den entscheidenden Punkten auftrat, in eine Form , in welcher sie nunmehr ein Ganzes, baar jeder weiteren Entwickelung und Gliederung waren.

Es ist dies

jene Art der Divisionsmasse , in welcher die zwölf Bataillone , je in Linie deployiert , hinter einander standen . Sie erinnert lebhaft an die grofsen gevierten Haufen

der Landsknechtzeit ,

vor

denen

sie

hauptsächlich eine ansehnlichere Feuerfront und gröfsere Beweglichkeit - letztere infolge der eingetretenen leichteren Adjustierung voraus hatte. Sonst war auch sie nichts als eine Masse menschlicher Körper , in welcher beraubt ,

der Einzelne ,

des

eigenen Willens vollständig

als mechanischer Bestandteil hin- und hergeschoben wurde

und nur mit seiner Körperschwere, nicht mit geistigen Qualitäten , in Rechnung kam . (Fortsetzung folgt.)

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

143

XI.

Freicorps und

Kavalleriedivisionen.

Der Feldzug 1866, welcher für die heutige Verwendung der verschiedenen Waffen bahnbrechend war,

hat auch der Kavallerie die-

jenige Freiheit der Bewegung wiedergegeben, welche ihr, in richtiger Erkennung ihrer Eigentümlichkeit und der daraus zu ziehenden Vorteile, schon Friedrich der Grofse und Napoleon angewiesen hatten . Denn veranlasst durch die gemachten Erfahrungen wurden auf Grund eines eingehenden Studiums früherer Feldzüge, namentlich von 1805 , allgemeine Direktiven aufgestellt , nach denen in Zukunft die Kavallerie der obersten Heeresleitung das wesentlichste Material zu ihren Entschlüssen liefern und aufserdem die getroffenen Maſsnahmen der Einsicht des Feindes entziehen sollte. Bekannt ist , in wie vorzüglicher Weise die aufgestellten Divisionen 1870 , nachdem sie sich erst in diese Aufgabe gelöst haben.

ihre Rolle

Der Armee weit

eingelebt hatten ,

vorauseilend ,

sehen

wir sie die Mosel erreichen und die dortigen Übergänge besetzen, kurz darauf die direkte Strafse Metz - Verdun aufklären und durch eine

forzierte Rekognoszierung

lichen Corps

feststellen und

die

Anwesenheit

endlich

am

18. der

mehrerer feindoberen Leitung

die Gewissheit verschaffen , dafs auf der nördlichen Strafse über Conflans keine bedeutenderen Truppenteile abmarschiert waren . Die Bewegungen der Maas- und III. Armee deckend, bringen sie sodann auf Entfernungen von drei Tagemärschen vor der Front Nachrichten von dem Verlassen des Lagers von Chalons und der Anwesenheit der Mac Mahon'schen Armee in der rechten Flanke bei Vouziers . Wenn es somit der Kavallerie gelang ,

den an sie

gestellten An-

forderungen in der ausgiebigsten Weise gerecht zu werden ,

so darf

zu einer richtigen Beurteilung der Vorteile , welche man von ihrer zweckmässigen Verwendung zu erwarten hat , nicht aufser Acht gelassen werden, dafs bekanntlich die Mafsnahmen des Gegners solche Erfolge sehr erleichterten . In der Zukunft werden so günstige Verhältnisse nicht so leicht wieder vorliegen ; den weit vorauseilenden Kavalleriedivisionen werden sich

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

144

feindliche Abteilungen in ähnlicher Gliederung

entgegenstellen und

es wird sich darum handeln , nicht blos die eigenen Truppen zu sichern , sondern auch den gegnerischen Schleier zu lüften . Die Mittel und Wege hierzu sind Gegenstand der

vielseitigsten theo-

retischen Betrachtungen und praktischen Versuche in allen Staaten , so dafs hierauf nicht näher eingegangen zu werden braucht.

Dahin-

gegen dürfte es von grofsem Interesse sein , die Schwierigkeiten ins Auge zu fassen ,

welche die Kavallerie in Zukunft

zu

überwinden

hat, wenn es ihr gelungen ist, die feindlichen Reiterregimenter zurückzuwerfen.

Nicht minder wichtig erscheint andererseits eine Betrach-

tung der Formationen, welche einer Armee auch dann noch Deckung und Aufklärung zu verschaffen im stande Kavallerie der feindlichen

wenn

die eigene

sich unterlegen gezeigt hat.

sind ,

Schon der

zweite Teil des deutsch-französischen Krieges hat in dieser Beziehung reiche praktische Erfahrungen machen lassen. Zwei Zeiträume

sind hierbei

von

besonderem Interesse .

erste findet mit dem Gefecht bei Coulmiers

Der

seinen Abschlufs ,

der

zweite endet mit der Schlacht bei Loigny-Poupry. *) Bekanntlich wurde der gröfste Teil der französischen Kavallerie , nachdem diese durch eine heroische Anstrengung zu Ende der Schlacht von Sedan bewiesen , dafs es ihr keineswegs an Mut gebrach ,

mit

in den Untergang der Mac Mahon'schen Armee verwickelt, während Somit war vor ein anderer Teil derselben in Metz dahin siechte . der Hand keine Kavallerie

vorhanden ,

um

den zur Deckung der

Cernierung von Paris nach Norden, Westen und Süden entsandten Kavalleriedivisionen entgegentreten zu können. Die in der Neuformation begriffenen Reiterregimenter wurden erst gegen Ende Oktober felddienstfähig,

und die aus Algier herangezogenen

waren an Zahl

zu gering, um sich mit den deutschen messen zu können .

Allein

die Situation hatte sich doch gewaltig geändert für die aufklärende Kavallerie.

Sie befand sich in einem insurgierten Lande, in welchem

in allen gröfseren Orten Neuformationen von Infanterie vorgenommen wurden und

dessen Strafsen

durch kleinere Abteilungen gesperrt

wurden, welche zum Schutze der Neubildungen vorgeschoben waren. Natürlich waren die Kavalleriedivisionen , selbst wenn sie mit einem

*) Die nachfolgenden historischen Angaben sind den Werken des General Chanzy, dem preufsischen Generalstabswerk und dem Werke des Hauptmann Frhr. v. d. Goltz über die Operationen der II. Armee entnommen . Die beiderseitigen Originalmeldungen der Kavalleriedivisionen lagen dem Verfasser leider nicht vor, indessen kommt es ja auch im wesentlichen nur auf den Eindruck an, den diese Meldungen an der sammelnden Stelle machten.

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

145

guten Gewehre ansgerüstet gewesen , zur Brechung dieses Widerstandes nicht im stande. Um die Bevölkerung insurgierter Landstriche niederzuhalten , sind und bleiben auch heute noch mobile. Kolonnen aller drei Waffen notwendig.

So wurde denn auch allen

Kavalleriedivisionen Infanterie beigegeben , bis endlich die Zusammenballung der feindlichen Formationen zu Armeecorps die Entsendung dreier deutscher Infanteriedivisionen notwendig machte . setzung von Orleans durch General

von

der Tann

Mit der Be-

erst treten

auf

diesem Kriegsschauplatze wieder die Verhältnisse des grofsen Krieges ein, da von jetzt ab auf gegnerischer Seite nur noch geschlossene Divisionen und Armeecorps

zur Verwendung kommen.

Erschwert

wurde der deutschen Kavallerie die Lösung ihrer Aufgaben indessen auch jetzt noch dadurch, dafs in der linken Flanke der französischen Armeen, an der Eure und dem Loir , die Verhältnisse

des kleinen

Krieges im insurgierten Lande fortdauerten. Dadurch wurde ihr die Möglichkeit genommen, um die feindliche Flanke herum Einsicht in die Mafsnahmen des Gegners zu gewinnen , bei

und es blieb daher der

Baccon aufgestellten 2. Kavalleriedivision nur die frontale Auf-

klärung übrig, als am 31. Oktober die Concentration von vier französischen Infanterie divisionen und zwei Kavalleriedivisionen hinter dem Walde von Marchénoir erfolgte.

Die nun täglich vor der Front

in der Richtung auf Marchénoir von der deutschen Kavallerie vorgenommenen Rekognoszierungen

lieferten nach sieben Tagen an-

gestrengtester Thätigkeit ein Resultat, welches das Generalstabswerk (Teil II. S. 402) also zusammenfafst :

""Während der ersten Novem-

bertage hatten die deutschen Vorposten westlich von Orleans wahrgenommen, dafs die auf der Linie von Mer an der Loire bis Morée vor kurzem begonnene Anhäufung französischer Streitkräfte im beständigen Zunehmen begriffen war. Am 6. November fanden die Patrouillen

auch

Châteaudun

vom Gegner besetzt ;

in

Beaugency

mufste sich ein Zug des 4. Bayerschen Chevauxlegerregiments bei Annäherung feindlicher Infanterie auf dem linken Loire-Ufer gewaltsam durch bewaffnete Volksmassen Bahn brechen. " Die Nachrichten über die Ansammlung geschlossener Truppenkörper waren hauptsächlich bis zum 3. November eingelaufen ,

und

trotzdem die Loire-Armee damals schon drei Tage lang concentriert stand, erklärt Major Blume in seinem Werke „Die Operationen der deutschen Heere " auf Seite 67 die Verhältnisse noch keineswegs so geklärt, dafs auf deutscher Seite schon entscheidende Entschliefsungen hätten gefasst werden können. Als am 7. November die Armeeabteilung des Groſsherzogs von Mecklenburg zusammengestellt wurde,

Freicorps und Kavalleriedivisionen .

146

beabsichtigte man noch eine Concentration Chartres-Châteaudun,

derselben auf der Linie

der linken Flanke der fran-

direkt in

also

zösischen Loire-Armee. Wenngleich nun die am 7. November infolge der Unsicherheit der Verhältnisse vom Kommandeur der 2. Kavalleriedivision befohlene gewaltsame Rekognoszierung gegen den Wald von Marchénoir nicht die volle Stärke des Gegners erkennen liefs , so schlofs man doch aus dem hartnäckigen Widerstand , den man gefunden , dafs hier die Hauptkräfte des Feindes versammelt seien. Leider konnten die Resultate dieser Aufklärung nicht mehr nutzbar gemacht werden, da am 8. die Loire-Armee ihren Vormarsch antrat und am 9. das Bayerische Armeecorps angriff, bevor die 22. Infanteriedivision sich mit demselben vereinigt hatte . Vergleicht man die Resultate dieser Rekognoszierungen mit den Nachrichten, welche die deutsche Kavallerie vor Metz einbrachte, so zeigt sich ein ganz bedeutender Unterschied.

Während an der Mosel

die französische Armee von Abschnitt zu Abschnitt begleitet wird und nur infolge

der Ereignisse

am

16.

August

es

einen Augenblick

zweifelhaft bleibt, ob nicht doch noch bedeutendere Abteilungen auf der nördlichen Strafse über Conflans abmarschiert seien ,

sehen wir

hier eine eng versammelte Armee sieben Tage lang in bedrohlicher Nähe aufgestellt, ohne dafs die deutsche Heeresleitung volle Gewifsheit über ihre Stärke und Stellung erhält.

Man vermutet die Fran-

zosen im Linksabmarsch, um sich Chartres gegenüber allein die dieserhalb

vorgetriebenen

Patrouillen

der

zu sammeln, 2. Kavallerie-

division werden

auf der Linie Beaugency-Morée-Châteaudun durch Infanteriefeuer und Kavallerieabteilungen zurückgewiesen . Und trotzdem befand man sich hier einer geschlossenen , Armee gegenüber , welche es indessen

verstand ,

in sich geordneten den Mangel einer

eigenen, ihre Bewegungen deckenden Kavallerie durch anderweitige Mafsnahmen zu ersetzen .

Die Bivouaks

der Divisionen ,

mit Aus-

nahme des äussersten rechten Flügels , waren durch den Wald von Marchénoir der Einsicht selbst derjenigen Patrouillen entzogen, welchen es gelang, die erste Linie der reiten .

besetzten Dörfer zu durch-

Somit genügten, durch das Terrain begünstigt, die Vorposten

der Infanterie, verstärkt durch eine Kavalleriebrigade, um die eigene Stärke dem Feinde zu verbergen.

Noch eine anderweitige Maſsregel

der französischen Oberleitung verdient hier unsere volle Beachtung. Es

ist

dieses

die

Verlängerung

der Vorpostenlinie ,

welche von

Beaugency bis Morée reichte, über letzteren Ort hinaus bis Châteaudun , durch die ihr unterstellten Freischaarencorps , denen ein noch nicht einrangiertes Bataillon in Cloyes als Rückhalt diente . Da-

Freicorps und Kavalleriedivisionen .

147

durch wurde es den deutschen Patrouillen einerseits unmöglich , um die Flanke herum aufzuklären , andererseits Nachrichten über den vermuteten Abmarsch des Gegners nach Norden einzuziehen. Wir sehen also hier einen Teil der der Kavallerie

zufallenden Aufgaben

auf anderweitige Art und Weise gelöst , indem es gelingt , auf eine Strecke von acht Meilen jede Beobachtung der feindlichen Patrouillen zu verhindern. Naturgemäfs drängt sich da die Frage auf, inwieweit diese Freischaaren im Stande sind, einer aus Kavallerie und Artillerie zusammengesetzten Division

den Durchbruch mittelst gewaltsamer Rekognoszierung zu verwehren , oder mit einem Worte , ob sie stark genug sind, einen bestimmten Terrainabschnitt unter allen Umständen gegen unsere heutigen Kavalleriedivisionen abzusperren . Sollte das wirklich der Fall sein , sollten Franctireure im Stande sein , diesen einen Teil der Aufgaben der Reiterregimenter vollständig zu lösen , so würde die Untersuchung , inwieweit man aus ihren Rekognoszierungen sichere Nachrichten über den Gegner zu erwarten berechtigt wäre , ein bedeutendes Interesse gewinnen. Denn da Aufklärung und Sicherung die beiden Hauptaufgaben der Kavalleriedivisionen ausmachen , so mufs man beides auch von den Formationen verlangen , welche der Oberleitung einen Ersatz für den Mangel an starken, dem Gegner gewachsenen Reiterabteilungen zu bieten bestimmt sind. Zur genaueren Beurteilung, inwieweit Franctireure im Verein mit mittelmäſsiger Kavallerie hierzu geeignet sind, erscheint es lehrreich, näher auf die Ereignisse an der Loire vom 9. November bis 2. Dezember einzugehen. Nachdem die französische Oberleitung sich durch das Treffen bei Coulmiers in Besitz von Orleans gesetzt hatte, beschlofs dieselbe vorläufig nördlich

der Stadt Aufstellung

zu

nehmen und unter dem

Schutze einer verschanzten Stellung ihre Streitkräfte zu organisieren. Die hierzu ausgesuchte Position

dehnte

sich im allgemeinen dem

Nordrande des Waldes von Orleans entlang über Chevilly- St.Zu ihrer Verteidigung Péravy-Coulmiers bis zur Loire hin aus. wurden im Laufe des November allmählich fünf Armeecorps herangezogen, von denen das 15. an der grofsen Strafse von Orleans nach Paris lagerte , im Anschluſs hieran das 16. Armeecorps von Coinces über St. Péravy bis Coulmiers die Verteidigung übernahm , während das 17. Armeecorps vorläufig noch bei Châteaudun sich sammelte, und erst gegen das zweite Drittel des Monats näher an den linken Flügel herangezogen wurde.

(Auf die Verhältnisse des rechten französischen

Flügels soll hier nicht näher eingegangen werden . )

Freicorps und Kavalleriedivisionen .

148

Während der gröfste Teil des 15. Armeecorps bivouakierte und sich durch eine zusammenhängende Vorpostenkette sicherte ,

wählte

der Kommandeur des 16. Corps ein gemischtes Verfahren . Vom 17. November bis zum 1. Dezember kantonnierten und bivouakirten die Divisionen in folgender Art. Die 1. Infanteriedivision belegte mit dem Stab St. Péravy . 1. Brigade

mit 2 Bataillonen Coinces ,

von denen

Die

eine Compagnie

nach Villardu detachiert wurde, 3 Compagnieen kamen nach Chêne, eine

nach Roumilly ,

das

Jägerbataillon

bivouakierte

nördlich

St.

Péravy. Das andere Regiment lagerte nördlich desselben Dorfes rechts der Strafse nach Patay

und detachierte

zwei

Compagnieen nach

Lignerolles . Die 2. Brigade belegt St. Sigismoud mit vier Bataillonen, Coulimelle und Champs mit einem und detachiert je eine Compagnie nach Vallée und Villarcou. Die Artillerie und Trains der Division werden in Kantonnements verteilt. Von der 2. Division

belegt

die 1. Brigade Gémigny mit 31/2

Bataillonen, Rosières mit zwei und schickt je zwei Compagnieen nach Cheminiers und Coulmiers , je eine nach Bouneville und Ormetau. Die 2. Brigade nimmt durch zwei Compagnieen in Descures die Verbindung auf und bivouakiert mit den Trains und der Reserveartillerie bei Bucy St. Liphard . Die

3. Divison bivouakiert geschlossen

bei les

Barres ,

die

Reserveartillerie bei Haute Epine , die Trains kantonnieren rückwärts an der Strafse nach Orleans . Die Kavalleriedivision verteilte ihre Kantonnements

zwischen

Tournoisis-Nids- St. Sigismond -Coulimelle .

Man adoptierte also den wechselnden Modus des Kantonnierens und Bivouakierens , jedoch so, dafs das gröfsere Bivouak der 3. Division 114 Meilen hinter den in die einzelnen Dörfer vorgeschobenen Compagnieen sich befand, während das bei Bucy durch den vorliegenden Wald gedeckt war. Im allgemeinen wurden, mit Ausnahme von St. Peravy, die Truppen der vorderen Linie mit zwei bis drei Bataillonen in die Ortschaften einquartiert , von wo aus noch weiter nach vorne die Dörfer nur mit einer bis zwei Compagnieen belegt wurden. Zum weiteren Schutze und Aufklärung gegen den Feind wurde nunmehr zunächst ein leichtes Kavallerieregiment weiter vorgeschoben. Dieses besetzte mit einer Schwadron Villeneuve sur Couce, von welcher ein Zug nach Pérouville detachiert wurde , zwei Eskadrons belegten Patay und detachierten

einen Zug

nach Rouvray ,

während die 4.

Eskadron in Brilly einquartiert wurde und einen Zug nach Encormes

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

sandte.

Bei Sougy begann die Vorpostenlinie

149

des 15. Armeecorps .

Dem vorgeschobenen Kavallerieregiment wurden nunmehr die Franctireure zugeteilt und zwar wie folgt : Die Franktireure der Sarthe (Foudras) nach Sougy und Terminiers, die von Paris (Lipowsky) nach Patay, Rouvray, Guillonville, die von St. Denis (Liénard) nach Pérouville mit dem Auftrag , die Conielinie zu bewachen bis nach Varize . 3-5000 Meter also vor der oben beschriebenen Aufstellung, deren Tiefe schon 11/4 Meile beträgt ,

werden

durch Kavallerie und Infanterie Patrouillen

112 Meilen

nun noch

besetzt ,

zwischen

so

belegten

die Ortschaften

dafs

also

feindliche

Ortschaften durchreiten

mufsten, um auf das erste gröfsere Bivouak zu stofsen.

Allein die

Aufgabe der vordersten Abteilung bestand nicht allein in der Deckung der dahinter liegenden Armeecorps .

Ohne zusammenhängende Vor-

postenlinie sollten doch alle Mafsnahmen

durch einheitlichen Befehl

geregelt werden, und zwar sowohl die Deckung als auch die Aufklärung.

Dieserhalb wurden zunächst die Freischaaren unter den

Befehl des Oberstlieutenant Lipowski gestellt, so dafs von der Mitte der ganzen Aufstellung aus der Vorpostendienst geregelt werden konnte. Was nun die Aufklärung und Rekognoszierungen anbelangt , so sollte Lipowski sich in Einverständnis setzen mit dem Kommandeur des in demselben Rayon kantonnierenden Kavallerieregiments, Oberst Barbut . Es fand also nicht eine direkte Unterordnung des einen unter die Befehle des andern statt. Diese auf 112 Meile vor der Front vorgeschobene, drei Meilen lange Aufklärungs- und Deckungslinie fand links Anlehnung an das neu formierte 17. Armeecorps, rechts an die Vorpostenlinie des 15. Armeecorps . Es verdient hervorgehoben zu werden ,

dafs an der grofsen Strafse nach Paris 12 Divisionen bei

Chevilly, also eine halbe Meile hinter den Vorposten bivouakierten , während eine andere Division bei Gidy lagerte. Zu bemerken bleibt aufserdem noch, dafs der durch Franctireure und leichte Kavallerie besetzte Rayon sich in keiner Beziehung an die gewählte Frontalaufstellung des 16. Corps anschlofs, so dafs der rechte Flügel kaum zwei Meilen

vor dem Bivouak bei les Barres

lag, während der linke bei Varize vier Meilen davon

entfernt war.

Die Verwendung dieser vorgeschobenen Truppen ähnelte also der unserer Kavalleriedivisionen, nur dafs sie nicht dem Oberkommando der Armee, sondern einem einzelnen Corps unterstellt waren. Es ist daher von Interesse zu sehen , inwieweit diese Abteilungen der französischen Armee Ersatz boten für die ihr fehlende widerstandsfähige Kavallerie.

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

150

Um zu beurteilen , ob es

auf diese Weise gelungen ist ,

den

lagernden Truppen die notwendige Sicherheit zu gewähren und ihre etwaigen Bewegungen der Einsicht des Feindes zu entziehen , gehen wir am besten abermals von den im deutschen Hauptquartier einlaufenden Nachrichten aus . Es würde alsdann in zweiter Linie zu betrachten sein ,

ob die

der französischen Oberleitung

Vortruppen zufliefsenden Nachrichten genügten ,

von diesen

um sich ein klares

Bild von den beim Gegner obwaltenden Verhältnissen zu machen. Nach dem Treffen bei Coulmiers hatte die Armeeabteilung des Grofsherzogs von Mecklenburg sich an der grofsen Strafse von Paris nach Orleans in der Gegend von Toury concentriert. Südlich davon klärte die 2. Kavalleriedivision , rechts daneben die 4. Kavalleriedivision auf.

Die oben beschriebene Aufstellung

der französischen

Armee wurde im allgemeinen erst am 13. November von den Vortruppen eingenommen , so daſs die deutschen Rekognoszierungen keine sicheren Nachrichten über den Verbleib des Feindes brachten . Infolge dessen marschierte die Armeeabteilung am 13. nach Chartres ab, da man von dort her eine Offensive des Feindes gegen Paris erwartete ; Diese stellte sodann die 2. Kavalleriedivision verblieb bei Toury. vom 13. bis zum 18. die Anwesenheit des Feindes in der, von den Vorposten des französischen 15. Armeecorps besetzten Linie fest und brachte durch einen Deserteur in Erfahrung , dafs etwa 30-40,000 Mann von Gien nach Loury herangerückt seien. Hinter der 2. Kavalleriedivision rückte mittlerweile am 7. das 9. Armeecorps auf die grofse Pariser Strafse, während östlich davon die 1. Kavalleriedivision die Aufklärung unternahm . Die eingesandten Meldungen genügten nicht, um sich ein klares Bild von den Verhältnissen des Gegners zu verschaffen, namentlich nicht, ob die französische Armee noch mit ihren Hauptkräften bei Orleans stände . Prinz Friedrich Karl, welcher von nun ab den Oberbefehl über die Truppen gegen Orleans übernahm , befahl daher am 18. Abends : „ Die Kommandeure der 1. und 2. Kavalleriedivision sind anzuweisen, durch Rekognoszierungen ― vorzugsweise um die feindlichen Flanken herum — die in den nächsten Tagen vorzunehmen sind, diese Verhältnisse näher aufzuklären und zu demselben Zweck möglichst Gefangene einzubringen. " Wie wir gesehen haben, konnte von einem Umfassen des feind-

die Rede sein , da das 17. Corps in Die Patrouillen fanden nun bei den infolge dieses vorgenommenen Rekognoszierungen den Rand des Waldes

lichen linken Flügels kaum Châteaudun stand . Befehls

von Orleans besetzt , auf dem linken Flügel den Feind in Orgères

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

151

und Nonneville , auch in Patay sollten Truppen versammelt sein, im Centrum waren Bivouaksfeuer beobachtet worden, kleinere bei Trinay und Villereau ,

sehr ausgedehnte

Spuren deuteten immer mehr darauf hin , Hauptkräfte der Franzosen ständen. *) Die vorgetriebenen Patrouillen Nachrichten vom 15. Armeecorps ;

bei

Chevilly.

brachten

also

ziemlich genaue

die Aufstellung des

16. Armeecorps wurde nicht ermittelt,

Alle

dafs bei diesem Orte die

Gros

des

und nur die vorderste Auf-

klärungslinie der Franctireure und leichten Kavallerie als besetzt gemeldet. Während nun deutscherseits durch das Vorrücken der Armeeabteilung in der Richtung auf Le Mans indirekt die Anwesenheit der französischen Armee an der Loire festgestellt wurde, gingen am 19 . in aller Frühe zwei Generalstabsoffiziere zur Orientierung vor, von denen der eine zur zweiten Kavalleriedivision ritt. sich zunächst von le Mesnil

Derselbe **) begab

in der Richtung auf Baigneaux und

Lumeau vor, passierte im Morgengrauen die vordersten vom Feinde besetzten Linien, und gelangte zwischen den französischerseits belegten Dörfern bis in das Terrain von Echelles und Terminiers . Von feindlichen Chasseurs verfolgt, kehrte er über Loigny und Beauvilliers zurück und setzte alsdann seine Rekognoszierungen längs der Pariser Strafse gegen Artenay fort.

Hier stiefs

er bei Poupry , Dambron

und nördlich Assas auf eine zusammenhängende Vorpostenkette und gewann die Überzeugung , dafs an der Strafse Paris - Orleans noch die Masse der Loire - Armee stände. Abermals war es nicht gelungen ,

den

durch die Franctireure

und leichte Kavallerie gebildeten Aufklärungszu durchdringen ,

und Deckungsrayon

während die Infanterievorposten des 15. Armee-

corps immer wieder die Anwesenheit grofsen Strafse erkennen liefsen .

stärkerer Truppen an der

In den folgenden Tagen wurden , veranlafst durch die Rekognoszierungen der Freischaaren , vielfach irrige Meldungen dem Oberkommando der 2. Armee übermittelt, welche scheinbar auf einen , durch das Vorgehen des 17. Armeecorps auf Bonneval eingeleiteten Linksabmarsch schliefsen liefsen. Die sonst eingezogenen Nachrichten beschränkten sich auf das bisher bekannte. Es wurde daher abermals am 22. November der 2. Kavalleriedivision

aufgegeben , Gewissheit

über die Verhätnisse auf dem rechten deutschen Flügel zu verschaffen, namentlich die Strafse Coulmiers-Ouzouer-le-Marché zu erreichen.

*) v. d. Goltz : Die Operationen der II. Armee , Seite 50. **) v. d. Goltz : Seite 58, 59.

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

152

Das Resultat war folgendes : *) Die Gegend von Orgères und Cormainville wurde vom Feinde frei gefunden. Hinter der Conie dagegen sollten stärkere Freischaaren lagern , ebenso um Patay und St. Péravy herum. Den von der Division ausgesandten Rekognoszierungsschwadronen gelang es leider nicht , bis zur Strafse Coulmiers-Ouzouer durchzudringen, da alle Dörfer und Gehölze schon in der Gegend von Lumeau von französischer Infanterie besetzt waren , die mit dem Feuer ihrer weittragenden Gewehre zwischen den Örtlichkeiten beherrschten.

auch

die Räume

Auch dieses mal war es nicht gelungen, bis zu den Vortruppen des 16. Corps durchzudringen ,

noch viel

die Bivouaks desselben zu gewinnen .

weniger aber Einsicht in

Die Conielinie wurde von den

Freischaaren behauptet und dadurch ein Umgreifen um die Flanke bei Varize verhindert. anderes übrig ,

als

Somit blieb der deutschen Oberleitung nichts

zur forzierten Rekognoszierung zu greifen ,

die

am 24. mit einer, aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie gemischten Kolonne auf der grofsen Strafse nach Orleans vor sich ging. Dieselbe schaffte Klarheit über die Vorgänge beim 15. Armeecorps , während am

Nachmittage

eine Unternehmung der Freischaaren über

Orgères auf Baigneaux den Glauben hervorrief,

dafs auch hier die

Truppen im Rechtsabmarsch begriffen seien. Inzwischen erfolgte am 25. der Vorstofs des 17. französischen Armeecorps auf Brou und Bonneval. Wie wenig an diesem Tage die Verhältnisse bei Patay geklärt gewesen ,

beweist

ein Schreiben

des Prinzfeldmarschall an Seine Majestät den König , worin er auseinandersetzt, dafs er nicht klar sähe, was auf dem feindlichen linken Flügel vorginge, weil es dort nicht glückte , Gefangene in grösserer Zahl einzubringen . Es hatten also vom 13. bis zum 26. November die vorgeschickten Freischaaren im Verein mit einem Kavallerieregiment das 16. Corps gedeckt und seine Kantonnements Feindes entzogen.

und Bivouaks

der Einsicht

des

Am 29. November stiefs die von Châteaudun vorrückende Armeeabteilung des Grofsherzogs

von Mecklenburg

auf die

französische

Kavalleriedivision des 16. Armeecorps bei St. Cloud , welche auswich ; sodann nahm sie einen Teil der in Varize stehenden Franktireure gefangen und erfuhr durch dieselben

die Anwesenheit des

16. Armeecorps in dieser Gegend . Als die Meldung hiervon beim Prinzen Friedrich Karl einlief, schrieb letzterer an den Grossherzog ,

*) v. d. Goltz : Seite 72.

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

153

„ die Verhältnisse machen es wahrscheinlich, dafs morgen Eurer Königlichen Hoheit nur das 17. und ein Teil des 16. französischen feindlichen Corps (das letzte hat wahrscheinlich die Nordlisiere des Fôret d'Orléans in seiner ganzen Ausdehnung besetzt) gegenüber stehen . Es wäre mir erwünscht , wenn Eure Königliche Hoheit seitens des Bayerischen Corps und der 17. Infanteriedivision starke Rekognoszierungen vortrieben, um zu ermitteln , welche feindlichen Kräfte namentlich bei Chevilly stehen. " Zur Ausführung vorstehend befohlener Rekognoszierungen kam es indessen nicht mehr, da am 1. Dezember der linke Flügel der französischen Armee mit acht Infanteriedivisionen zum Angriff vorging.

Glücklicherweise gelang es

dieses mal ,

den überlegenen

Feind bei Loigny- Poupry abzuweisen und ihn zum Rückzug zu nötigen . Es liegt nicht im Bereiche dieser Abhandlung, die Konsequenzen

davon zu ziehen , dafs es einem französischen Kavallerieregiment, unterstützt durch einige Freischaaren, gelang, den Rayon von Lumeau bis Varize den deutschen Patrouillen vollständig zu versperren . Hätte vor der Front

des

15. Armeecorps

Artenay bis Neuville

diese Art der Deckung über

aux Bois ihre Verlängerung gefunden ,

und

wäre dieselbe Art der Unterbringung

auch hier angewandt worden, so dafs die grofsen, etwa notwendigen Bivouaks , statt bei Chevilly etwa bei Cercottes bezogen wurden, und die vorderen Ortschaften nur durch die Vortruppen des Corps in ähnlicher Weise , wie beim 16. Armeecorps, belegt worden, so würde der deutschen Oberleitung die Lösung ihrer Aufgabe noch bedeutend erschwert worden sein. Es ist nun von Interesse, zu sehen, welche Nachrichten die Freischaaren unter Lipowsky und das 4. leichte Kavallerieregiment unter Oberst Barbut während dieser Zeit einbrachten, wo sie den deutschen Patrouillen den Einblick in die Verhältnisse auf den Strafsen St. Péravy-Châteaudun und Coulmiers-Morée verwehrten. Die Instruktion lautete nämlich : *) Es sollten die Franktireure die Rekognoszierungen der Kavallerie unterstützen und mit derselben, bei sich darbietender Gelegenheit , die feindlichen Abteilungen , gleichviel bei Tag oder Nacht zu überfallen suchen. - Wie früher erwähnt, fand dabei eine Subordination der Infanterie unter die Kavallerie nicht statt, sondern man sollte sich zur Ausführung der Handstreiche in gegenseitiges Einvernehmen setzen. **) Bekanntlich

fand am

13. November der Linksabmarsch

*) Chanzy : La 2 ième armée de la Loire, Seite 38.

Chanzy: Seite 45 .

der

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

154

Armeeabteilung des Grofsherzogs von Mecklenburg statt, wurde aber infolge des Erscheinens des französischen 15. Corps an der Strafse bei Chevilly vorläufig eingestellt.

Schon am 14. gelang es den Fran-

zosen , in ein Cantonnement des 4. Ulanen-Regiments einzudringen (das Regiment erlitt an diesem Tage einen Verlust von 2 Offizieren, 42 Mann, 44 Pferde) und sich in Besitz der Befehle zu setzen, welche der 4.

Grofsherzog

und

Kavalleriedivision

im

Anschlufs

gegeben

daran der

Kommandeur der

hatten , um den

erwähnten Links-

abmarsch der Armeeabteilung einzuleiten .

Dieser kühne Handstreich,

welcher in einer Entfernung von beinahe vier Meilen von dem Hauptquartier des 16. Armeecorps geglückt war, veranlafste den General Chanzy ,

einen seiner Ordonnanzoffiziere ,

den Hauptmann Bernard,

mit einer aus Freiwilligen zusammengestellten Schwadron zur weiteren Einziehung von Nachrichten und zur Verstärkung der Kavallerie in Patay vorzuschicken . Ob derselbe dem Oberst Barbut unterstellt wurde und nur die sichere Übermittelung der eingelaufenen Nachrichten an das Corpshauptquartier zu besorgen hatte oder ob derselbe selbständig rekognoszieren sollte ,

wie

die deutscherseits ausgesandten Generalstabs-

offiziere, ist aus dem Werke des General Chanzy nicht ersichtlich. Am 16. November geht der Oberstlieutenant Lipowski mit 2 Compagnieen und 1 Zug Chasseurs über Diabou auf Doves vor , übernachtet in Chateau de Cambrai und kehrt am 17. über Tillaz zurück. Er erfährt hierbei ,

dafs

die Einwohner Geschützfeuer in der Rich-

tung auf Bonneval vernommen

und schliefst aus den eingezogenen

Erkundigungen , dafs der Feind sich in dieser Richtung vorbewege . Die Nachricht bestätigt sich an demselben Tage durch eine Rekognoszierung des Hauptmann Chabrillard (Franktireure von Paris) über Villiers hinaus. Gleichzeitig läuft die Nachricht von der Concentration des Feindes bei Angerville ein . Tage das Orleans .

9. Armeecorps auf die

In der Nacht vom 21. zum

Bekanntlich rückte an diesem grofse

Strafse

von Paris

22. November gelang es

nach

sodann

bei einem Überfall dem Hauptmann Chabrillard mehrere Gefangene zu machen, welche aussagten, dafs sie seit 4 Tagen unter Befehl des Prinzen Friedrich Karl ständen. Bis zu diesem Tage lieferten die eingehenden Nachrichten also ein ziemlich klares Bild von den Vorgängen beim Gegner und wurde in richtiger Erkennung der Wichtigkeit der Deckung und Aufklärung gegen die Armeeabteilung, die Linie der vorgeschobenen Posten über Varise bis nach Conie , am gleichlautenden Flufslauf, verlängert ,

so

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

155

dafs nunmehr unter Anlehnung des linken Flügels an den Loir die feste Verbindung mit dem 17. Armeecorps hergestellt wurde . Zu diesem Zwecke wurden Abteilungen der Franktireure nach Conie vorgeschoben und dahinter eine Brigade Kavallerie nach Civry und Villentier , südlich von Conie , herangezogen . Im Gegensatz zu der deutschen Oberleitung gestatteten demnach die bis zum 24. einlaufenden Nachrichten dem französischen Befehlshaber einen Einblick in die Maſsnahmen des Gegners zwischen der Strafse Paris- Orleans und Chateaudun - Chartres um dieselbe Zeit , wo der 2. Kavalleriedivision die forcierte Rekognoszierung gegen Artenay befohlen werden musste . Es ist schon erwähnt , dafs am Nachmittage des 25. November die Kavallerievorposten der 2. Kavalleriedivision

allarmiert wurden

und meldeten , dafs unter dem Schutze von Vortruppen bei Orgères andere feindliche Abteilungen auf Artenay abzumarschieren schienen . Diese sehr wesentliche Nachricht , da sie scheinbar die Anzeichen eines Rechtsabmarsches der Franzosen , welcher am Morgen bei Artenay erkannt worden war,

auch auf diesem Teile des

Kriegsschauplatzes

bestätigte , wurde aller Wahrscheinlichkeit nach hervorgerufen durch eine Rekognoscierung der Franctireure von Patay auf Baigneux, welche dem 16. Corps die Nachricht von dem Angriff der Deutschen längs der Pariser Strafse brachte, ohne aber etwas über die Resultate desselben erfahren zu können. In der nun folgenden Periode, in welcher die französischen Vorposten von der Armeeabteilung und einer von Janville entsandten Infanteriebrigade des 9. Corps aus ihrer vorgeschobenen Aufstellung vertrieben wurden , erhielt der Kommandeur des 16. Corps, General Chanzy, die detailliertesten Nachrichten über das Vorrücken des Grofsherzogs und die Concentration seiner Armee bei Orgères. Sie setzten ihn in den Stand, den von Tours aus befohlenenen Vormarsch seines Armeecorps so zu disponieren , dafs er seine wenig operationsfähigen Truppen keinem Flankenangriff aussetzte . Allerdings verdankte er diese günstigen Nachrichten dem Umstande , dafs die Deutschen im Vertrauen auf ihre bessere Gefechtsausbildung und gröfsere Defensivkraft einen Flankenmarsch in der Entfernung von kaum 1/2 Meile vor den französischen Vorposten ausführten . Fassen wir das Gesagte noch einmal zusammen, so ergiebt sich kurz folgendes .

Von dem 16. Armeecorps, welches mit seinen Haupt-

kräften bei les Barres und Bucy St. Liphard steht und den Rest seiner Truppen in die vor den genannten Orten gelegenen Dörfer einquartiert hat, wird eine selbständige Abteilung , bestehend aus 3 Franc11 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

156

tireurcorps und 1 Kavallerieregiment auf eine Entfernung von 3 bis 4 Meilen vorgeschoben .

Sie erhalten den Auftrag ,

das Armeecorps

vor jeder Überraschung zu schützen , die Rekognoszierungen des Feindes möglichst zu hindern ; selbst aber, nach gegenseitiger Vereinbarung, durch Überfälle und weit ins Vorterrain hin unternommene Vorstöfse Nachrichten über das Verhalten des Feindes einzuziehen.

Es gelingt

ihnen, die anreitenden Patrouillen hauptsächlich durch Infanteriefeuer aus den Cantonnements so abzuweisen , dafs die gröfseren Bivouaks des 16. Corps verborgen bleiben, und die Deutschen nicht im Stande sind ,

die Verhältnisse

auf den wichtigen Strafsen

Barres und Morée-Coulmiers aufzuklären .

Chateaudun - les

Dahingegen verstehen es

die kleinen vorgeschobenen Abteilungen der Franctireure , Gefangenschaft zu entziehen und auch dieses Anhaltes zu berauben.

zur Beurteilung der gegnerischen Verhältnisse

In offensiver Beziehung

kleinere Überfälle

sich der

dadurch die deutsche Oberleitung

ausführen ,

aber sehen wir sie beständig

Gefangene der vorgeschobenen Abtei-

lungen des Feindes machen und in den genommenen Cantonnements sich in den Besitz der erlassenen Befehle setzen. Dem abziehenden Gegner folgen gemischte Rekognoscierungs-Detachements auf Entfernungen bis zu 4 Meilen, welche das Terrrain weithin vor der Front aufklären und Nachrichten

einziehen .

mungen verfahren sie selbständig ,

Bei

allen diesen Unterneh-

lösen sich auf mehrere Tage von

aller Verbindung los und sichern sich bei Tage und Nacht durch Cantonnementswachen und Kavalleriepatrouillen.

Halten wir diesen Erfolgen die teilweise ungenauen Meldungen der deutschen Kavallerie gegenüber ,

so dürfte es notwendig sein, einiges über die Umstände hinzuzufügen , welche so verschiedene Resultate bedingten . Der französische Oberbefehlshaber war im Besitze einer genauen Ordre de bataille ,

sowohl der Armeeabteilung des Grofsherzogs von

Mecklenburg, als auch der von Metz in Anmarsch befindlichen Armee des Prinzen Friedrich Karl. Für ihn mufste es daher ein Leichtes sein , aus den verschiedenen einlaufenden Nachrichten die richtigen herauszusondern und auf Grund derselben sich ein klares Bild von den beim Gegner

obwaltenden Verhältnissen zu machen.

Anderer-

seits standen seine Vortruppen im eigenen Lande, dessen Bevölkerung das allerregste Interesse den kriegerischen Ereignissen gegenüber bekundete und mit grofser Rührigkeit der eigenen Armee Nachrichten zu überbringen suchte . Sie setzten die vordersten Abteilungen in den Stand, auf Grund genauer bekannter Verhältnisse und mit Unterstützung der Einwohner Überfälle auszuführen, welche namentlith das

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

157

Einbringen zahlreicher Gefangenen ermöglichten .

Rechnen wir noch

hinzu ,

dafs die französischen Abteilungen tage- und wochenlang an

derselben Stelle standen ,

so

dafs ihnen das Terrain vollständig be-

kannt war , so wird ersichtlich ,

dafs hier das Zusammentreffen der

verschiedensten günstigen Verhältnisse die erlangten Resultate ermöglichte. Dieses hervorzuheben , dürfte von dem gröfsten Interesse sein, da dadurch das Mafs dessen , was man im allgemeinen von solchen, die Kavallerie ergänzenden Formationen zu erwarten hat, bedeutend heruntergedrückt wird . Waren die Umstände somit für die

französischen Vortruppen

entschieden günstige zu nennen , so verhielt sich die Sache auf deutscher Seite gerade umgekehrt . Bei der Verschiedenheit der einlaufenden Nachrichten war es im deutschen Hauptquartier nicht geglückt, eine auch nur annähernd richtige Zusammenstellung der gegzu machen . Nicht einmal die genaue Ein-

nerischen Streitkräfte

teilung der Corps liefs sich mit voller Bestimmtheit feststellen, viel weniger noch die Nummer und Stärke der einzelnen Regimenter der Divisionen. Dazu kam noch , dafs in der französischen Armee Bataillone der verschiedensten Nummern zu Regimentern zusammengestellt wurden, die dann wieder neu numeriert wurden . Infolge dieser Verhältnisse wurde natürlich die richtige Sichtung der einlaufenden Nachrichten fast unmöglich.

Andererseits aber erschwerte der Still-

stand der Operationen im Verein mit dem französischerseits gewählten Modus der Einquartierung den anreitenden Patrouillen ihre Aufgabe, da nirgends gröfsere Massen sichtbar werden konnten . Da nun die deutschen Reiter aufserdem noch durch die feindselige Haltung der Bewohner wesentlich gehindert wurden , so war es ihnen trotz ihrer Rührigkeit nicht möglich, der Oberleitung so wichtige Aufklärung zu verschaffen, wie in dem ersten Teile des Feldzuges . Die Wahrscheinlichkeit der Wiederkehr der geschilderten ähnlicher Verhältnisse liegt auf der Hand.

oder

Auch in der Zukunft

wird eine Armee, deren Kavalleriedivisionen geschlagen wurden , nicht ganz auf Deckung und Aufklärung Verzicht leisten, während andererseits auch in der Folge eine

siegreiche Kavallerie den aus allen

drei Waffengattungen gemischten Vortruppen des Gegners gegenüber versuchen wird, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden, selbst dann noch , wenn ihr der Weg um die Flanke ebenfalls versperrt ist . Unter diesen Umständen aber gewinnen die Ereignisse vor den Schlachten bei Coulmiers und Loigny-Poupry doppeltes Interesse , da sie bei dem durchaus sachgemäßsen Verhalten der beiderseitigen Vortruppen einen Einblick gewähren in die Schwierigkeiten, 11 *

158

Freicorps und Kavalleriedivisionen.

welche in der Zukunft die Kavallerie zu überwinden hat, und somit die besten Anhaltspunkte liefern ,

einmal für das Mafs dessen , was

man von den vorgeschickten Rekognoszierungstruppen zu erwarten berechtigt ist, andererseits aber auch für die Hülfsmittel, mit welchen dieselben ausgerüstet sein müssen , Feindes zu überwinden. ganz besonders

um etwaigen Widerstand des

Was das letztere anbelangt, so springt hier

ins Auge die Abhängigkeit des Mischungsverhält-

nisses von Infanterie und Kavallerie, jenachdem das Erfordernis der Aufklärung oder der Deckung mehr in den Vordergrund tritt.

Auf

französischer Seite ist die Kavallerie nicht im Stande, allein das freie Feld zu behaupten ,

während

andererseits die notwendig gewordene

Reorganisation der jungen Truppen einen unbedingten Schutz selben gegen jede Überraschung

erheischt.

Hier sehen

der-

wir daher

auch Infanterie und Kavallerie in annähernd gleicher Stärke bei den Vortruppen verwandt. Auf deutscher Seite dagegen wechseln die Verhältnisse . Nach Abrücken der Armeeabteilung des Grofsherzogs hatte die Kavallerie lediglich den Auftrag, die Gegend aufzuklären. Sie erfüllt denselben durch kleinere Patrouillen und vorgeschobene Schwadronen , welche indessen durch die feindselige Haltung der Bevölkerung und die Franctireurabteilungen wesentlich behindert werden, da sie nicht im Besitze

einer weittragenden Schufswaffe

sind.

Daher

kommen die deutschen Reiter an der feindlichen Vorpostenlinie zum stehen, die Versuche, um die Flanken herum aufzuklären, miſslingen , die Unternehmungen Einzelner, zwischen den besetzten Dörfern durchzureiten, scheitern an der Wachsamkeit des Feindes. welcher im wesentlichen den der Front der Armee folgt,

Dieser Moment,

entscheidenden Kavalleriekämpfen vor

wird sich in Zukunft günstiger für die

siegreiche Truppe gestalten , da sie in dem Karabiner- und

dem

Shrapnelschufs die Mittel zur Brechung schwächeren Widerstandes besitzt, während man andererseits von der geschlagenen Kavallerie eine regere Thätigkeit erwarten mufs , als sie die französische hier zeigt. Alsdann würde sich auch das Mafs dessen, was hier von den Franctireurs verlangt wurde, herabmindern. Bei der Loire-Armee dauern die oben geschilderten Verhältnisse fort, auf deutscher Seite aber tritt sehr bald eine Änderung ein. Die Armee des Prinzen Friedrich Karl nähert sich und es genügt daher nicht mehr , die Feststellung der feindlichen Vorpostenlinie, sondern es handelt sich nunmehr darum, die Concentrationspunkte der feindlichen Divisionen und Armeeen zu erfahren . Abermals scheitern die Versuche der Patrouillen, durchzureiten, die Schwadronen können aus den angeführten Gründen auf gewaltsamem Wege nichts

aus-

Freicorps und Kavalleriedivisionen. richten ,

159

daher sieht sich die Kavallerie genötigt , Infanterie zu re-

quirieren, um die Aufstellung der gegnerischen Vortruppen zu durchbrechen . Gleichzeitig hiermit wird aber auch noch an die Kavalleriedivisionen die Anforderung gestellt, den hinter ihnen aufmarschierenden Armeecorps Deckung und Schutz gegen Überraschung

zu ge-

währen. Bei der geringen Defensivkraft der Reiterregimenter, namentlich bei Nacht, ist auch hierzu Infanterie erforderlich .

In dem Maſse

wie die Corps und Divisionen der 2. Armee sich den feindlichen Vortruppen nähern, steigern sich auch die Zahl der zur Kavalleriedivision

detachierten Bataillone , bis zum Schlufs

Prinzen Feldmarschall

auf Befehl des

sämtliche vorderen Cantonnements

mit min-

destens je einer Compagnie belegt werden. Auch in der Zukunft dürften ähnliche Zuteilungen an die Reiterregimenter unerlässlich bleiben. Wo es sich um absolute Deckung einer bestimmten Strecke handelt' ,, wird die Defensivkraft der Kavallerie nicht ausreichen.

Anders dagegen verhält es sich mit der

Verwendung der Infanterie

zu Aufklärungszwecken .

Die Resultate

solcher Rekognoszierungsdetachements , wie sie die Franctireure dem geschilderten Zeitraum unternahmen ,

in

sind noch von zu vielen

Zufällen abhängig, um grofse Erfolge zu versprechen .

Mit Fug und

Recht darf dagegen auch von einer besiegten oder schwächeren Kavallerie im Aufklärungsdienste das gefordert werden , was hier die Infanterie leistet. Freilich mufs sie dabei selbständiger gemacht werden , und dieses wird sie durch Bewaffnung mit weittragendem Karabiner und durch Zuteilung von Artillerie.

Auf diese Weise aus-

gerüstet , werden die Reiterschaaren nach Möglichkeit befähigt , die Aufgaben , welche die Oberleitung an sie stellen mufs, ohne anderweitige Hülfe

auszuführen ,

nämlich Durchführung

der geforderten

Aufklärung und Sicherung der eigenen Truppen. Dadurch wird es möglich sein , bei Unternehmungen gegen Flanke und Rücken des Feindes die Kavallerie von der schon bei Aufklärung in der Front lästigen Infanterie zu befreien , ohne ihre Leistungsfähigkeit allzusehr herabzumindern .

Selbst dann noch dürfte es gewagt sein, solche Re-

sultate zu erwarten ,

wie

sie

die Schwadronen im ersten Teile des

Feldzuges zu verzeichnen hatten.

Denn es steht zu erwarten,

dafs

auch auf gegnerischer Seite ähnliche Sicherungsmafsregeln vorgenommen werden und dafs auch in Zukunft die gemischte Unterbringung der Truppen in Cantonnements

und kleineren Bivouaks , sowie die

möglichst zahlreiche Zerlegung der gröfseren Verbände in kleinere Marschkolonnen die Übersicht erschweren werden. Der Moment aber , wo die Kavallerie

zur Überwindung der Schwierigkeiten beim Auf-

Gerhard David von Scharnhorst.

160

klären genötigt sein wird, auf die Infanterie zurückzuzugreifen , darf nur dann eintreten , wenn die Verwendung geschlossener Compagnieen und Bataillone zur Durchführung der gestellten Aufgabe notwendig sein

wird.

So lange

solche

kleine Rekognoszierungsdetachements ,

wie die Franctireure sie vorschickten , noch Erfolge erzielen, ist die Infanterie überflüssig , da 2 oder 3 Schwadronen derartige Aufträge besser erledigen können. Auf diese Weise aber wird die Zahl der Fälle , wo die aus Kavallerie und Artillerie zusammengesetzten Divisionen der Unterstützung der Infanterie benötigt sind ,

in der Zukunft noch mehr beschränkt,

als während der geschilderten Periode , und damit auch kein Grund vorliegen ,

von

dem gewählten Modus der nach Bedarf erfolgenden

Kommandierung einzelner Compagnieen oder Bataillone abzugehen .

XII .

Gerhard David von Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild .

Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition. (Fortsetzung.) IV. Nach

dem

Das Reorganisationswerk.

unglücklichen Kriege wurde

alles

fahrungen hatten wie Donnerschläge gewirkt ,

anders ; die Er-

die Mängel unseres

Heerwesens waren scharf beleuchtet, die Widersacher des neuen Zeitgeistes

zum

Schweigen gebracht worden .

Das Vaterland brauchte

Hülfe, und diejenigen , welche sie gewähren konnten , mussten , über alle früheren Bedenken hinweg , in Anspruch kommen ; jede Rücksicht auf Rang und Verbindung , Partei und Autorität war vom Sturm hinweggefegt.

Der Monarch war schwer gebeugt, aber um so heller

glänzten Seine Tugenden ; zeitgemässe

auch bekam Er mehr Spielraum für die

Strebung und konnte

den schon vorher accentuierten

Scharnhorst jetzt in sein volles Licht treten lassen . Wie benahm sich letzterer dem unerhörten Verhängnisse gegen-

über , wie

erklärte

er es ,

welches Urteil wurde von ihm über den

Gerhard David von Scharnhorst.

161

Sieger gefällt, und welche Hoffnungen und Haltepunkte schimmerten jetzt, wo alles dunkel und trostlos schien, dennoch aus seinem Geiste hervor? „ Das geschehene Unglück ist grofs , aber was jetzt schwer auf uns lastet , wird gerade zum Guten führen. Die preussische Armee war

auf den Lorbeeren

Friedrichs

geschlafen und mufste diese Niederlage erleben , Trägheit

und

Selbstüberschätzung

Waffenrüstung

abzuthun ,

samt

der

um

eindie

morschen

von der ausgelebten Form zu

zeitgemäfsen Gestaltungen überzugehen .

Der gute Geist

des Heeres und Volkes lebt fort , und durch ihn wird sich zuerst die gedeihliche

Umwandlung

neuete Sieg vollziehen.

Das System der Erneuerung muſs

human ,

und

dann

der

er-

volkstümlich und auf geistiger Grundlage sein ,

dann wird man mit ihm durchdringen .

Die äufseren Halte-

punkte des Gelingens liefert uns der Feind selbst , den man nicht unterschätzen aber doch in seinen Blöfsen erkennen soll.

Napoleon besitzt viel militärisches Genie ,

aber ihm fehlt der Schwerpunkt Friedrichs

des Grofsen ;

da er keine Mäfsigung im Glücke zeigt , so entbehrt er des Gleichgewichts , und ohne dieses giebt es keinen dauernden Sieg.

Die Kraft der französischen Nation liegt in

ihrer aus der Revolution entsprungenen Begeisterung , aber diese artete aus und begann sich zu ruinieren. Die feindliche Macht reicht kaum mehr über die Grenzen der Gewaltthätigkeit hinaus und diese sind , aller Erfahrung nach , nur eng ; je gröfseren Hafs der französische Übermut säet und je mehr daran die Energie aller deutschen Völker emporwächst , desto früher kommt hier die Auferstehung und dort der Zusammenbruch. Es braucht nur der günstigen Gelegenheit und diese wird kommen ;

inzwischen

aber mufs mit Mut und Klugheit alles vorbereitet werden , damit , wenn der Moment da ist , die Nation schlagfertig sei und auf den Ruf ihres Landesherrn wie ein Mann ins Gewehr treten kann. " Solche Urteile trafen wohl den Nagel auf den Kopf und wirkten in ihnen beruhende Wahrheit fast handgreiflich und ihr Autor, ein Mann der Praxis, in seiner Umschau und Gründlichkeit schon bewährt und voll des nüchternsten Verstandes war. umsomehr ,

als

die

Niemand erkannte den goldenen Kern dieser Aussprache, sowie des Sprechers mehr als der König Selbst.

Seine gute Meinung von

Gerhard David von Scharnhorst.

162

Scharnhorst , der in schlichter Form einen so mächtigen Geist barg , der viel mehr war als er schien, so garnicht sich selbst und so sehr den Staat in Betrachtung nahm ,

das Gröfste, was es in dieser Zeit

gab ,

so einsichtsvoll und freimütig , hoffnungsreich und präcise besprach, — diese gute Meinung kam jetzt auf den Gipfel.

Das gab den Ausschlag und stellte Scharnhorst an die Spitze der zur Reorganisation des Heeres berufenen Kommission , welche durch Königliche Ordre vom 25. Juli 1807 eingesetzt wurde und aufser Scharnhorst noch aus dem Generalmajor v. Massenbach, dem Oberstlieutenant Grafen Lottum, dem Oberstlieutenant und Flügeladjutanten v. Bronikowski, dem Oberstlieutenant und Kommandanten von Colberg v. Gneisenau und dem Major v. Grolman bestand ; im Laufe desselben Jahres wurden noch die Oberstlieutenants und Flügeladjutanten Graf Götzen und v. Borstell zugezogen . 1808 aber schieden Bronikowski und Borstell wieder aus , während der Major v. Boyen in die Kommission trat.

Der damalige Stabskapitän

v. Clausewitz gehörte allerdings nicht in diesen Verband, da er aber nicht nur Scharnhorst's liebster und talentvollster Schüler , sondern auch von 1809 bis 1812 sein Adjutant und vertrauter Arbeiter, zumal in betreff der aus besonderen Rücksichten geheim zu haltenden Bewaffnungspläne, war, so hat er dem Reorganisationswerke unbedingt nahe gestanden .* ) Als der König diese Männer schon 16 Tage nach Abschlufs des Tilsiter Friedens

zu Sich nach Memel berief, that Er ihnen Seine

Absicht kund , vermöge ihrer das jetzt ganz darniederliegende preufsische Heerwesen ,

unter neuen Bedingungen und in einem neuen Geiste,

wieder aufzubauen ; man vergesse nie , dafs dieser grofse Entschlufs , Sein Eigenster - um so gröfser in jener damaligen Sturmflut war,

die

ursprünglichen Intentionen der Reform sämtlich von Ihm

kamen, und Er die Männer, welche ein solches Riesenwerk vollbringen sollten, ganz Selbständig gewählt hatte. So wie die Umstände lagen , mufste schnell und gründlich gehandelt werden ,

dazu bedurfte

es hoher Eigenschaften , geeinigter

Kräfte und gänzlicher Opferwilligkeit der Betreffenden ; dies alles vorausgesetzt, war aber auch das dieser Kommission vertraute Werk von solcher Art, dafs es nicht in militärischer Ausschliefslichkeit, sondern nur Hand in Hand mit der ebenso unerlässlichen Reform des Civilstaates. ausgeführt werden konnte .

Es handelte sich darum ,

die neue Ge-

staltung des Heerwesens mit der Nation in Einklang zu setzen , und

*) H. v. Boyen, Beiträge zur Kenntnis des Generals v. Scharnhorst etc. S. 44

Gerhard David von Scharnhorst.

da überdies

sowohl die

163

einstweilige Bestimmung wie

die künftige

Einrichtung des Heeres mit den Finanzen, der Politik und künftigen Staatsverfassung zusammenhing , so lag es in der Natur der Sache , dafs auch derjenige Staatsmann ,

dem die Leitung

des Civilstaates anvertraut war ,

sich bei den Beratungen der mili-

tärischen

und Neubildung

Reorganisationskommission beteiligen mufste.

Sinne befahl

In

eine Kabinetsordre vom 5. Oktober 1807 :

diesem

„ Dafs der

Staatsminister Freiherr v. Stein, dem die Leitung aller Civilangelegenheiten des Staates anvertraut, bei der Militärorganisation mitzuwirken habe u. s . w. "

Dies geschah ,

im Interesse des Ganzen ,

wirklich,

und wenn es auch seiner nicht bedurfte , um dem Gedankenzuge Scharnhorst's

und Gneisenau's ,

sowie ihrer

sprechende hohe Richtung zu geben ,

Mitarbeiter ,

die

ent-

so war es doch überaus wert-

voll , dafs er in seinem Sinne und Willen mit jenen Männern ganz zusammentraf und sich hierdurch die militärische in voller Harmonie mit der civilen Reform gestalten konnte . Scharnhorst war von seiner grofsen Aufgabe wohl ganz erfüllt , aber doch blickte er auf die vermöge

einer gemischten Kommission

ihm entgegentretenden Schwierigkeiten nicht ohne Besorgnis, und ein von ihm an Clausewitz gerichtetes Schreiben vom 27. November 1807 kennzeichnete sowohl diese Wolke auf seiner Stirn , haupt seine darin :

damalige Anschauung

als auch über-

sehr charakteristisch.

Er

sagt

„Ohne dafs ich es vorher wufste , avancierte mich der König und übertrug mir die Reorganisation mit einer s'ehr heterogen zusammengesetzten Kommission. Freunde habe ich mir nicht zu machen gesucht , und wenn es möglich ist , so wird man mich vom Könige zu entfernen suchen , obgleich dieser mir sehr gnädig ist. - Eine ehrenvolle Existenz steht mir auch anderwärts offen , aber Liebe und Dankbarkeit gegen den König , grofse Anhänglichkeit , an das Schicksal des Staates und der Nation hält mich hier fest und wird es thun , so lange ich glaube hier nützlich sein zu können . Wir arbeiten auf eine innere Reorganisation des Militärs ,

zumal auch auf dessen Geist

hin , und der König hat Sich nicht nur willig

und ganz

ohne Vorurteil gezeigt , sondern uns sehr viele , dem Geist und den neuen Verhältnissen

entsprechende

Ideeen

ge-

geben. Folgt der König dem neuen Entwurfe , den Er zum Teil schon sanktioniert hat , stellen sich nicht Vorurteile in den Weg und scheitern wir nicht an schlechten Aus-

Gerhard David von Scharnhorst.

164

führern und Ausführungen , so wird das neue Heer , klein

es

auch immer sein mag ,

wie

sich in einem anderen

Geiste seiner Bestimmung nähern und mit den Bürgern des Staates in ein näheres Verhältnis treten u. s. w. — “ Diese Aussprache läfst eine sehr bescheidene Zurückhaltung erkennen und sagt doch sehr viel ; von ihr wird manche Stelle unserer gegenwärtigen Schrift bestätigt werden. Was die Reorganisationskommission

betrifft ,

so waren Scharn-

horst und Gneisenau, die, sowohl ihren Gesinnungen als ihrem Genie nach ,

voll übereinstimmten ,

die Häupter

derselben ;

Grolman

und

Götzen , sowie späterhin Boyen und Clausewitz schlossen sich ganz sympathisch an dieselben, Bronikowski und Borstell aber zeigten sich gegnerisch. Diese waren die Repräsentanten des Altherkömmlichen, während Scharnhorst den zeitgemässen Fortschritt vertrat und deshalb von jenen ,

so lange sie der Kommission

gehemmt und angefochten wurde .

angehörten ,

stets

Die verbliebenen Akten weisen es

nach , dafs sich hier nicht blos Meinungsdifferenzen, sondern konträre Strebungen, absolute Gegensätze begegneten ; man sah auch an dieser Stelle , dafs jede Umwandlung öffentlicher Zustände ihren Kampf zu bestehen hat. Wenn die Gegner Scharnhorst's durchgedrungen wären, so hätte man kein Nationalheer und in diesem Falle auch wohl keine Wiederherstellung des Vaterlandes erschwungen ; jene Beratungen entschieden über Preufsens

ganze Zukunft ,

und

es war unermesslich

wertvoll , dafs Scharnhorst so viel opferwilligen Patriotismus besafs , sich von seinem Vorhaben durch nichts abwendig machen zu lassen. Je weiter man vorschritt , desto harmonischer wurden , zumal nach dem Austritt Bronikowski's und Borstell's, die Beratungen , desto schneller gingen die Restultate hervor und desto mehr traten Gneisenau , Grolman und Boyen unter sich und mit Scharnhorst in ein Verhältnis richtiger Gegenseitigkeit und Ergänzung. Sie kannten ihr Ziel und einigten sich über

die grofsen Mittel und Wege , im

einzelnen aber wufste jeder von ihnen sein eigenes Ich der Sache des Vaterlandes unterzuordnen .

Jedes Werk bedarf eines festen Grundgedankens und durch ihn bestimmten Planes ; für diese ungeheuere Arbeit einer das ganze System wechselnden Heeresreform waren solche Vorbedingungen um so unerlässlicher. Jene Grundidee kann nur aus einem Geiste hervorgehen, je gröfser das in Betracht kommende Werk ist, desto mehr wird ersterer die Kräfte der Aufserordentlichkeit besitzen müssen. Die Idee wird in ihrer Ausführung gemodelt werden, der Plan kann

Gerhard David von Scharnhorst.

165

aus Beratungen hervorgehen , aber keine Konferenz der Welt vermag ohne die aus der geistigen Einheit entsprungene Vorlage etwas zu schaffen. Diese Einheit beruhte für das gegenwärtige Reorganisationswerk in Scharnhorst, die Idee aber, von der er ausging, besagte : „ dafs die geringe Streitmacht , welche der preufsische Staat jetzt nur als

stehendes Heer halten könne ,

so

organisieren sei , um unserer waffenfähigen Jugend

zu

eine

Bildungsschule sein und ihr einen Kern geben zu können , bei dem sie rastlos geübt und um den sie , wenn der richtige Stundenschlag gekommen , versammelt werden solle." Diese Idee zeigte

zum

Befreiungskampfe

das Ziel und bestimmte die Hauptoperation ;

in ihr war aber auch zugleich die Notwendigkeit ausgedrückt, jenen festen und für das Übrige mafsgebenden Stamm so zu formieren, zu bilden und zu disziplinieren , wie es in den jetzigen Bedingungen von Zeit und Welt lag . Diese Prozedur mufste also allen anderen vorausgehen, die Hauptfrage, mit der alles Andere sowohl in Sinnesverbindung als in äufserem Zusammenhange stand , war diejenige der Ergänzung des Heeres. Die bisherige Rekrutierung

durch Ausländer widersprach nicht

nur der Idee einer Nationalbewaffnung ,

sondern war auch zu teuer,

und in jetzigen Umständen schon äufserlich ganz unausführbar.

Das

Kantonsystem, so wie es bisher als Ausülfsmittel gewesen, würde dem Heere nicht in ausreichender Menge solche Streiter, wie sie Scharnhorst wollte, eingebracht haben, es mufste von allen bisherigen Mifsbräuchen gereinigt und so gestaltet werden , setzungen schon von vornherein angebahnt war.

die

dafs durch seine Fest-

allgemeine

Militärdienstpflicht

Diese konnte nur lebensfähig werden, wenn man den

Geist der Nation für sie gewann , und hier lag der Druckpunkt des Ganzen , aus welchem sich auch

sogleich die Mittel für eine neue

Bildung und Disziplinierung des Heeres ergaben .

Nur wenn

die entehrende Bestrafung des Soldaten fällt , die Disziplin auf das Ehr- und Pflichtgefühl gestellt und der Patriotismus

zur Axe des

Heerwesens gemacht wird, das Aufsteigen zu höheren militärischen Stufen nicht mehr vom Geburtsrange, sondern von Kenntnis und Verdienst abhängt , wenn es also keine Abschreckungsmittel mehr , sondern nur Strebepunkte des Kriegsberufes giebt, nur dann fällt die Scheidewand zwischen Volk und Heer, und wendet sich der Geist des ersteren der allgemeinen Dienstpflicht so sympathisch zu , wie es notwendig

ist ,

um das Heer stets durch gute Elemente des Inlandes

Gerhard David von Scharnhorst.

166

ergänzen zu können . Wenn das erreicht ist, dann bekommt man den Kern unserer Streitmacht, wie man ihn braucht , und der durch ihn zu bewirkenden Kriegsausbildung unserer vaterländischen Jugend begegnet von innen keine Schwierigkeit mehr ; nach aufsen hin muſs man vorsichtig sein .

Je schneller und präciser alles geschieht und

je mehr die Lust und Liebe allen Auszubildenden zu Hülfe kommt , desto sicherer wird, wenn erst die Stunde geschlagen, uns der Erfolg sein. Das Reorganisationswerk wurde damit begonnen, dafs der König in Eigenhändiger Schrift 19 verschiedene Punkte bezeichnete , welche, als Vorlage für die Kommission , werden sollten.

von

dieser in Beratung gezogen

Die ersten beiden Punkte, welche die Behandlung pflichtuntreuer oder doch in ihrem Verhalten zweifelhaft gebliebener Offiziere anging, überwies man an eine besondere und mit bezüglicher Instruktion versehene Untersuchungskommission , welche ihr überaus umfangreiches und verwickeltes Geschäft erst 1812 beendigen konnte. horst's Urteil über die 1806

Dafs Scharn-

kompromittierten Offiziere

ein sehr strenges war , beruhte auf einer so präcisen Auffassung der Kriegerehre, wie sie dem normalen Soldatentum unerlässlich ist. Vielleicht ging er damit in betreff Einzelner, die nur vom Strome fortgerissen waren oder vermöge zu blinder Subordination gefehlt hatten , zu weit,

aber wo fürs Ganze die Strenge so unerlässlich ist , kann der

Einzelne , nur

wenn Hauptthatsachen für ihn reden , glimpflicher als

nach dem allgemeinen Prinzipe bemessen werden . Obgleich sich mildernde Gegenwirkungen geltend machten , so wurde doch für jene Untersuchungskommission die Begriffsweise Scharnhorst's sehr maſsgebend und die Zahl derjenigen Offiziere , welche für kompromittiert befunden und deshalb entfernt , ja selbst bestraft wurden , war nicht unbedeutend. Ausserdem mufsten, in Gemäfsheit des der Neubildung des Heeres zu grunde liegenden Hauptgedankens

und bei dem jetzt

so verringerten Präsenzstande der Armee, auch die mehr und minder abgestumpften und

sonst noch viel

andere Offiziere des alten Be-

standes von der Wiederanstellung ausgeschlossen bleiben, so daſs für jetzt nur eine knapp bemessene Quintessenz aller Offizierchargen reaktiviert wurde , und die übrigen , bei nachgewiesenem Wohlverhalten, auf Halbsold oder zur Pensionierung kamen . von der Nation gebildet ,

Als dann 1813 ,

wiederum ein grofses preufsisches Heer

auf den Kampfplatz trat , strömten die ausgeschiedenen und noch dienstfähigen Offiziere wieder zu ihren Fahnen, und es werden selbst solche , welche 1806 ein Vorwurf traf ,

auf den Schlachtfeldern des

Gerhard David von Scharnhorst.

Freiheitskrieges heldenmütig gekämpft haben . horst schon bei Grofs-Görschen ganze

Feldzug

von

167 Vielleicht hat Scharn-

dergleichen bemerkt ;

1813 vergönnt

gewesen ,

dann

wäre ihm der würden

seine

Beobachtungen gewifs manches frühere Urteil gemildert haben. Auch die Beantwortung der anderen Punkte der Königlichen Vorlage erfolgte schnell und diente bereits zur Überleitung der letzteren in bestimmte Formen ; ihren wesentlichen Inhalt drückten die nachher und allmählich hervorgehenden Allerhöchsten Bestimmungen aus. in betreff der Kommissionssitzungen

verbliebenen Protokolle

zeichnen durchweg Scharnhorst's entscheidenden Einfluss

Die

kenn-

auf alles ,

was beraten und gutachtlich geäufsert bezw. in Vorschlag gebracht wurde ;

vielfach

finden

sich darin auch Abänderungen und Zusätze

seiner eigenen Hand . An die Erledigung der Königlichen Vorlagen wurden aber aufserdem noch zahlreiche Memoriale einzelner Kommissionsmitglieder geknüpft, und darunter thaten sich diejenigen Scharnhorst's ganz besonders hervor. Die meisten dieser Denkschriften kennzeichneten sein unablässiges Streben nach allgemeiner Landesbewaffnung , vermöge deren, einem damals sehr zu besorgenden französischen Angriffe gegenüber, König und Vaterland geschützt werden möchten. der 1808 in

Boyen,

die Reorganisationskommission und den Führern der-

selben sehr nahe trat , äufsert sich über dergleichen eingehend und spricht sogar aus, dafs dieser Gedanke in allen vertraulichen Unterredungen zwischen Scharnhorst und Gneisenau stets erörtert wurde , und durch alles, was nach dieser Richtung hin geschah, so sehr auch der französische

Druck

und

Argwohn

ihm jede

äufsere Verwirk-

lichung abschnitt, der Gedanke an die Notwendigkeit einer allgemeinen Landesbewaffnung in allen Provinzen stetig zunahm und schliefslich in die vorwiegende Volksstimmung überging. *) Im Sinne seines angedeuteten Strebens

überreichte Scharnhorst

schon am 31. Juli 1807 dem Könige ein belangreiches „ Memorial über Landesverteidigung und Errichtung einer Nationalmiliz ", in welchem sich bereits eine Art Prototyp des späteren Landwehrsystems

aussprach.

Die Idee

der Miliz

an sich war bei

uns nicht neu, sie hatte vielmehr schon im 17. und 18. Jahrhundert, zumal während des siebenjährigen Krieges, eine Bethätigung gefunden, und ganz neuzeitig noch waren dem Könige durch Rüchel und Knesebeck Projekte zur Errichtung von Landmilizen ,

die nur dann der

unglückliche Krieg zurückgedrängt hatte, vorgelegt worden.

*) Boyen's cit. Beiträge u . s. w. SS . 31-36.

Scharn-

168

Gerhard David von Scharnhorst.

horst gründete also

seinen gegenwärtigen Vorschlag auf ein histo-

risches Fundament und formte ihn aus historischen Bausteinen, aber und mit gröfserer Tendenz.

doch in neuer Fassung

Er führte in

diesem Schriftstücke aus, dafs man in jetziger Lage des Staates und bei einer nur kleinen Armee sich , der Gefahr eines feindlichen Angriffes

gegenüber ,

Streitkraft

stets

einrichten müsse ,

so

bereit

zu

haben ;

nationale

gröfsere

eine

es bei noch fort-

auch dafs

dauernder Ruhe wertvoll sein würde , vermöge einer solchen Institution

überhaupt ,

das Nationalgefühl

zu wecken , Volk und Waffen-

beruf zu einigen und so nicht nur die physische , moralische Verteidigungsfähigkeit des Staates

sondern auch die

möglichst zu heben.

Dieser Gedanke war neu und gehörte Scharnhorst sowie dem Geiste der jetzt arbeitenden Heeresreform an . Da dieser Vorschlag dem Monarchen aus so trat Scharnhorst

noch unzulässig erschien , mit

einem

auf

dasselbe

nämlich dem „Entwurfe

Ziel

gerichteten

allerlei Rücksichten vier Wochen

anderweitigen

später Propos ,

zur Bildung einer Reserve armee ",

den er auch selbst verfafst hatte , hervor und überreichte ihn im Namen der Kommission .

Nach diesem Vorschlage sollten alle waffen-

fähigen Männer zwischen 18 und 30 Jahren , welche nicht zur stehenden Armee gehören ,

sich zur Friedenszeit auf eigene Kosten be-

waffnen, kleiden und üben, um eine zur Erhaltung der inneren Ruhe und zur Abwehr eines das Land angreifenden Feindes dienende Reservearmee zu bilden, welche die resp . Provinzen nur da verläfst, wo die Dieselbe wird nach ihrer ZuDeckung der Monarchie es fordert. sammenziehung mit Proviant verpflegt und die Individuen derselben treten nach dem Verlassen ihrer heimatlichen Bezirke auch in die Besoldung des Staates.

Da nun § 2

dieses Entwurfes auch sagt,

dafs zum stehenden Heere alle diejenigen streitbaren Männer gehören sollen, welche sich nicht selbst bewaffnen, kleiden und üben können , so

wurde

durch diese

ganze Vorlage augenfällig die

allgemeine

Dienstpflicht und die Wehrbarmachung des ganzen Volkes erstrebt. Scharnhorst, Gneisenau und Boyen waren hierüber ganz einverstanden und die einsichtigsten Patrioten standen gewifs schon jetzt auf ihrer Seite ; die Menge des Volkes konnte erst allmählich für dergleichen gewonnen werden und ein Bruchteil Verneinender fand sich zu jeder Zeit. Die Ansichten des Königs

stimmten diesem neuen Vorschlage

doch in der Hauptsache zu und wenn letzterer dennoch für jetzt keine Verwertung fand, so lag dies an einer von den Vorschlägen der Kommission und den Entschliefsungen des Monarchen unabhän-

Gerhard David von Scharnhorst.

169

gigen Gewalt der Umstände . Die Idee der Volksbewaffnung wurde inzwischen nur im Sinne der gleich eingängig erwähnten Ausbildung unserer waffenfähigen Jugend durchgeführt ; das jetzige Programm der Reservearmee aber reproduzierte sich nachmals ,

als es noch weiter

entwickelt in das Wesen der Nation eingegangen und des äusseren Zwanges entledigt worden war, in der Organisation

der Landwehr

von 1813 , dem Gesetze vom 9. Februar dieses Jahres, dem Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienst

von 1814 und der Land-

wehrordnung von 1815 . Da in betreff der letzten Eingabe vom Könige eine Motivierung mancher Positionen gewünscht war, so arbeitete Scharnhorst den ganzen Entwurf nochmals um und reichte seine Neuausfertigung unter dem Titel : " Vorläufiger Entwurf der Verfassung der Provinzialtruppen " dann wieder ein ; - aber alle diese Vorschläge wurden bezüglich ihrer Verwirklichung vorerst schon durch den Pariser Traktat vom 8. September 1808 , welcher das Maximum der zu haltenden Streitmacht Preufsens genau bestimmte und die Errichtung Sie lebten und wirkten von Milizen ganz verbot, zurückgedrängt. dabei innerlich weiter fort und es war bewunderungswürdig genug , dafs ihr geistiges und geistig arbeitendes Kapital auch weit über den Pariser Traktat hinaus noch immer durch neue Vorschläge desselben Sinnes vermehrt wurde . Wenn man noch zwei die Organisation der Artillerie betreffende eigenhändige Schriften Scharnhorsts und die Eingaben der Kommission in betreff der oberen Militärärzte und zur Reorganisation der Militärerziehungs- und Bildungsinstitute , diese sämtlich im Oktober, sodann eine Eingabe über Infanteriedepots vom 28. November und den Entwurf eines Verpflegungsetats für ein Infanterieregiment nebst begleitendem Promemoria vom 18. Dezember 1807 hinzurechnet , so giebt das im wesentlichen die auf das Jahr 1807 fallenden Arbeiten der Kommission, bei welchen Scharnhorst das meiste thaten.

und Gneisenau unbedingt

Die faktische Reorganisation von 1807 Wechselwirkung mit jenen Vorschlägen

fand in unmittelbarer

statt ;

der König arbeitete

eben so rastlos wie seine Kommission , die Verordnungen erschienen so schnell , wie es den Umständen nach möglich war . Die Verabschiedung der den abgetretenen Provinzen zugehörigen oder sonst vom Wiedereintritt ausgeschlossenen Offiziere trat ein ; die bisherige Uniformierung wurde verändert, der Präsenzstand der Compagnieen beschränkt u. s . w.; noch tiefer eingreifend waren die eine neue Formation der Infanterie und Kavallerie festsetzenden Kabinetsordres und

Gerhard David von Scharnhorst .

170

ein ganz aufserordentlicher Wert mufste jenem Königlichen Erlasse vom 17. Dezember 1807 beigelegt werden, welcher dem Prinzipe, die ausländische Werbung eingehen zu lassen, durch Aufhebung der Werbegelder bereits Ausdruck gab. Die Kommission hatte ,

trotz

selbst beruhenden Schwierigkeiten ,

aller äufseren und auch in ihr in

diesen

ihrer Funktionierung schon viel gethan ,

ersten fünf Monaten

so viel ,

dafs vermöge des

Druckes von aufsen die vollziehende Aktion der Regierung immer einigermafsen dahinter zurückblieb ; - aber gleichwohl entstand ihr Mifsbilligung und Gegnerschaft, die sich nicht blos in weiteren Offizierkreisen ,

sondern

auch unter der Umgebung

des Monarchen zeigte .

Einigen trat das verheifsene Neue nicht schnell genug hervor, Andere konnten sich mit der hereintretenden oder am Horizonte stehenden Neugestaltung überhaupt nicht befreunden ;

es würde aber einer so

bevollmächtigten und nach so neuen Prinzipien schaffenden Kommission zu keiner Zeit und an keiner Stelle der Welt anders gegangen sein. Die Spitze dieses Mifsvergnügens richtete sich natürlich gegen Scharnhorst, er sah sich wie in der Kommission selbst so auch von aufserhalb bedroht und die Besorgnisse , welche er gleich anfänglich in seinem Schreiben an Clausewitz *) ausgedrückt, fanden schon jetzt ihre Bestätigung.

War das Vertrauen des Königs

zu Scharnhorst

auch grofs, so blieb der Einfluss der unablässig dagegen arbeitenden Partei doch wohl nicht ganz wirkungslos, und von Scharnhorst selbst wurde die Kabinetsordre vom 21. Dezember 1807 ,

welche über die

fernerweitige Reihenfolge der Kommissionsarbeiten verfügte, im Sinne königlicher Unzufriedenheit gedeutet.

Er war darauf gefafst, aus der

Nähe des Königs verdrängt zu werden und Gneisenau reichte sogar im Januar 1808 seine Entlassung aus der Kommission ein, die aber vom Könige huldvoll abgelehnt wurde. **) Kommission geschieden und

Wäre Gneisenau aus der

hätte

sich Borstell in ihr behauptet,

dann würde auch wohl Scharnhorst

das Feld geräumt und sodann

die Gegenpartei es möglich gemacht haben, dem Reorganisationswerke eine andere Richtung zu geben ;

da

aber Gneisenau blieb und für

Borstell Götzen eintrat, so konnte unser Held, am Ruder ausharrend, sein Werk gedeihlich fortführen. Im Jahre 1808 arbeitete die Kommission eifrig weiter ; die thatsächliche Vollführung wurde wohl

dadurch ,

Teil unseres Landes und seiner Mittel in

*) Vergl . S. 163. **) Pertz cit. I. 334, 335.

dafs noch der grösste

feindlichen Händen lag,

Gerhard David von Scharnhorst.

171

sehr aufgehalten , aber doch kam bis zur Pariser Konvention *)

viel

zu stande, und es ist davon eine vorläufige Instruktion für die Übung der Truppen vom 3. Juni, eine Kabinetsordre vom 25. Juli , welche das Exerzieren der beurlaubten Mannschaften in den Kantons befahl, die Verordnung vom 3. August , welche neue Kriegsartikel u. s . w. in Kraft setzte, und sind die Ordres

vom 6. August ,

welche

eine

Regulierung der Kantons und des Ersatzes für die Regimenter , andererseits ein Reglement in betreff der Ergänzung des Offiziercorps und der Prüfungen der Offizieraspiranten , besonders hervorzuheben. Die humane Disziplin kam hiermit schon in Schwung, das Offiziertum ordnete sich unter seine neuen Bedingungen , der Ersatzmodus des Heeres war in die ihm durch den Reformplan zugedachten Wege geleitet.

Hiermit kam schon

Scharnhorst

ein gutes Teil von demjenigen , was

erstrebte , zu Stand und Wesen ,

zumal

sind

dadurch

jene Vorbedingungen der Wehrbarmachung unseres Volkes ,

welche

den Geist der Nation der allgemeinen Dienstpflicht und dem Kriegsberufe zuwenden sollten, schon gröfstenteils erfüllt worden. Nach der Pariser Konvention wurde der Staat in sechs Militärkantons und die Armee , je ebenso

viele Brigaden

nach den jetzigen sechs Provinzen , in

eingeteilt **) ,

eine Organisation

Militärbehörden durchgeführt und dergleichen mehr,

der oberen nicht zu ge-

denken der sehr zahlreichen Bestimmungen fürs Einzelne .

Die For-

mation des jetzigen stehenden Heeres wurde durch das, was bis zum Ausgange von 1808 geschah, schon im wesentlichen vollbracht, und man nahm beim Übergange zu 1809 schon den Standpunkt ein, aus dem bis hierher Geschehenen die Durchführbarkeit des planmässigen Ganzen folgern und so das Gelingen des gröfsten nationalen Vorhabens , was es jemals gab, schon mit einiger Sicherheit in Aussicht nehmen zu können. Was speziell Scharnhorst betrifft , so unterzog er sich , nächst seiner Leitung des Ganzen, auch noch besonders in diesem wie im vorigen Jahre den belangreichsten Arbeiten . Vorerst springt ein in den Akten der Reorganisations-Kommission befindliches Schriftstück ins Auge , in welchem Vorschläge zur künftigen Einrichtung des Generalstabes enthalten sind. Es trägt weder Datum noch Unterschrift , von 1808 entstanden

ist

aber unzweifelhaft im anfange

und von dem damaligen Major v. Rauch , im

*) Am 8. September 1808. **) Mit zusammen 44 Bataillonen, 76 Eskadrons (inkl. Garde) und einer noch unbestimmten Artillerie in Summa kaum 42 000 Mann. 12 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Gerhard David von Scharnhorst.

172

besonderen Auftrage Scharnhorsts verfafst

worden ,

hat

also doch

diesen, dessen ganze Begriffsweise sich darin spiegelt, zum intellektuellen Urheber gehabt. *)

Allerdings

kam dieser Vorschlag nicht

nach seinem ganzen Umfange zur Ausführung, aber doch wurden bei der späteren Geschäftseinteilung des Generalstabes wesentliche Punkte jenes ersteren berücksichtigt. Hierzu gehört namentlich das Prinzip : den Generalstab in eine enge Verbindung mit den Truppen zu setzen, sowie auch diese noch jetzt bestehende Teilung seiner Mitglieder zu bewirken, welche das Zweierlei , einmal des grofsen Generalstabes und zweitens der Generalstäbe bei den Armeecorps und Divisionen , erkennen lässt. Gneisenau wurde am 24. Mai 1808 zum Inspekteur der Festungen ernannt, und wenn er als solcher eine zwischen ihm und Scharnhorst vereinbarte Instruktion für die Gouverneure und Kommandanten erliefs, so machte Scharnhorst auch noch einen dieselbe verschärfenden Zusatz **) , welcher die Pflichten der Kommandanten noch mehr präzisierte, und im Hinblick auf das gerade nach dieser Richtung hin Verfehlte gewifs sehr nützlich war. Die durch Kabinetsordre vom 25. Dezember 1808 bewirkte Einrichtung des Kriegsdepartements

machte Scharnhorst auch formell

zum Kriegsminister, wie er es faktisch schon seit 1807 gewesen war und präzisierte

auch für diese Funktion sein Verhältnis

mit dem

Könige . Dieser mufste durch Rapporte und Vorträge in stets genauer Verbindung mit dem Militärwesen erhalten werden, und nicht minder war jede organische Veränderung durch ihn zu vollziehen und ein besonderes Reglement schrieb dem Kriegsminister

vor ,

welche

Verfügungen er unmittelbar und welche anderen nur auf Allerhöchsten Befehl erlassen durfte . Schaffen

im

Heere ,

Dieser Modus liefs ihm für sein eigenstes

wie für

seine

geistige

Einwirkung

auf den

Monarchen einen immerhin bedeutenden Spielraum; er benutzte ihn stets so normal, wie es in seinem edlen Charakter und seiner dem Besten des Vaterlandes gewidmeten Strebung lag. Als Präses der Reorganisationskommission einer- und als Kriegsminister andererseits mufste Scharnhorst wohl bei allen Neuentstehungen des Heerwesens zumeist beteiligt sein , schäftigte ihn aber auf dem Übergange zu 1809

ganz speziell beund auch noch

*) Vergl. das Werk : „ Die Reorganisation der preufsischen Armee nach dem Tilsiter Frieden etc. Zweites Heft, dritter Abschnitt : Das Jahr 1808 (Beiheft zum Militär-Wochenblatt pro Mai bis inkl. Dezember 1856) SS. 223 ff. , 303 ff. “ **) Die Instruktion findet sich Pertz cit. I. 355 ff., der Zusatz ebendaselbst S. 680 Beilage XII.

Gerhard David von Scharnhorst.

weiterhin eine Organisation

173

von Bürgergarden ,

zunächst nur für polizeiliche Zwecke dienen sollten ,

welche zwar denen aber in

günstigen Umständen auch sehr leicht eine weitergreifende Bestimmung zu geben war. Wirklich arbeitete Scharnhorst auch hiermit nur wieder für sein stetes Projekt der Landesbewaffnung , welches ihm die Pariser Konvention bis hierher vereitelt hatte . Dieselbe verbot jede Errichtung von Milizen und Bürgerwehren, aber die schon bestehenden Institutionen solcher Art berührte dieses Verbot nicht, und die in Berlin vorhandenen und dem inneren Wachdienste sowie der Erhaltung von Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt gewidmete Bürgergarde war ja auf Napoleons eigenen Befehl errichtet worden ; wenn man sie in den anderen Hauptstädten des Landes nachbildete , só konnte das den französischen Intentionen nicht widersprechend sein. eine

Das Vorhaben Scharnhorsts , nach Königlicher Willensmeinung Erweiterung

und

Neuorganisation des

Bürgergardeninstitutes

eintreten zu lassen, gab sich schon durch sein unterm 21. Dezember 1808 von Königsberg

an die Reorganisationskommission gerichtetes

Schreiben kund, und auf seinen Betrieb ging dann eine von der Kommission entworfene und von Grolmans Hand geschriebene Instruktion unter dem Titel : „ Grundzüge zur Einrichtung einer Nationalwache zur inneren Sicherheit , vorzüglich der Hauptstädte des Landes " hervor. *)

Dieselbe

stellte das neu in Aussicht ge-

nommene Wehrinstitut doch mit der vorher projektiert gewesenen Reservearmee in sehr deutliche Sinnesverbindung , ja es war augenscheinlich, dafs man in solch einer militärisch organisierten und über das ganze Land verbreiteten Bürgerwehr ,

nicht minder als im Be-

tretungsfall vermöge der früher projektierten Mafsnahmen, eine nationale Waffe gegen jeden feindlichen Angriff haben würde. Das fand denn die französische Wachsamkeit auch heraus und hemmte dieses Projekt ebenso wie seine Vorgänger, Durchführung kam .

noch

ehe

es zu irgend einer

Aber das beginnende „ Krümpersystem " entzog sich doch, so dafs es seinen Zweck erfüllen konnte, den Blicken und der Kontrole Man versteht darunter jene vermöge der unseres Unterdrückers . Reorganisation vor und nach 1807 im Innern der preufsischen Heermaschine vollzogene Manipulation, welche die waffenfähige Mannschaft der Nation nach und nach zu den stehenden Truppenteilen einberufen, dort ausbilden und wieder entlassen liefs , eine Prozedur , die , stetig fortgeführt,

natürlich in je längerer Dauer desto

mehr

*) Cit. Organisation etc. nach dem Tilsiter Frieden. 1808 S. 319 ff. 12 *

eine

Gerhard David von Scharnhorst.

174

Ansammlung kriegstüchtiger Mannschaften in den Kantons ergeben mufste. Den ersten Impuls dazu gab jene Kabinetsordre vom 6. August 1808 , durch welche verfügt war,

dafs die Infanterieregimenter und

die Fufsartillerie, je nach Mafsgabe ihres Bedarfs an Rekruten , per Compagnie drei bis fünf Mann oder mehr auf Urlaub entlassen und dagegen eben so viele Kantonisten

einziehen, einen Monat hindurch

exerzieren und dann in ihre Heimat entlassen ,

in ihre Stelle aber

eine gleiche Zahl anderer Kantonisten zu eben solchem Verfahren mit ihnen einberufen und in dieser Art fortfahren sollten, bis sie so viel neue Leute exerziert haben, als sie zu ihrer Ergänzung bedürfen würden u . s . w.“ Wenn diese Ordre nur die volle Kompletierung der Truppenteile zu erzielen schien , so lag es doch in der Natur der Sache, dafs bei längerer Fortsetzung eines solchen Verfahrens die Zahl der Ausgebildeten diejenige der zur Kompletierung Benöthigten sehr bald übertraf, und man vielmehr in den Kantons allmählich eine sehr zahlreiche Kriegsreserve gewann, über die sich beliebig verfügen liefs, ja dafs es in Aussicht kam , nach mehreren Jahren vermöge ihrer, sobald die Umstände es erforderten , blitzschnell ein grofses Heer auf den Platz stellen zu können . tion am

Diese die Grundidee der Reorganisa-

meisten ausprägende Mafsnahme

wurde weiterhin immer

mehr gefördert, und schon am 10. März 1810 verordnete der König, dafs die Beurlaubung keinem Unteroffizier und Gemeinen versagt werden sollte. Fünf Mann mufsten von da ab per Compagnie mindestens beurlaubt werden, und da jeder Beurlaubte sogleich aus dem Etat fiel und durch einen Rekruten ersetzt wurde , der nach seiner Ausbildung einem anderen Rekruten Raum gab, und in den meisten Fällen mehr als fünf Mann beurlaubt wurden , so gab das schon in Am 7. Februar 1811 befahl diesen Grenzen bedeutende Resultate. der König ,

dafs jede Infanterie- und Fuſsartillerie-Compagnie acht,

jede Eskadron und reitende Artilleriecompagnie drei Kantonisten in vier aufeinander folgenden Monaten einziehen und eben so viel andere Leute dagegen beurlauben sollte .

Dies motivierte man dadurch, daſs

in der jetzigen aus Inländern bestehenden Armee es für diejenigen Soldaten , welche in dem der Landeskultur gedeihlichsten Alter dies ständen, zum Besten des Landes einer Erleichterung bedürfe, war aber

der nebensächliche

Grund und

die

eigentliche Absicht

mufste verborgen werden. Nach obigen Festsetzungen würde man schon bei je 5 , 8 und 3 ausgebildeten Kantonisten per Compagnie resp.

Eskadron

und in

Gerhard David von Scharnhorst.

175

den angegebenen Zeiträumen, pro 1809 bis 1811 , eine in den Kantons vorhandene Kriegsreserve von etwa 20 000 Mann erhalten haben ; da aber jene Ordres nur eine Minimalzahl der Ausgebildeten fixierten und die Überschreitung derselben nicht nur gestattet , sondern auch gern gesehen wurde , so ergaben sich nach dieser Richtung hin viel gröfsere Resultate .

Je mehr Leute

ein Truppenteil ausbilden und

ausexerziert als „ Krümper" in die Kantons entlassen konnte, desto verdienter machte er sich ; es trat also für diese Hinsicht ein förmlicher Wetteifer ein und man konnte sonach 1811 schon über eine verborgene und doch gegenwärtige Streitmacht verfügen , welche recht bedeutend war. Im Juli 1811 wurden für sämtliche Truppen , mit Ausnahme der Garde, Exerzierdepots errichtet ,

zu denen die Com-

pagnieen und Eskadrons den Stamm hergaben, und die für den angegebenen Zweck um so nachdrücklicher wirkten.

Da sie meist in

den Festungen stationiert waren , so entzog man dadurch diese Prozedur der französischen Aufmerksamkeit . Die Kühnheit und Vorsicht aller Beteiligten , dasjenige , was so klug ersonnen war , jedem Späherauge zu verbergen und über alle Klippen und Dornen hinweg zu führen, war allerdings sehr grofs , aber man erklärt dadurch den Erfolg doch nur teilweise. Dafs dem argwöhnischen Franzosen , der an unseren Thüren und Fenstern stand, der aus scharfen Augen bis in unser Innerstes sah, gerade dieses schwerwiegendste Unternehmen gegen seine Herrschaft, das jeder kleinste Zufall ihm enthüllen konnte, verborgen blieb , gehörte immer zu den Wundern der Zeit ,

welche

aus einer waltenden Vorsehung entsprungen sind.

Dafs Scharnhorst

in allem Bedeutenden

diesem Krümper-

dieser Reorganisation

mit

system fast das Bedeutendste ersonnen und gethan , mindestens dadurch unsere äufsere Schlagfertigkeit gegen Frankreich am unmittelbarsten vorbereitet hat, wird kaum bezweifelt werden können . Die sonstigen militärischen Entstehungen von 1809

bis 1812

dürfen , nachdem Idee und Plan , Geist und Hauptteil dieser Reform erörtert sind, hier nur noch kurz angegeben werden . Der Minister Stein, welchen der Hafs Napoleons verfolgte , schied im November 1808 aus dem preufsischen Staatsdienste ;

eine civile

Mitwirkung bei den Arbeiten der Reorganisationskommission fand von da ab in solcher Weise wie bisher nicht mehr statt, es bedurfte aber derselben jetzt auch nicht mehr ;

die neuen Maximen waren in das

Staatsleben eingeführt , die Arbeiten der Kommission gingen ihren vorgeschriebenen Weg und kennzeichneten sich durch die eintretenden Bestimmungen. Am 20. März 1809 erschien die Bestimmung, dafs zur Aufnahme

Gerhard David von Scharnhorst .

176

in das Kadettencorps hinfort hülfsbedürftige Offiziersöhne

auch ohne

Ansehung des Adels gelangen sollten ; der 27. März brachte eine den Gebrauch des dritten Gliedes zum Tiraillieren präzisierende Instruktion, und der 16. Juli eine Instruktion zum Exerzieren der Infanterie ; hieran aber knüpfte sich folgerecht die unterm 8. September erteilte Instruktion zur Schlacht- und Fechtordnung der Brigaden .

Recht wich-

tig war auch die am 19. Juli 1809 in Kraft gesetzte Reform des Militärjustizwesens, und nicht minder mufs ein vom April bis zum September entrollter Zusammenhang von Bestimmungen in betreff des Militärmedizinalwesens accentuiert werden. Unterm 4. November vollzog sich endlich eine derjenigen der Artillerie mation des Ingenieur- und Pioniercorps .

analoge Neufor-

1810 wurden die Kriegsschulen zu Berlin, Königsberg und Breslau und wurde

eine „ Allgemeine Kriegsschule "

zu Berlin,

letztere

zur höheren Ausbildung der Offiziere aller Waffen, errichtet ; auſserdem aber erschienen in diesem Jahre Exerzierinstruktionen für Kavallerie und Artillerie, sowie eine auf die Übung der Pioniere bezügliche Instruktion , und man sah daran ,

dafs der taktische Dienstbetrieb

immer mehr auf die von den neuen Prinzipien abgeleiteten festen Regeln kam . Das Jahr 1811 truppenteilen *),

brachte

im Mai

im August das

die

Formation von Normal-

Invalidenhaus

zu Stolpe und im

November die Medizinisch-chirurgische Akademie , zur höheren Ausbildung guter Militärchirurgen. den Organismus des Heeres ,

Die wichtigsten Bestimmungen für

welche dieser Jahrgang brachte ,

die-

jenigen in betreff der Krümper, sind schon erörtert worden . Im Jahre

1812

endlich

Exerzierreglements der drei

erschienen Hauptwaffen ,

die

längst

und

vorbereiteten

aufserdem wurden

Unteroffizier- und Gemeinenschulen für die Regimenter und detachierten Bataillone eingeführt und es ging die Errichtung einer Gendarmerie ,

nach Provinzial- und Kreisbrigaden ins Werk;

aber auch in

dieser langen Kette

das

waren

einer den Befreiungskrieg vor-

bereitenden Friedensorganisation die letzten gröfseren Glieder.

*) Ein Normal- Infanteriebataillon und zwei Eskadrons , die aus Abgaben der Regimenter gebildet wurden. (Schlufs folgt. )

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens etc.

177

XIII .

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens

des Gefechts als Friedrich ?

Die Terminologie unseres Jahrhunderts hat zwar für die taktische Offensive, welche König Friedrich der Grofse empfahl und in zahlreichen Schlachten anwendete, mit besonderer Vorliebe den Ausdruck „ Draufgehen

mit dem Bajonett" gebraucht ;

soweit wie der Autor nach-

folgender, bei Besprechung von Denison's Geschichte der Kavallerie *) aufgestellter Behauptung : — „in der Zeit von Friedrich auf Napoleon sind überhaupt eigentliche Verbesserungen der Waffen nicht zu verzeichnen ; dennoch macht Napoleon noch vielmehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts als Friedrich " - hat sich meines Wissens

aber niemand

verirrt.

Ich sage ausdrücklich

verirrt, denn nach genauer Untersuchung wird man sich der Einsicht nicht verschliefsen können , geben hat ,

dafs es wohl kaum einen Feldherrn ge-

der die Feuerwirkung

mehr

auszunutzen bestrebt war

und ihr füglich seine taktischen Siege zu verdanken hat, als König Friedrich. Am allerwenigsten that dies Kaiser Napoleon I. , indem er die Entscheidung der Schlacht durch den Stofs seiner Kolonnen herbeizuführen suchte . Das Beispiel von Mollwitz zeigt , in welcher Weise sich die preufsische Feuertaktik bereits bei Beginn der ausgebildet hatte.

schlesischen Kriege

Die österreichische Kavallerie des linken Flügels wurde von der preufsischen schweren Artillerie , welche vor der aufmarschierenden Schlachtlinie vorgeschoben war, der Art wirksam beschossen, dafs sie sich durch eine Attacke gegen die preufsische Kavallerie des rechten Flügels dem Feuer zu entziehen suchte.

Nachdem letztere geworfen ,

wird die preufsische Infanterie angegriffen .

Aber alle Anstrengungen

der österreichischen Reiter sind vergeblich , angriffe gelingen nicht ;

Flanken- und Rücken-

das dritte Glied der preufsischen Infanterie

*) Heft 11/12 der Zeitschrift für preufsische Geschichte 1879.

178

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens

macht Kehrt , zurück.

die österreichischen Eskadrons müssen in Unordnung

Nun tritt die

preufsische Infanterie an und marschiert bis

auf 150 Schritt ununterbrochen an die feindliche

heran ;

dann ent-

steht heftiges Gewehrfeuer, - bei den Preufsen in gröfster Ordnung pelotonweise - die österreichische Infanterie kommt in Unordnung und 29 wirbelt um die Fahnen . " Die österreichische Kavallerie vom rechten Flügel will

das

Gefecht wiederherstellen .

Sie greift die

preussische Kavallerie vom rechten Flügel an, wirft sie und attackiert nun die Infanterie. Aber alle Versuche sind vergebens ; sie wird zurückgeschlagen

oder vielmehr zurückgeschossen .

die preussische Infanterie

gegen die

Nun

geht

erschütterte österreichische

wieder vor ; letztere macht Kehrt, als die preufsische auf 60 Schritt heran ist. Damit war die Schlacht zu Gunsten der Preufsen entschieden. Die preufsische Feuertaktik, welche unter König Friedrich Wilhelm I. sorgfältig gepflegt und von dem grofsen König nach Möglichkeit weiter ausgebildet wurde ,

feierte bereits

hier

den

schönsten

Triumph . Würdig reihen sich ihr die späteren Schlachten an. Bei Sorr hatte die preufsische Armee während des Aufmarsches eine Rechtsschwenkung unter dem Feuer von 28 österreichischen Geschützen auszuführen . General Buddenbrock deckte dieses Manöver mit der Kavallerie des rechten Flügels durch eine Attacke gegen die österreichische Kavallerie des linken Flügels und schlug sie gänzlich aus dem Felde . neuen Richtung

Angefeuert hierdurch setzen sich die zunächst in der aufmarschierten

ersten Treffens in Marsch , gekrönten Berg zu erobern. sie,

sechs

preufsischen Bataillone des

um den mit den feindlichen Geschützen Mit geschultertem Gewehr marschieren

das feindliche Geschützfeuer nicht achtend ,

an, und geben auf

150 Schritt die ersten Salven ; die Verluste mehren sich aber und die Bataillone gehen, gefolgt von den Österreichern , zurück . Aber bereits haben sich die Generale La Motte und Bonin mit fünf Bataillonen des zweiten Treffens in Bewegung gesetzt und rücken den von der Höhe herabsteigenden österreichischen Grenadieren entgegen.

Als man sich auf 100 Schritt genähert , geben die Preufsen

ein so wirksames Peloton fe uer , dafs die Feinde zurückweichen. Von den preufsischen Bataillonen verfolgt, erreichen diese mit ihnen zugleich den Kamm der Höhe, bemächtigen sich eines grofsen Teiles der dort stehenden Geschütze und behalten den Berg in Besitz . Nicht lange, so haben sich ihnen weiter links sechs Bataillone angeschlossen und schiefsen sie nun gemeinsam den Feind von einer Höhe zur

des Gefechts als Friedrich ?

179

anderen, aus fünf Positionen zurück. Inzwischen war im Centrum das Bataillon Kalkstein den Österreichern in der Besetzung von Burkersdorf zuvorgekommen

und weiter links Prinz Ferdinand von

Braunschweig mit fünf Bataillonen angetreten, wobei sich das rechts von ihm stehende Regiment Markgraf Karl anschlofs .

Gleich denen

des rechten Flügels gingen auch diese Truppen mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen gegen die von dem österreichischen rechten Flügel besetzten Höhen vor und schossen auch diesen zurück , unterstützt von der inzwischen auf diesem Flügel versammelten Kavallerie. Hier wie bei Mollwitz wurde

also der Erfolg dadurch erzielt,

dafs die preufsische Infanterie sich an den Feind herans chofs , ihn durch Massenfeuer zusammenschofs .

In der Schlacht bei Chotusitz , welche der von Sorr voranging und kaum vier Stunden dauerte , wurden von der nur 20 000 Mann starken preufsischen Infanterie 700 000 Schufs gethan. Die Zahl der Patronen - dreifsig ―― welche der Infanterist bis zur Schlacht bei Mollwitz bei sich führte ,

wurde wegen daselbst

eingetretenen Mu-

nitionsmangels sofort verdoppelt. Passus 5 der Disposition für die Schlacht bei Zorndorf lautet : „Wenn der Feind zwei oder drei Treffen hat, so mufs gehalten werden, bis die Kanons von der Reserve herbei sind und die feindlichen demontiert haben, alsdann mufs erst wieder avanciert und attackiert werden. " Weiter besagt Passus 16 : ,,Hinter taillon

denen Bataillonen sind Patronenwagen ;

sich verschossen hat ,

Sollten selbige

so läfst es

nicht hinreichend

noch mehrere vorrätig. "

sein , so

falls

ein Ba-

sich von selbigen holen. sind bei der Artillerie

Vorangestellt ist aber im Passus 15 :

„ Es

mufs nicht unnütz geschossen werden . “ Das wirksame Feuer der an den Gegner heranmarschierenden preufsischen Infanterie ward eben als das Hauptangriffsmittel betrachtet, um den Feind zu vertreiben .

"" Es mufs ein jeder Offizier,

Unteroffizier und Gemeiner", sagt das preussische Reglement von 1743 , „sich die feste Impression machen , dafs es in der Aktion weiter auf nichts ankommt, wo er stehet ,

als wie den Feind zu zwingen ,

zu weichen .

Bataille darauf ankommt ,

Deshalb

von dem Platze,

die ganze Gewinnung von der

dafs man nicht sonder Ordre stille steht,

sondern ordentlich und geschlossen gegen den Feind avanciert und chargiert.

Und weilen die Stärke der Leute und die gute Ordnung

die preufsische Infanterie unüberwindlich macht, so mufs den Leuten wohl imprimieret werden , dafs , wenn der Feind wider Vermuten stehen

180

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens

bleiben sollte , ihr sicherster und gewissester Vorteil wäre, mit gefälltem Bajonett in selbigen hereinzudringen, alsdann der König davor repondiret, dafs keiner widerstehen wird . “ Diese Bestimmung, wie auch späterer Zeit angehörende, beweisen gleichfalls, daſs der König immer auf möglichst rasche Entscheidung drängt.

Das

durch keinerlei sonstige Thätigkeit verzögerte Drauf-

gehen stellt er als das anzustrebende Ideal hin, da er überzeugt ist, der Gegner werde, auch wenn er nicht stark durch Feuer erschüttert sei, vor dem Bajonett der preufsischen Grenadiere nicht standhalten . Andererseits verkennt der König aber auch nicht

die Schwierigkeit,

die eigene Infanterie vorwärts zu bringen, wenn der Gegner während des ganzen Vormarsches derselben ungestört die eigene Feuerkraft gegen dieselbe ausnutzen kann. Da bietet sich das Feuer als das Mittel dar,

um das Draufgehen mit dem Bajonett zu ermöglichen .

Und weil der grofse König diese Bedeutung des Feuers wie keiner vor ihm und nur wenige in der nächsten Periode klar erkannt hat, bildet er dasselbe zur höchsten Vollkommenheit aus. Das Feuer wurde dem Vorwärtskommen somit untergeordnet ; zum Bajonettkampf kam die preufsische Infanterie aber nur in wenigen besonderen Fällen , wie z. B. bei Hohenfriedberg , Lobositz und Prag . Von der Schlacht bei Lobositz

sagt General v . Tempelhoff :

,,die mehrsten Bataillone hatten ihre Patronen verschossen ; diejenigen, die noch damit versehen , empfingen damit den " - auf den Loboschberg - ,,heraufkommenden Feind. Das Regiment Bewern und das Grenadierregiment Jung-Billerbeck hatten aber gar nichts mehr.

Sie

besannen sich also nicht lange, sondern gingen mit dem Bajonett auf den Feind, stiefsen ihn damit in die Rippen , schlugen mit der Kolbe hinterher und jagten ihn so Lobositz hinein. "

den Berg wieder herunter und nach

Die Bajonettangriffe des Regiment Garde bei Hohenfriedberg gegen die österreichischen Grenadiere und der Schwerin'schen Infanterie bei Prag gegen die hinter den Sterboholer Teichen stehenden Österreicher ergaben sich aus der Stimmung des Tages und dem ungestümen Drange der Preufsen, nach vorwärts zu kommen. Terra ingewinn und Feuerwirkung vermöge jener strengen Feuerdisciplin, welche wir bei Mollwitz und Sorr schon bewunderten , meisterhaft kombinierend , wandte König Friedrich der Grofse konsequenterweise

denn auch niemals die tiefe Ordnung im Ge-

fecht an, zu welcher Kaiser Napoleon I. ― gleichviel aus welchen Gründen -- mehr und mehr zurückkehrte . -

des Gefechts als Friedrich?

181

Unter dem Schutze vorgeschobener Tirailleurs , deren Zahl im Bataillon schliefslich auf 1/6 seiner Stärke herabgemindert wurde , gedachte Kaiser Napoleon durch den Choc, den Bajonettangriff Die alten Reder Kolonnen die Entscheidung herbeizuführen . gimenter suchten bald ihren Stolz darin , den Feind ausschliefslich mit dem Bajonett anzugreifen : so sieht man sie , die Waffen im Arm ohne einen Schufs zu thun, auf den Feind marschieren . Die von König Friedrich anerkannte Wahrheit, dafs im Bajonettgewehr die Feuerwaffennatur überwiegen mufs ,

wurde durch Kaiser

Napoleon wieder verdunkelt ; und scheint es fast, als wenn man die Lehren Friedrich des Grofsen , des amerikanischen Krieges und die eigenen Erfahrungen nicht achtete. Man machte einen Rückschritt, den die Armee theuer bezahlen mufste. Die Elite derselben wurde dem mörderischen Feuer der Gegner geopfert, welche selbst deployiert stehenden Fuſses die französischen Massen erwarteten. Bei Albuera am 16. Mai 1811 unternahmen es mehrere französische

Regimenter ,

Infanterie ,

die

in Divisionskolonnen formiert ,

die

englische

noch keineswegs durch Feuer gelitten hatte ,

anzu-

greifen. Im Sturmschritt rückten sie ungeachtet des die Reihen lichtenden Feuers gegen die Engländer vor. Auf Pistolenschufsweite herangekommen ,

stutzten plötzlich die

Kolonnen

und

versuchten

unmittelbar darauf ganz ohne Befehl zu deployieren. Zugleich erhob sich ein lebhaftes Gewehrfeuer , das so lange fortgesetzt wurde , bis die Engländer anfingen , die Franzosen in umfassen

und

durch ein gut

den beiden Flanken zu

dirigiertes Feuer

zum Rückzuge zu

zwingen. In der auf österreichischer wie französischer Seite wohl geleiteten

und

im

grofsen

Mafsstabe

durchgekämpften

Schlacht

von

Wagram befahl Kaiser Napoleon um Mittag des zweiten Schlachttages , als das Tirailleurfeuer auf der ganzen Linie entbrannt und der linke österreichische Flügel bei Neusiedel bereits umgangen war, jener unter Macdonald vereinigten machtreichen Phalanx das österreichische Centrum zwischen Aderklaa und Süfsenbrunn

zu

durchbrechen.

den Angriff vorzubereiten ;

Eine

Masse von

sie näherte

100 Geschützen

sich im Trabe

der

hatte öster-

reichischen Linie bis auf halbe Schufsweite und eröffnete das Feuer. 8 Bataillone stehen deployiert hintereinander , 13 andere haben sich auf den Flügeln derselben in Kolonne gebildet. Die leichte Reiterei und Nansouti's Kürassiere deckten die äufseren Flanken dieser.

Die

182

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens

Divisionen Serras , Wrede und die Grenadiere zu Pferde , sowie die Gardeinfanterie rückten nach. Obgleich die österreichische Infanterie dieser Kolonne gegenüber nur in einem Treffen stand, sie daher anfangs zurückweichen musste, wurde Macdonald doch so

kräftig beschossen

gezogenen Kavallerie in den Flanken mit namhaften Verlusten

und von der herbei-

angegriffen ,

dafs

sein Corps

und in Unordnung zurückweichen muſste .

Noch einmal drängen die Divisionen Serras, die Bayern unter Wrede , die jungen Garden heran ; die Österreicher verlieren wohl an Terrain, aber ihre Linie zu zerreifsen

und

damit ihre Niederlage herbeizu-

führen, ist trotz aller Anstrengungen nicht möglich . Wenn auch der Angriff einer solchen Phalanx, wie der von Macdonald gegen einen moralisch und physisch geschwächten Gegner von Erfolg sein mag, so war er hier ebenso wenig

angebracht ,

als

die bei

Belle -Alliance gegen die Engländer vorgeführten Massen.

Dort

hatte der einleitende Geschützkampf erst ungefähr eine Stunde gedauert, als Kaiser Napoleon beschlofs , das englische Centrum durch einen Massenangriff zu sprengen . Marschall Ney erhielt den Befehl hierzu um 12 Uhr, als sich freilich schon die Spitzen des Bülowschen Corps ,

kaum

noch drei-

viertel Meilen vom Schlachtfelde entfernt, gezeigt hatten ; eine schnelle Entscheidung war somit geboten. Das Corps des Grafen d'Erlons rückte in drei unglücklich formierten Kolonnen vor, warf die Niederländische Brigade Bylandt zurück, sah sich dann aber von den Linien der englischen Infanterie stehenden Fufses empfangen. liche Masse wurde

Die unbehülf-

von ihr auf kurzer Entfernung beschossen und

unter vergeblichem Bemühen , sich zu entwickeln , umfassend mit dem Bajonett angegriffen und zurückgeworfen . Es ist bisher vornehmlich von dem Gefecht der Infanterie die Rede gewesen und an der Hand kriegsgeschichtlicher Beispiele nachzuweisen versucht worden , dafs Friedrich der Grofse weit mehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts machte als Kaiser Napoleon ; indem er sich mit seiner gesamten Infanterie

an den Feind heran-

schofs, ihn zusammenschofs und dadurch den Erfolg

erzielte ,

wäh-

rend Napoleon nur dünne Feuerlinien entwickelte und dann den entscheidenden Stofs durch seine Kolonnen gab. Es erübrigt nunmehr noch, die Kavallerie und Artillerie zu betrachten. Die Thätigkeit der Kavallerie im Gefecht ist bereits leichthin berührt worden. Sie hat in den fridericianischen Schlachten nicht selten die Entscheidung abgegeben und könnte der oberflächliche Forscher vielleicht zu dem Glauben dadurch verleitet werden , dafs

des Gefechts als Friedrich?

183

der grofse König auf die Attacken seiner Kavallerie das Hauptgewicht gelegt und das vorbereitende Feuer weniger berücksichtigt habe. Sicherlich entspräche dies auch weit mehr dem vom Könige andem durch keinerlei sonstige Thätigkeit vergestrebtem Ideal, zögerten

Draufgehen .

Schreibt

doch

selbst

das

Reglement

vom

1. Juli 1743 der preufsischen Kavallerie vor, fortan nicht mehr im Trabe , sondern im vollen Jagen zu attackieren sowie Aufmärsche und Schwenkungen nur noch im Galopp zu vollführen .

Begnügt sich

der König aber mit der schnellen Bewegung , welche er seiner Kavallerie für das Herankommen an den Gegner befiehlt , um die Feuerwirkung desselben abzuschwächen ? Keineswegs ! Sie soll erst eingreifen , "" wenn das feindliche Geschützfeuer nachzulassen beginnt und die Infanterie bereits geschossen hat ; heifst

es in den Instruktionen weiter ,

Affaire nicht

entschieden hat ,

"" wenn

denn " ,

eure Infanterie die

lafst eure Kavallerie in Masse auf

die feindliche Infanterie chargieren , Torgau gemacht

haben ,

wie wir es bei Zorndorf und und ihr werdet den Sieg erlangen . ·

Bedient euch der Kavallerie , um den Angriff des schon halb durch euer Kartätschfeuer vernichteten Gegners wegzufegen und um ihn zu verfolgen, wenn ihr ihn geworfen habt.

Endlich , wenn es das Ter-

rain erlaubt , mufs die Kavallerie so viel als möglich unter dem Schutz eurer Artillerie sein . Die Infanterie und Kavallerie müssen sich ebenfalls immer gegenseitig unterstützen, und wenn ihr das versteht, werden beide Waffen fast unbesiegbar sein. " Das vorbereitende Feuer ist somit dem König nicht nur bei dem Vorgehen der Infanterie, sondern auch bei der Attacke der Kavallerie das weniger angenehme aber unerlässliche Element. Was nun die Artillerie betrifft ,

so

muss ihre Vermehrung und

die Steigerung ihrer Wirkung naturgemäſs mit der Verminderung der Feuerwirkung der Infanterie Hand in Hand

gehen ,

wenn man die

Vernichtung des Gegners als den Endzweck des Kampfes

ansieht ;

denn erfahrungsmäfsig ist der physische Verlust des zu vertreibenden Gegners nach vorangegangener Erschütterung mit Hülfe der Feuerwaffe der bei weitem gröfste. König Friedrich gab nun seiner Artillerie grofsartigen Charakter.

schon frühe

Bei Rofsbach z . B. leitete

einen

die aus vier

vierundzwanzigpfündigen Kammerstücken , aus zwölf zwölfpfündigen und zwei zehnpfündigen Haubitzen bestehende Batterie des Oberst Moller von ihrer Aufstellung

auf dem Janushügel

der Seydlitzschen Kavallerie ein .

aus den Angriff

184

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens

In der Schlacht von Leuthen unterstützten zwanzig Zwölfpfünder den Angriff der Preufsen auf die Sagschützer Höhe so wirksam, dafs dieselbe ohne Schwierigkeit genommen wurde und die feindliche Schlachtlinie von ihrem linken Flügel aufgerollt werden konnte . Als darauf die Österreicher mittelst einer Viertelschwenkung eine der preuſsischen gleichlaufende Front herzustellen

suchten ,

überschütteten

zwanzig

andere Zwölfpfünder die hinter Leuthen sich formierenden feindlichen Massen mit einem Hagel von Geschossen . Eine dritte Batterie endlich bereitete auf dem linken preufsischen Flügel den Angriff der Driesen'schen Kavallerie vor. Selbst an der Verfolgung der Österreicher war die Artillerie diesmal nicht unwesentlich beteiligt , der König schickte sie bis an die Lissaer Brücke noch am Schlachttage vor und befahl ihr, "" so lange zu schiefsen, als sie Pulver hätte." Die Wegnahme des Mühlberges bei Kunersdorf wurde wesentlich gefördert durch den zweckmäſsigen Gebrauch der preufsischen Artillerie, welche denselben von drei Seiten umfafste. Ebenso hatte der grofse König den Angriff auf die Höhen von Burkersdorf durch siebenzig schwere Geschütze ― fünfzig Haubitzen und zwanzig Zwölfpfünder - vorbereiten lassen und ausdrücklich befohlen, dafs

das Feuer aus

allen Batterieen

eröffnet und so lange fort-

gesetzt würde, bis er einen Angriff auf die Höhen gehörig vorbereitet halte. *) Den Feind ohne den Vorteil des Feuers König in

den „réflexions de la tactique ",

angreifen ,

sagt der

heifst mit Stöcken

sich

gegen Waffen schlagen .

„ Man mufs das System einer zahlreichen Artillerie annehmen , so unbequem dies auch sein mag. Ich habe die unsrige beträchtlich vermehrt und sie wird die Mängel unserer Infanterie ersetzen. " Durch Kaiser Napoleon erlangte die Artillerie jenes Gepräge des Kolossalen , weil ihr fast ausschliesslich die Erschütterung des Gegners zufiel ;

wohingegen der wesentlichste Procentsatz aller Ver-

luste in den Schlachten des grofsen Königs

durch das Gewehrfeuer herbeigeführt wurde und letzteres denn auch in zahlreichen Schlachten die Entscheidung gab.

*) „ Gegen Höhen bedient man sich vorteilhafter der Haubitzen als Kanonen, denn die Kanonenkugeln thun nicht so viel Schaden als die zerplatzten Granaten. Wenn man nun eine verschanzte Stellung angreifen will, so mufs man die Haubitzen in Hohlwege, hinter Dämmen u. s. w. setzen und so sicher als möglich plazieren ; auch wohl eine Traverse machen lassen , damit sie mit desto mehr Sicherheit laden und werfen können ." (Instruktion Friedrichs über den Angriff auf verschanzte Stellungen.)

des Gefechts als Friedrich ?

185

Man hat nun zwar auch von der grofsen französischen Batterie bei Wagram z. B.

behauptet ,

Schlacht gegeben habe. * )

dafs

sie die Entscheidung

Wie viel die Franzosen

aber

in

der

auch vom

Feuer reden mögen , bei näherer Beleuchtung scheint diese Behauptung unbegründet ; denn der Angriff von Macdonald , welcher nach längerem Feuer jener Geschützmasse erfolgte , mifslang vollkommen. Hätte sich wirklich eine Lücke im österreichischen Centrum ergeben, so hätten das sechste und dritte Corps nicht den Rückzug in der Weise vollziehen können, wie er geschah. Wagram, der Stützpunkt der Rückwärtsschwenkung des zweiten und vierten Corps, wäre früher in den Besitz der Franzosen gekommen , wodurch der Rückzug des zweiten Corps gegen Seyring in der Flanke bedroht und der Zusammenhang mit dem ersten Corps gestört werden konnte . Die Entscheidung gab dagegen die successive Überflügelung von Ober - Siebenbrunn bis Deutsch-Wagram , der Rückzug des zweiten und vierten Corps in die Linie Seyring-Wolkersdorf, welcher auch eine rückwärtige Bewegung der übrigen Teile der österreichischen Armee zur Folge haben musste. Die Bedeutung der Batterie liegt vielmehr darin , dafs sie den Gegenangriff der Österreicher in der Mitte hemmte und sie dort festhielt, bis die Entscheidung durch den rechten Flügel fiel ;

dafs sie

die

rechten

übereinstimmenden

Flügels und Centrums

Bewegungen störte

des

österreichischen

und somit wesentlich hierdurch zum

Siege beitrug. Kaiser Napoleon selbst betrachtete ebenso wie der grofse König die Artillerie nur als Hülfswaffe der Infanterie , " sans doute le nerf de l'armée". **) Beide vermehrten sie in dem Mafse , ihrer Infanterie abnahm .

als die Güte

Aber auch trotz des „ kolossalen Artilleriefeuers " kommen die Verluste in den napoleonischen Schlachten nischen Zeit nicht annähernd gleich.

denen der fridericia-

Die Schlacht bei Mollwitz kostete den Österreichern nach der geringsten Schätzung von 19 000 Kombattanten 4410 ; Viertel innerhalb weniger denn vier Stunden . kostete ihnen 7500 von 31 000.

also fast ein

Die Schlacht von Sorr

*) „Aussi dans la Bataille de Wagram, il" -- Napoléon --- „emploie résolûment cette nombreuse artillerie ". „Cette bataille très sanglante fut gagné par la grande batterie de 100 pièces, qui écrasa le centre ennemi. " (Historique du feu de l'infanterie . J. Ortus, capitaine -― Journal des sciences militaires 1874. VIII. S. 9 T.

p. 409. ) **) Maximes de guerre et pensée de Napoléon I. V. éd. p. 50.

186

Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens etc. Bei Leuthen verloren die Österreicher von 80 000 bis 90 000

Kombattanten 27 000 ; also ein Drittel in der Zeit von 2 bis 5 Uhr nachmittags. In der blutigsten Schlacht

der

napoleonischen Zeit,

bei Efs-

lingen , verloren die Österreicher dagegen von 75 000 Kombattanten kaum ein Drittel, nämlich nur 22 0000 Mann ; die Schlacht dauerte aber anderthalb Tage . Bei Wagram verloren sie von 128 570 nur 25 817 , das heifst nicht ganz ein Viertel der Kämpfenden in anderthalb Tagen. *) Bei Albuera büfsten die Engländer , Spanier und Portugiesen unter Beresfort von 29 000 Kombattanten nur 6000 ein. Bei BelleAlliance verlor das Bülowsche Corps in fünfstündiger Schlacht nur ein Sechstel ; die Engländer in neun Stunden wenig mehr als Fünftel der Kämpfenden . Deutete nun Napoleon I.

an

die

Kolonnentaktik ,

die Stelle

der

von

welche

König

unter

ein

Kaiser

Friedrich

dem

Grofsen gepflegten Lineartaktik trat , schon auf eine Verminderung der Feuerwirkung der französischen Infanterie , so ist der verhältnismässig

geringe

Verlust ,

Heere trotz ihrer zahlreichen Artillerie

welchen

die

den Gegnern

napoleonischen zufügten ,

ein

weiteres und zugleich den Ausschlag gebendes Argument gegen die Behauptung , dafs Kaiser Napoleon noch viel mehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts gemacht habe, als König Friedrich .

*) Statistische Daten über die Kämpfe der Neuzeit. Streffleur 1863. 3. Band 13. Heft.

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

187

XIV .

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

Von F. Hentsch , Hauptmann a. D.

Der gröfste Übelstand, welcher dem schwarzen Pulver anhaftet, besteht darin,

dafs die entwickelten , kraftgebenden Gase in keinem

Verhältnisse mit den zu ihrer Entwickelung nötigen Materialien stehen , und ist deshalb schon lange Zeit das Bestreben darauf gerichtet gewesen, an Stelle des schwarzen Pulvers setzen.

ein anderes Treibmittel zu

Allein zwei unschätzbare Eigenschaften sind es, welche bis-

her es dem

ersteren ermöglicht haben , alle Konkurrenten siegreich

aus dem Felde zu schlagen, soweit es sich um Anwendung als Treibmittel in Kanonenrohren und Gewehrläufen handelt. Die eine dieser Eigenschaften ist die , dafs die Entzündungstemperatur des Pulvers so hoch liegt , dafs der Transport und die Fabrikation desselben ziemlich ungefährlich ist .

Die zweite unschätzbare Tugend desselben ist

seine ungemein grofse Biegsamkeit.

Es schmiegt sich allen Verhält-

nissen an und läfst sich nach den verschiedenen Zwecken verändern , so dafs seine Verbrennung, den Umständen entsprechend , beschleunigt oder verzögert und dasselbe als Jagdpulver, Kriegspulver oder Sprengpulver fabriziert werden kann. Weniger glücklich ist das schwarze Pulver in seinem Kampf als Sprengstoff gewesen und sind ihm in dieser Richtung sehr gefährliche Konkurrenten erwachsen.

Besonders gefährlich

stoff der Dynamit geworden ,

allein

auch

ist ihm als Spreng-

andere Stoffe oder Zu-

sammensetzungen mit Dynamit u . s. w. haben sich Geltung verschafft. Zunächst ist hier ein Sprengstoff aufzuführen , welcher von dem Königlich preufsischen Lieutenant a. D. Hellhoff konstruiert ist und dessen Herstellung durch direkte Nitrierung der rohen Theeröle und der Nitrierungsprodukte durch Sauerstoffträger erfolgt.

Das

Verfahren liefert Sprengstoffe , welche mit grofser Arbeitsleistung grofse Billigkeit vereinigen . Diese Billigkeit soll sich aus der durch 13 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

188

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .

diese Erfindung gebotenen Möglichkeit ergeben, Stoffe, welche bisher wenig oder gar keine gewerbliche Verwendung fanden und die demgemäfs nur einen geringen Marktpreis verarbeiten .

haben ,

auf Sprengstoffe zu

Folgendes Verfahren wird zu dieser Verarbeitung eingeschlagen : Die rohen Theeröle werden allmählich mit hochgradiger Salpetersäure unter fortwährendem Rühren

versetzt ,

worauf eine fortschreitende

Trübung des Öls und endlich eine flockenartige Absonderung eintritt. Da bei dem Zusatz von Salpetersäure eine nicht unbedeutende Wärmeentwickelung eintritt , so ist auf Kühlvorlagen zu rücksichtigen und genügt hierzu bei kleinen Quantitäten das Wasser, bei gröfseren Eis . Den entstandenen Niederschlag läfst man absetzen , giefst das noch klar darüberstehende Öl in ein zweites Gefäfs und setzt in der vorbeschriebenen Weise von neuem Salpetersäure hinzu .

Mit diesem

Prozefs fährt man so lange fort, bis der Rückstand klar bleibt.

Vom

theoretischen Standpunkte aus könnte dieser Teil des Prozesses dahin vereinfacht werden ,

dafs die Salpetersäure

Menge zugesetzt wird .

sofort in hinreichender

Bei den leichten Ölen ist dies auch möglich,

da sich das stöchrometische Verhältnis

hier wenigstens

feststellen läfst , nicht aber bei den schweren Ölen ,

da

annähernd diese noch

Körper enthalten, deren Zusammensetzung bis jetzt noch nicht genügend klar feststeht und aufserdem die einzelnen Körper in stets nach dem Charakter des Destillationsobjektes wechselnden Mengen sich Aufserdem würde eine Vereinfachung die Gefahr darin vorfinden . in sich schliefsen, dafs das Füllungsprodukt überschüssige Säure enthielte und dadurch direkt explosibel würde .

Die so erhaltenen Füllungsprodukte werden ausgewaschen , alsdann getrocknet und hierauf mit Sauerstoffträgern versetzt. Es werden hierzu hauptsächlich die salpetersauren Salze in Alkalien , chlorsaures Kali und concentrierteste Salpetersäure ( 1,5 specif. Gewicht) verwendet. Alle diese Mischungen ergeben Explosivkörper von grofser Energie, die mit der Menge des zugesetzten Sauerstoffträgers in geradem Verhältnis steht . Die maximale Arbeitsleistung erhält man bei der Versetzung mit Salzsäure , in welcher alle Fällungsprodukte sich als löslich unter leichter Wärmeentwickelung ergeben. Den brisantesten Sprengstoff liefert bei den leichten Ölprodukten 1 Gewichtsteil Fällungsprodukt und 2 Gewichtsteile concentrierte Salpetersäure , bei den schweren Ölen 1 Gewichtsteil Fällungsprodukt und 3-3 / 2 Gewichtsteile Salpetersäure . Ein anderes Sprengpulver ist von Th. Martinsen in Ober-

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

189

löfsnitz bei Dresden aufgestellt. Dieses Sprengpulver soll eine grofse Kraft besitzen und in den Stollen keinen Rauch entwickeln , so dafs die Arbeiten in den Minengängen

unmittelbar nach dem Sprengen

wieder aufgenommen werden können, soll bei Vorhandensein von Luft unexplodierbar sein, so grofs auch die Menge des Sprengpulvers sei . Es soll sich weder durch Schlag oder Stofs , noch aber auch durch einen elektrischen Funken entzünden ; letzteres allerdings eine ungünstige Eigenschaft für unterseeische u. s. w. Sprengungen. Das Verhältnis der zur Verwendung kommenden Materialien ist nachstehendes : 70 Teile Salpeter (Kali- oder Natron- Salpeter) , 12 Teile raffinierter sublimierter Schwefel,

5 Teile Lampenschwarz (leichter Kienrufs ) , 13 Teile Sägespähne oder gebrauchte Lohe ( sehr trocken) . Hierzu kommen 2 Prozent schwefelsaures Eisenoxydul (Eisenvitriol) . Um aus diesen Mischungen ein gleichförmiges, sich schwer zersetzendes Produkt zu erhalten, löst man in etwa 6-8 Liter heifsen Wassers 100 kg Eisenvitriol auf und mischt in einem eisernen , innen polierten Kessel die anderen Materialien hinzu . Der Kessel wird erhitzt bis auf 120 bis 130 Grad Celsius ; einige der oben genannten Materialien schmelzen schon vor dem Sieden, vereinigen sich deshalb bei einer Temperatur unter 108 Grad und werden von den Sägespähnen oder der Lohe aufgesogen . Das Ganze wird während des Kochens sorgfältig umgerührt.

Hierdurch erhält man eine pulver-

förmige Substanz , welche nun vom Feuer entfernt und unter fortwährendem Umrühren abgekühlt wird .

Das so

gewonnene Pulver

wird in Trockenkammern bei 50 Grad getrocknet, welche Operation etwa 24 Stunden in Anspruch nimmt. Das Produkt ist nun fertig und kann zum Sprengen entweder in Pulverform oder als Patronen in komprimiertem Zustande verwendet werden . Ein anderer Explosivstoff ist von E. Judson in St. Francisco erfunden worden. Der Erfinder giebt hierüber nachstehendes an : Gegenstand dieser Erfindung ist die Darstellung eines billigen , sicher und kräftig wirkenden explosiven Gemisches , welches eine verhältnismäfsig erreicht Judson

sehr

geringe

dadurch ,

dafs

Menge Nitroglycerin die

Nitratteilchen

enthält. der

Das

trockenen

Mischung mit einem Überzug oder Firnifs versehen werden . Nötigenfalls wird aber auch die Kohle oder irgend ein anderer poröser oder absorbierender Gemengteil mit einem aus brennbaren Substanzen zusammengesetzten Firnifs oder Überzuge bekleidet , der durch die 13*

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

190 Hitze

flüssig wird .

Dieser Überzug besteht aus besonderen

Sub-

stanzen oder auch aus einem Teile der trockenen Mischung selbst . Wenn die trockenen Mischungen, welche einen Überzug erhalten sollen, sehr fein zerteilt sind, z . B. staubförmig, so werden dieselben zum Zwecke der Überziehung zu Körnern von passender Gröfse geformt. Bei grobkörnigem Material werden die Teile oder Körner einfach mit dem erforderlichen Überzuge versehen .

Die in der an-

gegebenen Weise überzogenen Teilchen der trockenen Mischung halten das Nitroglycerin auf ihren Oberflächen oder doch auf dem grössten Teile

derselben fest ,

Hierdurch ist

ohne

dafs

erhebliche Absorption

stattfindet.

eine kleine Schicht Nitroglycerins im Stande ,

einen

ununterbrochenen Zusammenhang durch die ganze Masse hindurch zu erhalten , wodurch das zusammenhängende Ganze explosionsfähig wird . Ausserdem ist das Gemisch gegen Feuchtigkeit geschützt . Die trockenen Mischungen der in Rede stehenden explosionsfähigen Gemische enthalten im allgemeinen Kohle als Zusatz zu einer bedeutenden Gewichtsmenge irgend eines Nitrates, einen oder mehrere Teile Kohlenwasserstoff, harzige und bituminöse Substanzen, und oft wird als Zusatz Schwefel genommen . An Stelle der zuerst erwähnten Ingredienzien kann man verschiedene Stoffe verwenden, so dafs zahlreiche Variationen

gestattet

sind .

Zur Erläuterung

der Erfindung

giebt Judson eine der Formeln an, welche ein stark explosionsfähiges Gemisch geben soll , nämlich : 15 Teile Schwefel , 3 Teile Harz , 2 Teile Asphalt, 70 Teile salpetersaures Natron , 10 Teile Anthracitkohle. Schwefel , Harz und Asphalt werden geschmolzen und gut umgerührt.

In

diese Mischung kommt während

des Schmelzens

das

salpetersaure Natron und die Kohle , welche beide Teile pulverisiert und gut ausgetrocknet sind . Das Gemisch wird gut umgerührt, bis sich der Firnifs oder Überzug aus der geschmolzenen Mischung gebildet hat .

Die ganze Mischung wird alsdann langsam aber bestän-

dig umgerührt ,

bis sie so weit abgekühlt ist ,

hören aneinander zu hängen ,

geeignet , das Nitroglycerin aufzunehmen . Nitroglycerins

dafs die Körner auf-

dann erst ist die trockene Mischung

sollen schon genügen ,

1 , 2 oder 3 Prozent des

das Gemisch in einen kräftig

wirkenden Explosivstoff zu verwandeln . Das Verhältnis kann indessen nach Belieben bis auf 15 und mehr Prozent gebracht werden . Bei allen Variationen in Auswahl und Menge der Stoffe muſs die Bedingung erfüllt werden , dafs die Körner mit einer brennbaren Substanz überzogen werden , die der Absorption sowohl von Nitroglycerin als auch von Wasser Widerstand entgegensetzt und zugleich

191

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

im Stande ist , einen gewissen Hitzegrad zu ertragen, dem das dargestellte explosive Gemisch auf den Transporten oder während der Aufbewahrung ausgesetzt sein könnte . Ein anderes Verfahren zur Herstellung

eines

Spreng-

stoffes aus Nitroglycerin und löslicher nitrierter Baumwolle unter Zusatz von die Wirkung des Sprengstoffes verstärkenden oder abschwächenden Mitteln ist von der Dynamit-Aktiengesellschaft , vormals Alfred Nobel u . Co. in Hamburg, aufgestellt.

Die den Nitro-

glycerinpulvern

(Dynamit u. s . w.) eigene Gefährlichkeit , welche dadurch hervorgerufen ist , dafs sich in denselben das Nitroglycerin in flüssigem Zustande befindet und austretend die grofse Empfindlichkeit

des ungemischten Sprengöls zeigt ,

hat Alfred Nobel veranlafst, eine

Reihe neuer Sprengstoffe zusammenzusetzen , in welchen das Nitroglycerin oder das diesem Stoffe verwandte Methyl- und Äthylnitrat durch Vermischung mit anderen in diesen löslichen Körpern (Gelatinierung) aus dem denselben sonst eigentümlichen Aggregatzustande in die feste Form

übergeführt ist.

Aus solchen , die Gelatinierung der vorgenannten Nitroverbindungen herbeiführenden Körper benutzt der Erfinder eine schwach nitrierte Baumwolle , welche durch Einwirkung eines

Säuregemisches

( 1,44 spec . Gewicht) und

von gleichen

Teilen

Schwefelsäure ( 1,835

Salpetersäure

spec. Gewicht) auf

trockene Baumwolle gewonnen wird .

Behufs Auflösung dieser nitrierten Baumwolle in den oben genannten Nitroverbindungen werden letztere im Wasserbade bis auf 70 Grad Celsius erwärmt, bei welcher Temperatur sie bis zu 10 Prozent der ersteren aufzulösen im Stande sind ; ein geringer Zusatz von Methylalkohol oder eines anderen der unten angegebenen Zusatzstoffe, welche dem Präparat eine geringere Gefährlichkeit erteilen sollen, ist geeignet, diesen Vorgang wesentlich zu beschleunigen. Beim Erkalten erhält man je nach dem stattgehabten Procentsatze an nitrierter Baumwolle eine halbfeste bis druckfeste Gelatine, „ Sprenggelatine " genannnt, aus welcher entweder ohne weiteren Zusatz Patronen angefertigt werden oder unter Beimengung von Stoffen, welche a) teils die Explosibilität des Präparates bis zur Schufssicherheit vermindern sollen, als Methylalkohol, Essigäther, Aceton , Acetin, Nitrobenzol, Kampfer u. s . w.; b) teils als Sauerstoffzuträger die Verbrennung der Explosion entstandenen Zersetzungsprodukte

durch die

zu einer voll-

kommenen machen sollen, als Natronsalpeter, Kalisalpeter etc. c) teils die brisante Wirkung des Sprengstoffes

in

eine

mehr

nachwirkende verwandeln sollen, als Minenpulver u . dgl.

192

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel . Sowohl was Wirkung als Gefahrlosigkeit anbelangt, sollen diese

Patronen die aus den bedeutend übertreffen.

bisherigen Nitroglycerinpulvern bestehenden

Derselbe Erfinder hat aber auch dem schwarzen Pulver eine erhöhte Sprengkraft durch Komprimierung desselben und in Verbindung mit einer besonderen Zündungsart zu erteilen und so demselben sein altes Übergewicht zu wahren gestrebt. für Sprengzwecke

Bisher ist das Schwarzpulver

sowohl in grobkörnigem als auch in feinkörnigem

Zustande angewendet worden . Auch ist feinkörniges Pulver zu Stäben komprimiert , jedoch so ,

dafs die Körner nicht zerquetscht werden ,

weil sonst das Pulver nicht explodieren würde. Cylinder aus stark komprimierter , nicht gekörnter Pulvermasse konnten deshalb nicht. zur Anwendung kommen. Nobel hat nun das komprimierte Pulver für Sprengzwecke im allgemeinen verwendbar zu machen gesucht. er sich einer Zündpatrone ,

Behufs dessen bedient

welche aufserordentlich heftig explodiert

und das komprimierte Pulver zu schnellerer Wirkung zwingt . Eine Patrone

solche

Zündpatrone

aus Dynamit

besteht

entweder aus einer kleinen

oder ähnlichem Sprengstoffe ,

oder aus einer

Patrone aus Schwarzpulver mit Dynamit oder gleichem Sprengstoffe wie Sprenggelatine , komprimierte Schiefsbaumwolle, basische Pikrinsäure , Baryt oder pikrinsaures Kali enthaltende Bleisalze . Die Patrone bringt der Erfinder in folgender Weise an . Er legt zwei Stücke aus komprimiertem gekörntem Pulver über einanderund versieht beide mit je einer Aushöhlung , die aufeinander passen .

Dieser Hohlraum

wird mit Dynamit oder Sprenggelatine u. s. w. gefüllt. dieser Pulverstücke besitzt

Das eine

eine Durchbohrung zur Aufnahme einer

Zündschnur, welche in den Hohlraum führt.

Nach Füllung der Höh-

lung mit Dynamit werden die beiden Pulverstücke zusammengeleimt und in ein Papier gewickelt, welches an die Zündschnur festgebunden wird. Eine andere Zündpatrone stellt Nobel in folgender Art her : Es wird feinkörniges Pulver mit pikrinsaurem Kali oder ähnlichen Stoffen gemengt, mit 3 bis 4 Procent Wasser angefeuchtet und zu Masse komprimiert.

einer

Die oben beschriebenen Zündpatronen sollen den Vorteil bieten, dafs sie gegen Stofs unempfindlich und daher dem Dynamit vorzuziehen sind. Das nicht gekörnte Pulver , welches die Zündpatrone zur Explosion

bringen soll ,

wird in feuchtem Zustande sehr stark

komprimiert und zu cylindrischen Stäben von passender Länge und Durchmesser geformt .

193

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

Den Salpeter im Pulver ersetzt Nobel auch durch salpetersaures Baryt, salpetersaures Bleioxyd oder Natronsalpeter, ebenso die Kohle ganz oder teilweise durch andere brennbare Stoffe, wie Kohlenhydrat. Die Ladung eines Bohrloches geschieht in folgender Weise : Es werden so viel Stäbe des komprimierten Pulvers eingeschoben , bis die Ladehöhe erreicht ist. Alsdann schiebt man eine mit Zündschnur versehene Patrone hinein, bis sie das Pulver berührt.

Darüber

kommt Besatz und die Ladung ist zum Abfeuern fertig. Diese Zündpatrone wendet Nobel auch zum Abfeuern von Nitroglycerin - Präparaten , komprimierter Schiefswolle und ähnlichen Stoffen an. Eine andere

Art

Sprengpatrone ist von

H. Bothe

auf

Gräfin - Laura - Grube bei Königshütte ( Oberschlesien) konstruiert. Bei dieser wird die äufsere Patronenhülse für loses Pulver, wie bisher, aus geleimtem Papier hergestellt.

Ehe man das Pulver aber in die

Patronenhülse einschüttet, wird in dieselbe ein in den Seitenwandungen mit vielen kleinen Löchern welche

aus

einem

versehener Zündkanal

hinlänglich festen Materiale ,

eingesetzt,

z . B. Blech ,

her-

gestellt ist, um die nötige Sicherheit gegen Zerdrücken beim Anfertigen und Besetzen der Patrone zu bieten . Hierauf erfolgt das Füllen der Patrone in der Weise ,

dafs unter dem Ende der Hülse

ein Pulversatz von geeigneter Stärke bleibt ,

und dafs

im übrigen

nur der zwischen äufserer Hülse und Zündkanal liegende Raum gefüllt wird. Nachdem die Patrone durch Einschütten von Pulver auf die verlangte Länge gebracht ist, wird die äufsere Hülse an die Zündhülse dicht angeschlossen . Der Gebrauch der Patrone geschieht in gewöhnlicher Weise ; in dem Zündkanal wird die Zündschnur angebracht, die Patrone in das Bohrloch eingeführt und letzteres besetzt. Das Anbringen der Zündhülse hat den Zweck, eine beschleunigte Entzündung der ganzen Pulvermasse herbeizuführen. Letztere beide Erfindungen haben also den Zweck, die Entzündung des Sprengpulvers zu beschleunigen und dadurch eine gröfsere Kraftentwickelung zu erzeugen . Ein gleiches Ziel verfolgt Fr. Wittenberg in Mühlheim am Rhein mit seinen Sprenghütchen mit innerer und äufserer Kapsel , nur ist hierbei der Sprengstoff ein anderer. Dieser Konstruktion liegen folgende Erwägungen

zu Grunde :

Die zur Entzündung von Dynamit , Schiefswolle oder ähnlichen Explosivstoffen

erforderlichen Sprenghütchen

sollen

plötzlichen Druck

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .

194

und zugleich heftige Stichflamme erzeugen .

Durch den Druck bez.

Schlag soll die Dynamitpatrone plötzlich granuliert werden , damit die Stichflamme eine möglichst grofse Oberfläche zur gleichzeitigen Entzündung aller Teilchen der Patrone vorfinde. Die wesentlichen Bestandteile der Ladung eines Zündhütchens sind daher Knallquecksilber und chlorsaures Kali, ersteres um den Druck, letzteres um die Stichflamme zu erzeugen . Zur Erzielung der vollen Wirkung müfste folgerichtig die Ladung des Zündhütchens im Mittelpunkt der Dynamitpatrone untergebracht werden .

Dieses wäre zwar durch ein entsprechend langes Hütchen

zu erreichen, doch steht bei Benutzung eines solchen zu befürchten, dafs durch die

plötzliche Erhitzung der Wandungen beim Brennen

der Zündschnur eine Entzündung des Dynamits (Vorbrennen) stattfindet noch ehe die Explosion der Ladung

erfolgt.

Deshalb ist

zum Er-

reichen eines sicheren Schusses Bedingung, dafs nur der untere , die Ladung enthaltende Teil des Hütchens in die Dynamitpatrone eingeschoben wird. Hierdurch kommt aber nur ein Teil der dem Zündhütchen innewohnenden Kraft auf den oberen Teil der Dynamitpatrone direkt zur Wirkung . haft

Kneift man das Hütchen gar nicht oder mangel-

auf der Zündschnur fest,

so ist bei

schwacher Ladung ein

Hinauswerfen der Zündschnur und das Entweichen der Explosionsgase (Versager) zu befürchten . Diese bei dem gewöhnlichen Sprenghütchen obwaltenden Mifsstände : die unvollkommene Einwirkung auf die Dynamitpatrone und die Abhängigkeit vom Einkneifens

Mineur hinsichtlich

des

vorschriftsmässigen

glaubt der obige Konstrukteur durch

die Einrichtung

seines Sprenghütchens zu beseitigen . Das Zündhütchen besteht aus einer inneren und einer äusseren Kapsel .

Die innere, deren Boden in der Mitte durchlocht, und welche

aus stärkerem Kupfer als die äufsere gefertigt ist, enthält die Ladung, ist in umgekehrter Richtung in die äufsere Kapsel eingeschoben und durch Einkneifen der letzteren derart befestigt, dafs die Ladung nur in der Fläche der kleinen, als Zündloch dienenden Öffnung freiliegt. Von den die Ladung nunmehr allseitig umschliefsenden Kupferwänden ist die untere (nämlich die durch den Boden des äufseren Hütchens gebildete) die schwächste . Der zündende Feuerstrahl trifft durch das der Pulverseele der Zündschnur entsprechende Zündloch auf die Ladung, deren Gase , nach dem Boden des Zündhütchens zu den geringsten Widerstand findend, ihre Hauptwirkung in dieser Richtung

(als in

der Richtung der

Längenachse der Dynamitpatrone) ausüben müssen .

Hierdurch soll

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

195

aber ein direktes Einwirken der Stichflamme auch auf die entlegenen Teile der Patrone gesichert sein . Ein weiterer Vorteil der Wittenberg'schen Sprenghütchen soll in der Gleichmässigkeit ihrer Ladung nassem Wege

erfolgt,

bestehen ,

indem

dieselbe auf

während die gewöhnlichen Zündhütchen mit

trockenem Zündstoff geladen sind. Das Laden geschieht in nachstehender Weise :

Die

Zündmasse

wird sorgfältigst gemischt und in Form eines feuchten Kuchens auf der Arbeitsplatte ausgebreitet. Dicke haben,

Dieser Kuchen mufs überall gleiche

derselbe ist deshalb von einem Holzrahmen umgeben,

über welchen die zur Ausbreitung des Kuchens dienende Rolle hinund hergeführt wird .

Alsdann

wird der Kuchen unter die Lade-

maschine gebracht, deren wesentlicher Teil ein System von Ausstechröhren bildet. Jede Ausstechröhre hat unten einen scharfen Rand, welcher beim Niedergehen in

den Zündsatzkuchen einschneidet und

dadurch einen cylindrischen Teil Zündmasse in das Innere der Ausstechröhre gelangen läfst.

Da letztere bis auf den Boden (also durch

die ganze Dicke des Kuchens) niedergedrückt wird, so hat das Ausgestochene Zündmassencylinderchen zum Durchmesser den Durchmesser des Hohlraumes der Ausstechröhre und zur Höhe die Dicke des Kuchens .

Dieses Quantum bildet die Ladung eines Hütchens . Innerhalb der Ausstechröhre befindet sich ein cylindrischer Stift, welcher darin auf- und niedergleitet . Durch das Ausstechen des Zündsatzcylinderchens wurde dieser Stift innerhalb der Röhre emporgeschoben und überragt nun die obere Mündung der Ausstechröhre Nunmehr wird das zu ladende die Ausstechröhre gebracht und der. Stift so weit

um die Höhe jenes Cylinderchens. Hütchen unter

bis die Ladung auf den Boden des Hütchens angelangt ist . Das so geladene Hütchen wird endlich in einen Trockenraum gebracht und ist die Ladung in wenigen Stunden trocken . niedergedrückt,

Der Vorzug dieser Methode soll darin begründet sein ,

dafs die

beiden Hauptbestandteile der Zündmasse (Knallquecksilber und chlorsaures Kali) von sehr verschiedenem Gewicht sind.

Die Folge hier-

von soll sein, dafs beim trockenen Laden die Hütchen eine ungleiche Ladung erhalten,

indem bei der beständig rollenden Bewegung der

Körnchen im Ladereservoir, welche durch das von unten stattfindende Entnehmen derselben

hervorgerufen

wird,

die

ersten Hütchen das

schwere Pulver empfangen, während für die letzten nur leichtes übrig bleibt ; letzteres also mit verhältnismässig geringem Knallquecksilbergehalt. Eine Verbesserung der Sprenghütchen ist ferner durch Braun

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .

196

und Bloem in Düsseldorf angestrebt. der Sprengkapsel

eine

ring-

Bodens gegeben worden.

oder

In diesem Sprenghütchen ist

sternförmige Abschwächung des

Ferner ist ein möglichst kräftiger Verschlufs

der Zündmasse, nach der Öffnung der Sprengkapsel hin , durch Einschiebung einer

starken ,

Boden durchlocht ist ,

oben konischen Kupferkapsel,

bewirkt.

welche im

Endlich ist die Seitenwandung der

Kapsel verstärkt. Hierdurch soll eine möglichste Concentration des Stofses und der Wärme auf die Längsachse der Sprengpatrone erzielt werden.

Die Befestigung der eingeschobenen geschieht durch

Verengung der Öffnung der Sprengkapsel. Um komprimierte Schiefsbaumwolle zur explosiven Verbrennung zu bringen, hat der Premierlieutenant a. D. M. von Förster in Berlin

einen Zünder konstruiert.

Wenn man nämlich trockene

komprimierte Schiefsbaumwolle, rein oder gemengt mit Salpeter oder anderen sauerstoffhaltigen Körpern , mit Feuer in Berührung bringt, während sie sich ohne Einschliefsung oder nur in einer leichten Umhüllung befindet , so brennt sie ab, ohne dafs eine Explosion erfolgt. Wenn man die nämlichen Stoffe dagegen mit einer festen ,

starken

Hülle umgiebt, etwa einer solchen von Eisen oder Metall , und dann in sie Gase,

eine Flamme

leitet ,

dafs eine Explosion

so

entsteht eine solche Spannung der

der

Schiefsbaumwolle

stattfindet.

Die

Explosion verwendet nun obiger Konstrukteur dazu , um andere nicht eingeschlossene Schiefsbaumwolle zur Explosion zu bringen . Derselbe stellt den hierauf basierten Zünder her, indem er eine Patrone von komprimierter Schiefsbaumwolle oder von solcher gemengt mit Salpeter in

eine starke Röhre von Eisen oder anderem Metall

hineinschiebt und die Einladeöffnung , in welche später die Zündschnur gesteckt wird, wieder durch eine Schraube schliefst . Die Öffnung für die Zündschnur u . s . w. ist nicht gröfser als nötig, um denselben

durchzulassen .

Die

untere Öffnung der Röhre ist durch

einen Ring geschlossen, damit die Patrone nicht herausgedrückt werden kann. wolle

Dieser Zünder soll ausreichen, um trockene Schiefsbaum-

ebenso zur Explosion zu bringen ,

quecksilberzündhütchen geschieht.

wie dies durch die Knall-

Man setzt denselben im Bohrloche

auf die letzte trockene Patrone, oder in einem mit Schiefsbaumwollè angefüllten Gefäfse auf die trockenen Schiefsbaumwollstücke setzt ihn durch Zündschnur oder Elektricität in Brand . Endlich ist auch

und

noch eine von W. H. Eales in Dresden-

Neustadt konstruierte Zündschnur anzuführen .

Bisher hat man

sich fast stets der Bidford'schen Zündschnur bedient, deren Seele bekanntlich aus Pulver besteht. Das Streben des oben genannten Er-

Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.

197

finders ging indessen schon lange dahin , an Stelle des Pulvers ein anderes Material zu setzen, um dadurch die der Bidford'schen Zündschnur anhaftenden Mängel zu beseitigen.

Es lag der Gedanke nahe ,

Schiefsbaumwolle zu verwenden , allein alle Versuche mit diesem Materiale scheiterten daran , dafs dieselbe in fest eingesponnenem Zustande nicht brannte . Zu dem Einspinnen hat Eales fertige Schiefsbaumwolle verwandt. Derselbe kam nunmehr auf die Idee, die Schiefsbaumwolle vor der Einschmierung mit sauerstoffhaltigen Substanzen zu behandeln und machte zuerst Versuche mit salpetersaurem Kali.

Hiermit

erzielte er die ersten Erfolge ,

Veranlassung zu weiteren Versuchen Salzen .

und gab dies

mit noch sauerstoffreicheren

Es wurde nach einander pikrinsaures und chlorsaures Kali

im aufgelösten Zustande

angewendet.

immer günstiger und gelangte Eales

Die Erfolge endlich

sultaten durch Anwendung von Mischungen

gestalteten sich

zu vorzüglichen

von

chlorsaurem

ReKali

und salpetersaurem Kali. Durch Anwendung dieser Mischungen ist es möglich geworden , die Schiefsbaumwolle für die Zündschnurfabrikation tauglich

zu machen .

Bei

der neuen Zündschnur wird also

nicht schiefsbaumwollenes Garn aus Schiefsbaumwolle gefertigt, sondern rohes baumwollenes Garn in Schiefsbaumwolle als Garn verwandelt und letzteres hierauf weiter mit den oben angeführten sauerstoffhaltigen Salzen behandelt. zum Einspinnen fertig. Diese neuen Zünder sollen

Die so präparierten Garne sind dann

sich vor

den Pulverzündern haupt-

sächlich dadurch auszeichnen , dafs sie nur sehr geringen Rauch beim Brennen entwickeln, was im Minenkriege von grofser Wichtigkeit ist. Zur Erzielung welches

in die

eines lebhaften Zündfunkens

mufs

Pulverladung gesteckt wird ,

damit der Zündfaden frei zu liegen kommt.

dasjenige Ende,

aufgelockert werden,

Die Brenngeschwindig-

keit kann nach Bedarf durch Änderung in der Fabrikation beschleunigt oder verlangsamt werden.

198

Topographische Erörterungen.

XV .

Topographische Erörterungen. Von

Reichert , Hauptmann. (Schlufs.) VI.

Der Wert des sogenannten Überschlagens nach der Latte. Ehe die Kippregel mit dem Reichenbachschen Distanzmesser als

Instrument der Topographen eingeführt war, konnten die Anforderungen an die Genauigkeit des Grundrisses bei weitem nicht dieselben sein wie heute ;

die Bussolen

aber waren

ehedem

ebenso

leistungsfähig wie die neueren, und es stand nichts im Wege , beim Stationieren sich lediglich auf deren Güte zu verlassen ,

und sie in

ebenso ausgedehnter Weise zu gebrauchen, wie jetzt. Das geschah aber nicht.

Die alte Zeit verschmähte ein so wenig

rationelles Verfahren , und benutzte die Magnetnadel beim Stationieren nur, um eine vorläufige Orientierung herzustellen . Heute aberwird das Überschlagen nach der Latte , wobei man sich ausschliefslich der Nadel anvertraut, trotz der erhöhten Anforderungen an die Güte des Grundrisses überall mit Eifer gelehrt und ausgeübt , und es ist fast zum Dogma geworden ,

dafs Waldwege und Schneusen nur

mit Überschlägen bearbeitet werden .

Man kann wohl vermuten ,

dafs es das Bestreben gewesen ist,

recht schnelle Arbeit zu liefern , welches den Überschlag zu so hohen Ehren erhoben hat ; denn als die Kippregel das Diopterlineal verdrängte und ihre Vorzüge

den Topographen zu

peinlich genauer

Arbeit veranlassten, mag diese quantitativ stark hinter den gewohnten Leistungen zurückgeblieben sein. Der Überschlag hat in der That eine recht verlockende Seite : Die Latte bleibt auf einem Knotenpunkt stehen ,

und an ihr vorbei wandert der Tisch zu einer neuen, um die doppelte Kotenweite entfernten Station . Schnell ist der Tisch mit der Bussole orientiert, und schnell der neue Punkt von der stehenden Latte abgeleitet. Es verlohnt sich deshalb wohl der Mühe , den Wert des Über-

199

Topographische Erörterungen.

schlagens und die wirkliche Ersparnis an Zeit einer Betrachtung zu unterwerfen. Was die Sicherheit der Orientierung nach der Nadel betrifft, so hört man oft von erfahrenen Topographen den Leistungen ihrer Bussole Lob spenden, auch machte schon mancher die Erfahrung , dafs nach tagelanger Arbeit allein mit der Bussole der nächste Anschlufs so schön und zufriedenstellend ausfiel. Ebenso oft freilich hört man die Launenhaftigkeit der Bussole anklagen . Nicht selten mag es vorkommen, dafs die Fehler bei einer längeren Arbeit sich wieder ausgleichen oder verringern ; sie stimmt vielleicht am Ende weit besser als in der Mitte : Jedenfalls ist ein Rückschlufs von einem Punkte der Arbeit auf ihren rückwärtigen Verlauf durchaus nicht sicher. Einen ungleich sichereren Einblick in die Leistungsfähigkeit der Bussolen erlangt man durch deren Prüfung zur Stelle . Wie verhält es sich z. B. beim Rückwärtseinschnitt ? Wie oft entsteht ein fehlerzeigendes Dreieck , und wie oft nicht ? Über die Antwort kann ein Zweifel nicht bestehen ; zu den Ausnahmen , dafs die Orientierung nach

es gehört

der Nadel sich als

genügend richtig erwies . Es kann ja auch gar nicht anders sein .

Abgesehen von allen

unberechenbaren Einflüssen und Schwankungen , denen die Magnetnadel ausgesetzt ist ,

und

die bekanntlich ganz bedeutend sind , so

hat die Nadel nur eine Länge von

etwa 6 Centimetern vom Pivot

bis zum Strich , was bei zwei Minuten Orientierungsfehler eine Abweichung der Nadelspitze von 0,35 Millimeter ergiebt ;

eine Gröfse ,

die bei der ganz unvermeidlichen Parallelaxe und der sonstigen grobmechanischen Natur des Einspielens jeder Beobachtung entzieht.

einer beweglichen Marke sich

Treten meteorologische oder tellurische Einflüsse , welche die magnetische Thätigkeit der Nadel beeinflussen, hinzu ; herrscht windiges Wetter ;

ist durch längere Arbeit der Stahlstift schon etwas abgenutzt , so wird der Fehler gröfser, und leicht kann er sich ver-

doppeln und verdreifachen , von 5-10 Minuten macht. Der Punkt, von

so

dafs die Bussole Orientierungsfehler

dem der Überschlag

sich herleitet ,

mag als

richtig gelten ; der Überschlagsstationspunkt selbst unterliegt schon dem Fehler der Bussolenorientierung. Die Koten, welche vom Überschlagspunkt gewonnen werden , teilen nicht nur den Fehler der Station, sondern er erscheint in immer wachsender Gröfse, je weiter diese Koten liegen , und ein neuer Überschlag auf solcher Grundlage, oder gar eine Reihe von Überschlägen ist ein Glücksspiel.

200

Topographische Erörterungen. Hätte man kein anderes Mittel , mit gröfserer Sicherheit in die

Schneusen der Wälder und in anderweit bedecktes Terrain , das der Fixpunkte ermangelt, einzudringen, so wäre die Anklage müſsig ; das ist aber nicht der Fall , denn man kann den Tisch jedesmal auf der mit Vorsicht genommenen Kote

aufstellen ,

das Lineal an die eben

gezogene Visierlinie anlegen und die Tischplatte rückwärts auf den eben verlassenen Stationspunkt eindrehen, welcher durch irgend eine Marke, im Notfall durch die Latte kenntlich gemacht ist. Die Visierlinie von der Kote bis zum Stationspunkt ist zwar sehr kurz, und beim Anlegen des Lineals an dieselbe würden Orientierungsfehler entstehen, wenn man nicht jedesmal die Vorsicht beobachtet hat, die Visierlinie, welche zur Weiterarbeit dient, weit über die zu nehmende Kote hinaus zu ziehen . In dieser Weise bewahrt man die ursprüngliche Orientierung mit genügender Sicherheit auch in den ausgedehntesten Forsten . Zwei Nachteile bringt dieses Verfahren mit sich, die sich beide lediglich auf die Schnelligkeit der Arbeit beziehen :

der Tisch mufs

doppelt so oft aufgestellt werden als beim Überschlagen, und an jeder Station mufs ein Gegenstand zur Stelle sein , der dieselbe kenntlich macht.

Dagegen bringt das Verfahren des Überschlagens gleichfalls einen zweifachen Aufenthalt mit sich : das Einspielen der Magnetnadel kostet mehr Zeit als das Eindrehen nach einem bestimmten Alignement ; und der Träger mufs die Latte von einem bestimmten Kotenpunkt holen und an einem bestimmten Kotenpunkt wieder stehen lassen. Anfang und Schlufs seines Rundganges sind ihm also aufgezwungen, liegen nach entgegengesetzten

Richtungen und bedingen jedesmal einen höchst unbequemen und ansehnlich erweiterten Rundgang.

Die Zeit , die damit verloren geht , steht in keinem Verhältnis zu dem Aufenthalt, den die doppelte Aufstellung des Tisches verursacht, und die Zuverlässigkeit der Arbeit bleibt uns aufserdem als Saldo übrig. Wie verweisen daher den beliebten Überschlag nach der Latte in die Reihe der Existenzen , welche ihre Geltung nur ihrem bestechenden Äufseren verdanken , und ersetzen ihn, wie erwähnt , durch das Vorgehen nach dem Alignement , Visierlinie jedesmal gezogen wird.

wobei die vorwärts gezogene

beträchtlich über den Kotenpunkt hinaus aus-

Dafs man gelegentlich an eine zuverlässige Kote nach Art des Überschlags anknüpft , wenn der wandernde Tisch sich beim Beginn der Tagesarbeit etwa dieser nähert , kann immerhin vorkommen.

201

Topographische Erörterungen.

Dann erspart man allerdings nicht nur das Aufstellen, sondern auch das Hin- und Hertragen des Tisches. dürfte

aber nicht

Diese immerhin

Die

so gewonnene

mehr die Grundlage für eine fernere

zweifelhafte

geübt und gelehrt zu werden .

Manipulation

Station

hergeben .

braucht nicht

gepflegt,

Der Topograph verfällt früh genug

darauf als auf ein bequemes Hausmittel , das aber keinen Anspruch darauf hat, für eine Methode des Stationierens zu gelten. VII.

Über die Operation des Vorwärtseinschneidens dem Mefstisch .

mit

Die Lage eines Naturpunktes auf dem Mefstischblatt kann von guten Stationen aus

durch den Schnitt vorwärts gezogener Visier-

linien bestimmt werden .

Bei der

sogenannten geometrischen Netz-

legung ist dieses Verfahren üblich, und wird auch bei der Aufnahme selbst vielfach angewandt ,

um die Lage solcher Objekte zu bestim-

men, in deren Nähe die Arbeit erst später führt, um also gewissermaſsen vorzuarbeiten und Richtpunkte zu gewinnen . die sogenannte flüchtige Aufnahme , das Fadenkreuz entbehrt ,

Aufserdem ist

die der Distanzmessung

durch

auf dieses Verfahren zur Festlegung der

Objekte angewiesen. Daraus folgt, dafs die Schnitte meist in weiten Entfernungen von den Stationen liegen und die Visierlinien verhältnismäfsig lang werden. Es wird deshalb auch allgemein gefordert , von denen aus

man Objekte

in dieser Weise

dafs die Stationen, anschneidet ,

relativ

sichere sein müssen , und die Instruktion für die Topographen der königlichen Landesaufnahme giebt die Regel, dafs ein in dieser Weise festzulegendes Objekt nicht weiter von der Station abliegen darf, als die letztere von den trigonometrischen Punkten ,

nach welchen

sie

bestimmt waren (Teil II . § . 16) . Man darf dem hier zu Grunde liegenden Gedanken wohl auch die Fassung geben , dafs das festzulegende Objekt nicht weiter von der Station abliegen darf als die Linie ist, welche die Orientierung für die jedesmalige Station hergab. Diese Rücksicht erscheint wichtiger als der anderweit vielfach aufgestellte Grundsatz , dafs der Winkel, unter dem sich zwei Visierlinien schneiden ,

nicht unter 30 Grad betragen solle .

wird ausgesprochener mafsen

Im übrigen

allgemein angenommen , dafs

analog

dem Rückwärtseinschnitt der Schnittpunkt als richtig konstatiert sei , wenn drei Visierlinien sich in einem Punkt schneiden . Die Analogie

mit dem Rückwärtseinschnitt ist es nun gerade,

welche einer Erörterung bedarf, um eine feste Vorstellung über die Sicherheit der vorwärts eingeschnittenen Punkte zu gewinnen.

202

Topographische Erörterungen . Die Orientierung auf den drei Grundstationen

ist immer

nur

eine relativ richtige, sie weicht mehr oder weniger von der normalen ab. - Die drei vorwärts gezogenen Visierlinien schneiden sich entweder in einem Punkt , oder sie bilden auch das fehlerzeigende nennen kann . Es ist

schon vorgekommen ,

ein Dreieck, welches man

dafs Aufnehmer ,

durch die an-

scheinende Ähnlichkeit mit der Operation des Rückwärtseinschneidens verführt, aus diesem fehlerzeigenden Dreieck und den Stationen die Lage des richtigen Punktes

haben herleiten wollen.

Dafs dies ein

Mifsgriff ist, bedarf keiner Erörterung, denn das fehlerzeigende Dreieck, welches beim

Rückwärtseinschnitt

entsteht ,

ist die Folge

einer

falschen Orientierung , während das Dreieck der vorwärts gezogenen Visierlinien aus drei falschen Orientierungen resultiert , wobei jede der drei Linien ebensowohl rechts als links von der normalen Richtung abgewichen sein kann . Noch näher liegt aber ein anderer Irrtum : Wenn die drei Linien ein ganz kleines Dreieck bilden, welches durch einen Zirkelstich ausgefüllt wird, und oft sogar übersehen wird, so glaubt man sicher zu gehen, wenn man diesen Zirkelstich als den richtigen Bildpunkt annimmt.

Dies ist in den meisten Fällen falsch, ja sogar der korrekte

Schnitt der drei Linien giebt keine Gewähr für die Richtigkeit des gewonnenen Punktes . Davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man die Operation auf einem Bogen Papier und einer kleinen Karte als Mefstisch vornimmt. Jede der drei gezogenen Visierlinien kann den richtigen Punkt entweder rechts oder links verfehlen. Daraus kombinieren sich acht Möglichkeiten, nämlich : 1. 2.

1. 1. 1. r. r. r.

Alle drei Linien verfehlen den richtigen Punkt links . Alle weichen rechts ab.

3. 1. 1. r. 4. 5.

1. r. 1. r. 1. 1.

6.

r.r. l.

7. r.1. r. 8. l. r. r.

Zwei weichen links, eine rechts ab.

Zwei weichen rechts , eine links ab.

Bei der nachfolgenden Figur z. B. , in welcher der vorwärts einzuschneidende Punkt innerhalb des durch die drei Stationen A B C gebildeten Dreiecks liegt , entstehen acht Dreiecke

der

linien, entsprechend den acht oben erwähnten Fällen.

drei Visier-

203

Topographische Erörterungen .

C

B Nur wenn die drei Visierlinien alle links oder alle rechts abweichen ,

liegt der einzuschneidende Punkt in dem entstehenden Dreieck , in den anderen sechs Fällen - welche die in der Figur schraffierten Dreiecke bilden liegt der Punkt aufserhalb des entstehenden Dreiecks. Bei Betrachtung der Figur überzeugt man sich sofort, dafs man dem Mefstisch auf der dritten Station jedesmal eine solche Orientierung geben kann , dafs der falsche Schnitt der Linien von A und B wo er auch liegen mag - durch die dritte Visierlinie getroffen wird, dafs also der präzise Schnitt der drei Linien

durchaus kein

Beweis für die Richtigkeit der Arbeit ist , und dafs Visierlinien ganz kleine Dreiecke ergeben können . Der einzuschneidende Punkt kann

aber

durch die Stationen gebildeten Dreiecks liegen ,

auch

sehr falsche

aufserhalb

des

und man kann im

Anschluss an die Figur leicht den Änderungen nachgehen, welche die veränderte Lage des festzulegenden Objekts mit sich bringt. Je näher dasselbe einer Seite des durch die Stationen gebildeten Dreiecks oder Verlängerung einer dieser Seiten liegt , um so spitzer wird der Winkel, unter dem sich die zwei Visierlinien treffen , und wenn die Parallelität überschritten ist, dann ist auch eine Änderung in bezug auf die Lage des gesuchten Bildpunktes zum entstehenden Dreieck eingetreten ; er liegt dann nicht mehr in den Fällen 1 und 2 , sondern in zwei

anderen

Fällen

innerhalb

des

fehlerzeigenden

Dreiecks : immer aber bleiben es nur zwei von den acht Möglich14 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band LX.

Topographische Erörterungen .

204

keiten, bei denen der gesuchte Punkt in dasselbe fällt , so dafs ― gleichviel welche Lage das einzuschneidende Objekt hat ― die dreimal gröfsere Wahrscheinlichkeit besteht, dafs der Bildpunkt aufserhalb des entstehenden Dreieckes liegt. Ein Mittel, die gemachten Fehler zu verbessern oder auch nur zu erkennen, giebt es nicht ,

so

dafs die

einzige Sicherheit in der

Präzision der Orientierungen auf den Stationen liegt. Da selbst die trigonometrischen Fixpunkte , namentlich die der niederen Ordnungen , einer natürlichen Fehlerlizenz unterliegen , und da erfahrungsmäfsig die Orientierungen auch bei ausreichender Grundlage gewissen Fehlern ausgesetzt sind ,

so werden die vorstehenden

Erwägungen geeignet sein, den Wert der in Rede stehenden, an sich unentbehrlichen Operation, gegenüber dem Rückwärtseinschnitt richtig zu schätzen . *) Unter den Nutzanwendungen ,

die

man aus dieser Erkenntnis

ziehen wird, verdient eine besonders betont zu werden : Da die dritte. Visierlinie durchaus nicht mehr Sicherheit schafft als die beiden ersten ,

so kann sie nur dazu dienen, Zweifel zu

Zweifel zu beseitigen .

erwecken ,

nicht

Die dritte Linie konstatiert weder die Rich-

tigkeit der Arbeit, wenn sie den Schnittpunkt trifft , noch beweist sie Sie ist also undie Unrichtigkeit desselben, wenn sie nicht trifft. nütz , und die verlorene Zeit wäre besser dazu angewandt ,

auf den

beiden ersten Stationen mit um so gröfserer Sorgfalt zu verfahren . **) Im Gegensatz zu der bisherigen Besprechung kann man sich des vorwärts eingeschnittenen Punktes annehmen ,

wenn sein Wert mit

davon abhängig gemacht wird, dafs die Visierlinien sich unter einem Winkel von mindestens 30 Grad treffen. Es ist wahr , je spitzer der Winkel ist ,

unter

dem sich zwei

*) Es ist dem Vorwärtseinschnitt vielfach ein zu hoher Wert beigemessen, ja er ist sogar ausdrücklich über den R. E. S. gestellt. **) Zu demselben Resultat gelangt A. v. Sydow durch eine andere Überlegung ; er sagt : „Zwar kann man stets eine dritte Visierlinie ziehen, und jene Punkte erst dann als vollständig richtig bestimmt annehmen , wenn die nach einerlei Richtung gezogenen Visierlinien sich in einem Punkt schneiden ; allein dies würde das Geschäft der Triangulation nicht allein sehr erschweren und viel weitläufiger machen, sondern häufig auch den Fehler erzeugen, dem man dadurch vorbeugen will ; denn werden drei Bleistiftlinien durch einen Punkt gezogen, so schleifen sie in der Regel aneinander, und ihr Durchschnittspunkt kann nicht so scharf erkannt werden , als der von zwei sich schneidenden Linien. Daher wende man dies Verfahren nicht ohne besondere Beweggründe an. Zwei sichere und scharf gezogene Visierlinien nach einem Richtobjekte sind zur Bestimmung seiner Lage jedenfalls besser als drei Visierlinien.

205

Topographische Erörterungen. Linien schneiden ,

desto weniger

günstig ist der Schnitt.

Dies gilt

für alle drei Operationen , für den Rückwärtseinschnitt, den Seitwärtsabschnitt und das Vorwärtseinschneiden ; und zwar sprechen zwei von einander unabhängige Einflüsse hier mit ,

nämlich die mechanischen

Mängel , hervorgerufen durch die Unsicherheit und Dicke

einer am

Lineal gezogenen Bleilinie , und sodann der geometrische Nachteil, dafs eine falsche Orientierung um so gröfsere Abweichungen des Schnittpunktes erzeugt, je schräger die schneidende Linie fällt . Was das erstere Be-

.69.

denken betrifft, so kann man sich leichtd avon überzeugen , dafs zwei mit

6

scharfem Blei auf ebener Platte unter 15-20 Grad

C

Neigung gezogene Linien keinen Zweifel über die

61

69.

Lage des Schnittpunktes . lassen . Selbst wenn die Linien auf eine kurze Strecke in einander über-

!2°0

gehen, wie es bei 10-15 Grad Neigung der Fall ist , lässt sich die Mitte. dieser Strecke mit Sicher-

1. Min

1M i .) n

heit taxieren , und eine Wiederholung des Verfahrens ergiebt immer wieder denselben Punkt . Zudem wird man ja beim Ziehen der Visierlinien SO gröfserer mit um Präzision verfahren , je ungünstiger der Schnitt liegt. Das zweite Bedenken , welches wohl hauptsächlich Anlafs zu jener vor-

sichtigen Regel gegeben hat , nimmt eine trigonometrisch zu lösende. Form an : Auf solchen Stationen, die man zum Vorwärtseinschneiden benutzt, darf man die Orientierung genau annehmen.

mindestens auf 1/2 bis 1 Minute

14 *

206

Topographische Erörterungen.

Wäre A der richtige Bildpunkt des einzuschneidenden Punktes , E und F die beiden - 3 Kilometer entfernten - Stationen , welche bei A einen Schnitt unter 20 Grad ergeben, und würden die Orientierungen bei E und F jede um eine Minute fehlerhaft nach entgegengesetzten Richtungen sein, so würde D der aus diesen Fehlern resultierende falsche Bildpunkt werden , und A D das Mafs des Fehlers . Im Dreieck ABE ist : sin l' AB = AE sin 190 59'

3000 m sin 1'

AB sin 190 59'

3,4771213 = 4 log sin 1 ' 0,4637261 1 0,9408474 log sin 19⁰ 59' = 0,5337044 ---- 1 0,4071430 log 3000

Num = 2,5535 Meter = A B. Etwa 212 Meter also wäre die Abweichung vom richtigen Punkt , wenn die Orientierung nur auf einer und auf der anderen richtig ist. fehlerhaft Minute Station um eine Ist die Orientierung aber auf beiden Stationen um eine Minute

welche

sich herausstellt ,

und zwar nach entgegengesetzten Richtungen fehlerhaft, so würde wie die nachfolgende Rechnung

die Abweichung 5 Meter betragen , ergeben wird. Im Dreieck ABD ist :

sin 160° 1'

AD = AB

sin 9° 59' 2,5535 . sin 1600 1'

AD = sin 9° 59 ' 0,4071430 log 2535 log sin 160° 1' = 0,5337044 0,9408474 log sin 9° 59' = 0,2396702 Num -

1 1

1

0,7011772 5,0255 Meter = AD.

Bei der ansehnlichen Entfernung von 3 Kilometern und sehr geringen Präzision der Orientierung beträgt gröfseste Fehler 5 Meter;

also

einer

der denkbar

d . h. im Mafsstab 1/25000 den fünften Teil

eines Millimeters , also einen mässigen Zirkelstich . Man ersieht aus dieser Berechnung , dafs der eine Fehlerquelle von nur mäfsiger Bedeutung ist.

schräge Schnitt

Die Reorganisation der englischen Armee.

207

Das Resultat unserer Überlegungen gipfelt demnach in folgenden Sätzen :

1. Die Visierlinien sollen nicht länger sein als diejenige Linie, welche die Orientierung der jedesmaligen Station hergab. 2. Da eine Korrektur des gefundenen Punktes unmöglich ist, hat der Rückwärtseinschnitt einen ungleich höheren Wert. 3. Eine dritte Schnittlinie hat keinen Zweck. 4. Die Gewähr für die Richtigkeit ist nur in der Präzision der zu Grunde liegenden beiden Stationen zu finden. 5. Von guten Stationen aus braucht man Schnitte unter spitzen Winkeln nicht zu scheuen. Der letzte Satz gilt auch für die Operationen einschneidens und Seitwärtsabschneidens .

des Rückwärts-

XVI .

Die Reorganisation der englischen Armee.

Mit dem 1. Juli d . J. sind die vielbesprochenen Veränderungen in der Organisation der englischen Armee in Kraft getreten. Dieselben folgen hier in der Reihenfolge, wie sie in dem Memorandum des Kriegsministers verzeichnet sind.

Auxiliartruppen : §. 1. Es werden Königin ernannt.

vier Flügeladjutanten

für Ihre Majestät die

§. 2. Es wird für Offiziere der Auxiliartruppen eine bestimmte Anzahl Stellen des Bathordens freigehalten . §§. 3 und 4 behandeln die Verabschiedungen mit einem höheren Range als dem zuletzt innegehabten. §. 5. In der Miliz wird der Abschied obligatorisch sein für einen nach dem 1. Juli cr. ernannten : Oberst oder Oberstlieutenant mit dem 55. Lebensjahre 50. Major mit dem " 50. mann mit dem Haupt 99 § . 6.

Es werden zuweilen Offiziere der Linie zu einer Dienst-

leistung bei der Miliz kommandiert, und zwar speziell solche, welche zu Adjutanten geeignet sind.

208

Die Reorganisation der englischen Armee.

Prüfungskomité. §. 7. Ein unabhängiges Komité wird die ihm vom Kriegsministerium vorgelegten Fragen untersuchen ; dasselbe wird bestehen aus : einem

General

Marine- ,

als

Präses ,

einem Vicepräses

zwei Artilleriemitgliedern ,

(der Marine) ,

zwei

einem Mitglied der königlichen

Artillerie zur Vertretung des Departements für

Indien,

einem Mit-

gliede des Ingenieurcorps, zwei Civilmitgliedern. Dienstzeit der Mannschaften . §. 8.

Aufser als Stallburschen wird kein Rekrut unter 19 Jahren

angestellt . §. 9. Kein Soldat wird nach Indien geschickt, bevor er nicht sein zwanzigstes Lebensjahr erreicht oder mindestens ein Jahr Dienst gethan hat. § . 10.

Ohne

Ausnahme

werden die Mannschaften jetzt auf

7 Jahre bei der Fahne und 5 Jahre in der Reserve eingestellt (die Dienstzeit in Indien wird 8 Jahre betragen) . §§. 11-14 behandeln die Kapitulation von Unteroffizieren, welche nach einer bestimmten Anzahl Dienstjahre, das Recht haben mit Erlaubnis

ihres

direkten Vorgesetzten auf weitere 5 oder 9 Jahre zu

kapitulieren.

Reserve. §. 15.

Während der Dienstzeit in der Heimat wird ein Teil

der Mannschaften nach vollendetem dritten Dienstjahre die Erlaubnis erhalten und dazu angehalten werden, zur Reserve überzutreten, um dort 9 Jahre zu bleiben. Mannschaften dieser Armeereserve können noch auf §. 16. weitere 4 Jahre in der Reserve kapitulieren . Sie bilden eine „ zweite Reserve ", die allein bei Landesgefahr unter die Waffen gerufen wer-

den kann .

Ihre Zahl wird auf 10 000 Mann beschränkt .

§§. 17 und 18 behandeln das Ausscheiden der Mannschaften aus der Reserve . Der Austritt mufs beim 50. Lebensjahre erfolgen.

Territorialregimenter. § . 19. Regimenter zu 2 Bataillonen und ""linked " (verbundene) Regimenter mit dem dazu gehörigen Milizregiment werden zu 77 Terri torialregimentern formiert, das 60. Schützenregiment und die Schützen(rifle) Brigade bleiben in ihrer bisherigen Zusammensetzung . *) *) Das 60. erhält die Nr. 52 und besteht somit aus 4 Linienbataillonen, die Riflebrigade führt die Nr. 66 und besteht ebenfalls aus 4 Linienbataillonen.

209

Die Reorganisation der englischen Armee. Die gesamte Infanterie

der Linie und der Miliz wird somit in

Territorialregimenter von 4 Bataillonen in England, Schottland und Wales und zu 5 Bataillonen in Irland formiert ; die beiden ersten Bataillone eines jeden Regimentes für Linien-, bataillone.

die

anderen

Miliz-

Diese Regimenter erhalten eine Territorialbezeichnung ent-

sprechend dem Landkreise, in welchem sie garnisonieren .

Die Ab-

zeichen oder Devisen , die ein Bataillon der Linie bisher geführt hat, werden auch von dem mit ihm ein Regiment bildenden anderen Bataillon der Linie getragen . zeichen und Devisen führen,

Regimenter, die keine besonderen Abwerden von nun an folgende tragen :

englische Regimenter : eine Rose, schottische eine Distel, irische ein Kleeblatt, Wales'sche einen Drachen. Mit Ausnahme des „M. ", welches die Milizbataillone auf den Achselstücken tragen, wird die Uniform der verschiedenen Bataillone im Regiment im allgemeinen gleich sein. *) Kopfstärke der Truppenteile.

§. 22.

Infanterie : a. in der Heimat



*

4 Bataillone zu je 950 Mann u. 50 Mann im Depot 8 " "9 "" 950 "9 "" 150 " " "" 4 99 150 " "" " 850 "" "" "" "" 4 650 80 " " "9 " "" " 99 "9 8 80 " " " "9 " 500 "9 "9 " 43 50 "" " "" 480 "" "" "" "" "9 b. in Indien 24 Bataillone in den Kolonieen zu 800 Mann 50

Im ganzen

§. 23.

in Indien zu 820 Mann . "9 141 Bataillone .

Kavallerie :

zu je 542 Mann, 400 Pferde 6 Regimenter 300 13 99 "9 "" "" "9 410 in Indien 436 408 9 "9 "9 " " ,, § . 24. Für die Regimenter in Indien wird je ein Depot zu 80 Mann allmählich errichtet werden.

§. 25.

Reitende Artillerie :

8 Batterieen in der Heimat zu je 151 Mann und 104 Pferden 72 109 6 "9 "" "9 " "" " 29 "" 162 in Indien 146 14 "" "9 " "" "" *) Ohne Offiziere und Unteroffiziere und mit Ausnahme der Garde.

210

Die Reorganisation der englischen Armee.

§. 26.

Feldartillerie :

13 Batterieen in der Heimat zu je 145 Mann, 86 Pferde 13 74 "" " 99 " " 29 145 "" " 13 46 "" " " " 99 100 " "9 99 41 für Indien 146 110 "9 "9 " " " §. 27.

12 Bataillone Infanterie in der Heimat, 6 Bataillone in

den Besitzungen im Mittelländischen Meere , 3 Bataillone der Garde, 6 Regimenter Kavallerie und 17 Batterieen reitende und Feldartillerie werden stets bereit gehalten werden zur Bildung eines Armeecorps für Verwendung aufserhalb der Heimat. §. 28.

Der Turnus für Stationierung aufserhalb der Heimat be-

trägt 16 Jahre ; Offiziere und Mannschaften werden jedoch ratenweise abgelöst, so dafs im allgemeinen keiner länger als 8 Jahre in Indien dienen wird. §. 29. Jedes Jahr wird ein Regiment von der Liste derjenigen, die Bataillone für Indien stellen müssen , gestrichen und kommt auf die Liste der für die Kolonieen bestimmten Regimenter. §§. 30-33 behandeln Verbesserungen des Soldes der Unteroffiziere, ihre Pensionierung und die Bestimmung, dafs Unterofffziere der aktiven Armee mit 45 Jahren, diejenigen der Depots mit 50 Jahren, diejenigen der Reserve mit 55 Jahren entlassen werden müssen . § . 35. Eine Gratifikation für Kapitulation wird von nun an den nach dem 1. Juli ernannten Unteroffizieren u. s . w. nicht mehr gezahlt. §§. 34, 36-42 behandeln das Nähere über die Gehaltsverbesserungen der Unteroffiziere. § . 43.

Zusammensetzung der Regimenter :

Garde- und Garde- und Linieninfant.: LinienKavallerie : Fufsregiment jedes Regim. West-India mit Depot jedes Regim. zu 2 Bataill. Regimenter Regimentskommandeur Oberstlieutenants

1

1

1

1

2

4

1

Majors

3

8

8

5

Kapitäns Lieutenants

5

12

14

12

36

30

8 30

22

59

57

45

Im ganzen §. 44.

.

Offiziere können nur noch entweder aktiv sein oder auf

Halbsold stehen, jedoch mit der Verpflichtung, zum Dienst zu stellen . §. 45.

1

Die Charge

wenn befohlen, sich

eines Sekondelieutenants wird aufgehoben,

211

Die Reorganisation der englischen Armee

jedoch erhalten die Lieutenants während der drei ersten Dienstjahre nur das bisher den Sekondelieutenants zustehende Gehalt. §§. 46 und 47.

Offiziere müssen ihren Abschied nehmen bei Er-

reichung folgender Lebensalter : Lieutenants und Hauptleute 40 Jahre , Majors 48 Jahre, Oberstlieutenants 55 Jahre, Obersten 55 Jahre, Generalmajors 62 Jahre,

Generallieutenants 67 Jahre,

Generals 67

Jahre mit einer jährlichen Pension , welche bei einer Minimaldienstzeit von 20 Jahren 4000 Mark für Lieutenants resp . Hauptleute und 20 000 Mark für einen General beträgt. §§. 48-52 enthalten hierüber nähere Angaben . §. 53. den

Um ein Abschiednehmen der Offiziere zu verhüten, wer-

dieselben je

nach der Länge der Dienstzeit und ihrem Range

eine Gratifikation resp . eine jährliche Zulage erhalten und zwar : von Lieutenants

bis

24 000 Mark,

Majors

einschliesslich

nach

12jähriger Dienstzeit

15jähriger 32 000 Mark, 18jähriger Dienstzeit 40 000

Mark als einmalige Belohnung. Nach 20jähriger Dienstzeit erhalten Diese Zulagen sie eine lebenslängliche Zulage von 4000 Mark . steigen mit dem Range und erhält ein General jährlich 20 000 Mark Zulage nach 67jähriger Dienstzeit. Ein Feldmarschall erhält ohne Weiteres jährlich 26 000 Mark.

§§. 55-58 enthalten hierüber Näheres . §. 59. Die Generalität wird bestehen aus 140 Generalen aufser den Feldmarschällen und zwar bei FeldGenerals General- Generalmajors lieuten. marschälle und

72

der Kavallerie , der Garde der Infanterie .

6

22

den Ingenieuren

65

8

19

1

5

11

10

35

95

der Artilllerie

140 §§. 60-82 regeln die Gehälter der Offiziere und die Vergütigungen für Offiziere , welche jetzt bereits dienen und z. B. schon das gesetzlich normierte Maximallebensalter erreicht haben .

Ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse eines §. 83. Gefallenen oder binnen 6 Monaten nach seiner Verwundung gestorbenen Offiziers wird seiner Wittwe oder seinen Hinterlassenen eine Pension gezahlt , welche z. B. für die Wittwe eines Oberstlieutenants 1800 Mark beträgt .

d. G.

212

Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.

XVII .

Russisches

Preisausschreiben für

Trainfahrzeuge.

Die russische Haupt-Intendanturverwaltung hat kürzlich mit . Kaiserlicher Genehmigung ein Preisausschreiben für " möglichst vollkommene

zwei- und vierrädrige Trainfahrzeuge" ver-

öffentlicht, welches im wesentlichen folgenden Inhalt hat : 1.

Allgemeine Bedingungen .

Zur Preisbewerbung werden ebenso wohl ausländische wie russische Konstrukteure zugelassen. An Preisen sind ausgesetzt : und

4 Pferde :

15 000 Rubel, *)

Bester vierrädriger Wagen für 2

bester

zweirädriger Karren : 4000

Rubel ;

zweitbester vierrädriger Wagen für

Rubel ,

zweitbester

zweirädriger

Karren :

2 und 4 Pferde : 2000

Rubel ;

7000

drittbester

vierrädriger Wagen für 2 und 4 Pferde und drittbester zweirädriger Karren : Anerkennungsdiplom des Kriegsministeriums. Die Empfänger der ersten Preise , sofern sie zugleich Besitzer mechanischer Werkstätten in Rufsland sind, erhalten überdies eine Bestellung auf 500 vierrädrige bezw. 200 zweirädrige Fahrzeuge, indes nur zu den ihren Mitbewerbern bei der abzuhaltenden Submission gewährten Bedingungen und Preisen ; auch haben sie keinen Anspruch darauf,

dafs ihnen

die volle Zahl der Wagen auf einmal

in Bestellung gegeben wird ; dies geschieht vielmehr nur nach Mafsgabe der dem Kriegsministerium für stehenden Geldmittel.

diesen Zweck zur Verfügung

Die ersten Preise werden nur dann zuerkannt , wenn sich die als die besten ermittelten Wagen auch zur Einführung als Militärfahrzeuge tauglich erweisen ; anderenfalls erhalten die besten Wagen den zweiten Preis und die zweitbesten Anerkennungsdiplome. Die Fahrzeuge ,

für welche

sind, gehen dadurch samt

die

ersten

Preise gezahlt worden

allen daran ausgeführten Verbesserungen

*) 1 Silberrubel = 3,224 Mark .

Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge. bedingungslos in

das Eigentum

213

des Kriegsministeriums

über.

Im

übrigen bleibt es dagegen den Bewerbern unbenommen, mit der genannten Behörde vereinbaren .

besondere Verträge

Die zur Preisbewerbung

inbetreff ihrer Erfindungen zu

bestimmten Wagen

sind der Haupt-

Intendanturverwaltung bis zum 1. September 1881 vorzustellen. Werden bis dahin nicht mindestens 3 zweispännige und 3 vierspännige vierrädrige ,

sowie 3 zweirädrige Fahrzeuge eingesandt ,

so gilt die

Konkurrenz als aufgehoben und gelangen alsdann überhaupt keinerlei Preise zur Verteilung. Die Prüfung der Wagen wird durch eine vom Kaiser bestätigte Kommission vorgenommen , welche sich , unter Vorsitz des Generalmajor Baron Seddeler , aus aktiven Offizieren aller Waffengattungen , Militärtechnikern und Civilingenieuren zusammensetzt. Eine aus dem Schofse dieser Prüfungskommission gewählte Konkurrenzabteilung, die aus einem Vorsitzenden und 3 Mitgliedern besteht , besorgt die Erledigung aller Fragen , welche seitens der Bewerber im Laufe der konstruktiven Arbeiten etwa an dieselbe zu richten sein würden. Sie tritt gleichzeitig mit der Veröffentlichung dieses Preisausschreibens in Wirksamkeit, während die Kommission ihre Thätigkeit erst mit dem Beginn der Prüfungen aufnimmt. Letztere werden nach einem seitens der Kommission aufgestellten Versuchsprogramm (siehe unter 3) durchgeführt ; daran teilnehmen. Unmittelbar

die Preisbewerber dürfen nicht

nachdem die auf Grund der Versuche gefassten

Kommissionsbeschlüsse die Bestätigung des Kriegsministeriums

er-

halten haben, werden die zuerkannten Preise ausgezahlt und die nicht. prämiierten Wagenmodelle den Bewerbern zurückgegeben.

2.

Technische Bedingungen.

Die Modelle sind in natürlicher Gröfse nach den von der HauptIntendanturverwaltung gegebenen Konstruktionsnormen und unangestrichen vorzustellen. Beladung.

Sie müssen ,

auszuführen

den Erfahrungen der letzten Kriege

entsprechend, eine möglichst vielseitige Verwendung , gewissermaſsen als Universalfuhrwerke ,

gestatten ,

und

daher sowohl die ver-

schiedenartigsten Gegenstände (u . a. Patronen) , als auch unter Umständen Kranke und Verwundete fortschaffen können . Im einzelnen haben die Fahrzeuge mindestens aufzunehmen :

Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge .

214

back

a) Der vierrädrige Wagen mit 4 Pferden : 20 Säcke Zwieoder 12 Offizierkoffer oder 12 Patronenkasten *) oder 2 Trag-

bahren (auf Federn) für Verwundete ; b) der vierrädrige Wagen mit 2 Pferden : 12 Säcke Zwieback oder 8 Offizierkoffer oder 8 Patronenkasten oder 2 Tragbahren ; c) der zweirädrige Karren mit 2 Pferden : 10 Säcke Zwieback oder 8 Offizierkoffer oder 6 Patronenkasten oder 2 Tragbahren ; d) der zweirädrige Karren

mit 1 Pferd :

6 Säcke Zwie-

back oder 6 Offizierkoffer oder 4 Patronenkasten oder 1 Tragbahre. Erwünscht ist es ferner, dafs sich die Fahrzeuge auch zum Fortschaffen von Leuten in

sitzender Stellung herrichten lassen ,

und

zwar würde der Wagen a. 8, b. und c. je 4 und d. 2 Mann aufzunehmen haben . Aufser diesen müssen bei a . 2 , bei b . , c . und d . je 1 Mann auf dem Bock Platz finden. Ferner ist Hafer für vier und Heu für zwei Tage mitzuführen , wobei pro Pferd und Tag 51 Hafer und 8 kg Heu gerechnet werden. Endlich besteht das mitzunehmende Wagenzubehör aus : 1 Vorratsrad ,

1

Hebelade ( zum Schmieren der Achsen) ,

1 Achs-

schmierbüchse, 1 Schraubenschlüssel, 2 Keilen , 1 Wassereimer, 1 Laterne , 8 Paar Hufeisen nebst Nägeln sachen.

und den erforderlichen Stall-

Diese Gegenstände sind möglichst einfach und zweckmäſsig am Wagen aufzuhängen ; die kleineren können in einem leichten Kasten verpackt werden . Die Tragbahren breit sein und

müssen mindestens 1,83 m lang und

53 cm

sich leicht und rasch von den Fahrzeugen entfernen

lassen, sobald darin andere Gegenstände verladen werden sollen .} Die Patronenkasten dürfen aufsen mit Ansätzen versehen sein , um sie an den Wagen befestigen zu können. Konstruktion. Die Fahrzeuge sind in

Holz

zu

kon-

struieren, dürfen aber mehr Beschläge als sonst üblich erhalten ; die Auswahl der von Holz und der von Eisen herzustellenden Teile haben die Konstrukteure selbständig zu treffen. Hinsichtlich der für

die Verladung auf Eisenbahnen zulässigen

wagerechten Abmessungen wird bemerkt , dafs die Bodenfläche eines normalen offenen Güterwagens 2,6 m breit und 6,25 m lang ist . Im übrigen sind folgende konstruktive Daten innezuhalten : *) Die Abmessungen dieser Gegenstände, einschliefslich der vorstehenden Teile , betragen rund: Zwiebacksack (gefüllt) = 140 28 28 cm , Offizierkoffer = 63 38 x 35 cm, Patronenkasten = 68 × 43 × 17 cm.

Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.

Vierrädrige Gegenstand

Wagen

Winkel der Stetigkeit Winkel der Unabhängigkeit der Bewegung Winkel der senkrechten (nach oben . nach unten Biegsamkeit Winkel der wagerechten Lenkbarkeit Breite des für die Kreiswendung erforderlichen Raumes . m Neigungswinkel der Zugtaue Geleisebreite cm Radhöhe . cm Stärke des Radreifens mm Verhältnis der Belastung der Vorder- zu der der Hinterachse . Druck der Deichselspitze auf den Widerrist jedes Pferdes .kg

Zweirädrige Karren zweieinspänniger spänniger

mindestens 240 240 240 mindestens 160 140 100 450 höchstens 7,5 10-120 1,47 124,5 1,47 124,5 124,5 124,5 12,7 12,7 12,7

5: 6 höchstens

Druck der Deichsel auf den Rücken des Pferdes kg Jeder Wagen ist mit

215

4,1

16,4

höchstens 16,4 | 16 ,4

einem Plan zu versehen ,

dem Wechsel von Wärme und Kälte sowie

16,4

welcher unter

bei längerer Aufbewah-

rung nicht leidet und der nicht mit Stoffen getränkt sein darf, durch die der Zwieback oder andere Lebensmittel einen Beigeschmack erhalten könnten. Der Plan mufs sich ,

falls die Fahrzeuge zum Fortschaffen von

Kranken oder Verwundeten benutzt werden, als Schutzdach für diese herrichten lassen. Gewicht.

Die Maximalgewichte der leeren Wagen dürfen be-

tragen : vierrädriger Wagen mit 4 Pferden 557 kg , vierrädriger = Wagen mit 2 Pferden 410 kg, zweirädriger Karren mit 2 Pferden = 270 kg, zweirädriger Karren mit 1 Pferd = 213 kg. Das Verhältnis der fortzuschaffenden Last zum Eigengewicht des Fahrzeuges stellt sich für gewöhnlich wie 2 : 1 ; doch mufs die Last unter Umständen noch um 25 Prozent vergröfsert werden

können ,

was bei der Konstruktion der Wagen zu berücksichtigen ist. * ) In den obigen Gewichtszahlen sind übrigens die mitzuführenden Vorratsstücke und das Wagenzubehör nicht einbegriffen . *) Danach beträgt also das Gesamtgewicht der mit der Maximallast beladenen Fahrzeuge der Reihe nach : 1950, 1435, 945 und 745 kg, sowie die auf 1 Pferd entfallende Zuglast bezw. 488, 718, 473 und 745 kg.

Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.

216

Angespann.

Bei dem vierrädrigen Wagen

für 4 Pferde sind

diese in einer Reihe (breit) anzuspannen ; doch müssen sich die beiden äufseren auch rasch vor die Stangenpferde legen lassen. Bei den übrigen Fahrzeugen ist ebenfalls auf die Möglichkeit noch Pferde seitlich anspannen oder vorlegen zu

zu rücksichtigen , können . Alle

vorstehend

bleiben dem

nicht

erwähnten

konstruktiven

Einzelheiten

eigenen Ermessen der Konstrukteure überlassen .

Es

wird indes bemerkt, dafs bei Beurteilung der Fahrzeuge deren Preis vorzugsweise ins Gewicht fällt.

Es

empfiehlt sich daher , auf eine

möglichst einfache Konstruktion Bedacht zu nehmen, welche zugleich eine rasche und leichte Ausbesserung etwa beschädigter untergeordneter Teile gestattet.

3.

Versuchsprogamm.

Die vorgestellten Wagen werden auf Fahrbarkeit , und auf rasches Be- und Entladen geprüft. Die Probefahrten ,

Haltbarkeit

bei denen die Beladung der Fahrzeuge 1,25

der normalen Last beträgt , finden auf Strafsen von Petersburg und Umgegend , sowie auf verschiedenen Hindernisbahnen in mäſsigem Trabe statt und umfassen eine Strecke von mindestens 150 km. Die Hindernisbahnen sind teils geradlinig, teils in einer Doppelschleife von 6,4 m Radius geführt und enthalten sowohl flachgeböschte Gräben von 61 cm gröfster Tiefe, als auch Querdämme, welche gleichfalls bis zu 61 cm

hoch und

deren verschieden geböschte Flächen

mit halbrunden Holzschwellen belegt sind .

Über jede Probefahrt wird ein Tagebuch geführt, worin folgende Angaben genau zu vermerken sind : Art und Ursache etwaiger Beschädigungen und Brüche ; ob dieselben von Belang waren

oder unterwegs

leicht und schnell aus-

gebessert werden konnten und wieviel Zeit hierzu gebraucht wurde ; wie tief die Räder

in weichen Boden

einsanken ;

wie stark die an

den Rädern und anderen , für die Fahrbarkeit wesentlichen Teilen anhaftende Kothschicht war, in welcher Weise die Ladung gegen Verderben geschützt ist ; wie sich die Schmiere an den Achsen hält und wie die Hemmvorrichtungen wirken.

Unter den vorstehenden

„ technischen Bedingungen"

er-

scheinen einige besonders bemerkenswert : Der Wunsch, ein „ Universalfuhrwerk " zu erhalten, ist theoretisch offenbar sehr natürlich und berechtigt ; aber seine praktische

Tassaert.

217

Durchführung dürfte

auf grofse Schwierigkeiten stofsen ; namentlich

wird die Forderung ,

dafs unter Umständen auch Kranke oder Ver-

wundete mitgeführt werden sollen , für die zweirädrigen Karren eine unverhältnismäfsige und besonders im Hinblick auf die Gleichgewichtslage des Fahrzeuges ungünstige Länge des Wagenkastens bedingen . Ferner mufs das ausdrückliche Verlangen , die Wagen vorwiegend in Holz zu konstruieren, insofern auffallen , als gerade die russische Feldartillerie bekanntlich die erste war, welche (schon im Jahre 1865) ihre Feldlafetten ganz aus Eisen herstellte , welches Prinzip seither bei allen grofsen Artillerieen auch auf die Batteriefahrzeuge übertragen worden ist.

Es würde deshalb , da es sich in Rufsland gegenwärtig

darum zu handeln

scheint ,

ein völlig

neues

System von Train-

wagen zu schaffen , nur natürlich gewesen sein , den Konstrukteuren wenigstens die uneingeschränkte Wahl zwischen Holz oder Eisen zu überlassen.

Endlich verdienen die äusserst scharfen Bedingungen Beachtung , welche für

das Eigengewicht der Fahrzeuge

und dessen Verhältnis

zur fortzuschaffenden Last gestellt

sind . Wenn es wirklich gelingt, so leichte Wagen und Karren für so schwere Beladung herzustellen , und wenn dieselben gleichzeitig den unerlässlichen Anforderungen an die Haltbarkeit und Dauer kriegsbrauchbarer Fahrzeuge vollständig entsprechen, so wird das Resultat als ein bisher unerreichter Triumph der Wagenbautechnik zu bezeichnen sein, dem gegenüber die für die besten Modelle ausgesetzten hohen Preise keinenfalls zu reichlich bemessen erscheinen !

XVIII .

Tassaert.

Auch Denkmäler haben Anrecht auf Jubiläen, und zwar ein gerüttelt und geschüttelt Mafs , wenn die monumentale Plastik uns in meisterhafter Kunstform Männer darstellt , welche dem Gedächtnis eines Volks die ehrwürdigsten sind. Der Tassaert'sche Centenarius „ Seydlitz " erinnerte am 2. Mai 1881

einerseits

an die Trauer des grofsen Königs um Seinen un-

ersetzlichen Reiterkoryphäus, andererseits an die Freude des König-

Tassaert.

218

lichen Kunstförderers über das wohlgelungene Abbild des in Seiner dankbaren Erinnerung Fortlebenden . In unserm Maiheft wurde versucht, dem Seydlitztage Rechnung zu tragen .

Jetzt wollen wir auf den „ Mäcenas " Friedrich ein

Streiflicht gleiten lassen, und den in Seinen Dienst getretenen Sculpturkünstler Tassaert biographisch skizzieren. Des

dritten

Preufsenkönigs

Kunstsinn

und

Kunstverständnis

prägen sich sehr deutlich aus in der von Ihm verfassten, durch Seinen Privatsekretär de Prades am 24. Januar 1754 in öffentlicher Versammlung der Berliner Königlichen Akademie vorgelesenen Lobschrift auf Johann Georg Wenzeslaw Freiherr v. Knobelsdorf. *)

Dieser und

der Maler Pesne waren in Rheinsberg die Kronprinzlichen Kunstakademiker ,

mit denen

neigung festigte .

eng verkehrend,

Friedrich Sich Seine Kunst-

Nur eine (sehr kurze) Kunststudienreise unternahm

Er ; es geschah im Juni 1755 von Wesel aus nach Holland, begleitet blos von dem kunstbewanderten Oberst v. Balbi und einem Pagen . Der Hauptsache nach gewann Kunstkenntnisse autodidaktisch.

der Königliche Proteus auch Seine

Ihm blieben während Seines ganzen Königslebens Kunstliebe und Kunstpflege treue Gefährten. Er rühmte in Seinen Abendjahren Künste und Wissenschaften als "" Wohlthäter der Menschheit ; " Er äufserte brieflich 1778 : „ Die Musen gewähren mir Trost, des Lebens Last zu tragen ;

und ich versichere,

dafs

wenn ich Herr meines

Schicksals gewesen wäre, so hätte weder des Thrones noch des Heeresbefehls Stolz, oder der leichtsinnige Geschmack an Zerstreuungen den Vorzug erhalten vor jener Neigung. Bezeichnete König Friedrich der Grofse die Arbeit als „ sichersten Wächter der Tugend " ,**) so stellte er den Kunstfleifs auf lichte Höhe , sowohl ethischer wie ästhetischer Ursache halber. Beredsamkeit

Mit warmer

erläutert der Philosoph von Sans - Souci : „Die Künste

mildern die rohesten Sitten " . - „ In gleichem Grade, wie die unserm menschlichen Wesen anhaftende Schwäche uns herabzieht, heben uns die Leistungen grofser Männer den Mut und lassen uns die Menschenwürde empfinden “. — „ Alle erleuchteten Fürsten haben diejenigen beschützt, deren kluge Arbeiten den menschlichen Geist ehrten " . ***)

"9 Distinguer les hommes célèbres, rendre justice au mérite, c'est *) Hauptmann a. D., Künstler in mehreren Fächern, Intendant der Königlichen Bauten und Gärten, gestorben 54jährig zu Berlin den 15. September 1753. **) Nationalökonomisch philosophische Betrachtungen in einem Königlichen Briefe vom 13. Dezember 1781 , an Prinz Heinrich. ***) Oeuvres T. IX. 171-180.

Tassaert.

encourager les talents et les vertus "

219

so lautet aus der Feder des

Roi-Philosophe eine Deutung der Inschrift Seines Hausordenssterns . *) Als der grofse König, kunstfördernd , Bildsäulen

aufrichten liefs

für Schwerin, Winterfeldt, Seydlitz , Keith, schmückte Er mit diesen Monumenten nicht nur einen öffentlichen Platz Seiner Landeshaupt stadt,

sondern auch vorweg

sozusagen mit Titelbildern - in

grofsgearteter Weise Seine Eigenhändig für die Nachwelt aufgezeichneten Berichte über den 7jährigen Krieg. Die Stiftung des Seydlitzdenkmals kann somit betrachtet werden unter künstlerischem, sittlichem und heeresgeschichtlichem Gesichtspunkt. Eine Einzelnthat des grofsen Königs, in mannigfacher Weise denkwürdig . Bezeichnend für Friedrichs Freude am Anblick schöner Bildhauerwerke ist, dafs Er den Homerkopf aus der 1742 von Ihm erkauften Polignac'schen Sammlung in Seinem Arbeitszimmer zu Sans - Souci aufstellen liefs , und dem 1747 in Wien gekauften, ‫ وو‬mit Ungeduld - jetzt eine Hauptzierde des Berliner Königerwarteten" Adoranten lichen Museums den Standort gab gegenüber den Fenstern Seiner Bibliothek in Sans - Souci. **) Staatsökonomische Grenzen

wurden streng innegehalten, wenn

dem Könige der Preis eines Kunstwerks übertrieben dünkte . So z. B. schrieb Er , 1773 , Seinem zur Zeit kranken Vorleser de Catt wegen des Ihm für die in den Jahren 1756-1761 erbaute Potsdamer Bildergallerie angebotenen Correggio : „Es geht nicht an, 14 000 DukaDiese Forderung ist närrisch ; aber wenn man

ten zu bewilligen .

sich mit 12 000 Thalern begnügt, bald , jedoch Nichts darüber" .***)

werde

ich sie zahlen, und zwar

Der Schlufssatz dieses Briefes ent-

hält die erste Spur für den Übertritt Tassaert's in des Preuſsenkönigs Dienst. "9 Wenn d'Alembert sich ein wenig Mühe giebt , wird er Irgendjemand finden " . Sehr wahrscheinlich ist hier Tassaert gemeint. Nach Balthasar Adam's Tode ( 1761 ) vollendete Sigisbert Michel die am 28. April 1769 aut dem Berliner Wilhelmsplatz vom Könige

*) Königlicher Brief an d'Alembert , 28. Juli 1770. In Seinem „Essai sur les formes du gouvernement" ( 1777) erklärte dieser Monarch es für verderblich, ver„Bastarde des Mydas, deren grofse dienstlose Reiche ungebührlich auszuzeichnen während der geistesvolle Ausgaben und deren Gepränge das Volk blenden" Le prince doit être sans cesse attenrechtschaffene Staatsbürger mifsachtet wird. 66 tif à ne distinguer que le mérite personnel • **) Vergl. Baedecker, Norddeutschland ; Ausg. 1880 , S. 75 Zeile 3 und S. 26. ***) Der König besafs im Jahre 1771 bereits elf Correggios . Vgl. M. Österreich „Description des tableaux de la gal. royale . . . “ S. 174 . 15 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Tassaert.

220

besichtigte Statue des Feldmarschalls Graf Schwerin, und kehrte 1770 nach Paris zurück. Es scheint, derselbe sei als Hitzkopf dem König unbequem geworden ; der „ alte Fritz " wünschte Sich hinfüro nich mehr zu ärgern über einen unruhigen Künstler.

Der mit Fried-

richs Vertrauen und Freundschaft beehrte d'Alembert - ein tüchtiger Gelehrter,

ein

geistreicher Mann ,

ein

reiner Charakter -- soll in

Paris einen Ersatz wählen für Monsieur Michel. Im September 1774

schreibt

d'Alembert dem Könige :

„ Herr

v. Catt wird Euer Majestät berichten über das, was meinerseits geschehen wegen des Bildhauers, der in Höchstdero Dienst treten will. Euer Majestät mag ich nicht langweilen mit den Einzelnheiten". D. d. Paris, 31. Oktober 1774

meldet

d'Alembert,

Herr Tassaert

wolle alsbald nach Berlin reisen, „auf eigene Kosten und Gefahr, um die Ehre zu haben, sich selbst Sr. Majestät vorzustellen und sich zu vergewissern, ob sein Talent, seine Person und sein Charakter Euer Majestät genehm sind, und um von Euer Majestät Selbst die Bedingungen zu

erfahren ,

welche Höchstdenselben angemessen scheinen ,

ihn in Dienst zu nehmen. "

D'Alembert gab Tassaert ein Schreiben

an den König mit, in welchem er die Hoffnung aussprach, Tassaert's Wohlverhalten, Geschicklichkeit und Eifer werde des Königs Gewogenheit verdienen. Inzwischen erwiderte Borussorum Rex (15. November 1774) : erfreuen uns hier vollkommener Ruhe . . . Der Friede ist die Wir "" Mutter der Künste . Ihres Bildhauers . und

schön.

Er

Die Zeitumstände begünstigen also das Erscheinen von mir gesehenen Arbeiten sind zierlich

Seine

wird hier sogleich Beschäftigung finden .

Voraus-

gesetzt dafs sein Kopf ebenso klug, wie seine Hände geschickt, werden wir uns gut mit einander vertragen. " Tassaert kam also doppelt empfohlen nach Potsdam . Mitte Dezember 1774 teilte der König d'Alembert mit Eingang seines Schreibens

NB. gleich im

: „ Der Bildhauer ist da, mit dem Briefe

welchen Sie die Güte hatten , ihm zu übergeben . Wir werden unseren Vertrag machen ; und Arbeit soll ihm nicht fehlen . Ich bin Ihnen verpflichtet

wegen

der Wahl ,

die Sie

mit

ihm getroffen. "

D'Alembert entgegnete : „ Ich hoffe, Euer Majestät werden mit seiner Person ebenso zufrieden sein ,

wie dies

mir

der Fall

scheint mit

seiner Befähigung und seinen Arbeitsproben ; er ist ein guter Flamländer, redlich und bieder. " „ Entzückt über den Eintritt in des grofsen Friedrich's Dienst, kehrte Tassaert im Februar 1775 zurück nach Paris, um einige dringende Angelegenheiten in Frankreich zu erledigen und, wie er, ver-

Tassaert.

221

sprochen, spätestens im Juli in Berlin einzutreffen .

Für d'Alembert

brachte er Königliche Geschenke mit ; ein prächtiges Porzellanservice nebst einem schönen, en miniature auf Porzellan gemalten Friedrichsportrait - Ehrengaben , die in des selbstlosen Gelehrten ärmlicher Klause als prunkvoller Schmuck begrüfst wurden mit innigstem Danke . * ) Gern verweilen wir hier bei d'Alembert . Verdient derselbe doch ein gutes Sonderandenken dafür , dafs er den jungen Oberst Graf Guibert - einen der besten Friedrichsbiographen - beim Könige empfahl, und zweitens

weil er durch die Wahl Tassaerts indirekt

Begründer einer Berliner Bildhauerschule wurde , in welcher u . A. Schadow heranreifte. Am 23. Oktober 1775 schrieb der König an d'Alembert :

„ Kommen Sie selbst ,

wie Sie es

mich hoffen lassen,

um unsere „ Academie " zu beleben , deren Seele Sie sind , obwohl abwesend. " Wenden wir uns wieder zu Tassaert , um jetzt uns bekannt zu machen mit seinem Lebensgang , sowie mit seiner künstlerischen Tassaert, ausgesprochen Tessaert, war Sohn Thätigkeit in Berlin. des Vorstehers einer Malerakademie zu Antwerpen ; hier ist er getauft worden im Pfarrsprengel St. Georg am 27. August 1727 : Johann, Peter, Anton . " In seiner an Kunstwerken reichen Vaterstadt lernte er das Zeichnen und andere Anfangsgründe der Bildhauerei ; 15jährig begab er sich nach London mit einem sich zum Seine Beifall findenden Fortschritte Maler ausbildenden Bruder. ermutigten ihn , zu weiterer Vervollkommnung nach Paris zu übersiedeln. **) Aufsehen erregende Leistungen verschafften ihm viele AufEine Statue Ludwigs XV . arbeitete er für den Saal der

träge.

chirurgischen Schule. Die von Tassaert in Paris für Prinz Heinrich belobt vom wie oben erwähnt gefertigten Sachen wurden königlichen Bruder des kunstsinnigen hohen Besitzers .

*) Als der König d'Alembert ein Denkmal verhiefs, erwiderte dieser : „ Ich habe nicht die freche Eitelkeit, jemals ein solches Monument zu verdienen. Ich erbitte nur einen Stein auf mein Grab, mit den Worten : „Der grofse Friedrich beehrte ihn Imit Seinen Wohlthaten und Seiner Güte. " Andererseits widmete d'Alembert in aufrichtigster Verehrung seinem königlichen Freunde gewissermassen ein Epitaph, wenn er unter ein Friedrichsbild schrieb : „ Modeste sur un trône orné par la Victoire, Il sut apprécier et mériter la gloire ; Héros dans ses malheurs, prompt à les réparer, De Mars et d'Apollon déployant le génie, Il vit l'Europe réunie Pour le combattre et l'admirer." **) Angeblich „ 1744 " ; in Wirklichkeit aber wohl später.

15 *

Tassaert.

222

Das „ Engagement du Sieur Tassaert , Royale à Paris ,

sculpteur de l'académie

au service de Sa Majesté le Roi de Prusse " , aus-

gefertigt in Berlin den 1. Januar 1775 , gewährte Tassaert lebenslängliche Anstellung mit 6000 Livres Jahrgeld, ferner die Kosten des Umzugs aus Paris nach Berlin, Entschädigung für Atelierbedürfnisse, Besoldung von

mindestens

sechs Gehülfen und

einem Gypsmüller

nebst einem Atelierwärter , Bezahlung jeder Marmorfigur mit 4000 Livres, wenn dieselbe lebensgrofs , Kinderfiguren die Hälfte , und für andere Arbeiten so , wie der Kontrakt mit Sr. Majestät Bildhauer Adam es festgesetzt. In etwaigen Zwischenzeiten , ohne Beschäftigung für Se . Majestät , wird gestattet ,

um die Gehülfen in fort-

dauernder Thätigkeit zu belassen , irgendwelche Arbeiten auszuführen, nach des Herrn Tassaerts eigenen Ideen ; Anzeige gemacht werden ,

Sr. Majestät wird davon

und Höchstderselbe

kauft diese Sachen ,

wenn sie Ihm gefallen , oder überläfst deren anderweite Verwertung Herrn Tassaert. Da dieser in Paris nur zwei pafsliche Gehülfen gefunden , bewilligte der König ihm Reisegelder für die anderen , welche aus Italien kommen.

Se. Majestät besoldet diese ebenso wie

ehedem die Gehülfen des Kgl. Bildhauers Michel. Ein für Tassaert ehrenvoller und vorteilhafter Kontrakt. Zeitgenossen bezeichneten Tassaerts Gehalt als „ ansehnlich " .

Die Dem

Könige standen anfänglich nicht die geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung für Tassaerts Unterbringung ; aber Er liefs , auf d'Alemberts Fürsprache , der zahlreichen Tassaertschen Familie ein Wohnhaus bauen, Alexanderplatz Nr. 69 , nebst grofser Werkstatt , nach Tassaerts eigenen Angaben ; im April 1781 empfing dieser das Besitzdokument. In einem Königlichen Briefe vom 19. Juni 1775 an d'Alembert heifst es : "9 Tassaert ist angekommen . Ich werde das Mögliche thun, ihn zufrieden zu stellen, besonders in Berücksichtigung Ihrer Empfehlung. “ Der König fügte hinzu : „ A présent qu'une partie de mes tournées est achevée, je me rejette à tête baissée au milieu des lettres, seul vrai aliment de l'esprit *), et seuls amusements dignes des êtres qui forment quelques prétentions à la raison. " Bald nach seiner Ankunft wurde Tassaert zu einer Audienz nach Sans-Souci befohlen . Da seine interimistische Werkstatt in der jetzigen „ alten " Börse , am Lustgarten noch nicht eingerichtet war, mufste er zunächst dem Könige Skizzen einsenden . Im Februar 1776 erhielt Tassaert vom königlichen Baucomtoir Marmor zu mehreren Statuen . Er überschickte im September d. J. nach Potsdam

*) Die Inschrift der Berliner Kgl . Bibliothek : „Nutrimentum spiritus“ im Urtext.

Tassaert.

223

zwei in Paris begonnene Gruppen für den kleinen Saal von SansSouci . Während des Dezember 1777 liefs der König Tassaert zwei Statuen bezahlen , welche ebenso wie zwei andere , die Tassaert im Frühjahr 1779 ablieferte, im Cavalierhause bei Sans- Souci aufgestellt wurden.

D. d . Potsdam 5. Juli 1779

empfing Tassaert die

königliche

Anweisung, sich im Hause des verstorbenen Lord Marischal (unweit Sans-Souci) das Abbild des Generals v. Seydlitz anzusehen , " um desto besser die Ähnlichkeit zu treffen . " Der König bestimmte d . d . 4. Oktober 1780 zum Aufstellungsort des Seydlitzdenkmals den Berliner Wilhelmsplatz, und zwar "" in der Ecke vor dem Hause des Prinzen Ferdinand "

Johanniterordens-Herrenmeisterpalais , jetzt im

Besitz Sr. Kgl . Hoheit des Prinzen Carl.

Mitte Januar 1781 zeigte

Tassaert dem Könige an, dafs diese Statue beendet sei . Das Seydlitzstandbild wurde gerühmt von den Zeitgenossen als Daniel Berger , dessen naturgetreue Darstellung des Reiterheros. Kupferstich „ Seydlitz bei Rofsbach " eine seiner besten Arbeiten , nach einer Zeichnung von J. C. Frisch - das radierte in Kupfer Seydlitzmonument, ein 554 Centimeter hohes , 332 Centimeter breites Eine kleinere Reproduktion arbeitete Halle Bildblatt, fecit 1781.

junior. *) Das Tassaertsche Original steht bekanntlich in einer der sechs Nischen des zwei Stockwerk hohen Vorraums der evangelischen Kirche der Haupt-Kadettenanstalt zu Lichterfelde . Es war hohe Zeit, dafs die Marmorhelden des Wilhelmsplatzes unter Dach kamen ; sie sind aber, um salonfähig zu werden, so abgeschliffen worden, dafs trotz der Sorgsamkeit dieser Renovation eine weitere Aufbesserung wohl nicht ausführbar sein dürfte . Bei der ersten Übersiedelung zu den „ Alumnen des Mars und der Minerva " (Neue Friedrichsstrafse 13) war Zieten in gewohnter Weise Avantgardist ;

die Kadetten hielten

gerade Spazierstunde „ im Quarréhof" und begrüfsten den Urhusaren mit einem

spontanen „ Hurrah ! "

Die

Steinfiguren des Wilhelms-

platzes wurden ersetzt durch neue erzene Reproduktionen ( 1862) ; Schwerin und Winterfeldt nach Entwürfen von Kifs . **) Zufolge Königlichen Auftrages d . d. Potsdam 28. Juni 1781 übersandte Tassaert am 12. August 1781 dem Monarchen eine Skizze *) Berger, geb. in Berlin 1744, 1787 Direktor der dort neu gestifteten Kupferstecherschule, gest. ebenda 1825. **) Die Winterfeldt- Statue ist in den Jahren 1773—1776 gearbeitet worden von dem Brüderpaar Ränz , aus Cassel , deren Werkstatt in Potsdam gewesen zu sein scheint ; 1777 wurde dieses Denkmal aufgerichtet ; Ränz jun. starb im gleichen Jahre.

Tassaert.

224

des Denkmals für Keith. Der König erklärte sich „ sehr zufrieden “. Dem Urteil des Hofbildhauers Tassaert wurde mittelst des Kabinetsschreiben vom 2. März 1786 überlassen , Keith mit , oder ohne Hut Friedericus wollte , vergleichweis gesagt , nicht als darzustellen . Caesar supra grammaticos entscheiden . „ Die Regeln der Sculptur werden mafsgebend sein ; und selbstverständlich wird der Bildhauer Tassaert den Absichten Seiner Majestät am besten

entsprechen, je

mehr er dem Gegenstand gemäfs sich einrichtet . " Am 2. April 1787 meldete Tassaert den Abschlufs dieser Arbeit ; am 5. Mai gleichen Jahres kam Keith auf den vom Könige bestimmten Standort. Tassaert erhielt laut Kabinetsorde vom 20. Juni 1786 für die Keithstatue die gleiche Summe wie für das Seydlitzmonument : 2538 Thaler. Die letzte Zuschrift des tötlich kranken Landesvaters an Tassaert datiert vom 23. Juni genanten Jahres ; seine Quittung

Tassaert hatte

eingeschickt und um neuen Auftrag gebeten .

Der

König dekretierte Sein bekanntes, tröstendes „ Geduld haben "; der Kabinetssekretär formulierte : „ Tranquilisez -vous et prenez patience . Je vous en chargerai dès que Je jugerai à propos de faire faire quelque nouvel ouvrage. " König Friedrich Wilhelm II . übertrug Tassaert die Aufsicht über alle Königlichen Bildhauerarbeiten , erhöhte sein Gehalt und bestellte bei ihm mehrere gröfsere Arbeiten ,

so

z. B. das Grabdenkmal des

8jährigen Grafen v. d . Mark , für welches jedoch Tassaert nur ein sehr grofses Thonmodell herstellte . Die starke körperliche Anstrengung hierbei verursachte ihm

einen Schlaganfall , der ihn plötzlich

inmitten seines Schaffens abrief, den 21. Januar 1788. Die Spener'sche Zeitung und die Vossische widmeten, gleichlautend, ihm den Nachruf: „ Er war einer der ersten Bildhauer unserer Zeit ; ein fleifsiger, erfindungsreicher Künstler , aufserdem ein liebreicher Ehemann und Vater, ein aufrichtiger Freund. Wer ihn kannte, mufste ihn seines redlichen und festen Charakters wegen lieben. Seine Familie, seine Freunde und seine Kunstgenossen werden lange diesen für sie und für die Kunst zu frühzeitigen Verlust beweinen und bedauern ; aber sein Name wird durch die trefflichen Meisterwerke der Nachwelt unvergefslich bleiben. " Als Hofbildhauer und

Rektor der noch von König Friedrich,

1786 , bei der Königlichen Akademie gestifteten Bildhauerschule wurde Schadow ( eines Schneiders Sohn) Nachfolger Tassaert's, weil er der rüstigste und begabteste unter den „ Compagnons pensionnaires " des verstorbenen Meisters . In der Tassaert'schen Familie verkehrten Formey , Merian und andere Akademiker ; auch Noël, der Königliche Hofküchenchef, welcher eine grofse Person ,

nachdem der König eine Ode an ihn gerichtet,

Tassaert. fand sich dort ab und zu ein.

225

Aufser der Wittwe, einer geistvollen,

kenntnisreichen , feingebildeten Französin, hinterliefs Tassaert 7 Kinder , im Alter von 11-25 Jahren, *) in der Mehrzahl „ Töchter “ ; sämtlich von ihren Eltern wohlerzogen und zu ehrenvoller Thätigkeit vorbereitet . Für Tassaert's

eigene fortdauernde Lernbegierde spricht seine

Absicht , im Frühjahr 1786 das Dresdener Antikenkabinet zu besichtigen . In der Schadow'schen Autobiographie sind hervorgehoben Zwei seiner meisterhafte " Büsten nach dem Leben. Tassaert's Töchter älteste

haben sich einen Namen gemacht in der Kunstwelt ; die Felicitas - wurde, nachdem bei der ersten Berliner öffent-

lichen „ Kunstausstellung " ( 1786) ihre Arbeiten allgemeinen Beifall gefunden , einstimmig am 3. Februar 1787 zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt. **) Als vorzügliche Kunstwerke Tassaert's des Abbé Raynal und des Hinterbliebenen

rühmt

man die Büsten

Philosophen Mendelssohn .

des Husarengenerals v. Zieten ,

Die

für die

nach einer Todten-

maske gearbeitete Büste dieses Helden wurde von Schadow benutzt für das im Februar 1794 auf dem Wilhelmsplatz errichtete Marmorstandbild . Einer verwittweten Frau v. Blumenthal Reliefmedaillon befindet sich in der Berliner Hedwigskirche. ***) Bescheidener Widerspruch dürfte erlaubt sein gegen Professor Dr. F. Kugler's Kritik : „ Eine lebensgrofse Marmorbüste Friedrich des Grofsen von P. Tassaert ist ohne höheren Kunstwert. " +) Büste stand anfänglich Schlosses ,

Diese

in der „ Kunstkammer" des Berliner grofsen

dann im Königlichen Museum ; von hier wurde sie ent-

Nach Angabe des Todtenregisters der Berliner Hedwigskirche. **) Sie hat, 1788, ihres Vaters Bildnis „ geschabt" . König Friedrich Wilhelm II. zeichnete sie aus durch ein Jahrgeld von 200 Thaler : mehrere Pastellgemälde von ihrer Hand befinden sich zur Zeit im Berliner Königlichen Kupferstichkabinet. Von ihrer jüngsten Schwester Antoinette kam ein Portrait des regierenden Königs in die Berliner Kunstausstellung 1789. Ein Sohn Tassaert's , erst bei der „ Regie “ angestellt , dann Architekt und sich im Freihandzeichnen übend, ätzte demnächst in Kupfer und übersiedelte nach Paris. Eine Venus nach unserm Tassaert findet man in den „ Tablettes d'un amateur des arts etc. ", Berlin 1803. Einzelne aus seinem Atelier stammende Sachen, allegorisch mythologischer Richtung, wurden vor einigen 30 Jahren in Berlin verkauft. ***) Erste Fensternische, rechts von der Kirchthür. Diese Dame, eine in Nancy geborene Gräfin, starb hochbetagt 1782 , wie die Widmungsinschrift besagt, als Oberhofmeisterin Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzefs Heinrich; sie mehrte den Schmuck jenes Gotteshauses , war vieler Armen Wohlthäterin u. s. w. --- Man darf dieselbe nicht verwechseln mit ihrer Amtsnachfolgerin, der Zietenbiographin. †) F. Kugler, Beschreibung der Königlichen Kunstkammer ; Berlin 1838, S. 284.

Tassaert.

226 liehen 1863

zu

einer Ausstellung im Konzertsaal

des Königlichen

Schauspielhauses, zwecks Erinnerung an Friedrich den Grofsen ; später wanderte dieselbe aus dem Museum nach Monbijou, und kam schliefslich in den Bildergallerieraum des Königlichen „ Schlosses " . nicht mit des Künstlers Namen

bezeichnet ,

Obgleich

kann diese Friedrichs-

büste sehr wohl von Tassaert herrühren. Sicherlich ging sie nicht aus seiner Werkstatt hervor mit der Anforderung : von Mit- und Nachwelt bewundert zu werden, wie ein Prachtwerk des Phidias . Es frägt sich, wie viel Zeit Tassaert zu dieser Arbeit vergönnt war.

Höchst unwahrscheinlich ist, dafs sie zu den Aufträgen seitens

seines

Königlichen Herrn

wie vielen anderen ,

zählt .

Mangelt

dieser Friedrichsbüste,

die volle Portraitähnlichkeit , so wolle man be-

rücksichtigen, dafs der grofse König Sein Gesicht dem Maler u . s . w. entzog, soweit es Ihm möglich. Er Selbst spricht hiervon in Briefen vom 1. November 1772 an Voltaire und vom 14. Dezember 1774 an d'Alembert .

Nur die nach der Eckstein'schen Originalmaske ge-

fertigten Büsten und Denkmäler gelten.

können

als getreue Abbildungen

Wahrscheinlich entstand erwähnte Tassaert'sche Büste neben-

bei während der Vorarbeit für jene Reiterstatue, welche das preufs. Offiziercorps seinem Kriegsherrn widmen wollte , aber nicht durfte . *) In seiner Bildhauerwerkstatt, wie auch als artistischer Vorstand bei der Königl . Porzellanmanufaktur war Tassaert

sehr produktiv.

Aufser oben genannten Arbeiten fertigte er mancherlei kleine Figuren, Gruppen, Vasen u . s . w. - Sache der Kunstgeschichtsschreiber ist es ,

ihn

gebührt

als Plastiker richtig Tassaert

der vom

und voll zu würdigen . ehrenwerten

d'Alembert

Unsererseits uns

in den

Mund gelegte Nachruf: „ Er verdiente sich durch Wohlverhalten, Geschicklichkeit und Eifer die Gewogenheit Friedrichs des Grofsen ! " In den Konversationslexikas sucht man Tassaert's Namen vergeblich.

Seine Asche ruht

auf dem kleinen alten Berliner katho-

lischen Friedhof , zunächst des vormaligen Oranienburger Thores , in der äussersten Ecke links ,

unter einem Grabstein

mit unleserlich

gewordener, verwitterter Inschrift. Möge das Andenken dieses Heldendenkmalkünstlers

eine bleibende Stätte finden

im kulturgeschicht-

lichen Teile der Annalen des Preufsenheeres , zur Widerlegung des Sallust'schen Pessimistenworts : „ Gloria fluxa atque fragilis est !" Berlin 29. April 1881 .

(Gr. L.)

*) Näheres in Schadow „Kunstwerke und Kunstansichten", Berlin 1849 S. 1.

Umschau in der Militär-Litteratur.

227

XIX .

Umschau in der Militär- Litteratur .

Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen. VII. Jahrgang 1880. Herausgegeben von H. v. Löbell , Oberst z. D. Ihr kommet spät zwar, doch ihr kommt , allverehrte und hochgeschätzte Jahresberichte.

Dafür zählt

250 Seiten weniger als Euer Vorgänger.

ihr diesmal aber auch etwa Weil "" die im Jahre 1880

gesetzlich festgestellte Erweiterung der deutschen Wehrkraft im Zusammenhange mit der im Jahre 1881 vollzogenen Ausführung des Gesetzes vom 6. Mai 1860 , betreffend Ergänzungen und Änderungen des Reichs -Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 " steht , - aus diesem Grunde gar keinen Bericht über das Heerwesen Deutschlands 1880 zu bringen ,

scheint mir für einen Jahresbericht doch ein sehr be-

denkliches Verfahren

zu sein .

Ebensowenig

erachte ich es

dem

Charakter des Werkes für angemessen , die im Jahre 1880 von Seiten der Russen

unternommene Expedition

gegen

die Teke-Turkmenen

deshalb gar nicht zu erwähnen , weil die Entscheidung erst im Januar d . J. fiel.

Nach meinem Dafürhalten wäre

es mehr am Platze ge-

wesen , im vorliegenden Falle den in den ersten Wochen des neuen Jahres erfolgten Abschlufs der Expedition mit in den Jahresbericht für 1880 hineinzuziehen , lung bis

zum

Mensch mehr

Sommer

als mit der Veröffentlichung der Darstel1882

zu warten ,

für den längst erledigten ,

Kriegszug interessieren wird.

wo

sich sicherlich kein

militärisch unbedeutenden

Hat doch der Bericht über den Krieg

von Chile gegen Bolivia und Peru auch bis

zum

17. Januar 1881 ,

den Tag der Besetzung von Lima durch die Chilenen, verständigerweise übergegriffen !

Nicht unbeachtet darf hierbei bleiben , dafs die

1879 ausgeführte Unternehmung gegen die Teke-Turkmenen bis zur Stunde in den Jahresberichten auch noch nicht zur Darstellung gelangt ist.

Sehr vermissen wir in dem vorliegenden Jahresberichte

einen Aufsatz über das Befestigungswesen ; vergebens suchen wir nach einem Artikel über das Material der Artillerie , die Küstenartillerie und Militär-Telegraphie.

Auch die im verflossenen Jahre

erschienenen Berichte über Militär-Rechtspflege, Militär- Sanitätswesen

Umschau in der Militär-Litteratur.

228

und Militär- Statistik haben in dem neuen Bande keine Nachfolge gefunden. Dagegen sind für dieses Jahr Berichte über die Luftschiffahrt und die Verwendung der Brieftauben im Dienste des Krieges gebracht , während des Militär- Eisenbahnwesens , der militärischen Bedeutung des Telephons , sowie wichtiger und interessanter Erfindungen u. dergl. ebenfalls keine Erwähnung gethan ist. In dem ersten Teile des Werkes befinden sich in herkömmlicher und fast durchweg vortrefflicher Art und Weise Berichte Heerwesen

der

einzelnen Länder zusammengestellt.

23 Armeeen in Betracht gezogen.

über das

Diesmal sind

Je nach der Bedeutung derselben

nehmen die Berichte einen verschiedenen Standpunkt ein ; dadurch erklärt es sich , dafs von den 233 Seiten dieses Teiles allein 46, also ein volles Fünftel, auf das Heerwesen Frankreichs fallen, neben die sich der Bericht über die russische Armee nur mit 22 Seiten stellen kann.

Wenn ,

wie in

dem vorliegenden Bande ,

besondere

Berichte über Luftballons und Brieftauben gebracht werden, so wäre es wohl nicht erforderlich gewesen , diese Gegenstände auch bei dem französischen Heerwesen zu erwähnen . Nicht recht klar erscheint mir in dem Berichte über die belgische Armee das beiden ersten Absätzen Gesagte.

dort in den

In dem zweiten Teile des Werkes , welcher die Berichte über die einzelnen Zweige der Kriegswissenschaft enthält , wird der über die Taktik der Infanterie die Aufmerksamkeit besonders auf sich lenken . Im Eingange dieser Abhandlung ist die Behauptung aufgestellt, daſs der Löwenanteil des Ruhmes , des Erfolges , wie auch der Verluste

im deutsch - französischen

gebührte !

Kriege

der deutschen Infanterie

Nicht die Ausdrucksweise allein verläfst hier die ge-

wohnten Bahnen ,

sondern auch die rückhaltlose Offenheit den an-

deren Waffen gegenüber ! „ Der im Deutschen so mächtige historische Sinn hat bisher den Sieg über die immer von neuem geltend gemachten Forderungen des Zeitgeistes behauptet. " heifst dann an anderer Stelle ,

wobei

auseinandergesetzt wird ,

dafs

es die

deutsche Infanterie im Gegensatz zu den anderen Staaten an ihren Traditionen festgehalten

und

inbetreff neuer taktischer Formen nur

die notwendigsten Zugeständnisse gemacht hat ! Ob man der deutschen Infanterie zu diesem

ihr

zugeschriebenen Sieg

über den Zeitgeist

Glück wünschen darf?! Eine wahre Hochflut litterarischer Erzeugnisse aus dem Gebiete der Infanterietaktik soll das Jahr 1880 gebracht haben, und bedauert der Bericht, dafs diese Litteratur überwiegend anonymen Charakters ist und dadurch einen Hauptfaktor ihres Wertes verliert. Von den 17-20 taktischen Schriften ,

Umschau in der Militär-Litteratur. welche im Jahre 1880 mit Bezug

229

auf die Infanterietaktik aus den

Reihen des deutschen Heeres hervorgegangen sind , noch nicht

die Hälfte anonym erschienen ,

und

ist in der That

zum Teil ist diese

Anonymität eine so durchsichtige, dafs es nicht leicht erklärlich, warum die Autoren sich nicht gleich genannt haben . -Aus der Hochflut hebt der Bericht dann zwei Erscheinungen als besonders hervorragend hervor. Die eine, betitelt „Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade " , setzt sich bekanntlich das Ziel, vollständig mit unserer taktischen Grundform, der Compagniekolonne in drei Zügen, und somit mit dem Reglement,

zu brechen.

nach dieser Richtung hin nungen hervor ,

Allerdings

ragt diese Broschüre

unter den übrigen litterarischen Erschei-

aber wie ein

kahler ,

abgestorbener Stamm unter

frischgrünen, kräftig aufschiefsenden jungen Bäumen.

Die zweite als

hervorragend bezeichnete litterarische Erscheinung ist Boguslawski's kleine Broschüre , „ Die Hauptwaffe in Form und Wesen , " welche der Verfasser selbst eine Ergänzungsschrift seiner früheren Werke nennt. Sie ist also weder ein selbständiges Buch , noch bringt sie wesentlich neues ! Dafs aber in unseren militärischen Zeitschriften , im Militär -Wochenblatt u. s . w. , mancher vortreffliche und wirklich hervorragende Aufsatz

taktischen Inhalts gestanden ,

vorliegende Bericht nichts .

davon weifs

„ Die mafsgebenden Taktiker ,

der sagt

er, 99 vereinigen sich in der Ansicht : Ausnutzung der Leistungsfähigkeit des Gewehres in einzelnen Gefechtsmomenten , aber Anstreben entscheidender Resultate nur auf nahe Distancen.

So beifst sich die Schlange hier in den Schwanz . " -

Inwieweit die den mafsgebenden Taktikern von dem Berichte imputierte Ansicht mit einem "" Sich in den Schwanz beifsen " einer Schlange zu vergleichen ist , habe ich beim besten Willen nicht herausfinden. können .

Warum soll man nicht die Leistungsfähigkeit des Gewehres

in den einzelnen Gefechtsmomenten ausnutzen und die Entscheidung des Kampfes zugleich auf den nahen Distancen suchen ? - Dafs im verflossenen Jahre mehrere, kleineren Armeeen angehörende Offiziere die Vorteile des Weitschiefsens sucht haben ,

nennt

des Weitschiefsens

in Broschüren klar zu legen ver-

der Bericht

einen Lösungsversuch der Frage

auf technischem Wege ,

nachdem dieselbe in

den grofsen Heeren zu einem gewissen Abschlufs in entgegengesetzter Richtung gediehen sei !

Es ist

nach dem vorliegenden Bericht das

Geschick kleiner Heere ohne Kriegserfahrung und mit beschränktem Gesichtskreise , Theoretiker auszubilden und die Spekulation bis zu den äussersten Grenzen ausgreifen zu lassen . “ --- Diese einzelnen Stellen des Berichtes werden zu seiner Kennzeichnung genügen ; nur

Umschau in der Militär-Litteratur.

230

sei noch besonders erwähnt, dafs er sich inbetreff der österreichischen Infanterie-Taktik lediglich darauf beschränkt, einiges über die bereits 1879 erlassene „ Schiefsinstruktion für die Infanterie u. s. w . " nachzuholen. die Taktik

Recht anziehend und sachgemäfs sind die Berichte über der Kavallerie , Feldartillerie und des Festungskrieges

geschrieben ,

obgleich

in letzterem wieder der ganz müfsige Streit

angeregt wird, ob im Festungskriege die Infanterie oder die Artillerie die Hauptwaffe

ist.

Auf die

interessanten Berichte

Luftschiffahrt und Taubenpost ist bereits hingewiesen dem

Berichte

über

Militär-

worden .

In

über die kriegsgeschichtliche Litteratur finden

wir kurze Besprechungen der verschiedenartigsten Werke , so z. B. Rufsland vor und nach dem Kriege . Auch aus der Petersburger Gesellschaft. -- Die Geschichte der Pariser Commune 1871. -- The life of His Royal Highness the Prince Royal. - Die Memoiren des Grafen van der Meere . -

Die Memoiren

der Madame de Remusat,

Maria Theresia's letzte Regierungsjahre 1763-1780 und eine Menge anderer Werke ,

die

mit der Kriegsgeschichte nicht den geringsten

Zusammenhang haben.

-

Unter den

erschienenen Regimentsgeschichten

aufgeführten ,

findet

man

die

1879-1880 bereits

1871

herausgegebene Schrift des jetzigen Oberst Poten : Braune Husaren in Frankreich 1870/71 , hingegen sind die Geschichten des rheinischen Jägerbataillons (Weber), des Fufsartillerie - Regiments Nr. 2 und des schleswigschen Fufsartillerie-Bataillons

Nr 9 (Stiehl) ,

die

des Re-

giments Nr. 118 (Keim) nicht genannt . Unter den Beiträgen zur militärischen Geschichte des Jahres 1880 zeichnet sich die äusserst gelungene Schilderung des Krieges von Chile gegen Bolivia und Peru in jeder Weise vorteilhaft aus, während die Darstellung des Krieges zwischen England und Afghanistan dem an und für sich wenig spannenden Gegenstand durch eine Menge nebensächlicher Einzelheiten jedes Interesse zu nehmen weifs. Die „ Nekrologe von im Jahre 1880 verstorbenen hervorragenden Offizieren u. s . w. " kranken au ihrem alten Fehler : zu geringe Berücksichtigung der deutschen Offiziere gegenüber fremdländischen .

Welche hervorragenden Verdienste z . B. dem russischen

General Mansurow I. einen Platz in den Nekrologen verschafft haben, bleibt eine ungelöste Frage, wie es auch nicht erklärlich ist, warum z. B. der verstorbene General v . Plonski , der im Feldzuge 1866 die zweite Garde- Infanteriedivision führte und hierauf kommandierender General des XI. Armeecorps war, keine Aufnahme gefunden hat. Auch in dem vorliegenden Bande ist schliefslich die militärische Chronik des Jahres 1880 nach diesseitigem Ermessen weit über die einer solchen Zusammenstellung gebührenden Grenzen gegangen.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

231

Pflichtgemäfs haben wir hiermit „ sine ira et studio " unser Urteil über den neuesten Band der „Jahresberichte " abgegeben ,

frei und

offen dabei nach jeder Seite hin unsere Ansicht ausgesprochen .

Mit

Freuden werden wir im nächsten Frühjahre , je eher je lieber , den. nächsten Band des anerkannt vortrefflichen Werkes begrüfsen !

v. M.

XX.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften.

(15. Juni bis 15. Juli .) Militär-Wochenblatt ( Nr. 51-58 ) : Die Kavallerie-Beratungen zu Die Festung Ulm . Die Kavallerie in der Avantgarde. Tours. Der Krieg Armee. russischen der in Rekrutenausbildung zwischen Engländern und

Boern im Jahre 1880/81 .

Alt- und

Neupreussisches zur Entwickelung des Infanterie-Exerzierreglements . Neue militärische Blätter (Juli 1881) : Über das Zusammenziehen und Auseinanderlegen der Armeeen.

Die Reorganisation des Heer-

wesens in Holland mit Berücksichtigung seines Festungssystems. — Das Infanteriegefecht auf den nahen Entfernungen . - Mitteilungen aus dem Gebiete der Feuerwaffen . - Über die Beteiligung des deutschen Eisenbahnregiments an Bauten und Arbeiten der Bahnen im Frieden. — Die Wehrkraft des neuen Königreiches Rumänien . Allgemeine

Militär - Zeitung

( Nr. 46-54) : Eine französische

Ansicht über den strategischen Aufmarsch deutscher Streitkräfte an der Rheingrenze. - Die deutsche Wehrkraft und die Auswanderung . - Die hundertjährige Jubiläumsfeier des bayerischen 1. Infanterieregiments König. - Noch einmal das Detachementskriegsspiel. Das internationale Vergleichsschiefsen mit Repetiergewehren , abgehalten in Wien den 28. , 29. und 30. April 1881. - Die 100jährige Jubiläumsfeier des bayerischen 1. Infanterieregiments König. - Die Herbstübungen der französischen Armee von 1881. ― Über Schleichpatrouillen im Vorpostendienst. Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 48-56 ) : Wie soll die DisziplinarEin

Strafgewalt innerhalb der Compagnie gehandhabt werden ?

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

232

unserer Wehrkraft. - Ein neuer Vorteil der Das neue britische KriegsMantelpatrone . -

Mittel zur Erhöhung Meyhoefer'schen

Anleitung zum instruktionsgemäfsen Detailschiff „ Polyphemus “. Zur Frage der Kavallerietaktik in Frankbetrieb der Gymnastik. reich . - Keine Kavallerie mehr? Stahlbronze. Militär-Zeitung für die

Reserve- und Landwehr-Offiziere des deutschen Heeres ( Nr. 25-28) : Die Reiterei . — Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fufsartillerie . Plaudereien über Feldbefestigung. Archiv für die Artillerie- und Ingenieuroffiziere Festungstruppen. 3. Heft): Moderne Feldartillerie. liche Entwickelung

(88. Band Geschichtder Artillerie - Schiefskunst in Deutschland. -

Worin weichen die Belagerungsoperationen gegen Sebastopol von den Vauban'schen Grundsätzen ab und welche Lehren mufsten damals aus dieser Belagerung für den Angriff und die Verteidigung fester Kriterien für das Schiefsen aus gezogenen Plätze gezogen werden? Geschützen . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft VI . ): Aus den Reiseberichten S. M. Aviso „ Loreley". - Aus den Reiseberichten S. M. Schiff „Victoria ". Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift (V. u . VI . Heft) : Johann Reichsgraf von Klenau , Freiherr v. Janowitz . — Eine Übung in der taktischen Thematik . Die Frühjahrsinspizierungen der preufsischen Infanteriecompagnieen.

Bericht über das

Schiefsen

aus weittragenden Feldgeschützen im Jahre 1880 gegen eine im Lager von Ust-Ishora zu diesem Zwecke erbauten Feldschanze. Die Reichsbefestigung Frankreichs. — Hat die Kavallerie aufgehört eine Waffe zu sein ? Organ der militärwissenschaftlichen Vereine (7. und 8. Heft) : Über Einheitskavallerie und einige die Ausbildung und Verwendung der Reiterei berührende Fragen . - Die K. K. 18. Pionier-Feldcompagnie vor und während der Okkupation der Herzegowina . - Zur Ausbildung des Infanterieangriffes . - Die Friedensübungen der Kavallerie. Österreichisch- ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 48 -56 ) : Die Standes- und Avancementsverhältnisse der K. K. Generalstabs- und Intendanturcorps . Über die Verwendung der Infanterie bei Verteidigung von Festungen. Die Beurteilung der Dienstbrauchbarkeit nach dem Körpergewicht . - Die Schrift Mezzacapos. Schutz der persönlichen Ehre . - Zur Frage des Munitionsersatzes im Gefechte . --Frankreichs nächster Krieg mit Deutschland. -

aus anderen militärischen Zeitschriften.

233

Zur Lösung der Fufsbekleidungsfrage. - Die neuprojektierte Centralfechtschule . Heerwesen und Parlamentarismus.

Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 48-55 ) : Die sechsjährige Schulpflicht. Über den militärischen Geist und die Stimmung des Heeres . - Ein Mittel zur Erhöhung unserer Wehrkraft. - Der Heliograph als Kriegsmittel. Die Stellung des Generalstabschefs . Kriegs- und Friedensingenieure der Armee. - Festungskommandanten. Friedrich der Grofse über die Kriegführung und Taktik der Österreicher. - Die Verwendung der Kavallerie. -- Die Lage der Schützengräben bei Verstärkung von Höhenstellungen . Vielschreiberei in der österreichischen Armee.

Die

Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens 5. u. 6. Heft) : Übersicht der vorzüglichsten Versuche auf dem Gebiete des Artilleriewesens. - Übersicht der Befestigungen in Frankreich , Italien, Rufsland , Deutschland, Belgien und Niederlande . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Nr. IV. und V.) : Erprobte Verbesserung der Konstruktion und Anwendung des Kontrollkompasses, sowie des Kompasses mit Universalkompensation . Der Krieg in Südamerika. ― Signalisierungsmethode zur genauen Bezeichnung der Schiffskurse. Vergleichsschiefsen mit Mitrailleusen

in Shoeburyness. Le spectateur militaire ( 15. Juni 1881) : Studie über die VerDer Ursprung pflegung der Truppen im Felde. Die Telemeter. der französischen Taktik. - Bonaparte und seine Zeit. Journal des sciences militaires (Juni 1881 ) : Aufklärungstaktik. die Mobilisierung. - Untersuchung über - Das französische Telegraphendie Durchschlagskraft der Geschosse. Die Rekrutierung und

netz , vom Gesichtspunkte der Grenz- und Küstenverteidigung. Ausbildung der Truppen für die Schlacht. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 25-28) : Abhandlung Das Generalstabsüber theoretische und praktische Elektricität. Das Seecorps bei den verschiedenen europäischen Staaten. Gesellschaft. technischen russischen Kriegsspiel in der Kaiserlich Der neue Krieg in Afghanistan. - Die militärische Taubenzüchtung in Spanien. - Bericht eines portugiesisshen Offiziers über die spanische Armee. — Historische Studie über die permanente Fortifikation . Le progrès militaire ( Nr. 65-73) : Taktische Studien . — Der dreijährige Dienst . - Die Umänderung der Fufsbekleidung. ― Die Placierung der Kavalleriecorps . - Die Rekrutierung der Seesoldaten. Über die Kriegskosten . - Das Gesetz über die Verabschiedungen .

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

234

L'armee française (Nr. 527-540) : Das Avancementsgesetz. -Der Das Wiederengagement der Unteroffiziere. — Schiefsversuche. dreijährige Dienst. Die Die neue Uniform der Kavallerie . Prüfung der Unteroffiziere . - Die Eisenbahnen des Staates . ― Das Avancementsgesetz . - Die Schule von Saint- Maixent und die Revue vom 14. Juli. - Unzuträglichkeiten der Metallpatronen .

La France Kavallerie.

militaire

(Nr. 24) :

Revue d'Artillerie (Juni 1881) : Artilleriebrigade

der Grenadiere

Die

Applikationsschule

der

Operationen der 3. Batterie der

im Kaukasus. — Anwendung der

Methode des Hauptmanns Siacci bei Geschossen von verschiedenen Formen. - Versuche mit Perkussionszündern in Italien. - Einige Betrachtungen über den gegenwärtigen Belagerungskrieg. - Die deutsche Artillerie. L'Esercito italiano ( Nr. 69-81 ) : Die kommandierenden Generale . Der praktische Die Unteroffiziere des französischen Heeres. Unterricht bei der Armee. Armee und Finanzen . Das Wohlbefinden des

Soldaten . -

Die Einberufung der mobilen Miliz.

Scheibenschiefsen. Rivista militare italiana (Juni 1881) : Summarischer Bericht über Über die normalen taktischen Formen. die grofsen Manöver. Die Ernährung der österr.-ung. Truppen in Bosnien und der Herzegowina . Der Krieg zwischen Chile und Peru . - Candahar. Giornale di Artiglieria e genio (Heft 4) : Die modernen Löschapparate bei Feuersbrünsten . - Die neue Brücke von Clain über den Drac-Strom in Frankreich . - Die neuen Hinterladegeschütze. Army and Navy Gazette ( Nr. 1117–1120 ) : Berittene Infanterie . Der russische Feldzug . Torpedos. Das neue Armeeschema. Die französischen Herbstmanöver. willige Artillerie . -Säbel und Gewehr.

Die Revue

über

die frei-

Die neue Territorialarmee.

Army and Navy Journal (Nr. 44-47) : Militärkostüme und Ceremonien . - Das Gesetz der Vermehrung der Marine . - Maschinenkanonen . - Jefferson Davis über den grofsen Krieg. Das System

Palliser.

Die Infanterie

und der Säbel.

Die letzten

Geschützversuche .

The United Service (Juli 1881 ) : Ein vergessener General. Unsere Miliz . Die Schlacht von Buena Vista. Die österreichische Artillerie . —- Die Übungen der Stabsoffiziere. Allgemeine Schweizerische

Militär-Zeitung ( Nr. 25—28 ) :

militärischen Operationen in Tunis.

Das Vergleichsschiefsen

Die mit

aus anderen militärischen Zeitschriften .

235

Mein Aufenthalt in Zülpich vom 6. bis 22. SepRepetiergewehren . Ebenfalls tember 1880 bei der kombinierten Kavalleriedivision . zur Organisation der Geniewaffe. Revue militaire suisse ( Nr. 12 u. 13) : Instruktion für den Felddienst der schweizerischen Truppen. Der Krieg in Afrika. Befestigungsfragen. Die französische Presse und die schweizerischen Befestigungen. Die Vorsteckzünder. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 6) : Unser Generalstab. Die Schiefsversuche mit dem schweiz . Repetiergewehr im Frühjahr 1880. Der neue doppeltwirkende Zünder der franz. Artillerie. - Die Schule für unterseeisches Minenwesen in Willets Point. De militare Spectator ( Nr. 7) : Die Centralmagazine für das Heer. Über Normalbatterieen bei der Verteidigung von Festungen. Einige Artikel über die Rechtspflege Über eiserne Blendungen. beim Landheer. Der sichere Beobachtungsdienst bei den Schiefsübungen. Norsk Militaert Tidsskrift (44. Bd . 5. u. 6. Heft) : Militärische Über Die Militärakademie zu Westpoint. Übersicht für 1880. die Einwirkung der neuesten Kriegserfahrung auf das norwegische Infanterie-Exerzierreglement . - Über Stahl . - Über die Verkürzung der Ausbildungszeit des norwegischen Soldaten. Kongl. Krigsvetenskaps - Akademiens - Handlingar ( 10—12. Heft) : Die Ausbildung der Infanterie im Scheibenschiefsen bei den europäischen Heeren. - Über die Formationen der Infanterie zum Gefecht. -- Jahresbericht über die Fortschritte in der Photographie. Betrachtungen über die schwedische Centralverteidigung. - Über die Ausbildung Ordnung.

des Infanteristen bei der

Kampfweise

in

zerstreuter

Revista cientifico militar (Nr. 10-13) : Der Einfluss der allmählichen Verbesserung der Handfeuerwaffen auf das Gefecht. - Ein neues topographisches Instrument. - Eine Revolution in Japan ( 1877). Gedanken und Grundsätze Napoleons . Die Gröfse und die Beschaffenheit der Heere . - Über die Verbesserung der Handfeuerwaffen. w Angriff und Verteidigung fester Plätze zur Zeit der Griechen Über stählerne und Römer. - Die allgemeine Militärakademie. Gebirgskanonen. Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 12 u . 13) : Betrachtungen über die imaginairen Quantitäten und den gegenwärtigen Zustand der Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u . Marine Band XL. 16

236

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u . s . w. Photo-mechanische Versuche .

Wissenschaft.

Über die militäri-

schen Rayons . Revista militar ( Nr. 12) : Praktischer Unterricht der Ingenieure Militärische Organisationsfragen . - Der Feldund Artilleristen . zug in Transvaal.

XXI .

Verzeichnis

der bei

der

Redaktion

eingegan-

genen neu erschienenen Bücher u. s .

w.

(15. Juni bis 15. Juli .)

Arming , Wilhelm , Oberlieutenant : Handbuch für Reserveund nichtaktive Landwehroffiziere . Mit 35 in den Text gedruckten Abbildungen. Als Manuskript gedruckt. Zweite Auflage.

Budapest 1881.

Selbstverlag des Verfassers .

80.

Ballestrem , Eufemia Gräfin : Memoiren des Freiherrn Dubislaw Gneomar v. Natzmer, Königl . preuſs . Feldmarschalls u . s . w. Mit spezieller Erlaubnis des Besitzers . und mit Erläuterungen versehen. 8º. 190 S.

Herausgegeben, bearbeitet

Berlin 1881.

Th . Grieben. -

Barado Francisco . . . y Juan Génova , oficiales del Arma de Infanteria Armas Portativas de Fuego . El moderno armamento de la infanteria y su influencia en el combate.

Illustrada

con 400 grabados 94 tablas y un gran cuadro grafico á dos tin80 . - 823 S. tas. Barcelona 1881. E. Ullastres . Campe ,

Generalmajor z . D .:

Über die

pagnie für das moderne Gefecht.

Ausbildung der ComMit 19 in den Text ge-

druckten Holzschnitten . Fünfte umgearbeitete Auflage . Berlin 181 S. Preis 2,50 Mk. 1881. E. S. Mittler u. Sohn. - 8º. Ferschke , Hermann : Im Rock des Königs . Erinnerungen und Geschichten aus dem Soldatenleben . Hamburg 1881. E. Nolte. - 8º . - 193 S. Langer, R., Zahlmeisteraspirant des 1. Bataillons 3. westphälischen Infanterieregiments Nr. 16 : Leitfaden zum Unterricht in der Kapitulantenschule (zweite Stufe) und

zum Selbst-

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.

237

Köln 1881. Militär- Verwaltungsdienst. K. Warnitz u. Comp. 8º. – 60 S. Preis 0,80 Mk.

unterricht.

Löbell , H. v.: Oberst z. D.: Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen . VII. Jahrgang 1880. Berlin 1881. E. S. Mittler u . Sohn . --- gr. 8. 404 S. Militär- statistisches Jahrbuch für das Jahr 1876 und für das Jahr 1877.

2 Teile.

Über Anordnung des k. k. Kriegs-

ministeriums bearbeitet und herausgegeben von der IV. Sektion des technischen und administrativen Militärcomités . Wien 1881 . 4º. Teil für 1876 : 177 S. , für 1877 : 237 S. und 52 S.

Anlagen. Müller, Hauptmann à la suite des hohenz . Füsilierregiments Nr. 40 und Kommandeur pagniedienst.

der Unteroffizierschule Ettlingen :

Der Com-

Ein Handbuch für den Compagniechef im inneren

und äufseren Dienst der Compagnie. Mit Holzschnitten im Text. Dritte verbesserte Auflage . Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn. 80. - 208 S. - Preis 3,60 Mk. Ratz, Alexander, Hauptmann und Compagniechef im k. k. Festungsartillerie-Bataillon Nr. 7 : Der belagerungsmäfsige (förmliche) Angriff gegen moderne Festungen vom strategischen, artilleristischen und fortifikatorischen Standpunkte. Olmütz 1881. Friedrich Grofse . --- 80. 216 S.

Mit 1 Tafel .

Rohne, H., Major und Abteilungskommandeur im 2. brandenb. Feldartillerie-Regim . Nr. 18 (Generalfeldzeugmeister) : Das Schiefs en der Feldartillerie , unter Berücksichtigung der für die preufs . Artillerie gültigen Bestimmungen. Mit vielen Abbildungen im Text und 12 Tafeln in Steindruck. Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn. -- 8º. 334 S. ― Preis 8 Mk . Rüdinger , Friedrich Christian v.: Königl . württemb . Oberregierungsrat u. s . w.: Handausgabe der deutschen Wehrordnung mit ihren Ergänzungen und Änderungen . Zweite - 8º. Ausgabe. Stuttgart. W. Kohlhammer. 440 S. Preis 5,60 Mark.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.

I

XXII .

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für

die Gegenwart. Von

E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Wenn man sich den Gesamteindruck der napoleonischen Infanterietaktik vor Augen führt, so zeigt derselbe die vollständige Wiederherstellung der Kolonnenform in nahezu demselben Stile, in welchem sie 3-400 Jahre früher bestand und äufserlich lediglich so weit verändert , als die mitwirkenden Verhältnisse und die zur Verfügung stehenden Mittel sich seitdem geändert haben.

Hier wie dort schützt

die Front eine Schützenlinie, nur hat die neuere durch die Erleichterung der Ausrüstung und Einführung des Bajonettgewehres eine gröfsere Selbständigkeit, Beweglichkeit und Feuerleistung, sowie auch das gewonnen, dafs sie von jedem Teile des Bataillons gebildet und Aber sonach auch aus dem Bataillon verstärkt werden konnte. trotz dieser scheinbaren Befreiung von der quantitativen Einschränkung blieb auch in der napoleonischen Zeit die Feuerlinie ein numerisch begrenzter Teil des Bataillons , oder , soweit die vorderen Treffen schon in der Feuerlinie

aufgegangen waren , der Schlacht-

Die Schützenlinie war aber keine Linie im formalen Sinne, ihrer Gestalt wohnte keine andere bindende Kraft inne , als die gebietende Natur des Feuergewehres, sie war eben die Form der Form17 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL. ordnung.

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

240

losigkeit, wie sie bei der Einführung der Schiefswaffen ent- und bei der Einführung der Massenaufgebote wiedererstanden war ; sie war Ursache, Wirkung und Symptom eines gewissen Verzichtes der Führung auf die vollständige Beherrschung dieses Teiles der Gefechtsform . raum

In ihr war also den centrifugalen Kräften ein gröfserer Spielgewährt , der zwar durch Erhöhung der Einzelleistung im

Schiefsen , Decken und Bewegen das Ganze zu fördern , aber ebenso auch den Einfluss der Führung zu erschweren vermochte. Daſs letzteres in minderem Mafse fühlbar wurde als ersteres, lag zum grofsen Teil eben in der ziemlich gering gehaltenen Stärke der Schützenlinie, die für sich zu schwach war, um ohne ihre rückwärtigen Teile etwas zu unternehmen, und die sonach um ihrer selbstwillen sich von diesen aus leiten lassen musste. Eine Entscheidung durch ihre Feuerkraft zu geben, dazu war sie nicht bestimmt, sondern dazu, dem Bajonett und der Masse den bis zu deren Eingreifen erforderlichen Schutz zu gewähren und zuarbeiten.

durch Schwächung und Ermüdung des Feindes vorDas was die Entscheidung gab , war die blanke

Waffe ; nicht effektiv, weil es dessen meist nicht bedurfte, aber durch das Erscheinen ihrer typischen Gefechtsform, der Kolonne, durch das Auftreten von frischen , von der Form zersetzenden Feuerthätigkeit noch unberührten Streitkräften, die nun in jener Form in den Kampf eintraten, in welche sich Entschlufs des Blankkampfes kleidet . Wie grofs die entscheidenden Kolonnen waren , das hing von

dem Widerstande des Feindes

und davon ab ,

welchem Treffen es

schon (oder erst) beschieden war, den Ausschlag im Kampfe zu geben ; stets aber war es das Auftreten von in Masse geordneten frischen Kräften, was auf der einen oder anderen Seite die Entscheidung gab. Dafs aber trotz der erheblich gesteigerten Feuerleistung Kolonnen von solcher Gröfse ,

wie

sie sich im 30jährigen Kriege nicht mehr

zu halten vermocht hatten, in den napoleonischen Schlachten wieder auftreten konnten, das verdankte sie einerseits dem Vortreffen , dessen Feuer sie schützte ,

und welches sich in dem Mafse verstärkte ,

als

der Wille der Entscheidung in der Wahl seiner Kräfte nach rückwärts greifen musste, - je gröfser , je massiver die in den Kampf eintretende

Kolonne war ,

desto

mehr war

aus den

vorstehenden

Treffen schon in der schützenden und vorkämpfenden Feuerlinie aufgegangen.

Anderseits aber ist zu erwägen, dafs die vergleichsweise

geringe Tragweite gestattete , bleiben ,

des

damaligen Infanteriegewehres der Kolonne

der Feuerlinie ohne zu grofse Verluste ziemlich nahe zu

und dafs das geringe Mafs von Feuergeschwindigkeit auch

die Zurücklegung dieses letzten Raumes nicht allzugefährlich machte

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

241

Alles kam darauf an , zuletzt noch eine Kolonne zu haben, also die Kräfte zu sparen, die einmal ausgegebenen aber total zu verbrauchen . Und darin liegt wohl ein wesentlich unterscheidendes Merkmal der Linien- und der Kolonnen- , der Feuer- und der Stofstaktik. Die eine gebraucht ihre Kräfte möglichst

schnell ,

die andere möglichst

lange.

Und wenn man wahrnimmt , wie in der Lineartaktik Feuerline und Stofskörper identisch sind , in der Kolonnentaktik aber getrennt , so wird man folgern können , dafs in dem Mafse , als das Feuer oder die Massenbewegung zu entscheiden bestimmt ist, der lineare Gebrauch zur Haupt- oder zur Nebensache wird, das Haupttreffen von der Feuerlinie oder diese von dem Haupttreffen aufgesogen wird, die Linie oder die Kolonne den Schwerpunkt der ganzen Gefechtsthätigkeit darstellt. Allerdings ist , wenn der linearen Form eine entscheidende Bedeutung zukommen soll, diese vor allem an die Bedingung geknüpft, dafs das Feuergewehr in solchem Mafse

sich für den Nahekampf

eigene, und die Feuerlinie auch für den letzten Stofs so ausreichend sei, dafs ein Bedürfnis nach Blankwaffe und Massenform damit wegfällt.

Diese Bedingung war in der fridericianischen Zeit durch eine

in der Dressur erreichte weitgehende Entwickelung der Feuerleistung und der Form erfüllt, jedoch nur teilweise, was sonst fehlte, ergänzten die flankierende Richtung des Angriffes , die Leistung der Reiterei und die Schwerfälligkeit des Gegners. Aber alle diese Umstände waren eigentlich nur subsidiäre , sie vertraten nur die Lücke in der technischen Mangelhaftigkeit des Gewehres ; sie waren auch selbst wieder von so vielen Voraussetzungen abhängig , daſs man die darauf aufgebaute Lineartaktik wohl als eine aufserordentlich künstlerische Konstruktion, aber als einen taktischen Anachronismus betrachten kann . Natürlicher , praktisch leichter erreichbar und verwendbar war die Kolonnentaktik mit dem Tirailleurgefecht, - natürlich, so lange die Kolonne sich als Kampfform zu erhalten vermochte und so lange das Infanteriegewehr nicht zu einer solchen Vollkommenheit gelangte, dafs es als Feuerwaffe allein die Vertreibung und Vernichtung des Gegners in derselben Weise wie die Nähewaffe bewirkte. In dieser Hinsicht liefs jedoch die Feuerwaffe noch vieles wünschen übrig ,

und die damalige Zeit war nicht angethan ,

zu

durch

Dressur und durch Leistungen anderer Waffen diese Fundamentalschwächen auszugleichen. In Frankreich hatten die unaufhörlichen Kriege

einen

solchen Menschenverbrauch verursacht ,

Deckung durch ausgebildete Soldaten unmöglich war ,

dafs dessen in anderen 17*

242

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

Staaten führte das Bedürfnis nach der Wiedererlangung der militärischen Superiorität zu massenhaften Neuformationen aus nur halbausgebildeten Aufgeboten. Für solche Heere war die Kolonnenform geradezu Existenzbedürfnis, und je gröfser, um so besser ;

nur die

Rücksicht auf die Länge der Front und auf die Steigerung der Verluste traten hierbei einschränkend auf.

Die Kavallerie war zu jener

Zeit nicht nur an specifischer Ausbildung, sie war auch an Verhältniszahl zur Infanterie und bei dem unzweifelhaft besseren Schutze , den diese in der Kolonnenform fand , an Zuversicht zurückgegangen. In der Artillerie konnten die Versuche nach erhöhter Wirksamkeit und Beweglichkeit nur in geringem Mafse während der Kriegsepoche sich verwirklichen ; im grofsen und ganzen kam sie ballistisch nicht viel, numerisch aber gar nicht über den Stand am Ende des 18. Jahrhunderts hinaus . Alles dies wies mit Notwendigkeit auf die Kolonnenform hin ; alles dies aber zeigt anderseits wieder in den Voraussetzungen dieser P die Keimstellen weiterer Entwickelung und Veränderung. Die lange Friedenszeit gab wie Anlafs so auch Zeit, die Folgerungen aus den verflossenen Kriegsjahren zu ziehen und die verbessernden Gedanken , welche im Sturme der Ereignisse hatten zurückgestellt werden müssen, daran wieder zur Wirkung und Erprobung zu bringen. Als eines der ersten und bedeutsamsten Ergebnisse der napo-

leonischen Zeit darf das angesehen werden ,

preufsische Infanteriereglement von 1812

welches

sich formell und in seiner Hauptsache nach auch materiell bis auf den heutigen Tag erhalten hat . Seine Wichtigkeit dokumentiert sich in mehrfacher Richtung , sowohl in Hinsicht der aus der Vergangenheit gezogenen Konsequenzen , als auch bezüglich der für die zukünftige Entwickelung gegebenen Anknüpfungspunkte. Die demselben zu grunde liegende Form für Gefecht und Kampf ist die Kolonne des Bataillons ; sie ist die Hauptform, weil sie nach unten einer Vereinfachung und Zerlegung nicht mehr fähig ist , nach oben aber in die Masse gröfserer Infanteriekörper in einer Weise gruppiert wird, die ein jederzeitiges Herausziehen der einzelnen Bataillone gestattet und erforderlich macht.

Die Masse des Regiments,

der Brigade, der Division ist eine Form für den Kampf nicht mehr, denn in ihr war, wie beim grofsen gevierten Haufen, zuviel nutzbare Kraft latent, und schon deshalb musste jene dieselbe Zerlegung erfahren wie dieser, wobei die Rücksicht auf die Verluste verstärkend wirkte. Aber ebenso war es das Bestreben nach Feuer- und Frontentwickelung ,

welches wie in den alten Zeiten die grofsen Schlachthaufen

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. wieder auseinanderzog .

Bei aller Beschränkung ,

243

welche man der

Ausdehnung des Feuergefechtes auferlegte , war doch nicht darüber hinauszukommen , dafs bei gewissen Stärkeverhältnissen eine Quote des Ganzen erforderlich

sei ,

den Rest

schützen und zur Ent-

zu

scheidung möglichst intakt bewahren zu helfen . Deshalb stand man bei den grofsen Kolonnen wieder vor der Alternative , entweder nur einen kleineren Teil zum Feuergefecht zu verwenden und damit die Kolonne in minderem Grade zu schützen, oder der längeren Front der stärkeren Plänklerlinie durch eine Teilung nötigen Rückhalt zu verleihen .

der Kolonne den

Und eines solchen bedurften sie auch

jetzt noch, denn trotz Flintenschlofs und Bajonett waren die Schützen noch nicht selbständig genug , um die Stütze geschlossener Massen zu entraten. Weil also die Führung einen bestimmten Betrag vorbereitender und schützender Feuerthätigkeit nicht entbehren zu können glaubte, mufste sie sich wohl bequemen, die für ihre speziellen Rücksichten günstigere Form der Massenkolonne in Kolonnenlinien auseinanderzuziehen ,

sobald

die erstere in eine

solche Phase des Ge-

fechtes eintrat , welche die Entwickelung der Schützenlinie voraussichtlich machte. Bis zu diesem Zeitpunkte , wo dieser Kompromis zwischen Führungsgewalt und Feuergefecht

eintreten musste ,

die Brigademasse als die beste Form für Bereitstellung ,

blieb

Bewegung

und Beaufsichtigung gröfserer Infanteriekörper in unbestrittenem Besitze der Herrschaft. Für

die Bataillonskolonne

selbst war eine weitere Gliederung

zu Kampfeszwecken nicht vorgesehen. Sie setzte sich zwar aus Compagnieen und Zügen zusammen , aber erstere waren nur dienstlich administrative Unterabteilungen und gingen im formierten Bataillon so vollständig unter, dafs der Compagniechef zum Zugführer wurde, letztere dienten nur als Evolutions- und Beaufsichtigungseinheiten . Von ihrer Bestimmung in der Plänklerlinie wird nachher die Rede sein. Aber eine besondere Eigentümlichkeit hatte diese Bataillonskolonne

im Vergleiche zur früheren.

Indem sie nach der Mitte formiert war,

hatte sie den Gedanken an die Möglichkeit einer linearen Verwendung des Bataillons , wie diese im Reglement sogar vorgesehen ist, in sich wieder aufgenommen. Das Reglement beschränkte zwar diese Form in ausgiebiger Weise, nämlich auf Abwehr und stehende Verfolgung , und hatte Recht daran , denn nur in diesen Fällen war es gestattet, von der Feuerkraft der Linie Nutzen zu ziehen, ohne dafs die Führung dadurch erheblich erschwert war, weil diese dann nur mit der Feuerleitung zu thun hatte.

Aber immerhin darf diese Rück-

244

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

sicht auf die Herstellung der Linie als eine

sehr wesentliche Ver-

änderung betrachtet werden . Auch in der Verwendung des

zerstreuten Gefechtes weist das

besprochene Reglement zwei wesentliche Neuerungen auf. ist die quantitative Steigerung der Plänklerlinie .

Während

Die eine die na-

poleonische Infanterie 1/9, später 16 ihrer Stärke zum Plänklergefechte bestimmt, verwendet die preuſsische dafür ein volles Dritteil, das dritte Glied, welches in vier Schützenzüge sich formiert, sobald der Eintritt des Bataillons in das Feuergefecht bevorstand .

Diese namhafte Ver-

stärkung der Feuertendenz wird aber auch in höherem Grade bestimmend für die Preisgebung aller mehrbataillonigen Kolonnen. Die nämliche Wechselwirkung ,

welcher wir bei

der Gestaltung der

Infanterieformen des 16. und 17. Jahrhunderts begegnet sind. Trotzdem aber liegt in der Art und Weise der Organisation des zerstreuten Gefechtes Beschränkung ,

im preufsischen Reglement eine weit stärkere

als sie dem französischen Bataillon durch die Ein-

führung der Voltigeurcompagnie auferlegt war.

Allerdings war durch

die Bestimmung

zerstreuten Gefechte

der Voltigeurcompagnie

zum

dem letzteren eine quantitative Grenze gezogen ; aber nichts hinderte den Bataillonskommandeur ,

mehr auszugeben.

Denn da seine Ba-

taillonskolonne aus 8 (oder 5) Compagnieen hintereinander bestand , so konnte er nach Belieben aus der Tête derselben die Plänklerkette verstärken, ohne seine Kolonne zu zerstören . Beim preufsischen Bataillon standen zur Bildung und Verstärkung der Plänklerkette die vier

Schützenzüge

zur Verfügung ;

waren diese aber einmal aus-

gegeben , so konnte eine weitere Verstärkung derselben nicht leicht ohne Störung der reglementären Kolonnenform vorgenommen werden. Auszuführen war dies ja allerdings, aber immerhin durch die Form der Kolonne so wenig begünstigt , und ein Motiv zur Mäfsigung lag.

dafs

schon

darin ein Fingerzeig

Diese ideelle Beschränkung wird anderseits wieder in höherem Grade verständlich durch und deren Feuerleitung. normale

Schützenquote

die Zusammensetzung In

dem

durch

der

Plänklerlinie

französischen Bataillon war die

eine

geschlossene

Compagnie ,

in

dem preussischen durch vier einzelne Züge repräsentiert ; in jenem hatte der Bataillonskommandeur nur eine , in diesem mehrere Plänklerlinien zu leiten . Das Feuer der zerstreuten Ordnung war das Einzelfeuer , jenes der geschlossenen Soutien an) die Salve ;

Glieder (vom

ersteres war so ziemlich dem Ermessen des

Schützen anheimgegeben , letzteres

allein noch vollständig in der

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Gewalt der Führung .

245

Mit jeder weiteren Verstärkung der Plänkler-

linie durch neue Züge vervielfachte sich das Mifsverhältnis in deren Zusammensetzung und vervielfachte sich die Zahl der Gewehre , die . der Bataillonskommandeur aus der Hand gab , - ein Grund mehr ,

über die normale Grenze der

Stärke

der

Plänkler nicht

hinauszugehen. Eben dieselbe Thatsache zeigt nicht nur, dafs mit der stärkeren Dotierung der Plänklerkette im preufsischen Reglement eine gröfsere Selbständigmachung des Feuergefechtes nicht beabsichtigt war , sondern erklärt auch die eigentümliche Doppelrangierung der preufsischen Infanterie und gestattet endlich die Beobachtung ,

dafs

dagegen die

Scheidung der Infanterie nach ihrer Verwendungsart nunmehr prägnanter wieder hervortritt. Was die Rangierung anbelangt ,

so sind aus den Feldzügen

der napoleonischen Zeit die Infanterieen aller europäischen Armeeen mit der reinen dreigliedrigen Rangierung hervorgegangen , mit Ausnahme der englischen und der preufsischen. Die Annahme Rangierung bei

einer

der

doppelten ,

zwei-

preufsischen Infanterie

und dreigliedrigen hatte zunächst die Be-

deutung, dafs die Ausgaben , die der Bataillonskommandeur für das Plänklergefecht machte , für den geschlossenen Teil seines Bataillons formell durchaus nicht fühlbar werden sollten. Er konnte bis zum Bedarfsfalle sein Bataillon als Einen er konnte

geschlossenen Körper führen,

aber auch unter Formierung der Schützenzüge aus dem

dritten Gliede in der Linie wie in der Kolonne in die zweigliedrige Stellung übergehen , Plänkler entwickeln, verstärken , einziehen, ohne dafs die Formen des geschlossenen Bataillons sich im mindesten änderten. Das letztere formierte die Kolonne und die Linie auf zwei Gliedern gerade so wie auf dreien , und der wesentliche Unterschied lag nur

darin ,

dafs

dort die Schützenzüge wie ein Dispo-

sitionspauschal des Bataillonskommandeurs gebildet waren.

Die

für das Plänklergefecht

Doppelrangierung ist demnach das Resultat

eines Kompromisses zwischen den Bestrebungen nach ökonomischer Beschränkung , wie auch genügender Entfaltung des Feuergefechtes und nach Einfachheit der Formen . Dafs in den anderen Armeeen sich

dieselbe

zunächst nicht ebenfalls herausbildete ,

hatte

seinen

Grund nur darin, dafs man dort den Schwierigkeiten durch die Anlehnung an die französische Form ,

i. e. Bildung

compagnieen aus dem Wege ging ,

dabei

eigener Schützen-

allerdings

aber auch die

Möglichkeit mit in den Kauf nahm, dafs sich das Feuergefecht über Bedarf und Willen ausdehnte .

246

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Auch die Scheidung der Infanteriegattungen war bei geradeso wie die Beschränkung des

dem französischen Bataillon

Plänklergefechtes im minderen Grade der Fall . Allerdings waren die Voltigeurs eine Specialität der Infanterie, dem Namen nicht blos , sondern auch dem Ersatze nach ; aber , wenn man den Grund ihrer Einführung im Auge behält, erscheint diese mehr als eine Konsequenz des Strebens nach Ausdehnung der Rekrutierungssphäre . Man rekrutierte also nicht Voltigeure um eine besonders zum Plänkeln geeignete Infanterie zu bekommen , sondern man nannte die kleineren Leute, die man auszuheben sich genötigt sah, mit besonderem Namen und gab ihnen besondere Verwendung in der zerstreuten Form, weil sie in der Masse nicht so gut geeignet schienen. Anders war dies im preufsischen Bataillon. Hier war allerdings der Schütze nicht einmal besonders rekrutiert, aber er wurde in der Compagnie besonders mit Rücksicht auf seine Bestimmung ausgewählt . Nicht das einseitige Mafs der Körpergröfse , sondern das allgemeine der Befähigung zum zerstreuten , zum Feuergefecht bildet hier die Grundlage der Wahl .

Die Scheidung der Gattungen war hier nicht

nur eine formelle, sondern eine materielle. So tritt demnach die Schaffung verschiedener Infanteriegattungen wieder hervor mit jener Art der

Verbindung

und

von Kolonne

bei welcher der Schwerpunkt des Kampfes in die erstere gelegt war. So war es auch im 16. Jahrhundert gewesen. Dort zwar konnte man noch der Meinung sein, dafs die VerschiedenPlänklergefecht ,

heit lediglich in der Bewaffnung und Tradition begründet war ; sie aber nun wieder Platz griff , ist doch eine Erscheinung,

dafs

welche sehr darauf hinweist ,

dafs sie in dem Wesen der Kampfes-

form liege, und welche schon jetzt die Folgerung anzudeuten gestattet, dafs die prinzipielle Festhaltung der Kolonne auf eine Variation von Infanteriegattungen nicht zu verzichten gestatte. Ja ,

diese Variation

weiter getrieben.

zeigt sich im 19. Jahrhundert sogar noch

Der gevierte Haufe

bedurfte

seiner Musketiere

zum Plänkeln, dieselben konnten aber auch zum kleinen Kriege gebraucht werden ; die fridericianische Lineartaktik , welche eine Verwendung der regulären Infanterie im kleinen Krieg suchte ,

ihrerseits wieder

auch in der Schlacht in

welche das Auftreten Plänkeln

zu vermeiden

schuf sich zu diesem Zwecke die Freibataillone , solchen

die dann

Gefechtslagen,

geschlossener Linien nicht gestatteten ,

verwendbar waren ,

die Kolonnentaktik des

zum

19. Jahr-

hunderts erzeugte nicht blos im Bataillon eine Species zum Plänkeln , sondern auch in der Armee eine Species für den kleinen Krieg ,

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

247

wenn auch beides ohne jene schroffe Ausscheidung , welche in den vorgedachten Zeiten bestand. Denn dersselbe Geist, welcher die Mehrzahl der Feuergewehre in die Kolonnenform bannte , in der Gewalt der Führung zu erhalten , gröfsere Ungebundenheit der Formen ,

um sie besser

mufste auch streben die

wie

sie dem kleinen Kriege

unvermeidlich anhing , nach Möglichkeit von der Infanterie ferne zu halten. Es war dies der nämliche Geist , der im 16. Jahrhundert die verschiedenen Arten von berittener Infanterie Schützen ersonnen hatte.

oder

reitenden

Diese dritte Infanteriespecies waren nicht etwa die Füsiliere , welche nach Auswahl , Ausrüstung und Bewaffnung in nichts von der übrigen Infanterie unterschieden ihren Namen mehr nur von historischer Begründung herleiteten, sondern die Jäger , die seit der Einführung der Fufsjäger Friedrichs des Grofsen an Zahl und Ausbreitung allmälich

zunahmen ,

und dies insbesondere

in den Be-

freiungskriegen , wo in demselben Mafse , wie das oben dargestellte Bedürfnis, sich auch das Material für derartige Formationen bot. Sie waren vorwiegend für den kleinen Krieg , für das Auftreten in Schützenlinien bestimmt und mit Rücksicht hierauf rekrutiert , bekleidet und bewaffnet. Ein höherer Grad von individueller Beweglichkeit und Schiefsfertigkeit waren die Hauptforderungen .

an diese Waffe gestellten

Solcher Jägerformationen entstanden allenthalben in steigender Zahl ; nirgends aber hat diese Waffe in ihrer Gestaltung und Entwickelung die Grundprinzipien

ihrer Bestimmung so korrekt beob-

achtet und bewahrt , als in der preufsischen Armee, wo der Forderung der Beweglichkeit , Findigkeit und des Scharfschiefsens sowohl durch die Aushebung als auch durch die Bewaffnung und Ausrüstung der Jägerbataillone in einem Umfange Rechnung getragen wurde, der allerdings auch der Zahl jener Bataillone Gleichwohl sind es die Jäger ,

eine

enge Schranke zog.

an welchen die Entwickelung nun

ihren weiteren Gang anknüpft. Als Träger höchster Feuerleistung eben sie den Schützen und damit dann der übrigen Infanterie das Beispiel und die einzuschlagenden Wege an . An der Kolonne war nicht mehr viel zu bessern, sie entsprach den Bedürfnissen der Führung und Beaufsichtigung , gab durch ihre Deployierfähigkeit auch die Möglichkeit , zeitweise die ganze Feuerkraft zu entfalten , und war bei den damaligen Leistungen des Infanterie- und Artilleriefeuers auch mit Rücksicht auf die Verluste bei weitem nicht in dem Grade bedenklich, als sie in anderer Hinsicht dem moralischen Halte der Truppen förderlich war .

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

248

Es richtet sich demnach der ganze Zug des Strebens nach Verbesserung auf die dem Plänklergefecht zu grunde liegenden Eigenschaften der individuellen Feuer- und Bewegungsleistung. In ersterer Beziehung ist erwähnenswert die Einführung der Perkussionszündung , die jedoch dem Feuereffekt in minderem Mafse als der Verlässigkeit der Waffe ballistischer Hinsicht

ein

zu Gute kam.

War es

erheblicher Vorteil ,

dafs

immerhin in

die

Pfanne in

Wegfall kam, der gröfste Gewinn lag dennoch in der Sicherheit, bei jedem Wetter schiefsen zu können und den Launen des Feuersteins enthoben zu sein.

Darum hielt dieser Fortschritt sich gar nicht lange

bei den Präzisionsgewehren der leichten Infanterie auf, sondern dehnte sich, so rasch es die Mittel erlaubten, auf die Gesamtheit der Infanterie aus. Weil er aber die Präzision des Feuers nur wenig förderte, dessen Schnelligkeit aber eher verminderte , so blieb er auch ohne umgestaltende Wirkung auf die Gefechtsformen. Weit ergiebiger erwies

sich

dagegen die

gezogenen Präzisionsgewehres .

Einführung des

Es ist zu dem gegenwärtigen

Zwecke durchaus nicht nötig, die verschiedenen Waffen darzustellen , welche

diese Waffe vom Experimente bis

zum

Truppengebrauche

durchgemacht hat ; genügend ist es , da anzuknüpfen , wo das gezogene Gewehr der Truppe in die Hand kam. Dafs dies vor allem bei begreiflich.

Sie ,

den Jägern der Fall war ,

ist leicht

die ja vorwiegend zum zerstreuten Gefechte be-

stimmt waren, konnten weit mehr von einer Waffe, deren Effekt von der Schiefsfertigkeit des Einzelnen abhängig war, Nutzen ziehen, als die Linieninfanterie ,

deren Hauptwaffe

deren Hauptfeuerform die Salve war. zuerst in die Hände der Jäger.

eigentlich das Bajonett und

So kam das gezogene Gewehr

Aber dabei konnte es umsoweniger stehen bleiben, als ja Teile der übrigen Infanterie ebenfalls ganz besonders zum zerstreuten Gefechte bestimmt waren. Es trat demnach sehr bald ein , daſs auch die Schützen der Infanterie das gezogene Gewehr erhielten, und endlich musste sich dessen Gebrauch schon deshalb nach und nach über die ganze Infanterie ausdehnen , weil die Möglichkeit der Verwendung als Plänkler bei keinem ihrer Glieder ausgeschlossen war.

Preussen

ging dadurch, dafs es erst seine Jäger und Füsiliere , dann die übrige Infanterie mit dem Zündnadelgewehr versah, noch einen Schritt weiter, einen Schritt allerdings, den damals mitzugehen sonst allerwärts nicht gewagt werden mochte. Übrigens war , bis diese Entwickelung zur Reife gelangt war, Es die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fast vorübergegangen.

249

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

dauerte daher eben so lang, bis in den aus den napoleonischen Kriegen überkommenen Gefechtsformen eine Änderung eintrat. Eine solche leitete sich mit dem Zeitpunkte ein , wo die ganze

Infanterie mit gezogenen, also weit und sicher schiefsenden Gewehren bewaffnet war. Einerseits lag es nahe, die Befähigung der Gesamtheit zum Feuergefecht in höherem Grade auszunützen ,

andererseits

mufste es notwendig erscheinen , zum Schutze der Kolonnen gegen die verbesserte Feuerwirkung die Plänklerlinie angemessen zu verstärken . Zunächst war es die Organisation ,

welche bemüht war ,

Ausdehnung des Feuergefechtes die Wege zu ebnen.

einer

Verbesserung

und Erleichterung des Gepäckes , Einführung zweckmäſsiger Bekleidung und Pflege der Gymnastik dienten dazu , den einzelnen Mann in höherem Grade zum Plänkeln zu befähigen . In die Ausbildung der Bataillone im zerstreuten Gefechte kam Methode und Emsigkeit , und so war bald nichts, was hinderte, jeden Teil der Infanterie zum Plänkeln zu verwenden. Wenn nicht schon damals

die Verschiedenkeit der Infanterie-

gattungen als berechtigungslos verschwand, so ist der Grund hiervon eigentlich nur zu suchen in der konservativen Anhänglichkeit an das Hergebrachte, welche im Heerwesen thatsächlich von nicht zu unterschätzendem Werte ist .

Einen Schein von Berechtigung erhielt die

Beibehaltung verschiedener Infanteriegattungen dadurch , dafs man die leichte entweder mit einem noch verfeinerten Modell des Gewehres versah, oder sie durch eine besondere Ausbildung in der Gymnastik des zerstreuten Gefechtes zu einer Spezialität der Beweglichkeit machte.

Letzteres war auch ,

und insbesondere der Fall da,

wo die durchgängige Bewaffnung der Infanterie mit gezogenen Gewehren noch nicht durchgeführt war (Frankreich) . In elementartaktischer Beziehung

wären

auch jetzt noch nicht notwendig gewesen ,

eigentlich Neuerungen

wenigstens waren solche

durch die bisherige Einteilung der Bataillone in Schützen- und Musketiercompagnieen nicht gefordert.

Es genügte vollständig, den schon

vorher nicht in Abrede gestellten Grundsatz , dafs jede Compagnie zum zerstreuten Gefechte verwendet werden könne, praktisch auszuführen . Nur in Preufsen , wo die Gliederung des Bataillons in Schützen und Musketiere nicht nach Compagnieen , sondern durch das ganze Bataillon hindurchging ,

wo aber auch aufserdem die Nivellierung

dieser beiden Infanteriegattungen nach Bewaffnung eine vollständige war ,

konnte

und Ausbildung

sich deren taktische Gleichmachung

250

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

nur durch eine Formveränderung

erreichen lassen.

Das Ergebnis

derselben ist das Compagnie kolonnen - System , das für das Gefecht des Bataillons in zerstreuter Ordnung jeder Compagnie ihren Schützenzug eigentümlich überliefs , dem Bataillon an Stelle der Gliederung

nach Zügen jene nach Compagnieen gab ,

pagnieen in formierte.

sich in Zugkolonne ,

also

und die Com-

nach Verwendungsgliedern

Die Einführung der Compagniekolonnen , bezüglich deren es als irrelevant blofs zu erwähnen genügt, dafs sie schon in den Befreiungskriegen gewissermafsen spontan in Gebrauch gekommen sind, ist als Symptom einer entschiedenen Wendung zur Feuertaktik in zweifacher Hinsicht bemerkenswert.

Indem sie die Zerlegung der einen Batail-

lonskolonne in vier kleinere Bataillönchen vornimmt, ersetzt sie einerseits die unmittelbare Führung des Bataillons

durch die mittelbare

Leitung, und giebt andererseits für den Gebrauch der Plänkler jede Beschränkung frei. In ersterer Hinsicht zeigt sich eine Analogie mit der Zerteilung Wie diese auch aus

des gevierten Haufens in kleinere Bataillone.

der Einsicht hervorgegangen war, dafs mit einer grofsen Masse sich weniger Schützen entwickeln und decken liefsen , als an mehreren kleineren, so hatte auch jene zum Zweck, die frontale Entfaltung der in der Bataillonskolonne zu sehr gebundenen Feuerkraft zu erleichtern und gleichzeitig dabei , wie damals , die Verluste , zunächst von Seite des Geschützfeuers ,

zu verringern.

Aber ,

wie damals ,

so

schienen sich auch jetzt die kleineren Glieder zu selbständigen Körpern gestalten zu wollen, ein Vorgang , der in früheren Zeiten bei der durchaus geschlossenen Form der Taktik , bei der geringeren Zahl und der immerhin noch sehr bedeutenden Stärke der Bataillone nicht den Grad von Gefahr in sich barg, als die Compagniekolonnen-Taktik bei den durchaus veränderten organisatorischen und taktischen Verhältnissen . In Beziehung auf die Ausdehnung des Plänklergefechtes enthielt das Compagniekolonnensystem eine totale Umwälzung des Bestehenden. Während bis dahin dem Bataillonskommandeur in den Schützenzügen eine gewisse Quote gegeben war, von welcher er ohne irgend welche formale Störung im Gefüge

des ganzen Bataillons Gebrauch

machen konnte, und mit welcher er unter gewöhnlichen Umständen ausreichte, wird nun jeder Schützenzug seiner bezüglichen Compagnie, und damit dieser ein höherer Grad von Selbständigkeit , die Fähigkeit , für sich allein Vor- und Haupttreffen zu bilden , gegeben , das Bataillon

aber

für seinen

Bedarf an Vortreffen auf ganze Com-

251

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.

pagnieen angewiesen, gerade wie dies früher schon bei der französischen Form der Fall war. Dies zeigt sich schon aus der nunmehr entstehenden Hauptgefechtsform des Bataillons ,

in welcher die beiden

Flügelcompagnieen das Vor-, die beiden anderen das Haupttreffen darstellen. Man erkennt unschwer in dieser letzteren Form ein Seitenstück teils zur spanischen Brigade ,

teils

und

insbesondere

zu Gustav

Adolfs Halbbrigade, so wenig auch behauptet werden könnte, es habe eine dieser bei der Einführung jener vorgeschwebt.

Aber gerade die

Spontaneität dieser Bildung giebt der Vermutung Raum, dafs in der Formengestaltung ein über persönliche Ansichten und Geschmack hinaus vermögendes Prinzip in Geltung gekommen sei, das hier wie dort in ähnlichen Erscheinungen sich geäuſsert hat. Die thatsächlich vorhandenen äufseren Verschiedenheiten lassen sich aus der verschiedenen Beschaffenheit der Infanterieen von dort und jetzt allein erklären . Hiermit steht

eine andere Wahrnehmung in Übereinstimmung,

die nämlich, dafs in beiden Epochen die militärische Ausbildung eine gröfsere Rolle spielte. Es ist an seinem Orte hingewiesen worden , wie insbesondere die schwedische Infanterietaktik zu anfang des 17 . Jahrhunderts auf einer obligatorischen Heeresbildung und sorgfältigen Ausbildung beruhte, und wie mit dem Niedergange der letzteren die freiere Gliederung der Brigade zur starren Linie einschrumpfte . Auch das Compagniekolonnen - System ist vorwiegend Erzeugnis der Friedensspekulation und Friedensdressur , wie sie sich in den ruhigeren Zeiten nach dem Jahre 1815 geltend Unterstützung fanden

in der,

machten und

ihre

in mancher Beziehung mit Unrecht

„Reaktion " gescholtenen Wiederkehr staatlicher Konsolidierung und Autorität.

Die allseitig

fest begründeten Heeresorganisationen

langer Präsenz gaben Zeit ,

die

ruhigeren Verhältnisse Mufse ,

mit die

Konsequenzen aus den gewonnenen Kriegserfahrungen zu ziehen, und auf dem Wege des Studiums und der Versuche die im Drange gebietender Verhältnisse gewordene Taktik zu durchgeistigen und zu reformieren .

Das Compagniekolonnen - System ist in der That

auch als ein

geistvoller Fortschritt anzusehen, als eine gewissermafsen ideale Formation , welche die gröfste Entfaltung der individuellen Leistungen mit der vollständigsten Einheit

des Willens , die

Entfaltung des

gröfsten Feuereffektes mit der freiesten Bewegung zu verbinden bestimmt ist. Wenn es diese seine Qualifikation nicht vollständig bewahrheitete , so liegt der Grund nicht in seinem Wesen , sondern

252

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

darin, dafs seine Handhabung bei Menschen lag, Menschen, die auch andere Eigenschaften und Fähigkeiten haben, als jene sind, wie man sie zur Verwirklichung von Idealen braucht. Darin lag auch der Keim der Degeneration ,

die sich einstellte

mit derselben Notwendigkeit wie bei der schwedischen Taktik . war es nicht

der Rückgang

der Ausbildung ,

sondern

Nur

deren Fort-

schritt, welche die Veränderung vollbrachte, natürlich auch in anderer Form . Wie damals die Erstarrung, so folgte jetzt die Zersetzung. Auf diese Gefahr war man mancher Orten schon im voraus aufmerksam gewesen .

Einer allgemeineren Verbreitung der Com-

pagniekolonnen hatte mehrfach die Besorgnis entgegengewirkt ,

es

würden die Compagnieen sich von dem Bataillon loslösen , sich zu selbständigen Körpern erheben , die Zahl der Treffenglieder vervielfachen und dadurch Einfluss

und Einheit der Führung vermindern.

Der Umstand , dafs das Feuergewehr bei aller Vervollkommnung in der Präzision doch quantitativ nicht genug leistete ,

um im Feuer-

kampfe mit der Linie allein bestehen zu können, liefs eine Zerlegung der Bataillonskolonne ohnedies als kein Bedürfnis erscheinen. Für eine reglementäre Einführung der Compagniekolonnen fehlte es noch in den fünfziger Jahren vieler Orten an Neigung ; da, wo man dem Bataillon eine Untergliederung zugestehen zu sollen glaubte, betrat man einen Mittelweg, wie dies insbesondere in Österreich der Fall war, wo das Bataillon in drei Doppelcompagnieen (Divisionen) focht. Gleichzeitig ward auch ein Schritt gemacht zur Einführung der zweigliedrigen Rangierung. Im Gefechte sollte nämlich das dritte Glied herausgezogen und zur Bildung besonderer Züge tachierung, Formierung von Reserven u. s. w.

behufs De-

verwendet werden.

Der Umstand , dafs diese neuen Züge in keine besondere Relation zum Plänklergefechte traten , sondern eigentlich in dem Bataillon eine neue Gliederung hervorbrachten, wobei die bisherigen Verbände, wenn auch nicht zerrissen, so doch geschwächt wurden, zeigt deutlich, dafs diese Doppelrangierung

sich der

zweigliedrigen Einheitsrangierung

mit gröfserer Entschiedenheit nähert, andererseits

aber auch den

Stempel der Halbheit in demselben Maſse trägt . Gerade aber mit diesen Divisionen wurden im Feldzuge 1859

schlimme Erfahrungen gemacht ; sie bewahrheiteten dort in der That die Ansichten jener, welche der Zerlegung des Bataillons in kleinere selbständige Körper die Gefahr der Zersplitterung geweissagt hatten. In allen Gefechten und Schlachten dieses Krieges finden wir die Bataillone in ihre Divisionen zerrissen , die Divisionen verschiedener

253

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart . Bataillone und Regimenter untereinander gemischt ,

die Einheit des

Befehls durch die wenn auch bestgemeinte centrifugale Willkür der Divisionsführer verdrängt.

Und wenn auch für den eigentlichen Ver-

lauf jenes Feldzuges mancherlei andere noch erheblichere Gründe von sehr grofser Wirksamkeit gewesen sind, so läfst sich gleichwohl nicht verkennen, daſs in den taktischen Teilentscheidungen die Divisionskolonnenform vielfach von einem nachteiligen Einflufs gewesen ist, den die technische Überlegenheit des damaligen österreichischen Infanteriegewehres über die glatte französische Flinte nicht lysieren vermochte.

zu para-

Die französische Infanterie dagegen war ihren Überlieferungen insofern treu geblieben, als sie in ihrem Reglement von 1831 dem sonst im grofsen und ganzen zu Grunde liegenden Reglement von 1791 , das noch vollständig auf dem Boden der friedericianischen Lineartaktik stand, nur die nötigsten Kolonnenbildungen u . s . w. einverleibt hatte. Während die rückwärtigen Treffen in Bataillonskolonnen blieben, bediente sich das Haupttreffen der geschlossenen , das Vortreffen der geöffneten Linie, für welche jedoch in beiden Fällen innerhalb des Bataillons eine weitere Gliederung nicht mehr bestand , ein Reglement, das bei aller Unvollkommenheit und Prinziplosigkeit den Vorteil hatte ,

dafs sie durch die Gebundenheit der Form

die Führung erleichterte. Solche Erfahrungen riefen in Österreich schon jetzt wieder eine entschiedene Reaktion zu Gunsten der Bataillonskolonne hervor und zwar in solchem Grade, dafs dabei nicht nur die Bataillonskolonne , sondern auch die derselben

analogen Formen

der Regiments- und

Brigademasse für den Gefechts- und Kampfesgebrauch gesetzt wurden .

wieder ein-

Um diese Zeit, zu Anfang der sechziger Jahre , vollzog sich in fast allen Armeeen der Übergang zur einheitlich zweigliederigen Aufstellung .

Sie war veranlafst durch die vollständige Verbreitung

des gezogenen Präzisionsgewehres. Die qualitativ gesteigerten Leistungen desselben ,

wie

sie

sich

auf dem Schiefsplatze mit Bezug auf

Tragweite und Treffsicherheit ergaben , mochten die Erwartung erzeugen, dafs diese und die erreichte Frontverlängerung die lokale Verdünnung des Feuers wieder ausgleichen würden .

Gleichwohl ist

diese Verflachung der Aufstellung selbst unter das in der Linearzeit für zulässig erachtete Minimum kein Symptom einer gröfseren Hinneigung zu ausschliefslicher Feuertaktik. Denn als Nähewaffe für Stofs und Widerstand war das Gewehr in quantitativer Beziehung nicht leistungsfähig genug ; dafür mufste nach wie vor die Kolonne

254

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen

(bezw. das Carré) aufkommen , wobei dann auch die Rücksicht auf Es blieb also das Feuergefecht die Führung ihre Rechnung fand. auf die einleitende und erschütternde, die Kolonne auf die entscheidende Gefechtsthätigkeit berechnet. Hauptsache war also immer noch die letztere, und es erklärt sich daraus , dafs die Wahl der zweigliederigen Rangierung ,

bezüglich deren

innerer Berechtigung man

im Zweifel sein kann, weil die Schiefsplatzeffekte nicht auf den Kampf übertragen werden können, so leicht fiel ; - die Rangierungsfrage war für die Kolonnentaktik eben einfach irrelevant, letztere war mit zwei Gliedern ebenso durchzuführen , bestand wenig Neigung ,

wie vorher auf dreien.

Gleichwohl

nunmehr das Schützengefecht zu verallge-

meinern, wozu doch die durchgängige Einführung des gezogenen Gewehres aufzufordern schien . Denn dann würde das bisherige organisatorisch fixierte Verhältnis zwischen der Stärke der Plänklerlinie und jener der Kolonne verschwunden und die Versuchung stärker geworden sein, der Erschütterung zu Liebe einen gröfseren Teil des Bataillons im Feuergefecht zu verausgaben , als der Kolonne für ihre Entscheidungszwecke gefrommt hätte. Man konnte also die Verwischung des Unterschiedes zwischen den Schützen- und den anderen Compagnieen nicht begünstigen und frischte denselben daher abermals durch Verschiedenheit der Bewaffnung auf, indem man jene mit einem noch feineren Gewehrmodell ,

der Büchse ,

ausstattete.

Waffe ward durchgängig jenen Bataillonen zu Teil ,

für

Die gleiche welche von

Hause aus eine ausgedehntere oder vollständige Verwendung zum zerstreuten Gefechte in Aussicht genommen war. Und da die Verwendung stärkerer Schützenlinien

eben doch immer mehr in Er-

wägung zu ziehen war , so führte dies

zu der Vermehrung dieser

leichten Infanteriebataillone (Jäger u. s. w.), um so mehr, als diese zugleich als eine Konsequenz des Strebens , die Linienbataillone möglichst geschlossen zu behalten , erschien. Auf diese Jägerbataillone wandte sich denn auch alle die Sorgfalt, die man dem Feuergefechte zuwenden zu müssen empfand , die aber durchgängig anzuwenden nicht einmal zweckmäfsig erschien. Waren sie auch in ihrer Ausrüstung von den Linienbataillonen nicht sehr verschieden und gestattete es zudem ihre grofse Zahl nicht, sie mit besonderem Ersatze zu bedenken, so war doch auf ihre Ausbildung im Schiefsen, im Felddienst, in der Gymnastik grofses Gewicht gelegt und höhere Sorgfalt verwendet.

In letzterer Beziehung hat

die hohe Meinung, die man von dem Effekte der französischen Chasseurs 1859 gewann, viel mitgeholfen. in der steten Berührung

Und indem diese Bestrebungen

auch bei den Linientruppen Eingang und

der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Nacheiferung fanden , Geschick.

gewannen

255

auch diese an Beweglichkeit und

Die bisherigen Darstellungen hatten immer die Gestaltung der Taktik der preufsischen Infanterie bei Seite gelassen , welche seit 1847 ihren besonderen Weg gegangen war.

Gebahnt wurde die neue

Entwickelungsrichtung durch eine radikale Neuerung, die Bewaffnung der Infanterie mit dem Hinterladegewehr, dem Dreyse'schen Zündnadelgewehr, welche schon seit 1835 in Aussicht genommen und allmählich angebahnt, im Verlaufe der fünfziger Jahre zur Durchführung gelangte. Dieser Schritt ist als der Anfang einer neuen Epoche anzusehen : er setzte an die Stelle des Vorderladegewehres, das trotz seiner sonstigen Vorzüge es nie dahin hätte bringen können , ausschliesslich Entscheidungswaffe zu sein, das Rückladesystem, welches das Zeug zu einer solchen in sich trug, und in dem Mafse , als sie dies geltend zu machen vermochte , auch der Taktik neue Entwickelungswege eröffnete. Das Zündnadelgewehr war durchaus nicht

eine

Konstruktion

vollkommenster Art, und die mannigfachen Aussetzungen, welche die Theorie daran zu machen hatte, waren nicht falsch.

Aber darin war

es doch allen zeitgenössischen Infanteriegewehren voraus, dafs es eine rasche Wiederherstellung der Feuerbereitschaft und die volle Unabhängigkeit des Schützen von seiner Lage und seinem Standorte ermöglichte : zwei Dinge welche auf den quantitativen Feuereffekt ohne Zweifel

einen aufserordentlich

steigernden Einfluss

üben mussten .

Dagegen wurde wohl geltend gemacht der entsprechend grofse Munitionsverbrauch, die gröfsere Wichtigkeit der qualitativen Feuerleistung, die dem Kriegsgebrauche zuwiderlaufende Künstlichkeit des Verschlufsmechanismus u . s . w. Aber da jeder der beiden Teile mit gutem Grunde auf seinem Urteile beharrte, musste die Lösung der Kontroverse der Allmacht der Thatsache, der Erfahrung überlassen werden . Von dem Standpunkte , auf welchem

die Anhänger des Zünd-

nadelgewehres sich befanden , war es aufser Frage , dafs die quantitativ gröfsere Feuerleistung die qualitativ bessere nicht die theoretisch , sondern die praktisch

auf dem Kampffelde

erreichbare -

überbiete, und dafs dem Einwand des gröfseren Munitionsverbrauches durch reichere Patronenzahl, wie solche ja auch das kleinere Kaliber zuliefs , und durch gründliche Ausbildung im Feuergebrauche begegnet werden könne. Von demselben Standpunkte war es dann auch sicher, dafs diese verstärkte Feuerkraft die Widerstandsgröfse der Feuerlinie ebenso wie deren Fähigkeit, einen feindlichen Widerstand zu brechen , ganz bedeutend erhöhte . 18 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

256

Die historische Entwickelung der Gefechtsformen etc. Von da ab tritt

denn auch die formale Taktik in jene neue,

wichtige Phase ein , in welcher das Feuergewehr auch den Bajonetttypus in sich aufsaugt, zur Waffe

nicht nur der Vorbereitung und

Erschütterung, sondern auch zu jener der Entscheidung wird. teres in vollem Mafse dem Zündnadelgewehre

Letz-

zuzuerkennen , fehlte

es wohl an einzelnen , mehr technischen Vorbedingungen, verbot wohl auch eine gewisse Zurückhaltung , welche aus praktischen Gründen sich scheute, die Grundauffassung der ganzen Taktik mit einem Male auf den Kopf zu stellen . behalten.

Auch das war der Erfahrung noch vor-

Immerhin aber gewinnt von dem geschilderten Standpunkte aus die Einführung der Compagniekolonnen einen logischen Sinn, den es anderwärts , wo man sich der Rückladungswaffe gegenüber noch miſstrauisch verhielt, eben nicht haben konnte.

Was war naturgemäſser,

als der Bataillonskolonne eine Form zuzugestehen, in welcher sie in der Lage war, durch reich entwickelte Feuerkraft mehr zu als sie an mechanischem Zusammenhange einbüfste ?

gewinnen

Die Möglich-

keit, die Bataillonskolonne so lange als wünschenswert beizubehalten , oder die Compagnieen wieder in sie zusammen zu schliefsen, schien durch den engen Zusammenhang, welcher zwischen der Kolonne nach der Mitte und den Compagniekolonnen reglementär hergestellt war, zur Genüge verbürgt.

Welch grofser Vorteil für die Verwendung des

einzelnen Bataillons, wenn dasselbe von Hause aus eine seiner gefechtsmässigen Gliederung entsprechende Untereinteilung besafs , wenn selbst die einzelne Compagnie durch ihren Schützenzug prädestiniertes Vortreffen bei sich hatte !

schon ein

Wenn man also davon ausging, dafs die im CompagniekolonnenSysteme zugestandene Verflachung der Gefechtsform für die Entscheidung ohne Nachteil sei , teils weil die Zusammenfügung in eine Kolonne wieder möglich, teils weil die Einbufse an formaler Stofskraft durch den Gewinn an Feuerwirkung und Frontausdehnung mehr als eingebracht sei , konnte es eine bessere Form für das Gefecht der mit Rückladegewehr bewaffneten Infanterie nicht geben. Fraglich blieb es nur, ob diese Prämissen sich auch in der Erfahrung als so sicher erwiesen , wie man sie nach den Bemühungen der Exerzierausbildung ansehen zu dürfen glaubte. Zur Beantwortung auch dieser Frage reichte die blofse Spekulation nicht aus. (Fortsetzung folgt .)

Gerhard David von Scharnhorst.

257

XXIII .

Gerhard David von Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild.

Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition. (Schlufs.) Wenn Scharnhorst zur Effektuierung aller dieser Neuentstehungen dasjenige that , was seines doppelten Berufes , im Kriegsdepartement und bei der Kommission, war, und es so that, wie dies durch seinen Patriotismus und sein Genie bestimmt wurde , so ist von seiner in den zweiten Teil der Reorganisationsperiode *) gehörigen Aktion noch viel besonderes zu sagen. Vorerst schon im allgemeinen von der stets schwierigen Lage, in der er sich einmal mit der Politik dieser Zeit und den Bedrängnissen des Vaterlandes, zweitens mit seiner nie rastenden inländischen Gegnerschaft befand ; Wechselwirkung .

diese Übel

standen

mit einander in

steter

Der Franzose lag noch in einem Teil unserer Festungen , zehrte unserem Marke ,

bewachte jede unserer Lebensregungen mit

Argusaugen und vexierte uns durch eine von keiner Nation dauernd zu ertragende Kontrole.

Seine Forderungen wuchsen täglich , und sein

auf unseren Ruin zielendes Vorhaben schien nur noch eine Zeitfrage zu sein ; wenn es keine Rücksichten auf Rufsland mehr gab ,

wenn

sein Engagement mit Spanien ihm Spielraum liefs, dann standen wir am Abgrunde. Jener peinlichen Beengung und diesem Schrecknisse gegenüber war die Sorge und Arbeit Desjenigen , welcher an unserem militärischen Ruder safs, wahrhaft aufreibend ; je mehr es aber auf seinem Standpunkte zu befürchten und zu verhüten , klug zu temporisieren und kühn für die richtige Stunde vorzubereiten gab, desto zahlreicher wuchsen ringsum Richtungen aus der Erde .

die inländischen

Vertreter

extremer

Solche , die in blinder Leidenschaft , un-

bedacht und vorzeitig, nur losschlagen wollten ; Geheimbündler, welche,

*) 1809-1812.

18 *

Gerhard David von Scharnhorst.

258

den Argwohn des Feindes nährend, unsere systematische Vorbereitung für den Befreiungskampf nur störten ; deutsche Franzosen, von denen unsere volle Hingabe an den Unterdrücker erstrebt war ; die Anhänger des alten Schlendrians und die durch Selbstsucht bestimmten Gegner Scharnhorsts und Gneisenaus endlich, -— viel schlimmes Getriebe im eigenen Haushalt ,

gegen das , je gröfser die Bedrängnis

von aufsen war, desto mehr Front gemacht werden musste . Das ganze Volk lag in Sack und Asche und arbeitete dennoch ; die auf Halbsold stehenden oder ganz

brodlosen Offiziere ,

nicht wieder angestellt worden , schleppten

welche

ihr Dasein kaum mehr

und verloren doch die Hoffnung nicht ; die Parteien schwirrten untereinander, aber doch fanden sich immer wieder Dämpfungen und Vereinigungspunkte, und über dem Ganzen waltete eine sichtbare Macht der Einsicht und Beharrung, und noch mehr eine

unsichtbare des

göttlichen Ratschlusses, welche kein Extrem von Innen durchdringen und keine Gefahr von Aufsen vorzeitig hereinstürzen liefs. Solche Patrioten wie Scharnhorst und Gneisenau litten viel, denn sie sahen und verstanden alles,

an ihnen rieb sich jede Partei, man

verlangte alles von ihnen und suchte sie doch stets zu lähmen und zu stürzen ; wenn es geglückt, so wäre der Ast , selbst safs, zerhauen worden .

auf welchem man

Der Alltagsmensch weifs von Scharn-

horst nur, dafs er eine Heeresreform

durchgeführt ,

eine Landwehr

ins Feld gestellt hat und dann an einer Wunde gestorben ist ;

die

militärische Betrachtung erörtert allzu oft nur den Zusammenhang der durch ihn zu stande gebrachten Heereseinrichtungen , ---- aber sein Opfern und Dulden in schwerer Zeit , seine Tiefe als Mensch , sein Können und Thun als Politiker , diese sind nur wenig ermessen worden, und, recht besehen , harrt er eigentlich noch seines Biographen . Hier in diesen knappen Linien einer blofsen Federzeichnung ist ihm um so weniger genug zu thun ;

damit aber unsere Andeutung doch

begründet sei , möge noch ein Blick auf die Prüfungen, welche unser Held von 1809 bis 1812 bestand , und auf seine politisch- militärische Thätigkeit während dieses Zeitraumes geworfen werden . Das Jahr 1809 setzte ihm hart zu und durch seine drangvollen ,

zum Teil aufserordentlichen Ereignisse ist die Fortführung des Organisationswerkes

ungemein erschwert worden. Der Krieg und die Niederlage Österreichs , die deutschen Parteigänger , der Ausbruch Schills , --- das alles verschlimmerte die politische Lage Preufsens, reizte die Parteien auf, isolierte die Besonnenen und gab fechtung Scharnhorsts und Gneisenaus neue Haltpunkte . Mit Ausgang von 1808 entschlofs

sich der König ,

der An-

einer Ein-

Gerhard David von Scharnhorst. ladung Alexanders folgend , nach Petersburg

259

zu reisen.

Er wählte

dabei Scharnhorst, ohne dessen Zuthun, zu seinem Begleiter, — das pafste diesem nicht ganz , denn er glaubte daheim nötiger

zu sein

als in der russischen Hauptstadt. Die dort veranstalteten Festlichkeiten hatten für ihn keinen Wert, aber er informierte sich über die Anstalten zum Fortbau des russischen Heerwesens und erkannte das politische Prinzip , unter welchem Ruſsland mit uns zusammengehen wollte. Der Kaiser Alexander hatte unserem Könige geraten , sich, bei Ertragung des jetzigen französischen Druckes, für andere Zeiten aufzusparen und verhiefs dann , wenn die Zeit des Losbruches gekommen sei , an seiner Seite zu stehen . Diese Politik war schwer und gefährlich, aber Scharnhorst stimmte ihr zu und hielt sich überzeugt ,

daſs

ein isoliertes

ebenso

wie jedes verfrühte Losschlagen

Preussens nur zur Niederlage führen würde. Der König blieb bis zum Februar 1809 in Rufsland und das gewährte immer den Nutzen, dafs man mit diesem Nachbarreiche politisch in Fühlung blieb. Mit anfang März 1809 war die Neubildung unserer Streitmacht nicht blos den Maximen und Einrichtungen nach, sondern auch durch Beschaffung von Material und in betreff der Festungen ansehnlich vorgerückt.

Es hatte sich nicht alles ,

aber

doch das Meiste nach

Scharnhorsts Wünschen gestaltet, und wenn gleichwohl die Sachlage zum Kriege gegen Frankreich noch nicht angethan man im Falle eines uns überraschenden Angriffes mehr so hülflos

gewesen sein ,

als

noch vor

war ,

so würde

doch jetzt nicht

einem Jahre .

Das

kreuzte die Intentionen derjenigen Partei, von welcher eine absolute Hingabe an Frankreich erwünscht wurde, und sie klagte an oberster Stelle über heimliche Insurrektionen gegen Frankreich und war bestrebt , gerade die Patrioten ersten Ranges

zu

verdächtigen.

Über

dergleichen äuſserte sich ein an Götzen gerichtetes Schreiben Scharnhorsts vom 18. März, und man fühlt aus demselben heraus , wie sehr er die Spitze jener Bestrebungen ,

die

doch immerhin nicht ganz

wirkungslos bleiben konnten, gegen sich selbst gerichtet glaubte. Der österreichisch-französische Krieg von 1809 begann schon im April, und der unerhörte Ausbruch Schills fand am 28. dieses Monats statt; beides hat uns in die schwierigste Lage gebracht und die Pein und Gefahr derselben fiel zumeist auf die, welche unser Staatsschiff lenkten . Jener Krieg war kurz und blutig , voll rühmlicher Anstrengung unseres deutschen Nachbars, aber doch nicht glücklicher als dessen vorherige Kämpfe . Wir enthielten uns der Beteiligung , weil unser junges System noch nicht in den Geist und das Blut Aller hinein-

Gerhard David von Scharnhorst.

260

gewachsen, unser Wissen der neuen Regeln noch nicht zum Können geworden, und auch die Zahl unserer Ausexerzierten in den Kantons zu dieser Zeit noch nicht grofs genug war. Schon im Juli hatte Napoleon gesiegt ; auch die deutschen Seitengänger Österreichs waren verunglückt, und im Oktober schlofs man den für Österreich so überaus ungünstigen Frieden von Wien . Wenn Napoleons Macht hiermit auf den Gipfel kam , so steigerte dies auch seinen Übermut ; wenn er seine Bewerbung um eine russische Grofsfürstin aufgegeben und sich mit der Erzherzogin Marie Louise vermählte, so strich dies die Rücksichten , welche er bisher wegen Rufslands noch auf Preussen. genommen, gänzlich aus. Was Schill betrifft, so verwerteten unsere deutschen Franzosenfreunde dessen abenteuerlichen Losbruch ganz in ihrer Art.

Schill

sollte das Werkzeug einer auch gegen den König gerichteten Verschwörung gewesen sein, Scharnhorst und Gneisenau, ja selbst Blücher wurden verdächtigt u. s. w. ,

und wenn dergleichen

auch an dem

richtigen Urteile und der hohen Gesinnung des Königs abprallte, so schuf es doch immer Unruhe und Verdrufs, ja es

mochten daraus

an hoher Stelle sogar Verstimmungen entstehen, die leicht für Kennzeichnungen des Mifstrauens gehalten werden konnten .

Gneisenau,

welcher durch diplomatische Reisen ins Ausland uns Haltpunkte und Verbindungsfäden schaffen wollte , erhielt am 1. Juli 1809 den von ihm erbetenen Abschied für die Dauer des Friedens ; Blücher forderte auch seinen Abschied , Kavallerie ernannt ;

wurde aber statt dessen zum General der

Scharnhorst fand

es für notwendig ,

in einer

Denkschrift nachzuweisen , aus welchem Zustande von Untüchtigkeit das Heer durch die Reorganisationskommission unter seiner, Scharnhorsts , Leitung

gerissen und nach den Ansichten des Königs

einer tüchtigen Wehrkraft umgebildet worden sei. Denkschrift *) heifst es sehr charakteristisch :

zu

Am Schluss dieser

„ Man darf bei der

neuen Einrichtung die einzelnen Gegenstände nicht ohne das Ganze betrachten. Den Geist der Armee zu erheben und zu beleben ,

die Armee

und Nation

inniger

zu ver-

einen und ihr die Richtung zu ihrer wesentlichen und grofsen Bestimmung zu geben , - dies ist das System, welches bei den neuen Einrichtungen zu Grunde liegt , und dieses mögen Diejenigen beurteilen wollen . "

erst studieren ,

welche sie

Scharnhorsts Einverständnis mit dem Könige wurde hierdurch

*) Diese Denkschrift findet sich in Pertz, cit. I. 525-539.

Gerhard David von Scharnhorst.

wieder hergestellt , 1810 jener schon

es bedurfte dessen

261

aber auch um so mehr , da

erwähnte Wendepunkt in der Politik Frankreichs

unsere Lage schwieriger machte , als sie je vorher gewesen war. Bis hierher hatte der französische Kaiser eine ratenweise und allmähliche Abzahlung der Kriegskosten uns gestattet , jetzt

aber verlangte er

zur Tilgung des Schuldrestes eine preufsische Provinz und beklagte sich zugleich über Preufsens vertragswidrige Streitmittel.

Unser Ge-

sandte v. Krusemark berichtete am 1. März aus Paris, dafs dort die Abtretung eines Teiles von Schlesien in Aussicht genommen sei , der französische Kaiser aber auch

durch dieses Opfer

gestellt werden , sondern immer neue Vorwände Preussens finden würde .

nicht

zufrieden

zur Unterdrückung

Dieser drohenden Katastrophe so gut als es eben ging zu begegnen, sandte der König den Feldmarschall Grafen Kalkreuth nach Paris ; aber Scharnhorst glaubte ein fast schon unabwendbares Verhängnis vorzufühlen und hatte kaum noch eine andere Hoffnung, als mit dem Vaterlande zusammen ehrenvoll unterzugehen. Dennoch musste weiter gearbeitet werden , und es geschah mit un-

diejenige ,

veränderter Contenance und Scharfsinnigkeit. Wer dem Ruin scharf ins Auge sieht und , zur Abwendung desselben , auch hart am Abgrunde noch alles thut , was menschliche Kräfte vermögen , der ist der Charaktervolle von Gottes Gnaden. Was für eine Existenz hat Preufsen von 1807

bis 1813

geführt !

Ein

steter Berg

seinem Rücken , ein stetes Messer an seiner Kehle ,

war auf

und in

dieser

Situation zeigte es doppelten Geist und that doppelte Arbeit ; viel Auszeichnung im Unheil war noch nie dagewesen.

so

Kurz vor Kalkreuths Abreise suchte Scharnhorst, um diese Mission zu erleichtern, seine Entlassung nach, denn es war augenfällig, dafs Napoleons Unwille ihn ganz besonders traf; dieses Abschiedsgesuch war auch eine Handlung fürs Vaterland, und wenn es formell gewährt worden wäre, so würde dies den grofsen Patrioten nicht verhindert haben, seine Kräfte dennoch der Sache Preufsens bis zum letzten Momente zu widmen .

Aber der König wählte einen Mittel-

weg, denn er entliefs Scharnhorst für jetzt noch nicht, sondern stellte nur dessen Entlassung, um Napoleon eine zweckdienliche Konzession zu machen, für den Fall, dafs sich ein passender Nachfolger finden würde, in Aussicht. Gneisenau machte Reisen nach England , Schweden und Russland und verwertete sie im politischen Interesse des Vaterlandes ; reuth richtete in Paris nichts aus, und Preufsen blieb bedroht und gepeinigt.

Kalk-

vorerst noch

In diesen Umständen riet Scharnhorst dem

Gerhard David von Scharnhorst.

262

Könige : „ Sich Napoleon bei möglichster Erledigung seiner Klagen

aufserlich

eigentlich aber ,

ganz

unterzuordnen ,

innerlich

und

zu jeder Verzweiflung anstrengung be-

reit , ihm mit allen Kräften entgegen zu arbeiten. " Dieses durch die Pflicht der Selbsterhaltung uns aufgezwungene

Programm erhielt uns wohl Schlesien und rief auch mit eine Spekulation Napoleons hervor, durch welche seine Aktion gegen Preuſsen vertagt wurde . Der französische Kaiser sah nämlich , daſs man sich ihm ganz fügte , andererseits aber entging es ihm nicht , dafs wir thatkräftig blieben und militärische Fortschritte zu machen suchten, das brachte ihn auf die Idee, Preufsen, ehe er es ausstrich, für seine anderweitige Kriegspolitik auszunützen.

Je

mehr er mit Rufsland

zerfiel und je mehr ihm die Notwendigkeit einleuchtete, diesen seiner europäischen Politik noch widerstrebenden Kolofs niederzuwerfen, desto vorwiegender wurde ihm jener Gedanke . Napoleon verhüllte jedoch für jetzt noch sein Projekt ; - Preufsen sollte , um desto fügsamer zu sein ,

sich immer noch für gefährdet

halten. Hätte man aber auch bei uns seine Spekulation sofort erkannt, so würde sich doch über sein Endziel in betreff unserer niemand getäuscht haben .

Man hielt sich also schlagfertig und besafs dazu

immerhin eine schon gute Basis .

Aus einem Schreiben Gneisenaus

an den preufsischen Gesandten in London ,

Grafen Münster ,

ging

hervor, dafs Scharnhorst zu dieser Zeit *) schon eine Streitmacht von 124 000 Mann bereit hatte, die er bei noch einiger Ruhe, und wenn ihm aus England Kriegsunterstützungen würden , können . **)

glaubte verdoppeln zu

Dies war die in den Kantons verborgene Macht ;

was

aber das kleine stehende Heer Preussens betrifft, so wird von authentischen Zeugen versichert, dafs es, durch Scharnhorsts Verdienst, an Festigkeit, Geschick und Ausdauer der Mannschaften, an Bescheidenheit und Bildung der Offiziere , sowie an Disziplin und Opferwilligkeit aller nichts mehr zu wünschen übrig liefs.

Solche Bewandnisse

erfrischten wohl die gesunkenen Hoffnungen , aber doch waren wir, dem französischen Kolofs gegenüber, noch nicht stark genug, und es mufsten ,

ehe wir ihm den Fehdehandschuh zuschleuderten , immer

noch grössere Streitmittel erschwungen, unsere Verbindungen mit den konservierenden Mächten sicher gestellt und Zeitumstände , die uns begünstigen würden ,

abgewartet werden.

Da

wir aber in jedem

Augenblicke unfreiwillig engagiert werden konnten, so traf man, auf

*) Im Sommer 1811 . Pertz, cit. II. 165-166.

Gerhard David von Scharnhorst.

alle Fälle gefafst, Vorkehrungen zur wirksamsten Verteidigung .

263 Man

arbeitete an den Festungen und zog im Norden, angeblich um einer befürchteten Landung englischer Streitkräfte zu begegnen, Truppen zusammen ,

während auch die Übungsmärsche

und Feldmanöver zu-

nahmen, kurz man traf alle Anstalten, um sich, vorkommenden Falles, bis aufs Messer wehren zu können . Diese Regsamkeit, so verhüllt oder motiviert sie auch stattfand, entzog sich doch weder der Beobachtung noch dem Argwohne Napoleons ganz , und als er Einhalt gebot, mufste ihm, da eine Vertagung des Bruches mit Frankreich noch immer wertvoll erschien , gewillfahrt werden ; um so mehr drängte uns aber dergleichen zu einer baldigen Verständigung mit England, Rufsland und Österreich. Mit England blieb die schriftliche Unterhandlung im Schwunge, sich Scharnhorst in geheimen

nach Russland und Österreich begab

Missionen, um dort persönlich das Möglichste auszuwirken . Die Reise nach Petersburg fand im September 1811 in so vorsichtiger Weise statt , dafs nichts über sie verlauten konnte, und Scharnhorst verabredete dort mit dem Kaiser selbst dasjenige, was zu thun sei , wenn Napoleon seinen jetzt schon in ziemlich sicherer Aussicht stehenden Krieg gegen Rufsland mit einem Überfalle Preufsens einleiten sollte . Von dieser Reise kehrte er im Oktober zurück ; sie war ein Meisterstück geheimer Kriegsdiplomatie und hatte ein so günstiges Resultat, dafs Scharnhorst schon im November mit ähnlichen Aufträgen und bei gleicher Geheimhaltung nach Wien gesandt wurde. Diese letztere Ambassade hatte eigentlich kein greifbares Resultat, aber sie bewirkte doch im allgemeinen eine Annäherung der beiden deutschen Hauptstaaten an einander. Je weiter die Verwickelung zwischen Frankreich und Ruſsland inzwischen vorschritt ,

desto schlimmer wurde die Lage Preuſsens ,

denn es sah sich zwischen diese Kolosse, deren baldiger Zusammenstofs zu erwarten war, eingeklemmt , und man erkannte noch nicht, wie in solch einer ungeheueren Krisis seine Parteistellung und sein Verhängnis sein würde.

Mit Anbruch des Jahres 1812 liefs Napo-

leon, um Schweden zur Mitwirkung gegen Rufsland zu zwingen, ein französisches Corps in das schwedische Pommern einrücken , und da hierdurch unsere Grenze bedroht und unser Verkehr behindert war, so beruhte in diesem Faktum auch gegen uns ein neuer Gewaltstreich. Gneisenau, welcher seit 1811 wieder, und zwar als Staatsrat im preufsischen Dienste gewesen, schied jetzt neuerdings aus und begab sich, um neuerdings diplomatisch wirksam zu sein , ins Aus-

Gerhard David von Scharnhorst.

264

land ; Scharnhorst und Boyen erbaten ihren Abschied , erhielten ihn aber noch nicht sogleich bewilligt. Die zwischen Preufsen und Frankreich gepflogenen Unterhandlungen kennzeichneten auf unserer Seite den Wunsch, in dieser Lage einen noch zeitweise

dauernden Frieden zu

ermöglichen ,

bei Na-

poleon die, im Sinne seiner schon erwähnten Spekulation jetzt scharf hervortretende Absicht, Preufsen gütlich oder mit Gewalt zu seinem Partner gegen Rufsland zu machen. Preufsen stand auf einem schlimmen Alternativpunkte, denn mit einer französischen Alliance that es sich und seinem Verhältnisse mit Rufsland die äusserste Gewalt an, durch eine Parteinahme gegen Frankreich aber wurde seine ganze Existenz bedroht ; -- was sollte geschehen ?

Scharnhorst hatte

seinen früheren Rat,

sich bis zum

entscheidenden Momente zu fügen , wiederholt ; wie des Königs Anschauung war und durch den Oberst v. Knesebeck unterstützt wurde ,

ist anderwärts genügend ausgeführt worden ,*) und da über-

dies jetzt nur zwischen einem Übel und dem Ruin zu wählen war, so kam am 24. Februar 1812 ein zwischen Preufsen und Frankreich in Paris abgeschlossener Bundesvertrag zu Stande, vermöge dessen ersteres die Verpflichtung übernahm, als Frankreichs Partner diesem ein Hülfscorps von 20 000 Mann zu stellen und dem französischen Heere freien Durchzug nach Rufsland , sowie während desselben den Unterhaltungsbedarf, und einiges Besatzungsrecht längs der Heerstrafse zu gewähren. horst's Abtreten von der

Heimlich wurde

auch Scharn-

obersten Kriegsleitung Preufsens

verlangt

und dieser Appendix , welcher Napoleons gröfste Anerkennung für unseren Helden ausdrückte , war doch so accentuiert, dafs seine Nichtberücksichtigung den ganzen Traktat zerschlagen hätte.

Demgemäſs

trat Scharnhorst jetzt vom Kriegsministerium ab ,

wurde

Chef des Ingenieurcorps und Generalinspekteur der Festungen und nahm seinen Aufenthalt in Breslau . Boyen wurde Oberst und verliefs den preufsischen Dienst, Knesebeck ging als besonderer Sendbote nach Petersburg, - äufserlich im Sinne Napoleons , um durch preufs . Mediation den Kaiser Alexander zur Annahme des französischen Programms zu bestimmen , wirklich und eigentlich aber , um jenen Monarchen über das jetzt unabweisliche Verhalten und die damit heterogene innere Willensmeinung Preussens zu verständigen. Die Voraussetzung Napoleon's , dafs Scharnhorst's Zurücktreten

*) v. Crousaz : Aussprüche der Könige von Preufsen.

S. 298 ff.

Gerhard David von Scharnhorst.

265

vom Kriegsministerium auch dessen Leitung des preufsischen Heerwesens aufheben werde, traf nicht zu , — denn dieser blieb auch in seiner neuen Stellung

die

Seele

des Ganzen und sein

zösischen Spekulation gegnerisches seine Anstrengungen .

der fran-

Genie verdoppelte jetzt

sogar

Vorerst durch Beruhigung der Gemüter , durch Fixierung der Begriffe des Volkes bei dem für ihn unverrückten Hoffnungspunkte. Die Lage war jetzt , wo man unser Land zu einem französischen Depot und Hauptmagazine machte , freilich schlimm , und wenn Napoleon in Ruſsland siegte, so musste sie noch schlimmer werden , solch eine Erwägung schuf Kleinmut , der zur Apathie oder Verzweiflung werden konnte . Diese Stimmung barg die gröfste Gefahr und Scharnhorst wirkte ihr kräftig entgegen : „Die uns jetzt drückende Last ist vorübergehend , der Sieg Frankreichs wird an den besonderen Verhältnissen Rufslands scheitern ; Napoleon fufst überall auf falschen Voraussetzungen , und selbst in dem für ihn günstigsten Falle wird er von der russischen Kriegsfahrt so erschüttert sein , dafs dies unseren Losbruch begünstigen mufs. " Als dieses Urteil

sich schon an den Schwierigkeiten des fran-

zösischen Vormarsches gegen Moskau und weiterhin immer mehr bestätigte, war es wiederum Scharnhorst, der alles that, um der erregten Volksstimmung gegenüber Herr der Situation zu bleiben, die ruhige Ausdauer, deren sein Werk brauchte, auf keine Weise schädigen zu lassen ; jede aus Leidenschaft entsprungene Verfrühung unseres Vorhabens würden wir schwer gebüfst haben . Aber auch mit positiv militärischen Handlungen that sich Scharnhorst in dieser Zeit ungewöhnlich hervor.

Liefs

er

die organische

Vorbereitung des Krieges eifriger als je fortsetzen, so geschah aufserdem noch Bedeutendes. Auf Scharnhorst's Rat wurde das nach Kurland bestimmte Corps nur aus geteilten Regimentern zusammengesetzt, *) damit jedes Regiment in der Heimat einen Stamm und eine mit der Einberufung tung haben möchte. nach Schlesien ,

der Beurlaubten zusammenhängende Gel-

Die nicht mobilgemachten Truppen kamen meist

sowie nach Graudenz und Colberg , die Depots der

mobilen aber blieben in den Provinzen , dort wie hier

wohin sie gehörten ,

damit

die Ausbildungsprozedur der nach und nach Ein-

berufenen ungestört fortgesetzt werden möchte.

Zugleich bereitete.

Scharnhorst den allgemeinen Bewaffnungsplan, der nachher, den ver-

*) Die Ordre de Bataille dieses Corps ergiebt das.

Gerhard David von Scharnhorst.

266

änderten Bewandnissen nach wohl

modifiziert wurde ,

aber doch in

den Hauptpunkten stehen blieb, eifrig vor und dessen Kenntnis gehört schon hier in den allgemeinen Zusammenhang. „ Das stehende Heer soll durch Einziehung aller Krümper und bei Benutzung der inaktiven Offiziere schnell auf 100 000 Mann gebracht werden , für die in den Depotplätzen die Ausrüstung und Bewaffnung liegt. Landwehr zu Fufs

Zugleich ist in gleicher Stärke eine und zu Rofs zu bilden , die von den

Provinzen gerüstet wird , und man ruft die männliche Jugend der vom Kriegsdienst gesetzlich befreiten Stände auf,

um Detachements freiwilliger Jäger ,

regimentern zuzuteilen sind , zu bilden. fähige Rest der Nation Verteidigung

die den Feld-

Der ganze waffen-

endlich wird als Landsturm zur

von Heerd und

Heimat aufgerufen.

Also

das Gesamtvolk tritt unter das Gewehr ; wenn jenseit nur eine Armee und hier die ganze Nation aufmarschiert ist, so wird erstere von der letzteren erdrückt werden . " Eine grofsartigere Idee mit entsprechender Organisation ist kaum denkbar ; wer im einzelnen widersprach , Verständnis für dergleichen ,

doch

mufste ,

bei nur einigem

das Ganze bewundern .

Dieser

Plan entzog sich nicht nur der Kenntnis der Franzosen, sondern bis zu seiner Effektuierung auch

eigentlich allen Inländern ;

wer dabei

chargiert war, kannte immer nur den für seine Arbeit mafsgebenden Teil desselben. Dafs dies in solchen Zeitumständen und vor solchen Späheraugen überhaupt möglich war, und dafs Scharnhorst in seiner Entfernung vom militärischen Ruder dies

alles vollbringen konnte,

erklärt sich nur durch die Macht des Genies , welche eben ein für bestimmte Zwecke wirkendes Mittel der Vorsehung ist. " Dafs Scharnhorst unsere Landwehr geistig geschaffen hat, würde schon aus

seinen

früheren Entwürfen zur

Volksbewaffnung ,

die

sich in ersterer abspiegelten , zu folgern sein ; es beruht aber auch noch ein besonderes Zeugnis dafür in Hippels *) Beiträgen zur Charakteristik Friedrich Wilhelms III. , wörtlich heifst : „ Den Zweifel ,

wo es auf Seite 66

wer Urheber der Landwehr und Ver-

fasser der Landwehrordnung mit ihren Beilagen sei , wird dem Herausgeber aufzuklären gestattet sein , wenn er

*) Der nachherige Regierungspräsident v. Hippel, Verfasser obiger Schrift, war in der Erhebung von 1813 und unmittelbar vorher „ Staatsrat und vortragender Rat beim Staatskanzler Freiherrn v. Hardenberg.

Gerhard David von Scharnhorst.

versichert ,

dafs

267

ihm die Arbeit ganz vollendet von dem

verewigten Scharnhorst zur letzten Feile und Redaktion schon im Februar , und noch früher als die ostpreufsischen Vorschläge anlangten , übergeben wurde.

Der Herausgeber

fand jedoch so wenig daran zu ändern und glaubte dem Vertrauen des teueren Verewigten so viel schuldig zu sein , dafs

er die geringen Verbesserungen , welche notwendig ,

nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Verfassers vorzunehmen sich erlaubte. Geschrieben war das Konzept von der Hand des damaligen Staatsrats , nachherigen Ober forstmeisters Krause , nach den schon vorhandenen Arbeiten und der Anleitung Scharnhorst's. " Auch sagte der nachherige Kriegsminister v. Boyen : *) „ daſs der Plan der Landwehr von Scharnhorst mit ihm und Grolman schon längst besprochen war , bei dem damals noch unentschiedenen Zustande unserer Politik aber Scharnhorst nichts darüber verlautbaren konnte. " Am 15. März 1813

legte Scharnhorst

seine Entwürfe zur Or-

ganisation der Landwehr zur Allerhöchsten Entscheidung vor und erhielt dafür mit einem Kabinetsschreiben vom 18. die Königliche Sanktion, worauf dann als Königliches Edikt die vom 17. März 1813 datierte „ Verordnung über die Organisation der Lannd wehr **) ins Leben trat. Hiermit ist Scharnhorst's Werk der Reorganisation des Preufsischen

Heeres ,

noch besser der Wehrbarmachung des

preufsischen

Volkes für den Befreiungskampf, vollendet und gekrönt worden ; es war das nicht blos eine militärische , sondern auch eine politischnationale , in alle Hinsichten des Volkslebens und in alle Beziehungen nach aufsen eingreifende Operation , und auch die kurzen Angaben dieses Kapitels sollten sie doch andeutend als eine solche kennzeichnen.

V.

Im Kampf und Tode.

Wie das Jahr 1813 der fünfjährigen Reorganisationsarbeit unseres Helden ein Ziel setzte ,

so hat

es ihn auch zu den genugthuenden

Momenten geführt, wo der Meister sein Werk leben und wirken sieht, - aber unmittelbar vor seinem Lebensende. Er gehörte zu den scheinbar Unglücklichen ,

denen

äufserlich ihr Kranz der Vollendung ent-

*) Boyen's cit. Beiträge zur Kenntnis des Generals v. Scharnhorst. **) Gesetzsammlung von 1813 S. 109 ff.

Gerhard David von Scharnhorst.

268

ging, aber genau besehen war er ein Glücklicher, der auf dem Gipfel seiner Lebensarbeit ,

siegreich über alle Not und Anstrengung , und

bei dem Ziele, das er erstrebt, sterben konnte. Als nach der Niederlage

der Franzosen in Rufsland und nach

dem Umschwunge durch York's Konvention vor Tauroggen der König am 22. Januar 1813 nach Breslau ging und unser Bruch mit Frankreich bereits auf der Schwelle stand ,

trat Scharnhorst wiederum in

unmittelbare Wechselwirkung mit seinem Monarchen und vermittelte dessen Willensmeinungen jetzt an der „ultima ratio " ebenso präcise , wie es in der herben und glänzenden Vorschule der Reorganisation geschehen war. Nachdem sein allgemeiner Bewaffnungsplan verlangt ,

sogleich vorgelegt

und in allen Hauptpunkten genehmigt

worden, begann schon am 3. Februar eine umfängliche Rüstung. Man rief alle Urlauber zu den Fahnen chements freiwilliger Jäger , gemacht hatten , dem Erfolge

kam gleich von vornherein und mit sehr glänzen-

zum Vollzuge. *)

Durch das Gesetz

wurden für die Dauer des Krieges der Verpflichtung Kriegsrüstung

und jene Bildung von Deta-

gegen die sich viele Bedenken geltend

vom 9. Februar

alle bisherigen Ausnahmen von

zum Militärdienst aufgehoben,

betreffende Erlasse vom 10.

und weitere ,

und 19.

die

ergänzten die-

jenigen vom 3. Februar. Die Unterhandlungen mit Rufsland waren durch den Generaladjutanten Oberst v. Knesebeck eröffnet worden, und wurden durch Scharnhorst und Hardenberg ,

die sich ins rus-

sische Hauptquartier nach Klodawa begaben, fortgeführt ; am 27. Februar konnte infolge derselben zu Breslau, und am 18. zu Kalisch, ein Alliancetraktat zwischen Preufsen und Rufsland unterzeichnet werden ,

welcher die Wiederherstellung Preufsens , die Be-

freiung Deutschlands und Europas in Aussicht nahm. Scharnhorst genofs das volle Vertrauen des russischen Kaisers und war bei allen jetzt notwendigen Verabredungen über die gemeinsame Kriegführung der geeignetste Vermittler. Auch beförderte ihn sein König zum Generallieutenant, und das alles war schön und gut, - aber einem Scharnhorst mufste es noch viel schwerer wiegen , dafs die von ihm geplante Erhebung der Nation jetzt in Blüte stand, seine Verheifsung sich zu erfüllen begann . Am 10. März wurde das eiserne Kreuz gestiftet, am 11. York's Alexanderhieb voll anerkannt, am 15. zog Kaiser Alexander an des Königs Seite in Breslau ein . Das in dieser Einleitung des Befreiungskrieges Aufserordentlichste ging am

*) Gesetzsammlung von 1813 S. 15.

17. März 1813 durch

Gerhard David von Scharnhorst.

269

drei denkwürdige Staatshandlungen hervor, welche den Übergang des Scharnhorst'schen Systems in die Praxis zumeist welthistorisch kennzeichneten.

An diesem Tage nämlich erliefs der König Seinen Auf-

ruf: „An mein Volk " ; -an Frankreich erging unsere Kriegserklärung , - und die "" Verordnung über die Organisation der Landwehr" trat ins Leben. Schon vorher war in dem zeitweilig isoliert gewesenen Preuſsen von dessen Ständen die Bildung einer dortigen

Landwehr und Re-

serve geplant worden , und der bezügliche Entwurf lag schon am 12. Februar an Allerhöchster Stelle zur Genehmigung vor. Wenn Scharnhorst diesem Vorschlage gegenüber nicht ohne Bedenken blieb, so mufs das richtig verstanden werden .

Da er damals seinen längst

ausgearbeiteten Landwehrplan schon in der Tasche trug , so konnte, im kritischen Zeitpunkte, ihm ein damit doch mannigfach differierender anderer Entwurf, zunächst doch nur als eine Kreuzung , welcher man Zeit verlieren würde , erscheinen. War dabei

mit das

patriotische Vorgehen der preufsischen Stände von ihm voll anerkannt, so verpflichteten seine Stellung und Sachkenntnis ihn doch immerhin, dasjenige, was in jener partiellen Organisation gefehlt war, zu bessern, und sie mit seiner totalen in Einklang zu bringen. *)

Dies gelang

ihm auch, und so konnten denn jene Propos , hinter denen schon die opferwillige That stand , als ein nützlicher Beitrag des betreffenden Gesamtwerkes gelten. Scharnhorst bat ,

als er seine Landwehrordnung ins Geleis ge-

bracht, den König um eine Stellung im Heere ; er wollte, nachdem er die Waffen

kunstvoll geschmiedet und

die Alliance erwirkt hatte,

auch persönlich fürs Vaterland streiten. Das setzte ihm eine besondere Ehrensäule , und damit ist das , was wir gleich anfänglich von ihm sagten : dafs er die Praxis mit der Theorie vereint habe, dafs sein Wissen im Können und sein Feuereifer in Thaten aufgegangen sei , voll bestätigt worden .

Der König bewilligte ihm die

Stellung als Chef des Generalstabes der Armee, und in dieser Eigenschaft begab sich Scharnhorst am 18. März zu dem von dem General der Kavallerie v. Blücher befehligten 1. preufsischen Armeecorps. Gneisenau war inzwischen von seiner zweiten Rundreise zurückgekehrt ,

trat

als Generalmajor in das Heer zurück und wurde als

Generalquartiermeister auch dem Blücher'schen Corps zugeteilt. Scharnhorst Genie ,

und Gneisenau , die

Hand

in

diese beiden Genossen in Patriotismus und Hand so

viel durchgemacht und geschaffen

*) Vergl. darüber : Boyen's cit. Beiträge etc. S. 45 ff., S. 59 ff.

Gerhard David von Scharnhorst.

270

hatten, standen also wieder vereint und verständigten sich über den von Scharnhorst entworfenen Feldzugsplan. Nach diesem

„ sollte

unsere jetzt

verfügbare

Streit-

macht zur Vernichtung der von Eugen Beauharnais gesammelten Reste des französischen Heeres von 1812 sogleich vorrücken , während zu derselben Zeit auch Sachsen besetzt würde.

Dann wird Westfalen insurgiert und in

die Rheinbundstaaten ,

die

man

zum Anschlufs

an die

Sache Deutschlands bringen will , eingedrungen , und wenn inzwischen unsere Landwehr feldtüchtig geworden und der russische Nachschub angelangt ist , so kann dem neuen Heere Napoleon's

die Entscheidungsschlacht

vielleicht

schon auf französischer Erde geliefert werden. " Dieser hier nur angedeutete Plan war gewifs so durchdacht als kühn, aber er hatte als Plan seine Voraussetzungen , und solche sind, da sie auf die Annahme kommender und jenseitiger Ergebnisse gegründet sein müssen, stets verrückbar.

Man weifs ja nicht, was der

Feind thun , welche jetzt noch nicht geahnte Schwierigkeit sich drei Tage später bei uns selbst herausstellen, und zu welchen Änderungen unserer Operation das notwendig leiten wird. Gleichwohl sind solche Pläne, schon vermöge der durch sie bewirkten Ideeenanregung und weil man durch sie wird , unerlässlich ,

zu einem systematischen Verfahren angeleitet nur mufs von Haus aus an sie der Mafstab

eines blos allgemeinen und relativen Wertes

gelegt werden .

Dies

war bei dem gegenwärtigen Plane unbedingt der Fall , und übrigens hielt er sich allgemein und trug den zur Zeit erkennbaren Bewandnissen so viel Rechnung ,

als

es nach menschlicher Einsicht immer

möglich war. Ein erheblicher Widerspruch begegnete demselben vorerst nicht , und das Vorgehen unserer bereiten Streitkräfte fand nach seiner Vorschrift statt.

Blücher brach mit Ende März, gegen Sachsen hin,

aus Schlesien auf; Wittgenstein, York und Bülow siegten am 5. April unweit Magdeburg *) über den Vicekönig von Italien etc. - aber doch gewahrte man auch baldigst einen Gegendruck. Regierung beharrte

noch bei dem Bündnisse

mit

Die sächsische Napoleon ,

sächsische Volk trug unseren Truppen keine Sympathie

das

entgegen ;

Eugen Beauharnais wufste sich, trotz seines Verlustes, doch schlagfertig zu erhalten und hemmte dadurch den Fortschritt im Norden doch immer zeitweilig .

Napoleon kam schneller als berechnet worden

*) Bei Möckern, Dannigkow, Gommern und Vehlitz .

Gerhard David von Scharnhorst.

271

mit einer neuen Streitmacht auf den Platz, und der russische Oberfeldherr Fürst Kutusow hielt sich zu einer Kriegspolitik der Zögerung, mit welcher, da sie die Hauptkräfte zu langsam herankommen liefs , unserer Aktion viel Zeit verloren ging. Hier solch ein Hemmniſs , das mufste unsere und jenseits die überraschende Schnelligkeit , Hoffnung auf die hinter dem Rheine fallende Entscheidung sehr bald vereiteln. Dies alles modifizierte den Scharnhorst'schen Kriegsplan in Bezug auf Zeit und Raum wohl beträchtlich , aber dennoch ist er im

grofsen und ganzen mehr vollführt worden als der Urheber bei

seinem vorzeitigen Abscheiden glauben mochte. Blücher überschritt die Elbe am 3. April bei Dresden und erreichte in der Mitte dieses Monats Chemnitz und Altenburg ; das in seiner Avantgarde befindliche Corps des Generals v. Winzingerode schob er gegen die sächsische Saale vor. Der Fürst Kutusow starb am 26. April zu Bunzlau ; Wittgenstein, welcher in seiner Stelle den Oberbefehl erhielt , machte eine Diversion gegen Wittenberg ; York zog sich nach Leipzig ; die Streifkorps der Verbündeten stiefsen da und dort erfolgreich vor und waren in stets reger Thätigkeit.

Inzwischen hatte Napoleon sein neues Heer sehr schnell gegen Sachsen vorgeführt.

Von Eisenach und Gotha kommend, gewann er

den Pals von Kösen schon am 25. , Naumburg am 28. , Weiſsenfels am 29. April ; da der Vicekönig von Italien sich zu dieser Zeit, an der Saale aufwärts marschierend, mit der französischen Hauptmacht vereinigte, so bekam letztere dadurch eine in 20 Divisionen beruhende Stärke von 160 000 Kombattanten. Wittgenstein zog jetzt die Abtheilungen Kleist's und Bülows heran und trat mit dem Blücher'schen Heere ,

welches bis in die Nähe von Leipzig vorgegangen, in Verbindung ; auch die verbündeten Monarchen, die ihr Hauptquartier in Dresden gehabt , begaben sich zur Armee , und man sah, dafs in den Ebenen an der Elster eine

Entscheidung fallen würde. Am 1. Mai standen die Verbündeten bei Rötha, Pegau, Zwenkau u. a. also südlich von Leipzig ;

ganz

nahe

an dieser Stadt befand

sich auf ihrem äussersten rechten Flügel die vom General v. Kleist befehligte, aus preussischen und russischen Truppen kombinierte Abtheilung.

Bülow, welcher weit vor unserem rechten Flügel bei Halle,

und Miloradowitsch, welcher bei Zeitz stand, konnten für dasjenige was jetzt geschehen musste, nur indirekt mitwirken . Napoleon seinerseits marschierte am 1. Mai von Weiſsenfels auf Lützen, und vor ihm zog sich Winzingerode, der ihn durch das Artilleriegefecht von Poserna doch immer etwas aufhielt, über den so19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

Gerhard David von Scharnhorst.

272

genannten Flofsgraben nach Zwenkau zurück ; man sah genau , daſs es in der Absicht des französischen Kaisers lag, seine Streitkräfte bei Leipzig zu vereinigen, und dann, die nächsten Kommunikationen zur Elbe gewinnend, die Verbündeten mit voller Offensive in's Erzgebirge zu treiben ; - welchen Vorsprung und Spielraum würde ihm ein solcher Erfolg verschafft ,

wie niederdrückend würde er auf das

seiner Befreiung harrende Deutschland gewirkt haben! Niemand durchschaute das jenseitige Vorhaben und die Gefahr desselben mehr als Scharnhorst, und darum riet er , der feindlichen Offensive schnell zuvorzukommen .

Nach seiner Disposition

sollten

„ alle Abtheilungen des verbündeten Heeres am 2. Mai ganz früh aufbrechen , den Feind während seines Vormarsches

angreifen ,

und ,

nachdem dessen einzelne Ko-

lonnen , ehe das Ganze formiert sei , auf Merseburg ,

geschlagen worden ,

wo er dann durch Bülow von Norden her

bedroht sein würde , zurückdrängen. " genehmigt , führung.

doch kam

Dieser Vorschlag wurde

er nur in beschränkter Weise

Unsere Vorwärtsbewegung

wurde

zur Durch-

am 2. Mai durch ver-

schiedene Kolonnenkreuzungen aufgehalten, und die diesseitige Armee kam daher erst gegen 11 Uhr vormittags am linken Ufer des Flofsgrabens zum Aufmarsch - hierdurch aber gewann der Feind sehr viel Zeit und Vorteil . Als die Verbündeten ,

nach Ueberschreitung des Flofsgrabens,

eine Rechtsschwenkung gemacht, standen sie, in wellenförmiger und mannigfach durchschnittener Ebene ,

den

eng zusammengedrängten

Dörfern Rahna, Caja, Grofs- und Klein - Görschen ,

welche mit den

Wassergräben, Hohlwegen und Baumgärten ihres unmittelbaren Bereiches eine Art natürlicher Festung bildeten , gegenüber. welcher sie besetzt hielt ,

Der Feind,

fand für seine überlegene Infanterie und

Artillerie hier die geeignetsten Haltpunkte, und wenn das verbündete Heer eine viel zahlreichere Kavallerie besafs , so konnte es sie, bei dem überhaupt schweren Angriffe auf eine solche Position, nach Beschaffenheit des Terrains zu keiner rechten Geltung bringen. Das französische Heer, welches , auf jene Dörfer gestützt und seine Front nach Süden kehrend, sich vom Flofsgraben bis gegen Starsiedel hin ausbreitete, belief sich auf etwa 115 000 Mann ; da es nur etwa 5000 Reiter zählte , so kann hiernach die bedeutende Stärke seiner Infanterie und Artillerie ermessen werden. Das Heer der Verbündeten lehnte

seinen rechten Flügel bei

Werben an den Flofsgraben ; der linke stand, etwa bei Tornau und Söhesten ,

Starsiedel gegenüber.

Sein

erstes

Treffen

bildete

das

Gerhard David von Scharnhorst.

273

Blücher'sche Corps, im zweiten war York nebst den russischen Abteilungen von Berg und Winzingerode, und in der Reserve befanden sich die russischen Garden ; die hinter dem linken Flügel postierte Die GesamtReservekavallerie sollte möglichst vereint bleiben . stärke der Verbündeten belief sich auf 87 000 Mann ; da aber Kleist und Miloradowitsch nicht herangezogen werden zur Besetzung verschiedener FlufsDetachements die konnte, auch übergänge ausfielen , so standen für die gegenwärtige Aktion nur

in

Leipzig

stand

etwa 69 000 Mann zur Verfügung. Gegen 12 Uhr griff unser erstes Treffen Grofs- Görschen

an,

vertrieb daraus den Feind und behauptete es trotz der von jenseits herankommenden Verstärkungen.

Der Kampf engagierte nachgerade

die ganze Linie unseres ersten Treffens, und unsere Truppen erstürmten auch die Dörfer Rahna und Klein-Görschen ; die Bestrebung des Gegners sie zurückzuerobern, führte, ohne vorerst erfolgreich zu sein, einen mehrstündigen und sehr blutigen Kampf herbei, — endlich aber brachte er so grofse Massen auf den Platz , dafs Klein -Görschen wieder in seine Hände fiel.

Dieses wurde ihm jedoch unter Beihilfe

glücklicher Kavallerie-Chocs wieder entrissen ,

und als noch unsere

brandenburgische Infanterie-Brigade herankam, vermochte man auch Eisdorf ) zu gewinnen, und trieb den Feind nach Caja zurück. Es war inzwischen 6 Uhr abends geworden, und man stand vermöge der errungenen Vorteile schon in der linken Flanke des Feindes, -- da kam der Vicekönig von Italien, der bisher gegen Leipzig gestanden und es genommen

hatte,

auf das Schlachtfeld

und drückte unseren avancirten rechten Flügel wieder zurück . York'sche Corps

und

die

ersteren , Kampf und Drang

Berg'sche

Das

soutenirten jenen

wurden dort ungeheuer, und man sah

selbst unsere höchsten Führer , mitten im Feuer.

Abteilung

die Truppen leitend und aneifernd ,

Hier wurde Blücher leicht, Scharnhorst viel ernst-

licher verwundet ; es war eine unseren Truppen ruhmreiche, aber doch verhängnisvolle Krisis , und die Dörfer Rahna, Klein-Görschen und Eisdorf mufsten wieder aufgegeben werden . Grofs - Görschen behauptete man endgiltig, und die russische Reserve unter dem Prinzen Eugen von Württemberg verhinderte eine Umgehung unserer rechten Flanke, Seitens des Vicekönigs . Auch im Centrum der Schlacht hatte sich die numerische Übermacht des Feindes fühlbar gemacht, und auf unserem linken Flügel, wo Winzingerode und die Reservekavallerie gegen Starsiedel standen,

*) Etwas östlich von Klein-Görschen, am rechten Ufer des Flofsgrabens . 19 *

Gerhard David von Scharnhorst.

274

war die französische Position Geschützfeuer so werden konnte.

heftig ,

doch auch so

dafs

nichts

stark ,

das jenseitige

Entscheidendes

durchgesetzt

Der Kampf dauerte an allen Stellen bis in die Nacht hinein ; noch um 10 Uhr abends drangen neun Schwadronen unserer Reservekavallerie gegen den französischen rechten Flügel vor, und setzten Napoleon selbst in die Gefahr, gefangen zu werden .

Wegen begeg-

nender Terrainhindernisse entbehrte dieser Coup zwar eines äuſseren Erfolges, doch ist er moralisch sehr eindrucksvoll gewesen . Die Schlacht sollte man aber erfuhr ,

am nächsten Tage fortgesetzt werden ,

dafs Leipzig

da

von den Franzosen genommen war,

da die Munition zu fehlen begann und man, in Umständen ,

wo so

aufserordentliches auf dem Spiele stand , nicht hazardieren wollte , so erteilte Wittgenstein noch während der Nacht vom 2. zum 3. Mai den Befehl zum Rückzuge über die Elster. Die Verbündeten hatten in dieser Affaire nicht nur ihre ursprüngliche Stellung behauptet, sondern sie waren auch durch die Wegnahme von Grofs-Görschen , Feindes eingedrungen.

das in ihren Händen blieb ,

in

diejenige

des

Da sie überdies seinen Operationsplan gestört

und ihm einen grofsen Verlust zugefügt hatten , so konnten sie sich schon äufserlich immerhin eines Sieges rühmen, und ihr ganz williger Rückzug beruhte nur auf strategischen Erwägungen. konnte man sich umsomehr den Sieg zuschreiben ,

denn

frei-

Moralisch es

musste

wohl für Jedermann und auch für Napoleon selbst sehr eindrucksvoll sein , dafs 69 000 gegen 115 000 Mann so erfolgreich gekämpft hatten. Scharnhorst und Gneisenau erstatteten über diese Schlacht Berichte an Niebuhrs preussischen Korrespondenten ,

und es heifst da

in demjenigen, was Scharnhorst sagt, u . a.: 99 Ein ritterlicher Geist beseelte unsere Schaaren , den schönsten Zug davon

kann ich als Augenzeuge

anführen .

Als gegen Abend auf unserem rechten Flügel unerwartet eine grofse Übermacht vordrang und uns die eroberten Dörfer wieder nahm , bildete sich aus den verschiedenen Bataillonen , die auf diesem Platze gefochten hatten , zur Er war nur Zurückeroberung desselben ein Klumpen. klein , aber niemand dachte an die Zahl. " Vorwärts " schrie der ganze Haufe , stiefs alles nieder und drang durchs Dorf.

Hier erfolgte ein mörderisches feindliches

Feuer , aber die Masse stürzte mit Hurrah in den Feind , wurde nachgerade durch mehrere Kanonen unterstützt

Gerhard David von Scharnhorst.

und errang auch die anderen Dörfer. *) sische

und

preufsische

Offiziere

von

275

Man sah hier ruszurückstehenden

Corps , auch ein paar englische Offiziere , als Freiwillige Gemeine Soldaten und Offiziere waren sich fechten. gleich . Man sah überhaupt in dieser Schlacht keinen Verwundeten ,

so lange er noch gehen konnte ,

niemand war

bereit ,

die

ohne Gewehr ;

Verwundeten zurückzuführen ,

jeder wollte nur fechten u. s . w. " **) Die Verbündeten gingen in zwei Kolonnen , vorerst nach Borna und Altenburg, dann an die Elbe zurück, die bei Meifsen und Dresden überschritten wurde. Der Feind räumte fast gleichzeitig , die Strafse nach Lützen einschlagend, das Schlachtfeld , als er aber den Rückmarsch des verbündeten Heeres gewahrte, besetzte er am 3. die Dörfer

seiner am 2. innegehabten Position wieder ,

um dann

am

4. Mai jenem ersteren zu folgen. Halle wurde,

noch am Tage der Schlacht von Grofs- Görschen ,

von Bülow erstürmt ; nach dem Rückzuge der Verbündeten aber ging ersterer bei Rofslau auf das rechte Elbufer, um zum Schutze Berlins bereit zu sein.

Kleist hatte nach dem Abzuge des Vicekönigs noch

am 2. Mai abends Leipzig wieder besetzt, am 3. aber verliefs er es und überschritt bei Mühlberg die Elbe .

Scharnhorst war am Abend der Schlacht in jenem grofsen Drange unseres rechten Flügels durch eine Kartätschkugel doch so schwer am rechten Schenkel verwundet worden, dafs er zurückgebracht werden musste. Man führte ihn nach Dresden und hier schwand vorerst wieder die in betreff seiner gehegte Besorgnis ;

wenn er in

Zurückhaltung und Gemütsruhe einige Zeit nur seiner Gesundheit gelebt hätte, so wäre diese grofse Nummer dem Vaterlande erhalten. worden.

Aber der Kummer darüber, dafs sein so gut geplantes Vor-

haben dennoch durchkreuzt und abgeschwächt war,

lastete

auf ihm ;

die jetzt

alle seine Lebensgeister

strebten

dahin ,

schwer doch

schwankend gewordene Sache der Verbündeten wieder voll ins Gleis zu bringen.

Er diente ,

so leidend er war,

doch schon in Dresden

wiederum ratgebend seinem Könige, folgte dann dem weiteren Rückzuge des Hauptquartiers, und ordnete, als man die preufsische Grenze betrat , noch selbst die Ausführung

der durch sein Landsturmedikt

Das war also der Moment , wo man Klein-Görschen und Rahna , die der Feind zurückerobert hatte, ihm wieder entrifs. **) Pertz, cit. II. 716 -717.

Gerhard David von Scharnhorst.

276

angebahnten Mafsregeln . Ein Teil seiner Geschäfte ging zwar auf die Generalmajore Graf Lottum und v. Hacke über, aber doch trug Scharnhorst in einer beim Könige mit Hardenberg und Knesebeck gehabten Konferenz sehr viel zu den dort in bezug auf die eventuelle Verteidigung von Berlin und Spandau gefafsten Entschlüssen bei. Die brennendste Frage dieser Durchgangszeit war diejenige, welche den Eintritt Österreichs in das Bündnis gegen Napoleon betraf ;

um sie

schnell und

selbst nach Wien gehen .

sicher zu erledigen ,

wollte Scharnhorst

Die Ärzte widerrieten es dringend, der um

Scharnhorst besorgte König wurde nur durch dessen dringendste Vorstellungen dazu gebracht, in diese für den Verwundeten so überaus anstrengende Mission zu willigen . Scharnhorst trat seine Reise

an ;

am 10. Mai

schrieb er von

Zittau aus an Gneisenau, dafs seine Wunde sich verschlimmert habe und er genötigt sei , dort mehrtägig

liegen zu bleiben .

Sobald als

möglich setzte er sich jedoch wieder in Bewegung, durchschnitt nun von Znaym in Mähren

Böhmen in der Südostrichtung und schrieb, aus, am 22. Mai seinem Freunde :

„Ich gehe vor Ungeduld zu Grunde ; meine Wunde ist schlimmer als ich anfänglich glaubte , was aber noch viel übler ist , besteht darin , dafs die Heilung langsamer geht. Heute , am zwanzigsten Tage , ist sie noch nicht rein . Ich werde dabei vor Unruhe und Schmerz ganz elend .

In den

Teilen von Böhmen und Mähren , welche ich passierte , ist Alles für uns , die Nation ist aufserordentlich gegen die Franzosen und der sie treffende Hafs der Armee übersteigt allen Glauben. - Ein etwas krummes Bein werde ich hoffe

ich wohl behalten ,

bis 3 Wochen wieder dienen , u. s. w. " Aber die Vorsehung wegen Verschlimmerung werden

und starb hier

hatte

aber dennoch in 14 Tagen nämlich

es anders

reiten

beschlossen .

zu können

Er mufste

seiner Wunde nach Prag zurückgebracht am 28. Juni ,

klaren Geistes ,

mit Segens-

wünschen für König und Vaterland und in der ihn tröstenden Zuversicht, dafs während des zu dieser Zeit schwebenden Waffenstillstandes der Beitritt Österreichs zu der Sache der Verbündeten gesichert worden und im übrigen seitigen Kräfte

eine so grofsartige Organisation

im Schwunge

horsts entsprach und würfe lag.

in der

sei ,

wie

es

aller dies-

den Wünschen Scharn-

Konsequenz seiner

vorherigen Ent-

Gerhard David von Scharnhorst. Gneisenau sandte in betreff des Verstorbenen

277 einen Nachruf

und einen Lebensabrifs , die dann durch die Berliner und Breslauer Zeitungen veröffentlicht wurden, an den Staatskanzler. Scharnhorsts irdische Überreste wurden am 30. Juni in seinem Range und seinen Verdiensten bestattet.

einer

entsprechenden Art zu Prag

Zuerst setzte man ihn in einer Kapelle ,

und dann in

einem unterirdischen Gemache bei ; die Überführung des Leichnams nach dem Invalidenkirchhofe zu Berlin konnte , wegen des Krieges, erst später bewirkt werden .

Dort wurde

alsdann die Ruhestätte

dieses grofsen Vaterlandshelden durch einen marmornen Löwen von Rauchs Hand sehr charakteristisch bezeichnet. Einen Grabstein zu Prag widmete ihm das preufsische Heer ; sein aus kararischem Marmor gebildetes Standbild hat König Friedrich Wilhelm III. bei der Königswache , Seinem Palais gegenüber , aufstellen lassen. Der „ Der Tod fürs Vaterland ist ewiger Verehrung wert ! " Mann, welcher ihn starb, verdient aber um so mehr eine stete Nachfeier und historische Unsterblichkeit, wenn er, wie Scharnhorst, auch

sein ganzes Leben nur dem König und Vaterlande , dem wahrhaftigen Fortschritt und der die Praxis bestimmenden Wissenschaft gewidmet hat.

VI.

Zum Schlufs.

Dasjenige , was in unseren Ausführungen über den Charakter, das Genie und die Verdienste Scharnhorst's gesagt ist , möge auch noch durch einige von besonderen Autoritätsstandpunkten ihn gefällte Urteile bestätigt werden. Der hannoversche

General

aus

über

Graf v. Wallmoden sagte in

seinem, die Verteidigung von Menin im Jahre 1794 und das heldenmütige Durchschlagen der

dortigen Garnison betreffenden

Berichte

an den König von England :

bei

" Euer Königlichen Majestät habe ich unter mehreren Menin ausgezeichneten Offizieren besonders den

Hauptmann v. Scharnhorst von der Artillerie bemerklich machen müssen , da der General v. Hammerstein sich über ihn in so bestimmten Ausdrücken äufsert , sowohl während des

dafs derselbe .

ganzen Aufenthaltes in Menin ,

als

beim Durchschlagen solche Fähigkeiten , Bravour , unermüdeten gezeigt ,

Eifer dafs

und

bewunderungswürdige

er für seine Schuldigkeit hält ,

Contenance denselben

Gerhard David von Scharnhorst.

278

Euer Königlichen Majestät Allerhöchster Gnade besonders zu empfehlen etc. — — da dieser Mann , wenn je einem eine Belohnung von etwas Aufserordentlichem geworden , sie jetzt in gröfstem Mafse verdient etc. . . . “ *) Als Gneisenau , dem Verkennen Scharnhorst's entgegenzuarbeiten, im Dezember 1811 Hammerstein's Bericht über die Affaire von Menin , in der Scharnhorst überaus gerühmt wird, an den Staatskanzler sandte, bat er letzteren, dieses Schriftstück dem Könige mitzuteilen und fügte zugleich über seinen Freund nachstehendes eigene Urteil bei : „ Häufig ist das Verdienst unseres edlen Scharnhorst verkannt. Man will ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen , wenn man ihn für einen tiefen Denker , mit der Gesamtheit

der

Kriegswissenschaften

vertraut ,

gelten läfst ,

meint aber ,

er sei für die praktische Ausführung nicht und gerade diese praktische Brauchbarkeit , wohin sein langes Studium immer gerichtet gewesen , zeichnet ihn in so hohem Grade aus . Immer hat er bei geschaffen

seinen

kriegswissenschaftlichen

Forschungen

dahin-

gestrebt ,

das praktisch Wichtige herauszuheben und in das Leben übergehen zu machen. So sind seine Schriften , so sein Umgang und so seine Amtswirksamkeit . - **) In seinem Nachrufe ***) sagt Gneisenau : „ Er war einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit. Das rastlose stetige planvolle Wirken nach einem Ziele , die Klarheit und Festigkeit des Verstandes , die umfassende Gröfse der Ansichten , die Freiheit von Vorurteilen des Herkommens ,

die

stetige Gleichgültigkeit

gegen äufsere Auszeichnungen , der Mut , mit den schlichtesten Mitteln den gröfsten Zwecken nachzustreben , höchste Besonnenheit und Ausdauer in der Gefahr ,

die end-

lich die umfassendste Kenntnis des Kriegswesens machen ihn zu einem der merkwürdigsten Staatsmänner und Gelehrten ,

auf welche

Deutschland je

Billig und gerecht im Urteil ,

stolz sein

sanft und

durfte.

ruhig in allen

Verhältnissen mit anderen etc. , war er einer der liebens-

*) Auszug aus den Akten des vormaligen hannoverschen Generalstabes . Vergl. cit. Reorganisation nach dem Tilsiter Frieden 1807 S. 30. **) Pertz cit. II. 242. ***) Vergl. SS. 276. 277.

Gerhard David von Scharnhorst.

279

würdigsten Menschen , die den Kreis des geselligen Lebens zieren. Was er dem Staate und Volke und der ganzen deutschen Nation gewesen ist , mögen wenige oder viele erkennen , aber es wäre unwürdig , wenn einer davon gleichgültig bliebe bei dem traurigen Todesfall . Es müfste keine Wahrheit und keine Tiefe mehr in der menschlichen Natur sein , wenn dieser Mann je von denen

vergessen werden

könnte , die ihm nahe standen und ihn verehrt haben. " *) Diese Männer , von denen Scharnhort , eben weil sie ihn genau

kannten, so verehrt wurde, gehörten zu den bedeutendsten im Vaterlande ,

und ihr Urteil müfste von den anderen übernommen wer-

den; wenn aber auch diese wesen wäre ,

für ihn redende Autorität nicht ge-

so würde Scharnhorst's

historische Person ,

mit

dem

was sie für Preufsen und Deutschland gethan , auch denen , die ihn nicht gekannt,

wenn sie die Geschichte kennen und Patrioten sind,

stets unvergessen sein. Der Kriegsminister v. Boyen sagt in seiner mehrfach von uns erwähnten Schrift : **) Es sind mir in dem Kreise derer , welche sich damals auszeichneten ,

wohl berühmte Männer begegnet ,

die in

einzelnen natürlichen Anlagen oder Zweigen des erlernten Wissens

Scharnhorst

überlegen

sein

konnten ,

auch

manche ,

die mehr als er ihre geistigen Mittel aufserlich geltend zu machen wufsten , - aber keiner , dessen Worte

und Handlungen , so wie bei ihm , nur die Ergebnisse eines ruhigen Denkens waren ; keiner , der sich und seine Aeufserungen so zu beherrschen verstand ;

keiner endlich ,

der

so viel persönliche Resignation etc. , so viel Anerkennung fremden Verdienstes und einen so unerschütterlich festen Willen bes afs. Von 1808-1812 habe ich , mit geringen Ausnahmen , in einer täglichen und immer enger werdenden Amtsverbindung mit Scharnhorst gestanden , und fand dabei , dafs er in Geschäften sich niemals weiter als es im Augenblicke gerade notwendig war , aussprach ; von einem sogenannten

Sichgehen lassen ,

einer Enthüllung

seiner

Pläne , oder diesem Schwelgen in der Zukunft , wie es schon oft berühmten Männern schädlich wurde , war niemals

eine Spur etc. — “

*) Pertz cit. III. 32. 33. **) Boyens cit. Beiträge etc. SS. 6. 7. 8.

Gerhard David von Scharnhorst.

280

Der Bischof Eylert ,

dessen Natur und Begriffsweise mit der-

jenigen Scharnhorst's wohl nicht durchweg übereinstimmte, und der mit ihm ebensowenig in engeren Beziehungen stand , hat sich doch über diesen Vaterlandshelden, zumal in betreff seines Reorganisationswerkes ,

sehr anerkennend ausgesprochen.

In

seinem Werke über

Friedrich Wilhelm III. heifst es an der betreffenden Stelle : „Still und ernst ging er (Scharnhorst) in sich , suchte die Einsamkeit und dachte nach. Sein heller Geist übersah das Ganze und kannte es in seinen Teilen.

Ihm ge-

nügten nicht halbe Mafsregeln und partielle Hülfen , sondern er ging auf die Quellen der öffentlichen Kalamität forschend zurück und erfafste das Übel bei der Wurzel. Politik und Moral waren ihm unzertrennliche Dinge ; jene ohne diese hielt er für eine falsche Klugheit , doch war sie ihm , als Mittel zum Zweck , besonders einem schlauen Feinde gegenüber , wichtig .

Verschlossen ,

schweigsam ,

tief ,

ruhig , beharrlich und konsequent , war Scharnhorst dem Minister v. Stein überlegen ; aber dieser war reicher an Eifer , Schnelligkeit und Kürze. Mit beiden war dem Könige und Seiner Sache gedient etc. " *) Als Kaiser Alexander I. am 15. März 1813 in Breslau einäufserte er in Bezug auf Scharnhorst , der bei den Unterhandlungen in Klodawa **) ihm noch näher bekannt geworden war , als 1809 und 1811 in Petersburg, gegen Gneisenau : „ Niemals habe ich einen solchen Kopf gesehen . Welche Stärke im Raisonnieren ! Sehr bezeichnend ist in

Welche grofsen Ansichten ! " ***) seinem von Gneisenau verfassten Ne-

krolog die Stelle : „Bei

grofsen Kenntnissen

und

noch grösseren

Talenten war er ohne jede Ahnung seines seltenen Wertes. " und förmlich hingerissen wird man von demjenigen , was Blücher , dieser Held der absoluten Praxis, mit hochschwingender Empfindung über Scharnhorst schrieb und

sagte.

Er schrieb im Juli 1813 an

Hippel : „ Nun ist

leider unser guter

Scharnhorst auch tot.

*) R. Fr. Eylert: Charakterzüge und historische Fragmente aus dem Leben Friedrich Wilhelms III. III. Th. (1) 99-100.

**) Vergl. S. 268. ***) Pertz cit. II. 524.

Gerhard David von Scharnhorst. Glauben

Sie

mir ,

eine

verlorene

281

Schlacht

wäre

gröfserer Verlust für uns gewesen . *) Wenn Blücher, der mehr Taktiker als Stratege war ,

kein

der der

Politik des Krieges und dem inneren Getriebe der Heeresorganisation nicht auf solche Weise nahe stand wie Gneisenau und Scharnhorst, und den sein Naturell dazu leiten musste, die gegenwärtigen Erfolge und Verluste mit den Waffen ganz besonders hoch anzuschlagen, wenn er in den jetzigen Umständen eine verlorene Schlacht für kein gröfseres Übel rechnete als den Verlust Scharnhorsts, so mufs seine Schätzung dieses Mitarbeiters für König und Vaterland Trauer um denselben aufserordentlich gewesen sein. Nicht

minder ,

und seine

nur in schwungvollerer Weise, kam dies zum

Ausdruck, als Blücher am 21. August 1814 , bei einem Bewillkommnungsfeste der Berliner Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln, sich zum Lobe derer erhob ,

die in dem Befreiungswerke ihm vor-

gearbeitet und geholfen hatten, und dabei in bezug auf Scharnhorst sagte : " Bist du gegenwärtig , Geist meines Freundes , Scharnhorst ,

dann sei

Du selbst

Zeuge ,

mein

dafs ich ohne

Dich nichts würde vollbracht haben ! " **) Damit war der Nagel auf den Kopf getroffen : ohne Scharnhorsts Organisation hätte Blücher nicht

siegen

Marschall Vorwärts diese Wahrheit ,

können ;

gerade

dafs

aber unser

in dem ihn feiernden

Siegesjubel, so schlicht und doch so schön, wie es nur vom Herzen kommen konnte, aussprach, gereicht ihm zu grofser Auszeichnung. Wir verschweigen hier , in einer blos kurzen und einfachen Darlegung von Hauptthatsachen , dasjenige , was die Dichter über Scharnhorst gesagt haben ; es liegt ja offen da und hat ein grösseres Publikum als die historische Erörterung. Nur ein poetischer Spruch möge, weil er in wenigem so viel sagt, hier angegeben werden : „ Scharnhorst , der edle Horst der Schaaren , Der unermüdet seit fünf Jahren Ein Preufsenheer im stillen schuf, Als er das Heer ins Feld

geführet ,

Und sah , es hielt sich wie's gebühret , Starb er. Erfüllt war sein Beruf. " ***) Spricht sich hier die Quintessenz des Scharnhorstschen Berufs-

*) Pertz cit. III. 38. **) Preufsens Helden I. (Scharnhorst) S. 182 . ***) , Scharnhorsts Grabschrift" von Friedrich Rückert.

282 Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter lebens in drei Zeilen aus , so mufs auch der aus dieser Grabschrift redende Gedanke : dafs ein unmittelbar auf die höchste Berufserfüllung folgender Tod zu preisen sei ,

accentuiert werden .

Höchste , wozu er befähigt und berufen

Wer das

war , gethan hat , stirbt in

diesem Zenith glücklicher als jenseits desselben.

Scharnhorst wurde 56 Jahre 7 Monate und 18 Tage alt ; er hat 35 Jahre im Militärdienst und davon, rund gerechnet, 30 im Frieden und 5 im Kriege *) zugebracht ;

seine hannoversche Dienstlaufbahn

nahm 23 und seine preufsische

nur 12 Jahre

in Anspruch ,

doch

ist diese letztere Periode so voll Geist und That , dafs sie schwerer wiegt, als manches halbe Säkulum anderer, ja selbst verdienstvoller Lebensläufe .

Dafs vermöge seines frühen Todes ihm die militärische

Vollendung aufserlich entging, lag in der Natur menschlicher Dinge ; innerlich und historisch , poetisch und in der Tradition , ja selbst monumental ist sie ihm voll zu Teil geworden , - ja noch mehr: Scharnhorst gilt auch allgemein und im ganzen deutschen Bereiche und darüber hinaus, für einen Bahnbrecher neuer Gedanken und Zustände .

Er wird immerdar ebenso in der Kultur-, wie in der Kriegs-

geschichte seinen Rang und Platz einnehmen.

XXIV.

Parallele zwischen dem General

Gurko

Balkan - Übergang

im Winter

1877/78

des

und dem-

jenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.

Russisch-türkische Feldzüge bilden eine periodisch wiederkehrende Erscheinung in der Kriegsgeschichte .

Rufsland hat das eigentümliche

Geschick , so vielfach und doch nirgends an das Meer zu grenzen. Im Norden sperrt Eis ,

im Westen und Süden Meerengen ,

die

im

Machtbereich anderer Staaten gelegen sind , den Zugang zur offenen See. Mindestens über einen der letzteren freie Verfügung zu erhalten ,

ist für Rufsland eine Lebensfrage .

ständige Expansionstrieb dieses Reichs ,

*) 1793, 1794, 1806 , 1807, 1813.

Hieraus resultiert der

der sich naturgemäss

am

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. fühlbarsten gegen Süden machen mufs.

Hier schien

283

es von je ein

aussichtsreiches Unternehmen , den Händen der altersschwachen osmanischen Monarchie die Schlüssel zum Schwarzen Meere zu entreifsen. So gehört denn unter der Firma „ Befreiung der BalkanChristen" seit Kaiserin Katharina II. mindestens ein Türkenkrieg gleichsam

zu dem Regierungsprogramm eines russischen Zaren, und

mit Ausnahme des Krimkrieges hat ein jeder derselben mit einem namhaften Schritte vorwärts auf der eingeschlagenen Bahn geendet . In diesem Jahrhundert haben die bedeutendsten Resultate die Waffengänge der

Jahre 1829 und 1877

erzielt,

derselben That , „ Überschreitung des Balkan " , überwindlich gehaltenen Gebirges.

beidemale infolge

eines früher für un-

Beide Male hatte sich das letztere

nach langem wechselvollen Kampfe den russischen Heeren als letzte Barriere des Unterliegenden entgegengestellt. Ein nur mit leichteren Kämpfen verknüpfter Siegeszug

hatte

die Russen im August 1877 , zwei Wochen nach dem Donauübergang, mit der Tete ihres Heeres über den Balkan geführt.

Das Ende des

ganzen Feldzuges schien nahe. Da trat plötzlich in der vortrefflichen Flankenstellung von Plewna die türkische Westarmee unter Osman Pascha auf, und die Situation änderte sich mit einem Schlage. Die Russen sahen sich auf der ganzen Linie in die Defensive zurückgeworfen .

Sie

räumten die Gegenden südlich des

Balkans und mühten sich volle 5 Monate ab , Hindernis in ihrer rechten Flanke los zu werden . dies nach schweren Verlusten

das unbequeme Nachdem ihnen

durch regelrechte Belagerung endlich

gelungen, befanden sie sich im Dezember 1877 fast genau an derselben Stelle ,

wo sie im August

eben

dieses Jahres

gestanden hatten.

Plewna war nur ein Zwischenfall gewesen ; dieser war jetzt erledigt, und nun trat von neuem die einfache, aber nicht leicht zu entscheidende Frage an die russische Heeresleitung heran , was soll nun geschehen ?

Die Antwort konnte

nur an der Hand

der Kriegslage

gegeben werden, welche damals folgende war : Es standen am Lom, am Schipka-Paſs, am Etropol- Balkan und in der Dobrudscha 140 000 Russen gegen etwa dieselbe Zahl Türken . Aufserdem hatten die ersteren durch den Fall von Plewna freie Verfügung erhalten über 110 000 Kombattanten , während die letzteren 50 000 aus ihrer Rechnung streichen mussten. Die Russen hatten es Plewna-Armee

demnach in der Hand ,

durch Entfaltung

einer

mittelst

der

erdrückenden Überlegenheit

auf irgend einem Teil des Kriegsschauplatzes eine baldige Entscheidung herbeizuführen .

Die feindliche Hauptarmee stand in der Stärke

284 Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter von 60 000 Mann innerhalb des Festungsvierecks Schumla-RustschukSilistria-Warna. Es schien das Einfachste, die ihr gegenüberstehende russische Armee am Lom zu verstärken und über sie herzufallen . Aber mit Recht wurde diesem Gedanken,

wenn

er

überhaupt auf-

getaucht ist , im russischen Hauptquartier kein Raum gegeben. war dies ein Fall in der Kriegsgeschichte, wo das Einfachste,

Es das

Aufsuchen und Schlagen der feindlichen Armee, nicht das Beste war, denn dieses Einfachste kostete Zeit, und Zeitgewinn konnte nur der durch die Katastrophe von Plewna erschütterten Türkei nützen . dem

war man

stark genug,

die

Zu-

feindliche Armee mit samt den

Festungen durch Beobachtung unschädlich zu machen und zugleich entscheidende Aktionen in anderer Richtung

zu versuchen .

Diese

Richtung konnte nur über das Gebirge nach der gegnerischen Hauptstadt führen ; hier allein lag der Schlüssel zum Frieden . Zwar mufste die strenge Jahreszeit die an sich grofsen Schwierigkeiten eines Balkan- Überganges zu fast unüberwindlichen gestalten . Keinesfalls

konnte man hoffen ,

so leichten Kaufs davonzukommen,

wie dies im Sommer der Fall gewesen, zumal die damalige Indolenz der Verteidigung nicht wieder zu erwarten war, und es gab Stimmen genug, auch im russischen Hauptquartiere, die einen Übergang jetzt nicht für möglich erklärten. Aber die Zeiten sind vorbei , in denen man Winterquartiere bezieht. Die Unbilden der Witterung machten sich auch in Bulgarien fühlbar. Das ausgesogene Land konnte die 250 000 Russen nicht ernähren ;

der Nachschub gestaltete sich da-

gegen gerade durch die Jahreszeit immer schwieriger ;

schliesslich

was die Hauptsache war, bei langem Hinziehen der Entscheidung nicht nur militärische , sondern auch politische Zwischen-

konnten,

die bisherigen Erfolge wieder in Frage stellen. Kurz , alle Gesichtspunkte vereinigten sich, der russischen Heeresleitung ihren Entschlufs geradezu aufzuzwingen. fälle

Hatte man diesen Entschlufs im Sinne des Überganges gefafst, trat als weitere Frage auf, wo sollte dieser stattfinden, wohin sollten die vor Plewna freigewordenen Kräfte dirigiert werden ? Der Balkan ist nicht über 4-5000 ' hoch, also nicht viel höher denn etwa das Riesengebirge. Aber er ist zerklüftet, stark bewaldet, ärmlich bevölkert und mit Kommunikationen nur mangelhaft versehen .

Auf diesen Eigenschaften beruht die Schwierigkeit des Über-

ganges , umsomehr , als ein Ersteigen des Gebirges aufserhalb der Kommunikationen auch für einzelne Leute undenkbar erscheint , da die überall vorgelagerten plateauartigen Vorberge in ihren Hängen steil abfallen. Von den Kommunikationen selbst haben lediglich

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.

285

diejenigen über den Schipka- und Arabkonak-Pafs Ähnlichkeit mit dem, was wir Chaussee zu nennen pflegen. Die übrigen Pässe, deren es eine ziemliche Zahl giebt, weisen nur mangelhafte Feldwege auf, die auch im Frieden den Transport von Reisenden und Waaren nur mittelst Saumtieren gestatten . Mühsam können vielleicht der Eminehund der Nadir-Derbend-Pals für Fuhrwerke benutzt werden. Also mindestens einen

der

beiden Pässe

nach Sofia oder nach

Kassanlik mufsten die Russen sich öffnen , wenn sie daran denken wollten, ihre grofsen Armeeen mit allen Trains auf die andere Seite. des Gebirges zu verpflanzen .

Ja, die beträchtliche Stärke des Heeres

mufsten es sogar geboten erscheinen lassen, von Hause aus die Aufmerksamkeit auf alle beide zu richten. Doch mufste des Fall des einen denjenigen des andern von selbst nach sich ziehen. Beide Pässe resp. deren Deboucheen waren seitens der Türken durch etwa gleich starke Armeeen und durch Verschanzungen gesichert.

Die Russen hatten dagegen von dem Übergange des vorigen

Sommers her den Schipka-Pafs selbst (aber nicht dessen Deboucheen) noch in Besitz , Stellung lagen.

während sie

dem Arabkonak-Pafs

gegenüber in

Der Vorstofs durch den ersteren öffnete den nächsten

Weg nach Adrianopel und war daher strategisch geboten. erschien derjenige durch den Arabkonak taktisch leichter.

Dagegen Angesichts

der dortigen , erst vor kurzem improvisierten und durch rasch auf einander

folgende

Schläge

während

der

letzten

sechs

Wochen

erschütterten gegnerischen Truppen , die überdies , weil vom Centrum des Reiches entfernter, Verstärkungen weniger zu erhoffen hatten. entschied sich die russische Heeresleitung,

den

So

ersten Zug hier zu

thun, ohne den späteren Durchbruch durch den Schipka aus dem Auge zu verlieren, und setzte die Armee von Plewna nach beiden Richtungen in Bewegung. Der am Arabkonak-Pafs kommandierende General Gurko erhielt drei Divisionen Verstärkung Bataillone ,

59 Eskadrons,

und war dadurch auf 82 Infanterie300 Geschütze,

in Summa etwa 70 000

Kombattanten gebracht, welche vom 23. Dezember ab auf der Linie Lutikowo-Vracesi-Etropol massiert standen. Die Türken änderten auch nach dem Falle von Plewna in ihrem Verteidigungssystem rücksichtlich des Balkans nichts.

Sie hatten

jeden Zugang längs des ganzen Gebirges so zu sagen verstopft und stellten das Weitere mit der Ruhe des Orientalen Allah anheim . Der türkische

Oberfeldherr,

Suleiman Pascha,

wurde

zwar Ende

Dezember mit dem gröfsten Teile der Hauptarmee aus dem Festungsviereck herausgezogen und in das Maritza-Thal dirigiert, jedoch zu

286 Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter

spät,

um bei der Gebirgsverteidigung noch in Betracht zu kommen.

Die Stellung der Türken , speziell im Etropol-Balkan, war folgende : a) am Schandarnikberg-Arabkonak-Komarci , passe, 45 Bataillone ;

d. i.

im Haupt-

b) bei Slatica 10-15 Bataillone ; c) bei Lutikowo , zur Sicherung des dortigen direkten Verbindungsweges nach Sofia, 6-10 Bataillone ; d) allgemeine Reserve in Sofia 12 Bataillone. In Summa etwa 40 000 Kombattanten, 60-80 Geschütze und einige Tscherkessenhaufen als einzige Kavallerie kommando Schakir-Pascha's.

je

unter dem Ober-

Die Stellung im Hauptpasse bestand aus sieben Redouten mit armiert , die bedeutendste aufserdem mit

2-4 Feldgeschützen

2 schweren Krupp'schen Kanonen.

Diese Position in der Front zu

nehmen, war natürlich nicht möglich . Der nächste Umgehungsweg östlich, der Strigi-Paſs, lag unter dem Feuer der türkischen Kanonen, und war daher von allen Kombinationen Gurko's von vorn herein Die nächsten Umgehungswege oder eigentlich Fufspfade westlich verlassen bei Vracesi die Chaussee und übersteigen bei Curiac resp. Jablonica das Gebirge . Zu deren Sicherung hatten ausgeschlossen.

die Türken nichts gethan, wohl weil sie dieselben mit Rücksicht auf die Jahreszeit für vollständig inpraktikabel hielten. Der Paſs von Etropol nach Slatica war durch eine energische Offensive seit kurzem in von diesen durch Befestigung von Somit hatte General Gurko es in der Hand, mit Hülfe dieser Kommunikation östlich, mit Hülfe der beiden Verrussischen Besitz

Klisekiöj

gelangt und

gesichert.

bindungswege von Vracesi aus westlich, die feindliche Stellung zu umgehen. Nur teilweise jedoch machte er hiervon Gebrauch, da von Hause aus seine Absicht nicht auf Abdrängen , sondern auf völliges Abschneiden des Gegners gerichtet war. Er versuchte es demgemäſs , trotz der scheinbaren Unmöglichkeit, das Gebirge auch aufserhalb der Wege zu überschreiten, ein Versuch, gängig von Erfolg gekrönt worden ist.

der jedoch

nicht

durch-

Zum Beginn der Aktion teilte General Gurko seine ganze Macht in drei Operations- und drei Demonstrationskolonnen . Die letzteren wurden vor Lutikowo , Arabkonak und Slatica etabliert, in der Gesamtstärke von etwa 30 000 Kombattanten. *) *) Die Stärke der Demonstrationskolonnen im einzelnen war : 1. vor Lutikowo 5 Bataillone, 8 Eskadrons, 30 Geschütze, unter General Pohitonow ; 2. vor Arabkonak 26 Bataillone, 52 Geschütze, unter General Krüdener ; 3. vor Slatica 5½ Bataillone, 2 Sotnien Kosacken, 2 Geschütze, unter General Brock.

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. Der gröfsere Teil der Armee,

etwa 40 000 Kombattanten,

287 fiel

den drei Operationskolonnen zu mit folgenden Direktionen : Rechte Kolonne , von Vracesi über

General Weljaminow,

auf dem

den Umurgas-Berg nach Jeliava ,

Saumpfad

demnächst

zur

Sicherung gegen Sofia. Hauptkolonne , General Katalei, von Vracesi aus über Curiac auf Nyegosowo zum direkten Angriff auf die feindliche Basis . Diese Kolonne sollte nicht den Pfad von Vracesi auf Curiac benutzen , da derselbe

wegen

der Nähe

von Lutikowo

für

eine

so

bedeutende

Truppenmenge nicht hatte praktikabel gemacht werden können .

Sie

sollte daher 2 km südlich des erstgenannten Ortes die Chaussee Zu dem verlassen und sich quer über das Gebirge dirigieren . Behufe war vom 21. bis 24. Dezember ein Weg durch den Schnee hergestellt worden von 3 Sappeur-Compagnien und 4 InfanterieBataillonen, unter dem Schutze einer in Curiac etablierten Eskadron . Diese letztere hatte den erwähnten Pfad benutzt und die in der Luftlinie 12 km betragende Strecke erst innerhalb 24 Stunden zu überwinden vermocht. Die linke Kolonne , auf den Babagora-Berg,

General Dandeville,

von Etropol direkt

zur Demonstration gegen den

türkischen

rechten Flügel und demnächst Verlegung der feindlichen RückzugsDiese Kolonne mufste sich ihren Weg während

linie gegen Osten.

des Aufstieges erst bahnen, was allerdings nicht für umsichtige Vorbereitung spricht.*) Von den Batterieen rückte nur je die Hälfte der Geschütze aus, mit den kräftigsten Pferden bespannt.

Die Mannschaften waren für

sechs Tage mit Lebensmitteln versehen, man hoffte jedoch bereits in zwei Tagen das Gebirge hinter sich zu haben . Die Kavallerie war hauptsächlich den beiden Kolonnen des rechten Flügels zugeteilt, weil hier das Schwergewicht der baldigen Unterbindung des Zusammenhanges der türkischen Stellung mit Sofia lag . Als Abmarschtag wurde für General Gurko alle drei Kolonnen der 25. Dezember bestimmt . schlofs sich für seine Person der mittleren Kolonne an. Der nun folgende Übergang

war für die

russische Armee mit

Schwierigkeiten verknüpft , die alle Erwartungen weit hinter sich liefsen. Wie seinerzeit beim Donauübergang aufsergewöhnlicher *) Im einzelnen bestanden die Operationskolonnen aus folgenden Teilen : Rechte Kolonne : 5 Bataillone, 15 Eskadrons, 8 Geschütze. 16 44 Mittlere Kolonne : 31 "" " " 12 4 9 Linke Kolonne : " "9 99 Summa : 45 Bataillone, 35 Eskadrons, 64 Geschütze. 20 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

288

Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter

Regen , so hatte sich jetzt aufsergewöhnliche Kälte den Türken als Verbündeter zur Seite gesellt , und zwar trat solche gerade in der Nacht vor dem Abmarsch ein. Die in Glatteis verwandelten Wege liefsen die unberittenen Waffen nur schwierig , die berittenen gar nicht vorwärts kommen . Bei allen drei Kolonnen wurden die Geschütze

zerlegt

und Rohre , Lafetten

und Protzen teils

von den

Mannschaften getragen , teils mittelst Schlitten und vorgespannter Infanteriecompagnieen den Berg hinaufgezogen . Die Kavallerie safs ab und marschierte zu Einem, die Pferde an der Hand führend . Noch schwieriger gestaltete sich der Abstieg. Jeder Baum, jedes Gesträuch wurde als Stützpunkt für die Fülse benutzt und die zerlegten Geschütze mufsten einzeln mittelst Seilen herabgelassen werden . Die Munition trug man teilweise in den Händen . Schliesslich gesellte sich zu dem Allen in der Nacht zum 29. Dezember ein Schneesturm , der die eine Kolonne noch auf dem Gipfel des Gebirges überraschte. Unter solchen Umständen konnte ein dispositionsgemäſses Zusammenwirken aller drei Kolonnen nicht erwartet werden. Eine einzige nur, die mittlere , erreichte auf dem vorgeschriebenen Wege ihr Ziel ; die rechte, auf dem Umurgas- Berg angelangt, fand, daſs der Abstieg nach Jeliava nicht möglich sei , und zog sich nach eingeholter Genehmigung des Oberkommandierenden an die mittlere Kolonne nach Curiac heran.

Der Versuch der linken Kolonne scheiterte voll-

ständig.

Nachdem es ihr gelungen war, am 3. und 4. Tage nach dem Abmarsch auf der Höhe des Babagora-Berges vier Geschütze gegen die türkische rechte Flanke in Thätigkeit zu setzen, wurde sie am Abend des letzteren Tages von dem erwähnten Schneesturm überfallen. Sie hielt demselben 36 Stunden Stand , fand sich aber schliesslich doch veranlafst ,

den Rückweg

anzutreten .

Fünf Tage

nach dem Abmarsch traf sie wieder in Etropol ein , setzte sich den folgenden Tag, am 31. Dezember, durch das Defilé von Slatica von neuem in Bewegung und kam wenigstens noch zeitig genug zur Aktion , um die türkische Rückzugslinie gegen Osten zu verlegen. Mit einem durch die Kälte verursachten Verluste von 13 Offizieren und 863 Mann hatten die Russen diesen Versuch erkauft , dessen Mifslingen die türkische Armee vielleicht vor einer Katastrophe gerettet hat, ähnlich wie sie acht Tage später die türkische Schipkabesatzung ereilte . Wenn sich nun auch der General Gurko bei seinen Berechnungen in manchen Punkten getäuscht hatte , in einem hatte er dies nicht, im Vetrauen auf die Unthätigkeit seines Gegners . Über den Beginn der russischen Bewegung war der türkische Oberbefehlshaber

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. vollständig

im Unklaren

geblieben.

Greifbare

Beweise

289

erhielt

er

jedoch bereits nach zwei Tagen , am 27. Dezember , durch das Zusammentreffen der ersten feindlichen Spitzen im Thale von Curiac . General Gurko hatte hierbei gethan , was nur einem so passiven Gegner gegenüber riskiert werden konnte.

Er hetzte seine abgetrie-

benen, durchaus erschöpften Truppen sofort an den Feind. Der Erfolg blieb nicht aus. Die überraschten türkischen Vorposten wurden. über den Haufen gerannt ,

und die hinter ihnen gelegenen Dörfer

Protop und Ilesnica fast ohne Kampf genommen .

Die Kavallerie der

Avantgarde schweifte sofort in die jenseitige Ebene und hob noch an demselben Abend einen feindlichen Provianttransport bei Gorny Malin auf.

So war in einem Zuge nicht nur der Defiléeausgang in

die Hände der Russen gefallen ,

sondern auch

die Verbindung des

Gegners mit Sofia unterbrochen . Aber noch war für General Gurko die Krisis nicht überwunden. Er hatte nichts zur Hand, denn etwa die 5-6000 Mann der Avantgarde .

Die übrigen Staffeln waren noch ganze Tagemärsche zurück.

Dem gegenüber stand dem türkischen Oberbefehlshaber eine intakte Reserve von 20 Bataillonen zur Verfügung.

Aber nachdem sich der-

selbe, angesichts der geschilderten Ereignisse vom 27. Dezember, der Überzeugung nicht mehr verschliefsen konnte , dafs es sich um Umgehung seiner linken Flanke handle , lediglich

zur starken Befestigung

Ein derartiges

verwendete

und Besetzung

er diese Reserve von Taschkesen.

passives Verhalten der Verteidigung

Unterliegen des Verteidigers stets

gestaltet das

nur zu einer Zeitfrage .

General

Gurko ahmte zunächst seinem Gegner nach ; er verschanzte sich ihm gegenüber in Nyegosowo

und wartete in Ruhe

seiner hinteren Echelons ab .

Dies

dauerte

Erst am 31. Dezember waren die Truppen

noch

das Aufschliefsen volle

drei Tage.

der russischen rechten

und mittleren Operationskolonne wieder in einer Hand .

Die ersteren

wurden ihrer ursprünglichen Bestimmung , Deckung gegen Sofia, zurückgegeben und bei Gorny Bugaroff aufgestellt. Mit der letzteren erstürmte General Gurko am Abend des 31. Dezember Taschkesen. Für die Neujahrsnacht stand den Türken

noch die Strafse

Petricewo als einzige Rückzugslinie zur Verfügung .

über

Es gelingt ihnen ,

in leidlicher Ordnung und mit mäfsigen Verlusten diesen Rückweg zu gewinnen . Bei der russischen Kavallerie scheint der letzte Hauch von Mann und Rofs endlich aufgebraucht gewesen zu sein , wenigstens gelang ihr weder die befohlene Verlegung des türkischen Rückzuges bei Smowsko ,

noch hat überhaupt eine nennenswerte Verfol-

gung stattgefunden .

20 *

290

Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter Am 3. Januar

zog General Gurko

in Sofia

ein ,

womit sein

Balkanübergang, der dritte in diesem Jahrhundert, als abgeschlossen betrachtet werden konnte. -Denselben glücklichen Ausgang , aber einen wesentlich anderen Verlauf, nahm der erste dieses Jahrhunderts, der Übergang im Sommer 1829.

Die Kriegslage zeigte damals

mit derjenigen von 1877

insofern Ähnlichkeit , als die Russen ihre Macht gleichfalls in zwei gröfsere Teile zerlegt hatten und mit dem einen vor einem festen Platze lagen , mit dem andern eine Defensivstellung gegen die türkische Hauptarmee bezogen hatten.

Damals standen die Russen vor

Plewna und hielten in einer Stellung am Lom die feindliche Hauptarmee innerhalb des Festungsvierecks im Schach.

Jetzt waren die

Armeeen kleiner, und demgemäfs alle Verhältnisse bescheidener geworden.

An Stelle

Mann Besatzung ,

von Plewna war Silistria getreten mit 20 000

an Stelle des ganzen Festungsvierecks

schanzte Lager von Schumla allein ,

das

ver-

innerhalb dessen die türkische

Operationsarmee stand , in der Stärke von 40 000 Mann , excl . Festungsbesatzung. Dem gegenüber belagerten die Russen mit ihrem 2. und 3. Armeecorps Silistria,

mit dem 6. und 7. standen sie in

einer verschanzten Stellung bei Pravady, Front gegen Schumla . Festung Warna war bereits im Feldzuge

Die

des vorhergehenden Som-

mers erobert worden und mit einigen 1000 Mann des 7. Armeecorps besetzt. Die Festung Rustschuck

mit

20 000 Mann Besatzung

wurde

seitens der Russen lediglich von der Walachei aus beobachtet . Abweichend vom Jahre 1877 war von den Balkanpässen keiner durch russische Truppen besetzt, dagegen bereits jenseits des Gebirges der Hafen Sisopolis durch ihre überlegene Flotte okkupiert. In letzterem Punkte lag eine grofse Verschiebung der Machtverhältnisse zu Gunsten der Russen. Die Verpflegung blieb diesen unter allen Umständen gesichert, so lange sie die Fühlung mit dem Meere nicht verloren , und dafs dies nicht geschah , war ihre Hauptsorge . Wir sehen, wie 1877 die Operationslinie der Russen weit landeinwärts über Donau und Balkan geht , ihre Front am Lom gegen das Meer, 1829 dagegen die Operationslinie stets der Küste entlang, die Front gegen das Innere des Landes . Wie 1877 der türkische Oberbefehlshaber innerhalb der Festungen, Suleiman Pascha , es anfang Dezember noch versuchte , durch wiederholte Offensivstöfse am Lom den Fall von Plewna hintanzuhalten, so glaubte auch 1829 der in Schumla persönlich kommandierende Grofsvezir, Reschid Mehmed, irgend etwas thun zu müssen,

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.

291

was anscheinend dem hart bedrängten Silistria endlich Luft schaffen könnte .

Er unternahm mit 40 000 Mann eine

in gröfserem Style

angelegte Offensivbewegung gegen Pravady, und beschäftigte sich mit Bestürmung dieses schlecht befestigten, aber gut verteidigten Platzes . Der russische Oberbefehlshaber, General Diebitsch, welcher persönlich die Belagerung von Silistria leitete, beschlofs auf die Kunde hiervon sofort, den Grofsvezir, der ihm bis jetzt stets ausgewichen war, zur entscheidenden Schlacht zu zwingen. Mit der Hälfte der Einschliefsungsarmee bricht er auf, es gelingt ihm, die Vereinigung mit seinen beiden Corps vor Pravady herbeizuführen und der türkischen Armee, die auf sein Nahen in der That nach Schumla zurückkehren will, bei Kulewtscha zuvorzukommen mit 28 000 gegen 40 000 Mann . Die Türken werden

geschlagen ,

ihre

ganze Artillerie

fällt in

russische Hände, das Heer selbst löst sich auf der Flucht vollständig auf, mit nur 600 Reiter kommt der Grofsvezir in der Festung an. Doch finden sich die versprengten Trümmer innerhalb der nächsten vierzehn Tage fast vollzählig wieder zusammen , und der Grofsvezir vermag in Schumla von neuem eine Armee von etwa 35 000 Kombattanten zusammenzustellen .

Ihm gegenüber verfügt General Diebitsch

nach dem bald erfolgenden Fall von Silistria über seine sämtlichen vier Corps in der Stärke von etwa

40 000 Mann und sieht sich unthätig mit diesen einen vollen Monat fast vor Schumla gefesselt. Was soll nun geschehen, das war die Frage, die, wie nach dem Fall von Plewna, so auch jetzt, an die russische Heeresleitung herantrat. Beide Male hatte die türkische Armee eine Katastrophe erlitten , und beide Male bestand das einzige diesseits des Balkan noch vorhandene feindliche Objekt in Festungen oder Armeeen, durch solche gedeckt. Wohl konnten die Festungen genommen, die Armeeen vernichtet werden, aber 1877 stand ein zweiter, 1829 ein dritter Sommerfeldzug in sicherer Aussicht . Und wenn schliefslich das letzte eine Garantie dafür, daſs bulgarische Dorf in russische Hände fiel der Frieden damit erzwungen werden würde , hatte man nicht. ― Der Balkan mufste vielleicht doch überschritten und ein dann voraussichtlich wieder neu gekräftigter Gegner in Rechnung gestellt werden. Bis in die neueste Zeit haben ja die Türken bewiesen , daſs man ihnen sehr nahe auf den Leib rücken mufs , will man Zugeständnisse von ihnen erhalten. Wenn ferner 1877 Kälte und Verpflegungsschwierigkeiten den Aufenthalt in Bulgarien zu einem unleidlichen. machten, so drängten 1829 Krankheiten, vor allem die immer drohender auftretende Pest zur Bewegung und zu Thaten . General Diebitsch konnte fast mit Sicherheit berechnen , wann er seinen letzten Mann

292

Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter

in das Lazareth abgegeben haben thatenlos vor Schumla.

würde ,

blieb die Armee länger

Und so entschied sich der russische Oberfeldherr ,

ohnehin ein

Mann des rücksichtslosen Vorwärtsstrebens , ungeachtet der grofsen Schwäche seines Heeres, zu dem Zug über das Gebirge. Ob die

Balkanpässe

darüber war das russische

seitens

der

Türken

Hauptquartier nicht

verteidigt

würden ,

im Klaren .

Man

wufste jedoch , dafs der Grofsvezir ein am Kamtschyk aufgestellt gewesenes Corps von 8-10 000 Irregulären vor kurzem nach Schumla gezogen hatte, für diese Festung mehr fürchtend , denn für den Weg zur Hauptstadt.

Also

auf viel Widerstand konnte man

diesseits des Gebirges nicht rechnen . Von seinen vier Corps beorderte General Diebitsch eines, Krassnowski , in der Stärke von 15 000 Mann , zur Beobachtung von Schumla. Dieses Corps nahm Stellung bei Jenibasar , später bei Marasch.

Die übrigen drei Corps , Rüdiger, Roth und Pahlen , wur-

den zur Offensive über den Balkan bestimmt.

Drei Wege standen dem

russischen Oberfeldherrn hierzu zur Verfügung, durch den Nadir-Derbend, durch den Emineh-Pafs und die Küste entlang, sämtlich leidlich fahrbar.

Er beschlofs alle drei zu benutzen und disponierte wie folgt :

Roth über Pravady, Podbaschi , die Küste entlang auf Missivri und Burgas . Rüdiger über Kiöprikiöj und den Nadir-Derbend -Paſs auf Aidos. Das Corps Pahlen als Art Reserve in der Mitte zwischen beiden über den Emineh-Paſs . Die Vereinigung aller drei Corps jenseits sollte in der Richtung auf die Küste erstrebt werden.

Lebensmittel sollten auf zehn Tage

mitgenommen werden, dagegen möglichst wenig Gepäck. Der verschiedenen Länge der Marschrouten entsprechend der Abmarsch der drei Abteilungen

war

auch verschieden festgesetzt.

Roth marschierte am 12., Rüdiger am 16. und Pahlen am 17. Juli ab. Da ein nennenswerter Widerstand seitens der Türken dem Übergang nicht entgegentrat, so wurde, im Gegensatz zu 1877 , die DisEs verfolgen position fast vollständig zur Ausführung gebracht. jedoch nicht alle drei Corps die ihnen zugewiesene Route bis ans Ende . Der Nadir-Derbend-Pafs bietet einige, dem Verteidiger günstige , dem Angreifer dagegen höchst gefährliche Positionen. Dem General Rüdiger, der diesen Pafs benutzen sollte, erscheint nach der Überschreitung des Kamtschyk die Sache bedenklich , und zieht er den doppelt so weiten Umweg über Podbaschi und den Emineh-Paſs vor. Hierdurch kommt er in die Route des Corps Pahlen, mit dem

293

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. er sich bei Erketsch vereinigt .

Widerstand

hatte man nur an den

beiden Kamtschyk- Übergängen, Kiöpnikiöj und Podbaschi , gefunden , der durch die Corps Rüdiger und Roth leicht überwunden werden konnte, obwohl die Türken hinter starken Verschanzungen safsen. Am gleichen Tage , am 22. Juli , überschritten alle drei Corps den Kamm des Gebirges .

Dicht jenseits traten dem General Roth 7000

Türken von Missivri her entgegen , den Corps Rüdiger und Pahlen ein starkes Reitergeschwader aus Aidos. Aber auch hier weichen die beiden türkischen Abteilungen dem ersten Stofse , Roth

nimmt

an demselben Tage Missivri, zwei Tage später Burgas, beide Hafenplätze nach nur leichtem Kampfe.

Rüdiger zieht

am 23. Juli in

Ahiolo ein und am 24. , neun Tage nach dem Abmarsch , vereinigen sich alle drei Corps

bei Rumelikiöj .

Aber

nun

flöfste die Leich-

tigkeit seiner Erfolge dem General Diebitsch selbst Besorgnis ein, die bisherigen untergeordneten Schaaren konnten vielleicht nur Vorläufer eines gröfseren Heeres gewesen sein. " aber unbequem war ihm der Gedanke an

(Moltke.) Vor allem den nun wieder mit

über 40 000 Mann in Schumla stehenden Grofsvezir , verglich er mit dieser Zahl die Schwäche seines zurückgelassenen Beobachtungscorps . So wagt er den Vormarsch auf Adrianopel vorerst nicht fortzusetzen, sondern rückt, von der türkischen Hauptarmee gleichsam magnetisch angezogen, am Südfufse des Gebirges entlang. Der Grofsvezir selbst war es, der den russischen Oberfeldherrn von dieser Sorge befreite . Er fiel demselben weder mit seiner ganzen Armee in Rücken und Flanke , noch blieb er wenigstens

als

fernerer Anziehungspunkt in

Schumla, sondern detachierte sein Heer in drei Abteilungen zu etwa 15 000 Mann durch

die

Balkanpässe

den Russen

entgegen .

Mit

diesen schwachen Abteilungen hatte General Diebitsch leichtes Spiel . Er zersprengte

sie

am 25. , 31. Juli

Jamboli und Slivno , und tritt ,

dann

und 12. August bei Aidos, erst

den Balkanübergang für

abgeschlossen erachtend, seinen Vormarsch auf Adrianopel an. War die Verteidigung des Balkan seitens der Türken 1877 schlecht , so war sie somit 1829 noch schlechter. Das eigentliche Gebirge wurde gar nicht , der Kamtschykflufs leicht und ohne Zusammenhang festgehalten . In beiden Feldzügen fehlte der Verteidigung System, vor allem eine hinter dem Gebirge aufgestellte und richtig verwendete Generalreserve. Was den Russen bald nach dem Debouchieren am 22. Juli 1829 entgegentrat , waren zufällig zu anderen Zwecken zur Stelle befindliche Heereskörper. 1877 sollte Suleiman Pascha zwar eine ähnliche Rolle übernehmen .

Er wurde,

wie bereits angeführt, Ende Dezember mit dem gröfsten Teile seiner

294

Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter

Armee in das Maritza-Thal dirigiert .

Aber man hatte sich seitens

des Gegners einer solchen Raschheit der Operationen nicht versehen , und so kam der türkische Pascha gerade noch zeitig genug, um von dem bereits übergegangenen General Gurko bei Philippopel mit ganzer Macht angefallen und zertrümmert zu werden.

Im übrigen war

1877 die eigentliche Verteidigungsarmee im Gebirge verzettelt, während der dem General Gurko am Etropol-Balkan speziell gegenüber kommandierende türkische Befehlshaber , Schakir Pascha ,

seine be-

trächtliche Reserve, wie wir gesehen, lediglich zur weiteren Ausdehnung seines verschanzten Ringes benutzen zu müssen glaubte. Diese Art der Verteidigung hat zwar den Russen ihr Unternehmen bedeutend erleichtert , läfst jedoch Truppen und Feldherrn noch Verdienste genug übrig. Schon die materiellen Schwierigkeiten des Überganges waren in beiden Jahren enorm . Es lassen sich jedoch diejenigen von 1829 denen von 1877 nicht entfernt an die Seite. stellen.

Der Balkan ist in dieser Gegend an sich angebauter und

weniger schroff. Die Jahreszeit war besser, die gänzliche Abwesenheit eines Feindes machte kein Abweichen vom Wege erforderlich. Trotzdem musste auch hier Infanterie zahlreich eintreten, wenn Train und Artillerie nicht zurückbleiben sollten. über Kälte zu klagen , die Hitze gefährlich ,

so wurde

dabei noch

Hatten die Truppen Gurkos

denjenigen

des General Diebitsch

mit rapidem Wechsel verbunden.

So zeigte z . B. das Thermometer am 21. Juli nachts 12 Uhr + 22º R. , den andern Tag bei stürmischer Witterung - 10º. Bei so abnormen Verhältnissen konnte der an sich schlechte Gesundheitszustand nur noch schlechter werden.

Wenn Gurkos Mannschaften dem Schnee-

sturm und der übermässigen Anstrengung erlagen, so holten sich diejenigen des General Diebitsch den Keim zur Wassersucht , Skorbut und Dissenterie.

Den ersteren kostete

der Übergang in den neun

Tagen bis zur Einnahme Sofias bei einer Stärke von 70 000 Mann inkl. Gefechtsverluste 2400 Mann ;

letzterer brachte sein schwaches

Heer innerhalb neun Tagen fast vollzählig nach Rumelikiöj , aber innerlich völlig durchseucht. Die Nachwehen machten sich bald fühlbar, und während mit Überwindung des Gebirges bei Gurko auch die Schwierigkeiten in ihrer Hauptsache überwunden waren , sie bei Diebitsch erst recht an. Die Ausführung des Unternehmens

hatte sich ,

fingen

dem Verhalten

des Verteidigers entsprechend, in den beiden Fällen verschieden gestaltet.

Beide Feldherren

zerlegten ihre Heere

in mehrere Teile,

aber der eine, das Hauptaugenmerk auf den bereits genau rekognoszierten Gegner richtend, um diesen während des Überganges zu um-

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.

295

fassen, der andere, genötigt, einen Stofs in das Ungewisse zu thun, lediglich unter der allgemein taktischen Rücksicht , den gefährlichen Moment des Defilierens abzukürzen . Der eine mufs demzufolge jeden Gedanken an Schonung von Truppen und Material bei Seite setzen . Sein Unternehmen bedarf zur Ausführung der gröfseren Energie und steht dasselbe in dieser Richtung höher da.

Diese Behauptung läfst

sich rechtfertigen , wenn wir uns vergegenwärtigen , wie General Gurko bei den immer mehr sich häufenden Schwierigkeiten , bei der Ungewissheit über das Schicksal seiner verschiedenen Kolonnen , bei dem ihm bekannt werdenden teilweisen Scheitern seiner Dispositionen , das Ziel unverrückt im Auge behält , wenn er, kaum über dem Gebirge, den letzten Athem seiner Truppen zum Anlauf auf den ausgeruhten Gegner auszunutzen weifs , scheidenden Schlage ausholt.

und wenn er sofort zum ent-

Ein anderes Resultat ergiebt sich , wenn wir die Schwere der beiderseitigen Entschlüsse in Erwägung ziehen . In dieser Richtung steht der Feldherr von 1829 gröfser da . Der Entschlufs des General Diebitsch zum Übergang ist so kühn , dafs man über demselben die Leichtigkeit der Ausführung fast zu vergessen geneigt ist. Es ist dies trotz der zwingenden Umstände , die, wie oben auseinandergesetzt, Der General wufste , dafs er in seinem

ihn herbeiführen halfen .

Rücken die türkische Hauptarmee zurückliefs , an Zahl der seinigen gewachsen ; er wufste , dafs jenseits des Gebirges der Pascha von Albanien stand mit 40 000 Arnauten , zwar dem Sultan kein zuveraber auf alle Fälle mit in Berechnung zu ziehen .

lässiger Vasall ,

Dieser Pascha war bis jetzt unthätig südlich Sofia geblieben und hatte seine Freude an der Schwächung der Türkei, war jedoch weit Dem russischen entfernt, deren völligen Untergang zu wünschen . Oberkommandierenden war ferner bekannt, dafs die hohe Pforte noch 50 000 Reservetruppen bei Konstantinopel verfüge , er auf einen Volkskrieg mit den von Fanamöglicherweise mufste sich

über etwa

tismus erregten Muselmännern gefafst machen. Wenn er sich angesichts dieser Verhältnisse entschlofs , mit einer Armee von nur 25 000 Mann in das Herz des türkischen Reiches

einzudringen ,

so

konnte er die Schlaffheit der Verteidigung, wie sie in der Folge eingetreten ist, nicht voraussehen . Er konnte nicht erwarten, dafs ihm der Grofsvezir seine Armee in drei Teilen entgegenbringen , daſs die stärksten Verschanzungen nach wenigen Schüssen fallen, und dafs jenseits des Gebirges weder der Pascha von Albanien, noch Konstantinopel sich erheblich rühren würden . Dem gegenüber verfügte 1877 die russische Heeresleitung über

296

Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter

eine erdrückende Übermacht.

Der Entschlufs

zum Übergang

kann

daher nur mit Rücksicht auf die Jahreszeit ein schwerer genannt werden. Wenn auch Gurko nicht General en chef der russischen Armee gewesen ist und seinen Entschlufs

nicht

selbständig

gefafst

haben mag, so hat er doch jedenfalls einen Hauptanteil gehabt. Dagegen sind die Resultate des Unternehmens in beiden Feldzügen dieselben . sischen Heere

Eine ununterbrochene Siegeslaufbahn führt die rusvor die Thore

Konstantinopels und

Aber recht deutlich zeigt sich hierbei

zum Frieden.

der Unterschied in den Mit-

teln , mit welchen die beiden Feldherren zu rechnen hatten .

General

Gurko kann ohne jede weitere Rücksicht den Vormarsch nach Adrianopel antreten , wo er binnen drei Wochen eintrifft. General Diebitsch , obwohl er den kürzeren Weg hat , Wochen dort an , weil er sich schliesslich

langte erst nach vier

doch nicht der Rücksicht

auf die starke feindliche Hauptarmee in seinem Rücken zu entschlagen vermag und er sich zu dem Umwege längs der seinem Gegner zur Verfügung stehenden Balkanpässe veranlaſst sieht . Doch hat sich wohl selten die Kühnheit eines Entschlusses so belohnt, wie 1829 bei General Diebitsch.

Er trifft nur noch mit

dem ,, Schatten eines Heeres ", aber mit dem Rufe der Unüberwindlichkeit in Adrianopel ein.

Selbst die europäischen Gesandtschaften

in Pera schätzen seine Armee auf 60 000 Köpfe, und , dieser Illusion sich beugend, sucht die Pforte bei einem Feldherrn ohne Heer den Frieden nach. Als dann in beiden Feldzügen die in Adrianopel angeknüpften Unterhandlungen nicht den erwünschten Fortgang nehmen wollen, setzen sich die russischen Heere

von neuem gegen die feindliche

Hauptstadt in Bewegung, aber 1877 mit 150 000 Kombattanten, 1829 mit 13 000 , wovon 8000 in der Avantgarde, 5000 im Gros , um die Meinung von der grofsen Armee auch noch ferner aufrecht zu erhalten. Zur Bewachung der 80 000 Einwohner zählenden Stadt Adrianopel dienten

die

dort

zurückgelassenen

Halbgesunden

und

Rekonvaleszenten . Einige 1000 Mann standen gegen den von Sofia her sich endlich fühlbar machenden Pascha von Albanien . Der Rest des Heeres war bereits gestorben oder lag in den Lazarethen. Wieder war in beiden Feldzügen

das Resultat dasselbe .

Der

erwünschte Frieden wurde erzwungen, 1829 jedoch gerade noch zeitig genug, um die russische Armee zu entziehen.

der Vollendung ihres Unterganges

Ziehen wir die Schlufsbilanz, so hat General Diebitsch unstreitig die grössere That vollbracht.

Nicht nur überlegenen äusseren Feinden

1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.

297

hatte er zu trotzen, sondern auch, was noch schlimmer, verheerenden Krankheiten im eigenen Lager. Während er in Adrianopel mit der Pforte unterhandelte und kühn das Gewicht seines angeblich gewaltigen Heeres in die Wagschaale warf, starben seine wenigen Truppen täglich zu

hunderten hinweg.

Wohl

wurde General Diebitsch bei

seinen Unterhandlungen mit der hohen Pforte durch die Intervention der europäischen Gesandtschaften, vor allem durch den Spezialbevollmächtigten König Friedrich Wilhelm III., General von Müffling , erheblich unterstützt.

Allein

mit blos

diplomatischen Schreckmitteln

ist man der Türkei gegenüber noch nie weit gekommen ,

am aller-

wenigsten , wenn ein energischer Sultan , wie dies Mahmud II. war, an ihrer Spitze stand.

Dafs General Diebitsch in Adrianopel unver-

zagt noch einmal zum Schwerte griff, imponiert und Rufsland das 1829 verschafft.

das

allein hat dem Sultan

günstige Resultat

des Feldzuges

von

Man könnte schliefslich dem russischen Feldherrn den Vorwurf zu grofser Waghalsigkeit machen, man könnte darauf hinweisen, dafs auch die Kühnheit ihre Grenzen hat. Aber wir sprechen ihn von diesem Vorwurf frei.

Für den General Diebitsch

Schlacht von Kulewtscha kein Stillstehen mehr.

gab es nach der

Die Belagerung von

Schumla war bei der Schwäche seines Heeres aussichtslos , er mufste entweder zurück und die bisher gewonnenen Früchte des Feldzuges opfern, oder er mufste vorwärts. konnte nur das letztere wählen .

Der energische Charakter Diebitschs Er setzte alles auf eine Karte und

gewann, weil er seinen Gegner richtig taxiert hatte, und weil er bei Verfolgung seines Zieles auch den gröfsten Schwierigkeiten gegenüber den klaren Blick und die allzeit schlagfertige Energie nie verlor.

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

298

XXV.

Der

vermutliche

strategische Aufmarsch

der

deutschen Streitkräfte an der französischen

Grenze. (Autorisierte Übersetzung aus dem Journal des sciences militaires.)

I. Wenn ein Offizier einen Blick auf die Karte von Deutschland wirft, so wird er längs des Mittel- und Unterrheins zwei besonders ausgeprägte Eisenbahngruppen bemerken, die auf dem linken Ufer durch den Hunsrück und die Eifel, auf dem rechten durch den Taunus und den Westerwald getrennt werden . Die nördliche Gruppe hat ihren Mittelpunkt in Westfalen, in der Gegend zwischen Köln und Wesel, die südliche dehnt sich über die Ebene der Pfalz aus , zwischen der Haardt und dem Odenwald , Frankfurt und Mannheim .

ihre wichtigsten Punkte

sind Mainz,

Diese beiden Gruppen sind miteinander verbunden durch 1. die doppelgleisigen Transversalbahnen , die zwischen Mainz und Köln längs beider Ufer des Rheines gehen , 2. die neue Linie SiegburgLimburg-Frankfurt, die den Westerwald und den Taunus von Norden nach Süden durchschneidet , 3. die östlichste Linie Siegburg-WetzlarFrankfurt, gegen den Rhein hin durch den Höhenkomplex geschützt, den die vorhergehende Linie durchschneidet. Zwischen Köln und Mainz , auf einer Strecke von 150 Kilometer Länge, geht nur eine einzige Bahn in der Richtung auf den Rhein zu, es ist dieses die von Kassel nach Koblenz führende, die seit 1875 durch eine direkte Strecke verdoppelt ist, die von Berlin nach Metz „in gerader Richtung , wie eine Römerstrafse" durch das Moselthal läuft . Diese eigentümliche Gestaltung

des deutschen Eisenbahnnetzes

zieht, vom militärischen Standpunkte aus betrachtet, eine Menge von Konsequenzen nach sich ,

denn sie

würde , im Falle

eines

neuen

Krieges mit Frankreich, Deutschland zwingen , seine in den nördlichen und mittleren Provinzen stehenden Armeecorps in zwei Haupt-

an der französischen Grenze.

299

gruppen über den Rhein zu führen , deren Zusammensetzung man mit ziemlicher Bestimmtheit voraussehen kann. Köln ist durch direkte Linien

mit den Hauptquartieren

des 7. , 9. und 10.

preussischen

Corps (Münster, Altona , Hannover) verbunden , die Stadt

selbst ist

das Hauptquartier einer der Divisionen des 8. Corps, dessen andere in Koblenz, Trier, Saarlouis und Metz in Garnison steht.

In der Gegend

von Mainz, Frankfurt und Mannheim konvergieren andererseits die natürlichen Koncentrierungslinien des 11. und 4. preufsischen Corps (Kassel und Magdeburg), sowie die des 12. sächsischen (Hauptquartier Dresden) und des 2. bayerischen (Würzburg) . Die preussische Garde (Berlin) und das 3. Corps (Potsdam) würden natürlich bei Koblenz auf der neuen Bahn Berlin-NordhausenEschwege -Wetzlar - Metz den Rhein überschreiten ; dieser Linie haben wir schon angedeutet.

die Wichtigkeit

Als allgemeine Reserve könnte der preufsische Generalstab das 1., 2. und 6. Corps zurücklassen, wie dieses auch schon 1870 geschah , diese würden vorläufig die Besetzung Küsten und Grenzen übernehmen .

und Bewachung der

In Süddeutschland bemerkt man keine den norddeutschen ähnliche Eisenbahnknotenpunkte,

der Grund liegt

zwei schwierig zu durchbrechende Gebirgszüge

einfach darin ,

daſs

sich den Rhein ent-

lang ziehen, der Schwarzwald im Osten, die Vogesen und die Haardt im Westen, von Basel bis Karlsruhe einerseits und von Belfort bis Landau andererseits . Die Eisenbahnlinien waren somit gezwungen, dem Fufse der Gebirge , dem Rheinthal zu folgen , so dafs zwischen Schlettstadt und Karlsruhe nicht weniger als vier Linien liegen, zwei davon im Elsafs, eine im Grofsherzogtum Baden und eine am Fufse des württembergischen Schwarzwaldes .

Diese vier Transversalbahnen

sind unter sich durch ebenso viele doppelgleisige Verbindungsstrecken verbunden , die auf festen Brücken den Rhein bei Hüningen , AltBreisach , Kehl und Germersheim überschreiten . Aufserdem sind Eisenbahnfähren bei Maxau und Speyer vorhanden . mit wohl annehmen ,

dafs die

Man kann so-

drei in Süddeutschland

noch übrig-

bleibenden Corps ( 14. , 13. und 1. bayerisches) genügende Kommunikationslinien besitzen, um ihre Koncentrierung auf dem linken Rheinufer zu bewerkstelligen.

Auf welcher Basis werden diese nun ihre

Vereinigung herstellen ?

Hierüber kann gar kein Zweifel herrschen.

Der seit 1871

begonnene Bau der Sackbahnen Zabern - Molsheim,

Barr-Schlettstadt, Rothau- Schirmeck, der seit kurzem in der deutschen Presse diskutierte Plan eines Durchstichs der Vogesen bei St. Marie aux Mines oder bei Münster, zeigen deutlich, dafs man die Absicht

300

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

hat, eine deutsche Armee vorwärts Strafsburg, zwischen Zabern und Colmar zu vereinigen. Gerade jetzt (Dezember 1880) sind die Deutschen dabei , Hagenau

und Zabern miteinander zu

ohne über Strafsburg zu gehen ;

verbinden,

diese neue , hervorragend

offensive

Bahn ist zwischen Zabern und Buxweiler schon in Betrieb, sie wird die natürliche Verlängerung der alten Strecke bilden , die im Jahre 1870 das 5. preufsische Corps von Posen nach Landau brachte .

Wir

sind somit zu der Annahme berechtigt, dafs das genannte Corps sich im Falle eines Offensivkrieges gegen Frankreich mit den süddeutschen Corps vereinigen würde. Diese im ganzen und grofsen nicht anzugreifenden Behauptungen lassen somit den Schlufs zu, dafs im Falle eines neuen französischdeutschen Krieges unsere Gegner sich in der Nähe des Rheines in drei Hauptgruppen sammeln werden , die erste nördliche zwischen Köln und Koblenz, die zweite in dem Dreieck Mainz-Frankfurt-Mannheim , die dritte im Süden, in der Gegend Zabern-Colmar.

Der Ein-

fachheit wegen werden wir in Zukunft diese drei Gruppen durch die Nummern I., II. und III . bezeichnen , wie dieses im Jahre 1870 ebenfalls geschah . Wir werden im folgenden nachzuweisen suchen : Tagen und an

welchen Punkten

die

drei

Grenze Frankreichs überschreiten können ,

1. in wie viel

deutschen

Heere

die

2. auf welchen Punkten

es möglich wäre, die französischen Armeecorps zu koncentrieren, um den Angriff des Feindes zu erwarten . nicht

zuvorkommen ",

denn

bei

Wir sagen

erwarten “ und

der Lage unserer Eisenbahnlinien

und der fehlerhaften Verteilung der in der Nähe der Grenze gelegenen Garnisonorte ist nicht anzunehmen , daſs wir als die ersten fertig sind und die Offensive aufnehmen können . Die nachfolgenden Berechnungen nehmen als Grundsatz an, dafs die Schnelligkeit der Züge, die Aufenthalte mit eingerechnet, 25 Kilometer beträgt, und dafs bei eingleisigen Bahnen täglich 15 , bei doppelgleisigen 24 Züge abgelassen werden.

Es wird ferner angenom-

men, dafs die Armeecorps, wie es in Preufsen üblich ist ,

während

des Transportes ihre gesamte Artillerie und Kavallerie bei sich haben, und dafs die zu den

selbständigen Kavalleriedivisionen bestimmten

Truppenteile erst dann zusammentreten, wenn das ganze Armeecorps Hiernach kann man rechnen , dafs ein Armeecorps vereinigt ist. ungefähr 85 Eisenbahnzüge zu seiner Beförderung nötig hat. I. Armee. Wir wiederholen , dafs die erste Armee aus der Garde, dem 8., 7.,

3.

und

10. Corps

bestehen

würde .

Das

9. Corps ,

das am

an der französischen Grenze.

301

weitesten entfernt und weniger günstige Verbindungen

nach dem

Rhein hin hat, würde zur Besatzung der Küsten zurückbleiben , ein Auftrag, der auch 1870 einer Division dieses Corps zu Teil wurde. Das wilde und vulkanische Bollwerk der Eifel , das sich auf dem linken Ufer des Rheins zwischen der Mosel und der Roer ausdehnt, hat bis zu den letzten Jahren seine Verbindungen von Köln nach Frankreich auf der einen Linie Düren-Aachen-Liège-NamurMaubeuge

gehabt.

Diese Linie

erreicht jedoch

die

französische

Grenze, indem sie durch belgisches Gebiet geht, so dafs Deutschland ohne Verletzung der belgischen Neutralität keine Truppen auf diesem Wege befördern kann .

Wir lassen daher diese Annahme aufser Be-

tracht, und zwar aus dem Grunde , weil der preufsische Generalstab kein militärisches Interesse daran hat, sie zur Ausführung zu bringen. Wollten wir dagegen annehmen , dafs diese excentrische Operationslinie gewählt würde, so würde sich die I. Armee nicht allein von den anderen bei

Beginn

des

Feldzuges

trennen ,

und

an

der

Maas

auf die von Maubeuge und Givet herangezogene französische Armee stofsen, sondern sie würde auch in ihrer rechten Flanke Antwerpen liegen lassen und dem eifersüchtigen England die Thür öffnen . Wozu also militärische und politische Verwickelungen hervorrufen ! Sollte nicht Deutschland vielmehr vorziehen, aus dem grofsen Waffenplatz, den es sich in Elsafs-Lothringen geschaffen hat , der nur 60 Meilen von Paris, auf der kürzesten und bequemsten Linie liegt, den gröfstmöglichen Nutzen zu ziehen? Zweifellos sind dieses die Gründe gewesen, dafs man nach 1871 die strategische Bahn bei Kyll , zwischen Köln und Trier erbaute ; sie läuft durch das Thal der Erft bis Euskirchen , dann durch die Eifel bei den Quellen der Ahr, und schliefslich durch das Thal der Kyll bis zu deren Einflufs in die Mosel.

Anfangs hatte sie nur ein

Geleise ,

Wird ,

doch wird das zweite gebaut.

wie wir annehmen,

die Neutralität Belgiens respektiert, so mufs unter allen Umständen die Beförderung des 7. und 10. Corps auf dieser Linie stattfinden, da sie mit Köln in Verbindung steht. Im Jahre 1870 wurde das 7. Corps bereits auf dieser Linie befördert ,

doch

war

sie damals

nur bis Call, 30 Kilometer von Euskirchen, vollendet . Um uns darüber

klar

zu

blicke der Kriegserklärung bis mobilisierten Truppen verläuft ,

werden ,

wie viel Zeit vom Augen-

zum Beginn

der Beförderung

erinnern wir daran ,

der

dafs im Jahre

1870 die Mobilmachungsordre in der Nacht vom 16. zum 17. Juli ausgegeben wurde, und dafs am 23. die ersten Armeecorps zur Abfahrt bereit waren . Am spätesten wurde das 8. Corps fertig, dessen

302

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

Mobilmachung

durch die Anwesenheit französischer Streitkräfte an

der Saar verzögert wurde , begannen am 24. ,

es

war am 26. bereit.

Die Transporte

somit 7 Tage nach Eingang der Mobilmachungs-

ordre, und dauerten 312 bis 51/2 Tage für jedes Armeecorps .

Am

3. August, 18 Tage nach Eingang der Mobilmachungsordres , meldeten die Oberkommandos

der

drei

deutschen Armeen

dem grofsen

Hauptquartier, dafs sie bereit seien, die Operationen zu beginnen . Diese Leistungen werden jetzt zweifellos noch übertroffen werden. Seit 1870 ist die aus so verschiedenen Elementen zusammengefügte Norddeutsche Bundesarmee neu verschmolzen, alle Truppenteile sind ganz gleich organisiert, das Eisenbahnsystem ist verbessert und erweitert,

die Garnisonen sind an Zahl weniger geworden,

taktischen Einheiten vergrössert .

die

Schliefslich aber haben die Deut-

schen ein Vertrauen auf ihre eigene Kraft, das ihnen vor 10 Jahren fehlte , ein Vertrauen , das jedes Zaudern in der letzten Stunde vor dem

allgemeinen Verlangen nach rascher Offensive

würde .

zurückdrängen

Wir können somit wohl annehmen , dafs die deutsche Mobil-

machung wie

im

Juli

1870

nicht mehr als 7 Tage in Anspruch

nehmen wird , vielleicht, wenn wir sagen 6 Tage, sind wir der Wahrheit noch näher. Betrachten wir nun ,

von

diesen Grundsätzen ausgehend ,

den

Transport jedes einzelnen der Corps der 1. Armee. Das 7. Corps ,

das von Münster über Düsseldorf ,

Köln ,

Trier

nach Metz befördert würde , hat eine Strecke von ungefähr 420 Kilometer zurückzulegen ; der erste Zug , der am Morgen des 7. Mobilmachungstages abgelassen würde ,

trifft 17 Stunden später in Metz

ein, die Züge folgen stündlich, und das ganze Corps ist in 85 Stunden ,

somit in der Mitte des 11. Tages , ausgeschifft .

rasches Aufeinanderfolgen

Ein derartig

der Züge setzt natürlich eine zweckent-

sprechende Einrichtung der Endstationsbahnhöfe zum Ein- und Ausschiffen voraus ; die neuen Bahnhofseinrichtungen in Metz und Diedenhofen lassen hierin nichts zu wünschen übrig. Das 10. Corps, das sich während der Beförderung des 7. Corps bei Köln sammelt, Köln

wohin

gewissermafsen

als

es

von Hannover

Anfangsstation

direkt

gefahren,

betrachtet ,

tritt

und seine

Weiterfahrt an, sobald der letzte Zug des 7. Armeecorps abgegangen. Da die Entfernung

von Münster nach Köln 150 Kilometer beträgt,

so zeigt eine einfache Rechnung, dafs der erste Zug des 10. Armeecorps 3 Stunden und 20 Minuten später , somit am Morgen des 11 . Tages abgehen kann. Während nun das 7. und 10. Corps auf der Linie von Kyll bei

an der französischen Grenze. Metz

ankommen ,

303

fährt das Garde- und 3. Corps von Berlin und

Potsdam aus auf der direkten Bahn , Moselufer entlang läuft.

die über Koblenz das linke

Diese Linie vereinigt sich hinter Trier mit

der des 7. und 10. Corps , allein es wird dadurch keine Störung in den Truppentransporten entstehen , denn die leeren Züge können von Metz aus auf der Linie Courcelles - Saarbrücken- Saarlouis-Trier zurückfahren, wo ebenfalls ein zweites Geleise vorhanden ist .

Es können

somit beide Geleise der Strecke Trier - Metz für beladene Züge verwendet werden.

Ferner weifs man ,

dafs

die Deutschen Metz mit

Saarlouis über Teterchen verbinden, und dafs diese Sackbahn bis an die Linie der Nahe

bei St. Wendel

dieses erst geschehen ,

verlängert werden

wird.

Ist

so kann die Strecke Teterchen-Bening- Saar-

brücken der II . Armee vollständig überlassen werden, und umgekehrt können Truppen und Material von Trier nach Metz über Saarlouis befördert werden, ohne dafs es nötig ist, die Mosellinie zu benutzen. Die Entfernung von Berlin nach Diedenhofen beträgt 720 Kilometer, der erste Zug der Garde trifft danach am Morgen des 8. Tages ein, und , da dieses Corps 16 Eskadrons und 4 Bataillone mehr hat

als

die anderen Corps, so wird die Beförderung 105-110 Stunden später beendet sein, mithin gegen Mitte des 12. Tages. Das dritte Corps wird seine Einschiffung unmittelbar nach Abfahrt des letzten Zuges der Garde beginnen, es wird am Morgen des 11. Tages abfahren und gegen Mitte des 12. eintreffen ,

das ganze

Corps wird am 15. Tage versammelt sein. Das setzen ,

8. Corps

wird sich am 7. Mobilmachungstage in Marsch

ein Teil der 16. Division (Trier und Saarlouis)

haben nur

2 Etappen bis Diedenhofen und werden dort am Abend des 8. Tages eintreffen . Der von Koblenz über Witlich und Trier kommende Teil trifft mit derselben 4 Tage später , am Abende des 12. Tages zusammen. Die in Köln und Aachen stehende 15. Division nimmt ihren Marsch mitten durch die Eifel , auf den beiden Strafsen ,

die

in Prüm zusammentreffen , dieser Punkt liegt 80 Kilometer von Aachen , 100 Kilometer von Köln . Die von Aachen kommenden Truppen können daher die Tête der Division übernehmen, sie haben dann bis Diedenhofen noch 120 Kilometer zurückzulegen und treffen hier am Abend des 12. Tages, der Rest der Division am Abend des 13. Tages ein. Stellen wir das erlangte Resultat zusammen , so ergiebt sich, dafs die Corps der I. Armee auf der Linie Diedenhofen-Metz an folgenden Tagen vereinigt stehen : das 7. Corps in der Mitte des 11. Tages, Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

21

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

304

das 10. Corps am Morgen des 15. Tages, die preufsische Garde in der Mitte des 12. Tages , das 3. Corps am Abend des 15. Tages , das 8. Corps mit einer Division am Abend des 8. Tages , mit der anderen am Abend des 13. Tages. Die Deutschen können somit am 12. Tage nach erlassener Mobilmachungsordre nur mit 2 Corps (Garde und 7.) und einer Division des 8. Corps , im ganzen mit 66 Bataillonen, 56 Eskadrons und 42 Batterieen bei Metz stehen. Es ist wahr, dafs diese Armee drei Tage später um das 10. und 3. Corps , sowie um die zweite Division des 8. Corps

stärker werden

würde,

allein die Offensiveigenschaft

der Operationsbasis Metz - Diedenhofen dafs

die vorhergehenden Kombinationen

Sinne erscheinen lassen .

wird so häufig überschätzt, es

mehr im umgekehrten

Es ist zwar nicht von besonderer Wichtig-

keit, wie wir sehen werden ; allein, um diese auffallende Erscheinung zu erklären, müssen wir zuvor den Transport der II . deutschen Armee betrachten. Die II. Armee. Wir haben für die II. Armee die Armeecorps No. 4, 9 , 11 und 12 designiert, deren natürliche Vereinigungslinien in der Gegend von Frankfurt-Mainz-Mannheim liegen . Logischer Weise würde sich das 2. bayerische Corps (Würzburg) an den linken Flügel dieser Armee anlehnen, es läfst sich sogar annehmen, dafs dieses Corps zuerst in Eines der Linie des strategischen Aufmarsches eintreffen wird . seiner Regimenter liegt in Zweibrücken in Garnison, ein anderes in Germersheim , zwei Bataillone und vier Batterieen in Landau , alle diese Detachements können, am Morgen des 7. Tages über Annweiler, Pirmasens, Zweibrücken , Bitsch und Rohrbach in Marsch gesetzt, in 5 Etappen, somit am Abend des 11. Tages bei Saar - Union vereint Die in Würzburg stehende Division dieses Corps wird ihre Concentrierung auf derselben Linie wie 1870 , Würzburg - Musbachstehen .

Heidelberg-Germersheim - Landau- Zweibrücken - Bitsch beenden .

Die

andere Division (Nürnberg) kann bis Landau die vollständig selbstständige Linie Krailsheim - Heilbronn - Heidelberg - Speyer benutzen. Jedes der beiden Geleise würde nur ungefähr 36 Züge zu befördern haben, da die in der Pfalz stehenden Truppen sich per Fufsmarsch Von Würzburg bis Landau sind 180 Kilometer , von Nürnberg bis Landau 280 Kilometer, der Anschlufs würde daher so

vereinigen.

gemacht werden , dafs der erste von Nürnberg kommende Zug eine Stunde später durch Landau passiert als der letzte von Würzburg kommende . Es bleiben daher noch 90 Kilometer von Landau bis

an der französischen Grenze. Bitsch zurückzulegen,

305

und zwar auf einer eingleisigen Bahn ,

allein

diese kann durch die Strecke Landau-Hagenau -Bitsch, die von Landau bis Hagenau

zweigleisig ist,

nur 90 Kilometer lang ist.

verdoppelt

werden,

da sie auch

Da die Dauer der Fahrt von Würzburg

nach Bitsch nur 11 Stunden beträgt , so kann der erste Zug in der Mitte des 7. Tages eintreffen und das zweite bayerische Corps wird gegen Mitte des 10. Tages ausgeschifft sein, an welchem Tage ebenfalls die zu Fufse marschierenden Truppen Bitsch verlassen haben würden, um sich nach Saar-Union zu begeben. Rechts von den Bayern würde das 11. Corps seine Vereinigung auf derselben Route wie 1870 (Kassel - Fulda - Frankfurt - MannheimNeustadt) herstellen .

Verbleiben

die Franzosen

in der Defensive ,

so können die Züge bis an die äusserste Grenze über ZweibrückenSaargemünd und Saaralbe nach Dieuze und Château - Salins weiterfahren, wenn nicht, so müssen sie 40 Kilometer rückwärts bei Saargemünd halten .

Zu dem

11. Corps

gehören

auch die hessischen

Truppen in der Stärke von 14 Bataillonen, 8 Eskadrons , 6 Batterieen und den zugehörigen Branchen , Züge mehr nötig hat

als

so dafs dieses

ein preufsisches .

Corps ungefähr 32

Da die Entfernung von

Kassel nach Saargemünd 410 Kilometer beträgt ,

so wird der erste

Zug gegen Abend des 7. Tages eintreffen und gegen Mitte des 12 . Tages wird das ganze Corps ausgeschifft sein. Das 12. (sächsische) Corps wird dieselbe Route nehmen wie im

Von Kastel Jahre 1870 (Leipzig - Bebra - Fulda - Frankfurt - Kastel) . und Mainz ab wird dieses Corps auf der neuen Linie über Alzey nach Kaiserslautern befördert werden, von WO es auf 2 Etappen nach Saargemünd , nördlich über Homburg oder südlich über Zweibrücken, kommen kann . Das 12. Corps

ist um

als die preufsischen

4 Bataillone

und

8 Eskadrons

stärker

und bedarf daher gegen 100 Eisenbahnzüge ;

die Distance von Leipzig

bis Kaiserslautern beträgt 510 Kilometer,

so dafs die ersten Truppen am Morgen des 8. , die letzten im Laufe des

12. Tages

eintreffen

würden .

Am

14. Tage kann das ganze

Corps um Saargemünd versammelt stehen.

Das 4. Corps (Magdeburg) würde über Kreiensen-Kassel- GiefsenMainz-Bingen, dann auf der Nahe - Bahn über Saarbrücken nach Bening befördert werden

und könnte,

solange keine Offensive seitens

der Franzosen zu erwarten steht, bis Remilly, Saarburg vorgeschoben werden.

zwischen Metz und

Das 4. Corps würde somit logischer Weise den rechten Flügel der II. Armee bilden .

Die Entfernung von Magdeburg

bis Bening 21 *

306

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

beträgt ungefähr 650 Kilometer.

Der erste Zug würde darnach am

Morgen des 8. Tages, das ganze Corps am Abend des 11. Tages am Bestimmungsorte eingetroffen sein. Nach diesen Grundsätzen würde die ganze II . Armee folgendermafsen versammelt stehen : 2. bayerisches Corps am Abend des 11. Tages bei SaarUnion , 11. Corps am Abend des 12. Tages bei Saaralbe, 12. Corps am Abend des 14. Tages bei Saargemünd, 4. Corps am Abend des 11. Tages bei Bening . Hierbei ist von der Voraussetzung ausgegangen , dafs die französischen Streitkräfte in sammelt sein können ;

derselben Zeit

denn

wie die ihrer Gegner ver-

wenn die Deutschen sicher wären, auf

der Linie Metz - Saarburg die ersten zu sein (und sie werden thun , um dieses zu erreichen ),

so würden

sie das

alles

4. Corps in Re-

milly, das 11. in Château - Salins und Dieuze ausschiffen,

während

das 12. Corps nach Saar-Union und Fénestrange marschieren würde. Was das 2. bayerische Corps betrifft, so würden dessen Avantgarden sofort von Zweibrücken ab nach Saarburg marschieren, wo sie nach 3 Tagen, also am Abend des 9. Tages eintreffen würden .

Nach fer-

neren 3 Tagen würde das ganze bayerische Corps bei seiner Avantgarde versammelt stehen.

Die vorhergehende Übersicht würde sich

danach, wie folgt, ändern : 2. bayerisches Corps am Abend des

12. Tages bei Saarburg,

11. Corps am Abend des 12. Tages bei Château - Salins und Dieuze, 12. Corps am Abend des 15. Tages bei Saar-Union , Fénestrange, 4. Corps am Abend des 11. Tages bei Remilly, Falkenberg. Die Deutschen können also am 12. Tage nach Eingang der Mobilmachungsordre zwischen Remilly und Saarburg, auf einer Front von ungefähr 50 Kilometer Länge, eine Armee von 3 Corps , dem 2 . bayerischen, 11. und 4. preufsischen aufstellen . Diesen würde , spätestens nach 2 Tagen , das sächsische Corps folgen. Die gesamten Streitkräfte stark sein.

würden Wie

118 Bataillone ,

wir

84 Eskadrons,

oben gesehen haben,

würde

74 Batterieen an demselben

Tage die I. Armee nur 66 Bataillone, 56 Eskadrons, 42 Batterieen aufzuweisen haben . Ist dieses ein Zufall , oder ist es ein Rechenfehler? Mufs sich demnach nicht die II. Armee vor der I. aufopfern und den

ersten

Zusammenstofs

aushalten ?

Welcher

von

den beiden Armeeen mufs also das 15. Corps (Elsafs - Lothringen), dessen eigentümliche Organisation eine ganz besondere Verwendung während des strategischen Aufmarsches

bedingt ,

zugeteilt werden ?

an der französischen Grenze.

307

Die Antwort auf diese Fragen verlangt eine eingehende Betrachtung der Grenze , die uns unser Unglück im Jahre 1870-1871 geschaffen hat. Der an Deutschland grenzende Teil Frankreichs ist dadurch charakteristisch, dafs dort nichts vorhanden ist , was man eine politische oder militärische Grenze nennen könnte. Die erstere ist durch die Ardennen in der Weise vorgezeichnet , dafs sie von diesen ausgehend die Plätze Diedenhofen und Metz mit allen taktischen Positionen umfafst, von der Mosel aus die Vogesen willkürlich , ohne andere Rücksicht als die abtrennt, dafs in den annektierten Teil die

volkreichsten

Ortschaften ,

werke zu liegen kommen .

die besten

Waldungen und Berg-

Ganz anders ist die militärische Grenze ,

die der Frankfurter Friede Frankreich gelassen hat. Von Belgien bis zum Plateau von Haye wird sie durch die Maas gebildet , vom Plateau von Haye bis zum Ballon d'Alsace durch die Mosel . Der Mittelpunkt liegt am Zusammenflufs der Meurthe und Mosel, wo die um Nancy liegenden Höhenzüge einen natürlichen Brückenkopf bilden. Das ist die militärische Grenze Frankreichs , die seit 1872 befestigt ist. Die diesen Befestigungen zu Grunde liegende Idee besteht darin , dafs man abwechselnd befestigte und offene Abschnitte geschaffen hat ; mit anderen Worten, man hat versucht, dem Angreifer das Debouchieren vorzuschreiben und ihn zu zwingen , seine Streitkräfte gegen eine Reihe offener , aber leicht zu verteidigender Breschen zu richten . Die erste dieser Breschen erstreckt sich längs der Maas ,

von der belgischen Grenze

bis Verdun ,

diese

ist aber nur

zwischen Stenay und Consenvoy zu passieren, auf einer Strecke von ungefähr 35 Kilometer. Südlich von Verdun liegt eine Reihe von Forts , die ihren Mittelpunkt in Toul finden , bis zum Einflufs des Madon in die Mosel. Zwischen diesem Punkt und den Forts von Epinal ist eine

zweite Bresche von 40 Kilometer Breite, dann erscheint die befestigte Linie wieder am linken Moselufer, überschreitet die Vogesen beim Ballon de Servance und schliefst sich südöstlich von Belfort an die Schweizer Grenze an. Wenn dieses Verteidigungssystem gut armiert , gut verproviantiert und mit permanenten Garnisonen versehen ist , wenn das Terrain , das zwischen den einzelnen Forts liegt , genau rekognosziert, durch gute Kommunikationsmittel gungen versehen ist, der Kriegserklärung

und

verbunden und mit Feldbefesti-

wenn mobile Truppenteile sich am Tage

auf diesen Terrainabschnitten einfinden ,

wenn

alle diese Bedingungen erfüllt sind , so können die Deutschen zwar, während sie ihren Aufmarsch abwarten, einzelne Detachements vor-

308

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

schicken ,

und auf dem Gebiete ,

das zwischen der politischen und

der militärischen Grenze liegt , Requisitionen eintreiben und Kommunikationsmittel zerstören,

allein sie werden niemals im stande sein ,

die unter dem Schutze der Befestigungslinie ansammlungen ernstlich zu stören . Schutzlinie

noch manches

zu

ausgeführten Truppen-

Mag auch die Organisation dieser

wünschen

übrig lassen ,

so wird sie

dennoch im ganzen und grofsen ihre Bestimmung erfüllen , das heifst, die Deutschen können nur unsere militärische Grenze durchbrechen, im

Norden zwischen

Stenay und Verdun , im

Centrum

zwischen

Nancy und Epinal. Die erstere ist ungefähr zwei Tagemärsche von der politischen Grenze entfernt, die zweite in ihrem nördlichen Teil bei Nancy nur 30 Kilometer. Die I. Armee mufs daher

unbedingt

vor

der

nördlichen

Bresche aufmarschieren ; auf der Strecke Metz - Diedenhofen befindet sie sich noch 60-70 Kilometer von der Maas entfernt, so dass ihre Corps, am Morgen des 13. Tages in Marsch gesetzt, dort am Abend des 15. Tages eintreffen könnten . Wenngleich auch die Avantgarden der 16. Division schon am 10. Tage ebenso weit vorgerückt sein könnten ,

so würden sie doch ,

wenn Frankreich seine Mafsnahmen

richtig getroffen hat, genügend starke Streitkräfte antreffen , die sie ihre Übereilung schwer empfinden lassen würden . Der Übergang über die Maas mufs daher mit Gewalt erzwungen werden, es würde zu einer grofsen Schlacht kommen , in der die Franzosen eine günstige , flankierende Defensivstellung einnehmen , die unmöglich umgangen werden kann, da der rechte Flügel an Verdun, der linke an Montmédy

und

die belgische

ferner voraussehen ,

dafs ,

Grenze angelehnt ist.

falls

die

Es läfst sich I. Armee gegen die Maas vor-

rücken würde , bevor die II . gleichzeitig gegen die Mosel marschiert, diese ihre Flanke gegen eine von Verdun-Toul auf dem Plateau von Woëvre vorrückende französische Armee preisgeben würde . Wenn trotzdem die Deutschen an der Maas nördlich Verdun festen Fufs fassen würden , nach

so könnte die französische Armee sich immer noch indem sie um Verdun als Pivot eine

Süden zurückziehen ,

Schwenkung ausführte ,

und successive hinter die Aire und Aisne zurückginge , ebenso könnte sie nach Nordwesten ausweichen , wo sie in der befestigten Linie Laon - La Fère eine günstige Verteidigungsstellung fände und während der ersten Kriegsperiode Verstärkungen heranziehen würde . In beiden Fällen würde der Sieg für die Deutschen nur ein taktischer sein, denn die strategische Situation der Franzosen würde nicht dadurch benachteiligt werden . Die zwischen

Remilly und

Saarburg

versammelte

II. Armee

an der französischen Grenze.

könnte

dahingegen,

unter Anlehnung des

309

rechten Flügels

an die

Mosel und des linken an die Vogesen, unabhängig von der I. , unter weit günstigeren Verhältnissen

die Offensive

ergreifen .

Der rechte

Flügel liegt vor den Thoren von Nancy und Luneville , sie braucht , so zu sagen, nur die Hand auszustrecken, um sich des Herzens der Meurthe zu bemächtigen , Schritt,

von

dort bis zur Mosel ist nur noch ein

und sollte es den Deutschen

gelingen,

die Mosel bei Fla-

vigny und Bayon in der ersten Zeit des Krieges so wären die Folgen

einer

Frankreichs verhängnisvoll. der Mortagne

zu überschreiten ,

solchen Bewegung für die Verteidigung Die Linien der Vesouze,

würden im Norden

umgangen

sein ,

der Meurthe ,

die vor Epinal

entwickelten Corps müfsten rasch das linke Moselufer wieder zu gewinnen

suchen, die der Mosel zunächstgelegene Linie des Madon würde wahrscheinlich von überlegenen Kräften genommen sein , und das erste ernstere Zusammentreffen mit dem Feinde könnte nur noch auf der Linie Neufchâteau- Epinal stattfinden.

Das Invasions-

heer würde sonach , ohne Schwertstreich , eine Strecke von ca. 100 Kilometer Tiefe gewonnen haben und dadurch gleich bei Beginn des Krieges eine moralische Überlegenheit gewinnen , die später schwer zu entreifsen ist.

Auf dem nördlichen Kriegsschauplatz würde die

französische Maas-Armee , in der Front von der deutschen I. Armee gedrängt, auf dem rechten Flügel von der II. umfafst , ihre Verbindung

mit der

Mitte

Frankreichs ,

vielleicht mit Paris ,

verlieren

und fände sich gegen die Ardennenplätze und die belgische Grenze zurückgeworfen . Wir können hieraus die Schlufsfolgerung ziehen , dafs die erste Offensive mehr von der II. als von der I. Armee ausgehen wird, und dafs der schwache Punkt der französischen militärischen Grenze nicht an der Maas, nördlich Verdun , sondern an der Mosel, südlich Nancy liegt.

Infolge dessen wird der Teil der Mosel , der zwischen Bayon

und Flavigny aufser Schufsweite der Kanonen von Epinal und PontSaint-Vincent liegt , das erste Angriffsobjekt der Deutschen bilden . Danach ist die Bestimmung des 15. deutschen Corps klar vorgezeichnet , es wird der II. Armee attachiert und bildet dessen Avantgarde . Wir müssen daran erinnern , dafs das 15. Corps eine ganz besondere Organisation besitzt, dafs seine Bataillone im Frieden schon 18 Offiziere und 658 Mann stark sind, dafs man diese Mehrzahl im Mai 1877 ein „ Ausgleichsverfahren " nannte , und dafs dieses Corps noch verstärkt werden soll , sobald die Neuformationen beendet sind. Es ist faktisch an Feldtruppen stark : 13 Infanterieregimenter, davon

310

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

6 in Metz und 4 in Strafsburg, 2 Jägerbataillone, eines in Hagenau und eines in Zabern, 9 Kavallerieregimenter à 5 Eskadrons , davon 3 in Metz und Diedenhofen , 1 in Saint-Avold , 1 in Hagenau , 1 in Saarburg, 1 in Saargemünd, 1 in Strafsburg, 1 in Colmar, 1 Artillerieregiment in Metz und 2 in Formation begriffen in Strafsburg. Alle diese Truppen können

drei Tage

nach

sind auf halbem Mobilmachungsfufse

und

erfolgter Kriegserklärung

Die

ausrücken .

30. Infanteriedivision und die 30. Kavalleriebrigade kann somit im Laufe des vierten Tages von Metz abmarschieren und die Moselübergänge bei Novéant , Pont-à-Mousson , Dieulouard

und Marbach be-

setzen und in Nancy einrücken ; die 31. Infanteriedivision , per Eisenbahn von Strafsburg bis an die Grenze befördert , Tag in Luneville eintreffen ,

würde denselben

während die Kavallerie von Saarburg,

Falkenberg, Saargemünd in den beiden folgenden Tagen die Meurthe, ja sogar die Mosel erreichen würde . Was haben wir nun dieser Menge von Bataillonen und Eskadrons entgegenzustellen ?

Sechs

Kavallerieregimenter à 4 Eskadrons in

Luneville, Nancy und Pont-à-Mousson ,

1 Kavallerieregiment und 4

reitende Batterieen in Epinal , 2 Jägerbataillone in Saint-Dié und Saint-Nicolas und eine schwache Infanteriebrigade in Nancy. Man erwähnt so häufig ,

dafs der nächste

deutsch-französische Krieg mit

einer Reihe von Reiterkämpfen beginnen würde , allein nach dem eben Erwähnten ist dieses ein vollständiger Irrtum , der die traurigsten Folgen nach sich ziehen kann .

Selbst in dem Falle , dafs un-

sere Kavallerie eben so rasch fertig ist, wie die der Deutschen, können die Reiterkämpfe höchstens zwei bis drei Tage währen . Avantgarden der deutschen Infanteriedivisionen erscheinen dringen durch den dünnen Schleier Schwalbe durch ein Spinngewebe . Um

einer

solchen

unmittelbaren

unserer Eclaireurs

Besitznahme

des

wie

Die und die

Terrains

zwischen Vogesen und Maas entgegentreten zu können , giebt es nur folgende Mittel : 1. Die Infanterie und Kavallerie der Garnisonen Pont-à-Mousson, Luneville , Nancy, Epinal , Saint - Dié , Saint Nicolas mufs verstärkt und neue Garnisonorte an der Meurthe und der Mortagne errichtet werden. Diese müssen so organisiert sein, dafs sie im Ort selbst in wenigen Stunden mobilisiert werden können und bis zum Eintreffen der Armeecorps aus dem Innern wenigstens die Linie der Mortagne halten. 2. Die auf dem linken Moselufer zwischen Epinal und Nancy abgehenden Eisenbahnen müssen vermehrt werden , damit gerade an

an der französischen Grenze.

311

dieser so bedrohten Strecke unserer Grenze innerhalb acht Tagen eine Armee concentriert werden kann, die im stande ist, der II . deutschen Armee , selbst wenn diese auch auf Kosten werden sollte, die Spitze zu bieten . 3. Auf dem rechten Meurthe-Ufer,

der anderen

vorwärts Nancy,

verstärkt

mufs

ein

permanenter Brückenkopf errichtet werden, der sich an Toul und die bereits bei Pont St. Vincent und Frouard errichteten Werke anlehnt. Die militärische Wichtigkeit dieses Abschnittes

ist in dem Bericht

der Verteidigungskommission genügend erörtert, und die damals maſsgebenden politischen Rücksichten , die die Ausführung verhinderten, sind heute nicht mehr vorhanden. Die einfache Klugheit verlangt gebieterisch diese Mafsnahmen. Frankreich hat seit 10 Jahren enorme Summen für die Reorganisation seiner Armee und seiner Grenzbefestigungen ausgegeben ,

es

wäre unverzeihlich , wollte es jetzt die wenigen Vorsichtsmafsregeln aufser acht lassen, die dem 29 Erbfeinde" gestatten, eines Tages , wenn es ihm gefällt, von neuem einzudringen, um sich neue Milliarden und neue Gebiete zu erwerben.

Die III. Armee. Aus der vorangegangenen Betrachtung

ergiebt

sich ,

dafs

die

Deutschen folgenden Operationsplan wahrscheinlich entwerfen werden : Die I. Armee verbleibt in der Defensive und hält die an der Maas entwickelten französischen Streitkräfte fest, die II. Armee rückt energisch zwischen Nancy und Epinal gegen die Mosel vor, wobei sie den linken Flügel vornimmt , überschreitet entweder zwischen Toul und Neufchâteau oder zwischen Neufchâteau und Langres die Maas , wendet sich dann gegen Norden , degagiert die I. Armee und marschiert mit dieser gegen Paris und die mittlere Loire . Betrachten wir nun, was die III. Armee thun wird, um hier mit einzugreifen und welche Zeit sie gebraucht, um ihren Aufmarsch zu beenden . Wir müssen annehmen, dafs die III. Armee ,

die aus den süd-

deutschen und dem 5. preussischen Corps zusammengesetzt wird, sich vorwärts Strafsburg, den linken Flügel bei Colmar, den rechten bei Zabern und Saarburg vereinigt. Das 14. (badische) Corps ist diesem Vereinigungspunkte am nächsten . Die eine seiner Infanteriedivisionen steht im Frieden in Karlsruhe ( 1 Regiment) , Mannheim ( 1 Regiment), Rastatt ( 2 Regimenter) . Die andere Division steht in Konstanz ( 1 Regiment) , Freiburg ( 1 Regiment), Mülhausen , Colmar und Neu-Breisach (2 Regi-

312

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte

menter) .

Die Kavalleriedivision steht in Mannheim, Karlsruhe , Rastatt

und Colmar , die Artillerie in Karlsruhe und Rastatt.

Die gleich-

mäfsige Verteilung dieser Truppen nördlich und südlich von Strafsburg mufs daher eine Vereinigung des 14. Corps vorwärts Strafsburg, in der Umgegend von Molsheim nach sich ziehen. Das Regiment von Mannheim ,

das eine Entfernung

von ca. 140 Kilometern

zurückzulegen hat, kann über Speyer, Lauterburg und Strafsburg in sechs Stunden in Molsheim eintreffen .

Das Regiment von Konstanz

würde mit der neuen Bahn Donaueschingen-Offenburg-Kehl- Molsheim in ungefähr acht Stunden ankommen.

Die Garnisonen von Rastatt

und Karlsruhe würden in drei Etappen, (70 und 90 Kilometer) eintreffen, die von Freiburg in zwei (75 Kilometer) , die von Colmar, Neu-Breisach (65 ) und Mülhausen (90) in drei oder mehr , so dafs das ganze 14. Corps am Abend des 9. Tages eingetroffen sein würde und am 10. Tage morgens den Vormarsch antreten könnte. Das 13. ( württembergische) Corps könnte die Eisenbahn Stuttgart-Pforzheim-Karlsruhe- Strafsburg -Wasselonne ( 240 Kilometer) benutzen. Der erste Zug würde am 7. Tage morgens, der letzte gegen . Mitte des 10. Tages eintreffen . Das 1. bayerische Corps benutzt die natürliche Linie, die München mit Strafsburg über Ulm-Plochingen-Horb-Freudenstadt verbindet und den Schwarzwald bei Kniebis durchschneidet. Sollte jedoch die Strecke Horb -Oppenau noch nicht in Betrieb sein , so würde die Weiterbeförderung von Ulm aus über Radolfzell -Waldshut- HüningenMülhausen und Schlettstadt stattfinden müssen.

Das 1. bayerische

Corps würde den linken Flügel der III . Armee bilden, es wird während der Fahrt einige Detachements zwischen Hüningen und Colmar ausschiffen, die während des strategischen Aufmarsches den Paſs von Die Entfernung von München bis Colmar beträgt

Belfort beobachten .

ungefähr 480 Kilometer und kann in neunzehn Stunden zurückgelegt werden. Der erste Zug des bayerischen Corps kann somit am Abend des 7. Tages eintreffen , und würde das Armeecorps in der Nacht des 10. Tages vereinigt stehen . Das 5. preufsische Corps

würde dieselbe Linie

wie

im Jahre

1870 (Görlitz -Leipzig- Würzburg-Karlsruhe) benutzen und die Fahrt über Weissenburg nach Zabern fortsetzen. Im Jahre 1870 haben die Züge des 5. Corps die Strecke von Posen bis Landau in 60 Stunden zurückgelegt, sie können daher in 64 Stunden in Zabern ankommen, somit gegen Mitte des 9. Tages ; das ganze Corps wird in der Nacht des 12. Tages ausgeschifft sein.

an der französischen Grenze.

313

Die III. Armee besetzt daher die Linie :

das 14. Corps in Molsheim am Abend des 9. Tages, das 13. Corps in Wasselonne in der Mitte des 10 Tages , das 1. bayerische Corps Kolmar- Schlettstadt in der Nacht des 10. Tages , das 5. preufsische Corps Zabern in der Nacht des 12. Tages . Am Vormittage des 11. Tages könnten die Offensivoperationen mit einer Effektivstärke von ca. 100 Bataillonen, 32 Eskadrons , 68 Batterieen beginnen. Die noch nicht ausgeschifften Teile des 5. Corps würden zur Bewachung

des Tunnels

von Zabern zurück-

bleiben, oder sie würden , um den Rest der III . Armee nicht aufzuhalten, mit der Eisenbahn bis Saarburg weiter befördert werden. Es geht daraus hervor, dafs diese Armee wenigstens zwei Tage früher marschbereit sein wird als die II. Armee. Die Avantgarden des 14. Corps ,

die im Laufe des neunten Tages

würden schon am

folgenden Tage

die Pässe

ausgeschifft

des Donon und

sind , von

Saales besetzen, dieselben Pässe, durch die General Werder nach der Kapitulation von Strafsburg im Oktober 1870 Epinal antrat.

seinen Marsch nach

Würde jedoch die allgemeine Lage eine weiter vor-

gehende Offensive gestatten ?

Man kann dieses bezweifeln, denn wäh-

rend der ersten Periode der Kriegsoperationen fällt der III . Armee eine vielseitige und schwierige Rolle zu . Ihr rechter Flügel darf die Verbindung mit der II . Armee nicht aufgeben, um nicht alle die wichtigen Kommunikationen preiszugeben , die die Vogesen bei Zabern offen halten , die Mitte mufs die von Epinal nach Colmar, Kaisersberg und Schlettstadt führenden Defilées besetzt halten ; der linke Flügel kann sich nicht ohne Gefahr von der Linie Mülhausen-Colmar entfernen, da er sonst durch die hinter Belfort und den Werken der oberen Mosel vereinigten Streitkräfte gefährdet würde . Rücksicht ist besonders wichtig , denn , rischen Erfolge , würde Deutschland

abgesehen

Diese letztere

von dem militä-

eine auch nur vorübergehende

Besetzung der noch sehr unsicheren Reichslande gewifs nicht wünschen .

Diese Gründe werden genügen, das Verbleiben der III. Armee

im Elsafs zu motivieren .

Jedenfalls mufs sie so lange warten ,

bis

nach dem ersten Erfolge der II . Armee jede Gefahr partieller Offensivbewegungen der Franzosen über die Vogesen nicht mehr zu beSchon vom rein militärischen Standpunkte aus fürchten steht. erscheint

es unverständlich,

dafs die III. Armee,

ohne die II . ab-

zuwarten, die gefährliche Operation eines Gebirgsüberganges mit getrennten Kolonnen gegen einen intakten Feind , der die Debouchées besetzt hält, unternehmen sollte .

Dieses Manöver ist 1866 in Böhmen

314

Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte etc.

und 1870 bei Dijon vor den Augen der Truppen Garibaldis geglückt , doch werden die Deutschen es in Zukunft , wo sie weder an Zahl, noch an Bewaffnung und, wollen wir hoffen, auch nicht an Organisation überlegen sind , nicht wiederholen . Wir müssen somit bei der Annahme

stehen bleiben ,

dafs

die

Hauptaufgabe der III . deutschen Armee darin bestehen wird , die Vogesen und den oberen Elsafs im Auge zu behalten ; eine Offensivbewegung kann nicht eher beginnen, als in dem Augenblicke, wo die II. Armee ebenfalls vorgeht .

Haben die Operationen der III. Armee

begonnen, dann mufs sie auch als Reserve für die II. Armee dienen und diese vor einer von Epinal oder der oberen Mosel ausgehenden Offensive der Franzosen sicher stellen . In dieser Periode wird sie auch durch Reserve- und Landwehrtruppen ,

sowie durch die noch

disponiblen preufsischen Corps ( 1. , 2. , 9. , 4. ) im Elsafs unterstützt werden. Wir haben hiermit die erste der aufgestellten Fragen beantwortet, nämlich die, in welcher Zeit die deutschen Corps in einem zukünftigen Kriege gegen Frankreich ihren Aufmarsch beendet haben werden, und wann diese Corps so weit sein werden , dafs sie die Grenze Ohne viele Hypothesen aufzustellen, sind wir

überschreiten können .

von einer Folgerung zur anderen übergegangen und haben versucht, einen Feldzugsplan zu entwerfen , wie er sich logisch nach dem vorhandenen Eisenbahnnetz Deutschlands notwendigerweise gestalten mufs .

Es bleibt uns nun noch übrig ,

die Frage

sich der Aufmarsch des französischen Heeres

zu erörtern ,

wie

entwickeln mufs , um

Bis jetzt wissen wir nur im allgemeinen , dafs eine Maas-Armee zwischen Verdun und der belgischen Grenze,

dem entgegenzutreten .

eine zweite zur Deckung von Nancy und Luneville zwischen Epinal und Pont- Saint- Vincent an der Mosel aufgestellt werden muſs . Wir wissen ferner, dafs es für die französischen Generale von der grössten Wichtigkeit ist , sich an der Meurthe aufzustellen , wo die HauptSchliefslich haben wir strafsen über die mittleren Vogesen führen. nachgewiesen , dafs die oberen Vogesen und der Pafs von Belfort mit genügenden Streitkräften besetzt sein müssen , um es den Deutschen unmöglich zu machen , das obere Elsafs von Truppen zu entblöfsen . Das sind jedoch nur allgemeine Grundsätze , um dieses eingehender zu entwickeln , müssen wir uns vorher die Strafsen ansehen , auf denen die drei feindlichen Heere in unser Gebiet einmarschieren können .

(Schlufs folgt.)

Über die Kämpfe am Lom etc.

315

XXVI.

Über die vom

Kämpfe

am Lom während

21. Juli bis 2.

der Zeit

Oktober 1877. *)

Über die Kämpfe am Lom wurden in den Heften Nr . 86 , 87 und 88 dieser Zeitschrift Aufsätze veröffentlicht, welche von einem Augenzeugen herrühren.

Dieselben sind in dem August-, September- und Oktober-

heft des Wajenny Sbornik , Jahrgang 1879 , von den Generalstabsoffizieren N. L. und A. K. in russischer Übersetzung , mit Anmerkungen versehen, wiedergegeben worden.

Ausserdem hat der russische

Generalstabsoffizier W. T. diese Berichte genau ein Jahr darauf in den drei entsprechenden Monatsheften derselben Zeitschrift einer eingehenden Kritik unterzogen .

Dies giebt uns Veranlassung , auf den

Gegenstand noch einmal zurückzukommen und denjenigen Auslassungen der russischen Offiziere näher zu treten , welche für die kriegsgeschichtliche Darstellung von Bedeutung sein könnten .

Wir haben

uns dabei bemüht, den rein sachlichen Standpunkt festzuhalten , obgleich namentlich die letztbezeichnete russische Arbeit sich wiederholt auf das persönliche Gebiet begeben hat. In betreff des am 21. August gelieferten Gefechtes bei JazlarKizilar bemerken die beiden erstgenannten Offiziere , dafs dasselbe ein rein defensives war. Der von dem Autor erwähnte Frontalangriff war von dem

Wolkowschen Regiment ausgeführt worden .

Dasselbe begegnete der Attacke der Türken , thun , indem es mit dem Bajonett vorwärts

ohne einen Schufs zu stürmte . Die Türken

gaben natürlich Fersengeld , worauf sich unsere Truppen von den Höhen in die Schlucht hinab stürzten , um den Feind zu verfolgen. Sie gerieten hierbei in das Feuer aus den türkischen Schützengräben und mussten sich schliefslich ermüdet zurückziehen . Hierzu sei Nachstehendes erwähnt : Am frühen Morgen des 21. August gingen zwei russische Bataillone über die Brücke östlich Jazlar und erstiegen den Höhenrücken, welcher sich längs der Ostseite des schmalen Lomthales hinzieht. *) Die Skizzen des hier in Rede stehenden Geländes sind in Nr. 86, 87 und 88 der Jahrbücher enthalten.

316

Über die Kämpfe am Lom

Nachdem die vorgeschobenen türkischen Posten sich in dem Grund der den erwähnten Höhenzug von der sogenannten Jenikiöjer Stellung trennt, zurückgezogen hatten , eröffnete eine türkische Batterie von den gegenüberliegenden Bergen und Tirailleure aus der Schlucht ein augenscheinlich wirkungsloses Feuer gegen die Tête der russischen Bataillone .

Diese hatten

mittlerweile Halt gemacht und

schienen

Verstärkungen zu erwarten . Da es keineswegs in der Absicht der Türken liegen konnte , ein offensives Gefecht zu führen , so stellte die Batterie gegen 9 Uhr ihr Feuer ein und es entstand eine fast vollkommene Kampfpause , von 11/2 Stunden, die nur durch einzelne Schüsse der gegenüberstehenden Schützen unterbrochen wurde . Erst als um 10/2 Uhr auf dem südlichen Ausläufer des erwähnten Höhenzuges ein

russischer Stab er-

schien und nach erfolgter Orientierung neben ihm vier aufgefahrene Geschütze ihr Feuer auf die türkische Batterie richteten, wurde auch von den Türken das Feuer wieder lebhaft aufgenommen. Die russischen Bataillone hatten nunmehr auch ihre deckende Stellung verlassen, formierten sich zum Angriff und warfen die dünn verteilten türkischen Schützen zurück. Während der

erwähnten Vorgänge

auf der türkischen

Front

zeigte sich gegen 122 Uhr eine russische Eskadron bei Kizilar, um wie es schien über Sepeci die Rückzugslinie der Türken zu bedrohen. Dies Auftreten musste die Türken umsomehr beunruhigen , als die drei vorhandenen Bataillone in der Front engagiert waren und von den etwa 200 Mann starken Irregulären mit Bestimmtheit angenommen werden konnte , dafs sie jedem ernsten Engagement bei Zeiten ausweichen würden .

Das Dorf Sepeci

war kaum 3000 Meter von

Kizilar entfernt und ganz unbesetzt. Die

auf türkischer Seite

jedoch nicht bestätigen .

entstandene

Befürchtung

sollte

sich

Die russische Eskadron sitzt in Kizilar ab,

eine Patrouille von vier Reitern geht auf der Strafse nach Sepeci einige hundert Meter vor, kehrt wieder um und stellt sich als Vedette bei dem ersterwähnten Dorfe auf. Russische Geschütze treten dann um 4 Uhr nachmittags bei Kizilar in Thätigkeit ,

sonst bleibt

die

Situation vollkommen unverändert bis 5/2 Uhr abends. Fünfzehn Tage vor diesem Gefecht war nach unserer Angabe Emin Pascha von Schumla aus zur Rekognoszierung vorgegangen und hatte

am 8. August ein

unbedeutendes Gefecht geliefert .

Hierzu

bemerkt der russische Generalstabsoffizier W. T .: „ Dafs Emin Pascha früher als am 23. Juli (4. August) aus Schumla abmarschierte, geht daraus hervor, dafs es bereits am 23. Juli (4. August) bei Popkiöj

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. zwischen

der

1. Brigade

der

1. Infanteriedivision

Wajachewich und den Türken zum Gefecht kam. dasselbe Gefecht ,

welches

des

317 Generals

Es ist dies aber

nach der Meinung v. T.'s am 27. Juli

(8. August) stattfand . Emin Pascha hat auch

heifst es weiter

von den Kirizen-

Höhen nicht die rückgängige Bewegung der russischen Compagnieen von Popkiöj nach Karagatsch sehen und sie für eine Kolonne halten können, die von Jazlar nach Popkiöj marschierte. Wir nennen Kirizen die Berge, auf welchen der Autor die vier Geschütze postiert hatte, welche dort thatsächlich gar nicht standen. Der Autor nennt Kirizenhöhen

diejenigen Berge ,

welche Scheitan-

Tepe u. s . w. heifsen und von den Türken am 9. (21. ) August besetzt wurden . " Kirizenberge werden nun

wohl

aber diejenigen Ausläufer des

Derbendbalkans genannt, deren Längenrichtung dem Laufe des KaraLom parallel geht, während Sejtan- (Scheitan-) Gebirge der quer vorgelagerte Höhenzug heifst, der als südlicher Abschlufs der türkischen Stellung von Rasgrad galt.

Auf dem Sejtan-Tepe

bei Sarnasuflar angelegt , das den Schlüssel bildete. Was Emin Pascha

anbetrifft ,

nachmittags 3 Uhr von Varna

so

war das Lager

zur Jenikiöjer Stellung

ist derselbe

am

3. August

nach Schumla gereist , am 4. nach-

mittags 2 Uhr vom Oberkommandanten Mehmed Ali im Lager von Schumla empfangen worden , rückte

an

demselben Tage

hat

am

5. seine Truppen

um 11 Uhr nachts

besichtigt,

über Eski-Dzuma

nach den Kirizenbergen ab und traf, zurückberufen, am 10. August abends 8 Uhr bei fürchterlichem Regenwetter wieder in Schumla ein. Das Gefecht vom 21. August ( 9. August) ist nach W. T.'s Ansicht der Hauptsache nach richtig wiedergegeben ; doch „ läfst der Autor bei den Einzelheiten seiner Phantasie allzuviel Spielraum. ist es sonderbar zu lesen,

dafs

sich

So z . B.

auf der rechten Flanke zwei

russische Bataillone (Newski) mit Hurrahruf aus ihren Schützengräben hervorgestürzt hätten. Hier waren gar keine Erddeckungen und konnten gar keine sein ;

auch rief das Newskische Regiment bei

Paschakiöj gar nicht Hurrah und stürzte sich auch auf niemand. — Die Tscherkessen wurden von den Schützen der 1. Schützencompagnie mit

Gewehrfeuer

vertrieben

unter Mitwirkung von Kartätschfeuer

derjenigen Geschütze, welche auf den Berg gebracht worden waren. Dagegen stürzten sich unsere Ulanen auf sie. " Wenn diesseits von den zwei russischen Bataillonen gesagt ist,

Über die Kämpfe am Lom

318

dafs sie in Compagniekolonnen aus den Deckungen hervorbrachen , so ist darunter das deckende Gehölz verstanden worden. Was die Attacke auf die Tscherkessen

bei Arablar anbetrifft,

so sind diesseits die russischen Ulanen allerdings für Husaren gehalten worden. ,,Dafs der Kampf um 4 Uhr sein Ende erreicht -- heifst es

seitens des

russischen Kritikers

weiter

ist richtig ,

aber nicht,

dafs unsere Truppen Attacken auf der rechten und auf der linken Flanke unternahmen . Vermutlich hielt der Autor einige Bewegungen unserer im Kukuruz postierten Kette für Angriffsversuche. Es ist auch nicht richtig , dafs , als die türkische Infanterie und die polnische Legion (48 Mann) sich (nach den Worten des Autors) gegen unsere linke Flanke warf, zwei unserer reitenden Geschütze westlich von Kizilar auffuhren und die Vorbewegung der Türken aufhielten . Unsere beiden reitenden Geschütze standen zwischen Kizilar und Resim-Paschakiöj bis 1 Uhr nachmittags , konnten aber mit ihren Schüssen die Attacke der türkischen Truppen auf unsere linke Flanke nicht stören. Wahrscheinlich hielt der Autor die beiden Geschütze des Stabskapitäns Reck, welche um 4 Uhr auf dem schmalen Höhenrücken, westlich von Kizilar, postiert waren, für reitende . Um diese Zeit war aber keine Unternehmung auf türkischer Seite bemerkbar. Es ist nicht möglich, dafs die Infanteriekolonnen und die ungedeckt stehende Kavallerie, auf welche diese beiden Geschütze feuerten , die Truppen waren , welche sich nach des Autors Worten zum Angriff auf unsere rechte Flanke in Bereitschaft setzten. so sein ,

so hätten

türkischen Angriffs worben. " -

sich

Sollte dem dennoch

diese beiden Geschütze durch Störung des

ein von uns gar nicht geahntes Verdienst er-

" Woher weifs der Autor schliesslich - wird fortgefahren - dafs wir aus der Reserve (welche gar nicht vorhanden war) anfangs, um 4 Uhr nachmittags, ein Bataillon und dann spät am Abend noch eins vorzogen?

Wahrscheinlich handelt es sich hier um das 3. Bataillon des Newskischen Regiments , welches nach seiner Ankunft von der rechten Flanke her anf den Kirizen als Reserve hinter unserer linken Flanke aufgestellt wurde und um das 1. Bataillon desselben Regiments, welches alsdann von dem Brunnen Nr. 2 nach der rechten Flanke dirigiert wurde. " „Der Autor beschuldigt uns - lautet die Kritik weiter -- wir hätten nicht mit allen sechs Bataillonen gleichzeitig operiert , dern sie nach einander ins Gefecht geführt. meint er,

würden wir die türkische Position

son-

Im ersteren Falle, ohne grofse Verluste

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. erobert haben.

319

Wir wollten aber weder die Position von Sarnasuflar

noch die von Jenikiöj erobern.

Ausserdem sagt ja der Autor selbst,

dafs im Lager von Sarnasuflar 15 Bataillone Infanterie und 4 Eskadrons Kavallerie standen. " Hierzu erlauben wir uns Nachstehendes zu erwidern : Während unter wechselndem Erfolge der Kampf um die Schlucht, welche im Centrum die russische Stellung von der türkischen trennte, fortgeführt wurde, rafften sich die Türken und die polnische Legion auf die Nachricht von anmarschierenden Verstärkungen gegen 4 Uhr nachmittags

zu

einem

energischen Vorstofse auf.

Schon schienen

sie vom Glücke begünstigt, schon formierten sich auf dem türkischen linken Flügel zahlreiche Gruppen Baschibozuks zu einem Angriff auf Kizilar , als zwei russische Geschütze bei dem erwähnten Orte ihr Feuer sowohl gegen die Irregulären wie die in der Schlucht vorgehenden Türken mit grofser Sicherheit eröffneten.

Die türkische

Vorbewegung geriet ins Stocken und das Gleichgewicht war wiederhergestellt. Sollte demnach russischerseits

ein Schwanken in der Ansicht

entstanden sein, ob die hemmende Wirkung

wie sie seinerzeit in

den Jahrbüchern angegeben war - möglicherweise

oder unmöglich

auf die erwähnten zwei russischen Geschütze bei Kizilar zurückzuführen sei, so ist darauf zu verweisen, dafs die weit nach links ausholende

türkische Vorbewegung dem

Batterie in der Front entzogen gegen sich demaskierte.

war ,

Gesichtskreis

der russischen

gegen den linken Flügel da-

Was den Schlufs des Gefechtes um 4 Uhr anbetrifft , so konnte davon um so weniger die Rede gewesen sein, als, wie bereits früher erwähnt war, der türkische Vorstofs um 4 Uhr nachmittags unternommen wurde , dann die beiden russischen Geschütze bei Kizilar in Aktion traten und schliesslich um 51/2 Uhr die türkischen Reserven eingriffen. Von einem gemeinsamen Vorstofs wurde allerdings Abstand genommen , unterhalten.

jedoch

bis 8 Uhr abends

das Tirailleurfeuer

Es war seinerzeit in dieser Zeitschrift erwähnt worden , russischerseits sowohl um 4 Uhr

als in

Reservebataillon herangezogen wurde.

dafs

später Abendstunde je ein

Da nun eingeräumt wird, dafs

zuerst das dritte , dann das erste Bataillon des Newskischen Regiments eine veränderte Stellung erhalten, so sind damit die erwähnten Ob die Reserven nun urWahrnehmungen vollkommen bestätigt. sprünglich oder nicht waren, ist wohl gleichgültig ; sie kommen aber 22 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

320

Über die Kämpfe am Lom

erst in Betracht, wenn sie selbst oder ihr nahes Eintreffen Wirkungen äufsern. Es ist richtig, dafs in Sarnasuflar fünfzehn türkische Bataillone standen. Da jedoch die Entfernung , wie bereits bemerkt ist , von dem erwähnten Orte bis auf das Gefechtsfeld reichlich sechs bis sieben Stunden für Infanteristen betrug, so wäre vor dem Eintreffen der türkischen Verstärkungen der Kampf von

sechs geschlossenen Bataillonen gegen drei auf langer Linie zerstreute längst entschieden gewesen. Schliefslich wendet sich der russische Kritiker noch in betreff dieses Gefechtes gegen die ein Jahr vorher gemachten Auslassungen seiner Kameraden und sagt :

" Was wegt ,

die Verfasser (N. L. und A. K.)

die Beschreibung des Kampfes

der Anmerkungen be-

vom 9. ( 21. ) August immer

für die der Kämpfe am 10. ( 22. ) und 11. ( 23.) August anzusehen und sich zu wundern , dafs wollen , ist mir unerklärlich.

die Daten u. s. w. nicht stimmen v. T. wollte eben den Kampf vom

9. (21.) August beschreiben und nicht die vom 10. (22. ) und 11 . (23.) August. v. T. sagt ganz richtig , dafs die Türken nach dem Kampf am 9. eine Wiederholung des russischen Angriffs für den folgenden Tag erwarteten, da es ihnen schien , dafs wir Verstärkungen erhalten hätten. Er irrt sich aber, wenn er sagt, dafs unsere Truppen auf den Höhen

des

rechten Lomufers

aufgestellt

waren vielmehr nach Popkiöj zurückgegangen standen nur die

vom 2. Bataillon

ausgesetzten Vorposten. dafs Baker Pascha

waren ,

sie

und auf den Höhen

des Njaschinskischen Regiment

Noch mehr irrt er sich, wenn er annimmt,

auf persönlichen Befehl Mehmed Alis

sich am

Morgen mit acht Bataillonen nach der Brücke bei Ajaslar längs des Thales des Kizilarbachs dirigierte drohten russischen Bataillone

und dadurch die im Rücken be-

veranlafste ,

Lomufers zu verlassen und nach Njaslar

die zu

Höhen des rechten

entweichen.

Wäre er

längs des Thales des Kizilarbaches marschiert, so wäre er nicht nach Ajaslar, sondern nach Araplar gekommen, weil es zwischen Kizilar und Ajaslar gar keinen Bach giebt. " " Von dem nächtlichen Kampfe vom 10. (22. )

August und vom 11. ( 23. ) August gar nichts bekannt.

zum 11. (23.)

ist dem Autor augenscheinlich

Vielleicht lag es ihm auch nicht daran , etwas

davon zu wissen, weil dieser Kampf für den allgemeinen Gang der kriegerischen Ereignisse keine Bedeutung hatte ; es blieb eben nach demselben alles beim alten : die Türken eroberten die Lombrücke, besetzten die Höhen des rechten Ufers und unsere Vortruppen

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. standen beim Haue von Njaslar wie zu anfang des Gefechts . völlige Unkenntnis v. T.'s

321 Diese

über das so bemerkenswerte und hoch-

interessante Nachtgefecht bei Ajaslar gab wahrscheinlich den kritisierenden Offizieren

zu der Meinung Veranlassung , v. T. habe

die

Kämpfe vom 9. (21. ) , 10. ( 22.) und 11. (23.) August mit einander verwechselt. " Es war in dem diesseitigen Aufsatze angegeben worden , dafs die Türken den russischen Angriff mit verstärkten Kräften am nächsten Tage erwarteten ; sie mufsten auf diesen Gedanken kommen , da russische Truppen auf dem mehrfach erwähnten Höhenzuge mit dem Defilée des Lom im Rücken zurückgelassen waren. Hätten die Türken ahnen können, daſs das russische Gros trotz der Verstärkung über den Lom nach Popkiöj zurückgegangen wäre , um am nächsten Tage den Vormarsch von neuem wieder anzutreten ,

so wäre Baker

Pascha kaum mit dem speziellen Auftrage einer Umgehung der russischen Stellung behelligt worden. Was übrigens den Kizilarbach anbetrifft ,

so hat Baker Pascha

bei seinem Vormarsche nach Jazlar Gelegenheit gehabt, sich von der Existenz des Kizilarbaches wie seiner Mündung in den Kara Lom südöstlich Jazlar zu überzeugen. Das Nachtgefecht vom 10. zum 11. August war als bedeutungslos seinerzeit nicht in den Jahrbüchern besprochen worden.

Über die Wichtigkeit ,

die demselben von rus-

sischer Seite beigelegt zu werden scheint, dürfte um so schwerer sich ein Urteil bilden lassen, als einmal behauptet wird , die Nachtkämpfe hätten „ für den allgemeinen Gang der kriegerischen Ereignisse gar keine Bedeutung gehabt, alles wäre beim alten geblieben ", während dieselben gleich darauf „ so bemerkenswert und hochinteressant " genannt werden.

Über das Gefecht von Karahasankiöj am 30. August wird alsdann im Augustheft 1879 des Sbornik geschrieben : Schon am 25. ( 13. ) August waren den Befehlshabern in der des Kommandeurs des 13. Corps mitgeteilt,

Division die Befehle

in welchen die Bedeutung der eingenommenen Position auseinandergesetzt wurde .

Dabei empfahl man den Truppen ,

die sich auf der

Position bei Popkiöj und Karahasankiöj befanden, den Feind nur in seiner Entwickelung aufzuhalten. Unter anderem war mit bezug auf die Karahasankiöjer Stellung gesagt : „ Es ist zu vermeiden , aus Gagova nach Karahasankiöj grofse Soutiens zu schicken , da dieses Detachement genötigt sein wird , längs des Defilées nach Gagova zurückzukehren. " " Dieser Corpsbefehl ist von Interesse , weil 22*

Über die Kämpfe am Lom

322 er die

später noch

stärker

sich geltend machende Besorgnis

vor

einem türkischen Durchbruch auf Tirnowa ausdrückt , eine Besorgnis, der zufolge man sich thunlichst auf die Defensive beschränken wollte. " Über dasselbe Gefecht heifst es dann an anderer Stelle : „Es verbreitete sich die Nachricht , dafs das 140. Sereiskische Regiment genötigt gewesen wäre ,

sein ganzes Lager zu verlassen,

seine Zelte und gleichzeitig auch das Dorf zu verbrennen , dem Feinde nicht in die Hände fallen zu lassen. "

um es

Das plötzliche Verlassen des Plateaus von Karahasankiöj und des Dorfes gleichen Namens seitens der Russen, die sich hier mit grofser Tapferkeit gegen mehr als doppelte Übermacht fast sechs Stunden gehalten hatten, so dafs die Türken nur sehr langsam Terrain gewinnen konnten , war wohl darauf zurückzuführen , dafs die. Russen, nachdem das Dorf Hajdarkiöj auf dem linken Lomufer um 53/4 Uhr durch die türkische Brigade Sabit besetzt war , fürchteten, dieselbe könne ihnen , von dort aus längs dem linken Lomufer vorgehend, das enge Defilée über diesen Flufs auf dem Wege von Karahasankiöj nach Gagova verlegen. Dahin deutete auch der Abmarsch der zwei russischen Eskadrons, die bei Hajdarkiöj standen, zur Aufstellung an dem erwähnten Defilée . Hinsichtlich des Gefechtes bei Kaceljevo am 5. September 1877 wird im Septemberheft 1879 des Sbornik dem Verfasser dann der Vorwurf gemacht , "" den Kämpfen um Kaceljevo gröfsere Bedeutung beigelegt zu haben , als um Ablava, weil erstere erfolgreich gewesen wären , bei letzteren die Türken aber eine starke Schlappe erhalten hätten. " Nach der Ordre de bataille

zum 5. September waren die An-

griffe der Division Fuad von Solenik aus gegen die Front der russischen Stellung nördlich von Kaceljevo , der Division Sabit gegen die rechte Flanke von Crtsinova her , der Brigade Reschid gegen die feindliche Rückzugslinie Kaceljevo- Stroko gerichtet. Das Gefecht verlief, mit Ausnahme der übereilten Ordre Fuads an die Brigade Reschid, die Umgehung aufzugeben und sich ihm als Reserve anzuschliefsen, vollständig der Disposition gemäfs . Während die Russen gegen 1 Uhr mittags auf das Plateau westlich von Kaceljevo zurückgeworfen wurden, und die Division Fuad ihnen durch die tiefe Schlucht, die die östlichen Höhen von Kaceljevo von dem erwähnten Plateau trennt , folgte , setzte die Division Sabit auf der Strafse Crtsinova-Kaceljevo ihren Vormarsch fort und geriet

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.

323

dabei in das Feuer der russischen Batterieen bei Ablava * ) , welches ihr einige Verluste verursachte. Sabit Pascha entsandte nunmehr zwei Bataillone Nizam unter dem Obersten Ibrahim und die Tscherkessen , waren, zur Vertreibung der in Rede

die gerade zugegen

stehenden russischen Batterie.

Schon schien Ablava im Besitze der Türken und die russische Batterie ernstlich bedroht, als die Nizams

sich in der linken Flanke

und im Rücken durch russische Übermacht bedroht sahen .

Schritt

für Schritt verteidigend wichen sie zurück, die Tscherkessen dagegen lösten sich in wilder Flucht auf und erreichten, den Flufs zum Teil durchschwimmend , das andere Lomufer. Dies war die Episode bei Ablava, ähnliche Beachtung gefunden hatte.

die auch an früherer Stelle

Die russische Batterie blieb bei

Ablava und setzte ihr Feuer mit ungeschwächten Kräften , doch abnehmender Wirkung bis 43/4 Uhr fort, zu welcher Zeit ein Wolkenbruch der Schwüle des Tages und dem russischen Artilleriefeuer ein Ende machte. Der türkische Vormarsch , Angriff und die Besetzung des Plateaus westlich von Kaceljevo sind keinen Augenblick durch den erwähnten Kampf bei Ablava irgendwie beeinflusst worden. In betreff des Vormarsches der Türken zu dem hier in Rede stehenden Gefechte sagen die mehrerwähnten russischen Offiziere : ,,Soviel uns bekannt ist, wurde der Angriff der Türken anfängUns war lich in der Richtung auf Ogarcin und Cerovce erwartet. sogar die Bewegung des Feindes im Thal des Solenikbaches bekannt, wie aus der Relation des Generaladjutanten Baron Driesen über den Kampf bei Kaceljevo und Ablava durch Berichte der Kavallerietruppen ersichtlich ist, die am 23. August (4. September) durch die Türken aus Ogarcin, Kostanca und Solenik verdrängt wurden , worauf der Feind diese Punkte durch Infanterie besetzte . Bei dem türkischen Vormarsche mufste aber mit der Länge des zu verteidigenden Abschnittes angesichts werden. " -

unreres

Rustschuker Detachements

An der betreffenden Stelle

unseres Aufsatzes

gerechnet

wurde

hervor-

gehoben, dafs der Anmarsch der Division Fuad im Thale des Solenikbaches nach Kaceljevo unmöglich von den Russen bemerkt sein konnte, diese vielmehr wahrscheinlich auf einen Angriff von Südosten gerechnet hätten,

wofür

auch die

Verteidigungsvorrichtungen

sprachen ,

die

*) Ablava ist ein unbedeutendes hochgelegenes Dorf auf dem linken Lomufer, mit Kaceljevo durch einen Landweg verbunden.

324

Über die Kämpfe am Lom

Russen sich sonst auch kaum zu einem Kampfe mit dem weit überlegenen Gegner in einem Abschnitt eingelassen hätten , in dem die Rückzugslinie parallel zur Front lief u. s. w. An Stelle dessen wird nun der türkische Vormarsch als durch russische Kavalleristen rechtzeitig gemeldet angegeben.

Ist in diesem Falle die Länge eines zu

verteidigenden Abschnittes ein Grund ,

den

einzigen Weg

steigen des Plateaus von Kaceljevo nicht zu verteidigen ?

zum ErDie Ver-

teidigung hätte um so leichter bewerkstelligt werden können , als der schlecht erhaltene Weg überaus steil, durch Regengüsse obenein aufgeweicht war , so dafs z. B. zum Hinaufziehen eines einzelnen Geschützes aufser acht Ochsen eine halbe Compagnie erforderlich war, und alle diese Manöver mit der den Türken eigentümlichen Langsamkeit ausgeführt wurden . Über die Bewegungen der Türken nach dem Gefecht wird dann von derselben Stelle aus geschrieben : „ Das Abweichen Mehmed Alis von seiner Direktion hatte für uns ungemeine Bedeutung.

Weder in Stroko noch auf dem Wege nach

Bjela, wohin von Stroko

nur 26 Werst sind ,

hatten wir Truppen.

In Bjela, woselbst sich die Trains, das Hospital und grofse Vorräte befanden , stand nur eine Compagnie des Capirskischen Regiments zur Verfügung des Etappenkommandanten. Den Angriff der Türken auf Bjela zu hindern hatten wir gar keine Mittel. Auf der linken Flanke des

Rustschuker

Detachements

an

der Donau gegenüber

Rustschuk stand nur die 12. Infanteriedivision in sehr gefährdeter Position.

Im Centrum bei

Kaceljevo

und Ablava befand

sich die

33. Division und Teile der 1. Division unter Gefahr , von der überlegenen Zahl des Feindes erdrückt zu werden. Auf der rechten Flanke von Opaka bis Popkiöj stand das 13. Corps mit Ausschluſs der beiden nach Ablava kommandierten Regimenter. " Nach dem Gefecht von Kaceljevo

waren im Stabe Mehmed Ali

Paschas Stimmen laut geworden ,

die den Sieg in einer sofortigen Offensive in der Richtung auf Bjela mit dem Ziele Plewna ausgenutzt wissen wollten und sich unter anderem auf die Ansammlung bedeu-

tender russischer Kräfte gerade in südlicher Richtung zum Schutze von Tirnova beriefen , während andererseits und namentlich von dem früheren englischen Obersten Baker Pascha einer Diversion nach dem Süden behufs Vereinigung mit Suleiman Pascha das Wort geredet Der letztere Einfluss gewann Oberhand . Dem unglücklichen

wurde.

Gefecht bei Cerkovna-Cairkiöj folgte die Abberufung Mehmed Alis . ""Was den Kampf bei Cerkovna - Cairkiöj ( 9. ( 21. ) September 1877 ) anbetrifft", - wird von dem Kritiker im Oktober 1880

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.

325

„ so nennt v. T. unsere Position eine ideale ; dabei geäufsert wurde sie aber von der türkischen namentlich durch die bei dem Osikowschen Walde errichtete Batterie Nr. 3 überhöht. "

" Bei der Erwähnung, dafs unsere Batterieen der türkischen Batterie Nr. 3 grofse Verluste zugefügt hätten , ist v. T. der Meinung, dafs die Vernichtung dieser Batterie uns zu einer Attacke des türkischen rechten Flügels hätte veranlassen können, während er selbst weiter oben sagte , dafs nach Ansicht der Türken bei uns auf der Position von Cairkiöj

im

ganzen

nur

drei Regimenter vorhanden

waren ; auf welche Weise sollten, so fragen wir, diese beiden Regimenter, welche es mit zwei oder gar drei Divisionen zu thun hatten , eine so weite Angriffsbewegung

unternehmen?

Es

erscheint

Supposition um so sonderbarer, wenn man bedenkt , unserem linken Flügel nur zwei Bataillone

dafs

befanden ,

diese

sich auf

die

sich in

einer dünnen unterbrochenen Linie mehr als 1/2 Werst ausdehnten. " Das Plateau von Cairkiöj , das von den Russen feldmäfsig befestigt war, fiel in stetiger Böschung gegen das Vorterrain in einer Weise ab, die die rasanteste Ausnutzung des Gewehr- und Geschützfeuers erlaubte. In dem offenen Vorterrain war kaum ein Schritt unbestrichenen Raumes zu finden .

Die russische Stellung war voll-

kommen in sich abgeschlossen und gewährte Verbindung nach rückwärts .

obenein ungefährdete

Das Plateau von Cairkiöj

war dem

Umfange nach nicht gröfser, als Truppen zu seiner Verteidigung vorhanden waren und nötigte den Defilée im Rücken zu kämpfen.

angreifenden Gegner ,

mit einem

Es ist nun allerdings richtig , dafs die egyptische Batterie III. im Nordosten von Cerkovna die russische Stellung um ein geringes überhöhte.

Da jedoch eine Überhöhung wohl nur zur Sprache kommt,

wenn man sich der Vorteile, die sie bietet, thatsächlich bedient, die erwähnte egyptische Batterie dagegen vom Anfang bis zum Schlufs des Gefechtes 2-300 Meter zu kurz schofs und daher nur die türkischen Tirailleure in eine prekäre Lage brachte ,

so war die Idea-

lität der russischen Stellung durch die egyptische Batterie nicht im entferntesten beeinträchtigt. Die türkische Aufstellung bei Cerkovna war der Defensive möglichst ungünstig.

Keine Flanke war angelehnt, daher kein selbstän-

diger Abschnitt für die Verteidigung vorhanden , dem bedeckten zerklüfteten Terrain fast

die Übersicht in

unmöglich, der verdeckten

Annäherung eines Angreifers auf das entschiedenste das Wort geredet. Zu der Verteidigung des erwähnten Abschnittes waren mehrere Divisionen erforderlich ;

Mehmed Ali hatte

aber in der That nur

326

Über die Kämpfe am Lom

zwei Bataillone der

Brigade Assim ,

drei

Bataillone Ali

und

ein

Bataillon Sad Eddin, mithin eine Effektivstärke von etwa 2000 Mann zur Hand. Da die russische Stärke auf dem Plateau von Cairkiöj nach ihrer eigenen Angabe 15 Bataillone betrug (s . später) , so wurden, während fünf Bataillone

in so starker Stellung

sechs

bieten konnten , zehn Bataillone zur Offensive

türkischen

die Spitze

gegen drei türkische

disponibel. Auf dem Plateau von Cairkiöj

war die Koncentration von 10

Bataillonen innerhalb 30-40 Minuten zu vollziehen , während Mehmed Ali mehrere Stunden gebraucht hätte, um nur ein Bataillon der Brigade Ali Risa oder der Egypter heranziehen zu können .

auf die Höhen

von Cerkovna

Eine russische Vorbewegung über Verboka gefährdete Mehmed Alis rechten Flügel und seinen Rückzug auf Osikowa , ein Vormarsch auf Karadasch und Vodica seine grofse Etappenlinie .

Die türkische

Artillerie hätte in beiden Richtungen kaum eine einzige Aufnahmestellung gefunden. Auf ersterem Wege, der der gefahrvollere war, fanden die Russen noch die Division Sabit , deren Eingriff jedoch sehr fragwürdig war, da sie an eine bestimmte Instruktion durch Achmed Ejub gebunden war; auf letzterem Wege nur die Egypter, die noch voll der frischen Eindrücke einem Kampfe geschickt ausgewichen wären . Zu erstem Unternehmen war Gelegenheit nach zeitiger Vertreibung der türkischen nach dem Ali Risa.

Bataillone Assim

abgeschlagenen

Angriff der

aus Verboka, zu Egypter

letzterem

und der Brigade

„ Interessant ist auch - wird fortgefahren - was v. T. über das Verhalten der türkischen Gardisten sagt. Ein eigentümliches Mittel in der That. Solcher Fälle werden aber vermutlich nicht viele vorgekommen sein, da das 2. Bataillon des Newski'schen Regiments, welches gegen das 3. türkische Gardebataillon mit solcher Entschiedenheit vorgegangen sein soll, im ganzen nur 12 Mann an Verwundeten während des von 2-7 Uhr nachmittags währenden Kampfes verlor. " „Andererseits, schreibt v. T. , waren die türkischen Schützen nicht durch einen Baum oder Strauch vor dem mörderischen Flankenfeuer des Gegners gedeckt. " „ Man braucht nur auf Plan 3 zu blicken , um sich zu überzeugen, dafs wir gar kein Flankenfeuer auf die türkische Postenkette abzugeben vermochten.

Eine Phantasie v. T.'s offenbar. "

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.

327

Es ist ein bekanntes türkisches Manöver, das schon im serbischtürkischen Kriege 1876 bei Aleksinac-Deligrad wie bei Sajscar angewandt wurde , dafs der einzelne Türke oder eine Rotte vermittelst Hand- und Seitengewehr sich eine kleine deckende Erdbrustwehr in Halbmondform aufwirft , feuern.

um

hinter derselben hockend gedeckt zu

Der Türke klebt jedoch an dieser Deckung nicht , sondern

überläfst sie vorspringend und sich von neuem eingrabend einem Hintermanne. Gleicherweise bedient sich der Türke eines verwundeten oder gefallenen Kameraden zu eigener Deckung.

Die Fechtart der Türken in zerstreuter Form widerspricht so vollständig den an sich ungeschickten Bewegungen in geschlossener Ordnung, bekundet aber eine grofse Anlage und Sicherheit in Nutzbarmachung des Terrains , die selbst bei gröfseren Verhältnissen in der Defensive, wie z . B. im Etropolbalkan , Schipka , ja sogar bei Plewna mehr auf den militärischen Instinkt zurückzuführen , als Folge einer begründeten Form ist.

So wird der Türke einzelne Werke an

den günstigsten Punkten anlegen , zu einer Verbindung benachbarter Anlagen aber erst durch die Notwendigkeit der direkten Erfahrung geführt werden. Das erwähnte sichere Benehmen im Terrain verfehlte aber auch nicht auf die Russen bei Cairkiöj einen bedeutenden Eindruck zu machen, ein Eindruck ,

der sie verhinderte ,

die dünne

türkische Kette, die sich 300 Schritt von ihren Schanzen eingenistet hatte , mit dem Bajonett zu delogiren . Hinsichtlich des

Flankenfeuers " , von dem im russischen Citat

zu lesen ist , mufs auf Seite 78 des Januarheftes vom Jahre 1879 dieser Zeitschrift verwiesen werden , wo es wörtlich heifst : " Kein Baum oder Strauch deckt oder blendet unterdessen die türkischen Bataillone, die dem vernichtenden Senkfeuer des Gegners schwere Tribute zahlen müssen " Das Mifsverständnis dürfte demnach auf unzureichende Uebersetzung zurückzuführen sein . „ Noch auffallender ist das, was v. T. gleich darauf schreibt " heifst es dann weiter. " Bis zur linken Flanke, d . h. bis zum Dorfe Juruklere, betrug die Entfernung aber 5 Werst.

Wie konnte das ,

was dort vorging, die Aufmerksamkeit der Gardebataillone ablenken, die so ohne Unterlafs die geringste Bewegung der in ihren Befesti" gungen sitzenden russischen Soldaten beobachteten ,,Anstatt nun sogleich zu erklären, welches interessante Ereignis die Aufmerksamkeit der so energisch avanzierenden Türken ablenkt, beschreibt v. T.

die Bewegung der Division Ismail aus Woditza, wobei wir nur bemerken wollen , dafs ein enges Defilée des Jordan-

Über die Kämpfe am Lom

328

flusses , welches diesen Vormarsch aufgehalten haben soll , in Wirklichkeit gar nicht existiert.

Auch an die Grundlosigkeit der Wege

(nach dem 24. August herrschte stets trockenes Wetter) vermögen wir nicht zu glauben ; bei uns in Cairkiöj und Werbowka waren alle Wege trocken. " „Da uns aus der Relation des Generals Tatischtschew bekannt

ist, dafs das Gefecht bei Juruklere schon um 2 Uhr begann und dafs dann eine dichte türkische Schützenkette sogar den Kamm der dem Dorfe Juruklere gegenüberliegenden Höhen erreichte und unsere äufserste rechte Flanke umfafste, so erscheint es höchst merkwürdig, auf welche Weise das türkische Gardebataillon , welches sich den des 2. Bataillons unseres Newskischen Regiments auf 300 Schritt gegenüber befand, sich plötzlich bei dem Walde von Juruklere zu befinden und die Flanke unserer zur Verfolgung der egyp-

Logements

tischen Brigade aus ihren Deckungen hervorbrechenden Bataillone zu umfassen vermochte. Man könnte meinen, es habe noch ein zweites. Gardejägerbataillon gegeben , welches unsere äufserste rechte Flanke umfafst hätte. " ,,Im Gegensatz dazu lesen wir aber , dafs unsere Bataillone ihrerseits die Flanke und den Rücken eines der Bataillone Sad Edin's, die sich nach den Croquis v. T.'s am Jordan befanden, umfafst hätten . Folglich musste das Gardebataillon, welches unsere Flanke umfaſste, dasselbe gewesen sein, welches mit dem Newskischen oder auch mit 66 dem Rylskischen Regimente kämpfte .

" Der Kampf schlofs noch bei Tageslicht ,

da Generallieutenant

Tatischtschew noch vor Eintritt der Dunkelheit fast die ganze Gefechtslinie abzureiten vermochte.

v. T. behauptet, dass nach Eintritt

der Dunkelheit der erbitterte Kampf noch fortgewüthet habe. Das Artilleriefeuer hörte schon um 7 und nicht erst um 81/2 Uhr auf. Auch über die Stärke unserer Truppen, die auf 18 Bataillone angegeben wird , müssen die Türken , trotz der augenscheinlich gut eingerichteten Spionage, nicht genau unterrichtet gewesen sein . Wir hatten im ganzen nur 15 Bataillone zur Verfügung , erster Linie. "

davon 12 in

Zu diesen Auslassungen möchten wir uns nachstehende Entgegnung gestatten . Der türkische linke Flügel , die Division Ismail , bestehend aus 6 egyptischen Bataillonen unter Jussuf und 3 türkischen unter Ali Risa, hatte von Vodica über Karadasch ausgeholt, um, den russischen Flügel umfassend , das Plateau von Cairkiöj von Südosten her anzugreifen .

Die Epypter kamen um 11/2 Uhr, die Berge von Karadasch

während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.

329

herabsteigend, ins Feuer der im vorliegenden Walde östlich von Cairkiöj ausgeschwärmten russischen Tirailleure. Ungenügende Rekognoszierung seitens Husni-Paschas , des Chefs des Stabes vom Prinzen Hassan von Egypten, trug die Schuld, dafs die der Infanterie ursprünglich zugeteilte egyptische Artillerie auf unpassierbarem Wege der Infanterie nicht folgen konnte. In 2 Treffen zu je 3 Bataillonen wanden sich die egyptischen Bataillone durch das ungünstige Terrain , Feuer der russischen Batterien gelangten .

bis

sie

auch unter das

Der Eindruck der einschlagenden Hohlgeschosse auf die Egypter war überwältigend .

Ordnungslos und unaufhaltsam wogen sie durch

die Reihen der türkischen Brigade Ali Risa, die ruhig sich zum Angriff formierte. Die rückgängige Bewegung ist aber von den Russen bei Juruklere bemerkt worden und ein paar Bataillone gehen zur Verfolgung vor .

Sie treffen zunächst auf Abteilungen

des türkischen Kasarieh-

Gardejägerbataillons , das, im Begriff sich zum Angriff auf das feindliche Plateau anzuschicken durch heftiges Feuern in seiner linken Flanke und wie es schien auch im Rücken , seinen linken Flügel in der erwähnten Richtung

verlängerte.

Doch ist nunmehr auch die

Brigade Ali Risa mit dem Gegner handgemein bis in die russischen Schanzen vorgedrungen und weicht erst um 312 Uhr dem vereinten Angriffe grofser Übermacht , hält jedoch die Waldlisiere östlich von Cairkiöj fest. Während dieser Vorgänge kämpfen drei türkische Gardebataillone im Centrum der Stellung unter grofsen Verlusten mit unerschütterlichem Mute. Alle Bemühungen des Gegners , sie zurückzuweisen, sind erfolglos . Um 512 Uhr wird der rechte türkische Flügel, aus drei Bataillonen Assim bestehend , von dem Gegner aus Vorboka vertrieben. Eine Viertelstunde

später entsteht

eine

kurze

Gefechtsstille.

Dicker Pulverdampf lagerte vor den russischen Batterieen , verhinderte dieselben am Zielen und maskierte sie. Die türkischen Gardebataillone, von Mehmed Ali zurückgerufen, der auf ein günstiges Resultat des Kampfes bereits verzichtet hatte und eine russische Offensive befürchtete,

weigern sich, dem Befehle

Folge zu leisten, weil sie ihre gefallenen Kameraden rächen müfsten. Adjutanten werden abgeschickt , sie zu holen . Die Dunkelheit bricht an.

Niemand rührt sich.

Erst der persönlichen Bemühung des Divisionsgenerals Salish

Über die Kämpfe am Lom etc.

330

Pascha gelingt es, die Gardebataillone um 8 Uhr abends hinter den Jordan zurückzunehmen . Zu dieser Zeit schweigt auch der Geschützkampf, der seit 7 Uhr an Hartnäckigkeit abgenommen hatte. Doch selbst das tiefe Dunkel der durch kleine Flämmchen unterbrochen , hinüber und herüber blitzen.

anbrechenden Nacht wird

die aus einzelnen Gewehren

Bei einem Rückblick auf das Gefecht von Cairkiöj

kann nur

wiederholt werden, dafs die Verwendung verschiedener kleiner Truppenkörper zu einem sogenannten concentrischen Angriff, mangelhafte Disposition der Reserven , Mangel an Energie der egyptischen Führung und Truppen

einen glücklichen

Ausgang des Kampfes von

Cairkiöj für die Türken unmöglich machte .

Beispiellose Hartnäckig-

keit und Tapferkeit der türkischen Gardisten

und der Brigade Ali

Risa hielt die Russen ab, von ihrer Übermacht einen effektiven Nutzen zu ziehen . -- Was schliesslich die meteorologischen Beobachtungen anbetrifft, so waren türkischerseits , abgesehen von dem Wolkenbruch am 5. September und den Regengüssen vom 6. auch in der Mitte des September mehrfach Regengüsse hauptsächlichste Grund waren ,

zu

verzeichnen ,

die

mit der

dafs die egyptischen Batterieen der

Infanterie nicht folgen konnten, sondern nach Vodica zurückgezogen werden mussten.

Zum Schlusse wird russischerseits gesagt : „ So viel Fehler auch die T.'sche Beschreibung des Kampfes vom 9. (21. ) September enthält, so erkennen wir doch daraus die Absicht des türkischen Oberbefehlshabers , und vermögen uns vorzustellen ,

unser Centrum zu durchbrechen,

welche Gefahr unser Norddetache-

ment betroffen hätte, wenn die die linke Flanke und den ausspringenden Winkel der Verteidigungslinie

besetzt haltenden Truppen ,

d. h. das 4. Bataillon des Newskischen Regiments und das Rylskische Regiment genötigt gewesen wären zurückzuweichen ,

was sie glück-

licherweise , dank ihrem unerschütterlichen Mut und Ausdauer trotz des fünfstündigen Kampfes , der 600 Mann kostete, nicht thaten.

den Türken nach v. T.'s Aussage Erst durch die Mitteilung v. T.'s

ist das Verdienst der beiden Bataillone des Newski'schen Regiments eigentlich ans Tageslicht gebracht worden. Ruhm und Ehre auf die am 9. September bei Verbowka und Cairkiöj kämpfenden Truppen, wenn sie dem Feinde eine so hohe Meinung wufsten , dafs schon der Aufbruch

von

sich

einzuflöſsen

des Newskischen Regiments und

der 1. Batterie der 1. Artilleriebrigade aus der Cairkiöjschen Position nach Koprowiza von den Türken als eine Vorbereitung zum Angriff

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich etc.

331

angesehen wurde und sie veranlafste, an demselben Tage ihre Rückzugsbewegung auf Popkiöj , Sahar -Tepe und Karahassanskiöj zu beginnen. " Dem gegenüber sei schliesslich unsererseits

bemerkt ,

dafs der

Rückzug Mehmed Alis nach dem Gefechte von Verboka-Cairkiöj ein Gebot der Notwendigkeit geworden war, nachdem der Muschir Achmed Ejub dem Obergeneral die Unterstützung

seiner Gesamtarmee ver-

weigert und die Division Sabit von erwähntem Muschir angewiesen war, nur auf seinen direkten Befehl einzugreifen, und die egyptische Division Ismail endlich im Gefecht versagt hatte , mithin zur Verteidigung des ausgedehnten Plateaus von Cerkowna die erforderlichen Kräfte nicht vorhanden waren.

Dafs das erwähnte Plateau von den Türken am 24. September übereilt und unter anderm mit Zurücklassung der Telegraphenleitung verlassen wurde, fällt diesen wohl allein zur Last , da die Russen erst zwei Tage später (am 26.) sich in Bewegung setzten . W. v. Tyszka.

XXVII .

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in

Frankreich

und

das

Programm

für

die

Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.

Lebhafter als die Miniaturoperationen des aus vierten Bataillonen zu provisorischen Verbänden zusammengestoppelten Expeditionscorps auf dem afrikanischen Kriegsschauplatze beschäftigt die militärischen Kreise in Frankreich die der Wirklichkeit am meisten nahekommende Vorbildungsschule des Friedens für die ernste kriegerische Thätigkeit, - die Herbstmanöver und vor allem die zum Teil schon begonnenen Übungen

der Kavalleriedivisionen.

Die grofsen Truppen-

übungen in Frankreich verdienen ohne Frage auch unsere besondere Beachtung ,

da

in den

für

Fortschritt zu konstatieren

dieselben getroffenen Anordnungen ein ist ,

dessen Folgen nicht unterschätzt

werden dürfen, ein Fortschritt insofern , als die Teilnahme sämtlicher Truppen, die Garnisonen von Paris und Lyon ausgenommen, an den

332

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das

Herbstmanövern , welche der Kriegsminister im vergangenen Jahre versuchsweise, statt der bis dahin üblichen von nur einem Drittel der aktiven Armee ,

befahl ,

mit

der dauernden Bewilligung der dazu

nötigen Mehrausgaben von nun ab ein Definitivum geworden.

Eine

weitere Verbesserung tritt noch insofern hinzu , als die Dispositionen nicht mehr schematisch in den Bureaux des Kriegsministeriums entworfen, sondern von dem jedesmaligen Leiter aufgestellt, den Unterführern mehr Freiheiten in der Wahl der reglementarischen Mittel zur Erreichung

des gegebenen Zweckes gelassen werden

einem Drittel des Heeres 15 bis 20 Tage

und bei

währende Corpsmanöver,

bei dem zweiten Drittel Divisions- und dem letzten Brigademanöver bezw. Detachementsübungen stattfinden sollen .

Gegenwärtig, ehe die

übrigen Manöver begonnen, koncentriert sich das Interesse hauptsächlich

auf die Zusammenziehung

der

gewaltigen Reitergeschwader,

welche, 36 Regimenter stark und fast die Hälfte der ganzen französischen Kavallerie umfassend und so eine bei uns im Frieden nie gesehene Ausdehnung erreichend, in drei Gruppen zu je zwei Divisionen nach einander an drei verschiedenen Orten, zu Châlons , Avor und Vezelise, unter Leitung des Präses des bis vor kurzem in Tours tagenden Kavalleriecomités, General Gallifet, üben sollen, bezw. deren erste mit dem 10. August im Lager von Châlons

ihre bis

21. August dauernde Manöverperiode schon begonnen hat.

zum

Es sind

zu den genannten Übungen von den im Frieden als permanente Verbände organisierten Kavalleriedivisionen nur drei herangezogen , die übrigen drei aber aus Regimentern der Corpskavalleriebrigaden gebildet worden, um auch diese zu befähigen , im Kriege eventuell in dem Rahmen der grofsen Kavalleriekörper

sich zurecht zu finden .

Die den genannten Truppenteilen entnommenen Regimenter sind unter Leitung von Generalen, die früher schon gröfsere Körper geführt, zu Divisionen vereint , die mit den Buchstaben A B C bezeichnet und je mit einer der dauernd formierten Disisionen

an demselben Orte

vereinigt worden , so dafs die Manöver der Zeit nach zusammenfallen und Vergleiche möglich sind. Die Zusammensetzung der im August im Lager von Châlons koncentrierten „ 1. Gruppe " weist die folgende Ordre de bataille auf: Leiter der Übungen : General de Gallifet, Komm. des 9. Corps . Chef des Stabes : Oberstlieutenant de Salles . 4. Kavalleriedivision.

Kommandeur : General d'Espeuilles . 5. Kuirassierbrigade : General Brice. 7. und 10. Kuirassierregiment.

Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.

333

4. Dragonerbrigade : General Robillot. 22. und 23. Dragonerregiment . 3. Chasseurbrigade : General Bignon . 8. und 14. Chasseurregiment . Division A. Kommandeur : General du Preuil. 1. Corpskavallerie brigade : General Gaume. 19. Chasseur- und 5. Dragonerregiment . 2. Corpskavallerie brigade : General Oudinot. 13. Dragoner- und 3. Chasseurregiment. 3. Corpskavallerie brigade : General d'Ussel. 21. Dragoner- und 12. Chasseurregiment. Die Zusammensetzung der Division ist also eine völlig normale , zumal auch jeder derselben drei reitende Batterieen zugeteilt

sind,

deren Gespanne in bezug auf Kraft nach Berichten von Augenzeugen zu den früheren Klagen keine Veranlassung neu ist

geben

sollen .

Völlig

die Zuteilung eines Geniekapitäns zum Stabe der Division ,

die er im Kriege begleiten und bei welcher er im Frieden besondere Vorträge über alle Sprengmittel , die bei Zerstörung von Eisenbahnund Telegraphenstationen zur Anwendung kommen, und über Gebrauch, Ausnutzung und Unterbrechung der verschiedenen Kommunikationsmittel halten soll.

Für gewöhnlich den speziell zur Auf-

klärung bestimmten Körpern beigegeben ,

soll

und die Instruktion über diejenigen Arbeiten

er dann die Leitung übernehmen ,

eine selbständige Division im Kriege ausführen mufs.

welche

Die Strecken

von den einzelnen Garnisonen zum Übungsplatze von Châlons

sind

von den genannten Truppen in Märschen zurückgelegt worden , die 5 bis 6 Tage währten und , an Ausdehnung täglich steigend , „ Gewaltmärsche " genannt worden sind, eine Bezeichnung, die sie wohl nicht verdienen, da ihre durchschnittliche Ausdehnung 45 bis 48 km nicht übersteigt, nach General Lewals „ Tactique de marche" die sie ausführenden Truppen nicht einmal besonders

leistungsfähige

sind ,

" parce qu'une troupe de Cavallerie, qui ne peut pas parcourir 60 km par jour est une mauvaise troupe " , zumal wenn sie schon seit zwei Monaten ihre Pferde auf die Anstrengung vorbereitet hat. Völlig neu scheint den französischen Regimentern auch das selbständige Marschieren der einzelnen Eskadrons

ohne Aufsicht der Majors ge-

wesen zu sein , da militärische Blätter diese Anordnung besonders betonen und den Schwadronskommandeuren besondere Instruktionen für den Marsch und der Befehl ertheilt worden , an jedem Abend nach dem Einrücken ins Kantonnement eine kurze Meldung über

334

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das

Aufbruchs- und Ankunftszeit, sowie über den Gesundheitszustand von Mann und Pferd nach Châlons

zu senden , längere Halte auf den

Märschen zu vermeiden und behufs Verpflegung von der Requisitionsberechtigung gegen späteren Entgelt in ausgedehntem Mafse Gebrauch zu machen . Die Ziele der Übungen in Châlons sind verschiedener Art . Sie sollen zunächst den Führern der Division Gelegenheit geben , unter Beachtung der Erfahrungen , welche General Gallifet bei

den 1879

stattgehabten Manövern der 1. und 4. Kavalleriedivision im Departement Seine et Marne gesammelt und im Kavalleriecomité veröffentlicht, sich die Eigenschaften zu erwerben und auszubilden, deren der Leiter grofser Kavalleriekörper dringend bedarf :

schnelles Auf-

fassen der Situation, der eigenen sowohl wie derjenigen beim Feinde , schnellen Entschlufs , kaltes Blut und Kenntnis des für den Moment richtigsten Mittels, den Unterführern gestatten, sich an die Bewegungen bedeutender Reitermassen

zu

gewöhnen ,

in

einem

gegebenen

Rahmen geschickt zu evolutionieren, dadurch ihre Brauchbarkeit darzuthun, sie, frei von allem Schematismus, der gewissermassen künstlich ein Kampftableau sich aufbaut , in zweckmässigen Formen , in Erfahrungssätzen und Beispielen , die sie in den Übungen gesammelt, einen Anhalt für das gewinnen lassen, was sie vor dem Feinde auszuführen berufen sind , endlich erlauben ,

das ,

was sich in Châlons

als brauchbar herausgestellt , in Avor und Vezelise nochmals zu erproben, und dann, nachdem es die Kommission geprüft, dem Kriegsminister als wünschenswerte Ausfüllung einer bedeutenden Lücke im französischen Reglement zur Bestätigung vorzuschlagen . Diese Lücke besteht darin, dafs das dem österreichischen nachgebildete französische Reglement nur noch die Schule des Regiments ausführlich behandelt, die Evolutionen der gröfseren Kavalleriekörper, Brigade und Division , dagegen mit einigen summarischen Andeutungen abfindet , die , so meint das Memorandum des General Gallifet, zwar für den genügen , der Gelegenheit hatte, sich in der Führung mindestens einer Brigade längere Zeit zu üben, oder für das Genie, das einer Norm nicht bedarf, um im richtigen Momente auch die zweckmässige Form ohne jedes Schwanken zu finden.

Die Mehrzahl besitzt diese Übung nicht

und rechnet mit dem Durchschnittsverstande , denn nur bei wenigen kehrt der Genius ein, und doch sollen auch die jener Mehrzahl angehörenden im Stande sein , bei dem plötzlich eintretenden Wechsel der Situation in einem Kavalleriegefecht sofort

die veränderte Ab-

sicht der Leitung und die ihrer Truppe dabei zufallende neue Rolle zu erkennen und, schnell entschlossen, ihr entsprechend zu handeln ,

Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe. damit günstige Momente nicht ungenutzt vorüber gehen.

335

Dazu ist

es aber erforderlich, dafs , namentlich bei den seltenen Übungen der Kavalleriedivisionen , diesen Unterführern

eine gewisse Norm

vor-

schwebe , eine Kommandosprache vorhanden sei , die in wenig Lauten ganze Evolutionen anzuordnen vermag.

Das ist es, was dem fran-

zösischen Reglement fehlt, was auch das dritte Hauptstück des österreichischen Reglements für das französische nicht zu ergänzen vermochte, da Österreich seine Division anders organisiert . Vorschriften in dieser Beziehung kennen

eine

Die deutschen

solche Lücke

nicht,

„ sie geben “, so heifst es in Gallifets Memorandum, „bei allem Spielraum bezüglich der Wahl für die Leitung der Brigade und Division Winke , Formationen

und Beispiele

Weise, " que ce serait faire

preuve

in so klarer und

praktischer

d'un amour-propre

regrettable

que d'hésiter à les lui emprunter , tout au moins à titre d'essai “ . In diesen Worten des Memorandums liegt deutlich genug ausgesprochen, woher man sich französischerseits die leitenden Grundsätze für die Manöver der Divisionen im Lager von Châlons zu verschaffen beabsichtigt : Die von der „ Ausbildung der Brigade, von der Ausbildung und dem Gebrauch der Kavallerie

in mehreren Treffen

und von der Leitung der Übungen " handelnden Kapitel des deutschen Reglements

werden in

Châlons

praktisch auf ihre

Brauchbarkeit

untersucht, die nötigen Modifikationen der französischen Vorschriften versuchsweise eingeführt werden , dann bei der zweiten und dritten Gruppe noch einmal sondiert, um hierauf eventuell definitiv acceptiert zu werden ;

die 1874 so sehr perhorrescierten „ Anleihen im Aus-

lande " werden also doch, und zwar im Wiederholungsfalle stattfinden ! Veränderungen des Titels IV.

des

bestehenden Reglements hat Ge-

neral Gallifet mit Erlaubnis des Kriegsministers und unter Beistimmung des Kavalleriecomités provisorisch schon angeordnet, sie reichen jedoch über diesen Abschnitt nicht hinaus und gehen nur bis

zur

Exerzierschule des Regiments herunter , an welche eine wandelnde Hand durchaus nicht rühren soll, 99 il ne sera rien modifié à ce que le réglement prescrit pour le régiment", heifst es in dem Avantpropos zu dem Manöverprogramm für Châlons. Es liegt viel in diesen letzten Worten : sie widerlegen die Behauptung , die zur Zeit der Konferenzen in Tours von vielen militärischen Blättern verbreitet wurde, dafs das französische Reglement von 1876 eine völlige Umarbeitung erfahren werde ; sie beweisen, dafs die deutschen Vorschriften über den Gebrauch und die Evolutionen gröfserer Kavalleriekörper als Pfropfreis einem Stamme aufgesetzt werden sollen, der mit ihnen durchaus nicht demselben Boden entsprossen ist , dafs man mit Bri23 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.

336

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das

gaden und Divisionen nach deutscher Art zu evolutionieren beabsichtigt, obwohl die Bestimmungen für die Vorschule, die diesen gröfseren Übungen vorausgegangen sein mufs ,

das

Exerzitien der Schwadron und des Regiments ,

Reglement für

die

in Frankreich dem

deutschen als im Prinzip verschieden gegenübersteht.

Um nur ein

Beispiel anzuführen sei erwähnt, dafs bei dem Choc der französischen Kavallerie der Einzelne sich im schnellsten Laufe des Pferdes auf den Feind stürzt mit dem festen Entschlusse, die Reihen des Gegners zu durchbrechen, dafs auf das Kommando : „Chargez " die gradeausvorstürzenden Schwadronen durch die in Folge der Schnelligkeit sich ergebende Verlängerung der Front die Zwischenräume schliefsen sollen, welche bei einer Brigade z. B. 24 Meter betragen , dafs also hier nicht darauf gehalten wird, was das deutsche Reglement so scharf betont , indem es sagt :

Der Choc

deutlich erkennbaren Gliedern ,

in

mufs in zwei

festgeschlossenen,

denen jeder Reiter seinen Platz

behauptet und mit der ganzen Schnelligkeit ,

welche das

äusserste

Leistungsvermögen der langsameren Pferde gestattet, geritten werden, auf die Geschlossenheit und Ordnung, die Friedrich der Grofse im Reglement von 1757 T. 5 , Art. 4 ,

als

eine Vorbedingung des

Sieges erklärt, sich also äufsernd : „Wann der Feind attaquirt wird , so soll solches geschehen, wie es in den Evolutiones vorgeschrieben ist, nämlich erst in einem starken Trabe und dann in vollem Galopp, jedoch wohl geschlossen . Wenn man solcher Gestalt attaquiret, so sind Seine Königliche Majestät versichert, dafs der Feind allezeit geschmissen wird. "

Gerade bei den zur Unordnung neigenden Fran-

zosen musste vom kleinsten Truppenkörper an neben der besseren, reiterlichen Ausbildung des Mannes bei der Attacke der deutsche Grundsatz, Ordnung und Geschlossenheit, betont und dem einzelnen Reiter eingeprägt werden , mufsten auch Vereinfachungen des Reglements für das Regiment, welche diese Ordnung fördern, insofern eintreten, als die Teilung in Halbregimenter wegfallen konnte und dadurch eine Befehlsinstanz verschwand ,

der Befehl ,

möglichst

ohne Signale

zu

exerzieren, seine Ergänzung fand und dem alten Ausspruche des Generals Schmidt Rechnung getragen wurde : „je einfacher und leichter der Bewegungsapparat , je stiller es bei demselben zugeht , um so besser ist es "; es mufste überhaupt das Hervortreten des Einzelnen dem Hineindrängen in das festgefügte stramme Ganze weichen, schon das Exerzieren der Schwadron in der Weise betrieben

werden , wie

sie in den grofsen Kavalleriekörper sich einzufügen hat , dann erst dürfen die Vorbedingungen für ein Evolutionieren im Sinne des 7 . und 8. Abschnittes unseres Reglements als erfüllt angesehen werden.

Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe. Ohne dies bleibt die Übung halbe Arbeit. ---

337

eine Form ohne Geist, Stückwerk und

Der Besprechung der einzelnen Nummern des Programms

für

die Manöver in Châlons schicken wir voraus , dafs den Kommandeuren vor Beginn der Manöverzeit nur eine allgemeine Angabe der vorzunehmenden Übungen, nicht aber, wie früher, eine ausführliche Skizze der einzelnen Momente zugegangen ist , die eigentliche Aufgabe für den Tag an Ort und Stelle mitgeteilt und nur General- und Spezialidee sowie

das Rendezvous

am vorherigen Tage nach Schlufs

des

Manövers bekannt gemacht werden sollen ; Zweck und Absichten hat dann der Divisionskommandeur am Morgen vor Beginn des Manövers den Unterführern mitzuteilen, damit diese der allgemeinen Gefechtslage entsprechend zu handeln,

dabei aber die Art und Weise ,

sie ihren Zweck erreichen wollen, im Rahmen derung frei zu wählen im Stande sind. Von den elf Tagen ,

wie

der gegebenen Glie-

welche der ersten Gruppe in Châlons für

ihre Übungen zu Gebote stehen, bestimmt das Programm des Generals Gallifet fünf für das Evolutionieren in der Brigade , Manöver in der Division ,

dabei bemerkend ,

dafs

sechs

die

für die

kürzere Zeit

nur den wichtigsten Punkten Aufmerksamkeit zu schenken gestattet und das Exerzieren könne .

im Regiment deshalb

nicht betrieben werden

Was zunächst die Einteilung der fünf den Brigaden zur Disposition stehenden Tage anbetrifft ,

so

soll der erste

derselben dazu

verwendet werden , Gleichmässigkeit in die Tempos der Regimenter zu bringen, was durchaus nötig erscheint, wenn nachher die Treffenabstände gehalten werden sollen, und bei den Corpskavalleriebrigaden nicht ganz leicht sein dürfte, da die schwere sowohl wie Linienund leichte Kavallerie darin Differenzen aufweisen . Es sollen reine Exerzierbewegungen, ohne Rücksicht auf Terrain und ohne untergelegte taktische Idee geübt werden . Der zweite Tag soll die Brigade

lehren ,

sich

als

selbständig

verwendet zu betrachten und Treffenwechsel, Frontveränderungen, Entwickelung aus allen Marsch- und Rendezvousformationen zur Gefechtsformation in ein und zwei Treffen mit möglichster Schnelligkeit vorzunehmen. Der dritte Tag bringt ihr dieselbe Übungen ,

nur erscheint sie

von einer reitenden Batterie begleitet und führt zum Schlusse eine Attacke nach einer von der Leitung bestimmten Richtung hin aus. Am vierten Tage

sollen sich die Brigaden

auf die Rolle vor-

bereiten, die sie in der Division als 1., 2. oder 3. Treffen zu über23 *

338

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das

nehmen haben, wobei die übrigen Treffen

markiert werden und die

Artillerie nicht mitübt. Am fünften Tage endlich soll die Brigade selbständig und von ihrer Artillerie unterstützt gegen einen markierten Feind manövrieren , und zwar ohne dafs dem Kommandeur der Ort, wo sich der Gegner befindet, bekannt ist, so dafs eine Rekognoszierung statthaben muſs. Für die Manöver der selbständigen Brigade giebt das Programm folgende Erläuterungen :

Die Brigade formiert sich grundsätzlich in

drei Treffen und nur in den seltensten Ausnahmefällen darf sie sich mit zwei solchen begnügen .

Wenn sie in drei Treffen formiert ist,

so hat sie 1 Regiment in das erste zu nehmen ,

2 Eskadrons wird

sie gewöhnlich als zweites Treffen hinter dem gefährdeten Flügel folgen lassen, die beiden übrigen Schwadronen bleiben dann für das dritte Treffen und geben die Partikularbedeckung der Artillerie . Brigadekommandeur

wird von

den Schwadronen

des

3.

Der

Treffens

immer eine bestimmen , die zu seiner Verfügung bleibt und erst im letzten Augenblicke mit seiner Genehmigung eingesetzt wird . — Bei der Zweitreffenformation der Brigade das erste Treffen zu bestimmen ,

ist

wieder ein Regiment für

das zweite Regiment ,

welches die

Partikularbedeckung für die Artillerie zu liefern und eine Schwadron zur Verfügung des Kommandeurs zu halten hat, übernimmt die Rolle des

zweiten Treffens.

Eine Bedeckung für die Artillerie

das französische Reglement

( es

gilt dies

grundsätzlich aus , im Gegensatz dahin ausspricht, dafs

auch bei

welches

sich

" ihr unter besonderen Verhältnissen

eine

Partikularbedeckung zuzuweisen ist", wieder mit dem unsrigen überein ,

zum deutschen ,

scheidet

der Division)

stimmt

dann allerdings darin

dafs es die in der Nähe befind-

lichen Truppen doch nicht von der Pflicht, die Batterieen zu schützen , entlastet. Entsprechend unseren darauf bezüglichen Bestimmungen wird auch in den französischen Direktiven für die Manöver zu Châlons die Auflösung sämtlicher Verbände zur Verfolgung des geschlagenen Feindes auf das strengste verboten und das stete Zurückhalten von geschlossenen Abteilungen als Koncentrierungspunkten für das spätere Sammeln befohlen. Für die Evolutionen ,

durch welche

die Brigade sich während

des 4. Manövertages für ihre Thätigkeit als Treffeneinheit der Division vorbereiten soll, und welche durchaus zweckmäfsig genannt werden dürfen, da der gröfsere Reiterkörper nur dann geschickt manövrieren kann, wenn die Brigaden geschult und über ihre Bewegungen in allen Treffen orientiert sind, sind in den Zusätzen zum Manöver-

Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.

339

programm einige Direktiven gegeben, welche sich jedoch nur auf das erste und zweite Treffen erstrecken . Bezüglich des Verhaltens

der das 1. Treffen der Division bil-

denden Brigade beziehen sich diese

auf die Angabe der Eskadron ,

von welcher die Richtung genommen , auf welche die Kolonnen zusammengezogen werden oder Entwickelungsintervall zu nehmen haben , auf die Einführung

eines Zwischenraums

von 12 Metern

zwischen

den Regimentern der Brigade , die aber zum Zweck des Vergleiches auch zuweilen den früheren von 24 Meter zu nehmen haben , und . enthalten endlich eine unserem Reglement entnommene Neuerung in der Entwickelung der Brigade zur Linie. lichen ,

im Reglement vorgeschriebenen gleichzeitigen Entwickelung

der in Zugkolonne oder Kolonne abstand hinter wie

sie

Statt der früher gebräuch-

das

in Eskadrons

mit Entwickelungs-

einander befindlichen Regimenter ist die successive ,

deutsche Reglement

angiebt

und

sie

das Kavallerie-

comité als „ plus avisée" bezeichnet, eingeführt worden ; es mufs also das hintere Regiment, sich seitwärts herausziehend, von dem äusseren das nötige Intervall genommen haben, ehe der Aufmarsch sich vollziehen soll. Die Brigade, welche in der Division die Rolle des zweiten Treffens übernimmt, hat meist aufserordentlich schnelle Bewegungen auszuführen, sei es, dafs sie zur Attacke gegen die Flanke des Gegners oder zum Schutze des Flügels des 1. Treffens bestimmt ist . - Der Kommandeur des zweiten Treffens soll nicht seine. sämtlichen Eskadrons an den Bewegungen teilnehmen lassen, die er zum Angriff ausführt, sich vielmehr immer eine Unterstützung für die dazu verwendeten zurückhalten, um den Divisionskommandeur nicht zu früh zum Einsetzen seiner Reserve zu zwingen.

„ Das zweite Treffen kann die

Aufgabe haben, die Attacke des ersten zu unterstützen und zu gleicher Zeit seine eigene Bewegung gegen einen auf den äufseren Flügel gerichteten Angriff des Geguers zu decken " , in diesem Falle geht das innere Regiment des zweiten Treffens in Zugkolonne über das erste Treffen hinaus, nach einer Têtenschwenkung einen Marsch auf der Diagonale vollziehend, schwenkt dann ein und attackiert die Flanke des Feindes, während das zweite Regiment, auf den äufseren Flügel des ersten debordierend , folgt .

„ Soll die Brigade des zweiten Tref-

fens einen Flügel des ersten decken ", ment die Höhe dieses

Flügels

durch

so erreicht das innere RegiMarsch auf der Diagonale,

schwenkt dann ein, oder vollzieht den Aufmarsch, während das äufsere nach Vollziehung derselben Bewegung mit einem Teile seiner Schwadronen das erste unterstützt ,

die übrigen in Reserve

zurückbehält.

340

Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das

Wird das 1. Treffen geworfen , so führt das innere Regiment der Brigade des 2. Treffens, nachdem es in Eskadronskolonnen vorwärts Terrain gewonnen , eine Têtenschwenkung aus und vollzieht den Aufmarsch eskadronsweise .

Diejenige Schwadron ,

die Linie hergestellt hat, attackiert sofort ,

welche dabei zuerst

die übrigen

folgen ,

als

Echelons den Angriff wiederholend ; das äufsere Regiment deckt den Flügel des zweiten Treffens

oder nimmt

eine Flankenstellung zur

Aufnahme des geworfenen ersten. „ Der Brigade des zweiten Treffens kann ferner die Aufgabe zufallen, die Flanke des ersten gegen Überflügelung zu sichern " ,

derjenigen

des

ersten entwickeln und gegen dieselbe feindliche Front anreiten ;

sie kann sich

dazu

parallel

sie

kann sich aber auch gegen die feindliche Flanke dirigieren, dort entwickeln und koncentrisch mit Attacke kann

endich sowohl

dem

ersten Treffen angreifen ;

gegen Front als Flanke

ihre

des Feindes

gerichtet sein, indem das innere Regiment parallel dem ersten Treffen aufmarschiert, das zweite dazu einen Offensivhaken bildet . Erscheint ein Regiment zur Erfüllung der Aufgabe genügend , so ist dazu das innere zu wählen. "" Wird endlich das zweite Treffen überraschend auf einer seiner Flanken

bedroht " ,

so mufs es sich so

schnell als möglich nach der gefährdeten Seite hin entwickeln , gleichgültig ob es sich in Eskadronskolonnen

oder Regimentskolonne mit

oder ohne Entwickelungsabstand befindet. Die Zeiteinteilung für die Übungen der Division weist folgende Gliederung auf:

Der erste der 6 Tage soll in gleicher Weise

wie bei der Brigade dazu verwendet werden, Gleichmäſsigkeit in die Tempos der einzelnen Teile der Division zu bringen , was hier noch wichtiger ist ,

da alle 3 Reitergattungen vertreten

sind und es auf

die Wahrung der Treffenabstände sehr ankommt , ferner Ployements und Deployements

zu

üben und die im

französischen Reglement

gegebene Normalstellung , d . h . die Division in 3 Treffen, das 1. Treffen in Eskadronskolonnen ,

das 2. Treffen 200 bis 300 Meter rechts

rückwärts in Regimentskolonne

mit Entwickelungsabstand ,

Treffen 400 Meter links rückwärts

des

das 3 .

ersten in Regimentskolonne

ohne Entwickelungsraum , die 3 Batterieen in Kolonne in Batterieen in der Höhe des 1. Treffens einzunehmen , ohne auf Terrain und Feind zu rücksichtigen. Am zweiten Tage übt die Division den Übergang aus der Rendezvous- in die Gefechtsformation, Bewegungen in dieser, Direktions- , Front- und Treffenwechsel. An beiden Tagen tritt die Artillerie bei der Division nicht ein .

Der dritte und vierte Tag sind Manövern

der Division mit ihrer Artillerie gewidmet, wobei ein logisches Fort-

Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.

341

schreiten vom Leichteren zum Schwierigeren stattfindet, das Terrain berücksichtigt und am Schlusse zur Vorbereitung für die Evolutionen der letzten Tage in einer gegebenen Richtung eine Attacke geritten werden soll .

Der 5. und 6. Tag werden durch Manöver der Division

mit ihrer Artillerie gegen einen markierten Feind, dessen Anmarschlinie dem Kommandeur am 5. Tage bekannt ist , kognoszierung festgestellt werden mufs , figuration des Terrains Grunde zu legen ist .

zu

am 6. durch Re-

ausgefüllt,

beachten und

eine

Die Erläuterungen zu

wobei die Kon-

taktische Idee zu

diesem Programm be-

zeichnen das erste Treffen als das eigentliche schlagende , das zweite als das zur Unterstützung, Deckung und event. Aufnahme manövrierende , das dritte als Reserve des Divisionskommandeurs für alle Fälle , raten die Treffenabstände eher zu verkleinern als zu vergrössern und geben den Moment der Attacke des 1. Treffens als den Beginn des selbständigen Manövrierens des zweiten an , während der Führer des dritten mit dem Divisionskommandeur in reger Verbindung bleiben und seine Brigade zu dessen Verfügung halten mufs .

Jedes Tref-

fen entsendet Gefechtspatrouillen auf seine äufseren Flügel . Entsprechend unserem Reglement teilen auch die französischen Direktiven den Schutz der Flanken den Flügeleskadrons zu ,

die

auch hier in

der Front bleiben und deren Führer volle Freiheit erhalten , im geeigneten Moment zu handeln . - Die Direktiven gestatten die Anwendung der Marschkolonne Colonne double

zu Vieren, der Zugkolonne und der

auf dem Gefechtsfelde

nur

dann ,

wenn

mehrere

Defiléen zu passieren sind, sonst hat sich die Division der Regimentsoder Eskadronskolonnen zu bedienen .

Bei den Manövern gegen einen

markierten Feind , dessen Entfernung und Kampfordnung ihm nicht bekannt sind , hat sich der Kommandeur unter dem Schutze von Eclaireurs nach vorwärts zu begeben, den Gegner zu rekognoszieren und dann in gleicher Weise zurückzukehren , um die Befehle an die Division auszugeben.

Das grofse Gewicht ,

welches

wiederholt auf das Streben nach Gleichmässigkeit

die Direktiven

des Tempos ,

auf

Ruhe und Ordnung bei den Evolutionen legen und die Bewunderung, mit welcher sie von dem Ernste sprechen ,

mit dem

Reglement diese verlangt , lassen den Schlufs ziehen ,

das deutsche dafs bei den

Übungen der französischen Divisionen bis jetzt das Gegenteil der Nach jeder Evolution oder Manöverbewegung läfst

Fall gewesen.

der Kommandeur halten und bespricht

dieselbe

in Gegenwart der

Brigade- und Regimentskommandeure und des Führers der Artillerie. An den Tagen, an welchen die Artillerie nicht mit der Division oder den Brigaden übt ,

exerziert dieselbe für sich und erhält An-

Umschau in der Militär-Litteratur.

342

weisungen dazu vom Divisionskommandeur. Um unnütze Übermüdung der Pferde zu vermeiden und die Cadres nicht zu sehr zu schwächen , dürfen berittene Ordonnanzen

nach Schlufs

der Manöver

nicht ent-

sendet werden und kommen die Eskorten in Wegfall .

Die Übungszeit

der einen Division währt von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags, die der anderen von Mittag bis spätestens 6 Uhr abends mit entsprechendem Wechsel. Dies ist deshalb nötig, damit der Leiter, General Gallifet , stets zugegen sein kann und über die Erfahrungssätze sich genau klar wird, welche das Manöver als Ausbeute liefert , und die das Kavalleriecomité nach vorheriger , nochmaliger Prüfung als Veränderung des Reglements, bezw. als Zusätze zu demselben , dem Kriegsminister vorlegen soll. Hochgespannte Erwartungen knüpfen sich in Frankreich an diese Manöver bezüglich der Gewinnung von leitenden Grundsätzen ähnlich den deutschen . Wir können an einen solchen Erfolg nicht recht glauben , weil eben die Vorbildung nach deutscher Weise fehlt , ohne welche , wie wir meinen, der westliche Nachbar zwar die Formen unseres Reglements sich anquälen , nicht aber den Geist erfassen kann, der sie durchweht.

XXVIII .

Umschau in der Militär- Litteratur .

Geschichte des 3. Garde-Grenadier-Regiments Königin Elisabeth im deutsch - französischen Kriege 1870/71 .

Nebst

Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880 . Mit diesem Werke

ist

ein

99 vaterländisches

Ehrenbuch "

ge-

schaffen, das die bereits bestehende und bis zum Jahre 1870 sich erstreckende Geschichte des Elisabeth-Regiments bis zur heutigen Zeit fortsetzt . Das Regiment kämpfte bekanntlich im Verbande der 3. Garde-Infanterie-Brigade mit besonderem Erfolge in der Schlacht bei St. Privat-Gravelotte auf dem linken Flügel des IX. Armeecorps dem Dorfe Amanvillers gegenüber, zeichnete sich dann aber namentlich bei der Cernierung von Paris in den hartnäckigen und verlustreichen Kämpfen um den Besitz von Le Bourget Ende Oktober und am 21. Dezember rühmlichst aus. 14 Offiziere des Regiments hatten im Laufe des Krieges ihre Treue für König und Vaterland mit dem

Umschau in der Militär-Litteratur.

343

Tode besiegelt , 38 ehrenvolle Verwundungen davongetragen , während an Unteroffizieren und Mannschaften 267 fielen, 615 verwundet wurden . In sehr klarer ,

übersichtlicher und

eingehender Weise ist die

kriegerische Thätigkeit des Regiments geschildert . Einen besonderen Reiz geben dem Werke die zahlreichen , in Anmerkungen beigefügten Angaben aus den während des Krieges gemachten Aufzeichnungen von Offizieren u. s. w. Auch einzelne hervorragende Thaten oder besondere Erlebnisse u. s. w. sind in diesen Anmerkungen mit aufgenommen worden.

Die Ausstattung des Werkes ist eine sehr reiche

und gefällige , der typischen Herstellung scheint gleichfalls eine grofse Sorgfalt zugewendet zu sein .

Um so unangenehmer fällt daher der

Druckfehler auf S. 273 auf, wo der Tod des Königs Friedrich Wilhelm IV. in die Nacht zum 1. Januar 1862 verlegt wird ;

auch in

der Randschrift auf S. 29 finden wir das XI. Armeecorps anstatt des IX . angegeben. 18. August

Unrichtig ist entschieden die Angabe, daſs man am

gegen

11

Uhr vormittags

beim Oberkommando

der

II. Armee bereits gewufst habe , der rechte Flügel der Franzosen reiche bis St. Privat und Ste . Marie. Wäre dies der Fall gewesen , so würde der Kampf einen ganz anderen Verlauf genommen haben. Thatsächlich war man zu dieser Zeit beim Oberkommando der II. Armee der Ansicht, Montigny la Grange sei der nördlichste vom Feinde besetzte Punkt, und erliefs demgemäfs die weiteren Befehle . Zur richtigen Würdigung der Schlacht bei Gravelotte- St. Privat gehört vor allem

ein

peinliches Festhalten

an den Zeitangaben in betreff

der eingehenden Meldungen , welche bekanntlich erst sehr allmählich den richtigen Sachverhalt klarlegten .

Kurzgefafste Geschichte des

8. Westfälischen Infanterie-

Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments von Hilken , Hauptmann und Compagniechef. Die sehr dankenswerte Aufgabe, den Unteroffizieren und Mannschaften des Regiments die Geschichte desselben in einer Weise vorzuführen, die sich leicht dem Gedächtnis einprägt, ist dem Verfasser des Büchleins auf 61 kleinen Druckseiten wohl gelungen .

Er greift

hierbei, wenn auch nur mit wenigen Worten und einigen charakterisierenden Sätzen, sogar bis auf die Zeit von 1806 und die Befreiungskriege zurück. Klar , deutlich und allgemein verständlich sind namentlich die Kriege von 1866 und 1870/71 geschildert, in welchen

Umschau in der Militär-Litteratur.

344

das Regiment zu ehrenvoller Thätigkeit berufen

war.

1866 bildet

die Schlacht bei Königgrätz und in derselben der Sturm auf Problus, 1870 der todesmutige Angriff der Brigade Wedell in der Schlacht bei Mars-la-Tour sowie die Schlacht bei Beaune la Rolande den In die Darstellung Glanzpunkt der Kriegsthaten des Regiments .

selbst

sind

geflochten.

die Thaten des Regiments in grofsen Zügen einHingegen enthalten die Anlagen aufser einer chronolo-

der Geschichte des Regiments eine Nachweisung der hervorragenden Leistungen einzelner Angehörigen des Regiments in Krieg und Frieden , ein Verfahren, welches sehr praktisch und

gischen Übersicht

sachgemäfs sein dürfte und es leicht ermöglicht , solche Thaten beim theoretischen Unterricht der Mannschaften zu verwerten, ohne dafs der instruierende Unteroffizier u. s. w. sich vorher einer zeitAuch auf die raubenden Lektüre und Nachsuche hingeben mufs. Mannschaften des Regiments wird

solches Hervorheben von Einzel-

thaten der Soldaten gewifs von bestem Einfluss sein . dafs die Thaten der Offiziere in diesem Abschnitte sind .

Wenn

das Büchlein

schaften geschrieben ist ,

auch so

nur

Auffallend ist, nicht erwähnt

für Unteroffiziere und Mann-

wäre bei

der

Stellung ,

welche

der

preussische Offizier der Truppe gegenüber einnimmt, der er bei jeder passenden Gelegenheit mit gutem Beispiel voranzugehen sich bemüht, ein Verzeichnen der hervorragenden Leistungen einzelner Offiziere auch in diesem Büchlein voll am Platze gewesen. Wir vermissen ferner neben den Inhabern des Eisernen Kreuzes die Namen der Mannschaften u . s . w., welche sich im Jahre 1866 vor dem Feinde Ehrenzeichen erwarben . Auch die Namen der für das Vaterland im Kampfe gefallenen Unteroffiziere und Mannschaften hätten nach diesseitiger Ansicht in dem Buche Aufnahme finden müssen .

Das Königlich Bayerische 4. Infanterie-Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806 von C. v. Hoffmann , Oberst u . Kommandeur des Regiments . Das in jeder Beziehung vortrefflich und reich augestattete , 614 grofse Oktavseiten umfassende Buch ist ein Musterwerk deutschen Fleifses und deutscher Gründlichkeit. 157 Werke bezw. Schriftstücke haben dem Verfasser als Grundlage gedient, um ein höchst lehrreiches Stück deutscher Kultur- und bayerischer Heeresgeschichte zusammenzustellen . Bildet die Geschichte des 4. bayerischen Infanterie - Regiments auch den Mittelpunkt der Darstellung, so dehnt sich diese doch stets auf die gesamten Militärverhältnisse der in Frage stehenden Zeit aus und giebt ein getreues lebenswarmes Bild derselben.

Dadurch hat sich

Umschau in der Militär-Litteratur.

345

das vorliegende Buch eine weit über die Grenzen einer Regimentsgeschichte hinausgehende Bedeutung erworben und dürfte namentlich dem Kulturhistoriker manche höchst interessante Thatsache erschliefsen , wie eine blind herausgegriffene Stelle, z. B. das auf S. 376 gegebene „Zeitbild " darthun möge.

Dort heifst es, dafs das Regiment im Jahre

1763 mit dem Magistrat von Braunau wegen des von letzterem begünstigten Bierexports in Konflikt geraten sei und in

einem hierauf

bezüglichen Berichte u. a. geäufsert habe : „ trotz des der Bürgerschaft und der Soldateska gegebenen Versprechens wird Bier in solcher Menge abgeführt, dafs es schon einige Tage vor Michaeli am Märzenbier gemangelt und die Soldaten mit keinem Trunk versehen gewesen ,

sondern in die

traurige Notwendigkeit versetzt worden,

das neugesottene Bier oder Plempel mit Ruinierung der Gesundheit um sein teures Geld zu trinken . . . solch üble Bierverhältnisse mögen nicht wenig beitragen zu der wieder allgemein in Schwung kommenden Desertion. " Einen ganz besonderen Wert hat das vorliegende Werk selbstverständlich für die bayerische Armee und namentlich für das 4. InfanterieRegiment ,

zu

erschienen ist .

dessen 175. Geburtstage,

6. März 1881 ,

das Buch

In den hundert Jahren, um die es sich hier handelt,

hat das Regiment an 38 Feldzügen Teil genommen und gegen Preufsen , Russen, Franzosen, Türken, Österreicher, Dänen u. s . w. gekämpft. Von 1709-1716 war dies bayerische Regiment sogar in französischen Kriegsdiensten ; 1757 half es den Österreichern den Sieg bei Breslau erfechten, erlag dann aber kurze Zeit darauf dem friedericianischen Donnerschlag bei Leuthen , darob von seinen Bundesgenossen gar übel behandelt. Hoffentlich wird

sich dem vorliegenden Werke bald und wo

möglich aus des Verfassers bewährter Feder

die Fortsetzung der

Geschichte des bayerischen 4. Infanterie-Regiments bis zur Jetztzeit anschliefsen, da eine solche unseres Wissens bis jetzt nicht besteht. Vorläufig erklären wir jedoch dies Ehrenbuch des bayerischen Regiments mit Stolz zum Nationaleigentum .

Memoiren des Freiherrn Dubislav Gneomar v. Natzmer, Königl. preufs . Feldmarschalls u . s . w. - Mit spezieller Erlaubnifs des Besitzers herausgegeben, bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Eufemia Gräfin Ballestrem . Der Name v. Natzmer gehört zu den bekanntesten der preufsischen Armee . Doch wird gewifs mancher, der sich mit der deutschen Heeresgeschichte bekannt wähnt, wenig oder gar nichts Näheres über

Umschau in der Militär-Litteratur.

346

den preufsischen Feldmarschall v. Natzmer wissen ; denn in den Blättern der Geschichte sind die Thaten dieses zur höchsten militärischen Würde gelangten Offiziers nicht verzeichnet, da ihm nicht beschieden war, als selbständiger Heerführer an der Spitze preuſsischer Truppen hervorragendes auszuführen . Und doch verdient Feldmarschall v. Natzmer in der preufsischen Geschichte besondere Beachtung .

Als

die Katastrophe über den Kronprinzen Friedrich ( sp . Friedrich II .) nach dessen verunglücktem Fluchtversuch hereinbrach, war Natzmer einer der Ersten und Entschiedensten , welche dem in seinem Zorne mafslosen König bestimmt und erfolgreich entgegentraten.

Leider

wird diese hochbedeutende Handlung in den vorliegenden Memoiren nicht erwähnt . Sie schliefsen vielmehr schon mit dem Jahre 1713 ab und wurden unter des Autors Aufsicht von dessen Gemahlin kurz vor dem ebenerwähnten Ereignifs im Frühjahr 1730 abgeschrieben . In denselben hat der zur Zeit der Aufzeichnung bereits im 60. Lebensjahre stehende General ,

allem Anscheine

nach im hauptsächlichen

nur auf sein Gedächtnis gestützt, ein recht anschauliches Bild seiner bewegten Vergangenheit zusammengestellt. Er beschränkt sich dabei auf die Schilderung dessen, was seine Person betrifft, und zeigt sich als ein tapferer, gottesfürchtiger, aber äusserst heftiger Haudegen , der eine sehr schwere Jugend durchzumachen hatte, sich aber kühn und gewandt durch alle Widerwärtigkeiten des Lebens hindurcharbeitete und so allmählich von Stufe zu Stufe in die Höhe gelangte .

In der

im allgemeinen militärisch traurigen , zwischen dem dreiſsigjährigen Kriege und dem Auftreten Friedrichs des Grofsen liegenden Zeit hat Natzmer 29 Belagerungen mitgemacht bezw. stellenweise auch selbst geleitet und in 8 Schlachten gekämpft ; er geriet dreimal in Gefangenschaft und wurde achtmal erheblich verwundet. Die Darstellung eines solch bewegten Lebens ist sicherlich von grofsem Interesse und giebt uns ein lehrreiches Bild der damals obwaltenden militärischen Zustände .

Für

die

Kriegsgeschichte

selbst

dürften diese Memoiren ,

durch die gesteckte Grenze, und da sie doch nicht immer auf ganz untrüglicher Grundlage stehen ,

nur von beschränktem Werte

sein.

Die von der Gräfin Ballestrem dem Werke beigegebenen Erläuterungen u. s. w. bestehen meistenteils aus kurzen biographischen Notizen der hervorragendsten im Text genannten Könige , Feldherren u.s. w. Ob es für einen nur einigermaſsen historisch bewanderten Leser erforderlich war , mitzuteilen , wer die in Rede stehenden Regenten von Preufsen, wer der Herzog von Marlborough, Derfflinger etc. etc. gewesen, oder ob es zur Sache gehörte, mit grofser Genauigkeit auch stets die Gemahlinnen der betreffenden Personen anzugeben , bleibt

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

sehr fraglich .

Eine

eingehende Kritik

347

der Erläuterungen

dürfte

doch geben wir uns der Hoffnung hin , dafs diese allgemeinen gegen eine solche besser Stich halten werden , als

zu weit führen ; im

die auf S. 647 gebrachte , nach welcher die Aufhebung des Edikts von Nantes wird,

ein Werk des

oder die

auf S. 32 ,

Marquis welche

von

Maintenon

Derfflinger 1654

genannt

anstatt 1655

in brandenburgische Kriegsdienste treten läfst. Es wäre interessant gewesen , wenn die Herausgeberin uns mitgeteilt hätte , auf Grund welcher Quellen sie Derfflinger als eines Schneiders Sohn bezeichDafs die Festung Bouchaine mehrmals hintereinander nen durfte. „ Bonchaine " genannt wird , dafs „ Stücke“ in der gebrauchten Verbindung noch als " Geschütze “ erläutert werden , der Sieg bei Fehrbellin Derfflinger zugeschrieben wird, beweist neben manchen anderen Stellen den Mangel einer Durchsicht von Seiten einer

militärisch

gebildeten Persönlichkeit , an welchen es doch gewifs in dem Geschlecht der v. Natzmer nicht fehlt.

XXIX .

Verzeichnis

der bedeutenderen Aufsätze aus

anderen militärischen Zeitschriften.

(15. Juli bis 15. August. )

Militär-Wochenblatt ( Nr. 59-67) : Flankenmärsche . - Die Möglichkeit einer Landung in England.

Die wichtigste konventionelle

Bestimmung. - Ansichten des Generals Dragomirow über die Artillerie im Verhältnis zu den höheren Führern der anderen Waffen. - Die Kavalleriekonferenzen zu Tours und der Spectateur militaire. Die britische Armee in Indien. ― Paris , seine Bevölkerung und Befestigung . Über die Signale der Infanterie. - Das Distanzschätzen mit Hülfe des Schalles und der Entfernungsmesser des belgischen Oberstlieutenant Le Boulengé. Beiheft zum MilitärWochenblatt (6. und 7. Heft) : Turkmenien.

Das Vordringen der

Russen in

Allgemeine Militär - Zeitung ( Nr. 55-64) : Die hundertjährige Jubiläumsfeier des bayerischen I. Infanterieregiments König . ---- Über

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

348

Das neue Übungen von Schleichpatrouillen im Vorpostendienst. Befestigungssystem der französischen Ostgrenze. - Noch einmal die Repetirgewehre. - Die Parade der englischen Freiwilligen am 9. Juli 1881 und die Entwickelung der britischen Freiwilligenwehrkraft. Einige Worte über Hitzschlag. -Über den Nutzen der körperlichen KörperDas Verteidigungssystem der Schweiz . - Die Übungen. beschaffenheit der preufsischen Militärpflichtigen . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 57-65) : Die Freiwilligenrevue in Windsor. Die preufsische bezw. deutsche Artillerie 1866 und 1870/71 . - Mitteilungen über den heutigen Stand des russischen Die Beschuhungsfrage . - Die Manöver der franGestütwesens . Über militärische Disziplin. Herbst 1881. im Armee zösischen Die Militärbrieftauben in Spanien .

Sollen in

der Schweiz

drei

verschanzte Lager angelegt werden , oder ist ein Centralwaffenplatz Die Förderung der Gesundheit der Rekruten. vorzuziehen ? -Betrachtungen über das sogenannte schwedische CentralverteidigungsSystem . Militär-Zeitung für die

Reserve- und Landwehr-Offiziere des

deutschen Heeres ( Nr. 29-33) : Beitrag zur gefechtsmäfsigen Ausbildung der Infanterie . - Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fuſsartillerie. Die Reiterei. Die Friedensausbildung

der Ersatzreserven.

Die Frühjahrsinspizierungen der

preufsischen Infanteriecompagnieen . Archiv für die

Artillerie-

und

Ingenieuroffiziere

(88.

Band

4. Heft) : Artilleristischer Rechenschieber zum Gebrauch für die Fulsartillerie, konstruiert durch Hauptmann v. Scheve. Die schweizerische Landesbefestigungsfrage. - Die Artillerieschulen in älterer Zeit. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft VII . ) ; Die Regenverhältnisse des indischen Ozeans. - Der Teifun vom 19. bis 27. August 1880 im Stillen Ozean östlich von Japan den Kurilen .

und

Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift (VII . Heft) : Sprache und Schrift und Niklas Jurischicz Freiherr von Güns . Distanzritt der die deutsche Orthographie der nächsten Zukunft. Offiziere des k. k. 5. Feld-Artillerie- Regiments von Budapest nach Kis-Bér und Bábolna . -- Übungen im Gebrauch der blanken und Die neue Instruktion für die der Feuerwaffen bei der Kavallerie. Die Gefechte zwischen den Engländern und Boers im Transvaal. Kartätschpatrone für Gewehre.

Waffenübungen

des

k. k. Heeres .

Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad" ( Nr. 57

aus anderen militärischen Zeitschriften.

349

-65) : Die Behandlung der Mannschaft . --- Zur Organisation der Die jetzige Organisation der ostrumelischen Streitk. k. Infanterie. kräfte. Die Ausbildung der Honvedtruppe . - Die Gesundheitsverhältnisse in der k. k. Kriegsmarine . -

Die Würde des Soldaten . Erprobung der neuen russischen Schiefsinstruktion . - Das AnDer Mangel eines Generalstabschefs in Italien . sehen des Offiziers . Der Krieg zwischen Engländern - Die britische Armee in Indien. und Boern im Jahre 1880-81 . Österreichische Militär - Zeitung ( Nr. 56-63) :

Die

englischen

Freiwilligen. -Über Etiquette im Offiziercorps . Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens 7. Heft) :

Übersicht

der Befestigungen in Frankreich, Italien, Rufs-

land , Deutschland , Belgien

und Niederlande .

Beschiefsung einer

feldmässigen Redoute aus den neuen russischen Feldgeschützen im Lager zu Ust-Izork. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Nr. VI . und VII .) : Improvisierte Torpedos von Torpedoangriffen .

und improvisierte Schutzmittel zur Abwehr Ansichten über die Heranbildung des Über die Systeme Maschinenbetriebspersonals für Kriegsfahrzeuge .

der Schiffsprobefahrten .

Das

russische Torpedoboot Batum .

13 pfd. Hinterladefeldgeschütze in England. Le spectateur militaire ( 15. Juli 1881) : Leben des Generals MarDer Verpflegungsgueritte. Der Equipagentrain 1880-1881. dienst. - (15. August 1881 ) : Das Leben des Generals Margueritte . Historische ,

praktische und

wissenschaftliche Betrachtungen in

betreff der typhusartigen Krankheit, welche gegenwärtig die Armeepferde und jene der industriellen Gesellschaften heimgesucht hat . Studie über die französische Armee.

Journal des sciences militaires (Juli 1881) : Aufklärungstaktik. Verbalprozess der Sitzungen in Tours unter Vorsitz des Divisionsgenerals Gallifet. - Der Krieg und die Geschichte. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 29-33) : Abhandlung über theoretische und praktische Elektrizität. - Historische Studie -

über die permanente Befestigung . - Die Kavallerie in der Schlacht ― Die militärische Taubenzüchtung in Spanien. Die Elektrizität. -- Betrachtungen über den Winter-

bei Vionville - Mars-la-Tour.

beschlag. - Die Teleologie. Betrachtungen über die Expedition nach Tunis . Bericht eines portugiesischen Offiziers über die spanische Armee. - Das Gefecht zu Fuſs. L'avenir militaire ( Nr. 733 u. 734) : Der Aufstand in Algier. Neuer AvancementsgesetzEine notwendige Kriegskontribution .

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

350

entwurf und der Rekrutierungsdienst . Der Telelog. Hauptleute -

Das Berittenmachen der

Le progrès militaire ( Nr. 74–82) : Der Veterinärdienst bei der Infanterie. - Die vierten Bataillone in Afrika. - Die Kavallerieformationen . Die Artillerieschiefsschulen. Die höhere Kriegsschule

Die afriDas neue Handbuch des Schiefsens. ― kanische Artillerie und die Gebirgsbatterieen. - Die Aufklärungstaktik. - Das Feuern auf grofse Entfernungen. - Die Budgets von 1882. - Die Pariser Regimenter und die Festungsbataillone . Die Einberufung der Reservisten . - Das Heiraten der Unteroffiziere . und ihre Kritik.

Die Wahlen und die militärischen Reformen.

Die Konferenzen

von Tours . L'armee française ( Nr. 541-559) : Die Gefechtsmethode in der Sahara. Einige Bemerkungen zu den grofsen Kavalleriemanövern . Instruktionen über die Kavalleriemanöver 1881. Küchen.

Die fahrenden

La France militaire ( Nr. 47-49) : Das Avancement in der Armee. - Das Schiefsen im Felde bei der Feldartillerie. - Die Ernährung der Truppen in Tunis . Revue d'Artillerie (Juli 1881 ) : Operationen der 3. Batterie der Artilleriebrigade des Kaukasus. Einige Betrachtungen über den indirekten Schufs im Felde . Die deutsche Artillerie. ― Tagebuch eines Offiziers des tunesischen Expeditionscorps . Revue maritime et coloniale (Juli 1881) : Die Marine während des griechischen Unabhängigkeitskrieges . - Die chinesische Armee. Russischer Invalide ( Nr. 92-157) : Über das neue Kavalleriereglement. Die heutigen Festungen und die Taktik des Festungskrieges . -- Die Austrocknung Polesiens. Arbeiten im Jahre 1880 . -- Die Streitkräfte Bulgariens. Wajenny Sbornik (Juli -Heft) : Die Reiterei jenseits des Wiedflusses. Über die taktischen Sommerarbeiten der Offiziere . —— Die Organisation und Verwendung der reitenden Artillerie in den grösseren europäischen Armeeen . - Das Lazarethwesen im russisch-türkischen Kriege von 1877-78. - Militärstatistische Übersicht der Kosakenheere .

Russisches Artillerie-Journal (Juli-Heft) :

Blicke auf die gegen-

wärtigen Ansichten über die Bestimmung des Druckes der Pulvergase im Rohre auf dem Erfahrungswege . - Über den Einfluss der Erhitzung der Sprengstoffe auf ihre Explosionskraft. Die Unterhaltung und Leitung des Feuers batterie.

einer Belagerungs-

oder Festungs-

aus anderen militärischen Zeitschriften.

Russisches Ingenieur-Journal (Juni- Heft) :

Die

6. Kriegstelegraphenparks im letzten Türkenkriege .

351

Thätigkeit des Versuch einer

mechanischen Theorie für die galvanische Leitung. Morskoi Sbornik (Juni- und Juli- Heft) : Einige Worte über das Marinekriegsspiel . Die Seetaktik auf offenem Meere. - Über die Konstruktion der russischen Schiffe im Verlauf der letzten 25 Jahre. L'Esercito italiano ( Nr. 82-92) : Der praktische Unterricht des Reglement für die Disziplin. - Die Alpentruppen und Heeres. die Verteidigung der Alpen. Die Waffenfabriken.

Die Grundpfeiler der Territorialmiliz .

Giornale di Artiglieria e genio ( Heft 5 ) : Die Herstellung der Eisenbahnen in Kriegszeiten . - Betrachtungen über Konstruktion der Belagerungsbatterieen. - Die gezogene Angriffs- und VerteidigungsHeizen und VenHinterladeartillerie des italienischen Heeres. tilation. Rivista marittima (Juli-August 1881 ) : Reise der kgl . Korvette - Betrachtungen über Schiffstaktik . - Die Elek"" Victor Pisani". tricität zur Fortpflanzung des Schalles verwendet. -- Über Kriegsgesetze und ihre Anwendung in betreff der Zünder- und ExplosionsDas Personal der Küstenartillerie . schiffe, sowie der Torpedos . Army and Navy Gazette ( Nr. 1121-1125) : Die Lehren der Revue in Windsor. - Einige Lehren des afghanischen Krieges. -- Bericht über Maschinengeschütze . - Das Bombardement von Sfax . — Der Herzog von Cambridge und die Freiwilligen. — Typen von KriegsNeue Kanonenschiffe schiffen . - Die Kolonieen und der Dienst. für China. - Afghanistan. - Die russische Marine . ― Die TransUnser vaalkonvention. Das Schema der Armeereorganisation . militärisches Prestige . ―

Berittene Infanterie.

Army and Navy Journal ( Nr. 49-52) : Der Wechsel in der britischen Armee. Die Seemiliz . ― Kauffahrer und Kreuzer. Ein Die Kanone und ihre Entwickelung. - Das Marinecorps . -

neues Torpedoboot. The United Service (Augustheft 1881) : Über den Ursprung der Drei Jahre während der Blockade. - Die österreichische Dragoner. Artillerie. - Über Infanterie . Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung ( Nr. 29-33) :

Mein

Aufenthalthalt in Zülpich vom 6. bis 22. September 1880 bei der kombinierten Kavalleriedivision . -Ebenfalls zur Organisation der Geniewaffe . Das Feuergefecht der französischen Infanterie. Zur GenieDie Fleischration des Soldaten. - Allgemeine GrundÜber das Bajonettfechten . sätze des Infanteriegefechts . 24 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL. organisation.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

352

Revue militaire suisse ( Nr. 14-16) : grofse Distanzen . Der Infanterieoffizier

Das Infanteriefeuer auf in der schweizerischen

Armee. - Der gegenwärtige Stand unserer Artillerie . - Zwei neue Krupp'sche Geschütze . Widerstand der Positionslafetten bei abnormen Verhältnissen . - Die Organisation des Geniecorps in der Schweiz.

Die Kürassierfrage in Frankreich.

Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 7) : Die Formation der Genietruppen. Die Schiefsversuche mit dem Krupp'sche schweizerischen Repetiergewehr im Frühjahr 1880 . ― Schiefsversuche.. De militare Spectator ( Nr. 8 ) : Über Normalbatterieen bei der Verteidigung von Festungen. - Das Aufsteigen der Kanoniere bei der Feldartillerie. Norsk Militaert Tidsskrift (44. Bd . 7. Heft) : Militärische Übersicht für 1880. - Die Militärakademie zu Westpoint . - Beiheft : Über die jährlichen Übungen der Kavallerie. Revista cientifico militar (Nr. 14-17) : Der französisch-tunesische Krieg. Oran und Tunis. --- Über den Krieg mit irregulären Truppen. Die Statistik und der Krieg. - Der Einfluss der allmählichen Verbesserung der Handfeuerwaffen auf das Gefecht. Kampfformen der Infanterie .

Die

La illustracion militar ( Nr. 10) : Praktische Übungen in der FortiDas Kastell St. Georg. fikation. Die Ereignisse in Jolo. Das Lager bei Gibraltar. Revista militar (Nr. 13 u. 14) : Die Bewaffnung der Infanterie. Das Heer eine Schule des Gehorsams. Die Manöver des fran-zösischen 5. Corps im Herbst 1880. Einige Bemerkungen über Militärorganisation . -

Der Krieg in Transvaal.

Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 14 u . 15) : Über die militärischen Rayons. Versuche in betreff der Widerstandskraft der Stoffe. Betrachtungen über die Organisation des Eisenbahndienstes im Kriege . Projekt eines organischen Systems von hydraulischen Defensivminen.

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.

353

XXX.

Verzeichnis

der bei

der

Redaktion eingegan-

genen neu erschienenen Bücher u. s. w.

(15. Juli bis 15. August .)

Boguslawski, A. v. ,

Oberstlieutenant :

Der

kleine Krieg

und

seine Bedeutung für die Gegenwart. Nach zwei Vorträgen, gehalten in der militärischen Gesellschaft zu Posen. Mit 5 Skizzen . Berlin 1881. Fr. Luckhardt. - 8º. 88 S. Der nächste Feldzug von L. Seguin und das deutsche Antwortschreiben . Hannover 1881. Helwingsche Verlagsbuchhandlung. — 8º.- 27 S. - Preis 0,80 Mk . Garnisonkarte der deutschen Armee mit Angabe der Armeecorps und Landwehrbezirksgrenzen, sowie Servisklassen für sämtliche Garnisonorte .

mit Bezeichnung der Nebst einer ausführ-

lichen Liste aller Truppenteile und Landwehrbataillone gabe der Standquartiere . Auflage. Leipzig 1881.

mit An-

Zweite , neu berichtigte und ergänzte Mor. Ruhl. - Preis 0,80 Mk.

Geschichte des 3. Garde - Grenadier - Regiments Königin Elisabeth im deutsch - französischen Kriege 1870/71 . Nebst Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880. der

Beiträge zur Geschichte

Als Fortsetzung

des 3. Garde-Grenadier- Regiments

Königin Elisabeth 1859 bis 1870 " auf Befehl des Regimentskommandos nach den Akten zusammengestellt. Mit 3 Bildnissen und 7 Karten . Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn . 8º. 344 S. Preis 9 Mk .

Hilken, Hauptmann und Compagniechef: Kurzgefafste Geschichte des 8. Westfälischen Infanterie - Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments . Wesel 1881. C. Kühler. - kl. 8º. - 95 S. Hoffmann, C. v., Oberst und Regimentskommandeur : Das Königl Bayerische 4. Infanterie - Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806. Mit Titelbild, Uniformbildern und Karten . Berlin 1881. E. S. Mittler 80 . -614 S. - Preis 12,50 Mk. u. Sohn. 24*

354

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.

Jagwitz, F. v., Premierlieutenant à la suite des Königs-GrenadierRegiments , Adjutant der 20. Infanteriebrigade : Essay über Befehlsführung im Bereiche der Infanterie - Division. Zwei Vorträge gehalten 1881 in der militärischen Gesellschaft zu Fr. Luckhardt. Berlin 1881. Posen, Mit einem Plane.

8º. -

52 S.

Marcinowski , F., Geh . Finanzrat : Die Wehrsteuer im Deutschen Reich , ihre geschichtliche Entwickelung , politische , finanzielle R. v. Deckers Berlin 1881. und wirtschaftliche Bedeutung . Verlag. - 8º. 192 S. 0. F.:

Armee remontierung

und

Pferdeaushebung.

Vor-

schläge zur Bildung einer Kriegsreserve von Militärpferden und zur Hebung der Pferdezucht. Berlin 1881. Fr. Luckhardt. 8º. - 23 S. Pelet-Narbonne , G. v. , Major im 2. Westfäl . Husaren-Regiment Nr. 11 : Der Kavalleriedienst und die Wehrkräfte des Deutschen Reiches .

Ein Lehrbuch für jüngere Offiziere sowie

zur Benutzung beim theoretischen Unterricht, nebst einem Anhang : Der Melde- und Rekognoszierungsdienst

des

Kavallerieoffiziers ,

Formales über Dispositionen, Relationen, Croquis . Mit Abbildungen im Text. - Zugleich sechste Auflage des „ Hülfsbuchs beim Berlin 1881. E. S. theoretischen Unterricht" von v. Mirus . Mittler u. Sohn. 80.490 S. - Preis 7 Mk. Scheibert, J. ,

königl. preuſs . Major z . D .:

Die Befestigungs-

kunst und die Lehre vom Kampfe. Streiflichter. - Zweiter Befestigungen. Teil : Im Frieden vorbereitete Mit Plänen und 2 Skizzen französischer Festungen. - Berlin 1881 . 8º. 120 S. Fr. Luckhardt. Sicherungsdienst , Der . . . nach den Grundsätzen der neuen Felddienstanleitung für Unteroffiziere der schweizerischen Infanterie und Kavallerie - bearbeitet von einem Instruktionsoffizier. Luzern 1881. 3. Auflage. *16º. - 61 S. Pr. 50 cts.

Weygand , Hermann , Grofsh . Hess. Major z . D. und LandwehrBezirks - Kommandeur : Taschen - Ballistik für den Infanterie - Offizier. Ein Anhang zur Deutschen Schiefsinstruktion . - Berlin 1881.

Fr. Luckhardt.

kl. 8º. -

82 S.

Ziegel, Dr., Stabsarzt im Königl. Preufs . Sanitätscorps : Entwurf zu einer Friedens - Sanitätsordnung für das preussische Heer. - Nach einem Vortrag in der militärärztlichen Gesellschaft zu Stettin.

Stettin 1881 .

8º.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.

28 S.